Sunset over Egypt von Sennyo (Even if tomorrow dies) ================================================================================ Kapitel 91: Abschied -------------------- Ewigkeiten schien es nun her zu sein, Ewigkeiten und doch erst einen kurzen Augenblick. Als er seine Schwester das letzte Mal gesehen hatte... es war wie in einer anderen Zeit. Akim saß mitten im Nebel, ungesehen und grübelte vor sich hin. Seine Unterlippe war zwischen seinen Zähnen eingeklemmt, doch er übte keinen Druck darauf aus. Eigentlich war er ganz entspannt. Entspannung und doch nervös zugleich. Cyrus Pläne waren völlig klar, lagen offen vor ihm wie ein Buch, das er schon ein paar Mal gelesen hatte. Er wusste nicht, was er denken sollte. In den letzten Tagen hatte sich so vieles verändert, alles war radikal umgeworfen worden und das nicht nur bei ihm. Er konnte es nicht leugnen - er hatte sich unglaublich verändert. Oder war er wieder so geworden, wie früher? War das überhaupt möglich? Wer wäre er gewesen, wenn er Seth damals nicht begegnet wäre? Oder wenn er ihn getötet hätte, wie er es hätte tun sollen? Es war das Spiel der Überlegenheit gewesen, das er verloren hatte, das wusste er jetzt. Hätte er den Hohepriester nicht in seiner kindlichen Naivität unterschätzt, wäre all das nicht geschehen. So gesehen war es auch ein Wunder gewesen, dass er überhaupt noch am Leben war. Als erinnerungslose Puppe wäre es ein leichtes gewesen, sich ihm zu entledigen und es war ja auch nicht gerade so, dass sonderlich viele Menschen sich für ihn interessiert hatten. Nein. Wenn Seth ihn hätte töten wollen, dann hätte er mehr als genügend Möglichkeiten dafür gehabt. Aber auch der Brünette war im Begriff, das Spiel der Überlegenheit zu verlieren. Es war Unterschätzung, die alles zu Fall bringen konnte, nichts anderes. Selbstüberschätzung und Unterschätzung des Gegners. Alle Fäden führten in einem Punkt zusammen. Er atmete tief durch. Mit einem einfachen Klatschen in die Hände versank Akim in dem Nebel, der ihn umgab. Als er eine Sekunde später die Augen wieder öffnete, stand der neben Meira, die nicht überrascht schien. „Verzeih... Meine Warnung war etwas grob“, sagte er mit Bedacht und dachte an die Nebenkugel, mit der er sie beworfen hatte beim letzten Mal. „Es gab keinen anderen Weg.“ Rechtfertigte er sich hier? Er wusste selbst nicht, was er tat. Alles war Chaos und doch auffallend klar. Die Rothaarige, die den Blick bis dahin auf die Millenniumskette fixiert gehabt hatte, sah auf. „Ich habe dich kommen sehen“, sagte sie leise, ihre Augen waren gefüllt von einer tiefen Traurigkeit und sie schüttelte ihren Kopf. „Du hast getan, was du tun musstest.“ Das Lächeln, das ihre Lippen zierte bei diesen Worten, war echt, doch so unglaublich betrübt, dass eine Kälte von Akim Besitz ergriff, die er nicht kannte. „So einiges ist geschehen seitdem...“, flüsterte Meira. Er nickte. Ja, es war unglaublich viel geschehen in der Zwischenzeit. Vielleicht war es nicht geprägt von Taten gewesen, die die Welt verändert hatten, doch die Einstellungen hatten sich gewiss verändert. Er lächelte. „Du weißt es, habe ich recht?“, fragte er berechnend, ihr Blick sprach Bände, auch wenn sie keine Antwort gab. Er wusste, dass genau diese Eigenschaft ihre Gegner immer wieder scheitern ließ und doch brannte ihm nur eine einzige Frage wirklich auf der Zunge. Eine Frage, nicht nach ihren Techniken oder Methoden, nicht nach ihrer Gnade. Er sah in die Ferne, dem Horizont entgegen, den er kaum noch zu erkennen vermochte durch den dunklen Nebel, der inzwischen alles verhüllte, woraus noch Hoffnung hätte wachsen können. „Wieso hältst du mich nicht auf?“ „Würdest du dich aufhalten lassen, selbst, wenn ich es wollte?“ Ihr Lächeln verging nicht, im Gegenteil. Seine Anwesenheit schien in ihr eine ungeahnte Ruhe auszulösen, etwas, das er von ihr nicht kannte. Seit er ihr wieder begegnet war, ging von ihr eine ständige Unruhe aus, etwas, das er sich nicht erklären konnte, ihre Aura jedoch trübte. Er hatte vermutet, dass dieses Gefühl mit der Millenniumskette in einen Zusammenhang zu bringen war, Geheimnisse der Zukunft, die eigentlich nie hätten entschleiert werden dürfen. Trotzdem schien sie nun ruhig zu sein, im Reinen mit sich selbst und offenbar im Einklang mit der Kette. Es was faszinierend. Meiras strahlende und zugleich trübe Augen betrachteten ihn aufmerksam, schienen jede seiner Reaktionen erforschen zu wollen. „Cyrus wird Ägypten angreifen...“, sagte sie leise, und er wusste, dass sie recht hatte. Er nickte, und auch wenn ihn die Neuigkeit scheinbar kalt ließ, konnte er den Schauer, der bei ihren Worten über seinen Rücken gelaufen war, nicht leugnen. „Das was nur eine Frage der Zeit...“, erwiderte er kühl, auch wenn es ihm überhaupt nicht gefiel. Was ihn jedoch noch viel mehr überraschte, war seine Schwester. „Du scheinst davon nicht begeistert zu sein“, stellte er überrascht fest, „Du bist ganz anders als er.“ Verwunderte es ihn wirklich so sehr? Es hatte es doch gewusst, hatte gewusst, dass Cyrus andere Dinge schätze, als sie. „Das mag sein, ja“, antwortete sie, doch auf welche Frage sie sich bezog, das war nicht klar. Sie lächelte schwermütig, ließ ihren Blick in die Ferne schweifen, vorbei an den dunklen Nebelschwaden, die sie doch nicht übersehen konnte. Fast unbemerkt schwenkte ihr Kopf von einer Seite zur anderen, ehe ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Kette fiel. Und wieder spürte er eine Verbitterung, die sie gewiss nicht so deutlich zeigen wollte, doch sie konnte es nicht verbergen. War es Sorge? Wovor fürchtete sie sich? Nichts auf der Welt konnte sich mit der Nebelmacht messen, und ihr stand nicht nur diese, sondern zusätzlich noch die Millenniumsmagie zur freien Verfügung. Wovor also hatte sie Angst? Was waren das für Sorgen, die sie nicht teilen konnte? Die Dunkelheit war allgegenwärtig. Akim konnte nicht anders. Voller Faszination und stiller Begeisterung lächelte er in den Nebel, achtete jedoch darauf, die Rothaarige nicht aus den Augen zu lassen. Schließlich erhob er sich. „Es wird Zeit“, sagte er mit eine unglaublichen Zartheit in der Stimme zu ihr, ehe er im Nebel verschwand, ohne sich noch einmal umzusehen oder auch nur ihre Antwort abzuwarten. Meira konnte ihm nur noch hinterher sehen und ihrem Bruder alles Gute wünschen. Sie konnte sich nur noch still verabschieden, als er sie mit all ihren Hoffnungen und Wünschen für ihn allein zurück ließ. Es war einfach nur eigenartig. Irgendetwas war absolut nicht richtig, das konnte sie spüren, aber sie konnte es nicht erklären. Mana drehte eine Strähne ihres Haares um ihren Finger und runzelte die Stirn. Eben noch hatten sie doch ganz toll gespielt? Sie hatte sogar ein Spiel gewonnen! Stolz erfüllte das Mädchen, sie hatte die Regeln schnell gelernt. Aber Kisara hatte auch gewonnen. Sie freute sich aber überhaupt nicht darüber. Hatte sie das Spiel doch nicht richtig gespielt? Aber das hätte sie ihr doch gesagt, oder? Und wo war Seth hingegangen? Musste er auch woanders arbeiten? Ein wenig beunruhigt sah Mana ihm nach. Er würde doch nicht wieder weggehen, oder? Das hätte er ihr doch bestimmt vorher erklärt oder? Seth... Es war verwirrend. Was war denn Liebe? Hatte sie das richtig verstanden? Wieso konnte ihr das denn keiner vernünftig erklären? Es hatte ja auch keiner wirklich versucht... Ein Seufzen von Kisara lenkte das Mädchen ab. Doch, da stimmte etwas nicht. Die Weißhaarige hatte auch zur Tür gesehen, hatte auch hinter Seth hinterher gesehen. Und hatte sie nicht auch seitdem schlechte Laune? Hatte es etwa etwas mit Seth zu tun? Oder war es etwas ganz anderes? Sie verstand es nicht. Schon wieder. Wieder konnte sie nicht folgen und das gefiel ihr gar nicht. Kurzentschlossen stellte sie sich direkt vor Kisara, strahlte sie an, lachte kurz. Die Ältere konnte bestimmt auch lachen, oder? Mana ergriff ihre Hand und zog sie mit sich, setzte sich selbst auf die Fensterbank und ließ ihre Beine baumeln. „Was hast du denn?“, fragte sie neugierig. Bedrückt sah die Andere sie an, schüttelte leicht den Kopf und lächelte. Aber das Lächeln sah komisch aus. Nicht wie das Lächeln, das sie sonst hatte. „Es ist nichts“, sagte Kisara lieb, drehte sich leicht von ihr weg. Trotzdem konnte Mana sehen, dass sie sich auf die Lippen biss. „Es ist unwichtig...“ Skeptisch schaute Mana in ihre Richtung. „Unwichtig?“, wiederholte sie das Wort, dessen Bedeutung sie in diesem Zusammenhang nicht deuten konnte. Die Tür öffnete sich und nahm ihre Aufmerksamkeit für einen kurzen Moment in Anspruch. Seth! Ihr Herz machte einen kleinen Hüpfer, sie wollte erst aufschreien, doch sie ließ es dann doch. Sie dachte an Kisara. Lag es wirklich an ihm? Sie zögerte. Das war doch falsch oder? Das war verwirrend. Seth war wieder hier und sie wollte nicht darüber nachdenken! Es war toll, dass er wieder da war! Sie freute sich, freute sich so ehrlich und rein, dass auch Kisara kurz lächelte. Mana schob sich selbst von der Fensterbank und lief dann doch zu ihm. Sie konnte einfach nicht anders, seine Rückkehr machte ihr so viel Freude, dass sie einfach nur hüpfen wollte. Sie lief auf ihn zu, schmiss sich in seine Arme, verzog nur kurz das Gesicht, weil ihre Rippe rebellierte. Doch das machte nichts. Und Adalia war auch wieder da! Sie strahlte sie an. „Seth!“, rief sie grinsend, „Adalia!“ Kisara trat an die drei heran. „Willkommen zurück“, richtete sie ihr Wort an Adalia, nickte dem Hohepriester nur zu. Freute sie sich denn nicht? Mana sah unsicher zwischen den anderen hin und her. Es war doch richtig, dass sie sich freute, oder? War es gut? Wieder wurde die Tür geöffnet, dieses Mal jedoch nicht langsam und gemächlich, sondern mit einem lauten Knall. Adalia konnte gerade noch ausweichen, sodass sie die Tür nicht gegen den Rücken gestoßen bekam. Mana riss vor Schreck die Augen auf. Was war los? Ein Mann stand im Raum, ein Mann, den sie nicht kannte. Hatte sie ihn schon einmal gesehen? Er sah Seth so unglaublich ähnlich... War er gut? Was wollte er? „MEIN PRIESTER!“, brüllte der Mann und das Mädchen wich erschrocken zurück, „IHR MÜSST SOFORT MITKOMMEN!“ Wieso schrie der Mann? Er war ganz außer Atem, aber Mana verstand es nicht. Ihre Augen waren weit geöffnet, ihr Mund stand ein wenig offen und sie war verwirrt. Durfte er so mit Seth sprechen? Durfte er einfach so hier her kommen? „DER PHARAO VERLANGT NACH EUCH! ES IST ETWAS SCHRECKLICHES GESCHEHEN!“ Seine Stimme machte ihr Angst, was sollte das? Was war geschehen? Etwas Schreckliches? Das war nicht gut, oder? Mana griff nach Adalias Gewand, zog an dem Stoff, hielt sich daran fest. Doch die Priesterin reagierte nicht. Mana sah zu ihr auf. Sie sah auch so eigenartig aus, hatte sie auch Angst? Adalia starrte den Mann an, stand ganz starr da und ihre Augen glänzten. Weinte sie? Oder nicht? Was war denn nur los?! Und dann war der Mann wieder weg, war einfach wieder losgelaufen. Und Seth lief hinterher. Es ging so schnell, dass Mana überhaupt nicht verstand, was eigentlich geschah. Adalia riss sich von ihr los und lief ebenfalls davon, alle liefen weg und achteten nicht auf sie. Sie hatte Seth und Adalia nur noch von hinten gesehen, als sie laufend in den Gang einbogen, der sie aus ihrem Blickfeld entweichen ließ. Die Tür stand offen, Manas Herz schlug schneller, als sie es je gekannt hatte. Das war falsch, das war falsch! Was war denn richtig? Sollte sie hier warten? Sollte sie auch loslaufen? War etwas hier in diesem Raum? Was war denn nur los? Sie lief los, ein paar Schritte nur, dann zog etwas sie zurück. Hände hielten sie fest, zogen sie mit sanfter Gewalt zurück, drückten sie an einen warmen Körper. Mana versuchte sich freizukämpfen, doch sie hatte nicht genug Kraft, sie wollte weiter laufen, doch sie schaffte keinen weiteren Schritt mehr. Sie konnte sich nicht wehren. „SEEEEETH!“, schrie sie verzweifelt, immer wieder, versuchte sich loszureißen, doch die Hände ließen sie nicht los. „SETH!!“ „Beruhige dich!“, flüsterte eine Stimme und weißes Haar fiel über Manas Schulter. Weißes Haar... Mana hörte auf zu kämpfen. „Kisara?“, fragte sie verunsichert, drehte sich zu der Anderen um, Verwirrung und Verständnislosigkeit durchflutete sie. Sie schüttelte den Kopf, genauso wie die Weißhaarige. „Aber... was ist denn passiert?“, fragte sie mit brüchiger Stimme, blinzelte einige Tränen aus ihren Augen heraus. Kisara zog sie zurück in das Zimmer, schloss unter Manas Protesten die Tür. „ICH WILL DOCH BEI SETH BLEIBEN!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)