Sunset over Egypt von Sennyo (Even if tomorrow dies) ================================================================================ Kapitel 99: Ekstase ------------------- Sie versuchte also immer noch das Mädchen zu schützen? Es war wahrlich überaus interessant. Oder besser gesagt: niedlich. Und es wäre interessant gewesen, wenn Mana ihm nicht völlig egal wäre. Sie war doch eh nur ein Mittel zum Zweck. Seth hatte sich seine Beliebtheit durch sie erkauft, Adalia die Erlaubnis in seiner Nähe zu sein. Und er? Bekam seine Anwesenheit im Palast nicht eine Legitimation durch ihre bloße Existenz? Jeder benutzte sie auf seine eigene Weise, doch wirklich interessieren tat sich doch niemand für sie. Sollte sie ruhig weglaufen. Sollte sie sich ihrer Angst hingeben. Sollte sie doch schwach sein. Er brauchte sie nicht, hatte keinerlei Verwendung für sie. Nicht ihretwegen war er jetzt hier her gekommen. Nein. Seine ganze Aufmerksamkeit galt Adalia. Adalia, wie sie verzweifelt versuchte, das Kind zu beschützen und dabei nicht einmal bemerkte, wie sie immer weiter zurückwich. Der Millenniumsring offenbarte ihm alles: ihre Wünsche, ihre Geheimnisse, ihre Ängste, ihre ganze Sehnsucht – und ihre berechnende Kälte. Es war wirklich faszinierend, sie einfach nur zu betrachten, wie musste es dann erst sein, sie tatsächlich zu quälen? Ihr Körper wies noch immer die geschundenen Zeichen ihrer letzten Begegnung auf, doch sie ließ sich in keinster Weise anmerken, ob es ihr überhaupt etwas bedeutete. Doch er konnte es fühlen. Kein Geheimnis blieb dem Millenniumsring verborgen und doch verstand er sie nicht. Alles, was sie tat, tat sie nur aus einem einzigen Grund, nur für den einen Mann, der nun nur noch eine Priesterin in ihr sah; der Mann, für den ihr Körper einst eine andere Bedeutung gehabt hatte. Der Mann, der sie in den Tempel fort geschickt hatte, nachdem er selbst sich der sündhaften Versuchung nicht mehr hatte erwehren können. Nur für Seth. Und Bakura konnte es nicht verstehen. Doch es gefiel ihm, wie stur und hartnäckig sie an ihrem Ziel festhielt, es gefiel ihm, mit welcher Inbrunst sie kämpfte und es gefiel ihm, wie bereitwillig sie die Opfer ihrer Intrigen auswählte. Mit einem finsteren Lächeln auf dem Gesicht blickte er sie an – sie darauf hinzuweisen, dass Mana im Begriff war zu verschwinden, hielt er nicht für nötig. „Das Gewand steht Euch besser als der Fetzen davor“, sagte er spöttisch und dachte mit Belustigung an das Stück Stoff, das sie verzweifelt an sich gebunden hatte beim letzten Mal. Er trat einen Schritt dichter an sie heran, die Berechnung stand nun in ihrer beider Augen. Er durfte sie nicht unterschätzen, sie war gefährlicher als eine Raubkatze in der Falle. Sie war eine wahre Herausforderung, nicht einfach ein Opfer. Schnell und ohne sein Vorhaben zu verbergen zog er mit der rechten Hand einen Dolch. Seine Züge verfinsterten sich augenblicklich. „Nicht nur, dass du unsere Abmachung nicht eingehalten hast, du hast mir auch noch etwas gestohlen“, zischte er und seine Stimme wurde immer lauter. Wenn er etwas hasste, dann waren es Diebe, die sich an seinem Eigentum vergriffen und diese Dolche bedeuteten ihm wirklich eine Menge. „Dafür wirst du bezahlen...“, versprach er. Ein Versprechen, das er auf keinen Fall zu brechen gedachte, oh nein. Wenn er etwas versprechen konnte, dann das: Sie würde jeden Augenblick bereuen, da sie geglaubt hatte, ihm überlegen oder auch nur ebenbürtig zu sein. Grimmig und voller Trotz zugleich sah sie ihn an, die Abscheu stand in ihren Augen. Doch da war noch etwas anderes. Etwas wesentlich primitiveres. Der Wunsch ihm zu überwältigen, der Wunsch ihre Macht zu demonstrieren und sich zu beweisen. Sich selbst zu rechtfertigen vor sich selbst und vor allen anderen. Der pure Trieb, dem einen Mann zu gefallen, der sich längst abgewandt hatte von ihr. „Du hast doch wohl nicht geglaubt, ich hätte ernsthaft vorgehabt, mich auf dich einzulassen?!“, fragte sie mit gestelltem Entsetzen und lachte leicht auf. „Das ist absolut lächerlich!“ Vermutlich hatte sie recht, doch das machte gar nichts. Sollte sie doch. Was sie dachte, war sowieso völlig egal. „Du hast es also bemerkt...“, flüsterte sie schließlich und es konnte nichts anderes sein, als ein dummes, naives Manöver um Zeit zu gewinnen, während ihre Aufmerksamkeit auf dem Dolch in seiner Hand ruhte. „Ich hätte dir das gar nicht zugetraut“, sagte sie trocken. Bakura lachte. Es war so simpel. Es war so schrecklich einfallslos, dass es schon traurig war. „Natürlich nicht!“, stimmte er ihr fies grinsend zu, doch dann verfinsterte sich sein Ausdruck abermals. „Hast du wirklich geglaubt, du könntest den König der Räuber – einen Meisterdieb! - bestehlen?“ Er schritt weiter auf sie zu, legte seine Finger fast zärtlich um den Griff der Waffe in seiner Hand, ehe er mit der anderen Hand nach ihrem Arm griff, zupackte und sie an sich zog. Es dauerte nur Sekunden und die Klinge drückte gegen Adalias Hals. Er konnte das Blut in ihren Adern förmlich pochen sehen. Mit der nun freien Hand strich er über ihr Haar, griff danach, zog daran, krallte dann seine Fingernägel in ihren Nacken. „Jetzt ist es auch egal, nicht wahr?“, hauchte er in ihr Ohr, das er sich an seine Lippen zog, „Ob ich es bemerkt habe oder nicht, macht jetzt keinen Unterschied mehr, oder?“ Er kannte die Antwort. Natürlich. Denn sie lag allein in seiner Hand. Nirgendwo sonst. Die erhoffte Überlegenheit konnte die Priesterin besser gleich vergessen, wenn sie nicht besonders lange leiden wollte. So gesehen hätte er eigentlich ihren Irrglauben unterstützen sollen, anstatt ihn zu zerschlagen. Aber war es, wie es war. Es war egal. Es hatte keine Bedeutung. „Du bist mein… du entkommst mir nicht!“, fauchte er und war dabei so ungehalten, dass er kaum wusste, wie er sich zurückhalten sollte. Die Gänsehaut auf ihrem Körper war wie eine Belohnung für ihn, eine eisige Bestätigung für seinen finsteren Willen, der den Ihren brechen sollte. Der Dolch an ihrem Hals schien die Priesterin nervös zu machen. Sie versuchte sich von Bakura weg zu drücken, doch gelingen konnte es ihr nicht, dazu musste sie viel zu vorsichtig sein. „Natürlich werde ich dir entkommen“, erwiderte sie dennoch, „Und das weißt du auch.“ „Nein, das wirst du nicht“, widersprach er, strich ihr Haar mit seiner Nase zurück, biss in ihr Ohr, wodurch sie schmerzerfüllt zusammenzuckte. Dadurch bohrten sich allerdings auch seine Nägel tiefer in ihre Haut und mit der Klinge schnitt er zunehmend tiefer, bis das Metall in ihrem Blut getränkt war. „Du hast dir das selbst zu verschulden“, klärte er sie sachlich auf, „Hättest du den Auftrag ausgeführt, würdest du jetzt noch ein schönes Leben haben. So schön, wie das Leben im Krieg eben sein kann“, er grinste fies. Nun jedoch, nun würde sie seine Sklavin werden, jetzt und für alle Zeiten. Und es war allein ihre Schuld. Voller Genuss legte er seine Lippen an ihren Hals und kostete von ihrem Blut. Der Saft, der Leben verhieß. Das Leben, das er nun zu beherrschen gedachte. „LASS MICH LOS!“ Adalia biss sich auf die Lippe. Am liebsten hätte sie laut aufgeschrien, doch diesen Triumph durfte sie ihm einfach nicht geben. Nicht jetzt. Nicht später. Niemals würde er sie dazu bringen. Es stand allein in ihrer Macht, ihre Gefühle und ihre Abscheu im Zaum zu halten und nicht die Nerven zu verlieren. Deshalb war sie die Beste. Deshalb war sie es schon immer gewesen. Er war so schrecklich abstoßend, so unglaublich widerlich, und nur jemand wie er konnte Gefallen hieran finden. Der Schnitt an ihrem Hals brannte, doch wesentlich störender war der Druck in ihrem Nacken. Die dreckigen Nägel, die ihre Haut besudelten und nicht von ihr abließen – es war einfach nur abscheulich. Doch sie wollte es nicht auf sich sitzen lassen. Sie war nicht soweit gekommen, um nun gegen ihn zu verlieren, sie war nicht all die Wege gegangen, die sie ihrem Ziel hatten näher bringen sollen, die sie ihm so nahe gebracht hatten, nur um vom ihm aufgehalten zu werden. Es war lachhaft, wenn er wirklich daran glaubte. „DU HAST DOCH GEWUSST, DASS ICH ES NICHT MACHEN WÜRDE!“, brüllte sie ihn an, ihr Hass trieb sie an, feuerte sie an und sorgte dafür, dass sie nicht nachgab. Nicht nachgeben konnte. Er würde sie schon noch kennenlernen... Niemand sollte sie unterschätzen. Das würde auch er noch verstehen. Schon bald. Schon bald würde er erkennen müssen, dass auch jemandem wie ihm natürliche Schranken gesetzt waren, allein dadurch, dass es jemanden gab, der mächtiger war. Mächtig waren immer jene, die unterschätzt wurden, denn sie besaßen Kräfte, die die Feinde nicht verstanden. Das würde auch er schon noch herausfinden... Ein weiteres Mal biss die Priesterin auf ihre Lippe. Den Dolch hatte Bakura in der Zwischenzeit verschwinden lassen, doch seine Hand lag noch immer an ihrem Hals. Er drehte sie um, zwang sie damit direkt in seine Arme und legte einen Finger auf ihre Lippen. „Na, na, Liebes“, hauchte ihr ins Gesicht, er war ihr nahe, viel zu nahe und er grinste bedrohlich, „Schreie niemals deinen Meister an.“ Es war ein Befehl, das stand ganz außer Frage. Wütend sorgte er dafür, dass sie sich nicht losreißen konnte, ungehalten strafte er sie für ihre Hartnäckigkeit. „MEINEN MEISTER?!“, schrie Adalia ihn wiederum an, alles andere als überzeugt davon und ebenso unwillig wie widerspenstig. Die Augen waren zu Schlitzen verengt, ihr Blick nicht weniger tödlich als sein eigener. Als sie seinen Finger auf ihrem Mund spürte, biss sie augenblicklich hinein, ignorierte den Geschmack nach Schweiß und Dreck. „Du wirst mich niemals beherrschen!“, rief sie, hysterisch lachend. Seine Nähe war grausam und doch hatte sie einen gewissen Reiz. Niemals hatte sie sich einer größeren Probe zu stellen gehabt, niemals zuvor einer größeren Herausforderung. Sollte er ruhig glauben, was er wollte, sollte er ruhig davon überzeugt sein, IHREN Willen konnte er auf gar keinen Fall brechen, da musste sie ihn enttäuschen, bitter seinen Wunschtraum auslöschen. Da war Blut an seinem Finger. Sie musste tatsächlich fest genug zugebissen haben, stellte sie mit wilder Genugtuung fest und auch ihm konnte es nicht verborgen bleiben. Waren sie nun quitt? Sein Blut für Ihres? Nein. So leicht ging das nicht. Gewaltsam griff Bakura erst nach ihren Haaren, riss daran, dann nach ihren Schultern und stieß sie grob von sich weg, sodass sie zu Boden fiel. „VERDAMMTES MISTSTÜCK!“, fauchte er und wischte das restliche Blut an seiner Kleidung ab, jenes Blut, das nun nicht an ihrer Kopfhaut klebte. Doch Adalia war es egal. Egal, wie oft er sie mit seinem Blut beschmutzen wollte, egal, wie oft er sie von sich stoßen wollte, egal, wie lange dieses Spiel dauern sollte. Sie hatte alle Zeit der Welt. Je länger sie ihn hier aufhalten konnte, desto näher rückte der Moment, da Seth siegreich zu ihr zurückkehren würde und wenn sie ihm erst den König der Räuber – und noch dazu den Vater von Mana – auf dem Silbertablett präsentieren könnte, dann würde er sie mit Sicherheit königlich belohnen und diese Ehre meinte sie wörtlich. Viele ihrer Verletzungen waren wieder aufgerissen durch die unsanfte Behandlung, doch auch das kümmerte sie nicht. Es war nicht von Belang. Das Blut, das bereits an einigen Stellen ihrer Haut langsam nach außen sickerte, hatte für sie keine Bedeutung mehr – zu oft war sie in letzter Zeit verletzt worden, als dass es sie noch schockieren konnte. Es war schon fast etwas normales, gewöhnlich und damit uninteressant. Und dann war es still zwischen ihnen. Die Stille vor dem Sturm, die Stille vor der Entscheidung. Adalia erhob sich elegant vom Boden, trat majestätisch auf den Dieb zu, der jedoch keinen Millimeter zurückwich. Ihr Blick war gesenkt, ihre Augen fast geschlossen. Die Aura, die sie umgab, knisterte förmlich, erfüllte den Raum. Und Adalia lächelte. Nie war sie schöner gewesen, als in diesem Moment, niemals anmutiger. Eine Königin, strahlend im letzten Licht der Sonne, die ihrem Feind entschlossen entgegen trat, nur zu dem einen Zweck: Sie wollte ihn vernichten. Ihre Magie war entfesselt, alles, was sie jemals gelernt hatte, jede Erfahrung, jedes Erlebnis. All die Dinge, die sie stark gemacht hatten. Sie setzte alles gegen Bakura, der sich dadurch allerdings nicht einschüchtern ließ. „Ich sagte dir schon einmal“, sprach sie leise und würdevoll, bevor ihre Augen plötzlich ihr Ziel fanden und ihn mit eisigem Blick fixierten, „UNTERSCHÄTZE MICH NIEMALS!“ Und der Blitz, der zwischen ihnen niederging, hätte mehr schmelzen können, als nur den Sand der Wüste. Wesentlich mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)