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Sunset over Egypt

Even if tomorrow dies
von

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Treue

Seine Schritte hatten ihn nach draußen geführt, er hatte überhaupt gar keine andere Wahl gehabt. Der Ruf des Pharaos hatte ihn in die Schlacht geführt – jene Schlacht, vor der er einst gewarnt hatte, jene Schlacht, die er beendet geglaubt hatte, genau wie sie alle. Die Schlacht, die nun den eigentlichen Kriegsschauplatz erreicht hatte. Der Ort, an dem die Gewalt wesentlich subtiler, wesentlich effektiver zugeschlagen hatte als durch Klingen, Sperre oder Pfeile. Als er aufgebrochen war, hatte er nicht erwartet, dass das Königshaus bereits so unwiederbringlich in Scherben liegen würde. Vertrauen und Kraft war das, was die königlichen Bewohner des Palastes auszeichnen sollte, doch die Fassade war nicht einmal zum Schein aufrecht erhalten worden. Die Grausamkeit hatte nicht nur die Wüste Libyens und die Ufer des Nils überrollt. Nein. Sie hatte nirgendwo Halt gemacht und sich in die Herzen aller eingenistet. Panik, die in den Herzen wuchs, Misstrauen und Angst. Keine Sicherheit. Das Reich, für das er schon immer gekämpft hatte. Als Bote der Zerstörung hatte er zwar nie in vorderster Front gekämpft, doch auch sein Leben war mehr als einmal in Gefahr gewesen. War es nicht seine Aufgabe gewesen, sich unter die Feinde zu mischen um sie auszukundschaften? Nichts, das er hinter den feindlichen Linien je kennengelernt hatte, war tödlicher gewesen für sein Königreich als das Treiben auf der eigenen Seite.

Nun jedoch änderte sich alles. Die Krone hatte ihren Besitzer gewechselt und so verloren auch alte Befehle ihre Bedeutung. Das Wort des Pharaos war Gesetz und der Pharao rief sie in den Krieg. Es konnte nur ihre eigene Niederlage werden, daran zweifelte niemand, der seine Augen zu benutzen wusste. Doch es war seine heilige Pflicht, den Wunsch des Pharaos zu befolgen – irgendwie war es ja doch auch das sinnvollste. Wenn die ägyptische Armee nicht überlebte... wer brauchte dann noch Boten?! Außerdem hatte Xerxes es satt. Satt, dass er immer nur die schlechten Nachrichten überbringen durfte, satt, dass er nie etwas ausrichten konnte. Und diese Starre, die den ganzen Palast mit eisiger Stärke gefangen hielt, die hatte er auch satt. Nach allem, was geschehen war, war dies genau der richtige Ort für ihn. Er war Ägypter! Und er würde sein Land bis zu seinem eigenen Untergang verteidigen.

Der markerschütternde Schrei eines Drachens ließ ihn aufsehen. Dass er über ihnen schwebte, konnte nur eines bedeuten. Er hatte es nie wirklich verstanden. Er hatte es auch nie begreifen wollen. Kisara war ihm schon ein Rätsel gewesen, als er sie das erste Mal getroffen hatte. Ein Mädchen ohne Herkunft, ohne Stand, aber voller Macht. Voller Magie, die sich in der Form ihres weißen Drachens manifestierte. Ihr Ka. Wie konnte eine so unglaubliche Bestie in einem so reinen Wesen hausen? Welche Faszination ging davon aus für jene, die nach Macht strebten? Er hatte es nicht glauben wollen, doch nun, da er den Drachen sah, wurde ihm klar, weshalb es Menschen gab, die danach strebten. Menschen, die auch ihren Tod in Kauf genommen hätten um diese Macht an sich zu reißen. Dabei war sie doch nur ein weiteres unschuldiges Wesen, das die Grausamkeiten des Krieges erleben musste. Irgendwo hier musste sie sein. Irgendwo kämpfte sie ihren eigenen Kampf. Und er konnte sich nicht um sie kümmern. Solange der Drache nicht wirklich in das Geschehen eingriff, brachte er ihnen keinen Vorteil. Und der Nebel ließ sich dadurch nicht aufhalten. Xerxes konnte nur darauf vertrauen, dass das Drachenkind wusste, was es tat. Es war ihre einzige Chance.

Sie alle hatten nur diese eine Gelegenheit, etwas auszurichten. Ein letztes Mal noch standen sie den Libyern gegenüber. Absolut alles hing ganz allein von diesem Kampf ab.

Die Gefahr war viel zu groß.

Nun stand er also hier, seine Chancen waren besser und schlechter, als er es erwartet hatte. Besser, weil er sich eines starken Führers bewusst war und schlechter, weil er mit nichts weiter als einem Schwert bewaffnet seinen Weg durch die Feinde freizukämpfen hatte. Ein Bogen wäre ihm lieber gewesen, doch er hatte keinen. In einem Krieg hatte man keine Ansprüche zu stellen, wenn man überleben wollte. Man durfte nicht wählerisch sein. Und er konnte wahrlich nicht sagen, die Klinge wäre stumpf. Sie durchschnitt das Fleisch, zertrümmerte Knochen mit einem Schlag. Sie war eine grausige Waffe, die er zu führen wusste. Für sein Land. Für seinen Pharao. Und für sich selbst.

Nicht zuletzt sein eigenes Leben und seine eigene Freiheit standen auf dem Spiel – wer nicht zumindest ein wenig egoistisch war, der hatte keine Chance zu überleben. Es kam nur darauf an, das richtige Verhältnis zu finden, zwischen Pflichterfüllung und Selbsterhaltung. Er konnte kämpfen. Er konnte töten. Und er konnte auch sterben.

So wie sie alle hier. Sie alle, die sie nur dem Ruf gefolgt waren, ohne Hoffnung, ohne Plan, ohne Strategie. Ihr neuer Pharao war ein starker Kriegsherr und ein grausamer Gegner. Doch sein Hass trieb ihn an, verhinderte, dass er die Logik in Betracht zog. Die Logik, die sie ins Verderben stürzen musste. Vielleicht war es ihr Vorteil, dass der Hass das Unausweichliche vernebelte. Vielleicht war es dieser verfluchte Nebel selbst... Eiskalte Logik ließ ihnen alle keine Wahl. Wenn nicht ein Wunder geschah, dann waren sie dazu verurteilt hier zu sterben. Doch er würde nicht sterben, ohne seine Gegner mit sich in den Tod zu reißen. Es war seine Pflicht. Es war seine Ehre. Vielleicht war es ihr aller Schicksal, hier zu versagen. Vielleicht sollte alles untergehen. Doch niemals geschah es, dass sich ein Ägypter kampflos ergab. Dieses Land würde nicht kapitulieren, solange ein einziger Mann es verteidigte. Niemals.
 

Wer auch immer es gewesen war, wer auch immer ... es ... getan hatte, dem konnte er ein Grauen versprechen, das er selbst nie für möglich gehalten hätte. Nie zuvor hatte er einen solchen Hass gespürt, nie zuvor eine solche Pein. Atemu strich die Haare aus seinen Augen.

Er musste ruhig bleiben. Er musste jetzt die Fassung bewahren. Eisige Ruhe war die Grundlage für wahren Hass – nun endlich konnte er Seth wirklich verstehen. Doch im Gegensatz zu Teana war Mana zumindest noch am Leben... Wer immer es getan hatte, der würde dafür büßen. Er würde denjenigen finden. Ganz sicher. Nur wusste er nicht, wo er seine Suche beginnen sollte, und er hatte auch nicht die Zeit dazu. Er wollte es nicht aufschieben, doch er musste. Er wusste nur, dass er diesen Dolch schon einmal gesehen hatte. Wo auch immer das gewesen war... Er würde es schon herausfinden. Und dann würde er seine Rache bekommen. Und sie würde schrecklich werden. Nun erst konnte er wirklich verstehen, weshalb Seth ihm nicht gestattet hatte, dass er Shada und Karim bestrafte. Weshalb er es selbst hatte machen wollen. Diese Aufgabe war ganz und gar nur für ihn bestimmt. Und er würde erst ruhen, wenn er den Verantwortlichen gefasst hatte.

Vorerst hatte er jedoch keine Gelegenheit dazu. Zwar hatte er Seth die Krone übergeben, doch auch er gehörte zu seiner Familie und er konnte ihn nicht allein in die Schlacht schicken. Zumindest für Mana musste er daran denken, dass es Menschen gab, die auf keinen Fall fallen durften.

War er nur ein einfacher Krieger? Ein Mann, der kämpfte um sein Land zu verteidigen? So wie all die anderen? Ein Mann, dessen einziges Ziel es war, die Feinde niederzustrecken? War er so jemand? Konnte er das sein?

Er musste es sein. Teanas Mörder musste warten, vorerst hatte Atemu sich um die Libyer zu kümmern und sich mit ihnen zu vergnügen. Das Leid um sich herum konnte er nicht mehr sehen. Er konnte es nicht mehr aufnehmen. Kalt wie eine Puppe stieg er über Leichen und kämpfte. Frauen und Kinder lagen ihm zu Füßen, tot, den Schrecken in den Augen und ihr Blick bis in alle Ewigkeit entstellt. Sie waren alle unschuldig gewesen. Unschuldig, genau wie Teana.

„Ihr Götter“, dachte er und verfluchte sie. Was auch immer er getan hatte, nichts rechtfertigte die Art, mit der sie sich von ihm abgewandt hatten. Erst nahmen sie ihm das Kostbarste in seinem Leben, und nun stießen sie sein Land ins Verderben.

Die Gedanken an Teana ließen ihn nicht los. Ihr blasses Gesicht spiegelte sich in den Leichen, die um ihn herum lagen, er schien sie überall zu sehen und es machte ihn wahnsinnig! Er musste diese Gedanken in den Griff bekommen, er musste einfach! Wenn er hier starb, dann machte das zwar auch nichts mehr, doch er wollte noch nicht sterben. Er hatte die libyschen Truppen gesehen und in dem Moment war ihm bewusst geworden, dass dies nicht der Ort war, an dem er zu sterben hatte.

Das donnernde Hufgetrampel, das in Windeseile auf ihn zustürmte, bemerkte er im letzten Moment. Der Waffe, die auf ihn gerichtet war, die gekommen war um ihn zu richten, konnte er nur knapp entkommen. Doch es reichte, um ihn von seinen Hirngespinsten zu befreien.

Schon wendete der Reiter, drehte um um ihn auszulöschen. Er musste erkannt haben, wen er vor sich hatte, musste erkannt haben, dass er zwar nicht mehr der Pharao, aber trotzdem noch ein einflussreicher Mann im Reich war. Ein Wort von ihm, und die ägyptischen Truppen würden strammstehen und auf seinen Befehl hören. Das musste dem Libyer klar geworden sein. Zumindest sagten das seine Augen. Eine Gier lag darin, die dem Wahnsinn die Hand reichen konnte. Wieder schlug die Waffe auf ihn nieder – wieder wich Atemu aus. Nicht hier. Nicht jetzt. Er hatte nicht vor hier zu sterben. Nicht durch diese Hand. Und beim nächsten Schlag des Soldaten war er bereit. Mit einem geschickten Streich seines Schwertes brachte er das Pferd zu Fall. Das arme Tier begrub seinen Reiter unter sich, doch das reichte dem ehemaligen Pharao nicht aus. Es gab kein Erbarmen mehr. Ein einziger gezielter Schlag genügte, um dem Mann den Kopf abzutrennen.

Wie viel Wut tatsächlich in diesem Schlag gelegen hatte, wurde auch ihm nicht bewusst. Erst danach achtete er wieder auf das weitere Geschehen. Er wurde überrascht. Sie schlugen sich besser, als er es für möglich gehalten hatte und zum ersten Mal, seit er sich der Katastrophe bewusst geworden war, glaubte er, dass sie eine Chance hatten. Seth hatte wenig Zeit gehabt, doch er hatte alles geregelt. Und wenn er auch sonst nichts geschafft hatte, so war Atemu zumindest in einem Punkt stolz auf sich: Er war froh, Seth ernannt zu haben. Er war froh, nun unter seinem Kommando zu stehen. Es war, als wären schwere Ketten von ihm abgefallen, Ketten, die verhindert hatten, dass er etwas unternehmen konnte. Ketten, die er – wie er zu seine Schade gestehen musste – nun seinem Cousin angelegt hatte. Doch Seth hatte schon öfters bewiesen, dass er die Verantwortung tragen konnte. Er hatte schon viel früher eine Reform gewollt, wenn auch zunächst aus niederen Gründen. Nun war er bereit, dieses Reich zu seinem Ende zu führen – was auch immer sie erwarten würde. Und er, Atemu, er konnte zum ersten Mal seine eigenen Pläne verfolgen. Zum ersten Mal musste er das Wohl des Volkes nicht über alles andere stellen. Seine Verpflichtungen hatten Teana in den Tod gerissen. Und er würde nicht ruhen, bis er nicht nur seine geliebte Prinzessin sondern auch sein Kind gerächt hätte. Solange musste er leben. Und so lange durfte er die Götter verfluchen, die sich von ihm abgewendet hatten.

Einst war er Pharao gewesen. Mächtig und einflussreich zwar, doch im Grunde schwach. Jetzt war er etwas völlig anderes. Getrieben von Hass und blinder Verachtung war er zum ersten Mal in seinem Leben wirklich stark. Libyen hatte den Krieg erst notwendig gemacht. Die Unruhen an der Grenze waren der Auslöser gewesen für alles, was geschehen war. Und nun waren sie hier um noch das letzte bisschen Leben aus dem Land zu zerstören. Er konnte das nicht zulassen. Die Teufel mussten vernichtet werden, nicht einfach aufgehalten. Gnade war etwas für die Schwachen. Das hatte er schmerzlich feststellen müssen. Hätte er den Überlebenden am Fluss keine Gnade gewehrt, dann hätte dies hier verhindert werden können. Noch einmal durfte das nicht geschehen.

Und dafür würde er kämpfen. Er hatte vielleicht seine Krone verloren, doch nicht seine Würde. Der Pharao rief sie in die Schlacht und er würde kämpfen. Erst wenn hier aufgeräumt worden war, konnte er den Verräter suchen. Erst dann konnte er Teana rächen. Erst dann durfte er sterben. Und die Übermacht, die ihm gegenüberstand, die interessierte ihn nicht, schüchterte ihn nicht ein. Solange er noch kämpfen konnte, würde er es tun. Für seinen Cousin. Für sich selbst. Und für Teana.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  TeaGardnerChan
2013-02-11T06:36:48+00:00 11.02.2013 07:36
O.O

Da kann man wirklich nur zu gut erkennen wie viel Schmerz in ihm ruht und wie sehr er Teana vermisst.
Dass es ihn regelrecht wahnsinnig macht dass sie nicht mehr an seiner Seite ist, ist auch nachvolliehbar, er tut mir so leid.
Gute Frage wieso ihn die Götter so im stich gelassen haben.
Krieg.... überall nur Krieg.
Furchtbar.
Ich hoffe doch wenigstens dass es für Mana und Seth ein Happy End gibt.


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