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Bis(s) zum Ende der Ewigkeit

Meine Fortsetzung zur Bis(s)-Reihe
von

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Das neue Haus

Autor: littleblaze

E-Mail: little_blaze_2000@yahoo.de
 

Disclaimer: Alle Rechte an den Bis(s)-Charakteren gehen auf das Konto von Stephenie Meyer und ich selber verdiene keinen einzigen Cent mit meiner Story.
 

Neue Charaktere, die Storyline, selbsterstellte sowie editierte Bilder und sämtliche, für die Story erstellten Extras gehören mir und dürfen nicht ohne meine vorherige Zusage auf anderen Seiten, Portalen oder Foren gepostet werden.
 

Kapitel 03 - Das neue Haus
 

Der nächste Morgen begann ziemlich früh. Wir gingen in Dreiergruppen auf die Jagd.

Unser Ziel: Übersättigung, damit wir in der neuen Heimat nicht so schnell auf Nahrung angewiesen sein würden. Der sanft fallende Schnee blieb auf unseren Körpern liegen, dachte nicht im geringstem daran, sich in etwas anderes zu verwandeln. Die Dunkelheit hielt den Tag immer noch gefangen.

Stille umgab uns, nur ab und an ein Auftreten eines Hufs oder einer Pfote. Ein unwissendes Geschöpf nach dem anderen kreuzte unseren Weg, doch die meisten überraschten wir im Schlaf. Sie erkannten die Gefahr viel zu spät, hatten keine Zeit zu reagieren. Obgleich wenn, hätte es ihnen nicht sonderlich genutzt. Wir waren Raubtiere, töteten, um zu überleben, und hinterließen eine Schneise von entseelten, blutleeren Körpern.

Heute mussten wir der Häufigkeit dieser nicht vorsichtig sein. Heute war es egal, ob man sich fragte, weshalb so viele Kadaver in demselben Gebiet gefunden wurden, denn dann… würden wir schon nicht mehr hier sein.

Alice und Jasper liefen nahe bei mir durch den Wald und zumindest er musste von meinen Empfindungen beeinflusst werden, von den deprimierenden Gedanken, welche ich gerade vor mir her schob.

Nicht so schnell wie üblicherweise waren meine Schritte, und automatisch passten die beiden sich meinem Tempo an.

Jasper hatte zu mir eine ganz neue Beziehung aufgebaut. Stand er mir früher eher negativ gegenüber, schien ich nach Abzug der Volturi ziemlich wichtig für ihn geworden zu sein. Er hatte sich regelrecht in meiner Kontrolle, dem Durst auf Menschenblut nicht zu unterliegen gesuhlt, und schien seinem eigenen Durst alleine durch meine Anwesenheit Einhalt gebieten zu können. Dieser Wandel störte mich nicht. In vielerlei Hinsicht profitierte ich genauso davon wie er. Aber auch Renesmee steuerte einiges dazu bei, dass Jasper sich endlich besser im Griff hatte. Den ganzen Tag über war er ihrem Duft ausgesetzt, ihrem Herzschlag, ihrem wallenden Blut. Es war nur natürlich, dass er irgendwann einer gewisse Immunität erliegen musste.
 

Nach dem ausgelassenen Mahl war es Zeit aufzubrechen.

Wir hatten uns bei Charlie schon am vorherigen Tag verabschiedet. Es war eine schreckliche, nicht enden wollende Stunde, in der er und ich auf der kleinen Treppe des Hauses saßen und uns anschwiegen. Wir wussten beide nicht, was zu sagen war, und mir fehlte das einfachste, doch bedeutsamste Zeichen, mich auszudrücken. Komisch, wie wertvoll Tränen doch eigentlich waren. Man versucht sie immer zu unterdrücken, wenn sie kommen, wünscht sich, dass andere sie nicht sehen, aber sobald man sie nicht mehr zur Verfügung hat, wünscht man sie sich mehr als alles andere auf der Welt.

Irgendwann hatten wir es dann doch schließlich geschafft, uns fürs erste „Leb wohl“ zu sagen. Edward bat Charlie, nicht noch einmal vorbeizukommen, bevor wir aufbrechen würden.

Er dachte, ich würde diese Unterhaltung nicht hören, aber ich tat es und eigenartiger Weise war ich Edward dankbar. Ich hätte es nicht ertragen, Charlie noch einmal gegenüber zu stehen.

Der Abschied von einzelnen Freunden war schwer, aber nichts im Vergleich dazu. Man versprach sich, Kontakt zu halten, Mails zu schreiben. Ich nahm mir vor, es zu versuchen.

Zuletzt stand uns das wieder vereinte Rudel gegenüber. Mittlerweile bestand es aus 22 Wölfen, die nun in Menschengestalt komplett anwesend waren. Sie kauerten in keiner erkennbaren Ordnung vor dem Haus, vorneweg natürlich aber Sam.

Es war selbst für mich ein grauenvoller Anblick, ihnen in die traurigen Gesichter zu sehen. Selbst die Jüngsten unter ihnen, die mir noch nicht so ans Herz gewachsen waren, spiegelten meinen Kummer.

Ich drückte Jared und Quil fest an mich. Sogar Leah schloss ich in die Arme. Die Steifheit in ihrem Körper hielt nur einen Augenblick an. Wir waren uns in den letzten Jahren zwar näher gekommen, schon alleine deswegen, weil Charlie und Sue viel zusammen waren, aber ganz hatte sie es nicht geschafft, ihre Vorurteile gegenüber Vampire beiseite zu schieben.

Ein leichtes Aufschluchzen verließ ihre Lippen. Ich strich ihr geistesabwesend über den Kopf.

An Seth presste ich mich eine halbe Ewigkeit.

Er war mir so oft hilfreich an der Seite gewesen, dass ich mir in diesem Moment gar nicht vorstellen konnte, auch nur einen Tag ohne ihn zu sein. Doch nicht nur mir ging es so, Edward litt ebenfalls. Seth war in den letzten Jahren mehr Bruder für ihn geworden, ein wichtiger Freund, ein Vertrauter, jemand, mit dem er außerhalb der Familie über alles reden konnte.

Jedoch für Jacob musste es schier die Hölle sein, sich von seinen ältesten und treusten Freunden verabschieden zu müssen, von seiner Familie, dem Rudel, seinem Leben. Ich empfand Mitleid für ihn, doch Hilfe lag nicht in meiner Macht. Wir konnten nicht bleiben und er die Prägung auf Renesmee nicht lösen.

Die letzten Gedanken und Worte des Rudels blieben den meisten von uns verborgen, nachdem sie sich ausnahmslos verwandelt hatten und ein ohrenbetäubendes Jaulen gen Himmel schickten.

Ob sie nun endlich Ruhe finden könnten, keine neuen Verwandlungen mehr, weil wir Forks nicht mehr unser Zuhause nannten? Irgendwie hoffte ich es so sehr… dass sie endlich glücklich, ohne diesen Fluch ein ganz normales Leben leben könnten.
 

Ich wischte eine feine Schneeschicht von der Frontscheibe und stieg in meinen Ferrari. Der Tag war immer noch nicht richtig angebrochen. Viel an Helligkeit zunehmen würde er sowieso nicht, denn gerade deshalb hatte Alice ihn für unseren Umzug ausgewählt.

Jasper fuhr Edwards Aston Martin, während Edward den großen Umzugswagen lenken würde. Emmett, Rosalie und Alice fuhren ihre eigenen Gefährte, während es sich Jacob und Renesmee auf der Rückbank hinter Carlisle und Esme gemütlich machten. Der Volvo wechselte seinen Besitzer. Seth hatte Tränen in den Augen, als ihm Edward die Schlüssel überreichte.

Wir rechneten mit 22 Stunden für die gut 1.100 Meilen, da der Umzugswagen nicht der schnellste war. Nicht gerade eine verlockende Aussicht, so viel Zeit alleine in einem Wagen. So viel Zeit, um sich um so vieles Gedanken zu machen. Und natürlich hatte ich mir geschworen, nicht zurückzublicken, mich nicht noch einmal umzudrehen… aber ich hatte den Rückspiegel nicht in mein Vorhaben eingeweiht, der mir einen wunderbaren Blick auf das Haus freigab, als ich mich mit leisem Motor davon entfernte.

Das Jaulen begleitete uns meilenweit.
 

Die ersten 80 Meilen flogen nur so dahin, und zunächst war ich irgendwie erleichtert gewesen, dass wir nicht durch Forks fahren mussten, um unsere Reise zu beginnen. Doch ziemlich schnell hallte in mir die Wehmut, nicht noch einmal einen Blick hinauf geworfen zu haben, mir nicht noch einmal diesen kleinen Ort, dem zu Anfang all mein Groll gegolten hatte, ins Gedächtnis gebrannt zu haben. Wie lange es wohl dauern würde, bis ich vergaß, wo manche Straßen abbogen oder wie einige der Häuser aussahen, an denen ich Tag für Tag vorbei gefahren war?

Unser erster Stopp war eine kleine Raststätte. Wir tankten die Wagen bis zum Rand voll und verabschiedeten uns von Emmett und Rosalie. Sie fuhren von hier in eine andere Richtung, fürs erste zurück zum College. Irgendwie hatte ich diesen Punkt der Reise vorher nicht wirklich registriert. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und machte gute Miene zum bösen Spiel. Erst der Abschied, jetzt die Trennung. Was würde noch auf uns warten?

Nach weiteren 120 Meilen überfuhren wir die Grenze nach Kanada. Bis hierher hatte ich es noch gut geschafft, meine Gedankengänge unter Kontrolle zu halten. Die Sonne hatte sich einige kurze Momente hoch am Himmel gezeigt und die bunten Pigmente, die sie auf die verdunkelten Scheiben warf, waren eine interessante Ablenkung. Ich zählte, wie oft sich der Strahl in den einzelnen Facetten brach oder wie viele unwirkliche Farben dabei entstanden. Vieles wäre mir Recht gewesen, aber nicht, an den Tag zu denken, in dem ich mich gerade befand.

Zwei weitere Male hielten wir an, damit Renesmee auf die Toilette gehen konnte, zum Nachtanken, oder um ihr und Jacob etwas zu Knabbern zu besorgen.

Ich lächelte, als wir gemeinsam auf den Parkplätzen standen, doch Jasper konnte ich nichts vormachen, und Alice streichelte mir beruhigend über den Rücken. Vorsichtshalber hatte ich beide schon den ganzen Tag vor Edwards Fähigkeit abgeschirmt. Entweder hatte dieser einfach zu viel zu tun, um es zu bemerken, oder er folgerte nur kurz, dass Alice beziehungsweise Jasper gerade an nichts besonderes dachten. Na ja, wie es auch war, es war mir Recht. Ich wollte ihn durch meine kindische Verfassung nicht noch mehr bedrücken.

Erst als wir auf den Highway 16 fuhren und die Sonne sich schon wieder vom Tag verabschiedete, übermannte mich die Trauer so stark, dass ich nicht mehr in der Lage war, weiter zu fahren.

Alice stoppte, aufgrund einer ziemlich verrückten Vorahnung, den Konvoi und verfrachtete mich an Edwards Seite in den Umzugswagen.

Sie überließ Jacob den Ferrari und kurz darauf waren wir schon wieder unterwegs.

Die ersten Meilen blickte Edward abwartend vor sich hin, sagte kein Wort. Renesmee beobachtete mich besorgt durch die Rückscheibe des Mercedes. Ich lächelte und winkte ihr zu, doch auch sie ließ sich nun nicht mehr täuschen. Nur zaghaft hob sie ihre Hand und erwiderte meinen Gruß.

„Warum hast du nichts gesagt?“, hielt Edward es anscheinend nicht länger aus. Wut lag nicht in seiner Stimme, aber etwas anderes, das mir verriet, dass er nicht damit einverstanden war, wie ich mit meinen Gefühlen umging. Um dies zu wissen, brauchte ich keine übernatürlichen Fähigkeiten.

„Ich wollte Renesmee nicht beunruhigen.“

Zum Teil wahr, zum Teil gelogen und gerade ausgesprochen, tat mir diese Zweideutigkeit auch schon wieder leid. Meine Finger verlangten danach, ihn zu berühren, ihm die bronzefarbenen Strähnen aus dem Gesicht zu streichen. Doch natürlich verharrten sie nur in meinem Schoß.

„Es tut mir leid“, flüsterte ich in den kleinen Raum des Fahrzeugs.

Mein Blick verließ die Straße vor uns und sah ihn an.

„Du musst dich nicht entschuldigen. Ich kann dich v-“

„Nein Edward, hör auf damit“, glitt mein Blick wieder zurück. Ich wollte es nicht hören, nicht schon wieder. Ich kannte den Anfang und ich kannte das Ende, wo er sich erneut für alles die Schuld geben würde. „Ich will nicht hören, dass du es verstehst, und schon gar nicht, dass es in irgendeiner Form deine Schuld ist. Bitte, verschon mich damit.“

„Aber s-“

„Nein Edward!“ Meine Füße verlangten danach, gegen etwas zu treten. Ob der Fahrzeugverleih Verständnis dafür hätte, wenn der Boden des Wagens, damit ich die Empörung auf meinen Ehemann mildern konnte, verschwunden sein würde? „Wie oft sollen wir noch darüber diskutieren? Du kannst dir nicht jedes Mal die Schuld geben, wenn irgendwas kommt, was auf deiner Liebe oder durch die Verwandlung beruht. Das kann doch nicht für immer so weitergehen!“

Ich presste die Lippen zusammen, um nicht noch mehr zu sagen, und wieder einmal war ich darüber verwundert, wie sich meine wohlklingende Stimme in etwas Beängstigendes verwandeln konnte.

„Was willst du denn dann, das ich tue?“

Seine Stimme zeigte mir die Verletzbarkeit, beinahe flehend lag sein Blick auf meinem.

Natürlich zerrte sofort das Bedürfnis an mir, mich für meine Aussagen zu entschuldigen, aber irgendwann musste doch endlich mal damit Schluss sein, irgendwann musste er es doch mal verstehen. Verstehen, wie weh er mir eigentlich immer damit tat, wenn er sich die Schuld für mein Leiden gab… Wunderte er sich dann eigentlich noch wirklich, dass ich Dinge vor ihm verbarg?

„Ich weiß nicht… halt mich einfach nur fest.“

Ich schloss die Augen und drückte mich an seine Seite. Edward nahm eine Hand vom Lenkrad und umarmte mich.

„Es wird schon besser werden“, drückte ich mein Gesicht in sein Hemd. „Du wirst schon sehen, in ein paar Tagen ist alles wieder gut.“

Er streichelte kurz über meinen Arm und küsste mich sanft aufs Haar. Da ich wusste, dass er sich danach sehnte, lockerte ich die Sperre in meinem Kopf, ermöglichte ihm Einblicke in meine letzten Tage. Auf eine Art war es richtig befreiend. Ich presste mich noch näher an ihn heran.
 

Wir kamen wie geplant mitten in der Nacht an der Inselgruppe an. Ein Wegweiser nannte den Ort „Port Edward“ in linker Richtung. Ich schmunzelte, als wir geradeaus weiterfuhren.

Kurz darauf folgten wir dem Highway zu der Insel Kaien, die unsere neue Heimatstadt barg. Eine halbe Meile Wasserweg trennte die Insel vom Festland. Ein kleines Hindernis, welches in der Not schnell durchschwommen sein würde.

Wir hielten uns links, Wantage Road, und bogen an einem riesigen Schild, welches zum städtischen Golfplatz wies, ab. Die Straße wurde gröber, kahle Bäume, Tannen und Sträucher pflasterten die Seiten. Wir folgten den Wegweisern zum Mount Hays, einem 732 Meter hohem Berg. Irgendwann bogen wir rechts ab. Ich tippte, dass wir irgendwo zwischen Golfplatz und Berg waren. Die großen Tannen ließen selbst meine gestärkten Augen nicht viel erkennen.

Ungefähr zehn Minuten später hielten wir inmitten der Straße. Verwundert ließ ich meinen Blick wandern. Ich tat es den anderen gleich und stieg aus.

„Der Weg ist ziemlich zugewachsen“, hörte ich Carlisle Auskunft geben.

Edward stieg neben ihm durchs Unterholz davon. Ich blieb am Wegesrand stehen und atmete tief ein; die Luft war sauber, eisig und klar. Den Wald, ja sogar das Meer konnte ich riechen. Bilder von tosenden Wellen, die gegen eine hohe Felswand schlugen, ließen sich in meinem Kopf nieder. Meine Aufmerksamkeit galt kurz der Tanne neben mir. Ich tippte einen ihrer Zweig an, nur um sicher zu sein, dass er auch wirklich da war. Irgendwie war das alles so unwirklich.

Carlisle und Edward, nun auch Jacob und Jasper an ihrer Seite, brachen Äste ab und schlugen Bäume aus. Der Krach, den sie dabei hinterließen, musste selbst für menschliche Ohren enorm sein. Ängstlich ließ ich meinen Blick durch die Dunkelheit streifen, doch von nirgends lauerte Gefahr.

Renesmee trat an meine Seite, schützend legte ich meine Arme um sie. Sie hatte geschlafen, ihre Augen blickten müde und unsicher herum.

„Ist dir kalt?“

„Nein, es ist angenehm“, blickte sie mich an. „Es ist nicht kälter als du oder Daddy.“

Ich stockte und wusste nicht recht, ob ich diese Tatsache als angenehm empfinden sollte. Alice und Esme vervollständigten inzwischen unser kleines Beisammensein, ließen ebenfalls ihre Blicke herum streifen. Die Männer verschwanden außer Sicht, wir konnten sie nur noch anhand von Geräuschen und Gerüchen erahnen. Ich folgte Renesmees Verwunderung über die vielen Sterne um uns herum. Alice konzentrierte sich derweilen, irgendetwas Bedrohliches in unserer Zukunft zu sehen. Anscheinend gab es im Moment nichts zu entdecken, aus welchen Gründen auch immer. Wir alle lebten damit, dass Jacob in gewisser Weise eine Gefahr für uns war, indem er Alices Visionen beeinflusste.

Eine halbe Stunde später war der Weg frei und wir stiegen wieder in die Fahrzeuge. Vorsichtig brachen wir durch den provisorischen, kleinen Pfad, bis hin zu einer großen, verwilderten Wiese, an deren anderem Ende ein altes Backsteinhaus stand. Wir hielten davor und stiegen erneut aus.

„Teilen wir uns auf!“, drang sogleich Carlisles Stimme auffordern durch die Luft. Edward streifte kurz meine und Renesmees Wange und verschwand dann mit den anderen in alle Himmelsrichtungen.

„Sie schauen sich nur um“, gab Esme Auskunft.

„Ich hätte ihnen dabei helfen können.“

Jacob stand die Wut ins Gesicht geschrieben. Er fühlte sich übergangen, nutzlos und nicht dazugehörend. Um dies zu erfahren, musste man ihm einfach nur ins Gesicht schauen.

„Das wissen sie doch, Jacob.“

Esme legte sanft ihre Hand auf seinen Arm. „Es liegt ihnen nun mal in der Natur… es ist schon zur Routine geworden, verstehst du?“

Jacob ließ ein leichtes Knurren durch und folgte Esme, die leichtfüßig über den gefrorenen Boden glitt.

Renesmee und ich gingen ebenfalls näher ans Haus heran. Es war wirklich ein riesiges Gebäude, schon alleine acht vernagelte Fenster konnte ich auf dieser Seite ausmachen.

„Hat das Ding überhaupt fließend Wasser?“, folgte es höhnisch aus Jacobs Mund. Esme lachte leicht auf.

„Mir gefällt es“, trat Renesmee nun an ihn heran, ihre Hand glitt beruhigend über seinen Arm. Auch sie hatte es nicht übersehen, dass Jacob gerade auf störrisch schaltete. „Dir etwa nicht?“ Ihr Gesicht zog traurige Züge.

„Natürlich gefällt es mir.“

Ich schmunzelte in mich hinein. Es war so einfach, ihn zu besänftigen.

Kurz darauf stand Edward als erster wieder bei uns, die anderen folgten nur Sekunden später.

„Nichts!“, gab er Auskunft.

„Bei mir auch nicht.“

„Auch nichts ungewöhnliches.“

„Keine Gefahr! Die Menschen halten sich penibel genau an unsere Grundstücksgrenze“, war Jaspers Analyse.

Erleichterung legte sich über uns.

„Dann fangen wir mal an. Immerhin wollen wir vor Sonnenaufgang fertig sein.“ Carlisle blickte zu Alice.

„Ja, besser wäre es.“

Er nickte ihr nur kurz zu und wieder war er es, der sprach und die Arbeiten verteilte.

Ich sah vieles in ihm: Freund, Vertrauter und natürlich auch Familie. Aber als Vater, so wie es die anderen taten, konnte ich ihn noch nicht in meine Gedankenwelt einfließen lassen. Vielleicht lag es ja zum Teil daran, dass mein eigener immer noch wohlauf war. Obgleich… ja eine Ewigkeit vor mir lag.

Nachdem alle wussten, was es zu tun galt, glitten Edward und ich an der Häuserfassade entlang und entfernten die Bretter von sämtlichen Fenstern. Alice parkte die Autos an der hinteren Seite und die restliche Familie wuselte im Haus herum.

Ich konnte hören, wie riesige Laken von Möbeln gezogen und Fenster und Türen geöffnet wurden, Renesmees anhaltendes Niesen über den vielen Staub, ihr Lachen verbunden mit dieser Reaktion ihres Körpers und wie jemand den Wasserhahn in einem der Badezimmer aufdrehte… eindeutig Jacob.

Als Edward und ich das Haus nach einigen Außenarbeiten betraten, umrahmte mich als erstes die abgestandene Luft. Es roch nach etwas, das mein Gedächtnis nicht zuordnen konnte, jedoch fand ich augenblicklich Namen dafür: “Alt“ und “Verlassen“.

Die Wände drückten auf mein Gemüt. Die befreiende Offenheit fehlte im Gegensatz zu dem Haus in Forks. Nun umgaben mich dicke, schützende Wände, anstatt gläserner Freiheit. Neben der Eingangstür stapelten sich die Laken, welche jahrzehntelang den Staub von den Möbeln abgehalten hatten.

Ich wand mich zu Esme. Das Geräusch, durch ihre Hand ausgelöst, hatte mich von der tristen Erkennung abgelenkt. Sie kritzelte fleißig ein weißes Blatt Papier voll. Ein kurzer Blick hinauf ließ mich Dinge wie Strom, Kabelfernsehen, Glühbirnen, Nahrung und noch ein dutzend anderer Sachen erkennen. Und plötzlich… durchzog ein Schrei die dicke Luft.

Alle blickten zur großen, hölzernen Treppe, bis Edward nur eine Sekunde darauf Entwarnung gab. Carlisle schaute sich erneut um, lächelte und warf Alice und Jasper Anweisungen zu. Esme kritzelte wieder fleißig auf ihrem Blatt herum. Edward und ich bestiegen die Treppe. Lautes Ächzen fraß sich unter meine Füße. Ich hatte nicht wirklich Angst, dass die Treppe unter mir brach, dennoch blieb ich stehen und blickte den Mann an meiner Seite an.

„Die Treppe instand setzen“, grinste Edward in Esmes Richtung, die nun auch diesen Punkt ihrer Liste hinzufügte.

Als wir in dem Zimmer ankamen, aus dem der Schrei gedrungen war, fanden wir ein hüpfendes Mädchen auf einem riesigen, weißen Himmelbett vor. Jacob lehnte gespielt desinteressiert an der Wand. Ihre Füße hielten auch nicht inne, als sie uns erblickte und die wohl schon denkbare Frage stellte:

„Kann das mein Zimmer sein?“

„Natürlich, Rose hat bestimmt nichts dagegen“, gab Edward ihrem Willen auch sofort nach. In diesem Punkt war er nicht viel anders als Jacob oder der Rest der Familie. Ich hingegen versuchte wenigstens ab und zu einmal, „Nein“ zu sagen.

Sie hüpfte höher, stieß sich ab und landete in Edwards Armen. Liebevoll drückte er sie an sich und streichelte ihr durchs Haar. Sie wand sich, küsste ihn schnell auf die Lippen und fand den Boden unter ihren Füßen wieder.

„Komm“, stürmte sie auf Jacob zu und griff nach seiner Hand. „Jetzt suchen wir dein Zimmer aus.“ Sie schleifte ihn zur Tür hinaus.

Ich drehte mich um mich selbst, um mir das zukünftige Zimmer meiner Tochter einzuprägen. Jeglicher Staub war im Obergeschoss bereits beseitigt worden. Eine Tätigkeit für welche man als Mensch garantiert zwei Tage gebraucht hätte, Esme und Alice es aber in einer halben Stunde schafften. Die Wände waren von einem sanften Gelb. Die restlichen Möbel passten sich dem hellen Ton des Bettes an, freundliche Bilder, meist von Frauen und Kindern, zierten die Wände. Eine weitere Tür führte in ein Bad, das von genauso schlichter Schönheit glänzte.

„Wo ist dein altes Zimmer?“, wand ich mich an meinen Mann.

Er griff sanft nach meiner Hand und führte mich hinaus. Wir schritten in den langen Korridor, im Nebenzimmer war Jacobs Abneigung gegen die Farbe des Teppichbodens zu vernehmen.

„Sollten wir nicht lieber in ihrer Nähe bleiben?“

Ich wusste sofort, dass er nicht den momentanen Augenblick damit meinte. Ich lächelte sanft.

„Ich denke, ein gewisser Abstand wäre gar nicht mal so schlecht.“

Fragend blickte er mich an.

„Na ja“, mein Lächeln wurde breiter. „Immerhin geben wir den jungen Männern wenigstens so eine minimale Chance, vor dir zu entkommen.“

Sofort blieb er stehen.

„Komm schon“, versuchte ich ihn weiter zu ziehen, aber ohne Erfolg. „Ob es nun Jacob ist oder irgendwer anders, irgendwann können wir es nicht mehr verhindern. Und ein paar Zimmer mehr, die uns von dem Geschehen trennen, sind da wohl gar nicht so verkehrt.“

Der Gedanke an sich gefiel mir ebenso wenig wie ihm, doch ich sah das ganze realistischer. Was ich auch gerade nicht wollte, so wollte ich erst recht nicht, dass meine Tochter ebenfalls 90 Jahre warten sollte, bis sie sich in jemanden verlieben würde. Eine grausame Vorstellung.

„Können wir denn gar nichts tun?“

Ich hätte seine Frage mit einem Lächeln beantwortet, wenn sein Blick nicht so ernst gewesen wäre. Mir blieb nichts anderes über, als leicht den Kopf zu schüttelt und ihn zaghaft den Korridor entlang zu ziehen.

Als er an einer weiter hinten liegenden, geöffneten Tür stehen blieb, war sein Blick unergründbar. Ich spähte in den Raum. Leere Regale, dunkle Farben und natürlich kein Bett. Die Wände wurden regelrecht vom Nichts geziert. Es erinnerte mich an eines dieser billigen Hotelzimmer, nur die Sache mit dem Bett wäre irritierend gewesen.

„Es war damals eine schwere Zeit für mich“, versuchte er den Zustand des Raumes zu erklären.

„Wieso?“, wollte ich zuerst fragen, doch ich entschied, dass dieses Thema besser zu einem späteren Zeitpunkt passen würde.

Ich trat in das leicht erhellte Zimmer. Die Sonne schien gerade über den Wipfel der Bäume hervorzubrechen, ein gleißendes Licht durchfloss den Raum. Mitten in ihrem Strahl blieb ich stehen und tauchte das Zimmer in schimmernde Farben. Schnell hatte es all das Schreckliche verloren, was ich darin gesehen hatte. Frieden und eine unbekannte Wärme durchzog meinen Körper.

„Ich finde es wunderschön“, entgegnete ich ihm und drehte mich leicht im Kreis.

Edward trat zu mir in die Sonne, seine Haut ließ ein neues Spektrum um uns entstehen.

Du bist wunderschön“, zog er mich an sich.

Seine schimmernde Haut legte sich an meine, voller Begierde trafen mich seine Lippen und hielten mich gefangen.

Wir waren zu Hause.
 

Kapitel 03 - Das neue Haus - Ende



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Kommentare zu diesem Kapitel (35)
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Von: abgemeldet
2009-03-01T21:30:53+00:00 01.03.2009 22:30
super kapi. ich freu mich schon auf die nächsten kapis. ich bin auch schon gespannt, wie es in edwards schwieriger zeit war. lg kathy
Von:  CurlyHair
2009-03-01T20:09:57+00:00 01.03.2009 21:09
Ich mag das kapitel auch,
vorallem wie Bellas Zweifel immer mehr verrauchen.

Ich hoffe du erwähnst noch Edwards schwierige Zeiten.
Freu mich auf die Fortsetzung
lg nicole
Von:  Toastviech
2009-03-01T20:08:45+00:00 01.03.2009 21:08
Ein schönes kapi!
es kommen alle Gedanken sehr gut heraus. Vorallem die von Bella, da sie erzählt.
Mir taten die Wölfe leid, dementsprechend wieder besonders Jacob.
Aber ich denke das wird wieder.
lg Toasty
Von:  Alice-Cullen1
2009-03-01T19:54:51+00:00 01.03.2009 20:54
Das kapitel is genau so geil wie die anderen und ich glaub das auch die anderen so gut werden und ich hoff das nächste kommt bald aber bei der länge welche deine kapitel haben kann ich warten denn das sind sie wirklich wärt!!!!

Lg Alice-Cullen1

Von:  _Eisblume
2009-03-01T19:44:47+00:00 01.03.2009 20:44
juhu
schon wieder so ein schönes Kapitel
gefällt mir total gut


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