Sunset over Egypt von Sennyo (Even if tomorrow dies) ================================================================================ Kapitel 49: Spiel ----------------- Die Kälte, die ihr entgegen schlug, war gigantisch, viel größer noch, als sie es erwartet hatte. Ein leichtes war es gewesen sich in den Palast zu schleichen und sich einzufügen. Die Millenniumskette zeigte ihr alles, absolut alles, was sie wissen musste, immer genau in dem Augenblick, da sie diese Informationen auch benötigte. Es war wirklich faszinierend; die Kraft der Kette war soviel mehr als reine Zauberei. Es war, als wüsste die Kette genau, was sie ihrem Träger zu zeigen hatte, als würde sie denken und fühlen so wie alle Anderen, die anwesend waren. Das Band, das Meira mit der Kette verband, war unglaublich wirkungsvoll, gab ihr die vollständige Kontrolle über den Gegenstand, obwohl sie gar nicht deren rechtmäßiger Besitzer war. Die Gabe zu Sehen war ihr nun schon häufig eine wertvolle Stütze gewesen, eine Hilfe, die sie auch zu nutzen wusste. Meira lächelte. Herauszufinden, was Mana wollte, war eine Kleinigkeit gewesen. Das Mädchen, das sie beim letzten Mal mit unfairen Mitteln bekämpft hatte. Die Kleine hatte nur eine Chance gehabt, weil Akims Magie sie geschützt hatte, der Nebel, der nur ihnen gehörte und der Mana gerettet hatte. Wenn Akim nicht gewesen wäre, wären ihre Tage gezählt gewesen, bevor ihr Leben zur Qual wurde. Doch Meira wollte nicht soweit gehen, es ihm so zu sagen. Er würde es auf seine Weise herausfinden, würde erkennen, was es bedeutete. Er würde in den Spiegel schauen, und diese Gelegenheit würde sie ihm nicht nehmen. Erst dann würde er wirklich verstehen. Und er musste verstehen. Es war so essentiell, dass er verstand, dass es der Rothaarigen fast wehtat, es ihm nicht einfach so sagen zu können. Es würde sowieso geschehen. Sie selbst hatte anderes zu tun. Geschickt hatte Meira sich dem Jungen in den Weg gestellt, den die Priesterin beauftragt hatte. Etwas zu essen. Es war wirklich banal. Eine solche Kleinigkeit und doch so wichtig. Nun, sie hatte nichts dagegen einzuwenden. Sie ließ den Jungen alles nötige zusammenstellen, ehe sie ihm mit einem Schnipsen ihrer Finger das Bewusstsein raubte. Das Gift im Nebel war schwach, jedoch effektiv. Es wirkte schnell, setzte ihn für mehrere Stunden außer Gefecht. Zeit genug, um ihren Plan in die Tat umzusetzen. Mit der Platte in den Händen verließ sie die Palastküche und lief damit direkt zu Manas Gemach. Sie wusste genau, wo sie hinmusste, unzählige Male schon hatte sie den Palast in ihren Träumen und Visionen gesehen. Als Adalia ihr die Tür öffnete, war keine Sanftheit in deren Gesicht zu lesen. „Darf ich fragen, wer Ihr seid?“, fragte sie betont höflich und doch mit einer unterschwelligen Arroganz, die die Rothaarige beeindruckte und amüsierte. Meira hielt das Essen hoch, hielt es Adalia förmlich vor die Nase. „Ich bin eine Küchengehilfin“, erklärte sie leise und gab sich alle Mühe leicht eingeschüchtert und unterwürfig zu wirken. Meira ging davon aus, dass die Autorität der Priesterin durchaus gefürchtet wurde bei ihren Untergebenen. „Ihr hattet doch nach etwas Essbarem gefragt?“, sie klang unsicher, „Ich bringe es Euch.“ Bei dem Wort ‚Essen‘ war Mana aufgesprungen. Meira bemerkte es sofort, Adalia ebenso. „Ich hatte jemand anderes damit beauftragt“, antwortete die Priesterin skeptisch, „Außerdem habe ich Euch hier noch nie gesehen.“ Sie zu überzeugen war ganz offensichtlich nicht so einfach wie erhofft, doch Meira liebte die Herausforderung und wenn sie ehrlich war, dann war es ihr mehr als Recht, dass Adalia es ihr nicht so einfach machte. Realität war viel aufregender als die Visionen der Kette, ganz egal wie schillernd sie auch sein mochten. Schüchtern sah sie die Priesterin an. „Ich bin noch nicht lange hier“, versuchte sie zu erklären, ihre Stimme kleinlaut und schwach. „Der Junge, den Ihr beauftragt habt... Es ging ihm wohl nicht gut, deswegen hat er mich gebeten, die Aufgabe für ihn zu erfüllen.“ Sollte sie ihn ruhig später fragen, er würde zweifellos ihre Geschichte bestätigen. Alles, woran er sich würde erinnern können, war die Tatsache, dass er in der Küche zusammengebrochen war. Mana hüpfte von einem Bein aufs andere, ungeduldig, hibbelig. Meira lächelte sie an. „Ist das Essen?“, fragte sie neugierig. Die Rothaarige wollte sich zu ihr herunterbeugen, doch Adalia war schneller. Sie stellte sich ihr in den Weg und verhinderte Meiras Einmischen auf diese Weise. Für ein paar Sekunden nur drehte sie dem unwillkommenen Gast den Rücken zu und Meira juckte es gewaltig in den Fingern. Die Gelegenheit war viel zu günstig, als dass sie sie ungenutzt hätte verstreichen lassen wollen, doch dafür durfte sie ihre Tarnung nicht aufgeben – noch nicht. „Warte noch einen Moment, ja?“, hörte Meira Adalia sagen, doch es war nicht der Ton, den sie auch an sie gerichtet hatte. Dem Mädchen gegenüber wirkte sie sanft, fast unschuldig und beständig. Ein Klang, der beruhigend war, ein Klang, der kaum reiner hätte sein können, ein engelsgleicher Ton. Meira schmunzelte unwillkürlich. Ihr gegenüber so freundlich zu sein hielt die Priesterin wohl nicht für angemessen. Als sie sich wieder erhob und ihren Blick aufs Neue auf Meira lenkte, war jede Sanftheit wie weggeblasen. Steinhart glänzten ihre Augen, voller Entschlossenheit und Stärke. Sie hatte keine Angst. „Es wurde niemand eingestellt“, erklärte sie sachlich und schneidend, „Das hätte ich gewusst.“ Hatte sie etwa vor ihre Argumente zu entwaffnen? Meira war gespannt, wartete auf Adalias Reaktion, ehe sie zum Streich ausholte. „Außerdem ist Eure Haarfarbe ungewöhnlich. Wo kommt Ihr her?“ Viel überraschender war es doch, dass man sie nicht auf der Stelle erkannt hatte. Die Priesterin brüstete sich damit, dass der Hohepriester und Thronfolger Atemus ihr sein volles Vertrauen schenkte? Ganz offensichtlich vertraute er ihr nicht genug, sonst hätte er sie doch wohl auf die lauernden Gefahren hingewiesen? Meira hatte alle Mühe sich ein verräterisches Lächeln zu verkneifen. Die Kette hatte ihr genau dies vorausgesagt. Sie trat einige Schritte zurück, blickte schüchtern zu ihr. „Aber... Ihr müsst mir glauben“, versuchte sie es ein weiteres Mal, „Der Pharao hat mich letztens eingestellt.“ Doch dieser Versuch hatte nicht die gewünschte Wirkung. Adalia stellte sich vor Mana, den Blick verhärtet. Sie schüttelte den Kopf. „Was wollt Ihr hier?“, verlangte sie zu wissen und Meira war sich nicht sicher, wie weit sie sie noch reizen durfte. Sie lächelte innerlich. Sie würde es bald herausfinden. Der Puls schlug so stark, dass Adalia das Blut in ihren Adern förmlich spüren konnte. Sie musste sich jetzt zusammenreißen, durfte nicht unüberlegt handeln, wenn sie Mana nicht verschrecken wollte. Die Rothaarige war im Grunde kein Problem, doch kam sie zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Manas Vertrauen hatte Priorität, ihr Angst zu machen durfte sie auf gar keinen Fall riskieren. Es gab keine mögliche Art der Wiedergutmachung für einen solchen Fehler. Mana zupfte an Adalias Gewand, ungeduldig. Sie hatte keine Ahnung, was hier gerade passierte und war verunsichert. Das war verständlich. „Was ist denn nun mit dem Essen?“, frage sie und lächelte schüchtern. Adalia seufzte unmerklich. Es musste einen eigenartigen Eindruck auf Mana machen. Erst sollte sie auf das Essen warten, dann war das Essen da und sie durfte trotzdem nicht erfahren, was es damit auf sich hatte. Es war wirklich zum Verrücktwerden. Wieso tauchte die Fremde bloß ausgerechnet jetzt auf? Der Pharao hatte sie eingestellt? Die Priesterin schnaubte innerlich vor Wut. Der Pharao befasste sich nicht mit einer solchen Lappalie, war nicht für die Diener der Küche zuständig. Schnell blickte Adalia wieder zu Mana. „Tust du mir einen Gefallen?“, bat sie leise, ohne dabei die Fremde aus den Augen zu lassen, „Setzt du dich bitte auf dein Bett? Das Essen kommt gleich.“ Sehr zu Adalias Erleichterung und zum Missvergnügen von Meira gehorchte Mana ihr sofort, wenn auch mit äußerst interessierten Blicken, die nicht schwächer sondern eher noch bohrender wurden. Adalia drehte sich um, trat auf Meira zu und sah sie sauer an. „Ich verlange zu erfahren, wer Ihr seid!“, sagte sie gebieterisch, „Und das sofort!“ Die Strenge war nicht zu überhören. Es machte sie wütend, es machte sie zornig. Sie war nicht bereit hinzunehmen, dass sich jemand ihr in den Weg stellte und dafür sorgen wollte, dass sie ihre Aufgabe nicht zu Seths vollster Zufriedenheit würde erfüllen zu können. Ihre Stimme wurde leiser, jedoch auch schärfer, bis nur noch ein Zischen zu vernehmen war. „Ich würde ungern jetzt andere Seiten aufziehen“, drohte sie leise und bedacht. Mana durfte keine Angst bekommen, deswegen war es erforderlich, dass die Rothaarige sofort das Zimmer verließ. Doch wie sollte sie dafür sorgen, ohne dass es auffällig wäre? Es war eine Zwickmühle. Adalia war alles andere als erfreut darüber und äußerst gereizt. Auch die Antwort, die sie darauf bekam, trug nicht dazu bei, dass sie sich beruhigte. „Das sagte ich doch bereits...“, erklang die schüchterne Stimme, ohne mehr preiszugeben. Die Brünette war nicht zufrieden. „Ich wünsche, dass Ihr nun geht!“, befahl sie, „Ihr habt hier nichts zu suchen.“ Und da sie trotzdem keine Anstalten machte, sich zu bewegen, fügte Adalia noch hinzu: „Entweder ihr geht freiwillig, oder ich hole die Wachen!“ Wieder war ihre Stimme nur ein Zischen, wieder war zweifellos klar, dass sie nicht zu Scherzen aufgelegt war. Dieses Spiel lief schon viel zu lange. Vielleicht hatte die Fremde bisher die Fäden in der Hand gehabt, aber sie, Adalia, würde es hier beenden. Der ungewünschte Gast schüttelte den Kopf. „Aber Ihr habt noch nichts von dem Essen genommen...“, sagte sie wieder, blickte vorsichtig auf. „Ich warne Euch nur ein einziges Mal“, brummte Adalia ungehalten. Es gefiel ihr nicht, ruhig bleiben zu müssen, es gefiel ihr nicht, auf das Spiel eingehen zu müssen, doch für den Moment hatte sie keine Wahl. Nun schien sich zum allerersten Mal Widerstand in der Rothaarigen zu regen. „Wollt Ihr mir drohen?“, giftete sie zurück, wohlwissend, dass sie die Priesterin bis aufs Äußerste provozierte. Es war wie ein Geständnis. Adalia hatte gewusst, dass es so war und doch machte es sie fassungslos, wie leicht sie Zugang zu den inneren Gemächern des Palastes bekommen hatte. „Wer bist du? Was willst du?“, sie funkelte sie böse an, „Deine Antworten sollten mich besser überzeugen...“ Die Drohung war ernst gemeint, doch Adalia zweifelte daran, dass die Unbekannte davon beeindruckt war. Sie selbst wäre es nicht gewesen. Erst Manas schwache Stimme ließ sie ihre Wut für einen Augenblick vergessen. „Adalia?“, fragte das Mädchen leise und die Angesprochene kam nicht darum herum das Zittern in ihrem Klang wahrzunehmen. Verdammt! Als Adalia das nächste Mal das Wort ergriff, klang sie plötzlich wieder freundlich und lieb. Mana starrte sie erschrocken an. Sie wusste mit der Situation nichts anzufangen und die Schwankungen in der Stimmung verunsicherte sie massiv. Leicht lächelnd schüttelte sie den Kopf und Adalia wusste, dass sie sie verschreckt hatte. Sie beugte sich zu ihr herunter und strich ihr mit der Hand sanft über die Wange. „Du musst dir keine Sorgen machen, ja?“, sagte sie lieb und sah ihr direkt in die Augen. Das Mädchen nickte langsam. Offensichtlich vertraute sie ihr genug um sich so schnell beruhigen zu lassen. Vielleicht jedoch stellte die frostige Stimmung zwischen der Priestern und der Rothaarigen eine Art Herausforderung für sie dar. Sie sah Adalia kurz an, lief dann um sie herum und blieb zwischen ihr und der Anderen stehen. Strahlend blickte sie die beiden an und es war vollkommen klar, was sie wollte. Wäre das Ganze nicht so gefährlich gewesen für Mana, hätte Adalia es wohl mit einem Schmunzeln bedacht. So jedoch war ihr alles andere als zum Schmunzeln zumute. Schützend legte sie ihren Arm um Manas Schulter, bereit sich jederzeit wieder zwischen sie und Meira zu bringen. Sie wollte sie nicht unbedacht in Gefahr bringen. „Ich wünsche, dass Ihr geht“, sagte sie schlicht zu der Fremden, ohne ein Lächeln, jedoch nicht ganz so abweisend im Klang ihrer Stimme. Ihre Körperhaltung war allerdings eindeutig. Sie war angespannt bis auf den letzten Muskel, war bereit, jederzeit die Krallen auszufahren wie eine Katze, bereit zum Sprung. Die Fremde schien nicht auf sie zu achten. Sofort nutzte sie ihre Chance und hielt nun Mana die Essensplatte hin, die die Bedrohung nicht sah, die Adalia so tief in sich spürte. „Ist das Essen?“, wiederholte Mana ihre Frage interessiert, wissbegierig. Die Rothaarige nickte, lächelte sie an. „Ja, das ist Essen“, bestätigte sie, Adalia noch immer ignorierend, „Das sind Brote, Früchte...“, Sie zählte alles auf, was auf der Platte zu finden war, oder zumindest wollte sie es aufzählen, doch Adalia unterbrach sie. „Mana!“, rief sie leicht empört und auch lauter als beabsichtigt; wie sollte sie sie denn so beschützen? Sie durfte der Fremden nicht einfach so vertrauen. Schnell hielt sie sie davon ab, etwas von der Platte zu nehmen, doch natürlich war das, was sie hatte vermeiden wollen, schon eingetreten. Mana sah sie erschrocken und mit großen, von Tränen glänzenden Augen an. Sie konnte nicht wissen, was sie falsch gemacht hatte, konnte nicht ahnen, wie nah sie möglicherweise an einer Vergiftung war. Alles, was sie verstehen konnte, war, dass Adalia sauer war und es war überhaupt nicht abwegig, dass sie es auf sich bezog. Adalia seufzte, hockte sich besänftigend vor Mana. Von dort aus warf sie dem Eindringling einen wütenden Blick zu. „Ich wiederhole mich ungern“, zischte sie kurzangebunden. „Das wirst du nicht tun müssen“, gab die Beschuldigte zurück und lichtete den Schleier der Unsicherheit, hinter dem sie sich zu verstecken versucht hatte. Mit einem Mal schien sie ganz und gar nicht mehr hilflos zu sein und Adalia wusste, die Zeit der Maskerade war vorbei. „Und?“, fragte die Rothaarige, „Was ist das für ein Gefühl? Sie zu enttäuschen? Zu wissen, dass du ihn enttäuschen wirst?“ Die Herausforderung hätte offensichtlicher nicht sein können. Provokant und offensiv wollte die Fremde sie dazu bringen, Mana noch mehr zu verschrecken. Doch Adalia dachte nicht daran, darauf einzugehen und an ihren Fäden zu tanzen. Sie hatte geschworen, Mana zu beschützen und genau das würde sie auch tun. Sie hatte genau gewusst, dass etwas nicht stimmte seit dem Moment, da sie sie gesehen hatte. „Sag schon“, befahl sie, ohne auf die gestellten Fragen zu antworten, „Wer bist du? Was willst du?“ Sie war bereit. Kurzentschlossen griff sie zwischen die Schichten ihres Gewandes, holte einen feinen Staub hervor und verteilte ihn geschickt vor Manas Gesicht, ohne dass diese merkte, was geschah. ‚Es tut mir Leid‘, dachte sie bedauernd und fing die das Bewusstsein verlierende Mana sanft auf und legte sie in ihr Bett. ‚Aber das ist nichts für dich.‘ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)