Abweisung! von littleblaze ================================================================================ Ohne Dich! ---------- Autor: littleblaze E-Mail: little_blaze_2000@yahoo.de Warnung: Shonen Ai / Yaoi Disclaimer: Alle Rechte an den Charakteren und der Storyline gehören mir und die Geschichte darf nicht ohne meine vorherige Zusage auf anderen Seiten, Portalen oder Foren gepostet werden. Abweisung – Part 03 Vollkommen leer, wenigstens für die ersten Schockminuten. Weder schaffte ich es mir selber Vorwürfe zu machen, noch, mir zu sagen, dass ich doch eigentlich gar nichts falsch gemacht hatte. Danach wurde mir schnell bewusst, dass weder irgendwelche Vorwürfe seinerseits, noch das Zuschlagen der Tür, mit dem er sein Weggehen demonstriert hätte, an mein Ohr gedrungen waren. Er war also immer noch hier. Mein Verstand befahl mir aufzustehen, nach ihm zu sehen, ihn zu fragen, was passiert war… doch mein Körper konnte nicht. Ich fühlte mich schwer, viel zu schwer, um auch noch irgendeine Art von Schuld auf mich nehmen zu können. Ich konnte nicht, ich wollte nicht… Ich stand auf. Bevor ich das Schlafzimmer verließ, hob ich mein Hemd vom Boden auf, zog es mir wieder an. Mit leisen Schritten durchstreifte ich die Wohnung, fand ihn schließlich im Badezimmer, vor dem Spiegel stehend, mit den Armen auf dem Becken abgestützt. Wie in einem schlechten Film, dachte ich noch bevor ich das Badezimmer betrat, mich irgendwas verriet und unsere Blicke sich trafen. „Es war ein Fehler.“ Sein Kopf drehte sich wieder zum Spiegel. Ich erwiderte nichts darauf. Was auch? Dass es für mich das ganz und gar nicht war, dass ich mir die ganze Zeit über nichts sehnlicher gewünscht hatte, als ihn zu küssen, ihn zu berühren. „Das alles, es war ein riesen Fehler.“ „Was meinst du?“, fragte ich nun doch verunsichert nach. „Alles verdammt!“ Er stieß sich vom Becken ab, drehte sich zu mir um. „Ich dürfte gar nicht hier sein. Was mache ich eigentlich hier? Mich von dir durchfüttern lassen, es mir einfach machen?“ Fragend schaute er mich an, so als könne ich ihm die Antwort darauf liefern. „Wart mal, ic-“ „Scheiß drauf. Was tu ich denn schon? Seien wir doch mal ehrlich, ich nutze dich aus, mehr nicht! So ist es doch.“ „Red doch nicht so einen Scheiß, das, das habe ich nie behaupte-“ Er unterbrach mich erneut, kam auf mich zu. „Du würde-“ „Halt mal“, war ich nun der unterbrach. „Ich war noch nicht fertig, lass mich gefälligst aussprechen.“ Er verstummte. „Du hast mich niemals ausgenutzt! Es war meine Entscheidung, ich wollte, dass du hierher kommst und überhaupt… ich dachte… wir wären mittlerweile Freunde geworden und Freunde helfen sich doch schließlich.“ „Ja, schöne Freunde. Siehst ja, wo uns das hingeführt hat.“ Ein abwertender Blick. „Ich sollte jetzt verschwinden.“ Ich lief ihm hinterher, als er das Bad verließ, einen seiner Rücksäcke aus der kleinen Kammer im Flur zog und damit in sein Zimmer verschwand. Ich sah ihm zu, wie er anfing, seine Sachen in den Rucksack zu stopfen, doch auch wenn ich es mit eigenen Augen beobachtete, konnte ich es nicht wirklich verstehen. Was passierte hier gerade eigentlich? Wollte er wirklich gehen, einfach so? Sollte all das, die gesamte Zeit mit ihm nur ein Traum gewesen sein, aus dem ich jetzt mit Gewalt hinausgeschleudert wurde? Ich durfte das nicht zulassen, ich musste verhindern, dass dies passierte. Ich packte sein Handgelenk, hielt ihn in seiner Bewegung auf. „Wo willst du denn hin?“ „Egal, wen kümmert es.“ Mein Griff wurde stärker, als er sich versuchte, von mir zu lösen. „Mich kümmert es.“ Seine Augen entfachten ein wenig Hoffnung in mir. „Du bist viel zu gut für diese Welt.“ Eine warme Hand, die sich leicht um meine schloss, behutsam meine Finger von seinem Arm löste. „Und jetzt lass los.“ Meine Hand beobachtend, wie sie langsam zurück an meinen Körper glitt, schrie eine laute Stimme in meinem Inneren immer wieder: Nein! Warum tat er mir das an, wollte er wirklich gehen? Mich alleine lassen? Hatten ihm die letzten Monate denn gar nichts bedeutet? Das durfte doch nicht passieren, ich wollte das nicht, wollte nicht alleine sein, er durfte nicht gehen… Mit heftigem Ruck stieß ich den schon gefüllten Rucksack zu Boden, ihn auf das Bett. „Nein, du darfst nicht gehen!“, schrie ich ihm entgegen, heftete ihn unter mir fest, nicht wissend, wo ich die Kraft dafür hernahm. Doch eigentlich brauchte ich sie gar nicht, denn er wehrte sich kein bisschen gegen meinen Aufstand, den ich hier wie wild praktizierte. „Du darfst nicht gehen“, schüttelte ich leicht den Kopf, während er mich nur weiterhin ansah. „Ich lass es nicht zu… bitte“, verließ es ziemlich leise, flehend meine Lippen. Er schloss die Augen, drehte den Kopf zur Seite. Ich hatte verloren… Seine Geste zeigte es mir, und so konnte ich nichts mehr tun, um ihn aufzuhalten. Und das war es, was am meisten schmerzte, die Gewissheit darüber… zu wissen, dass eigentlich, egal was man machen würde, es sowieso nicht helfen könnte. Aussichtslos… ohne Hoffnung…. Ungestoppt tropften die Tränen auf seine immer noch nackte Brust, verschmolzen mit der warmen Haut. Alles in mir verkrampfte sich und meine Hände ließen von ihm ab, wollten nur noch mir selber schützend beistehen. Ich fühlte mich machtlos… nein, ich fühlte mich, als hätte ich niemals Macht besessen. Mein Kopf legte sich an seine Schulter, mein Körper fiel leicht zur Seite. Wann war es eigentlich geschehen, wo hatten wir angefangen, alles zu zerstören? Mit dem Kuss? Dadurch, dass ich mich in ihn verliebte, oder hatte diese Zusammenkunft von vornherein keine Chance? Vorsichtige Bewegungen neben mir, Berührungen an meiner Wange. Ich fühlte sie deutlich, doch wollte ich sie nicht spüren, wollte ihnen keinen Möglichkeit geben, mich noch mehr zu verletzten. „Du bist ein total lieber Mensch…“ Nein, fang nicht so an, den Spruch kannte ich schon. Ich wollte ihn nicht hören, wollte seine Stimme nicht hören. Ich hatte sie immer so geliebt… ich liebte sie immer noch… „…du wirst schon jemanden finden, de-“ Wie von irgendwas gestochen sprang ich aus dem Bett, mit meiner plötzlichen Bewegungen ihn zweifelsohne in seinen Worten stoppend. Mehr Tränen als zuvor rannen mir über die Wangen und eigentlich wollte ich nur aus diesem Zimmer fliehen, hatte nicht vorgehabt, ihn anzuschreien, hatte nicht vorgehabt, ihn anzusehen, wollte nicht erkennen, wie seine Lippen leicht zitterten… ich wollte doch nur eines und das würde ich nicht bekommen. „Ein lieber Mensch? Ein lieber Mensch? Ich bin kein lieber Mensch, wie du so schön formulierst.“ Er stand ebenfalls vom Bett auf. „Schau sie dir doch an, meine Freunde, meine Familie, denn genauso ein Mensch bin ich. Bis vor kurzen war ich genauso oberflächlich wie sie, habe mich auch über den Penner an der Ecke lustig gemacht… und schau mich jetzt an… hier steh ich und bettle dich an. Dich, einen Penner von der Straße, bettle darum, dass du bei mir bleibst, welche Ironie, nicht wahr? Rollentausch im ganz großen Stil. Aber vielleicht ist es ja gerade das, was dir den Kick gibt…Weißt du was, geh ruhig. Geh, verdammt noch mal!“ Mit dem Verklingen der letzten Silbe drehte ich meinen Kopf dem Fenster entgegen. Ich wollte ihn nicht mehr sehen, sollte er doch nur endlich verschwinden. Mir doch egal, obwohl eine kurze Unentschlossenheit seinerseits auf meine ausgesprochenen Worte genau zu erkennen war. Vielleicht hatte er ja Recht, vielleicht war das alles ein großer Fehler. Möglicherweise sollte er wirklich nicht hier sein. Eventuell hätte ich schon längst jemand anderen gefunden, meine Zeit nicht mit ihm verschwenden sollen. Nervöse Bewegungen, das schnelle Überwerfen eines Hemdes, das Aufheben des Gepäckstückes. Noch ein paar Kleinigkeiten hineingepackt, ging er schließlich an mir vorbei, die Tür war sein Ziel und ich schaffte es doch nicht… Ich griff nach ihm, hielt ihn abermals fest. „Nein, bitte geh nicht.“ Was in mir drinnen war nur so verdammt schwach? Warum konnte ich ihn einfach nicht gehen lassen, war es doch garantiert das Beste für alle. „Ich werde gehen… Bitte bleib noch...“ Auf seinen verwirrten Ausdruck hin erklärte ich mich schnell. „Lass uns nichts Unüberlegtes tun. Bleib hier… schlaf noch mal drüber… ich werde heute nicht wieder kommen.“ Ohne ihn noch einmal anzusehen, verließ ich das Zimmer, schlüpfte in Jacke und Schuhe, schnappte mir Aktentasche und Schlüssel und verließ die Wohnung. Erst im Auto hatte ich das Gefühl, wieder Atmen zu können, doch war es das, was ich mir in der folgenden Stunde, in der ich einfach nur auf die Armaturen starrend da saß, am wenigsten wünschte. Als ich dann endlich den Wagen in Gang setzte, war ich mir nicht einmal sicher, wohin er mich überhaupt bringen sollte. Langsam fuhr ich aus der Tiefgarage heraus, bog nach Links ab und fuhr dann einfach weiter. Durch viele kleine Nebenstraßen verließ ich Philadelphia, bog irgendwann dann doch auf die 422. Was wollte ich hier, warum ausgerechnet dieser Weg? ~ * ~ Im Schritttempo fuhr ich am Haus meiner Eltern vorbei. Ich hatte kein bisschen den Drang dazu anzuhalten, hineinzugehen, einen von ihnen zu sehen. Die Gegend hatte sich mal wieder kein bisschen verändert. Das hatte sie nie, würde sie nie. Vielleicht war es gerade deswegen so wichtig für mich gewesen, hier wegzukommen. Ich hatte mich einfach zu sehr verändert, um hierbleiben zu können. Minuten später ließ ich ebenso Davids Haus hinter mir. Natürlich hätte ich aussteigen können, mit ihm reden, ihn von meinen Sorgen erzählen, aber… würde mir das irgendwie helfen? Ich verließ Pottstown so leise und unerkannt wie ich gekommen war. Knapp eine Stunde später fiel die Aktentasche mit einem lauten Knall auf meinen Schreibtisch im leeren Bürokomplex. Stunden hatte ich hier an einem Zeichenbrett oder an speziellen Computerprogrammen verbracht, doch heute kamen mir die bekannten Büroräume wie eine kleine verlassene Welt vor. Den fehlenden Kaffeegeruch, das Schrillen des Telefons, ja sogar Peters ewiges Rumgenörgel wünschte ich mir gerade mehr als alles andere herbei. Abgesehen natürlich von ihm. Ich starrte das Telefon an. Ob ich mal anrufen sollte? Vielleicht brauchte er irgendetwas? Blödsinn! Was hätte ich denn schon groß getan? Angerufen und dann schnell wieder aufgelegt, wenn er dran gegangen wäre? Ja, wirklich schlau und kein bisschen auffällig. Dass er vielleicht gar nicht mehr da war, schon längst seine Sachen gepackt und gegangen war… daran wollte ich gar nicht denken. Wie sollte ich nur ohne ihn weiter machen? Nein! Ich schüttelte diese Gedanken ab, schnappte mir das Telefon und drückte eine der eingespeicherten Nummernplätze. Eine ganze Zeit lang war das nervige Tuten zu hören, bis sich schließlich doch die recht junge Stimme am anderen Ende der Leitung meldete. „Hier Manson, wer da?“, kam es, mir ein wenig zu fröhlich. „Hi Aaron, ich bin’s Chris.“ „Oh Hallo. Ist irgendwas passiert?“ „Nein nein, ich wollte nur mal fragen, ob du nicht Lust hast, an dem Denzler Projekt weiterzuarbeiten?“ Ich griff nach einem Kugelschreiber aus dem silbernen Stifthalter. „Jetzt?“, kam es irritiert. „Ja, aber wenn du keine Zeit hast, ist das auch okay.“ Nervös ließ ich den Stift zwischen meinen Fingern hin und her gleiten. „Doch, eigentlich habe ich schon Zeit. Ich wunderte mich nur…. na, ist ja auch egal. Bist du noch zu Hause?“ „Nein, schon im Büro.“ „Gott, dir scheint es ja echt langweilig zu sein. Ich bin dann so… in 30 Minuten da.“ „Ok.“ Ich legte auf. Der Kugelschreiber erhielt einen Freiflug durch den Raum. Sollte er mich doch für verrückt halten, dass ich an einem Sonntagabend arbeiten wollte. Ablenkung war jetzt das, was ich brauchte, und alleine hier herumsitzend würde das nicht funktionieren. ~ * ~ Die Nacht und der darauffolgende Tag waren die Hölle. Nicht, dass es mit der Ablenkung nicht ganz so gut geklappt hatte wie gehofft, oder die nervende Müdigkeit, die mich immer mehr davon abhielt, rational zu denken… Nein, am schlimmsten war der folgende Gang nach Hause. Würde mich jemand fragen, würde er zur Antwort bekommen, dass ich das Gebäude, vor dem ich stand, nicht kannte. Schon allein der Anblick des teuren Wohnblocks, an dem sich der Besitzer durch Verkauf und Vermietung einen guten Lebensstil halten konnte, schien der Todfeind Nr. 1 zu sein. Die Haustür, der Weg hinauf, die Wohnungstür… wie sehr betete ich dafür, dass ich ihn dahinter vorwinden würde. Mit viel Überwindung und schnell klopfendem Herzen steckte ich den kleinen, silbernen Gegenstand ins Schloss, bewegte ihn vorsichtig zur Seite. Ich trat in die Wohnung, ließ meinen Schlüssel lauter als sonst auf die kleine Kommode fallen. Er sollte wissen, dass ich zu Hause war, kein überraschtes Aufeinandertreffen. Aber wie sollte ich mich jetzt geben, wenn ich ihm gegenüberstand, was würde mich überhaupt erwarten? Mein erster Blick durchstreifte die Küche, wie eigentlich immer, wenn ich nach Hause kam, da er meistens hier vorzufinden war. Doch er war nicht hier und das Weitersuchen konnte ich mir getrost sparen. Ich entfernte die drei Magneten, die einen etwas größeren, weißen Umschlag an der Kühlschranktür festhielten. Die Schlüssel darin ertastete ich sofort, den weiteren Inhalt wollte ich nicht kennen… ~ * ~ Ich stand auf, ging zur Arbeit, kaufte ein, ging nach Hause, machte mir etwas zu essen und ging wieder ins Bett. Bevor ich allerdings einschlief, hing mein letzter Gedanke an dem immer noch ungeöffneten Umschlag, der nun an meiner Schlafzimmerwand hing. Montag, Dienstag, Mittwoch… die gesamte Woche sah so aus. Ändern wollte ich nichts daran. Weder am Montag, am Dienstag, am Mittwoch… noch an der restlichen Woche… mit einem Unterschied: Den Samstag und Sonntagvormittag verbrachte ich nur mit Essen, Schlafen und anstarren des weißen Umschlages. Am Nachmittag wurde diese sinnvolle Beschäftigung allerdings unterbrochen. „Sag mal, was soll der Scheiß?“ Desinteressiert ließ ich David in der geöffneten Tür stehen, schleifte mich wieder in Richtung Schlafzimmer. Ich hörte die Tür hinter mir ins Schloss fallen, seine Schritte, die mir folgten. Mit einem dumpfen Geräusch ließ ich mich zurück auf das Bett fallen und drehte mich in die Richtung Wand. „OK! Was ist los? Ich habe bestimmt 20 Mal in dieser verfickten Woche bei dir angerufen und du bist kein einziges Mal ans Handy gegangen. Was verdammt noch mal ist mit dir los, Chris?“ „Lass mich in Ruhe“, gab ich daraufhin zur Antwort. Eins, zwei Schritte… er ging vor dem Bett in die Hocke, sein Blick lag auf mir. „Glaub mir, wenn du mir nicht sofort sagst, was hier los ist, werde ich das auch tun“, drohte er mir ganz offensichtlich und als ich zuließ, dass sich unsere Blicke trafen, hätte ich weinen können. Das Gefühl war vorhanden, doch floss nicht eine einzige Träne über meine Wangen hinweg. „Also?“ „Er ist weg“, erklärte ich tonlos, drehte mich in die andere Richtung. „Ryan?“ Ich spürte wie er wieder aufstand. „Du redest von Ryan, oder?“, kam es in einer seltsamen Tonlage, die mit dem nächsten Satz ins verärgerte umschwang. „Bist du eigentlich total bescheuert? Weißt du wie viele Sorgen ich mir gemacht habe. Deine Eltern, deine Schwester… wir dachten, es wäre dir was passiert und du treibst hier seelenruhig in deiner Depriphase rum, weil es schon wieder mal mit einem Kerl nicht geklappt hat? Ist das wirklich dein Ernst?“, schrie er die letzte Frage. Ich antwortete nicht darauf. Besser gesagt, ich war wie erstarrt von seinem ungewohnten Gefühlsausbruch. Natürlich war es ein wenig unvernünftig von mir gewesen, mich tot zu stellen, aber konnte er mich denn kein bisschen verstehen? „Weißt du was? Ich geh jetzt und ruf mich erst wieder an, wenn du erwachsen geworden bist.“ Er verließ die Wohnung. „Entschuldige“, flüsterte ich ihm leise hinterher. Ein wenig später öffnete ich endlich den Umschlag. Ich wollte wissen warum ich einen meiner ältesten Freunde verärgert hatte und betete dafür, dass mir Ryan keine offensichtlichen Schuldzuweisungen unterbreitet. Natürlich war alles meine Schuld gewesen, doch würde ich es nicht ertragen können, würde er es mir dies sagen. Der Brief war nicht besonders lang, doch musste ich mir eingestehen, dass ich den Schreiber verstehen konnte. Vielleicht hatte ich zu vieles nur aus meiner Sicht heraus betrachtet, vielleicht gab es da zu vieles, das ich nicht verstand. Dennoch, warum hatte er mir das nicht persönlich sagen können, warum nicht versuchen können, alles wieder in Ordnung zu bringen… und warum gab es da das beängstigende Gefühl, ihn niemals wiederzusehen? ~ * ~ Wochen waren mittlerweile vergangen… Die ersten Entwicklungsphasen abgeschlossen, schaffte es das Brückenprojekt nicht mehr, mich wenigstens tagsüber abzulenken. Es gab im Allgemeinen gerade nicht viel zu tun, und so drängten sich wieder vermehrt die Erinnerungen und Wünsche, die ich mit Ryan verband, in den Vordergrund. Nicht das kleinste Lebenszeichen hatte ich in den Wochen von ihm erhalten, ihn nicht finden können, während ich des Öfteren die Innenstadt nach seiner Anwesenheit absuchte. Nichts, er blieb wie vom Erdboden verschluckt. Ich vermisste ihn schrecklich, dass versuchte ich gar nicht erst, vor mir selbst zu leugnen. Ich vermisste ihn. Einfach nur ihn. Liebe? Nein, die vermisste ich nicht. Ich vermisst seine Anwesenheit, seine Stimme, das Einfache: „Hi, wie war dein Tag?“, wenn ich von der Arbeit nach Hause kam. Ich liebte ihn immer noch, auch das wollte ich nicht leugnen. Doch würde ich das alles tief in mir begraben, würde er nur wieder zurückkommen. Eine Chance, dass alles wieder so war wie zuvor. Aber spürte ich immer mehr, dass ich keinen Versuch mehr bekommen würde, ihn darum bitten zu können, ihn zu bitten, zurückzukommen. Die Meisten wären wahrscheinlich schnell an den Punkt gelangt, wo sie sich selber sagten, dass es vorbei war, dass es keinen Sinn mehr hatte, dass es nur vergebene Liebesmüh wäre, noch darüber nachzudenken. Ich war an diesem Punkt noch lange nicht angekommen, doch war ich selber nicht in der Lage, groß etwas an dieser Situation zu ändern, und so engagierte ich schließlich einen Privatdetektiv. Ich erzählte ihm alles was ich von Ryan wusste. Sein Geburtsdatum und ein Bild waren die besten Hinweise, die ich ihm geben konnte. Er machte mir nicht gerade Mut, hoffte aber anhand der Geburtsdaten etwas herausfinden zu können, und so vergingen tatsächlich nur ein paar Tage, bis ich eine Adresse von ihm bekam. Er konnte mir allerdings nicht garantieren, ob es sich wirklich um die Angehörigen handelte, da ich persönliche Kontaktaufnahme zu den Familienmitgliedern strikt abgelehnt hatte. ~ * ~ Am darauffolgenden Wochenende setzte ich mich in einen Flieger nach Ohio. Dort angekommen, mietete ich mir einen Wagen, ließ mich zwecks Wegbeschreibung eingehend beraten und mir einen Straßenplan aushändigen. Das große helle Haus mit dem blauen Dach war nicht gerade schwer zu finden. Ich parkte, stellte den Motor aus und stieg ins Freie. Was nun? Einfach anklopfen und fragen, ob hier ein Ryan Byncks zu Hause war? Byncks! Ob es wirklich sein Name war? Ungewohnt, irgendwie falsch… Ich lief um den Wagen herum, betrat den Gehweg. War das wirklich ein Platz, den er hunderte von Malen in seinen Leben betreten hatte? Doch viel Zeit darüber nachzudenken bleibt mir nicht, da eine unerwartete Bewegung meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Ein Mann klettert aus einem Loch mitten im Garten des Hauses mit dem blauen Dach. Zuvor war es mir gar nicht aufgefallen, wahrscheinlich von der Hecke verdeckt. „Scheiß Rohre“, kam es mit genervter, bekannter Stimme. Er stand auf, ging einige Schritte auf das Haus zu, warf eine kleine Schaufel von sich. Kurz darauf wieder in der Hocke fummelte er an irgendwas rum. Ohne Erlaubnis betrat ich das fremde Grundstück, ging auf den Mann zu, mit dem ich monatelang alles geteilt hatte, dem ich meine Liebe schenken wollte. Ich stand wenige Schritte hinter ihm, sah ihm einfach nur zu. Bemerkt hatte er mich noch nicht, und so hefteten sich meine neugierigen Blicke auf ihn. Diese Veränderungen… ich konnte sie nicht verstehen. Und damit meinte ich nicht sein Haar, das ein wenig kürzer geschnitten wurde, sondern viel mehr, dass er hier, in einer ganz normalen Familie, in einem ganz normalen Haus lebte. Aber wer lebte eigentlich hier? Seine Eltern, seine Frau, vielleicht sogar schon Kinder? Erst als Nässe auf meinen Handrücken traf, nahm ich es wirklich wahr. Was sollte das… nicht weinen. Das half nicht, verdammt… „Oh…“ Bemerkt, drehte sich Ryan zu mir um, stand auf. „Hallo“, kam es freundlich. Er lächelte und mir schossen noch mehr Tränen in die Augen. Ich wollte ihn um den Hals springen, ihn an mich drücken, küssen… ihn nie wieder loslassen, doch war ein kleines „Hi“ das Einzige was ich im Moment über die Lippen bekam. „Entschuldigung. Kann ich Ihnen helfen? Was ist denn passiert?“ Bitte? Ich schaute in sein besorgtes Gesicht, erkannte wirkliche Sorge. Was verdammt noch mal sollte das? Er streckte die Hand nach mir aus, wollte mich am Arm berühren. Ich wich zurück. Er folgte mir, sprach auf mich ein. Ich sah wie sich seine Lippen bewegten, doch konnte mein Verstand kein einziges der ausgesprochenen Worte verarbeiten. Warum tat er mir das an, warum wollte er mich nicht mehr kennen? Musste er sein Gesicht wahren, den braven Sohn oder Hausmann spielen… für wen veranstaltete er diese Scharade? Ich wich weiter zurück, da er weiterhin versuchte, mir näherzukommen. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, seine Worte schienen energischer zu werden… warum konnte ich sie bloß nicht verstehen… Er war nicht Ryan. In den Armen der mir fremden Person liegend verstand ich es endlich. Er war nicht Ryan. „Hey, alles in Ordnung mit Ihnen?“ „Ja… sorry… ich…“ „Sie wären beinahe in das Loch da gefallen, es tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe.“ Ich trennte mich von dem Körper, den ich geküsst, geliebt und begehrt hatte, der aber trotzdem nicht derselbe zu sein schien. Ihm gegenüber auf dem Boden sitzend konnte ich nicht anders als ihn neugierig anzusehen. „Wirklich alles in Ordnung“, fragte er noch einmal besorgt, mit dieser wunderschönen Stimme. „Ja.“ Ich wurde leicht rot. Diese ganze Situation, wie peinlich. „Darf ich fragen, wer Sie sind… wie ist Ihr Name?“ „Ich… mein Name ist Lienn Byncks.“ Er streckte mir die Hand hin. „Und wer sind Sie?“ Part 03 – Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)