Sunset over Egypt von Sennyo (Even if tomorrow dies) ================================================================================ Kapitel 25: Gehorsam -------------------- „Ein weiteres Wort von dir und du bist draußen!“, Mana hatte keinerlei Zweifel daran, dass Karim seine Worte nicht würde wahr machen können und doch regte sich in ihr ein Widerstand, den sie selbst kaum von sich kannte. Sie war niemand, der einfach aufgab, und schon gar nicht wegen irgendwelcher Personen, die ihr zuwider waren. Und doch ... Sie kam nicht darum herum sich eingestehen zu müssen, dass die Beiden ihr Angst machten. „Beginnen wir“, sagte der Größere drohend, „Und wenn wir dem Pharao erklären müssen, dass du unwürdig bist die Krone zu tragen, dann wird er entweder von deinem Priester verlangen, dass er die Verlobung auflöst oder gezwungener Maßen einen anderen Erben einsetzen müssen. Denn so“, Karim lächelte finster, „ist das Wohlergehen des Landes in Gefahr! Also hüte deine Zunge, auch deinem Priester gegenüber!“ Warum war es ihnen so wichtig, dass sie schwieg? Was sie wann zu wem sagte, konnte ihnen doch völlig egal sein! Mana fluchte innerlich. Womit hatte sie nur solche Lehrer verdient? Doch als Freundin des Pharaos wusste sie eines ganz genau. Sie würden ihre Drohungen nicht zur Realität werden lassen können. „Atemu würde niemals einen anderen benennen als Seth!“, widersprach sie zickig, „Und der würde mich nicht in die Wüste schicken!“ Das hatte er schon bewiesen, oder? Wieso nur verstanden sie sie nicht? Wieso nur taten sie nicht einfach nur ihre Arbeit? Wieso legten sie soviel Wert darauf sie einzuschüchtern? Wieso nur konnten sie nicht einfach... Ernst blickte Karim sie an. „Dein Wille zählt nicht. Es zählt das, was die Etikette vorschreibt! Und daran“, er verschränkte siegessicher seine Arme, „Daran wird sich auch der Pharao halten, verlass' dich drauf!“ „Außerdem“ fügte Shada grimmig hinzu, „Nennt man den Pharao nicht bei seinem Namen.“ Ungläubig blickte Mana zwischen ihnen hin und her. Sie waren verrückt, es musste so sein! „Atemu ist mein Freund!“, widersprach sie und erntete darauf nur noch finsterere Blicke. Shada atmete ganz tief ein. „Schrecklich...“, meinte er und schaute sauer zu Karim, „Ich fürchte, wir werden härtere Seiten aufziehen müssen...“ Der Angesprochene nickte nur, betrachtete Mana voller Abscheu, ganz so, als wäre sie ein Tier, das eingesperrt gehörte. Er teilte die Meinung seines Partners, nickte zustimmend. „Ihr habt sie doch nicht mehr alle!“, fauchte Mana entsetzt und erschrocken zugleich. Ohne es zu merken, wich sie einige Schritte zurück. Karim und Shada jedoch gingen gar nicht auf ihre Bemerkung ein, es schien ganz so, als hätten sie sich in einem stillen Einvernehmen darauf geeinigt, was nun geschehen sollte. „Es wird nicht ganz leicht werden“, sagte Karim und klang dabei erschreckend vergnügt, „aber es wird schon gehen.“ „Sicher“, stimmte Shada ihm zu und Mana lief ein eisiger Schauer über den Rücken, während sie seinen emotionslosen Blick auf sich spürte, „Ihr werdet Euren Spaß mit Ihr haben, da bin ich mir sicher.“ Er ließ ihm gern den Vortritt, sollte sie sich zu sehr wehren, hatte er immer noch die Möglichkeit einzugreifen. „Ich werde in der Zwischenzeit eine magische Sperre um diesen Raum legen, nicht dass die Kleine noch auf dummer Gedanken kommt...“ Sprachen sie wirklich gerade so, als wäre Mana überhaupt nicht anwesend?! Und was sollte überhaupt eine Sperre? Sie war zwar einmal weggelaufen, sie war doch aber auch wiedergekommen! Ihr gefielen diese Entwicklungen ganz und gar nicht, Karim machte ihr Angst, wie er groß und muskulös sich vor ihr aufbaute und Shada – nun, der war nicht besser. „Der Raum ist nun magisch versiegelt“, erklärte der Kleinere von Beiden mit einem fürchterlichen Lachen im Gesicht, während sein Blick weiterhin auf Mana lastete. Karim ging immer weiter auf sie zu, kam ihr bedrohend nahe. Das Mädchen wich zurück, ängstlich und doch noch immer voller Widerstand. Als sie mit dem Rücken gegen eine Wand stoß, überfiel sie die Panik, sie wollte weg, raus aus diesem Raum, weg von den Beiden. Doch sie konnte nicht. Magie konnte ihr keine Hilfe sein, und doch ließ sie ihren Stab erscheinen. Er war immer bei ihr, er brachte ihr Kraft, schenkte ihr Mut. Doch beeindrucken konnte sie damit nicht. „Da bekommt jemand Angst“, höhnte Shada, der die Situation interessiert verfolgte, schließlich seine Arme überkreuzte und die rechte Hand leicht schwingen ließ. Manas Stab war wieder verschwunden. „Sonderlich viel Macht hast du darüber ja nicht“, sagte er bedauernd, doch Mana hörte ihm nicht zu. Sie starrte zu Karim, der nun direkt vor ihr stand, sie an die Wand drückte und ihr so keine Möglichkeit zu entkommen ließ. „Halte dich an die Etikette, und dir wird nichts geschehen“, drohte er sauer, „Sei eine Dame und kein Giftzwerg!“ Wütend blickte Mana ihn an. „Ich bin kein Giftzwerg!“, zischte sie ungehalten, und sah dann so gut es ging an Karim vorbei zu Shada, „Und du, Glatzkopf! Gib mir sofort meinen Stab wieder!“ Sauer stand Mana da, an die Wand gedrängt und voller Zorn. Sie wollte sich nicht so behandeln lassen, dass hatte sie nicht verdient, das wusste sie. Sie wollte sich ja bemühen, die Etikette zu erlernen, doch sie ließen ihr nicht einmal die Gelegenheit dazu! Empört versuchte Mana sich zu befreien, scheiterte jedoch kläglich. Shada blickte sauer auf sie herab. „Karim! Zeigt ihr, was es heißt sich gegen uns zu stellen!“, es war schon fast keine Forderung mehr, es war ein Befehl, den der Priester aussprach. Er sollte sie endlich zum Schweigen bringen, ihr diese ungestüme und wilde Art ein für alle Mal austreiben. Und Karim gehorchte. Ehe Mana sich versah, hatte er ihr bereits mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen. „Eine Dame benimmt sich nicht so!“, knurrte er und blickte in des Mädchens vor Schreck geweiteten Augen. Der Schlag war alle andere als sanft gewesen, sie hob die Hand schützend vor ihr Gesicht, strich sich vorsichtig über die Wange. „Dafür schlägst du wie eine!“, schrie sie entsetzt und sah ihn herausfordernd an. Nein, sie würde nicht nachgeben, sie würde sich nicht unterwerfen, auf gar keinen Fall! Doch Karim blickte nicht weniger herausfordernd. „Willst du wissen, wie ein Mann schlägt?“, fragte er kalt und leise, sodass Mana es kaum hören konnte. Verstanden hatte sie es sofort. „Ich sehe hier keinen, der mir das zeigen könnte...“, gab sie zurück, wurde ebenfalls leiser, jedoch aus einem anderen Grund. Karim schlug sie ein weiteres Mal. Dieses Mal war der Schlag deutlich fester gewesen, trug die Absicht, Schmerzen zuzufügen, nicht so wie der vorherige, der nur hatte zügeln sollen. „Hüte deine Zunge habe ich gesagt!“ Mana biss sich auf die Lippe um nicht laut aufzuschreien. Sie rutschte an der Wand herunter, fluchte innerlich. „Habe ich eine andere Wahl?“, fragte sie schließlich kleinlaut, resignierend. „Reiß dich zusammen und dir geschieht nichts“, wiederholte Karim schlicht, „Und dazu gehört natürlich auch, dass du dicht hältst, aber das versteht sich ja von selbst, oder?“ Ein finsteres Lachen legte sich auf seine Lippen. Mana schluckte. Sie musste irgendwie die Fassung wiedergewinnen können, sie musste einfach! Leicht zitternd richtete sie sich an der Wand wieder auf, strich sich das Kleid zurecht, wischte sich ihre viel zu kurzen Haare aus der Stirn und blickte zu Boden. Sie nickte. „Es scheint ja doch zu gehen“, sagte Shada und legte ein gemeines Lachen auf sein Gesicht. Seine Arme waren noch immer verschränkt, Abstand halten zu einem Kind, dass sich allem widersetzte, was es zu lernen galt. „Womit wollen wir denn jetzt beginnen?“, belustigt drehte sich sein Kopf zu Karim, „Die Haltung? Blickkontakt? Ausdrucksweise?“ „Wir werden mit allem eine Weile beschäftigt sein“, gab dieser nur zurück, blickte dann verächtlich zu Mana. „Ich hoffe, du kooperierst jetzt!“, zischte er, noch immer wütend. Wieder nickte Mana. Sie seufzte kurz verzweifelt, mied seinen Blick. „Was soll ich machen, Herr?“, fragte sie leise und unsicher, nicht wissend, ob sie es wirklich erfahren wollte. Shada ging auf sie zu. Das war schon besser, bedeutend besser. Er nahm sie am Arm und zog sie etwas weiter in den Raum, damit sie Platz hatte. So schnell es ging, ließ er sie wieder los, stellte sich vor sie, und begann damit, sie zurecht zu biegen. „Steh erst einmal gerade!“, fauchte er sie an, und ließ Mana dadurch zusammenzucken. Sie ließ sich nur ungern einfach so behandeln wie eine Puppe, sie kochte vor Wut, und doch, sie gab alles dafür, sich nichts anmerken zu lassen. Sie würden schon noch sehen, was sie davon hatten. Sie gehorchte, versuchte sich besser hinzustellen, aufrechter zu stehen, doch es gelang ihr nur schlecht. Karim schüttelte den Kopf. „Nennst du das etwa gerade?“, fragte er grummelnd und drückte ihren Rücken durch, „Streng dich gefälligst an!“ „Mach ich doch, verdammt!“, fauchte Mana zurück, erschrak gleich darauf und wich wieder zurück. Sofort kam Karim wieder bedrohend näher. „Wie war das?“, fragte er voller Abscheu auf sie herab blickend. Das Mädchen senkte den Kopf, schüttelte ihn und lächelte schwach. „Ich habe nichts gesagt...?“, fragte sie leise, noch ein paar Schritte von ihm weichend. Grimmig betrachtete der Priester sie, ließ dann aber von ihr ab. „Also, stell dich gerade hin!“, befahl er, „Die Haltung ist wichtig!“ Mana nickte, versuchte so gut es ging das Befohlene auszuführen, und schluckte. Sie hoffte inständig, sie würde das alles hinkriegen, wie es aussah, würde ihr wirklich nichts geschehen, wenn sie tat, was von ihr verlangt wurde. „Naja“, sagte Shada und schaute skeptisch. „Ich hatte gedacht, sie würde wenigstens etwas größer wirken, wenn sie aufrecht steht, aber so...“ Er lief einmal um sie herum, sauer schnaubend. „Sie wirkt neben allem doch wirklich klein.“ Mana blickte auf und all ihre Angst schlug mit einem Mal in Hass um. Sie war klein, ja? Darauf kam es also an? Warum war alles an ihr verkehrt?! Sie hatte es sich nicht einmal ausgesucht, eine solch hohe Position am Hof hatte sie niemals haben wollen! Sie konnte doch nichts dafür, dass Seth ausgerechnet Hohepriester und nun auch offizieller Thronfolger war, sollte Atemu etwas geschehen. Sie war doch wirklich die Letzte, die Königin werden wollte... „Ihr seid schrecklich!“, schrie sie außer sich, „Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt! Seth wird das garantiert erfahren!“ Doch dafür hatte sie zu zahlen. Karim hatte keinen Moment gezögert, ging sofort wieder auf sie zu und schlug. Immer und immer wieder. „Nein, nicht wir sind schrecklich“, sagte er eisig, „Du bist schrecklich! Aus dir wird nie etwas vernünftiges, wenn du so weitermachst!“ Ein kurzer Schrei durchfuhr das Zimmer, Mana fiel zu Boden, versuchte verzweifelt von ihm wegzukommen, doch er war einfach zu schnell und zu groß für sie. Sie unterdrückte die Tränen, die in ihr aufstiegen. Diesen Triumph wollte sie ihnen nicht geben. „Lasst mich in Ruhe!“, schrie sie schwach, erschrocken. Doch er hörte nicht auf. „Solange du nicht lernst, dich zu benehmen, lässt du mir keine andere Wahl!“ Es klang, als trüge sie die Schuld, als hätte sie es gewollt, geradezu provoziert, doch in ihrem Herzen wusste Mana, dass es nicht stimmte. Schließlich verebbten Karims Schläge, Mana atmete kurz verzweifelt durch und dachte darüber nach, wie sie von hier entkommen würde, da hatte Shada sie bereits zurück auf ihre Füße gezogen. „Ich muss ihm Recht geben“, sagte er sauer und blickte sie voll Unverständnis an, „Du bist wirklich ein schrecklich hoffnungsloser Fall.“ „Aber ich habe mich doch angestrengt...“, gab Mana kleinlaut zurück. Was sollte sie nur machen? Was blieb ihr übrig? Der Schwarzhaarige blickte verächtlich auf sie herab. „Anstrengen nennst du dieses widerliche Gebrüll?“, fragte er ungläubig und schüttelte den Kopf. „Du bist noch sehr weit davon entfernt, eine Dame zu sein ... Du besitzt kaum die Würde eines Kindes!“ Verzweifelt schüttelte Mana den Kopf, sah ihn sauer an. Es war schwer zu sagen, wie lange sie das noch ertragen würde. „Ich bin kein Kind mehr“, widersprach sie und gab sich Mühe, ruhig zu bleiben, „Und ich kann mich benehmen. Aber ich sehe keinen hier, der es verdient, so behandelt zu werden, wie ihr mich behandelt!“ Shada, der sie noch immer festhielt, verstärkte den Druck auf ihre Arme. „So etwas wie dich habe ich in einem Palast noch nie erlebt!“, sagte er giftig, „Wie es scheint, hast du immer noch nicht verstanden!“ Er sah seinen Freund an, der nickte und Mana aus fast geschlossenen Augen sauer und verachtend betrachte. „Ich wünsche dir viel Spaß mit der Kleinen“, sagte er und es war nicht zu überhören, dass er auch genau das meinte. Verwirrt zappelnd wurde Mana von Shada umgedreht, sie konnte sich nicht losreißen, was auch immer sie versuchte. „Lass mich in Ruhe!“, quiekte sie leicht panisch, „Ich streng mich ab nun wirklich an! Und ich mache den Mund nur auf, wenn ich gefragt werde!“ Doch Shada schien nicht sonderlich viel von ihrem Vorschlag zu halten. Er lockerte seinen Griff in keinster Weise. „Du hast dir eindeutig zu viel erlaubt“, sagte er und legte zwei Finger auf ihre Stirn, „Warum sollte ich dich nun verschonen?“ Mana verstand nicht. Was hatte er vor? Was sollte das werden? Sie wollte von ihm loskommen, fühlte sich aber wie gelähmt vor Schreck und Angst. Und dann kamen die Kopfschmerzen. Ganz plötzlich, als würde jemand mit einem Dolch ihre Stirn durchbohren, Kälte bereitete sich von Shadas Fingern ausgehend in Manas Kopf aus. Sie keuchte laut auf, kniff die Augen zusammen. Sie konnte Dinge sehen, die sie längst verdrängt hatte, Erinnerungen, die zu vergessen sie versucht hatte. Akim... Marik... Mana wankte gefährlich, konnte sich aber auf den Füßen halten. Als sie ihre Augen wieder öffnete, waren diese vollkommen leer und ausdruckslos. Einzig die Tränen, die in ihren Augen schimmerten, verrieten, dass sie noch immer anwesend war. Sie stellte sich gerade hin, mechanisch fast, ohne eigenen Willen. Leicht skeptisch betrachtete Shada sie, nahm die Finger von ihrer Stirn. „Das war einfach“, sagte er gelassen und drehte sich erklärend zu Karim. „Sie scheint einige Freunde verloren zu haben“, säuselte er in gespieltem Mitleid, „So wird sie einfach zu lenken sein, so wird sie schnell lernen.“ Interessiert sah Karim ihn an, grinste nickend. „Was ist ihr denn so passiert?“, fragte er, und wusste genau, dass Mana ihn noch immer hören konnte, „Wollen wir das nicht mal durchgehen?“ Shada hatte eine solche Reaktion erwartet, genau aus diesem Grund hatte er auch so schnell wieder von Mana abgelassen. Es war viel schöner, jemandem bei Bewusstsein seine schlimmsten Erfahrungen vorzuführen, betäubender Schmerz dagegen erleichterte die Sache nur. „Oft wurde ihr das Herz gebrochen, sie hat lange mit dem Tod des Priesters Marik zu kämpfen gehabt, ehe sie Seth zu vertrauen lernte. Dann freundete sie sich mit dem Verräter Akim an, eine Freundschaft, die Seth hätte verhindern müssen, wenn ihm nur etwas an ihr gelegen wäre“, Shada genoss seine eigenen Worte. „Und sie scheint ihre Eltern früh verloren zu haben, aber diese Erinnerung ist nur schwach. Vielleicht sollte ich noch genauer nachhaken?“ Er lachte auf, Mana zu kontrollieren war soviel einfacher als er es sich vorgestellt hatte. Karim nickte erwartungsvoll, gierig noch mehr zu erfahren, gierig zu sehen, wie Shada langsam aber sicher ihren Willen brach. Erneut legte Shada seine Hand an Manas Stirn, erneut durchfuhr Schmerz ihren Kopf, doch dieses Mal jedoch schrie sie nicht auf. Sie konnte nicht. „Sie hat für Seth gekämpft, obwohl er ihr nicht vertraute, immer und immer wieder hat sie sich für ihn aufgeopfert, mehr getan, als ihre Kräfte zuließen und das alles zweifelsfrei um sich bei ihm beliebt zu machen, ihn an sich zu binden und so an die Macht zu kommen!“, Shada lachte, „Und es ist ihr ja auch geglückt, nicht wahr? Des Hohepriesters Verlobte ist sie geworden, mit ein paar Tränen und großen Augen hat sie sich selbst ganz nach oben gebracht!“ „Aufhören...“ Das war nicht wahr... Das war gelogen... Mana hielt sich ihren Kopf, die Augen zusammengekniffen, das Gesicht schmerzverzehrt. Doch wirklich weh taten seine Worte, die so falsch waren, sie verurteilten für etwas, dass sie nie gewollt hatte. „Aufhören...“, wiederholte sie schwach, zitternd. Sie war kurz davor, sich zu übergeben und doch gab sie nicht auf. Karim sah belustig auf sie herab. „Es sieht ganz so aus, als ginge es ihr nicht so gut“, höhnte er, tat aber nichts um ihr zu helfen. „Es ist ja so schrecklich, dass sie da so darunter leidet, nicht wahr?“, auch Shada schien sich bestens zu amüsieren, „Armes, armes kleines Ding!“, voller Hass lachte er sie aus, „Du wirst das hier nicht deinem Priester verraten, hast du gehört?!“ Zur Antwort bekam er einen schmerzvollen Schrei und ein Nicken von Mana. „Benimm dich“, fuhr er unberührt fort, „Du solltest wissen, dass du keine Gefühle zeigen darfst, dich dürfte dies alles nach außen hin nicht einmal interessieren!“ Sie sollte keine Gefühle zeigen? Doch wie sollte sie das schaffen? Wie, wenn ihr Kopf jeden Moment zu bersten drohte? „Aufhören...“, sagte sie noch ein weiteres Mal, kraftlos und doch, hatte sie ihren Entschluss getroffen. Sie versuchte, nicht mehr zu zittern, sich wieder ordentlich hinzustellen. Versuchte sich zusammenzureißen und nicht mehr zu schreien. Mana hatte ihre Hände zu Fäusten geballt und doch war dies das einzige Zeichen von Schwäche, dass sie zeigte. Noch immer von ihr angewidert, stellte Karim sich neben Shada auf. „Also gut“, sagte er mit einem Lächeln im Gesicht, „Fangen wir nun endlich an. Zeig uns, was Haltung heißt!“, befahl er, „Sofort!“ Er konnte sie nicht verstehen. Was hielt sie hier? Was verband sie mit ihrem Priester, dass sie diesen Unterricht auf sich nahm? Wollte sie wirklich unter allen Umständen Königin werden? Doch wenn es so wäre, würde sie sich wohl kaum so ungeschickt anstellen, oder? Er beobachtete sie aufmerksam, wie sie Haltung annahm, ihre Augen wieder öffnete und geschickt an ihnen vorbei sah. Widererwarten klappte es dieses Mal. „Schon besser“, sagte Shada mit seiner strengen Stimme, „Nun geh ein Stück!“ Er schubste sie ein Stück nach vorne, doch Mana verlor ihr Gleichgewicht nicht. Sie versuchte, so gut es eben ging, ein paar Schritte zu machen, gleichmäßig, gerade, anmutig. Sie biss sich von innen auf die Lippe, hob ihren Kopf wieder und ging weiter. Sie atmete flach und schnell, war sich sicher, dass es wieder misslingen würde und doch leistete sie mehr, als selbst sie sich zutraute. Für Seth, sagte sie sich immer und immer wieder, für ihn würde sie stark sein und niemals aufgeben. „So recht, meine Herren?“, fragte sie ernst und mit soviel Ausdruck, wie sie in ihre zittrige Stimme legen konnte und sah sie entschlossen an. Karim war gegen seinen Willen beeindruckt. Woher nahm sie nur diese innere Stärke? Was war nur los mit dem Mädchen? Jede andere hätte schon längst ihren Willen aufgegeben. Aber gut... So machte es mehr Spaß. „Das war schon nicht schlecht, daraus lässt sich etwas machen“, sagte er lobend, jede ihrer Bewegungen genauestens beobachtend. Mana nickte, versuchte Shada ganz und gar zu ignorieren. Lieber bekam sie wieder Schläge für ihre Misserfolge als ihn noch ein weiteres Mal in ihren Kopf eintreten zu lassen. Sie stellte sich noch gerader hin, soweit dies möglich war, unterdrückte das Zittern mit aller Anstrengung. „Was habt Ihr denn?“, fragte sie in einem neuen Anflug von Mut, „Ihr wirkt verwundert.“ Sie sprach vornehm und doch gelang es ihr all ihre Frustration durch Ironie in ihre Stimme zu bringen. „Nimm das Lob nicht als Freibrief für neue Frechheiten!“, herrschte Karim sie an, „Dein Weg zur Dame ist noch sehr lang.“ Wieder nickte Mana zurückhaltend. Sie blinzelte ein paar Mal, ehe sie sich wieder gefangen hatte. Sie durfte jetzt nicht aufgeben, durfte ihnen nicht kampflos den Sieg schenken. „Damit rechne ich auch“, sagte sie ruhig und gefasst, obwohl sie am liebsten nichts anderes getan hätte, als lauthals zu schreien. „Du bist also realistisch“, sagte Karim, ebenfalls ruhig und ernst. „Dann zeig uns als nächstes, wie eine Dame sich an den Tisch zu setzen hat!“ Mana sah ihn an, gehorsam und doch grummelnd. „Wie lang soll denn dieser Unterricht gehen? Wenn ich fragen darf?“ Halb rechnete sie damit, für diese Frage wieder gemaßregelt zu werden, doch der Schlag blieb aus. „Der Unterricht geht solange, bis wir ihn beenden“, sagte Karim trocken, und wartete darauf, dass sie seinen Befehl ausführte. Mana sah ihn kalt an, widersprach jedoch nicht. Sie spürte noch immer seine Schläge, wollte auf keinen Fall weitere bekommen. Sie blickte kurz zwischen Beiden hin und her, zuckte dann fast unmerklich mit ihren Schultern und setzte sich in Bewegung. „Schultern gerade!“, fauchte Shada, „Du musst auch über einen längeren Zeitraum hinweg gerade stehen können!“ Mana reagierte sofort, lief weiter den Rest des Weges in perfekter Haltung. Direkt nehmen dem Tisch blieb sie stehen, blickte ihre Lehrer herausfordernd an. „Könnte einer der Herren sich dazu herablassen mir den Stuhl zurecht zu rücken?“ Überrascht blickte Shada zu Karim, keiner von Beiden erhob sich. „Der Unterricht ist für heute beendet, du kannst gehen“, sagte Karim schließlich, nachdem sie Mana noch ein paar Minuten stehen gelassen hatten. „Vergiss die Abmachung nicht“, zischte Shada noch einmal drohend, „Kein Wort zu niemandem, oder es wird die ganz schnell Leid tun...“ Dass er es ernst meinte, war nicht anzuzweifeln. Mana schluckte, lächelte schwach und nickte. Wie oft hatte sie an diesem Tag genickt? Zu etwas zugestimmt, was sie nicht wollte? Sie wusste es nicht. „Ich verrate es schon niemandem“, sagte sie leise, fast flüsternd. „Kann ich meinen Stab noch zurückbekommen?“ Den hatte Shada ihr schließlich abgenommen, doch sie hatte wenig Interesse daran, ihn auch bei ihm zu lassen. Shadas finsterer Blick verfolgte sie noch, als sie durch die dunklen Gänge lief, ihren Stab fest in ihrer rechten Hand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)