Sunset over Egypt von Sennyo (Even if tomorrow dies) ================================================================================ Kapitel 81: Puppenspiel ----------------------- Sand. Jede Pore ihres Körpers schien sich damit zu bedecken, schien sie zu umhüllen, sie einzusperren, ihr die Luft zu nehmen. Es kam so plötzlich, wie aus dem nichts war es da und nun gab es kein Zurück. Verzweifelt riss Adalia an ihrem ohnehin schon zerstörten Gewand und versuchte fast krampfhaft rechtzeitig mit einem Fetzen Stoff ihr Gesicht bedecken zu können, bevor der feine Staub auch ihre Atemwege erreichen konnte. Wo war dieser Sturm auf einmal hergekommen? Wieso so plötzlich?! Es war ihr unverständlich. Es brannte in ihren Wunden, brannte, als der Sand über ihre Haut peitschte, doch all das nahm sie nur peripher wahr. Sie konnte nicht atmen. War dies das Ende? War es ihr vorherbestimmt auf solch elendige Art zu sterben? Wie Vieh dahingerafft zu werden?! Dies war nicht das, was sie sich vorgestellt hatte. Sollten sich etwa all ihre Träume einfach so im Sand auflösen? Verschwunden in der endlosen Weite der Wüste? Würde sie ihn wirklich nie mehr wieder sehen? Nie mehr sein stolzes Antlitz erblicken? Nie wieder... Seth? Obwohl der Priesterin das Bewusstsein fast gänzlich schwand, schaffte sie es nicht, den Atemreflex zu unterdrücken. Sie schnappte verzweifelt nach Luft, ohne dass sie sich dagegen wehren konnte – und sog einen kühlen Hauch ein von etwas, das nicht hätte möglich sein können. Sie riss die Augen auf, wohlwissend, dass ihr diese Tat den Sand in die Augen streuen musste, doch wiederum wurde sie überrascht. Ihre Sicht reichte nur wenige Zentimeter, doch in diesem Bereich war sie klar. Völlig klar. Adalia zwang sich zu denken. Etwas solches war gänzlich unmöglich. Der Sand hätte sie ersticken müssen, diese schützende Schicht war nichts, das der Natürlichkeit entsprach. War es also... Sie stockte. Wieso eigentlich nicht? Das, was sie eingeatmet hatte, war keine reine Luft gewesen. Doch es war auch kein Sand. Spielte er etwa immer noch nach seinen eigenen Regeln? Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen. Manchmal war Akim wirklich unglaublich. Niemand konnte beurteilen, auf wessen Seite er gerade stand, doch die Überraschung – nun, die stand immer auf seiner Seite. Trotzdem blieb der Priesterin nichts anderes übrig, als darauf zu warten, wie sie langsam aber sicher verschüttet wurde. Sie konnte nur hoffen, dass dieser eigenartige Lebenshauch, den Akim ihr geschenkt hatte, lange genug vorhielt. Zeit verging. Adalia wusste nicht, wie viel Zeit inzwischen verstrichen worden war, und sie wusste auch nicht, wie lange sie noch hier gefangen sein würde. Das Gewicht auf ihrem Körper war immer schwerer geworden, also musste die Sandschicht über ihr auch immer breiter geworden sein. Nahm sie noch zu? Sie wusste es nicht. Sie hatte seit einer Weile nun keine Zunahme des Gewichtes mehr gespürt, doch sie wusste nicht, ob es daran lag, dass tatsächlich nichts Neues mehr hinzugekommen war, oder ob sie es schlicht und ergreifend einfach nicht mehr wahrnahm. Wie viel konnte so ein Körper tragen? Und vor allem: Wie viel konnte ein Körper tragen, ohne einen Unterschied zu spüren? Wie lange lag sie schon hier? Noch immer konnte sie atmen. Sie Luft war zwar relativ dünn, aber sie reichte aus um sie am Leben zu erhalten, reichte aus um sie nicht voller Wut an sich und ihren Fähigkeiten zweifeln zu lassen. Etwas geschah. Sie konnte es spüren, konnte es in jedem Muskel ihres Körpers fühlen. Das Gewicht nahm ab, doch sie selbst blieb voller Anspannung. Sie war bereit, noch einmal würde er sie nicht aus dem Hinterhalt angreifen. Noch einmal würde er sie nicht überraschen. Etwas riss an ihren Armen und zog sie aus dem Sand, zog sie auf die Füße. Wieder waren es diese Geister und wieder stand der Weißhaarige direkt vor ihr. Wie sie ihn hasste! Wie sie ihn verabscheute! Er legte seinen Kopf schief, zog erstaunt die Augenbrauen nach oben. „Du scheinst es wirklich gut verkraftet zu haben“, sagte er, hauchend fast und doch lauter als erwartet. Wenn sie ihn nur erwischen könnte… Wie viel hätte sie darum gegeben, nun an seiner Stelle zu stehen, ihn festzuhalten. Er legte seine Hand an ihre Wange, strich ihr grinsend übers Gesicht und packte dann eine ihrer offenhängenden Haarsträhnen und wickelte sie sich um den Finger. Die Geister verschwanden. Wacklig stand die Priesterin auf ihren Beinen, sie waren zwar geschunden, doch sie hielten ihr Gewicht. Sauer sah sie ihn an, schlug seine Hand voller Abscheu von sich weg. „FASS MICH NICHT AN!“, fauchte sie aufgebracht, erreichte damit jedoch nur, dass er sie auslachte. Noch immer grinsend trat er an sie heran, legte einen Arm um ihre Taille, locker zwar, doch dennoch mit Nachdruck. Ihre Worte ignorierte er vollständig. „Was hältst du von einer kleinen Wanderung?“, fragte er gelassen, packte in ihre Seite, was sie das Gesicht verziehen ließ. Erst einmal tat es weh und außerdem war es ihr unangenehm. Er war ihr unangenehm, sie verabscheute es in solch einer Nähe zu ihm zu stehen, doch sie hatte keine andere Wahl; er riss sie mit, egal wie sehr es ihr widerstrebte. Er sprang – und im nächsten Moment schien der Boden unter ihnen wegzubrechen, er riss sie in die Tiefe, durch den Sand hindurch in die Finsternis. Das Einzige, das die Priesterin in ihrem Schecken wahrnahm, war das wahnsinnige Lachen, das noch immer von Bakuras Lippen kam. Zwar wurde sie nach unten gezogen, doch wiederum konnte sie atmen. Dieses Mal jedoch war es ganz sicher nicht Akim, der ihr dabei half, das zumindest stand fest. Sie schrie auf – er genoss es. Es ließ sich nicht anders sagen, es gab keinen besseren Ausdruck. Purer Genuss. Voller Abscheu versuchte sie sich von ihm wegzudrücken, ihm irgendwie zu entkommen, doch sie hatte keine Chance. „Was willst du von mir?!“, verlangte sie zu wissen, doch er ließ sich Zeit mit der Antwort, ließ sie warten. Wider Erwarten landeten sie Beide auf den Füßen, doch im Gegensatz zu dem Räuber konnte die Priesterin den Aufprall nicht lange halten und so fiel sie dennoch zu Boden. Finster knurrte sie ihn an, blickte sich um. Sie kannte diese Gemäuer nicht, wusste nicht, wo sie sich befand und das gefiel ihr überhaupt nicht. Bakura packte grob ihren Arm, zog sie gewaltsam wieder auf die Füße. „Was ich von dir will?“, fragte er höhnisch, erwartete jedoch keine Antwort, sondern gab sie im nächsten Augenblick selbst: „Fast gar nichts“, erklärte er, drückte sie leicht an sich und legte seine Hand an ihr Kinn um sie dazu zu zwingen ihn anzusehen. „Fast gar nichts“, wiederholte er noch einmal hauchend. Es war alles voller Sand, er umgab sie, schloss sie ein, doch Adalia sah ihn nicht. Viel zu sehr war sie damit beschäftigt, den Mann voller Hass anzustarren, der sie dazu brachte, den Blick nicht abzuwenden. Wenn sie sich nur hätte befreien können! Wenn sie nur etwas hätte tun können! Wie gern hätte sie ihn in der Luft zerrissen, wie gern hätte sie ihn zur Strecke gebracht, gleich jetzt, auf der Stelle. Fesseln aus Sand hielten sie davon ab, schoben sich um ihre Handgelenkte und ihre Beine, hielten sie schon wieder fest, nahmen ihr schon wieder die Möglichkeit sich zu rühren. Und noch etwas hatte der Meisterdieb ihr genommen: Die Möglichkeit sich zu verteidigen. Der Zauber, der ihre Macht blockierte, war so präsent, dass sie es nicht einmal probieren musste. Sie wusste, dass es nichts brachte, nichts bringen konnte. Hass durchströmte sie, durchfuhr jede einzelne Faser ihres angespannten Körpers. Wieder riss sie an ihren Fesseln, doch der Sand zog sich enger zusammen, jedes Mal, wenn sie daran zerrte. Adalia spuckte Bakura ins Gesicht. „Ich sagte, du sollst mich loslassen!“, wiederholte sie sauer, der Blick fest und konzentriert. Wenn er ihr nur eine einzige Chance ließe... Er würde es auf Ewig bereuen. Angewidert blickte er sie an, wischte sich das Gesicht im weiten Ärmel seines roten Mantels ab. „Wie du wünschst“, zischte er und löste den Zauber auf, der sie festhielt. Grob und hart wurde sie auf den Boden geschleudert, Stein und Sand spürte sie in ihr Fleisch schneiden. Er schritt ein paar Meter auf und ab. „Sonst noch Wünsche, du Miststück?!“, fragte er und die Brünette starrte ihn entsetzt an. Durch den Aufprall waren ihre Wunden wieder aufgerissen, doch das hatte sie nicht zu kümmern. Was wollte er? Wieso hatte er auf sie gehört?! Gut, sie hatte nicht so brutal zu Boden stürzen wollen, doch er hatte sie losgelassen. Er musste wissen, dass sie in der Magie ebenfalls äußerst bewandert war; wie konnte er es da riskieren? Der blockierte Zauber hin oder her – Wer sein Geheimnis kannte, der konnte sich auch in die Lage versetzen, den Zauber umzukehren. Wieso also dieses Risiko? Was für ein Ziel verfolgte der Weißhaarige, der ihr nicht nur die Freiheit, sondern langsam auch die Geduld nahm. Der Rand des Wahnsinns war nur eine weitere Klippe in Adalias Kampf und sie war nicht bereit sich auf Grenzen einzulassen. Unter keinen Umständen. Grimmig starrte sie ihn an, sagte jedoch erst einmal nichts, gab nicht einen einzigen Ton von sich. Herablassend sah er sie an, sie, die sie noch immer nicht wieder aufgestanden war, sie, die sie ihn so sehr verachtete. „Das habe ich mir gedacht“, rief er laut auflachend und ließ sich nieder auf einem Berg aus Sand, der sich nun wie ein geheimer und im Wüstensand verborgener Thron unter ihm offenbarte. Alles nur die Geister von Kul Elna? Ohne die Macht des Millenniumsringes wäre er bei weitem nicht so gut ausgerüstet, da war Adalia sich sicher. Sie selbst trug keinen Millenniumsgegenstand, doch deren ungeheure Macht war ihr dennoch nicht unbekannt. Sie war ihr nicht fremd, aber dennoch nicht furchteinflößend – Adalia wusste, was sie konnte, wusste, wozu sie im Stande war, was sie fähig war zu tun. Zwei Menschen nur auf der Welt teilten dieses Wissen ob ihrer Kompetenzen: Sie selbst und natürlich Seth. Der Mann, der ihr alles beigebracht hatte, der Mann, der noch immer ihr vollstes und absolutes Vertrauen genoss. Der Mann, der sie finden und ihn bestrafen würde, koste es was es wollte. Von den Seiten des unterirdischen Raumes krochen Sandgestallten auf sie zu, kamen näher, je länger sie sie anstarrte. Sollten sie ihr drohen? Sollten sie sie einschüchtern? „Sie wollen nur spielen“, erklärte der Ältere lachend. „Was soll das heißen?“ schrie Adalia schrill, „Lass mich endlich frei!“ Noch immer schaffte sie es nicht sich zu rühren. Sie hatte den feindlichen Zauber zwar erkannt, doch ihre Rage selbst hinderte sie daran, etwas unternehmen zu können. Ein Spiel also? Sie schnaubte. Niemand würde jemals eine Spielfigur aus ihr machen, eine Puppe, eine willenlose Sklavin. Sie war keine Marionette, tanzte an keinen Fäden. Nicht für ihn und nicht für irgendjemanden sonst auf der Welt. Nicht in diese Leben. Was sie tat, wofür und wann, das entschied ganz allein sie selbst. Er schüttelte den Kopf. „Du stehst meiner Tochter nur im Weg“, sagte er und betrachtete sie ausgiebig. Der Widerstand, der von ihr ausging, dieser hasserfüllte Blick. „Irgendwie erinnerst du mich an Manolya...“, murmelte er, doch sie konnte diese Worte kaum verstehen, so leise hatte er gesprochen. „Du bist wirklich amüsant“, hauchte er hinterhältig, „Es ist besser für dich, glaube es mir.“ Versuchte er sie von seinem Mitleid zu überzeugen? Es gelang ihm nicht. Für wen nur hielt er sich, dass er es wagte, so mit ihr umzuspringen?! Ein Spiel, ja?! Sie war nicht bereit für ein Spiel. „Was ist besser?“, fragte sie, das Gesicht vor Wut verzerrt, doch der Blick eiskalt, berechnend und konzentriert. Er erklärte es ihr nur zu gern. „Ich sorge nur dafür, dass du niemandem mehr im Weg stehen, oder – wie du es nennen würdest – helfen kannst.“ Er lachte. Ihr Hass trieb ihn an, sie wusste es, doch sie konnte es nicht unterdrücken. Sie war nicht bereit für dieses Spiel! „Du wärest eh nur lästig, wenn meine Tochter“ – er unterbracht sich kurz um die Wirkung dieses Ausdrucks genießen zu können – „Königin wird!“ „Falls Mana Königin wird, hast du da trotzdem nichts davon!“, patzte Adalia sofort, die finsteren Sandkreaturen weiterhin misstrauisch betrachtend. Sie war fest davon überzeugt. Seth würde es niemals zulassen, dass jemand wie Bakura Einfluss im Palast bekäme, er würde nicht zögern, jede Möglichkeit einer solch absurden Situation auf der Stelle im Keim zu ersticken und zu vernichten. „Ach nein?“, fragte der Dieb nur und belächelte sie schamlos, „Glaubst du nicht, dass ich einige Dinge zu meinem Vorteil lenken kann, jetzt, da sie sich nicht mehr an Gut und Böse erinnern kann?!“ Nun jedoch war es an Adalia, ihn grimmig zu belächeln. „Nein, das glaube ich nicht“, sagte sie entschlossen. Er unterschätzte Seth.... Es war sein eigener Fehler... er würde sehen, was er davon hatte. Er erhob sich, ging wieder auf sie zu und grinste. Neben ihr angekommen, hockte er sich zu ihr nieder, neigte leicht seinen Kopf. „Du brauchst das nicht glauben, das hat dich gar nicht mehr zu interessieren!“, sprach er, und seine Stimme klang schrill wie purer Hohn. Sie legte ihre Stirn in Falten. Es gefiel ihr absolut nicht. Sie fühlte sich ihm ausgeliefert und das war ein Gefühl, das hatte sie nie gekannt. Es war nicht gut, etwas gänzlich schlecht. „Was willst du damit sagen?!“, schrie sie, „Drück‘ dich gefälligst klar aus!“ Wieder gelang es ihr nicht, sich selbst im Zaum zu halten, wieder schaffte sie es nicht, ihm nicht direkt in die Hände zu spielen, damit er sie in aller Ruhe zerfleischen konnte. Sie musste hier heraus, und das dringend! Er trat ihr in ihre Seite, zuckte dann mit den Schultern. „Wer wird dich hier vermissen?“, fragte er finster grinsend, sah sie jedoch nicht an, sondern fixierte einen Punkt weit abseits von ihr, die Arme triumphal verschränkt. „Wer wird nach die suchen?“ Er drehte sich zu ihr, zog ihren Kopf nach oben, nur um sie sogleich wieder in den Dreck zu drücken. „NIEMAND! Du solltest es dir bequem machen, schlafe eine Runde...“ Er lachte. Und Adalia kam nicht darum herum, erkennen zu müssen, dass er alle Fäden in den Händen hielt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)