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Bis(s) zum Ende der Ewigkeit

Meine Fortsetzung zur Bis(s)-Reihe
von

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Pläne

Autor: littleblaze

E-Mail: little_blaze_2000@yahoo.de
 

Disclaimer: Alle Rechte an den Bis(s)-Charakteren gehen auf das Konto von Stephenie Meyer und ich verdiene keinen einzigen Cent mit meiner Story.
 

Neue Charaktere, die Storyline, selbst erstellte sowie editierte Bilder gehören mir und dürfen nicht ohne meine vorherige Zusage auf anderen Seiten, Portalen oder Foren gepostet werden.
 

Warnung: Spoilergefahr, da die vier original Bände als Grundlage für diese FanFiction genutzt werden. Wer also noch nicht alle Bände gelesen hat, dies aber noch tun will, sollte von diesem Werk erst einmal Abstand halten. Aber wiederkommen nicht vergessen!
 

Kommentar: Hier nun meine ganz eigene Version von einer möglichen Fortsetzung der Bis(s)-Reihe.

Warum ich diese allerdings auf die Tastatur gedrückt habe, weiß ich immer noch nicht so genau, denn ich würde mich nicht als sehr großen Stephenie Meyer Fan outen, doch ich denke, wenn man die 4 ½ Bücher in einem Zeitraum von zwei Monaten zwei Mal (ein Mal musste ich sie einer Freundin am Telefon vorlesen) gelesen hat, dann bleibt schon irgendwas hängen, und man fängt doch an zu grübeln... Wie könnte es weitergehen?

Meine Version sieht somit so aus:
 

Kapitel 01 - Pläne
 

Wir ließen Seattle auf dem Highway 104 hinter uns, im Kofferraum einige dutzend Tüten mit neuer Designerkleidung und Unmengen an Zeitschriften für die unterschiedlichsten Interessen jedes Mitglieds der Familie. Der Anblick eines erschöpften Körpers auf der Rückbank, der sich genervt aus Pullover, Schuhen und Socken wand, und einem aufgedrehten 4 ½ jährigen Mädchen auf dem Beifahrersitz war bei dieser Art von Ausflügen keine Seltenheit. Ein neues Jahr hatte wieder einmal begonnen, die Straßen lagen verschneit unter uns.

Bronzefarbene Locken wehten ziellos im vereisten Wind, überglücklich hüpfte Renesmee in stehender Pose auf ihrem Sitz herum. Für jedes normale Kind ein gefährliches Wagnis, bei uns nicht einmal eines Blickes wert. Ihre melodischen Freudenschreie wurden vom Wind gefangen genommen und hinweggeweht.

„Bella, Jacob… schaut!“

Unsere Blicke starrten auf das weit entfernte Flugzeug, das einen dieser riesigen Werbebanner hinter sich her zog. Uns allen blieb die Aufschrift nicht verborgen, obwohl es sich eigentlich nur noch um einen kleinen Punkt am Horizont handelte: Eine Reklame für das neueröffnete Einkaufszentrum in Port Angeles.

Ich wand den Blick ab, immer noch hallte der melodische Klang meines Namens in meinen Ohren. Mich störte es, wenn sie ihn aussprach, doch die seltenen Male, in denen Renesmee aus der sicheren Umgebung des Hauses kam, konnte sie mich schlecht anders nennen… Sie hatte sich in den letzten vier Jahren so stark verändert.

Ihr Körper glich nun dem eines dreizehnjährigen Mädchens. Niemand würde je annehmen, dass sie meine Tochter, überhaupt mit mir verwandt sei. Die braunen Augen, die leuchtend in ihrem wunderschönen Gesicht strahlten, waren nicht mehr die meinen. Ich hatte dieses Merkmal vor langer Zeit hinter mir gelassen. Die wunderschönen Gesichtszüge, die jeden Fremden begeistert festhielten, und die bronzene Färbung ihrer Haare waren die Edwards. Abgesehen von der Blässe, die wir alle auf unseren Gesichtern trugen, hatte sie nichts mit mir gemein.

Ich schaute kurz zu ihr herüber und wieder bedrückte mich das Gefühl, dass sie in viel zu kurzer Zeit ausgewachsen sein würde, vielleicht sogar älter als ich selber aussehen könnte. Für Außenstehende würde sie niemals meine Tochter sein.

Meine Finger krallten sich ums weiche Leder des Lenkrads. Ich musste mich ermahnen, es nicht zum Bersten zu bringen. Ein weiteres, glückliches Aufschreien durchfuhr die Luft.

„Was ist, Ness?“, erklang es müde von der Rückbank.

Sie blickte sich um und kletterte daraufhin leichtfüßig über den Sitz nach hinten. Eigentlich hatte es mehr ausgesehen, als würde sie nur die Beine in die Luft heben und sich vom Wind tragen lassen. Jacob reichte ihr die Hand, die sie annahm, und sich nah an seinen Körper fallen ließ. Ohne irgendwelche Scham legte sie ihm die Hand aufs Gesicht und schloss lächelnd die Augen.

„Ja, ich weiß“, lächelte er kurz darauf zurück, und wieder einmal wünschte ich mir anstatt meiner eigenen Fähigkeit die von Edward. Denn er konnte all ihre unausgesprochenen Mitteilungen sehen, mir dagegen blieben sie verschlossen. Renesmee ließ ihre Hand auf Jacobs Gesicht liegen und kuschelte sich an ihren besten Freund.

Ich wusste, dass es wenigstens im Moment noch nicht mehr war. Jacob war Freund, Beschützer und Familie für sie, nichts, was in eine romantische Richtung ging, war bisher in ihren Gedanken hervorgetreten, und ehrlich gesagt, erleichterte mich dies ungemein. Das Schlimme daran war, ich wusste nicht einmal genau, weshalb ich so fühlte.

Jacob war auch mir ein ziemlich wichtiger Freund gewesen und war dies immer noch. Er gehörte für mich ebenso zur Familie wie die Cullens es taten. Und trotzdem… machte es mich verrückt, dass meine Tochter immer mehr Frau wurde und in Jacobs Kopf andere Dinge aufflammen könnten.

Edward hielt in diesem Punkt ziemlich an Jacobs Gedanken fest. Für ihn schien es noch weitaus schwerer, sich sein kleines, gerade mal 4 ½ jähriges Mädchen in sexuellen Verwicklungen vorzustellen. Schon die Änderung des bekannten Nessie zum neuen Ness in Jacobs Worten hatten bei Edward die Alarmglocken schrillen lassen. Als würde Jacob das kindliche verbannen wollen. Ich schaffte es nur, Edward zu beruhigen, indem ich ihm vor Augen hielt, dass Renesmee immer noch ihren eigenen Willen hatte. Daraufhin war sein Blick zwar nicht sorgenloser, aber er ließ das Thema fürs erste fallen.

Meine Gedanken schweiften wieder zurück auf die Straße vor mir. Die 140 Meilen hatte ich mit einer Spitzengeschwindigkeit hinter mir gelassen. Ich wollte der Enge des Wagens schnellstmöglich entkommen. Die lange Kurve, die wir durchfuhren, gab mir das Zeichen, dem Cabrio sein Verdeck zuzuschreiben und die verdunkelten Scheiben hochzufahren. Forks war immer noch das gefährlichste Pflaster in Punkto Entdeckung. Wir konnten uns keinen Fehler erlauben, besonders Renesmee würde Aufsehen bei den rund 3.200 Einwohner des kleinen Ortes erwecken.

Verborgen durchfuhren wir die bekannten Straßen, nur, um auf eine weitere zu gelangen, die uns wieder aus Forks heraus führte. Kurz hatte ich darüber nachgedacht, abzubiegen und Charlie einen Besuch abzustatten, doch schnell verwarf ich diese Möglichkeit wieder.

Endlich kam die kleine, eher versteckte Abzweigung in Sicht. Ich bog ab.

„Lässt du uns hier raus, Momma? Jacob und ich wollen noch jagen.“

„Aber du hast doch gerade erst vier Hamburger verschlungen“, konterte ich, doch ein kurzer Blick in den Rückspiegel und in ihr flehendes Gesicht ließen mich den Wagen abrupt stoppen. „Sei vorsichtig“, konnte ich gerade noch durch die Zähne zwängen, ehe sie beide im Dickicht verschwanden. Ich kämpfte gegen etwas, wovon ich eigentlich mehr als genug haben sollte: Zeit!
 

Beim Haus angekommen fuhr ich Rosalie´s M3 in die Garage und betrat mit überfüllten Armen das Haus. Sofort spürte ich es. Irgendetwas schien nicht so richtig zu stimmen, alle benahmen sich einfach zu normal.

„Was ist los?“, blieb meine Frage deswegen auch nicht lange verborgen. Alice drehte sich schnell in eine andere Richtung. Ihr konnte ich das Lügen mittlerweile besonders gut ansehen. Jasper wand sich aus Gewohnheit mit ihr um. Carlisle nahm mir die Tüten und Zeitschriften ab.

„Bella, wir müssen reden.“

Edwards Hände glitten beruhigend über meinen Arm.

Ich war alarmiert und schloss instinktiv die Augen, ließ all meine Sinne auf Hochtouren laufen. Carlisle, Esme, Alice, Jasper, Edward, Rosalie und Emmett, alle waren da und niemand verletzt. Niemand Fremdes war in der Nähe, keine unmittelbare Gefahr. Jacob und Renesmee durchstreiften auf der Suche nach Beute den Wald.

„Jetzt sag schon, was los ist“, war ich trotzdem nervös, als ich die Augen wieder öffnete.

Jasper glitt erneut in mein Blickfeld, und sofort dachte ich an den kleinen Augenblick in Seattle vor ein paar Stunden, als ich mich umgewand hatte und mir eigentlich ziemlich sicher gewesen war, dass ich Jasper um eine Ecke hatte gehen sehen. Natürlich hatte ich mir schnell gedacht, dass ich mich getäuscht hätte, obwohl sein Geruch in meiner Nase lag, aber nun, nachdem mir der gleiche, marineblaue Pullover vor die Augen trat, wusste ich es besser.

„Bella“, fing Edward mit beruhigender Stimme an, doch ich ließ ihn erst gar nicht aussprechen, denn plötzlich wurde mir bewusst, was Jaspers Erscheinen in Seattle zu sagen hatte. Ich wusste sofort, was es dort zu erledigen gab.

„Es ist soweit, habe ich Recht? Ihr habt alles vorbereitet ohne mich einzuweihen, nicht wahr?“

Der Verdacht, war kein Verdacht. Die Richtigkeit meiner Aussage erkannte ich in jedem Gesicht, den zugeneigten und den abgewandten. Sogar im obersten Stock konnte ich das interessierte Lauschen von Rosalie und Emmett wahrnehmen. Deswegen waren sie also vor kurzem nach Hause gekommen, hatten sich einige Zeit von College beurlauben lassen… Wir würden Forks verlassen und das schon ziemlich bald.
 

Kapitel 01 - Pläne - Ende

Abschied in ein neues Leben

Autor: littleblaze

E-Mail: little_blaze_2000@yahoo.de
 

Disclaimer: Alle Rechte an den Bis(s)-Charakteren gehen auf das Konto von Stephenie Meyer und ich selber verdiene keinen einzigen Cent mit meiner Story.
 

Neue Charaktere, die Storyline, selbsterstellte sowie editierte Bilder und sämtliche, für die Story erstellten Extras gehören mir und dürfen nicht ohne meine vorherige Zusage auf anderen Seiten, Portalen oder Foren gepostet werden.
 

Kapitel 02 - Abschied in ein neues Leben
 

Natürlich reagierte ich nicht gerade professionell auf die unausgesprochene Nachricht.

Dass wir eines Tages Forks verlassen mussten, war mir natürlich bewusst gewesen. Oft hatte es kleine Scherze diesbezüglich gegeben, immer wieder eine untergrabene Anspielung, dass es nicht mehr lange dauern würde, doch ich hatte es trotzdem immer weit weg von mir geschoben.

Ich wollte nicht gehen.

Ich wollte Forks nicht verlassen, nicht mein Zuhause und vor allem nicht meinen Vater. Denn ich wusste genau, dass wir nicht zurückkommen würden, bevor der Ort entweder von einer neuen Generation oder von alten Leuten, die ihre Erinnerungen nicht mehr so ganz zusammen bekamen, bewohnt wurde. Ich würde also nie wieder...

„Bella, er kann uns doch besuchen kommen“, schien Edward genau die richtige Sorge in meinem Gesicht gelesen zu haben. Seine Finger glitten immer noch über meine Arme hinweg. „Wir schicken ihm Flugtickets und er kann jederzeit kommen und uns besuchen.“

Mein Blick drehte sich leicht in die Richtung von Esme; ich wünschte mir gerade unermesslich stark, dass sie mich an sich drücken würde. Doch da ich wusste, dass dies gerade nicht passieren würde, senkte ich den Blick.

„Wo gehen wir denn hin?“

Meine Finger drückten sich als Alternative in Edwards Seite.

In meinen Hals schmerzte es, als hätte ich lange nichts getrunken, und die Trockenheit in meinen Augen veranlasste mich, nervös zu blinzeln.

„Wir sind uns noch nicht ganz einig. Wir dachten…“ Ich starrte abwartend in seinen weichen und zugleich besorgten Blick. „… wir überlassen die Entscheidung Jacob und dir.“

„Jacob?“, überrannte es meine trockenen Lippen, doch sofort beantwortete ich mir selber die Frage.

Selbstverständlich würde er mitkommen. Niemals könnte er Renesmee einfach so ziehen lassen, selbst wenn er es wollte. Es war so sicher, wie das Amen in der Kirche, wie auf jede Nacht wieder der Tag folgte, doch wie sollte ich selber damit klar kommen, wie es meinem Vater erklären?

Auch wenn sich Charlie in letzter Zeit über so einiges gewundert hatte und auch von Anfang an damit lebte, dass wir irgendwann gehen mussten, um uns zu schützen, würde es ihm das Herz brechen. Immerhin ging es hier nicht mehr nur um mich. Auch Renesmee würde ihn verlassen, die Enkeltochter, zu der er eine so starke Beziehung aufgebaut hatte.

Niemand im Raum bewegte sich, niemand schien zu atmen. Alle blickten mich an, als würden sie hier und jetzt eine Entscheidung von mir verlangen, als warteten sie nur darauf, dass ich mein „Ok“ geben würde, als ob es wirklich auf mich ankommen würde.

„Ich… ich kann das...jetzt nicht.“

Ich wand mich von ihnen ab, stolperte nicht nur über meine Worte, sondern auch zum ersten Mal seit meiner Verwandlung wieder über meine Füße. Edward war mir sofort an der Seite, wollte mich auffangen, doch blitzschnell hatte ich mich wieder unter Kontrolle, riss die Tür auf und rannte über die Wiese vor mir, sprang über den zugefrorenen Fluss und stürzte in den dunklen Wald.

Hinter mir hörte ich nur noch Alice Stimme: „Lass sie!“. Dann war es um mich herum ruhig. Selbst das Knirschen des Schnees unter meinen Füßen, hatte nicht Zeit genug, an mein Gehör zu dringen.

Ich rannte, rannte immer weiter, achtete nicht darauf, ob jemand meinen Weg streifte, mich irgendwer vielleicht sah. Durch meine Geschwindigkeit würde das menschliche Auge sich eh nicht sicher sein können, ob es wirklich etwas aufgenommen hatte.

Alles war doch so gut gelaufen in den letzten Jahren. Wir waren glücklicher als ich es mir je hätte vorstellen können. Aber langsam veränderte sich alles; Renesmee dürfte nicht mehr meine Tochter sein, sie würde schneller als ich es mir wünschte ein Leben beginnen, bei dem ich mich nicht mehr als der Mittelpunkt ihrer kleinen Welt sah, und nun sollte ich mein Zuhause, meinen Dad hinter mir lassen...

Ich wollte nur noch rennen, weg rennen, obwohl ich doch eigentlich genau dort bleiben wollte, wo ich war.
 

Ich kam erst ziemlich spät wieder zu unserem kleinen Häuschen. Erst als ich Alaska erreichte, hatte ich gestoppt und war wieder umgekehrt.

Renesmee wartete ungeduldig auf mich. Als sie mich näher kommen hörte, rannte sie mir entgegen. Ich blieb im tiefen Schnee stehen, erwartete ihr Kommen.

„Momma“, fiel sie mir in die Arme. Die Wucht ihrer Gefühle brachte mich beinah zu Fall. „Ich hatte solche Angst“, hauchte sie mir entgegen und ihr Herz schlug noch viel schneller gegen ihre Brust, als es dies sowieso schon tat.

Ich konnte den leichten Salzgeruch riechen, das Beben ihres Körpers spüren. Ich drückte sie fest an mich… gegen all meine optischen Sinne ankämpfend, musste ich mir wieder einmal ins Gedächtnis rufen, dass sie doch noch ein kleines, ängstliches Kind war.

„Schon gut… alles in Ordnung.“

Beruhigend glitten meine Finger durch ihr Haar.

„Müssen wir wirklich weg?“

„Ja.“

Ich versuchte, es entschlossen auszusprechen, um sie nicht noch mehr zu beunruhigen.

„Aber alle kommen doch mit, nicht wahr?“

„Natürlich. Wir sind doch eine Familie.“

Ich brauchte nicht aufzuschauen, um zu wissen, welcher Teil davon gerade zu uns herangetreten war. Sein Geruch legte sich um uns.

„Alles in Ordnung?“

Seine Lippen legten sich sanft auf meine Stirn. Natürlich war sein Blick von Besorgnis gezeichnet. Seine Augen waren von sanfterer Farbe als meine, was mich ehrlich gesagt davon abhielt, ihm die Hölle heiß zu machen.

Natürlich war ich traurig über den Umzug und wünschte mir eine andere Lösung, aber dass sie mich deswegen von dem Ganzen ausgeschlossen hatten und mich im Unklaren hielten, machte mich ziemlich wütend. Was mich davon abhielt, dies herauszulassen, war seine sanfte Hingabe an uns und das zu beschützende Kind in unseren Armen.
 

~ † ~
 

Jacob nahm die Nachricht unseres Umzuges gelassener auf als ich. Anscheinend hatte er sich schon des Öfteren ernsthaft mit den anderen darüber unterhalten. Für ihn stand ohne Umschweife fest, dass er uns begleiten würde. Vielleicht hätte ich mit seiner Unterstützung noch ein wenig Zeit herausschlagen können, obwohl ich mir andererseits natürlich darüber im Klaren war, dass einige Jahre mehr auch nichts an meinem Wunsch geändert hätten zu bleiben.

Also beugte ich mich der Entscheidung, Forks zu verlassen. Es war für alle das Beste, es war richtig und es war wichtig, unerkannt zu bleiben. Es gehörte ebenso zu unserer Existenz wie die Unsterblichkeit.

Jedoch machte mir dieses Bewusstsein den Weg zu meinem früheren Zuhause nicht einfacher. Charlie war schon bei meinem Anruf neugierig geworden, als ich erwähnte, dass Renesmee und Edward mich bei meinem Besuch begleiten würden. Schon lange hatten wir Renesmee nicht mehr dem Risiko ausgesetzt, in Forks für Gesprächsstoff zu sorgen. Doch bei dieser Unterhaltung wollte ich nicht die ganze Familie um mich herum haben, nicht noch mehr Gesichter, die mich dabei beobachten würden, wie ich versuchte Tränen, die nicht heraus kommen konnten, zu unterdrücken und ein unbekümmertes Gesicht auf zusetzten.

Zu Gottes Belustigung schien an diesem Tag die Sonne strahlend vom Himmel herab. Wir parkten nah am Haus und glitten blitzschnell hinein. Stürmisch umarmte Renesmee ihren Großvater. Die Freude über diesen Zuneigungsbeweis war ihm anzusehen, doch seine Augen lagen auf Edward und mir, bekümmert, gierend nach Informationen.

Wir setzten uns ins Wohnzimmer und er wartete, was wir ihm mitteilen wollten.

Edward sprach. Ich bekam keinen Ton über die Lippen. Renesmee versicherte ihm, dass er uns besuchen könne. Ich konnte nur teilnahmslos nicken.

Doch auch von seiner Seite her nicht der erwartete Aufstand, nicht der wilde Protest. Alles verlief so viel einfacher als angenommen. Meine Gefühle waren auf eigenartige Weise verletzt. Waren meine Tochter und ich wirklich die Einzigen, die nicht wollten, dass wir diesen Ort verließen?

Der Schmerz wurde durch eine Ahnung ersetzt, dem Wissen, dass sein Verhalten darauf hinauslief, seine Traurigkeit einfach nur verbergen zu wollen, um es nicht noch schwerer für alle Beteiligten zu machen. Wieder war Renesmee die einzige Person, der Tränen über die Wangen liefen.
 

~ † ~
 

Entschieden hatten wir uns schließlich für eine Stadt in Kanada namens Prince Rupert. Die Niederschlagsrate war dort noch höher als hier in Forks. Die Temperaturen waren etwas niedriger und die Einwohnerzahl lag bei etwa 13.000 Menschen, knapp das Vierfache was Forks zu bieten hatte.

Bären waren in den umgebenen Wäldern weit verbreitet. Emmetts Gesicht strahlte bei der Vorstellung, das Essen fast bis ins Wohnzimmer geliefert zu bekommen. Jedoch hatte ich andere Gründe für diese Wahl gehabt: Der Flug von Seattle nach Prince Rupert dauerte nur fünf Stunden. Es war die kürzeste Distanz, die mir zur Wahl gestanden hatte. Jacob schloss sich meiner Entscheidung ohne Widerspruch an.

Und plötzlich ging alles ganz schnell…

Wir mieteten einen dieser riesigen Umzugswagen, wie es ganz normale Menschen nun mal taten, in dem nur persönliche Dinge und Jaspers und Jacobs Motorräder ihren Platz fanden. Das schon vorhandene Haus in Prince Rupert war komplett eingerichtet. Ich versuchte es mir durch Esmes Erzählungen vorzustellen, doch so schön es sich auch anhörte, fragte ich mich, ob es jemals ein Zuhause für mich sein könnte. Alice lauschte den Erzählungen ebenfalls gespannt, für sie und Jasper war es auch das erste Mal, dass sie in diesem Haus zu Hause sein sollten.

Minuten später hielt ich meinen ersten gefälschten Ausweis in den Händen, nach welchem ich Jahre später geboren war als tatsächlich der Fall. Wie viele Ausweise würde ich wohl in meiner Existenz ansammeln? Wie oft verleugnen, dass Edward mein Mann und Renesmee meine Tochter war, mich für etwas ausgeben, was ich nicht war und mich schützend vor der Sonne verstecken? Eigentlich ziemlich unwichtige Fragen, da all diese Dinge nötig schienen, um mich und meine Familie zu beschützen. Ewiges Leben hatte doch einiges mehr an Verantwortung als ich mir zuvor eingestehen hatte wollen.
 

Und plötzlich war sie da… die letzte Nacht in unserem kleinen Häuschen. Der Schnee hatte mal wieder zu schmelzen angefangen, obgleich es nach der Wettervorhersage von Alice in zwei Tagen mit einem kräftigen Schneegestöber in die nächste Runde gehen würde.

Ich packte die letzte Kiste mit Kleinigkeiten zusammen. Renesmee schlief schon, Jacob verbrachte die Nacht bei seinem Vater und Edwards Blick lag seit einer knappen Stunden abwechselnd auf meinem und den Fernseher, der leise im Hintergrund lief. Er wusste einfach nicht, was er sagen oder tun könnte, um mir den Abschied einfacher zu gestalten. Dass es nichts gab, was den Schmerz lindern würde, behielt ich für mich. Edwards umsorgende Art nahm ihn zwar nicht fort, aber sein Tun beruhigte mich ungemein.

Ich stand auf, sofort glitt er neben mich und nahm mir die Kiste ab. Seine Berührung lag länger auf meinen Fingerspitzen als nötig. Ordentlich gestapelt neben den anderen Dingen, welche noch einen Platz im Auto finden mussten, stellte er die Kiste nah bei der Tür ab.

„Hast du in den letzten Tagen mal mit Jacob gesprochen?“, veränderte sich sein Ausdruck.

Er war wieder an meiner Seite. Sein Blick drängend, als wäre ihm die Antwort ziemlich wichtig. Ich überlegte kurz. Es bedrückte mich, dass ich nicht sofort darauf antworten konnte, sondern erst innere Nachforschungen betreiben musste. Aber nein, ich hatte in den letzten Tagen nicht mit ihm gesprochen, nicht wirklich jedenfalls. Jacob war zwar immer irgendwie da, aber eine richtige Unterhaltung lag meines Wissens schon eine ganze Weile zurück.

„Wieso fragst du?“

Ich wollte ihm nicht sagen, dass es nicht so war. Irgendwie schämte ich mich für diesen Zustand.

„Ihm geht es nicht so besonders. Die Übergabe des Rudels an Sam, und dass er als Leitwolf nun ohne Rudel zurechtkommen muss und na ja… dass er halt mit einer Horde Vampire von dannen ziehen soll.“

„Niemand zwingt ihn dazu“, reagierte ich wohl ein wenig zu gereizt und warf die Schnur, mit der ich die Kiste verschlossen hatte, gegen die gegenüberliegende Wand.

Meine Schritte führten mich ins Schlafzimmer, natürlich folgte er mir. Dort angekommen, fragte ich mich allerdings, was ich dort wollte. Es gab hier nichts zu tun. Sauer auf mich selbst drehte ich mich wieder um und wollte den Raum verlassen.

„Bella…“

Seine Finger schlichen sich auf mein Gesicht.

„Nichts da, Bella“, drängte ich seine Arme hinab. „Du kannst nicht von mir verlangen, für ihn den Seelentröster zu spielen, ich komm doch selber kaum mit der Situation klar.“

Ich funkelte ihn böse an.

„Das verlangt doch keiner von dir, aber vi-“

„Nein Edward“, unterbrach ich ihn. „Er ist alt genug, und wenn das seine Entscheidung ist, dann muss er schon irgendwie damit klarkommen. Ich muss es ja schließlich auch.“

Edward hielt mich fest, als ich mich wegdrehen wollte. Jetzt, wo die Verwandlung schon so lange zurück lag, war er mir wieder weit überlegen, was den Punkt Schnelligkeit betraf. Ich schloss die Augen, weil ich ihn nicht ansehen wollte, wenn er weiter auf mich einsprach, mich davon überzeugen wollte, dass es irgendwie meine Pflicht war als Freundin für Jacobs Sorgen da zu sein. Aber anstatt Worte, trafen mich seine weichen Lippen. Schmollend, wollte ich es ihm nicht so einfach machen, obwohl jede einzelne Faser meines Körpers sofort auf ihn reagieren wollte. Sanft löste er sich wieder von mir.

„Ich werde es vermissen“, legte sich sein süßer Atem auf mein Gesicht. Seine Stimme klang anziehend durch mein Bewusstsein. Ich verstand ihn zuerst nicht, bis sein Blick durchs Zimmer wanderte.

„Ich auch“, stimmte ich zu und drückte mich gegen seine Brust.

„Besonders, weil wir nicht mehr alleine sein werden.“

„Das ist doch zweitrangig.“

Meine Zähne pressten sich auf meine Unterlippe.

„Natürlich, aber trotzdem werde ich es vermissen.“

Eine Mischung aus Traurigkeit und Lust spiegelte sich auf seinem Gesicht, als er mich ein kleines Stück von sich drückte und mich ansah. Es dauerte nur eine Sekunde, bis mein eigener Blick weich wurde und sich seine Lippen auf meinen noch geschlossenen Mund legten. Willig presste ich mich ihm entgegen. Wenigstens für ein paar Augenblicke wollte ich alles um mich herum vergessen können…
 

Kapitel 02 - Abschied in ein neues Leben - Ende

Das neue Haus

Autor: littleblaze

E-Mail: little_blaze_2000@yahoo.de
 

Disclaimer: Alle Rechte an den Bis(s)-Charakteren gehen auf das Konto von Stephenie Meyer und ich selber verdiene keinen einzigen Cent mit meiner Story.
 

Neue Charaktere, die Storyline, selbsterstellte sowie editierte Bilder und sämtliche, für die Story erstellten Extras gehören mir und dürfen nicht ohne meine vorherige Zusage auf anderen Seiten, Portalen oder Foren gepostet werden.
 

Kapitel 03 - Das neue Haus
 

Der nächste Morgen begann ziemlich früh. Wir gingen in Dreiergruppen auf die Jagd.

Unser Ziel: Übersättigung, damit wir in der neuen Heimat nicht so schnell auf Nahrung angewiesen sein würden. Der sanft fallende Schnee blieb auf unseren Körpern liegen, dachte nicht im geringstem daran, sich in etwas anderes zu verwandeln. Die Dunkelheit hielt den Tag immer noch gefangen.

Stille umgab uns, nur ab und an ein Auftreten eines Hufs oder einer Pfote. Ein unwissendes Geschöpf nach dem anderen kreuzte unseren Weg, doch die meisten überraschten wir im Schlaf. Sie erkannten die Gefahr viel zu spät, hatten keine Zeit zu reagieren. Obgleich wenn, hätte es ihnen nicht sonderlich genutzt. Wir waren Raubtiere, töteten, um zu überleben, und hinterließen eine Schneise von entseelten, blutleeren Körpern.

Heute mussten wir der Häufigkeit dieser nicht vorsichtig sein. Heute war es egal, ob man sich fragte, weshalb so viele Kadaver in demselben Gebiet gefunden wurden, denn dann… würden wir schon nicht mehr hier sein.

Alice und Jasper liefen nahe bei mir durch den Wald und zumindest er musste von meinen Empfindungen beeinflusst werden, von den deprimierenden Gedanken, welche ich gerade vor mir her schob.

Nicht so schnell wie üblicherweise waren meine Schritte, und automatisch passten die beiden sich meinem Tempo an.

Jasper hatte zu mir eine ganz neue Beziehung aufgebaut. Stand er mir früher eher negativ gegenüber, schien ich nach Abzug der Volturi ziemlich wichtig für ihn geworden zu sein. Er hatte sich regelrecht in meiner Kontrolle, dem Durst auf Menschenblut nicht zu unterliegen gesuhlt, und schien seinem eigenen Durst alleine durch meine Anwesenheit Einhalt gebieten zu können. Dieser Wandel störte mich nicht. In vielerlei Hinsicht profitierte ich genauso davon wie er. Aber auch Renesmee steuerte einiges dazu bei, dass Jasper sich endlich besser im Griff hatte. Den ganzen Tag über war er ihrem Duft ausgesetzt, ihrem Herzschlag, ihrem wallenden Blut. Es war nur natürlich, dass er irgendwann einer gewisse Immunität erliegen musste.
 

Nach dem ausgelassenen Mahl war es Zeit aufzubrechen.

Wir hatten uns bei Charlie schon am vorherigen Tag verabschiedet. Es war eine schreckliche, nicht enden wollende Stunde, in der er und ich auf der kleinen Treppe des Hauses saßen und uns anschwiegen. Wir wussten beide nicht, was zu sagen war, und mir fehlte das einfachste, doch bedeutsamste Zeichen, mich auszudrücken. Komisch, wie wertvoll Tränen doch eigentlich waren. Man versucht sie immer zu unterdrücken, wenn sie kommen, wünscht sich, dass andere sie nicht sehen, aber sobald man sie nicht mehr zur Verfügung hat, wünscht man sie sich mehr als alles andere auf der Welt.

Irgendwann hatten wir es dann doch schließlich geschafft, uns fürs erste „Leb wohl“ zu sagen. Edward bat Charlie, nicht noch einmal vorbeizukommen, bevor wir aufbrechen würden.

Er dachte, ich würde diese Unterhaltung nicht hören, aber ich tat es und eigenartiger Weise war ich Edward dankbar. Ich hätte es nicht ertragen, Charlie noch einmal gegenüber zu stehen.

Der Abschied von einzelnen Freunden war schwer, aber nichts im Vergleich dazu. Man versprach sich, Kontakt zu halten, Mails zu schreiben. Ich nahm mir vor, es zu versuchen.

Zuletzt stand uns das wieder vereinte Rudel gegenüber. Mittlerweile bestand es aus 22 Wölfen, die nun in Menschengestalt komplett anwesend waren. Sie kauerten in keiner erkennbaren Ordnung vor dem Haus, vorneweg natürlich aber Sam.

Es war selbst für mich ein grauenvoller Anblick, ihnen in die traurigen Gesichter zu sehen. Selbst die Jüngsten unter ihnen, die mir noch nicht so ans Herz gewachsen waren, spiegelten meinen Kummer.

Ich drückte Jared und Quil fest an mich. Sogar Leah schloss ich in die Arme. Die Steifheit in ihrem Körper hielt nur einen Augenblick an. Wir waren uns in den letzten Jahren zwar näher gekommen, schon alleine deswegen, weil Charlie und Sue viel zusammen waren, aber ganz hatte sie es nicht geschafft, ihre Vorurteile gegenüber Vampire beiseite zu schieben.

Ein leichtes Aufschluchzen verließ ihre Lippen. Ich strich ihr geistesabwesend über den Kopf.

An Seth presste ich mich eine halbe Ewigkeit.

Er war mir so oft hilfreich an der Seite gewesen, dass ich mir in diesem Moment gar nicht vorstellen konnte, auch nur einen Tag ohne ihn zu sein. Doch nicht nur mir ging es so, Edward litt ebenfalls. Seth war in den letzten Jahren mehr Bruder für ihn geworden, ein wichtiger Freund, ein Vertrauter, jemand, mit dem er außerhalb der Familie über alles reden konnte.

Jedoch für Jacob musste es schier die Hölle sein, sich von seinen ältesten und treusten Freunden verabschieden zu müssen, von seiner Familie, dem Rudel, seinem Leben. Ich empfand Mitleid für ihn, doch Hilfe lag nicht in meiner Macht. Wir konnten nicht bleiben und er die Prägung auf Renesmee nicht lösen.

Die letzten Gedanken und Worte des Rudels blieben den meisten von uns verborgen, nachdem sie sich ausnahmslos verwandelt hatten und ein ohrenbetäubendes Jaulen gen Himmel schickten.

Ob sie nun endlich Ruhe finden könnten, keine neuen Verwandlungen mehr, weil wir Forks nicht mehr unser Zuhause nannten? Irgendwie hoffte ich es so sehr… dass sie endlich glücklich, ohne diesen Fluch ein ganz normales Leben leben könnten.
 

Ich wischte eine feine Schneeschicht von der Frontscheibe und stieg in meinen Ferrari. Der Tag war immer noch nicht richtig angebrochen. Viel an Helligkeit zunehmen würde er sowieso nicht, denn gerade deshalb hatte Alice ihn für unseren Umzug ausgewählt.

Jasper fuhr Edwards Aston Martin, während Edward den großen Umzugswagen lenken würde. Emmett, Rosalie und Alice fuhren ihre eigenen Gefährte, während es sich Jacob und Renesmee auf der Rückbank hinter Carlisle und Esme gemütlich machten. Der Volvo wechselte seinen Besitzer. Seth hatte Tränen in den Augen, als ihm Edward die Schlüssel überreichte.

Wir rechneten mit 22 Stunden für die gut 1.100 Meilen, da der Umzugswagen nicht der schnellste war. Nicht gerade eine verlockende Aussicht, so viel Zeit alleine in einem Wagen. So viel Zeit, um sich um so vieles Gedanken zu machen. Und natürlich hatte ich mir geschworen, nicht zurückzublicken, mich nicht noch einmal umzudrehen… aber ich hatte den Rückspiegel nicht in mein Vorhaben eingeweiht, der mir einen wunderbaren Blick auf das Haus freigab, als ich mich mit leisem Motor davon entfernte.

Das Jaulen begleitete uns meilenweit.
 

Die ersten 80 Meilen flogen nur so dahin, und zunächst war ich irgendwie erleichtert gewesen, dass wir nicht durch Forks fahren mussten, um unsere Reise zu beginnen. Doch ziemlich schnell hallte in mir die Wehmut, nicht noch einmal einen Blick hinauf geworfen zu haben, mir nicht noch einmal diesen kleinen Ort, dem zu Anfang all mein Groll gegolten hatte, ins Gedächtnis gebrannt zu haben. Wie lange es wohl dauern würde, bis ich vergaß, wo manche Straßen abbogen oder wie einige der Häuser aussahen, an denen ich Tag für Tag vorbei gefahren war?

Unser erster Stopp war eine kleine Raststätte. Wir tankten die Wagen bis zum Rand voll und verabschiedeten uns von Emmett und Rosalie. Sie fuhren von hier in eine andere Richtung, fürs erste zurück zum College. Irgendwie hatte ich diesen Punkt der Reise vorher nicht wirklich registriert. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und machte gute Miene zum bösen Spiel. Erst der Abschied, jetzt die Trennung. Was würde noch auf uns warten?

Nach weiteren 120 Meilen überfuhren wir die Grenze nach Kanada. Bis hierher hatte ich es noch gut geschafft, meine Gedankengänge unter Kontrolle zu halten. Die Sonne hatte sich einige kurze Momente hoch am Himmel gezeigt und die bunten Pigmente, die sie auf die verdunkelten Scheiben warf, waren eine interessante Ablenkung. Ich zählte, wie oft sich der Strahl in den einzelnen Facetten brach oder wie viele unwirkliche Farben dabei entstanden. Vieles wäre mir Recht gewesen, aber nicht, an den Tag zu denken, in dem ich mich gerade befand.

Zwei weitere Male hielten wir an, damit Renesmee auf die Toilette gehen konnte, zum Nachtanken, oder um ihr und Jacob etwas zu Knabbern zu besorgen.

Ich lächelte, als wir gemeinsam auf den Parkplätzen standen, doch Jasper konnte ich nichts vormachen, und Alice streichelte mir beruhigend über den Rücken. Vorsichtshalber hatte ich beide schon den ganzen Tag vor Edwards Fähigkeit abgeschirmt. Entweder hatte dieser einfach zu viel zu tun, um es zu bemerken, oder er folgerte nur kurz, dass Alice beziehungsweise Jasper gerade an nichts besonderes dachten. Na ja, wie es auch war, es war mir Recht. Ich wollte ihn durch meine kindische Verfassung nicht noch mehr bedrücken.

Erst als wir auf den Highway 16 fuhren und die Sonne sich schon wieder vom Tag verabschiedete, übermannte mich die Trauer so stark, dass ich nicht mehr in der Lage war, weiter zu fahren.

Alice stoppte, aufgrund einer ziemlich verrückten Vorahnung, den Konvoi und verfrachtete mich an Edwards Seite in den Umzugswagen.

Sie überließ Jacob den Ferrari und kurz darauf waren wir schon wieder unterwegs.

Die ersten Meilen blickte Edward abwartend vor sich hin, sagte kein Wort. Renesmee beobachtete mich besorgt durch die Rückscheibe des Mercedes. Ich lächelte und winkte ihr zu, doch auch sie ließ sich nun nicht mehr täuschen. Nur zaghaft hob sie ihre Hand und erwiderte meinen Gruß.

„Warum hast du nichts gesagt?“, hielt Edward es anscheinend nicht länger aus. Wut lag nicht in seiner Stimme, aber etwas anderes, das mir verriet, dass er nicht damit einverstanden war, wie ich mit meinen Gefühlen umging. Um dies zu wissen, brauchte ich keine übernatürlichen Fähigkeiten.

„Ich wollte Renesmee nicht beunruhigen.“

Zum Teil wahr, zum Teil gelogen und gerade ausgesprochen, tat mir diese Zweideutigkeit auch schon wieder leid. Meine Finger verlangten danach, ihn zu berühren, ihm die bronzefarbenen Strähnen aus dem Gesicht zu streichen. Doch natürlich verharrten sie nur in meinem Schoß.

„Es tut mir leid“, flüsterte ich in den kleinen Raum des Fahrzeugs.

Mein Blick verließ die Straße vor uns und sah ihn an.

„Du musst dich nicht entschuldigen. Ich kann dich v-“

„Nein Edward, hör auf damit“, glitt mein Blick wieder zurück. Ich wollte es nicht hören, nicht schon wieder. Ich kannte den Anfang und ich kannte das Ende, wo er sich erneut für alles die Schuld geben würde. „Ich will nicht hören, dass du es verstehst, und schon gar nicht, dass es in irgendeiner Form deine Schuld ist. Bitte, verschon mich damit.“

„Aber s-“

„Nein Edward!“ Meine Füße verlangten danach, gegen etwas zu treten. Ob der Fahrzeugverleih Verständnis dafür hätte, wenn der Boden des Wagens, damit ich die Empörung auf meinen Ehemann mildern konnte, verschwunden sein würde? „Wie oft sollen wir noch darüber diskutieren? Du kannst dir nicht jedes Mal die Schuld geben, wenn irgendwas kommt, was auf deiner Liebe oder durch die Verwandlung beruht. Das kann doch nicht für immer so weitergehen!“

Ich presste die Lippen zusammen, um nicht noch mehr zu sagen, und wieder einmal war ich darüber verwundert, wie sich meine wohlklingende Stimme in etwas Beängstigendes verwandeln konnte.

„Was willst du denn dann, das ich tue?“

Seine Stimme zeigte mir die Verletzbarkeit, beinahe flehend lag sein Blick auf meinem.

Natürlich zerrte sofort das Bedürfnis an mir, mich für meine Aussagen zu entschuldigen, aber irgendwann musste doch endlich mal damit Schluss sein, irgendwann musste er es doch mal verstehen. Verstehen, wie weh er mir eigentlich immer damit tat, wenn er sich die Schuld für mein Leiden gab… Wunderte er sich dann eigentlich noch wirklich, dass ich Dinge vor ihm verbarg?

„Ich weiß nicht… halt mich einfach nur fest.“

Ich schloss die Augen und drückte mich an seine Seite. Edward nahm eine Hand vom Lenkrad und umarmte mich.

„Es wird schon besser werden“, drückte ich mein Gesicht in sein Hemd. „Du wirst schon sehen, in ein paar Tagen ist alles wieder gut.“

Er streichelte kurz über meinen Arm und küsste mich sanft aufs Haar. Da ich wusste, dass er sich danach sehnte, lockerte ich die Sperre in meinem Kopf, ermöglichte ihm Einblicke in meine letzten Tage. Auf eine Art war es richtig befreiend. Ich presste mich noch näher an ihn heran.
 

Wir kamen wie geplant mitten in der Nacht an der Inselgruppe an. Ein Wegweiser nannte den Ort „Port Edward“ in linker Richtung. Ich schmunzelte, als wir geradeaus weiterfuhren.

Kurz darauf folgten wir dem Highway zu der Insel Kaien, die unsere neue Heimatstadt barg. Eine halbe Meile Wasserweg trennte die Insel vom Festland. Ein kleines Hindernis, welches in der Not schnell durchschwommen sein würde.

Wir hielten uns links, Wantage Road, und bogen an einem riesigen Schild, welches zum städtischen Golfplatz wies, ab. Die Straße wurde gröber, kahle Bäume, Tannen und Sträucher pflasterten die Seiten. Wir folgten den Wegweisern zum Mount Hays, einem 732 Meter hohem Berg. Irgendwann bogen wir rechts ab. Ich tippte, dass wir irgendwo zwischen Golfplatz und Berg waren. Die großen Tannen ließen selbst meine gestärkten Augen nicht viel erkennen.

Ungefähr zehn Minuten später hielten wir inmitten der Straße. Verwundert ließ ich meinen Blick wandern. Ich tat es den anderen gleich und stieg aus.

„Der Weg ist ziemlich zugewachsen“, hörte ich Carlisle Auskunft geben.

Edward stieg neben ihm durchs Unterholz davon. Ich blieb am Wegesrand stehen und atmete tief ein; die Luft war sauber, eisig und klar. Den Wald, ja sogar das Meer konnte ich riechen. Bilder von tosenden Wellen, die gegen eine hohe Felswand schlugen, ließen sich in meinem Kopf nieder. Meine Aufmerksamkeit galt kurz der Tanne neben mir. Ich tippte einen ihrer Zweig an, nur um sicher zu sein, dass er auch wirklich da war. Irgendwie war das alles so unwirklich.

Carlisle und Edward, nun auch Jacob und Jasper an ihrer Seite, brachen Äste ab und schlugen Bäume aus. Der Krach, den sie dabei hinterließen, musste selbst für menschliche Ohren enorm sein. Ängstlich ließ ich meinen Blick durch die Dunkelheit streifen, doch von nirgends lauerte Gefahr.

Renesmee trat an meine Seite, schützend legte ich meine Arme um sie. Sie hatte geschlafen, ihre Augen blickten müde und unsicher herum.

„Ist dir kalt?“

„Nein, es ist angenehm“, blickte sie mich an. „Es ist nicht kälter als du oder Daddy.“

Ich stockte und wusste nicht recht, ob ich diese Tatsache als angenehm empfinden sollte. Alice und Esme vervollständigten inzwischen unser kleines Beisammensein, ließen ebenfalls ihre Blicke herum streifen. Die Männer verschwanden außer Sicht, wir konnten sie nur noch anhand von Geräuschen und Gerüchen erahnen. Ich folgte Renesmees Verwunderung über die vielen Sterne um uns herum. Alice konzentrierte sich derweilen, irgendetwas Bedrohliches in unserer Zukunft zu sehen. Anscheinend gab es im Moment nichts zu entdecken, aus welchen Gründen auch immer. Wir alle lebten damit, dass Jacob in gewisser Weise eine Gefahr für uns war, indem er Alices Visionen beeinflusste.

Eine halbe Stunde später war der Weg frei und wir stiegen wieder in die Fahrzeuge. Vorsichtig brachen wir durch den provisorischen, kleinen Pfad, bis hin zu einer großen, verwilderten Wiese, an deren anderem Ende ein altes Backsteinhaus stand. Wir hielten davor und stiegen erneut aus.

„Teilen wir uns auf!“, drang sogleich Carlisles Stimme auffordern durch die Luft. Edward streifte kurz meine und Renesmees Wange und verschwand dann mit den anderen in alle Himmelsrichtungen.

„Sie schauen sich nur um“, gab Esme Auskunft.

„Ich hätte ihnen dabei helfen können.“

Jacob stand die Wut ins Gesicht geschrieben. Er fühlte sich übergangen, nutzlos und nicht dazugehörend. Um dies zu erfahren, musste man ihm einfach nur ins Gesicht schauen.

„Das wissen sie doch, Jacob.“

Esme legte sanft ihre Hand auf seinen Arm. „Es liegt ihnen nun mal in der Natur… es ist schon zur Routine geworden, verstehst du?“

Jacob ließ ein leichtes Knurren durch und folgte Esme, die leichtfüßig über den gefrorenen Boden glitt.

Renesmee und ich gingen ebenfalls näher ans Haus heran. Es war wirklich ein riesiges Gebäude, schon alleine acht vernagelte Fenster konnte ich auf dieser Seite ausmachen.

„Hat das Ding überhaupt fließend Wasser?“, folgte es höhnisch aus Jacobs Mund. Esme lachte leicht auf.

„Mir gefällt es“, trat Renesmee nun an ihn heran, ihre Hand glitt beruhigend über seinen Arm. Auch sie hatte es nicht übersehen, dass Jacob gerade auf störrisch schaltete. „Dir etwa nicht?“ Ihr Gesicht zog traurige Züge.

„Natürlich gefällt es mir.“

Ich schmunzelte in mich hinein. Es war so einfach, ihn zu besänftigen.

Kurz darauf stand Edward als erster wieder bei uns, die anderen folgten nur Sekunden später.

„Nichts!“, gab er Auskunft.

„Bei mir auch nicht.“

„Auch nichts ungewöhnliches.“

„Keine Gefahr! Die Menschen halten sich penibel genau an unsere Grundstücksgrenze“, war Jaspers Analyse.

Erleichterung legte sich über uns.

„Dann fangen wir mal an. Immerhin wollen wir vor Sonnenaufgang fertig sein.“ Carlisle blickte zu Alice.

„Ja, besser wäre es.“

Er nickte ihr nur kurz zu und wieder war er es, der sprach und die Arbeiten verteilte.

Ich sah vieles in ihm: Freund, Vertrauter und natürlich auch Familie. Aber als Vater, so wie es die anderen taten, konnte ich ihn noch nicht in meine Gedankenwelt einfließen lassen. Vielleicht lag es ja zum Teil daran, dass mein eigener immer noch wohlauf war. Obgleich… ja eine Ewigkeit vor mir lag.

Nachdem alle wussten, was es zu tun galt, glitten Edward und ich an der Häuserfassade entlang und entfernten die Bretter von sämtlichen Fenstern. Alice parkte die Autos an der hinteren Seite und die restliche Familie wuselte im Haus herum.

Ich konnte hören, wie riesige Laken von Möbeln gezogen und Fenster und Türen geöffnet wurden, Renesmees anhaltendes Niesen über den vielen Staub, ihr Lachen verbunden mit dieser Reaktion ihres Körpers und wie jemand den Wasserhahn in einem der Badezimmer aufdrehte… eindeutig Jacob.

Als Edward und ich das Haus nach einigen Außenarbeiten betraten, umrahmte mich als erstes die abgestandene Luft. Es roch nach etwas, das mein Gedächtnis nicht zuordnen konnte, jedoch fand ich augenblicklich Namen dafür: “Alt“ und “Verlassen“.

Die Wände drückten auf mein Gemüt. Die befreiende Offenheit fehlte im Gegensatz zu dem Haus in Forks. Nun umgaben mich dicke, schützende Wände, anstatt gläserner Freiheit. Neben der Eingangstür stapelten sich die Laken, welche jahrzehntelang den Staub von den Möbeln abgehalten hatten.

Ich wand mich zu Esme. Das Geräusch, durch ihre Hand ausgelöst, hatte mich von der tristen Erkennung abgelenkt. Sie kritzelte fleißig ein weißes Blatt Papier voll. Ein kurzer Blick hinauf ließ mich Dinge wie Strom, Kabelfernsehen, Glühbirnen, Nahrung und noch ein dutzend anderer Sachen erkennen. Und plötzlich… durchzog ein Schrei die dicke Luft.

Alle blickten zur großen, hölzernen Treppe, bis Edward nur eine Sekunde darauf Entwarnung gab. Carlisle schaute sich erneut um, lächelte und warf Alice und Jasper Anweisungen zu. Esme kritzelte wieder fleißig auf ihrem Blatt herum. Edward und ich bestiegen die Treppe. Lautes Ächzen fraß sich unter meine Füße. Ich hatte nicht wirklich Angst, dass die Treppe unter mir brach, dennoch blieb ich stehen und blickte den Mann an meiner Seite an.

„Die Treppe instand setzen“, grinste Edward in Esmes Richtung, die nun auch diesen Punkt ihrer Liste hinzufügte.

Als wir in dem Zimmer ankamen, aus dem der Schrei gedrungen war, fanden wir ein hüpfendes Mädchen auf einem riesigen, weißen Himmelbett vor. Jacob lehnte gespielt desinteressiert an der Wand. Ihre Füße hielten auch nicht inne, als sie uns erblickte und die wohl schon denkbare Frage stellte:

„Kann das mein Zimmer sein?“

„Natürlich, Rose hat bestimmt nichts dagegen“, gab Edward ihrem Willen auch sofort nach. In diesem Punkt war er nicht viel anders als Jacob oder der Rest der Familie. Ich hingegen versuchte wenigstens ab und zu einmal, „Nein“ zu sagen.

Sie hüpfte höher, stieß sich ab und landete in Edwards Armen. Liebevoll drückte er sie an sich und streichelte ihr durchs Haar. Sie wand sich, küsste ihn schnell auf die Lippen und fand den Boden unter ihren Füßen wieder.

„Komm“, stürmte sie auf Jacob zu und griff nach seiner Hand. „Jetzt suchen wir dein Zimmer aus.“ Sie schleifte ihn zur Tür hinaus.

Ich drehte mich um mich selbst, um mir das zukünftige Zimmer meiner Tochter einzuprägen. Jeglicher Staub war im Obergeschoss bereits beseitigt worden. Eine Tätigkeit für welche man als Mensch garantiert zwei Tage gebraucht hätte, Esme und Alice es aber in einer halben Stunde schafften. Die Wände waren von einem sanften Gelb. Die restlichen Möbel passten sich dem hellen Ton des Bettes an, freundliche Bilder, meist von Frauen und Kindern, zierten die Wände. Eine weitere Tür führte in ein Bad, das von genauso schlichter Schönheit glänzte.

„Wo ist dein altes Zimmer?“, wand ich mich an meinen Mann.

Er griff sanft nach meiner Hand und führte mich hinaus. Wir schritten in den langen Korridor, im Nebenzimmer war Jacobs Abneigung gegen die Farbe des Teppichbodens zu vernehmen.

„Sollten wir nicht lieber in ihrer Nähe bleiben?“

Ich wusste sofort, dass er nicht den momentanen Augenblick damit meinte. Ich lächelte sanft.

„Ich denke, ein gewisser Abstand wäre gar nicht mal so schlecht.“

Fragend blickte er mich an.

„Na ja“, mein Lächeln wurde breiter. „Immerhin geben wir den jungen Männern wenigstens so eine minimale Chance, vor dir zu entkommen.“

Sofort blieb er stehen.

„Komm schon“, versuchte ich ihn weiter zu ziehen, aber ohne Erfolg. „Ob es nun Jacob ist oder irgendwer anders, irgendwann können wir es nicht mehr verhindern. Und ein paar Zimmer mehr, die uns von dem Geschehen trennen, sind da wohl gar nicht so verkehrt.“

Der Gedanke an sich gefiel mir ebenso wenig wie ihm, doch ich sah das ganze realistischer. Was ich auch gerade nicht wollte, so wollte ich erst recht nicht, dass meine Tochter ebenfalls 90 Jahre warten sollte, bis sie sich in jemanden verlieben würde. Eine grausame Vorstellung.

„Können wir denn gar nichts tun?“

Ich hätte seine Frage mit einem Lächeln beantwortet, wenn sein Blick nicht so ernst gewesen wäre. Mir blieb nichts anderes über, als leicht den Kopf zu schüttelt und ihn zaghaft den Korridor entlang zu ziehen.

Als er an einer weiter hinten liegenden, geöffneten Tür stehen blieb, war sein Blick unergründbar. Ich spähte in den Raum. Leere Regale, dunkle Farben und natürlich kein Bett. Die Wände wurden regelrecht vom Nichts geziert. Es erinnerte mich an eines dieser billigen Hotelzimmer, nur die Sache mit dem Bett wäre irritierend gewesen.

„Es war damals eine schwere Zeit für mich“, versuchte er den Zustand des Raumes zu erklären.

„Wieso?“, wollte ich zuerst fragen, doch ich entschied, dass dieses Thema besser zu einem späteren Zeitpunkt passen würde.

Ich trat in das leicht erhellte Zimmer. Die Sonne schien gerade über den Wipfel der Bäume hervorzubrechen, ein gleißendes Licht durchfloss den Raum. Mitten in ihrem Strahl blieb ich stehen und tauchte das Zimmer in schimmernde Farben. Schnell hatte es all das Schreckliche verloren, was ich darin gesehen hatte. Frieden und eine unbekannte Wärme durchzog meinen Körper.

„Ich finde es wunderschön“, entgegnete ich ihm und drehte mich leicht im Kreis.

Edward trat zu mir in die Sonne, seine Haut ließ ein neues Spektrum um uns entstehen.

Du bist wunderschön“, zog er mich an sich.

Seine schimmernde Haut legte sich an meine, voller Begierde trafen mich seine Lippen und hielten mich gefangen.

Wir waren zu Hause.
 

Kapitel 03 - Das neue Haus - Ende

Neue Identität

Autor: littleblaze

E-Mail: little_blaze_2000@yahoo.de
 

Disclaimer: Alle Rechte an den Bis(s)-Charakteren gehen auf das Konto von Stephenie Meyer und ich selber verdiene keinen einzigen Cent mit meiner Story.
 

Neue Charaktere, die Storyline, selbsterstellte sowie editierte Bilder und sämtliche, für die Story erstellten Extras gehören mir und dürfen nicht ohne meine vorherige Zusage auf anderen Seiten, Portalen oder Foren gepostet werden.
 

Kapitel 04 - Neue Identität
 

Wir dachten nicht nach und gaben uns einfach dem Verlangen hin.

Sein Hemd lag schon eine halbe Ewigkeit auf dem verstaubten Boden, meine Bluse sollte in den nächsten Sekunden folgen. Seine Hände glitten an mir hinab, wieder hinauf und unter meine Kleidung. Meine umfingen seine Brust und drückten sich in sein Haar.

Wir flogen durch den Raum, wenigstens kam es mir so vor, da ich keinen Boden unter den Füßen spürte. Erregt presste er mich gegen die Wand, und meine eigene Lust auf ihn ließ mich die Befürchtung vergessen, dass diese unter uns nachgeben könnte.

Er drehte mich um, sein Körper drängte sich von hinten gegen meinen und seine Lippen zogen harte Kreise in meinem Nacken. Ich konnte die Anordnung seiner Zähne auf meiner Haut spüren, den leichten Druck, als würde er jeden Moment kraftvoll ins Fleisch vordringen. Dass mich dieser Gedanken immer noch so erregte, wusste er nur zu genau.

Mein Körper schleuderte herum und wir verschmolzen unsere Lippen miteinander. Meine Beine lagen um seine Hüften, mein Körper presste sich so stark gegen ihn, dass ein Mensch dies nicht überlebt hätte.

„WAS IST DENN DAS?“

Blitzschnell standen meine Füße wieder fest, augenblicklich hatte ich mich von dem begehrenswerten Mund gelöst. Mein Augenmerk richtete sich zur Tür. Alice stand im Türrahmen und fraß den Raum praktisch mit den Augen auf.

Unsere Sinne waren so voneinander gefesselt gewesen, dass wir nicht einmal mitbekommen hatten, wie jemand näher gekommen war. Vor Scham drückte ich mein Gesicht an Edwards Brust, dass ich nicht mehr rot werden würde, fiel mir erst einen Moment später wieder ein. Zu peinlich war die Situation, und noch peinlicher empfand ich sie, als ich mir wieder vor Augen hielt, dass es eine nackte Brust war, an die ich mich drückte.

Ich ließ Abstand zwischen uns entstehen.

Edward hob sein Hemd auf und zog es an. Ein feines Lächeln hatte sich auf sein Gesicht gestohlen, ehe er sich zu mir beugte und mich küsste. Alice durchschritt derweilen das Zimmer, streifte mit den Fingern über Regale und blickte uns anschließend angewidert an.

„Edward, das kann doch wohl nicht dein Ernst sein? Dieses…“ Sie fuchtelte mit ihren Armen in der Luft herum, um das richtige Wort zu finden. „…. Ding hat ja mal null Charme. Hier ist nicht einmal genügend Platz für einen ordentlichen Kleiderschrank und….“ Sie drehte sich graziös im Kreis. „… ein eigenes Badezimmer scheint es auch nicht zu haben.“

Ihr Blick blieb schockiert, zu schön sah ihr kleines Gesicht somit aus. Und ich überwand die Scham und ging schnell auf sie zu, nahm ihre Hände in meine. Mein zufriedenes Lächeln ließ sie anscheinend kurz überlegen, ob es wirklich bedeutete, dass ich ihr zustimmte. Fühlte sie sich als meine Retterin in der Not oder ahnte sie schon, was ich ihr jetzt sagen wollte?

„Mir gefällt es“, gestand ich.

„Aber Bella, das ist doch….“ Ihr Blick analysierte mich, kam anscheinend zu der Feststellung, dass es mein voller Ernst war. „…dann… dann lass uns wenigstens die Wände streichen. Ein schöner, heller Ton. Einen weichen, edlen Teppich“, fing sie an zu sinnieren und sah die Veränderungen schon in ihrem Kopf Gestalt annehmen. Doch sie stoppte abrupt wieder. Ob es daran lag, dass ihre Augen für eine Sekunde geschlossen waren oder weil mein Blick sie überzeugt hatte?

„Du willst das hier wirklich?“

„Ja“, drückte ich ihre Hände kurz, um meinen Wunsch zu verstärken.

„Warum?“, fragte sie verständnislos nach, und ich brauchte keine Zeit zum Überlegen.

„Es ist Edward. Es ist seine Vergangenheit. Ich möchte nicht alles mit einem Eimer Farbe hinfort streichen, denn ich bin froh… nein, überglücklich, wenn ich Teile davon erhalten kann.“

Es gab so vieles, was ich noch nicht über ihn wusste, Dinge, die er mir wahrscheinlich auch niemals erzählen würde, wenigstens nicht freiwillig, und ich wollte doch so gerne alles über ihn erfahren.

Ich hatte das Bedürfnis mich umzudrehen, zu sehen, wie er auf meine Aussage reagierte, welcher Ausdruck auf seinem Gesicht lag. Doch viel wichtiger war es mir gerade, Alice zu überzeugen. Ich wollte nicht eines Tages nach Hause kommen und sie hätte all das hier mit neuer Tapete und Teppichboden zerstört.

„Kommt bitte alle in die Küche“, vernahmen wir den gedämpften Ruf zur selben Zeit.

„Ok, aber wenn du deine Meinung än-“

„Ja“, unterbrach ich sie. „Dann wirst du die Erste sein, die es erfährt.“

Ich tippte ihr leicht auf die Nase.

„Wenn ich es nicht eh schon vorher weiß“, zwinkerte sie verschwörerisch in den Raum, blickte ihn noch einmal an, als wäre es nur eine Frage der Zeit, bis sie ihn in die Mangel nehmen würde. Mit einer weiteren Drehung ging sie in Richtung Tür davon.

Edward und ich folgten ihr. Er nahm meine Hand und legte sie sanft an seine Lippen. Ich sehnte mich gerade so sehr nach seiner Nähe.

Auf dem Korridor trafen wir auf Renesmee und Jacob, zusammen gingen wir hinunter. Am unteren Teil der Treppe bog ich kurz nach links und blickte in das riesige Wohnzimmer hinein. Auch hier hatte die Sonne bereits von der Einsamkeit Besitz ergriffen. Der Geruch von Tannen durchströmte den Raum, das erwachende Zwitschern der Vögel durchzog die Luft.

Die schweren, alten Möbel wirkten nun wie eine vergessene Pracht, wie Stücke in einem Museum, nach denen man so gerne die Hand ausstrecken wollte, aber es eigentlich nicht durfte. Die Erinnerung an mein Hochzeitskleid durchzog meinen Kopf und Bilder, wie die Welt vor 70 oder 80 Jahren ausgesehen haben mochte.

Alt! Für mich noch ein zu neuer Begriff.

Alt, so wie diese Möbel, so weit weg wie diese Zeit, so alt wie es auch der Mann war, den ich liebte.

Ewiges Leben! Was hatte Edward alles gesehen, was ich nur aus Filmen kannte? Was hatten Tanya und ihre Schwestern mit ihren 1000 Jahren gesehen, oder Aro mit seinen unglaublichen 3000 Jahren? Welche Erfindungen hatten sie miterlebt, welchen Ereignissen beigewohnt? Und… was würde ich alles erleben?

Würde ich tatsächlich hunderte, tausende von Jahren leben? Dabei sein, wenn die Menschheit den Weltraum bereist? Erfindungen, die es nur in Science-Fiction-Abenteuern gibt, plötzlich Wirklichkeit werden… unheilbaren Krankheiten geheilt werden… der Planet von der bedrohlichen Erderwärmung langsam dahinrafft und schließlich alles zu Grunde geht… Werde ich dabei sein?

Jedoch ließ mich die Hand, welche sanft Druck auf mich ausübte, schnell in eine andere Richtung denken. Wie oft hatte man versucht, mich in den letzten sieben Jahren umzubringen? Wie oft war ich nur um haaresbreite gerettet worden? Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen. Nein, ich würde garantiert nicht miterleben, wie die Welt unterging.

„Es ist anders, ich weiß.“

Edward deutete meine Gedankengänge falsch. Doch ich beließ ihn bei seiner Ahnung.

„Du kannst mir glauben, ich finde es überwältigend, im positiven Sinne“, drückte ich ihm einen Kuss auf die Wange.

Seine Mundwinkel richteten sich nur zaghaft nach oben.

„Wirklich“, beteuerte ich und ich ging vom Wohnzimmer weg, folgte dem Geruch der anderen bis in eine riesige, hell erleuchtete Küche.

Hier hatte man anscheinend nur auf unser Eintreffen gewartet. Alle saßen um einen großen Tisch herum, der mit Unmengen von Papieren belagert war.

Jasper stand auf und bot mir seinen Stuhl neben Alice an. Er und Edward blieben an der Wand gelehnt stehen und kurz fragte ich mich, ob Esme größeren Tisch oder Stühle auf ihren Zettel gekritzelt hatte.

Carlisle erhob sich und blickte uns einen nach dem anderen an. Ich war mir nicht sicher, aber ich glaubte, Rührung in seinem Blick zu erkennen.

„Ok“, räusperte er sich und zog den größten Stapel Papier zu sich heran.

Er kam auf Rosalie und Emmett zu sprechen, deren Stand sich zu dem unseren ein wenig ändern würde, wenigstens in der Zeit, in der wir hier lebten. Emmett würde als Esmes Neffe bekannt werden, der auf dem College seine Freundin Rosalie geheiratet hat und diese somit mit in die Familie brachte. Beide würden den Namen Hale tragen.

„Streicht also aus euren Köpfen, dass ihr sie als Geschwister ausgebt, die zurzeit auf dem College sind… Jasper.“

Carlisle hob das oberste Dossier, welches aus mehreren zusammengehefteten Dokumentenkopien zu bestehen schien, vom Stapel ab und reichte es Jasper über den Tisch. Er streckte sich zwischen Alice und mir danach, weshalb ich einen flüchtigen Blick auf das oberste Blatt werfen konnte: Jasper Cullen, geb. Dearing.

In meinem Kopf ratterte es. Ich konnte mich zwar nicht mehr genau erinnern, aber es war bestimmt nicht der Name, den ich mit seinem früheren Leben in Verbindung brachte.

Als nächstes war Alice an der Reihe, auf ihrer Ausgabe stach die Angabe Alice Mary Cullen, geb. Grant hervor.

„Yippie, endlich wieder 17!“, sprudelte es begeistert aus ihr heraus. Ich wand meinen Blick von dem Papier zwischen ihren Händen ab und schaute Carlisle erwartungsvoll an. Doch natürlich war Edward vor mir an der Reihe. Er legte beruhigend eine Hand auf meine Schulter, als er sich ebenfalls über den Tisch streckte und von Carlisle seine neue Identität entgegen nahm: Edward Anthony Cullen, geb. Craven.

Ich hielt ihn in der Bewegung auf, um einen längeren Blick hinauf werfen zu können. Nirgends eine Erwähnung von Frau und Kind. Keine Erwähnung des Ortes Forks, nichts, was von einer gemeinsamen Vergangenheit zeugte. Ein wenig aufgewühlt ließ ich wieder von ihm ab, doch seine Hand verschwand nicht. Beruhigend ließ er sie über meinen Nacken gleiten.

Als Carlisle sich daraufhin mir zu wand, hätte ich am liebsten meine Finger an den beigefarbenen Stuhl getackert, doch mehr als ein paar Minuten hätte ich es eh nicht aufhalten können, weshalb ich meine Hand ausstreckte und das Zittern versuchte zu unterdrücken. Gebannt starrte ich auf die erste Angabe: Isabella Marie Cullen, geb. Linney.

Ich überflog das erste der Dokumente. Alter, Geburtsort, früherer Wohnort, Eltern… Nichts war wie es eigentlich sein sollte. Keine Erwähnung von einer Hochzeit, keine Geburt einer Tochter.

Ich blätterte weiter.

Eine gefälschte Geburtsurkunde, Adoptionspapiere, der Antrag auf Annahme des Namens der Adoptiveltern, eine Todesurkunde meiner Eltern, die ich nie zuvor gesehen hatte, und kurze Zusammenfassungen von jedem anderen Mitglied der Familie.

Nun war es also offiziell, nun war ich nicht mehr Isabella Marie Swan, die Tochter von Charlie und Renée, die in ihrer Kindheit jedes Jahr in ein verregnetes Kaff namens Forks kam, um ihren Vater zu besuchen; Nicht mehr das Mädchen mit der tollpatschigen Vergangenheit und dem bleichen, geheimnisvollen Freund an ihrer Seite.

Die Erwähnung von Jacobs Namen ließ mich zusammen zucken.

Ich wollte mich gerade zu ihm herüber beugen, auf sein Blatt schielen, als mir einfiel, dass eines in meinen Händen ja ebenfalls seinen Namen trug. Schnell blätterte ich bis zur richtigen Stelle: Jacob Billy Cullen, geb. Terrell.

Neugierig und irgendwie belustigt schaute ich wieder zu ihm. Ich hatte natürlich mit Protest auf den neuen Namen gerechnet, doch ich vernahm nur ein leichtes Schnaufen. Wahrscheinlich hatte er schon vorher gewusst, was auf ihn zukommen würde. Irgendwie hatte er ja sowieso so einiges vor mir erfahren, was mich im Nachhinein doch ziemlich nervte. Ich blickte wieder auf mein eigenes Dossier, musste mich ablenken, um nicht weiter drüber nachzudenken.

„Warum können wir eigentlich nicht unsere richtigen Namen als Geburtsnamen behalten?“, verließ es meine Lippen. Ich verstand einfach nicht, warum es ein anderer sein sollte als der, den ich bis jetzt mein ganzes Leben getragen hatte.

„Früher wäre das kein Problem gewesen.“ Carlisle hatte offensichtlich mit dieser Frage gerechnet. „Aber in der heutigen Zeit, wo alles über Computer und Internet läuft, können wir einfach nicht riskieren, dass eure Identitäten irgendwo im Netz gespeichert sind und wir nun mit ähnlichen antanzen.“ Er fügte eine kurze Pause ein. „Wahrscheinlich müssen wir uns demnächst sogar einmal von dem Namen Cullen trennen.“

Ein unnatürliches Geräusch durchfloss den Raum. Sogar ich, obwohl der Namen noch nicht besonders lange zu mir gehörte, sträubte mich dagegen, ihn abzulegen. Als würde Cullen das auszeichnen, was ich war. Jedoch fuhr Carlisle fort, ohne auf den allgemeinen Protest zu achten.

„Unser Hintergrund weicht dieses Mal nur ein klein wenig ab. Wie ihr aus euren Lebensläufen erkennen könnt, stammt ihr alle aus einem Heim für Jugendliche in Washington, DC. Dort ist vor knapp einen Monat ein riesiger Gebäudekomplex abgebrannt, der eine solche Organisation trug, die, natürlich nur in unserer Version, ein Onkel von mir leitete. Ich bot ihm nach der schrecklichen Tragödie meine Hilfe an, und nahm somit einige der Kinder zu mir.“

Sofort blätterte ich wieder in meinen Unterlagen herum, suchte nach dem Grund, weshalb ich angeblich in diesem Heim gelandet war. Schnell fand ich die richtige Stelle. Meine vermeintlichen Eltern waren bei einem schrecklichen Zugunglück, als ich elf Jahre alt gewesen war, gestorben.

Ob Mr. und Mrs. Linney an diesem Tag wirklich bei einem Zugunglück ums Leben gekommen waren? Innerlich betete ich dafür, dass es nicht so war.

Daraufhin bekamen wir, besser gesagt Jacob und ich, obwohl sich Carlisle an die ganze Gruppe wand, genaue Anweisungen, was wir erzählen und wo wir lieber auf stumm schalten sollten. Kleine Regeln zum besseren Verbergen unserer wahren Identitäten und raffinierte Tricks, um besonders nervige Menschen abzulenken. Gedanklich flog ich zu den Anfängen, zu den Tagen, als ich nach Forks gezogen war. Was ich alles über die Cullens gehört hatte, was Edward mir in der ersten Zeit erzählt hatte und wie seine Taten auf mich wirkten. Er hatte eindeutig versagt, was den Punkt Verschwiegenheit und Täuschung anging.

„Und was ist mit mir?“, brachte es Carlisle zum schweigen.

Er wollte schon antworten, stockte aber und schaute Edward, der immer noch hinter mir stand, an. Jacobs Gesicht ging zu Boden, und am liebsten hätte ich es ihm gleich getan, doch der Blick meiner Tochter verlangte meine Aufmerksamkeit.

„Es ist noch zu früh“, antwortete Jasper ohne Zögern und ohne irgendwelche Anspannung in der Stimme. Für ihn war im Moment nur eines wichtig: die Familie vor Gefahr zu schützen.

„Nur noch zwei Jahre“, fügte Carlisle hinzu, doch der Zorn war schon deutlich auf ihren Wangen erkennbar. „Vielleicht auch nur noch 1 ½, wir werden sehen.“

Ich holte Luft, um etwas zu sagen, selbst wenn ich genau wusste, dass es nichts war, was sie zufrieden stimmen würde, jedoch hatte mein Blick anscheinend schon verraten, dass dieses Thema keinen Diskussionsspielraum offen ließ. Sie riss sich regelrecht vom Tisch los, dessen Kante sie zuvor umklammert gehalten hatte.

Unsere Blicke folgten ihr aus dem Zimmer hinaus.

Aber nicht nur mein Blick verspürte dieses Verlangen, auch gab ich meinem Körper sofort den Befehl, sich zu erheben. Anscheinend war der meine nicht der einzige. Ich stoppte Jacob an der Tür, versperrte ihm den Weg.

„Ich geh schon“, teilte ich ihm mit und gab meine steife Haltung erst auf, als er begriff, dass es hier kein anderes Vorgehen geben sollte.

Er gab nur widerwillig nach. Verstand er denn nicht, dass es Dinge im Leben eines Kindes gab, wo es mehr seine Mutter als einen Freund brauchte?

Ich blickte kurz zu Edward, bevor ich die Küche verließ. Sein Blick war fragend und ich verneinte mit einer leichten Kopfbewegung. Alleine ging ich hinauf, unten fing Jacob das Diskutieren mit den anderen an.

Ihr neues Zimmer ließ ich hinter mir, es wäre nur Zeitverschwendung gewesen, hinein zu blicken. Wissend ging ich auf das Fenster am Ende des Korridors zu. Es war so typisch, wo mich ihr angenehmer Geruch hinführte.

Sie hatte schon ziemlich schnell ihre Liebe zu dem weiten Himmel über sich entdeckt, wahrscheinlich gab er ihr ein wenig Freiheit zurück in ihre eingeengte Welt. An fast jedem jagdfreien Abend hatte sie sich aufs Dach zurückgezogen und die Sterne stundenlang beobachtet.

Ich stieg ebenfalls hinaus und an der Häuserwand hoch. Schmollend fand ich sie auf dem Dach. Ihr Gesicht hielt sie in ihren Armen verborgen, welche auf den Knien gebettet waren. Ich ließ mich neben sie sinken.

„Es ist unfair“, fing sie auch sofort an.

„Du weißt, dass es das nicht ist.“

Ich legte meinen Arm um ihre Schulter und zog das schmollende Kind an mich heran. Wir hatten schon mehrere Male über diesen Punkt diskutiert, ihn mit der Familie erörtert und immer wieder beschlossen, dass es keinen anderen Weg gab, um uns zu schützen. Natürlich tat es mir im Herzen weh, meinem Kind die Freiheit zu nehmen, die es sich so sehr wünschte, doch es zu ändern lag nicht in meiner Macht.

Meinen Blick ließ ich über das rostbraune Dach schweifen, über die Wiese und über die Wipfel der Bäume. Die Sonne schien auf uns herab. Meine Haut schimmerte an Händen und Gesicht. Die meines Kindes hatte sich in den letzten Jahren normalisiert. Die zuvor durchscheinende Oberfläche war mit den Jahren alltäglicher geworden. Nicht, dass sie nicht mehr schön war, denn das war sie zweifellos, doch konnte sie ohne Probleme mit ihrer hellen, alabasterfarbenen Haut in die Sonne treten.

„Ich möchte auch sehen, was hinter den Bäumen ist.“

Sie drückte ihr Gesicht gegen meine Brust. Ihre angenehme Wärme durchströmte meinen kalten Körper.

„Das wirst du“, versicherte ich ihr.

„Ja, in zwei Jahren.“

Sie wand sich aus meiner Umarmung.

„Es ist nun mal wichtig. Oder möchtest du in ein paar Monaten schon wieder umziehen?“

„Nein, mir gefällt es hier“, kam es für mich unerwartet.

Renesmee hob den Kopf, ihre Finger strichen sanft über die Dachziegel.

„Wirklich?“

Bis jetzt hatte ich noch nicht besonders viel finden können, was mich zum bleiben angeregt hätte.

„Momma?“

„Ja?“

„Ich bin kein kleines Kind mehr.“ Sie schaute mich an. Ihre brauen Augen glitzerten mit der Sonne um die Wette.

„Ich… weiß“, gab ich nur ungern zu.

„Nein, wirklich… ich bin es nicht mehr, ein Kind meine ich. Ich hüpf zwar gerne mal auf Betten herum, aber… ich… ich habe auch andere Wünsche.“ Sie stockte kurz, biss sich nervös auf die Lippen. „Ich will auch frei sein. Ich will richtig leben und all die Dinge sehen, die ich nur aus dem Fernsehen oder aus Büchern kenne. Ich möchte Freunde haben, mich mit ihnen verabreden, in die Schule dürfen und… mich verlieben können.“

Bei der letzten Aussage vergaß ich glatt das Atmen, was allerdings nicht zu einem größeren Problem werden würde. Ihre Wangen waren von einem zarten Rot gedeckt, ihr Herzschlag hatte einen Zahn zugelegt. Ihre Aussage war nicht einfach so dahin gesagt, sie wollte es wirklich… das, was sie andauernd im Fernsehen sah, in unzähligen von Serien, ja sogar in den meisten Kinderfilmen, und was sie in hunderten von Büchern las… Sie wollte sich verlieben.

Ich versuchte den aufkommenden Gedanken an Jacob abzuschütteln, doch klappte das irgendwie so gar nicht. Das Bedürfnis, ihn glücklich zu sehen, für immer an der Seite meiner Tochter. Auf merkwürdige Weise hatte ich sogar das Gefühl, es ihm schuldig zu sein. Aber dürfte ich dafür ihre Wünsche untergraben?

Sie hatte keine wirkliche Ahnung, was sie und Jacob verband. Niemand sprach darüber, niemand hatte sie aufgeklärt. Und auch wenn… es war Jacob, der sich auf sie geprägt hatte, und nicht umgekehrt. Sie hatte einen freien Willen, sie konnte entscheiden, wem sie ihr Herz schenken würde. Jacob war bis jetzt nicht mehr als jedes andere Mitglied der Familie auch, nämlich Familie, wahrscheinlich mehr Freund und Vertrauter als irgendwer sonst, jemand, dem sie alles erzählen konnte, jemand, auf den sie immer bauen konnte. Wenn sie es nicht alleine für sich sah, war es nicht meine Aufgabe, es für sie zu tun. Ich konnte mich nicht dazu durchringen, sie in dieser Form zu beeinflussen, sie in etwas zu zwingen, was sie dann vielleicht nur aus Mitleid oder Verpflichtung ansehen könnte.

Ich konnte es nicht.

Ich versuchte, mich auf etwas anderes zu konzentrierten.

„Aber du lernst doch schon so viel“, wand ich lahm ein.

„Ja, Opa und Oma sind toll, aber das ist nicht dasselbe. Ich möchte mich mit anderen messen, Freundschaften aufbauen, sauer auf meine Lehrer sein… Verstehst du denn gar nicht, was ich meine?“

„Natürlich verstehe ich es.“

Sie verlangte nach Erfahrung und diese konnten auch Carlisle und Esme nicht ausgleichen in den unzähligen Stunden, in denen sie Renesmee ihr Wissen lehrten, ihr Französisch und Latein beibrachten oder ihr die neusten Rechenformeln ans Herz legten. All diese Dinge verschlang sie regelrecht, lernte schneller als ich es je für möglich gehalten hatte, aber… es war nun mal etwas ganz anderes.

„Ich verspreche dir, dass du all das bekommen wirst. Du hast so ein langes Leben vor dir, mein Schatz.“

Ich zog sie erneut an mich und drückte sie ein wenig hinunter an meine Brust. Es fehlte nicht mehr viel und sie wäre genauso groß wie ich selber. Ich berührte sacht ihr Haar.

„Du wirst so viele Erfahrungen machen, dass es für mehrere Leben reicht, dafür werde ich sorgen.“

„Versprochen?“

„Versprochen.“
 

Wieder zum Fenster herein, erwartete uns Jacob ungeduldig im Korridor. Ich schaffte es nicht, ihm in die Augen zu sehen. Wie viel wusste er? Was hatte er vielleicht mit angehört, oder hatte sie auch ihm ihre geheimen Wünsche schon längst mitgeteilt?

Renesmee trennte sich von meiner Hand und nahm sofort von Jacob Besitz. Ich ging mit abgewandtem Kopf vorbei, während Renesmee ihm erzählte, wie schön der Blick vom Dach war und was sie alles gesehen hatte.

In der Küche angekommen, staunte ich erst einmal nicht schlecht über das Loch im Boden, wo zuvor der Tisch gestanden hatte.

Ich folgte dem Geruch der anderen hindurch. Edward drehte sich zu mir um, als ich leichtfüßig auf dem Steinboden aufsetzte.

„Alles in Ordnung?“, fragte er besorgt nach.

„Ja, aber lass uns später noch mal drüber reden.“

Seinen fragenden Blick schob ich beiseite, die neue Umgebung fesselte mich im Moment ein beträchtliches Stück mehr. Der ganze Raum war mit alten Dingen und hunderten von Büchern voll gestopft. Landkarten prangten an den Wänden und jeder Mensch wäre in vollkommene Finsternis gehüllt. Die Wände erinnerten an alte Ritterfilme, dunkle Verließe, in denen die Abtrünnigen zu solchen Zeiten eingesperrt wurden.

Ein weiterer Durchgang im hinteren Teil erweckte mein Interesse. Mit Bedacht, nicht aus Versehen einen der vielen kleinen Holztische umzustoßen, durchquerte ich den Raum, um in den nächsten schauen zu können. Doch es war kein Raum, der sich mir entblößte, sondern ein langer, dunkler Gang. In meiner Erinnerung spiegelte sich mir ein anderer Gang wieder, ein langer, kalter und furchteinflößenden Gang, den ich nicht freiwillig entlang geschritten war, Edward und Alice an meiner Seite.

Ich wich einen Schritt zurück, Hände an den Schultern hielten mich auf.

„Du brauchst keine Angst zu haben“, flüsterte Jasper mir zu. „Es ist nur ein Fluchtweg, mehr nicht. Sechzig Meter in den Wald hinein.“

„Ja, ich weiß.“

Ich konnte die Tannen am Ende des Tunnels riechen. Trotzdem fühlte ich mich nicht wohl bei dem Gedanken, diesen Weg irgendwann einmal durchschreiten zu müssen. Doch viel zu schnell und unnatürlich verflüchtigte sich diese Befürchtung.

Ich drehte mich um, die fürsorglichen Hände auf meinen Schultern verschwanden. Scharf kritisierend schaute ich in das Gesicht, welches von honigblonden Strähnen umsäumt war. Andere hätten jetzt vielleicht gelächelt, dadurch verborgen, was sie zu meiner Missbilligung getan hatten, aber nicht Jasper. Sein Blick war, wie auch sonst immer, ziemlich direkt und versuchte noch weiteres in mir zu finden, was er für kurze Zeit auslöschen könnte.

„Spar dir das für Wichtigeres auf“, trat ich an ihm vorbei und fragte mich wieder einmal, ob er das aus eigenen Stücken tat, weil Alice mich lieber glücklich sah oder weil Edward ihn vielleicht darum gebeten hatte. Wenigstens blieb mir die klaffende Angst vor dem dunklen Tunnel in meinen Träumen erspart.

Ich trat an Edwards Seite, der, voll mit Büchern bepackt, den Sprung nach oben abschätzte. Vor ihm sprang ich hinauf. Esme blickte kurz auf, ich schaute mich suchend um.

„Renesmee und Jacob schlafen“, lächelte sie mir entgegen und nahm Edward, der nun ebenfalls im Raum stand, die Bücher ab.

Er berührte mich kurz am Arm, bevor er wieder hinab sank.

Kurz horchte ich hinauf, um mich selber davon zu überzeugen, dass es beiden gut ging. Jacobs Schnarchen war allerdings auch ohne Vampirgehör gut zu vernehmen.

Ich verließ das Zimmer, zog mein Handy aus der Hosentasche und wählte die Kurzwahltaste, die ich Charlie zugesprochen hatte. Ich ließ mich neben einem dicken Vorhang im Wohnzimmer, oder sollte ich besser Salon sagen, sinken und erwartete ungeduldig die Stimme, die jeden Moment erklingen würde.
 

Kapitel 04 - Neue Identität - Ende

Wir sind die Cullens

Autor: littleblaze

E-Mail: little_blaze_2000@yahoo.de
 

Disclaimer: Alle Rechte an den Bis(s)-Charakteren gehen auf das Konto von Stephenie Meyer und ich selber verdiene keinen einzigen Cent mit meiner Story.
 

Neue Charaktere, die Storyline, selbsterstellte sowie editierte Bilder und sämtliche, für die Story erstellten Extras gehören mir und dürfen nicht ohne meine vorherige Zusage auf anderen Seiten, Portalen oder Foren gepostet werden.
 

Kapitel 05 - Wir sind die Cullens
 

Das Gespräch mit Charlie hatte mir besser getan als geglaubt, und ich telefonierte lange mit ihm.

Als ich mich danach endlich aufraffte und das Wohnzimmer verließ, räumten die anderen schon in atemberaubender Geschwindigkeit den Umzugswagen aus.

Ich blieb einen Moment ruhig am Türrahmen stehen, bis ich mir Edward aus dem Gewusel herauszog und ihn fragte, wo ich mich nützlich machen konnte.

„Wir sind schon so gut wie fertig.“ Er lächelte mich zaghaft an. Wahrscheinlich wollte er herausfinden, wie meine Verfassung gerade war. „Wenn du magst, kannst du dich schon mal umziehen, wir wollen gleich los.“

„Los?“

Hatte ich wieder einmal etwas nicht mitbekommen?

„Unsere neue Heimat soll uns doch schließlich kennenlernen.“ Er grinste verwegen, so als wartete hinter der nächste Ecke fette Beute auf uns. Manchmal kam der Jäger zu deutlich in seiner Natur hervor, ich liebte diesen hervorstechenden Blick, den er dabei aufsetzte. „Und mach dir keine Sorgen wegen Renesmee, Esme bleibt bei ihr.“

„Und warum soll ich mich dafür umziehen?“

Ehe ich die Frage komplett ausgesprochen hatte, stand Alice schon neben mir und inspiziere meine Garderobe.

„Ja, das muss alles runter“, blickte sie verschwörerisch.

Ich ließ selber einen kurzen Blick über mich schweifen, und konnte beim besten Willen nicht feststellen, was sie gegen meine jetzige Auswahl auszusetzen hatte, immerhin waren doch alle Dinge in meinem Kleiderschrank auf ihrem Mist gewachsen. Wie lange war es her, dass ich mir selber etwas gekauft hatte, ohne ihre Zustimmung einzuholen?

Doch ehe ich die Antwort darauf finden konnte, stiegen wir schon leichtfüßig die Treppe hinauf. Sie zog mich in Edwards altes Zimmer, das ja nun auch meines war. Zu meiner Verwunderung schienen all meine Sachen schon hier zu sein, Unmengen von Kisten und Kartons versperrten den Weg. Sie schüttelte genervt den Kopf.

„Hast du sie beschriftet?“

„Nein.“

Es standen zwar Namen auf den Kartons, aber ihren Inhalt hatte ich nicht notiert. Wieder ein Punkt, den ich mir für den nächsten Umzug merken sollte. Aber auch so fanden wir jene mit den Kleidungsstücken ziemlich schnell heraus. Ihr Duft war unverkennbar.

„Wonach suchst du denn?“

Alice riss bereits den siebten Karton auf, ohne gefunden zu haben, was sie verlangte. Ihre Lippen setzten gerade zu einer Antwort an, als sie durch ein Lächeln ersetzt wurde. Sie zerrte einmal kraftvoll und brachte einen ganzen Stoß weißer Wäsche zum Vorschein.

„Warum denn ausgerechnet diese Sachen?“

Weiß war nicht gerade meine Lieblingsfarbe in Punkto Kleidung; ich konnte mich nicht einmal erinnern, ob ich überhaupt eines der Stücke jemals getragen hatte.

„Nicht auffallen ist die Devise.“

Sie hielt mir ein Teil nach dem anderen an den Körper.

„Und wie sollen mir gerade diese Sachen dabei helfen?“

Ehrlich gesagt verstand ich gerade null. Sie blickte mir ins Gesicht.

„Halt das!“

Sie drückte mir einige Stücke in die Arme und stürmte aus dem Zimmer hinaus, ohne meine Frage beantwortet zu haben. Ich tippelte nervös mit dem Fuß auf… ganze fünf Mal, dann war sie wieder zurück, bewaffnet mit ihrem Schminkkoffer. Ich seufzte hörbar auf.

„Wir werden so schon das Stadtgespräch sein…“ Sie befreite mich von den losen Stücken in meinen Armen und schälte mich aus meiner getragenen Kleidung heraus. „… da versuchen wir, in der ersten Zeit so wenig wie möglich aufzufallen. Also ein wenig Makeup und weiße Kleidung, um unseren unwiderstehlichen Teint zu verbergen.“ Sie grinste. „Außerdem ist weiß ziemlich, wie soll ich sagen… harmlos?“

„Aber sieht es denn nicht irgendwie total bescheuert aus, wenn wir alle in weißen Klamotten durch die Stadt trudeln? Nachher denken sie noch, wir gehören irgendeiner Sekte an.“

Mittlerweile war ich geschminkt und weiß eingekleidet. Es stand mir gut, kein Zweifel.

„Tun wir das denn nicht in gewisser Weise? Und stell dir mal die Gedanken der Leute vor, wenn wir alle in schwarz auftreten würden.“ Sie kicherte und ließ nun endlich von mir ab. Sie deutete mir, mich im Kreis herum zu drehen, beäugte noch ein letztes Mal ihr Werk und schien mehr als zufrieden mit sich zu sein.

„Ich werde mich dann auch mal fertig machen.“

Sie blinzelte, griff nach dem Schminkkoffer und verschwand hastig aus meinem Blickfeld.

Ich überlegte gerade, ob ich ihr nach oder doch schon wieder nach unten gehen sollte, als Edward das Zimmer betrat.

„Du siehst gut aus.“

Er hielt die Nase in die Luft und versuchte wohl ebenfalls, seine Kleidung ausfindig zu machen.

„Nur gut?“, fragte ich gespielt beleidigt, als wäre seine Äußerung dermaßen unangebracht gewesen.

„Bezaubernd“, legte sich sein Arm in einer schnellen Bewegung um meine Hüfte und wiegte meinen Körper leicht zur Seite. „Zum Anbeißen.“

„Ja“, stimmte ich ihm zu. „Rot würde sich bestimmt ganz toll auf meinem Outfit machen. Deine Sachen sind übrigens im hinteren Teil, Alice war gründlich.“

Edward richtete uns wieder auf, entfernte sich aber nicht von mir, ohne meine Lippen zuvor in Beschlag zu nehmen. Er wanderte von meinen Lippen zum Hals, drückte mit den Kinn das Oberteil ein wenig zur Seite, um mehr Platz für seine Zärtlichkeiten zu erhalten. Ich stieß ihn hinab und landete weich auf seiner Brust, küsste ihn begierig.

„Alice wird böse sein, wenn dein Makeup verwischt.“

Ich stockte und sah ihn grinsend an.

„Stört uns das?“

„Eigentlich nicht“, grinste er zurück. „Aber sie warten unten auf uns.“

Ich brauchte einen Moment um die aufkeimende Lust zu unterdrücken.

„Dann lass uns das verschieden.“

„Nichts dagegen einzuwenden, Mrs. Cullen.“

Er drehte sich unter mir, stieß sich am Boden ab und ließ uns wieder auf die Beine kommen.

„Ganz hinten, meintest du?“

Ich nickte und Edward huschte herüber zu den Kartons mit seiner Kleidung.

Schnell hatte er seine Wahl getroffen und war nach einer knappen Minute ebenfalls in zutraulichem Weiß gekleidet. Nur das Armband an seinem Handgelenk entblößte sich in abtrünnigem Schwarz.

„Können wir?“

Erneut ließ er kaum Raum zwischen uns.

„Ich komme gleich nach.“

Ich lächelte, damit er nicht schon wieder falsche Schlüsse zog, und er strich sanft über meinen Arm hinweg, bevor er den Raum verließ. Würde diese verrückte, körperliche Anziehungskraft irgendwann nachlassen?

Ich hoffte nicht.

Mein Blick wanderte herum. Fragend… suchend… wo sollte ich bloß anfangen? Was hatte ich noch in den Karton getan? Ich brauchte irgendetwas, was ich heraus riechen könnte, sie alle aufzureißen, würde bestimmt zu lange dauern, oder?

Ohne einen weiteren Gedanken an die Möglichkeit selbst zu verlieren, riss ich den ersten Karton auf. Danach den nächsten und noch einen… Kartons mit weiterer Kleidung schob ich direkt beiseite, beim Fünften hatte ich Glück.

Vorsichtig nahm ich den gesuchten Gegenstand, eine silberne Schmuckschatulle, hinaus und öffnete sie.

Vieles lag hier begraben, denn so ein wirklicher Schmucktyp war ich nie gewesen. Dinge aus meiner Kindheit, Geschenke von Freunden, und Jacobs Armband, welches auf der Jagd einfach nur unpraktisch gewesen war; Zu laut und man blieb damit an Sträuchern hängen. Einzig und allein meinen Ehering hatte ich ohne wichtigen Grund nie wieder vom Finger gestreift.

Ich schob Ohrringe und Armbänder beiseite und pulte einen kleinen, samtigen Beutel hervor. Der blaue Gegenstand lag tonnenschwer in meiner Hand. Ich konnte mich noch gut daran erinnern, als Esme ihn mir mit strahlendem Lächeln überreicht hatte und Carlisle meinte, dass nun wirklich alles perfekt wäre. Doch bis zum heutigen Tag hatte ich es noch nicht geschafft, es perfekt zu machen. Ich hatte lange Zeit immer noch das Gefühl in mir gehabt, es nicht wirklich verdient zu haben, zu ihnen zu gehören, glaubte, dass sie mich nur wegen Edward in der Familie willkommen geheißen hatten und nicht wegen meiner Person selbst.

Natürlich waren diese Zweifeln schon lange nicht mehr vorhanden, aber trotzdem…

Ich zögerte immer noch, aber nur kurz.

Vorsichtig entwand ich die Schnüre, schaffte Raum und griff mit den Fingerspitzen in die Dunkelheit. Ich zog die Ohrringe hinaus, hob sie an und ließ sie im Glanz der Sonne funkeln. Ich drehte sie für mich wie tanzende Ballerinas und sie gaben mir als Belohnung immer wieder das preis, wovor ich so lange zurück gewichen war: Das Cullen-Familienwappen.

Ein unsagbares Gefühl von Stolz überkam mich, als nun endlich alles perfekt war.
 

Wir warteten bis 11.18 Uhr.

Laut Alices Vorhersage würde die Sonne ab 11.12 Uhr für den Rest des Tages unter einer dicken Decke verborgen bleiben. Zuvor durften wir allerdings noch miterleben, wie sich Jacob knurrend dagegen sträubte, die ihm angebotenen Kreditkarten entgegen zu nehmen. Ein riesiges Hin und Her entstand, jedoch schaffte es Esme schließlich, ihn davon zu überzeugen, dass es eine existenzielle Notwendigkeit sein könnte, dass er schnell über reichliche Geldmittel verfügen müsste, dass sogar Renesmees Leben davon einmal abhängen könnte.

Widerwillig nahm er schließlich seine neuen Kreditkarten an und ließ sich grummelnd auf den Beifahrersitz meines Wagens fallen. Ich verabschiedete mich von Edward und den anderen und stieg ebenfalls in den Wagen. „Sich zeigen“ war unser Ziel und das so weiträumig wie möglich, deswegen die Trennung, deswegen die gebildeten Zweierteams.

Natürlich wäre ich lieber mit Edward oder Alice zusammen gegangen, mit jemandem, der mir sagen konnte, ob mein hirnloses Gebrabbel irgendwelchen Schaden anrichten würde. Aber Edward wurde an Carlisles Seite gebraucht, denn dort gab es am meisten einzuschätzen, und Jasper mit Jacob loszuschicken, wäre bei der tollen Stimmung, welche Jacob gerade begleitete und welche sich auf Jasper absetzen würde, nicht gerade vorteilhaft für die Bewohner dieser Stadt gewesen.

Auch als nicht besonders vorteilhaft erachtete ich es, mit einem Ferrari, einem Porsche und einem Mercedes in die Stadt zu fahren. Aber was sollte es groß bringen, die Wagen zu verstecken, und wo sollten wir dies überhaupt tun? Eine Garage war ja nicht einmal vorhanden und sehen würden die Einwohner über kurz oder lang dann doch, womit wir uns fortbewegten, wenn wir uns nicht gerade auf unsere eigene Schnelligkeit verließen. Trotzdem schämte ich mich, als wir hintereinender in die Stadt fuhren, die ersten Blicke auf uns zogen.

Was mochten sie denken? Berühmtheiten oder verwöhnte Gören? Schon jetzt wünschte ich mir Edward an meine Seite. Jacob war im Moment weder großer Gesprächspartner noch eine gute Ablenkung für meine Gedanken, sein Augenmerk richtete sich schon eine Weile aus dem Fenster. Konnte er mir nicht wenigstens mitteilen, was er da draußen so Interessantes sah?

Einige Minuten später wand sich Alice nach links, Carlisle fuhr geradeaus weiter und ich selber bewegte mein Lenkrad rechts herum. Ich fuhr einfach die Straße entlang, ohne ein genaues Ziel zu haben. Eine kleine Brücke ließ ich hinter mir, dann einen Park. Erst als der Geruch von Wasser immer intensiver wurde, hielt ich an. Ich parkte gegenüber einer Kirche: Frederick Street.

„Na dann“, zog ich den Zündschlüssel und stieg aus. Noch nicht richtig Boden unter den Füßen, hatte ich schon bei einer Gruppe Jugendlicher Aufsehen erregt.

„Schickes Auto“, pfiff einer von ihnen anerkennend.

Die meisten waren nicht viel jünger als ich selber für sie zu sein schien. Ich lächelte leicht und ging auf den Bürgersteig. Kurz musste ich an mein Vorher-Auto denken und wie peinlich ich die Situation an der Tankstelle empfunden hatte, als diese zwei Typen wie wild Fotos von meinem Wagen geschossen hatten.

Jacob trat an meine Seite, und was auch immer die begeisterten Jungendlichen noch sagen wollten, blieb ihnen im Halse stecken. Schon beinahe ängstlich schauten sie den großen, furchteinflößenden Typen, der gerade aus dem Auto gestiegen war, an und machten sich daraufhin schnell aus dem Staub. Dass Jacob im Gegensatz zu mir in dunkle Kleidung gehüllt war, hatte seinen ersten Eindruck auf sie bestimmt noch um ein gutes Stück verstärkt. Ich verschloss den Wagen und hakte mich bei ihm unter.

„Also… rechts oder links?“

Ich schaute mich nach etwas Ansprechendem um.

„Mir doch gleich.“

„Ach komm schon… sei nicht so.“

Mit großen Augen blickte ich ihn an, obwohl mir klar war, dass ich mit meinen früheren, braunen Augen wohl mehr Erfolg gehabt hätte. Sein Blick wurde zwar weicher, doch es verließ nur ein genervtes Geräusch seinen Mund. Ich zog ihn nach links, irgendwie fühlte ich mich sicherer, in die Richtung der anderen zu gehen. Was sie wohl gerade sahen?

Auch wenn Jacob versuchte, desinteressiert zu wirken, so blickten seine Augen genauso neugierig wie meine in der Umgebung umher. Wir kamen an vielen Wohnhäusern und dem Park vorbei, den wir zuvor hinter uns gelassen hatten. Die Häuser waren klein, so richtig Vorstadt mäßig. In einigen Straßen reihten sie sich brav eines neben das andere, in anderen lief man einige Minuten, um wieder etwas Bewohntes zu erkennen.

Personen jeder Altersstufe kamen uns auf unserem Weg entgegen. Manchmal lag interessiert ein Blick auf uns, anderen Males ging man einfach ignorierend an uns vorbei. Kinder schauten uns grundsätzlich an, was wohl mit dem ganz natürlichen Interesse an Fremdem zusammenhing. In einem Lebensmittelgeschäft, in dem ich eine Packung Kaugummi kaufen wollte, welche ich nicht vorhatte zu essen, erzählte ich zum ersten Mal unsere Geschichte:

„Hallo, mein Name ist Isabella Cullen und dies ist mein Adoptivbruder Jacob. Wir sind gerade erst hierher gezogen und wollen nun die Stadt ein wenig kennenlernen.“

Ich lächelte die Frau hinter dem Tresen freundlich an, Jacobs Lächeln wirkte deutlich aufgesetzt, aber wenigstens lächelte er.

„Oh, das ist aber schön. Wir freuen uns, wenn junge Menschen in unsere Stadt ziehen.“

Sie lächelte so süß zurück, dass man Zahnschmerzen davon bekommen könnte. Ihre Arme waren dünn, so richtig ausgemergelt, als würde die Frau nicht genügend zu Essen bekommen, ihre Kleidung schien regelrecht an ihr zu hängen, wie ein zu großer Sack. Ihr Gesicht allerdings strahlte wie ein fünfjähriges Kind und kleine Grübchen wurden auf ihren Wangen sichtbar.

„Da haben sie mit uns ja ein richtig gutes Los gezogen. Wir haben noch drei Geschwister.“

„Wirklich?“

Sie schien begeistert zu sein, und obwohl mir das ein wenig Angst machte, legte ich mein Lächeln nicht ab. Vielleicht war die ganze Stadt ja von Verrückten besiedelt und sie brauchten junge, unbefleckte Menschen als Opfergaben oder so.

Wir gaben den Rest unserer Geschichte zum Besten, ernteten Mitleid für die verstorbenen Eltern und das abgebrannte Zuhause und gingen am Ende mit einer geschenkten Packung Kaugummi und einem Blick voller Anteilnahme aus dem Laden wieder hinaus. Ich war froh, den Laden wieder verlassen zu haben, doch eine Befürchtung in mir schrie, dass ich noch einige Male in das grübchenbesetzte Gesicht schauen würde.

„Das lief doch mal gar nicht so schlecht, aber irgendwie unheimlich war die trotzdem.“

„Ja, aber du warst richtig gut. Beim nächsten Mal bin ich dran, du hast ja gequatscht wie ein Wasserfall.“

Er lachte leicht auf und ich schloss mich ihm nur zu gerne an; das mir diese Lügengeschichte so leicht und glaubwürdig von den Lippen gehen würde, hatte mich selber überrascht.

Jedoch schaffte es mein Gewissen sofort wieder, das kleine Gefühl von Zufriedenheit zu verdrängen. Ich musste wieder daran denken, was Renesmee vor ein paar Stunden zu mir gesagt hatte, fragte mich abermals, ob Jacob über ihre Wünsche bescheid wusste. Sollte ich versuchen, es zu erfahren, oder sollte ich mich da erst gar nicht einmischen?

Abgelenkt wurde ich, als Jacob mich durch eine Ladentür drängte. Ich hatte nicht einmal mitbekommen, was für eine Art von Laden ich betreten hatte, bis ich mitten drin stand. Überwältigt schaute ich mich um, mein Verstand wusste gar nicht, welches Stück Kunst es zuerst verarbeiten sollte.

„Das ist ja toll“, überkam es mich.

Der riesige Raum war bis unter die Decke voll gestopft mit Indianerkunst. Holzschnitzereien, Talismane, Masken und eine riesige Anzahl an kleinen Totems.

„Nicht wahr?“

Jacob ging ein Stück voran, es herrschte eine unnatürliche Wärme, die Luft lag wie ein schweres Band in dem überfüllten Raum. Ich stellte das Atmen ein, meine Aufmerksamkeit hing nun an Jacob, der seine Fingerspitzen über eine kleine Wolfsstatur gleiten ließ.

Schnell ging ich näher heran und nahm die Traurigkeit in seinen Augen wahr. Ich überlegte gerade, was ich Aufmunterndes sagen könnte, was den Abschied von dem Rudel einfacher werden lassen würde, als ein alter Mann, ein Indianer, wahrscheinlich der Ladenbesitzer, zu uns heran trat. Er war dem Anschein nach in seiner traditionellen Tracht gekleidet, wohl eher Tourismusfänger als wirkliche Kleidung, sein schwarzes Haar war typisch zu einem langen Zopf nach hinten gebunden. Er kam freundlich auf uns zu, schaute erst uns, dann die Statur, der Jacobs Interesse galt, an.

„Die Wölfe sind ziemlich wichtige Gestalten in den Legenden der Tsimshian… aber das brauche ich dir wohl nicht zu erzählen.“

Er legte eine Hand auf Jacobs Schulter und alles in mir stellte sich auf Gefahr ein, mein Körper wollte in Angriffsposition verfallen, mein Verstand schrie: „ER WEIß ES!“

Doch zu unserer Erleichterung hatte er nur die allgemeine Beziehung zwischen Indianern und Tieren gemeint, was uns Gott sei Dank klar wurde, bevor einer von uns über den hilflosen Mann herfallen konnte.

Es folgten Erzählungen über die ansässigen Stämme, alte Legenden und Erklärungen über die heutigen Zustände; zu unserer Verwunderung waren über 30 Prozent der Stadtbevölkerung Indianer.

Wir hörten wahrscheinlich mit gemischten Gefühlen zu. In Jacob blitzte etwas wie Zugehörigkeit auf, in mir manifestierten sich nur Fragen wie: Würde hier das gleiche passieren wie in La Push? Gab es hier vielleicht auch Kinder, denen wir mit unserer Anwesenheit einen lebenslangen Fluch auflasteten?
 

Als wir den Laden eine Stunde später verließen, unsere Geschichte natürlich auch hier weitergegeben, erzählte ich Jacob von meiner Befürchtung. Doch dieser schien mir nicht richtig zuzuhören und bewunderte nur die Wolfsstatur in seiner Hand.

„War der nicht nett?“, grinste er von einer Seite seines Gesichtes zur anderen.

„Natürlich, und solange sich die Indianer nicht in Werwölfe verwandeln und nach unserem Tod dürsten, soll mir gleich sein, wie viele von ihnen hier leben.“

Jacob blieb unerwartet stehen, ich war schon einige Schritte weiter gegangen, bevor ich es bemerkte und wieder zu ihm heran trat. Sein Blick war ausdruckslos.

„Was ist? Glaubst du, es könnte passieren?“

Ich erstarrte neben ihm. Ein vorbeigehender Passant schaute uns an. Wir warteten, bis er außer Hörweite war.

„Nein, glauben nicht. Aber wir sollten uns vorsichtshalber mit dem Stamm auseinandersetzen.“

„Was willst du tun? Hingehen und nachfragen?“

Der Sarkasmus sprudelte einfach so aus mir hinaus. Aber ich hatte das ungute Gefühl, dass er meine Sorge nicht ernst nehmen könnte.

„Quatsch, wozu gibt es Büchereien und Internet? Dort werden wir schon was finden, wenn es was zu finden gibt.“

„Sollen wir jetzt gleich?“

Ich wollte sofort Sicherheit, sofort dem beunruhigen Gefühl in mir Einhalt gebieten.

„Nein.“ Er schaute auf sein Handy. „Wir treffen uns in einer knappen halbe Stunde mit den anderen an der Schule. Machen wir es danach, dann haben wir mehr Zeit.“

„Ok“, willigte ich ein, zufrieden, dass er das Thema nicht einfach nur versuchte, beiseite zu schieben.

„Dann lass uns noch mal unsere Geschichte zum Besten geben.“

Er deutete auf einen Laden auf der anderen Straßenseite.

Ich schaute kurz hinüber, wurde dann aber von einem anderen Schild am Ende der Straße gefangen genommen.

„Nein, lass uns da rein gehen.“

Ich zeigte in die neue Richtung.

„Ok, wie du magst.“

Jacob zuckte mit den Schultern und schob die Statur in seine Tasche und ich hakte mich wieder bei ihm unter. In Begleitung einiger interessierter Blicke überquerten wir die Straße und gingen sie hinauf. Vor einem großen Holzschild mit der Aufschrift „Ellen´s little Palace“ blieben wir stehen, ich schaute neugierig durch die Fenster.

Kleine Tische, Stühle, Kommoden, Lampen und Unmengen von Geschirr konnte ich hinter dem Glas ausmachen. Vorfreudig und ungeduldig schob ich Jacob durch die Tür, eine schrille Glocke machte auf unser Kommen aufmerksam.

Sofort war das Pärchen hinter dem Tresen uns zugewandt. Ein freundliches „Hallo“ wurde uns zugeworfen. Auch hier war die Luft unangenehm dick, trotzdem war ich begeistert von den vielen kleinen Möbelstücken. Mit erwartungsvollem Ausdruck ging ich näher an den Tresen heran.

„Hallo, mein Name ist Isabella Cullen und dies ist mein Adoptivbruder Jacob“, fing ich abermals an und gab unsere Geschichte zum Besten. Interessiert hörte man zu und auch hier schwang Mitleid in der Stimme zurück.

„Und, sucht ihr etwas Bestimmtes?“, kam man endlich auf den Zweck unseres Besuches zu sprechen.

„Ehrlich gesagt, ja. Ich suche ein Bett.“

„Betten führen wir leider ni-“

Die Frau, Ellen, wie wir nun wussten, bekam von ihrem eher ruhigen Ehemann einen kleinen Stoß in die Rippen. Irritiert schaute sie ihn an, wie er nach oben deutete, und sogleich gingen alle Blicke zur Decke.

„Ach so, ja natürlich. Wir haben oben ein Gästezimmer, das seit Jahren nicht mehr benutzt worden ist. Natürlich steht in dem Zimmer auch ein Bett.“ Sie lächelte. „Doch irgendwie ist es total unnütze. Wenn du magst, kannst du es dir ja mal anschauen?“

„Ja, ja natürlich.“

Sogleich war ich Feuer und Flamme zugleich. Schon als ich das Schild von weitem gesehen hatte, sagte mir etwas, dass ich hier eine kleine Verknüpfung zu meinem Schicksal finden würde. Dieser verrückte Zufall machte alles noch viel glaubwürdiger.

Wir folgten den Beiden ins Obergeschoss, die Dielen der Treppe knarrten doppelt so laut wie in unserem Haus. Ein wenig unheimlich war dies schon. Ein langer Flur, einige verschlossene Türen, bis wir endlich das Zimmer betraten, das anscheinend nur darauf gewartet hatte, dass ich kommen würde.

Ein dreckiger Braunton an den Wänden, ein hässlicher, geblümter Teppich auf dem Boden, doch in der hinteren linken Ecke stand es, das wohl schönste Bett, welches ich je gesehen hatte: Schwarz lackiertes Holz, kleine undefinierbare Einkerbungen und einfach nur atemberaubend schön.

„Die Matratze ist neu, noch original verpackt. Wir wollten es immer wieder zu einem Gästezimmer machen, aber w-“

„Ich nehme es“, unterbrach ich Ellen.

„Wirklich?“

„Ja, wie viel soll es kosten?“

Ich hatte mich nicht einmal vom Türrahmen entfernt, nicht geschafft, auch nur einen Schritt mehr in den Raum zu treten. Ich war einfach zu überwältigt. Wie konnte ein einfaches Möbelstück so unverkennbar zu Edward gehören?

„Ich weiß nicht… 200 Dollar?“

„Ich gebe ihnen 500.“

Wild entschlossen war mein Blick.
 

„Was war an dem Bett denn so besonders?“

Jacob schaute mich an, als hätte ich nicht mehr alle beisammen.

„Das verstehst du nicht.“

Ich nahm seinen Arm wieder gefangen und lief schmunzelnd neben ihm her.

„Versuchs doch mal.“

„Jetzt nicht, da sind schon die anderen.“

Ich löste mich von Jacobs Arm und winkte in Richtung Schule, meiner Schule. Begeisterung konnte ich für diesen Punkt nicht wirklich aufbringen, aber es musste nun einmal so sein. Neben Edward und Alice zum Stehen gekommen, gab es eine kurze Lagebesprechung, bevor wir ins Innere des ziemlich niedrigen, ausdruckslosen Gebäudes gingen.

Wenigstens hatte man von drinnen das Gefühl, in einer wirklichen Schule zu sein, lange Gänge, hunderte von Spinden und Plakate mit Schulankündigungen an jedem freien Stück der Wand… eben, eine ganz normale Highschool. Doch noch ein viel interessanterer Punkt wies auf einen Ort mit großer Menschenanzahl hin: der durchdringende, nicht enden wollende Geruch von Menschenblut.

Von sämtlichen Seiten strömte er auf uns ein, legte uns abermals nah, dass wir noch etwas anderes begehrten, tief in unserem dunkelsten Inneren nach etwas verlangten. Ein wenig beunruhigt ließ ich meinen Blick über Edwards Schulter vorbei auf Jasper gleiten. Doch dieser grinste gerade über eine Aussage von Alice und ließ mich somit annehmen, dass es ihm gut ging.
 

Nach einem kurzen Gespräch mit Mrs. Patch, der Schulsekretärin, wurde Carlisle zunächst alleine zum Direktor vorgelassen, wir anderen warteten brav unter dem strengen Blick der Sekretärin im Vorraum.

Wohlerzogen und freundlich dreinblickend saßen wir auf unseren Stühlen und horchten mit gespitzten Ohren, was hinter der verschlossenen Tür besprochen wurde. Doch nicht nur mir wurde dies irgendwann zu langweilig, Alice verspürte wohl fast gleichzeitig dasselbe Gefühl.

Sie fing leise an, mit mir zu sprechen, aber hörte schnell wieder damit auf, als Mrs. Patch den Kopf hob. Verwirrt schaute sie uns an, sich nicht sicher, ob überhaupt jemand gesprochen hatte oder die Klänge nur aus ihrer Einbildung entstanden waren.

Natürlich hatten wir alle bald viel zu erzählen, was die angeblichen Wahnvorstellungen ein riesiges Ausmaß annehmen ließ. Der kleine Stadtrundgang wollte erzählt werden, man wollte mitteilen, was man gesehen und welche Eindrücke man gemacht hatte, für normale Menschenohren musste es sich wie ein gespenstiges Flüstern einer Partygesellschaft anhören. Unter anderem erzählte ich Edward von dem Bett, welches ich gekauft hatte, und von meiner kleinen Besorgnis, was die Indianer in dieser Stadt anging. Mrs. Patch hatte sich derweilen mit schüttelndem Kopf in die hinterste Ecke des Zimmers zurückgezogen.

Gerade als alles erzählt und uns wieder langweilig wurde, trat Carlisle mit dem Direktor, einem voluminösen Mann mit dunklen, glatt gekämmten Haaren, hinaus. Wir wurden einer nach dem anderen vorgestellt und ließen unsere besten Manieren zu Vorschein treten. Alice beehrte Mr. Digs sogar mit einem kleinen Knicks, was ihm einen winzigen Rotschimmer auf die dicken Pausbacken lockte.

„Und wer ist dieser junge Mann?“

Mr. Digs schien von Jacobs Anwesenheit irritiert zu sein, was man ihm nicht einmal übel nehmen konnte, denn Jacob hatte weder im Alter, noch vom Aussehen oder der Kleidung etwas vorzuweisen, was ihn zu uns zugehörig machte.

„Ebenfalls ein Sohn von mir: Jacob.“

Jacob versuchte ein annehmbares Lächeln hinzubekommen und schloss die eher kleine Hand des Direktors kurz in seine.

„Und du gehst dann wohl aufs Collage, nicht wahr? Keine Sorge, wir haben ein ganz wunderbares, kleines College hier.“

Der Direktor tätschelte Jacobs Hand, bevor er wieder von ihr abließ.

Jacobs Lächeln verzog sich leicht, er wusste ebenso wenig wie wir anderen, was darauf zu antworten war.

„Er hat sich noch nicht entschieden, was er machen möchte“, half ihm Carlisle aus der Situation hinaus. „Wir werden sehen.“ Er legte seine Hand beruhigend auf Jacobs Schulter. „Immerhin haben wir gerade erst alle zusammen gefunden.“

Ich wollte Edwards Nähe spüren, besann mich aber und ließ es bleiben.

Da unsere Schulunterlagen aufgrund unseres Schicksals oder bei dem angeblichen Feuer verloren gegangen waren, bestand der Direktor auf einen Aufnahmetest für die 11. Stufe. Auf diese Möglichkeit waren wir schon vorbereitet gewesen, da dies nicht zum ersten Mal in dem Schulalltag der Cullens verlangt wurde.

Alice und Jasper würden den Test machen, Edward wollte darauf verzichten, da wir uns nicht sicher waren, ob ich den Test trotz Highschoolabschluss bestehen würde. Er wollte unter keinen Umständen das Risiko eingehen, von mir getrennt zu werden, also hieß es für ihn und mich: 10. Stufe. Doch so oder so hatte ich nicht angenommen, dass wir alle vier wirklich in dieselbe Klasse gekommen wären.

Zum Abschluss erhielten wir Stundenpläne, Besorgungslisten und einige Informationen über die Schule selbst. Jacob hielt sich die restliche Zeit diskret im Hintergrund, damit man nicht noch einmal auf ihn zu sprechen kommen würde. Ich beobachtete ihn, wie er Informationen über Lehrgänge am schwarzen Brett las, und fragte mich, was wohl gerade in ihm vorging. Hatte er vielleicht damit gerechnet, mit uns zur Schule zu gehen, wollte er dies sogar? Ich hatte ihn nach seiner Prägung auf Renesmee nicht einmal gefragt, wie er sich sein weiteres Leben so vorstellte, doch irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, dass sein Wunsch „Schule“ hieß.

Er könnte wirklich aufs College gehen, wenn er wollte, alt genug sah er jedenfalls aus. Doch was konnte ich mir noch vorstellen, außer, dass er brav ein Leben neben meiner Tochter fristete? Ehrlich gesagt… nichts, und das machte mich gerade ziemlich wütend auf mich selbst.
 

Immer noch mit den gleichen Gedanken standen wir, bis auf Alice und Jasper, die sicherlich mit hervorragenden Ergebnissen den Aufnahmetest absolvierten, wieder auf dem Bürgersteig vor der Schule. Carlisle flüsterte kurz mit Edward und nahm uns daraufhin die Listen ab, um die Besorgungen zu erledigen. Bevor er sich abermals an den Mann an meiner Seite wand, wies er Jacob und mich darauf hin, dass gegen Abend Fremde in unserem Haus sein würden. Er hatte einen ordentlichen Bonus springen lassen, damit die Anschlüsse für Telefon, Internet und Strom noch heute einwandfrei funktionieren würden. Wir sollten also nichts Unüberlegtes machen, wenn wir heim kämen.

Ich verabschiedete mich von Edward mit einem sehnsüchtigen Blick.

„Die Bücherei ist direkt da drüben“, wies mich Jacob an.

„Schon gesehen“, entfloh es bedrückt meinen Lippen, als mir noch etwas einfiel.

„Edward!“, rief ich ihm in Gedanken hinterher. Er drehte sich um. Er war nur zirka zehn Meter entfernt, ich hätte auch rufen können. „Das Bett… du musst es noch abholen, bevor du mit Jasper den Umzugswagen weg bringst.“

„Wo?“

Seine Lippen formten das kleine Wort, ich lächelte.

„Taylor Street, es ist nicht zu verfehlen, ein kleines Möbelgeschäft.“

„Ok!“, formten seine Lippen.

Er lächelte zurück, drehte sich um und ging einige Schritte.

„Edward!“, rief ich abermals und er drehte sich zu mir. „Ich liebe dich!“

Sein Lächeln wurde breit.

„Ich liebe dich auch“, formten seine Lippen und in mir breitete sich ein Gefühl aus, als hätte er es jetzt gerade, in diesem Moment, zum ersten Mal zu mir gesagt. Ich war unglaublich glücklich.

Ich wirbelte zu Jacob herum und grinste ihn wie ein kleines Schulmädchen an.

„Lass uns endlich gehen.“

Jacob schien genervt von meinem Gesichtsausdruck zu sein, verdrehte die Augen. Als nächstes griff er nach meiner Hand, zog mich über die Straße und in eine kleine Menge Menschen, die wohl auf das Öffnen der Bücherei warteten.

„Die machen aber spät auf“, flüsterte ich nach kurzem Blick auf ein kleines Schild.

Ich zuckte nur mit den Schultern, als ich keine Antwort bekam, und fast zeitgleich vernahm ich das bekannte Geräusch einer Schulglocke. Wissbegierig blickte ich zum Schulgebäude, wie viele Personen würden gleich hinaus treten und wie viele davon würden wohl meine neuen Klassenkameraden sein?

Ich erkannte Schüler in dem bekannt schwarzen Look, die schönen Cheerleader, die beliebten Sportskanonen, die weniger beliebten Loser, einige Punks und Mädchen, die schüchtern ihre Köpfe hinunter hingen ließen, wenn sie an anderen vorbeikamen. Wie würden wir wohl auf sie wirken?

Ich ließ mich wieder einmal zurück fallen, um an meine ersten Schultage in Forks zu denken, daran, wie ich die Cullens empfunden hatte. Schön, geheimnisvoll und interessant waren die ersten Dinge, die mir einfielen.

Einige Schüler traten zu uns heran, ließen die wartende Menschenmenge größer werden. Bald schon waren wir umringt von ihnen, von Menschen, die nach köstlich frischem Blut rochen.

Die Mädchen unterhielten sich größtenteils über Jungs, die Jungs über den Sport. Einige Male drang ein baldiges Schulereignis heraus, was genau konnte ich aber nicht erfahren.

Man beachtete uns kaum, wir waren nur zwei weitere Personen in einer großen Menge. Doch dann ließen sowohl meines, als auch Jacobs Handy plötzlich einen schrillen Ton erklingen und die Blicke sich auf uns richten. Besorgt schauten wir uns an. So ein Zufall hatte bestimmt nichts Gutes zu bedeuten.

Wir griffen schon beinahe gleichzeitig hinab zu unseren Taschen, um die kleinen Geräte zu befreien, und wenn mich nicht alles täuschte, sahen wir den leichten Schimmer der Sonne, der sich auf meiner Hand absetzte, ebenfalls in der gleichen Sekunde.

Ruckartig und ohne jegliche Vorwarnung zog mich Jacob an seine Brust. Ich war so überrumpelt, dass ich total erstarrt war, ich hatte nicht einmal an Flucht gedacht.

Mit weit aufgerissenen Augen verweilte ich still, mich nicht trauend zu atmen, nicht wissend, was als nächstes passieren würde. Meine Hände hatte ich zwischen unsere Körper gedrückt, Jacobs Arme pressten sich um mein Gesicht, um meinen Nacken.

Angst… schon lange nicht mehr hatte ich eine solche, existenzielle Angst. Sie ließ mich die Zähne fester zusammen drücken, Gift schoss mir in den Mund. Ich schluckte es hastig wieder hinunter. Die Stimmen um mich herum waren zu laut, zu durcheinander, ich schaffte es nicht, auch nur eine von ihnen zu isolieren.

Würden sie mich entdecken, feststellen, was ich war? Waren die anderen in Sicherheit? War vielleicht einer von ihnen entdeckt worden? Würden wir fliehen müssen… gerade angekommen und schon wieder unterwegs? Meine Finger krallten sich in Jacobs Jacke, es war der einzige Halt, den ich gerade hatte.

„Wir sind gerade erst hierher gezogen, sie vermisst nur ihr Zuhause.“

Ich vernahm Jacobs Stimme. Sie schien zwar besorgt, aber Panik war nicht hinaus zu hören. Es schien alles noch mal gut gegangen zu sein, oder?

Unsere Handys ertönten erneut, wann hatten sie zuvor aufgehört? Doch keiner von uns, war in der Lage, sich damit zu beschäftigen, unsere momentane Stellung aufzugeben. Jedoch ließ das eindringliche Geräusch schnell wieder nach, wahrscheinlich hatte Edward auch so erfahren, dass alles soweit in Ordnung war. Wenigstens dachte ich zumindest, dass alles soweit in Ordnung war.

Ich versuchte, mich zu beruhigen, versuchte, mich auf die Wärme um mich herum zu konzentrieren, auf den Herzschlag, der mir schon früher immer so nah gewesen war, mir immer schon ein wenig der Angst hatte nehmen können. Ich drückte mich dagegen, suchte Schutz und wies mich an, mich nur auf das Geräusch zu konzentrieren… so wie früher… und ich empfand es gar nicht einmal als schwer, mich wieder nach La Push zu versetzten, in die Zeit, als Jacob für mich ein rettender Anker auf tosender See gewesen war. Es war alles so einfach in dieser Zeit…

„Bella, alles in Ordnung?“

Seine Finger strichen beruhigend in meinen Nacken.

„Ja… hat es… keiner gemerkt?“

Meine Stimme war nur ein Flüstern, nicht für andere Ohren bestimmt.

„Nein.“ Ich spürte die leichte Bewegung seines Kopfes und wie sich dessen Gewicht auf mich legte. „Alles in Ordnung, es dauert nicht mehr lang. Die Sonne wird gleich hinter dem nächsten Wolkenband verschwinden.“

Ich drücke mich noch näher an ihn, wenn dies überhaupt noch ging, und plötzlich, spürte ich Auflockerung um mich herum, irgendwas verringert die Menschenmenge. Die Bücherei hatte anscheinend endlich geöffnet.
 

Minuten später, stand ich wieder selbstständig auf dem Bürgersteig. Wir hatten uns erst einmal von der Bücherei entfernt und ich wollte gerade nach meinem Handy greifen, um Edward anzurufen, als ich in eine kleine Gasse gezogen wurde. Mein beinahe Aufschrei wurde von festen Lippen auf meinem Mund unterbrochen, Jacobs schützende Verteidigung wurde fallen gelassen, als er den Mann, der mit fast schon tierischem Verlangen an meinen Lippen hing, erkannte.

Jacob drehte sich weg und hielt die Straße außerhalb der Gasse im Auge.

„Ich habe mir solche Sorgen gemacht“, hauchte Edward zwischen unsere Küsse.

„Ich auch“, erwiderte ich in Gedanken. „Jacob hat m-“

„Ja, ich weiß.“

Begierig drückte er mich gegen die Wand, ich hatte das Gefühl, ihn überall an mir zu spüren. Er musste wirklich unbeschreibliche Angst gehabt haben. Er küsste mich immer wieder, ohne Scheu oder Scham vor Beobachtern, und am liebsten hätte ich mich ihm einfach hingegeben. Doch dann wurde sich geräuspert und Edward entfernte sich leicht von mir. Seine Hände glitten an mein Gesicht, er war voller Erleichterung.

„Er ist gleich da“, ließ uns Jacob wissen.

Noch ein kleiner Kuss auf die Stirn und eine sachte Berührung, bevor wir uns wieder körperlich trennten. Wir traten an Jacobs Seite, gerade rechtzeitig, als der alte Mann uns beunruhigt anschaute. Er versuchte, an uns vorbei zu spähen, wahrscheinlich dachte er, dass irgendetwas Verbotenes vor sich ging.

Edward trat einen Schritt nach vorn, verbeugte sich leicht: „Einen schönen Tag, Sir“, woraufhin der Mann seinen Schritt beschleunigte. Jacob wollte gerade ein kleines Lachen loslassen, als ihm von Edward die Luft dafür aus der Brust gedrückt wurde.

„Danke“, hielt Edward ihn fest umklammert.

„Ok, ok, was hast du erwartet, dass ich sie ihrem Schicksal überlassen würde?“

Jacob schien es ziemlich unangenehm zu sein, einige Passanten sandten schon Blicke in unsere Richtung. Ich kicherte, während Jacob wild mit den Armen in der Luft wedelte.

„Nein, trotzdem… vielen Dank.“

Edward ließ zu Jacobs Erleichterung von ihm ab.

„Wirklich, kein Problem, immerhin beschützt man sich doch in einer Familie, oder nicht?“

Mit seiner Aussage bildete sich ein ordentlicher Klecks Rot auf seinen Wangen, und am liebsten wäre ich ihm nun auch um den Hals gefallen.

„Ja, dafür ist eine Familie da.“
 

Es war nicht einfach gewesen, Edward dazu zu bringen, sich wieder Carlisle anzuschließen. Alice versicherte zwar, soweit sie eben konnte, dass es heute keine Zwischenfälle mehr geben würde, aber Edward schaute sie nur ungläubig an. Gemeinsam mit Jacob machte ich mich auf den Weg in die Bücherei.

Es war nicht schwer, die richtige Abteilung zu finden. Es war Unmengen über die Tsimshian geschrieben worden, ganz gleich welche Art von Literatur man versuchte, zu finden.

Jacob fing mit den Kinderbüchern an, er meinte, dass dort mehr Wahres drin stecken würde als man meist glaubte. Mein Interesse galt dem Stadtarchiv und dem Internet. Ich suchte nach Anzeichen von Vampiren, kalten Wesen oder sonstige Beschreibungen, welche in unsere Richtung gehen könnten.

Ich fand nichts unter den gängigen Suchbegriffen, was mich schon einmal erleichterte. Auch Jacobs Suche blieb erfolglos und so nahmen wir uns als nächstes alte Legenden und Mythen um den Stamm vor.

„Das könnte was Interessantes sein.“

Jacob deutete auf eine Passage im Schöpfungsmythos der Tsimshian:

„Im Schöpfungsmythos der Tsimshian-Indianer war die Welt weiß und von Gletschern bedeckt. Ein Rabe tauchte dann die Welt in sattes Grün. Um die Menschen an die Zeit zu erinnern, als die Welt noch weiß war, ließ er jeden zehnten Schwarzbären weiß werden. Die Welt der Tsimshians befindet sich an der kanadischen Westküste im Bundesstaat British Columbia. Die Gletscher haben sich seit der letzten Eiszeit auf die Bergwipfel zurückgezogen, und die sagenumwobenen weißen Bären gibt es tatsächlich.“

„Du glaubst also, dass wir es demnächst mit weißen Bären zu tun bekommen werden?“

Emmett würde sich freuen.

„Nein, ich meine nur, dass dies wirklich das einzige ist, was irgendwie etwas mit einem besonderen Tier zu tun hat.“ Er lehnte sich in dem weichen Stuhl zurück und gähnte herzhaft. „Wenn ich ehrlich bin, denke ich, dass uns hier überhaupt keine Gefahr in dieser Form droht.“

„Und weißt du was…. das denke ich jetzt auch.“

Ein erleichterter Ausdruck setzte sich auf mein Gesicht, bevor mir mein Kopf zum ersten Mal einen entspannten Blick über die vielen Reihen von Büchern erlaubte und lernende Schüler erblickte, von denen ich auch bald wieder einer sein würde. Eine neue Identität, ein neues Leben, eine neue Schule. Es könnte wirklich funktionieren, nicht wahr?
 

Es wurde schon dunkel, als wir wieder beim Wagen ankamen. Jacob lehnte sich müde gegen die Karosserie, während ich nach dem Schlüssel in meiner Tasche kramte, ihn gefunden und ins Schloss gesteckt, hielt ich jedoch inne.

„Was ist?“, blieb mein Zögern nicht unbemerkt.

Ich schüttelte den Kopf.

„Bella?“

Er sprach es so besorgt aus, dass ich mich nicht mehr zurückhalten konnte.

„Es tut mir leid, Jake“, ging meine Stimme eine Oktave höher. „Es tut mir leid“, wiederholte ich.

„Was denn?“

„Alles.“ Ich starrte stur auf den Wagen, umklammerte den Schlüssel im Schloss. Ich musste mich zügeln, damit er nicht abbrach. „Dass du hier sein musst und dass du deine Freunde, das Rudel und deinen Vater verlassen musstest.“ Ich holte tief Luft, um weitersprechen zu können. „Dass du dein Leben so oft für mich aufs Spiel setzten musstest und dass ich selbst jetzt noch ein Klotz am Bein und auf deine Hilfe angewiesen bin… dass ich damals deine Nähe gesucht habe und es zuließ, dass du dich in mich verliebt hast, obwohl ich jemand anderen liebte und damit unser Schicksal für immer verbunden habe… dass du keine Chance hattest, selber zu entscheiden, was du willst, und dass ich dich angezickt, ungerecht behandelt habe und meine Wut an dir ausließ… Das alles hast du einfach nicht verdient.“

Ich schüttelte mittlerweile energisch den Kopf. Ich wollte es nicht wahrhaben, dass ich durch meine eigenen, egoistischen Wünsche so viele Leben verändert hatte, und besonders nicht was ihn anging.

Wie viele Existenzen wurden eigentlich bis jetzt beendet, nur weil ich nicht an einem vereisten Tag auf dem Schulparkplatz ums Leben gekommen war? Warum war es mein Schicksal gewesen, von einem Vampir gerettet zu werden, mich in ihm zu verlieben und somit die ganze Ordnung aus den Fugen zu werfen?

Aus dem Augenwinkel bekam ich mit, wie Jacob sich vom Auto abstieß, es vibrierte leicht unter meinen Fingerspitzen. Seine Hände glitten von hinten an meinen Fingern entlang, befreiten mich vom Schlüssel und schlangen meine Arme anschließend schützend um meinen Körper. Er schmiegte sich an mich und umgab mich mit seinem Geruch, auf den ich schon lange nicht mehr abstoßend reagierte.

„Weißt du eigentlich, wie lange es her ist, seit du mich das letzte Mal Jake genannt hast?“

Er hielt mich fest, und wieder einmal wünschte ich mir, weinen zu können.
 

Kapitel 05 - Wir sind die Cullens - Ende

Aufwühlende Stunden

Autor: littleblaze

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Kapitel 06 - Aufwühlende Stunden
 

Als Jacob und ich nach unserem vierstündigen Büchereiausflug wieder Zuhause ankamen, wartete Renesmee schon sehnsüchtig vor dem Haus auf uns. Sie sprang vom gefrorenen Boden auf und ließ das Buch, in dem sie zuvor gelesen hatte, achtlos hinunter fallen. Sie schien unsere Ankunft kaum erwarten zu können. Jacob bemerkte die kleine Veränderung an ihr zuerst.

„Kannst du Alice nicht endlich sagen, dass sie es lassen soll?“

Ich schaute meine Tochter genauer an, während ich den Wagen zum Stillstand brachte.

„Was hast du denn? Es sieht doch richtig niedlich aus.“

Alice hatte in den Jahren schon einige Kunststücke mit Renesmees Haaren angestellt, dieses Mal waren sie lockenlos und in ein süßes Schokoladenbraun getaucht. Es hatte schon etwas für sich, dass ihr Haarwuchs einer beachtlichen Schnelligkeit unterlag. Und darüber hinaus wurden nur auswaschbare Farben benutzt.

Wenn man die vier prallgefüllten Fotoalben durchblätterte, hatte man das Gefühl, es mit einem dutzend verschiedener Kinder zu tun zu haben.

„Außerdem macht es ihr Spaß“, fügte ich hinzu und ließ die Wärme des Wagens hinter mir.

Renesmee hatte uns mittlerweile erreicht. Ich drückte sie kurz an mich und streifte ihr einige Strähnen hinters Ohr.

„Es sieht ganz toll aus, Schatz.“

Ich küsste sie auf die Stirn.

„Ja?“ Sie strahlte mich an. „Und wie findest du es, Jacob?“

Schnell drehte sie sich zu ihm um. Zu schnell für den Rock, den sie trug, der sich gar nicht so übereilt heben konnte, wie er sich schon wieder senken sollte.

„Die blonden Strähnchen letzten Monat haben mir besser gefallen.“

„Wirklich?“

Ihre Hand streifte durch den Schopf, blieb an einigen Strähnen hängen und diese wurden daraufhin um einen Finger gewickelt. Einen abwertenden Blick schenkte sie nun ihrer neuen Haarpracht, ich schaute derweilen Jacob mit fast dem gleichen Blick an. Wir wussten beide, dass er nicht anders konnte, als es wieder hinzubiegen.

Schnell kam er ums Auto herum und beugte sich ihr ein Stückchen entgegen. Sie schaute ihm tief in die Augen, intensiv beäugte er sie, bis er anfing, an dem thematisierten Haar zu schnüffeln. Ich weiß nicht wieso, aber plötzlich sprang mir das Märchen von Rotkäppchen und dem bösen Wolf ins Gedächtnis.

„Du stinkst, aber es sieht lecker aus“, grinste er und wuschelte ihr durchs Haar.

„Das bin nicht ich, das ist nur die Farbe.“

Mit einem Lächeln auf dem Gesicht schubste sie ihn leicht von sich und schrie glucksend auf, als sie sich vor ihm hinter das Auto flüchtete. Natürlich kam er der Aufforderung sofort nach und jagte hinter ihr her, während mich die vertraute Situation noch einmal zurück warf.

„Wie empfindest du eigentlich für meine Tochter?“

Ich hatte mich die halbe Autofahrt lang vor dieser Frage gedrückt, ein dutzend Mal hin und her überlegt, ob ich sie wirklich stellen sollte. Tief in mir drin wusste ich, dass ich es nicht sollte, aber ich wollte es nun einmal wissen und Edward konnte auch nicht an alle Informationen kommen, wenn Jacob sich nur genügend anstrengte, sie zu verbergen. Und gerade war das Thema so aktuell; Renesmees Wünsche, Jacobs Gedanken und die voranschreitende Zeit.

„Ich habe dir doch schon erzählt, wie das mit der Prägung ist.

„Du hast vieles erzählt, Jacob. Über Bruderliebe, Freundschaft und so etwas wie Anziehungskraft. Aber… was fühlst du genau? Du und nicht irgendeine Prägung, oder gibt es da keinen Unterschied?“

„Wir sind also schon wieder beim üblichen Jacob angekommen?“

„Was willst du mir eigentlich damit sagen?“

Innerlich war mir klar, dass er nur vom Thema ablenken wollte, doch trotzdem stimmte mich seine Aussage wütend.

„Warum machst du dir überhaupt auf einmal Gedanken darüber?“

„Ich denke, es ist mein gutes Recht, oder nicht? Sie ist meine Tochter und du mein bester Freund, und-“

Ein abwertender Laut brachte mich zum Schweigen. Ich schaute ihn an, wieder auf die Fahrbahn und wieder zu ihm. Sein Blick schien meinen nicht erwidern zu wollen, ein sicheres Zeichen dafür, dass ihn etwas störte. Ich überlegte ernsthaft, ob ich an den Straßenrand fahren sollte, um dieses Gespräch weiter zu führen.

„Was ist?“

„Ich weiß nicht.“

Er zuckte mit den Schultern und fing an, meinen iPod zwischen den Händen hin und her springen zu lassen. Am liebsten hätte ich ihn wie ein Kind zur Ordnung gerufen und ihn aufgefordert, endlich den Mund aufzumachen, doch dies war gar nicht nötig.

„Ist es wirklich das, oder versuchst du nur zu erfahren, was ich noch für dich empfinde?“

„Bitte?“

In diesem Moment hatte er es geschafft. Kraftvoll trat ich auf die Bremse, der iPod machte einen Satz gegen die Fensterscheibe, wahrscheinlich kaputt fiel er zu Boden. Ohne darüber nachzudenken, stieg ich aus, lief um den Wagen herum und zog Jacob ebenfalls heraus. Die Karosserie gab ein ächzendes Geräusch von sich, als ich seinen Körper dagegen stieß. Doch dann wusste ich einfach nicht, was es als nächstes zu tun galt. Sollte ich ihn anschreien, wie verrückt sein Vorwurf war; ihn fragen, wie er gerade jetzt darauf kam, so eine Äußerung laut werden zu lassen?

Ich wünschte kurz, dass ich einfach die Hand erhoben und ihn ordentlich eine verpasst hätte, aber auch dieses Vorhaben war schnell verraucht. Um offen zu sein, als ich ihn gegen den Wagen gepresst, mit leicht gesenktem Kopf vor mir stehen sah, war ich zu rein gar nichts mehr fähig, und wie wild ich alles auch leugnen wollte, verlangte meine Neugierde plötzlich doch nach Antwort.

„Also, was empfindest du, Jake?“, war es leicht zischend über meine Lippen gekommen.

Waren da wirklich noch Gefühle in ihm? Mein Verstand hatte mir immer gesagt, dass mit der Prägung auf Renesmee all die Empfindungen für mich einfach verschwunden waren, sie gar nicht mehr von Belang für ihn seien. Und ich? Ich hatte mich schon lange damit abgefunden. Ich hatte die Liebe, die ich für Jacob Black empfand, in einen weit entfernten Winkel meines Herzens begraben, eines Herzens, welches schon lange nicht mehr schlug.

„Bist du wirklich so naiv?“

Er hob den Kopf. Kein Lächeln lag auf seinen Lippen, kein Ausdruck des Zorns in seinen Augen, und gerade das empfand ich wahrscheinlich am beängstigsten dabei. Ich wich einen Schritt zurück, nicht weil ich Angst hatte, sondern weil ich genau wusste, dass nun etwas kommen sollte, mit dem ich nicht gerechnet hatte.

„Hast du wirklich geglaubt, dass von einer Sekunde auf die andere all meine Gefühle für dich verschwunden waren? Denkst du wirklich, es war so einfach?“ Er kam einen Schritt auf mich zu, ich wich einen weiteren zurück. „Es hätte mir nichts ausgemacht, neben dir zu leben, zu sehen, wie du an seinen Lippen hängst, deiner unumstößlichen Liebe zu ihm jeden Tag ausgesetzt zu sein, denkst zu wirklich es war so leicht?“

Ich war immer weiter zurück gewichen, als er auf mich zugekommen war. In meinem Kopf versuchte ich, seine Aussagen zu sortieren, aber nichts gelang mir, ich war einfach zu durcheinander, zu verwirrt, oder besser gesagt, ich wollte es nicht hören, ich wollte nicht verstehen, was er hatte durchmachen müssen, während ich mein glückliches Leben lebte.

Ich blieb erst stehen, als ich an die Leitplanke stieß. Das kleine Wörtchen „Ja.“ verließ meine Kehle.

„Tzzz“, wand er sich ab.

„Jacob.“

Ich versuchte, nach ihm zu greifen, was aber misslang, trotzdem blieb er mit abgewandtem Körper stehen.

„Was hast du denn erwartet, Bella? Ich wollte sie töten, verdammt noch mal!“ Seine Hände ballten sich zu Fäusten. „Ich hätte sie getötet, sie ihn Stücke gerissen, einfach so, ohne an die Folgen zu denken, und mich damit abgefunden, der nächste zu sein, der blutüberströmt auf dem teuren Teppich liegen würde. Du warst alles für mich zu dieser Zeit, Bella! Ich hätt-“

„HÖR AUF!“, schrie ich ihn an, ich konnte es nicht ertragen, wie er so belanglos von dem Tod meiner Tochter sprach, und weiß Gott, ich wollte auch alles andere nicht hören, was ich mit meiner dummen Frage hinauf beschwört hatte. Ich presste die Hände auf meine Ohren, obgleich ich wusste, dass doch jedes Wort glasklar zu mir durchdringen würde. „Ja, ja, ja, verdammt, ich dachte wirklich, dass alles einfach so weg sein würde!“ Energisch schüttelte ich den Kopf und ging in die Knie.

„Bella...“

Er war neben mir, berührte mich am Arm.

„Nein, geh weg. Ich will nichts hören.“

Doch trotz Widerstand presste er sich an mich und hielt mich gefangen. Meine Hände wehrten sich, aber in diesem Moment war er stärker als ich.

„Jetzt ist es gut, Bella.“ Er sprach in beruhigendem Tonfall auf mich ein, als hätte er gerade eine 180 Grad Drehung vollzogen, als wäre es nicht mehr so wichtig, was er durchgemacht hatte. „Es ist schon lange nicht mehr so wie früher.“ Er streichelte mir übers Haar, meinen Protest gab ich in kleinen Portionen auf. „Natürlich ist da noch irgendwas, irgendwo hinter dem ganzen Zwang der Prägung, aber glaube mir, es ist schon lange nicht mehr so, dass ich Edward am liebsten den Hals umdrehen würde, wenn er dich berührt. Es ist anders, weicher, nicht mehr so von Belang. Aber wichtig sein wirst du für mich mein ganzes Leben, auch wenn mich etwas in eine andere Richtung ziehen mag.“

In mir verkrampfte sich alles.

„Und Renesmee? Ich muss sie beschützen, für sie da sein, sie ist ohne mein Zutun zu meinem Lebensinhalt geworden. Ich konnte mich nicht dagegen wehren, und die erste Zeit war ich wütend auf die Situation, denn eigentlich wollte ich doch nur dich. Ich wollte dich beschützen, für dich da sein und dich zu meinem Lebensinhalt machen. Und plötzlich war ich an jemand anderen gebunden, jemanden, der mit deinem Leben wiederum so fest verbunden ist, und ich hatte keine Chance mehr zu entkommen, da ich das Wichtigste für mich, dich, bereits verloren hatte.“

Wie fest ich mittlerweile seinen Arm umfasst hatte, bemerkte ich erst, als ich auf seine heiße Haut traf, meine Fingerspitzen hatten sich durch den Stoff gedrückt. Ich wollte locker lassen, aber als mir klar wurde, dass ich weder weinen, noch schreien oder irgendetwas zur Situation sagen konnte, hielt ich seinen Arm nur weiterhin fest umklammert.

„Und wenn du wissen willst, was ich für sie empfinde, dann kann ich dir gerade nur sagen, dass ich immer für sie da sein, sie vor allem beschützen werde und mein Leben für sie gegen würde. Aber ob ich sie irgendwann einmal so lieben kann, wie ich dich geliebt habe, dass weiß ich selber nicht. Meine Liebe zu ihr ist anders, irgendwie ohne jeden Zweifel, ein Bestandteil von mir, und ich habe mächtige Angst vor dem Tag, an dem mir irgendetwas in mir drin befiehlt, sie auf eine ganz andere Weise haben zu wollen. Denn ich werde nie wissen, ob es meine Entscheidung oder nur eine aufgezwungene meines Wesens ist.“

Ein ohrenbetäubendes Knurren holte mich wieder zurück. Ich stand immer noch felsenfest auf der Wiese und blickte in die Richtung, wo Renesmee und Jacob über das Gras rannten. Meine Fingernägel pressten sich in meine Haut und erst jetzt fiel mir die Abwesenheit des Umzugswagens auf, auch vernahm ich nun die Geräusche eines Fernsehers aus dem Hausinneren.

„Ist dein Vater schon weg, Renesmee?“

„Ja, er und Onkel Jasper sind gefahren, nachdem die Handwerker fertig waren. Ach ja…“

Renesmee ließ Jacob mitten im Spiel stehen und lief zur Hintertür. Sie hob ein Päckchen auf, das im hohen Gras nicht zu erkennen gewesen war. Mit einem überschwänglichen Lächeln tänzelte sie auf mich zu.

„Was ist das?“

„Keine Ahnung“, zuckte sie leicht mit den Schultern. „Daddy meinte nur, es würde zum Bett passen.“

Irritiert schaute ich sie an, Jacob schob sich an meine Seite, um ebenfalls einen Blick auf die unschuldige, viereckige Schachtel in meinen Händen zu erhaschen. Neugierig öffnete ich den Deckel, nur um ihn schnell wieder zuzuschlagen. Eine rötliche Färbung der Wangen wäre mir in einem anderen Leben gewiss gewesen.

„Was ist es denn?“

Renesmees Hand griff nach der Schachtel, die ich hoch in die Luft hob.

„Etwas Schönes für Mommy und Daddy“, antwortete Jacob statt meiner neckisch. Sein Grinsen verhärtete sich allerdings, als mein Blick ihn traf. „Nichts für dich, kleine Maus“, fügte er hinzu und piekste sie in die Seite, brachte sie mit dieser kleinen Neckerei wieder dazu, an ihrem unterbrochenen Spiel teilzunehmen.

Ich schaute den Beiden noch einige Sekunden zu, bis ich mich auf den Weg ins Haus machte.
 

Ich gesellte mich zu Esme in die Küche, wo sie ein neues Gericht über den Online-Koch-Kanal ausprobierte.

Als Carlisle den Raum betrat, berichtete ich ihm von unseren Nachforschungen, und dass es zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Grund zur Sorge gab. Er nahm es ziemlich gelassen auf, wahrscheinlich hatte er mit nichts anderem gerechnet.

Ich blieb noch bis Jacob und Renesmee über das gerade gekochte Menü herfielen in der Küche. Warum ich mittlerweile eine Abneigung gegen den Geruch von gebratenem Fleisch entwickelt hatte, war mir ein Rätsel, die anderen schien er nicht zu stören.

Ich warf einen kurzen Blick auf das Bett in unserem Zimmer, versteckte die Schachtel darunter und musste mich für meine Wahl wirklich selber loben. Das Bett sah aus, als hätte es noch nie zuvor woanders gestanden, als wäre es für dieses Zimmer gebaut worden. Zufrieden wand ich mich den Korridor hinunter.

Ich klopfte leicht gegen das Holz der geöffneten Tür.

„Hey! Beschäftigt?“

„Ach quatsch, komm rein.“

Alice durchwühlte gerade Unmengen an Kartons, jede Wette, dass Zweidrittel davon mit Kleidung vollgestopft waren, obwohl Alice jemand war, der nicht gut Dinge wegschmeißen konnte. Sie hatte eine ganze Schuhschachtel mit Kinokarten. Einen ganzen Vormittag hatte ich mal damit verbracht, mir die einzelnen, abgerissenen Kärtchen anzusehenwelche, wobei welche sogar älter als 70 Jahre waren.

Sie wuselte von einem Karton zum anderen, bis sie sich dann plötzlich in sitzender Pose auf den Teppich fallen ließ, ihre Körperhaltung schien steif, unnormal für ihre sonst so graziöse Art.

„Ist etwas?“ Ich trat hinter sie und ließ den Blick auf ein geöffnetes Fotoalbum fallen. „Bist du das etwa?“, konnte ich meine Entzückung über ein altes, schwarzweißes Foto nicht in Zaum halten. „Und das ist Jasper, nicht wahr?“, wand ich mich zum nächsten Bild.

Sie nickte.

„Sind da auch Bilder von Edward drin?“

„Natürlich.“

Sie lächelte und reichte mir das Album, mit dem ich mich auf das große Bett zurückzog. Begierig blätterte ich die Seiten durch, grinste über die scheußliche Kleidung und die steifen Posen der mir fremden Personen auf den Bildern. Auch ohne Farbe konnte man Vampire von Menschen sehr gut unterscheiden.

Aus dem Augenwinkel verfolgte ich, wie Alice ein Regal nach dem nächsten mit Alben, Büchern oder sonstigem Kleinzeug bestückte, doch erst, als ich mit den Seiten in meinem Schoss durch war, flackerte die zuvor aufgekommene Besorgnis wieder auf. Ein Blick auf Alice ließ vermuten, dass ich mich nicht getäuscht hatte.

„Alice, ist irgendetwas?“

Sie schüttelte leicht den Kopf. „Was soll denn sein?“

„Ich weiß nicht, hast du vielleicht irgendwas gesehen?“

Ich tippte einfach mal ins Blaue.

„Nein.“

Sie drehte sich um und sofort erkannte ich, dass es nicht gelogen war. Aber das zarte Beißen auf ihrer Lippe und die nervöse Haltung verrieten, dass da irgendetwas sein musste.

„Du weißt doch, dass deine Geheimnisse bei mir sicher sind“, versuchte ich sie zu ermutigen, sich mir zu öffnen.

„Ja, natürlich, aber ehrlich, ich weiß gar nicht, ob es da irgendwas gibt.“

„Aber irgendwas bedrückt dich doch, oder?“

„Versprichst du mir etwas?“

Sie setze sich zu mir aufs Bett, fragend blickte ich ihr in die kindlichen Augen.

„Sag mir doch erst einmal was genau los ist.“

Ich wusste nicht, wie weit ich mich aus dem Fenster lehnen würde, wenn das Versprechen bedeuten sollte, Edward etwas Wichtiges zu verheimlichen.

„Ich komm nicht mehr weiter in meiner Version“, fing sie an. „Wir sitzen alle in der Küche und bereden etwas. Als nächstes stehe ich auf, Jasper sagt etwas zu mir und lächelt mich an. Danach verlasse ich den Raum, und dann…“

„Dann was?“

Neugierig hing ich an ihren Lippen, was würde als nächstes passieren? Wieder die Volturi, eine neue Gefahr, etwas total Unerwartetes?

„Dann wird einfach alles schwarz.“

Ihre Schultern hoben sich kurz und senkten sich wieder.

„Und das war’s?“

Sollte ich enttäuscht sein?

„Ja, ich sag doch, dass es nicht wirklich von Belang ist.“

„Kannst du denn hören über was zuvor gesprochen wird?“

„Nein.“

„Was danach passiert?“

„Nein.“

„Gar nichts?“

„Das ist es ja gerade, danach ist wirklich alles schwarz. Was ich auch versuche zu sehen, ich komme nicht über diesen Punkt hinaus, so als wäre danach einfach nichts mehr zu sehen.“

„Es hört sich an, als würdest du vom Ende der Welt sprechen.“

Ich lachte auf, obwohl ich gerade überhaupt nichts Scherzhaftes in diese Aussage setzen konnte, und dass sie daraufhin schwieg, ließ mich auch nicht optimistischer werden.

„Weißt du, wann es ist? Ich meine, dieses Gespräch in der Küche.“

„Es ist in diesem Haus.“

Sie biss sich erneut auf die Lippe.

„Und um was wolltest du mich jetzt bitten?“

Sie lächelte mich aufmunternd an, versuchte die Sorge in meinem Gesicht hinfort zu wischen. Ohne es erwartet zu haben, zog sie mich an sich und flüsterte mir ins Ohr.

„Du darfst Jasper nicht gehen lassen, wenn mir etwas passiert.“
 

Kapitel 06 - Aufwühlende Stunden - Ende

Bis zum Morgengrauen

Autor: littleblaze

E-Mail: little_blaze_2000@yahoo.de
 

Disclaimer: Alle Rechte an den Bis(s)-Charakteren gehen auf das Konto von Stephenie Meyer und ich selber verdiene keinen einzigen Cent mit meiner Story.
 

Neue Charaktere, die Storyline, selbsterstellte sowie editierte Bilder und sämtliche, für die Story erstellten Extras gehören mir und dürfen nicht ohne meine vorherige Zusage auf anderen Seiten, Portalen oder Foren gepostet werden.
 

Kapitel 07 - Bis zum Morgengrauen
 

„Du darfst Jasper nicht gehen lassen, wenn mir etwas passiert.“

Immer wieder spukte mir der kleine Satz durch den Kopf. Mittlerweile hatte ich aufgegeben, auf Alice einzureden, da sie immer nur meinte, es mache nicht viel Sinn, sich über die Zukunft Gedanken zu machen, wir könnten nicht wissen, was geschehen würde, könnten uns nicht vorbereiten, auf eine eventuelle Gefahr, wenn es denn überhaupt eine gab… Bis jetzt hatten wir null Anhaltspunkte.

Sie war fest davon überzeugt, dass es etwas total Banales, Unwichtiges oder ziemlich Logisches sein musste, was dazu führte, dass sie nichts sehen konnte. Sie versuchte es runterzuspielen, dem ganzen wenig Bedeutung zuzuschreiben, doch mich machte diese plötzliche Ungewissheit verrückt, warum ich auch ziemlich ungehalten ihr Zimmer verlassen hatte.

Und was dachte sie sich eigentlich? Dass ich Jasper von irgendetwas abhalten könnte, gerade ich?

Ich griff nach der Hand meiner Tochter, streifte ihr Armband ein wenig zurück und legte die warmen Finger auf mein Gesicht. Ich hatte mich in ihr Bett verkrochen, um nicht noch mehr in die Luft zu gehen. Nach allem, was wir durchgemacht hatten, verstand ich nicht, wie Alice es so unbekümmert von sich schieben konnte. Ihre einzige Sorge schien zu sein, was mit Jasper passieren könnte, wenn ihr etwas zustoßen würde, und ich hatte ihr bestimmt ein dutzend Mal versprechen müssen, dass ich alles in meiner Macht stehende tun würde, um ihn vor Dummheiten zu schützen.

Genervt schüttelte ich den Kopf und versuchte mich in den feinen Zügen des Gesichts vor mir zu verlieren. Begierig horchte ich auf den regelmäßigen Herzschlag, setze ihren Finger ein wenig mehr Druck zu. Es kam nur selten vor, dass sie im Schlaf unbewusst ihre Gedanken teilte, doch manchmal konnte man einiges aufschnappen. Es fühlte sich an, als würde man in einem geheimen Tagebuch schnüffeln, doch ich brauchte so dringend ein wenig Ablenkung. Der Fernseher hätte es nur für Minuten geschafft, Alice würde ich nur weiterhin mit sorgenvollen Fragen bombardieren, wenn ich in ihrer Nähe sein würde, und die ungeöffneten Kartons überall im Haus sah ich gerade als eher lästige Tätigkeit an.

Und ja, ich hatte ihr tatsächlich meine Zusage gegeben, die ganze Sache vor den anderen erst einmal geheim zu halten. Was sollten wir ihnen auch erzählen: Das alles schwarz wurde? Es würde sie nur in Alarmbereitschaft versetzen und uns das Leben schwerer machen als es vielleicht notwenig war, hatte Alice lächelnd hinzugefügt. Bis jetzt gab es einfach nichts… nichts!

Wahrscheinlich gerade aus diesem Grunde schwirrten in meiner vernunftwidrigen Vorstellung drei Möglichkeiten herum:

1. Wir hatten wirklich das Ende der Welt zu erwarten.

2. Alice Zukunft würde so stark mit Jacob oder einen anderen Werwolf verbunden sein, dass sie einfach nichts mehr sehen konnte.

3. Ihre Gabe verflüchtigte sich.

Möglichkeit eins schloss ich, ohne groß darüber nachzudenken, aus; bei der zweiten konnte ich mir auch mit der gigantischsten Vorstellungskraft nicht ausmalen, dass sie eine so starke Bindung mit einem Werwolf eingehen könnte; und die dritte… ehrlich gesagt, keine Ahnung.

Vielleicht war es ja wirklich möglich, dass eine Gabe wieder nachließ, einfach verschwand? Vielleicht hemmten Jacobs und Renesmees Anwesenheit ja nicht nur ihre Fähigkeit, sondern ließ sie auch stetig abnehmen? Aber warum dann erst ab einem gewissen Zeitpunkt? Also auch eher unwahrscheinlich, womit ich wieder bei Punkt Nummer zwei angelangt war.

Ich zuckte erschrocken zusammen, als mich eine Erinnerung meiner Tochter erreichte:

Renesmee kauerte nervös am Boden, sie war im Wald.

„Jacob!“

Ihre kleine Hand zeigte in die Richtung eines Dornenbusches, Renesmee schien nicht älter als einige Monate zu sein. Ein feines Rascheln durchzog die Luft, ließ den kleinen Busch erzittern, mein Kind stolperte zurück und verkroch sich in Jacobs Arme. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, aber seine unverkennbaren Hände boten ihr Schutz. Im Gegensatz zu ihr, schien er keineswegs besorgt zu sein.

„Du brauchst keine Angst zu haben.“

Ich konnte eine ermutigende Berührung spüren, doch ein erneutes Rascheln ließ sie noch näher rücken und er lachte leicht auf, als eine kleine Maus zum Vorschein kam.

Schnell wand sie sich aus seinen Armen und verzog ärgerlich das Gesicht.

„Na, was habe ich gesagt, kleine Maus.“

Er stupste sie neckisch in die Seite.

„Wenn du es Daddy erzählst, rede ich kein Wort mehr mit dir.“

Die Erinnerung ließ nach und ich legte meine Hand nun sanft an ihre Wange. Ich liebte die Wärme an ihr, den unvergleichbaren Geruch, mein früherer war garantiert nichts im Vergleich dazu gewesen. Ihre Lippen verformten sich leicht, aber es kam kein Ton darüber.

Die neuen Bilder in meinem Kopf drängten mich wieder in eine andere Richtung: Jacob!

Die ganze Prägungsgeschichte wollte mich ebenfalls nicht mehr loslassen, war ich wirklich so naiv gewesen? Anscheinend, denn wenn man mal logisch über das Ausmaß dieses Phänomens nachdachte, musste es einem doch eigentlich klar sein, dass auch andere Verbindungen weiterhin bestehen konnten. Immerhin hörten die Werwölfe ja auch nicht, auf ihre Eltern oder Geschwister zu lieben, Freundschaft zu empfinden oder neue Freundschaften, auch außerhalb des Rudels, aufzubauen. Auch trotz Prägung konnten sie noch in vielerlei Form Liebe für andere empfinden; selbst Sam, hatte immer noch etwas für Leah empfunden. Wenn wirklich alle vorhandenen Verknüpfungen einfach aufgehoben worden wären, was wäre Jacob gewesen; ein irrationales, gefühlskaltes Monster, dessen einziger emotionaler Zwang nur noch in eine Richtung ging?

Das war nicht so, er war nicht so.

Schob die Prägung also nur bestimmte Dinge in den Hintergrund und eine Sache, nach ihrer Vorstellung gewählt, an die Spitze? Wurde sie zwar zum Wichtigsten von allem, aber nicht zum Einzigen? Und… hatte ich es mir nur einfach gemacht, indem ich gedacht hatte, dass Jacob keine Gefühle mehr für mich hegte, hätte ich das Gegenteil gesehen, wenn ich nur richtig hingeschaut hätte?

„Nicht, dass du dir jetzt Gedanken machst, es ist schon lange nicht mehr so wie damals. Du bist mir zwar immer noch sehr wichtig, aber meine… na ja, ziemlich intensiven Gefühle für dich, haben schon lange nachgelassen. Die letzten Jahre haben mir deutlich gezeigt, wo du hingehörst.“

Er hatte auf der anderen Seite des Wagens gestanden und mich breit angegrinst. Es war so beruhigend gewesen, dies zu hören, und ich glaubte, gerade deswegen hatte er es gesagt.

Ich glitt geschmeidig vom weichen Bett und drückte Renesmee das Stoffpony, welches ein Geschenk von Emmett zu ihrem ersten Geburtstag gewesen war, in die Arme. Sofort wurde sich daran gekuschelt. Damals hatte sich Renesmee wie verrückt ein eigenes Pony gewünscht, doch niemand von uns wollte der Versuchung erliegen, ein lebendes Tier in der Nähe zu haben, wenn der Hunger einmal überhand nahm.

Die kleine, verschnörkelte Nachttischlampe knipste ich aus und verließ mit einem befriedigten Blick auf mein Kind das Zimmer. Waren wir wirklich erst 24 Stunden in diesem Haus? Mir kam es so vor, als hätte ich sie schon immer genau so, in diesem Bett, schlafen sehen.
 

Ich hatte vor, nach unten zu gehen, zu hören, ob es von Edward und Jasper schon etwas Neues gab. Da sie nur zu einer Zweigstelle des Autoverleihers mussten, erwarteten wir ihre Rückkehr ziemlich bald. Doch ich stoppte an der leicht angelehnten Tür zu Jacobs Zimmer. Ich konnte nicht anders, als mich sacht dagegen zu lehnen und sie zu öffnen, ich trat hinein.

Auch hier lagen Kisten und Kartons auf dem Boden verstreut, zwar in geringerer Anzahl, aber er hatte sich wohl schließlich doch, trotz des scheußlichen Teppichs, überreden lassen, dieses Zimmer zu wählen. Jacobs Beine ragten an den Seiten des Bettes über die Kante, die Decke lag verwaist auf dem Boden, nur in Boxershorts lag er da.

Ich trat näher und hob die Decke vom Boden auf. Jacobs Schnarchen hielt sich in Grenzen, ein eindeutiges Zeichen dafür, dass es kein erholsamer Schlaf war. Leise trat ich noch einen weiteren Schritt vorwärts, die Decke hielt ich umklammert. Er würde es wahrscheinlich bemerken, wenn sich ihr Gewicht über ihn legen würde, und ich wusste nicht, ob ich es dazu kommen lassen wollte.

Ich faltete sie und legte sie ihm zwischen die Beine, daraufhin schweifte mein Blick umher. Bis jetzt hatte ich dieses Zimmer noch gar nicht zu Gesicht bekommen. Der Teppich war wirklich nicht der Renner, hier musste eindeutig was getan werden. Das Bett war eigentlich ziemlich schön, in einem rötlichen Braunton und ohne viel Schnick-Schnack, aber leider viel zu klein für seinen neuen Bewohner. Die Bilder an den Wänden erzählten kleine Geschichten vom amerikanischen Bürgerkrieg und die zweite Tür im Raum führte zu demselben Badezimmer, welches auch meine Tochter benutzte.

„Was schleichst du hier herum?“

Meine Neugier hatte ihn anscheinend geweckt.

„Ich wollte nur nachschauen, wie es dir geht.“

Hatte mich dies oder mein schlechtes Gewissen hinein gelockt?

„Mir geht es gut, hör endlich auf, dir Sorgen zu machen.“

Er wand sich in dem zu kleinen Bett und schlüpfte unter die Decke, vielleicht war es ihm inzwischen peinlich, so gut wie nackt vor mir zu liegen. Trotzdem machte er mir Platz und ich setzte mich auf die nun freie Bettkante.

Ich blickte anfangs an ihm vorbei, sein Augenmerk lag natürlich felsenfest auf mir, etwas, das ihm nie besonders schwer zu fallen schien. Erst nachdem ich die Wolfsstatur auf dem Nachttisch entdeckt hatte, schaffte ich es, ihn direkt anzuschauen.

„Vermisst du sie?“

„Was denkst du?“

„Du hast Recht, blöde Frage.“

„Ziemlich blöd.“

„Ich wünschte, ich könnte irgendetwas tun.“

„Das kannst du aber nicht.“

„Ich weiß, aber wünschen ist ja wohl noch erlaubt, oder?“

Er wollte wohl etwas Missmutiges von sich geben, aber er hielt sich zurück. Seine Augen hatten sich kurz verengt, seine Mundwinkel verzogen. Wollte er vielleicht nicht darüber sprechen, lieber für sich alleine leiden?

Die plötzliche Stille machte mich irre. Ich fühlte mich total fehl am Platz und versuchte, eine Ausrede zu finden, um das Zimmer verlassen zu können, obwohl ich dies gar nicht wollte.

„Ich habe mit meinem Vater telefoniert.“

„Und, wie geht es ihm?“ Am liebsten hätte ich nachgefragt, ob er wusste, wie es Charlie wirklich ging, nicht dass, was dieser mir nur bei unseren eigenen Gesprächen verkaufen hatte wollen. Aber ich ließ Jacob seinen Moment.

„Seth geht es nicht gut.“ Alles in mir verkrampfte sich. „Er isst nicht, seit wir gefahren sind.“

„Vielleicht solltest du mal mit ihm reden?“

Oder vielleicht sollte Edward es mal versuchen?

„Das ist nicht nötig, Sam wird es ihm irgendwann einfach befehlen.“

„Mmh.“

Ob Kummer sich so einfach mit einem Stückchen Fleisch wegwischen lassen würde?

Jacobs Stimme klang kalt, doch ich erkannte sofort, dass er seine Besorgnis vor mir nur in Grenzen halten wollte. Am liebsten hätte ich ihn nun umarmt und ihm gesagt, dass alles sich irgendwann schon geben würde, aber meine Glieder fühlten sich steinhart an und wollten sich nicht vorwärts bewegen. Außerdem wusste ich nicht, ob es wirklich der Wahrheit entsprechen würde. Ich hoffte es einfach nur.

Ich vernahm das Herankommen eines Fahrzeugs.

„Wie viel Uhr ist es?“, fragte Jacob, nachdem er ebenfalls sein Kommen bemerkt hatte.

„Kurz vor vier, denke ich.“

Der Wagen kam zum Halten und Edward und Jasper betraten das Haus.

„Ich werde dann mal sehen, ob es etwas zu berichten gibt.“

„Ja, tu das.“

Er drehte sich weg und ich stand auf.

„Jake?“ Er verblieb in seiner Position. „Ich hoffe du weißt, dass du immer zu mir kommen kannst?“

Ob es wirklich ein leichtes Nicken war, wusste ich nicht, ich wollte auch nicht nachfragen und verließ eilends das Zimmer. Jasper kam mir auf dem Korridor entgegen, sein unbesorgter Blick ließ mich wissen, dass alles in Ordnung war.

Ich horchte ins Untergeschoss und wartete das laufende Gespräch sitzend auf der obersten Treppenstufe ab. Ich hatte keine große Lust, Carlisle und Esme an meiner kommenden Konversation mit Edward teilhaben zu lassen, obwohl sie es bestimmt auch so mitbekommen würden. In diesem Haus gab es nicht viele Geheimnisse, selbst beim gerade stattfindenden Dialog zwischen Alice und Jasper musste ich mich zwingen, nicht hinzuhören.

Ich versuchte, mich in eine andere Richtung zu bringen, nicht daran zu denken, was gerade alles auf mich einprasselte. So vieles schwirrte mir seit dem Umzug im Kopf herum, und ich musste schleunigst einiges davon wieder loswerden, sonst würde ich innerlich platzen.

Nur für ein paar Minuten an etwas anderes denken, und ich ging in meiner Erinnerung so weit zurück, wie schon lange nicht mehr, verführte mich, an die Ferienbesuche bei Charlie zu denken, als man mich und Jacobs Schwestern dazu hatte bringen wollen, zusammen zu spielen. Noch ziemlich bildhaft konnte ich mich an die langweiligen Angelausflüge erinnern, bei denen ich schon damals ein Buch der Gesellschaft mit anderen Menschen vorgezogen hatte. Komisch… bei viel wichtigeren Erinnerungen kam ich meist nur über das Schemenhafte hinaus, hier waren die Bilder glasklar.

Mit großer Anstrengung konnte ich mich sogar an den kleinen Jungen erinnern, der um die Gunst seiner Geschwister gerungen und mir ab und an einen schüchternen Blick zugeworfen hatte. Dass mich mein Schicksal irgendwann einmal mit ihm so verbinden würde, wäre für mich ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Aber das Wort „Unmöglich“ hatte sowieso eine ziemlich weite Dehnung in meinem Leben erhalten.
 

Ich holte mich zurück, als es unten ruhiger wurde und Edward sich auf dem Weg nach oben machte. Ein honigsüßes Lächeln kam mir entgegen, als er um die Ecke bog und mich sitzend auf der Treppe entdeckte. Für den Moment wiegte ich ihn in Sicherheit und lächelte ebenfalls. Er stieg empor, hockte sich vor mich und legte mir die Hand aufs Knie.

„Hallo, Mrs. Cullen.“

Es war der betörende Ton in seiner melodischen Stimme, der mich kurz vergessen ließ. Ich wollte etwas erwidern, doch mich überkam ein ungewöhnliches Gefühl von Erschöpfung. Mein Kopf fiel nach vorn und gegen seine Brust, beschützend legten sich seine Arme um mich. Ich atmete tief ein, nicht weil ich Luft benötigte, sondern weil ich mir seiner Anwesenheit einfach noch tiefer bewusst werden wollte. Den Moment zu zerstören lag eigentlich nicht in meiner Willkür, aber ich wollte ihm auch nicht so sehr verfallen, dass ich alles um mich herum vergessen und meinen Instinkten Platz machen würde.

Mein Kopf hob sich einige Zentimeter und ich hauchte leise, aber bestimmt „Wir müssen reden“ gegen seinen Hals. Er versuchte, sich auf meine Ankündigung hin nichts anmerken zu lassen, küsste mich sanft, doch ich wusste, dass er rätselte, was mir jetzt schon wieder auf dem Herzen lag.

In einer fließenden Bewegung erhob er sich mit mir, ich hatte es kaum wahrgenommen, ehe ich stand. Er deutete mir galant den Weg, und ich hasste mich dafür, ihn jetzt schon wieder mit einem alten Thema zu nerven.

In unserem Zimmer angekommen, nickte er in Richtung Bett.

„Du hast eine gute Wahl getroffen“, lächelte er. „Hast du das Päckchen bekommen?“

„Ja… ähm, danke.“

Er spürte sofort, dass ich jetzt nicht näher darauf eingehen wollte.

„Also, was bedrückt dich?“

Edward blieb mitten im Zimmer stehen; wahrscheinlich eine viel vernünftigere Entscheidung, als sich auf das Bett zu setzen, und um alles ein wenig zu beschleunigen, ließ ich meinen Schild fallen und lud das Gespräch mit Jacob erneut hoch.

„Wusstest du es?“

Ich kannte die Antwort bereits, denn er hatte bis jetzt keine Miene verzogen.

„Was genau meinst du? Dass er nach der Prägung immer noch Gefühle für dich hatte?“

„Ja, natürlich, was denkst du, was ich meine?“

„Ja, ich wusste davon.“

Hatte er oder ich den kleinen Raum zwischen uns geschaffen? Plötzlich kam es mir so vor, als wäre der Raum 20 Meter lang und er stand am anderen Ende dessen, weit von mir entfernt.

„Warum hast du es mir nicht gesagt?“

„Was hätte das bringen sollen?“

„Ich hätte es ihm einfacher machen können.“

„Einfacher?“

In seinen Augen blitzte etwas auf, unwiderstehlich sah es mit der momentanen Augenfarbe aus. Welche Wirkung es mit pechschwarzer Farbe gehabt hätte, wollte ich mir gerade gar nicht erst vorstellen, diese Vorstellung machte mich immer ganz verrückt.

„Ja.“

„Sag mal, was dachtest du eigentlich, was es für uns war?“

„Was meinst du?“

Ich verstand seine Frage nicht, worauf wollte er hinaus?

„Du wurdest von meiner Familie akzeptiert, sie wollten dich liebend gerne zu einer von uns machen, hatten dich in ihr Herz geschlossen, und plötzlich hast du angefangen, einen Werwolf, unseren Todfeind, in unser Leben zu zwängen. Du hast ihn uns vor die Füße gesetzt und verlangt, dass wir miteinander klar kommen. Du hast dich von ihm küssen lassen, bist dir deiner Liebe zu ihm klar geworden und hast ihn in unser Haus gebracht… Wir mussten mit ihm leben. Ich habe meiner Familie ziemlich viel abverlangt in dieser Zeit, nur damit du glücklich bist, und du wolltest es für ihn einfacher machen?“

„Edward…“

Mehr als seinen Namen brachte ich nicht über die Lippen. Ich fühlte mich so, wie meine Haut auf andere wirken musste; kalt und versteinert!

Der Mann, den ich über alles liebte, ging einen weiteren Schritt zurück, fügte noch mehr Abstand zwischen uns hinzu. Ich wollte das nicht, nicht den Abstand, nicht mich schon wieder unwohl in meiner Haut fühlen. Hatte ich vielleicht mehr Personen verletzt als angenommen? Was war bloß los mit mir?

„Können wir vielleicht nicht gerade hier darüber reden?“

Erkannt, dass alle unser Gespräch, wenn sie nur wollten, mit anhören konnten, schämte ich mich zutiefst für meine früheren Fehler, was ich der Familie, welche mich immer beschützt hatte, angetan hatte. Ich verstand einfach nicht, wie mir dieser Punkt entgangen war. Wie konnte ich nur so selbstsüchtig gewesen sein?

„Wie du willst.“

Mit einer flinken Bewegung hatte er mich auf die Arme geladen, Sekunden später sprang er mit mir aus dem Fenster. Wir landeten sanft auf dem harten Boden, er rannte los und mein Kopf lag gegen seine Brust. Wir befanden uns in einer Situation, in der jedes menschliche Herz beschlossen hätte, schneller zu schlagen; Streit, Nervosität und das Rennen durch den Wald; und wie so viele Male davor versuchte ich mir vorzustellen, wie sich sein Herzschlag anhören könnte… oft hatte ich mir die Zeit mit dieser Vorstellung vertrieben. Ich stellte mir vor, wie es in seiner Brust gleichmäßig pochte oder wie sein Herz einen kleinen Wink schneller schlug, wenn ich ihm sagte, dass ich ihn liebte. Eigentlich eine komische Angelegenheit, wenn man bedachte, dass mein Herz schon lange Zeit nicht mehr schlug, aber meine Liebe für ihn, auch ohne sein Schlagen, immer größer geworden war. Schenkten wir dem Muskel in unserer Brust nicht viel zu viel Aufmerksamkeit?

„Ist dir das weit genug?“

Er blieb stehen und ich wand mich aus seinen Armen, ohne zu antworten. Die Bäume waren ohne meine Aufmerksamkeit an uns vorbeigezogen.

Meine Unmut war schon gar nicht mehr vorhanden, doch nun konnte ich das Thema nicht einfach so beiseite schieben, oder doch? Ich verspürte so viel Scham in mir, dass ich kaum aufrecht stehen konnte.

„Entschuldige Bella, ich weiß auch nicht, wie ich darauf kam, jetzt damit anzufangen.“

Er war mir immer noch nah und spielte mit meinen Finger, die Geschwindigkeit hatte auch sein Gemüt wieder abkühlen lassen.

„Jacob gehört jetzt zur Familie. Esme hat ihn ins Herz geschlossen wie jeden anderen von uns, Renesmee liebt ihn abgöttisch und sogar Rose hat die Zeit genossen, als sie zusammen an Autos herumgeschraubt haben… aber manchmal…“

Mit Mühe schaffte ich ihn anzusehen.

„Was?“

„Manchmal machst du mich einfach verrückt, Bella. Wenn es früher um Jacob ging, hatte ich immer das Gefühl, dass du annahmst, dass mein Herz genauso kalt und hart wäre, wie meine Haut, dass du meinen Schmerz nicht richtig sehen würdest…“

Am liebsten hätte ich ihn gefragt, was sein Herz damit zu tun haben sollte; blöde Metapher; doch ich verstand was er meinte und schämte mich noch mehr als zuvor. Er hatte das alles nie wirklich ausgesprochen, und was sollte ich jetzt verdammt noch mal tun, mich entschuldigen? Es war nicht das, was er wollte, er versuchte nur, mir etwas begreiflich zu machen, nie war es sein Ziel, mich zu verletzen.

Was hatte ich mir eigentlich gedacht?

Es gab doch im Wesentlichen nichts zu bereden. Ich hatte zwar erfahren, dass Jacobs Gefühle nicht von einer auf die andere Sekunde gegangen waren, aber trotzdem war das Endergebnis, also dass er nun nicht mehr so für mich empfand, doch immer noch dasselbe. Es hatte sich nichts verändert, es gab nichts zu diskutieren. Wahrscheinlich war ich einfach nur mal wieder sauer darüber gewesen, dass Edward etwas vor mir verheimlicht hatte, mir nicht geholfen hatte es zu verstehen? Natürlich war ich in erster Linie wütend auf mich selbst, aber hätte er mir nicht einen Wink mit dem Zaunpfahl geben können?

Mein Gesicht wand sich hinab zu unseren Händen, wo er nervös mit meinem Ehering spielte, und plötzlich umgab mich eine schlimme Befürchtung: Dachte er etwa, ich würde zweifeln, an uns zweifeln?

Ich befreite meine Hände und stürzte mich auf ihn. Mein Griff in seinen Nacken war hart und ich zog ihn zu mir hinab, verwundert war er, als sich unsere Lippen trafen. Eine berechenbare Art, ihn von meiner Liebe zu überzeugen, aber das war mir egal, ich wollte ihn jetzt einfach an mir spüren. Ich wollte nicht mehr über frühere Zeiten nachdenken, nicht verstehen, warum es Dinge gab, die man besser vor mit verheimlichte. Ich wollte nur ihn und das mit jeder Phase meines Körpers. Die Vernunft ließ ich fallen und überließ mich ganz meinen Instinkten. Ich spürte, roch und schmeckte ihn so unglaublich intensiv, jede Berührung von ihm fühlte sich an, als würden Millionen kleiner Spinnen meine Haut besiedeln… ein Gefühl, das mich nur noch stärker vibrieren ließ.

Nur mit Mühe schaffte ich es, mich noch einmal von ihm zu trennen, denn er hatte es mir derweil gleich getan und in seinem Kopf eine andere Priorität an erster Stelle rücken lassen. Ich hielt sein Gesicht fest mit meinen Händen umschlossen.

„Nichts hat meine Entscheidung je ins Wanken gebracht“, stieß mein Atem gegen seine Lippen und das darauf folgende zarte Lächeln spürte ich mehr, als dass ich es sah.

Wir trafen uns erneut, heftiger und intensiver. Nicht nur seiner Anwesenheit war ich mir auf einmal so durchdringend bewusst, auch die Umgebung nahm mich nun in Beschlag; Bäume, Erde, Schnee…

Unerwartet stieß ich ihn von mir. Er spürte sofort den Jagddrang in mir, doch nicht die Tiere des Waldes lösten diesen aus, sondern er, als er mich nun wild und begierig ansah. Ich streifte meine Schuhe von den Füßen und grinste ihn hochmütig an.

„Ich geb dir fünf“, hob er die Finger ausgestreckt empor.

„Ich will sieben.“

"Sechs!"

„Ok!“

Er beugte sich angriffslustig vor und fing an zu zählen, bei Zwei war ich schon hinter den Bäumen verschwunden. Ich wusste zuerst nicht, wohin ich laufen sollte, die Umgebung war mir schließlich fremd, als ich auf einen Wegweiser zum Gipfel des Berges stieß. Gerade meine Entscheidung getroffen, spürte ich die schnellen Schritte hinter mir. Mich wirklich wie eine Beute fühlend, setzte ich mich wieder in Bewegung.

Er war schnell, viel zu schnell für mich, es würde nicht lange dauern, bis er mich eingeholt haben würde. Ich sprang auf einen Baum, die Rinde blätterte unter meinen Fingern, ein Ast brach unter meinem Gewicht ab, und ich nahm dies als Anreiz dafür, zum nächsten Baum zu springen. Ich hatte viel zu viel Zeit mit diesem Baum verbracht.

Mitten im Sprung fühlte ich, wie sich der Widerstand der Luft verzog, Bewegungen neben mir. Durch eine schnelle Drehung änderte ich meine Flugbahn und wich ihm aus, streckte ihm neckisch die Zunge entgegen.

Wieder festen Boden unter den Füßen rannte ich, was meine Beine hergaben. Es dauerte nicht lange, bis sich Schnee auf meinen Weg setzte, die Luft ein wenig dünner wurde. Die Bewegungen hinter mir waren nah, ich schaute mich nicht einmal um, in der Angst, Millisekunden Zeit damit zu verschwenden. Ich brach durch schneebedeckte Büsche auf den Gipfel, gleichzeitig riss mich Edward aus der Bewegung hinaus. Er nahm meinen Körper in Besitz und wir glitten einige Meter über dichten Schnee.

Ich grinste ihn siegessicher an, als wir endlich in der Bewegung stoppten und ich seinen Körper unter mir begrub.

„Von dir lasse ich mich jeder Zeit gefangen nehmen.“

Er lächelte, doch mein Gesicht blieb ernst, als ich meine Hand auf seine Brust legte und vorsichtig anfing, die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen. Ich mochte das Hemd, es sollte nicht kaputt gehen.

Ich setzte mich auf und zog ihn mit mir, damit ich ihm den blauen Stoff vom Körper streifen konnte, seine Lippen legten sich auf meinen Hals. Er beugte mich nach hinten und ließ meinem Kleidungsstück leider nicht so viel Vorsicht zukommen. Mit einem Ruck hatte es meinen Oberkörper verlassen, fordernd legte sich seine Hand auf die freigewordene Haut. Alle Luft, welche sich noch in mir befand, verließ in einem wohligen Knurren meinen Körper, meine Finger glitten gierig über seinen Rücken, und hinter uns wurde eine Spur vom Morgengrauen sichtbar.
 

Kapitel 07 - Bis zum Morgengrauen - Ende

Der erste Schultag

Autor: littleblaze

E-Mail: little_blaze_2000@yahoo.de
 

Disclaimer: Alle Rechte an den Bis(s)-Charakteren gehen auf das Konto von Stephenie Meyer und ich selber verdiene keinen einzigen Cent mit meiner Story.
 

Neue Charaktere, die Storyline, selbsterstellte sowie editierte Bilder und sämtliche, für die Story erstellten Extras gehören mir und dürfen nicht ohne meine vorherige Zusage auf anderen Seiten, Portalen oder Foren gepostet werden.
 

Kapitel 08 - Der erste Schultag
 

Mit dem geliebten, blauen Hemd bekleidet, die Schuhe in der Linken und Edwards Hand in meiner Rechten betrete ich mit Edward unser neues Zuhause. Der Geruch von gebratenen Eiern zog uns in die Küche.

Seit Renesmee hauptsächlich menschliche Nahrung zu sich nahm, verbrachten wir einige Stunden am Tag dort. Es war schön, wenn wir wie eine ganz normale Familie um den Esstisch saßen.

Ein Grinsen lag auf einigen Gesichtern, als wir eintraten, und es wurde uns einen guten Morgen gewünscht. Wäre Emmett zugegen gewesen, hätten wir uns wahrscheinlich einen schmutzigen Witz über unsere gerade ausgetragene Tätigkeit anhören dürfen. Ich vermisste ihn schrecklich.

Ich entschuldigte mich kurz, um mir etwas anderes anzuziehen und mich zu waschen. Dass nur mein Körper von Schneematsch und Erde benetzt war, während Edward gerade mal eine Tannennadel an seiner Hose hängen hatte, war mal wieder so was von typisch.

Ich drehte mich zur Tür und entdeckte gerade noch, bevor ich den Raum verließ, die vier kleinen, eher unauffälligen, braunen Tüten auf der Anrichte: Schulbrote!

Zwar nur Tarnung, aber trotzdem ein eindeutiges Indiz, dass unser inszeniertes Leben in die nächste Runde ging.

Am liebsten hätte ich mich krank gemeldet. Da ich aber weder auf übernatürliche Weise schwanger geworden war, mir keine Gliedmaße fehlten und Viren und Bakterien meinem Körper nichts anhaben konnten, dachte ich nicht, dass ich mit dieser Ausrede auch nur die kleinste Chance gehabt hätte. Also Augen zu und durch, vielleicht gewöhnte man sich in den Jahren ja auch an das unbeliebte Phänomen: Erster Schultag.

Die bereitgelegte Kleidung auf dem Bett stieß mir sofort ins Auge, als ich das Zimmer betrat; Alice hatte mal wieder nichts dem Zufall überlassen. Ich ließ meine Schuhe auf den Boden fallen und fragte mich kurz, wo und ob ich überhaupt irgendetwas an Duschzeug eingepackt hatte. Ich verwarf die Überlegung aber schnell wieder, da mir einfiel, dass mir überhaupt keine Dusche zur Verfügung stand.

Wie aufs Stichwort stand Alice in der Tür.

„Du kannst natürlich das Badezimmer von Jasper und mir benutzen“, lächelte sie.

„Ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen sollte, Alice.“

Ich schlang meinen Arm um ihre zarte Schulter und zusammen gingen wir den Korridor hinunter.

„Danke, dass du es ihm nicht gesagt hast.“

Ihr Kopf drückte sich gegen meine Halsbeuge.

„Ich habe es dir doch versprochen“, wog ich ab, obwohl es mich schon ein klein wenig belastet hatte:

„Ab heute keine Geheimnisse mehr.“

Er zog mich zu sich und küsste mich erneut. Wir hatten gerade den Gipfel verlassen. Ich nickte nur leicht, als sich mein Gesicht wieder unter meiner alleinigen Kontrolle befand.

„Was ist?“

„Nichts, es ist nur…“

Natürlich wurde er sofort hellhörig, er musste denken, es gab etwas, was ich vor ihm verheimlichte, und genau genommen, war dies ja schließlich auch der Fall. Ich musste an Alice und ihre ungeklärte Vision denken oder besser, an eine Vision, die eigentlich gar keine richtige war. Ich hatte versprochen zu schweigen. Würde mir dieses Versprechen nun das Genick brechen?

„Es ist nur wegen Alice… ihre kleinen Geheimnisse, du weißt schon.“

Ich grinste breit und tat es mit einer Handbewegung ab. Jeder in der Familie wusste, dass sie mir einige unbedeutende Dinge erzählte, weil sie bei mir sicher vor Edwards Entdeckung waren.

„Ach so.“ Er grinste noch breiter als ich. „Die Kleinigkeiten von Alice sind von dieser Regel natürlich ausgeschlossen.“

Er drückte mich fest an seinen nackten Oberkörper. Das aufkommende Gefühl würde ich mit Übelkeit vergleichen… Ich fühlte mich richtig mies.
 

Es war schon ein komisches Bild, das die Tochter auf der Treppe des Hauses zeigte und den Eltern einen schönen Tag in der Schule wünschte. Ich grinste verkniffen, umfing sie in einer Umarmung und ermahnte sie, brav zu sein. Wer weißt, was ihr alles einfallen könnte, um ihre neue Umgebung zu entdecken.

Ich zwinkerte Jacob verschwörerisch zu, als Renesmee ihren Vater umarmte. Es war das erste Mal, dass wir sie so regelmäßig alleine lassen würden, nur Esme und Jacob würden bei ihr sein. Nicht wirklich beruhigend, musste ich mir eingestehen, beide waren einfach zu leicht von ihr beeinflussbar.

Ich fuhr mit Edward und Jasper bei Alice mit. Die Fahrt verlief zum größten Teil schweigend. Ich hatte mit ein paar aufbauenden Späßen gerechnet, aber Edward spürte wohl ganz genau, dass ich mich nicht wirklich wohl fühlte und beließ es fürs erste bei einem aufmunternden Lächeln. Meine Hand lag unter seiner begraben, während einer meiner Finger desinteressiert auf dem Radio herumtippte.

„Denk einfach daran, dass du stärker, schneller, gefährlicher und vor allem…“ Er hob meine Hand zu seinen Lippen und küsste zärtlich ihren Rücken. „…schöner als sie bist.“

„Ähm, lass mich das eben notieren.“

Gespielt suchte ich nach einem Stift.

„Wenn dir jemand zu Nahe kommt, fress ich ihn auf.“

Er ließ seine makellosen Zähne aufblitzen und knurrte verwegen. Ich konnte nicht anders als ihn gierig zu küssen.
 

Menschenmengen, laute Musik, durcheinander gewirbeltes Gequatsche, alles ganz normal für einen Parkplatz einer Highschool, und die ersten Anzeichen dafür waren schon Straßen vorher zu vernehmen. Würde mein Herz noch schlagen, würde es dies nun garantiert einige Takte schneller tun.

Es war nicht annähernd mit der Erfahrung in Forks zu vergleichen. Ich war nicht einfach nur Isabella Swan, ein ganz normales Mädchen, welches zu ihrem Vater gezogen war und nun auf eine andere Schule kam… nein!

Ich war Isabella Cullen, eine Waise, deren Eltern bei einem Zugunglück ums Leben gekommen waren; Ein Mädchen, das mit vier anderen Kindern von einem Arzt aus Washington adoptiert worden war; Ein Mensch, weder Vampir, noch Ehefrau, noch Mutter eines 4 ½ jährigen Mädchens. Mir fiel erschreckend ein, dass ich total vergessen hatte, mir noch einmal die gefälschten Papiere meiner Vergangenheit anzuschauen oder mich mit den Fakten der anderen vertraut zu machen. Doch nun war es zu spät dafür, wir fuhren bereits die Auffahrt der Schule hoch.

Es ging nur langsam voran, Schüler kreuzten unseren Weg. Doch als zügig dem schicken Wagen Platz zu machen, blieben die meisten neugierig stehen und versuchten, einen Blick auf die Insassen zu werfen. Ich presste meinen Körper steif in den Sitz, meine Hand hatte Edward derweil losgelassen.

„Stärker, schneller, gefährlicher und schöner“, presste er zwischen den Zähnen hervor und grinste gelassen in die Menge vor sich.

Ich schloss kurz die Augen, atmete tief ein und tat es ihm dann einfach nach. Ich lächelte.

Wir parkten neben Alice und Jasper am Rande eines Gebäudes. Edward tätschelte meine Hand, bevor er ausstieg und sich auf eine graziöse, lockere und einfach hinreißende Art gegen den Wagen lehnte. Er flüsterte mit Jasper, woraufhin dieser durch das Fahrerfenster zu mir hinein schielte und den Großteil der aufwühlenden Emotion für den Moment verschwinden ließ. Ich atmete noch einmal ein und stieg dann aus dem Wagen.

Unter anderen Umständen hätte Edward mir gentlemanlike die Tür aufgehalten. Er würde mich bezaubernd anlächeln, mir die Hand hinhalten und mich zu sich hoch ziehen. Vielleicht wurde ich in seinen Armen noch kurz innehalten und ihm gestatten, dass unsere Lippen sich zärtlich berührten, ihn küssen, begehren und dann versuchen, der Leidenschaft zu entfliehen… Doch zurzeit sollten wir uns zurückhalten.

Da unsere Familie nach Betrachtung von Fremden erst vor kurzem zusammen gefunden hatte, sollten wir kein zu großes Zugehörigkeitsgefühl symbolisieren. Mit den voranschreitenden Wochen würden wir ihnen dann eine oscarreife Vorstellung bieten dürfen, wobei uns jeder abkaufen sollte, dass wir uns gerade erst ineinander verliebten. Eine Aufgabe, die uns nicht besonders schwer fallen sollte.

Nun stand ich aber erst einmal alleine auf meiner Seite des Wagens und war mir gut zwei dutzend neugieriger Blicken bewusst. Schlimmer als das war aber ihr Getuschel hinter vorgehaltener Hand oder abgewandten Gesichtern. Natürlich waren sie sich nicht darüber bewusst, dass weder dies noch ihre Gedanken vor uns sicher sein würden.

Ich ließ die Autotür ins Schloss fallen und gesellte mich zu meinen angeblichen Geschwistern. Edward reichte mir meine Tasche aus dem Kofferraum, ich drehte mich zu ihm um, schaute ihm in die Augen und versuchte, die Blicke im Rücken zu ignorieren. Er lächelte… mal wieder.

Für ihn war dies hier nichts Neues, und auch wenn er versuchte, sich in mich hineinzuversetzen, konnte es ihm kaum gelingen. Meinen Schild wollte ich dennoch nicht fallen lassen, um ihn an meiner momentanen Gefühlswelt teilhaben zu lassen. Ich fühlte mich gerade so angreifbar, dass mein Schild das einzige war, worin ich etwas Sicherheit sah. Doch wovor sollte er mich schon auf einer Highschool mit ganz normalen Teenagern beschützen?

Wir gingen mit einem halben Schritt Abstand über den Schulhof hinweg. Edward schien sich Gesichter zu den jeweiligen Gedanken einzuprägen, Alice lächelte aufrichtig jedem ins Gesicht und Jasper schaute einfach starr in die fremden Gesichter, als wären dort gar keine vorhanden und schien die ganze Prozedur um einiges besser wegzustecken, als ich gedacht hatte.

Unser erster Gang führte uns in das Vorzimmer des Direktors.

Mrs. Patch überreichte einige Bücher und jedem von uns einen kleinen Zettel auf dem zwei Nummern notiert waren. Ich schielte flüchtig auf Edwards Papier in dessen Handfläche und steckte mein eigenes demoralisierend in die Jackentasche.

Als nächstes ging es durch einige Flure, durchstochen von Blicken. Ab und an tippten Finger ermutigend an meinem Körper. Ich war dankbar, dass er mir diese kleinen Gesten zugestand, genauso dankbar wie ich Jasper war, der mich immer wieder mit einem neuen Schub Sorglosigkeit beschenkte.

Ich versuchte erst gar nicht, in die vielen Gesichter zu sehen, ihre Gedanken heraus zu lesen, doch leider konnte ich mein Gehör nicht auf Kommando abschalten, und so war es eindeutig für mich, dass ich im Mittelpunkt ihrer Blicke stand. Edward und Jasper wurden zum größten Teil, ob bei den Mädchen als süße Typen oder bei den Jungs als toller Zuwachs für die einzelnen Sportmannschaften, gut aufgenommen. Alice war einfach nur niedlich auf ihre kindliche Art, der man einfach nichts Schlechtes zuschreiben konnte… Nur mich schien man nicht so richtig einordnen zu können.

An einem Kreuz aus Gängen richtete sich Mrs. Patch an Edward und zeigte mit ihrem alten, verschrumpelten Finger in Richtung einer Tür in der Mitte des Ganges zu unserer linken.

„Dies ist euer Klassenraum, meldet euch dort bei Mr. Higgins.“

Sie drückte Edward einen Zettel in die Hand, kräuselte kurz die Lippen und kehrte uns dann den Rücken zu, um sich an Alice und Jasper zu wenden. Ihr war unverblümt anzusehen, dass sie sich in unsere Nähe unwohl fühlte.

Während Jasper ihren Worten anscheinend begierig folgte, wirbelte Alice zu mir herum und schlang ihre Arme um mich.

„Keine Sorge, es wird alles gut werden.“ Sie grinste ohne Unterlass, das Szenario schien ihrem Gemüt wirklich Gefallen zu bereiten. „Und sei nicht so unhöflich zu dem Indianer“, flüsterte sie mir so leise ins Ohr, dass Edward es unmöglich hätte hören konnte. Ehe ich sie fragen konnte, worauf sie mit dieser Aussage hinaus wollte, hatte sie sich schon wieder Jasper und Mrs. Patch angeschlossen. Meine Hand blieb unwissend in der Luft hängen.
 

10. Stufe! Auch ohne meine Unsterblichkeit, war ich knappe drei Jahre älter als die Insassen des gut gefüllten Klassenzimmers, eine berauschende Aussicht.

Es herrschte abrupte Stille aufgrund unseres Eintretens, woraufhin der magere Lehrer hinter dem gewaltigen Pult verwundert den Kopf hob. Als sein Blick uns traf, schien er einen Moment in sich still zu stehen, fast schon erschrocken wirkte sein Ausdruck. Edward erlöste ihn aus seiner Starre, indem er ihm den Zettel von Mrs. Patch reichte.

Massenhaft Herzschläge pochten in meinem Kopf, die Wärme der vielen Körper im Raum durchdrang die Luft. Ich konnte mich zwar an den Geschmack von Menschenblut erinnern, aber eine wirkliche Jagd war mir dennoch fremd, und mit diesem erstklassigen Gratisbuffet malte sich die dunkle, eigentlich schlummernde Seite in mir gerade dieses Prozedere nur zu gerne aus.

Ein Opfer war ebenfalls schnell gefunden. Er war blond und saß der Tür am nahsten, hätte somit also die wahrscheinlichste Chance, mir erst einmal zu entkommen. Groß und stark schien sein Körperbau, wahrscheinlich Sportler, sein Herz pumpte das Blut am kräftigsten von allen durch die Arterien. Er würde mir Widerstand leisten, kämpfen, versuchen zu entkommen, alles andere wäre einfach nur uninteressant. Ich wollte seinen Körper zittern sehen, sich seinen Atem überschlagen hören und seinen Herzschlag, gemischt mit Unmengen an Adrenalin und Angst unter meinen Zähnen spüren.

„Ach so… ja…“, kam es holprig von der Seite.

Mittlerweile lag auch der letzte Blick auf uns, auch der des blonden Sportlers an der Tür. Ich ließ den Kopf sinken, als er mich ansah; unerfüllbares Wunschdenken, mehr nicht.

„Setzen Sie sich doch bitte dort hin“, wies er mich zu einem freien Platz in der Mitte des Raumes. „Und Edwin, Sie setzen sich bitte dort ans Fenster.“

„Mein Name ist Edward.“

Edward lächelte den Lehrer freundlich an, doch dieser schien dies nicht zu registrieren, oder wollte es einfach nicht, und widmete sich wieder seiner vorherigen Lektüre. Erregtes Flüstern durchzog nach Edwards Worten den Raum, kein Wunder, sie waren gerade zum ersten Mal in den Genuss einer wahrlich anziehenden und betörenden Stimme gekommen. Wenn sie nur wüssten, wie schön sie erst mit meinen Ohren klang. Innerlich rühmte ich mich mit Stolz, dass er mein war und sie niemals das haben könnten, was ich hatte.

„Stärker, schneller, gefährlicher und schöner!“

Edward ließ mir den Vortritt und ich versuchte, nicht allzu griesgrämig zu gucken, während ich an den Reihen von Schülern vorbei schritt. Wenigsten würde ich dieses Mal nicht in Versuchung kommen, über meine Füße zu stolpern, glaubte ich jedenfalls. Eigenartigerweise wurde ich diesbezüglich unsicher und starrte gebannt auf meine Schuhe, bis ich an der richtigen Stelle angekommen war.

Ich zwängte mich an einem Jungen mit dunklen Haaren vorbei und ließ mich gleitend neben ihm nieder. Sofort mahnte ich meinen Körper an, sich einfacher, unschöner zu bewegen, und ließ meine Tasche gespielt umständlich auf den Tisch knallen. Doch das war es nicht, dass mir die Neugierde meines neuen Sitznachbars einheimste; schon die ganze Zeit über hatte er mich fließend beobachtet.

„Hi, mein Name ist Kajika.“

Er streckte mir die Hand hin, die ich natürlich nicht annahm. Ich durchwühlte meine Tasche nach einem Block und einem Stift, wenigstens wollte ich diesen Anschein erwecken. Meine geschärften Sinne hatten ihn natürlich schon genau erfasst; dunkles, kurzes und leicht struppiges Haar, braune Augen, angenehmer Geruch und ein gesunder Herzschlag. Ich tippte auf 1,70 Meter, normaler Körperbau, und zwischen den Zähnen balancierte er einen Zahnstocher von einer zur anderen Seite.

Er wartete bis ich gefunden hatte, was ich suchte.

„Isabella. Isabella Cullen.“

Ich konnte schließlich nicht einfach stumm bleiben. Die Aussprache meines Namens ließ einige Gesichter zu mir umschwenken.

„Schöner Name. Was dagegen, wenn ich dich Bella nenne?“

Ich schluckte, er hatte mir tatsächlich meinen Satz geklaut. Aus dem Augenwinkel konnte ich ein breites Lächeln wahrnehmen, und ich wusste nicht recht, ob ich mich über dies und seiner Namensgebung freuen sollte. Ich suchte den Raum ab und fand Edward an einem Fensterplatz zwei Reihen vor mir, linke Seite. Seine Haltung war nicht zu steif, aber auch nicht zu lasch. Ich überprüfte unbewusst meine eigene.

Das Mädchen vor ihm hatte sich umgedreht und fragte ihn gerade über seine Hobbys aus. Was für ein schwaches Gesprächsthema. Hatte dieses pubertierende Kind denn nicht mehr zu bieten, oder störte mich einfach nur die Tatsache, dass sie gerade meinen Mann danach fragte?

„Kajika! Das bedeutet so viel wie Laufen ohne Ton“, fuhr der Junge neben mir munter fort. „Irgend so ein Indianerkram.“

Ich hielt in der Bewegung inne, meinen Block auf die erste leere Seite aufzuschlagen.

„Bist du etwa Indianer?“

Sofort schoss mir Alices Aussage durch den Kopf.

Mein plötzliches Interesse schien ihn zu irritieren. Nervös schaute er mich an, als befürchte er, dass ich jeden Moment schreiend aus dem Raum stürzen würde. Im gleichen Moment spürte ich Edwards Gegenwart, auch er schaute mich beunruhigt an, wahrscheinlich waren ihm die Gedanken des Jungen neben mir nicht fremd. Wie war noch mal sein Name?

„Nicht wirklich“, antwortete er schließlich. „So um ein paar Ecken rum.“

Sein Augenmerk haftete sich direkt an meines, schnell wand ich mich ab.

Was tat ich eigentlich, wie konnte ich nur so verdammt unvorsichtig sein… Gerade die Augen! Sie waren mir an Edward als allererstes aufgefallen. Schaffte ich es nicht einmal, uns einen Tag lang vor Entdeckung zu schützen?

„Warum fragst du?“, fragte er interessiert nach.

„Mir ist nur aufgefallen, dass es hier ziemlich viele gibt und du sahst so gar nicht wie einer aus.“

Ich schaute stur geradeaus und tat ein wenig auf naives Mädchen, was aber anscheinend sein Interesse an mir nicht zügelte, immer noch schaute er mich unvermittelt an.

Edward hatte sich wieder umgedreht. Ich spielte mit dem Gedanken, meinen Schild zu senken, um mit ihm in Verbindung zu treten, doch es hätte mich wahrscheinlich wahnsinnig gemacht, dass dieser Kanal einer Einbahnstraße glich. Zum Glück fing Mr. Higgins bald darauf mit dem Unterricht an, Geschichte.
 

Zu meinem Unmut hatten wir das nächste Fach, Mathematik, ebenfalls bei Mr. Higgins. Er stellte sich als ein ziemlich sturer Typ heraus, der Meinungen anderer nur schwer akzeptieren konnte, sogar anerkannte Lehren zitierte er mit herablassender Stimme und übertriebenen Gesten.

Kajika hatte sich bisweilen nicht davon abbringen lassen, mir das ein oder andere Detail über Schüler und Lehrer ungefragt mitzuteilen. Sein Blick klebte geradezu an meinem Gesicht, während ich seine Aussagen kaum bis gar nicht kommentierte. Doch das allgemeine Interesse an mir hatte für den Moment abgenommen.

Der zu vernehmende Schulstoff war bekannt, langweilig und zäh, trotzdem, hing ich an den Lippen des Lehrers und schrieb jedes Wort fleißig mit, bis mich ein kleines Geständnis aus dem Konzept brachte.

„Ich muss zugeben, du bist das Schönste, was ich in meinen 16 jungen Jahren gesehen habe. Na ja…“ Er drehte sich leicht von mir weg, dass erste Mal in diesen zwei Stunden, und ich schaffte es nicht mehr, ihm meine Aufmerksamkeit weiterhin zu entziehen. Vielleicht war gerade dies sein Plan gewesen. „…abgesehen von deinem Bruder vielleicht.“

„Er ist nicht mein Bruder.“

Der Bleistift in meiner Hand zerbarst.

Verdammt!

„Oh… ok.“

Er lächelte weiterhin, obwohl er ganz offensichtlich annehmen musste, dass er mich verärgert hatte. Was war bloß los mit diesem Typ?

Ich ließ die Reste des Stiftes in meine Tasche gleiten und fischte mir, als wäre es das normalste von der Welt, einen neuen hinaus. Es war immerhin nur ein Bleistift gewesen, auch als Mensch hatte ich schon einmal einen zerbrochen, und zum Glück hatte ich nur die Aufmerksamkeit einer einzigen weiteren Person auf mich gezogen; nur eine Sekunde blieb mir auf sein makelloses Gesicht, ehe Edward sein Interesse wieder der Tafel schenkte. Wie fühlte er sich gerade, nachdem er zweifellos mit angehört hatte, wie mir jemand anders ein Kompliment gemacht hatte?

„Wir sind alle nur adoptiert“, versuchte ich sachlich und ruhig zu klingen.

Ich war nicht bereit, eine andere Saat als diese zu säen. Das Gerede, wenn Edward und ich uns später näher kommen würden, wäre auch so schon groß genug. Ziemlich deutlich lag mir noch das Getuschel aus Forks in den Ohren. Hier würde es garantiert nicht anders werden; Geschwister, die sich liebten… irgendwie krank.

Die plötzliche Wärme an meiner Hand ließ mich ruckartig weichen, ich stand auf den Beinen, mitten im Gang. Einige Blicke trafen mich, Kajikas Hand war erhoben, zwischen seinen Fingern ein kleiner Holzsplitter. Das Klingeln zur Pause rettete die Situation.

„Es tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe.“ Er stand nun neben mir, während andere Mitschüler an uns vorbei liefen. „Ich wollte nur nicht, dass du dir wehtust.“

Er ließ den Splitter, den er wahrscheinlich nah bei mir vom Tisch aufgehoben hatte, in meine Hand fallen.

Wie war mir seine Annäherung nur entgangen? Ich durfte mich nicht mehr so intensiv in meine Gedankenwelt flüchten, wenn ich unter Menschen war, zu leichtsinnig, zu gefährlich.

Edward hielt sich im Hintergrund bis Kajika ebenfalls den Klassenraum verlassen hatte. Selbst Mr. Higgins schaute mich beim Hinausgehen an, als würde er an meinem Verstand zweifeln. Als sich der letzte Schüler ebenfalls auf den Flur gesellte, spürte ich nichts außer dem kleinen Luftzug.

Die Tür schloss sich und Edward versiegelte sie, indem er sich mit den Rücken an sie lehnte. Ohne auch nur das geringste Maß an Zeit zu verschwenden, presste ich mich gegen ihn. Das Verlangen hatte sich ums Unermessliche verstärkt, es nicht zu dürfen, hatte wohl ganz andere Auswirkungen, als es einfach nicht zu tun.

„Nicht hier“, hauchte er in den Kuss hinein.

„Ich weiß.“

Trotzdem verlangten meine Lippen nach mehr.

Seine Hand umklammerte mein Gesicht und schob es sacht, aber fordernd von seinem eigenen, mein Bein in seinem Schritt wurde ebenfalls zurückgedrängt.

„Wir müssen vorsichtig sein.“

Der Klang seiner Stimme ließ mich zurückschalten, mein Kopf traf resignierend auf seine Brust.

„Es tut mir leid.“

„Schon gut, du machst das ganz toll.“

Seine Finger strichen über mein Schlüsselbein.

„Wirklich? Du hast wohl die halbe Zeit geschlafen.“

Ich schmunzelte. Ich sprach ihn nicht auf das nervige Mädchen an und ließ dafür im Dunkeln, was ich mir in Bezug auf den blonden Sportler ausgemalt hatte.

„Dein neuer Freund redet ziemlich viel.“

„Und was denkt er?“

„Das ist das komische daran.“

„Was meinst du?“

„Ich komm nicht wirklich an seine Gedanken ran. Ich sehe zwar einzelne Bilder und kleine Bruchstücke seiner Emotionen aber mehr kann ich nicht entziffern… aber was er auch von dir denken mag, bestimmt hält er dich für ziemlich interessant, makellos und vermutet, dass man sich besser nicht mit dir anlegen sollte.“

Edward grinste und griff nach der Hand, mit der ich den Bleistift zerbrochen hatte. Er schaute sie an, als versuche er noch einen übrig gebliebenen Splitter ausfindig zu machen, etwas, wovor er mich retten könnte. Als ob irgendein Bleistift dieser Welt meiner Haut gewachsen wäre.

„Aber er scheint harmlos zu sein. Er redet mehr als er zu denken scheint… unvorsichtiger Typ.“

„Er trägt das Herz auf der Zunge“, fiel mir ein Sprichwort ein.
 

Nachdem wir die kurze Pause noch genutzt hatten, um unsere Spinde, die leider nicht gerade nahe beieinander lagen, aufzusuchen und überflüssige Bücher und das Sportzeug dort zu verstauen, ergatterten wir Sitzplätze nebeneinander in Amerikanische Literatur.

Alice und Jasper hatten wir leider aufgrund unseres kurzen Beisammenseins im Klassenraum nicht mehr getroffen, aber Edward versicherte mir, dass bei ihnen alles in Ordnung war.

Amerikanische Literatur wurde unterrichtet von Mrs. Lorengs, einer ziemlich kleinen Erscheinung, die riesige Hände zu haben schien. Der neue Klassenraum war halb gefüllt mit neuen Gesichtern, was das Tuscheln und Gucken wieder von neuen beginnen ließ, aber das war mir egal. Edward saß neben mir und streichelte leicht an meinem Bein entlang, nichts konnte mich aus der Ruhe bringen.

Mrs. Lorengs ließ den Begriff „Postmoderne“ in den Raum fallen und bat um Meinungen dazu.
 

Von Amerikanischer Literatur ein wenig beflügelt betraten wir die Cafeteria. Ich schätze sie auf gut drei Mal so groß, wie die frühere in Forks. Edward drehte schlagartig um, als hätte ihn jemand gerufen, natürlich war dies auch wirklich der Fall gewesen, nur dass alle anderen es nicht hören konnten. Alice winkte heftig von einem Tisch am Rande des Saals.

Mit unseren kleinen, braunen Tüten zogen wir durch das Getümmel und ließen uns in fließender Bewegung bei Alice und Jasper am Tisch nieder.

„Und, wie war es bei euch so?“

Ich seufzte hörbar und hoffte, dass ihr dies, bezüglich meiner Person, Auskunft genug wäre.

„So schlimm?“

Sie tat bedauernd.

„Sei nicht unhöflich zu dem Indianer“, gab ich ihren Wortlaut wieder und klatschte mein Brot auf den Tisch. Jasper versuchte, sich ein dreckiges Grinsen zu verkneifen. Wusste er vielleicht noch mehr? Edward schaute kurz von Alice zu mir und wieder zurück, beließ es dann aber dabei und tauschte sich auf schnelle, unhörbare Weise für Außenstehende mit uns aus.

Ich stierte wieder auf das Brot vor mir, auch ohne das Papier davon abzuwickeln, wusste ich, dass es mit Käse belegt war. Dieser Umstand ließ es zu, dass ich meinen Geruchssinn auf die Reise schickte. Ich schloss die Augen, um den neugierigen Blicken auszuweichen, und versuchte, mich nur auf meine Nase zu konzentrieren.

Neben Blut, welches für mich den stärksten Geruch von allem hatte, konnte ich Brot, Wurst, Käse, verschiedene Suppen, Kartoffeln, Nudeln und eine Vielzahl von süßen Nachspeisen so gut riechen, als stünden sie direkt vor mir.

Doch auch unangenehme Gerüche wie Schweiß, abscheuliches Parfüm und der penetrante Duft von gebratenem Fleisch hingen in der Luft. Die aber abscheulichste Witterung bestand in der Aufnahme von einigen, wenigen unangenehmen Menschen, anders konnte ich es nicht beschreiben. Wie manch Aroma Durst, den Schmerz in der Kehle auszulösen schien, gab es anscheinend auch das genaue Gegenteil davon… Übelkeit, Schwindel, einfach nur abstoßend.

Ich schüttelte angewidert den Kopf, stieß die Luft durch die Nase aus und stellte das Atmen weitgehend ein, dann doch lieber die schaulustigen Blicke der Menschen in diesem Saal.

„Was denken sie?“, fragte ich meinen Mann.

Ich verlagerte mein Gewicht, legte meinen Arm auf den Tisch und stütze meinen Kopf ab. Wenn von uns jemand im Punkto Körperhaltung nicht auffallen würde, dann eindeutig ich. Die typischen, nicht gerade vornehmen Macken waren noch zu fest in mir verwurzelt.

Ich blickte ungeniert in die Menge, während ich auf die Antwort wartete. Die meisten Köpfe drehten sich weg oder glitten nach unten. Dachten sie denn wirklich, dass wir nicht bemerkten, dass uns dutzende von Personen ansahen? Instinktiv suchte ich nach dem blonden Sportler.

„Das übliche, nicht von Belang. So kleinlich sind ihre Vorurteile, so unbedeutsam ihre Fragen.“

Jasper antwortete mir. Edward schien gerade wieder einmal in den Köpfen umher zu wandern. Heute beneidete ich ihn nicht für seine Gabe, mir gingen schon die unzähligen Stimmen auf den Geist. Wie mochte es erst sein, wenn man sie weder aus den Ohren, noch aus dem Kopf bekam?

Ich nickte in Jaspers Richtung. Wenn es etwas zu berichten gäbe, hätte wir es mittlerweile erfahren.
 

Nach der Mittagspause steuerten wir den Chemieraum in hinteren Teil des Gebäudetraktes an. Mrs. Kinth war die erste Person, die ich ohne Ausnahme als normales Erscheinungsbild beschreiben würde. Wieder fanden Edward und ich nebeneinander Platz, das Interesse aufgrund unseres Erscheinens störte mich kaum noch.
 

Chemie für den heutigen Tag ebenfalls erfolgreich abgehackt, stand Sozialkunde bei Mr. Pridge auf dem Plan. Wie der Zufall es so wollte, landete ich wieder neben Kajika. Er hatte heftig Laut gegeben, als ich den Raum betreten hatte, und mir schon gar keine andere Wahl gelassen, als neben ihm Platz zu nehmen. Erst jetzt fiel mir auf, dass er in den letzten zwei Kursen gar nicht anwesend gewesen war.

„Gibt es eigentlich einen Grund dafür, warum du immer alleine sitzt?“

Ich tippte mal auf seine nervige Art, der ich indessen schon wieder seit einer guten Viertelstunde ausgesetzt war.

„Andere lenken mich manchmal ein wenig ab.“

„Von was? Vom Reden?“

„Nein.“ Kurz war das allgegenwärtige Lächeln von seinen Lippen verschwunden, tauchte aber mit der nächsten Silbe schon wieder auf. „Ich habe eine leichte Form von Autismus.“

„Autismus?“, stutzte ich.

Ich wusste nicht, was es war, aber es fühlte sich an, wie ein fetter, schwarzer Balken, der kurz vor meinen Augen erschien, der mich für einen kurzen Zeitpunkt an nichts hatte denken lassen.

Wieder unter meiner Kontrolle, durchforstete ich mein Gehirn, was ich schon alles über Autismus gehört hatte; Beeinträchtigung der sozialen Kontakte oder, untypische Verhaltensmuster, Sprachschwierigkeiten, emotionale Verhaltensstörungen und was weiß ich nicht noch alles.

„Es ist nicht schlimm, wirklich“, versuchte er beruhigend zu klingen. „Nur eine ganz minimale Erkrankung, aber manchmal fällt es mir schwer, mich zu konzentrieren, und dann drifte ich einfach so ab.“

„Sollte ich mich dann nicht besser woanders hinsetzten?“, war das einzige, was mir darauf einfiel. Mein Gehirn wollte gerade so gar nicht mit mir zusammen arbeiten.

„Nein, bitte nicht.“

Seine Hand legte sich auf meinen Arm.

Ich starrte nur hinauf, anstatt ihn unter der Berührung wegzuziehen.

„Entschuldige.“

Er entfernte seine warmen Finger wieder von meinem Pullover, die Szenerie mit dem Splitter war wohl noch zu frisch in seiner Erinnerung. Zurück blieb ein bedrückendes Gefühl. Ich blickte zu Edward, der dieses Mal einige Reihen hinter mir saß, und konnte sofort erkennen, dass er ebenfalls Zeuge dieser Unterhaltung war. Ein Mädchen mit ausgefranstem Pony und einer Brille saß neben ihm.

„Man behandelt mich immer mit Vorsicht, so als wäre ich todkrank… Du bist seit langem die erste, die mich nicht wie ein rohes Ei behandelt hat, und ich würde mich sehr freuen, wenn du es auch jetzt nicht tust.“

„Ich soll also kaum mit dir sprechen und von deiner Anwesenheit genervt sein?“

„Ja!“ Er lachte heiser auf und der halbe Sozialkundekurs warf uns einen wissbegierigen Blick zu. „Wenn das deine normale Vorgehensweise gewesen wäre… bitte.“

„Warum hast du mir denn überhaupt von deiner Krankheit erzählt?“

„Du hast gefragt und ich wollte dich nicht anlügen.“

Ich wünschte, er hätte es getan, oder besser noch, ich wünschte, ich hätte gar nicht erst gefragt.
 

„Ich bring Alice um!“

Die Bücher landeten nicht gerade sanft in meinem Spind und ich kämpfte mit dem Sportzeug.

„Wenigstens wäre das eine eventuelle Erklärung dafür, warum ich solche Probleme habe, seine Gedanken zu lesen.“

„Du meinst Autismus bremst deine Fähigkeit?“, ließ ich vom Sportzeug ab.

„Keine Ahnung, aber es wäre wenigstens eine Möglichkeit.“

Er reichte mir mein Sportzeug.

„Trotzdem bring ich sie um.“

Natürlich verstand er nicht, was ich damit meinte, aber er war sich anscheinend sicher, dass ich einen guten Grund für mein Vorhaben hatte. Jedenfalls, fragte er nicht nach.

Beim Sportunterricht schaffte ich es nicht wirklich, mich abzureagieren. Ich musste meine Stärke auf einem so niedrigen Level halten, dass es mich noch wütender machte, als ich sowieso schon war. Das einzige, was mich kurz ablenkte, war die Aussicht auf die Jungs, die im anderen Teil der Halle Basketball spielten, während wir uns mit Leichtathletikübungen abgaben. Edward sah einfach nur atemberaubend aus, während er einen Punkt nach dem anderen für seine Mannschaft einheimste.
 

Nach dem Sportunterricht war die Schule für heute erledigt. Ich verabschiedete mich noch von Kajika, dessen Team leider nicht so viel Glück hatte, dann machten Edward und ich uns auf den Heimweg. Alice und Jasper hatten schon vor einer Stunde die Rückkehr zum Haus angetreten.

Als ich die Tür zu unserem Zuhause öffnete, stand Alice schon in abwehrender Haltung dahinter.

„Ok, ich hätte es dir sagen sollen. Entschuldige, aber ich wusste nicht, dass dies irgendeinen Unterschied macht.“

„Natürlich tut es das“, zischte ich sie an.

Renesmee trat mit Jacob an den oberen Treppenabsatz. Jacob hielt sie davon ab, die Treppe hinunter zu steigen.

„Und was?“

„Ich weiß nicht. Es ist nun mal etwas anderes, ob ich mit einem gesunden oder mit einem kranken Menschen spiele.“ Ein besseres Wort war mir einfach nicht eingefallen, aber im Grunde war es das doch; ein Spiel, oder?

„Glaub mir, Bella. Hätte ich gewusst, dass es wichtig für dich ist, hätte ich es dir gesagt.“

Ihre Augen verengten sich kaum merklich, es lag zur Abwechslung einmal kein vergnügter Ausdruck auf ihren schönen Wangen, und was sollte ich auch anderes machen, als ihr zu glauben, denn das tat ich. Sie würde mich, genau wie Edward, niemals absichtlich verärgern oder verletzen.

Im nächsten Moment drückte ich schon unsere kalten Körper aneinander und strich ihr übers spitze Haar. Von hinten umarmte mich Renesmee, es war ihre Art, mich vollkommen ruhig werden zu lassen, Jasper tat natürlich auch das seinige dazu bei. Nicht einmal richtig wütend konnte man mit dieser Familie werden.

Daraufhin verbrachte ich Stunden damit, Renesmee alles über meinen ersten Schultag zu berichten. Sie war so begierig nach Informationen, dass auch beim noch so unwichtigen Thema nicht locker gelassen wurde.

„Und wie war dein Tag?“, fragte ich, nachdem ich ihr wirklich nichts verschwiegen hatte.

Sie legte mir ihre Hand aufs Gesicht und ließ mich an den vergangenen Stunden teilhaben, in denen sie am Klavier gesessen, mit Esme einen Kuchen gebacken, Rechenformeln gelöst, mit Jacob durchs Haus gejagt oder mit ihm auf dem Dach des Hauses sinniert und ihre ersten beiden Lektionen in der rumänischen Sprache erhalten hatte.
 

Die halbe Nacht verbrachte ich damit, meine Kleidungsstücke zu sortieren. Der Stauraum im Zimmer war wirklich nicht für Alices Kleidervorlieben ausgerichtet. Dreiviertel meines unnötigen Besitzes wanderte erneut in die Kartons, welche ich im unbewohnten Zimmer nebenan verstaute.

Natürlich hätte ich vorher mit dem Aussortieren fertig sein können, doch ich wollte nicht in Versuchung kommen, hinunter zu gehen und Carlisle und Edward darüber reden zu hören, dass Kajika ein Sicherheitsrisiko für uns sei.

Abgesehen davon beschäftigten sie sich mit der Wahrscheinlichkeit einer Resistenz auf Edwards Fähigkeiten bei Autisten. Carlisle durchforstete die Datenbank des hiesigen Krankenhauses, zu der er nun, da er eingestellt worden war, Zugriff erhalten hatte.

Zuerst war mit der Überlegung gespielt worden, eine eigene Praxis in der Stadt zu eröffnen, aber die schnelle Zufuhr von Gerätschaften und Blut verbarg natürlich einen riesigen Pluspunkt für das Krankenhaus.

Sie suchten Versuchskaninchen, um die Wahrscheinlichkeit zu festigen, abklingen zu lassen oder gar zu beweisen.

„Immer noch nicht fertig?“

Ich tat weiterhin beschäftigt und er wusste dies.

„Fast.“

„Ist dir das Thema so zu wider?“, erklang seine Stimme schon viel näher.

„Es ist nicht das Thema.“

Ich stand auf, um den letzten Karton mit Kleidung ins Nebenzimmer zu schaffen. Edward trat beiseite, als ich vorbei wollte.

„Du magst ihn, nicht wahr?“

Ich stoppte am Türrahmen.

„Ich kenn ihn nicht einmal.“

„Aber du hast Mitleid mit ihm?“

Sein Atem strich nah an meinem Ohr vorbei.

„Ja, das habe ich wahrscheinlich“, drehte ich mich um und schaute ihm in die Augen, die langsam den goldenen Schimmer verloren.

„Du wärst nicht meine Bella, wenn du es nicht hättest. Immer noch so viel Mitgefühl in dir.“

Seine Finger strichen mir über die Wange. Seine Lippen kamen näher, ich ließ den Karton zu Boden fallen, ehe ich meine Arme um seinen Hals schlang.

„Ja, wahrscheinlich… mal schauen, wie viel Ärger uns das zum Schluss einbringen wird.“
 

Kapitel 08 - Der erste Schultag - Ende

Schneidendes Verlangen

Autor: littleblaze

E-Mail: little_blaze_2000@yahoo.de
 

Disclaimer: Alle Rechte an den Bis(s)-Charakteren gehen auf das Konto von Stephenie Meyer und ich selber verdiene keinen einzigen Cent mit der Story.
 

Neue Charaktere, die Storyline, selbsterstellte sowie editierte Bilder und sämtliche, für die Story erstellten Extras gehören mir und dürfen nicht ohne meine vorherige Zusage auf anderen Seiten, Portalen oder Foren gepostet werden.
 

Kapitel 09 - Schneidendes Verlangen
 

Am nächsten Morgen lagen noch mehr Blicke auf uns als am Tag zuvor. Es hatte sich anscheinend in der ganzen Schule herum gesprochen, dass es etwas Neues zu bestaunen gab. Und genau wie gestern stieg ich selbstständig aus dem Wagen, lief einen halben Schritt von den anderen entfernt über den Schulhof, um kein zu großes Zusammengehörigkeitsgefühl zu versenden, und versuchte, den nervigen Stimmen um mich herum nicht allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken.

Es regnete, schnell versuchte jeder ins Gebäudeinnere zu kommen, so auch wir. Meine Abneigung gegen Nässe hatte ich immer noch nicht überwunden, obwohl ich es manchmal sehr erregend empfand, im strömenden Regen auf der Lauer nach Beute zu liegen.

Ich sah in neugierige und fragende Gesichter sowie in solche, in denen sich so etwas wie Arroganz wieder spiegelte. Nur wenige schienen desinteressiert zu sein und noch weniger lächelten mich an, als ich sie anblickte.

Zwei von den drei lächelnden Gesichtern, konnte ich als Klassenkameraden identifizieren. Das Mädchen hieß Carol, der Junge hatte noch keinen Namen in meiner Erinnerungen erhalten.

„Nur nicht den Blick abwenden, Stärke zeigen“, hatte mir Edward auf der Fahrt zur Schule geraten. Leicht gesagt, aber er machte das ja schließlich auch schon zum x-ten Mal.

Ich hatte ihn nicht gefragt, was in den Köpfen hinter den Gesichtern vorging, ich wollte es eigentlich auch gar nicht wissen. Darüber hinaus würde mir Edward wahrscheinlich sowieso nicht alles erzählen, um mich nicht irgendwie zu beunruhigen, also probierte ich, ausgestattet mit übermenschlichen Sinnen, mir mein eigenes Bild zu formen.

Brauchbar war allerdings, dass wir nicht ein Mal ausweichen mussten, wenn es auf eine Menschenmenge zuging. Wo wir auch gingen, uns wurde bereitwillig Platz gemacht. Irgendwie unheimlich.

Ich prüfte gerade, den besten und lässigsten Schwung für meine Arme zu finden, die Treppe nicht allzu galant zu erklimmen, als mich Alice am Ärmel festhielt und damit verhinderte, dass ich das Gebäude betrat. Ihr Blick abwesend, eine leichte Vision stellte sich dem Weitergehen in den Weg. Ich drehte uns weg, deutete auf etwas und flüsterte leise auf sie ein. Man sollte denken, dass ich ihr irgendetwas in der Ferne schilderte.

Edward und Jasper gingen ruhig weiter ins Gebäude vor, als sie merkten, dass ich die Situation unter Kontrolle hatte. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis Alice zu mir sagte:

„Ja, der Wasserturm ist wirklich schön.“ Sie lächelte mich an und ließ einige Schüler vorbeiziehen, dann beugte sie sich zu meinem Ohr hinüber. „Ich weiß nicht genau, was es zu bedeuten hat, aber du solltest dich heute vor fliegenden Scheren in Acht nehmen.“

„Fliegende Scheren? Geht das vielleicht auch ein klein wenig ausführlicher?“

Ich stellte mir eine verrückte Szene vor, in welcher ich in bunter Zeichentrickmanier vor einem Rudel fliegender Scheren flüchtete.

„Ich sehe nur das und einen blonden Typen, der hinter dir steht.“

„Ja, wunderbar und was soll ich jetzt tun?“

Sie zuckte nur mit den Achseln, nahm meine Hand und zog mich mit sich ins Gebäude. Was es auch war oder was für Auswirkungen es hatte, es bereitete ihr eindeutig keine ängstlichen Empfindungen.
 

Dieser Donnerstag fing mit einer Stunde Politik in unserem eigentlichen Klassenzimmer an. Ich betrat den Raum, als mein Mann schon im Begriff war, sich zu setzen. Ich lächelte ihm zu auf seine stille Frage, was Alice gesehen hatte, und beruhigte ihn somit.

Kajikas Anblick traf mich als nächstes. Er strahlte über das ganze Gesicht, als er mich kommen sah, jedoch nur kurz. Irgendetwas war da… etwas, das den Ausdruck auf seinen Zügen veränderte, und auch in Edwards Blick, auf den ich durch eine Bewegung aufmerksam geworden war, entdeckte ich irgendetwas Besorgniserregendes.

Zum Identifizieren kam ich allerdings weder bei dem einen, noch bei dem anderen Ausdruck, denn fast gleichzeitig mit der Entdeckung dieser vernahm ich ein unwirkliches Geräusch hinter mir.

Ich schleuderte herum, wehrte mit der Hand das ab, was meine Sinne als Bedrohung empfanden, und schaute in das Gesicht des blonden Sportlers, dessen Herz jetzt noch kräftiger schlug als in meiner Erinnerung.

Für den Bruchteil einer Sekunde verspürte ich das Verlangen, nach vorne zu stürzen und meine Zähne in seinen kräftigen Hals zu schlagen, doch als nächstes erkannte ich den Gegenstand, welchen ich mit einigem an Kraft von mir geschlagen hatte: Eine Schere!

Ich hatte sie nicht sehr fest getroffen, aber mit mehr Kraft als man mir wahrscheinlich zuschreiben würde. Sie flog mit übereilter Geschwindigkeit durch den Raum. Eine fliegende Schere… Alice Vision… meine Vorhersicht für den heutigen Tag.

Ich hätte es aufhalten können, wenn ich schneller als das spitze Stück Stahl gewesen wäre, mich der Entdeckung aufgeliefert hätte, doch so konnte ich nur mit ansehen, wie es sich einem Mädchen, welches ich zuvor noch nie wahrgenommen hatte, in den Oberschenkel bohrte.

Ein spitzer Schrei durchzog die Luft, als dem Mädchen schmerzhaft klar wurde, was überhaupt passiert war. Der blonde Sportler stolperte zurück, kam aber nicht weit, weil er gegen einen Mitschüler lief und dann ebenfalls wie angewurzelt in die Richtung des Schreies blickte. Der Lehrer strauchelte hilflos auf das Mädchen zu, welches sich vor Schmerzen wand und bald zu Boden gehen würde.

Es trat kein Blut aus der Wunde, noch nicht, aber der Geruch lag gleich um einiges intensiver in der trockenen Dichte des Raumes. Wie ein farbiges Band, welches sich hindurch wand und genau auf meine Geruchssinne zusteuerte, wie feine Schneeflocken in der Luft, die man mit einem Lächeln auf sein Gesicht fallen ließ. Es war durch nichts zu beschreiben, was ich zuvor erlebt hatte.

Edward war schnell, aber nicht zu schnell, durch den Raum geglitten.

Spürte er es auch so intensiv? Brannte seine Kehle genauso wie meine, spürte er auch diesen Schmerz darin und sah er mir an, wie ich es empfand?

Ich senkte meinen Schild und wies ihn an, dem Mädchen zu helfen. Er sollte etwas tun; die Schere hinausziehen, sie in die Krankenstation bringen, irgendwas… Ich selber konnte ihr nicht einmal zu nahe kommen, und ich wollte nicht, dass er zu mir kam und den Eindruck gewann, ich hätte mich nicht unter Kontrolle.

„Hast du das denn?“, fragte ich mich selbst, doch die Stimme kam mir nicht einmal ansatzweise bekannt vor. Edwards Blick verriet mir, dass es zu einem Teil nicht so war.

Bröckelte meine Selbstbeherrschung nach all den Jahren etwa?

Der Geruch wurde noch stärker, ein anderes Mädchen schrie, als die ersten Tropfen Blut sich ihren Weg an der Klinge vorbeigedrückten. Das Bild von Marshmallows am Lagerfeuer setzte sich in meinem Kopf ab.

Ich zischte Edward in meinem Kopf, halb bitten und halb befehlend, entgegen, dass er das Mädchen endlich hier raus schaffen sollte. Er tat es nur wieder seines Willens und erst, nachdem ich ihn noch einmal dazu aufgefordert hatte. War es mein Zustand, der ihn zögern ließ, oder die veränderten Blicke der anderen im Raum? Ich hatte sie natürlich ebenfalls wahrgenommen.

Doch vor ihnen hatte ich keine Angst. Sie wären ohne Ausnahme keine Gegner für mich. „Kommt nur her“, forderte sie diese fremde Stimme in meinem Inneren auf. Meine Muskeln spannten sich, Gift durchströmte meinen Mund, lief die brennende Kehle hinab, und ich musste mich zusammenreißen, dass mir nicht ein tiefes, bedrohliches Knurren entfloh.

Sie hatten keine Chance. Wenn es so sein sollte, würde ich sie alle töten.

Ich musste mir ein Lächeln verkneifen, was mir im nächsten Moment einen Schrecken einjagte.

Was war nur los... ließ mich der Geruch von Menschenblut nun verrückt werden?

Er lag so fest in der Luft, als müsse man nur die Hand danach ausstrecken und ihn an seine Lippen führen. Meine Muskeln schafften es nicht, sich zu entspannen, und ich verspürte plötzlich Angst, an dem Gift in meinem Mund zu ersticken, was schon verrückt war, da sich diese Art zu sterben für einen Vampir als total unmöglich darstellte.

Ich konzentrierte mich auf die Gesichter vor mir, versuchte das, was auch immer es war, aus meinen Gedanken zu verbannen. Was passierte hier, sollte das der Blutrausch sein, vor dem man nicht fliehen konnte, welcher einen erst ruhig werden ließ, wenn man sich endlich gesättigt hatte? Nein, dafür dachte ich einfach noch zu rational.

War es das Mädchen, ihr Geruch? Nein, sie schien nichts besonderes, auch wenn ich nach ihrem Blut verlangte. Oder war es einfach nur die Situation, die neu war, die mich gerade zurückwarf? Das Adrenalin, die Angst, das laufende Blut aus der frischen Wunde? Abgesehen von öden Blutkonserven, war ich Menschenblut noch niemals ausgesetzt gewesen, nicht dem frischen, warmen, pulsierenden Blut, wenn es seinen Weg aus einem Körper fand.

Ein gedämpfter Schrei war zu vernehmen, als Edward das verletzte Mädchen auf seine Arme hob und mit ihr eilends zur Tür hinausging. Einige Schüler folgten ihnen, doch die meisten blieben. Nun lag ihre ganze Aufmerksamkeit bei mir. Ihre Blicke versuchten, mich zu analysieren, strahlten Feindseligkeit und Abscheu aus.

Mir wurde eine Präsenz hinter mir bewusst, zuerst spielte mir mein Verstand das Wort „Falle“ zu, und ich wollte mich umdrehen und mich dagegen verteidigen, aber es war nur Kajika, der an mich heran trat.

Ich ließ zu, dass sein Geruch meine Sinne ummantelte.

Ihn würde ich nicht töten wollen, doch würde ich keine andere Wahl haben, wenn er alles mit ansähe, also musste ich mich beruhigen. Mir musste es gleich sein, wie verlockend der Geruch war und wie zielstrebig mein Unterbewusstsein einen Kampf verlangte… Ich füllte mich mit seinem Duft, ließ den Geruch von Blut in den Hintergrund drängen und die Blicke unwichtig werden.

Es dauerte nicht lange, bis jemand das Wort ergriff.

„Bist du noch ganz dicht?“

Ein anderer fügte hinzu: „Was sollte das? Was hat dir Lissy denn getan?“

Lissy? So hieß sie also. Doch bestimmt nur eine Abkürzung. Für was… Elizabeth vielleicht? Ob Edward schon die Krankenstation erreicht hatte? Ich wusste nicht einmal, wo sie zu finden war.

Der Lehrer, ich kannte seinen Namen noch nicht, schaffte es nicht, für Ruhe zu sorgen. Es wurden immer weitere Stimmen laut, alle schrieen durcheinander.

Das Band zog sich zur Tür hinaus, es schwebte verlockend in der Luft und mein Unterbewusstsein sah jeden, der mir den Weg zur Tür versperrte, als Hindernis an. Ich verstand nicht, woher diese Kampfbereitschaft auf einmal kam. Warum ich töten würde, um den Raum zu verlassen, dem Blut zu folgen, welches ich dann doch nicht trinken dürfte… Dieses Bedürfnis in mir war fast genauso stark wie das Verlangen nach dem Blut selbst, und das einzige, was mich davon abhielt, sie anzufallen, war der Versuch, mit dem Geruch von Kajika alles überschatten zu lassen, und der Gedanke daran, wie Renesmee mich angesehen hatte, als ich sie zum ersten Mal sah. Ihre strahlenden Augen, das zarte Gesicht und die süßen bronzefarbenen Löckchen, die dieses ummalten…

„HÖRT ENDLICH AUF DAMIT!“

Sein Schrei drang direkt neben mir an meine empfindlichen Ohren und alle Stimmen verklangen, als hätte jemand das Stromkabel des CD-Players hinausgezogen. Sogar der Lehrer schaute erstaunt neben mich.

„Tickt ihr alle noch sauber oder was? Es war Daryls Schuld, er wollte diesen idiotischen Haare-Streich abziehen, und Bella hat sich nur erschrocken und die Schere von sich weggepfeffert. Wenn ihr jemandem die Schuld gegen wollt, dann gebt sie diesem feigen Schwein, das sich hinter euch versteckt.“

Kajikas Finger schoss in die Richtung des blonden Sportlers, Daryl, und sofort gingen alle zur Seite, hinter denen er bis jetzt Schutz gesucht hatte. Gemurmel ging durch den Raum, und ich dachte daran, wie Renesmee ihre ersten Schritte gemacht und wie sehr ich gefürchtet hatte, dass alles zu schnell ging, dass ich vielleicht nur so wenig Zeit mit ihr haben durfte.

„Bella?“

Ich hörte und schaute Kajika an, doch in meinem Hinterkopf wurde die Szenerie wiedergegeben, wie Renesmee zum ersten Mal Schlittschuh gelaufen war. Schon nach einigen Stunden war sie zusammen mit Rosalie über das Eis hinweg geschwebt und hätte jede Olympiade mit Leichtigkeit gewinnen können. Jacob hatte es da nicht so gut getroffen, seine Balance ließ zu wünschen übrig und nur haarscharf war er einem Einbruch ins kalte Nass entgangen. Ich lächelte bei der Erinnerung daran.

„Bella?“

Wärme umschloss meine Hand, riss mich aus meiner Gedankenwelt.

„Ich glaube, sie steht unter Schock, sie ist eiskalt.“

Erneutes Gemurmel.

„Mir geht es gut.“

Langsam zog ich meine Hand aus Kajikas Griff.

„Bist du sicher?“

„Ja, danke“, log ich nicht einmal, denn weder Blutrausch noch Kampfeslust schienen noch länger einen Platz in meinem Verlangen zu haben. Ich fühlte mich einfach wunderbar. Ich verspürte nur noch das Verlangen meine Tochter in meine Arme zu schließen.

„So oder so müssen wir die Sache dem Direktor melden“, hatte sich der Lehrer endlich zu uns durchgerungen und schaute mich und Daryl abwechselnd an. Daraufhin machte er eine Geste in Richtung Tür.

„Ich komme mit.“

„Das ist nicht nötig, Kajika.“

„Ich komme trotzdem mit.“

Bevor ich mich selber in Bewegung setzen konnte, schob mich Kajika sanft in Richtung Tür. Sah ich etwa so hilfebedürftig aus? Ich hätte gerne ebenfalls gesagt, dass seine Begleitung nicht notwendig wäre, aber ich wollte nicht alles in die Länge ziehen, und irgendwie konnte ich mir sowieso nicht vorstellen, dass es etwas gebracht hätte, sogar der Lehrer hatte seinen Einwand einfach so fallen gelassen und ließ ihn gewähren. Kajika wusste anscheinend genau, wie er seine Karten ausspielen musste, wenn es darum ging, ab und an wie ein rohes Ei behandelt zu werden.
 

„Ist wirklich alles in Ordnung?“

Wir saßen seit einigen Minuten im Vorzimmer des Direktors, während dieser sich telefonisch bei der Krankenstation nach dem Befinden des Mädchens erkundigte und sich mit allen Eltern der am Geschehen Beteiligten in Verbindung setzte. Die Sekretärin schaute mich an, als wollte sie sagen: „Hab ich ja gewusst, dass ihr noch Ärger macht.“

Die Fürsorge des Jungen an meine Seite war schon irgendwie süß, leider konnte ich ihm seine Besorgnis nicht nehmen, indem ich ihm mitteilte, dass ich schon weitaus schlimmeres gesehen hatte, als eine in einem Bein festsitzende Schere. Vielleicht sollte ich ein wenig mehr bekümmert sein?

„Ob… es ihr gut geht… Lizzy?“

Ich verengte die Augen ein wenig, knabberte nervös an meinen Fingern herum und schaute gedankenverloren nach vorn. Zu viel aufgetischt?

Natürlich machte ich mir Sorgen, aber sie würde es überleben. Gefahr für mich oder die Familie sah ich nicht, ich hatte nichts getan, das irgendwie anormal war, mich mit nichts verraten. Ob Edward immer noch auf der Krankenstation war? Wusste Alice bereits, was passiert war? War Carlisle schon auf den Weg hierher und würde er enttäuscht von mir sein, dass ich schon an meinem zweiten Schultag Aufsehen erregte?

„Wenn du willst, kann ich mal nachfragen.“

Ich zog Kajika mit einer schnellen Bewegung zurück auf den Stuhl.

„Nein, schon gut, wir erfahren es sicher bald.“

Ihm hätte ich sofort zugetraut, dass er ohne Furcht in das Büro des Direktors gestapft wäre und Antworten verlangt hätte. Er fesselte sich an meine Augen, ich kniff sie noch ein wenig enger zusammen, und dann starrte er auf meinen Hinterkopf.

„Schade um deine Haare, es wird wohl ein wenig dauern, bis sie nachgewachsen sind.“

„Was?“

Meine Hand schnellte nach hinten, zogen einzelne Strähnen nach vorne, doch nicht alle kamen so weit wie sie es gewöhnlich taten, ein ganzes Stück verlor sich viel zu früh aus meinen Fingern. Fast schon panisch griff ich ein weiteres Mal nach hinten, und noch ein Mal, als hoffte ich, dass sie mit der nächsten Suche wieder auftauchen würden. Aber das taten sie nicht, nie wieder würden sie das tun.

„Sie wachsen ja nach“, versuchte mich Kajika aufzumuntern, während ich dem blonden Sportler, dessen Hals ich nun abermals gerne unter meinen Zähnen gespürt hätte, einen boshaften Blick zuwarf.

Ich konnte ihm ansehen, dass ihm seine törichte Aktion mittlerweile leid tat, und vor einer Minute wäre ich auch noch bedacht darauf gewesen, ihm die Hand zu schütteln und alles zu vergessen… aber damit war es nun vorbei.

Erneut griff ich in mein Haar. Gerade die Spitzen, welche Edward oft aus Fürsorge oder zum Liebesbeweis um seinen Finger wickelte, waren nun verschwunden und würden nie wieder kommen. Kein Wachstum würde in meinem toten Körper stattfinden, niemals wieder konnte Edward dieser Tätigkeit auf derselben Weise nachgehen und ich mich an seinem Drang erfreuen.

Die Tür zum Büro des Direktors öffnete sich. Kajika und Daryl standen auf, ich folgte ihnen.

„Eure Eltern sind schon auf den Weg hierher. Kajika, du kannst jetzt wieder in deine Klasse gehen.“

„Ich würde aber gerne bleiben, Dad.“

Dad? Hatte er gerade Dad gesagt?

„Komm schon, lass mich nicht vor einer neuen Schülerin wie ein Monster aussehen, indem ich es dir befehle.“

Der Vater lächelte seinen Sohn liebevoll an und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. Ich schaute hin und her, konnte aber null Ähnlichkeit zwischen den beiden feststellen. War er vielleicht ebenfalls adoptiert, hatte er einen anderen Vater oder nur einfach viel zu viel von der Mutter geerbt?

„Ihr wartet bitte hier. Ich muss noch einige Anrufe erledigen“, wand sich Mr. Digs nun wieder uns, den Tätern, zu und verschwand daraufhin wieder hinter der dicken Tür seines Büros.

„Du hättest mir sagen können, dass du der Sohn des Direktors bist.“

„Hat nicht jeder seine kleinen Geheimnisse?“

Er blinzelte, als wollte er andeuten, dass ich doch ebenfalls eine Menge davon mit mir rumschleppen würde.

„Wahrscheinlich.“

Ich ließ mich zurück auf den Stuhl gleiten und er kniete sich vor mich. Automatisch wich ich ein Stück zurück, seine Nähe war irgendwie beruhigend, aber trotzdem machte sie mich nervös. Er schien mich zu mögen, half mir, schien gerne in meiner Nähe zu sein, und dass er keine Angst vor Berührungen hatte, war auch nicht gerade von Vorteil für unsere Beziehung.

Ich musste aufpassen, dass er sich nicht zu viel von ihr versprach. Es könnte nie mehr werden als ein einfaches, schulisches Miteinander. Ich war nicht die richtige, um seine Geheimnisse zu teilen, keine Freundin, die man anrufen konnte, wenn man Hilfe brauchte oder mit jemandem in den neusten Laden der Stadt fahren wollte. Meine Welt war eine andere als seine sobald ich das Schulgebäude verließ. Meine Welt war für ihn gefährlich, könnte den Tod bedeuten. Witzigerweise verstand ich in diesem Moment zum ersten Mal wirklich, was Edward damals versuchte hatte, mir mitzuteilen.

Ich wand mich ein wenig, als er meinen Blickkontakt suchte. Ob ihm vielleicht schon was an meinen Augen aufgefallen war? Er schien ein sehr guter Beobachter zu sein.

„Schade, du wirst wohl heute nicht mehr in den Unterricht kommen. Ich hatte mich schon so auf deine Gesellschaft gefreut.“

Er lächelte leicht.

Als ich aber weder Blickkontakt aufnahm, noch das Lächeln erwiderte, erhob er sich wieder. Zeitgleich betrat Carlisle das Vorzimmer, ich hatte ihn nicht einmal gewittert. Ich stand ebenfalls auf.

„Bella?“

Carlisle schaute besorgt.

„Sie müssen wohl der Vater von Bella sein? Freut mich, sie kennenzulernen, mein Name ist Kajika Digs.“

Carlisle setzte einen seiner charmanten Gesichtszüge auf und griff mit seiner handschuhüberzogenen Hand nach der ausgestreckten von Kajika.

„Ja, es freut mich auch, dich kennenzulernen, Kajika. Bist du mit dem Direktor verwandt?“

Carlisles Auffassungsgabe entging mal wieder nichts.

„Ich bin sein Sohn.“ Ihre Hände trennten sich wieder. „Ich habe Bella Gesellschaft geleistet, bis zu ihrem Eintreffen, aber ich muss jetzt leider wieder in die Klasse… Bella… wir sehen uns.“

Er lächelte noch einmal, hob die Hand zum Gruß und verschwand, ohne auf eine Entgegnung von mir zu warten.

Carlisle überwand die zwei Schritte zwischen uns und ich umarmte ihn, als suche ich bei ihm Trost. In Wirklichkeit unterrichtete ich ihn, unter dem prüfenden Blick von Mrs. Patch, schnell über alle Vorkommnisse.

„Kein Sorge, Bella. Das kriegen wir schon hin.“

Seine Hand strich beruhigend über meinen Arm, genau die gleiche Geste, die Edward oder Esme mir immer zukommen ließen, wenn es dies bedarf, und sofort war auch das letzte bisschen Besorgnis aus mir verschwunden, als hätte sich Carlisle Jaspers Fähigkeit ausgeliehen.
 

Nach einem Gespräch mit dem Direktor und den Eltern von Daryl und Lizzy fand ich mich auf dem Weg nach Hause wieder. Ich hatte Edward nicht noch einmal sehen können, aber Carlisle versicherte mir, dass er über alles aufgeklärt war.

Ich hatte zwei Tage Zwangsurlaub von der Schule erhalten, während man Daryl für seinen dummen Streich zwei Wochen lang von der Schule suspendiert hatte.

„Es ist nicht deine Schuld gewesen, Bella.“

„Ich weiß.“

Doch eigentlich verwirrte mich gerade nicht die eigentlich Sachlage, sondern viel mehr meine, doch schon ziemlich vampirbezogene Reaktion darauf. Ich fragte mich, ob meine Selbstbeherrschung sich vielleicht auflösen könnte, genauso wie es anscheinend Alices Vision taten. Ob es irgendeinen Umstand gab, den ich nicht erfasst hatte und der mich so wild und entschlossen denken ließ?

Ich war nicht von diesem unkontrollierten Wahn besessen gewesen, von dem ich bis jetzt nur gehört hatte… es war, als würde ich, ich selber, es so wollen, als hätte mein Kopf ganz genau gewusst, was er sich wünschte… den Kampf wahrscheinlich noch sehnlicher als das Blut.

Was hatte Edward damals zu mir gesagt?

„Der durchschnittliche Jungvampir ist in der ersten Zeit so besessen von seinem Durst, dass er kaum etwas anderes wahrnehmen kann. Für dich scheint das nicht zu gelten. Doch bei dem durchschnittlichen Vampir machen sich nach diesem ersten Jahr langsam andere Bedürfnisse bemerkbar.“

War meine Selbstbeherrschung vielleicht gar nicht so toll wie man immer angekommen hatte? War mir vielleicht nur ein zeitlicher Aufschub gewährt worden und nun kamen all diese verdrängten Bedürfnisse plötzlich in voller Härte auf mich zu? War vielleicht bei mir ein anderes Verlangen, vielleicht der Mutterinstinkt, an erster Stelle gerückt und nun, nach den Jahren, kam erst der eigentliche Blutdurst? Oder doch etwas anders oder vielleicht einfach gar nichts? Hatte ich vielleicht wirklich nur so heftig reagiert, weil es das erste Mal richtig frisches Blut gewesen war?

„Was bedrückt dich, Bella?“

Wir fuhren schon die Straße zu unserem Haus hinauf.

„So dies und das.“

Ich wollte ihn nicht anlügen, aber auch nicht darüber reden. Ich wollte es doch schaffen, dass wir hier glücklich sein könnten, dass nichts unser Hier sein trüben würde.

„Kann ich dir irgendwie behilflich sein?“

Er bog zum Haus ab.

„Nein… aber wenn, komme ich gerne auf dein Angebot zurück.“

Ich blickte ihn aufrichtig an und er verstand.
 

Renesmee wich in den nächsten Stunden nicht von meiner Seite, immer wieder musste ich ihr versichern, dass alles in Ordnung war. Sogar Jacob schaffte es in dieser Zeit nicht, sie abzulenken, und nach zwei Stunden hatte er genug davon, uns dabei zuzusehen, wie wir Kisten ausräumten und Renesmees Sachen einordneten.

Mein Kind ließ mir nicht viele Momente, um noch einmal an den irritierenden Morgen zurückzudenken. Auf eine Art war ich froh darüber.

Als Renesmee und Jacob beim Mittagessen saßen, klappte ich den Deckel meines Laptops auf und gab die Zugangsdaten für die neue Internetverbindung ein. Es war schon fast eine Woche her, seit ich mich bei Renée gemeldet hatte, sie machte sich vielleicht Sorgen. Doch zu meinem Erstaunen fand ich nur eine einzige E-Mail von ihr vor, in der sie nicht einmal auf meine Abwesenheit einging. Sollte ich mich vielleicht gar nicht mehr darüber wundern?
 

Wir hatten beide ein neues Leben angefangen, sie in San Francisco, als Phil einen neuen Vertrag eingegangen war, und ich, ihren Wissens nach, in einer kalten Region Norwegens.

Drei Mal hatte sie Edward und mich in den ersten zwei Jahren in unserem angeblichen Zuhause besucht; eine hübsche Wohnung in einem von Touristen gut besuchten Stadtviertel. Alice hatte ganze Arbeit in Punkto Makeup geleistet.

Jedoch waren es für Renée zu viele Menschen und die Kälte machte sie so gar nicht glücklich, weshalb ihre Besuche auch schnell nachließen und wir uns mehr über den Computer unterhielten und Tonnen von Bildern hin und her schicken. Meine waren zu achtzig Prozent hervorragende Fälschungen.

Die Wohnung existierte natürlich immer noch, obwohl wir sie seit gut zwei Jahren nicht mehr besucht hatten, und alle postalischen Sendungen an diese Adresse wurden ohne Umwege zu unserem wahren Zuhause weitergeleitet.

Von Renesmee hatten wir Renée nie erzählt.

Es machte mich immer wieder traurig, wenn ich darüber nachdachte, dass sie ihre Enkeltochter niemals kennenlernen würde, aber das Risiko war einfach zu groß, und ich war nicht bereit, dieses einzugehen. Renée war nicht wie Charlie, sie würde sich nicht mit nur einem Teil der Wahrheit zufrieden geben, sie würde alles wissen wollen und das konnten wir nicht zulassen.

Doch nicht nur das verursachte einen Schmerzensstich in meinen Inneren, sondern auch das Wissen, dass wir irgendwann einen Schlussstrich ziehen mussten, einfacher gesagt, uns für Tod erklären würden.

Ich wollte mir nicht ausmalen, wie meine Mutter weinend an meinen Sarg stehen würde und wie mein Vater ihre ihre Hand hielt und dabei ganz genau wusste, dass ich nicht in der verschlossenen Kiste vor ihnen lag. Es war ein zu grausamer Gedanken.
 

Ich schaute Renesmee und Jacob gerade dabei zu, wer schneller einen Baum erklimmen konnte, als mir die langsamer werdenden Reifen auf der Straße auffielen. Kurz danach bog Edward auf das Grundstück ein.

Renesmee sprang mit einem gezielten Satz in Richtung ihres Vaters vom Baum und verpasste den immer noch fahrenden Wagen nur um wenige Zentimeter, Jacob verblieb still in den Ästen.

„Wo sind Alice und Jasper?“, fragte ich, bevor er sich irgendeinem anderen Thema widmen konnte.

„Sie wollten noch ein wenig in die Stadt.“

Er ließ Renesmee auf seinen Rücken klettern, geschmeidig kuschelte sie sich an ihren Vater und erspähte Jacob im Baum.

„Wie geht es dir?“

Er gab sich Mühe nicht besorgt zu klingen, oder war er es ausnahmsweise nicht?

Ich konnte es nicht richtig deuten. Seine Finger glitten durch mein Haar, ich wollte gar nicht erst erfahren, wie seine Meinung zu meinem neuen Haarschnitt, welchen mir Esme in der Küche hatte zukommen lassen, war. Es sah einfach bescheuert aus, meine Haare ragten nun gerade noch so knapp über die Schultern.

„Mir geht es gut.“ Ich streckte mich ein wenig und küsste ihn sanft auf die Lippen. „Lass uns nicht jetzt darüber reden, Renesmee hat sich schon genügend Sorgen gemacht. Ich will sie nicht noch mehr durcheinander bringen“, fügte ich in Gedanken hinzu. Doch er schien nicht groß Geduld zu haben und richtete sich an Renesmee:

„Gehst du noch ein wenig mit Jacob spielen, Schatz? Ich muss kurz mit Momma reden.“

Sie schaute ein wenig argwöhnisch, ließ aber von seinem Rücken ab und rannte wieder in Richtung Baum.

Edward nahm meine Hand und ging mit mir ums Haus herum. Ich dachte erst, dass er zur Hintertür hinein wollte, doch er führte mich zwischen den Bäumen hindurch, weg von den anderen. Ein ungutes Gefühl überkam mich, warum war es nicht möglich, im Haus darüber zu sprechen?

Plötzlich blieb er stehen und riss mich an sich. Ich war so erschrocken, dass ich kurz aufhörte, zu atmen.

„Ich bin so stolz auf dich“, fing er an und ich verstand zuerst nicht. „Du hast allem standgehalten, dem Verlangen nach Blut, dem Wunsch, ihnen die Köpfe einzuschlagen...“

Er ließ ein wenig Abstand entstehen, um mich anzusehen, seine Finger stahlen sich in mein Gesicht, irritiert und gleichzeitig beschämt schaute ich ihn an.

„Woher weißt du davon?“

„Ich konnte doch schließlich alles sehen“, schien er ein wenig zerstreut auf meine Frage.

„Wirklich?“

Welcher Blick mehr Verwirrung preisgab, war wohl gerade ziemlich schwer festzustellen.

„Ja, natürlich. Dein Schild war die ganze Zeit unten… War das nicht deine Absicht?“

Anstatt zu antworten, konnte ich nur leicht mit dem Kopf schütteln. Hatte ich vergessen, ihn wieder hoch zu fahren? War ich durch dieses komische Verlangen so abgelenkt gewesen?

„Und jetzt? Kannst du jetzt sehen, was ich denke?“

Ich klang garantiert ein wenig panisch.

„Nein.“ Er schüttelte den Kopf, seine Hände hatten meinen Körper derweilen verlassen. „Ist etwas nicht in Ordnung?“

„Ich weiß nicht…“ Ich biss mir auf die Lippe. Sofort sprang eine Spur von Furcht in sein Gesicht. „Nein, ich denke, es ist alles in Ordnung. Ich habe wohl einfach nur vergessen, ihn wieder hochzufahren.“

Ich lächelte, doch wie erwartet nahm er mir dies nicht so richtig ab. War es denn so gewesen? Bis jetzt war mir nicht einmal bewusst, dass ich meinem Schild den Befehl für den Normalzustand geben musste.

„Ich habe Angst“, brach es auf mir heraus.

Sofort lag seine Aufmerksamkeit wieder auf mir.

„Wovor?“

„Vor so vielen Dingen.“ Ich schaute mich um, ein kleiner Vogel schien uns zu beobachten. Die Hasenfamilie war bereits schnell weggehoppelt, als wir uns diesem Punkt genähert hatten. „In Forks ist so vieles schief gegangen, was wenn ich hier auch einen Fehler nach dem anderen mache?“

„Du hast nichts falsch gemacht.“

Er zwang mich, ihn anzusehen.

„Bella, entschuldige meine nächste Aussage…“ Er lächelte zuckersüß. „… aber du bist schon lange nicht mehr so naiv wie damals in Forks.“ Er stoppte kurz, doch ich konnte ihm nicht einmal böse für seine Aussage sein. „Du bist in deinem Charakter so stark gewachsen, du bist Mutter, Ehefrau, Geliebte, ein wichtiger Teil der Familie. Glaub mir, wenn ich dir sage, dass du nie etwas tun würdest, was irgendeinen von uns in Gefahr bringen könnte.“

„Ja, absichtlich vielleicht nicht. Aber es gibt-“

Seine Finger pressten meine Lippen zusammen und hielten mich vom weitersprechen ab.

„… so viele Din-“

Mit einem sinnlichen Kuss stoppte er auch mein gedankliches Weitersprechen. Es war so einfach, sich zu verlieren, wenn er mich küsste, so leicht an nichts zu denken. Er liebkoste mich sanft mit seiner Zunge, seine Zähne zupfen verführerisch an meinen Lippen. Ich war schon mehr als bereit, mich ihm jetzt einfach hinzugeben, als er sich wieder von mir trennte.

„Ich liebe dich.“

„Ich liebe dich auch.“

Er strich abermals durch mein Haar.

„Ich liebe deinen neuen Haarschnitt.“

„Das sagst du nur, weil du weißt, dass sie nicht mehr nachwachsen.“

Er küsste mich kurz auf die Nase und presste seine Stirn gegen meine.

„Ich würde dich niemals belügen.“

„Es ist auf jeden Fall praktischer… Ich meine, auf der Jagd und so… nicht wahr?“

Meine Lippen verzogen sich ein wenig, als hoffte ich selber, an meine Worte zu glauben.

„Ja“, versicherte er mir, bevor er mich näher an sich zog. „Und was deine Ängste angeht… wir schreiben einfach ein ganz neues Buch und morgen fangen wir mit dem ersten Kapitel an.“
 

Kapitel 09 - Schneidendes Verlangen - Ende

Ein sorgenvolles Wochenende

Autor: littleblaze

E-Mail: little_blaze_2000@yahoo.de
 

Disclaimer: Alle Rechte an den Bis(s)-Charakteren gehen auf das Konto von Stephenie Meyer und ich selber verdiene keinen einzigen Cent mit meiner Story.
 

Neue Charaktere, die Storyline, selbsterstellte sowie editierte Bilder und sämtliche, für die Story erstellten Extras gehören mir und dürfen nicht ohne meine vorherige Zusage auf anderen Seiten, Portalen oder Foren gepostet werden.
 

Kapitel 10 - Ein sorgenvolles Wochenende
 

Ich ließ frustriert den Blick über das Gras schweifen.

Nichtsdestotrotz war es ein herrlicher Morgen, auf seine ganz eigene Art. Wie auch auf den Scheiben der Fahrzeuge wurden die kleinen Grasspitzen von einer leichten Eisschicht gefangen genommen, ein feines Glitzern drang an mich heran. Es wehte ein kläglicher Wind, die Bäume wiegten nur besinnlich ihre Wipfel.

Einige Tiere machten sich bei ihrer Suche nach Nahrung durch schwache Geräusche bemerkbar und ein weiteres schmatze geräuschvoll in der Küche, während mein Mann mit einem aufgesetzten Lächeln in seinen Wagen stieg und zur Schule fuhr. Warum ich es als frustrierend empfand, hier zu stehen und ihm zum Abschied zu winken, obwohl ich die Schule doch eigentlich als einen störenden Punkt ansah, konnte ich mir zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht erklären. Vielleicht war es einfach nur der Drang, bei ihm sein zu wollen, wenn mich irgendetwas anderes davon abhielt.

Meine Tochter hatte ihren Arm mit meinem verschlungen und zog mich freudig wieder hinein, nachdem die Wagen von Alice und ihrem Vater nicht mehr zu erkennen waren. Es gab immer noch so viel im Haus zu erledigen, doch ich wollte Renesmee die Begeisterung nicht nehmen, einige Stunden nur mit mir alleine zu verbringen. Obwohl alleine waren wir ja nicht einmal wirklich, Jacob schaute interessiert zu, als mich Renesmee zu der reichlichen Auswahl an Spielkonsolen führte, welche inzwischen an dem 102 Zoll Plasma Fernseher angeschlossen waren.

Viel übrig hatte ich noch nie für diese Art der Freizeitbeschäftigung gehabt. Emmett, Jacob und Jasper hingegen ließen keine Chance aus, sich gegenseitig zu beweisen, wer der Bessere in jedem x-beliebigen Spiel auf dem Markt war, und Renesmee hatten sie mit diesem Wahn erfolgreich angesteckt.

Also versuchte ich mich, ausgestattet mit einem doppelschneidigen Schwert, einem Zauberstab und übermenschlicher Reaktionsfähigkeit, wacker durch den vierten Teil der Kingdom Hearts-Saga zu kämpfen. Die kleinen Kommentare aus der hinteren Reihe, wenn ich wieder einmal den falschen Weg eingeschlagen oder einen Gegenstand nicht gefunden hatte, ließ ich dabei achtlos über mich ergehen.

Nach vier Stunden allerdings verlor sich langsam meine Konzentration und schaffte es, mich sacht aus dem Spielverlauf zu winden, indem ich Jacob das Pad überließ und mich in den Hintergrund verzog, als er mit Renesmee anfing, darüber zu diskutieren, welcher Bösewicht nun am schwersten zu besiegen sei.

Es war so gar nicht meine Welt, ein gutes Buch würde ich jederzeit diesem ausdruckslosen Vergnügen vorziehen.

Ich verließ den Raum und bekam gerade noch mit, wie sich Carlisle mit einem zärtlichen Kuss von Esme verabschiedete. Schnell huschte ich wieder hinter die Ecke, um die ich gekommen war. Ich empfand es immer noch als ziemlich taktlos, sie bei ihrer gegenseitigen Zuneigung zu beobachten, obwohl beide damit anscheinend überhaupt kein Problem zu haben schienen.

Ich verharrte dort, bis Carlisle mit einem sanften Lächeln an mir vorbei ging und sich mit einer kurzen Berührung auf meiner Schulter von mir verabschiedete. Er verließ das Haus und ich betrat die Küche.

„Was machst du gerade?“

Die Küche strahlte natürlich makellos, weder vom Frühstück noch vom Umzug zeigte sie irgendwelche Spuren. Das einzige Stück, welches nicht ganz ins Bild passte, war der riesige, ultramoderne Kühlschrank zwischen antiken Möbeln.

Esme blickte von ihrem Buch hoch, viele bunte Pflanzen waren auf den Seiten zu erkennen.

„Ich möchte einen Gemüsegarten anlegen.“

Sie lächelte sanft.

Ihr Blick glitt wieder hinunter zum Buch, als ich um den Tisch herum ging.

„Ich dachte an: Gurken, Tomaten, Salat, Sellerie und Knoblauch.“

„Ja, was wäre ein guter Vampirhaushalt ohne einen ordentlichen Vorrat an Knoblauch?“, konnte ich mir ein kleines Lachen darauf nicht verkneifen.

„Du kannst mir helfen, wenn du magst.“

Sie blätterte auf die nächste Seite um, wo der Bau einer einfachen Bewässerungsanlage erklärt wurde.

„Vielleicht später. Zuerst werde ich mich wohl doch den restlichen Kartons widmen, leider packen sie sich nicht von selbst aus.“

Ein hörbarer Seufzer drang über meine Lippen.

„Ja, aber mit der Zeit gewöhnst du dich dran.“

Ihr Arm ging um meine Schulter und drückte mich leicht.
 

Natürlich schaffte ich es nicht, an rein gar nichts oder an irgendwelches belangloses Zeug zu denken, während ich die letzten zwei Kartons mit Renesmees Sachen auspackte. Nein, natürlich musste ich noch einmal an den gestrigen Tag denken.

Aber nicht die eigentlich ziemlich normale vampirische Reaktion beschäftigte mich nun, sondern eher was oder ob überhaupt etwas mit mir nicht stimmte. War es wirklich nur ein Zufall gewesen, dass mein Schild sich nicht von selber wieder platziert hatte? Gab es vielleicht doch irgendetwas, das mich, und vielleicht auch Alice, durcheinander brachte?

Verrückt, könnte man natürlich schnell denken, was sollte das schon sein? Aber immerhin waren wir eine Vampirfamilie und lebten mit einem Werwolf in einem Haus zusammen. Konnte es da nicht durchaus noch ein wenig eigenartiger gehen? Vielleicht gab es noch andere Dinge oder Mächte, von denen wir bis jetzt überhaupt keine Vorstellung hatten und welche gerade hier in Prince Rupert präsent waren. Wer konnte denn schon einhundertprozentig sagen, dass die Wälder nicht von kleinen, flatternden Elfen bewohnt wurden, ob am Ende des Regenbogens nicht ein Topf voll Gold auf uns wartete oder die Angst vor dem Wendigo doch gerechtfertigt war? Vielleicht waren wir geradewegs in unseren Untergang gezogen und ich hatte uns hierher geführt. Typisch wäre es doch wieder einmal.

Mein Gesicht senkte sich und mein Interesse wurde auf den Gegenstand in meiner Hand geleitet. Sinnlich streichelte ich über den Einband des blauen Albums hinweg, ohne es gemerkt zu haben. Ich glitt an den Verziehrungen entlang, an der silberfarbenen Schrift. Nur vorsichtig tasteten meine Finger sich vor, als drohten die Erinnerungen zu bersten, wenn ich nicht sorgfältig genug mit ihnen umgehen würde…

Ein Bild nach dem anderen schaute ich mir an; Geburtstage, Weihnachtsfeste, ein Ausflug nach Disneyland und viele Besuche bei unseren Freunden. Ob Renesmee bei Goofy und Mickey, Benjamin und Tia, dem dunkelhäutigen Nahuel oder der wilden Amazone Zafrina im Regenwald stand, immer lag ein freies, aufrichtiges Lachen auf ihrem Gesicht, und ich wünschte mir so sehr, dass es für immer so sein würde, dass niemals irgendetwas Böses an sie heran treten würde. Doch sogleich sagte mir mein Verstand, wie aussichtslos dieses Wunschdenken war.

Sie würde Jahrhunderte, gar Jahrtausende leben können, und auch wenn ich es nur ungern zugab, musste ich an die Wahrheit in Aros Worten vor gut vier Jahren denken, an eine Wahrheit, die man leicht verdrängte, aber welche uns doch irgendwann einholen würde. Mit der vergehenden Zeit wurde sie immer existenter, würde uns das Leben immer schwerer machen; Fingerabdruckspeicherung, öffentliche Videoüberwachung, Genetische Identifizierung… die Wissenschaft.

Schon jetzt spürten Carlisle und die anderen diese Veränderungen, wie weit würde der Fortschritt erst in einem weiteren Jahrhundert sein? Würden wir uns überhaupt noch vor Entdeckung schützen können oder war es uns irgendwann bestimmt, auf einem Fleckchen der Welt ohne wirkliche Zivilisation zu leben, nur damit wir sicher waren?

Obgleich dies auch nur einige der Gefahren waren, die Renesmee vielleicht ausgesetzt sein würde. Es gab noch so viele andere… die Volturi selbst, Vampire auf Kriegspfad, andere Spezies, wie die Werwölfe, die ihr nach dem Leben trachten könnten, Menschen und vieles, was gerade noch nicht einmal einen Platz in meiner Vorstellung hatte. Wie sollte ich es nur schaffen, sie vor all diesen Dingen zu beschützen?

Ich klappte das Album geräuschvoll zu, besann mich und stellte es zu Renesmees anderen Büchern auf das Regal. War es verrückt, sich jetzt schon darüber Sorgen zu machen, oder war es einfach nur realistisch, dass ich nicht an den ewigen Frieden glauben konnte?

Mein Körper wanderte wie in Trance zum geöffneten Fenster, als der Wagen von Alice auf das Grundstück fuhr. Ihre weichen Züge und das kleine Lächeln auf ihren Lippen erkannte ich gestochen scharf durch die gespiegelte Frontscheibe; leider waren es ihre Fähigkeit gerade so gar nicht.

Wie viel wusste sie überhaupt von unserer Zukunft, ich hatte sie nie danach gefragt. Hatte sie vielleicht irgendeine Ahnung davon, wie es mal mit uns zu Ende gehen würde? Wie weit hatte sie gesehen, bevor diese nicht gerade hilfreiche Schwärze von ihr Besitz ergriffen hatte?

Erst jetzt durchströmte mich der Gedanke, dass ich sie beinahe an Edward verraten hätte, mein Schild so eine lange Zeit nicht an seinem Platz gewesen war. Doch war ich wahrscheinlich schon zu weit weg gewesen oder mein Schild war zu dem Zeitpunkt, als ich auf dem Nachhauseweg über Alices Problem nachgedacht hatte, wieder normal gewesen. Wenigstens hatte Edward weder mich noch Alice darauf angesprochen, ein ziemlich guter Beweis dafür, dass er immer noch unwissend war. Sollte ich darüber glücklich sein?

Ich schaute Alice und Jasper noch zu, wie sie händchenhaltend das Haus betraten, dann widmete ich mich wieder dem Karton auf dem Boden. Schnell räumte ich die übrigen Sachen an ihre neuen Plätze und verließ mit der leeren Pappe unter den Armen das Zimmer. Sogleich vernahm ich den Geruch von gebratenem Fleisch und den schweren Duft von Knoblauch in der Luft. Ich stellte das Atmen weitgehend ein und ging die Treppe hinunter.
 

Zeitgleich mit dem Auftun des Essens stand auch Edward in der Tür. Ich sah ihm sofort an, dass er nicht bester Laune war, doch bevor ich fragen konnte, hielt er mir schon einen kleinen Zettel hin.

„Es ist besser, du rufst ihn bald an, sonst taucht er noch hier auf.“

Er küsste mich flüchtig auf die Lippen und schritt an mir vorbei.

Nachdem meine Augen erkannten, was auf dem Papier stand, überwand ich jedoch mit schneller Leichtigkeit die Distanz und hielt ihn auf.

„Edward Cullen, du bist doch nicht etwa eifersüchtig?“, erhob sich meine Stimme und augenblicklich gehörten sämtliche Blicke im Raum mir. Alice kicherte leise und Esme huschte ein Laut über die Lippen, der Alice wieder zur Ruhe bringen sollte.

„Nein! Das ist es nicht.“

Seine Finger unterstrichen mit einer feinen Geste in meinem Gesicht seine Worte.

„Was ist es dann?“

Da immer noch alle Blicke auf uns lagen, deutete er mir den Weg hinaus aus der Küche. Ich folgte ihm bis in die hinterste Ecke des Wohnzimmers. Der Fernseher gab ein Standbild eines anderen Spieles preis.

„Edward?“

Ich sah ihm doch an, dass er sich nicht wohl fühlte. Was war denn nur geschehen?

„Jetzt sag schon“, forderte ich ihn auf. „Du machst mich irre mit deinem Schweigen.“

Er trat von einem Fuß auf den anderen, eine unnütze, menschliche Handlung, dann fing er endlich an:

„Sie waren nicht gerade galant zu dir.“

Seine Finger strichen einige wüst liegende Strähnen hinter mein Ohr.

„Was meinst du damit?“

„Sie haben minderwertig über dich gedacht, dich verurteilt, obwohl diese ignoranten Wesen nicht einmal die Situation kannten.“

„Das ist es, was dich bedrückt?“ Ich lächelte ihn besänftigend an. „Aber so ist das doch nun einmal in einer Highschool. Du hast das doch bestimmt schon dutzende von Malen erlebt, dass man über dich oder die anderen schlecht gedacht hat… da wird doch dauern blöde rumgetratscht.“

Ich versuchte, lässig mit der Hand zu wedeln, als könne ich damit seine negativen Spannungen weg wischen.

„Schon… aber… sie haben über dich geredet und ich habe nichts darauf erwidert. Ich wollte die Sache nicht aufbauschen, so wie wir es immer handhaben; Einfach reden lassen, nicht noch mehr für Gesprächsstoff sorgen. Irgendwann legt sich das schon.“

„Das war doch auch genau richtig so.“

Ich verstand immer noch nicht, wo das Problem lag. Meine Hand legte ich besänftigend auf seine Brust und fuhr mit dieser hinauf zu seinem Hals.

„Ja, eigentlich schon. Aber er…“ Er nahm mir den Zettel ab und nun war es seine Hand, die zu wedeln begann, nur aus einem ganz anderen Grunde. „Er hat es getan. Er hat dich verteidigt. Er… und nicht ich. Es wäre meine Berufung gewesen, dies zu tun, stattdessen habe ich gar nichts getan.“

Und auf einmal verstand ich. Es war ein wenig überzogen, aber dies war nun einmal seine Art. Edward hatte mehr Punkte in Ritterlichkeit erhalten, als es zur jetzigen Zeit üblich war. Es war schon schwer genug für ihn, überhaupt nichts zu tun, jemanden nicht zu verteidigen, den er liebte, aber wenn ein anderer es an seiner Stelle tat, wurde es noch um einiges unerträglicher für ihn.

Edward war immer noch nicht ganz in der Gegenwart angekommen und, ehrlich gesagt, liebte ich ihn dafür nur umso mehr.

„Edward…“ Ich umschlang seinen Körper und drückte mich an ihn. „Ich liebe dich, aber du kannst mich nicht vor jedem noch so kleinen Gedanken beschützen.“

Seine Finger legten sich unter mein Kinn und hoben es an, unerwartet trafen mich seine Lippen, begierig forderte seine Zunge Einlass, welchen ich gewehrte.

„Du hast mir so vieles gegeben. Ich bin dir so dankbar, dass ich an deiner Seite sein darf, und ich weiß, dass du alles tun würdest um mich und unsere Familie zu beschützen.“

Er ließ von mir ab.

„Alles!“, antwortete er auf meine Gedanken.

„Alles!“, bestätigte ich.
 

Das Gespräch mit Kajika tätigte ich, als alle anderen mit einem Anruf von Rosalie und Emmett beschäftigt waren. Zuerst hatte ich darüber nachgedacht, in den Wald zu gehen, damit Edward nicht durch irgendeine Aussage von ihm noch mehr durcheinander gebracht werden würde, sagte mir dann aber, dass dies Schwachsinn sei und ich ihn damit wahrscheinlich nur noch mehr beunruhigte.

Als ich dem Ton am anderen Ende der Leitung lauschte, erfasste mich unerwartet ein Schub Nervosität. Ich hatte keine Ahnung, worum es in diesem Gespräch eigentlich gehen sollte.

„Hallo?“

„Hi, ich bin es, Bella. Du wolltest, dass ich mich bei dir melde? Was gibt es denn?“

Ich versuchte, meine Stimme interessiert und locker klingen zu lassen. Ob mir das gelang, war anzuzweifeln.

„Nichts besonderes. Ich wollte nur mal fragen, wie es dir so geht, dein Bruder ist ja nicht gerade sehr auskunftsfreudig.“

„Mir geht es gut, danke.“

Ich überging die Aussage auf meinen angeblichen Bruder und hätte am liebsten sofort nachgefragt, ob es sonst noch etwas gäbe und wenn dem nicht so wäre, aufgelegt. Dies kam mir dann aber doch ein wenig zu unfreundlich vor. Ich wusste ja immerhin, dass er eigentlich nur nett sein wollte, dass er mich auch in meiner Abwesenheit vor unseren Mitschülern verteidigt hatte. Ich schuldete ihm wenigstens ein paar Minuten meiner unendlichen Zeit.

„Gab es denn außer mir noch ein anderes, interessantes Thema in der Schule?“, fragte ich deshalb.

„Du hast davon gehört?“

„Ja.“ Ich setzte ein kleines Lachen hinzu, damit er nicht annahm, dass mich das Gerede bedrückte.

„Nein…“ Er lachte ebenfalls „Du warst vollends präsent.“

„Dann kannst du mich ja nicht sonderlich vermisst haben“, wollte ich zuerst antworten, zügelte mich aber, weil ich irgendwie spürte, dass er genau das getan hatte.

„Und bei dir zu Hause alles in Ordnung oder hast du Ärger wegen der Sache bekommen?“

„Nein, alles in Ordnung.“

Es blieb kurz still, als hätte niemand mehr etwas Passendes zu sagen. Ich drehte mich dem Fenster zu und spähte zwischen die ersten Bäume hindurch; keine potenzielle Mahlzeit zu entdecken.

„Sag mal, hast du am Wochenende was vor? Es läuft ein neuer Sci-Fi-Film im Kino, den würde ich mir gerne ansehen, oder ich könnte dir einfach ein wenig die Stadt zeigen, wenn du magst?“

Und hier war sie: die Situation, vor der ich mich eigentlich rechtzeitig hatte schützen wollen. Doch hatte er mir nicht einmal genügend Zeit dafür gelassen… wie sollte ich ihm, ohne mich zu verraten, begreiflich machen, dass ich nicht das war, was er in mir sehen wollte? Meine Stirn setzte sich am Glas ab, würde es eine Reaktion auf den Temperaturunterschied geben oder waren wir uns gleich in unserer erbitternden Kälte?

„Sorry, aber am Wochenende bekommen wir Besuch und es ist auch noch so viel zu tun… auspacken und so.“

Ich ließ es klingen, als täte es mir leid, ihm eine Absage erteilen zu müssen, und fragte mich im nächsten Moment schon wieder, ob das wirklich ein gutes Vorgehen war.

„Ich verstehe… na ja, vielleicht ein anderes Mal.“

„Ja“, schenkte ich ihm für den Moment zwar Hoffnung, wusste aber, dass er nicht verstand, wie es in Wirklichkeit gemeint war. Oder tat er es vielleicht doch?

„Ok, Bella. Dann will ich dich auch nicht weiter stören.“

„Das hast du nicht.“

Ich biss mir auf die Lippe, konnte ich nicht einfach die Klappe halten?

„Wir sehen und dann am Montag in der Schule… Bye, Bella“

„Bye!“

Er trennte die Verbindung und ich stand reglos weiterhin an der Scheibe, die meine Leblosigkeit teilte.

Wäre ich ein Mensch, könnte ich mir gut vorstellen, mit Kajika befreundet zu sein. Auch wenn ich ihn noch nicht wirklich verstand, konnte ich doch erkennen, was für ein liebenswürdiger und ehrlicher Mensch er war. Ich würde mich vermutlich glücklich schätzen können, mit ihm befreundet zu sein…

Ein nerviges Geräusch durchdrang meinen Gehörgang. Ich ließ das Telefon sinken und starrte hinauf.
 

Den Abend verbrachten Renesmee und ich damit, Esme mit ihrem Gemüsegarten zu helfen.

Es begeisterte mich immer wieder, wie ganz normale, kleine Dinge sich so ganz anders anfühlen konnten, als es früher der Fall gewesen war. Ob Geruch, Aussehen oder die Konsistenz… es war alles einfach so viel intensiver, selbst eine Handvoll dreckiger Erde.

Wir setzten Samen und Pflanzen, bauten eine ziemlich simple Bewässerungsanlage und umgaben das ganze mit einem kleinen Zaun aus Holz, den wir aus der früheren Brettervernagelung der Fenster bastelten.

Jacob und Jasper verprügelten sich derweil ausgelassen in einem Kampfspiel. Wahrscheinlich würden sie irgendwann davon ablassen und auf primitive Art übereinander herfallen, wie es auch sonst immer der Fall war.

Ein Umzug brachte anscheinend auch viele geldliche Dinge ins Rollen, wenigstens glaubte ich dies herauszuhören. Alice und Edward spekulierten mit Carlisle über den Börsenmarkt, wo wohl die besten Anlegemöglichkeiten in der Zukunft waren und, abgesehen von Alice, wusste nur ich, dass es sich dieses Mal wahrscheinlich auch tatsächlich nur um Spekulationen handelten.

Wieder kam diese Besorgnis viel zu schnell und wieder einmal musste ich mich dazu zwingen, sie aus meinem Kopf zu verbannen. Ich konnte einfach nicht anders, als mir diesen Punkt immer wieder vor Augen zu führen. Mir wurde so langsam klar, wie sehr ich mich auf Alice eigentlich verlassen hatte, doch jetzt wollte ich nicht daran denken, nicht an die Zukunft, nicht, was vielleicht noch kommen mochte…
 

~ † ~
 

Am Samstagvormittag begleitete Edward Carlisle ins Krankenhaus. Sie wollten endlich einigen Nachforschungen im Bezug auf autistische Patienten und Edwards Fähigkeiten nachgehen. Persönlich konnte ich mich immer noch nicht mit dem Gedanken anfreunden, obwohl ich natürlich nur zu gut nachfühlen konnte, dass Edward nach Antworten für seine Fehlbarkeit suchte. Ich würde wahrscheinlich nur besser dabei empfinden, wenn es nicht etwas mit dem Jungen zu tun hätte, der auf ziemlich liebenswürdige Art versuchte, mein Freund zu werden.

Esme und Alice verließen zeitgleich das Haus, da sie noch einiges zu besorgen hatten.

Ich verstaute gerade die letzten Dinge, wie einen Haufen Bargeld, Prepaidhandys und Ausweise in unserem Zimmer, als ich auf die vergessene Schachtel unter dem Bett stieß. Ich zog sie hinaus, öffnete sie und entnahm ihren Inhalt. Ich drehte ihn kurz in meiner Hand, betrachtete ihn von vorn und hinten und vielleicht hätte ich mich ein wenig länger daran erfreuen sollen, doch schnell verstaute ich ihn fürs erste in einer halbleeren Schublade. Die Schachtel, jetzt mit einigen tausend Dollar bestückt, wanderte noch weiter in die Dunkelheit unter dem Bett.

Als nächstes nahm ich mir endlich noch einmal das Dosier über unsere neuen Identitäten vor. Ich las den Inhalt schnell durch und speicherte jede Information sorgfältig ab. Danach zerriss ich es so weit, dass es aussah, als wäre ein Rasenmäher hinüber gefahren, und schmiss es in den Abfalleimer.

Ich überlegte gerade, was ich als nächstes tun könnte, als Jaspers scharfe Anweisungen an Renesmee durch das geschlossene Fenster drangen. Ich spähte durch das matte Glas. Man erkannte nur zu deutlich Jacobs Abneigung gegenüber Jaspers Befehl.

Es gab nicht viele Punkte, in denen sich Edward und Jacob so einige waren wie in dem, dass es für Renesmee noch viel zu früh war, das Kämpfen zu erlernen. Doch ich hatte mich ihnen, mit der Hilfe von Jasper, erfolgreich widersetzt; meiner Meinung nach konnte sie es gar nicht früh genug lernen.

Trotzdem musste ich wegschauen, als Jacob mit schnellen Schritten auf sie zustürzte und anfing, sie zu würgen.

Ich drehte mich vom Fenster weg und verließ den Raum, vielleicht brachte ein kleiner Kampf jetzt genau die richtige Zerstreuung. Gut zwei Wochen war es her, als ich das letzte Mal gegen Jasper angetreten war. Der Umzug hatte alles durcheinander geworfen.

Eine Zeitlang hatten wir nichts anderes zu tun gehabt, als uns täglich gegenüber zu stehen. Es war aufregend, gegen ihn zu kämpfen, ganz anders als bei Edward, der viel zu oft nachgab, oder Emmett, der immer zu schnell ins Spaßige verfiel… Jasper war wild und entschlossen, er wollte gewinnen und das machte ihn zu einem hervorragenden Lehrer.
 

„Was ist mir ihr?“

„Mit wem?“

„Komm schon, erzähl mir, was mit Alice los ist?“

Jaspers Arme pressten mich nun gegen den harten Boden, wäre Luft zu meinem Überleben notwendig, sähe es nicht gut für mich aus. Er drückte so feste, dass ich die kleinen Äste und Steinchen unter meinen Kopf spüren konnte. In seinen Augen loderte eine Spur Neckerei.

Ich wand mich und stieß ihn von mir, er flog gut zehn Meter, ehe er wieder festen Boden unter den Füßen hatte und erneut auf mich zustürmte.

Jacob und Renesmee kletterten in den Bäumen umher und beobachteten nicht wirklich unser Tun.

„Sorry, ich weiß nicht wovon du sprichst.“

Ich war wieder auf den Füßen und preschte um einen dicken Baumstamm, hoffte, dass er mir wenigstens kurzzeitig Schutz bieten würde. Ich duckte mich, als seine Hände nach mir griffen und rutschte zwischen seinen Beinen hindurch, stürmte wieder aufs freie Feld hinaus.

Blitzschnell schoss etwas auf mich zu, die weichende Luft verriet sein Kommen. Mit einer Millimeter großen Senkung meines Kopfes konnte ich dem ersten Stein entgehen. Der zweite erforderte einen kleinen Hüpfer, dem dritten wich ich durch eine gekonnte Drehung aus.

Er blieb in sicherem Abstand stehen, als ich mich ihm nun wieder zu wand. Er lächelte mich in Angriffspose an.

„Also willst du es mir nicht sagen?“

Ich zuckte nur mit den Schultern, als er mir durch kreisförmige Bewegungen galant näher kam.

Was sollte ich ihm auch antworten?

Ohne jegliches Anzeichen raste er auf mich zu, ihm entfuhr ein bedrohliches Knurren. Retten konnte ich mich mit einem Sprung in Richtung Häuserwand. Ich krallte meine Finger in die Fugen und kletterte blitzschnell zum Dach empor. Renesmee klatschte von der anderen Seite belustigt Beifall.

„Warum fragst du sie nicht einfach selber?“

Mein Blick ging hinab, meine Stimme war gerade so laut, dass nur er es hören konnte.

„Denkst du, dass hätte ich nicht schon längst getan?“

Seine Pose veränderte sich, er strich sich mit einer unnatürlichen Geste für seine Person über den Arm. Jasper war besorgt.

Als er ebenfalls die Häuserwand empor stieg, wusste ich, dass der Kampf vorüber war.

Ich setzte mich gerade hin, als er neben mir zum Stehen kam.

„Sie will mir nichts sagen.“

Es klang verbittert, vielleicht hatte er schon zu oft in Unwissenheit leben müssen.

„Vielleicht gibt es ja gar nichts zu sagen.“

Gab es ja auch eigentlich nicht, aber wie das erklären, ohne mein Wort zu brechen?

Er ließ seinen Blick kurz schweifen und setzte dann zum Sprung an.

„Jasper“, hielt ich ihn auf. Ich konnte es irgendwie nicht ertragen, dass er vielleicht enttäuscht von mir war, dass er womöglich dachte, ich wolle ihm nicht weiterhelfen. „Wenn es wichtig wäre, würde ich es dir sagen.“

Sein Blick blieb kurz fragend, dann lächelte er mich zaghaft an und sprang in die Tiefe. Ich konnte nur hoffen, dass sich dieser ungewisse Punkt bald in Wohlgefallen auflöste.
 

Das Gespräch mit Jasper hatte mich wieder einmal zum Grübeln gebracht und so fand ich es irgendwie ziemlich erleichternd, als ich wenigstens mein persönliches Problem vor der ganzen Familie darbrachte. Einen nervigen Gedanken nach dem anderen nahm ich mir vor, auszuradieren. Ich wollte endlich anfangen, mein ewiges Leben zu genießen und nicht immer in Furcht leben müssen.

Sogar Jacob ließ vom Essen ab und hörte gespannt zu, als ich detailgetreu erzählte, was im Klassenzimmer geschehen war, und dass mich anscheinend mein Schild für einige Minuten im Stich gelassen hatte.

Vielleicht war es unnötig, es noch einmal auszubreiten, aber andererseits könnte es ebenso zu einer Schwachstelle werden, wenn mein Schild bei einem eventuellen Angriff nicht richtig funktionieren würde. Alle sollten sich darauf gefasst machen können, dass es vielleicht Umstände gab, wo ich mich und meine Familie nicht richtig beschützen konnte. Ich wollte mir später nicht den Vorwurf machen müssen, es verschwiegen zu haben.

Jedoch teilte meine Familie meine Besorgnis nicht. Dass ich die Kontrolle über meinen Schild in dieser Situation verloren hatte, war für sie ebenso einfach zu erklären, wie ein Betrunkener, der sein Gleichgewichtsgefühl nicht mehr besaß. Sie erzählten kleine, persönliche Anekdoten, über ihre eigenen Verfehlungen und versicherten, dass alles mit mir in Ordnung sei.

Nach einer halben Stunde kapitulierte ich und versprach mir selber, mich nicht mehr mit dem Thema zu beschäftigen. Was hätte ich auch anderes tun sollen; einem anderen Mitschüler etwas in den Oberschenken rammen und testen, ob es ein weiteres Mal passierte?

Ein ausgedehnteres Thema war der Besuch im Krankenhaus. Anscheinend stand der Autismus mit Edwards Fähigkeiten wirklich in einem unerklärlichen Zusammenhang. Doch anders als bei Kajika durchfluteten die Gedanken des kleinen Mädchens, welches im Krankenhaus ohne sein Wissen als Versuchsobjekt genutzt worden war, Edwards Kopf so stark, dass er keinen Platz mehr für seine eigenen Gedanken gehabt hatte.

Carlisle hatte Edward aus dem Zimmer schaffen müssen, damit es ihm gelang, sich wieder auf etwas anderes als das Mädchen zu konzentrieren.

Ich schauderte als Edward von den innerlichen Schmerzen und dem Gefühl der Gefangenschaft, welche nicht seine eigenen waren, berichtete. Das Kind musste unermessliches in seiner Krankheit durchmachen und keiner konnte es sehen, keiner außer Edward.
 

Sanft auf meinen Armen gebettet trug ich Renesmee nach oben in ihr Zimmer. Jacob trottete gähnend hinter uns her. Es war ziemlich spät für sie geworden, doch genau wie alle anderen war sie gefesselt von Edwards Erzählungen gewesen. Es schien, als hatte er das ganze Leben des Mädchens in einigen Sekunden miterlebt, so viele Bilder waren nun in seinem Kopf gespeichert.

Jacob reichte mir das Nachthemd, als ich Renesmee aus Pullover und Hose schälte, kurz verharrte ich an dem Medallion, welches mein erstes Weihnachtsgeschenk an sie gewesen war. Ich konnte nicht anders, als es zu öffnen und über die französischen Worte hinweg zu streichen, mir ins Gedächtnis rufen, wo das Bild entstanden war, das in seinem Inneren prangte.

„Alles in Ordnung?“

Jacobs warme Hand legte sich kurz auf meine Schulter.

„Ja!“

Ich schüttelte leicht den Kopf, um mich selber zu beruhigen, schloss das Medallion wieder und zog Renesmee zu Ende um.

Der Gedanke an ein krankes, ein leidendes Kind hatte mich zutiefst berührt, und ich war gerade so erleichtert, dass wir durch Nahuel Gewissheit hatten erfahren dürfen, dass eine Angst von uns genommen worden war.

Ich küsste meine Tochter auf die Stirn, legte ihr das Pony in die Arme und verließ in Begleitung von Jacob das Zimmer.

Nach wenigen Schritten blieben wir an seiner Tür stehen.

„Wir müssen nächste Woche endlich mal ein größeres Bett für dich besorgen“, versuchte ich mich endgültig von den bedrückenden Gedankengängen abzulenken.

„Das ist nicht nötig“, antwortete er.

Ich schaute ihn fragend an, woraufhin er die Tür öffnete und mir Einblick gewährte.

Dort wo zuvor das Bett gestanden hatte, lag nun eine fast doppelt so große Matratze, umgarnt von vielen Kissen.

„Renesmee und Esme haben das ausgeheckt“, erklärte er mir, bevor ich fragen konnte.

„Und wo ist das Bett hin?“

Er deutete auf den nicht bewohnten Raum, wo auch ich einiges an Kartons verschart hatte, dann trat er durch die Tür hindurch und ich folgte ihm auf den Schritt. Ich war neugierig, was sich vielleicht noch verändert hatte, doch zu meinem Missfallen erblickte ich die immer noch gepackten Kartons an der gegenüberliegenden Wand.

„Du hast immer noch nicht ausgepackt“, stellte ich fest.

„Ich hatte noch keine Zeit dazu.“

Meine Ahnung ließ verlauten, dass dies nicht der wahre Grund war.

Er streifte sich sein Shirt vom Körper und ließ sich auf der Matratze nieder, sein Kopf glitt an einigen Kissen vorbei, bis er die optimale Stellung gefunden hatte.

„Was tust du denn den ganzen Tag?“, versuchte ich ihn aus der Reserve zu locken.

Er zuckte nur leicht mit den Schultern und schlüpfte unter die Decke. Als nächstes entledigte er sich seiner Hose, die daraufhin in einem weiten Bogen durch das Zimmer flog.

„Na, wenigstens hast du hier selbst als Wolf genügend Platz“, sagte ich.

Renesmee tauchte wie aus dem Nichts neben mir auf, ich wäre beinahe erschrocken zur Seite gesprungen.

Sie gähnte herzhaft, ihre Augen schienen halb geschlossen.

„Er verwandelt sich nicht mehr in einen Wolf“, durchdrang ihre Stimme die Luft.

Mit dem Pony fest an ihrer Seite ging sie an mir vorbei, hinunter auf die Knie und krabbelte auf Jacob zu. Schnell hob er die Decke an, damit sie hinunter kriechen konnte. Sie kuschelte sich an seine Brust und schien sofort wieder eingeschlafen zu sein. Ihre Worte allerdings hallten in meinem Kopf.

„Wann hast du dich das letzte Mal verwandelt, Jake?“

Ich flüsterte so leise, dass es Renesmee nicht störte, aber mit so fester Stimme, dass er den Nachdruck in meiner Frage erkannte.

„Das geht nur mich was an.“

Er ließ sie beide weiter in die Kissen sinken und glitt mit seinem Finger durch bronzefarbene Strähnen; die schokoladenbraune Farbe war nach einigen Haarwäschen schon wieder gewichen.

„Hör auf, den Harten zu spielen.“

Einige Sekunden vergingen, aber er machte nicht einmal Anstalten mir irgendeine Erklärung zu liefern.

„Ich werde nicht locker lassen, also kannst du es mir auch direkt sagen.“

Mein Blick war fest und er schaffte es nicht lange, diesem stand zu halten. Immer schneller schienen sich seine Finger um das weiche Haar zu drehen.

„Ich will sie nicht hören… Sam, Seth und die anderen… Ich kann es einfach noch nicht...“

„Was ist das denn für ein hirnloser Schwachsinn, Jake?“ Meine Stimme hatte sich unkontrolliert erhoben, sofort senke ich sie wieder. „Sie vermissen dich…“ Ich ging ebenfalls hinunter und erreichte den Rand der Matratze. „… und du vermisst sie bestimmt genauso, und wenn du mit ihnen reden würdest, wäre es bestimmt für euch alle viel einfacher zu ertragen!“

„Was weißt du schon?“

Sein Blick ging zur Seite und irgendwie fühlte ich mich wie vor den Kopf gestoßen. Ja, genau… ich wusste nichts, wie sollte ich auch, wenn er mir nichts erzählte?

Ich war natürlich fest davon überzeugt gewesen, dass er die ganze Zeit über mit dem Rudel in Kontakt gestanden hatte. Nie hätte ich erwartet, dass er sich einfach so in ein Schneckenhaus zurückziehen würde.

„Wie gesagt, geht das nur mich etwas an“, fügte er noch hinzu.

„Das denkst aber auch nur du, Jacob Black. Ich befehle dir auf der Stelle, dich in einen riesigen, stinkigen Wolf zu verwandeln und mit deinen Freunden zu sprechen, sonst ist hier aber der Teufel los!“

Ich tippte mit einem Finger auf der Matratze herum und auf meinen Befehl hin starrte er mich an, als wolle er sagen, dass ich ihn mal sonst wo könne. Aussprechen würde er dies zwar garantiert nicht, aber es lag felsenfest in seinem Blick. Verstehen konnte ich seine Reaktion durchaus, und um an mein Ziel zu gelangen, gab es schließlich noch eine weitaus bessere Möglichkeit, als es ihm einfach zu befehlen oder ihn zu bitten... Es war immerhin nur zu seinem Besten.

„Ich werde Renesmee auf dich ansetzen, wenn du es nicht tust“, drohte ich ihm ohne mit der Wimper zu zucken.

„Das wagst du nicht!“

„Oh doch“, grinste ich fies. „Wenn du dich jetzt nicht augenblicklich in einen Wolf verwandelst, werde ich es tun.“

„Was willst du denn sagen, was sie machen soll, mich auf Knien darum bitten?“

„Wenn es hilft… aber lass das mal meine Sorge sein.“

Der darauffolgende Blickkontakt war nicht nur von Überzeugung und Erkenntnis geprägt, sondern auch von Abscheu, dass ich auf diese billige Drohung zurückgriff. Aber verstand er denn nicht, dass es so das Beste war, dass es doch zu ihm gehörte… er sich nicht so lange quälen musste?

Er richtete den Blick kurz auf das schlafende Kind neben sich und in der nächsten Sekunde konnte ich mit ansehen, wie sich die Decke um einen guten Meter empör wölbte und nun ein großer, rostbrauner Wolf die Matratze niederdrückte. Renesmee rutschte leicht hinab, ihre Finger griffen liebevoll in das weiche Fell, hielten sich fest, wie sie es ihr ganzes Leben über getan hatte. Jacobs Schnauze drückte sich sanft in ihr Haar und immer noch schlafend legten sich ihre Arme um seinen Hals. Es war ein so wunderschöner Anblick… wie sich Kind und Wolf ganz selbstverständlich ergänzten.

Es dauerte nur einen Moment, bis ich an Jacobs Augen erkannte, dass er in Kontakt mit jemandem aus der Heimat stand, vermutlich Sam.

Ich ließ meine Hand sacht über seinen Rücken streifen, griff ebenfalls kurz ins Fell und verließ daraufhin leise das Zimmer.
 

Nach diesem durchaus wärmenden Erlebnis erledigte ich zwei weitere Dinge auf meiner imaginären Liste; Ich erzählte Alice von dem Gespräch mit Jasper, was sie nicht weiter verwunderte. Entweder wusste sie es einfach schon, oder sie hatte sich denken können, dass der besorgte Mann an ihrer Seite nicht so schnell locker lassen würde. Und ich telefonierte mit Charlie.

Es war schön, seine Stimme zu hören, zu erfahren, dass es Seth bereits ein bisschen besser ging. Ich verspürte den Wunsch, mit ihm zu reden, er fehlte mir sehr, aber ich äußerte dies nicht… vielleicht stand Seth gerade mit Jacob in Kontakt und ich wollte sie nicht stören.

Ich selber hatte mich schon zu einem großen Teil mit der neuen Umgebung angefreundet, ehrlich gesagt, war ich mehr als verwundert, wie einfach dies von statten ging, aber bei Jacob schien das noch lange nicht der Fall zu sein. Er brauchte seine früheren Bezugspersonen jetzt eindeutig dringender als ich.

Jedoch wurde mir mein Wunsch auf andere Weise erfüllt. Mein Vater kündigte seinen Besuch bei uns an, seine genauen Worte waren: „Er müsse doch mal schauen, wo es uns hin verschlagen hatte“ und er würde nicht alleine kommen... nein, auch Seth und Leah würden kommen, die Kinder, die jetzt an seiner Seite lebten.

Ich stellte mir amüsiert vor, wie Leah die Diskussionen mit Charlie führte, die ich zuvor erlebt hatte. Da konnte sie noch so groß und stark sein, wenn ein Junge Charlie nicht in seine Vorstellungen passte, würde sie es zu spüren bekommen. Ich musste verschwommen an die vielen kleinen Sticheleinen in Edwards Richtung denken und kicherte leicht in den Hörer.

Natürlich verstand mein Vater nicht, was so lustig an seinem gestrigen Angelausflug sein sollte, aber das war schon in Ordnung so… ich war einfach nur froh, dass wir alle auf dem richtigen Weg waren.
 

~ † ~
 

Nachdem der Sonntag ziemlich ruhig, sonnig und familiär abgelaufen war, stand am Montag wieder Schule auf dem Plan. Dieses Mal entstand die Frustration wohl eher aus dem Umstand, dass ich hin musste; was würde ich jetzt nicht alles für ein doppelschneidiges Schwert und einen Zauberstab geben? Aber auf der anderen Seite war ich neugierig.

Wie würde es sein, auf negative Art im Mittelpunkt zu stehen? Hatte Kajika hervorragende Arbeit geleistet und die Gemüter beruhigt oder hatte er es geschafft, sie mit seiner Verteidigung nur noch weiter anzustacheln?

Eigentlich konnte ich mir die zweite Variante nicht wirklich vorstellen, da ich ja im großen und ganzen wirklich unschuldig an dem Vorfall war, aber pubertierende Schüler sollte man nicht mit normal denkenden Menschen in einen Topf werfen, das wusste ich aus eigener Erfahrung bestens.

Also stieg ich mit ziemlich neutralem Gesicht aus dem Wagen. Edward meinte zwar, dass ich mich ganz normal verhalten sollte, aber vielleicht würde man dies als anmaßend von mir deuten. Ich hätte Alice zu gerne nach ihrer Meinung gefragt, aber leider war sie nicht hier, ihr Unterricht begann heute später als mein eigener.

„Siehst du, es scheint gar nicht so schlimm zu sein, sie ist auch wieder in der Schule“, flüsterte Edward mir zu.

„Lizzy?“

„Ja.“

„Wo ist sie?“

Ich blickte mich suchend um, konnte sie aber nirgends entdecken. Mit meiner Aktion allerdings stachen mir mehr Blicke ins Gesicht als ich zuvor wahrgenommen hatte. Manche richteten sich schnell woanders hin, andere schauten mich an, als fragten sie sich wirklich, ob ich sie als mein nächstes Opfer auserkoren hatte. Ich ignorierte sie und ließ meinen eigenen Blick weiter schweifen.

„Sie steht mit einigen Mädchen vor der Sporthalle.“

„Ok! Entschuldige mich.“

Ich reichte Edward meine Tasche, wobei meine Hand beruhigend über seinen Arm hinweg glitt, und ging in Richtung Sporthalle davon. Kurz überlegte er, ob er folgen sollte, ich spürte es an der aufgewühlten Luft hinter mir.

Einmal in die korrekte Richtung, war das Mädchen schnell ausfindig zu machen. Ihr langes, blondes Haar reichte bis zur Hüfte, ihre Augen strahlten regelrecht, schienen mehr zu erzählen als ihre Lippen es taten, und ihr Körper lehnte sich galant an eine Krücke. Auf eigenartige Weise wirkte sie anmutig.

Meine Hand durchquerte automatisch mein eigenes Haar, befühlte verärgert die zu kurzen Strähnen, doch schnell ließ ich sie wieder sinken, anscheinend verfolgte die Allgemeinheit interessiert meinen Gang. Was dachten sie denn bitteschön, was nun passieren würde?

Lizzy erblickte mich, als ich noch einige Schritte entfernt war, und hörte sofort auf mit ihren Erzählungen, doch in ihr Gesicht stahl sich keine Spur von Besorgnis oder Angst auf mein Kommen, womit ich unter Umständen gerechnet hatte. Als daraufhin ihre Freundinnen bemerkten, warum plötzlich Stille über sie hereingebrochen war, verabschiedeten sie sich zügig und entfernten sich einige Meter. Im Gegensatz zu Lizzys Gesicht zierten die ihren eine gewisse Furcht.

Ich blieb drei Sekunden später vor Lizzy stehen, mit einem freundlichen „Hi!“ begrüßte sie mich. Meine erste Vermutung ging in die Richtung, dass Kajika anscheinend mit ihr gesprochen hatte und sie vielleicht darüber hinaus noch ein sehr verständnisvoller Mensch war.

„Hallo!“, erwiderte ich.

Der Geruch von sterilem Verband und einer Endzündung hemmenden Salbe drang an mich heran. Wie groß mochten wohl die Schmerzen sein, die sie unter ihrem Verband mit sich herum trug?

Ich horchte auf ihren Herzschlag, wartete eigentlich auf irgendein Zeichen von Nervosität… aber nichts. Ihr Herz pochte stetig in dem gleichen, ruhigen Rhythmus weiter, und auch sonst gab es keinerlei Hinweise für irgendetwas, was mich selber beunruhigen sollte. Witzerweise beunruhigte mich gerade dies.

„Es tut mir leid“, drang es in empfindsamem Ton über meine Lippen.

„Schon ok, es war ja schließlich nicht deine Absicht.“ Sie strahlte mich über beide Ohren hinweg an und ich fühlte mich noch beengter in meiner Haut. „Mein Name ist Alyssa, aber du kannst mich gerne Lizzy nennen, das macht hier eh echt jeder.“

Sie streckte mir die Hand hin.

„Nein, es war ganz sicher keine Absicht“, beteuerte ich ihr. „Trotzdem wollte ich mich dafür entschuldigen.“

„Wie gesagt, nicht notwendig.“

Ihre Hand hing immer noch nichts tuend in der Luft. Ich griff danach, mein schwarzer Handschuh traf auf ihren Pinken.

„Isabella Cullen, aber Bella ist mir lieber“, lächelte ich zum ersten Mal zurück.

„Wollen wir zusammen in die Klasse gehen, Bella?“, hielt sie mich immer noch gefangen.

„Gerne“, war das einzige, was ich über die Lippen bekam.
 

Die erste Stunde war, wie auch am letzten Donnerstag, Politik. Dem Lehrer, dem ich bei unserem letzten Zusammentreffen noch keinen Namen hatte zuordnen können, bekam nun einen: Mr. Bates. Er war jung, sah irgendwie immer nervös aus und sprach in einem lustigen Akzent, keine Ahnung, woher er ursprünglich stammte.

Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass ich beim Thema „Die größten politischen Verfolgungen unserer Geschichte“ nur mit halbem Ohr hinhörte, mein Interesse galt viel mehr den leichten Erzählungen von Kajika. Abgesehen davon, war mir die Materie wohlbekannt und ich speicherte auch ohne groß hinzuhören alles fein säuberlich in meinem Kopf ab.

Von Kajika ließ ich mir erzählen, was er so am Wochenende getrieben hatte, wie es denn so war, der Sohn des Direktors zu sein, welches persönliches Interesse er an Wahlkursen hatte, und ich erklärte warum ich mich noch nicht zu einigen davon entschieden hatte und ließ ganz unauffällig mein Interesse an Alyssa einfließen. Ich konnte nicht anders, als mir über ihre durchweg aufgeschlossene Art Gedanken zu machen und ihren Hinterkopf immer wieder anzustarren.

Doch er konnte mir anscheinend nichts wirklich Interessantes erzählen und auch, als sie zur zweiten Stunde, die sie nicht mit uns hatte, den Raum verließ, starrte ich weiterhin auf den Fleck, an dem sie zuvor gesessen hatte.
 

Nach Mathematik und ein wenig portugiesisch Sprache, trafen wir uns mit Alice und Jasper zum Mittagessen. Es gab nichts Wichtiges zu erzählen, ein wenig Smalltalk über einzelne Gerüche im Raum, dass sich das Wetter wohl noch bis zur Mitte der Woche halten würde, und einzelne sehnsüchtige Blicke, woraufhin Alice Jaspers Hand nahm und sie leicht drückte.

Ich fand Edwards Blick, aus seinen Augen wich immer mehr der goldene Schimmer, es war kaum mehr etwas davon vorhanden. Übereilt wurde mir bewusst, dass es bei mir ebenfalls der Fall war, und sogleich durchdrang mich ein feuriges Verlangen nach Nahrung.

Ich senkte den Blick, weil mir dies bis jetzt noch nicht sehr oft widerfahren war, wir hatten nie länger als eine Woche Rast von der Jagd gemacht. Es war das erste Mal, dass ich so lange ohne Blut zurecht kommen sollte… heute war es genau eine Woche her. Wie würde es die nächsten Tage für mich sein?

„Denk nicht drüber nach“, wies ich mich gedanklich an und ließ meinen Blick wieder einmal umher wandern, traf auf Gesichter, die ich nun, meist durch Kajikas Erzählungen, in der Lage war einzuordnen: Logan, der bekannt dafür war, dass er seine Finger nicht bei sich lassen konnte, oder Samuel, ein Mädchenschwarm wie er im Buche steht, und Benjamin, eine Art Prügelknabe, für jeden der nicht wusste, wohin er mit seinen Aggressionen sollte. Das Antlitz, das ich allerdings versuchte zu finden, blieb mir verwehrt, stattdessen traf ich auf Kajikas, der mir freundlich und nicht zu aufdringlich zuwinkte.

Ich erwiderte seinen Gruß sporadisch, bis er von einem Jungen an seiner Seite angestupst wurde. Es war ein großer, dunkelhaariger Junge, der nun kurz in meine Richtung schaute und mir bis jetzt fremd war. Er erzählte etwas und fing an zu lachen, Kajika fiel mit ein. Und nun erfasste ich auch die anderen Personen am Tisch, eine große Gruppe aus Mädchen und Jungen, die anscheinend zusammen gehörten und sich gut miteinander verstanden.

Ich lächelte leicht.

Warum hatte ich nur angenommen, dass Kajika alleine war, ohne Freunde?

Irgendwie hatte sich dieser Gedanken in mir festgesetzt. Waren seine Erzählungen Schuld daran oder hatte ich dies einfach nur mit den Tatsachen in Einklang bringen wollen? Einem kranken Jungen, der gleichzeitig der Sohn des Direktors war… wo stand denn geschrieben, dass so ein Junge keine Freunde haben durfte?

„Über wen lachst du?“

Edward beugte sich ein wenig vor, ich sah ihm an, dass er mich am liebsten an sich gedrückt hätte.

„Über mich selber.“

„Wirklich? Erzähl es mir, vielleicht stimm ich mit ein.“

Er lächelte schon mal im Vorschuss, und ich schüttelte leicht mit dem Kopf.

„Besser nicht“, griff ich unter dem Tisch nach seiner Hand.

Er verschränkte liebevoll unsere Finger, streichelte behutsam über meinen Ring hinweg. Sein Blick wurde so unglaublich weich, dass es mir fast das Herz zerbrach, ihn nicht küssen zu können. Um meine Willenskraft nicht noch mehr zu beanspruchen, wand ich mich mit einem Lächeln von seinem Gesicht ab.

Ich durchquerte erneut den Raum und erschrak unter der folgenden Betrachtung.

Mein Verstand befahl mir, ihm sofort zur Hilfe zu eilen, doch Edward umklammerte weiterhin meine Finger. Verständnislos schaute ich ihn an, denn er hatte zweifelsfrei das selber gesehen wie auch ich.

„Es geht ihm gut.“

Sein Blick, seine Stimme, alles versuchte beruhigend zu wirken… aber hatte in diesem Moment so gar keine Wirkung auf mich. Ich schaute ängstlich wieder in die Ferne, dann wieder zurück zu Edward… es fiel mir so schwer ihm zu glauben, obwohl ich wusste, dass er mich nicht anlügen würde.

„Bist du wirklich sicher?“

Hörte nur ich die drängende Besorgnis in meiner Stimme oder tat er es auch? Warum tat denn niemand etwas? Edward zog mich einige Zentimeter näher, sein Blick drang fest auf mich ein.

„Schau dich doch um…“ Ich tat wie geheißen und mir kam es so vor, als hätten alle im Raum ihr Aussehen verloren, als wären sie nur noch schwarze Schattengestalten und es gab nur eine einzig weiße zwischen ihnen. „… für alle ist es ganz normal, niemand tut irgendetwas. Sie würden nicht so reagieren, wenn etwas nicht stimmen würde.“

Ich biss mir auf die Lippe.

Natürlich war etwas an seiner Aussage dran und darüber hinaus wusste er viel mehr als ich es je konnte, die Köpfe von Kajikas Freunden mussten voll sein mit solchen Erinnerungen, aber trotzdem… es war so ein schrecklicher Anblick. Wie konnten sie alle daneben sitzen und einfach weiter lachen?

Ich musste raus!

Sofort!

Ich befreite mich von Edwards Griff und versuchte, nicht noch einmal in Kajikas Richtung zu schauen, denn auch so würde ich dieses Bild nicht so schnell wieder aus meinem Kopf befreien können.
 

Kapitel 10 - Ein sorgenvolles Wochenende - Ende

Eine mysteriöse Krankheit

Autor: littleblaze

E-Mail: little_blaze_2000@yahoo.de
 

Disclaimer: Alle Rechte an den Bis(s)-Charakteren gehen auf das Konto von Stephenie Meyer und ich selber verdiene keinen einzigen Cent mit meiner Story.
 

Neue Charaktere, die Storyline, selbsterstellte sowie editierte Bilder und sämtliche, für die Story erstellten Extras gehören mir und dürfen nicht ohne meine vorherige Zusage auf anderen Seiten, Portalen oder Foren gepostet werden.
 

Kapitel 11 - Eine mysteriöse Krankheit
 

Auch der Anblick eines ruhenden Wolfes im sanften Ton der Morgenröte, die sich zaghaft an den Bäumen vorbei kämpfte, konnte das Bild vom Vortag nicht restlos aus meinem Gedächtnis löschen.

Ich hatte angenommen, dass ich einfach nur dem Bild entkommen wollte, aber mittlerweile war dieser Gedanke der Überzeugung gewichen, dass es vielmehr der Umstand war, der mich aus der Cafeteria getragen hatte… Der Umstand, dass ich rein gar nichts für den kranken Jungen hätte tun können. Edward war natürlich sofort an meiner Seite gewesen und ich hatte mir ein drittes, sowie ein viertes Mal versichern lassen, dass wirklich alles mit Kajika in Ordnung sei.

Was sollte man auch anderes tun, als besorgt nachzufragen, wenn man eine bekannte Person schlaff auf der Tischkante liegen sah; den Kopf auf die Tischplatte gedrückt, geöffnete Augen, die ins Nichts starrten und Arme, die kraftlos hinab hingen.

Aber es war nicht wirklich seine Pose oder die Augen, welche einen Ausdruck angenommen hatten, den ich so noch nie gesehen hatte… nein, es waren seine Finger, die mich am meisten ängstigten. Immer wieder schienen diese sich im gleichen Rhythmus zu bewegen, immer wieder das gleiche Abspreizen, als würde sie beharrlich angewiesen werden, bis zehn zu zählen… immer und immer wieder.

Inzwischen wusste ich sogar, dass es genau das gewesen war. Kajika hatte fließend zehn Dinge abgezählt; Autos, Menschen, Bücher, Stifte, Bäume, Blumen, Kerzen, Unmengen von Gegenstände. Die Bilder waren in diesen Minuten glasklar in Edwards Kopf gedrungen.

Was immer Edward zuvor abgehalten hatte, in Kajikas Kopf vorzudringen, war in dieser Zeitspanne nicht vorhanden gewesen.

Wir hatten natürlich Carlisle davon berichtet und dieser, sowie auch Edward selbst, konnten sich nicht erklären, was mit Kajika in der Cafeteria geschehen war. Es gab viele Verhaltensweisen bei Autismus, aber von einem derartigen plötzlichen Aussetzer hatten Beide noch nie gehört.

Während Carlisle und Edward den Nachmittag lang die Nasen nicht mehr aus den Büchern bekommen hatten, dachte ich an die quälenden Stunden nach dem Vorfall zurück; die sich in die Länge ziehenden Stunden von Computertechnik und Amerikanische Literatur mit dem Wunsch, Kajika wiederzusehen, mich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war.

Ich konnte nicht wirklich mit Edward darüber reden, er garantierte mir nur aufs Neue, dass es ihm gut ginge. Doch ich wollte mehr erfahren. Kurz dachte ich daran, die Mädchen, welche in Amerikanische Literatur in einem Halbkreis um mich herum saßen, nach Kajikas Krankheit zu fragen, verkniff es mir aber. Ihre Aussagen hätten mich vielleicht nur noch mehr beunruhigt… Ich wollte sehen, dass es ihm gut ging, nicht nur davon hören.

Nach dem Unterricht zwang ich Edward mit mir, am Sekretariat vorbei zu gehen. Er sollte in die Gedanken des Direktors eindringen, um sich zu vergewissern, dass wirklich alles in Ordnung sei. Meine Bitte hatte mir einen komischen Blick zuteil werden lassen, aber er tat es, ohne zu hinterfragen. Mir wäre einfach nicht wohl dabei gewesen, ohne mir sicher zu sein, nach Hause zu fahren…
 

Ich näherte mich dem ruhenden Wolf und dem Kind, welches es sich gerade an seinem Fell gemütlich machte.

Der immer noch haltende Morgenfrost bildete einen weichenden Kreis um sie herum.

Renesmee kontrollierte noch einmal ihre Position und schlug nach der Bequemlichkeitsprüfung das Buch, welches in ihren Händen lag, auf und las die ersten Zeilen von Bram Stockers „Dracula’s Guest“ vor. Es war die Erstausgabe von 1914, jedes Antiquariat würde ihr den Band nur zu gerne aus ihren kleinen Fingern reißen, obwohl… so klein waren ihre Finger schon gar nicht mehr.

Ich blieb in meiner Annäherung stehen und stellte mir mein Kind an meiner Seite vor. Ihr Kopf reichte mir schon knapp über die Schulter, ihre Größe lag bei 1,48 Metern, nicht mehr lange und sie hatte meine eigene Körpergröße erreicht; vielleicht einige Monate noch.

Ich hörte den Worten zu, die sie melodisch in die Luft warf, und setzte mich wieder in Bewegung, mein Blick fiel auf ihr Shirt, wo noch keine Wölbung auszumachen war. Aber müsste es nicht bald so weit sein? War es für einen 13jährigen Körper nicht ganz normal, sich langsam in Richtung Frau zu entwickeln?

Jacobs Augen öffneten sich für eine Sekunde, als ich vor ihnen Halt machte. Ich beugte mich nieder, um mich von meiner Tochter zu verabschieden.

„Schau mal was Grandpa mir geschenkt hat.“

Sie hob mir das Buch entgegen. Der matte, rote Einband sah schon ein wenig mitgenommen aus.

„Ein besonderes Geschenk. Aber glaub nicht alles, was du darin liest.“

Meine Finger strebten nach vorn und berührten ihre Wange.

„Aber Momma, ich weiß doch immerhin, was der Wahrheit entspricht und was nicht.“

Sie lächelte als wäre sie die Mutter und ich das Kind, welches es zu belehren galt.

Ich strich ihr einige Haare hinters Ohr.

„Vielleicht liest du es mir ja auch irgendwann einmal vor?“

Ich lehnte mich vor und küsste sie zum Abschied auf die Stirn.
 

Die erste Stunde Biologie schenkte mir direkt ein erleichterndes Gefühl.

Mein Platz war zwar an der Seite meines Mannes, jedoch schickte mir Kajika des Öfteren ein kleines Lächeln hinüber. Ich war erleichtert, dass er noch genauso aussah wie am Vortag, irgendeiner irren Vorstellung hatte ich es zu verdanken, dass ich mit etwas anderem gerechnet hatte.

Beim Wechsel vom Bioraum in den Englischkurs hatte ich gerade einmal Zeit für zwei kleine Fragen und die dazugehörigen Antworten. Viel zu wenig, um die vielen Rätsel in meinen Kopf zu lösen.

Ms. Brollend, eine junge, gutaussehende Frau mit blonden Haaren, strahlend blaue Augen und einem wohlgeformten Babybauch, setzte mich neben ein Mädchen mit rötlichen Haaren, Sommersprossen und einem Lächeln, bei dem jeder Mann dahin schmelzen konnte.

Edward nahm neben einem Jungen platz, den ich aus vielen unserer Kurse kannte, er war uns wahrscheinlich klassenzugehörig und kein Springer. Er hatte braune Haare und grüne Augen, stand anscheinend auf Kriegsfuß mit seiner Haarbürste und versuchte nicht zu sehr erkennen zu lassen, dass er lieber alleine gesessen hätte.

Ich lächelte ebenfalls, als ich mich neben das Mädchen mit den vielen kleinen Punkten im Gesicht setzte. Einen kurzen Blick auf Kajika, neben dem ich gerade viel lieber sitzen würde, gewährte mir meine Sitznachbarin noch, ehe sie mich ansprach:

„Hi, mein Name ist Kate Person. Du bist Bella, das Mädchen mit der Schere, stimmst?“

„Ja, genau die“, gab ich kurz zurück und fing an, in meinem Englischbuch zu blättern. Ich verspürte trotz Schönheit eine sofortige Abneigung gegen die Person neben mir und erlebte den Zwang, ihr zu sagen, dass ich es nicht mochte, wenn man mich Bella nannte.

„Du siehst gar nicht so gefährlich aus, wie man so hört.“

„Wenn du meinst.“

Ich zuckte nur leicht mit den Schultern, zeigte ihr, dass mir gleich war, was andere über mich redeten, und fragte mich gleichzeitig ob sie das immer noch sagen würde, wenn ich zwei Wochen lang nichts getrunken hätte und in einer dunklen Gasse auf sie treffen würde?

„Du bist sogar richtig hübsch. Ich dachte, du wärst eher so eine kleine Verrückte, der man schon von weitem ansieht, dass sie nicht mehr alle beisammen hat, du weißt schon, was ich meine, oder?“

Sollte ich darauf antworten?

Kate ließ ihre Haare schwungvoll zur Seite gleiten, zum dritten Mal in der kurzen Zeit.

„Auf jeden Fall“, fuhr sie fort. „Ich bin Co-Trainerin bei den Cheerleadern. Hast du nicht Lust, mal vorbei zu kommen? Wir brauchen immer ein paar neue, hübsche Mädchen, um den Jungs so richtig Dampf zu machen.“

„Danke, aber ich verzichte.“

Für diese Antwort musste ich nicht mal überlegen.

„Was? Ist doch nicht dein Ernst?“

Sie griff nach meinen Arm. Es tat nicht weh, selbst für menschliche Verhältnisse hätte es dies wahrscheinlich nicht getan. Sie war wohl nur so von meiner Antwort überrascht, dass sie ihren Worten Nachdruck verleihen wollte.

„Wir reden hier immerhin von den Cheerleadern und wir würden uns wirklich freuen, wenn-“

„Nein, danke“, unterbrach ich sie und drehte mich so, dass ihre Hand von meinem Arm glitt.

Sie schaute mich noch einige Sekunden perplex an, ehe sie wieder ein bezauberndes Lächeln aufsetze und weiter versuchte, mich zu überzeugen, ihrem wichtigen Club beizutreten…

Dies zog sich durch die ganze Stunde, nur einige Minuten mehr und ich hätte ihr wahrscheinlich auch noch zugesagt, nur damit sie endlich aufhörte zu reden. Mit jeder Minute wurde ihre Stimme nerviger, ihr Lächeln falscher. Zum Glück machte die schwangere Ms. Brollend einige Minuten früher Schluss, da sie dringend die Toilette aufsuchten musste.
 

Die nächste Stunde brachte das einzige Fach, das Edward nicht mit mir teilte: Kunst.

Es waren wenige Personen vorhanden, die mir bekannt vorkamen, und der Rest würfelte sich aus fast allen Jahrgangsstufen zusammen.

Mrs. Willburg hatte schon einige Jahre hinter sich und sofort brannte sich das Bild von einer strickenden Oma am Kaminfeuer in meinen Kopf, doch wenigstens lag eine so beruhigende Wirkung in der Luft, dass ich die nervige Begegnung mit Kate ganz aus meinem Kopf streichen konnte.

Abgesehen von der beruhigenden Wirkung gab es einen weiteren positiven Punkt an diesem Kurs; ich teilte ihn mit Alice.

Sie war in ihrer Art genauso wie Kajika; wild hatte sie auf den Platz neben sich geklopft, als ich den Raum betreten hatte, und lächelte mich an. Als hätte ich auch nur in Erwägung gezogen, mich irgendwo anders hinzusetzen.

Es galt eine Vase abzuzeichnen, in Alices Gesicht spiegelte sich der selbe Ausdruck, wie Esme ihn beim Zeichnen auflegte. Ich schmunzelte über diese Erkenntnis.
 

Zum Mittagesessen versammelten wir uns natürlich, wie die meisten anderen auch, in der Cafeteria.

War das eigentlich wirklich notwendig? Waren wir wirklich dazu verdammt, hunderten von Menschen dabei zuzuschauen, wie sie Kiloweise Nahrung in sich hineinstopften und oft auch nicht gerade schöne Geräusche dabei hinterließen und wir, umgeben von Nahrung, keinen Bissen essen dürften?

Logischerweise fiel mir in dieser Umgebung ein, dass ich selber Hunger hatte.

Mein Blick fiel auf die braune Papiertüte vor mir; Thunfischsalat auf Brot! Angewidert verzog ich das Gesicht.

Ich wand den Blick leicht von meiner Familie fort und zog die Luft aus verschiedenen Richtungen ein, drehte mich dabei so lässig wie möglich, damit es nicht auffiel.

Ich hatte Hunger!

Ich versuchte das Kratzen und Brennen in meiner Kehle nicht zu beachten und suchte nach einem Geruch, der mich fesselte. Zu meiner Freude vernahm ich direkt ein dutzend Düfte, von denen ich mich unter anderen Umständen nur zu gerne hätte anlocken lassen.

Zwei davon kamen von dem Tisch, an dem Kajika mit seinen Freunden saß. Seiner war es nicht, es war der Junge neben ihm, mit den braunen Haaren und Augen, der mir schon gestern aufgefallen war, und ein Mädchen weiter links, die ihre Haare total wirr trug aber verdammt gut dabei aussah, oder empfand ich das gerade nur, weil sie so gut roch?

Jedoch wanderte meine Aufmerksamkeit zurück zu dem Jungen. Er lachte, wieder einmal oder immer noch? Ein ziemlicher fröhlicher Charakter schien er zu sein, sein Lachen war wohlklingend, nicht so nervig oder abgedroschen wie manch anderes.

Der Weg von seinem Gesicht zum Hals war nicht schwer, durch sein heftiges Lachen wurde das Blut schneller durch seinen Körper gepumpt, seine Halsschlagader presste sich appetitlich gegen seinen gestrafften Hals. Ich brauchte nur Millisekunden, um mir das gesamte Szenario vorzustellen; vom Aufstehen, bis hin zur Flucht aus der Cafeteria. Ich konnte sein süßes Blut bereits an meinen Lippen spüren. Warum trug er bei diesem Wetter eigentlich keinen Rollkragenpullover oder Schal?

Die Stimme von Alice, die über die vergangene Kunststunde berichtete, drang natürlich an mein Ohr, das Erzählte ließ mich aber nicht gerade auf andere Gedanken kommen. Mein Blick hing weiterhin an der verbotenen Halsschlagader.

Warum eigentlich die Halsschlagader? Pumpte sie das Blut am stärksten oder war es einfach nur die beste Stelle, da sie praktischerweise nur selten bedeckt war?

Vampire, grauenhafte Geschöpfe der Nacht!

Waren sie eigentlich immer noch so angsteinflößend, wenn man ihnen bei strahlendem Sonnenschein gegenüberstehen würde? Persönlich war ich damals eher fasziniert gewesen, als an irgendetwas Böses bei diesem atemberaubenden Anblick zu denken. Und wenn man nicht einmal von der Existenz der Vampire wusste, war man dann nicht noch weitaus mehr verzaubert, würde man nicht eher annehmen, einem Engel als einem blutdürstigen Wesen gegenüber zu stehen?

Weder Knoblauch, der Pflock, Tageslicht oder Weihwasser barg auch nur die kleinste Gefahr für uns… war es nicht irgendwie amüsant, dass ich in den alten Filmen und Büchern mehr Vampir erkannte, als in dem Gesicht, welches mich jeden Morgen aus dem Spiegel heraus ansah?

In meinen Gedanken gefesselt, verweilte mein Blick bei Alyssa auf der anderen Seite des Saals. Sie saß bei einigen Mädchen, die ich schon flüchtig mit Alice und Jasper gesehen hatte. Also war Alyssa vermutlich eine Stufe höher als ich und besuchte deswegen nur einen einzigen Kurs mit mir… aber von ihr kam kein einzigartiger Duft. Zwar appetitlich, aber nicht das Bouquet, dem man den Vorzug geben würde.

Als nächstes zog mich der lange Tisch der Sportler und Cheerleader an. Das Gespräch, das sich um meine Person gehandelt hatte, war schon vorüber. Ich hatte dem sinnlosen Geplapper keine Beachtung geschenkt. Nur ein einziges Aroma am Tisch zog mich in seinen Bann und dies nicht einmal, weil es auf einladende Art roch, sondern weil es mir bekannt vorkam.

Ich konnte mich nicht mehr erinnern, wie ich zu dem Parfüm gekommen war, welches sich nun einen Weg durch meine Nase schlängelte. Eine Erinnerung, die ich in meinem früheren Leben zurückgelassen hatte; ich konnte mich nicht einmal an den Namen des Duftwassers erinnern...

Ich horchte auf, als Alices Kichern lauter wurde, Jasper flüsterte ihr etwas ins Ohr; zu schnell und leise, selbst für meine Ohren. Edward kicherte kurz darauf ebenfalls, ich sah ihn an, aber ich fragte nicht nach, was denn gerade so für Belustigung sorgte, denn vielleicht hätte ich es ja mitbekommen, wenn ich nicht anderweitig abgelenkt gewesen wäre.

Ich drehte mich wieder dem Tisch und Edward zu. Unsere Hände trafen sich von ganz alleine unter dem Schutz der hölzernen Tafel und es wurde augenblicklich zu einem Moment, in dem ich meinem Mann am liebsten erneut gestehen würde, was ich für ihn empfand.

Die Wärme in seinen kalten Augen ließ mich sofort alle Gedanken an Nahrung vergessen und ein anderes Verlangen nahm von mir Besitz. Erst in diesem Moment erfasste ich, dass es schon ganze drei Tage her war, dass wir uns gegenseitig in Besitz genommen hatten. Einen Zustand, den ich ganz sicher nicht um noch einen weiteren Tag verlängern wollte.

Edward spürte mein Zögern, als meine Hand sich aus seinem Griff winden wollte, um ihn zu berühren. Er lächelte mich verständnisvoll an, aus dem Augenwinkel erfasste ich die Berührung, die Alice und Jasper teilten. Beide schienen kein großes Interesse mehr zu verspüren, kleine Zuneigungen länger zu verheimlichen; war ich erleichtert oder beneidete ich die Beiden für ihre Entscheidung?
 

Das letzte Fach an diesem Tag fand in einem großen Raum statt, der eher an einen Hörsaal erinnerte. An der Wand hinter dem Lehrerpult spannte sich eine riesige Leimwand und das Licht war auf schummrige Art gedämmt.

Der Lehrer für den Bereich Astronomie hatte langes, schwarzes Haar, welches zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden war, seine Abstammung war zweifelsfrei Tsimshian.

Auch hier erblickte ich viele verschiedene Altersgruppen, interessierte Blicke trafen immer noch auf uns. Edward und ich setzten uns in eine der hinteren Reihen, wodurch ein ziemlich breites Feld zwischen uns und einer ganzen Menge anderer Schüler entstand. Der Kurs schien viel Anklang zu finden.
 

Meine Hand hatte in der Abgeschiedenheit schnell wieder zu einer anderen gefunden, jedoch durften wir unser Beisammen nur für eine kurze Zeitspanne genießen. Kajika betrat den Raum, lächelte in unsere Richtung und stellte Anspruch auf meine andere Seite.

„Schön, dass du auch hier bist.“

Er klappte den kleinen Tisch, der am Sitz davor befestigt war, hinunter und legte einiges an Technologie hinauf: Ein Handy, die neuste Generation eines Datenträgers und ein kleines silbernes Gerät, welches mir vom Aussehen her nichts sagte.

Ich lächelte ihn an, als er mich anschaute, sein Blick blieb aber nicht lange auf mir liegen.

„Kajika Digs“, streckte er seine Hand an mir vorbei und auf Edward zu. „Vielleicht klappt es ja heute mit ein wenig Konversation.“

Es lag kein Lächeln mehr in seinem Gesicht, sein Ausdruck wirkte eher wie eine kleine Herausforderung.

„Ich weiß, wer du bist“, entgegnete Edward. Mein feines Gehör nahm den missmutigen Klang in seiner Stimme natürlich wahr, aber Kajika sollte dies nicht bemerken. Er senkte seine Hand wieder, nachdem Edward keine Anstalten gemacht hatte sie zu ergreifen.

„Wirklich? Hat Bella viel von mir erzählt?“

Nun grinste der Junge zu meiner Rechten breit und blickte mich wieder an. Seine Augen waren in dem fahlen Licht genauso dunkel wie meine eigenen.

„Ich habe mir Sorgen gemacht“, beantwortete ich seine Frage schnell, um dem Gespräch keinen falschen Weg zu geben.

„Weshalb?“

Sein Blick wirkte absolut unwissend.

„Ich hab dich gesehen, gestern in der Cafeteria.“

„Ach so…“

Ich wartete, er würde doch bestimmt noch etwas Aufklärendes zu dem Thema sagen, oder nicht? Weiter vorn fing Mr. Guyapi mit dem Unterricht an. Er hatte eine sehr tiefe Stimme, mit nahezu bedrohlicher Wirkung.

„Was ist da passiert?“, fragte ich nach einer knappen Minute ohne jegliche Erklärung nach.

„Passiert schon mal.“

Er grinste breit und griff nach seinem Handy.

Was passiert schon mal?“

Wieder ließ ich es zu direktem Augenkontakt kommen. Das Handy drehte sich nervös zwischen seinen Fingern, sein Herzschlag hatte sich ein wenig erhöht.

„Ich weiß es nicht.“

Das Handy glitt wieder auf den kleinen Tisch, Kajikas Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, doch für meine Ohren glasklar zu vernehmen.

„Es ist kein normales Symptom von Autismus, habe ich Recht?“

Die Nachforschungen, denen Edward und Carlisle gestern nachgegangen waren, bestätigten mir dies. Es musste entweder eine ganz andere, neue Form von Autismus sein oder ein zweiter Krankheitsverlauf hatte ebenfalls von ihm Besitz ergriffen.

„Ja.“

Kurz ließ ich mich von dem noch dunkler werdenden Raum ablenken, auf der Leimwand erstrahle ein wunderschönes Bild der Milchstraße. Ähnliche hatte ich schon in dutzenden von Dokumentationen gesehen, welche ich mir mit meiner Tochter angeschaut hatte.

„Und was ist es dann?“

Wieder blieb es einige Zeit ruhig, bis er antwortete.

„Ich weiß es nicht… niemand weiß es.“

Ich wollte schon nachhaken, jedoch fuhr er selbstständig fort.

„Als ich klein war, deutete alles auf Autismus hin; Schüchternheit, gelegentliche Informationsverarbeitungsstörungen… meine riesige Ansammlung an Spielzeugautos musste penible genau nach Farben und Fabrikate geordnet sein, und ich reagierte auf die kleinsten Veränderungen in meinen Umfeld mit ziemlicher Aggressivität. Alles war soweit perfekt, man hatte schnell die anscheinend richtige Diagnose gestellt und fing mit den üblichen Therapien an.“

Er stockte.

Das Milchstraßenbild war gewichen und machte einem Asteroidengürtel platz. Die bedrohliche Stimme des Lehrers drang durch die Dunkelheit.

„Ab meinem siebten Lebensjahr kamen andere Symptome hinzu, Kleinigkeiten, nichts wirklich Besorgniserregendes, aber sie passten einfach nicht ins Bild. Trotzdem hielten die Ärzte an ihrer Diagnose fest.

Mein Vater redet nicht besonders gerne über diese Zeit und ich kann mich nicht mehr wirklich daran erinnern. Ich denke, sie war besonders schwer für ihn, weil meine Mutter uns kurz zuvor verlassen hatte-“

„Das tut mir leid“, unterbrach ich ihn.

Ich konnte nicht anders, als meine Hand auf seinen Arm nieder zulegen und ihm mit leichtem Druck mein Mitgefühl zu signalisieren.

„Das muss es nicht, ich kann mich eigentlich gar nicht an sie erinnern. Keine Ahnung, ob das ein Nebeneffekt der Krankheit ist…“

Leicht ließ ich meine Hand wieder zurück weichen. Eine andere Berührung legte sich derweil auf meinen eigenen Körper, Edward wusste genau, dass mich dieses Wissen traurig stimmte. Wie schrecklich musste es sein, sich nicht einmal an die eigene Mutter erinnern zu können?

„… auf jeden Fall, ließen die ersten Symptome mit dem Alter immer mehr nach und andere traten an ihre Stelle, Symptome, welche nicht dauerhaft sind, nur unter bestimmten Umständen auftreten und nicht wirklich zu einer klaren Diagnose führen. Das einzige, was die Ärzte mittlerweile mit Sicherheit sagen können, ist, dass mit meinem Gehirn irgendetwas so gar nicht stimmt und ich eigentlich ziemlich froh darüber sein muss, dass alles noch so gut funktioniert. Und wenn jemand fragt, tja, es ist es nun einmal einfacher zu behaupten, dass ich Autismus habe, als zu sagen, dass ich unter einem unerklärlichen Hirndefekt leide.“

Er lächelte mich wieder an und zu meiner Verwunderung lag nichts Gespieltes darin. Ich wollte nachfragen, wie genau sich seine Symptome nun äußerten, ob das, was ich gesehen hatte, schon heftig war oder nur das kleinste aller Übel, doch bedrohlich schoss die tiefe Stimme auf uns zu.

„Was gibt es denn so besonderes Kajika?“

Mit der Frage wurde der Raum wieder in grelleres Licht getaucht. Edwards anhaltende Berührung schwand und natürlich drehten sich alle Köpfe zu uns um. Zu meiner Überraschung konnte ich Alyssa unter ihnen ausmachen; also doch noch ein weiterer Kurs, den wir teilten.

„Nichts, was sie wirklich interessiert, Mr. Guyapi. Ich meinte nur gerade zu Bella, dass sie eine wunderschöne Stimme ihr Eigen nennt und es eine Verschwendung wäre, wenn sie nicht der Theater-AG beitreten würde.“

Kajikas Blick blieb am Lehrer heften, der sich nach vorn über das Pult beugte und mit dem Finger über seine Unterlagen fuhr.

„Isabella Maria Cullen?“

Der Kopf des Lehrers hob sich wieder in unsere Richtung.

„Ja!“

Ich stand auf.

„Diese dumme Geschichte mit der Schere?“

„Ja, das war ich.“

Gab es denn überhaupt jemanden, der nicht davon gehört hatte? Ich fragte mich kurz, wie lange ich wohl nun das “Mädchen mit der Schere“ sein würde.

„Du und deine Geschwister seid neu in unserer Stadt, nicht wahr?“

Mr. Guyapi setzte sich bequem auf die Ecke seines Tisches.

„Ja!“

„Möchtest du uns dann nicht ein wenig was über euch erzählen?“

„Nein!“, kam es genauso schnell über meine Lippen, wie die vorherigen Antworten.

Ein kleines Gemurmel durchdrang die Luft.

„Du bist also nicht sehr gesprächig?“

„Kommt auf das Thema an.“

Ich musste mich zusammen reißen, nicht an meinen Fingern oder Lippen zu spielen.

Mr. Guyapi beobachtete mich einige Momente weiterhin neugierig.

„Tut mir leid, Kajika, aber unter diesen Umständen wäre sie nicht gerade Theater-AG tauglich.“

Auf dem dunklen Gesicht erschien ein freundliches Lächeln.

„Ja, das dachte ich mir auch schon“, stimmte Kajika in das Lächeln mit ein.

Irgendwie fühlte ich mich gerade auf den Arm genommen.

„Aber… eine wirklich wunderschöne Stimme, Bella.“ Der Lehrer zwinkerte mir zu und erhob sich wieder von dem Tisch. „Und bei der nächsten Stunde wäre es schön, wenn ihr euch nicht ganz so weit von der Gruppe absetzen würdet, dann müsste ich nicht so schreien und würde vielleicht auch etwas öfter in ihren Genuss kommen.“

Ich nickte nur leicht, ehe ich mich wieder hinsetzte.

„Was sollte das denn?“, zischte ich leise zu Kajika gewand.

„Was denn? Ich habe nur die Wahrheit gesagt, du hast eine ganz einzigartige Stimme.“ Sein Gesicht spiegelte auf einmal mehr Ernsthaftigkeit als für diese Situation von Nöten war. „Ich habe ein sehr feines Gehör was Töne angeht.“ Er beugte sich ein wenig näher zu mir, hätte ich mehr Raum zur Verfügung gehabt, hätte ich ihn wohl zum Ausweichen genutzt. „Als ich deinen Bruder das erste Mal sprechen hörte, war ich hin und weg… kein Scherz.“

Er ging zurück in seine aufrechte Pose und lächelte mich nun wieder an. Für einen kurzen Augenblick wusste ich nicht, wie ich reagieren sollte, dann lächelte ich ebenfalls.

„Man nennt es Inselbegabung oder auch Savant-Syndrom, tritt vorzugsweise bei Autisten auf. Ich fühle mich zu Tönen auf eine ganz besondere Art hingezogen, vielleicht mag ich dich deswegen so gerne.“

Er grinste breit und lehnte sich geschmeidig im Sitz zurück. Ich drehte den Blick in die andere Richtung und schaute Edward hilfesuchend an. Doch was erwartete ich denn, das er nun tun sollte?

„Ach übrigens“, kam es erneut von rechts. „Hast du heute Zeit?“
 

~ † ~
 

Den Mittwoch verbrachten wir im Schutz des Hauses, unser zweiter Sonnentag in der neuen Heimat.

Mir kam er ganz gelegen, von mir aus konnte jeder Mittwoch ein Tag mit strahlendem Sonnenschein sein, denn auf die zwei Stunden bei Mr. Higgins und den Sportunterricht konnte ich gut und gerne verzichten.

Ich nutze die zusätzliche Zeit, um Mails zu beantworten und noch einmal mit Charlie zu sprechen, doch ganz weit vorne stand ein anderer Punkt: Die erste Jagd!

Natürlich schaute man sich nach guten Plätzen in ca. 500 Kilometern Entfernung um. Gebirgszüge, Tierbestand, alles musste recherchiert werden, auf frühere Erfahrungen konnte man sich kaum noch verlassen, vieles hatte sich zu sehr verändert.

Nachdem der Ort, denn man als erstes erkunden wollte, endlich festgelegt war, galt es zu klären, wer überhaupt mit auf die Jagd gehen würde. Für Renesmee war es einfach zu gefährlich und auch eigentlich nicht notwendig, da sie und auch Jacob nicht auf die Jagd angewiesen waren, um zu überleben. Unter energischen Protest der kleinen Lady wurde also beschlossen, dass sie erst auf die Jagd gehen dürfte, wenn ein Ort als einigermaßen sicher galt.

Doch wer sollte gehen und wer bei Jacob und Renesmee bleiben?

Bei dieser Frage reagierte natürlich Jacob verärgert, da wir ihm seiner Meinung nicht zutrauten, auf Renesmee aufzupassen. Ehrlich gesagt, fühlte auch ich mich nicht wohl dabei, die Beiden eine ganze Nacht über alleine zu lassen; der Ort war immer noch fremd, Gefahren waren nicht ausgeschlossen…

Also entschied ich kurzerhand zu bleiben; ich konnte mir als kleine Notlösung ein Wild aus der Umgebung jagen, eines würde wohl kaum auffallen.

Natürlich wollte nun auch Edward nicht mehr mit auf die Jagd gehen, jedoch schaffte ich es nach kurzer Diskussion, ihn davon zu überzeugen, dass es Schwachsinn wäre, ebenfalls zu bleiben.
 

Ein Anruf von Kajika war das einzig Unvorhersehbare an diesem Tag, zumindest bis zirka eine halbe Stunde zuvor, als Alice mir mitteilte, dass er bald anrufen würde. Er wollte wissen, was passiert war, dass ich und alle meine Geschwister heute nicht in der Schule waren. Ich tischte ihm die Lüge auf, dass eine Vertreterin vom Jugendamt zu Besuch sei, um zu schauen, ob es uns gut ginge.

Ich hörte ihn erleichtert aufatmen.

Es folgte ein wenig Smalltalk und wieder einmal die Frage nach meiner Zeitplanung. Und erneut redete ich mich mit einer Lüge heraus.

Ich war mir natürlich bewusst darüber, dass ich ihm bald reinen Wein einschenken musste, ihm einfach sagen, dass ich kein Interesse hätte, mit ihm etwas zu unternehmen. Doch… musste ich das denn wirklich? Was wäre denn so schlimm daran, wenn ich, am besten in Alices Begleitung, mal mit ihm Shoppen gehen würde oder mit ihm und Edward ins Kino ginge?

Doch fürs erste beließ ich es bei der Lüge.
 

~ † ~
 

Der Donnerstag begann mit mehr Schmerzen als die Tage zuvor. Das reißende Gefühl in der Kehle nahm unausweichlich zu, die halbe Nacht hatte ich damit verbracht, mich immer wieder vom Rand des Waldes ablenken zu lassen und mir vorzustellen, in welches Tier ich bald meine Zähne schlagen würde.

Ich wollte nicht schwächeln und ich versuchte alles, um es zu verbergen. Jasper ging ich so gut es ging aus dem Weg. Würde Edward es erfahren, würde er sofort von mir verlangen, nicht länger zu warten, mich dazu bringen, vor allen anderen etwas zu essen… doch ich wollte genauso lange durchhalten, wie sie es taten.
 

In Politik traf ich wieder auf Alyssa. Eigentlich wollte ich so gerne wieder mal mit ihr reden, ich war immer noch fasziniert von ihrer Art, doch der Durst ließ mich wirr denken und ich versuchte, so wenig zu sprechen wie nur möglich, damit ich ohne viel eingeatmete Luft den Tag überstand.

Beim Mittagessen fragte ich mich, ob ich die nächste Stunde durchstehen, oder besser gesagt, ob Kate sie überleben würde. Sollte sie mich wieder die ganze Stunde mit dem Cheerleading bequatschen, konnte ich für nichts garantieren.

Ich war so mit mir selber und meinem Hunger beschäftigt, dass ich Kajikas Zustand erst bemerkte, als die Mittagspause zu ende war und die Schüler sich auf den Weg zu ihren Klassen machten.

Ich stand schon an der Tür, als ich mich zu Edward wand.

„Ich bleibe bei ihm, ich kann ihn doch nicht einfach so alleine lassen.“

„Ich leiste dir Gesellschaft“, war Edwards Antwort darauf, seine Finger streiften liebevoll meinen Arm.

„Nein, du gehst zum Unterricht, damit Ms. Brollend weiß, wo Kajika und ich sind.“

„Bist du sicher?“

„Klar, was soll schon passieren?“

Ich lächelte ihn an und schaute mich in dem großen Saal um, außer Kajika der reglos auf der Tischplatte lag und einigen Kuchenangestellten im hinteren Teil der Cafeteria war niemand zu sehen.

„Ich liebe dich.“

Ich legte meine Arme um seinen Nacken und zog ihn zu mir hinunter, sanft berührte ich seine Lippen. Den Kuss gerade vertieft, ertönten Stimmen im Flur, schnell ließen wir wieder voneinander ab. Edward und ich grinsten fast gleichzeitig, auf eine masochistische Art war dieses Versteckspiel schon belustigend.

Er berührte mich noch einmal zärtlich und verließ dann die Cafeteria.
 

Ich setzte mich neben Kajika und wartete. Was sollte ich auch sonst tun?

Mein feines Gehör versuchte zu erkennen, ob irgendwelche Töne über seine Lippen kamen, aber da war nichts. Seine Finger versuchte ich so gut es ging zu ignorieren. Sein Atem und Herzschlag gingen schnell, waren aber nicht bedenklich. Also wartete ich einfach nur…

Es dauerte zehn Minuten. Er schlug einfach die Augen auf und alles schien so zu sein, als wäre nichts geschehen. Er registrierte mich ziemlich schnell.

„Du hast auf mich gewartet?“

Auch das bekannte, sorglose Lächeln war sofort wieder an seinem üblichen Ort.

„Ja.“

„Danke.“

„Hab ich doch gerne gemacht.“

Ich lächelte zurück und wollte mich gerade erheben, als ich eine Bewegung von ihm wahrnahm. Natürlich hätte ich ihr ausweichen können, aber das wäre einfach zu gefährlich gewesen, also ließ ich es zu, dass er nach meinen Arm griff und mich wieder hinunter zog.

„Warum belügst du mich?“

„Was?“

Ich war so verblüfft von seiner Frage, dass ich nicht mal gespielt darauf antworten konnte.

„Wie gesagt, ich habe ein sehr feines Gehör und darüber hinaus scheinst du keine besonders begabte Lügnerin zu sein.“

„Ich…“

Ich versuchte mich, ohne verräterische Kraft aus seinem Griff zu winden und aufzustehen. Doch anstatt mich freizugeben, stand er einfach mit mir auf. Ich log ihn mit so vielen Dingen an, selbst wenn ich antworten wollte, wusste ich nicht einmal mit welcher Lüge ich dies tun sollte.

„Sag mir einfach nur warum.“

Sein warmer Atem traf mich unerwartet hart und das Brennen im Hals wurde augenblicklich auf einen neuen Höchststand getrieben. Ich versuchte, in meinem Kopf eine logische Antwort für ihn zu finden, damit er von mir ablassen würde und ich entkommen könnte, doch in meinem Kopf übertönte der Klang seines Herzens plötzlich jeglichen Gedanken.

Ich konnte es riechen, sein Blut.

Plötzlich war es viel anziehender als die Tage zuvor, roch wie der schönste Duft, den ich je vernommen hatte… und als wäre dies etwas Gutes, stellte ich mich plötzlich gegen mich selbst; anstatt mich von ihm abzuwenden, steuerte ich auf ihn zu. Innerlich schrie ich mich an, den falschen Weg zu gehen, doch es fühlte sich einfach nur richtig an, als sich meine Hände um seine Oberarme drückten und ich seine Wärme unter den Fingern spürte. Nicht mehr ich steuerte meinen Körper, irgendetwas anderes tat es. Er war Nahrung, nicht wahr? Und ich das Raubtier!

Sah er das in mir, das Raubtier? Jetzt, wo ich nur noch Zentimeter entfernt war und er verwirrt in meine dunklen Augen blickte? Doch es war egal, was er sah… gleich würde es keine Rolle mehr spielen, nicht für ihn und auch nicht mehr für mich.

„NEIN!“

Unerwartet stieß ich ihn von mir. Ich schaute mich um, als hätte es jemand anderes getan, doch nur ich war im Raum, nur ich hätte ihn meterweit durch diesen schleudern können.

Mein Blick fiel auf den bewusstlosen Körper am Boden und eine innere Stimme fragte mich: „Was hast du getan?
 

Kapitel 11 - Eine mysteriöse Krankheit - Ende
 

Ein wenig Freiheit…

… habe ich mir genommen, als ich dem Stundenplan eine fünfte, am Mittwoch sogar noch eine sechste Stunde drangehängt habe.

Normalerweise sind die Schulstunden in Kanada nämlich 75 bis 90 Minuten lang [kommt auf die Region an] und der Tag hat nur vier feste Schulstunden.

Ich hoffe, man kann mir, trotz Detailtreue mein kleines Vergehen verzeihen, aber fünf Stunden waren mir in vielerlei Hinsicht einfach praktischer als vier.

Zwischen den einzelnen Stunden gibt es in den Schulen kleine Pausen, um sich kurz zu erholen, andere Bücher aus seinem Spind zu besorgen oder um einen anderen Klassenraum aufzusuchen.

Unvorhersehbare Begegnung

Autor: littleblaze

E-Mail: little_blaze_2000@yahoo.de
 

Disclaimer: Alle Rechte an den Bis(s)-Charakteren gehen auf das Konto von Stephenie Meyer und ich selber verdiene keinen einzigen Cent mit meiner Story.
 

Neue Charaktere, die Storyline, selbsterstellte sowie editierte Bilder und sämtliche, für die Story erstellten Extras gehören mir und dürfen nicht ohne meine vorherige Zusage auf anderen Seiten, Portalen oder Foren gepostet werden.
 

Kapitel 12 - Unvorhersehbare Begegnung
 

„Was hast du getan?“

Eine halbe Sekunde lang versuchte ich genau auf diese Frage eine Antwort zu finden, doch dann lenkten mich unnatürliche Geräusche im Gebäude davon ab. Es waren keine normalen Schritte, dafür waren sie zu schnell und berührten zu selten den steinernen Boden, und in dem Augenblick, in dem ich mir ihrer Herkunft bewusst wurde, stoppten sie auch schon in dem großen Durchgang zwischen Flur und Cafeteria; drei dunkle Augenpaare schauten mich bestürzt an.

Ich ließ meinen Blick zwischen ihnen und dem reglosen Körper am Boden wechseln. Jasper schaute sich gewissenhaft um, witterte in der Luft, in ihm war der Beschützer erwacht; die Familie musste vor allem unentdeckt bleiben.

Als er sich einigermaßen sicher zu fühlen schien, betrat er als erstes den Saal und ließ sich durch fesselnde Geschwindigkeit schnell an Kajika leblosen Körper gleiten. Ich schaute nicht hin, als er anfing, ihn nach äußerlichen Verletzungen zu untersuchen, mein Augenmerk hatte sich an Edward gewandt; war er enttäuscht von mir?

Ich hatte Kajika nicht gebissen, aber ich war mir durchaus bewusst darüber, dass zu diesem Schritt nicht viel gefehlt hatte. Ich hätte uns alle in Gefahr bringen können, auch darüber war ich mir die ganze Zeit über bewusst gewesen, doch irgendwie war der Zwang, dies zu vermeiden, für einen Moment sehr weit in den Hintergrund gerutscht. Doch vielleicht hatte ich das ja auch jetzt schon getan… uns alle in Gefahr gebracht…

Ich versuchte einen Ansatz zu finden, um mich für mein Verhalten zu rechtfertigen, obwohl es doch eigentlich gar keine Rechtfertigung dafür gab. Nicht einmal das erste Wort einer Entschuldigung konnte ich hervorbringen, ehe Edward auch schon bei mir war und mich fest mit seinen Armen umschloss.

„Schon gut!“, beruhigte er mich.

Seine Geste war liebevoll, fürsorglich und meiner Meinung nach völlig unangebracht; nicht mir sollte gerade auch nur das kleinste Fünkchen Sorge gelten.

„Sie hat ihn nicht gebissen“, drang Jaspers sachliche Stimme zu uns herüber.

Nun hätte ich Jasper gerne angesehen. War er von mir enttäuscht? Wie ging es Kajika? Doch ich war weiterhin dem Eingang zugewandt, an welchem Alice immer noch stand. Ihr Kopf war leicht gesenkt und sie schien starr vor sich hinzuschauen, wahrscheinlich versuchte sie zu erfahren, was mein Verhalten für Auswirkungen haben würde.

„Das weiß ich auch“, war Edwards bissige Antwort auf Jaspers Feststellung. „Oder riechst du hier irgendwo Blut?“

Edward drückte mich noch fester an sich und streichelte beruhigend über meinen Kopf, als wäre ich ein kleines Kind, welches gerade dem heranpreschenden Auto entkommen war. Warum keifte er jetzt Jasper an, dieser konnte nichts für die Situation…

Ich drückte mich aus Edwards Umarmung, synchron trafen uns Alices Worte von der Tür her:

„Wir müssen hier weg!“

Mich gerade ein wenig befreit, wurde ich schon wieder gefangen genommen. Schneller als ich gucken konnte, war ich zusammen mit Alice, Jasper und Edward am Eingang zur Cafeteria.

„Nein!“, schrie ich gedämpft auf, als mir klar wurde, was als nächstes folgen würde. „Wir können ihn doch nicht einfach hier liegen lassen.“

Ich wand mich an Alice, von ihr würde ich garantiert den erhofften Zuspruch erhalten.

Nach kurzem Schließen der Augen, schaute sie mich wieder an.

„Es geht ihm gut“, sprach sie erleichternd und legte ihre Hand sanft auf meinen Rücken. „Er wird in einer knappen Stunde wieder wohlauf sein, es wird ihm nichts fehlen.“ Sie lächelte mich kurz an, bevor ihr Blick Edward traf. „Aber es wäre wirklich von Vorteil, ihn ins Krankenzimmer zu bringen. Sein Auffinden hier würde nur zu Fragen tendieren.“

Edward schien ein wenig skeptisch, ob Alice wirklich der Überzeugung war oder es nur sagte, um mir einen Freundschaftsdienst zu erweisen. Doch wie dem auch sei, war an ihrer Logik etwas Wahres dran. Jasper glitt ohne auf Edwards Billigung zu warten zurück in den Saal und stand im nächsten Augenblick mit Kajika auf seinen Armen wieder neben uns.

Auf den Weg ins Krankenzimmer ließen wir uns nichts anmerken, liefen in menschlichem Tempo durch die Gänge. Es würde zunächst für keinerlei Aufsehen beitragen, wenn wir behaupteten, Kajika wäre gestürzt und danach einfach ohnmächtig liegen geblieben. Dass Kajika sich laut Alices Aussage an alles Geschehene erinnern würde, war ein ganz anderer Punkt, um den man sich zu gegebener Zeit Sorgen machen musste.

Natürlich hatte er nicht angenommen, dass er mir als Nahrung dienen sollte, aber mein ganzes Verhalten musste ihm schon recht komisch vorgekommen sein und ich konnte mich darüber hinaus noch gut erinnern, wie gefesselt er mir in die Augen geblickt hatte.

Alice Rezept war eine schnelle, nichtssagende Kommunikation, gespickt mit einer kleinen Entschuldigung nachdem er wieder bei Bewusstsein war, alles andere könnten wir dann morgen regeln; ein paar Kontaktlinsen, eine verstörte Geschichte darüber, dass ich es in meiner Kindheit nicht leicht und sein Vorgehen mir Angst eingejagt hatte, und schon könnten wir alle wieder zum normalen Tagesverlauf übergehen. Doch irgendetwas in mir zweifelte noch daran, dass es wirklich so einfach sein würde.

„Willst du denn gar nicht wissen, was passiert ist?“

Ich stoppte Edward nachdem wir die Hälfte des Weges hinter uns gebracht hatten. Sein Arm lag noch immer fürsorglich über meiner Schulter, darunter fühlte ich mich steif wie ein Brett.

„Alice hat es mir gezeigt.“

„Ach so…“

„Es war nicht deine Schuld.“

Er lächelte.

„Nicht? Wessen dann?“

„Du weißt, wie ich es meine.“

Jasper und Alice warteten an der nächsten Ecke auf uns.

„Ja, aber es war trotzdem meine Schuld.“ Ich ließ seinen Arm von mir gleiten. Am liebsten hätte ich meine Gefühle mit einer gewaltigen Stimmlage zum Ausdruck gebracht, doch ich musste leise sprechen, um nicht die Aufmerksamkeit der gesamten Schule auf uns zu lenken „Ich hätte es besser wissen sollen, ich hätte sagen sollen, dass mich der Hunger langsam überwältigt. Sieh nur was passiert ist, was wenn-“

Seine Lippen stoppten meine Worte.

Er versuchte nicht romantisch und leidenschaftlich zu sein, er wollte mich einfach nur zur Ruhe bringen und dies war wahrscheinlich die einfachste Möglichkeit, die ihm eingefallen war.

Seine Finger legten sich auf meine Wangen und erst als er sicher war, dass ich inne halten würde, ließ sein Mund wieder von meinem ab.

„Es war ein Fehler.“ Er schaute mir schwer in die Augen, am liebsten hätte ich mich weg gedreht. Wie konnte er es nur als einfachen Fehler ansehen, immerhin hätte ich einen Menschen töten können. Einen Menschen, der mir darüber hinaus noch irgendwie nahe stand… Hätte ich mir jemals selber verzeihen können?

„Er ist nun mal passiert“, lenkte er abermals in meine Gedanken ein. „Und du kannst ihn nicht ungeschehen machen, aber… in Zukunft wirst du vorsichtiger sein, deine Grenzen besser einschätzen. Wir alle mussten lernen.“

„Aber wenn…“

Mir fiel nichts gutes ein, um ihn doch noch von meiner Schuld zu überzeugen, also durchforstete ich jeden Millimeter seines wunderbaren Gesichtes und konnte zu meiner Missgunst nur Schönes darin sehen. Ich hoffte immer noch, eine kleine Spur von Verärgerung darin auszumachen. Bei Alice oder Jasper wäre er bestimmt nicht so verständnisvoll gewesen. Ihnen hätte er die Hölle heiß gemacht, wenn sie so ausgerutscht wären.

„Wenn etwas passiert wäre, hätten wir eine Lösung finden müssen, aber es ist nichts passiert, also ordnen wir es einfach unter „Lektionen fürs Leben“ ein und sind froh darüber, dass alles noch einmal gut gegangen ist, einverstanden?“

Er kam mir nah. Ich rechnete mit einem Kuss, spitzte schon automatisch die Lippen, doch es war nur seine Nase, die leicht gegen meine eigene stupste. Er lächelte das Lächeln, welches ich so sehr an ihm liebte.
 

Am Krankenzimmer angekommen, zögerte Alice plötzlich.

„Jasper und ich gehen jetzt besser, ein Mädchen aus unserer Klasse ist gerade hier. Es wäre nicht gut, wenn sie uns sehen würde.“

Jasper übergab Edward den schlaffen Körper aus seinen Armen und ich vernahm aus dem noch geschlossenen Raum einen Geruch, der mir nicht unbekannt war: Alyssa.

Ich hatte schon so oft nach ihrem Geruch gesucht, dass er mir mittlerweile ziemlich bekannt war. Kurz konzentrierte ich mich auf das Gespräch zwischen ihr und der Krankenschwester; es ging um den Ball zum Valentinstag. Die Krankenschwester fragte sie gerade, ob sie schon ein Date dafür hätte… Alyssas Antwort darauf was ein klares „Nein!“.

Als wir die Räumlichkeiten betraten, wurde es sofort still. Aber nur einen kleinen Augenblick lang blieb es bei dieser angenehmen Ruhe, in der nur die seichten Herzschläge der Menschen um uns herum zu hören waren.

„Was ist passiert?“, fragte die Krankenschwester meinen Mann.

Dieser erklärte kurz, dass Kajika gestürzt sei und nicht wieder zur Besinnung gekommen war, ich hielt mich diskret zurück. Die Schwester wies auf ein freies Bett, auf das Edward den leblosen Körper legte und sofort begann sie mit ihrer Untersuchung.

Während sich Edward ein wenig zurückzog und meine Besorgnis trotz Alices Wissen der Diagnose galt, wurde der Geruch von Alyssa immer intensiver; ich bemerkte noch das schüchterne Lächeln, welches sie Edward schenkte, dann blieb sie neben mir stehen. Nur kurz wechselte ich von Kajikas auf ihr Gesicht, konnte aber sofort erkennen, dass wir etwas teilten: Sie war besorgt.
 

Nachdem Edward ebenfalls gegangen war, es wäre für die Konfrontation mit Kajika bestimmt besser so, hatte Alice zuvor gemeint, und die Schwester ihre Untersuchung zur Zufriedenheit abgeschlossen hatte, standen Alyssa und ich an Kajikas Bett und warteten darauf, dass er wieder zu sich kam; mit dem einen Unterschied natürlich, dass ich wusste, dass dies in ungefähr 27 Minuten der Fall sein würde.

Die Schwester telefonierte gerade mit dem Direktor. Ich lauschte, hörte die Fragen heraus und die Erleichterung in seiner Stimme, als ihm versichert wurde, dass es anscheinend keinen Grund zur Befürchtung gab. Sie beendete das Gespräch mit den Worten, dass sie sich melden würde, wenn Kajika zu sich kommen würde.

„Alles in Ordnung bei euch?“, trat sie kurze Zeit später zu uns heran.

„Ja“, antwortete Alyssa. „Bis jetzt keine Veränderung.“ Sie schenkte dem Gerät, auf dem der gemächliche Herzschlag von Kajika abzulesen war, kurz ihre Aufmerksamkeit, ich verließ mich da eher auf mein Gehör.

„Also… ich könnt jetzt ruhig wieder in eure Klassen gehen. Ihr werdet doch bestimmt schon vermisst und hier wird wohl nichts passieren, was eure Anwesenheit benötigt.“

Sie lächelte leicht. Erst jetzt entdeckte ich das in schöner Schrift geschriebene „Cathy“ auf dem Namensschildchen an ihrem Kittel.

„Ich möchte aber gerne bleiben“, kam mir Alyssa zum zweiten Mal zuvor.

„Ich auch“, schloss ich mich ihr schnell an.

Die Schwester zögerte, es uns dann aber, ehe sie sich an ihren Schreibtisch zurückzog. Alyssa starrte Cathy nach, ich schaute Alyssa an. Der Geruch von Salbe und sterilem Verband war immer noch vorhanden.

„Warum bist du eigentlich hier?“

Ein weiterer kranker Mensch, dem meine Sorge galt. War ihr Bein vielleicht schlimmer geworden, eine Entzündung der Wunde? Riechen konnte ich allerdings nichts der gleichen.

„Verbandswechsel“, drehte sie sich mir zu, während ich mich ein wenig wand und den Blick auf Kajika legte. „Die Schule übernimmt ja die Behandlungskosten und ich komme ihnen da gerne etwas entgegen, indem ich mir hier die Verbände machen lasse, statt ins Krankenhaus zu gehen.“

Ein weiterer positiver Charakterzug.

„Wie geht es dir denn… ich meine…?“

„Gut! Danke, dass du fragst, die Wunde verheilt wirklich sehr schnell.“

Ihr Lächeln war so klar, dass ich mir wirklich vorstellen konnte, dass sie sich über mein Interesse freute. Gestern erst hatte ich mit angehört, dass sie sich eigentlich als Cheerleader bewerben wollte, was durch den blöden Zwischenfall nun fürs erste gestorben war… War sie denn wirklich kein bisschen nachtragend?

„Du hast einen echt süßen Bruder“, holte sie mich zurück aus meiner Gedankenwelt.

„Ähm, ja…“, war meine knappe Antwort darauf und ich musste sofort an das schüchterne Lächeln denken, welches sie Edward geschenkt hatte.

„Versteh mich nicht falsch“, winkte sie aber sofort ab. „Ich hab kein Interesse oder so an ihm, aber er hat durchaus was…“ Sie beugte sich zu mir hinüber. „… etwas Geheimnisvolles, verstehst du?“ Sie zwinkerte mir zu.

„Ja… ja, ich versteh, was du meinst.“

Ich grinste.

Diesen Punkt abzustreiten wäre totaler Schwachsinn gewesen, immerhin wusste ich am besten, wie Edward auf andere wirkte, und dass er ohne jeden Zweifel, etwas zu verbergen hatte. Es versuchen, von ihm zu schieben, hätte alles nur noch mysteriöser gemacht.

„Aber Jasper übertrifft ihn da noch bei weitem“, kam sie noch etwas näher. „Ich sitz genau vor ihm in der Klasse, und, mein Gott, ich habe immer die Vermutung, dass ich jeden Moment ein Messer im Rücken spüren würde.“ Sie lachte leise auf. „Ich glaube, ich habe ihn noch nie sprechen hören.“

Sie lehnte sich in ihrem Sitz zurück und schien über ihre Aussage nachzudenken.

„Es ist ein wenig schwer für ihn.“

„Kann ich verstehen… es war bestimmt für euch alle nicht einfach.“

Ihr Blick wies plötzlich Mitleid auf, denn sie dachte wie jeder andere in dieser Stadt, dass wir unsere Eltern verloren hatten und adoptiert seien. Eine traurige Kindheit, vielleicht sogar von Vernachlässigung oder weitaus Schlimmerem gekrönt. Sie durfte und konnte nicht wissen, dass dies alles nur Fassade war, doch zum ersten Mal verspürte ich ein schier unvergleichliches Verlangen, jemand Außenstehendem die Wahrheit zu erzählen.

Wir schwiegen einige Minuten. Sie wollte wahrscheinlich aus Höflichkeit nicht weiter nachfragen und ich garantiert nicht ohne triftigen Grund irgendwelche Lügen hervor holen.

Alyssas Blick haftete nun wieder auf dem Jungen vor uns, meiner streifte neugierig im Zimmer umher.

Es war eine ziemlich farbenfrohe Ansammlung von sechs kleinen Räumen. Das typische krankenweiß war hier nur an einigen Stellen auszumachen, meist wurde es von farbenfrohen Bildern, Zeichnungen und bunter Bettwäsche verdrängt. Erst bei genauerem Hinsehen fiel mir auf, dass die Werke, die um genau dieses Bett herum angelegt waren, alle von ein und derselben Person stammten.

Es waren ausdrucksstarke Formen und Farben, die aber keiner wirklichen Ordnung dienten, obwohl sie trotzdem etwas hatten, was sie alle miteinander verband.

„Die sind wirklich schön.“

Ich wies mit dem Kopf in Richtung Wand und erfasste damit Alyssas Aufmerksamkeit.

„Ja.“ Sie lächelte. „Früher hat er noch ziemlich viel gemalt.“

Früher?

Alyssa stand auf und näherte sich dem leicht gebräunten Gesicht mit dem dunklen Haar. Ihre Finger legten sich zaghaft auf Kajikas Gesicht, doch es schien ihr eine durchaus bekannte Berührung zu sein. Besinnlich glitt sie über Wange und Stirn.

„Abgesehen von der Musik, war es das Wichtigste für ihn.“

Ihr Blick veränderte sich, doch ich konnte nicht wirklich die Richtung bestimmen. Sie beugte sich hinunter an sein Ohr und flüsterte hinein… eigentlich hätte ich es gar nicht hören dürfen:

„Nicht wahr, Kiki? Musik und deine Bilder, sie sind dir so wichtig gewesen…“

Sie drückte ihre Wange leicht gegen seine, auch diese Berührung schien ihr ziemlich vertraut zu sein. Ich konnte nicht anders, als sie die wenigen Sekunden, in welcher sie den Kontakt aufrecht hielt, perplex zu beobachten.

Mit einem maroden Ausdruck erhob sie sich wieder und schaute mich an. Ich wollte fragen, wie lange sie ihn schon kannte, was sie über ihn, seine Krankheit wusste, denn ich hatte plötzlich das Gefühl, dass sie mehr als jeder andere Schüler dieser Schule wusste, doch sie ließ mir keine Zeit dazu.

„Ich werde dann mal wieder gehen… wir sehen uns.“

Sie verließ fiel zu eifrig das Zimmer, ihr hörte das leise Zischen, welches durch das zu schnellen Auftreten schmerzvoll über ihre Lippen glitt.

Was war zwischen ihr und Kajika vorgefallen?

Ihre Besorgnis, Fürsorge und die Vertrautheit, die sie gerade an den Tag gelegt hatte; wie gut kannten sie sich wirklich?
 

Natürlich schenkten mir die nächsten 14 Minuten keinerlei Antworten, obwohl ich genügend Zeit dazu hatte, meine Erinnerungen zu durchforsten, doch nirgends sah ich ein Anzeichen von Zugehörigkeit zwischen ihnen. Entweder war ich nie am richtigen Ort gewesen, um diese zu bemerken, oder es musste etwas vorgefallen sein, was Beide so entzweit hatte, dass ein Miteinander in ihren Augen nun unmöglich schien.

Der fatale Donnerstag kam mir wieder ins Gedächtnis, die Verletzung von Alyssa, und dass Kajika an meiner Seite gewesen war und nicht an der ihren…

Konnte es wirklich so schlimm sein?

Ich ließ mich noch einmal von den Bildern in den Bann ziehen und trat näher an die Wand heran. Ich dachte an die wunderbaren Charaktereigenschaften, welche den Jungen neben mir ausmachten, und an Alyssa, die wahrscheinlich niemandem lange böse sein konnte. Was musste geschehen sein, damit diese beiden wunderbaren Menschen es nicht mehr schafften, sich zu verstehen?

Wenigstens Alyssa schien doch immer noch viel für Kajika zu empfinden.

Ich atmete noch einmal tief ein, bevor ich den Blick drehte und senkte, es war soweit. Kajikas Lider flatterten leicht, sein entspannter Gesichtsausdruck nahm etwas Schmerzvolles an. Ich wartete ungeduldig, bis er zum ersten Mal blinzelte, mich ansah, die Augen aber gleich wieder schloss.

„Krankenstation?“

„Ja.“

Postwendend trafen mich Alices Worte: „Eine schnelle, nichtssagende Kommunikation, gespickt mit einer kleinen Entschuldigung.“

Ich seufzte hörbar.

„Ich muss ganz schön was abgekriegt haben.“

Seine Augen waren immer noch geschlossen, jedoch suchte seine Hand den Weg zu seinem Kopf. Kurz davor stoppte er allerdings.

„Blute ich?“

Hätte er den Tag unter diesem Umstand wohl überlebt?

„Nein, alles soweit in Ordnung mit dir.“

„Bist du sicher?“ Er blinzelte erneut, schaffte es dieses Mal einen längeren Augenkontakt, den auch ich nicht abbrach, aufrecht zu erhalten. „Mein Verstand sagt mir nämlich, dass ich durch die halbe Cafeteria geflogen bin.“

Sein Mund verzog sich zu einem gequälten Lächeln. Seine Hand drückte sich gegen seinen Hinterkopf und er sog schmerzvoll die Luft ein.

„Du bist gestolpert und dann nach hinten auf den Boden gefallen.“

Einfach und glaubwürdig!

Schnell und nichtssagend... eine kleine Entschuldigung.

„Es tut mir leid, was passiert ist.“

Und jetzt nur noch den schuldvollen, schnellen Abgang.

„Was ist denn überhaupt los gewesen? Ich meine, bevor ich gestürzt bin?“

Abgang… Abgang…

„Ich meine, deinen Auftritt, in dem du mich packst und an dich ziehst, bevor ich dann, meinem Verstand nach, durch den halben Saal geflogen bin.“

Er versuchte, sich etwas aufzurichten.

„Ich denke, du solltest flach liegen bleiben, bis sich dein Blutdruck normalisiert hat.“

„Mit meinem Blutdruck ist alles bestens“, schaffte er es schließlich, sich etwas höher zu bugsieren. „Also?“

„Ich war irgendwie erschrocken, denke ich.“

Ich fummelte ein wenig gespielt an meinen Finger herum, setzte Zeichen von Nervosität.

„Da warst du ehrlich gesagt nicht alleine mit. Ich meine, ich hätte nicht gedacht, dass du mich…“

…ermorden würdest… genüsslich dein Blut aussaugen?

„… küssen wolltest.“

„Hä?“

Ich weiß nicht, ob mir buchstäblich die Kinnlade runter gefallen war, aber meine Mimik musste ihm wohl sofort verraten haben, dass etwas nicht stimmte.

„Oder etwa nicht? Aber was-“

„Es, es tut mir leid“, unterbrach ich ihn. „Aber ich kann das jetzt einfach nicht...“ Und ehrlich gesagt, hatte ich auch keine Vorstellung davon, wie ich darauf reagieren sollte. „Ich gehe jetzt besser und wir reden morgen noch mal, ok?“

Mein Abgang war schon lange überfällig.

Als Antwort von ihm ließ ich es abermals zu, dass er nach meinem Handgelenk griff. Es war verrückt, doch langsam erkannte ich die wohlige Wärme, die durch meinen Ärmel drang, als die seine an, es war fast schon wie sein ganz eigener Geruch.

„Ich bin dir nicht böse.“

Seine Stimme war kräftig und klar und ich konnte mir gut genug seinen Blick vorstellen, den er mit seinen Worten verband, jedoch erlaubte ich mir nicht, mich umzudrehen und ihn anzuschauen.

Ich vermittele den Wunsch, aus diesem Raum zu entkommen, damit, dass ich mich weiter der Tür entgegen lehnte und schon nach wenigen Sekunden ließ die weiche Berührung nach und er gab mich frei. Ich ging ohne ein weiteres Wort zu sagen hinaus.
 

Der letzten Schulstunde trotzte ich mit Herumlungern auf dem Parkplatz. Mir war so gar nicht danach, mich in ein Klassenzimmer zu setzen und auf unmenschliche Art, Edward über die Vorkommnisse zu informieren. Am liebsten hätte ich das Gespräch mit Kajika schon hinter mich gebracht, ihn von seinem Irrtum überzeugt, mir angehört, was er zu sagen hatte und seine eventuellen Vermutungen ins Lächerliche gezogen, doch Alice hatte Recht. Es war einfach zu gefährlich.

Nicht nur, weil ich gerade ohne Kontaktlinsen ausgestattet war und damit einen vielleicht wichtigen Punkt nicht abmildern konnte, sondern auch, weil keiner von uns genau wusste, wie ich mich in hungerndem Zustand verhalten könnte, wenn ich in eine streitähnliche Situation kommen würde. Vielleicht würde ich mich nicht noch einmal zurückhalten können?

Also hatte ich ungeduldig auf den Parkplatz gewartet, bis mir meine Familie gegenüberstand und ich zu Edwards Verwunderung darum bat, mit Alice fahren zu dürfen. Alice und Jasper hatten es wohl schon vorher gewusst, denn sie stand neben mir und Jasper lehnte geschmeidig an Edwards Beifahrerseite.

Für den Moment war es mir egal, ob Edward eventuell seine Fühler ausstrecken würde, um zu erfahren, was in dem gelben Wagen hinter ihm vorging, ich wollte einfach gerade wissen:

„Kannst du Kajika eigentlich richtig sehen oder hast du auch Probleme bei ihm?“

„Keine Probleme“, war ihre schlichte Antwort darauf, während sie den Wagen von 50 auf 70 Meilen beschleunigte.

„Aber warum hast du es dann nicht vorher gesehen?“

Ich beugte mich aus dem weichen Ledersitz nach vorn und zog die kleine, bläuliche Gummiechse von der Frontscheibe. Meine Finger brauchten einfach irgendetwas, mit dem sie sich beschäftigen konnten.

„Du müsstest doch langsam wissen, dass es nicht immer so einfach ist. Wenn Entscheidungen von außen hineinspielen, die noch nicht endgültig getroffen sind, sehe ich es erst, wenn die Entscheidung fällt. Seine ist nun einmal erst gefallen, als er dich gesehen hat, also nachdem er wieder bei Verstand war.“

Ich ließ mich genervt in den Sitz zurückfallen, natürlich hatte ich die Antwort auf meine Frage schon irgendwie vorher gewusst, die Echse landete mit gekonntem Wurf genau an der Stelle, wo sie zuvor gehangen hatte. Meinem Wunsch, wieder abzufallen, damit ich sie auffangen könnte, entsprach sie leider nicht.

„Was hast du noch gesehen, ich meine, was Kajika angeht?“

„Willst du etwas Bestimmtes wissen?“

„Nein, eigentlich nicht.“

In der Frage, was Kajika und Alyssa verband, konnten mir ihre Visionen sowieso nicht weiterhelfen, und abgesehen davon, war da immer noch das andere Problem, was uns nicht einmal genau wissen ließ, welchen Zeitraum ihre Vorhersagen überhaupt im Moment abdeckten.

„Wegen Morgen brauchst du dir keine Sorgen zu machen, es wird alles gut gehen.“ Sie lächelte mich ungeniert an. „Jedoch wirst du ihn nicht von der Annahme abbringen, dass du ihn küssen wolltest, wenn dir dafür nicht noch eine gute Ausrede einfällt.“

Sie zwinkerte und ihr Lächeln wurde breiter.

„Das fehlt mir jetzt auch noch.“

Ich starrte die Echse sehnsüchtig an, wäre sie noch zwischen meinen Finger, wäre sie wohl die längste Zeit an einem Stück geblieben. Wie sollte ich Kajika überzeugen, dass er in die total falsche Richtung dachte, ohne zu viel preiszugeben?
 

Als ich dem Wagen wieder entstieg und der Geruch von Wald und seinem erfrischendem Leben zu mir durchdrang, stand für mich nur noch ein Punkt im Vordergrund: Mein Speiseplan.

Um damit aber nicht noch mehr Probleme zu schaffen, musste ich zwangsläufig warten, bis sich die Nacht über die hohen Tannen gelegt hatte. Also verbrachte ich den Nachmittag mit allem Möglichen, um mich von meinem Hunger abzulenken.

Ich spielte mit Carlisle, der heute erst gegen Abend ins Krankenhaus musste, zwei Partien „Go“, einem chinesischem Brettspiel, von dem ich mir noch nicht wirklich sicher war, ob ich es mochte oder nicht. Es ließ einen einfach viel zu viel Zeit zum Nachdenken.

Mit Esme durchstöberte ich Carlisles Büchervorrat auf der Suche nach einem verschollenen Band einer Enzyklopädie und half ihr etwas später auch noch bei der Pflege des Gemüsegartens. Sie versuchte mich immer wieder aufzuheitern und garantierte mir, dass alles wieder in Ordnung kommen würde; sie war eben ganz und gar eine Mutter. Mehr als ich selber wahrscheinlich.

Alice zeigte mir, als die Sonne sich langsam von dannen machte, ihre riesige Sammlung von Kontaktlinsen. Es waren sogar welche mit kleinen Smileys darauf dabei. Sie hielt mir ein Paar nach dem anderen vor die Linse, um das bestmöglichste Schwarz herauszufiltern. Irgendwann entschieden wir uns aber dafür, dass es wohl doch sinnvoller wäre, erst eine Entscheidung zu treffen, wenn ich etwas getrunken hätte.

Ein wenig der Wut, welche ich gerade für mich selber empfand konnte ich bei einem kleinen Kampf mit Jasper hinauslassen, ferner hielt ich durch bis kurz nach Mitternacht. Ich wollte meine Tochter ins Bett bringen, bevor ich aufbräche.

„Ist alles in Ordnung, Momma?“

„Aber natürlich.“

Ein beruhigender Ausdruck verließ mein Gesicht. Natürlich konnte ich ihr immer wieder alles erklären und versuchen begreiflich zu machen, aber wenn ich selber doch schon nicht einmal diese Gier, Rausch, oder wie man es sonst nennen möge, verstand, wie sollte sie es dann erst?

Ich deckte Renesmee zu und reichte ihr das Pony vom Fußende des Bettes.

„Wie geht es denn Jacob, Schatz?“

Natürlich hatte ich Interesse an der Antwort, aber zum Großteil wollte ich einfach nur von meiner Person ablenken.

„Schon viel besser.“ Sofort wich der besorgte Blick und ein Strahlen setzte sich auf ihr Gesicht. „Er hat mich heute-“

Doch anstatt weiter zu erzählen, stoppte sie und zeigte mir ihre Worte. Die Wärme die mich durchdrang, als ihre Hand mein Gesicht berührte, fühlte sich friedlich und sanft an, und ich schloss die Augen, um ihrer Erzählung besser beiwohnen zu können.
 

Nachdem Renesmee endlich eingeschlafen war, gab es noch eine Kleinigkeit, die es zu überwinden galt, bevor ich mich auf den Weg machen konnte.

„Ich möchte aber nicht, dass du alleine gehst.“

Edward stand vor mir und versperrte mir den Weg nach draußen; als wäre es heute das erste Mal, dass wir über dieses Thema diskutierten.

„Es wird ihr nichts passieren“, kam Alice mir zur Hilfe.

„Sie bleibt doch in der Nähe“, steuerte Esme bei.

„Trotzdem würde ich dich lieber begleiten.“

Er griff nach meinen Händen und würdigte die zwei Frauen hinter mir keines Blickes. Jacob und Jasper hielten sich dezent im Hintergrund, sie hatten schon am frühen Abend aufgegeben, sich mit Edward über dieses Thema auseinander zusetzen.

„Bitte Edward, ich möchte gerne alleine gehen.“

„Aber es ist für mich ke-“

„Edward“, unterbrach ich ihn. „Nur dies eine Mal.“

Flehend war mein Blick.

Ich fand es sowieso nicht richtig, dass ich eine Ausnahme sein sollte, vor allen anderen mich würde nähren dürfen, da sollte man mir wenigsten nicht noch dabei zu sehen müssen.

„Du willst, dass ich esse, oder?“ Meine Stimme hatte sich ein wenig gehoben. „Entweder alleine oder gar nicht.“

Auf meine kleine Erpressung erntete ich von Jacob ein verkniffenes Lachen. „So ist sie nun mal, die gute alte Bella“, steuerte er bei.

Edward zischte leise in den hinteren Teil des Raumes, ließ dann aber zu meiner Verwunderung von mir ab. Um ehrlich zu sein hatte ich nicht mit einer so schnellen Aufgabe gerechnet.

„Sei vorsichtig!“

Er trat einen Schritt beiseite und schaute mich mit seinen schwarzen Augen eindringlich an. Selbst in der tiefsten Schwärze schienen sie es immer noch zu schaffen, sich einen Funken Glanz bewahren zu können.

„Versprochen“, hauchte ich ihm sanft auf die Lippen, bevor ich eilends aus dem Haus verschwand. Bei Edward durfte man kein Risiko eingehen, zu schnell, konnte er sich wieder anders entscheiden.

Ich rannte einige hundert Meter bevor ich schlagartig stehen blieb. Ich streifte mir die Schuhe von den Füßen und ließ den harten Boden eins mit mir werden. Ich sog feste die Luft ein, registrierte die einzelnen Tiere in der Umgebung. Schlafende, an die ich jedoch keinen weiteren Gedanken verschwendete, und die von der schleichenden, trügerischen Sorte, die nur darauf aus waren, die schlafenden in ihrem Ruhezustand zu überraschen. Für mich stand fest, es musste eines von der trügerischen Sorte sein, wenigstens ein wenig Spaß sollte mir diese Jagd doch bringen.

Ich lief wieder los und umso weiter ich in das Dickicht vordrang, umso weniger Gedanken an das, was ich hinter mir gelassen hatte, waren in mir vorhanden. Nur noch die Bäume, der Boden und der Trieb mich zu nähren waren nun von Bedeutung.

Einen großen Baum ließ ich in Windeseile unter mir, brach über die Wipfel hindurch und sog erneut alles um mich herum auf; Freiheit, so fühlte sie sich an. Ein wildes, unbändiges Gefühl, das sich im ganzen Körper niederließ und einen nur noch vorwärts drängte.

Ich witterte und spähte, bis ich schließlich meine Wahl traf.

Die spitzen Ohren, das rötliche Fell und die grazilen Bewegungen, als der Fuchs an Bäume und Sträucher vorbei schlich auf der Suche nach seiner Beute, nichts ahnend, dass er gerade ebenfalls dazu auserwählt worden war. Schnell überprüfe ich die Windrichtung, um mich ihm in einen geeigneten Winkel zu nähern. Geräuschlos verließ ich den Baum.

Ich stahl mich bis auf hundert Meter an mein Opfer heran, die Nähe gab mir weitere Details preis: Jung, ein Männchen, welches immer noch nicht erfolgreich auf seinem Beutezug war.

Endlich in Sichtweise, produzierte ich absichtlich ein Geräusch. Sofort schreckte das Tier auf, sah sich um, seine katzenähnlichen Augen suchten in der Dunkelheit umher, bis sie mich fanden. Ich tat einen weiteren, ausnahmsweise geräuschvollen Schritt, auf Grund dessen er sich in Bewegung setzte; die Jagd hatte begonnen.

Ich wollte diese eigentlich nicht zu schnell beenden, gleichzeitig musste ich aber darum fürchten, dass sich das flinke Geschöpf in seine unterirdische Höhle verschanzte. Ein Dreher nach links versperrte ihm den Weg, er floh in die andere Richtung. Mit gezieltem Sprung klammerte ich mich an die Äste eines Baumes, verfolgte ihn in höheren Lagen und verunsicherte ihn so mit meinem Vorgehen.

Er keuchte heftiger, sein Blut geriet immer mehr in Wallung und mein Appetit ließ es nicht länger zu, es weiter hinaus zu zögern. Ich attackierte ihn von der Luft her und presste den gerade mal sechs Kilogramm schweren Körper zu Boden. Sein Blut würde mich nicht lange sättigen, aber fürs erste musste es reichen.

Ich wich einer Pfote aus, die Krallen gingen nur Millimeter an meinem Gesicht vorbei, und ich zögerte nun nicht mehr länger, biss zu…

Das schmerzende Winseln ließ viel zu schnell nach, genauso wie es der brutal beschleunigte Herzschlag tat, der nun immer ruhiger ging. Ein Herz, welches sich angestrengt darum bemühte, noch etwas von der roten Flüssigkeit zu finden, dass es durch den Körper pumpen könnte, bis es sich schließlich ergab…
 

Zeitgleich mit dem Verlassen des Unterholz und Betreten der Wiese vor unserem Haus, erhob sich Edward von den Treppenstufen. Mit den Schuhen in der Hand winkte ich ihm zu und beschleunigte meinen Schritt. Wenn es nach mir ginge, würde ich nur noch Barfuss durch die Welt schreiten, ich liebte das Gefühl der Erde unter meinen nackten Füßen.

„Du hättest nicht hier draußen warten müssen“, tadelte meine Stimme ihn ein wenig und kurz kam mir der Gedanke, ob er mir vielleicht doch gefolgt war und ich es nur nicht mitbekommen hatte.

Er schnupperte an mir.

„Ein Fuchs?“

„Ja, kleine wendige Biester.“

Er grinste und zog mich in eine feste Umarmung.

Keine Zeit ließ er verstreichen, seine Zunge leckte begierig über meine Lippen und ich wusste sofort, dass nicht ich der Auslöser dieses Vorgehens war; der Geruch von Blut hatte ihn wahrlich bestärkt, sich mir zu nähern. Erneut fraß sich ein Stückchen schlechten Gewissens in mich hinein. Ich fragte mich, ob es eigentlich möglich war, dass sich ein Vampir von einem anderen ernährte?

Als es keine Blutreste mehr aufzulesen galt, wurde sein Verlangen leidenschaftlich, nun war er nicht mehr auf der Suche nach Nahrung, sondern nur noch daran gelegen, eine andere Lust zu stillen; eine Lust, die mich just in diesem Moment ebenfalls entflammte.

„Lass und nach oben gehen“, hauchte ich bestimmend gegen seine verlangenden Lippen.

Wir stießen gellend gegen die Tür und nahmen die Blicke der anderer nur schemenhaft wahr. Oben zog ich Edward in eine andere Richtung, als er einschlagen wollte, und wir betraten durch das leere Schlafzimmer das Badezimmer, welches wir mit Alice und Jasper teilten.

Schnell waren alle Türen verschlossen und das verlangende Wesen in meinem Mann drängte mich gegen die Wand in der Dusche. Meine Finger verkeilten sich mit dem Drehknopf und schraubten ihn auf, ließen heißes Wasser über uns laufen.

Unsere Kleidung sog sich rasch voll. Doch lange sollte sie eh nicht an unseren Körpern verweilen. Meine mit kleinen Bluttropfen benetzte Bluse landete als erstes auf dem hellen Boden, gefolgt von seinem Hemd und dem restlichen Stoffen, welche wir an den Leibern trugen.

Sein Mund presste sich gegen meine Brust, während seine Finger tiefer wanderten, mir ein beschwingtes Geräusch entlockten. Meine Hände stießen auf seine Schultern nieder, mein Becken drängte sich näher an seine Berührung heran und ich musste mich wieder einmal zügeln, ihn nicht zu verletzten, denn immer wieder verspürte ich den leidenschaftlichen Drang ihn zu beißen, meine Zähne in seine blasse Haut zu stoßen...
 

~ † ~
 

Nach einer Woche Stillstand erlaubte ich meinem eigenen Wagen endlich wieder einmal den Asphalt unter den Rädern zu spüren. Ich hatte mich dazu entschlossen, mit Kajika nach dem Unterricht zu sprechen, und so empfand ich es am Sinnvollsten, den eigenen Wagen zu nehmen, damit keiner genötigt werden würde, auf mich zu warten.

Der Schultag verging schnell und ohne weitere Vorkommnisse. Kajika war anwesend, wohlauf und abgesehen von den immer wiederkehrenden fragenden Blicken, von denen er wahrscheinlich annahm, dass ich sie nicht bemerken würde, verhielt er sich nicht anders als sonst.

Es war natürlich verständlich, dass er sich seine Gedanken über mein Verhalten machte, und ich wiederum machte sie mir, indem ich mich fragte, wie ich mich am besten aus der Situation raus befördern sollte.

Jaspers Ratschlag war diesbezüglich ganz einfach: Ihn glauben lassen, was er wollte, solange es von Vorteil für die Familie war.

Ich hingegen sah es aber ganz und gar nicht als Vorteil an, ihn mutmaßen zu lassen, dass ich auf einer anderen Ebene Interesse an ihm zeigte. Es würde alles nur komplizierter machen, also suchte ich nach einer Lösung, während ich gekonnt dem Unterricht folgte, Kajikas Blicken auswich und mich die Kontaktlinsen schier zur Weißglut brachten. Sie beeinträchtigten meine Sicht, ließen alles verschwommen wirken.

Im Sportunterricht streifte ich Kajika kurz und bat darum, nach dem Unterricht mit ihm sprechen zu können.
 

Wir trafen uns außerhalb der Sporthalle, Edward hatte sich schon auf den Heimweg gemacht. Wenigstens ging ich davon aus, doch, ehrlich gesagt, hätte ich mich nicht einmal gewundert, wenn er sich irgendwo auf die Lauer gelegt hätte und uns belauschen würde. Doch sein Geruch verblasste und in meinen oder Kajikas Kopf konnte er sowieso nicht vordringen.

Kajika führte mich zurück ins Schulgebäude und wir betraten unseren leeren Klassenraum. Zu gerne hätte ich nun gewusst, was in dem Jungen, der vor mir hergelaufen war, vorging oder was er dachte, das jetzt passieren würde. Machte er sich vielleicht Hoffungen?

Ich setzte mich auf die Kante meines Tisches, der Stuhl hätte mich nur klein und schutzlos wirken lassen. Kajika tat es mir gleich, lehnte sich an den Tisch mir gegenüber und schaute mich an, direkt in meine Augen, die heute genauso schwarz zu sein schienen, wie gestern. Er wusste nicht, dass unter ihnen ein leichter Karamellton die Oberhand gewonnen hatte und dass die schwarzen Linsen nur eine Täuschung für ihn waren.

„Da wären wir also“, grinste ich leicht.

Ich hatte immer noch keine wirkliche Ahnung, wie ich dieses Gespräch anfangen sollte, geschweige denn beenden, doch einfach so dazustehen und sich anzusehen machte das ganze irgendwie noch verrückter.

„Ja, und was nun?“

Man hätte seine Frage vielleicht als patzig interpretieren können, wenn man nicht den Blick dazu kannte. Dieser war freundlich wie immer und darüber hinaus einfach nur abwartend.

„Ich weiß nicht wirklich, aber du hast da wohl etwas missverstanden und dem wollte ich lieber schnell entgegenwirken, bevor…“

Ich stockte, da mir kein passendes Wort über die Lippen kommen wollte.

„Bevor was? Ich anfange, dich interessant zu finden?“

„Ähm, ja, wenn du es so ausdrücken magst.“

Ich versuchte, etwas anderes als sein Gesicht ausfindig zu machen, was ich ansehen konnte, traf dabei auf seine Hände. Sie lagen ruhig auf der Tischkante neben ihm.

„Bella…“

Ich hörte aus seiner Stimme sofort heraus, dass er mich jetzt gerne berühren würde. Es war fast dieselbe Tonlage, wenn auch nicht so schön und melodisch, die Edward immer setzte, bevor er mich berührte. „Wie könnte ich dich nicht interessant finden? Du bist ein außergewöhnliches Mädchen mit einer wunderschönen Stimme.“ Eine weitere weiche Veränderung in seiner Tonlage. „Ich finde es total süß, wie du an deinen Finger spielst oder dir immer wieder durch die Haare streifst, wenn dich etwas beschäftigt… Weißt du eigentlich, wie einnehmend du wirkst, wenn du gedanklich abschweifst?“

Ich schaute ihn wieder an und sein Lächeln strahlte Glaubwürdigkeit und Sanftheit aus und mein Verdacht wurde größer. Warum sagte er dies alles, er kannte mich doch eigentlich gar nicht, wie konnte er nur so von mir eingenommen sein? Ich hatte ihn töten wollen, er sollte nichts Schönes in mir sehen.

Ich wollte das hier doch nicht.

„Vielleicht sollte ich jetzt besser ge-“

Ich schaffte es nicht weiter, ihn anzusehen.

„Gehen?“ Er unterbrach mich mit einer Berührung. „Bella, ich glaube, du denkst wirklich in die total falsche Richtung.“

Seine Finger streiften mein Haar zurück und ich konnte mich trotz meiner übermenschlichen Stärke keinen Millimeter rühren.

„Bitte nicht…“, zitterte meine Stimme leicht und ich zuckte ein wenig vor der Berührung zurück.

Seine Finger glitten an den Haaren entlang und verschwanden mit dem Ende der Spitzen.

„Was geht nur in dir vor, Bella?“

„Ich habe Angst“, gestand ich, sagte aber nicht, in welche Richtung diese ging oder besser gesagt in welche Richtungen, denn es gab mehr als eine, die ich zu bedenken hatte.

„Vor mir?“

Er trat ein wenig zurück. Ich schüttelte leicht mit dem Kopf.

„Ich will nur dein Freund sein, Bella. Ich hatte nie etwas anderes im Sinn.“

„Ist das die Wahrheit?“, stieß ich hastig hinaus. Zu hastig, doch ich hatte nichts dagegen tun können.

Mein Blick festigte sich an seinem.

„Natürlich, warum denkst du nur, dass da etwas anderes wäre? Was habe ich denn getan, um dich das denken zu lassen? Wenn ich dir gestern irgendwie Angst gemacht habe, tut es mir leid. Ich wollte wirklich nicht, dass du-“

„Nein, nein…“ Am liebsten wäre ich ihm an den Hals gesprungen, ich war so erleichtert. „Ich habe da nur etwas überreagiert und das tut mir leid und…“ Ohne darüber nachzudenken ließ ich einen Körperkontakt entstehen, indem ich nach seinen Unterarmen griff. „… ich danke dir.“

„Wofür?“

Ich hinterließ ein wohliges Geräusch und schüttelte abermals den Kopf.

„Das ist nicht wichtig.“

„Ok, aber…“

Nun wand er seinen Blick ein wenig ab und zum allerersten Mal konnte ich ein Zeichen von Verlegenheit bei ihm erkennen.

„Was denn?“

Ich zog meine Hände wieder zurück, mochte er es vielleicht nicht, wenn man ihn berührte?

„Gestern, ich meine…“ Trotz leichter Röte schaffte er es, mich anzusehen. „Warum wolltest du…?“

Ach ja, er ging ja immer noch davon aus, dass ich ihn küssen wollte. Alice hatte ja gemeint, dass ich diese Vermutung nicht so schnell beiseite schieben könnte.

„Ehrlich gesagt, wollte ich dich gar nicht küssen. Ich wollte nur… jemanden eifersüchtig machen.“

Diese Idee, war mir vor genau zwei Sekunden gekommen.

„Was?“

„Ja, ich weiß, eine blöde Idee.“ Ich gestikulierte wild mit den Armen herum und lief zwischen den Tischen umher. Ich versuchte, mich darzustellen, als hätte ich sie nicht mehr alle beisammen, als wäre mir meine Tat unsagbar peinlich. Er wartete, dass ich weiter sprach, sein Blick folgte mir, wohin ich auch ging. „Ist mir ziemlich schnell klar geworden, dass es eine beknackte Idee war, und dann habe ich Panik bekommen und dich… na ja, weggeschubst. Es tut mir unendlich leid.“

Ich machte eine kleine Drehung und stützte meine Arme auf dem Lehrerpult ab, sah ihn aufrichtig entschuldigend an.

Er rutschte auf die Tischplatte hinter sich und setzte sich im Schneidersitz hinauf.

„Wen wolltest du eifersüchtig machen, wenn mir die Frage erlaubt ist?“

Ich fand nicht wirklich, dass es die beste Idee war, die man haben konnte, aber durchaus auch nicht die schlechteste. Immerhin war es doch sowieso langsam Zeit diesen Weg zu beschreiten. Doch vorher durchwanderte noch etwas anderes meinen Kopf.

„Ich sag es dir, wenn du mir verrätst, warum Alyssa dich Kiki nennt.“

Ich grinste zuerst, denn ich sah nichts Arges in meiner Frage, doch ich konnte praktisch spüren, wie die Temperatur im Raum hinunter fuhr, sehen, wie sich Kajikas Körper versteifte und sein Ausdruck etwas hartes annahm.

Seine Füße schwangen von der Tischplatte und erreichten den Boden. Für einen Menschen überdurchschnittlich schnell, schien er zu stehen und den Raum hinter sich zu lassen, nur knapp konnte ich ihn im normalen Tempo abfangen.

„Habe ich etwas Falsches gesagt?“

„Nein, mir ist nur gerade eingefallen, dass ich noch etwas zu erledigen habe.“

„Du lügst doch…“ Der beste Beweis dafür war sein abgewandter Blick. „Was war zwischen dir und Alyssa?“

„Das geht dich nichts an.“

„Ja, ich weiß, aber….“

„Aber was?“

„Sie war gestern im Krankenzimmer, als du ohnmächtig warst.“

„Na und?“

„Ich weiß nicht. Du schienst ihr viel zu bedeuten.“

„Was hat sie dir erzählt?“

„Gar nichts.“

„Und wie kommst du dann darauf, dass ich ihr irgendwas bedeute?“

Ich zögerte meine Antwort noch ein wenig heraus, um sein Interesse an dieser Konversation zu verstärken, dann erzählte ich ihm detailgetreu, was Alyssa getan und gesagt hatte.

Er setzte uns einer minutenlangen Geräuschlosigkeit aus, als ich meine Erzählungen beendet hatte. Geduldig wartet ich, bis er von alleine fortfuhr.

„Warum interessiert dich das so?“

„Ist das nicht normal? Ich meine, dass man die Geheimnisse seiner Freunde kennen möchte?“

Vom Gefühl her tippte ich auf ein weiteres Schweigen, doch er setzte ruhig und ziemlich sachlich an.

„Wir kennen uns schon ziemlich lange. Lizzy wohnt mit ihrer Familie direkt neben uns und sie kam, als wir noch sehr klein waren, immer ungefragt hinüber, wenn ich im Garten spielte. Damals war meine Krankheit noch nicht richtig ausgebrochen."

Er drehte sich weg und wirkte wie jemand, der den Weg nicht kannte. Sein Blick lag ziellos im Raum.

„Sie klaute mein Spielzeug und zog meiner Katze mit Freude am Schwanz.“ Ein Lächeln, welches gerade nicht auf sein Gesicht zu passen schien, huschte hinüber. „Meinen Namen konnte sie damals noch nicht aussprechen, also wurde Kiki daraus und es blieb dabei, bis wir in die High School kamen. Wir waren richtige Freunde, wie Bruder und Schwester und waren später auch kurz zusammen, was wohl der größte Fehler gewesen ist…“ Seine Hände ballten sich zu Fäusten. „… es war bis dato schon so viel passiert; ich hatte durch die Krankheit einige Male ziemlich aggressiv auf sie reagiert, wenn sie ungefragt etwas genommen hatte oder sie einfach nur irgendwo stand, wo sie meiner Meinung nach nicht sein dürfte. Ich hatte sie beschimpft, sie dutzende Mal zum Teufel gejagt und vieles gemacht, für das man sich eigentlich nur schämen sollte… Jedoch ging sie nicht, beschützte mich und hielt mich in dieser Welt fest, wenn ich wieder einmal ganz woanders war.“

Es trat eine kleine Pause ein, in der es schien, als würde er sich geistig zurück versetzen.

„Vor knapp zwei Jahren änderte sich dann alles. Lizzy fing an, romantische Gefühle in unsere Welt zu projizieren, mit denen ich nicht viel anfangen konnte. Sie machten mich im wahrsten Sinne des Wortes verrückt, ließen mich unkontrolliert handeln und eine neue Form von Anfällen war die Folge daraus. Ich konnte damit einfach nicht umgehen, so sehr ich es mir auch mit der Zeit wünschte, und sie schaffte es nicht, sie abzuschalten. Mein Arzt riet ihr daraufhin, sich von mir fernzuhalten, wenn sie wolle, dass es mir besser gehen würde und das tut sie… bis heute."

Seine Stimme war zum Ende hin leiser geworden. Inmitten seiner Darstellung hatte er sich auf einen nahe gelegenen Tisch gesetzt, ich war direkt davor zum Stillstand gekommen. Nun schaute ich ihn an, wahrscheinlich mit großem Bedauern im Ausdruck.

„Das ist ja schrecklich.“

„Ich habe ihr auch gesagt, dass es totaler Quatsch ist und dass ich das nicht zulassen würde, aber sie hat mir einige Male äußerst deutlich zu verstehen gegeben, dass es so das Beste für uns Beide wäre.“

Ich schwieg, denn ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Nichts, was aus meinem Mund kommen könnte, wäre irgendwie passend gewesen, und das Bedürfnis, ihm mit einer Umarmung Trost zu spenden, schob ich beiseite, ich wollte diese Sache zwischen uns nicht zu intensiv gestalten, obwohl es hier garantiert verständlich gewesen wäre.

„Und jetzt zu dir?“

„Bitte?“

„Wer ist es, den du eifersüchtig machen möchtest?“

„Achso…“

„Komm schon, versprochen ist versprochen.“

Ich war von dem schnellen Themenwechsel ziemlich überrascht. Auf seinen Lippen lag schon wieder ein fröhliches Grinsen; nur gespielt, nahm ich an.

„Edward!“, antwortete ich ohne Umschweife.

„Edward? Dein Bruder, Edward?“

In seinen Augen war deutlich das Erstaunen zu erkennen.

„Adoptivbruder! Aber ja, genau der.“

„Ich, ähm…“

Kajika kratzte sich am Kopf, sein Blick schien nun irritiert. „Ehrlich gesagt, bin ich gerade ein wenig baff.“

„Das kann ich mir gut vorstellen, deswegen wollte ich es ja auch eigentlich für mich behalten. Aber du musst auch bedenken, dass ich Edward erst vor ein paar Wochen kennengelernt habe und er ja auch gar nicht blutsverwandt mit mir ist.“

„Da hast du dich aber in eine scheiß Situation hineingebracht.“

Er wusste anscheinend nicht, ob ein Lächeln gerade zur Situation passte, denn ein ziemlich komischer Ausdruck huschte über seine Lippen. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht zu grinsen.

„Ja, ich wünschte, ich könnte was dagegen tun, aber alles was ich versuche, lässt es nur noch schlimmer werden.“

„Gegen Gefühle kommt man halt nicht an.“

„Nein, leider kann man sie nicht einfach abschalten.“

Ich schluckte hart, immerhin war diese Tatsache für seine Vergangenheit nicht gerade von Vorteil gewesen, abgesehen davon, hatte das Gefühl, eine Figur in einem billigen Groschenroman zu spielen. Ich kam mir total idiotisch und armselig vor.

„Und, weiß er es?“

„Ich denke, er vermutet es, aber gesagt habe ich es ihm bis jetzt noch nicht.“

Ich biss mir leicht auf die Lippen und spielte an meinen Fingern herum. Wenn ich könnte, hätte ich jetzt alles für einen kleinen Rotschimmer in meinem Gesicht gegeben.

„Ehrlich gesagt, könnte ich dir nicht einmal sagen, ob du es ihm sagen solltest oder nicht. Ich meine, wäre er ein ganz normaler Typ, hätte ich dich natürlich direkt davon überzeugt, aber das… ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich dir da raten könnte.“

„Ist schon ok, das kann ich gut verstehen.“

Er kratzte sich nur ein weiteres Mal ausgiebig am Kopf und starrte mich an, als wäre ich ein naives, kleines Schulmädchen.

Jedoch konnte ich doch eigentlich sehr zufrieden mit diesem Gespräch sein. Ich hatte so gut wie alles zur Zufriedenheit gelöst. Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass er auch noch auf meine Augenfarbe zu sprechen gekommen wäre, denn nun musste ich die nervigen Linsen noch weitere Tage tragen.

Und ehrlich gesagt, hätte ich jetzt zu gerne gewusst, was in seinem Kopf vor sich ging…
 

Zwei Stunden später als es normalerweise der Fall gewesen wäre, kam ich Zuhause an. Man spürte die beschwingte Erwartung auf die Jagd im gesamten Haus, was Renesmee noch einmal dazu brachte zu erklären, wie ungerecht sie es fand, dass sie dieser nicht ebenfalls beiwohnen durfte.

Doch es war nicht besonders schwer, sie von ihren betrüblichen Gedanken abzulenken. Ich legte mich einfach mit ihr auf die Wiese vor dem Haus und durchlebte einige ihrer schönsten Erinnerungen aufs Neue. Sie liebte es, noch einmal alles Revue passieren zu lassen.

„Ich möchte gerne mal nach Ägypten.“

Seit Rosalie ihr vor einigen Tagen ein Buch über Tutanchamun geschickt hatte, war sie ganz Feuer und Flamme für die alten Pharaonen und ihre Geschichte.

„Keine Angst, Schatz, da wirst du noch früh genug hinkommen.“

„Ich würde aber gerne mit der ganzen Familie dorthin.“

„Du weißt doch, dass das nicht möglich ist.“

Sie rollte sich über den Boden näher an mich heran, bis ihr Arm den meinen berührte.

„Warum glitzert eure Haut in der Sonne?“

„Ich weiß es nicht.“

„Weiß Daddy oder Carlisle es?“

„Ich denke nicht.“

„Kann ich die Antwort in irgendeinem Buch oder im Internet finden?“

„Das bezweifle ich.“

„Warum weiß es denn keiner?“

Jacobs Aufmerksamkeit war nun ebenfalls geweckt. Er hob seinen Kopf und schaute von seinem Platz, einige Meter entfernt, zu uns herüber. Seit Tagen verbrachte er ziemlich viel Zeit in Wolfsgestalt und tauschte sich mit seinen Artgenossen aus.

„Das weiß ich auch nicht, Schatz. Aber wäre es nicht noch viel schlimmer, wenn wir, wie die Vampire aus Büchern und Filme, überhaupt nicht am Tage hinaus könnten.“

„Natürlich, aber trotzdem muss es doch irgendeine Erklärung dafür geben.“

„Es gibt einfach Dinge auf der Welt, die sich nicht so einfach erklären lassen.“

Meine Antwort stellte mich selber nicht wirklich zufrieden, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass irgendwer eine Lösung für diese Frage kannte.

„Zum Beispiel, warum Werwölfe und Vampire Feinde sind?“

Ihr Blick huschte zu Jacob und wieder zurück zu mir. Meiner blieb auf Jacob hängen.

„Zum Beispiel. Fragst du dich denn nicht manchmal, warum Jacob und die Wölfe aus Forks trotzdem unsere Freunde sind?“

War es nicht langsam an der Zeit, ihr von der Prägung zu erzählen?

„Nein, Jacob hat mir das schon erklärt.“

Der erhobene Kopf des Wolfes legte sich sacht wieder ab, es hatte den Anschein, als läge ein kleines Grinsen auf seinem Maul.

„Hat er?“

„Ja.“

„Zeigst du es mir?“

Meine Neugierde war natürlich geweckt.

„Weißt du es denn nicht?“

„Doch, Schatz. Ich würde nur gerne wissen, wie und wann er es dir erklärt hat.“

„Wenn du möchtest.“

Renesmee schaute ein weiteres Mal zu Jacob, der gerade ausgiebig gähnte und daraufhin seine Augen schloss. So gelangweilt Jacob von dieser Aussicht war, verspürte ich selber eine ziemlich kribbelige Nervosität. Ich hatte keine Ahnung, was mich nun erwarten würde, nie hatte Jacob mir zuvor mitgeteilt, dass er sie irgendwie eingeweiht hatte.

Renesmee legte ihre Hand auf mein Gesicht, ihre ausgestreckte Handfläche passte gerade noch auf meine Wange hinauf. Ich schloss die Augen und landete am oberen Absatz der Treppe in unserem Haus in Forks. Ich, beziehungsweise Renesmee schlich sich gerade von hinten an Jacob heran.

Sie wollte ihn anscheinend erschrecken, als ein Bild von Edward und mir sie stocken ließ. Wir standen an der Haustür und Edward verabschiedete sich gerade ziemlich leidenschaftlich von mir.

Renesmee richtete sich aus ihrer schleichenden Haltung auf und beugte sich an Jacob vorbei, um ihm ins Gesicht zu schauen.

„Bist du traurig?“

„Wie kommst du darauf?“

Er wand den Blick von Edward und mir ab und schenkte ihn meiner Tochter, die sich nun neben ihn auf die oberste Treppenstufe setzte. Aus dem Winkel heraus, schätzte ich ihr momentanes Alter auf nicht höher als ein Jahr.

„Ich sehe es dir an.“

Er lächelte.

„Wie könnte ich traurig sein, wenn du bei mir bist?“

Er schlang seinen Arm um sie und drückte ihren kleinen Körper zärtlich an seine Seite. Ein warmes, beschütztes Gefühl stieg in mir auf.

„Es ist wegen Momma, nicht wahr? Du hast sie sehr lieb, oder?“

Sie blickte ihn direkt an und meiner Meinung nach schien er kurz zu überlegen, was er ihr darauf antworten sollte.

„Ja, das habe ich wohl.“

Er streichelte ihr behutsam über den Kopf.

„Bist du deswegen bei uns, wegen Momma?“

Er stockte in seiner Bewegung, sein Blick wurde nun ernst.

„Nein, Nessie… Ich bin nur wegen dir hier.“

„Wegen mir?“

„Ja.“

„Warum? Hast du mich auch so lieb wie Momma?“

„Natürlich habe ich das, wie kannst du das nicht wissen?“

„Ich weiß es, denke ich.“ Sie schien kurz nachzudenken. „Aber ich verstehe nicht, warum du immer hier bist und nicht so oft bei deiner eigenen Familie oder deinem Rudel.“

„Mmhh, wie erklär ich dir das am besten?“ Jacob ließ von ihr ab und schaute sie nachdenklich an. „Stell dir vor, du wärst ein Luftballon, der droht in den Himmel zu fliegen, und ich bin derjenige, der den Ballon an einer Schnur festhalten kann.“

Renesmee kniff die Augen zusammen, stellte sich den Ballon vor. Ich konnte sehen, wie sie in Windeseile eine Palette von Farben durchzusehen schien. Dann öffnete sie wieder die Augen und sah Jacob an.

„Kann er blau sein, der Ballon?“

„Ja, klar kann er das…“ Er grinste sie belustigt an. „Also, meine Aufgabe ist es also, den Luftballon festzuhalten und ihn nicht wegfliegen zu lassen. Für mich ist dieser Luftballon wichtiger als alles andere auf der Welt und ich werde ihn immer beschützen und festhalten wollen, solange ich lebe.“

„Solange du lebst?“

„Ja.“

Die Erinnerung verschwand und ich öffnete wieder meine eigenen Augen. Ich blickte genau in Renesmees braune Augen.

„Es geht noch weiter.“

Erneut legte sie ihre Hand auf mein Gesicht, meine Augen schloss ich erst, als mein Blick kurz zu Jacob gewandert war. Er lag da, als würde er seelenruhig schlafen.

In der zweiten Erinnerung war Renesmee älter, ihre Größe, Frisur und die Haarfarbe zeigten mir sofort, dass wir in ein paar Tagen Forks verlassen würden.

Jacob schien traurig zu sein wegen dem Verlassen der Heimat, ich konnte Renesmees Gefühle diesbezüglich sehr stark wahrnehmen. Vielleicht waren sie deswegen so stark, weil die Erinnerung noch nicht so lange zurücklag.

Renesmee blieb neben Jacob stehen, der gerade ein Gespräch mit Sam beendet hatte.

„Wenn du nicht möchtest, musst du nicht mitkommen, Jacob. Ich denke, meine Familie wird schon damit fertig werden, den Ballon vor dem Wegfliegen zu bewahren.“

Es waren nicht die Worte eines Kindes und nicht nur ich hörte ihren Ernst hinaus. Ferner sah man Jacob die Verwunderung an, dass sich Renesmee anscheinend immer noch an die Geschichte von dem Ballon erinnerte.

„So funktioniert das leider nicht, Ness. Aber auch wenn, würde ich dich nicht gehen lassen wollen.“

„Aber du willst doch hier bleiben, ich sehe es dir doch ganz deutlich an.“

Sie drehte sich um sich selbst, sie konnte in emotionalen Situationen meist nicht still stehen.

„Ja, natürlich würde ich gerne bei meiner Familie bleiben, aber auch du und deine Familie seid zu einer Familie für mich geworden, und ich…“ Er näherte sich ihr, woraufhin sie ganz ruhig stehen blieb. Seine starken Finger glitten behutsam über ihre Wange. Renesmee schmiegte sich an seine Hand. „Willst du denn nicht, dass ich bei dir bleibe?“

„Wie kannst du so etwas sagen?“ Sie fuhr blitzschnell nach vorn und schmiss sich in seine starken Arme. „Ich will nur nicht, dass du meinetwegen traurig bist.“

Ich spürte die Tränen in ihr aufsteigen.

„Das bin ich nicht.“ Er drückte sie sanft von sich, seine Hände umschlangen ihr zartes Gesicht, seine Fingerspitzen legten sich unter ihre Augen und wischten die Vorboten von Traurigkeit hinfort. „So darfst du niemals denken. Du bist das Wichtigste in meinem Leben und ich will immer an deiner Seite sein.“

Sie schauten sich lange an und würde ein Herz in meiner Brust schlagen, wäre es gerade vor Spannung stehen geblieben… jedoch küsste er sie nicht, obwohl seine ganze Mimik dafür sprach.

Die Erinnerung verblasste mit einer unschuldigen Umarmung.
 

Etwa eine Stunde vor dem Aufbruch zur Jagd, versuchte Edward erneut, mich davon zu überzeugen, dass es doch besser wäre, wenn er ebenfalls bleiben würde. Natürlich sprach mein Verstand sofort dagegen an, mein Gefühl allerdings wollte ihm nur zu gerne nachgeben.

Es hatte so wenige Gelegenheiten gegeben, wo wir alleine waren, seit wir Forks verlassen hatte. Ein unbeschreibliches Bedürfnis in mir lechzte nach dieser Chance, doch ich durfte meinen Wunsch nicht vor die Vernunft stellen, und so bat ich ihn, mit den anderen zu gehen.

Als sie aufgebrochen waren und Renesmee und Jacob schliefen, machte ich mich, wie zuvor mit der Familie besprochen, noch einmal zu einer eigenen kleinen Jagd bereit. Nur ein weiteres schmächtiges Tier, um wenigstens ansatzweise so lange wie die übrige Familie durchhalten zu können.

Meine Schuhe streifte ich im Haus ab, es wäre total unnütz gewesen, sie überhaupt erst mitzunehmen. Ich zog mir ein dunkles, eng anliegendes Shirt über, welches nicht im Wind flattern würde und etwas zur Unerkenntnis beitrug.

Die Tür gerade hinter mir schließend, vernahm ich unerwartet ein Geräusch von der Treppe im Hausinneren. Ich stieß die Tür wieder auf und erblickte Renesmee; sie war, ebenfalls barfuss und in schwarz gekleidet. Ich brauchte nicht lange zu überlegen, um ihre Beweggründe für diese Aufmachung zu erraten.

„Oh nein, das kommt gar nicht in Frage, junge Dame.“

Ehe ich auf sie zukommen konnte, stand sie auch schon neben mir.

„Aber Momma, wir bleiben doch in der Nähe und ich habe es satt, dass ich immer auf alles verzichten soll, nur weil ich noch so jung bin.“

„Verstehst du denn nicht, dass dies alles nur zu deinem Schutz geschieht?“

„Natürlich, aber was soll schon passieren? Wir gehen nicht weit, es ist keine Gefahr in Sichtweite und außerdem…“ Sie schaute mich eindringlich an, fast schon einer Herausforderung gleich. „…bist du doch bei mir, oder?“

Geschickt hatte sie einen meiner Schwachpunkte angegriffen; die Sorge, sie nicht alleine beschützen zu können und das daraus folgende Verlangen, das Gegenteil zu beweisen.

„Jacob würde das niemals zulassen“, versuchte ich es mit einer anderen Taktik.

„Er muss es doch nicht erfahren, vorerst zumindest nicht.“

„Und wenn er aufwacht und dich nicht findet? Er würde in Panik ausbrechen.“

„Wir lassen ihm eine Nachricht da.“

Grinsend zog sie einen Lippenstift aus ihrer Hosentasche.

„Habe ich von Alice bekommen“, erklärte sie, während sie in krickeliger Schrift „Bin mit Momma jagen. Mach dir keine Sorgen. Renesmee“ an die Innenseite der Tür schrieb.

Ich war immer noch nicht überzeugt von diesem Vorhaben, doch andererseits konnte ich ihren Wunsch so gut nachempfinden, und was könnte alles passieren, wenn ich es ihr verbieten würde? Musste ich dann nicht das Risiko eingehen, dass sie eventuell ausbüchste, wenn die Familie gerade mal nicht da war? Blieb mir überhaupt eine andere Wahl?

Natürlich blieb sie mir, aber hier kam wohl letztendlich der Stolz ins Spiel, dass ich sehr wohl in der Lage war, mein eigenes Kind zu beschützen.

„Ok, einverstanden. Ein kleines Tier und schwups wieder nach Hause.“

„Jaaaaaaahhhhaaaaaa!“

Sie hüpfte wild im Kreis, schnell lenkte ich sie zur Besinnung.

„Wenn Jacob aufwacht, kannst du es vergessen.“

„Oh…“
 

Minuten später standen wir im dichten Wald. Wir spähten beide nach Nahrung.

„Wer zuerst eines findet, gewinnt“, grinste sie bis über beide Ohren.

„Einverstanden, aber nicht weiter weg als fünf Kilometer.“

Diese Entfernung war ziemlich sicher, da ich sie in diesem Radius jederzeit leicht und schnell aufspüren könnte.

Sie grinste immer noch und zischte dann ein „Und los!“ über die Lippen.

Nun, da sie endlich durfte, war sie schwer aufzuhalten. Ich schaute ihr einige Sekunden hinterher, ehe ich mich selber auf den Weg machte. Ein wenig mehr rechts, aber nicht zu weit weg von dem Weg, den sie genommen hatte.

Ein Auto streifte meine Route, doch es fuhr in die Stadt und stellte somit keine Gefahr für uns dar.

Ich horchte und schnupperte mehr in Renesmees Richtung als mich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren, doch mit jedem weiteren Schritt übermannte mich das bekannte Freiheitsgefühl ein wenig mehr. Die Logik machte den Instinkten platz und bald schon hatten sich meine Prioritäten zum Großteil geändert; ich wollte etwas töten.

Ich schnupperte rechts, ich blinzelte links. Ein weiterer Fuchs würde einen schönen Fang abgeben, der von gestern hatte ganz vorzüglich geschmeckt. Ich kletterte einen Baum hinauf, um eine bessere Sicht zu erhalten und plötzlich roch ich es: Mensch!

Es drang in mich ein wie der Schmerz einer Spritze, etwas, das man einfach ertragen muss. Ich versuchte, den aufgezwungenen Geruch zu verdrängen und den meiner Tochter ausfindig zu machen… sie überlappten sich… die gleiche Richtung… Renesmee!

Ich stieß unkontrolliert hinab, meine halbe Hose hatte ich an einen großen Ast verloren. Ich rannte, immer schneller, immer weiter den Berg hinauf, die Ohren gespitzt und die Nase in der Luft. Es kam näher, immer näher und... sie mussten so nahe beieinander sein, dass sie sich schon beinahe berühren konnten.

Dann sah ich einen Lichtkegel in der Dunkelheit aufscheinen, noch gut zwei Kilometer entfernt. Ich war noch zu weit weg, um irgendetwas zu tun, doch nun konnte ich wenigstens sehen.

Der Junge, vielleicht 15 Jahre alt, hatte sie anscheinend noch nicht bemerkt, es konnte also noch verhindert werden, wenn ich nur schnell genug lief, doch meine Füße wollten mich nicht rascher tragen.

Renesmee ging näher an ihn heran. Was trieb sie nur zu diesem Schritt? Sie wusste doch genau, dass sie keinen Kontakt mit Außenstehenden herstellen durfte.

Immer noch mit dem Rücken zu ihr schien er jäh zu erstarren, aber nur für den Bruchteil einer Sekunde. In der nächsten drehte er sich zu ihr um, erschrak und fiel, beim Versuch zurückzuweichen, rücklings zu Boden.

Was zuvor in seiner Hand lag, flog durch die Luft, Renesmee griff danach und durch das freigewordenen Blickfeld, erkannte ich, was er in der anderen Hand verbarg: Eine Waffe!

Das Entsetzen wollte mich erst gefrieren lassen, doch ich trieb mich an, schneller zu laufen, so schnell, dass ich überhaupt keinen Boden mehr unter meinen Füßen wahrnahm. Die Bäume rasten nur noch wie schwarze Flecken an mir vorbei. Meine Tochter war in Gefahr und ich hatte sie dem ausgeliefert.

Vor mir war alles zum Stillstand gekommen und auch ich, dem Ziel endlich nahe, stockte blitzartig, lief nicht auf das freie Stück Wald hinaus, um zu meiner Tochter zu gelangen, sondern blieb im Verborgenen.

Der Junge hielt seine Waffe steif auf ihre Brust gerichtet und ich war nicht bereit, zu erfahren, wie eine Schussverletzung auf ihren halbmenschlichen Körper wirken würde. Ein Auftauchen meinerseits könnte ihn so erschrecken, dass er letztendlich abdrückte.

Ich könnte nicht schnell genug sein…

Ich könnte verlieren… und weit und breit kein Carlisle, der helfen konnte.

Trotz Widerwillens hielt ich mich bedeckt, jedoch bereit, jederzeit einzugreifen.

Renesmee war indes nicht zurückgewichen. Sie schaute abwechselnd auf den sich am Boden abstützenden Jungen und das Teleskop, welches sie aufgefangen hatte. Keinerlei Angst aufgrund der lauernden Gefahr lag auf ihrem Gesicht. In was hatte sie nur solches Vertrauen? Dass die Kugel ihr nichts anhaben, oder das der Junge die Waffe nicht benutzen würde?

Die Hand mit der Waffe verfiel einem Zittern, machte es noch gefährlicher einzugreifen. Die Pupillen in den grünen Augen waren geweitet, der Mund feste zusammen gepresst und der Herzschlag drang wie eine schnelle, afrikanische Buschtrommel an mein Ohr.

Ich war bereit, ihm die Hand samt Waffe abzubeißen, ihn niederzustrecken und ihn einen quälvollen Tod erleiden zu lassen… ein leises Knurren verließ meine Kehle und eine gewaltige Menge Gift durchströmte meinen Mund.

„Beobachtest du die Sterne?“

Ihre sanfte Stimme durchzog die Nacht und beinahe hätte sie mir das Zeichen zum Angriff gegeben. Sie war für mich genauso überraschend gekommen, wie wenn er abgedrückt hätte.

„Sag mal, tickst du noch echt?“ Ihre Worte hatten ihn wohl ebenfalls wieder klar denken lassen. Der Junge erhob sich und die Waffe sank. Er schaute Renesmee verwirrt an. „Du kannst dich doch nicht mitten in der Nacht so an jemanden heranschleichen. Ich hätte dich töten können, verdammt!“

Er ließ die Waffe zu Boden gleiten und schien ungeduldig auf irgendeine Reaktion von ihr zu warten. Es wäre der perfekte Moment gewesen, aus meinem Versteck zu stürmen und die Situation zu beenden, aber meine Knie zitterten heftig und ich war mir gerade nicht einmal sicher, ob ich auch nur einen einzigen Schritt tun konnte.

Was hatte ich getan? Wie hätte das vielleicht enden können?

Ich hatte es eindeutig verbockt, mein Kind in tödliche Gefahr gebracht… doch gerade war ich nur heilfroh darüber, dass die Waffe nicht mehr in seiner Hand war.

Der Junge schaute sie immer noch entgeistert an, sein Blick erreichte das Teleskop in ihrem Arm.

„Gib das her!“, beugte er sich vor und versuchte, ihr sein Eigentum zu entreißen.

Jedoch war Renesmee nicht bereit loszulassen und er hatte zweifellos nicht mit ihrer Stärke gerechnet. Er fiel erneut und Renesmee direkt hinterher, sie landete auf ihm und ein lauter Schmerzensausschrei seinerseits durchdrang die Luft.

Er rieb sich heftig den Hinterkopf, ehe sein Augenmerk auf das Gesicht vor ihm traf. Mir kam es so vor, als hätte der gesamte Wald aufgehört zu atmen.

„Wie heißt du?“

Renesmees Worte schienen wie ihr Blick von reinstem Interesse zu sein und ließen seine Lippen fast schon zaghaft antworten wollen, doch dann besann er sich und schüttelte sie ab.

„Geh runter von mir!“

Er rutschte unter ihr weg, Renesmee hielt immer noch das Teleskop in ihren Armen. Während er aufstand und zu ihr hinab schaute, drehte sie sich nur auf den Rücken und blickte ihn weiterhin begierig an.

„Hast du keinen Namen?“

Er blickte immer noch auf sie hinunter… verwirrt und irgendwie hilfesuchend.

„Wo bist du denn ausgebrochen? Natürlich habe ich einen Namen.“

„Ich bin nicht ausgebrochen. Ich… ich mache nur einen Spaziergang.“

Unerwartet setzte sie sich auf, der Junge wich verschreckt ein Stück zurück.

Renesmees Augen trafen mich in der Dunkelheit, sie wusste also genau, wo ich war. Der Junge folgte ihrem Blick, war aber nicht im Stande, mich in meinem Versteck auszumachen.

Was tat sie nur?

„Warum hast du keine Schuhe an?“, war seine Stimme auf einmal von einem verdutzten Ton erfasst, zeitgleich blickten wir wohl alle auf Renesmees nackte Füße.

„Es ist schöner so“, lächelte sie ihn an und wackelte mit den Zehen.

Er schaute sie nun an, als hätte sie nicht mehr alle Tassen im Schrank, trotzdem, machte er einen Schritt auf sie zu und hielt ihr die Hand hin.

„Du kannst bei so einem Wetter doch nicht barfuss rumlaufen. Willst du dir die Füße abfrieren?“

„Nein“, schaute sie zurück.

Sie griff nach seiner Hand und ließ es zu, dass er sie auf die Beine zog. Kurz war es wieder still, als er dies geschafft hatte. Sein Blick lag fest auf ihrem Gesicht.

„Komm… setz dich hier her.“

Er zog einen kleinen Klapphocker näher heran und drückte sie hinunter. Daraufhin wühlte er in seinem Rucksack herum und zog ein paar dicke Wollsocken heraus.

„Du kannst froh sein, dass ich immer Ersatz dabei habe.“

Er knüllte die Socken auseinander und machte sich ohne Scham daran, meiner Tochter die Socken über die Füße zu streifen.

„Deine Haut ist ganz warm“, stellte er überrascht fest.

„Ich habe eine gute Durchblutung“, erklärte sie ihm.

Sein Blick blieb stutzig und wären die Socken nicht schon genug des Guten, holte er als nächstes eine Decke hervor und legte sie ihr um die Schultern.

„Danke“, lächelte sie.

„Woher kommst du eigentlich? Ich kenne alle Leute in der Gegend.“

Sie schien nicht über ihre Antwort nachzudenken, während er sich ihr gegenüber auf den Boden setzte, und gab sofort die Information preis, auf welche sie schon seit Jahren getrimmt war.

„Ich bin nur zu Besuch hier.“

„Wie ist dein Name?“, fragte er neugierig weiter. Ich konnte nur hoffen, dass sie nichts Falsches sagte.

„Renesmee Carlie Cullen und verrätst du mir nun auch deinen?“

„Ian. Ian Ferbengs. Mein Dad ist ansässiger Mounty und, wie gesagt, kenn ich eigentlich alle Leute hier.“

Ein Mounty?

Sofort zeigte mir meine Erinnerung den roten Hut des Mannes, der den Wagen in Richtung Stadt gesteuert hatte. Sein Vater war ein Polizist, noch besser konnte es ja gar nicht mehr kommen.

„Meine Tante, bei der ich zu Besuch bin, ist erst vor kurzem hierher gezogen.“

Unerwartet spürte ich eine winzige Bewegung an meinem Bein. Ohne groß zu Zögern zerschmetterte ich das Handy in meiner Hosentasche mit einem einzigen gezielten Schlag, kein Ton schallte hinaus. Wer immer auch versuchte hatte, mich zu erreichen, würde kein Glück mehr damit haben.

Renesmee schien den kurzen Zwischenfall ebenfalls bemerkt zu haben, auf einmal setzte sich ein Ausdruck von Besorgnis auf ihr Gesicht. Sie blickte kurz in meine Richtung, danach wieder den Jungen vor sich an.

„Ich denke, ich muss jetzt gehen.“

Sie erhob sich und die Decke rutschte ihr von den Schultern. Er tat es ihr sofort gleich, woraufhin sie das Teleskop in seine Arme legte.

„Es war wirklich schön, dich kennenlernen zu dürfen.“

Sie lächelte ihn an, woraufhin sein Blick nur noch fragender wurde. Er hielt sie auf, als sie sich umdrehen und gehen wollte.

„Soll ich dich nicht noch nach Hause bringen?“

„Nein, es ist nicht weit… oh, warte.“

Sie setzte sich auf den Boden und widmete sich ihren Füßen.

„Nein, nein, du kannst sie behalten“, winkte er ab.

„Sicher? Brauchst du sie denn nicht?“

„Ach quatsch, ich habe noch massig davon, aber sag mal, hast du denn keine Angst, so ganz alleine im Wald?“

„Nein.“ Renesmee grinste ihn breit an. „Leb wohl, Ian!“

Ehe er ihren Abschiedsgruß erwidern konnte, war sie schon in akzeptablem Tempo davongerannt. Ich blieb noch eine Minute in meinem Versteck und beobachtete den Jungen, um sicher zu gehen, dass er ihr nicht folgen würde oder etwas anderes tat, was uns Probleme bereiten könnte. Als er sich kurz darauf kopfschüttelnd wieder dem Aufbau seines Teleskops widmete, lief ich Renesmee hinterher.

Ich hatte sie gerade eingeholt und wollte sie fragen, was sie sich dabei nur gedacht hatte, als wir beide den gleichen Geruch aufnahmen. Wir schauten uns besorgt an und es dauerte nur eine knappe Minute bis ein übergroßer Wolf vor uns stand.

Er verwandelte sich einige Meter von uns entfernt und schlüpfte in seine Shorts. Schnaubend kam er zu uns hinüber und zog Renesmee schützend an sich. Ich weiß nicht, was er sagen wollte, um uns zu verstehen zu geben, dass unser Aktion nicht in Ordnung gewesen war, doch bevor er auch nur ein Wort über die Lippen bringen konnte, vernahm er ihn… den unverkennbaren Geruch eines Menschen.

„Wie konntest du nur?“, blickte er mich giftig an.
 

Kapitel 12 - Unvorhersehbare Begegnung - Ende

Man trifft sich immer zwei Mal

Autor: littleblaze

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Disclaimer: Alle Rechte an den Bis(s)-Charakteren gehen auf das Konto von Stephenie Meyer und ich selber verdiene keinen einzigen Cent mit meiner Story.
 

Neue Charaktere, die Storyline, selbsterstellte sowie editierte Bilder und sämtliche, für die Story erstellten Extras gehören mir und dürfen nicht ohne meine vorherige Zusage auf anderen Seiten, Portalen oder Foren gepostet werden.
 

Kapitel 13 - Man trifft sich immer zwei Mal
 

Ich erkannte in seinen Augen, was er dachte, das gerade geschehen war, und innerlich konnte ich nur den Kopf über diese Annahme schütteln. Wie kam er nur auf so eine groteske Idee, wie konnte er den stichhaltigsten aller Beweise, dass kein Blut oder Blutgeruch an uns klebte in seiner Verbohrtheit nur so beiseite schieben und uns ohne nachzudenken schuldig sprechen?

Eine Mischung von Ekel, Kränkung und Verrat huschte über sein Gesicht.

Renesmee hatte er neben sich gezogen, auf ihrem Gesicht war der Ausdruck genau so skeptisch wie auf meinem. Gingen ihr dieselben Dinge durch den Kopf wie mir? Fragte sie sich, wie Jacob uns so schnell und nur aufgrund eines harmlosen Geruches nach Mensch verurteilen konnte? Waren wir in seinem tiefsten Inneren vielleicht doch nur blutrünstige Monster?

Sie schaute begierig nach Antworten zu ihm auf, doch er würdigte sie in diesem Moment keines Blickes; der Vorwurf in seinen dunkelbraunen Augen galt ganz mir.

„Wie kommst du nur auf so einen Schwachsinn?“, setzte ich an, doch weiter wollte er mir anscheinend nicht zuhören. Er drehte sich mit vorwurfsvollem Blick um 180 Grad, Renesmee wechselte ohne ihr Zutun mit ihm die Richtung. Er hielt sie fest an sich gedrückt. Und daraufhin geriet alles ein wenig aus der Kontrolle…

In meinem Kopf schrie es, dass es das doch wohl nicht sein könnte; ich stürzte nach vorn, wollte ihn aufhalten und ihn zwingen, mich anzuhören. Im gleichen Augenblick versuchte sich Renesmee von ihm loszureißen.

Er hielt sie auf ihren Versuch hin am Handgelenk fest und schlug meine näherkommende Hand wohl eher aus Reflex heraus hinfort. Es tat nicht weh… es störte mich nicht einmal wirklich… jedoch deutete meine Tochter die Situation anscheinend um einiges schlimmer.

Ein beängstigender Laut durchfuhr ihre Kehle und in überraschender Schnelligkeit hatte sie sich von dem viel größeren Körper befreit. Ihre Kraft entlud sich daraufhin in einer einzigen Bewegung, mit der sie Jacob zu Boden warf. Sie schaute mit gespenstiger Starre auf ihn hinab und er schaute erschrocken zurück. Doch nicht nur er war erschrocken.

Für einige Sekunden konnte ich nicht wirklich sagen, was in mir vorging. Ich war erschrocken und… verängstigt… Hätte es mein Körper geschafft, sich in dieser Zeitspanne bewegen zu können, wäre ich wahrhaftig einen Schritt zurück gewichen… aus Angst? Angst vor meinem eigenen Kind?

Ich schaute zu Jacob. Ich weiß nicht wieso, vielleicht erhoffte ich mir Antworten in seinem Blick, Hilfe…

Dieser spürte meine Zuwendung und ließ nun ebenfalls einen Blickkontakt entstehen, während Renesmee schnell atmend immer noch gebannt auf ihn hinab sah; ihre Fäuste waren geballt und ihr Herz raste in der Brust, wie ich es nie zuvor vernommen hatte.

Was…?

Die gerade durchlebte Szene versuchte ich noch einmal in meinem Kopf zu durchleuchten, ging noch einmal jeden Blick und jedes Wort durch und kam überraschenderweise ziemlich schnell auf die Lösung.

Wie kam sie nur auf diese Annahme? Natürlich war Jacob sauer, aber er würde doch niemals…

„Schatz“, trat ich einen Schritt näher an Renesmee heran. Ich zögerte einen Körperkontakt hinaus, ich war verwirrt, nie zuvor hatte ich sie so erlebt. „Jake wollte mir nicht wehtun.“

Ich berührte sie schließlich sanft am Arm und sofort nahm die wohlige Wärme von meinen Fingern Besitz, ließ alle negativen Gefühle von mir abfallen.

Renesmee schaffte es nur zaghaft, sich mir zu zuwenden und mich anzusehen, sie schien einen kleinen inneren Kampf mit sich selber auszufechten. Doch just in dem Moment, als sich unsere Blicke trafen, schien ihr erst wirklich klar zu werden, was gerade passiert war.

Sie wich zurück, erschrocken blickte sie zu Jacob, wieder zu mir, und ohne dass ich darauf vorbereitet war, rannte sie plötzlich los.

„Vollidiot“, zischte ich in Richtung Boden, ehe ich ihr hinterher rannte.
 

Ich fand sie weinend auf ihrem Bett.

Ihr Gesicht war fest in das weiche Kissen gedrückt und ihre Füße, dreckig vom Waldboden, labten sich an der weißen Bettdecke. Wo waren die Socken hin?

Ich legte mich neben sie und drückte unsere Körper zusammen, sofort nahm die Lautstärke des Schluchzens zu und sie wand sich in meiner Umarmung, presste ihr Gesicht gegen meine Brust. Ich streichelte ihr Haar, das nach Vanille roch und einige silberne Haarspangen barg.

„Ist Jacob böse?“, stotterte sie hervor.

„Nein“, versicherte ich ihr. „Er ist nur ein wenig… erschrocken, Schatz.“

Kurz blieb es ruhig, dann frage sie mich:

„Warum habe ich das getan?“

„Mmhh“, versuchte ich schnell die richtigen Worte zu finden, um sie nicht zu beunruhigen. „Ab und an passiert so etwas eben. Es ist manchmal schwer, sich zusammenzureißen, besonders wenn man wütend ist, oder Angst hat… War es so? Hattest du Angst oder warst du wütend auf Jake?“

„Ich weiß es nicht“, zögerte sie.

Ein wenig Platz ließ sie zwischen uns und zog ihr Stoffpony zu sich heran, streichelte ihm genauso über den Kopf, wie ich es bei ihr tat. Ihr Blick schien abwesend, so als hielte sie sich die vergangene Situation noch einmal vor Augen.

Und ich? Hatte ich plötzlich Angst davor, was vielleicht in meinem Kind schlummerte? Wie viel Vampir war wirklich in ihr vorhanden?

Ihr Ausdruck änderte sich lange Zeit nicht, ein Blick, der mir in vielerlei Hinsicht nicht gefiel.

„Kannst du dich noch daran erinnern, als ich kurz nach deiner Geburt auf Jacob losgegangen bin und Seth dabei verletzt habe?“

„Ja“, kicherte sie sanft und der unerwünschte Ausdruck in ihrem Gesicht verschwand.

„Da war ich auch ziemlich wütend auf ihn, aber verletzten wollte ich ihn natürlich nicht. Ich war nur einfach so…. so sauer, dass ich mich nicht bremsen konnte, verstehst du?“

Sie nickte mir zu und ich wischte eine letzte Träne aus ihren Augenwinkel hinweg. Kurz war die Versuchung da, die Träne an meinen Mund zu führen, den altbekannten salzigen Geschmack aufzunehmen, etwas Menschlichkeit zu spüren, doch meine Hand zögerte zu lange und die Träne glitt hinfort.

„Warum warst du damals denn eigentlich so sauer auf ihn?“

Ich schaute kurz betreten zu Boden.

„Das hatte was mit deiner Ballongeschichte zu tun.“

Ich lächelte leicht.

„Wolltest du nicht, dass Jacob bei mir ist?“

„Nein“, schüttelte ich energisch den Kopf. „So ist es nicht. Ich…“ Mein Blick wusste nicht wohin, traf die Uhr auf ihrem Nachttisch. „Lass uns ein andermal darüber reden, ok? Es ist schon spät, du solltest jetzt endlich schlafen.“

Die Wärme ihrer Haut zeichnete sich unter meinen Fingern ab, als ich ihren Kopf sacht auf das Kissen bettete. Etwas so friedvolles, konnte einfach nichts Böses in sich tragen.

Ich deckte sie zu, ohne sie umzukleiden oder vorher zu waschen, ihr schien es sichtlich egal zu sein; sie gähnte herzhaft und die geröteten Augen ließen sich anscheinend nicht mehr viel länger aufhalten. Ich küsste sie auf das wohlriechende Haar und knipste die Nachttischlampe aus. Ihre Augen waren fest geschlossen, ihr Gesicht entspannt.

„Träum was Schönes“, entfernte ich mich vom Bett, doch an der Tür hielt sie mich auf.

„Momma?“

„Ja, Schatz?“

„Ian… er war nett, nicht wahr?“

Ihre Augen waren immer noch geschlossen, dessen ungeachtet lag ein Lächeln auf ihren Lippen.

„Ja, das war er.“

Ich verdrängte einfach mal die Erinnerung, dass er meiner Tochter eine Waffe auf die Brust gerichtet hatte.

„Ich werde ihn nicht wiedersehen, oder?“

Die Tonlage verriet mir, dass sie die Antwort auf ihre Frage bereits kannte.

„Nein, wahrscheinlich nicht.“

Irgendetwas in mir brach in diesem Moment.
 

Jacobs Anwesenheit hatte ich bereits seit längerem bemerkt; er war nicht ins Haus vorgedrungen.

Einige Minuten hatte ich mir Zeit gelassen, bis ich ins Untergeschoss trat. Ich hatte auf der Treppe gestanden, an der Wand gelehnt und mir gesagt, wie verrückt mein vorheriges Zögern gewesen war.

Renesmees Verhalten erklärte ich mir inzwischen aus der Unsicherheit heraus und eventuell die sowieso verrückte Zeit, in der alle Teenager langsam anfangen überzureagieren. Immerhin wurde sie langsam dazu, wenigstens körperlich.

Was den psychischen Aspekt anging, war sie sogar mir in vielerlei Hinsicht weit voraus, aber in der Sparte Zwischenmenschliche Beziehungen hatte sie so gut wie nichts vorzuweisen… Ihr fehlte einfach der Kontakt mit anderen, Fremden, Freunden, wirkliche Auseinandersetzungen, in denen sie für sich selber eine Lösung finden müsste. Wenn man es von oben herab betrachtete, würde sie beim Punkt Sozialverhalten vielleicht den Stand eines Vorschulkindes einnehmen. Wahrscheinlich wäre sie sogar so naiv dem lieben Onkel, welcher seinen armen, kranken Hund suchte, bis nach Hause zu folgen.

Angewidert schüttelte ich den Kopf, aber ich wollte einfach eine logische, gutartige Erklärung für ihr Verhalten finden. Ich wollte nicht daran denken müssen, dass sie eigentlich eine andere Rasse war, dass sie einfach anders war als wir, als ich.

Natürlich, es gab Nahuel und seine Schwestern, aber was wussten wir wirklich von ihnen? Sie lebten alle ein wirkliches Vampirleben, ernährten sich von Blut der Menschen, reagierten heftiger und unkontrollierter… was, wenn es doch einen viel größeren Unterschied zwischen ihnen und uns gab? Was, wenn Renesmee doch nicht so einen ausgeprägten, sanften Umgang mit ihren Emotionen hatte, wie wir es bis jetzt annahmen? Was, wenn sie sich veränderte?

Ich trat zur Hintertür heraus und ging auf Jacob zu. Ich tippte darauf, dass er mittlerweile darauf gekommen war, dass er uns zu Unrecht beschuldigt hatte.

„Ist mit ihr alles in Ordnung?“

Kurz verspürte ich die Lust, ihm an die Kehle zu springen.

„Sie macht sich Vorwürfe.“

Er sollte wenigstens ein paar Minuten daran zu knabbern haben, immerhin war seine Annahme ziemlich fehl am Platz gewesen.

„Ihr hättet einfach nicht ohne mein Wissen das Haus verlassen dürfen.“

Seine Stimme wurde lauter und es war ganz offensichtlich ein gezielter Vorwurf.

„Trotzdem gibt dir das noch lange nicht einen Freibrief dafür, dich so zu verhalten und ihr Angst zu machen.“

„Das wollte ich nicht.“

Ich drehte eine kleine Ehrenrunde um meinen Wagen und lockerte meine Muskeln. Es war nicht leicht, meine Wut hinunterzuschlucken, obwohl ich mir eingestehen konnte, dass wir heute Nacht beide Fehler begangen hatten. Nur sah ich meine ein.

„Wir haben keinen Menschen gejagt“, sprach ich es eindeutig aus.

„Ich weiß.“

Die Wut schoss augenblicklich wieder hoch.

„Warum dann der ganze Aufstand?“

Er lehnte sich an sein Motorrad, strich sich durch das dunkle Haar. Daraufhin schaute er mich an und schüttelte einfach nur den Kopf.

„Ich habe keine Ahnung“, gestand er. „Die Anwesenheit von Mensch klebte regelrecht an ihr und ich wusste eigentlich sofort, dass es dabei nicht ums Essen ging.“ Die Maschine ächzte unter seinem Gewicht auf. „In dem kurzen Moment konnte ich, neben der Spannung auf mein Auftauchen, noch etwas anderes in ihren Augen erkennen… etwas Neues… etwas, das ihr Freude bereitet hat.“

Er endete mit einem verkniffenen Lächeln im Gesicht. Seine Finger entfernten auf nicht gerade sanfte Art ein Stück Plastik von den Lenkergriffen.

„Wir haben einen Jungen im Wald getroffen.“

Nun war es wohl an mir zu gestehen. Ich wollte mir noch gar nicht ausmalen, wie ich es Edward und den anderen erklären sollte.

„Ich weiß, sie hat es mir gezeigt.“

„Bitte?“

Ich verstand nicht wirklich, leicht schüttelte ich den Kopf.

„In den kurzen Moment, als ich zu Boden ging, habe ich alles gesehen.“

Er warf das Stück Plastik weit in den Wald hinein. Ich schaute ihm hinterher, während mein Kopf auf Hochtouren lief. Was hatte das jetzt wieder zu bedeuten?

Sie hatte ihn nur kurz berührt, und er hatte ihre Erinnerungen gesehen, als er zu Boden ging, als gar kein Kontakt mehr zwischen ihnen bestand! Wie konnte das sein? Eine verzögerte Wahrnehmung?

„Aber es kommt noch besser.“ Sein Lächeln war nicht wirklich ein Lächeln. In seiner ganzen Haltung lag Verwirrung. „Sie hat geschrieen, regelrecht gebrüllt, dass ich dir nicht wehtun sollte, und dass in einem Moment, in dem ich schon fast auf dem Boden lag. Ich habe in ihrem Blick gesehen, dass sie es gerade erst da gedacht hat, zu einem Zeitpunkt ohne körperliche Nähe.“

„Was meinst du damit?“

Ich erwartete nicht wirklich Antwort, ich versuchte nur, meine Verwirrung zu lösen.

„Ihre Fähigkeit verstärkt sich, Bella.“

Meine Beine gaben nach, ich stolperte einen Schritt zurück. Jacob wollte reagieren, doch so schnell das Gefühl der Ohnmacht gekommen war, war es auch schon verschwunden und ich stand wieder fest.

Eine Verstärkung der Fähigkeit!

Jeder von uns würde sich wahrscheinlich glücklich schätzen, wenn dies bei ihm selber der Fall wäre, aber hier… nach diesem Vorfall, nachdem ich mir wieder einmal bewusst gemacht hatte, dass wir nicht genau wussten, was auf Renesmee noch wartete. Was war mit diesem Ort, warum verstärkten sich bei dem einen die Fähigkeiten, während sie an anderer Stelle abnahm?

„Denkst du, sie ist sich dessen bewusst?“

„Nein.“

Ich fing an, mir durch die Haare zu wühlen, an meiner Lippe zu knabbern.

Warum ausgerechnet jetzt?

Edward, ich wollte mit Edward reden, mir bei Carlisle Rat holen, mit jemanden reden, der meine Ängste beiseite schieben konnte. Jacob war in diesem Fall nicht die geeignete Person.

„Was soll ich nur tun?“, sprach ich leise, eher zu mir selbst, und ließ mich mit dem Rücken zum Wagen zu Boden gleiten.

„Was willst du tun?“, erschrak mich Jacobs fester Klang fast schon ein wenig.

Ich zuckte nur mit den Schultern.

„Glaub mir, du kannst gar nichts tun.“

Und das war die Wahrheit, die ich versuchte zu verdrängen.
 

Die Nacht verbrachte ich damit, meinem Kind beim Schlafen zuzuschauen und mich zu fragen, wie ich Edward von den frühsten Ereignissen berichten sollte.

Ich hatte von Jacob erfahren, dass ihn Alice aus dem Schlaf geklingelt hatte, nachdem diese mich nicht auf meinem Handy erreicht hatte; ihr konnte ich also dies zerstörte Telefon, welches nun im Mülleimer weilte, zuschreiben. Die Handykarte hatte inzwischen schon in einem neuen Gerät Platz genommen.

Jacob war in Renesmees Zimmer gestürmt, da er ihre Anwesenheit dort nicht vernommen hatte, war nach unten gerannt und dort verdattert vor der durch Lippenstift verschmierten Tür stehen geblieben. Daraufhin hatte er Alice zu Verstehen gegeben, dass alles in Ordnung sei und sie sich keine Sorgen, bezüglich ihrer gerade nicht wirklich aussagekräftigen Vision, machen musste.

Alice hatte also irgendeine Ahnung erhalten, konnte sich aber keinen Reim darauf machen, da es zu viel mit Renesmee und Jacob in Verbindung stand. Edward hatte sie auf jeden Fall nicht eingeweiht, denn sonst hätte das Telefon keine Ruhe gegeben, bevor er nicht mit uns persönlich gesprochen hätte. Auch wenn mir Edwards Fürsorge so manchmal den letzten Nerv raubte, wünschte ich ihn mir gerade so sehr an meine Seite.
 

~ † ~
 

Der Lippenstift war entfernt, die Kleidung und das Kind gewaschen. Nichts deutete noch groß auf unseren gestrigen Ausflug hin. Eigentlich eine gute Vorarbeit, um ein Geheimnis daraus zu machen, aber mir schwirrten einfach zu viele Dinge im Kopf herum, die ich mit Edward teilen musste.

Es war das erste Mal seit unserem Umzug, dass Renesmee nicht mitten in der Nacht zu Jacob ins Bett gekrabbelt war. Ihr Erscheinungsbild war ein wenig unsicher, als sie am Morgen die Treppe hinunter gewankt kam. Nur einen schüchternen Blick hatte sie Jacob geschenkt, kein freudiges „Guten Morgen“ wie sie es sonst in den Raum warf.

Es hatte einige Minuten gedauert, bis sie das Wort ergriffen hatte und eine gebrochene Entschuldigung über den Küchentisch kriechen ließ. Ich hatte nur kurz von der Pfanne aufgesehen, doch sofort das Verlangen verspürt, sie in den Arm zu nehmen, als ich ihren entmutigten Blick mitbekam. Jacob tat es stattdessen und flüsterte ihr ins Ohr, dass es ihm ebenfalls leid täte, dass er sie nicht erschrecken wollte… Kurz darauf war wenigstens bei Renesmee alles wieder im Lot.
 

Als Edward am frühen Vormittag hinter Carlisle das Haus betrat, schottete ich Renesmees Gedanken erst einmal vor seiner Fähigkeit ab. Sie stürzte in seine Arme und wollte sofort alles erfahren, was er und die anderen erlebt und gesehen hatten. Es war fast so, als hätte sie ihre eigenen Erlebnisse wieder aus ihrem Gedächtnis gestrichen.

Ganze vier Sekunden dauerte es, bis mich Edward stutzig ansah.

Da ich anscheinend nicht so aussah, als würde ich sofort Auskunft geben, suchte er nach Jacob und fand ihn einige Meter von uns entfernt. Natürlich hatte ich ihn ebenfalls unter meinen Schild genommen, woraufhin Edwards Ausdruck noch fragender und nervöser wurde. Die anderen hatten noch nicht gemerkt, dass etwas nicht stimmte.

„Ich erzähl dir alles später, Kleines. Daddy muss kurz mit Mommy reden.“

Er setzte sie ab. Renesmee hielt ihn am Ärmel fest, woraufhin er sich ihr noch einmal zu wand.

„Es war alles meine Schuld, du darfst nicht böse auf Momma sein.“

Und sofort lag der ganze Raum in finsterer Stille und alle schauten zuerst auf das Kind und dann in mein Gesicht. Ich fühlte mich, wie an eine Wand genagelt.

„Werde ich nicht“, versicherte Edward ihr und streichelte ihre Wange leicht, bevor er sich von ihr löste.

Mit fragendem, aber auch ängstlichem Blick trat er auf mich zu. Ich hätte nur zu gerne gewusst, welche Horrorvorstellungen er sich gerade ausmalte. Wahrscheinlich sahen sie nicht viel anders als Jacobs erste Befürchtung aus. Mein Mann nahm mich bei der Hand, entschuldigte uns bei der Familie und ging mit mir die Treppe hinauf.

Er schloss die Tür, als wir in unserem Schlafzimmer angekommen waren und schob mich in Richtung Bett. Wir setzten uns und er blickte mich direkt an. Seine Augen hatten nun wieder dieses weiche Karamell intus. Er fragte sich wahrscheinlich, ob er die neusten Ereignisse wirklich erfahren wollte, wenigstens ließ sein Blick erahnen, dass er gerade nicht große Lust auf neue Probleme hatte.

Ich wollte gerade ansetzten, als seine Finger mir die Lippen verschlossen. Ich hielt inne und er griff nach meiner Hand, drückte sie zärtlich.

„Denk es lieber, das geht schneller.“

Ich senkte meinen Schild und fing bei der mit Lippenstift beschmierten Tür an.

Als ich Renesmee gestattete, mitzukommen, erntete ich einen tadelnden Blick. Die Erinnerung an den Geruch von Menschenblut ließ ihn gebannt stillhalten. Eine Hand, welche eine Waffe barg, brachte seine Lippen zum beben und als sie endlich zu Boden fiel, schloss er seine Augen und verspürte Erleichterung. Beim Gespräch zwischen Ian und Renesmee hörte er aufmerksam zu und erst als alles vorbei war, öffnete er seine Augen wieder.

„Da kommt noch was“, lenkte ich ein, bevor er anfangen konnte, mir zu sagen, wie leichtsinnig mein Verhalten gewesen war.

Ich zeigte ihm die Szene als Jacob auftauchte, mein Gespräch mit Renesmee und die darauf folgende Konversation mit Jacob. Natürlich ließ ich auch meine eigenen Gedanken bezüglich der Umstände nicht aus. Als ich endlich geendet hatte, war Edward für einige Augenblicke sprachlos.

Ehrlich gesagt hätte ich gut nachvollziehen können, wenn er mir nun ein: „Was hast du dir nur dabei gedacht?“ oder „Wie kannst du nur so von unserer Tochter denken?“ an den Kopf geworfen hätte, vielleicht wollte ich dies auch irgendwie, um meine Ängste besser lenken zu können. Aber bevor er mir irgendetwas sagen konnte, passierte etwas ganz anderes.

Die schnellen Schritte, welche leicht Alice zuzuordnen waren, hatten wir beide wahrgenommen; Edward sprang vom Bett auf und empfing die Gedanken schneller als ich die nun ausgesprochenen Worte:

„Er kommt hierher.“

Seine wunderschönen Augen weiteten sich.

„Wer?“, fragte ich schnell.

Nun stand auch ich und ging in Gedanken die Liste unserer Feinde durch. Vor wem mussten wir uns jetzt wieder fürchten, vor wem vielleicht fliehen?

„Ian!“
 

Kapitel 13 - Man trifft sich immer zwei Mal - Ende

Versprochen ist versprochen

Autor: littleblaze

E-Mail: little_blaze_2000@yahoo.de
 

Disclaimer: Alle Rechte an den Bis(s)-Charakteren gehen auf das Konto von Stephenie Meyer und ich selber verdiene keinen einzigen Cent mit der Story.
 

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Kapitel 14 - Versprochen ist Versprochen
 

„Wie meinst du das?“

Alice kam in der Tür zum Stehen. In ihrem Gesicht konnte ich erkennen, dass sie inzwischen ebenfalls über unserem kleinen Ausflug informiert war.

„Was will er?“, wand ich mich ihr zu.

Ich war einige Schritte auf sie zugegangen, wieder stehen geblieben und dann zurück an Edwards Seite gewichen.

„Er will sie sehen, sich vergewissern, dass es ihr gut geht“, antwortete sie mir ohne Zögern.

„Wann ist er hier?“, drang jetzt Edward nach Auskunft und ich drehte mich leicht von beiden weg. Eine Flut an Gedankengängen durchströmte meinen Kopf, doch keiner wollte passen. Ein unbeschreibliches Kribbeln übersäte meine Haut, doch ich beachtete es nicht weiter, da es sich eh nur um eine Einbildung handelte, eine verrückte Art, mir zu demonstrieren, dass ich nervös war.

„In elf, vielleicht auch zwölf Minuten.“

„Lasst uns zu den anderen gehen“, war Edwards schnelle Antwort darauf.

Ich fragte mich, was man in elf Minuten alles tun könnte; Ziemlich viel, durchschoss es mich als Antwort.

Edward wirbelte herum und streckte mir die Hand entgegen, doch ich zögerte. Ich war noch gar nicht mit meinen anderen Problemen weiter gekommen…

Alice bemerkte es ebenfalls. Ihr Blick blieb kurz auf mir ruhen, dann drehte sie dem Zimmer den Rücken zu.

„Ich geh schon mal nach unten“, verschwand sie.

Ich tippelte nervös mit dem Fuß herum, ging einige Schritte. Meinem Kopf gab ich immer noch den Befehl zu denken, zu überlegen, Auswege zu finden, Möglichkeiten aufzuzeigen, aber es kam rein gar nichts. Nichts, weder logisch noch unlogisch, weder verrückt noch einfallsreich…

„Bella?“ Er versperrte mir den Weg. „Was ist los?“

„Das fragst du noch?“

Ich schaute ihn fassungslos an. Verstand er denn gar nichts?

„Er ist nur ein Kind, Bella.“

„Ja, ein Kind mit einer Waffe.“

Aber darum ging es mir gerade nicht einmal, Ian war mein weitaus kleinstes Problem zurzeit.

„Er ist bestimmt nicht gekommen, um einem von uns zu schaden.“

Trotzdem ein Problem, mit welchem man sich auseinandersetzen musste.

„Wie kannst du das so einfach sagen? Schon alleine damit, dass er hierher kommt, könnte er uns in Gefahr bringen.“

Und wer war mal wieder Schuld daran?

Ich!

Es war einfach falsch gewesen, sie mitzunehmen. Ich hätte Jacob wecken und ihn auf Renesmee aufpassen lassen sollen. Sie hätte Ian nicht getroffen, er wäre jetzt nicht auf dem Weg hierher und vielleicht, hätten ihre Kräfte keine neue Form angenommen. Vielleicht war die Wut auf Jacob der Auslöser dafür gewesen, vielleicht fing jetzt alles an, vielleicht veränderte sie sich und ich war schuld daran.

Es fühlte sich eigenartig an, als durch meinen starken Körper das Gefühl drang, alle Kraft zu verlieren. Ich sank hinab, bis ich von zärtlichen Armen aufgehalten und wieder hinaufgezogen wurde; so platziert, dass Edward mir in die Augen sehen konnte.

„Hey…“

Seine Lippen bargen ein Lächeln, doch in seinen Blick schimmerte Sorge.

„Können Vampire eigentlich auch einen Nervenzusammenbruch erleiden?“, flüsterte ich und legte meine Stirn gegen seine Brust. Ich füllte meinen Verstand mit seiner Anwesenheit und versuchte mir erneut vorzustellen, wie sich sein Herzschlag anhören würde.

Edward drückte mich an sich und streichelte sacht über meinen Nacken hinweg.

„Wir werden alles bereden und für jede deiner Sorgen Lösungen finden, das verspreche ich dir. Doch zuerst müssen wir diesen Jungen, der gleich vor unsere Tür steht, wieder loswerden, einverstanden?“

Ich war nur im Stande zu nicken. Der imaginäre Ton in seiner Brust ließ mich ruhiger werden.

„Gut. Möchtest du mit runtergehen?“

Ich nickte abermals.

„Du kannst auch gerne oben bleiben.“

„Nein, ich möchte dabei sein.“

Seine Hände glitten an meinen Armen hinunter, wir hielten einander fest.

„Es tut mir leid. Ich hätte mehr für dich da sein sollen.“

Ich wollte ihm widersprechen, ihm sagen, dass er auch nichts an den Umständen hätte ändern können, doch ich war gerade nur einfach so froh darüber, dass er mich nicht für verrückt hielt, weshalb ich mich noch stärker gegen seine Brust presste und die Hilflosigkeit mir das Verlangen aufdrückte zu weinen.
 

Kurz darauf standen wir vollzählig am Fuße der Treppe. Es blieben uns noch gute zwei Minuten, bis der Junge an unsere Haustür klopfen würde. Meine Tochter hatte meine Hand ergriffen und stand nah bei mir. Renesmee spürte die Aufregung, auch wenn alle versuchten, sie so gut es ging beiseite zu schieben.

„Wir könnten einfach sagen, dass sie nicht da ist“, schlug Esme vor.

„Das würde ihn nur wiederkommen lassen“, konterte Jasper.

„Wie hat er sie eigentlich gefunden?“

Es war das erste Mal, dass sich Jacob an dem Gespräch beteiligte. Seine Stimme klang barsch und brachte das Mädchen an meiner Seite dazu, den Kopf zu senken.

„Spielt das irgendeine Rolle? Er ist hier!“

Edward Worte ließen alle Köpfe zur Tür gehen, die Ohren gespitzt; die Reifen eines Fahrrads bogen von der Straße auf das Gründstück ein.

„Jasper und Alice gehen mit Renesmee nach oben“, befahl Carlisle. „Esme und Bella, geht ins Esszimmer, macht irgendwas… deckt den Tisch. Jacob und Edward, setzt euch vor den Fernseher, und ich werde unseren Gast willkommen heißen.“

Wir ließen keine Zeit verstreichen. Ich flitzte mit Esme in die Küche, sammelte Besteck und Geschirr ein; meine Sinne zeigten mir, dass es nur noch wenige Meter bis zum Haus waren, sein Herzschlag wurde lauter. Wir waren zurück im Esszimmer; ich hörte das Fahrrad, das achtlos zu Boden glitt. Die ersten Teller stellte ich auf den Tisch, als es an der Tür klopfte.

„Benehmt euch ganz natürlich“, durchströmte es leise die Luft.

Ich hielt in meiner Bewegung inne, als Carlisle die Tür öffnete und den Besucher, dessen Puls vom Fahrradfahren raste, herzlich anlächelte. Was er sah, konnte ich mir aus meinem Gedächtnis hervorrufen; blonde Haare und grüne Augen, in einem recht niedlichen Gesicht. Den Typ von Jungen, den man sich als Mutter wahrscheinlich für sein kleines Mädchen wünscht.

Mein Blick schweifte zum gegenüberliegenden Zimmer, zu Jacob hinüber. Ich erblickte einen dunklen, wüst aussehenden Mann Mitte zwanzig, eine Person, bei der jede Mutter dem Herzinfarkt nahe wäre… doch würde er sein Leben für Renesmee geben; sie niemals verlassen, betrügen oder verletzen. Er würde immer da sein, immer… auch wenn der Grund vielleicht nur eine idiotische Prägung war.

Jacob und Edward starrten gespannt auf den Fernseher, als würde sie die Dokumentation über geschmuggelte Hundewelpen wirklich interessieren, jedoch waren sie in etwas ganz anderes vertieft; ich konnte die leichten Bewegungen auf Edwards Lippen zu deutlich erkennen. Und natürlich hätte ich mir unter anderen Umständen ziemliche Mühe gegeben, zu erfahren, um was es in ihrer Unterhaltung ging, doch legte ich gerade mein ganzes Interesse an die Vordertür unseres Hauses.

„Entschuldigen Sie die Störung, Sir. Mein Name ist Ian Ferbengs und ich bin auf der Suche nach einer gewissen Renesmee Carlie Cullen.“

Seine Stimme war weich und freundlich, ein weiteres positives Merkmal an ihm.

„Da bist du hier genau richtig. Renesmee ist die Nichte meiner Frau“, erklärte ihm Carlisle.

Esme ging geschwind an mir vorbei und gesellte sich zu ihrem Mann.

„Wenn haben wir denn da?“, schaute sie fragend um die Tür.

„Das ist Ian Ferbengs, Liebste. Er möchte gerne zu Renesmee.“

„Oh.“ Ihr Blick blieb gespielt fragend. „Woher kennst du denn meine Nichte?“

„Das ist eine lange Geschichte, Ma’am“, antwortete Ian prompt. „Ist sie denn zu Hause? Könnte ich sie kurz sprechen?“

„Aber natürlich.“ Carlisle vergrößerte die Öffnung. „Komm doch bitte rein.“

Ich zuckte zusammen und ging weiter meiner Scheintätigkeit nach, veränderte ein wenig meine Position, damit ich den Flur besser in Sichtweise hatte.

„Wenn es keine Umstände macht?“

„Aber nicht doch…“ Mit einer kleinen Geste bat er ihn hinein, schloss die Tür nachdem er eingetreten war. „Edward!“

Dieser tat gelangweilt als er sich von der Couch erhob und in den Flur trat. Sein Blick blieb nur kurz auf dem Neuankömmling liegen, zeigte null Interesse an ihm.

„Könntest du bitte Renesmee hinunterholen? Sag ihr bitte, dass sie Besuch hat.“

Mit einem kleinen Nicken machte sich Edward an, die Treppe zu erklimmen.

„Möchtest du etwas trinken? Kann ich dir deine Jacke abnehmen?“

Esme spielte ihre Rolle nicht weniger überzeugend als die anderen.

„Nein danke, Ma’am.“ Ian zog sich die Handschuhe von den Fingern und verstaute sie in den Jackentaschen. „Sie haben wirklich ein schönes Haus.“

Er schaute interessiert umher bis er mich im Esszimmer wahrnahm, er lächelte mir zu.

„Danke, es ist schon seit einem knappen Jahrhundert in Familienbesitz. Dies ist meine Tochter Bella.“

Carlisle deutete in meine Richtung und ich setzte einen freundlichen Gesichtsausdruck auf, bevor ich mich wieder ganz meinem Tun zuwandte.

Ich horchte hinauf und hörte die Schritte, lange bevor ich die Bewegung dazu sah. Als Renesmee endlich um die Ecke bog, die Treppe hinab stieg, betete ich dafür, dass sich Alice auch ein wenig um ihr Verhalten bemüht hatte und nicht nur um ihre Garderobe. Doch gerade erst den Gedanken zu ende gedacht, setzte Renesmee einen verblüfften, dennoch erfreuten Gesichtsausdruck auf. Ihre Bewegungen waren graziöser, als es sonst der Fall war.

„Was tust du denn hier?“, sprach sie überrascht aus, als Ian sie auf der Treppe bemerkte.

Er wartete, bis sie ihm gegenüberstand. Daraufhin beugte er sich ein wenig zu ihr vor und sprach leise: „Ich wollte nur sehen, ob es dir gut geht.“

„Natürlich geht es das. Gibt es einen Grund, daran zu zweifeln?“

„Ähm…“

Ian blickte sich zu Carlisle um und dieser verstand sofort; die Kinder hatten ihre Geheimnisse und wollten alleine sein. Er lächelte und schob Esme aus dem Flur hinaus. Es würde auch keinen großen Unterschied machen, wo sich jemand von uns im Haus befinden würden, hören konnten wir eh jedes Wort.

Renesmee blickte Ian direkt ins Gesicht, während sie auf die Antwort wartete.

„Es ist eigentlich nicht meine Art, ein hilfloses Mädchen mitten in der Nacht durch den Wald marschieren zu lassen. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, ob dir auch nichts passiert ist.“

Sie lächelte. Jacobs Blick zeigte jetzt in die Richtung der Beiden.

„Nein, mir ist nichts passiert. Schön, dass du dir Sorgen gemacht hast.“

„Schön?“

Ians Ausdruck blieb nur kurz fragend, er konnte wohl nicht anders, als das Lächeln, welches ihm die ganze Zeit über zugeworfen wurde, nun endlich zu erwidern. Wahrscheinlich passte Renesmees Antwort auch irgendwie super in das Bild, das er von ihr hatte; naiv und ein klein wenig verrückt. Immerhin hatte er sie gestern Nacht genau so erlebt.

„Meine Mutter hat mir gesagt, dass man sich nur um jemanden sorgt, den man auch gerne hat.“

Er stockte kurz, antwortete dann aber mit fester Stimme:

„Im Grunde kann ich deiner Mutter da nur Recht geben.“

„Ich hatte nicht damit gerechnet, dich wiederzusehen.“

Sie ging einen Schritt auf ihn zu, beugte sich vor und küsste ihn ohne Vorbehalt auf die Wange. Er schwang einige Zentimeter zurück, sein Herzschlag, der wieder ruhiger geworden war, schoss hinauf.

Ob es das leise Knurren von oben oder das fluchtartige Verschwinden von Jacob war, welches Renesmee wieder von Ian ablassen ließ, konnte ich nicht sagen. Vielleicht war es auch keines von beiden und sie hatte von vornherein vorgehabt, Ian nur einen sehr kurzen Kuss zu schenken, jedenfalls hatte dieser weder das Knurren noch Jacobs Abgang bemerkt.

„Wie hast du mich eigentlich gefunden?“, fragte Renesmee nun, ohne dem armen Jungen eine kleine Auszeit zu gönnen.

Er war von dem Kuss nicht weniger überrascht, als jeder andere in diesem Haus. Persönlich fragte ich mich, ob diese kleine Geste nun das Tor zur Hölle geöffnet hatte; was für Diskussionen würden auf mich warten, wenn der Junge das Grundstück wieder verlassen hatte? Warum hatte sie das bloß getan? Ich wollte mir gar nicht erst vorstellen, wie sich Jacob jetzt fühlen musste.

Ian blickte sich um, sein leicht gerötetes Gesicht blieb an meinem Blick hängen, als hätte ich gerade meine Gedanken laut ausgesprochen. Carlisle und Esme wurden von einer Wand verborgen, für ihn waren ihre überraschten Gesichter unsichtbar. Schnell blickte ich hinab auf den Tisch und stellte ein weiteres Glas an einen Platz, an dem es nicht gebraucht werden würde.

„Ich habe dir doch erzählt, dass mein Vater ein Mounty ist. Es war also nicht gerade schwer, eine erst kürzlich hierher gezogene Familie mit dem Namen Cullen zu finden“, gab er Aufklärung und kurz bevor die Unterhaltung in diese unangenehme Stille zu gehen drohte, fügte er hinzu: „Sag mal, musst du beim Essen dabei sein?“

Eine kleine Handbewegung legte sich in Richtung des Esszimmers.

„Was?“

„Ich scheine zu einem schlechten Zeitpunkt gekommen zu sein.“

„Schlechter Zeitpunkt?“

Renesmees Gesicht nahm deutliche Spuren von Irritation an, sie verstand wahrscheinlich nicht, worauf Ian hinaus wollte. Ich fragte mich, wann der beste Moment wäre einzugreifen.

„Wenn du darfst, könnten wir ins Kino oder so gehen?“

„Ins Kino?“

Jacob knurrte geräuschvoll, aber für Ians Ohren immer noch zu leise, in Carlisles Arbeitszimmer auf.

„Du weißt doch, was ein Kino ist, oder?“

Er grinste sie an, trotzdem lag ein Fünkchen Zweifel in ihm.

„Natürlich weiß ich das. Ich würde sehr gerne mit dir gehen.“

Sie preschte erneut nach vorn und griff nach seiner Hand. Eine neue Welle rötlicher Farbe zeichnete seine Wangen.

„Schön“, lächelte er. „Und wen muss ich dafür töten?“

Blitzschnell ließ sie von ihm ab, Renesmees erschrockener Blick glitt zur gleichen Zeit auf mich zu, in der sich Carlisle auf den Weg machte einzuschreiten. Sie hatte diese kleine Aussage völlig falsch aufgenommen, nicht als den kleinen Wortwitz angesehen, der er eigentlich war. Sah sie Ian vielleicht nun als Bedrohung an? Ich wollte mir gar nicht erst vorstellen, wie sie auf eine solche reagieren würde.

Ian war von Carlisles erneuter Anwesenheit abgelenkt und ließ ihn die Angst in Renesmees Augen nicht erkennen.

„Sollen wir dir nicht doch die Jacke abnehmen?“, tat Carlisle unwissend.

„Nein Sir, das ist wirklich nicht nötig. Wir hatten uns gerade gefragt, wen wir um Erlaubnis für einen gemeinsamen Kinobesuch fragen müssten?“

„Oh!“ Carlisle stellte sich ein wenig zwischen die beiden. Er berührte Renesmee sanft an der Schulter und flüsterte ihr etwas zu; wahrscheinlich, dass die Sache mit dem Töten nicht wirklich ernst gemeint war und dass sie sich keine Sorgen machen müsste.

„Du möchtest gerne ins Kino gehen?“

Carlisle trat wieder einen kleinen Schritt zurück und Renesmee nickte zaghaft.

„Na ja, ich weiß nicht so-“

„Ich werde gut auf sie aufpassen, Sir“, unterbrach ihn Ian.

„Da mach ich mir keine Sorgen“, versicherte Carlisle. „Aber wie wollt ihr hinkommen? Du bist doch mit dem Fahrrad gekommen und Renesmee hat leider kein Rad. Ein Bus fährt hier auch nicht und bei knappen null Grad würde ich nicht gerne wollen, dass ihr einen so langen Fußmarsch auf euch nehmt.“

Ich sah in Ians Gesicht die Feststellung, dass Carlisle recht hatte und in Renesmees die Enttäuschung darüber. Ihre Augen schrieen ihrem Grandpa die Wahrheit entgegen; dass sie die ganze Strecke ohne weiteres bewältigen würde, dass er genau wüsste, dass ihr die Kälte nichts ausmachen würde, aber aussprechen tat sie es nicht. Weil sie es erstens nicht dürfte und zweitens ganz genau wusste, dass es nicht wirklich darum ging.

Die Enttäuschung in meinem Kind warf mich an den ersten Tag in Prince Rupert zurück:

„Ich will auch frei sein. Ich will richtig leben und all die Dinge sehen, die ich nur aus dem Fernsehen oder aus Büchern kenne. Ich möchte Freunde haben, mich mit ihnen verabreden, in die Schule dürfen und… mich verlieben können.“

„Du wirst so viele Erfahrungen machen, dass es für mehrere Leben reicht, dafür werde ich sorgen.“

„Versprochen?“

„Versprochen.“

Ich hatte es versprochen!

Egal was alle anderen davon halten mochten… ich hatte es versprochen…

Das Besteck nahm ich erst gar nicht auf, um es an die einzelnen Plätze zu verteilen, sondern trat unter Esmes fragenden Blick ebenfalls in den Flur und betete dafür, dass mir meine Stimme nicht den Dienst verweigern würde.

„Wollten Alice und Jasper nicht noch in die Stadt fahren?“

Carlisle drehte sich zu mir um. Die Worte hatten sich gar nicht angehört, als wären sie von mir gekommen, beinahe hätte ich mich umgedreht, um zu schauen, wer da eigentlich gesprochen hatte. Renesmee war über meine Aussage wohl noch verwunderter als es Carlisle war.

Die Worte von oben konnte ich nicht wirklich heraushören, doch ich spürte genau, dass mein Vorgehen keine große Zustimmung im gessamten Haus fand.

„Sie könnten die beiden doch mitnehmen“, schlug ich vor und ich wusste, dass ich dafür in der Hölle schmoren würde. Jedoch, als ich den liebevollen Blick meiner Tochter sah, war die Angst vor jeglicher Konsequenz fürs Erste verschwunden.

„Hatten sie nicht vor, erst morgen zu fahren?“, versuchte Carlisle das Ruder noch einmal rum zu reißen. Sein Blick war intensiv.

„Ich denke nicht“, blieb ich bei meiner Entscheidung.

Natürlich wusste ich, dass sich Carlisle nur Sorgen machte, sie und uns alle beschützen wollte und eigentlich war es so gar nicht meine Art, mich ihm entgegen zu stellen, aber nun war eine Gelegenheit für Renesmee gekommen und irgendwann mussten wir schließlich anfangen, ihr Freiheit zu schenken. Dessen ungeachtet wollte ich nicht erfahren, was es für sie bedeuten würde, ein erneutes Verbot zu erhalten.

Carlisle wand sich wieder meiner Tochter zu.

„Warum gehst du nicht rauf und fragst Alice, ob sie heute noch in die Stadt fährt.“ Es sollte übersetz soviel heißen wie: „Frag doch bitte deinen Vater, was er davon hält.“

„Ich gehe mit dir fragen“, trug ich schnell bei und ging an Carlisle und Ian vorbei, betrat zusammen mit Renesmee die Treppe.

Oben erwartete mich kein Applaus für meine Entscheidung, aber darauf hatte ich mich die wenigen Momente, die ich für das Besteigen der Stufen gebraucht hatte, vorbereitet.

„Warum hast du das getan?“, zog mich Edward in Renesmees Zimmer und versuchte krampfhaft, seine Stimme im Zaun zu halten.

„Also ich habe nichts gegen einen kleinen Stadtbummel“, versuchte Alice mir zu Hilfe zu kommen, doch sie erntete nur einen beißenden Laut, der sie zum Schweigen brachte.

Jasper hielt sich gespannt im Hintergrund, Jacob war nicht hier; irgendwie hatte ich damit gerechnet, dass er durch das Fenster kommen würde und ich alle Hände voll damit zu tun bekäme, ihn mir von der Gurgel zu halten.

„Warum nicht, Edward? Warum soll sie nicht mit ihm ins Kino gehen, ein wenig Spaß haben?“

„Weil es einfach zu gefährlich ist.“

Das Wort gefährlich glich mehr einem fauchenden Laut.

„Für wen? Für die Familie? War es für sie nicht auch gefährlich, als du mich in alles eingeweiht hast?“

Sein Mund öffnete sich, aber er blieb stumm. Ich nutzte diese wenigen Millisekunden.

„Was ist schon so schlimm daran? Es ist nur ein Kinobesuch. Alice und Jasper werden sich bedeckt in der Nähe aufhalten, Renesmee weiß ganz genau, was sie nicht tun darf, er denkt, dass sie nur für zwei Wochen zu Besuch ist und außerdem ist der Vater dieses Jungen da unten…“ Ich deutete mit meinem Finger durch den Boden hindurch. „… ein Polizist. Denkst du wirklich, dass es da von Vorteil wäre, wenn wir uns irgendwie komisch verhalten würden?

Oder hast du etwa irgendetwas Negatives in seinen Gedanken gelesen?“

Eigentlich wollte ich mich auch noch an Alice wenden und sie fragen, ob sie etwas in Bezug auf Ian sehen konnte. Ihre Antwort wäre bestimmt vom Vorteil für mich gewesen, doch wollte ich sie, aufgrund ihres eigenen Problems nicht mit hineinziehen.

Das Schweigen hielt weitere Millisekunden an, dann äußerte sich Jasper.

„Oder hast du etwa irgendetwas Negatives in seinen Gedanken gelesen?“

„Sie hat Recht“, kam es von der Wand her. „Wenn wir es heute verbieten, wird er morgen wieder kommen. Verbieten wir es morgen, kommt er an einem anderen Tag und irgendwann, wird es dann komisch und er wird seine Beobachtungen vielleicht beim nächsten Abendessen mit der Familie seinem Vater gegenüber äußern.“

„Hör auf“, wurde nun auch Jasper Empfänger von Edwards Stimmung.

Edward ging sich genervt durchs Haar, ich vermutete, dass er gewaltsam versuchte, ein Gegenargument zu finden. „Warum tust du mir das an?“, zeigte sein Blick, „Wir sagen einfach, dass sie doch schon morgen wieder nach Hause fährt“, sprach er aus.

„Zu auffällig“, ließ sich Jasper in seinem Denken nicht aufhalten.

„Sie ist krank“, versuchte es Edward erneut.

„Zwar eine Möglichkeit zu erklären, warum das Kind halbnackt und mitten in der Nacht durch den Wald marschiert, wenn man jetzt mal von einer geistigen Krankheit ausgeht, aber doch keine Garantie dafür, dass er seine Bedenken nicht seinem Vater gegenüber äußert.“

„Du willst mir also tatsächlich sagen, dass es das Beste ist, sie so einfach mit ihm gehen zu lassen?“

Edwards Stimme erhob sich kurz, er zügelte sich selber schnell. Als Antwort brauchte er nur kurz in Jaspers Gedanken vorzudringen.

Es wurde wieder still, während mein Mann uns alle der Reihe nach mit einem schon beinahe verärgerten Ausdruck beschenkte.

„Es tut mir leid, Daddy“, tauchte leises Flüstern herauf.

Renesmee trat aus meiner Deckung hervor. Ich hatte total vergessen, dass sie ebenfalls im Raum war.

„Ich werde bleiben, wenn du es möchtest.“ Hätte sie ihre geduckte Stellung beibehalten, wäre Edward wohl ohne Umschweife auf ihr Angebot eingegangen. Jedoch schwang mit ihren Worten ihr Kopf in die Höhe und für jeden von uns waren die Spuren von Nässe in ihren Augen sichtbar. „Aber bitte streitet nicht mehr wegen mir!“

Ohne Zögern verspürte ich das Verlangen, sie an mich zu drücken, doch den durchdringenden Blickkontakt, welchen sie mit ihrem Vater hielt, traute ich nicht zu durchbrechen. Auch er tat es nicht, als er in Windeseile zu ihr kam und seine starken Hände auf ihre schmächtigen Schultern legte.

„Wir streiten doch gar nicht, Kleines.“

„Natürlich tut ihr das.“

Die ersten Tränen liefen auf die warmen Wangen und in Edward brach jegliche Mauer.

„Möchtest du es denn wirklich so sehr?“

Sie nickte und wischte sich mit dem Ärmel ihrer Bluse die Tränen aus dem Gesicht.

„Obwohl du weißt, dass es gefährlich werden könnte, wenn dir ein Fehler unterläuft?“

„Das wird nicht passieren.“

Sie sah ihn fest an.

„Das kannst du nicht wissen.“

„Ich weiß es!“

Zuerst sah es so aus, als würde er ein Lächeln über seine Lippen schicken wollen, als würde er ihre Aussage nur als einen Versuch ansehen, ihn zu beruhigen, aber er hielt es zurück und schaute sie jetzt wissbegierig an.

„Woher weißt du das?“

Ich zuckte zusammen bei seiner Frage, wechselte einen hektischen Kontakt mit Alice und Jasper; sie hatten es ebenfalls gespürt. Hatte Edward etwas in ihren Gedanken gesehen?

„Ich weiß nicht“, zuckte sie mit den Schultern. „Ich weiß es einfach. Glaubst du mir etwa nicht?“

Edward schaute zu mir auf; er schien verwirrt.

„Natürlich glauben wir dir, Schatz“, mischte ich mich jetzt in ihr Gespräch ein. „Wir sind nur alle ein wenig besorgt wegen Ian.“

„Das verstehe ich ja auch, Momma, aber ihr braucht euch wirklich keine Sorgen zu machen. Also… darf ich mit ihm ins Kino gehen?“

Edwards Blick, der sich indes auch wieder auf Renesmee fixiert hatte, kam zurück zu mir. Ich nickte ihm leicht zu, woraufhin er sich schweren Herzens mit einem Nicken an seine Tochter wand.

„Danke, Daddy!“

Renesmee schmiegte sich an das Gesicht ihres Vaters und küsste ihn auf die Wange. Das Lächeln auf ihrem Gesicht hätte man mit keinem Geld der Welt kaufen können.

„Dann werde ich mich mal schnell umziehen“, gab Alice preis und verließ, gefolgt von Jasper, den Raum.

„Ich muss mich auch umziehen, meine Bluse ist ganz nass.“

Renesmee hatte sich von Edward abgewandt und strebte ihren Kleiderschrank an. Edwards Sorge war immer noch gut erkennbar.

„Ich werde ihr helfen. Sagst du Ian bescheid, dass sich Renesmee eben noch umzieht?“

„Mach ich.“ Er trat an meine Seite. „Wir müssen reden.“

Ich nickte.

„Ja, dafür haben wir aber gleich noch genügend Zeit“, vermittelte ich ihm in Gedanken.

Edward verließ den Raum und ich gesellte mich zu meiner Tochter, setzte mich auf ihr Bett und schaute ihr zu, wie sie ein Oberteil nach dem anderen aus dem Schrank fischte und es sich vor dem Körper hielt. Als es sich nur noch zwischen zwei zu entscheiden galt, beugte ich mich ein wenig zu ihr hinüber; ich wollte nicht, dass uns das ganze Haus zuhörte.

„Renesmee, Schatz?“

„Mmhh?“

Sie schien sich endlich für ein Teil entschieden zu haben. Ich stand auf und half ihr aus der Bluse heraus.

„Warum hast du Ian geküsst?“

Ich legte meine Hände auf ihre Oberarme, verhinderte somit, dass sie das saubere Oberteil nehmen und anziehen konnte.

„Ich wollte ihm nur zeigen, wie sehr ich mich freue und dass ich ihn mag… war das falsch?“

„Nein“, schüttelte ich leicht den Kopf und wies sie an, sich mit mir auf ihr Bett zu setzen. „Aber manchmal ist es vielleicht besser, erst einmal auf andere Weise mitzuteilen, dass man jemanden mag. Die Menschen deuten oft Dinge ein wenig anders.“

„Also war es doch nicht richtig?“

„Es ist… nicht gerade einfach zu erklären.“ Ich suchte in meinen Kopf nach einem Vergleich. „Stell dir einfach vor, du hättest einen Maßstab. Ganz oben stehen die Personen, welche du am meisten liebst und je weiter du den Maßstab hinunter gehst, umso weniger liebst du die Personen in deiner Umgebung. Versuch es mal.“

„Du willst wissen, wen ich am allermeisten liebe?“

„Ja! Wer steht ganz, ganz oben auf deinem Maßstab?“

„Du… und Daddy und Rosalie und Jacob und Opa und Oma und-“

„Also die Familie?“, unterbrach ich sie.

„Ja.“

„Und…“ Ich pickte jemanden heraus, den sie zwar mochte, der aber nicht mit der direkten Familie gleichzusetzen war. „… wo stehen Seth, Sam und Leah auf deinem Maßstab?“

Sie überlegte kurz und setzte Seth, auf dem imaginären Maßstab, ziemlich weit oben unter der Familie an. Leah bekam einen Platz zirka zwei Fingerbreit von Seth entfernt und Sam hatte auf den Weg hinunter noch einige Zentimeter verloren.

„Nahuel! Wo würdest du ihn hinsetzen?“

Er bekam einen Platz zwischen Sam und Leah.

„Du magst also manche Personen mehr als andere?“

„Ja.“

„Und wo würdest du jetzt Ian hinsetzen?“

Ohne groß zu zögern, setzte sie ihn unter Sam.

„Ich mag ihn auch, aber mit den anderen habe ich schon viel mehr erlebt“, schien sie ihre Wahl rechtfertigen zu wollen.

„Das ist in Ordnung so“, beteuerte ich ihr. Jede Person kann auf deinem Maßstab jederzeit hoch oder runter gehen.“ Diese Antwort schien ihr zu gefallen. „Ein Kuss…“, fuhr ich fort. „… ist nun aber ein ziemlich intensives Zeichen, um zu zeigen, dass man jemanden mag. So ein intensives Zeichen, solltest du deswegen nur für die Personen deines Maßstabes vergeben, welche du am meisten magst. Denn wenn du es an die unteren Personen, zum Beispiel Ian, vergibst, könnte dein Maßstab falsch aufgenommen werden. Du könntest jemanden damit verletzten, indem du ihn denken lässt, du magst ihn mehr, als es vielleicht der Fall ist.“

Langsam kam ich mir irgendwie blöd vor in meiner Ausführung, doch Renesmee nickte fleißig, was mich annehmen ließ, dass sie es in den Grundwerten verstanden hatte.

„Weißt du-“

Ich unterbrach mich selber, als ich Alice näher kommen hörte.

„Seit ihr immer noch nicht fertig?“, lugte sie um den Türrahmen.

„Noch eine Minute, Alice.“

Ich reichte Renesmee ihr Oberteil, damit sie sich wenigstens schon einmal fertig anziehen konnte. Einige Sekunden wartete ich noch, erst als ich Alice mit Ian reden hörte, fuhr ich fort.

„Weißt du… du wirst erwachsen und das eigentlich viel zu schnell. Du solltest viel mehr Zeit dafür haben, viel mehr Möglichkeiten solche einfachen Dinge selber heraus zu finden, doch bei dir ist alles anders. Du musst jetzt schon über Sachen bescheid wissen, die ein fast fünfjähriges Mädchen eigentlich noch gar nicht wissen muss…

Und ich bitte dich deswegen nur, ein wenig vorsichtiger zu sein. Wenn du nicht mehr weiter kommst, egal in welcher Situation, dann komm zuerst zu mir, oder deinem Vater… zu Jacob oder irgendjemand anderen aus der Familie. Versprichst du mir das?“

„Ja! Ja, das tue ich. Ich verspreche es.“

Sie war den Tränen nahe. Hatte meine Stimme etwa so verzweifelt geklungen?

„Und was auch passiert… solange dein Leben nicht davon abhängt, darfst du niemanden zeigen, wie stark oder schnell du wirklich bist. Niemand darf wissen, was du alles kannst und wer du wirklich bist.“

„Das weiß ich doch, Momma.“

Ich versuchte zu lächeln, besonders, als ihr Blick unruhig wurde. Ich hätte sie gerne noch gefragt, ob sie es wirklich wusste, dass es mit Ian keine Probleme geben würde, aber ich wollte sie nicht noch länger aufhalten, nicht Edward die Möglichkeit geben, sich anders zu entscheiden.

„Und jetzt… viel Spaß, mein Kind.“ Ich zog sie zu mir und küsste sie auf die Stirn. „Habe einen schönen Tag.“

Ich ließ sie los und nickte ihr noch einmal zu.

Sie rannte aus den Raum und ich ging ihr nicht hinterher.

Ich hörte nur von oben zu, wie der letzte Smalltalk zwischen Ian und der Familie von statten ging und er zusammen mit Alice, Jasper und Renesmee das Haus verließ. Es war die richtige Entscheidung gewesen; immerhin hatte ich es versprochen.
 

Kapitel 14 - Versprochen ist Versprochen - Ende

Normalität

Autor: littleblaze

E-Mail: little_blaze_2000@yahoo.de
 

Disclaimer: Alle Rechte an den Bis(s)-Charakteren gehen auf das Konto von Stephenie Meyer und ich selber verdiene keinen einzigen Cent mit der Story.
 

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Kapitel 15 - Normalität
 

Warum aber fühlte es sich dann nicht auch richtig an?

Ich ging aus dem Zimmer und die Treppe hinunter. Sie warteten und mich machte der Umstand, dass Alice und Jasper nicht zu meiner Unterstützung anwesend waren, ein wenig nervös.

Edward, Jacob und auch Carlisle würden sich zweifelsfrei dafür aussprechen, dass es kein gelungener Schachzug von mir gewesen war, Renesmee mit ihm gehen zu lassen, und wie Esme darüber dachte, konnte ich mir nicht genau denken. Also stellte ich mich darauf ein, drei Vampiren und einem Werwolf ohne jegliche Hilfe gegenüber stehen zu müssen, als ich die letzten Schritte zum Wohnzimmer nahm.

Sie schauten mich an, als ich es betrat.

Sollte ich zuerst etwas sagen, oder einfach warten, bis es einer von ihnen tat? Lange würde es eh nicht dauern. Doch was wollten sie hören? Eine Entschuldigung für meine Entscheidung? Die konnte ich ihnen nicht bieten. Denn auch, wenn es sich nicht gerade richtig anfühlte, sagte mir mein Verstand, dass es genau das war.

Esme lächelte zaghaft und Carlisles Kopf barg ein leichtes Schütteln. Edwards Blick ersparte ich mir.

Ich trat weiter in den Raum hinein und ging auf Carlisle zu.

„Es tut mir leid, dass ich dich… übergangen…“ War dies das richtige Wort dafür? „… habe. Ich musste einfach tun, was ich dachte, was für meine Tochter am Besten sei.“

„Und das, glaubst du, hast du mit deiner Aktion getan?“

Ich wand mich der erhitzten Stimme zu; Jacob war schnell auf mich zugeschossen und Edward hatte nicht einmal gezuckt, um mich irgendwie zu unterstützen.

„Ja!“, hielt ich mich davon ab, auch nur einen Millimeter zu weichen.

„Mit dieser Meinung stehst du aber ganz schön alleine da“, fauchte er mir ins Gesicht.

„Jacob, ich kann verstehen, dass du-“

„Nichts verstehst du, gar nichts!“, unterbrach er mich.

„Vergiss nicht“, beugte ich mich ihm ein wenig entgegen. „Ich kenne deine Eifersüchteleien schon.“

„Tzz!“

Er drehte sich weg, als wüsste er gerade nicht, was er darauf antworten sollte.

Was bildete er sich eigentlich ein? Über meine Tochter bestimmen zu können?

„Du wirst schon nicht tot umfallen, nur weil sie mit einem anderen ins Kino geht.“

„Bella…“ Esmes sanfte Stimme ließ mich sofort wieder runterkommen, bevor ich mir selber die Gelegenheit gab, überhaupt richtig hinaufzusteigen. „Du weißt genau, dass dies für uns nicht der ausschlaggebende Punkt ist.“

Sie war nicht böse auf mich, das zeigte mir ihr Blick, aber sie war besorgt, genau wie alle anderen im Raum.

„Natürlich weiß ich das, aber wir können sie doch nicht ihre ganze Kindheit lang einsperren, nur mit der Angst im Nacken, dass irgendetwas passieren könnte. Wir haben ihr schon so viel verweigert, es muss doch auch mal eine Ausnahme geben.“ Ich drehte mich so schnell zu Edward, dass ich für den Bruchteil einer Sekunde das Gefühl hatte, die Farben der Möbel würden sich mit denen der Wände verbinden; ein weicher Mokkaton. „Oder bin ich da wirklich ganz allein mit dieser Meinung?“

Ich denke nicht, dass mein Ausdruck bittend oder Hilfe suchend war. Viel mehr verspürte ich ein wenig Wut, besonders auf meinen Mann, der doch eigentlich meiner Meinung sein sollte.

„Niemand hier will dir etwas Böses, Bella.“

„Das weiß ich, Carlisle.“ Ich wand mich wieder ihm zu. „Und ich verlange auch gewiss keinen Orden für meine Tat, aber als Renesmees Mutter habe ich ja wohl die allgemeine Erlaubnis, für meine Tochter etwas zu entscheiden, oder etwa nicht?“

Mittlerweile fühlte ich mich wie in einem Käfig, umzingelt von Raubtieren, wobei der Gedanke auch nicht einmal so abwegig war; wobei Esme mir mit Blicken signalisierte, dass es okay war, Carlisle wahrscheinlich immer noch mit seiner eigentlichen Meinung hinter dem Berg hielt und Jacob so aussah, als würde er mich gleich fressen wollen. Nur bei Edward konnte ich nicht wirklich sagen, was er dachte; ihm lagen wohl weiterhin die Worte seiner Tochter auf dem Herzen. Gut so, wenigstens würde sein Vorwurf damit nicht ganz so laut widerhallen.

„Wir hätten vorher darüber reden sollen“, schaltete er sich endlich ins Gespräch mit ein.

„Ich dachte, das hätten wir.“

„Bella, du weißt doch genau, dass es nicht gerade fair dabei zuging.“

„Fair? Was meinst du damit? Das Renesmee ausgesprochen hat, wie sie fühlt und denkt?“

Edward blieben die nächsten Worte im Halse stecken und Carlisle trat beruhigend hinter mich.

„Wir sind nicht hier, um gegen dich zu sprechen, Bella. Und wir können auch verstehen, warum du so entschieden hast, aber es ist und bleibt nun einmal ein Umstand, der alle betrifft, und du kannst nicht einfach über uns hinweg entscheiden und uns somit in Gefahr bringen.“ Seine Augen zierten Strenge und eine Spur Verständnis zugleich. „Wenn nun etwas passiert, was dann?“, fragte er hart. „Willst du wirklich dafür ver-“

„Carlisle!“ Die Schwingungen, die den Ausruf trugen, waren nicht viel schneller bei uns, wie es Edward selber war. Beschützend legte sich sein Arm um meine Schulter. „Ich denke, sie hat es verstanden.“

Natürlich hatte ich das, aber die möglichen Folgen meines Handels waren mir auch schon zuvor bewusst gewesen… Es war trotzdem kein Grund, einem Kind all die Freude am Leben zu nehmen. Wenn es um die bloße Gefahrenabwendung gehen würde, dürfte schließlich keiner von uns jemals wieder das Haus verlassen.

„Das denkst aber auch nur du.“

Jacobs Worte waren in hartem Ton verfasst, sein Blick war ebenso unnachgiebig.

Er verließ den Raum, indem er aus dem Fenster sprang und in den Wald verschwand.

„Jake!“

Ich wurde am Arm aufgehalten.

„Lass ihn.“

„Er wird doch nicht…“

„Nein, er wird ihr nicht folgen. Er muss nur mal raus.“

Natürlich konnte ich Jacob verstehen, seine Situation, seine Gefühle. Aber ich dürfte sie nicht so hoch ansetzen, wie das Glück meiner Tochter. Immerhin war es ihr Leben und sie wurde nicht von irgendeiner idiotischen Prägung dazu gezwungen, sich an eine Person zu binden. In meinem Inneren war mir nämlich noch sehr wohl bewusst, dass ohne diese Prägung niemals ein so starkes Band zwischen den Beiden entstanden wäre… Renesmee wäre nämlich niemals da gewesen… denn er hätte… sie kurz nach ihrer Geburt getötet. Dem wirklichen, damaligen, nicht von einem überirdischen Zwang gesteuerten Jacob wäre sie nichts weiter wert gewesen als ihrem Tod gegenüber zu treten.

Ich schüttelte innerlich den Kopf und versuchte, mich wieder aufmerksamer dem Geschehen zuzuwenden, welches Esme und Carlisle, ohne dass ich es gemerkt hatte, verlassen hatten. Nur Edward und ich standen noch in dem großen Raum, der mir nun auf seltsame Weise ziemlich verlassen schien. Ich schaffte es nicht, Edward anzusehen, starrte nur weiterhin zum geöffneten Fenster, durch das Jacob geflüchtet war.

„An was hast du gedacht?“

„Jake und die Prägung und daran, dass…“

Ich wollte nicht weiter sprechen, denn ich hasste diesen Gedanken, den ich schon einige Mal in meinen Unterbewusstsein durchgegangen war. Ich war ihr einst so dankbar, dieser überirdischen Macht, da sie das Leben meiner Tochter gerettet hatte, aber mit der Zeit wurde sie zu einem Problem.

„Lass uns etwas raus gehen.“

Edward nahm mich bei der Hand und zog mich sanft zum Fenster. Einen knappen Meter davor stoppte er und nahm mich auf den Arm, ließ mich geschmeidig über den Fenstersims gleiten, so als wäre ich nicht selber in der Lage gewesen, diesen zu überwinden. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass es ihm fehlt; meine Ungeschicktheit, meine Menschlichkeit; als suche er ununterbrochen etwas, vor dem er mich oder Renesmee beschützen könnte.

Wir gingen Hand in Hand in den Wald hinein, ließen einen kleinen Tümpel hinter uns. Die Luft roch angenehm, der morgige Tag würde sich mit voller Leidenschaft präsentieren.

„Sind sie sehr böse?“

Ich blieb stehen. Er drehte sich zu mir.

„Nein, sie sind nur besorgt.“

Er lächelte aufmunternd, ich wand den Blick ab.

„Und du?“

„Nein.“

Seine Fingerspitzen fuhren meinen Hals entlang und legten sich an meine Wange. Unverhohlen blickte ich ihn an.

„Ich habe Angst, Edward.“ Ich ließ mich in seine Arme gleiten. „Was geschieht nur mit ihr?“

Der Stamm eines kahlen Baumes bot ihm Halt, ich drückte mich noch tiefer in die Umarmung. Seine Finger fingen automatisch an, mit Enden meiner Haare zu spielen, und ich rechnete jeden Moment mit einer dieser Antworten, die mich glauben ließ, dass alles gut werden würde.

Sie kam nicht. Er schwieg.

Ich wand mich von seiner Brust ab und schaute hinauf. Ich wollte in seine Augen sehen, spüren, was ihn stocken ließ, doch schweifte sein Blick weit über mich hinweg. Kein angsterfüllter oder überraschter Blick, der einen in dieselbe Richtung schauen ließ, sondern ein Blick voller Leere.

Er bemerkte es nicht einmal, als ich mich von ihm drückte. Erst als meine Haare sich seinen Finger entzogen, blickte er mich an. Die Leere verschwand schnell und ein aufmunterndes Lächeln kam zum Vorschein.

„An was hast du gedacht, Edward?“

Er schüttelte den Kopf und lächelte mich weiterhin an. Es gab Momente, da empfand ich eine regelrechte Tötungslust, wenn er mir diese Geste zugestand.

„Nun sag es mir schon!“

Meine Hand schoss nach vorn und rammte seine Brust; wohl ein wenig zu hart. Der Baumstamm hinter ihm gab daraufhin ein ächzendes Geräusch von sich, mein Mann griff reflexartig nach meiner Hand. Erschrocken verstummte ich, verdrießlich blickte ich hinab.

„Ich habe mir vorgestellt, was passieren würde, wenn sie uns entgleitet, außer Kontrolle gerät und wir sie verlieren.“

Seine Worte schienen in seiner Kehle zu brennen; ihr Klang war ungewöhnlich rau.

Zorn gesellte sich in meinen Blick, als ich ihn damit bedachte. Obwohl ich selber schon einmal diese Gedanken getragen hatte, war es hingegen nicht tragbar für mich, wenn auch er es tat. Wer sollte mich dann von solchen Hirngespinsten abbringen?

„Und dann“, fuhr er fort, „habe ich versucht, mir vorzustellen, wie es dazu kommen sollte und mir fiel rein gar nichts ein.“ Seine Stimme senkte sich zu dem lieblichen Klang, den ich gewöhnt war. „Versteh doch, auch wenn sich ihre Kräfte verstärken oder sie mal aus Wut heraus jemanden zu Boden wirft, wird sie noch lange kein Monster werden, Bella. Sie selber und auch wir alle zusammen würden niemals zulassen, dass es soweit kommt. Sie wird doch schließlich… immer unser kleines Mädchen sein, oder nicht?“

Für einen kurzen Moment war ich sprachlos und alles in mir wollte so gerne seinen Worten Glauben schenken.

„Und was ist, wenn-“

„Nein.“ Ich wurde näher herangezogen. „So weit wird es niemals kommen, vertrau mir.“

„Ich möchte dir so gerne glauben“, ergriffen meine Finger den Stoff seines Shirts.

„Dann tu es einfach.“

Warme und ruhige Worte, die mich aber nicht die Tatsache vergessen ließen, dass es schon die eine oder andere Fehleinschätzung in unseren Leben gegeben hatte. Behutsam strichen seine Finger durch mein Haar, und plötzlich, ich weiß nicht was der Auslöser dafür war, musste ich an unseren ersten Hochzeitstag denken; einen eigentlich ganz normalen Tag, denn wir hatten uns vorgenommen, uns nicht mit prachtvollen Geschenken zu überhäufen. Was sollte man auch jemanden schenken, der so viel besitzt und sich darüber hinaus alles leisten konnte?

Doch zwei Tage vor dem besagtem Ereignis brachte eine Fernsehserie Edward auf eine Idee: Es galt, nur so viel Geld für das Geschenk des anderen auszugeben, wie sich die Zahl unseres Hochzeitstages jährte. Dementsprechend galt es ein Geschenk zu finden, das mit einem einzigen Dollar zu bezahlen war…

Edward kaufte ein Stofftaschentuch, welches er mit seinem und Renesmees Handabdruck versah. Es wimmelte von Liebesbekundungen der Zwei in jeder freien Stelle des Stoffes.

Mein Geschenk… war ein Lesezeichen, das ich beim Einkaufen gefunden hatte und welches meiner Meinung nach gut zu ihm passte. Später schämte ich mich so sehr dafür, dass ich mir nicht mehr Mühe gegeben hatte…

Doch warum dachte ich gerade jetzt daran? Unser vierter Hochzeitstag lag noch gut ein halbes Jahr entfernt und diese Geschichte hatte doch nichts mir der jetzigen Situation zu tun. War es nur Zufall oder hatte ich irgendetwas vergessen?

„Was sie wohl gerade macht?“

„Brav auf eine Kinoleinwand schauen, denke ich“, antworte ich ein wenig hastig und hoffte, dass es auch genau so sein würde.

Die Versuchung, Alice anzurufen und nachzufragen, nagte fast schon zerreißend an mir, doch ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass mir meine Entscheidung mittlerweile schräg im Magen lag. Tat sie das?

Edwards Finger lotsten meine Lippen zu ihm hinauf und bedeckte sie mit einem sanften Kuss. Erst jetzt, wo ich mich ihm entgegenstreckte, fiel mir auf, dass ich immer noch meine Schuhe trug, was eigentlich so gut wie nie vorkam, wenn ich durch den Wald lief.

Unsere Lippen festigten sich noch einmal, bevor sie sich voneinander lösten. Sein Blick drang suchend zu mir vor und ich lächelte leicht, schmiegte meine Wange an seine Handfläche, um ihn in Sicherheit zu wiegen. Über den kleinen Ausflug von Renesmee und Ian machte ich mir eigentlich gar keine Sorgen, es war viel mehr die Ungewissheit, die auch trotz guter Reden nicht aus meinem Kopf verschwinden würde.

„Sollen wir noch ein wenig weiter gehen?“

Er hatte diesen spitzbübischen Ausdruck im Gesicht.

„Ich würde lieber zurückgehen. Ich möchte da sein, wenn sie nach Hause kommt.“

„Okay.“

Er bedeckte noch ein weiteres Mal meine Wange mit seiner Hand und stahl mir für kurze Zeit den Atem, dann nahm er meine Hand und schwenkte in Richtung Haus ein. Mein Blick schweifte zum Himmel.

Es was ein recht schöner Tag. Die Wolken waren von der freundlichen Sorte, nicht der schweren, regnerischen Art, die mich früher schon vom bloßen Anschauen depressiv werden ließen. An einigen Stellen sah es sogar danach aus, als könnte sich die Sonne jeden Moment durch einen kleinen Spalt zwängen… schaffte es dann aber doch nicht.

Wir gingen schweigend zurück.
 

Jede einzelne Minute kroch nur so dahin. Die Zeit wollte einfach nicht schneller vorwärts schreiten und jeder weitere Kontakt mit der Uhr ließ sie mich nur mehr verfluchen.

Drei Stunden waren vergangen.

Zähe, nagende Stunden, in denen Alice es nicht für nötig gehalten hatte, uns auf dem Laufenden zu halten.

Ein Gespräch mit Carlisle und Esme, in dem wir uns noch speziell über Renesmee austauschten, brachte uns auch nicht wirklich weiter. Keiner hatte auch nur die kleinste Ahnung, was mit Renesmee passieren könnte, warum sich ihre Fähigkeiten ausweiteten. Wenn sie es denn überhaupt taten.

Denn eine ganz andere Theorie war die, dass sie bis jetzt einfach nur noch nicht ihr ganzes Potenzial ausgeschöpft hatte; doch so oder so, machte es mich wahnsinnig, nicht zu wissen, was genau mit meinem Kind los war.

Nach diesem Gespräch wälzten Carlisle und Edward erneut Krankenberichte und versuchten weitere Kandidaten zu finden, an denen sich Edward „probieren“ könnte. Es war für beide ziemlich wichtig, herauszufinden, warum Edwards Fähigkeit bei manchen Menschen nicht wirklich funktionierte, besonders nun, da sie erfahren hatten, dass Kajikas Krankheit nicht eindeutig zu bestimmen war. Mir hingegen lag dieses Thema immer noch schwer im Magen.

Kurz musste ich an Kajika denken, fragte mich, was er gerade wohl tat und dachte für eine Millisekunde wirklich daran, ihn einfach anzurufen und zu fragen. Jedoch scheuchte ich den Gedanken schnell wieder fort und widmete mich halbherzig der Beantwortung einiger E-Mails.

Den Sende-Button gerade ein weiteres Mal gedrückt, vernahm ich die Geräusche, auf die ich so sehnsüchtig gewartet hatte. Schnell klappte ich den Laptop zu und peitschte in Windeseile zum Fenster neben der Haustür. Als ich den Vorhang leicht zur Seite schob und den Wagen aufs Grundstück fahren sah, war ich schon nicht mehr allein. Vier Augenpaare blickten neugierig in die gleiche Richtung.

Schon früh war Lachen aus dem Wageninneren zu vernehmen; eine ungezwungene Atmosphäre schien zwischen den Insassen zu existieren. Fast alle Gesichter spiegelten dies wieder, abgesehen von einem. Jasper richtete seine Aufmerksamkeit unnachgiebig auf den Weg vor sich, bis er uns ansah. Ich wich einen Schritt zurück, als wäre ich gerade bei etwas Verbotenem erwischt worden.

„Es ist alles in Ordnung“, drängte sich Edward an meine Seite. Zweifelsohne ließ er seine Fähigkeit zum Einsatz kommen. „Hört sich an, als hätte sie viel Spaß gehabt.“

Ein erleichternder Ausdruck huschte über mein Gesicht.

„Ja.“

Der Wagen hielt, die Insassen stiegen aus und als ich den Gesichtsausdruck meiner Tochter erblickte, wusste ich, dass ich keinen Fehler begangen hatte.

Alice verabschiedete sich von Ian, während Jasper schon auf das Haus zukam. Wir drückten uns in den Hintergrund, damit wir für Ian nicht sichtbar wurden. Man brauchte nur in Edwards Gesicht zu sehen, um zu wissen, dass er Jaspers Gedanken durchsteifte, um alles über ihren kleinen Ausflug zu erfahren.

Mit einem hellen, wohlklingenden „Bye!“ drang nun auch Alice ins Haus ein.

Sie lächelte mich auf diese verspielte Weise an, nachdem die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, und fing sofort an, zu berichten.

Ich war hin und her gerissen. Einerseits wollte ich jede Kleinigkeit über den Ausflug erfahren, andererseits spielte sich gerade eine kleine, schüchternde Abschiedsszene in unserem Vorgarten ab. Es war dieser Moment, den man schon so oft in Filmen gesehen hatte, mitfiebernd, ob der Junge das Mädchen zum Abschied küssen würde. Eine Szene, welches jedes Mutterherz erweichen lassen sollte.

Ich schielte immer wieder durch den Vorhang hinaus, hörte dem Gespräch zu, in dem es um den morgigen Tag ging. Ein weiteres Wiedersehen.

Meine Sinne in alle Richtungen versprüht, war ich erleichtert, Jacob nicht ausmachen zu können. Er war immer noch unterwegs. Wie würde er auf einen erneuten Kontakt reagieren?

Ian verschwand, ohne sich Renesmee genähert zu haben. Sie stand vor dem Haus und schaute ihm strahlend nach, winkte, wenn er sich noch einmal nach ihr umwand. Erst als er ein gutes Stück entfernt war, machten wir uns auf, das Haus zu verlassen.

„Momma…“, sprang sie mir in die Arme, drückte sich aber schnell wieder weg, um lauthals berichten zu können.

„Wir haben Popcorn gegessen und einen 4D-Film über Dinosaurier gesehen. Wir haben Eis gegessen, das war soooo groß…“ Sie gestikulierte wild mit den Händen und drehte sich im Kreis, damit sie jeden von uns anschauen konnte. „Alice hat mir ein Fahrrad und ein Buch gekauft, ach ja, und im Filmvorspann war ein riiieeeesengroßer Wolf zu seh-“

Ich war noch gerade über das Fahrrad verwundert, als sie nach einer Drehung einfach so stoppte. Wen sie in dem Kreis aus Personen suchte, konnte sie nicht finden.

„Wo ist Jacob?“

Schnell wechselten Edward und ich einen Blick.

„Er ist unterwegs, Schatz.“

„Ist er jagen… ohne mich?“

„Wir wissen es nicht“, kam ich meinem Mann zur Hilfe. „Er streift wahrscheinlich nur ein wenig herum.“

Sie schaute mich an und ich fragte mich, wie viel sie in meinem Gesicht lesen konnte.

„Vielleicht war ihm einfach nur langweilig, als du nicht mehr da warst“, versuchte nun Esme, den irritierten Blick aus dem weichen Gesicht zu verscheuchen. Ihre Hand lag beruhigend auf Renesmees Schulter.

„Ja, vielleicht…“

Ihre Mundwinkel präsentierte ein gespieltes Lächeln. Sie schien abwesend, als hätte sie den Faden verloren und wüsste nicht, wo sie wieder beginnen sollte.

„Warum zeigst du ihnen nicht dein Fahrrad“, trat Alice zu ihr heran und wies ihr sanft die Richtung.

Sie nickte leicht und ihr Lächeln wirkte sogar ein wenig ehrlicher, als wir uns alle um den Kofferraum des Mercedes versammelten.
 

In der Küche waren die dreckigen Teller schon wieder gesäubert, die Sonne verschwand vollends hinter den Wipfeln der Bäume und die einzelnen Fahrradteile des lila Mountainbikes warteten immer noch darauf, zusammengesetzt zu werden.

Es war schon spät und niemand wusste so genau, ob wir uns sorgen sollten oder nicht.

Natürlich sprachen alle dagegen, besonders in Renesmees Beisein. Alle taten so, als wäre es normal, dass Jacob den ganzen Tag verschwand. Doch das war es nicht.

Edward setzte sich zu unserer Tochter. Gemeinsam campierten sie auf den Rasen vor dem Haus und starten in den Wald. Ich selber hatte mich zu Alice und Jasper ins Wohnzimmer gesellt, wo Alice einen erbärmlichen Ersatz für Jacob abgab. Videospiele lagen ihr genauso wenig wie mir.

Ich lauschte hinaus, das Buch in meinem Schoß nur ein Vorwand; ich würde mich eh nicht darauf konzentrieren können, bis Jacob wieder sicher zu Hause war.

Edward ließ sich noch einmal den Kinobesuch in allen Einzelheiten erzählen. Er kicherte, als sie an der Stelle mit der demolierten Stuhllehne angelangt war, und versuchte sich den Film durch ihre Erzählungen hindurch vorzustellen. Irgendwann wurde es dann wieder eine zeitlang ruhig.

„Daddy?“

Sie legte ihren Kopf gegen seinen Arm.

„Ja?“

„Ist es in Ordnung, wenn Jacob es mir beibringt?“

Sie deutete mit der Hand auf den lila Metallberg.

„Aber natürlich.“

Er lächelte und küsste sie auf das seidige Haar.

„Du bist nicht traurig?“

„Na ja…“ Sein Mund verzog sich in komischer Form. „… dann bring ich dir halt das Autofahren bei, einverstanden?“

„Einverstanden.“

Sie drückte sich an seine Brust und ließ sich für einige Minuten von ihm halten.
 

Edward und Carlisle brachen kurze Zeit später ins Krankenhaus auf. Es war natürlich klüger, ihre Nachforschungen zu betreiben, wenn Carlisle Nachtdienst schob, und so blieb ich nach einem sanften Abschiedskuss alleine im Wohnzimmer zurück.

Alice und Jasper waren inzwischen auf ihr Zimmer gegangen und Esme zeichnete an einem neuen Bild für Carlisles Arbeitszimmer.

Ich beobachtete meine Tochter weiterhin dabei, wie sie sehnsüchtig zwischen die Bäume schaute. Es wunderte mich, dass sie dieser Tätigkeit mit solchem Eifer und Ausdauer gegenüber trat, denn eigentlich war sie ein sehr ungeduldiges Kind.

Ob ihr kalt war? Ob sie Hunger oder Durst verspürte? Fühlte sie sich einsam? Vielleicht sollte ich-

Ich brach den Gedanken ab, als ich das Geräusch schneller, starker Pfoten vernahm. Es brauchte nur einen Bruchteil einer Sekunde bis meine Tochter ebenfalls darauf stieß. Sie schoss in die Höhe und machte die genaue Richtung ausfindig. Ehe der erste Zweig sich bog, war sie schon losgerannt. Jacob schaffte es gerade noch, sich zu verwandeln und in seine Shorts zu schlüpfen, bevor sie ihn ansprang.

„Du stinkst.“

Es waren bestimmt nicht die Worte, die sie vorgehabt hatte, zuerst zu ihm zu sagen, und obwohl ihre Stimmlage von einem Ekel getragen wurde, drückte sie sich trotzdem näher an ihn heran.

„Da bin ich aber nicht alleine.“

Er hielt sie ebenfalls fest; ein wenig kühler als sonst, aber das schien sie nicht zu spüren.

„Wo warst du?“

Plötzlich drehte sie sich aus der Umarmung heraus und gab eine wütende Stimme preis. Er grinste über ihren kläglichen Versuch, böse zu wirken. Sie schnupperte an ihm.

„Öl, Benzin und-“

„Ich war in einer Autowerkstatt“, unterbrach er sie.

„In einer Autowerkstatt? Warst du mit dem Auto unterwegs?“

„Nein. Ich bin einfach nur spazieren gewesen und durch Zufall auf sie gestoßen. Ich kam mit dem Besitzer ins Gespräch und er zeigte mir, woran er gerade arbeitete und ehe ich mich versah, habe ich ihm geholfen zwei Wagen wieder flott zu machen.“

Der kleine Ausdruck von Stolz lag nur kurz auf ihm, schnell kühlte die Fassade wieder ab.

„Und was hast du so gemacht?“

„Du hättest anrufen können.“ Ließ sie sich nicht so schnell ablenken. „Wir haben uns alle Sorgen um dich gemacht.“

„Ich hatte kein Handy dab-“

„Das weiß ich auch, immerhin habe ich versucht, dich anzurufen“, unterbrach sie ihn. Ihre sanfte Stimme war laut und angespannt.

Erst passierte nichts, dann berührte er sie zaghaft im Gesicht.

„Es kommt nicht wieder vor, okay?“

Sie nickte leicht mit dem Kopf.

„Also, wie war dein Tag?“, versuchte er es erneut.

„Ganz okay… Alice hat mir ein Fahrrad gekauft.“

„Ein Fahrrad?“

„Ja, baust du es mir zusammen?“

Sie griff nach seiner Hand.

„Natürlich.“

Was ging nur gerade in ihr vor? Warum hatte sie nicht so energiegeladen von ihrem Ausflug erzählt, wie sie es zuvor getan hatte? Warum zeigte sie nicht mehr ihre Freude daran? Spürte sie etwa, dass es Jacob nicht gefallen würde?
 

Ich beobachtete die Beiden weiterhin; beim Zusammenbauen des Rades und beim gemeinsamen Essen in der Küche. Die Stimmung zwischen ihnen konnte man nicht wirklich beschreiben. Beide versuchten immer wieder, Nähe zum anderen herzustellen, doch irgendein komischer, kalter Wind schien diese immer zu begleiten.

Eigentlich wollte Renesmee auch noch das Fahrradfahren beigebracht bekommen, doch da sie an einem Stück gähnte, entschied ich, dass dies wohl besser ein Vorhaben für den nächsten Morgen sein sollte.

Esme und Jacob wünschten ihr eine gute Nacht und ich brachte sie hinauf in ihr Zimmer. Ich legte ihr ein neues Nachthemd hinaus, während sie sich die Zähne putzte, und schaute ihr beim Umziehen zu. Ich hatte immer noch so viele Fragen, welche sie mir nicht beantworten konnte. Doch eines wollte ich noch von ihr wissen: Wie sie sich so sicher sein konnte, dass nichts bei dem Ausflug passieren würde. Auch Edward hatte ich ganz vergessen darauf anzusprechen. Er hatte so komisch auf sie reagiert, nachdem sie es gesagt hatte.

Doch als ich ihr gerade den üblichen Gutenachtkuss geschenkt hatte und ganz beiläufig auf das Thema zu sprechen kommen wollte, fragte sie mich:

„Was bin ich, Momma?“

Ich setzte mich auf ihr Bett und schaute sie erst einmal nur sprachlos an. Sie schien meine Verwirrung zu spüren.

„Du sagtest heute Mittag, dass Menschen alles anders sehen. Bin ich denn nicht auch ein Mensch?“

In meinem Kopf fand ich den Zusammenhang meiner Aussage, es hatte mit dem Kuss an Ian zu tun gehabt.

„Eigentlich hatte ich nur ganz allgemein gesprochen“, versuchte ich einen Anfang zu finden. „Aber Schatz, du weißt doch, dass du nur halb menschlich bist.“

„Ja, aber… ich meine…“

Ich wartete geduldig, bis sie die richtigen Worte gefunden hatte; ehrlich gesagt wusste ich auch gar nicht, was ich hätte sagen sollen.

„Ich bin halb Mensch und halb Vampir, richtig?“

Ich nickte.

„Aber bin ich nicht noch irgendwas anderes? Gibt es keinen Namen für mich, werde ich immer nur ein Halbes davon und ein Halbes hiervon sein?“

„Wie kommst du denn jetzt darauf?“

„Ich weiß nicht.“

Sie zuckte die Schultern und senkte den Blick.

„Renesmee?“

Ich spürte eine plötzliche Unruhe, nicht wissend, ob sie von ihr oder von mir ausging.

„Ich fühle mich oft alleine, als würde etwas Wichtiges fehlen. Als wäre ich nicht komplett.“

„Aber du hast doch uns, Renesmee. Du wirst niemals alleine sein.“

„Ja, ich weiß, aber… ich weiß ja auch nicht, warum es so ist. Alle sind anders als ich…“

Unerwartet glitzerte Nässe in ihren Augen auf.

„Schatz!“ Ich drückte sie feste an mich. „Du bist etwas Besonderes, okay? Du bist aus der Liebe zu deinem Vater und mit entstanden; ein größeres Wunder, als wir alle je für möglich gehalten haben. Versprich mir, dass du das niemals vergisst… Versprich es mir!“

Ich presste sie an mich und konnte nur sacht das Nicken ihres Kopfes spüren.

„Es gibt einfach zu wenige von deiner Art, als dass sich jemand die Mühe gegeben hat, einen Namen dafür zu finden. Weißt du was…“ Ich wich ein kleines Stück zurück, als mir plötzlich eine Idee kam. „Was hältst du davon, wenn du dir einfach einen Namen überlegst?“

„Ich?“

„Ja, warum denn nicht? Irgendeiner muss es doch schließlich tun.“

Und auf einmal strahlte sie. Ihre Mundwinkel zogen sich zu einen breiten Lächeln hinauf und ihre Augen glänzten nicht mehr vor Traurigkeit.

„Wirklich?“

„Ja!“

„Und wenn es total blöd klingt?“

„Dann soll es halt so sein.“

Sie wischte sich die Tränenreste von den Wangen.

„Es bleibt einfach so lange unser Geheimnis, bis du einen tollen Namen gefunden hast.“

„Wir verraten es keinen?“

„Niemanden.“

„Auch nicht Daddy?“

„Auch nicht Daddy, wenn wir uns anstrengen.“

Ich lächelte und war überglücklich, diese kleine Krise in eine gute Richtung geführt zu haben. War es nur zeitlich bedingt gewesen, dass sie sich anders fühlte? Immerhin fühlten sich Millionen Teenager auf der Welt von ihrer Familie distanziert, anders und nicht verstanden. Warum sollte es uns anders gehen… uns, einer Familie, die wirklich etwas Anderes verbarg.
 

~ † ~
 

Am nächsten Morgen brachte Jacob Renesmee das Fahrradfahren bei. Wie nicht anders zu erwarten, dauerte es nicht einmal eine halbe Stunde, bis sie perfekte Kurven fuhr.

Meine Vorahnung hatte mich nicht getäuscht, die Sonne strahlte auf die Erde hinunter und ließ Vampirhaut wie tausende Diamanten funkeln.

Der Sonntag sollte ruhiger verlaufen, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Nachdem Renesmee mit Ian zu ihrer geplanten Fahrradtour aufgebrochen war und sich Jacob für einige Stunden abgeseilt hatte, um einem alten Mann in einer Autowerkstatt zur Hand zu gehen, wurde es ziemlich ruhig im Haus.

Es beunruhigte mich natürlich schon ein wenig, dass niemand mit den Kindern gegangen war, doch weder waren Fahrräder Bestand unseres Hauses, noch etwas Hilfreiches, was uns rundum vor den enttarnenden Sonnenstrahlen schützen könnte.

Es war sowieso ziemlich erstaunlich gewesen, wie ruhig alle auf das erneute Treffen von Ian und Renesmee reagiert hatten; ich hatte mir schon wieder ein paar gute Argumente zurecht gelegt, um ihr diesen Ausflug zu ermöglichen. Zu meinem Erstaunen waren sie nicht nötig gewesen.

Jeder hatte gerade irgendetwas zu tun; ich half Carlisle dabei, den gesamten Bestand des Kellergewölbes noch mal genau aufzulisten. Irgendwas war beim ersten Durchgehen wohl verloren gegangen und so musste die Arbeit noch einmal getan werden.

Ich war immer noch fasziniert von der Vielfalt an Büchern, Kunst und interessanten Schätzen, die sich unterhalb des Hauses angesammelt hatten. Der dunkle Gang machte mir nun nicht mehr so viel Angst. Na ja, Angst war vielleicht auch nicht das richtige Wort gewesen, eher so eine innerliche Unruhe, wenn ich an die feuchten, steinernen Wände dachte.

Aber nun war es okay, es war schön, Seite an Seite mit Carlisle etwas zu machen, wofür nur wenige Worte von Nöten waren. Ehrlich gesagt genoss ich gerade diese Ruhe. Lange würde sie garantiert nicht Bestand sein, spätestens am Dienstag, wenn Charlie, Seth und Leah kämen, würde es viel lauter im Haus werden.

Ich erwischte mich bei einem Grinsen.

Wie sehr ich Seth um mich herum vermisste, hatte ich schon beinahe vergessen. Er war immer da gewesen in den letzten Jahren in Forks, immer an Jacobs oder Edwards Seite. Ein Freund, ein Mitglied der Familie.

Und Charlie. Bei ihm war es anders; er war Familie. Aber bei ihm hatte ich schon früh gelernt, ohne ihn zu leben, ihn nicht so oft zu sehen… es war anders, wenn auch nicht weniger schön, ihn wiederzusehen.

Ich wünschte mir, es wäre schon Dienstag.
 

~ † ~
 

Doch leider folgte auf dem Sonntag erst einmal der Montag; Schule.

Kajika erwartete mich schon auf dem Parkplatz. Er grinste Edward reichlich überzogen an und mir fiel ein, dass ich Edward noch gar nicht berichtet hatte, was ich Kajika am Freitag erzählt hatte. Irgendwie war ich durch die Jagd, die Begegnung mit Ian und alles was sich daraus ergeben hatte, noch gar nicht dazu gekommen.

Ich stupste Kajika leicht in die Seite als er neben mir zum Stehen kam.

„Was sollte das denn?“

„Ach komm schon, ich bin so brav am Wochenende gewesen, da habe ich mir das doch wohl verdient.“

„Was meinst du damit?“

Alice, Jasper und Edward gingen weiter, während ich mit Kajika immer noch in der Nähe des Aston Martin stand.

„Na, obwohl es mich einige Male in den Fingern gejuckt hat, habe ich dich nicht angerufen.“ Er grinste schelmisch. „Immerhin wollte ich das Glück nicht unterbrechen… und, was hat er gesagt?“

Langsam dämmerte es. Er dachte, dass ich Edward von meinen Gefühlen zu ihm erzählt hätte.

„Na ja…“ Ich spielte mit, tat ein wenig verlegen. „Ich bin noch nicht so wirklich damit rausgeplatzt, nur Andeutungen, weißt du.“

„Ich kann dir gerne helfen, wenn du magst.“

Bring du erst einmal dein eigenes Liebesleben ins Reine, durchschoss es meinen Kopf.

Ich lächelte, verneinte sein großzügiges Angebot aber.

„Du solltest dich auf jeden Fall ranhalten.“

„Wieso?“

„Immerhin ist nächste Woche der Valentinsball.“ Er drehte mich um, damit ich Edward im Blick hatte. „Es gibt viele, die nicht warten werden.“ Er zwinkerte.

Ich versuchte einen für die Situation passenden, besorgten Ausdruck aufzusetzen, während ich meinen Ehemann dabei beobachtete, wie er von Anfragen einer halben Dutzend Mädchen bombardiert wurde. Dass ihre Chancen weit unter Null lagen, konnten die armen Dinger ja schließlich nicht wissen. Ich hakte mich bei Kajika ein und ging mit ihm zusammen an der Traube, die sich um Edward gebildet hatte, vorbei. Es hatte schon was für sich, sich seiner Liebe so sicher sein zu können.

Abgesehen davon ging es mir gerade super. Ich wusste nicht, ob es das einfache Umfeld war, das mich gerade so leicht durchatmen ließ oder die einfache Tatsache, dass gerade nichts auf mich einprasste, was mich aus dem Konzept warf.

Renesmee ging es super. Die Treffen mit Ian taten ihr in sämtlicher Hinsicht gut. Jacob schien ein wenig den Kopf frei zu bekommen, wenn er einige Stunden in einer dreckigen Autowerkstatt verbrachte. In der Schule war ich langsam auf dem richtigen Weg und der morgige Besuch konnte nur für alle eine willkommene Abwechslung sein. Ich sollte einfach versuchen loszulassen, nicht immer alles unter Kotrolle haben zu wollen. Ändern konnte ich an dem, was kommen mochte, eh nichts… wenn ich es nicht sehen konnte.
 

Kapitel 15 - Normalität - Ende

Einen Schritt weiter

Autor: littleblaze

E-Mail: little_blaze_2000@yahoo.de
 

Disclaimer: Alle Rechte an den Bis(s)-Charakteren gehen auf das Konto von Stephenie Meyer und ich selber verdiene keinen einzigen Cent mit der Story.
 

Neue Charaktere, die Storyline [dementsprechend, die Story selber], selbst erstellte sowie editierte Bilder und sämtliche, für die Story erstellte Extras gehören mir und dürfen nicht ohne meine vorherige Zusage auf anderen Seiten, Portalen oder Foren gepostet werden.
 

Kapitel 16 - Einen Schritt weiter
 

Meine gute Stimmung hielt den ganzen Tag über an. In der Schule hatten mich die vielen Versuche der Mädchen, Edward näher zu kommen, immer wieder zum Schmunzeln gebracht, was Kajika so gar nicht nachvollziehen konnte. Selbst hier wäre er am liebsten ein kleiner Ritter in der Not gewesen und hätte die aufdringliche Schar nur zu gerne vertrieben.

Erst in der dritten Schulstunde kam ich überhaupt dazu, mit meinem Mann ein Wort zu wechseln. Doch mein überbrachtes Mitleid bezüglich seiner Situation war nicht wirklich aufrichtig, denn auf eine gewisse Weise bewunderte ich die Mädchen mit ihren individuellen Ideen, einen Jungen für sich begeistern zu wollen. Ich hätte das niemals gekonnt.

Ian kam und ging an diesem Tag. So langsam musste man aufpassen, nicht unvorsichtig zu werden, denn obwohl er erst zum dritten Mal bei uns war, wurde seine Anwesenheit für uns alle immer normaler. Ich verdrängte innerlich noch die Gedanken an den Tag, an dem er zum letzten Mal kommen dürfte.
 

Ich zog mich gerade aus, als Edward in unser Zimmer kam.

„Nach der Hälfte von Fahrenheit ist sie endlich eingeschlafen.“

„Ich denke immer noch, dass sie solche Bücher noch nicht lesen sollte.“

„Soll ich Rosalie verbieten, ihr weiterhin welche zu schicken?“

Seine Finger streiften über meinen Arm hinweg, als er an mir vorbei ging.

„Quatsch, dann würden wir ja fast schon genauso handeln, wie in diesem Buch.“

Es waren ja auch nicht wirklich die Bücher, die mich so denken ließen. Es waren alles wunderbare Werke, die Rosalie ihr schickte, aber waren sie wirklich schon für ein so junges Mädchen geeignet? Verstand sie überhaupt schon die Zusammenhänge?

Edward setzte sich auf das Bett und schaute mir dabei zu, wie ich mich weiterhin von meiner Kleidung befreite. Wissend woran er bei diesen Anblick dachte, versuchte ich ihn nun abzulenken.

„Wie laufen eigentlich eure Nachforschungen im Krankenhaus?“

„Nervend!“

Er stand wieder; er war niemand, der ohne etwas zu tun lange still saß, und er war schneller als ich, als es an das Herausziehen der Schublade ging. Manchmal fragte ich mich, ob er meine Angewohnheiten einfach so gut kannte oder doch ab und an ohne mein Wissen in meinen Gedanken vordringen konnte.

„Es scheint, als würde mir jedwede Krankheit, die etwas mit den Gehirnströmen zu tun hat, Probleme bereiten.“

Sein nun frustrierter Blick schaute zu den Shirts hinab; ich wartete, bis er sich für eines entschieden und mir gereicht hatte. Dies tat er oft, kleine Entscheidungen für mich treffen, wenn er in Gedanken war; er merkte es nicht einmal. Ich konnte nur annähernd verstehen, wie er sich gerade fühlte.

„Dann können wir also nur hoffen, dass uns nicht ganz so viele gestörte Individuen Probleme bereiten wollen.“

Ich lächelte, und obwohl ich der Meinung war, dass dies ein grausiger Versuch war, ihn aufzumuntern, lächelte er zurück. Sein Blick blieb auf mir hängen; auf meinem halbnackten Ich.

Ich vernahm das leise Geräusch der sich schließenden Schublade; kurz darauf seine Hand an meiner Hüfte. Er zog mich zu sich, streifte mir den BH-Träger hinunter und küsste mich auf die nun freie Stelle. Nicht, dass mich seine Annäherung kalt ließ, aber ich hatte noch so viel zu erledigen, bis Charlie und Co. morgen eintreffen würden…

„Nicht jetzt!“

„Wann dann?“ Er stoppte sofort und ich schaute ihn irritiert an. Der ungeduldige Ton in dieser Frage war neu, als wollte er wirklich eine Antwort darauf. Normalerweise akzeptierte er ohne nachzufragen, wenn es für mich gerade unpassend war.

Es war so schwer, diesem Blick widerstehen zu wollen, wenn man wusste, wie sich seine Lippen auf der Haut anfühlten, die Finger, welche alle pikanten Stellen kannten.

„Sobald dein Vater in der Nähe ist, wirst du immer so…“

„Soooo?“, forderte ich ihn auf, weiter zu sprechen.

„Prüde?!“

Er grinste und streichelte großzügig und beruhigend über meine Arme hinweg.

„Prüde?“ Mit einer schnellen Bewegung meines Beckens und einem Lächeln auf den Lippen stupse ich ihn beiseite. „Das nennt sich Anstand, mein Schatz, Anstand!“

Ich öffnete eine weitere Schublade, erblickte ihren Inhalt, den ich total vergessen hatte, und wollte sie gerade wieder schließen, als seine Finger um mein Handgelenk griffen.

„Wir haben noch gar nicht damit gespielt.“

„Ja, es war einfach so viel los in letzter Zeit. Der Umzug, die neue Schule, Jacobs Heimweh, Renesmees Freiheitsdrang und die Sache mit Ian.“

„Und morgen kommen Charlie, Seth und Leah. Also…“

Seine Finger glitten wieder an meinem Körper hinab und ich blickte zu Edward auf. Seine Augen verloren schon wieder ein wenig an Glanz und dieser Umstand ließ es nicht zu, dass ich sofort in ihnen versank, im Gegenteil. Ich fragte mich, wie weit es bei mir schon wieder war, wie viel Zeit hatte ich noch, bis mein Hunger Überhand nehmen würde? Ich hatte letzte Woche nur den kleinen Fuchs gehabt und am Freitag war ich wegen Ian nicht dazu gekommen, noch etwas zu essen.

„Was hast du?“

Seine Berührungen hatten gestoppt und er lehnte sich ein wenig herab, um mich besser ansehen zu können.

„Nichts.“

Ich schüttelte den Kopf und lächelte.

„Wirklich?“

„Ja, wirklich“, wurde mein Lächeln noch breiter. „Ich habe nur ein wenig Hunger.“

„Auf mich, hoffe ich doch.“

Ich zog meine Lippen wieder etwas hinunter und gab dem Verlangen nach, durch sein Haar zu fahren. Es war so weich, so stark und es würde niemals ergrauen oder ausfallen. Sein Körper war kräftig und würde niemals an Stärke verlieren. War ich mir eigentlich schon darüber bewusst, was es hieß, ewig zu leben?

„Ich liebe dich.“

Er schaute mich an, als hätte ich etwas total Absurdes von mir gegeben.

„Ich liebe dich auch“, erwiderte er. „Ist wirklich alles in Ordnung?“

„Jaaaaa!“

Ich lachte unbeholfen auf. Natürlich konnte ich seine Sorge verstehen. In den letzten Wochen hatte mich so viel beschäftigt, dass man mich wahrscheinlich kaum mehr anders kannte. Aber nun schien es endlich aufwärts zu gehen. Wir hatten uns alle eingelebt und der ganz normale Alltag haftete langsam wieder an unserem Leben.

Ich legte meine Hand in seinen Nacken und zog ihn zu mir hinab.

„Es ist alles so, wie es sein sollte.“

Ich küsste ihn.

Schnell gaben seine Lippen mir nach und nicht nur diese spürte ich auf meinen Körper. Er drängte sich nah an mich. Wir stolperten halb küssend, halb lachend durchs Zimmer, bis wir neben der Wand zum Bett landeten.

„Hier?“

„Warum nicht? Renesmee schläft schon und wir werden ganz leise sein.“

Sein schwerer Atem glitt über mein Gesicht.

„Aber ich mag das Bett.“

Er hob mich hoch und ich schwang meine Beine um seine Hüften.

„Dann sind wir eben nicht nur leise, sondern auch ganz vorsichtig.“

Er küsste meinen Hals und glitt mit mir hinunter auf die seidige Decke.
 

Nach wunderbaren Stunden, in denen wir es geschafft hatten, dem Bett keinen einzigen Kratzer zu verpassen, machte ich mich auf, um nach meiner Tochter zu sehen. Wie erwartet, schlief sie wie ein kleiner Engel. Wenn ich an meine früheren Träume dachte, sollte ich eigentlich nicht traurig sein, doch auf der anderen Seite vermisste ich es schon noch… das Kuscheln in die Decke, das vor sich hin Sinnieren, bis man plötzlich nicht mehr wusste, ob man die Grenze in den Schlaf schon erreicht hatte. Eine Sache, die den Tag abschließt, einen zur Ruhe kommen lässt. Etwas, das dir sagt: Dieser Tag ist vorbei und morgen kannst du noch einmal von vorne anfangen.

Ein kleines Zucken ließ mich plötzlich neugierig werden. Ich stieß mich vom Türrahmen ab, schloss die Tür hinter mir und legte mich zu meiner Tochter aufs Bett. Ihre Hand an mein Gesicht gehoben, wartete ich geduldig, ob ihr Unterbewusstsein dazu bereit war, sich mir mitzuteilen.

Es dauerte etwas, doch dann konnte ich sehen:

Renesmee ging zaghaft auf Jacob zu. Er wusch sich gerade den Dreck der Autowerkstatt von den Händen. Sie lugte an seiner rechten Seite vorbei und guckte ihn interessiert an.

„Macht es wirklich so viel Spaß?“

Sie deutete auf seine dreckigen Finger.

„Ja, und es lenkt mich ab.“

Gerade ausgesprochen, schien er selber gemerkt zu haben, dass er die falschen Worte gewählt hatte.

„Von was denn?“

„Bitte?“, tat er als verstünde er sie nicht.

„Von was soll dich das ablenken?“

Der letzte Schaum versiegte im Ausguss, der Wasserstrahl erstarb.

„Das verstehst du noch nicht.“

Er griff nach dem Handtuch.

„Woher willst du das wissen?“

Er wollte aus dem Bad hinaus, doch ihre zierliche Gestalt versperrte ihm den Weg. Natürlich wäre es kein Problem für ihn gewesen, sie beiseite zu schieben und sich den Weg zu erkämpfen. Er seufzt und schaut sie intensiv an.

„Es lenkt mich ab, darüber nachzudenken, was du gerade tust.“

Sie schien eine Weile zu brauchen, bis sie dachte, es verstanden zu haben.

„Ich würde mich sehr freuen, wenn du dabei wärst. Ich dachte nur, du kannst Ian nicht leiden und hättest kein Interesse daran, etwas mit uns zu unternehmen.“

„Das habe ich auch nicht“, erklärte er sich.

„Ich…“

„Sagte ich dir nicht, dass du es nicht verstehst?“

Er stupste sie an der Nase und drängte sich nun aus dem kleinen Raum heraus.

„Warum erklärst du es mir dann nicht?“ Ihre Stimme war leicht gehoben. „Wie soll ich es denn sonst verstehen?“

„Weil du es jetzt einfach noch nicht kannst.“

Mit schnellen Schritten stapfte sie an ihm vorbei.

„Ich mag dich gerade so gar nicht, Jacob Black.“

Sie knallte die Tür ins Schloss…
 

Wohin mich mein nächster Gang führen würde, wäre für jede andere Mutter nicht schwer zu erraten.

Ich klopfte, wartete aber erst gar nicht auf die Aufforderung einzutreten. Selbst durch die geschlossene Tür war sein Schnarchen nicht zu überhören.

Eben erst ins dunkle Zimmer eingetreten, versiegte auch schon das dröhnende Geräusch und Ohren und Nase zuckten leicht. Als Wolf wären diese Gesten vermutlich als ziemlich niedlich interpretiert worden.

Zwei Schritte ließ er mich machen.

„Was willst du, Bella?“

Ich wollte zunächst eigentlich vor seinem Lager aus Kissen und Decken stehen bleiben, aber eine unbekannte Kraft zog mich hinunter.

„Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht so genau.“

„Es ist wegen heute Nachmittag!“

„Heute Nachmittag?“, versuchte ich ihn aus der Reserve zu locken.

„Komm schon, Bella. Du würdest nicht hier sein, wenn dich nicht etwas stören würde.“

Er legte sich auf den Rücken, verschränkte die Arme hinter den Kopf und sah mich an. War es wirklich so? Suchte ich nur noch seine Gegenwart, wenn ich irgendwas auf dem Herzen hatte?

Unsere Beziehung hatte sich verändert, das gab ich ja zu. Vom dem unreifen Reservatenjungen, der sich in mich verliebt und es sogar geschafft hatte, dass ich Gefühle für ihn entwickelte, war nichts mehr über. Er schien älter als ich… reifer… und verloren gegangen.

Ich blickte mich um, ein Teil der Umzugskisten schien immer noch gepackt zu sein, aber seine Lieblingsdinge hatten bereits einen Platz an Wänden und auf Regalen gefunden.

„Stören ist nicht das richtige Wort.“

Mein Blick schwang zu ihm zurück.

„Ich würde gerne noch etwas schlafen, also sag schon, was du zu sagen hast.“

Er gähnte herzhaft.

Seine Arme wanderten zu seiner Brust, verschränkten sich davor. Eine abwehrende Haltung; er war felsenfest von einem verbalen Angriff überzeugt. Und genau da sagte mir eine innere Stimme, dass ich mich vielleicht dieses Mal nicht einmischen sollte. Immerhin war nichts Gravierendes zwischen ihnen geschehen und dieser kleine Disput würde sich nach Ians Verschwinden bestimmt sehr schnell wieder auflösen.

Und während ich noch mit mir rang, gab er seine Haltung mit einem Male auf und sprach weiter.

„Ich habe nur irgendwie nicht damit gerechnet, dass jemand anderer, von der Familie mal abgesehen, einen Platz in ihrem Leben einnehmen würde, wenigsten nicht so schnell. Ziemlich naiv, was?“

Er lächelte gequält und sofort sprang mein Mitleid hervor.

Ich wollte etwas sagen, etwas, das ihn beruhigen würde und er sich sicher sein konnte, dass alles wieder gut werden würde. Aber konnte ich das? Es lag nicht in meiner Macht. Und anstatt mir etwas aus den Fingern zu saugen, legte ich einfach nur meine Hand auf sein Bein.
 

Ich ging hinunter in die Küche.

Alice saß mit Esme am Küchentisch und schrieb an einem Einkaufszettel.

„Gibt es irgendwas Besonders, was Charlie gerne isst?“

„Solange du ein paar Steaks und genug Bier im Kühlschrank hast, ist er ziemlich glücklich.“

Esme schrieb Bier auf die Liste.

„Gehen wir ein wenig raus?“

„Klar“, lächelte Alice verzückt und stand auf. Sie wusste genau, dass ich nicht einfach nur eine Runde ums Haus laufen wollte, ließ sich dies aber natürlich mit keinerlei Gesten anmerken.

Wir liefen einige Hundert Meter, bis ich das Wort an sie richtete. Trotz der Entfernung flüsterte ich nur.

„Wie geht es dir… ich meine, in dieser speziellen Sache?“

„Ich möchte nicht darüber reden.“

Ihr zartes Lächeln verlor sich von den Lippen.

„Es ist also immer noch da?“

„Ja.“

„Keine neuen Erkenntnisse?“

Sie antwortete nicht direkt, was mir sofort zu verstehen gab, dass es durchaus etwas gab, was sie mir mitteilen konnte.

Sie brach den dicken Zweig eines Baumes ab, ließ ihn nochmals bersten und warf ihn daraufhin von sich.

„Es kommt näher.“ Sie schloss die Augen. „Sehr viel näher…“

„Weißt du schon wann?“

Ich positionierte mich vor ihr.

„Nein.“

„Etwas, das uns besser darauf vorbereitet?“

„Nein, immer nur diese Küchenszene und dann…“

Sie ließ den Kopf hängen und wünschte sich wahrscheinlich, dass ihre Haare lang genug wären, um ihren Gesichtsausdruck dahinter verbergen zu können.

„Diese Szene… wie war das noch mal genau?“

„Wir sitzen alle in der Küche… na ja, nicht alle, eigentlich nur Jasper, Carlisle, Jacob, Edward und ich. Wir bereden irgendwas, ich kann nicht wirklich verstehen, um was es geht. Und als nächstes spricht Jasper mich an, lächelt und ich verlasse den Raum. Ich weiß jetzt, dass noch jemand mit mir geht, da ist ein Schatten hinter mir und dann… ich weiß nicht, wir sind irgendwo, ich und die andere Person laufen eine Straße hinauf; Geschäfte, Menschen und dann… wird alles schwarz.“

„Das ist doch aber schon viel mehr als beim letzten Mal.“

„Es war schon immer da, ich konnte es vorher nur nicht so richtig einordnen.“

„Aber vielleicht gibt es bald noch weitere Dinge, die du einordnen kannst und dann können wir es vielleicht-“

„Aufhalten?“, unterbrach sie mich. „Wollen wir das denn?“ Ihr durchdringender Blick ließ mich nicht antworten. „Es muss doch auch nicht unbedingt etwas Schlechtes bedeuten, oder?“

„Ähm, nein…“, gab ich zu, allerdings glaubte ich nicht an diese Tatsache. „Also, möchtest du es gar nicht aufhalten?“

„Auch wenn ich es wollte, wüsste ich nicht wie.“

„Aber Alice, du brauchst doch ganz einfach nicht den Raum zu verlassen. Was es auch ist, bleib einfach sitzen und lass es vorbei gehen.“

Ich umfasste ihren Oberarm und bat sie, mich anzusehen.

„Und was, wenn es etwas Gutes gewesen wäre? Oder… wenn es etwas Böses ist und es, nur weil ich sitzen bleibe bin, jemanden anderen trifft? Was dann?“

„Ich bezweifle stark, dass es etwas Gutes ist, Alice.“

„Trotzdem…“ Sie wand sich aus meinem Griff. „Ich kann nicht riskieren, dass es jemand anderen trifft, was es auch ist. Also bitte Bella, halt dein Versprechen und lass es einfach geschehen.“

In ihrem Blick waren zwei Dinge unschwer zu erkennen: Sie wollte nicht mehr darüber reden und ich sollte mich nicht einmischen. Sie wollte den Dingen ihren Lauf lassen und meine Aufgabe dabei sollte nur die eine sein: Jasper nicht gehen zu lassen, wenn ihr etwas zustoßen würde.

Und von einer Sekunde auf die andere, ließ sie es wirken, als ob gerade gar nichts geschehen wäre. Sie spitzte die Lippen und gab ihr schönstes Lächeln zum Besten. Sie wirbelte im Kreis herum, als würde sie in dem Goldregen von Frau Holle tanzen.

„Es wird eine gute Woche, Bella. Charlie hat dir etwas Tolles zu erzählen und Leah… sie wird leider doch nicht mitkommen.“
 

~ † ~
 

Am frühen Morgen checkte ich noch mal die Abflugs- und Ankunftszeiten des Fluges im Internet. Nichts hatte sich diesbezüglich geändert, nur, dass nun nur noch zwei Plätze belegt sein würden, die für uns von Interesse waren. Warum Leah nicht mitkam, konnte mir Alice nicht sagen, sie meinte nur, dass ich mich diesbezüglich wohl besser an Seth wenden sollte. Ich hatte wieder einmal total vergessen, dass Alice ja auch nicht in das Geschehen um Seth und Leah vordringen konnte.

Am Frühstückstisch schaute ich interessiert meiner Tochter zu, wie sie die dritte Portion Eier mit Speck in sich hinein schlang.

Sie habe halt Hunger, war ihre Antwort auf meinen Blick, und Jasper spekulierte, ob sie vielleicht nur Angst hatte, bei so vielen weiteren Essern im Haus, nichts mehr abzubekommen.

Kurz darauf machten wir uns auf den Weg zur Schule. Da Carlisle uns schon für die kommenden drei Tage vom Unterricht befreit hatte und der Flieger erst gegen Mittag landen würde, hatten wir beschlossen, dass sich der Rest der Familie um unsere Gäste kümmern sollte und wir wie gewohnt zur Schule gingen.

Im strömenden Regen dort angekommen, entwickelte der kommende Valentinsball eine neue Stufe der Euphorie. Ein riesiges Transparent empfing einen direkt nachdem man ins Trockne gelangt war. >Noch 7 Tage bis zum Ball< wurde jedem darauf mitgeteilt, wobei die 7 nur angehängt war und garantiert an jedem weiteren Tag durch eine niedrigere Zahl ausgetauscht werden würde.

Überall hingen rosa Ballons, Schleifen und Banner; man hatte das Gefühl, Barbies Clubhaus betreten zu haben.

Die Biologiestunde war noch ziemlich erträglich. Edward malte, wenn ihn gerade niemand beobachtete, kleine Herzchen auf meinen Block, während an der Tafel die Funktion der Mitose aufgegriffen wurde.

Die zweite Stunde, Englisch, war da schon um einiges nerviger. Nicht nur das Kate wieder so einiges zu berichten hatte, brachten die Annäherungsversuche Edward zwei Verwarnungen ins Klassenbuch ein.

Mit Alice den Kunstunterricht zu verbringen, war hingegen die reinste Erholung. Auf riesigen Leinwänden durften wir uns auf abstrakte Weise austoben.
 

Zu meiner Verwunderung fand ich vor dem Mittagessen beim Aufsuchen meines Spindes mehrere Zettelchen mit Anfragen zum Ball vor. Ich legte Englisch- und Biologiebuch ab und blätterte die Nachrichten durch.

„Johnson ist ein Arsch, vergiss ihn.“

Kajika kam neben mir zum Stehen und forderte mit winkender Geste auf, weiter zu blättern. Ich ließ mich nicht lange bitten.

„Oh Gott, wird ja immer schlimmer.“

Ich warf die Zettel auf meine Bücher und schloss meinen Spind.

„Und mit wem hast du vor hinzugehen?“

„Ich habe keine Ahnung, ob ich überhaupt hingehen werde.“

Ich schaute ihn fragend an. Mir vorstellen, dass es da nicht die ein oder andere gab, die ihn gefragt hatte, konnte ich mir nicht.

„Du doch auch nicht, oder?“

„Woher weißt du das?“

Ich war verblüfft, denn ich hatte mir noch nicht mal selbst die Frage gestellt, ob ich hingehen wollen würde. Und wenn, mit wem? Edward? Dann müsste ich aber langsam mal klar Schiff machen.

„War nur so geraten“, grinste er mich breit an.

Zusammen gingen wir in die Cafeteria, wo wir schnell wieder getrennte Wege einschlugen. Alice, Jasper und Edward saßen schon an unserem üblichen Tisch. Ich hoffte, dass die drei kichernden Mädchen nicht mehr davor stehen würden, wenn ich mir mein Essen geholt hatte.

Zum Nachtisch gab es Wackelpudding. Er bibberte und schwabbelte den ganzen Weg zum Tisch fröhlich auf meinem Teller herum. Er war grün und roch nicht gerade so, wie er laut meiner Erinnerung riechen sollte. Ich schob den Gedanken beiseite, einen Fall vorzutäuschen und den Wackelpudding auf einem der Mädchen landen zu lassen.

Ich setzte mich an den Tisch, doch die Mädchen würdigten mich keines Blickes. Sie quickten schrill und lächelten um die Wette. Lässig aneinandergelehnt beobachten Alice und Jasper das Schauspiel, wie Edward versuchte, sich aus jedem neuen Gesprächsthema heraus zu winden.

Ich drehte den Blick weg und traf auf Kajikas. Er winkte mir zu und ich zurück, versuchte zu hören, was er und seine Freunde erzählten. Alles war besser als das nervige Gequatsche an meinem eigenen Tisch, doch plötzlich überschattete ein grässliches Geräusch mein empfindliches Gehör. Ich blickte mich erschrocken um, bekam gerade noch mit, wie ein Stuhl zu Boden fiel und Edward in voller Höhe vor dem Tisch aufthronte. Was war passiert?

Edwards Hand griff über den Tisch und umklammert meinen Oberarm, er zog mich in die Höhe. Schnell kam ich auf die Beine, stützte meine Hände am Tisch ab, damit ich nicht fiel. Edward überwand den Abstand zwischen uns, während ich immer noch versuchte zu verstehen. Wurden wir angegriffen? Von wo kam die Gefahr?

Und dann… küsste er mich.

Ich war so erschrocken, dass ich zu keiner Bewegung fähig war, und als er so schnell wieder von mir abließ, wie es geschehen war, war ich mir nicht sicher, ob alles um uns herum wirklich still geworden war oder ob meine Ohren nur nicht in der Lage waren, etwas aufzunehmen. Ich konnte immer noch nicht glauben, was gerade geschehen war und wollte einfach nur fragen: „Was?“. Aber dann durchfuhr mich sein Blick; die vollkommene Hingabe, die er für mich empfand, die Liebe, welche er jeden Tag bereit war, neu zu beweisen. Und ich wollte ihm zeigen, dass ich ebenfalls so für ihn empfand, also war ich im Nu auf den Tisch geklettert und auf Knien über die Platte gerutscht. Seine starken Arme fingen mich auf und unsere Lippen trafen erneut aufeinander.
 

Die letzte Stunde nahm ich super gelassen hin, nein, eigentlich mehr als das. Ich war sogar irgendwie stolz darauf, nun nicht mehr das komische, unangepasste oder das Scheren-Mädchen zu sein. Nein, nun war ich die Schlampe, die ihren Bruder verführte, und ich grinste jeder lästernde Gruppierung aus vollem Herzen ins Gesicht.

Auch die gut zwei Liter Wackelpudding, die mich in meinem Spind erwarteten, änderten daran nichts. Ich packte das verdreckte Englischbuch, das Biobuch, sowie die vielen kleinen Zettelchen und warf alles in den nächstbesten Mülleimer.

Danach betrat ich die Toilette, um meine Hände von der glibberigen Masse zu befreien. Ein Mädchen kam aus einer der Kabinen, sah mich und verzichtete darauf, die Seife zu benutzen.

Der Wackelpudding ließ sich leicht abwaschen. Schon nach einigen Sekunden drehte ich den Wasserhahn wieder zu und griff nach den Papiertüchern aus dem Spender. Jedoch griff ich daneben…

Nun stand ich vollkommen still, lauschte, roch. Da war irgendetwas, ich war nicht allein.

Ich kniete mich hin und spähte unter die einzelnen Toilettenkabinen, doch nirgends war etwas zu erkennen.

Ich horchte nach einem Herzschlag, jedoch vernahm ich keinen innerhalb dieses Raumes. Es war nichts zu sehen, nichts zu hören oder zu riechen, aber mein Verstand sagte mir ganz deutlich, dass da etwas war.

Mit einem Male wurde die Tür heftig aufgestoßen, zwei Mädchen kamen kichernd hinein. Als sie mich sahen, verrauchte ihre Gelassenheit und sie gingen schweigend auf zwei der Kabinentüren zu. Fast schon war ich gewillt, zu rufen, dass sie nicht hinein gehen sollten, dass dort eine Gefahr lauerte, von der sie keine Ahnung hatten. Doch als die Türen sich öffneten, es nichts zu sehen gab und sie nun wieder albernd kichernd dahinter verschwunden waren, war ich schon fast der Überzeugung, verrückt zu sein.

Ich drehte mich zum Spiegel und grinste mich selber an. Litt ich jetzt etwa unter Verfolgungswahn?

Meine Finger wischte ich an meiner Hose ab und ging hinaus, wo ich Edward auf der gegenüberliegenden Seite entdeckte.

„Na du…“, lächelte er.

„Na…“, tat ich es ihm gleich.

Er legte den Arm um meine Schultern und leitete mich in Richtung Ausgang.

„Du hast nicht gerade irgendwas Komisches gemacht?“, konnte ich den Moment im Mädchenklo anscheinend nicht so einfach vergessen.

„Abgesehen davon, dich vor der ganzen Schule zu küssen? Lass mich überlegen… Nein! Wieso?“

„Ich glaube, ich leide so langsam unter Verfolgungswahn“, gestand ich.

„Immerhin hast du den heißesten Typ der Schule erobert.“

Er drückte mich fester an sich.

„Du hast recht… hoffe, ich krieg jetzt nicht tausende von Morddrohungen.“ Ich boxte ihn leicht auf den Arm. „Ach, ich müsste noch kurz im Buchhandel vorbei, ich brauch neue Bücher.“

„Was ist mit den alten passiert?“

„Unbrauchbar“, winkte ich ab und kuschelte mich an seine Brust.

Ich wollte ihm nicht erzählen, was vorgefallen war, denn es war einfach nur unwichtig. Gerade war ich einfach nur glücklich darüber, endlich da zu sein, wo ich sein wollte… an der Seite meines Mannes.
 

Kapitel 16 - Einen Schritt weiter - Ende

Familie

Autor: littleblaze

E-Mail: little_blaze_2000@yahoo.de
 

Disclaimer: Alle Rechte an den Bis(s)-Charakteren gehen auf das Konto von Stephenie Meyer und ich selber verdiene keinen einzigen Cent mit der Story.
 

Neue Charaktere, die Storyline [dementsprechend, die Story selber], selbst erstellte sowie editierte Bilder und sämtliche, für die Story erstellten Extras gehören mir und dürfen nicht ohne meine vorherige Zusage auf anderen Seiten, Portalen oder Foren gepostet werden.
 

Kapitel 17 - Familie
 

Der Geruch von Charlie und Seth strömte schon bei Befahren des Grundstücks in meine Nase. Reflexartig presste mein Fuß das Gaspedal ein wenig tiefer hinunter. Einiges an Kies wirbelte auf, als ich schließlich vor dem Haus zum Stehen kam. Meinen Rucksack und die neuen Bücher überließ ich Edwards Händen und glitt so schnell durch die feuchte Luft, wie es nur einem Vampir möglich war. An der Haustür normalisierte ich meine Bewegung, ließ aber weiterhin erkennen, dass ich es eilig hatte, ins Haus und als nächstes in die Küche vorzudringen. Der Geruch wurde immer intensiver und ich konnte es gar nicht mehr erwarten, mich in die Arme meines Vaters zu drücken.

Mir noch einmal bewusst gemacht, dass ich gleich nur einen schwachen Menschen an mich pressen würde, ließ ich auch schon die letzten Meter hinter mir.

Und ich musste gestehen, es war ein eigenartiger Moment…

Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich so emotional auf sein Auftauchen reagieren würde und dass alle um mich herum das auch noch mitbekamen; eine seltene Stille umschloss uns.

Einige Minuten hing ich einfach nur kraftlos in seinen Armen. Es war ein so schönes Gefühl, sich von einem warmen Körper halten zu lassen, die vertraute Hand, die über mein Haar strich.
 

Als ich es endlich geschafft hatte, mich wieder von Charlie zu lösen, und auch Seth willkommen geheißen hatte, lockerte die Stimmung deutlich auf. Edward und Jacob redeten gleichzeitig auf Seth ein und ließen mich gar nicht an ihn heran kommen, und Carlisle quetschte Charlie weiter bezüglich Neuigkeiten aus Forks aus.

„Momma“, wurde ich plötzlich und nicht gerade vorsichtig zur Seite gezogen.

„Einen Moment, Schatz.“

Ich wollte mich kurz aus meiner Jacke pellen.

„Aber ich habe Hunger“, quengelte sie weiter.

Meine Nase verriet mir, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis das Essen fertig sein würde. Esme schickte mir ein zustimmendes Nicken durch den Raum.

„Es dauert bestimmt nicht mehr lange, Schatz. Räum doch in der Zwischenzeit dein Rad in die Garage. Es fängt gleich wieder an zu regen, und du möchtest doch ganz bestimmt nicht, dass es anfängt zu rosten, oder?“

Sie schien nicht wirklich erpicht darauf zu sein, die Küche zu verlassen, doch machte sie sich ohne Gegenwehr auf den Weg hinaus. Schnell war ich wieder in meine Umgebung vertieft.

Erst als das Essen letztendlich auf dem Tisch stand, zog ich mich aus einem laufenden Gespräch zurück und sah mich suchend um. Zu meiner Verwunderung musste ich feststellen, dass Renesmee noch nicht zurückgekommen war.

Ich verließ das Haus durch den Hintereingang, um nach ihr zu sehen.

Das lila Fahrrad lehnte ordentlich an der Garagenwand, doch die Anwesenheit meiner Tochter spürte ich weder hier, noch im Haus; ihr Geruch zog mich zwischen die Bäume. Sie war nicht weit entfernt, ihren Herzschlag konnte ich noch gut wahrnehmen. Er war ein wenig beschleunigt, aber nicht besorgniserregend.

Ich ließ weitere Bäume hinter mir, als mich der bekannte, süße Geruch traf: Blut!

Die wenigen Meter ließ ich im Eiltempo vergehen, stoppte blitzartig und drehte Renesmee mit einer schnellen Bewegung zu mir um. Eine fette, schwarze Krähe fiel zwischen uns zu Boden. Verwirrt war mein Blick.

„Was machst du?“, stieß ich hervor.

Angewidert von dem toten, hässlichen Tier trat ich einen Schritt zurück, während es sich Renesmee nicht nehmen ließ, sich genüsslich über die Lippen zu lecken.

„Ich hatte eben Hunger“, rechtfertigte sie ihr Tun und plötzlich drang eine Stimme in mir hervor, dass die Situation doch eigentlich nichts Besonderes war. Ich verstand überhaupt nicht, warum mich dieser Anblick auf einmal so erschreckte, tat ich doch nichts anderes, um zu existieren.

War es, weil es außerhalb meines Wissens passiert war? Hatte ich schlichtweg Angst davor, die Kontrolle zu verlieren?

„Du weißt doch, dass wir Grandpa mit solchen Dingen nicht erschrecken wollen“, appellierte ich an ihre Vernunft.

„Opa ist doch bei den anderen im Haus.“

„Ja“, trat ich den Schritt wieder vor und kickte das tote Tier mit einem gezielten Tritt ins Unterholz. „Aber wir wollten doch vorsichtig sein.“

In ihrem Gesicht las ich die Bitte um Vergebung, wobei es eigentlich nichts zu vergeben gab. Ich wischte ein bisschen Blut von ihrer Wange und legte meinen Arm um ihre Schulter.

„Lass uns rein gehen. Das Essen wird kalt.“
 

Leah hatte wohl Streitigkeiten mit ihrer Mutter gehabt, weshalb sie nun nicht bei uns war. Man äußerte sich nicht wirklich dazu und nach den Gründen fragen, lag auch nicht in meiner Priorität, als die ganze Familie den Abend mit lustigen Gesellschaftsspielen verbrachte; es hatten wohl noch andere Dinge, von Kunstgegenständen und Büchern abgesehen, in dem Kellergewölbe seinen Platz gefunden. Und es hatte schon etwas Groteskes, einer zusammen gewürfelten Gruppe aus Vampiren, Werwölfen und Mensch dabei zuzusehen, wie sie „Die Werwölfe von Düsterwald“ spielten.

Jacob und Edward buhlten weiterhin um die Gunst von Seth. Alle erwachsene Vernunft war von ihnen geblättert und zum Vorschein kamen zwei eifersüchtige Kinder, die ihren besten Freund nur für sich alleine haben wollten. Seth erkannte die Situation zwar ziemlich schnell, schaffte es aber nicht wirklich, dagegen zu lenken. Alle drei blödelten sie herum, schummelten gegeneinander und verpassten sich spielerische Seitenhiebe. Es artete sogar soweit aus, das Seth und Jacob lachend übereinander herfielen und sich dabei verwandelten. Wie zwei spielende Hunde auf dem Teppich, hätte man sie beschreiben können, wenn sie nicht das halbe Zimmer dabei eingenommen hätten.

„Passt auf die Vase auf, die ist schon zweihun-“

Doch bevor Esme den Satz ausgesprochen hatte, entschied sie sich, die Vase nicht ihrem Schicksal zu überlassen. Sie sauste an den Wänden entlang und drückte sie nun liebevoll an ihre Brust.

Wie alle anderen auch verfolgte ich die kleine Spielerei, doch hegte ich darüber hinaus besonderes Interesse an Charlie. Ich wusste nicht, wie erfahren er schon in den Umgang mit Werwölfen war, ob ihn der Anblick vielleicht noch erschreckte, aber zu meiner Erleichterung war auch bei ihm nur Belustigung zu erkennen.

Immer wieder wurde lauthals vor einem Möbelstück gewarnt oder davor, den Kronleuchter nicht herunter zu reißen, und bald schon kam die Aufforderung, ihr Spiel nach draußen zu verlegen, und so sprinteten die zwei Werwölfe an die Tür, öffneten sie und… erstarten.

Ich war noch mitten in einem Lachen gefangen, als ich, wie die meisten anderen auch, merkte, dass etwas nicht stimmte. Jacob vollzog eine komische Bewegung und dann hatten wir, bis auf Charlie, den Geruch in der Nase.

„Ian“, schrie Renesmee und flog halb durch den Raum. In dem Moment als sie an der Haustür angekommen war, drehte sich Jacob auch schon zu uns um. Auf dem Arm trug er Ian, er war bewusstlos. Seth schloss hastig die Tür.

Verdammt! Warum ausgerechnet jetzt?

„Wer ist der Junge?“, fragte Charlie in den Raum hinein und als hätte er mit dieser Frage den Schockzustand von uns gewischt, redeten plötzlich alle wild durcheinander.

„Ruhe! Sofort!“

Und sogleich wurde Carlisles Befehl folge geleistet.

Er schaute uns warnend an und flüsterte ein „Ich bin gleich zurück“ in die Runde.

Es waren quälende Sekunden, in denen sich niemand traute, das Wort zu erheben. Ich senkte meinen Schild und fragte Edward: „Warum haben wir ihn nur nicht bemerkt?“

Edward griff nach meiner Hand und drückte sie zärtlich. Wir wussten eigentlich beide, warum es so war. Wir waren unaufmerksam gewesen, weil wir uns sicher gefühlt hatten, abgelenkt durch den Spaß, den wir zusammen hatten und dazu kam noch, dass Ians Geruch in diesem Haus bereits gegenwärtig war. Wie hatte uns nur ein so schwerwiegender Fehler unterlaufen können?

Endlich war Carlisle zurück, in der Hand trug er seinen Arztkoffer. Jacob und Seth hatten sich inzwischen wieder zurück verwandelt, Esme reichte ihnen zwei Decken, um das nötigste zu verbergen.

„Alice, zieh ihm einen Schuh und einen Socken aus.“

Während Alice dem nachkam, schauten wir anderen nur gebannt zu. Carlisle zog eine Spritze auf.

„Was ist-“

Er stoppte Renesmees Frage mit einer Handbewegung und setzte die Spritze zwischen Ians Zehen. Einige Sekunden ließ er uns daraufhin noch schweigen, dann eröffnete er uns, dass Ian nun ein Weilchen schlafen würde.

„Und wozu soll das gut sein? Er hat Seth und mich gesehen. Sollen wir ihn etwa in sein Bettchen legen und so tun, als wäre alles nur ein Traum gewesen?“

„Leg ihn erst mal auf die Couch“, wies Carlisle Jacob an.

Renesmee wich dabei nicht von Ians Seite; sie griff nach seiner Hand, als er schlaff auf dem Möbelstück lag.

„Wir werden ihm doch nicht wehtun, oder?“

Sie richtete diese Frage gezielt an das Oberhaupt der Familie.

„Nein, natürlich werden wir das nicht.“

Er streichelte ihr beruhigend über das Haar und ich fragte mich zu diesem Zeitpunkt, ob es für Charlie nicht besser wäre, nach oben zu gehen und diesem Gespräch nicht beizuwohnen.

„Und was wollen wir tun?“

Auf seine Frage hin, schauten wir alle Jasper an. Mein Blick fiel neben ihn.

„Alice?“

„Tut mir leid, Bella. Ich kann nichts sehen, zu viel Wolf involviert.“

Von Alice schwang nun alle Aufmerksamkeit wieder zu Carlisle.

„Gebt mir eine Sekunde.“

Prompt fing das große Durcheinanderreden wieder an. Es wurden Schuldzuweisungen ausgesprochen und mit Aggression darauf geantwortet, aber nicht wirklich nach einer Lösung gesucht, die uns irgendwie weiterhelfen könnte.

Charlie hatte sich neben Renesmee gehockt. Sie erzählte ihm gerade, wer Ian war. Auf ihrem Gesicht lag ein besorgter Ausdruck, fürchtete sie wirklich um seine Sicherheit? Wir würden doch eher weiterziehen als einem unschuldigen Kind etwas anzutun. Wusste sie das etwa nicht?

„Warum täuschen wir ihn nicht einfach?“ Charlie stand vor dem schlafenden Ian und wirklich jeder Blick war nun auf ihn gerichtet. „Ich meine, er hat einen Wolf gesehen, der viel größer als ein normaler Wolf war. Warum verkaufen wir ihm nicht einfach die Illusion, dass es sich nur um ein Kostüm gehandelt hat?“

„Das ist eine hervorragende Idee, Charlie.“

Carlisle kam neben Charlie zum Stehen und legte ihm anerkennend die Hand auf die Schulter.

„Und aus welchem Hut sollen wir dieses Kostüm zaubern?“

„Das ist mir gleich“, unterdrückte Carlisle Jacobs Sarkasmus. Auf seinem sonst so ruhigen Gesicht lag ein verzweifelter Ausdruck. „Auch hier wird Halloween gefeiert. In den Kellerräumen der Läden müssen irgendwo Kostüme eingelagert sein oder vielleicht finden wir in der nächst größeren Stadt einen Ganzjahresverleih. Und wenn das alles nichts bringt, häuten wir eben einen ansässigen Wolf und nähen ein wenig Stoff dran. Es gilt die Familie zu beschützen…“ Er schaute auf seine Uhr. „… und wir haben zwei Stunden Zeit dafür.“

Nicht nur über meinen Körper wanderte eine Gänsehaut. Seth und Jacob war es deutlich anzusehen, dass sie von dem Vorschlag, einen Wolf zu töten, nicht gerade begeistert waren. Doch schnell wurde dieses Gefühl abgeworfen. Es galt hinaus zu gehen, zu suchen, und schnell wurden Gruppen gebildet und Routen besprochen. Da sich auch Esme und Carlisle der Suche anschlossen, gestand ich der Gruppe, dass ich lieber bei Renesmee bleiben wollte. Sie wäre zwar nicht alleine gewesen, aber ob ihr Charlie wirklich die Angst nehmen könnte, wusste ich nicht.

Ich wurde noch kurz damit vertraut gemacht, wie ich Ian eine weitere Dosis des Narkosemittels zu verabreichen hatte, und im nächsten Moment standen Charlie, Renesmee und ich alleine im Raum. Die Vampire auf zwei Füßen, die Wölfe auf vier Pfoten, von der Natur zu erbitternden Feinden erkoren und Waren sie doch zusammen auf dem Weg, um die gleiche Familie zu schützen.
 

Ich verbrachte die meiste Zeit damit, vor dem Haus zu stehen und in den Wald hinein zu spähen. Bei jedem noch so kleinen Geräusch oder jeder Bewegung, die mich aus der Dunkelheit erreichte, zuckte ich zusammen. Es war schon nach neun, bald würde sich Ians Vater gewiss Sorgen um seinen Sohn machen. Der Vater, ein hohes Tier bei der Polizei, würde ihm eine ganze Horde an Leuten zur Verfügung stehen, wenn er seinen Sohn nicht finden könnte. Aber vielleicht wusste er auch genau, wo er sich befand. Vielleicht hatte der Junge seinem Vater gesagt, wo er hingehen wollte. Was, wenn er ihn durch das Signal des Handys ausfindig machen würde? Das war doch heutzutage gang und gäbe bei einer Fahndung. Aber das Handy… es hatte noch keinen Mucks von sich gegeben. Also suchte man wahrscheinlich noch gar nicht nach ihm. Oder er hatte gar kein Handy bei sich…

Ich ging ins Haus, erwartungsvoll wurde ich angeschaut.

„Noch nichts“, gab ich preis und lief einige Schritte weiter in den Raum.

„Sag mal Renesmee… hat Ian eigentlich ein Handy?“

„Ja, warum?“ Sie schaute mich mit einem Gesichtsausdruck an, als wollte sie fragen, was uns dieses Wissen jetzt bringen sollte.

„Hat er es bei sich?“

Charlie verstand bereits, als Renesmee sich auf die Suche danach machte.

„Ja, hier ist es.“

Vorsichtig zog sie eines dieser neuen Minimodelle aus seiner Jackentasche heraus.

„Ist es eingeschaltet?“

„Ja.“

Sie drehte das Display zu mir.

„Gut, dann leg es bitte wieder vorsichtig zurück.“

Sie tat es, ohne nachzufragen. Erneut ergriff sie seine Hand.

Ich wollte mich gerade dem Fenster zuwenden, als ich Geräusche von splitterndem Holz wahrnahm. Renesmee lauschte ebenfalls auf. Mein Blick glitt durch die Dunkelheit und sofort erkannte ich Carlisle und Esme, die wahrhaftig einen monströsen Fellhaufen unter den Armen trugen. Carlisle das Körperkostüm und Esme den riesigen, plüschigen Kopf.

Ehrlich gesagt konnte ich mich nicht daran erinnern, wann ich in letzter Zeit so erleichtert gewesen war. Ich hatte die letzte Stunde versucht, mich von jeglichen Konsequenzgedanken dieses Abends fernzuhalten, wollte nicht daran denken, was es bedeuten würde, nun wieder umziehen zu müssen, wieder, schon nach so kurzer Zeit, von vorne anzufangen. Gott sei Dank, schien dies auch nicht mehr notwendig zu sein. Irgendwie würden wir Ian schon dazu kriegen, uns die kleine Täuschung abzunehmen.
 

Eine weitere halbe Stunde war vergangen, bis alle wieder daheim waren. Wir alle waren erleichtert, dass wir nicht wirklich noch zum Nötigsten hatten greifen müssen, indem wir einen Wolf töteten.

Da Jacob mit der größten und kräftigsten Statur aufwarten konnte, sollte ihm natürlich auch, wenn es denn nötig war, die Ehre zu Teil sein, sich in das Kostüm zu zwängen. Aber dies sahen wir nur als letzten Ausweg an, wenn Ian uns die Geschichte aus irgendwelchen Gründen nicht abkaufen würde und wir ein klein wenig Theater spielen mussten. Es waren immerhin nur zirka zwei Sekunden gewesen, in denen er in das Antlitz eines waschechten Werwolfes hatte blicken dürfen. Nach dem Schock, der Ohnmacht und dem Narkosemittel konnte er sich eigentlich nicht mehr darüber im Klaren sein, wie genau der Werwolf ausgesehen hatte.

Wir wollten zunächst abwarten, bis das Mittel nachließ, doch als die Zeit immer weiter vorrückte, brachte ihn Carlisle mit einer Portion Riechsalz wieder in das Land der Lebenden. Schuh und Socke waren wieder an ihrem Platz, das Kostüm in Position… nichts wies auf etwas Ungewöhnliches hin.

Ian zuckte verschreckt zusammen, als er sprungartig die Augen öffnete.

„Ganz ruhig“, drückte ihn Carlisle wieder hinunter. „Du bist Ohnmächtig geworden. Kein Grund zur Sorge.“

Renesmee sprach ebenfalls beruhigend auf ihn ein. Er selber schien zu Überlegen, was passiert war und blickte sich irritiert um. Ich lächelte ihn an, als sein Blick mich traf.

Er ging einen nach dem anderen durch, als würde er etwas suchen. Bei Jacob angekommen, der nah an der Couch auf einen Stuhl saß, zückte dieser den riesigen Wolfskopf hinter sich hervor.

„Ja, du bist ganz schon abgekackt, als du den hier gesehen hast.“

Ian zuckte ängstlich zusammen, wurde sich aber schnell darüber bewusst, dass dies nur ein Kostüm sei und die Angst wich einem anderen Ausdruck.

„Du warst fast zwei Stunden Ohnmächtig“, zog Renesmee seine Aufmerksamkeit auf sich und Jacob legte den Wolfskopf mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden. Das Kostüm sollte für Ian immer noch anwesend sein, er dürfte nur keine Möglichkeit haben, die Unterschiede in dem Gesicht zu erkennen.

„Zwei Stunden?“ Ian richtete sich vorsichtig auf. „Wie spät ist es?“

„Nach Zehn“, ließen wir wieder Renesmee sprechen. Es war natürlich eine recht logische Entscheidung, ihr die meiste Konversation zu überlassen. Kinder fühlten sich grundsätzlich wohler, wenn ebenfalls Kinder ihnen vergewisserten, dass alles in Ordnung sei.

Nachdem sich Carlisle noch einmal nach Ians Wohlbefinden erkundigt hatte, verließ der Großteil der Familie den Raum. Nur Jacob, Edward und ich blieben bei Renesmee und unserem unerwarteten Gast.

Der Junge blickte nach einigem leichten Kopfschütteln hinab, er konnte die Situation wohl immer noch nicht ganz fassen und wurde sich erst jetzt der Berührung zu meiner Tochter bewusst.

Mit beiden Händen ergriff er ihre Hand und drückte sie verlegen.

„Ganz schön peinliche Aktion, was?“

Er versuchte, es mit einem Grinsen zu überdecken, doch man sah ihm an, dass es ihm wirklich peinlich war. Dabei wäre garantiert jeder in Ohnmacht gefallen, der einem Werwolf gegenüberstehen würde.

„Nein, das kann doch jedem passieren.“

„Ja, genauso groß ist die Chance, im Lotto zu gewinnen.“

Daraufhin schwiegen beide. Ian hielt zu Jacobs Missfallen noch immer ihre Hand. Sein Blick war diesbezüglich ziemlich einleuchtend. Um die Situation voran zu treiben, fragte ich:

„Was wolltest du eigentlich so spät noch hier, Ian?“

„Oh… ich wollte nur fragen, ob es bei Morgen bleibt. Weil ihr ja Besuch habt und so, da dachte ich, ich frag noch mal nach, da wir uns heute ja nicht gesehen haben und ich gerade in der Nähe war.“

„Aber natürlich. Ich hätte mich schon gemeldet, wenn meine Pläne sich geändert hätten.“

Ich war verwundert darüber, wie erwachsen sich meine Tochter plötzlich anhörte. Sie hatte eine ganz andere, für mich neue Stimmlage an sich, wenn sie mit Ian sprach. Mein Augenmerk fiel erneut auf Jacob. Mir wäre gerade wohler, wenn er den Raum verlassen würde. Ich wollte nicht gerade riskieren, dass Ian den Wolf noch einmal zu Gesicht bekam.

Renesmee hingegen bekam davon nichts mir, sie lächelte Ian weiterhin an, als wäre er der wichtigste Mensch in diesem Zimmer, und genau das war der Moment, wo wir alle wussten, dass wir uns, was diesen Abend betraf, keine Sorgen mehr machen mussten.
 

Einige Minuten später fuhr Edward Ian nach Hause. Wir hatten darauf bestanden, immerhin hatten wir ihn voller Drogen gepumpt und wären dafür verantwortlich gewesen, wenn ihm etwas auf dem Nachhauseweg passieren würde.

Es wurde spät, Charlie brachte Renesmee ins Bett und las ihr weitere Kapitel von Fahrenheit vor. Danach traf ich ihn auf der Treppe, besser gesagt, ich hatte dort gewartet und begleitete ihn in sein Zimmer. Ich zeigte ihm, wo er Handtücher fand und fragte nach, ob er noch etwas brauchen würde. Er bat mich Platz zu nehmen.

Ich setzte mich auf das Bett, welches früher in Jacobs Zimmer gestanden hatte.

Er lächelte, doch schon seine erste Frage beunruhigte mich irgendwie.

„Wie geht es Renée?“

„Gut, wieso fragst du?“

Ich hatte eigentlich gedacht, dass er noch einmal auf den heutigen Vorfall zu sprechen kommen wollte.

„Darf man denn nicht mal fragen?“

Er streift sich durch das dünner werdende Haar. Man sah ihm an, dass er etwas auf dem Herzen hatte, aber ich kam noch nicht dahinter, was es war.

„Natürlich, darfst du, aber… warum fragst du mich das?“

„Weißt du, Kleines.“ Er setzte sich neben mich und griff nach meinen Händen. Automatisch fing er an hinüber zu streifen, als wolle er sie wärmen. „Nachdem du nach Norwegen gezogen bist, wie deine Mutter glaubt, haben wir kaum noch Kontakt zueinander.“

„Wie meinst du das?“

„Na ja“, grinste er mich schief an. „Was gibt es denn auch groß zu berichten, seit dem du, in ihren Augen, nicht mehr in meiner Nähe bist? Im letzten Jahr haben wir vielleicht fünf Mal miteinander telefoniert, aber… das ist auch in Ordnung so. Wir haben uns auseinander gelebt und jeder ein neues Leben angefangen.“

Er spürte genau, dass mich diese Tatsache nicht gerade glücklich stimmte. Sie waren meine Mom und mein Dad und für mich gehörten sie einfach zusammen, irgendwie jedenfalls. Es sollte nicht so sein, dass sie nur noch an Geburtstagen oder Feiertagen miteinander sprachen. Auch wenn es früher, als ich noch bei meiner Mutter wohnte, auch nicht gerade viel Kontakt gab und mein momentanes Empfinden, dass Eltern irgendwie immer eine Bindung haben würden, Naiv war, wollte ich es so nicht haben.

„Weißt du Bella, ich-“

„Mom hätte es letzte Weihnachten beinahe durchschaut.“ Ich fing einfach an zu reden. Ich wollte ihm etwas erzählen, das mit ihr zu tun hatte, warum wusste ich auch nicht so genau. „Sie hat uns was zu Weihnachten geschickt.“ Ich lächelte kurz in den Raum. „Per UPS, genau auf den Tag abgestimmt. Wie immer wurde es in Norwegen angenommen und am gleichen Tag noch zu uns weiter gesendet, aber davon wussten wir ja nichts. Sie rief dann am Abend an und wollte wissen, wie ich ihr Geschenk denn fände. Nur leider wusste ich ja nicht was drin war, also versuchte ich, drum herum zu reden. Als ihr das dann seltsam vorkam, gestand ich, es bei der Arbeit vergessen zu haben. Ich kam mir so dumm dabei vor.“

Mein Lächeln war verschwunden; ich hasste es so sehr sie anzulügen.

„Und was war drin?“

„Eine dieser neuartigen Uhren mit digitalen Fotospeicher.“

Charlie rieb immer noch über meine Handflächen hinweg. Ich dachte weiter an Renée, versuchte mir vorzustellen, wie sie reagieren würde, wenn ich ihr erzählte, dass die Mythen um Vampire und Werwölfe keine Mythen seien und ihr Renesmee präsentieren würde, die beinahe schon erwachsen war, aber meine fast fünfjährige Tochter sein sollte. Würde sie sich vor uns fürchten?

„Bella?“

„Ja?“

Oder würde sie uns als Monster ansehen?

„Bella, ich wollte noch was mit dir bereden.“

„Mmhh?“

„Ich werde heiraten, Bella.“
 

Kapitel 17 - Familie - Ende

Verlangen

Autor: littleblaze

E-Mail: little_blaze_2000@yahoo.de
 

Disclaimer: Alle Rechte an den Bis(s)-Charakteren gehen auf das Konto von Stephenie Meyer und ich selber verdiene keinen einzigen Cent mit der Story.
 

Neue Charaktere, die Storyline [dementsprechend, die Story selber], selbst erstellte sowie editierte Bilder und sämtliche, für die Story erstellten Extras gehören mir und dürfen nicht ohne meine vorherige Zusage auf anderen Seiten, Portalen oder Foren gepostet werden.
 

Kapitel 18 - Verlangen
 

„Hast du mich verstanden?“

Heiraten? Hatte er heiraten gesagt?

„Ich… ja, du hast gesagt, dass du heiraten wirst.“

Seine Finger hielten nicht mehr die meinen.

„Ich weiß, es kommt ein wenig plötzlich für dich, ab-“

„Nein, nein“, unterbrach ich ihn, stand auf, wedelte übertrieben mit den Händen durch die Luft und hoffte insgeheim, dass das Lächeln auf meinen Lippen nicht ebenso aufdreht wirkte. „Es ist Sue, nicht wahr?“ Ohne ihn antworten zu lassen, fragte ich nochmals nach: „Es ist doch Sue, oder?“

Ob Mensch, Wolf oder Vampir, wir hatten schon vor geraumer Zeit heimlich Wetten darüber abgeschlossen, wann es denn endlich soweit sein würde, bis die beiden diesen Schritt wagten. Sie waren so ein perfektes Paar, viel besser als es meine Eltern zusammen je waren.

„Ja, es ist Sue, und ich kann wirklich gut nachvollziehen, wie du dich jetzt fühlen musst, Bella.“

Er stand nun ebenfalls auf und griff erneut nach meinen Händen, und da erst verstand ich. Seines Denkens nach, war ich vermutlich nicht einverstanden mit ihren Vorhaben und durch das vorherige Thema hatte ich seine Annahme wahrscheinlich noch verstärkt. Aber das eine hatte für mich nichts mit dem anderen zu tun.

Natürlich, war ich irgendwie traurig darüber, dass meine Eltern sich immer mehr auseinander lebten, aber nie hatte ich damit gerechnet, dass sie wieder zueinander finden, sich lieben würden…

„Dad…“ Ich sprach es nicht oft aus, dieses Wort. Bevor ich nach Forks gekommen war, hatte ich mir nicht einmal träumen lassen, eine so enge Beziehung zu meinem Vater aufzubauen, dass er mir so wichtig werden könnte. „… ich freue mich wirklich sehr für dich.“

Ich schlang meine Arme um ihn. Nur ganz kurz, nahm ich mir vor.
 

Alles wollte ich daraufhin erfahren: Wie der Antrag vollzogen worden war, was für ein Ring es war und wie der Ausdruck in Sues Gesicht ausgesehen hatte, als er ihr gegenüber gestanden hatte. Wie seiner war, brauchte ich nicht zu fragen, denn er schien beim Erzählen das gleiche Leuchten in den Augen zu haben wie bei der Tat selbst.

„Und wann wollt ihr nun heiraten?“, fragte ich schließlich.

„Im Mai“, war die schnelle Antwort darauf.

Eine schöne Zeit zum Heiraten. Vor meinen inneren Augen zeichneten sich der farbenfrohe Wald und das Reservat, welcher für dieses Ereignis reichlich geschmückt worden war, ab.

„Es gibt aber leider noch etwas, das nicht so erfreulich ist, Bella.“

Ich horchte von meinen malerischen Tiefen auf, so intensiv, dass ich nicht nur die angespannten Schwingungen von Charlie wahrnahm, sondern auch die flüsternden Stimmen von Edward, Jacob und Seth. Eine Millisekunde befasste ich mich damit, woher sie kamen und konnte sie am oberen Treppengeländer ausfindig machen, dann wand ich meine Aufmerksamkeit wieder irritiert in Charlies Richtung. Was war hier los?

„Was ist?“

Was es auch war, es schien ihm unangenehm, es auszusprechen. Es machte ihn traurig. Ich bekam ein klammes Gefühl in der Magengegend. Konnte einem Vampir eigentlich so richtig schlecht werden?

„Weißt du… Sue will natürlich im Reservat heiraten.“

„Wo auch sonst“, pflichtete ich dem sofort bei. Ich sah noch die Hochzeit von Sam und Emily vor mir, die einfach nur wunderschön gewesen war. Die Feuer, die Gesänge, die Tänze, eine normale Hochzeit war gar nicht vergleichbar damit.

„Na ja, und der Stammesrat macht sich halt Sorgen, diese griesgrämigen, alten Knacker.“ Er lachte leicht auf, was ihn noch nervöser schien ließ. Und anstatt meinen Vater aufzufordern, weiter zu sprechen, kam ich nach kurzem Überlegen selber auf die Lösung.

„Sie verbieten uns zu kommen!“

„Ja.“ Er antwortete ohne Zögern. „Und du musst sie verstehen, Bella. Sie haben Angst. Angst, dass der Fluch weitere Verwandlungen auslöst, wenn ihr Forks betretet. Gerade haben sich die Dinge wieder beruhigt und es ist auch nicht so, dass-“

„Schon gut, Dad.“

Ich verstand es. Ja, doch, das tat ich. Trotzdem war es wie ein Schlag ins Gesicht. Ein heftiger, schmerzender Schlag. Und das schwerste daran war, ihn zu verbergen.

„Bist du dir sicher? Ich meine, vielleicht kann ich Sue noch überreden woa-“

„Nein Dad, es ist okay, wirklich.“

Ich lächelte so gut ich konnte und vernahm gleichzeitig wieder die Stimmen am Treppengeländer. Sie wussten es, sie hatten es die ganze Zeit über gewusst und keiner von ihnen hatte es für nötig gehalten, mich darauf vorzubereiten.

„Es tut mir leid, Bella.“

„Ich weiß, Dad.“

Ich strich ihm beruhigend über den Arm, während ich meinen Schild senkte und geladene Wellen durch die Tür schickte.
 

„Wir dachten halt, dass dies nicht unsere Aufgabe sei.“

„Eine kleine Vorwarnung hätte bestimmt nicht geschadet.“

Ich stand den Dreien gegenüber, die sich plötzlich so einig waren als wären sie siamesische Drillinge.

„Es tut mir leid“, war es Seth, der sich aus der Sicherheit der Gruppe löste und auf mich zukam. „Ich hätte etwas sagen müssen.“

Sein unschuldiger Blick machte mich ganz weich. Er würde bald nicht nur in meinem Herzen zur Familie gehören.

„Hatten Leah und deine Mom deswegen Streit, wegen der Hochzeit?“

Ich würde Bruder und Schwester bekommen.

„Nein.“ Er schüttelte heftig den Kopf. „Es hatte nichts damit zu tun. Leah mag zwar keine Vorschriften und Autorität, aber sie mag deinen Vater. Sie hegt keinen Groll gegen den Wunsch der Beiden.“

Meine Hände streiften unkontrolliert über mein Haar. Ich hatte keine Lust mehr, mir Gedanken darüber zu machen, denn es würde sich eh nichts ändern. Ich würde den Anordnungen des Stammesrates gehorchen und den Boden von Forks und seiner Umgebung nicht betreten. Doch ich tat es nicht für sie, nicht für die griesgrämigen, alten Knacker, sondern für die Kinder, denen ich ersparen würde, einen Fluch zu durchleben und einer Prägung unterstehen zu müssen.

„Ich geh ins Bett.“

Ich drehte mich um und ließ die Drei stehen.

„Ins Bett?“

„Ja, ich brauche das jetzt.“

„Vielleicht dreht sie jetzt durch“, hörte ich Jacob noch flüstern, bevor ich die Tür zum Schlafzimmer erreichte. Ich wand mich wieder um und schenkte ihm einen strahlenden Blick, welchen ihn, glaube ich, mehr ängstigte als alles andere, was ich hätte tun können. Von ihm abgelassen, wand ich mich gedanklich an Edward.

„Kommst du nicht mit?“
 

~ † ~
 

Der Mittwoch begann mit einem voll gestopftem Frühstückstisch. Wir saßen alle drum herum und versuchten. nicht zu sehr auf das Thema Hochzeit einzugehen. Offenherzig gab es einige Glückwünsche, nachdem nun alle von der freudigen Nachricht erfahren hatten, doch kaum einer hielt sich zu lange bei dem Thema auf.

Bis auf Renesmee.

Niemand hatte ihr bis jetzt gesagt, dass es keinen Ausflug nach Forks geben würde, keine Rosenblätter, die sie auf den Weg des Brautpaares streuen könnte, und kein Wiedersehen mit einigen der Wölfe, die sie mit der Zeit zu ihren Freunden gezählt hatte. Sie war so von der Vorstellung begeistert, dass wir sie noch für kurze Zeit in dem Glauben lassen wollten, wenigstens so lange, bis Charlie und Seth wieder abgereist waren.

Für sie war es eine ganz natürliche Sache, dass ihr Grandpa heiraten würde. Sie dachte nicht daran, wie sich ihre Grandma, die sie noch nie zu Gesicht bekommen hatte, dabei vielleicht fühlen würde. Eine Frau, die sie nur von Bildern und Videos her kannte. Jemand, der nur in Geschichten existierte, wie der Weihnachtsmann oder der Osterhase.
 

Gegen Nachmittag fuhr ich Seth in die Stadt. Jacob war um die Mittagszeit in die Autowerkstatt gegangen, um noch etwas fertigzumachen. Danach wollte er mit Seth Namid besuchen.

Jacob selbst war schon vor einiger Zeit erneut in dem kleinen, voll gestopften Laden mit indianischen Souvenirs eingekehrt, um sich Geschichten über den ansässigen Stamm anzuhören. Heute wollte er mit Seth dorthin.
 

Wir durchfuhren eine Pfütze nach der anderen. Die Temperaturen stiegen und der Schnee schmolz von den höheren Lagen hinab. Überall war es nass, obwohl es seit gestern nicht mehr geregnet hatte. Meine Stiefel sogen sich mit Wasser voll, als wir den Wagen verließen.

„Ich glaube, wir fragen uns einfach durch.“

Ich hatte keine Ahnung, wo diese mysteriöse Autowerkstatt eigentlich lag.

„Quatsch, den erschnüffel ich auch so.“

Seth hob die Nase in die Luft und schnupperte in verschiedene Richtungen, bis er sich für eine entschied.

„Es ist nicht weit. Lass uns zu Fuß gehen.“

Er griff nach meinem Arm und hakte sich bei mir unter.

Wir gingen in der Nähe der Schule vorbei und an dem kleinen Möbelgeschäft, in dessen Schaufenster ich einen wunderschönen Frisiertisch erblickte. Er erinnerte mich an den meiner Mutter. Des Öfteren hatte ich sie dabei beobachtet, wie sie vor ihm gesessen und einfach nur stur in den Spiegel hineingeblickt hatte. Ich war noch klein gewesen und fragte nicht nach, was sie bedrückte. Ob sie es mir verraten hätte, stand auf einem ganz anderen Blatt; oder ob ich nur eine Lüge erhalten hätte, wie man sie kleinen Kindern nur zu gerne auftischte.

„Warum ist Leah nicht mitgekommen?“

Warum dachte ich gerade jetzt an sie?

Seth stoppte in seiner Bewegung.

„Was ist?“, kommentierte ich seinen Stillstand.

„Nichts, wir wären nur gleich da gewesen.“

Ich zog nun ebenfalls die Luft durch die Nase ein und nahm Jacobs Geruch zusammen mit einer Mischung von Benzin, Öl, Schweiss und einem ziemlich süßlichen Aroma wahr.

„Es hat wirklich nichts mit der Hochzeit zu tun“, versicherte Seth mir erneut.

„Das glaube ich dir ja auch, aber das beantwortet noch lange nicht die Frage. Also, was ist los?“ Ich war Leah in den letzten Jahren doch um einiges näher gekommen und wusste mit ziemlicher Sicherheit, dass sie sich eine Chance, Jake zu sehen, nicht so einfach entgehen lassen würde. „Was war zwischen ihr und eurer Mom?“

„Gott, wo fang ich da nur an?“

Er lächelte.

„Reduzier es einfach auf das Wesentliche.“

Ich zog Seth an der Jacke mit mir und lehnte mich an eine Häuserwand. Ein junges Paar ging an uns vorbei und beobachtete uns interessiert; was sie sich wohl in ihrer beengten Vorstellungskraft dachten?

„Du weißt ja, Leah war noch nie so wirklich zufrieden. Es gibt da nicht mal was Spezifisches, eigentlich findet sie immer irgendeinen Grund zu meckern, aber besonders schlimm ist es für sie, in Forks gefangen zu sein.“

Ich schaute auf meine Füße hinab. Es wäre idiotisch, Leah und Renesmee diesbezüglich zu vergleichen, aber die Erfahrung mit meinem eigenen Kind ließ mich Leah besser verstehen können.

„Sie hat eigentlich immer davon geträumt, hinaus in die Welt zu gehen. Nach New York, Chicago oder San Francisco, eine große Stadt mit einer Menge Menschen. Sie hat früher oft zu mir gesagt: Und wenn du die Schnauze voll hast von dem ganzen Mist hier, dann kommst du einfach zu mir.“ Er grinste in sich hinein und begutachtete abwechselnd seine Handfläche und deren Rücken. Ich wollte nicht nachfragen, welche Erinnerung sich in seinem Kopf abspielte. „Dann hat sie sich verliebt, na ja, wir wissen ja alle in wen und wie es ausgegangen ist, was den Drang zu verschwinden natürlich noch stärker werden ließ. Und dann-“

„… würde sie selber vom Fluch getroffen“, beendete ich seinen Satz.

Er nickte nur sacht.

„Und jetzt, wo ihr weg seid und alles ruhiger geworden ist, es nichts mehr zu bekämpfen gibt, will sie gehen. Sie will raus, weg… leben. Aber der Stammesrat, Sam und auch meine Mom sind natürlich dagegen. Nicht, weil sie vielleicht gebraucht werden würde, es gibt mittlerweile genügend Ersatz an Wölfen, sondern, weil es einfach zu gefährlich ist. Vampire gibt es schließlich überall auf der Welt, was wenn sie alleine einem begegnet? Wenn ihr ein Mensch weh tut oder sie wütend auf jemanden wird und es nicht kontrollieren kann? Wenn si-“

„Aber Jacob habt ihr gehen lassen“, störte ich seine Ansammlung an Argumenten.

„Jacob ist etwas anderes. Er ist bei euch, nicht alleine. Er stand in der Rangordnung oben und… er musste schließlich gehen. Er hätte ohne Renesmee nicht überleben könn-“

„Sag das nicht“, unterbrach ich ihn erneut. Auch wenn es vielleicht wahr war, stieß mich dieser Fakt immer wieder ab. Woher wollte man eigentlich wissen, was passieren würde? Gab es Präzedenzfälle dafür? Hatte man eine weltweite Studie bei Gestaltenwandler vorgenommen und sie darüber befragt?

„Wie dem auch sei, es ist anders. Auch ich finde, dass es nicht gerade gut wäre, Leah einfach so gehen zu lassen.“

Seine Ansicht enttäuschte mich ein wenig. Dachte er wirklich, dass es besser wäre, sie alle für ewig in ihrem kleinen Reservat einzusperren? Das war doch nicht der Seth, den ich kannte. Oder sah ich das alles gerade nur zu emotional, spiegelte ich vielleicht nur zu viel von meinem eigenen Familienleben in die Sache hinein? Ich hatte gerade sogar so viel Mitleid parat, dass ich mir kurz ausmalte, wie es sein würde, wenn Leah eine Weile bei uns leben würde.

„Aber was hat das mit diesem Besuch zu tun?“

Die Zusammenhänge waren mir noch immer nicht ganz klar.

„Es hat nicht wirklich etwas damit zu tun.“

Fragend schaute ich ihn an.

„Unsere Mom und Leah hatten am Tag zuvor einen mächtigen Streit wegen dieser Sache. Es flogen so richtig die Fetzen und es wurden ein paar wirklich hässliche Dinge gesagt. Es eskalierte immer mehr, bis Leah sich schließlich ungewollte verwandelte. Die halbe Küche ging dabei zu Bruch. Dein Dad, der die ganze Zeit versucht hatte, zu schlichten, ich dachte, ihm würde jeden Moment das Herz stehen bleiben. Ich meine, es ist schon was anderes, einen Werwolf einfach nur zu sehen oder einen zu erleben, wie er wutentbrannt die halbe Küche zerstört und der Frau, die du liebst, mit fletschenden Zähnen gegenüber steht. Aber er hat sich vor meine Mutter gestellt, mit gespreizten Armen, um sie zu beschützen. Wäre ich an seiner Stelle gewesen, hätte ich nach meiner Waffe gegriffen. Ich war ziemlich beeindruckt davon, dass er dies nicht einmal in Erwägung gezogen hat.“

Ein erleichternder Laut ging über meine Lippen. Mir waren die gefährlichen und bedrohlichen Seiten eines Werwolfes ebenso bekannt wie seine schützenden und guten. Ich konnte mir sehr genau vorstellen, welche Angst mein Vater verspürt haben musste. Und trotzdem, hatte er beschützt, was ihm wichtig war.

„Danach ist Leah raus gerannt“, fuhr Seth fort. „Sie hat sich ins Cullenhaus eingenistet. Ich habe noch versucht, sie zu überreden, mitzukommen, aber sie meinte nur, sie könne Charlie gerade nicht in die Augen schauen.“

„Mmhh…“

„Es ist für uns alle nicht einfach-“ Er stoppte urplötzlich, als hätte ihn gerade ein Geistesblitz getroffen und sein Blick wechselte sprungartig von betrübt zu belustigt. „Sag mal, wie soll ich dich jetzt eigentlich nennen? Große oder kleine Schwester?“

„Ich bin immer noch älter als du.“

Ich streckte ihm meine Zunge entgegen.

„Wirklich?“

Er lachte auf und ich boxte ihn leicht in die Seite aufgrund seiner Stichelei. Das ich in jedermanns Augen eher als die jüngere gelten würde, störte mich eigentlich gar nicht, und ich wollte auch schon in sein ansteckendes Lachen mit einsteigen, als mir ein anderer Gedanke kam.

„Seth!“

„Ja?“

Er hatte sofort gemerkt, dass es mir ernst war. Sein Lachen verschwand.

„Versprich mir, dich mindestens alle zwei Tage kurz zu verwandeln.“

Seine Oberlippe verzog sich nur kurz, er hatte verstanden.

„Keine Angst, Bella. Ich werde dir schon nicht wegsterben.“

„Ehrenwort?“

„Großes Wolfsversprechen!“

Er salutierte, hob die Finger zum Schwur und brummte es mit einer autoritären Stimme hervor.
 

Einige Minuten zu spät steuerten wir schließlich die kleine Autowerkstatt mit dem einfallsreichen Namen „Jake’s Garage“ an.

„Passt doch“, grinste ich Seth noch vergnügt zu, bis mich das folgende erstarren ließ:

Dunkler Teint, schwarzes Haar, eine Größe von ca. 1,70 m und Augen, die wahrscheinlich den Großteil der Männerwelt direkt gefangen nehmen würde. Wenigstens wusste ich nun, woher der süßliche Geruch gekommen war.

Mit schnellen Schritten, wahrscheinlich ein wenig zu schnell, stand ich binnen kürzester Zeit neben dem Auto, unter dessen Motorhaube Jake zugange war.

„Ich glaube, deine Freunde sind jetzt da“, erklang es liebreizend und sie lächelte Seth und mich zaghaft an. Auch diese Geste war einfach nur schön und passte wunderbar in ihr Gesicht hinein. Ich hasste sie augenblicklich. Das unser Auftauchen ziemlich plötzlich von Statten gegangen war, wischte sie wohl einfach aus ihrer Wahrnehmung hinfort.

„Und wer bist du?“, fragte ich sie, während sich Seth zu Jacob hinunter beugte.

„Mein Name ist Chenoa.“

Sie streckte mir ihre Hand entgegen, deren Fingernägel bis ins kleinste Detail makellos waren. Wie konnte ein menschliches Wesen nur so perfekt sein? Die Sekunden vergingen viel zu schnell und es war nicht einfach nur ein Zögern, nein, ich hatte mich bewusst dazu entschlossen, ihr nicht meine Hand zu reichen.

Werkzeug, das auf den Boden gelegt wurde, ein Geräusch von kleinen Rädern und auch, dass Jacob im nächsten Moment neben mir stand, all das war nur vorhersehbar. Er presste meinen Körper gegen seine Seite und grinste blöd.

„Du musst sie entschuldigen. Sie hat es nicht so mit neuen Menschen.“

Sie war doch bestimmt schon 20 Jahre alt, wenn nicht noch älter.

Wieder blieb ich an ihrem makellosen Aussehen hängen, vergewisserte mich sogar, dass unter dem süßlichen Geruch des Parfüms auch noch der von noch süßerem Blut zu finden war.

„Ich muss sowieso jetzt los. Sehen wir uns morgen?“

Sie überging meinen analysierenden Blick kommentarlos und lächelte Jacob ungeniert an.

„Diese Woche komme ich nicht mehr.“ Er lächelte zurück.

„Schade…“ Bei dem eigentlichen Vorhaben, ihren Kopf traurig zu senken, stieß sie wieder auf meinen Blick. Sofort schwang ihrer wieder in die Höhe. „Dann, bis nächste Woche, Jake. War nett, euch kennen zu lernen“, richtete sie sich nun an Seth, der nur schweigend nickte.

Daraufhin verließ sie in graziöser Manier den Platz.

„Sag mal, tickst du nicht mehr echt“, hielt ich es keine weitere Sekunde mehr aus. Ich schlug ihm unabsichtlich einen Schraubenschlüssel aus der Hand; mit lautem Scheppern landete er auf dem Boden.

„Was habe ich denn getan?“

Er baute sich dicht vor mir auf und sah mir fest in die Augen.

„Was? Na, das da…“ Mein Zeigefinger schoss in die Richtung, in der Ms. Amerika verschwunden war. „Was soll das?“

„Und ich frage dich noch einmal: Was habe ich denn getan? Oder warte, ich verstehe. Wenn deine Tochter mit anderen Jungs die Biege macht, da sie ja immer noch ihren eigenen Willen hat und selber entscheiden kann, dann ist es okay, aber wenn ich, der ja dazu verpflichtet ist, ihr für alle Zeit beizustehen und sie zu lieben, nur mal mit einem anderen, hübschen Mädchen zu sprechen wage, ist es direkt der Weltuntergang in deiner kleinen, perfekten Welt.“

Die letzten Worte sprach er in einem zunehmend, gehässigen Tonfall aus.

„Das ist nicht fair“, zischte ich ihm, ohne zu überlegen, entgegen.

„Genau, das ist es nicht, Bella.“

Wenn Blicke dem Sprichwort nach töten könnten, wäre einer von uns garantiert tot umgefallen.

„Hey, hey! Beruhigt euch mal wieder. Es ist doch gar nichts passiert.“

Seth berührte uns beide an der Schulter.

Gut, vielleicht war nichts passiert, aber trotzdem… es fühlte sich so nach Betrug an.

Jacob schaffte es zuerst, den Mund aufzumachen.

„Sag das nicht mir.“

„Pah!“

Ich drehte mich um und schritt wütend von dannen. Ein schwächlicher Abgang, aber ich wusste schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr genau, ob meine Wut wirklich gerechtfertigt war.

„Bella!“

Meine Schritte wurden noch schneller. Wo hatte Seth nur den verdammten Wagen geparkt?

„Bleib stehen!“

Ich überquerte die Straße, ohne mir wirklich sicher zu sein, in die richtige Richtung zu laufen

„Bella, nun warte doch.“ Seine Hand schlang sich um meinen Oberarm und im nächsten Moment schaute ich ihm schon in seine großen, dunkelbraunen Augen. „Es tut mir Leid, okay. Aber, mein Gott, was willst du denn von mir hören? Dass ich nie wieder in meinem Leben mit einem Mädchen spreche? Sorry, aber das kann ich nicht bringen.“

„Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob du mit jemanden sprichst oder einem schönen Mädchen Hoffnungen machst“, ließ ich wieder ein Stück der Wut hinaus.

„Wer sagt denn, dass ich das getan habe?“

„Ach komm schon, dass war doch kaum zu übersehen.“

„Ich habe nichts dergleichen getan. Gar nichts! Es ist, wie soll ich sagen… schön!“

„Tzz.“

Ich drehte mich weg und abermals hielt er mich auf.

„Einfach nur schön, mal mit jemand Außenstehenden zu sprechen, nicht über Vampire, Wölfe, neue Identitäten oder blutige Angelegenheiten nachdenken zu müssen; einfach nur mal wieder ein ganz normaler Mensch zu sein, der über das Wetter und die steigenden Benzinpreise reden kann. Und wenn Chenoa sich dabei irgendwelche Hoffnungen machen sollte, dann ist dies ihr Problem und nicht meines. Bis jetzt hat sie mir diesbezüglich nichts erwähnt und wenn sie es tun sollte, werde ich ihr zu verstehen geben, dass sie keine Chance hat und dass ich anderweitig gebunden bin.“

Ich wusste genau, dass er nicht log, aber auf der anderen Seite ging es um meine Tochter. Um einen Menschen, der mir so wichtig war, dass ich unter keinen Zustand zulassen wollte, dass er verletzt werden würde.

„Es hört sich fast so an, als täte es dir leid.“

Er gab eine verzweifelte Geste zum Besten.

„Du interpretierst wieder einmal viel zu viel rein, Bella. Natürlich hätte jeder gern die Macht, sein Leben selbst zu bestimmen, dass heißt aber noch lange nicht, dass das vorgegebene schlecht sein muss.“

„Du würdest also nicht wieder nach Forks zurück, wenn du könntest?“

Er verstummte und nicht nur ich wartete gespannt auf eine Antwort. Seth war zwar körperlich einige Meter entfernt, aber ich konnte deutlich spüren, wie gebannt er war.

„Das steht doch auf einem ganz anderen Blatt.“

„Tut es das?“

„Ja.“

Ich wusste so genau, dass ich ihm gegenüber ungerecht tat, also zwang ich mich regelrecht zu meiner nächsten Aussage: „Du hast Recht. Ich sollte mich nicht einmischen. Es tut mir leid.“ und ließ ihn endgültig stehen.
 

Auf dem Weg nach Hause versuchte ich mir vorzustellen, welche Schritte die Prägung einleiten würde, falls Jacob Interesse an einem anderen Mädchen bekam. Funktionierte es überhaupt?

Gewiss, es war unfair, ihn als Eigentum meiner Tochter anzusehen, ihm zu verwehren, andere Bekanntschaften zu schließen, und ehrlich gesagt, konnte ich nicht einmal mit Gewissheit sagen, ob es Renesmee groß stören würde.

Aber mich störte es!

Mir wurde klar, dass ich diese Einmischung von Außerhalb als Bedrohung für meine Familie ansah. Andererseits erlaubte ich Renesmee und mir selber, Freundschaften aufzubauen, was wiederum total egoistisch und einfach nicht korrekt gegenüber Jake war. War ich denn wirklich so verbohrt?

Ich parkte den Wagen neben Ians Rad hinter dem Haus und sofort schlug das schlechte Gewissen noch härter zu. Doch lange konnte ich nicht daran halten, stieß mir der deutliche Geruch von Tierblut in die Nase.

Mein steigender Hunger wurde mir schmerzlich bewusst.

Charlie und Esme spielten mit Ian und Renesmee ein Gesellschaftsspiel im Wohnzimmer. Alice und Jasper waren nicht da. Wo waren sie? Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass sie heute hatten ausgehen wollen.

Edward folgte gerade einem schnellen Pfad durchs Haus, um in die Küche zu gelangen und ich? Ich hing der unsichtbaren Spur von Blut in der Luft nach. Vor der Mülltonne blieb ich stehen. Als ich den Deckel gerade anhob, öffnete sich die Hintertür des Hauses; Edward stand in ihr.

„Blut?!“

Ich wusste nicht genau, ob ich es als Frage oder Feststellung hinaus gebracht hatte. Ein beinahe unkontrolliertes Verlangen ließ mich intensiver den Geruch einziehen.

„Ein Kaninchen und ein Eichhörnchen, Jasper vergräbt sie gerade im Wald.“

Ich legte den Deckel wieder auf.

„Renesmee?“

„Ja.“

Edward schloss die Tür hinter sich und kam die kleinen Stufen hinunter.

„Es ist nicht das erste Mal.“

„Ich weiß. Gestern konnte ich es in ihren Gedanken sehen.“

Ich wollte mich irgendwie bewegen, eine Geste der Unmut zum Besten geben, aber mir fiel nichts Passendes ein.

„Wir müssen mit ihr reden“, kam es viel zu sanft über meine Lippen.

„Das habe ich schon.“

„Und, was hat sie gesagt?“

Er griff nach meiner Hand und wir ließen das Haus einige Schritte hinter uns.

„Sie habe Hunger.“

„Das ist ihre Ausrede dafür?“

Ich löste meine Hand aus seinem Griff und rieb mir durchs Gesicht. Eine eigentlich total unnötige Geste.

„Normales Essen scheint sie nicht mehr richtig zu sättigen.“

Er sagte es so ruhig.

„Was willst du damit sagen? Dass sie jetzt zum 0-8-15 Vampir mutiert?“

Ich fuchtelte kurz mit den Armen in der Luft herum, fand dies aber auch schnell total unnötig und ließ sie daraufhin einfach nur wieder nutzlos an mir hinab hängen.

„Nein.“ Er schüttelte leicht mit dem Kopf; sollte mich das etwa beruhigen? „Carlisle meint, dass sie vielleicht nur einen Wachstumsschub hat und deswegen mehr Energie bräuchte.“

„Als ob sie nicht schon schnell genug wachsen würde.“

Ich war den Tränen nahe, wenigstens fühlte es sich laut Erinnerung so an. Warum musste alles nur so verdammt schnell gehen?

Zärtlich umschlossen mich Edwards Arme.

„Es ist in Ordnung, Bella. Sie tut nichts anderes als wir auch.“

Trotzdem musste mir dies nicht gefallen. Ich wollte immer, dass sie so normal wie möglich war, um in dieser Welt auch außerhalb der Familie bestehen zu können. So erleichtert war ich gewesen, dass sie auch mit normaler Nahrung überleben konnte; ab und an mal ein Tier, das war okay. Aber was, wenn das alles jetzt vorbei war… sie nur noch töten musste, um zu überleben? Und was, wenn ihr Tierblut vielleicht irgendwann nicht mehr reichen würde?
 

~ † ~
 

Plötzlich hatte ich wieder so viele Dinge, die mich beschäftigten, und was dabei an oberster Stelle stand, war ich nicht mal in der Lage zu sagen: Alices Visionen, Jacobs plötzliches Bedürfnis nach Gesellschaft oder Renesmees drastische Essensumstellung?

Wenigstens mussten wir uns wegen Ian keine Sorgen machen. Der Werwolfvorfall war laut Edward schon als so gut wie uninteressiert in seiner Erinnerung abgespeichert. Nichts deutete darauf hin, dass er dem noch irgendwelche Bedenken schenkte.

Am gestrigen Abend hatte ich meinen Mann des Weiteren gebeten, einen genauen Blick auf Jacobs Gefühlswelt zu werfen. Ob es richtig war, ihn auf diese Weise auszuspionieren? Ganz sicher nicht, aber ich wusste mir einfach keinen anderen Rat, um meine Unsicherheit beiseite zu schieben.

Wie er schon beteuert hatte, empfand er nichts bezüglich Chenoa. Er genoss ihre Anwesenheit, aber damit hatte es sich dann auch. Viel überraschter war ich, dass sich die Gefühle zu Renesmee im Laufe der vergangenen Woche auf eine neue Ebene begeben hatten. Ob das plötzliche Auftauchen von Ian damit in Zusammenhang stand, konnte ich nur vermuten. Fest stand jedenfalls, dass Jacob immer mehr davon absah, Renesmee als das kleine Mädchen zu sehen, dass es zu beschützen galt. Er verspürte Eifersucht, einen kaum zu bändigenden Zwang, sich zwischen Ian und sie zu stellen, und er träumte davon, sie nicht nur als Freund in den Armen zu halten. Ob er sich dieser Träume eigentlich auch bewusst war?
 

Heute wartete Renesmee voller Sehnsucht auf die Ankunft von Ian, da sie zusammen mit Charlie zum Bowlen verabredet waren. Sie tänzelte in einem neuen Outfit ungeduldig vor dem Haus herum. Etwa zehn Minuten bevor er dann endlich auftauchte, nahm mich Alice zur Seite.

„Er kommt nicht allein.“

„Sein Vater?“

Das letzte, was wir gebrauchen konnten, war ein Polizist im Haus.

„Nein, Kajika.“

Kajika? Was wollte er denn hier und warum kam er mit Ian hierher?

„Was will er?“

„Keine Ahnung, aber du kannst ihn das ja gleich selber fragen.“

Sie lächelte mich verzückt an. Irgendwie schien es ihr Spaß zu machen, mich mit ihm aufzuziehen, nur leider half mir das nicht groß weiter, als ich an der Reihe war, Edward und die restliche Familie auf unseren unerwarteten Besuch vorzubereiten. Was Edwards Abneigung gegen Kajika anging, so war es bestimmt nicht der Umstand, dass wir befreundet waren, sondern eher das Dilemma, dass er nicht in Kajikas Gedanken vordringen konnte. Wie dem auch sei, mussten wir uns nun mit seinem Kommen auseinandersetzen, und so ließen wir Renesmee alleine auf dem Rasen zurück, wartend auf ihren Freund.

Als Ian dann endlich aufs Grundstück einbog, winkte sie ihm fröhlich entgegen. Dass sie überrascht war, dass er nicht alleine kam, gab sie ausgezeichnet vor.

Ian stellte sie einander vor und erklärte, dass er Kajika unterwegs getroffen hätte und dieser sich spontan entschlossen hatte, seiner Klassenkameradin Bella einen Besuch abzustatten. Es hatte schon etwas belustigendes, wie die Beiden auf einem einzigen Fahrrad über den Weg gefahren waren.

Renesmee rief meinen Namen und einige Sekunden später trat ich hinaus.

„Kajika? Was tust du denn hier?“

„Spontanbesuch“, lächelte er mich freizügig an.

„Gibt es irgendetwas Besonderes?“

Ich spielte auch nicht gerade schlecht, wenn es darum ging, überrascht zu wirken.

„Nein, es war einfach nur so eine Idee, weil du ja wieder mal nicht in der Schule warst und ich nur mal fragen wollte…“ Er beugte sich ein wenig vor und zwinkerte. „… was so läuft.“

Was so lief? Einiges, aber damit konnte ich ihn nicht behelligen. Also schleifte ich ihn erstmal ins Haus und stellte ihm die Familie vor: Meine Adoptivmutter Esme, Charlie, der Vater von Esme, und Renesmee, die Nichte von Esme und somit meine Cousine. Seth stellten wir als alten Schulfreund von Jacob vor, der zufällig ebenfalls gerade zu Besuch war.

Ich hatte gerade alle miteinander bekannt gemacht, als Kajika zusammenklappte wie ein Akkordeon ohne die benötigte Luft. Reflexartig fing ich ihn auf und genauso schnell wurde mir die Aufmerksamkeit von Ian bewusst, woraufhin ich mich mit Kajika fallen ließ, als wäre er zu schwer für mich. Mit seinem Oberkörper gegen meinen gedrückt, kamen wir auf dem Boden an.

Renesmee schrie leicht auf und Esme, Edward sowie Ian kamen sofort zu uns gerannt.

„Das ist normal, keine Sorge“, durchdrang Ians Stimme alle besorgniserregenden Klänge im Raum. Er beugte sich zu uns hinab und griff nach Kajikas Handgelenk; er suchte und fand den Puls. Wie gut kannten sich die Beiden eigentlich?

„Ja, alles okay“, versicherte er noch einmal, nachdem er seine Aufmerksamkeit einige Sekunden auf den stabilen Rhythmus gerichtet hatte. Vielleicht hätte ich dies besser sein lassen, das Geräusch ließ mich nur wieder den Hunger spüren. Nur noch zwei Tage, mahnte ich mich. Am Freitag hatten wir mit Jacob und Seth einen kleinen Jagdausflug geplant, während Ian mit Charlie und Renesmee auf dem Mount Hays den Sternen ihre Aufwartung machen wollten. „Er wacht gleich wieder auf, er-“

„Ich weiß.“ Ich legte einen beruhigen Ton in meine Worte. „Lass ihn uns auf Sofa legen.“

„Es ist besser ihn nicht zu bewegen.“

„Wirklich? Das wusste ich nicht.“

Ich blickte auf den leblosen Körper hinab.

„Wenn er dir zu schwer wird, kann ich gerne übernehmen.“

„Nein, es geht schon.“

„Sicher?“

„Ja.“

Ian ließ nun von dem Jungen in meinen Armen ab und wand sich wieder Renesmee zu. Er erklärte ihr genau was gerade geschehen war und dass sie sich keine Sorgen machen müsste. Esme gesellte sich zu Charlie und den Kindern, und Alice trat zu uns heran.

„Er sieht wirklich niedlich aus, wenn er so ungeschützt daliegt, nicht wahr, Edward?“

„Ja, total“, kam es bissig über seine Lippen. „Aber wenigstens bekomme ich so einen kleinen Einblick in seine Gedanken.“

„Lass das“, stieß ich hervor.

Ob es Edwards Abneigung gegen ihn zu Grunde lag oder dass so eine schreckliche Krankheit feige ausgenutzt wurde, spielte keine Rolle. Ich fand es einfach nur abstoßend in diesem Moment. „Hör auf, in seinen Gedanken herumzustochern.“

„Bella?“

Er sah mich an, als könnte er nicht begreifen, was ich von ihm verlangte.

„Nein Edward. Du gehst hier eindeutig zu weit und solange es keinen Grund dafür gibt, ihm zu misstrauen, verbiete ich es dir.“

Alice ließ ein kleines Pfeifen durch ihre gespitzten Lippen dringen, drehte sich anmutig um 180 Grad und tänzelte davon.

„Du verbietest es mir?“

Sein Ausdruck hatte etwas ganz Neues angenommen. Enttäuschung vielleicht, Unverständnis.

„Ja, solange es keiner Notwendigkeit dient. Und das tut es hier meiner Meinung nach kein bisschen. Du bist nur neugierig und willst das, was du nicht haben kan-“

Eine kleine Zuckung in meinen Armen ließ diese Unterhaltung abrupt stoppen.

Mein Blick lag wieder auf Kajika, der immer noch die Augen geschlossen hatte. Edward schaute mich von der Seite her an, als wollte er mir mitteilen, dass das letzte Wort hier noch nicht gesprochen worden war, dann wand er sich ab und ging. Nur einen Atemzug später schlug Kajika die Augen auf.
 

Im Auto dachte ich immer noch über meine Worte nach. Richtig, seine körperlichen Schwächen gegen ihn auszunutzen, fand ich es immer noch nicht, aber ich konnte mich nun auch ziemlich gut hineinversetzen, wie Edward sich aufgrund meines Befehls gefühlt haben muss.

„An der nächsten Kreuzung musst du links.“

„Ihr wohnt aber ziemlich weit weg von der Schule.“

„Ja, aber gerade find ich es richtig gut. Das ist wirklich ein tolles Auto.“

Jungs und ihre Autoliebe.

„Möchtest du mal fahren?“

„Ich?“

Kajikas Augen leuchteten blitzartig auf.

„Sitzt noch jemand im Wagen, den ich hätte fragen können?“

„Ich würde wirklich nur zu gern, aber ich habe nicht mal einen Führerschein.“

„Hast du nicht?“

„Wegen meiner Krankheit darf ich nicht mal alleine mit dem Fahrrad fahren.“

Schon war das Leuchten wieder in ungeahnte Tiefen verschwunden.

„Das tut mir leid.“

Er starrte gedankenverloren aus dem Fenster und ich tat es ihm nach, während wir durch Pfützen fuhren, die schon beinahe kleine Seen sein könnten.

„Ist es Anfang Februar immer so mild.“

Es war ein einfacher Versuch, ihn wieder aus seinem Loch zu schaufeln.

„Als ich klein war, stand mir der Schnee bis zum Knie. Aber in den letzten zehn Jahren taute es immer schneller ab. Tja, wir bleiben wohl nicht von der Klimawende verschont.“

„Du wohnst also schon immer hier?“

„Da vorn musst du wieder links.“ Er deutete in eine weitere Kreuzung. „Und ja, schon mein ganzes Leben. Kanada ist kein Land, für das man sich so eben mal entscheidet. Entweder man wächst hier auf oder man läuft vor irgendetwas davon.“

Sein Blick zeigte zwar immer noch nach vorn, trotzdem fühlte ich mich ertappt.

„Na, vor was ich wohl davon laufe.“

Ich lachte leicht auf, um es witzig klingen zu lassen.

„Apropos davonlaufen. Seid ihr jetzt richtig zusammen, du und Edward?

„Ja.“

„Liebst du ihn, ich meine so wirklich?“

Dass mich sein Blick nun wieder mit voller Wucht traf, erschreckte mich ein wenig.

„Ja. Ja, das tue ich.“

„Gut.“ Er blickt wieder nach vorn. „Geht ihr am Dienstag auf den Ball?“

„Ich… ich weiß noch nicht. Wir haben noch nicht darüber gesprochen. Ehrlich gesagt, halte ich nicht so viel von dem ganzen Rumgetänzel. Sag mal, woher kennst du eigentlich Ian?“

„Das ergibt sich so, wenn die Eltern wichtige Posten in einer Stadt innehaben. Schon als Kinder besucht man die gleichen Veranstaltungen. So etwas schweißt zusammen. Da vorne, das beige Haus, da wohne ich.“

Die letzten Meter durchfuhr mich plötzlich die Annahme, dass vielleicht etwas nicht stimmte. Er war die ganze Zeit über so ruhig gewesen; keine Scherze, kein Versuch mich zum Lachen zu bringen.

Ich parkte an der Auffahrt und stieg zusammen mit Kajika aus.

„Schon gut, den Rest schaff ich schon alleine“, winkte er ab. „Ach, und Bella.“

„Mmhh?“

„Ich freue mich wirklich für dich und Edward.“

„Danke.“

Mit meiner Antwort vernahm ich ein Geräusch hinter mir. Kajika registrierte es einige Augenblicke später; zusammen schauten wir in dieselbe Richtung. Ohne Zögern winkte ich Alyssa zu, als ich sie erblickte. Erst jetzt viel mit wieder ein, dass sie direkt nebeneinander wohnten.

„Ich muss jetzt gehen.“

Er hob noch kurz die Hand zum Gruß und ließ mich dann stehen. Ich schaute ihm noch nach, bis er im Haus verschwunden war, dann begab ich mich zu der kleinen Grenze zwischen den Grundstücken.

Ein durchdringendes Gefühl im Nacken stach dabei auf mich ein, als würde mich jemand bei diesem Gang interessiert beobachten. Sollte es Kajika sein, der hinter einem Fenster lauerte, oder waren es fremde, feindselige Augen… Es fühlte sich so bekannt an… Ich blickte mich suchend um.
 

Kapitel 18 - Verlangen - Ende
 

Wettbewerb! Noch knapp eine Woche bis zum Ende des Wettbewerb. Wer noch nicht mitgemacht hat, kann gerne mal vorbei schauen: http://chiisa-na-sekai.hosting-kunde.de/blog/littleblaze-Eternity/index.html
 

Musikvideo! Das Twilight-Musikvideo, welches ich vor einiger Zeit mal als kleines Special zur Story erstellt habe und welches bis jetzt nur als Download verfügbar war, kann nun auch auf Youtube angesehen werden. Wer es also noch nicht kennt, kann gerne mal vorbeischauen... http://www.youtube.com/watch?v=2uDLmC9BlBk

Kurz durchatmen

Autor: littleblaze

E-Mail: little_blaze_2000@yahoo.de
 

Disclaimer: Alle Rechte an den Bis(s)-Charakteren gehen auf das Konto von Stephenie Meyer und ich selber verdiene keinen einzigen Cent mit der Story.
 

Neue Charaktere, die Storyline [dementsprechend, die Story selber], selbst erstellte sowie editierte Bilder und sämtliche, für die Story erstellten Extras gehören mir und dürfen nicht ohne meine vorherige Zusage auf anderen Seiten, Portalen oder Foren gepostet werden.
 

Kapitel 19 - Kurz durchatmen
 

Doch nichts konnte ich erkennen.

Zuerst galt mein Blick den Fenstern von Kajikas Haus, doch waren keine neugierigen Augen hinter verhängten braunen Vorhängen auszumachen; nicht hinter kahlen Zweigen, noch war irgendetwas anderes zu erkennen, was mich beunruhigen sollte. Ich sog sogar prüfend die Luft ein, doch auch dabei, wurde mir nichts Fremdes oder Gefährliches preisgegeben. Aber auch wenn alle meine Sinne Entwarnung gaben, wäre ich am liebsten ziellos umher gerannt, um was auch immer zu finden.

Es war so vertraut und gleichzeitig auch nicht. Es fühlte sich anders an, so wie vor kurzem auf dem Mädchenklo. Hier war es intensiver, noch einen Tatsch beängstigender. Es schien beide in gewisse Weise zu verbinden und doch ganz anders zu sein. Für eine Sekunde zweifelte ich an meinem Verstand.

Als ich mich wieder Alyssa zu wand und die restlichen Meter Weg zu ihr hinter mir ließ, blieben meine gesamten Sinne in der entgegengesetzten Richtung hängen. Es schrie unaufhörlich in meinen Kopf: „Dreh dich um!“, „Pass auf, da ist etwas!“ doch riss ich mich zusammen, stellte mich an den weißen Holzzaun und verbrachte die nächsten Minuten mit ungefährlicher Konversation.

Als diese letztlich beendet war, existierte das Gefühl der fremden Existenz nicht mehr; ein anderes hatte es ersetzt. Eine Mischung aus Angst, Vorsicht und Unruhe. Als wenn man genau wusste, dass etwas passieren würde, man sich aber nur nicht über den Zeitpunkt im Klaren war.

Mit einem unguten Gefühl stieg ich in den Wagen und fuhr heim.
 

Das Lenkrad nach rechts gedreht, um auf das Grundstück zu fahren, erhaschte ich eine schnelle Bewegung. Mit voller Kraft schlug das ungute Gefühl wieder zu und mein erster Gedanke war, zu beschleunigen, ins Haus zu flüchten und Hilfe zu holen, doch als ich denjenigen erkannte, der die Bewegung verursacht hatte, presste ich meinen Fuß stark auf die Bremse.

Der Wagen allerdings schaffte es nicht ganz so schnell zu reagieren wie ich es getan hatte und so blieb Edward nichts anderes über, als einen kleinen Satz zur Seite zu machen, wenn er nicht mit dem Gefährt zusammen stoßen wollte.

Ich starrte geradeaus durch die Wundschutzscheibe, als der Wagen endlich zum Stehen kam und mein Kopf suchte eine andere Definition für: Mein Herz setzte vor Schreck aus. Vieles hatte die Verwandlung zwar zum besseren gewendet, doch viel mehr Mut und weniger Schreckhaftigkeit konnte auch sie mir nicht verleihen.

Edward beugte sich ein wenig hinunter und schaute mich durch das Beifahrerfenster prüfend an. Seine Finger klopften leicht gegen das Glas.

„Können wir reden?“

Ich hätte ihn überfahren sollen, auch wenn es im Endeffekt nur dem Wagen geschadet hätte, schoss es mir durch den Kopf, als ich ausstieg und die Tür offen stehen ließ. Ich wusste genau, worüber er reden wollte.

„Warum tust du so was?“ Ich ging um den Wagen herum und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du lauerst mir auf und erschreckst mich beinahe zu...“ Tode war das Wort, welches ich nicht aussprechen konnte. Total neben der Spur fühlte ich mich zu diesem Zeitpunkt, wie unter Schock.

„Ich wollte mich nicht im Haus mit dir streiten.“

Streiten?

Nicht reden, diskutieren, sondern streiten? Er war sich schon von vornherein sicher, dass es dazu kommen würde?

Ich zügelte meine abwehrende Haltung nicht, sondern verstärkte sie noch.

„Sorry, aber ich habe gerade keine Lust, hier zu stehen und mir deine Vorwürfe anzuhören.“

War es denn wirklich so falsch, was ich getan hatte?

„Dann setz dich von mir aus auf den Boden, aber du wirst mir jetzt zuhören!“

Er kam so energisch auf mich zu, dass ich, wäre das Auto nicht hinter mir gewesen, einen Schritt zurück getan hätte. Er griff nach meinen verschränkten Armen und zog sie auseinander.

Ich zuckte bei der Berührung zusammen und auf einmal… war es ganz still zwischen uns.

Sofort schallte es in mir: „Was hast du getan!“

Er schaute mich an, irritiert und erschrocken.

Ich verstand zuerst nicht, was gerade passiert war, obwohl es doch ganz klar mein Körper gewesen war, der die Signale ausgesendet hatte.

„Niemals!“

Seine Stimme war fremd, dennoch von ungebrochener Stärke und seine Augen spiegelten Ungläubigkeit.

Er zog mich an sich, drückte meinen Kopf an seine Brust.

„Das wird nie passieren, hörst du?“

„Ich weiß! Ich weiß!“

Ich wollte mich aus der Umarmung drücken, damit er mein Gesicht sehen konnte, damit ich ihn von Angesicht zu Angesicht vergewissern konnte, dass ich es wusste, doch die stärkere Seite von mir presste sich so nah an ihn wie sie nur konnte. Ich suchte mit meinen Fingern seine Hände. Griff nach ihnen, verkeilten uns so fest ineinander, dass ein normal Sterblicher das nächste Krankenhaus hätte aufsuchen müssen.

„Ich könnte dir niemals wehtun, Bella.“

Seine Lippen drängten sich über mein Gesicht.

„Das weiß ich, Edward.“

Die Stärke wich der Verzweiflung, seine Lippen wanderten über meine Haut und ich konnte erst einmal nichts anderes tun als den Kopf zu schütteln. Ich wusste wirklich nicht, was gerade in mir passiert war.

„Bella-“

Sein Kuss fühlte sich fest an, beständig, jedoch spürte ich die Unsicherheit in jeder Faser seines Körpers.

„Es tut mir leid“, entschuldigte ich mich. Er hielt mich immer noch fest im Arm.

Wie hatte das nur passieren können? Wie konnte ich nur aus Angst vor seiner Berührung zurück schrecken? War es nur eine Frage der Zeit gewesen, dass ich durchdrehte… immerhin wartete ich, durch Alices Visionen und durch dieses neue, unbehagliche Gefühl, ja schon fast darauf, dass etwas passierte.

„Ich glaube, ich werde langsam verrückt“, gestand ich nun auch Edward ein. „Die Veränderungen bei Renesmee, dieses komische Gefühl verfolgt zu werden und das mit Ali-“

„Wer verfolgt dich?“

Mit einem schnellen Ruck war ich gut einen halben Meter von ihm entfernt.

„Niemand, denke ich. Es war nur ein Gefühl.“

„Bist du sicher?“

Kurz überlegte ich. Es war bis jetzt wirklich nur ein Gefühl gewesen, es gab keinerlei Hinweise darauf, dass da wirklich etwas war.

„Ja. Ich denke schon.“

Ich erzählte ihm von dem Empfindung auf dem Mädchenklo und die gerade erst geschehene Situation.

„Ist es vielleicht Kajika?“

„Was?“

„Könnte er es sein, der dich beobachtet?“

„Nein. Er war bei mir, als ich es spürte.“ Nicht ganz der Wahrheit entsprechend, aber ich sah hier keinerlei Verbindung zu Kajika. „Warum denkst du eigentlich so schlecht von ihm?“

Ich konnte es nicht verstehen. Kajika hatte ihm für nichts einen Grund gegeben. Vorsichtig versuchte ich mich aus seinem Griff zu winden, doch eine Hand umschloss weiterhin meinen Oberarm.

„Weil ich ihm nicht vertraue.“

„Du meinst, weil du nicht in seinen Kopf sehen kannst.“

Er gab sich nicht einmal Mühe, dies zu verstecken.

„Was denkst du eigentlich, wie der Rest der Menschheit sich vertraut, Edward? Ich habe das Gefühl, dass du dich einfach zu viel auf deine Gabe verlässt. Ab und an solltest du es einfach mit ein wenig Menschenkenntnis versuchen und nicht direkt die Alarmglocken schrillen lassen, nur weil du nicht in der Lage bist, alles über eine Person zu erfahren.“

„Ja, vielleicht ist das so.“ Er hielt mich immer noch an den Oberarmen fest. „Ich bin nun mal lieber auf der sicheren Seite, wenn meine Familie auf dem Spiel steht.“

Ich konnte nicht glauben, dass er für seine Verbohrtheit die Familie vor schob.

„Und was war mit mir? Meine Gedanken könntest du schließlich auch nicht lesen. Warum war ich dann so interessant für dich? Nur weil ich dazu noch roch, wie ein 1A-Gourmetbüffett?“

„Ich sage nicht, dass ich richtig handle, aber ich kann einfach nicht anders, Bella. Er ist dir zu nah, um mein Misstrauen einfach mit gut Glück fort zu spülen. Er macht mich nervös. Er macht mir Angst. Kannst du das denn nicht irgendwie verstehen?“

„Nein, nicht wenn du deine Ängste auf einen anderen abwälzt, nur weil du ihn nicht kennst.“

Ich schüttelte mich frei und drehte mich um, damit ich wieder in den Wagen steigen konnte. Seine feste Stimme hielt mich jedoch davon ab.

„Dies hier ist keine Diskussion mehr, oder?“

Er fragte nicht wirklich und ich schaute ihn nur an.

„Wir streiten, nicht wahr?“

„Ja.“

„Zum ersten Mal seit wir verheiratet sind.“

„Ja.“

„Ich wusste, dass es soweit kommen würde, aber, ist es das wirklich wert?“

Sein fragender Blick traf mich hart und alles in mir wusste, dass es das nicht war. Ich wollte nicht mit ihm streiten, nicht um Kajika und auch nicht über die Fehler, die er oder ich manchmal machten. Wir liebten uns so sehr, dass wir beschlossen hatten eine Ewigkeit zusammen zu sein.

„Nein! Nein, das ist es ganz und gar nicht.“

Beschämt drückte ich mich gegen seine Brust.
 

„Was wolltest du noch sagen?“

Wir saßen im Auto und fuhren die letzten Meter bis zum Haus.

„Nichts, wieso?“

„Doch, du wolltest noch etwas sagen. Ich denke, irgendwas mit Alice.“

„Mit Alice?“, setzte ich meine Unschuldsmiene auf und tat als würde ich nachdenken. Ich hätte mich wirklich beinahe verquatscht, fiel mir nun wieder ein. „Nein, sorry. Wahrscheinlich habe ich nur gemeint, dass sie mich im Moment ziemlich nervt… mit shoppen gehen und so.“

Ich versuchte einen genervten Gesichtsausdruck aufzusetzen, während ich den Mann belog, dem ich noch vor kurzem versprochen hatte, dass es keine Geheimnisse mehr zwischen uns geben sollte.

Er grinste.

„Geh einfach mit ihr shoppen, dann gibt sie wieder ein paar Wochen ruhe.“

„Ja“, lächelte ich zurück und parkte den Wagen.

Seine Finger legten sich sanft auf meine Wange und zogen ihre Kreise. Seine dunklen Augen wurden wieder nachdenklicher.

„Hey!“ Ich drückte seine Hand leicht gegen meine Wange, bewusst darüber, was ihn immer noch bedrückte. „Ich weiß auch nicht, was vorhin mit mir los war. Bitte verzeih mir.“

Seine Hand schob sich meinem Mund entgegen und ich küsste zärtlich ihre Innenfläche.

„Weißt du, das hat mich ganz schön erschreckt.“

„Ja, mich auch.“ Und wie. Nie hätte ich damit gerechnet, ihm so eine Reaktion entgegen bringen zu können. „Ich weiß genau, dass du der letzte auf dieser Welt wärst, der mir wehtun würde.“

„Vergiss es nur nie, okay?“

Ich nickte sacht und ließ mich über Handbremse und Schaltung hinweg gegen ihn fallen. Ich genoss seine Nähe, hatte aber den Eindruck, als hätte ich mit diesem Gespräch mehr Probleme geschaffen als zuvor da gewesen waren. Und wofür das Ganze? Die Sache mit Kajika war immer noch nicht wirklich geklärt und dazu würde Edward in Zukunft wahrscheinlich jedes Mal Schuldgefühle bekommen, wenn er nur mal die Stimme ein wenig erheben würde. Er würde es nicht so schnell vergessen können.

Wir stiegen aus und gingen Hand in Hand ins Haus. Ich wollte mir gar nicht erst vorstellen, wer und wie viel man von unserem Gezanke mitgekriegt hatte. Edwards Finger entglitten mir als ich mich Alice anschloss, die mit einer Gießkanne durch den Flur ging und mich mit einem Zwinkern auf sich aufmerksam gemacht hatte.

„Vielen Dank, dass du nichts verraten hast“, flüsterte sie mir ins Ohr, während sich Edward zu den anderen ins Wohnzimmer begab. Renesmee hüpfte auf einem Bein in seine Arme.

Ich wollte Alice gerade etwas antworten, als Jacob in der Küchentür erschien und Alice die Gießkanne abnahm.

„Danke“, lächelte sie ihm zu und hüpfte nun ebenfalls auf einem Bein davon.

Kurz schaute ich ihr nach, wie sie das Wohnzimmer erreichte und dann mit Renesmee spielerisch im Kreis herum hüpfte, dann drehte ich mich wieder zu Jacob um. Er stellte die Gießkanne an ihren Platz. Ich trat auf ihn zu.

Sein Blick stellte die Frage: „Was willst du jetzt schon wieder von mir?“; er versuchte dies aber mit einem Lächeln zu verstecken. Er war gewiss die Person, der ich in letzter Zeit am meisten zugesetzt hatte.

„Es tut mir leid“, räusperte ich mich daher.

„Und für was dieses Mal?“

Er zeigte mir dieselbe abwehrende Geste, die ich gerade noch meinem Mann zum Besten gegeben hatte.

„Alles eben. Am liebsten würde ich auch noch einige Entschuldigungen für meine zukünftigen Taten draufsetzen, aber ich denke, so einfach wirst du es mir nicht machen.“

„Gewiss nicht.“

„Wirklich, ich hätte mich bei der Sache mit Chenoa nicht einmischen dürfen.“

„Ist okay“, gab er langsam seine Haltung auf. „Ich weiß ja schließlich, warum du es tust.“

„Nein, ist es nicht. Ich habe nicht das Recht, dir Schranken aufzustellen, nur weil eine überirdische Macht dir sagt, dass du an die Seite meiner Tochter gehörst.“

Er kam auf mich zu. Zuerst dachte ich, er würde vor mir stehen bleiben, um weiter zu sprechen, doch er bückte sich nur leicht zu mir hinunter, während er an mir vorbei ging und hauchte mir ins Ohr: „Aber genau dort ist mein Platz.“

Ich schoss herum, während er schon beinahe die Tür erreicht hatte. Er blickte sich noch einmal um, zwinkerte mir zu und plötzlich… konnte ich es sehen… die Veränderung in seinem Blick. Es schien noch etwas anderes zu sein, das ihn hielt.
 

Einige Minuten hatte ich alleine in der Küche zugebracht und mich gefragt, wie viel Ians Auftauchen mit dieser Veränderung in Jacob zu tun hatte. War es nur die Eifersucht, dass Ian Zeit mir ihr verbrachte? Oder waren es auch die kleinen Veränderungen, die mit Renesmee vorgingen, sobald Ian das Grundstück betrat? Wie sie versuchte, erwachsener und ernster zu wirken, sobald er ihr gegenüberstand; wie keine Spur von Kindlichkeit mehr in ihrem Erscheinen und in ihrer Aussprache lag?

Als ich daraufhin ebenfalls das Wohnzimmer betrat, konnte ich nicht darum herum, mich zu fragen, wem sie eigentlich etwas vorspielte; Ian, um in seinen Augen nicht wie ein Kind gesehen zu werden, oder der Familie, um uns in dem Glauben zu lassen, dass sie immer noch unsere kleine Renesmee war? Sie wusste genau, wie ich darunter litt, dass sie so schnell wuchs. Verstellte sie sich vielleicht nur, damit ich nicht unglücklich war?

Es hatte schon einige Momente gegeben, in denen ich mich gewundert hatte, gestutzt, wie erwachsen sie mit mir gesprochen oder argumentiert hatte. War ich bis jetzt einfach nur zu blind gewesen, um es zu erkennen?

Ich setzte mich neben Charlie, der mir leicht auf das Bein klopfte und mich anlächelte. Ich legte meinen Kopf gegen seine Schulter, wobei mein Blick weiterhin auf meiner Tochter lag, die nun zu der fröhlichen Melodie, die Edward auf dem Klavier spielte, sang.

Sie schaute mich an, als spürte sie meinen Blick, und lächelte mir zu. Ich klopfte auf den freien Platz neben mich und sofort machte sie sich auf den Weg quer durchs Zimmer, um meiner Bitte nachzukommen.

Ich drückte sie an mich.

„Es soll morgen regnen“, berichtete sie mir.

„Aber nur bis zum Nachmittag“, beruhigte ich sie. Ich wusste genau, dass sie sich Sorgen wegen des Ausflugs mit Ian und Charlie auf dem Mount Hays machte. Sie legte ihren Kopf auf meinen Schoss und ich fuhr ihr leicht durchs Haar.

„Wie wäre es, wenn wir morgen etwas Zeit miteinander verbringen?“

„Nur wir zwei?“

Sie schaute zu mir hoch.

„Ja, das haben wir schon eine Ewigkeit nicht mehr getan.“
 

~ † ~
 

Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg nach Chestnut.

Es war eine schöne eineinhalbstündige Fahrt, in der man viele Eindrücke von der Landschaft erhaschen konnte.

Wir sangen zu Liedern aus dem Radio, auch wenn wir die Texte zuvor nicht kannten, und versuchten die Autos anhand der Nummernschilder ihrer Heimat zuzuordnen.

Chestnut war mit der Einwohnerzahl von zirka einer Millionen Menschen eine weitaus größere Stadt als Prince Rupert und so konnten wir uns frei bewegen, ohne Angst davor haben zu müssen, jemand bekanntem zu begegnen.

Wir besuchten einige Sehenswürdigkeiten, die wir uns auf der Internetpräsenz der Stadt herausgesucht hatten, schauten Straßenkünstlern zu und besuchten das größte Einkaufszentrum der Stadt.

In den Unmengen an Geschäften dachte Renesmee natürlich zu aller erst an die anderen. Für Alice kaufte sie eine neue Bluse, Esme bekam die neuste Generation an Acrylfarben, Carlisle ein Buch, Jasper ein neues Konsolenspiel und Edward eine neue CD. Sie überlegte auch etwas für Emmett und Rosalie mitzunehmen, jedoch hatte sie erst kürzlich ein Päckchen zu ihnen geschickt.

Zwei Geschenke hielt sie aber mit süßem Lächeln vor mir geheim, für wen sie waren, verriet sie allerdings: eines für Ian und eines für Jacob. Und als hätte ich die Bedeutung der Dekoration vorher nicht richtig verstanden, ragten mir plötzlich unzählige Ballons in Herzform vor die Augen. Rosa Schleifen, Blumen, Herzen und Schriftzüge gaben preis, dass am nächsten Dienstag Valentinstag sein würde.

Ich denke, ich war in diesem Moment ziemlich froh darüber, dass Edward und ich beschlossen hatten, uns nichts zu schenken, denn auch wenn der Gedanke kurz in mir aufkeimte, hätte ich beim besten Willen nicht gewusst, was ich besorgen sollte, um ihm eine Freude zu machen. Obwohl seine guten Manieren sich garantiert dazu hingerissen hätten, sich über alles, was ich mitgebracht hätte, zu freuen.

Nachdem für Renesmee noch eine neue Jacke und drei Paar Schuhe raus gesprungen waren, wünschte sie sich ein Eis. Wir bestaunten beide die riesige Vielfalt. Sorten, von denen ich noch nie zuvor gehört hatte und bekannte Schokoriegel prangten hier als Eissorte vor unserer Nase. Zum ersten Mal seit langem schwelgte ich kurzlebig in Versuchung etwas anderes als die warme, rote Flüssigkeit hinunterzuschlucken.

Ich ging der Verkäuferin aus dem Weg, die gerade ihre Periode hatte. Es war zwar Blut und weckte das Verlangen, etwas zu sich zu nehmen, aber es roch unappetitlicher als verdorbener Fisch. Auch schob ich meine Tochter an dem Verkäufer vorbei, der mit großer Sicherheit mexikanischer Abstammung war und es anscheinend nicht hinbekam, sich nach dem Toilettengang die Hände zu waschen. Als wir dann endlich bei einer für mich akzeptable Verkäuferin ankamen, entschied sich Renesmee für sechs verschiedene Sorten.

Wir setzten uns in ein Gebilde, das mehr einem kleinen Stadion als einer Sitzgelegenheit ähnelte. Die riesigen Stufen aus Stein dienten dabei als Sitzplätze, während sich in ihrer Mitte ein riesiges Wasserbecken befand, in dem zum Takt einer Melodie Wasserfontänen in die Luft geschossen wurden. Es war ein schönes Schauspiel, dem man leicht stundenlang hätte beiwohnen können. Ich verfiel abermals ins Grübeln.

Renesmee konnte die Augen nicht von dem nassen Spektakel lösen, ich meine nicht von ihr. Was, wenn es wirklich so sein sollte? Wenn sie wirklich schon viel weiter war, als sie uns verriet und sich nur so kindlich benahm, weil ich es mir wünschte?

Ihr freudiges Lachen holte mich aus meinen Gedanken hervor. Ich schaute ihr wieder zu, wie ihre Augen leuchteten und alles Neue in sich aufnahmen, bis es kurz vor Vier war und ich sie daran erinnerte, dass sie heute Abend noch verabredet war. Wir machten uns auf den Weg.

Wir gingen am Schuh- und CD-Laden und an der Tierklinik vorbei, die mir auch schon vorher aufgefallen war, und fanden schnell zum Wagen. Es vergingen nur wenige Minuten, bevor sie auf dem Sitz eingeschlafen war.
 

Wieder im Kreis der Familie überreichte Renesmee direkt ihre kleinen Mitbringsel. Nur Jacob vertröstet sie, garantierte aber, auch ihm ein Geschenk besorgt zu haben; er müsse sich einfach noch ein wenig gedulden.

Keine fünf Minuten später wies meine Tochter darauf hin, dass sie Hunger habe und Esme bot sich direkt an, ihr etwas zu zubereiten, doch Renesmees Blick glitt Hilfe suchend zu Edward.

Genau wie er verstand ich sofort. Sie wollte kein Sandwich oder ein ausgeklügeltes Drei-Gänge-Menü. Sie wollte jagen, sie wollte Blut.

Ich denke, dass alle, bis auf Charlie, es verstanden hatten.

„Na komm, wir schauen mal, was wir in der Küche so finden.“

Edward schritt auf sein kleines Mädchen zu und nahm sie bei der Hand.

„Ich helfe euch.“ Lächelnd schloss ich mich ihnen an. „Soll ich dir direkt was mit machen, Charlie?“, wand ich mich noch mal zurück.

„Nein danke, ich habe gegessen, kurz bevor ihr wieder gekommen seid.“

Ich lächelte weiterhin und schritt mit Mann und Kind in die Küche.

Dass wir uns anders ernährten, war Charlie natürlich bewusst. Wir redeten zwar nicht groß darüber, wenn er anwesend war, aber immerhin sah er uns niemals essen. Dass sich allerdings Renesmee nun ebenfalls von menschlicher Nahrung abzuwenden schien, sollte er nicht mitbekommen. Es würde sie noch unmenschlicher erscheinen lassen, als sie es eh schon war.

Ich schloss die Küchentür hinter uns.

„Kann das denn nicht bis morgen warten, Kleines? In einer knappen Stunde möchtest du doch mit Ian und Grandpa Sterne gucken gehen.“

„Kann ich nicht lieber mit euch jagen?“

Edward und ich schauten uns verwirrt an.

Ich drückte mich von der Tür ab, an der ich bis dahin gelehnt hatte.

„Schatz! Ich dachte, du freust dich so sehr auf diesen Ausflug. Und du weißt doch, dass Grandpa morgen wieder nach Hause fliegt. Willst du denn nicht noch ein wenig Zeit mit ihm verbringen?“

„Natürlich will ich das, aber ich habe so großen Hunger.“

Ihre Stimme klang schon beinahe flehend.

„Sollen wir es nicht erst mal mit etwas aus dem Kühlschrank probieren?“

Mein aufmunterndes Lächelnd verschwand als sie den Kopf heftig schüttelte und ihre Augen sich langsam mit Tränen füllten. Hilfe suchend schaute nun ich Edward an und als er ebenfalls zu mir aufsah, trat Jacob durch die Hintertür des Hauses hinein. Ich hatte mich schon gefragt, wie lange es dauern würde, bis dies geschah. Seine Anwesenheit hatte ich schon die ganze Zeit über gespürt.

„Ich geh mit ihr!“

Renesmee strahlte ihn an.

„Was ist schon dabei, wenn wir uns kurz auf den Weg machen?“

Jacob spielte seine Ritterrolle ausgezeichnet, die gepeinigte Prinzessin hatte sich schon an ihn geklammert.

„Ihr müsst in einer Stunde wieder hier sein, besser noch früher“, wies Edward sie ohne Zögern an.

„Kein Problem.“

Und ehe ich selber auch noch zu Wort kam, waren die beiden schon aus der Küche verschwunden.

Edward und ich schauten ihnen durch die geöffnete Tür nach, bis wir sie nicht mehr erkennen konnten. Ich nahm seine Hand und drückte mich gegen ihn.

„Glaubst du, dass es nur vorübergehend ist?“

„Ich hoffe es.“

Ich ließ mich mehr in seine Arme gleiten, während mich selber der Hunger überkam. Ich wollte auch endlich raus, jagen, meinen Körper von der warmen Flüssigkeit durchströmen lassen und einfach mal wieder ein paar Tage ohne quälenden Hunger verbringen.

Schloss ich meine Augen, konnte ich mir sogar schon vorstellen, wie ich hinter flinken Pfoten, die in Todesangst vor mir davon rannten, her jagte; wie ich meine Beute schließlich in die Enge trieb, der rasende Herzschlag, und wie ich mich letztendlich auf das schutzlose Tier stürzen würde.

Ohne Vorwarnung schoss mir auf einmal durch den Kopf, wie schnell aus einem Jäger die Beute werden konnte und wie ich vor Kajikas Haus ängstlich darauf gewartet hatte, dass mich etwas aus dem Unbekannten heraus anspringen würde.

Ich richtete mich wieder auf.

„Wir können sie nicht auf diesen Berg lassen, Edward.“ Er schaute mich verdutzt an. „Dieses Gefühl beobachtet zu werden, es ist zwar nur ein Gefühl, aber wenn nur die kleinste Möglichkeit besteht, dass da was dran ist, dann können wir die drei nicht ungeschützt mitten in der Nacht auf einen Berg steigen lassen.“

Er versprühte nun ebenfalls ein wenig Besorgnis.

Ich hielt kurz inne, als sich jemand der Küche näherte, doch es waren nur Alice und Jasper.

„Du kannst es ihr aber doch nicht wieder verbieten, nachdem du ihr gerade noch dazu geraten hast.“

„Ich will es ihr auch gar nicht verbieten.“ Die Tür schwang hinter mir auf und wieder zu. „Ich werde sie begleiten.“

Eine Hand legte sich ohne Umschweife auf meine Schulter.

„Jasper und ich können das erledigen.“

Ich drehte mich zu der zierlichen Person um und hatte keinen Zweifel daran, dass sie jeden töten würde, der meinem Kind zu nahe kommen würde.

„Du hast dich viel zu sehr auf diesen Ausflug gefreut“, argumentierte sie. „Und Seth geht morgen wieder nach Forks. Du wirst ihn eine ganze Weile nicht wieder sehen können. Außerdem hast du schon viel länger als Jasper und ich nichts mehr gegessen.“ Ihre Hand strich an meinem Arm hinunter. „Es wird Zeit, Bella.“

„Seid ihr sicher?“

„Jasper wollte sich schon lange mal die Sterne anschauen, nicht wahr, Liebster?“

Sie lächelte ihm zuckersüß zu.

„Wenn du das sagst“, grinste er zurück.
 

Renesmee und Jacob stürmten nach einer knappen dreiviertel Stunde völlig außer Atem zurück ins Haus. Während sich Jake schlaff auf die Couch warf, spurtete Renesmee weiter in die Küche.

Jacob grinste über beide Ohren, als ich in fragte, was denn mit ihr los sei.

„Sie versucht nur, einen Klumpen Schnee zu retten.“

Ich schaute Jacob verdutzt an und folgte meiner Tochter in die Küche. Vor dem Kühlschrank fand ich sie, gerade das Gefrierfach schließend.

„Was ist denn los?“

Hechelnd versuchte sie den versäumten Sauerstoff aufzuholen und gleichzeitig zu sprechen, was ihr allerdings misslang. Sie nahm meine Hand in ihre und legte sie zusammen an meinen Hals.

Renesmee und Jacob sprinteten den Berg hinauf. Der Geschmack von Blut lag auf ihrer Zunge.

Umso höher die Beiden kamen, umso mehr Schnee kreuzte ihren Weg.

„Das Zeug ist manchmal echt nervig“, rief sie Jacob zu, nachdem sie mit einem Fuß in ein Loch gerutscht war, das durch die weiße Schicht unsichtbar verdeckt gewesen war.

„Aber man kann schöne Dinge daraus machen“, entgegnete er.

Sie holte ihn ein.

„Bis sie wieder schmelzen“, neckte sie ihn und rannte davon. Auf seinen nur zwei Beinen war er nicht ganz so schnell wie sie und dieses Wissen nutzte sie geschickt aus.

Nicht lange dauerte es, bis sie am Gipfel, der sich eher wie eine größere Platte vor ihnen erstreckte, angekommen waren. Es würde heute nicht das einzige Mal sein, dass Renesmee hierher kommen würde. Man konnte ganz deutlich die Vorfreude auf die heutige Nacht in ihr spüren.

Nur wenige Minuten waren vergangen, seit sie das Haus verlassen hatte, noch kein Grund zur Eile, sagte sie sich, schloss die Augen und sog die Gerüche von Schnee, Tannen und dem nicht weit entfernten Meer ein. Das Gefühl von Freiheit war in ihrem ganzen Körper zu spüren.

Hinter ihr erklang ein Geräusch, das sich bekannt, aber nicht sehr vertraut anhörte. Als sie sich dem zu wand, erblickte sie Jacob auf den Boden hockend, seine großen Hände schaufelten einen Berg Schnee zusammen.

„Was tust du da?“

Sie ging zu ihm hinüber und hockte sich ebenfalls hin.

„Baust du einen Schneemann?“

„Etwas viel Besseres.“

Jacob grinste sie breit an und in Renesmee loderte die Neugierde auf. Gespannt starrte sie auf das, was Jacob erschaffen würde. Sie schien sich zuerst nicht sicher, was sie dort erkennen sollte, doch nach einigen Blickkontakten zwischen Jacob und dem Kunstwerk erkannte sie es.

„Das ist ein Wolf, nicht wahr?“

Sie war mächtig stolz auf sich, es erraten zu haben.

„Ja.“

„Der ist super, Jake.“

„Aber nur bis er schmilzt.“

Jacob stand lächelnd auf und schüttelte sich den Rest Schnee von den Kleidern. Bei Renesmee allerdings machte sich Traurigkeit breit.

„Das darf nicht geschehen“, stammelte sie hervor und Jacob schien gerade nicht zu wissen, wie er darauf reagieren sollte.

„Da kannst du aber nicht viel dran ändern, Ness.“

„Wer sagt das?“

„Und wie willst du ihn vor den Sonnenstrahlen beschützen?“

Er deutete in den Himmel hinauf.

„Wir könnten ihn mit nach Hause nehmen und ins Eisfach legen.“

Sie hielt stur an ihrem Vorhaben fest und schien mächtig stolz auf ihre Idee zu sein.

„Du schaffst es niemals, so schnell beim Haus zu sein… hier oben ist es kalt, aber umso weiter du runter kommst, umso wärmer wird es.“

Er sagte es nicht irgendwie angreifend oder in dem Wunsch, ihr die Hoffnung zu nehmen, trotzdem überwog nun das Verlangen, ihm davon zu überzeugen, dass sie schaffen könnte, was sie sich vorgenommen hatte.

„Das werden wir noch sehen.“

Meine Tochter lächelte mich an; sie hatte ihr Vorhaben mit einem Sieg davon getragen.

Ich strich ihr die zersausten Haare aus dem Gesicht.

„Du solltest noch schnell unter die Dusche gehen.“

Sie schielte auf die klotzige Uhr aus Eichenholz, die über der Tür hing.

„Ich beeil mich.“

Auf ihrem Gesicht lag weiterhin das Lächeln, als sie mir geschwind einen Kuss auf die Wange drückte und aus dem Raum verschwand.
 

Eine weitere Stunde später machte sich die eine Gruppe auf den Weg, einen Berg zu besteigen, die andere, das Festland zu erreichen. Jacob, Seth, Edward und ich fuhren mit den Wagen hinüber und lenkten auf das Gebiet zu, in dem Edward und die anderen schon einmal gejagt hatten. Es schien gut bewildert und von jeglicher Zivilisation abgeschirmt zu sein; ein 1A Jagdgebiet also.

Während die Umgebung auf der anderen Seite des Fensters an mir vorbei raste, durchzog meinen ganzen Körper ein nervöses Kribbeln. Zu Beginn der Fahrt hatte ich mir immer noch Sorgen um Renesmee und die anderen gemacht, doch umso näher wir unserem Ziel kamen, umso mehr versuchte sich der Hunger und die zügellose Lust der Jagd in den Vordergrund zu schieben. Es faszinierte mich auch nach Jahren immer noch wie der doch eigentlich eher tierische Trieb alles in den Hintergrund schieben konnte. Nichts außer der Beute selbst schien in diesen Minuten von Belang zu sein.

„Du hast niemals wirklich gejagt, wenn du nie einen Menschen getrieben hast.“

Es waren Vladimirs Worte gewesen und mit bebender Stimme hatte er sie mir ins Ohr geflüstert.

Sie wären so einfallsreich, so hartnäckig, wenn es darum ging, zu überleben, hatte er gemeint. Eine wirkliche Herausforderung, wenn man den Richtigen erwischen würde. Und wie erregend es sein sollte, wenn die Zähne durch menschliche Haut drangen…

Ich hatte mich damals von dem Gespräch abgewendet und den Raum verlassen, doch jetzt musste ich an die erste Begegnung mit Dylan denken. Wie ich mir vorgestellt hatte, ihn zu jagen, dass er nicht so schnell aufgeben würde und-

Ich schüttelte den Kopf.

„Ist etwas?“, fragte mich Edward postwendend vom Fahrersitz aus.

„Nein, nein…“ Ich legte meine Hand auf seine, welche die Schaltung umschlungen hatte, und streichelte über seine Finger hinweg. „Nur eine nervige Erinnerung.“

Meine Lippen umspielte ein Lächeln als er mich ansah, fast einer Ewigkeit gleich, obwohl er seinen Blick eigentlich auf den Verkehr hätte richten sollen, und ich fragte mich sofort, wie weit er mir den gestrigen Zwischenfall wohl schon verziehen hatte.
 

Als ich das nächste Mal in den Wagen stieg, war ich für eine kurze Zeit rundum befriedigt. Ich fühlte mich gestärkt, aufgeladen könnte man schon fast sagen. Zum ersten Mal seit langer Zeit war kein Fünkchen Hunger mehr in mir.

Zufrieden stieg ich wieder aus dem Wagen. Das Haus gab einiges an Licht preis, jedoch herrschte in Renesmees Fenster beruhigende Dunkelheit. Ich brauchte nicht erst nach ihrem Atem, Herzschlag oder Geruch zu suchen… ich spürte, dass sie friedlich schlummernd in ihrem Bett lag.

Einen kurzen Bericht über die Jagd ließ ich noch ins Wohnzimmer fließen, dann ging ich hinauf. Leise öffnete ich die Tür zu ihrem Zimmer. Auch wenn ich wusste, dass es ihr gut ging, wollte ich sie dennoch sehen, bevor ich der Nacht ihre Ruhe gönnte.

Vor ihrem Bett kniend, blickte ich auf das friedliche Gesicht.

„War heute ein schöner Tag?“

Wie zu erwarten, kam keinerlei Reaktion auf meine geflüsterten Worte. Lächelnd hinterließ ich einen sachten Kuss auf ihrer Stirn und verließ das Zimmer.
 

~ † ~
 

Der nächste Morgen begann für den schlafenden Teil der Familie ziemlich früh. Ein schnelles Frühstück und die restlichen Sachen gepackt, machte sich die ganze Familie schon um kurz nach sieben Uhr auf den Weg zum Flughafen. Mit der Fähre ging es nach Digby Island.

Die Luft war klar und frisch, kalt würde in vielen Beschreibungen wahrscheinlich auch noch hinzukommen. Ein dickes Wolkenband zog mit uns zusammen über das Wasser; Alice hatte heftigen Regenschauer für heute Mittag vorher gesagt.

Der kurz darauf folgende Abschied fiel allen schwer.

Noch einmal garantierte mir Charlie, wie leid es ihm wegen der Hochzeit tat, dass er sich nichts mehr wünschte, als wenn ich und die Familie dabei wären, aber ich winkte nur ab und schluckte das klein wenig Wut, welches ich in diesen Moment verspürte, hinunter. Auch wenn ich es einerseits verstand, warum man keine Vampire in Forks mehr haben wollte, fühlte es sich doch so an, als würde mir etwas Wichtiges genommen werden.

Edward versuchte stark zu sein, als er seinen wohl besten Freund in die Arme nahm und verabschiedete.

Renesmee und Jacob waren die einzigen, die ihren Schmerz besser zum Ausdruck bringen konnten. Während meine Tochter ohne Scham lauthals los schluchzte, versuchte der Wolf seine Tränen vor den anderen zu verbergen und schnell fort zu wischen.

Es wurden noch einige kleine Versprechen ausgetauscht und dann war es auch schon an der Zeit, endgültig Abschied zu nehmen.
 

Die Fahrt nach Hause verlief überwiegend still, alle hingen ihren eigenen Gedanken nach.

Wir hielten kurz am Krankenhaus, um Carlisle abzusetzen, kauften einige Kleinigkeiten ein und waren dann auch schon wieder daheim. Für den Tag war nichts weiter geplant.

Alice und Jasper redeten darüber, ob sie heute vielleicht auf die Jagd gehen sollten, Esme wollte ein neues Gericht aus einem Kochbuch probieren und Jacob gähnte ununterbrochen vor sich hin. Wahrscheinlich wollte er nur einige Zeit alleine sein und versuchte so, sich eine Ausrede zu besorgen, um sich in seinem Zimmer verkriechen zu können.

Ich hing gerade meine Jacke an die Garderobe, als das Telefon klingelte. Die Nummernanzeige verriet schon vor dem Abnehmen wer dran war.

„Hallo Rosalie.“

Mit dem Telefon am Ohr ging ich ins Wohnzimmer und setzte mich zu den anderen auf die Couch. Natürlich wollte jeder gerne wissen, ob es etwas Neues bei Emmett und ihr gab.

„Nein, sie ist in ihrem Zimmer“, gab ich Auskunft zu Renesmees Anwesenheit. „Aber ich hol sie dir gleich an den Apparat. Aber jetzt verrate erstmal, wie die letzten Tagen so bei euch waren.“

Ich nahm an, dass wir alle gerade ein wenig Ablenkung gut gebrauchen konnten.

Rosalie fing an zu erzählen, wobei ihr Emmett immer wieder lachend ins Wort schnitt… und, ich wusste es nicht genau, aber… ich vermutete einmal, dass wir es alle gleichzeitig wahrnahmen… den Geruch…

Diesen unverkennbaren Geruch; stark drang er in unsere Sinne ein.

Alles geschah in wenigen Sekunden: Wir schauten einander an, Rosalies Stimme im Hintergrund, gleichmäßige Geräusche… Schritte, und dann das Kind, das blutüberströmt in unser Blickfeld trat. Ich spürte die Geschwindigkeit zu meinen Seiten, sah, wie sie auf sie zu rannten und in mir selber war kein Fünkchen Kraft mehr. Ich spürte nur noch, wie mir das Telefon aus den Fingern glitt…
 

Kapitel 19 - Kurz durchatmen - Ende
 

Anmerkung zum Kapitel: 1. Nein! Natürlich glaubte Bella nicht, dass Edward ihr etwas tun wollte. Diese Szene soll einfach nur die Angst und Anspannung besser beschreiben, in der sich Bella in diesem Moment befindet.

2. Die Stadt Chestnut habe ich nur erfunden. Da es keine wirkliche Großstadt in der Nähe gab und ich aber eine brauchte, musste ich mir selber eine hinzu dichten.
 

Bitte schaut doch ab und an auf der Homepage zur Seite vorbei. Ich bekomme immer wieder Fragen per Mail etc., die sich dort von ganz alleine beantworten lassen. Hier noch einmal der Link:

http://chiisa-na-sekai.hosting-kunde.de/blog/littleblaze-Eternity/index.html
 

Wettbewerbe! Momentan laufen zwei Wettbewerbe zur Story.

Einmal ein FanArt Wettbewerb auf Animexx, wo ihr einen 15 Euro Amazon-Gutschein abstauben könnt, und dann noch eine kleiner Kreativwettbewerb [den ihr auf der Homepage findet], wo ihr meine gesamte Postersammlung zu Twilight gewinnen könnt.

Schaut bei Interesse doch einfach mal vorbei:

Animexx-WB: http://animexx.onlinewelten.com/wettbewerbe/wettbewerb.php?id=36852

Homepage-WB: http://chiisa-na-sekai.hosting-kunde.de/blog/littleblaze-Eternity/gewinnspiel.html
 

Twitter! Ich war bis jetzt eigentlich kein Twitter-Typ und kenn mich auch noch nicht wirklich damit aus [aber so schwer wird es schon nicht sein], aber wer möchte, kann den Fortschritt der Story jetzt auch über Twitter verfolgen. Ich werde immer posten, sobald es etwas Neues zur Story gibt:

http://twitter.com/_littleblaze_



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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Piraten-engel
2010-08-25T08:13:09+00:00 25.08.2010 10:13
So, nun bin ich allen überlegungen durchgegangen, aber mir fehlt nichts mehr ein.
Du solltest langsam wirklich weiter schreiben. Viele warten darauf, wie dir bekantlich bekannt ist.XD
Und erst recht ich. *seufz*
Bitte mach so bald wie möglich weiter.

lg... von einem Engel.
Von: abgemeldet
2010-08-07T10:02:19+00:00 07.08.2010 12:02
Wieder ein super Kapitel. Dein Schreibstil ist echt gut. Hoffentlich machst Du weiter. Ich wünsche Dir viel Kraft und alles Liebe.
LG
Sandra
Von:  DavidStarr
2010-08-06T21:38:56+00:00 06.08.2010 23:38
Hey,

wie alle anderen ist auch dies ein super Kapitel und ich hoffe es gibt bald ein neues von Dir zu lesen.
Mach weiter so Du bist echt gut und was immer Du grade durchmachst, ich hoffe, es geht Dir bald wieder besser.

Viele Grüße
David.Starr
Von:  DavidStarr
2010-08-06T21:38:23+00:00 06.08.2010 23:38
Hey,

wie alle anderen ist auch dies ein super Kapitel und ich hoffe es gibt bald ein neues von Dir zu lesen.
Mach weiter so Du bist echt gut und was immer Du grade durchmachst, ich hoffe, es geht Dir bald wieder besser.

Viele Grüße
David.Starr
Von: abgemeldet
2010-07-31T11:55:55+00:00 31.07.2010 13:55
Oh, hammer!

Der 40. Kommentar für EIN Kapitel! Das ist echt Wahnsinn! Wirklich beneidenswert!
So, jetzt aber zum Kapitel! xD

Auch ich finde, dass dein Schreibstil sehr Stephanie-Meyer-like ist, aber trotz allem ist es (natürlich) immer noch etwas anders. Außerdem baut sie die Kapitel anders auf. Das ist keine Kritik, immerhin ist es ja gut, dass du deinen eigenen Stil hast! -^_______________^-
Die Personen und wie du das beschreibst sind wohl am ähnlichsten mit Steph, aber viele von Bellas Gedanken hören sich mehr nach DIR an!

Ich kann verstehen, dass Bella traurig ist und dass sie sich mit alledem ein wenig allein fühlt. Denn jeder scheint sich damit abzufinden, selbst Charlie stimmt sofort zu ... Da kann man schon ein bisschen deprimiert werden ...
Aber ich denke, wenn sie erstmal da sind, wird sie sich auch bald daran gewöhnen ... hoffe ich! xD

Ich finde es so herzzerreißend, wie Renesmee weint und es ist total schön, dass sie so ein gutes Verhältnis zu ihrem Großvater hat. Ich denke, Renee hat sie wohl noch nie zu Gesicht bekommen, was? ... Das wäre wohl auch zu riskant. Sie ist jemand, die zu viele Fragen stellt. Charlie nimmt es so hin, weil er weiß, dass das die einzige Möglichkeit ist, bei seiner Bella (und jetzt natürlich auch Ness) sein zu können.

Ich bin gespannt, wie Bella auf das neue Haus reagieren wird und wie sie Jacob dort unterbringen werden ...

Das Kapitel war auch super, das ist wirklich die beste Fortsetzung, die Animexx zu bieten hat! ^___________-

LiebeGrüße,
deine LynniE. ♥
Von: abgemeldet
2010-07-30T17:54:28+00:00 30.07.2010 19:54
Hey!

Ich habe deine FF zu meiner Schande erst jetzt gefunden, als ich auf der Suche nach Lesestoff war. Ich musste unbedingt wieder in die Twillight-Welt hineinrutschen, weil ich demnächst selbst eine FF hochstellen werde.
Und als ich suchte, wurde ich als erstes von deinen Kommis geplättet! Du kannst dich wirklich glücklich schätzen mit so vielen treuen Lesern!
Übrigens hast du durch mich eine weitere gefunden! ^_________-

Das Kapitel war zwar nicht sonderlich lang, aber deine Art zu schreiben ist wirklich faszinierend, sodass ich nicht aufhören konnte, zu lesen!
Die Situation mit Ness und Jake ist wirklich gut beschrieben, ich kann mir richtig vorstellen, wie besorgt Edward als Vater sein würde, wenn Jakes Gedanken plötzlich umschlagen würden! xD
Aber auch Bella scheint sich ja immer noch nicht wirklich damit abgefunden zu haben, dass Jacob auf ihre Tochter geprägt worden ist. Und dabei war DAS doch die Lösung für ihre komplizierte Dreiecksbeziehung! *lol*

Dass die Cullens Forks jetzt verlassen werden, war ja vorhersehbar. Das einzige, was mich nur auch stören würde, wäre die Tatsache, dass es alle hinter Bellas Rücken organisiert haben...
Hm, ob Jakes Rudel mit ihnen gehen wird? Oder Jake allein? Ich denke auf keinen Fall, dass er Ness allein lassen würde...
Na ja, ich kann ja schon weiterlesen! xD

G R O S S E S L O B A N D I C H! Das Kapitel war klasse!!!
So, ich werde mir auf jeden Fall auch all die anderen Kapitel durchlesen und Kommis hinterlassen. Ich hoffe, du freust dich drüber, auch wenn du schon so viele hast! Hihiii!

LiebeGrüße,
deine LynniE.
Von: abgemeldet
2010-07-29T23:23:17+00:00 30.07.2010 01:23
Wow hey
Ich habe vor gut 3 Tagen angefangen deine Fortsetzung zu lesen
und das meist bis in die Nacht hinein (so gegen 2 oder 3 uhr konnt ich mich dann lösen^^)

Ich bin wirklich begeistert von deiner Geschichte... Eigendlich bin ich Sprachlos aber ich muss einfach ein Kommie hinterlassen
Dein Schreibstiel ist beeindruckend ...

Ich lese viel bei animexx wenn ich schätzen müsste hab ich schon an die 5000 FF's gelesen aber deine ist bei mir inerhalb ein paar stunden auf Platz 1 meiner lieblings FF's gerutscht

wirklich beeindruckend mach schnell weiter ^^

p.s bin auch von deiner Homepage beeindruckt ^.~

lg Insane
Von: abgemeldet
2010-07-26T15:31:18+00:00 26.07.2010 17:31
Hallo, okay ich nerve, aber schreibst du noch weiter??? Ich frage nur, da seit März nichts mehr gepostet wurde und du hast doch so ein spannendes Ende geschrieben....Da deine Story die unbestrittene Nr. 1 der Fortsetzungen ist, wäre es echt schade, wenn du Tausende Fans im Ungewissen lassen würdest...Bitte sei gnädig und erzähle weiter.....LG Nerak
Von:  Sayuri-chan-
2010-07-17T05:50:28+00:00 17.07.2010 07:50
Ich habe deine story schon vor einiger Zeit gelesen und konnte sie dann immer wieder net mehr finden ^^ aber jetzt hab ich die endlich wieder und dann auch noch mit einen neuen, echt tollen Kap
Oh man, ich hoffe blos, dass nessie jetzt nichts angestellt hat, oder ihr nichts passiert ist, wenn sie so blutüberströmt ist.... Ich freu mich schon total auf das nächste Kap

Lg pika
Von:  xSandy
2010-07-08T09:41:15+00:00 08.07.2010 11:41
Hey du
Ich hatte dir gestern schon eine e-mail geschrieben.
Ich bin endlich(naja kann man nicht unbedingt sagen) bis jetzt durch.
und ich kann mich nur wie in meiner e-mail wiederholen das ich die ff einfach super hammer klasse finde. Einfach nur genial!

Die story schon allein.. ich hätte so gerne ein 5tes buch von stephenie meyer gehabt, wie es weiter geht mit Bella,Edward und co.
Dafür haben wir diese tolle ff bekommen.

Gedanken&Gefühle hammer gut beschrieben.Man kann richtig gut mitfühlen wie Bella sich fühlt.

Also jetzt zum letzten Chap... wie kannst du nur da aufhören?? ist ja folter :P
na ich freu mich schon wenns endlich weiter geht und bin richtig gespannt was als nächstes passiert!

lg.Sandy

p.s: wieviele chaps wird die ff noch haben?, ich hoffe wir haben noch viel von dieser wunderbaren FF.


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