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Sunset over Egypt

Even if tomorrow dies
von

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Falle

Entsetzen hatte ihn gepackt, er konnte es nicht fassen. So nahe war er ihm gewesen, so kurz bevor war der ersehnte Moment gewesen. Jetzt war Shada weg.

Ungläubig starrte der Pharao auf die Stelle, an der Shada eben noch gestanden hatte. Es war nur noch ein bisschen Nebel übrig. Nebel, der in Schwaden langsam davon zog um wieder Teil der alles umfassenden Finsternis zu werden.

Und Shada war weg. Zornesröte stieg ihm ins Gesicht, Wut ließ ihn erzittern. Er hatte ihn um seine Rache gebracht! Cyrus hatte alles zerstört. Die ganze Zeit hatte er darauf hingearbeitet, Shada leiden zu lassen und jetzt war es plötzlich alles vorbei. Der Kahlköpfige war einfach verschwunden.

Er wollte schreien. Schreien vor Wut, schreien vor Hass. Und Cyrus lächelte ihn an. „Jetzt zu dir“, sagte er mit erwartungsvoller Stimme, ganz so, als würde er sich nun seinem nächsten Programmpunkt zuwenden, „Wir haben uns lange nicht mehr gesehen...“ Er schien sich auf diese Begegnung wirklich gefreut zu haben und das stand im absoluten Gegensatz zu Seth eigener Einschätzung. Freudig griff Cyrus hinein in den Nebel und formte mit seinen Händen eine Kugel daraus, die sich bei Berührung seiner Haut sofort tiefrot verfärbte.

Seth achtete nicht darauf. Wieder der Nebel! Er durfte sich davon nicht wieder durcheinanderbringen lassen. Das hatte er hinter sich...

Es war an der Zeit, ein für alle Mal damit abzuschließen! Zu oft hatten sie sich eingemischt. Zwar erklärte die Anwesenheit des Nebelherrschers, weshalb die Libyer überhaupt so stark hatten werden können, doch nun war er endgültig zu weit gegangen. Alles machte nun Sinn. Er musste es die ganze Zeit über geplant haben, musste die Fäden im Hintergrund kontrolliert gezogen haben, bis er hierher hatte kommen können. Deswegen war wohl auch ihre erste Schlacht gegen die Libyer so problemlos verlaufen. Am Flussbett des Nils brachte es dem Violetthaarigen wenig, sich einzumischen. Also hatte er seine Figuren so positioniert, dass sie für ihn das Geschehen lenken konnten.

Und das hatten sie getan. Seths Verstand arbeitete im Sekundenschnelle um das zu verstehen, was er zu spät erkannt hatte: Er war ihm direkt in die Falle gelaufen.

Es durfte nicht sein, er konnte es nicht hinnehmen! Diese Schlacht würde er ganz sicher nicht verlieren! Wer auch immer sich ihm entgegenzustellen wagte... Doch er konnte sich nicht wehren. Er selbst war nun sein gefährlichster Gegner. Seth sehnte sich danach, seine Klinge in das Fleisch von Shada zu rammen, ihm seine Tätowierung vom Kopf zu schaben und ihn zu foltern bis in die Unkenntlichkeit, doch durch Cyrus war ihm dies nun für immer verwehrt. Es machte ihn wütend! Es vernebelte jede logische Überlegung, die ihm in der Situation wahrlich gut getan hätte. Doch Cyrus war zu weit gegangen! Wieder war es der Nebel. Immer wieder dieser Nebel! Und das nagende Gefühl, dass er dem nicht gewachsen war. Er war ihm schon einmal unterlegen... Nur durch Glück war es ihm damals gelungen, dem sicheren Tod zu entkommen. Akim war unaufmerksam, nicht auf einen Kampf eingestellt gewesen. Und trotzdem hätte er ihn mit Leichtigkeit besiegt, wenn nicht der Zufall seinen eigenen Angriff schneller hätte einschlagen lassen. Er hatte den Jungen damals bei sich behalten, um mehr über dessen Magie herauszufinden, doch seine Suche nach Antworten war erfolglos geblieben und auch heute war er dem Geheimnis nicht näher...

Jetzt hatte er keine Zeit mehr. Cyrus war anders als Akim damals. Er war nicht hier um zu spielen. Cyrus wollte kämpfen. Um selbst wenn alle mächtigen Priester und Magier des Landes in diesem Moment hinter ihm gestanden hätten, so hätte er dennoch nicht gewusst, wie er ihn hätte besiegen sollen.

Er hatte den Millenniumsstab. Er hatte das Millenniumspuzzle. Er war selbst mächtig und verstand von der Magie der Finsternis wohl mehr, als irgendjemand sonst am Hof. Doch er wusste auch, dass es nicht genug war. Er konnte Cyrus nicht besiegen. Was tat man, wenn es aussichtslos war? Er konnte nur auf den Zufall setzen. Er konnte nur hoffen, dass etwas geschah, das ihm zum Vorteil gereichte. Doch selbst wenn er den Nebelherrscher wider Erwarten schlug – so hatte dieser noch zwei Geschwister und zumindest Akim hatte allen Grund das Land und ihn persönlich zu hassen und zu verachten. Eine erstickende Starre mischte sich in seinen Zorn, die Ohnmacht drohte von ihm Besitz zu ergreifen, doch er konnte ihm nicht entkommen. Cyrus sah ihn aus mitleidsvollen Augen an. Er bereute nicht, Shada aus dem Verkehr gezogen zu haben, das lag auf der Hand.

„Oh! Das tut mir Leid“, heuchelte er spöttisch, „Wie unhöflich von mir!“ Und er grinste, trat dann aus seinem Nebel heraus, die rote Kugel noch immer in der Hand. „Ich kann dein Leiden beenden, dann musst du nicht mehr daran denken...“ Cyrus wollte ihn provozieren, ihn zu einer äußerst dummen Tat verleiten, die er nur bereuen konnte. Doch sein finsteres Lächeln machte den Pharao wahnsinnig. Ohnmacht und Hilflosigkeit waren ihm nicht vertraut. Als die Nebelkugel direkt auf ihn geschleudert wurde, konnte Seth nur ausweichen. Seine Millenniumsmagie war allerdings trotz allem nicht schwach. Die kombinierten Kräfte des Puzzles und des Stabes waren ihm eine enorme Hilfe. Sie vereinten Angriff und Verteidigung in seiner Person. Das Millenniumspuzzle, eingesetzt um das Volk und das gesamte ägyptische Reich zu beschützen und sein Millenniumsstab, gefährlicher wohl als jeder andere Millenniumsgegenstand: er vermochte es, Körper und Geist zu kontrollieren.

Erneut schleuderte Cyrus eine Nebelkugel auf Seth, erneut konnte dieser im letzten Moment ausweichen. Ihr Kampf gewann an Schnelligkeit. Cyrus Vorrat an Geschossen war unersättlich, immer und immer wieder griff er in den Nebel und seine Haut allein machte fassbar, was für jeden anderen nur unerreichbarer Nebel gewesen wäre. Wie in einem mystischen Tanz wich Seth den Kugeln aus, wehrte sie ab und wollte seinerseits mit dem Stab angreifen, doch der Nebelherrscher ließ es erst gar nicht so weit kommen. Immer wieder unterband er die Gegenangriffe. Doch wer sich ausschließlich verteidigte, der konnte nicht richtig kämpfen. „Ich habe diesem Augenblick entgegen gesehen!“, rief er freudig erregt und warf eine neue Kugel seinem Gegner direkt vor die Füße.

Seth sprang – und es war gerade noch rechtzeitig. Wenn er diesem Treiben nicht bald Einhalt gebieten konnte, dann war Ägypten verloren, das Volk dem Verderben ausgeliefert. Er hatte genug von den Spielchen. Cyrus hätte ihn längst getroffen haben können, doch er verfehlt ihn absichtlich. Er trieb ihn vor sich her wie gewöhnliches Vieh! Das hatte nur einen Vorteil aus Seths Perspektive: Die Fassungslosigkeit, die ihn ob Shadas Verschwinden getroffen hatte, wich einer mörderischen Wut auf den Violetthaarigen und riss den Brünetten damit aus seiner Starre.

Er durfte dies nicht geschehen lassen!

Er durfte sich nicht bloßstellen lassen!

Er durfte sich nicht beherrschen lassen!

Er war der Pharao! Der Herrscher über dieses Land. Wenn er fiel, war das Reich verloren. Es gab niemanden, der die Thronfolge übernehmen konnte – denn Cyrus würde niemanden übrig lassen, niemanden an seiner Seite dulden. Und ein Ägypten unter der Herrschaft des Nebels hatte keine Chance, jemals wieder zu erblühen. In diesem Schatten gab es kein Leben – es gab nur Tod und Zerstörung.

Ein Schicksal, das er nicht hinzunehmen gedachte. So lange hatte er auf die Position gewartet, die er nun inne hatte... Zwar hatte er nicht mehr vorgehabt, Atemu gewaltsam von seinem Posten zu verdrängen, doch nichtsdestotrotz war seine Machtübernahme ein Triumph gewesen. Aufgebaut durch große Opfer – und gerade deswegen umso wertvoller. Atemu verließ sich auf ihn, damit das Land überleben konnte, obwohl er selbst längst keine Hoffnung und keinen Glauben mehr aufbringen konnte. Er durfte hier auf keinen Fall sterben. Und das hatte er auch nicht vor. Sollte Cyrus ihm ruhig die Zeit schenken. Sollte er ihn hetzen, so sehr er wollte – die Zeit war auf der Seite des Pharaos. Je mehr Minuten verstrichen, desto höher wurde die Wahrscheinlichkeit, die dem Zufall in die Hände spielte – der Brünette dachte fieberhaft nach. Der Ausweg lag auf der Hand – so viel war sicher. Er musst ihn nur finden und das rechtzeitig. Er musste Cyrus Angriffen standhalten bis er die eine Möglichkeit gefunden hatte, die ihn noch retten konnte.

Doch Cyrus hatte andere Pläne. Mit beiden Händen griff er nun in den Nebel, holte zwei Nebelkugeln zugleich hervor, die zwar immer noch rot leuchteten, sich aber dennoch deutlich verändert hatten. Sie schienen in seinen Händen zu brennen, erhitzten die Luft, die sie umgab, sodass es flimmerte – doch Seth ließ sich davon nicht abschrecken. Der Nebel, der brannte, war ihm nicht unbekannt. Schon einmal hatte er sich dem beugen müssen. In Zeiten des Kampfes jedoch war ein Gegner, der bekannt war, willkommener als ein unbekannter Feind, ganz egal welche Macht auch in ihm steckte. Das Unbekannte war weit gefährlicher – die tödliche Gefahr der Flammenkugeln dagegen hatte weit weniger Bedeutung. Er konnte sie abwehren. Er wusste, was ihn erwartete und er konnte dem entgegenwirken.

Jedoch – die Zeit half auch Cyrus. Seine Angriffe nahmen an Brisanz zu. Eine Kugel erwischte Seths Umhang, der sofort Feuer fing. Es war der Millenniumsstab, der den Stoff von seinem Körper schnitt, bevor er sich in seine Haut brennen konnte. Doch er hatte wertvolle Sekunden verloren, die er für einen Angriff hätte nutzen müssen, doch die ihm nun nicht zur Verfügung standen. Er wollte Cyrus paralysieren. Eine Starre, die ihn am Angriff hinderte und ihm Zeit schenkte – Zeit für den einzigen Zauber, der eine Wirkung gegen ihn haben musste. Der Zauber, der Cyrus die Erinnerungen nehmen konnte... Die Erfahrung hatte Seth gezeigt, dass er den Nebel zwar nicht besiegen, aber dennoch aufhalten konnte und den Moment der Verwirrung, den der Zauber zwangsläufig nach sich ziehen musste, den hatte er zu nutzen. Dieses Mal würde er niemanden verschonen. Er musste Cyrus in dem Augenblick zerstören, da sein Zauber Wirkung zeigte. Er durfte nicht zulassen, dass er sich davon erholte... In Anbetracht der Intensität des Nebels um ihn herum blieben ihm dafür also nur wenige Minuten. Die Erfahrung hatte ihm schmerzlich gezeigt, dass der Nebel nicht permanent wegzusperren war. Und dann waren da noch Meira und Akim. Doch über sie durfte Seth erst nachdenken, wenn er Cyrus hinter sich gebracht hatte...

Sie mussten irgendwo in der Nähe sein. Krampfhaft versuchte der Pharao einen Blick auf seine Umgebung zu erhaschen, doch Cyrus unermüdlicher Kampf hinderte ihn äußerst effektiv daran, sich nach Feinden oder Verbündeten umzusehen.

Und dann plötzlich konnte er nicht mehr ausweichen. Die Kugeln kamen direkt auf ihn zu, drei an der Zahl und jeder Schritt zur Seite, nach vorn oder zurück brachte ihn nicht aus der Schusslinie. Der Millenniumsstab konnte nicht alle Angriffe zeitgleich abwehren – Cyrus war zu schnell.

Seth fluchte. Es durfte hier nicht enden. Nicht so!

„NEEEEEIN!“, schrie eine Stimme und sie drang dumpf nur in Seths Bewusstsein. Alles, was er sah, waren weiße Haare, die im Schatten des Nebels die letzten Sonnenstrahlen reflektierten und ein Angriff, der ihn nie erreichte...
 

Erschrocken hatte Kisara beobachtete, was passierte. Cyrus, der immer wieder angriff, Seth, der immer wieder auswich und Nebel, der den Tod bringen sollte. Es war ein grausiger Anblick, der sie mehr als alles andere schockierte. Seth als Spielball einer gefährlichen Macht, völlig ausgeliefert und unterlegen. Und alles, was sein Gegner tat, war lachen. Der Schauer, der ihr über den Rücken lief, als sie erkennt hatte, dass Seth zum Tode verurteilt war, hatte sie eiskalt erwischt. Es hatte sie in eine Hoffnungslosigkeit gestürzt, aus der es keinen Ausweg gab.

Und als sie verstand, dass der letzte Angriff wirklich auf Seth gerichtet war, und nicht mehr nur das Ziel verfolgte, ihn aus der Konzentration zu reißen, da war es um sie geschehen. Die Weißhaarige selbst hätte nicht sagen können, was sie bewegt hatte, doch eines hatte sie ganz genau gewusst: Seth durfte auf gar keinen Fall sterben. Verzweifelt schreiend warf sie sich zwischen Seth und die Nebelkugeln, machte sich selbst zur Zielscheibe. Die Arme ausgestreckt fing sie die Angriffe mit ihrem eigenen Körper ab – und brach gleich darauf zusammen.

Es tat weh, doch Kisara spürte keinen Schmerz. Sie biss sich auf die Unterlippe und ein Ausdruck von fester Entschlossenheit lag in ihrem Antlitz.

„Ha!“, hauchte sie, als ihre Stimme brach.

„KISARAAAA!“, schrie Seth entsetzt. Ganz plötzlich hatte er verstanden, was geschehen war. Es war ihm gelungen, sie noch aufzufangen, bevor sie ganz zu Boden gesunken war und ungläubig starrte er sie nun an. Die Zeit schien still zu stehen, die Sekunden waren wie Stunden und nur sein eigener Herzschlag ließ ihn erkennen, dass die Welt nicht aufgehört hatte zu existieren. Jeder Gedanke an Cyrus war für den Moment aus seinem Bewusstsein verbannt, kopfschüttelnd sah er sie an und er konnte es nicht glauben.

„Nein...“, flüsterte er so leise, dass sie es unmöglich hätte hören können, doch seine eisblauen Augen sprachen eine ganz deutliche Sprache. Entsetzen spiegelte sich in ihnen, als er über das blasse Gesicht strich, das ihm so vertraut war. „Kisara...“

Und sie lächelte. Sie schaffte es kaum noch, ihre Augen offen zu halten, doch ihr Gesicht war friedlich und voller Zufriedenheit. Sie hatte keine Angst. Sie war nur froh, dass sie rechtzeitig gewesen war... Sie hatte nicht versagt...

„Seth...“ Ihre Lippen formten lautlos seinen Namen, ihre Augen blickten ein letztes Mal in die Seinen. Sie war also doch nützlich gewesen... Sie hatte etwas erreicht... Nützlich...

Dann kippte ihr Kopf leblos zur Seite. Der weiße Drache würde niemals wieder erstrahlen...



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