Konoha Side Stories von Ace_Kaiser ================================================================================ Kapitel 12: Feuerregen 2 ------------------------ Heute Nach einem langen, ausgiebigen Erholungsschlaf erwachte ich in meinem Elternhaus. Die Sonne stand hoch am Himmel. Genauer gesagt würde sie bald untergehen. Jahreszeit und Sonnenstand berücksichtigend hatte ich also fast zwanzig Stunden durchgeschlafen. Aber es hatte sich gelohnt. Ich fühlte mich wach, erfrischt und aktiv. Mit neuem Elan schwang ich mich aus dem Bett und eilte, nur mit meinen Shorts bekleidet, den Gang in Richtung Toilette entlang. Was sollte denn auch ausgerechnet in diesem Haus passieren, ging es mir noch durch den Kopf, als ich überrascht vor einem Mädchen stehen blieb, das mich mit steigendem Entsetzen musterte. Ihr hysterischer Schrei und die daran anschließende Ohrfeige waren also obligatorische Folgen für mich. Nicht, dass ich derartiges weibliches Verhalten nicht schon ausgiebig bei Hana und Karin hatte studieren können. "Was...? Ah, du bist ja doch schon wach, Mamoru. Hinata, was ist denn?" Während ich mir die schmerzende Wange rieb, deutete das junge Mädchen entsetzt auf mich. "N-n-n-n-n-nackt!" Der Neuankömmling, mein alter Freund Kou Hyuuga, musterte sie entsetzt, und anschließend mich. Natürlich, die weiße Iris. Ich hätte gleich sehen müssen, dass das Mädchen eine Hyuuga war. Aber in dem Alter hatten sie eigentlich nur ein Mädchen, und das war die Erbin des Hauses. Hatte Kou sie nicht auch gerade Hinata genannt? Ich konnte förmlich spüren, wie sich die Situation zu meinen Ungunsten veränderte. Wenn jetzt auch noch meine Schwester... "Stimmt was nicht? Oh, Mamoru, du kannst doch nicht nur in Unterwäsche im Haus herum laufen, wenn wir Gäste haben." "Yuriko-nee, das ist ein kleines bisschen unfair." "Siehst du, Hinata, er ist nicht nackt. Er trägt Unterwäsche", sagte Kou sanft zu dem entsetzten Mädchen. Ein scheeler Seitenblick traf mich. "Warum läufst du überhaupt so rum?" "Weil das hier mein Zuhause ist und ich nicht mit Besuch gerechnet habe? Und wenn Ihr mich kurz entschuldigt, ich habe dringende Geschäfte vor." Mit diesen Worten ließ ich die drei stehen und ging auf Toilette. Als ich dort fertig war, mit einem Haufen, der eines Hokages würdig gewesen wäre, spähte ich vorsichtig auf den Gang, aber Hinata war nicht mehr da. Also machte ich mich auf den Weg in mein Zimmer. Allerdings hätte ich vor Schreck beinahe die Wand zu meiner Linken eingerannt, als ich den jungen Burschen entdeckte, der neben der Tür gewartet hatte. Er hätte mich wenigstens warnen können. Oder den hochgestellten Kragen abfalten oder die Sonnenbrille abnehmen können... "Himmel, was machst du hier?", fuhr ich den jungen Burschen an. Ein Aburame, eindeutig ein Aburame. Und mit diesen Käferbändigern hatte ich noch nie gut gekonnt. "Warten. Darauf, dass die Toilette frei wird. Sie ist doch jetzt frei?" Konsterniert starrte ich in das reglose Gesicht den Genin. "Ja, es ist jetzt frei. Ich würde an deiner Stelle aber noch etwas warten, wenn..." "Danke, ich bin nicht empfindlich." Er passierte mich und trat in die Toilette. Erleichtert atmete ich aus. Diese Aburames erschreckten mich. Ich mochte schon Spinnen nicht besonders, aber die Aburames waren mir einfach unheimlich. Dennoch, die Begegnung hatte ich überstanden. Zumindest bis der Kopf des Jungen kurz wieder in den Gang ragte. "Es wird länger dauern." "Keine Sorge, lass dir Zeit", erwiderte ich, denn noch mehr erschrecken konnte ich mich gar nicht mehr. Als ich auf mein Zimmer ging, erhaschte ich einen kurzen Blick ins Wohnzimmer, wo Hinata und Kou zusammen am Tisch knieten. Als sie mich sah, war sie für den Moment wieder entsetzt, aber dann atmete sie durch und versuchte sich an einem nichtssagenden Lächeln. Mist, Mist, Mist, der Käferjunge hatte die Tür nicht richtig hinter sich zugeschoben. Schnell hatte ich mich angezogen. In meiner normalen Arbeitsmontur, den Stirnschutz mit dem Konoha-Symbol angelegt und in voller Bewaffnung betrat ich das Wohnzimmer. "Nein! Nicht da!", gellte ein erschrockener Ruf auf. Genau eine Sekunde, bevor ich einem kleinen Hundewelpen auf den Schwanz trat. Das arme Tier jaulte entsetzt auf und eilte zu seinem Herrchen, der am Stirnende des Tischs neben meiner Schwester hockte. Er griff nach dem Tier und nahm es in die Arme. "Ist doch nichts passiert, Akamaru. Das kann dir doch gar nicht weh getan haben", sprach er mit barscher, aber irgendwie doch sanfter Stimme auf den Hund ein. Ein Inuzuka, ein Angehöriger des Clans der Hundespezialisten, wie mir die dreieckigen roten Tätowierungen auf seinen Wangen verrieten. Ihre Zusammengehörigkeit mit den dienstbaren Tieren war legendär, und man sagte ihnen eine innige Beziehung zu ihren Tieren nach, die über Liebe weit hinaus ging. Die Menschenfamilien und die Tierfamilien waren eins, so tief waren ihre Bande. Die Hunde dankten es mit einer Aufopferung, die mancher Mensch nicht aufzubringen vermochte. Na toll, damit hatte ich es mir mit dem Hyuuga-Mädchen, mit dem Aburame-Käferbändiger und jetzt auch noch mit dem Inuzuka-Burschen und seinem Hund verdorben. Na, dann konnte ja nichts mehr schief gehen. Ich seufzte laut auf, irgendwo gefangen zwischen Erleichterung und Niedergeschlagenheit. Fehlte nur noch, dass Hanako und Karin dazu kamen und mich dafür tadelten, was ich dem armen Hundchen angetan hatte. "Hallo, Mamo-chan", hörte ich prompt eine Frauenstimme sagen. Erst jetzt erfasste ich die Tischseite gegenüber der beiden Hyuugas. "Kurenai-sensei. Guten Abend." Okay, das war ja noch mal gut gegangen. "Was kann ich für dich tun? Was kann ich für euch tun?", fragte ich mit einer allumfassenden Geste. "Setz dich, Mamoru", sagte meine Schwester, füllte eine Tasse mit grünem Tee und schob sie mir zu. Am Stirnende gegenüber dem Inuzuka konnte ich mich nicht niederlassen. Der halb geleerte Becher wies darauf hin, dass der Käferjunge hier saß. Also platzierte ich mich neben Yuuhi Kurenai. Nebenbei bemerkt war das nicht das Unangenehmste, das einem Mann in Konoha passieren konnte. Dankbar nahm ich den Tee entgegen, trank einen Schluck, und fühlte Wohlbehagen in mir aufsteigen. Und Hunger. Viel Hunger. Großen Hunger. Ärgerlich schob ich das Gefühl von mir. "Also, Kurenai-sensei, was kann ich für dich tun?" "Yuuhi", mahnte sie mich. Vielleicht das fünfte oder sechste Mal, seit sie mir erlaubt hatte, sie zu duzen. "Was kann ich für dich tun, Yuuhi-sensei?" Auch dieser Suffix fand nicht direkt ihren Gefallen. Dennoch lächelte sie kurz darauf und nickte mir zu. "Die Teams stehen fest, mit denen du in den Einsatz gehen wirst. Eines davon ist mein Team acht." Sie deutete auf den Hundebändiger. "Kiba Inuzuka." Dann auf die Hyuuga-Erbin. "Hinata Hyuuga." Und schließlich auf den Käferjungen, der gerade wieder zur Tür herein kam. "Shino Aburame." "Ein eingespieltes Team also?" Das war eine erfreuliche Nachricht und würde mir einiges - vieles - an Mühen ersparen, die mir sonst bevorgestanden hätten. "Ein eingespieltes bewährtes Team. Da du keine weitere Unterstützung durch Chunin und Jounin bekommst, werde ich nicht mitkommen. Ich wurde bereits einer S-Klasse-Mission zugeteilt." Das ließ mich ehrfürchtig aufraunen. Ich hatte noch nie an einer Mission teil genommen, die von vorne herein den höchsten Schwierigkeitsgrad gelabelt worden war. Und das würde wohl auch noch eine Zeitlang so bleiben, solange niemand auf die Idee kam, mich zum Jounin zu befördern wie meinen Cousin Shikamaru. Sie lächelte bei meiner sichtbaren Sorge. "Asuma wird mit dabei sein. Es ist... Kompliziert." "Ich habe nichts anderes von einer S-Rank-Mission erwartet." Langsam sah ich ins Rund, während sich der Käferjunge wieder setzte. "Wer sind die anderen drei?" "Ikuko Kenda, Inari Asa und Ryu Kaminari." Für einen Moment musste ich scharf einatmen. Diese Namen weckten Erinnerungen, gute wie schlechte. Vor allem solche, die mit dem Angriff von Sunagakure und Otogakure auf meine Heimatstadt zu tun hatten. Und das waren Erinnerungen an jene, die gestorben waren, als sie unter meinem Kommando gestanden hatten. Unwillig schüttelte ich den Gedanken ab. "Sie sind gute Leute." "Sie haben nicht gezögert, als man ihnen diese Mission angeboten hat. Wusstest du, das man Kaminari die Chunin-Prüfung erlauben will?" Das erstaunte mich jetzt doch ein wenig. Gewiss, der ehemalige Nukenin hatte sich in der Schlacht damals mehr als rehabilitiert, hatte Blut vergossen und Tod gesäht für Konoha. Aber dass die Führungsspitze ernsthaft daran dachte, ihn Verantwortung tragen zu lassen, erstaunte mich. Ansonsten war die Führung von Konoha... Erheblich eingestaubter. Das musste der frische Wind sein, den Tsunade-sama in die Stadt gebracht hatte. "Das ist gut zu wissen. Er ist ein guter Ninja." "Damit sind wir auch schon beim Thema, Sempai", sagte der Aburame. "Wir wurden dir nicht nur zugewiesen, um die Mission in Kirigakure zu unterstützen. Wir haben auch den Auftrag, uns bei dir ein paar Dinge über Menschenführung anzuschauen." Seine Stimme blieb seltsam neutral, als er hinzu fügte: "Wir drei werden ebenfalls am nächsten Chunin-Examen teil nehmen und diesmal bestehen." So wie er es sagte, würde er wohl eher sterben wollen als in diesem Fall Unrecht zu haben. "Aha. Verstehe. Nun gut, ich werde euch einiges beibringen. Ob es euch nützt, müsst Ihr selbst entscheiden." Kou lächelte schmallippig zu mir herüber. Mir war klar, warum er hier war. Als Hinatas persönlicher Trainer hatte er ein besonderes Verhältnis zu ihr und machte sich Sorgen. Ich nickte unmerklich, um ihm zu versichern, dass ich gut auf sie aufpassen würde. Sein Nicken als Antwort erleichterte mich sehr. Gut, er vertraute mir. Ich hatte es nicht anders erwartet, aber es war schön, das Vertrauen auch zu sehen. "Deshalb seid Ihr also hier?", fragte ich. "Deshalb, und weil wir dich zum Essen einladen wollen, Mamoru", sagte Kurenai-sensei freundlich. "Danke, das ist nett, aber ich habe mich bereits mit meinen beiden Chunin auf Probe verabredet." "Mit beiden zugleich? Tolle Leistung", sagte Kiba grinsend. "A-aber sie können doch auch mitkommen", ließ sich Hinata vernehmen. Das war, fand ich, gar keine dumme Idee. Das konnte sehr effektiv verhindern, dass... Ja, dass ich zwischen den beiden endlich wählte. Das konnte mir helfen, diese Entscheidung bis nach der Mission hinaus zu schieben. "Eigentlich keine dumme Idee", sagte ich nachdenklich. Der junge Inuzuka musterte mich irritiert. "Du willst ein Doppeldate sausen lassen, Sempai? Bist du sicher?" "Halte die Klappe von Dingen, die du nicht verstehst, Kiba", tadelte Shino. "Er hat seine Gründe." Beinahe glaubte ich sehen zu können, wie sich in seinen Augenwinkeln jene Falten kräuselten, die ein Lächeln begleiteten. "Ich habe da so einiges gehört, und ich denke, wir sollten auf ein gemeinsames Essen bestehen. Diesmal zumindest." Und mit einem Schlag war mir der Aburame-Clan sehr viel sympathischer. Shino schien der Denker im Team zu sein. Ein aufgeweckter, aufmerksamer Bursche mit Intuition. "Interessant, Kleiner. Du bist gut, wie es scheint." "Ich habe Augen um zu sehen, und Ohren um zu hören." "Welche Sinne er noch hat, um noch ganz andere Sachen zu machen willst du gar nicht wissen, Sempai", sagte Kiba leicht verärgert. "Also essen wir heute Abend zusammen." "Ich kann etwas kochen", bot meine Schwester an. Ich winkte gönnerhaft ab. "Meine letzte Mission hat mir genügend Geld eingebracht, um euch sorglos auszuführen. Euch, dich, Yuriko-nee, dich, Kou, dich, Yuuhi-sensei, und auch noch Hanako und Karin. Und die anderen Genin." Unwillkürlich sah ich auf den weißen Hund auf Kibas Schoß. "Und selbstverständlich bist du da auch mit drin in der Rechnung, Akamaru." Der Hund kläffte, und es klang, als wolle er meine Worte bestätigen. Junge, Junge, die Inuzuka-Hunde waren etwas sehr besonderes. "Also gut", sagte ich und stand auf, "ich habe Hunger. Wo kriegen wir um diese Uhrzeit einen Tisch für zwölf Personen in Konoha?" "Oh, das sollte kein Problem sein", sagte Kou und erhob sich ebenfalls. "Ich muss nur unsere Reservierung unwesentlich erweitern. Sagst du deinen anderen Leuten Bescheid, Mamo-chan?" Zufrieden nickte ich. "Das fängt ja viel versprechend an." "Habe ich wirklich versprochen, euch einzuladen?", fragte ich erschrocken, während ich am größten Tisch des besten Restaurants Konohas saß. Auf jeden Fall wusste ich jetzt, warum Kou darauf bestanden hatte, "Zivilsachen" anzuziehen, und nach Möglichkeit meine besten. Ich hatte dementsprechend gehandelt; da mir mein letzter formeller Anzug wieder mal zu klein geworden war, hatte ich meinen guten Seidenanzug mit Stehkragen gewählt, grün mit goldenen Drachenapplikationen bestickt. Ein wirklich schönes Stück, wenn es auch nicht der hiesigen Mode entsprach. Und, wie es mir schien, für dieses Geschäft gerade mal gut genug, dass ich nicht gleich wieder raus geschmissen wurde. Zumindest, wenn ich den Blick des Oberkellners richtig interpretierte. Nun, die arrogante Methode beherrschte ich auch, und darum hatte ich den guten Mann sehr hochnäsig an der Nase herum geführt, als es um die Getränke gegangen war. Aber er hatte den Wink verstanden, verbunden mit einem unauffälligen Trinkgeld, und jetzt hatte ich wenigstens Ruhe. "Ja, du hast versprochen, uns alle einzuladen, Bruderherz." Yuriko-nee trug ein wirklich reizendes schulterloses Kleid, dessen Schnitt gerade erst im Feuerland modern wurde und aus dem Land des Wassers stammte. Nicht, dass sie eine Trendsetterin war, aber sie hatte ein unheimliches Gespür für ihre Umgebung, und mit diesem Kleid wirkte sie wie für dieses Lokal wie geschaffen. Nicht so leicht deplaziert wie ich. Auch meine Mädchen hatten sich heraus geputzt. Hanako hatte sich für einen blutroten Kimono entschieden, der aufwändig mit Blumen bestickt war, und unterschwellig verriet, das er ein richtiges Vermögen gekostet hatte. Ihr goldenes Haar aber, das locker über ihre Schulter fiel, war ihr eigentlicher Schmuck. Sie brauchte nichts anderes, als ihre Haare zu öffnen, um jede juwelenbehängte Frau neben sich bedeutungslos ausschauen zu lassen. Karin hingegen hatte sich auch für ein Kleid entschieden. Ein elegantes schwarzes Abendkleid, das so eng an ihrem Körper saß, dass nicht sehr viel der Fantasie überlassen wurde. Es schien den Standard des Restaurants mehr als zu erfüllen. Als sie kurz auf Toilette verschwand, registrierte ich mit meinen schwachen sensorischen Fähigkeiten mehr als dreißig Männer, die dem eleganten schwarzhaarigen Mädchen mit steigendem Herzschlag hinterher sahen. Kurenai-sensei trug das, was man als violettes Cocktail-Kleid kannte. Eine Modeform aus dem Land der Blitze. Es war schlicht, es war elegant, es war Schulterfrei. Hinata hatte sich in ein ähnliches Ensemble gequetscht, nur war ihr Kleid cremeweiß. Sie ging damit um, als wäre sie solche Orte und solche Kleidung gewohnt. Als älteste Tochter der Hyuugas und Erbin des Hauses sicher kein Widerspruch. Ihre beiden Teamgefährten trugen schwarze Anzüge, weiße Hemden und Fliegen. Vor allem der Hundejunge fühlte sich in diesem Aufzug nicht besonders wohl. Mehr als einmal lüftete er seinen Kragen, bis Kurenai-sensei ihm versteckt auf die Finger schlug. Kou, der natürlich neben meiner Schwester saß, war die Ruhe selbst. Auch er trug einen Kimono. Einen schlichten, nicht besonders protzigen, auch wenn er sicher nicht billiger als mein ausländischer Anzug gewesen war. Aber er trug ihn mit einer stillen Würde, einer Eleganz, an die ich nicht heran reichte. Und wahrscheinlich auch nie würde. Die Letzten in der Runde waren alte Kampfgefährten von mir. Sie hatten die Schlacht um Konoha überlebt und dabei an meiner Seite gekämpft. In der Zeit danach hatte ich immer wieder mit ihnen zusammen gearbeitet, aber nie mit allen drei. Ikuko Kenda, eine der besten sensorischen Ninjas, die ich kannte, hatte sich erstaunlich verwandelt. Trat sie normalerweise eher grob auf, so als würde sie von Weiblichkeit nichts wissen wollen, so war ihr heutiger Anblick für mich ein erheblicher Schock. Nicht nur, dass Ihr enges Cocktail-Kleid eine Oberweite enthüllte, die ich so nicht einmal geahnt hatte, ihr kurz geschnittenes Haar war geschickt gegelt zu einer spannenden verwuschelten Frisur geformt worden. Zusammen mit dem dezenten Make-Up machte das sie zum Hingucker. Nicht nur wegen dem beachtlichen Busen. Inari Asa, der Medi-Nin, fühlte sich noch unwohler als Kiba. Nicht, dass er am Mandarinkragen seines grauen Anzugs herum hantierte - der ihn übrigens davon enthob, eine Krawatte oder eine Fliege tragen zu müssen - er hatte fein säuberlich die Hände in den Schoß gelegt. Aber er schwitzte, und das schien mit jeder Minute zu zu nehmen. Blieb noch Ryu Kaminari, der ehemalige Nukenin, der damals, in der Schlacht gegen Suna und Oto alle vergangenen Taten vergessen gemacht hatte. Gerade in der Zeit, nachdem wir viele gute Ninjas verloren hatten, waren seine Talente bitter nötig gewesen. Und er hatte nicht gezögert, sie einzusetzen. Er fühlte sich hier merklich deplatziert, aber er hatte so seine eigene Art, das zu zeigen. Er trug einen relativ schmucklosen Kimono in braun und schwarz, der so schlecht eigentlich nicht aussah, aber so wie er sich mit der Rechten im linken Ärmel am Oberarm kratzte, machte er nicht wirklich viel her. Wahrscheinlich konnte er von Glück sagen, dass die meisten Anwesenden nur Augen für die Damen am Tisch hatten. Als Vorspeise wurde ein Krabbensalat gereicht. Dazu, für die Älteren, Weißwein. Für die anderen gab es Saft. Glücklicherweise gehörte ich mittlerweile zu den Älteren. Ich meine, es war doch eigentlich ein Unding. Da wurde einem Menschen erlaubt, mit zwölf Ninja zu werden und auf Leben und Tod zu kämpfen, aber leichter Alkohol wie Bier und Wein war erst ab sechzehn erlaubt, Sake und Schnaps sogar erst ab zwanzig? Irgendwie passte das doch alles nicht zusammen. Für mich, zumindest. Während des Essens betrieben wir Smalltalk. Sinn des Abends war ja vor allem, dass alle Beteiligten an der Mission ein Gefühl für die anderen bekamen. Als der Hauptgang kam, Fasanenfilets an neuen Kartoffeln mit Trüffel und Artischocken, plauderten wir schon recht zwanglos miteinander. Die Jungen wollten wissen, was wir schon erlebt hatten, und wir fragten Team acht nach ihren bisherigen Erfahrungen aus. Die, nebenbei bemerkt, beträchtlich waren. Und irgendwie auf die eine oder andere Art Naruto Uzumaki mit einbezogen. Nicht immer, zugegeben. Aber irgendwie schien der quirlige Blondschopf immer dort zu finden sein, wo es gerade was zu erleben gab. Ich kannte dieses Phänomen. Man nannte es in Kreisen der Familie Ärger-Magnet. Bei uns Naras war man sich uneins, wie man solche Ärger-Magneten behandeln sollte. Während mein Cousin Shikamaru dazu neigte, ihnen und der Mehrarbeit, für die sie standen, aus dem Weg zu gehen, freuten sich andere über sie, weil sie Missionen deutlich abkürzten. Alles in allem war in diesen Gedanken deutlich die Grundphilosophie der Nara zu hören: Mit wenig Aufwand viel erreichen. Als das Dessert serviert wurde, exotische Eissorten an flambierter Creme, hatte ich mir bereits einen guten Überblick über die Leistungsfähigkeit von Kurenai-senseis Schützlingen verschafft. Wenn ich sie mit Hana, Karin und mir zu Zeiten unseres Chunin-Examens verglich, hielt ich sie für deutlich stärker. Ich hatte keine Zweifel daran, dass sie es bis in die Einzelkämpfe schaffen würden. Und dort? Nun, Hinata hatte mit ihrem Byakugan einen enormen Vorteil. Die Juuken-Kampftechnik, die daraus resultierte und Chakra-Knotenpunkte versiegeln konnte, war, wenn ernsthaft eingesetzt, durchaus auch tödlich. Kiba war ein Wildfang, erfüllt mit unbändiger Kraft und Leidenschaft, ein Hitzkopf. Es wunderte mich nicht, dass er sich mit Naruto gut verstand. In Verbindung mit seinem Hund Akamaru und den Jutsu seines Clans war er im Nahkampf kaum zu schlagen. Nun, Naruto hatte in seinem Chunin-Examen bewiesen, was dieses fast bedeutete. Aber ich war sicher, dass Kiba dazu lernte. Jeden Tag. Was Shino betraf, so musste ich meine Meinung über den Käferjungen revidieren. Es stimmte zwar, dass der Aburame-Clan die Insekten, die er für den Kampf einsetzte, im eigenen Körper beherbergte, und das ließ mir immer noch einen kalten Schauder über den Rücken laufen, wenn ich daran dachte. Aber die Verbindung hatte kaum etwas parasitäres, sondern war rein symbiotisch. Die Insekten lebten von Shinos Chakra, und ihm Gegenzug ließen sie sich von ihm lenken. Die Erzählungen über seine Kämpfe im Chunin-Examen, und zum Schluss gegen einen Puppenspieler aus Suna - was mich aufgrund meiner eigenen Erfahrungen besonders interessierte - zeichneten mir ein beeindruckendes Bild vom heimlichen Anführer des Teams acht. Er schien ein exzellenter Kämpfer auf große und mittlere Distanzen zu sein, scheute aber auch nicht den Nahkampf. Den überließ er jedoch meistens Hinata und Kiba. Wohlweislich die richtige Entscheidung. "Was denn, was denn?", riss mich Kibas Stimme aus meinen Überlegungen. "Ist doch vollkommen in Ordnung, wenn du erzählst, auf wen du stehst, Hinata-chan. Es ist doch ohnehin kein Geheimnis, dass du einen Narren gefressen hast an diesem..." "Haaaah!" Hinatas blasse Haut war bis an die Haarwurzeln von einem kräftigen Rot durchzogen. Sie wedelte mit beiden Händen, um den jungen Inuzuka zum Schweigen zu bringen. "D-das kannst du hier doch nicht sagen, Kiba!" Oh, das junge Mädchen war also verliebt. Ich sah zu Kou herüber, der mit einem Seufzer beide Schultern hob. Das entzog sich seinem Einfluss, und die Geste sagte mir mehr als genug. Ich grinste, aber wenigstens hatte ich genügend Takt, Hinata nicht noch weiter in die Enge zu treiben. Ryu Kaminari hatte nicht so viel Feingefühl. Er griente burschikos, wie es eben seine grobschlächtige, aber immer ehrliche Art war. "So, so, du hast also einen kleinen Freund, Hinata-chan. Ich hoffe, er weiß dich auch zu schätzen. Immerhin bist du ja jetzt schon eine kleine Schönheit." Die offenen, entwaffnenden Worte schienen Hinata zugleich zu beschwichtigen, aber auch aufzuregen. Sie atmete einmal tief durch, bevor sie kleinlaut gestand: "Kein Freund. Er ist nur..." "Oho!", machte Ryu, "du meinst, es ist eine unerwiderte Liebe? Oder kann es sogar sein, dass wir es hier mit einem absoluten Holzkopf zu tun haben, der deine Gefühle nicht erkennt?" Unmerklich spannte ich mich an, und das nicht nur, weil Ryu die Frechheit hatte, bei diesen Worten zu mir herüber zu sehen. Hinata indes, noch immer stark errötet, nickte schließlich. Eine Geste, die sogar Kurenai-sensei in großes Erstaunen versetzte. So ehrlich schien sie ihre Schülerin sonst nicht zu kennen. Doch sie schien sich nicht sicher zu sein, ob sie sich darüber freuen oder wundern sollte. "Und?", fragte Ryu, um noch mehr Holz auf den brennenden Scheiterhaufen von Hinatas Peinlichkeit zu werfen, "was willst du tun, damit der Holzkopf endlich bemerkt, was du für ihn empfindest?" Ich spürte, wie sich Hanas Hand auf meinen linken Unterarm legte. "Weißt du, Hinata, ich kenne diese Situation. Und ich glaube, ich weiß, wie du dich fühlst. Ich denke, du solltest einmal ehrlich mit ihm sein, auch wenn es dir peinlich ist. Manche Dinge gehören ausgesprochen, sonst werden sie dir ein Leben lang leid tun, glaub es mir." "A-aber..." "Aber was, wenn der Dummkopf keine vernünftige Antwort gibt, oder ausweicht?" Karins Hand legte sich auf meinen rechten Unterarm. "Dann sollte man ihn vielleicht zu einer Aussage zwingen. Ich meine, man kann so einem Mann doch nicht ewig hinterher laufen." Ich spürte, wie ich zu schwitzen begann. Ryu, der die Situation endlich begriffen hatte, warf mir einen mehr als entschuldigenden Blick zu. Kou, mit leichtem Entsetzen im Blick, erhob sich und wollte mir aus der Patsche helfen, aber ausgerechnet meine eigene Schwester fiel mir in den Rücken und zog ihn energisch wieder an seinen Platz. Als er etwas sagen wollte, legte sie ihm mit einem engelsgleichen Lächeln einen Finger auf die Lippen. Hinata indes wurde enthusiastisch. "Also, Hanako-sempai, Karin-sempai, was denkt Ihr, was ich tun sollte?" Die beiden Mädchen lächelten. Ich brauchte es nicht zu sehen, um es zu wissen. Sie taten es, und der Griff ihrer Hände auf meinen Oberarmen verstärkte sich. "Wir denken, du solltest diesen Idioten endlich mal...", begann Hana. "Ich bitte vielmals um Verzeihung. Die Rechnung, mein Herr." Der Chefkellner legte einen kleinen Teller mit einem Umschlag vor meinem Platz ab. Diese unerwartete Entwicklung brachte die beiden Frauen aus dem Konzept, und ich konnte mich befreien, in mehrerlei Hinsicht. Ich nahm die Rechnung auf. "Ich habe alle eingeladen, richtig? Redet ruhig weiter. Ich gehe derweil bezahlen." Mit diesen Worten verließ ich den Tisch. Als ich den Oberkellner erreichte, begrüßte er mich mit einem süffisanten Lächeln. "Vom Gong gerettet, Morikubo-sama?" "Nur für diese Runde. Aber danke für Ihr Eingreifen." Ich öffnete den Umschlag, las die Summe und erschrak nur ein klein wenig. Die Summe stand eine ganze Ecke unter meiner größten Befürchtung, aber weit höher über dem, was ich erhofft hatte. Ich rundete den Betrag ordentlich auf und legte noch einen kleinen Batzen Ryou für das freundliche Eingreifen des Oberkellners obenauf. "Es ist unserem Etablissement jederzeit eine große Freude, Sie in unserem Haus begrüßen zu dürfen, Morikubo-sama. Dürfte ich vorschlagen, dass Sie durch die Küche verschwinden? Ich könnte sagen, dass Sie zum Hokage gerufen wurden." Verlockendes Angebot, aber erstens würden mir Karin und Hana das nie verzeihen, und zweitens war die Lüge zu offensichtlich. "Danke, aber ich fürchte, ich werde mich diesmal stellen müssen." Ich atmete tief durch. "Dennoch, danke für die Pause. Vielleicht kann ich mich noch mal raus reden." "An dieser Stelle möchte ich anmerken, das wir ein paar Flaschen gut gekühlten Schaumwein von hoher Qualität vorrätig haben. Zum Beispiel, um einer spontanen Verlobung den richtigen Rahmen zu liefern." Ich schluckte trocken. "Kennen Sie das Sprichwort vom Kunai im Rücken?" "Augenscheinlich ja. Geben Sie mir doch bitte ein Zeichen, sollten Sie meine Dienste benötigen. Das Team steht bereit, um Ihnen zur Seite zu stehen, Morikubo-sama." Seine einladende Geste deutete auf eine Handvoll Kellner, die grinsend da stand. Na Klasse. "Das werde ich", versprach ich und deutete eine Verneigung an. Dann wandte ich mich um, meinem Schicksal entgegen. Natürlich wusste ich, dass ich mich nicht sofort verloben, oder gar verheiraten musste. Aber wenn mich die Mädchen zwangen, mich zu entscheiden, was konnte ich dann noch tun? Ich hatte keiner von ihnen je weh tun wollen; aber je länger ich zögerte, desto mehr würde ich genau das tun. Und wenn ich mich entschied, würde ich der anderen noch viel mehr weh tun. Und es war ja nicht so, als hätte ich mich nicht... Ich wurde hart angerempelt. "Verzeihung, mein Herr", murmelte der Mann, der mich beinahe umgerannt hätte. Er drückte sich an mir vorbei, und für einen Sekundenbruchteil lag da dieses Grinsen auf seinen Zügen. Ein Grinsen, das mich in die Tasche meines Anzugs fassen ließ, in der ich meinen Geldbeutel aufbewahrte - aufbewahrt hatte. Ich war bestohlen worden! Und wie es schien, hatte der Dieb bemerkt, das er mich bestohlen hatte. Hastig sah er zu mir zurück, während er zum Ausgang strebte. Als er sich unwandte, erkannte ich ihn. Und ich dankte allen mir bekannten und noch unbekannten Göttern für dieses einmalige Geschenk. Denn der Mann, der so dumm gewesen war, einen Ninja, ja, einen Chunin zu bestehlen, war kein anderer als der Mann, der mir vor ein paar Tagen noch entwischt war! Deswegen hatte ich ihn nicht stellen können! Er hatte sich früh genug von der Gruppe getrennt und war mitten ins Maul des Löwen marschiert, wo er sich sicher fühlte! "TAKKO AINO!", brüllte ich, und durch den Mann ging ein Ruck wie bei einem schweren Schlag. Entsetzt sah er mich an, dann das Geld in seiner Hand. "Morikubo-sama, das ist jetzt nicht so...", begann er, aber in diesem Moment sprang Hanako mit einem Salto über den Tisch, landete elegant fünf Meter von ihm entfernt und visierte ihn mit ihrer Körpertauschtechnik an. "Shintenshin...!" Aino quiekte erschrocken auf und machte einen kräftigen Satz nach hinten. "Baika no Jutsu!", klang es hinter mir auf, und einen Sekundenbruchteil später griffen Karins verlängerte Arme nach dem kleinen Ganoven. Er quiekte erneut und wich aus. Diese erstaunlichste seiner Fertigkeiten hatte ihm selbst gegen Shinobi geholfen. Dies, und seine zweite Fähigkeit, die er gerade anwendete: Davon laufen, und das schnell und ohne sich umzusehen. Sofort hetzte ich ihm nach, und noch im Laufen beschwor ich vier Schattenklone. Vor dem Restaurant teilten wir uns auf, ich selbst übernahm die direkte Verfolgung Ainos. Hinter mir kamen Hana und Karin aus dem Restaurant gestürzt, benutzten ihre Verwandlungstechnik und tauschten damit die engen, aber unvorteilhaften Abendkleider gegen ihre regulären Uniformen aus. Automatisch folgten sie meinen Klonen auf die Flanken. Ich für meinen Teil beschloss, Aino besonders nett zu behandeln, sobald ich ihn gefangen hatte. Ich war mir sicher, der Teil der Diskussion, der sich um Holzköpfe drehte, die es nicht erkannten, wenn ein Mädchen sie liebte, würde diesen Abend nicht mehr aufkommen. *** Damals Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich hatte schon größere Gefechte mitgemacht. Das blieb gar nicht aus, wenn man drei Gruppen zugleich anführte. Aber ich hatte noch nie in Schlachten dieser Größenordnung gesteckt. Hier traten nicht zwanzig oder mehr Ninjas gegeneinander an, sondern mehrere hundert. Gut, noch hatten wir die Brennpunkte nicht erreicht, und die Affenkrieger erwiesen sich als tödlicher Orkan, in dessen Windschatten wir Konoha-Ninjas relativ sicher folgen konnten. Aber das hieß nicht, dass wir uns nicht unserer Haut erwehren mussten. Dabei war es mein besonderes Handicap, dass ich fast den größten Teil meines Chakras darauf verwendete, um Ranko-sama, ihren Bruder und Doktor Tofu stabil zu halten. War mein Chakra am Ende, war es auch die Beschwörung. Also wagte ich es nicht, auch nur ein winziges Quentchen Chakra für eine beliebige Technik einzusetzen. Und eigentlich war ich ja recht stolz auf meine Taijutsu-Künste. So kämpfte ich nur mit reinem Körpereinsatz und einem Ersatz-Kunai gegen meine Feinde. "MAMO!" Ich wirbelte herum, hob mein Kunai. Und blockte damit das Schwert eines Oto-Nins. Er hatte beide Hände an seiner Waffe, und drückte meine Klinge, nachdem ich seine kurz hatte stoppen können, nach und nach fort. Die Verlockung war groß, ein wenig Chakra für ein Feuer-Jutsu abzuzweigen, aber das bedeutete weniger Zeit für die drei mächtigen Affenkrieger auf dieser Seite. Und das wollte ich nicht ohne wirklich triftigen Grund riskieren. Ohnehin zehrte mich die Beschwörung nach und nach aus. "Jetzt ist es aus mit dir, Bastard!", geiferte der Oto-Nin, und verstärkte den Druck seiner Waffe. Nur um kurz darauf die Augen ungläubig zu verdrehen, und kraftlos zur Seite zu stürzen. Hinter ihm stand Kaminari, das blutige Kunai in Händen. "Danke für die Warnung und die Rettung", ächzte ich. "Das brauchst du nicht. Du bist der Teamleader, und wir müssen dich beschützen." "Rede dir das nur lang genug ein", rief der Suna-Nukenin, während er gegen einen weiteren Oto-Nin kämpfte, "und du glaubst es irgendwann noch mal. Warum bist du gleich aus Konoha desertiert?" Sein Gegner traf ihn in der Körpermitte, und der ehemalige Suna-Shinobi verzog das Gesicht vor Schmerzen. Doch dann grinste er diabolisch, und verschwand in einer großen Verpuffung. Hinter dem verblüfften Oto-Nin brach der echte Suna-Nin aus dem Boden und stieß ihm von hinten seine Klinge in den Leib. Haltlos sackte der überraschte Ninja zu Boden. Der Nukenin zog die erbeutete Klinge aus dem Körper seines Feindes. "Dieser Idiot hat so einen Lärm gemacht, das ging mir auf die Nerven. Irgendwie ganz oben am Ultraschall. Da dachte ich mir, verzieh dich doch 'ne Zeit in den Boden, da hörst du das nicht so. Und das Ergebnis, einer weniger!" Er grinste ins Rund, so als ob er Applaus erwartete. "Rede nicht so viel, kämpfe lieber mehr, Rondo", tadelte ich den Mann. Dieser Zwischenfall hatte uns deutlich zurückgeworfen; die Affenkrieger waren im Wald schon nicht mehr zu sehen, und von meinen Stellvertretern und Tetsuo erkannte ich gerade noch das Feuer-Jutsu des großen Shinobis, mit dem er einen beschworenen Kampf-Eber einäscherte. "Wir müssen aufholen." Der Suna-Nin schüttelte den Kopf. "Nein. Hier trennen sich unsere Wege." "Rondo!", rief ich warnend. Der Mann lächelte wölfisch. "Habe keine Sorge, Morikubo. Ich will nicht abhauen. Aber hier scheint es nur Otogakure-Ninjas zu geben. Und ich will Suna-Ninjas töten. Der da-", er deutete auf Ryu, "-scheint ja keinen wirklichen Grund zu haben, um Konoha zu hassen. Ich hingegen habe mehr als einen Grund!" Die Wut, der Hass, verzerrten seine Miene beinahe bis zur Unkenntlichkeit. Ich wusste, diesen Mann konnte ich nur zurückhalten, wenn ich ihn selbst tötete. Und für eine lange, endlose Sekunde dachte ich da wirklich drüber nach. "Geh, Rondo. Geh und töte ein paar Suna-Shinobi." Nun wurde sein Grinsen freudig. "Danke, Morikubo. Hätte mir leid getan, dich töten zu müssen." Mit diesen Worten benutzte der Suna-Nukenin Step, und verschwand unter Kaminaris spöttischem Gelächter. "Wer hier wohl wen getötet hätte." Ich winkte ab. "Weiter, Kaminari. Wir stehen hier erst am Anfang." Auf unserem Weg, um zu Hanakos Team und den Affen aufzuholen, sahen wir die Spuren des fürchterlichen Kampfes, der hier getobt hatte. Überall lagen tote Shinobi herum, und mehr als die Hälfte trugen den Stirnschutz Konohas. Sie hatten teilweise sehr offensichtliche schwere Verletzungen. Dann lagen sie friedlich und unberührt da, als würden sie nur schlafen. Bei manchen wurde der Eindruck jedoch erheblich gemindert, weil die friedlich schlummernden Köpfe neben den Körpern lagen. Die Wucht, mit der hier gekämpft worden war, musste enorm gewesen sein. Für einen kurzen Augenblick bekam ich die Außenmauer Konohas zu sehen. Ich erkannte die riesige Bresche und musste schlucken. Wie groß musste die beschworene Schlange gewesen sein, die das der großen Befestigungsmauer der Stadt angetan hatte? Ach ja, wohl in etwa so groß. Kaminari und ich schlossen zu unseren Leuten auf, gerade als sie eine Lichtung nahe der Stadtmauer erreicht hatten. Eine Gruppe Suna-Nin beschützte hier geraden eine Gruppe Oto-Shinobi. Und die hatten gerade sehr erfolgreich eine Schlange beschworen. Dieses gigantische Vieh war noch ein klein wenig größer als das Biest, das in meinem Chunin-Examen vor mir geflohen war. Und es war für die Angriffe meiner Meister nicht sehr empfänglich. Dr. Tofu versuchte es mit brachialer Gewalt. Das funktionierte sehr gut bei den Oto-Nin, die durch seine Kraft davon geschleudert wurden wie Herbstlaub in einem Taifun. Aber die große Schlange lachte nur darüber. Sie schien die Taijutsu-Angriffe nicht einmal richtig zu spüren. "Das kitzelt, Affe!", rief sie höhnisch. Auch die Bemühungen der Zwillinge waren nicht von Erfolg gekrönt. Und um die Schlange zu greifen und einfach gegen die Stadtmauer zu klatschen schien sie zu schwer zu sein. Abgesehen davon erkannte ich sehr wohl die gewaltige Giftdrüse, die wohl auch neben diversen lähmenden Giften auch auflösende Säuren versprühen konnte. Hanas Team kämpfte derweil recht erfolgreich gegen die Suna-Nin. Aber auch sie waren nicht gefeit gegen einen Säure-Angriff in den Rücken. "Zurück!", rief Dr. Tofu. Er schuf Distanz zwischen sich und der Schlange. Augenblicke später landeten Ranko und Ranma neben ihm, noch immer schwer atmend. "Die Haut ist zu dick!", sagte Ranma-sensei japsend. "Sie ist wie ein Panzerschild", bestätigte Ranko-sama atemlos.. Dr. Tofu strich sich übers Kinn. Plötzlich schnipste er mit der rechten Hand. "Kommt man nicht durch das Tor, dann muss man eben durch die Mauer gehen. Alte Invasoren-Weisheit." Er warf mir einen Blick zu. "Mamoru-tono, ich fürchte, du bist dran." "Was?" Ich sah meinen Sensei an, als wäre er plötzlich selbst zur Riesenschlange mutiert. Dann ging mein Blick die Schlange hoch, die sich derweil einen Spaß draus machte, mit lähmenden Gift sowohl die Konoha-Shinobi als auch die Suna-Nin zu jagen. "Nein, Dr. Tofu. Oh nein, das halte ich für eine ganz, ganz dumme Idee." "Ach komm, Morikubo-tono. Ich habe gehört, das hat schon mal jemand überlebt, und das war gegen den Neunschwänzigen." Er lächelte gewinnend. "Komm schon. Oder soll ich Karin-chan fragen?" Gequält ging mein Blick zur jungen Akimichi. Nein, ausgerechnet dieser Gefahr wollte ich sie nicht aussetzen. "Aber wenn Ranko-sama und Ranma-sama die Verwandlung ausführen..." "Ich sehe leider keine Alternative", entgegnete der Prinz der Affen. "Also gut. Ich bin bereit." Alles, nur nicht Karin als Schlangenfutter, sagte ich mir. Ranko-sensei betrachtete mich mit einem undefinierbaren Blick. Ihr Bruder hingegen grinste mich fröhlich an. "Behandle uns gut, ja, Mamo-chan?" Zugleich, in bester Synchronität, führten sie die Fingerzeichen für eine Verwandlung aus. Die Affenkrieger verschwanden, und an ihrer Stelle erschienen zwei Schwerter. Beidseitig geschliffen, mit gerader Klinge und geradem Griff, Ranko-sama mit einer silbernen Quaste am oberen Ende, Ranma-sensei mit einem schwarzen Quast. Ich ergriff beide Schwerter. Diese Fähigkeit der Affen hatte mich schon immer etwas irritiert. Aber meine Sensei hatten immer darauf bestanden, dass ich mit den verwandelten Affenkriegern übte, damit ich, so der Fall eines Tages eintrat, in dem ich sie einsetzen musste, die Richtigen verletzte. In diesem Fall die riesige Schlange im Dienste Otogakures. Kurz schwang ich sie herum. Ja, ich hatte das Gefühl für die schmalen, sensiblen und hoch flexiblen Klingen nicht verloren. Probeweise schwang ich Ranma in Richtung der Schlange. Dies entfesselten einen Schwall hoch verdichteter Luft auf das Untier. Überrascht raunte die Schlange auf. "Das habe ich gespürt!" "Ja, nicht wahr? Und ich habe zwei Schwerter!" Die Schlange ließ von meinen Kameraden ab und stieß in meine Richtung vor. "Du frecher kleiner Shinobi! Ich fresse dich mit Haut und Haaren!" Sie spie ätzende Säure nach mir aus, der ich auswich. Die Schlange erahnte meine Ausweichreaktion, stieß auf mich herab. Ich hatte etwa eine Sekunde, um auszuweichen, als das gigantische Schlangenmaul auf mich hernieder fuhr. Stattdessen nutzte ich die Gelegenheit, um noch ein letztes Mal durch zu atmen. Dann schloss sich das Maul um mich, die Schlangenzunge drückte mich gegen den Gaumen, und bevor ich mich versah, rutschte ich den Schlund hinab. "BWAHAHAHAHA! Was nützen dir deine verdammten Schwerter, wenn du sie nicht einsetzen kannst, du Narr?" Ich hörte, gedämpft durch mehrere hundert Kilo Schlange, wie Hanako und Karin erschrocken aufschrien. Ich erkannte auch dumpf die Stimmen von Kaminari und Tetsuo, während ich durch das Dämmerlicht in der Kehle der Schlange immer tiefer rutschte. Oh, ich glaube, etwa in dem Moment machte sich die gepanzerte Schlange so ihre ersten Gedanken. Zum Beispiel, warum ich nicht wenigstens versucht hatte, zur Seite zu springen. Warum ich mich nicht wehrte, obwohl ich doch wissen musste, dass ich den Magen der Riesenschlange kaum überleben würde. Und ob ich nicht etwas plante. Im Zwielicht lächelte ich vergnügt. Von außen war die Schlange gepanzert, das war richtig. Aber nicht von innen. Dies im Sinn stieß ich Ranko und Ranma mit voller Kraft rechts und links von mir in den Schlund. Dies stoppte meine Abwärtsbewegung. Die Schlange schluckte erschrocken. "W-was tust du? Was tust du Wurm da in mir?" Ich zerrte an Ranma, riss ihn gerade herunter, mitten durch den Knorpel der Speiseröhre. Die Bewegung war schnell genug, um eine schwache Welle schneidend scharfer Luft auszusenden, die durch den Schlangenkörper tobte. Während die Schlange durch den Schmerz erbebte, stieß ich Ranma wieder in den Schlangenrachen, um Halt zu haben, während ich Ranko einsetzte. Ich zerrte die Klinge mit dem Silberquast frei und richtete sie in die Tiefe vor mir, wo der Magen des Reptils war. Bedächtig zog ich den Arm mit der Waffe zurück. Dann stieß ich ihn vor, und Ranko stieß eine Welle ultraheißer Flammen aus, die sich durch das Fleisch des Untiers fraß. Die Schlange bebte, wand sich, stürzte hinab und bäumte sich auf. Damit hatte sie nicht gerechnet. Wer war denn auch so blöde, sich fressen zu lassen? Oder so frech? Erneut stieß ich Ranko ins Fleisch. Es wurde Zeit, um an meinen Abgang zu denken. Ich richtete Ranma nach oben aus, nachdem ich mit Ranko wieder Halt hatte. Erneut setzte ich die Windklingen der Waffe ein und verwüstete den Rachen der Bestie. Nun setzte das ein, was ich erwartet hatte. Die Schlange wand sich noch mehr, ging voolends zu Boden und blieb dort. Dadurch war aus der senkrecht hinab führenden Speiseröhre ein waagerechter Schacht geworden, den ich bequem verlassen konnte. "Bringen wir es zu Ende", murmelte ich, zerrte Ranko frei und hob Ranma. Ein geballter Schlag mit Fuuton und Katon würde der Schlange den garaus machen. `Lauf, du Narr!´, standen Ranko-samas Gedanken plötzlich in meinem Geist. Ich zögerte keine Sekunde, nahm die Beine in die Hand und stürmte den Rachen hoch, auf das Maul zu, nutzte eines der Nüsternlöcher als Notausstieg. Sekundenbruchteile, bevor die Schlange von sich aus die Beschwörung löste, schnellte ich hervor und landete in sicherer Entfernung. Ich hatte definitiv keine Lust gehabt, aus erster Hand kennen zu lernen, wie man am Schrein der Schlange lebte. Oder wie lange, wenn man als Feind kam. Ich schlug auf dem Boden auf, rollte mich ab und wirbelte herum. Aber an dieser Front war bereits alles vorbei. Wir hatten gesiegt, wenngleich Tetsuo eine schwere Schwertwunde abbekommen hatte, die seinen Oberkörper getroffen hatte. Aber trotz seiner Schmerzen schaffte er es zu grinsen. "Junge, Junge, eigentlich hätten wir uns ja denken können, dass sich Mamo-chan nicht einfach so fressen lässt. Ein Angriff mehr, und du hättest das Vieh getötet. Schade." "Ja, schade", echote ich. Andererseits war ich froh, aus den stinkenden Eingeweiden entkommen zu sein. Das war wahrlich kein Erlebnis, das ich des Öfteren machen würde. Dr. Tofu klopfte mir anerkennend auf die Schulter. "Das war gute Arbeit, Mamoru-tono. Und soweit ich es überblicken kann, haben wir nicht nur den Beschwörungspunkt vernichtet, sondern auch die größte Schlange vertrieben, die sie beschworen haben." Er musterte die beiden Schwerter. "Du musst sie zurück schicken, oder wir müssen alle drei gehen", sagte er in bedauerndem Tonfall. Ich nickte. Die Angriffe mit Fuuton und Katon hatten vor allem von meinem Chakra gezehrt. Die beiden Schwerter verwandelten sich zurück. Ranko-sama sah böse ins Rund. "Das gefällt mir nicht, Ono! Das gefällt mir ganz und gar nicht! Der Junge ist schon völlig ausgelaugt, und die Situation ist noch immer nicht unter Kontrolle! Wir sollten..." "Und was willst du tun? Ob er sich selbst beschützt, oder ob du es tust, beinhaltet nur einen Unterschied. Ersteres kostet ihn nicht so viel Chakra", tadelte Dr. Tofu. Ranma legte eine Hand auf die Schulter seiner Zwillingsschwester. "Sieh es ein, Mädchen, Ono hat Recht. Wenn du willst, dass Mamo-chan sich mit seinem Rest Chakra verteidigen kann, sollten wir langsam gehen." Sie schnaubte mürrisch, geradezu wütend. "Mamoru!", sagte sie scharf. Ich zuckte zusammen. "Ja, Sensei!" Sie reichte mir einen Gegenstand. Die kleine Kugel war pechschwarz. "Dies ist eine unserer Soldatenpillen. Du nimmst sie, wenn du in der Klemme steckst, und dieser Klugscheißer hier nicht mit der Situation fertig wird. Du erhältst dein volles Chakra zurück und kannst Ranma und mich erneut beschwören. Außerdem brauchst du einen Monat nichts mehr zu essen. Und keine Sorge wegen der Seiteneffekte. Die zwei Wochen, die du dich dann erholen musst, werde ich dich pflegen, versprochen." Mit gemischten Gefühlen nahm ich die Soldatenpille an mich. Es war mir nicht bekannt, ob schon jemals ein Mensch zuvor eine Soldatenpille der Affen erhalten hatte. Ich verkniff es mir, nach der Geschmacksrichtung zu fragen. Früchte, zweifellos. Ihre Hand ruhte für einen Moment schwer auf meiner Schulter. Ihr Lächeln war wehmütig, aber auch voll Stolz. Sie trat zurück und löste das Jutsu von sich aus auf. Es entstand die typische Rauchwolke, dann war sie verschwunden. Ranma-sama klopfte mir noch einmal kräftig auf die Schulter, grinste mir aufmunternd zu, und löste das Jutsu nun ebenfalls auf. Wir blieben zurück, Dr. Tofu, Karin, Hanako, der verletzte Tetsuo und der Nukenin. Und wir hatten noch immer keinen Kontakt mit den Verteidigern Konohas machen können. "Geht es, Tetsuo?" Der große Mann atmete schwer aus. "Nein, ich denke nicht. Hör mal, ich suche mir hier eine schöne Ecke, um mich in ein Erdversteck zurück zu ziehen. Vergiss nur nicht, mich nach der Schlacht abzuholen." Ich zögerte einen Moment. "Wie schwer bist du eigentlich verletzt?" Er lachte. "So schwer nun auch wieder nicht. Ich heile mich bereits selbst. Die Windklinge meines Gegners hat meine rechte Lunge getroffen und ein paar Rippen durchgetrennt. Nichts, was ich nicht mit etwas Ruhe hinkriege. Du kennst das ja." In der Tat. Ich hatte schon mehrfach gesehen, wie er sich von solchen Verletzungen selbst geheilt hatte. Warum sollte es diesmal anders sein? Ich zückte mein Kunai und zerteilte die Soldatenpille in fünf Portionen. "Nehmt. Jeder kriegt ein Stück. Für den absoluten Notfall." Zögernd griffen sie zu, und Tetsuo wollte erst ablehnen. "Ihr braucht sie nötiger als ich." "Du bist hier der Verletzte, der vielleicht zusätzliches Chakra für seine Heilung braucht", tadelte ich. Er nickte schließlich, ergriff sein Fünftel und verstaute es. "Es tut mir leid, dass ich nicht weiter mitkommen kann." "Du hast bereits viel getan", versicherte ich. "Such dir eine schöne Ecke und bring in der Nähe ein Zeichen für uns an. Nicht, dass du den Winter durchschläfst, du alter Brummbär." Er lachte auf, aber bereute es sofort wieder. "Bitte, lachen tut weh, Mamoru", tadelte er. Das entlockte mir ein Schmunzeln. Und es beruhigte mich. Es stand wohl gerade schlimm genug um ihn, aber nicht zu schlimm. "Halt den Kopf unten." Ich klopfte ihm auf die Schulter und wandte mich ab. Wenn wir diesem Weg folgten, würden wir jene Stelle der Mauer erreichen, an dem sie in den Berg überging, der Konoha nach Norden begrenzte. Dort hofften wir auf Konoha-Nin zu treffen. Hinter mir hörte ich, wie sich die anderen von Tetsuo verabschiedeten. Schließlich folgten sie mir nach. "Es war die richtige Entscheidung, Mamoru-tono", sagte Dr. Tofu, als er auf meine Höhe aufgeschlossen hatte. *** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)