Magenta III von Maginisha (Im Bann der Aspekte) ================================================================================ Kapitel 13: Schatten der Vergangenheit -------------------------------------- Die geisterhafte Schildwache verging mit einem hohen, klagenden Schrei. Nur mit Mühe widerstand Easygoing dem Drang, sich die Pfoten auf die empfindlichen Ohren zu pressen. Er wusste, dass der Todesschrei der gemarterten Seele die nahen Silithidendrohnen aufschrecken würde. Schon konnte er ihr bedrohliches Brummen hören und sprang gerade noch rechtzeitig in Deckung, bevor zwei der geflügelten Jäger hinter einer Häuserecke hervorschossen. Wütend kreisten die wespenartigen Wesen über dem Kampfplatz und hielten nach der Ursache des Lärms Ausschau. Ihre eckigen Köpfe mit den kalten Insektenaugen ruckten hin und her und ihre Beine mit den mit Widerhaken versehenen Spitzen stachen nach dem unsichtbaren Feind. Am gefährlichsten jedoch, das wusste Easygoing inzwischen aus schmerzhafter Erfahrung, war der dicke Hinterleib, der in einem dolchartigen Stachel endete. Mit ihm konnten die Drohnen lähmendes Gift in ihre Opfer injizieren. Bei seinem ersten Kampf wäre dies beinahe sein Ende gewesen, denn das Gift wirkte immer noch nach, als die erste Drohne bereits mit zuckenden Gliedern und zerfetzten Flügeln am Boden lag. Nur sein druidisches Wissen um die Natur von Giften hatte ihm geholfen, die Wirkung aufzuhalten und es schließlich zu neutralisieren. Seit dem versuchte er, einer Begegnung mit den gefährlichen Insekten aus dem Weg zu gehen, besonders wenn sie, wie in diesem Fall, zu zweit auftauchten. Mit angelegten Ohren und zuckendem Schwanz wartete Easygoing darauf, dass die zwei Drohnen den Rückzug antraten. Dabei kauerte er hinter etwas, das einmal ein Vorratslager gewesen sein mochte. Die Architektur von Southwind unterschied sich deutlich von den Formen nachtelfischer Baukunst, die der Druide gewohnt war. Wo sonst Holz und kunstvolle, organische Formgebung vorherrschten, hatte man Southwind fast ausschließlich aus zweckmäßig bearbeitetem Stein erbaut. Allein das allgegenwärtige Halbmondsymbol Elunes und einige wenige Bogenstrukturen ließen erkennen, wer die Bauherren dieses Ortes gewesen waren. Allerdings lagen die meisten Gebäude inzwischen ohnehin in Trümmern oder waren halb vom Sand verdeckt worden. Widerwärtige, pockennarbige Strukturen klebten an den Wänden und manchmal glaubte Easygoing, eine Bewegung darin erkennen zu können. Von der Sonne gebleichte Silithidenpanzer lagen hier und da im Sand und kündeten noch von der einstigen Schlacht. Fleischlos wie sie waren, wirkten sie trotzdem auf beunruhigende Weise lebendig und der Druide bemühte sich stets, ihnen auszuweichen, während er zwischen den ergrauten Ruinen umherschlich. Alles hier war trocken, hart und rau wie der allgegenwärtige Sand, den der unablässige Wind um die Häuser blies. Die einzige Ausnahme davon war ein Wachturm im Süden des Ortes, den die Silithiden anscheinend zu ihrer Hauptbrutstätte erkoren hatten. Kristalline Wabenstrukturen wuchsen daran in die Höhe wie giftiger Efeu und die Spitze des Turms wurde von einer dunklen Wolke schwärmender Insekten eingehüllt wie ein eiterndes Geschwür, das von Schmeißfliegen umkreist wurde. Im Schutz einer halbmondverzierten Säule blieb der Druide stehen und sah an dem Turm empor. Er hatte immer noch nichts gefunden, das einem „Reliquiar der Reinheit“ nahekam und der Turm schien ihm ein vielversprechender Ort, um danach zu suchen. Das hieß, er würde sich durch Reihen um Reihen schwer gepanzerter Silithiden kämpfen müssen, nur um dann vermutlich in einem völlig unausgewogenen Kampf von einer Chitinklaue durchbohrt zu werden. Keine besonders erhebende Aussicht. Ich frage mich, wie viele Helden bereits an dieser Aufgabe gescheitert sind, dachte der Druide bei sich, während er sich zögernd in Bewegung setzte. Nur weil man ihre Überreste nicht sieht, heißt das nicht, dass es sie nicht gegeben hat. Die Silithiden werden alles Verwertbare mit in die Brutstätten gezerrt und an ihre hungrige Brut verfüttert haben. Der Gedanke kreiste noch in Easygoings Kopf, als er sich bereits dem Eingang näherte, an dem mehrere der geflügelten Drohnen auf und ab schwebten. Allein ihr Anblick machte ihm klar, dass er niemals bis in den Turm würde vordringen können, um nach dem Reliquiar zu suchen. Es würde für immer im Besitz der Silithiden bleiben. Während er das dachte, stutzte Easygoing. Die Frage, was die Silithiden mit diesem Ding wohl anfangen mochten, drängte sich ihm auf und die einzige mögliche Antwort darauf war: gar nichts. Was immer dieses Ding auch war, konnte man es mit Sicherheit nicht fressen oder gar zum Nestbau verwenden. Die Silithiden hätten sich daher nie die Mühe gemacht, es in den Turm zu transportieren. Zudem war es wenig wahrscheinlich, dass die Nachtelfen es in einem Gebäude aufbewahrt hatten, dessen Zweck doch die Verteidigung der Stadt war. Das Reliquiar musste sich somit an einem anderen Ort befinden. Aber wo? Easygoings Blick glitt über die zerfallenen Gebäude und blieb an einer noch relativ intakten Ruine hängen, die einmal das Zentrum des Ortes gebildet haben mochte. Es war eines der wenigen Gebäude, das tatsächlich stark nachtelfische Züge trug. Ein Tempel womöglich oder zumindest eine Versammlungshalle. Zwar war der Eingang des Gebäudes verschüttet worden, doch in dem mit grauen Schindeln gedeckten Dach klafften ausreichend große Löcher, dass sich eine schlanke Gestalt hindurch quetschen mochte. Easygoing zog die Lefzen nach oben, als er in seinem Kopf die näselnde Stimme seines Bruders hörte, der ihm riet, die Öffnungen lieber noch ein wenig zu vergrößern, bevor er versuchte sich hindurch zu schieben. Wo ist der Bursche nur, wenn man ihn mal braucht, grinste Easygoing in sich hinein und machte sich an die Besteigung der Halle. Die morschen Balken und sandgeschliffenen Dachplatten knarrten unter dem Gewicht der gewaltigen Raubkatze. Easygoing bohrte seine Krallen in das Holz und schob sich weiter auf eine große Öffnung im Dach zu. Das Loch war augenscheinlich groß genug um ihn durchzulassen. Ein Schritt. Und noch einer. Er hatte den Rand der Öffnung fast erreicht, als ein feines Knistern ihn alarmiert die Ohren spitzen ließ. Das Knistern wurde lauter und lauter, verstärkte sich zu einem Reißen und Knacken und dann brach der Boden unter ihm weg. In einer Kaskade aus gebrochenen Schindeln, Sand und gesplitterten Balken stürzte der Druide hinab und schlug hart auf dem Boden der Versammlungshalle auf. Holzteile und Gesteinsbrocken prasselten auf Kopf, Leib und Pranken hernieder. Sand drang in seine Augen, Staub erfüllte Ohren und Nase. Ein dumpfer Schmerz fuhr durch sein Bein und ein schweres Gewicht drückte den linken Hinterlauf zu Boden. Der Druide hustete und spuckte, während er versuchte, sein eingeklemmtes Bein zu befreien, als plötzlich ein scharfes Geräusch an sein Ohr drang. Das Geräusch, mit dem jemand eine Waffe zog. Der Kopf des Druiden ruckte herum und sah sich dem erbosten Geist einer Schildwache gegenüber. Die vorderste Spitze ihrer geschwungenen Gleve zielte genau auf seinen Brustkorb. „Elender Quraij!“, bellte sie auf Darnassisch. „Stirb!“ Die Klinge raste aus Easygoing zu. Blitzschnell verwandeltet sich der Druide zurück, zog seinen Fuß aus der Falle und rollte sich unter dem Hieb hindurch. Die Schildwache kreischte und setzte ihm nach. „Du wirst mir nicht entkommen, Insekt.“ Schon ragte der Geist wieder über Easygoing auf, die Waffe erneut auf sein Herz gerichtet. Flach auf dem Rücken liegend konnte der Druide ihr nicht mehr ausweichen. Obwohl sie nicht aus echtem Stahl war, würde die Gleve dennoch seinen Tod bedeuten. Schmerzhafte Schnitte seiner ersten Kämpfe gegen die Geisterwesen hatten ihn das gelehrt. Er war verloren, es sei denn, er fand einen Weg, die Besitzerin davon zu überzeugen, dass er nicht ihr Feind war. Die Chancen dafür standen jedoch mehr als schlecht. „Bitte, ich bin kein Insekt.“, würgte er hervor. Seine Kehle brannte immer noch vor Sand und Staub und seine Augen tränten. „Ich bin ein Nachtelf, wie Ihr es seid.“ Die Klinge über seinem Herzen zitterte nicht, stieß aber auch nicht zu. Eilig redete der Druide weiter. „Ich kam hierher im Auftrag des Zirkels des Cenarius, um Euch und Eure Schwestern von dem Fluch zu befreien, der Euch an diese Gemäuer bindet. Eure Qual soll endgültig ein Ende haben. Nehmt die Waffe herunter und lasst mich Euch helfen.“ Die geisterhafte Schildwache musterte ihn aus halbdurchsichtigen Augen. Sie trug dieselbe Uniform wie auch die anderen Schildwachen, doch um ihr Haupt wand sich ein schmaler, silberner Reif. Easygoing wusste nicht viel über die Strukturen innerhalb der Schildwache, aber wenn ihn nicht alles täuschte, war die das Zeichen einer höher gestellten Ranges. „Ihr seid Ihre Anführerin, nicht wahr?“, riet er ins Blaue. „Könnt Ihr es verantworten, dass Eure Truppen hier noch immer leiden, während der Kampf längst vorbei ist? Ihr habt die Verantwortung für sie.“ Was sein Bitten und Flehen nicht vermocht hatte, erreichte er jetzt durch seine Vorwürfe. Die Schildwache ließ die Waffe sinken und trat einen Schritt beiseite. Eilig zog sich Easygoing ebenfalls zurück, um bei einem erneuten Angriff mehr Handlungsspielraum zu haben. Sein Knöchel schmerzte und pochte. Er würde ihn heilen müssen, wenn er ihm Kampf eine Chance haben wollte. Momentan sah es allerdings nicht so aus, als würde es erneut zu einem Angriff kommen. Die Schildwache hielt den Kopf gesenkt und ihre Erscheinung zitterte leicht wie von einem unsichtbaren Windstoß erfasst. „Sie kamen bei Nacht.“, sagte sie, die Stimme nicht viel mehr als ein tonloses Wispern. „Die Erde erzitterte und die Sterne verschwanden vom Nachthimmel. Elunes Antlitz selbst wurde verhüllt von der endlosen Masse der Insekten, die über uns hereinbrachen wir eine Sturmflut. Mauern fielen und Schutzwälle stürzten ein. Überall waren die Schreie derer zu hören, die sich den Scharen entgegenstellten. Sie wurden von ihnen zerfetzt, aufgespießt, zertrampelt und bei lebendigem Leib verschlungen. Ein riesiges, schwarzes Monstrum ragte über ihnen allen auf und alles was kreuchte und fleuchte, schien seinem Befehl zu gehorchen.“ Der Ton des Geistes wurde bitter. „Meine Schildwachen riefen mich um Rat an. Kommandatin Ambermoon, was sollen wir tun? Doch ich hatte keine Antwort für sie. Seite an Seite mit den tapferen Druiden, die uns beistanden, wurden sie eine nach der anderen niedergemäht. Bald schon jagten die Insektioden die verbliebenen Hilflosen durch die Gassen der Stadt. Sie spielten mit ihnen, nachdem ihr Wille schon längst gebrochen war. Anstatt uns zu töten, schienen die grausamen Wesen auf etwas zu warten. Erst als das Signal von einem der Türme Hilfe ankündigte und ich die Banner der nachtelfischen Truppen über den Hügeln erscheinen sah, wusste ich, was geschehen war. Die Qiraji hatten eine Falle gestellt und uns als Köder benutzt. In dem Moment, als sie ihr Ziel erreicht hatten, fielen die Gepanzerten mit neuer Heftigkeit über uns her und töteten jeden Einzelnen, um sich dann dem neu erschienenen Gegner zu stellen. Das Letzte, was ich sah, war die Sonne, die sich auf den Rüstungen der Streitmacht brach und das Letzte, was ich fühlte, war der unbändige Wunsch ihnen beizustehen und Rache zu nehmen für den Tod meiner Soldatinnen.“ Easygoing betrachtete die Kommandantin, über deren Gesicht durchsichtige Tränen liefen. Sein Verstand weigerte sich, das Gehörte in Bilder zu fassen. Sie hätten den Schrecken des Angriffs ohnehin nicht wiedergeben können. Stattdessen schickte er ein wenig heilende Energie in seinen Knöchel und erhob sich, sobald der Schmerz abgeklungen war. Er trat einen Schritt auf die Kommandantin zu und richtete das Wort an sie. „Die Schlacht, von der Ihr spracht, liegt schon lange zurück. Die Qijai, von denen Ihr spracht, wurden zurückgedrängt. Ihr könnt Euren Posten jetzt verlassen.“ Die Schildwache hob den Kopf und sah ihn an. „Wenn dem so ist, warum seid Ihr dann hier, Druide? Was bringt Euch ausgerechnet an diesen Ort, an dem sonst nur die Toten verweilen.“ „Ich bin auf der Suche nach etwas, das sich Reliquiar der Reinheit nennt.“, antwortete Easygoing. „Es muss sich zu Eurer Zeit hier befunden haben und ist in der Schlacht verloren gegangen. Wisst Ihr, wo ich es finden kann?“ Der Geist überlegte kurz und wies auf einen kleinen Schrein, der verdeckt unter einer dicken Staubschicht in einer Ecke des Raumes stand. „Ich denke, was Ihr sucht, ist dort drin. Ich habe nie nachgesehen. Die Bewahrung des Schreins und seiner Geheimnisse oblag stets den Druiden. Mir scheint, Ihr seid daher der Richtige, um sein Geheimnis zu lüften.“ Easygoing verbeugte sich vor der Schildwache und kniete sich dann vor den Schrein in den Dreck. Trotz all der Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, die vergangen sein mochte, hatte das Holz des Schreins die Zeit unbeschadet überstanden. Der Druide sah kunstvolle Abbilder von Blumen, Blättern und Bäumen, die noch so lebendig schienen, wie an dem Tag, als der Künstler sie aus dem Holz geschnitzt hatte. Andächtig und fast ein wenig wiederstrebend streckte Easygoing die Hand auf und öffnete die Tür des Schreins. Der Schrein enthielt nur einen einzigen Gegenstand: ein kleines, goldbeschlagenes Kästchen mit einem gewölbten Deckel, in den ein Mondstein eingelassen war. Zögernd streckte Easygoing die Hand danach aus und bemerkte dabei mit Staunen, dass nicht ein Körnchen Staub aus dem Behältnis zu sehen war. Unbekannte Schriftzeichen und Symbole rankten über seine Oberfläche und dem Druiden war bewusst, dass er etwas sehr Kostbares gefunden hatte. Etwas, das nicht in falsche Hände gelangen durfte.“ Schnell schlug Easygoing das Kästchen in ein Tuch und verstaute es sorgfältig in seinem Gepäck. Erst als er aufsah, wurde ihm bewusste, dass das Abbild der Schildwache verschwunden war. „Kommandatin? Kommandatin Ambermoon?“ Er erhielt keine Antwort, doch ein Gefühl sagte ihm, dass er hier nicht mehr erwünscht war. Er sollte gehen und diesen Ort verlassen, solange er es noch konnte. Ohne zu zögern verwandelte sich der Druide wieder in eine schwarze Raubkatze zurück und erklomm unter Zuhilfenahme seiner Klauen den herabgestürzten Dachbalken. Oben auf dem Dach angekommen, sah er noch einmal zurück und erblickte die geisterhafte Schildwache, die wieder am Fenster der Versammlungshalle stand und nach draußen sah. Möget Ihr irgendwann Frieden finden, dachte er bei sich und sandte ein kurzes Gebet an Elune, bevor er die Stadt auf eiligen Pfoten verließ und sich schließlich zusammen mit seinem Nachtsäbler auf den Rückweg nach Valor´s Rest machte. Das Teufelsross näherte sich dem schwarzen Berg nur wiederstrebend. Fast schien es zu ahnen, welches Schicksal es erwartete, wenn die Hexenmeisterin auf seinem Rücken irgendwann einmal ihr Ziel, ein xorothianisches Schreckensross ihr Eigen zu nennen, erreichte. Anstatt in relativer Freiheit unter der Sonne Azeroths zu traben, würde es stattdessen für immer in der Schwärze der Vergessenheit versinken und seine schrillen Schreie würden ungehört und allein in der Dunkelheit verhallen. Und doch kam die drohende Silhouette des Blackrocks unaufhaltsam näher. „Schneller, du lahme Mähre.“, rief Magenta und trieb dem Teufelsross die Hacken in die Flanken. Das Tier wieherte protestierend, legte aber gehorsam eine schnellere Gangart ein. „Na also, geht doch.“, murmelte die Hexenmeisterin, obwohl ihr die Reise immer noch nicht schnell genug voran ging. Sie brannte darauf, Morzul Bloodbringer die Phiolen mit dem magischen Blut zu überreichen. Außerdem dürstete es sie zu erfahren, was der gierige Goblin inzwischen mit den wertvollen Materialien angefangen hatte, die sie ihm überlassen hatte. Eine kurze Stippvisite auf dem Markt von Stormwind hatte ihr verraten, dass sie dem schleimigen, grünen Kerl quasi ein Vermögen in die krummen Finger gedrückt hatte; genug um einen kleinen Bauernhof und etwas Land dazu zu erstehen. Nicht, dass Magenta mit diesen Dingen irgendetwas hätte anfangen können, versteht sich. Sie hatte körperliche Arbeit schon immer verabscheut und es wäre wohl kaum auf große Akzeptanz bei den Nachbarn gestoßen, wenn sie ihren Leerwandler das Feld bestellen ließ. Morzul Bloodbringer brütete über einem zwei Hände breiten, uralten Folianten, als Magenta sich ihm näherte. Obwohl sie sicher war, dass sie kein verräterisches Geräusch verursacht hatte, richtete sich der ältere Hexenmeister mit einem Ruck auf und fuhr zu ihr herum. Er sog tief die Luft ein und bedachte sie dann mit einem gierigen Blick. „Ihr habt das Blut.“, sagte er schlicht. Magenta nickte. „Von den Eulenbestien aus Winterspring. Ganz wie Ihr es wolltet.“ „Gut.“, hauchte Morzul Bloodbringer und Magenta konnte nicht umhin, den Ausdruck von Gier in seiner Stimme zu bemerken. „Schnell, gebt es mir! Ich will es sehen.“ Wie befohlen reichte Magenta dem dunklen Meister eine der Phiolen, die er mit zitternden Fingern entgegen nahm. Er hielt die Phiole hoch und betrachtete die samtrote Flüssigkeit im Inneren. „Guuut.“, gurrte er voller Verzückung. „Das ist genau das, was wir für die Destillation der Tinte benötigen. Ich werde mich sofort an die Arbeit machen. Legt die übrigens Phiolen dort auf den Tisch und lasst mich dann allein. Ich werde…die Wirkung des Blutes zunächst testen. Man sagt, sein Geschmack sei äußerst euphorisierend. Ich werde Euch rufen, sobald ich die Tinte fertig habe.“ Wie geheißen ließ Magenta das restliche Blut auf der Werkbank des Meisters zurück und trat dann eilig den Rückzug an. Das Lachen, das hinter ihr erklang, machte ihr eine Gänsehaut und für einen winzigen Moment war sie sich nicht mehr sicher, ob dies alles wirklich die Mühe wert war, die sie sich damit machte. Vielleicht wäre es besser gewesen, auf dem Absatz kehrt zu machen und den Altar der Stürme so weit wie sie nur konnte hinter sich zu lassen. „Schon zurück?“, holte sie eine ätzende Stimme aus ihren Gedanken. Gorzeeki Wildeyes saß gemütlich mit den Beinen baumelnd auf einem Felsen und sah auf sie herab. In der Hand hielt er etwas, von dem Magenta lieber nicht wissen wollte, was es war. Besonders nicht, nachdem er es mit vernehmlichen Krachen und Knuspern zwischen die spitzen Zähne geschoben hatte. War das tatsächlich ein Fühler gewesen? Magenta schüttelte den Kopf, um nicht weiter darüber nachzudenken. „Was, du bist nicht zurück?“, amüsierte sich der Goblin. „Dann muss ich wohl gerade einen sehr lebhaften Traum haben. Ich frage mich, wie alt diese Schaben wohl waren.“ „Ich habe den xorothianischen Sternenstaub.“, sagte Magenta, ohne noch weiter auf die Provokationen des Goblins einzugehen, der sich jetzt mit einem abgebrochenen Fingernagel zwischen den Zähnen herum polkte. Es wäre Magenta allerdings lieber gewesen, wenn es sein eigener Nagel gewesen wäre. „Ach wirklich?“ Der Goblin spuckte den Nagel aus und musterte Magenta mit neu gewecktem Interesse. Die Hexenmeisterin griff in ihren Rucksack und holte den kleinen Beutel hervor, den sie von Lord Banehollow erstanden hatte. Der Goblin riss ihn ihr aus der Hand und steckte seine spitze Nase hinein. „Du hast ihn wirklich.“, rief er aus und lachte meckernd. „Ich kann es kaum glauben. Wie´s scheint, hast du mächtig Eindruck bei dem Schreckenslord gemacht. Oder ihn sehr gut bezahlt haben. Oder beides.“ Er grinste breit. „Damit kann ich nun das Pergament vorbereiten und wenn Meister Bloodbringer seine Tinte fertig gestellt hat, wirst du damit ein magisches Glyphen-Pergament erhalten, das es dir erlauben wird, ein Portal nach Xoroth zu öffnen.“ „Was ist mit den restlichen Materialien?“, fragte Magenta. „Habt Ihr damit etwas anfangen können?“ „Ob ich damit…also da hört sich ja nun alles auf.“, entrüstete sich der Goblin. „Natürlich aber ich damit etwas anfangen können. Glaubst du etwa, es reicht, wenn du einfach nur ein paar alte Runen von einem Pergament laut vorliest, um einen großen Beschwörungskreis zu erschaffen und vor allem auch, seine Erschaffung zu überleben? Du bist wirklich naiver, als ich es für möglich gehalten hatte.“ Magenta biss sich auf die Zunge, um den Goblin nicht noch weiter zu verärgern. Sie war – so ungerne sie sich das auch eingestand – auf seine Hilfe angewiesen. Obwohl sich alles in ihr dagegen sträubte, griff sie daher zu einem Mittel, für das die meisten Hexenmeister ihrer Erfahrung nach sehr anfällig waren: Schmeichelei. „Ihr habt natürlich Recht, Meister Wildeyes.“, hauchte sie und schlug in der Nachahmung einer keuschen Jungfrau die Augen nieder. „Verzeiht meine Unwissenheit. Bitte, erklärt mir, was Eure geschickten Hände aus den mehr als unzulänglichen Zutaten, die ich Euch brachte, geschaffen haben. Ich brenne darauf, es zu erfahren, und werde voller Ehrfurcht Euren Ausführungen lauschen.“ Der Goblin blinzelte zweimal, dann breitete sich ein zähnestarrendes Grinsen auf seinem Gesicht aus. Er winkte der jungen Hexenmeisterin, ihm zu folgen, und erklärte ihr mit stolzgeschwellter Brust, die drei Gegenstände, die er nacheinander vor sie auf den Boden legte. „Als Erstes haben wir hier die Glocke von Dethmoora, benannt nach der berühmten Hexenmeisterin Dethmoora Darkeyes. Ich habe die Elixiere der Schattenmacht gebraucht, um sie zu erschaffen. Sie ist ein sehr mächtiger Gegenstand und speichert große Mengen arkaner Energie. Läutet die Glocke und die Energie wird freigesetzt.“ Magenta beäugte die samtschwarze Glocke, auf der je nach Blickwinkel violette Symbole aufblitzten. Davon abgesehen hätte sie allerdings auch gut an die Tür eines Schulhauses gepasst. „Als zweites haben wir das Rad des Schwarzen Marsches, gefertigt aus dem Dunkeleisenerz und den großen, glänzenden Splittern. Es kanalisiert die Energien, die von der Glocke freigesetzt werden und dient dazu, das Portal offen zu halten. Ohne dieses Rad könnte der Riss, den die magische Beschwörung in den Raum reißt, sich unkontrolliert ausweiten und schließlich unsere gesamte Welt verschlingen. Ihr tätet also besser daran, es nicht zu verlieren.“ Die Scheibe aus schwarzem Metall war ebenso wie die Glocke mit violetten Symbolen verziert. Kristalle waren in regelmäßigen Abständen darin eingelassen und bildeten so einen fünfarmigen Stern, in dessen Mitte ein sechster Kristall saß. Ein perfektes Abbild eines Beschwörungskreises, wenngleich auch mit einer Vielzahl an Symbolen versehen, die Magenta nicht kannte. „Hier nun haben wir schließlich die Altarkerze des Jüngsten Gerichts. Sie dient dazu, Euch während des Rituals vor Euren Feinden zu schützen. Und glaubt mir, wenn ich sage, dass Ihr jeden Schutz werdet brauchen können, um die Dämonenscharen aufzuhalten, die aus Xoroth in unsere Welt herüber schwappen werden, sobald Ihr das Portal öffnet. Die schwarzen Drachenschuppen enthielten eine Essenz, die es mir möglich macht, ein so mächtiges Feuer zu bewahren. Gebt Acht, dass die Kerze niemals verlöscht, denn Ihr werdet Seelensplitter brauchen, um sie wieder zu entfachen.“ Die Kerze war, anders als Magenta erwartet hatte, von einer tieforangen Farbe und schien von innen heraus zu glühen. Es gab da allerdings etwas, das Magenta zu schaffen machte. „Wie zündet man die Kerze an?“, fragte sie den Goblin, dessen selbstzufriedenes Lächeln noch ein wenig breiter wurde. Magenta hatte das Gefühl, irgendeinen Witz verpasst zu haben. „Interessant, dass du das wissen willst.“, grinste er. „Die meisten hätten einfach nur die Sachen genommen und wären vermutlich eine interessanten und vermutlich ziemlich schmerzhaften Todes gestorben. Aber da du mich so lieb bittest, werde ich dir verraten, dass du zum Entzünden der Kerze einen speziellen Zündstein, einen sogenannten schwarzen Leitstein brauchst. Er wird die Energie des Seelensplitters transformieren und die Kerzen entzünden. Natürlich habe ich so einen Leitstein aus Arkanit ebenfalls für dich vorbereitet. Für nur 50 Goldstücke ist er dein.“ „WAS?“ Magenta war nicht mehr in der Lage, ihre Fassade aufrecht zu erhalten. Dieser, miese, kleine, gierige…Hundesohn von einem Goblin. „Das Arkanit habe ich doch mitgebracht.“ „Aber, aber, wer wird denn gleich unhöflich werden.“, griente der Goblin. „Die 50 Gold sind auch die Strafe dafür, dass du versucht hast, mich mit deiner geheuchelte Unterwürfigkeit, die die nebenbei bemerkt überhaupt nicht steht, hinter‘s Licht zu führen. Mag sein, dass du bei anderen mit dieser Masche Erfolg hast, aber für mich zählt leider nur Bares. Also entweder, du rückst das Gold raus oder du kannst dich von deinem Plan, ein xorothiamisches Schreckensross zu zähmen, verabschieden.“ Magenta merkte, dass sie verloren hatte. Widerwillig reichte sie dem Goblin einen Beutel mit Gold, den dieser sofort an sich riss, und ihr im Gegenzug eine etwa handtellergroße, schwarze Kugel zuwarf. Sie fing die Kugel mit einiger Mühe und betrachtete sie neugierig. Etwas in dem Leitstein schien sich unter ihrem Blick zu regen und für einen Augenblick hatte die Hexenmeisterin das Gefühl, von der Finsternis in die Tiefe gerissen zu werden. Mit einer energischen Bewegung schloss sie die Faust um den Stein und stopfte ihn tief in ihre Tasche. Vermutlich brauchte man die Seelensplitter, damit einem das Artefakt nicht Teile der eigenen Seele entriss, um damit die Kerze zu speisen. Magenta schauderte bei dem Gedanken. Gorzeeki Wildeyes hatte die Zählung des Goldes inzwischen beendet und zwinkerte Magenta vertrauensvoll zu. „Nicht aufregen, Schätzchen. Sieh nur, dahinten kommt der Meister. Wie beschwingt er doch ist. Ich glaube, das Blut, dass du ihm gebracht hast, hat ihm gefallen.“ Morzul Bloodbringer war auf beunruhigende Weise verändert. In seinen Augen glitzerte etwas, das Magenta als magische Entsprechung eines beträchtlichen Rausches erkannte. Der ältere Hexenmeister war im wahrsten Sinne des Wortes trunken vor Macht. „Ich habe die Tinte fertiggestellt.“, rief er und lachte dabei. „Das Blut war wirklich von außerordentlich guter Qualität. Ich hoffe, Ihr habt mittlerweile das Pergament, damit ich die Glyphen darauf verewigen kann. Die Macht, die mich durchströmt, verlangt danach, in einen Zauber umgesetzt zu werden.“ „Dazu wollte ich gerade kommen, Meister.“, antwortete Gorzeeki Wildeyes. „Das Pergament muss noch mit dem Sternenstaub imprägniert werden, damit die Tinte es nicht zersetzt. Unglücklicherweise braucht Ihr ein Alchemielabor, um das Pergament zu erschaffen. Hier, ich gebe Euch dieses Glasgefäß mit. Es enthält einen Wichtel namens J‘eevee, der die notwendigen Arbeiten für Euch erledigen wird, sobald ihr ein Labor gefunden habt. Natürlich muss ich Euch eine gewisse Leihgebühr für das Glas in Rechnung stellen. Für nur 150 Goldstücke jedoch, gehört es Euch. Leihweise.“ Magenta glaubte, sich verhört zu haben. „150 Goldstücke?“, echote sie. „Das kann nicht Euer Ernst sein. Und vor allem: Wo bitte soll ich ein solches Labor finden?“ Gorzeeki Wildeyes lehnte sich genüsslich gegen seine Werkbank. „Ich habe gehört, es soll in Scholomance ein solches Labor geben. Ihr müsst nur in die Pestländer reisen, das Labor in den Gewölben von Scholomance finden und den Wichtel seine Arbeit tun lassen.“ „Niemals!“ Magenta war fest entschlossen, sich das nicht bieten zu lassen. Nicht nur, dass dies erneut einen erheblichen Reiseaufwand bedeutet hätte, sie lief dabei euch noch Gefahr, dieser vermaledeiten Paladina wieder über den Weg zu laufen. Womöglich noch mit dem Erfolg, dass diese ihr den Wichtel abnahm. Ganz davon abgesehen, dass Magenta keine Ahnung hatte, wie sie es schaffen sollte, eine ganze Festung voller Untoter zu übertölpeln, denn sie war sicher, dass diese sie nicht einfach mal eben ihr Labor nutzen lassen würden, nur weil Magenta sie nett darum bat. „Es muss einen anderen Weg geben, das Pergament zu erschaffen.“ Gorzeeki Wildeyes blinzelte wie eine Katze in der warmen Sonne und trommelte mit den Fingern auf dem Tisch herum. Magenta bemerkte erst jetzt die komplizierten Apparaturen, die darauf aufgebaut waren. Bunte Flüssigkeiten kochten in gläsernen Kolben auf kleiner Flamme vor sich hin köchelten. „Was ist das da?“, fragte sie und wies auf den Tisch. „Das ist Wildeyes‘ Alchemielabor.“, erwiderte Morzul Bloobringer fröhlich. Er holte eine kleine Ampulle aus seiner Robe hervor, entkorkte sie, roch genüsslich daran und kippte den Inhalt dann in einem Zug herunter. Magenta hegte plötzlich die sichere Vermutung, dass der ältere Hexenmeister tatsächlich nur ein Bruchteil des Blutes, das sie ihm gebracht hatte, für die Herstellung der Tinte benötigt hatte. Und dass der Goblin versuchte, sie über´s Ohr zu hauen, war weniger eine Vermutung denn eine feststehenden Tatsache. Die beiden hochkarätigen Hexenmeister waren anscheinend nicht viel mehr, als ausgebuffte Scharlatane, die versuchten, sich hier an ihr zu bereichern. Aber damit würde jetzt Schluss sein. „Ich verlange, dass Ihr mir jetzt sofort das Pergament mit den Xorothianischen Glyphen herstellt und zwar hier und auf der Stelle.“, knurrte sie mit dem finsterten Unterton, den sie zustande brachte. Gleichzeitig wob sie eine Aura von Furcht um sich, die die meisten Mitmenschen zumindest dazu brachte, die Straßenseite zu wechseln, wenn sie ihr im Dunkeln begegneten. „Und ich bestehe außerdem darauf, dass…“ „Sonst was?“, unterbrach der Goblin sie mit einem süffisanten Lächeln. „Sonst hetzt du uns deine Dämonen auf den Hals? Oder machst uns gar Feuer unter dem Hintern?“ Er kicherte. „Wobei ich das eigentlich sehr gerne mal erleben würde.“ Magenta schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. „Aber Ihr könnt das doch. Ihr könnt das Pergament hier herstellen.“ „Ja sicher kann ich das.“, gab der Goblin zu. „Aber es ist viel amüsanter, dich dafür vorher noch durch die halbe Weltgeschichte zu schicken, damit du den Wert unserer Arbeit auch wirklich zu schätzen weißt. Außerdem ist Scholomance wirklich ein sehr reizvolles Fleckchen. Ich denke da nur an die Massen an Käfern, die sich in den Gewölben finden lassen. Von den saftigen Ratten mal ganz zu schweigen. Ja, doch, ich denke, ein Besuch dort würde dir wirklich gefallen.“ Magentas Miene verdüsterte sich. „Wie viel?“ Das Gesicht des Goblins nahm einen lauernden Ausdruck an. „Wie viel besitzt du noch?“ Statt zu antworten griff Magenta in ihre Tasche und zog einen letzten Beutel mit Gold hervor. Sie wusste nicht genau, welche Summe er enthielt, aber es war weit mehr, als sie dem gierigen Goblin zu geben bereit war. Der hingegen schnappte sich den Beutel, war einen prüfenden Blick hinein und schnalzte missbilligend mit der Zunge. „Dafür stehe ich morgens normalerweise nicht einmal auf.“ Er bedachte Magenta mit einem undefinierbaren Blick und sah sich dann nach Morzul Bloodbringer um, der inzwischen zwei weitere Phiolen des magischen Blutes getrunken hatte und dessen Haare inzwischen Funken sprühten. „Also schön, weil du es bist.“, seufzte der Goblin. „Deine Vorstellung vorhin war wirklich beeindruckend und außerdem fürchte ich, wenn der alte Bloodbringer nicht bald etwas findet, um die überschüssige Energie loszuwerden, geschieht hier noch ein Unglück. Ich werde dir also das Pergament herstellen. Aber wenn du das jemandem verrätst, werde ich dich finden und etwas sehr Unangenehmes mit dir anstellen. Haben wir uns da verstanden?“ Magenta nickte und trat einen Schritt zurück. Mit großen Augen beobachtete sie den Goblin dabei, wie er mit Hilfe unnennbarer Gerätschaften, einem Katzenfell, einem widerspenstigen, wild kreischenden Wichtel, dem xorothianischen Sternenstaub und einem gewaltigen, arkanen Blitz von Morzul Bloodbringer ein mattglühendes Stück Pergament erschuf. Er blies darauf, um den überschüssigen Sternenstaub zu entfernen und hielt es der jungen Hexenmeisterin entgegen. „Hier, für dich.“ Misstrauisch beäugte Magenta das Pergament und die darauf geschriebenen Zeichen. „Und wo ist der Haken?“ „Kein Haken.“, antwortete Gorzeeki Wildeyes. „Mit dem Pergament, der Glocke, dem Rad, der Kerze und dem Leitstein hast du alle Materialien, die du zur Beschwörung des Xorothianischen Schreckensrosses brauchst. Viel Glück.“ Die Hexenmeisterin überlegte einen Augenblick lang und zog dann eine Schnute. „Es wird nicht einfach so funktionieren, oder?“ Der Goblin betrachtete interessiert seine Fingernägel. „Möglich.“ „Aber ich habe nichts mehr, was ich Euch geben könnte.“, jammerte Magenta. „Bitte sagt mir, was ich tun muss, um das Ritual abzuhalten. Ich würde alles dafür tun.“ „Nun, es gäbe da tatsächlich etwas, dass du tun könntest.“, pflichtete der Goblin ihr bei. „All die Arbeit hat mich hungrig gemacht. Du könntest losgehen und mir ein paar schöne, knusprige Kakerlaken besorgen.“ Die Hexenmeisterin fühlte einen Würgreiz in ihrer Kehle aufsteigen. „K-Kakerlaken?“ „So etwa drei Dutzend sollten genug sein.“, überlegte der Goblin. „Ich muss ein wenig auf meine Linie achten. Bring mir mein Abendessen und ich verrate dir, wohin du gehen musst, damit das Ritual gelingt. Ansonsten bist du jetzt nur im Besitz eines ziemlich teuren Haufen Krimskrams.“ Magenta schluckte. Er hatte Recht mit dem, was er sagte. Sie hasste ihn dafür, aber er hatte trotzdem Recht. Ihr würde nichts anderes übrig bleiben, als seinen Wünschen zu gehorchen und ihm die Kakerlaken zu bringen. Danach blieb ihr eigentlich nur zu hoffen, dass er an einem der ekligen Insekten ersticken würde. Und dass der Ort, an den er sie schickte, nicht allzu weit entfernt lag. Die leuchtenden Augen des Schurken glitten über das bunte Treiben, das sich ihnen darbot. Ganz Nighthaven schien auf den Beinen und bereichert durch den Besucherstrom von nah und fern ergab sich für Deadlyone und Ceredrian daraus ein deutliches Problem. „Wo sollen wir Easy in diesem Getümmel suchen?“ Der Priester an seiner Seite schob die langen Augenbrauen zusammen. „Vermutlich ist es das Beste, wenn wir jemanden nach ihm fragen. Soweit ich weiß, liegt das Haus des Majordomus dieses Ortes, Rabine Saturna, am Ufer des Sees. Dort werden wir sicherlich jemanden finden, der uns weiterhelfen kann.“ Die beiden Nachtelfen bahnten sich gemessenen Schrittes einen Weg durch die Menge. Durch ihre Reisen waren sie zwar den Umgang mit anderen Völkern gewohnt, diese jedoch hier mitten unter den andere Nachtelfen zu sehen, mutete ihnen trotzdem fremd an. Vor allem da es schien, dass viele der fremden Besucher weniger des spirituellen Hintergrunds des Festes wegen, sondern vielmehr des guten Essens und Trinkens und vor allem aber des Spektakels wegen gekommen waren. Ceredrian bedachte einen Gnom, der versuchte, den vorbeiziehenden Damen unter den Rock zu schauen, mit einem strafenden Blick und einer flüchtigen Geste seiner rechten Hand. Daraufhin stellte der Gnom fest, dass er dringend das Fest verlassen und seinen Rausch ausschlafen müsste, auch wenn er sich nicht erinnern konnte, überhaupt Alkohol zu sich genommen zu haben. Kurz vor einem großen Gebäude, dessen hinterer Teil auf langen, hölzernen Stützen bis in den See hineinragte, blieb Ceredrian stehen und hielt auch Deadlyone zurück. „Ich bin mir nicht sicher, ob wir dort willkommen sind.“, sagte der Priester leise. „Wie es aussieht, hat der Majordomus gerade Besuch und es erscheint mir nicht klug, ihn bei seinen Angelegenheiten zu stören. Zumal nur Druiden an diesem Treffen beteiligt zu sein scheinen. Außerdem scheint es Streit zu geben. Wir sollten warten, bis sich die Sache geklärt hat.“ Deadlyone maß seinen Cousin mit einem abschätzigen Blick. „Du meinst wir sollen hierbleiben und den ganzen Spaß verpassen? Kommt überhaupt nicht in Frage.“ Mit einer schnellen Drehung machte der Schurke sich los, grinste seinen Cousin an und verschmolz gleich darauf mit den Schatten. Ceredrian verdrehte die Augen und seufzte leise. Irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, dass sie sich damit eine ganze Menge Ärger einhandeln würden. Deadlyone glitt, ohne ein verräterischen Geräusch zu verursachen, an der hell erleuchteten Türöffnung vorbei auf ein Sims, das an der gesamten Außenseite des Hauses verlief. Stück für Stück schob er sich vorwärts bis er an einer Balustrade angelangt war, durch deren Streben er freie Sicht auf das Innere des Gebäudes und die kleine Versammlung hatte, die dort gerade abgehalten wurde. Er spitze die langen Ohren und lauschte. „Trotzdem ist es unbestreitbar, dass er sich über unsere Anordnung hinweggesetzt hat.“, empörte sich gerade ein Druide mit einem spitzen Kinnbart, der sein strenges Gesicht noch länger wirken ließ. „Er hätte das Fest nicht betreten dürfen und muss daher die Konsequenzen seines Handelns zu spüren bekommen.“ Ein weiterer Druide dessen hochaufragende, breitschultrige Gestalt Deadlyone an seinen Bruder erinnerte, antwortete mit tiefer Stimme: „Ich denke, in diesem Fall können wir eine Ausnahme machen, Dendrite. Die Neuigkeiten, mit denen er zu uns kam, waren von äußerster Wichtigkeit. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen und glaube, dass wir gut daran täten, diesen Jungen nicht zu bestrafen. Aber natürlich obliegt diese Entscheidung allein Euch, Rabine.“ Bei diesen Worten hatte er sich an einen weiteren Nachtelfen gewandt, dessen weiße Haare ihm offen den Rücken hinab fielen und dessen einfache, wenngleich auch aus edlen Stoffen gefertigte, Kleidung Deadlyone erstaunte. Er wirkte weniger wie die Druiden, die der Schurke kannte, sondern eher wie ein Priester oder Gelehrter. Aber vielleicht war es gerade die besonnene Zurückhaltung, die ihn für sein Amt als Verwalter von Nighthaven qualifizierte. Die diplomatischen Verwirrungen, die sich aus der Aufnahme von Mitgliedern der Horde in den Zirkel des Cenarius ergeben hatten – und das gegen die Zustimmung großer Teile der restlichen Mitglieder – waren sicherlich etwas, das weniger eine starke Hand denn ein geschickte Zunge und ein gewisses Geschick im Umgang mit seinen Mitmenschen erforderte. Trotz des offensichtlichen Streits und der großen Verantwortung, die wegen der Feierlichkeiten auf ihm ruhen musste, strahlte der Verwalter Gelassenenheit aus und in dem Ausdruck, mit dem er den letzten der Anwesenden musterte, lag weniger Ärger, als vielmehr wohlwollende Güte und vielleicht eine Spur von abwartender Neugier. Der junge Druide, auf dem sein Blick ruhte, stand mit gesenktem Kopf und herabhängenden Schultern zwischen den beiden ersten Sprechern und hatte seine Augen fest auf den Boden geheftet. Als Rabine Saturna das Wort an ihn richtete, zuckte er merklich zusammen. „Abbefaria.“, sagte Rabine Saturna mit ruhiger Stimme. „Wir haben gehört, was Loganaar über Eure Erlebnisse in Winterspring und deren Folgen gesagt hat. Möchtet Ihr dem noch etwas hinzufügen, bevor ich meine Entscheidung treffe?“ Der Angesprochene räusperte sich. „Ich…ich wollte wirklich niemanden verärgern. Was auf dem Fest geschah…ich weiß nicht, warum und vor allem was dort passiert ist. Ebenso wenig kann ich Euch sagen, warum sich Elune mir gegenüber in dieser Weise offenbart hat. Alles, was ich möchte, ist, diese Fähigkeiten zum Wohle anderer einzusetzen.“ Rabine Saturna nickte. „Wohl gesprochen, junger Druide. Ich denke, wir können von einer weiteren Bestrafung absehen.“ Während der breitschultrige Druide zustimmend brummte, ließ der andere zischend die Luft entweichen. „Seid Ihr sicher, dass diese Entscheidung richtig ist?“ Der Verwalter legte den Kopf ein wenig schief. „Zweifelt Ihr daran, Dendrite Starblaze?“ Der Druide senkte schnell den Kopf. „Mitnichten, Shan’do Saturna.“ „Gut, dann geht jetzt. Beide. Und lasst mich mit dem jungen Abbefaria allein.“ Die beiden älteren Druiden verbeugten sich noch einmal vor Rabine Saturna und verließen dann mit eiligen Schritten den Raum. Zurück blieben nur der Verwalter und der Druide namens Abbefaria, der ein noch größeres Interesse an seinen Schuhspitzen entwickelt hatte als zuvor. Rabine Saturna trat zu einem Tisch, schenkte sich ein Glas Wein aus einer Karaffe ein und trat damit an die Brüstung, die zum See hinaus zeigte. Er trank einen Schluck und drehte sich dann wieder zu Abbefaria herum. „Du hast deine Worte gut gewählt, junger Druide.“, sagte er und trank einen weitere Schluck Wein. „Doch mir scheint, du warst nicht ganz ehrlich, auch wenn der Kern der Aussage nicht gänzlich falsch war. Möchtest du deine Fähigkeiten tatsächlich nutzen?“ Abbefaria rutschte ein wenig unbehaglich hin und her. „Darf ich offen sprechen, Shan’do?“ „Ich bitte darum.“ „Am liebsten wäre es mir, wenn all das überhaupt nicht passiert wäre. Ich will nicht auf einmal Dinge tun, von denen ich nicht weiß, woher ich sie kann. Ich will keine Schlachten und aufregenden Abenteuer erleben. Alles, was ich wollte, ist mit meiner Schwester das Mondfest besuchen und ein paar heitere Stunden erleben. Ich mag mein Leben, so wie es ist.“ „Ist das so?“ Rabine Saturnas Blick über den Rand des Weinglases hinweg war unergründlich. „Natürlich.“, antwortete Abbefaria ohne den Kopf zu heben. „Mich wundert da nur, dass mir berichtet wurde, dass du des Öfteren in den äußeren Ästen von Teldrassil herum strolchst und dabei sehnsuchtsvolle Blicke auf das Meer hinaus wirfst.“ Deadlyone konnte das Gesicht des jungen Druiden zwar nicht sehen, da ihm dieser den Rücken zuwandte, aber die Anspannung seiner Rückenmuskeln ließ darauf schließen, dass der Ältere ihn ertappt hatte. Vermutlich hatten seine Wangen auch jenen verräterisch dunklen Farbton angenommen, der bei den Nachtelfen einem Erröten gleichkam. Was für ein Weichei, dachte der Schurke und grinste breit. „Es besteht kein Grund sich dafür zu schämen.“, sagte Rabine Saturna. „Viele der jüngeren Nachtelfen fühlen diesen Drang in sich und angesichts der Lage, in der sich unser Volk befindet, begrüße ich dies sogar. Wir verfügen über einen reichen Erfahrungsschatz und großes Wissen, doch wir sind wenige. Die jüngeren Völker hingegen sind uns in ihrer Anzahl und in ihrem Drang, diese Welt zu erobern, weit überlegen. Wir können uns daher nicht zurückziehen, um unsere Wunden zu lecken und die Größe vergangener Zeiten zu beklagen. Wir müssen im Hier und Jetzt unsere Aufgabe, diese Welt zu schützen, weiter wahrnehmen, egal welche Schwierigkeiten sich uns dabei und den Weg stellen und welche Allianzen wir dafür eingehen müssen, ungeachtet unserer eigenen Abneigungen und Vorlieben. Diese Bürde trägt jeder von uns, selbst wenn es sich dabei um einen vorwitzigen Fassadenkletterer handelt, der seine Nase nur allzu gern in Dinge steckt, die ihn gar nicht betreffen.“ Deadlyone zuckte zusammen, als sich plötzlich wie aus dem Nichts schmale Wurzelstränge um seine Fesseln und Handgelenke legten und ihn so an die Balustrade fesselten. Noch bevor er überlegen konnte, wie er in dieser misslichen Lage wohl an einen seiner Dolche kommen sollte, schob sich der Kopf Rabine Saturnas über den Rand der Balustrade und warf ihm einen amüsierten Blick zu. „Trotz der luftigen Bauweise meiner Behausung, besitzt sie trotz allem eine Tür, durch die Besucher im Allgemeinen eintreten. Vielleicht wärt Ihr so gütig, sie zu benutzen und dabei gleich noch Euren Freund mitzubringen, der dort draußen auf Euch wartet.“ Kurz darauf stand Deadlyone zusammen mit Ceredrian und dem fremden, jungen Druiden vor Rabine Saturna, der die drei eingehend betrachtete. Ceredrian hatte ihr Anliegen Easygoing betreffend vorgetragen, doch der ältere Nachtelf hatte bis jetzt keine ihrer Fragen nach seinem Aufenthaltsort beantwortet. Ja er hatte nicht einmal bestätigt, dass sein Bruder hier überhaupt angekommen war. Die Ungewissheit machte den Schurken ungeduldig und gereizt. „War Easygoing nun hier oder nicht?“, raunzte er, wohl wissend, dass dies kaum der treffende Ton gegenüber einer so hochgestellten Persönlichkeit war. Ceredrian warf ihm einen warnenden Blick zu, doch Rabine Saturna überging die Ungeheuerlichkeit, ohne eine Miene zu verziehen. „Er war hier und die Informationen, die er uns brachte, waren von unschätzbarem Wert. Remulos selbst ist jetzt dabei, sich um diese Sache zu kümmern. Wir sind ihm und damit wohl auch euch, zu großem Dank verpflichtet.“ Deadlyone machte eine ungeduldige Geste. „Aber wo ist Easy jetzt?“ Der Verwalter trat erneut zu dem Tischchen mit der Weinkaraffe und schenkte sich ein Glas der dunklen Flüssigkeit ein. Er trank einen Schluck und sah dann wieder auf den See hinaus, wo sich die roten Laternen im Wasser spiegelten. „Ich habe ihn auf eine Mission nach Silithus gesandt. Glaubt mir, junger Freund. Ich erwarte seine Rückkehr genauso ungeduldig wie Ihr.“ „Silithus?“ Deadlyone glaubte sich verhört zu haben und selbst in Ceredrians demütig unbewegliche Züge kam Bewegung. „Aber das ist am südlichsten Ende des Kontinents. Was tut er da?“ Rabine Saturna nickte. „Das werde ich Euch eröffnen, sobald er zurück ist. Bis dahin biete ich Euch an, meine Gäste zu sein. Ihr solltet die Zeit nutzen, um Euch näher kennenzulernen.“ Deadlyone sah zu dem jungen Druiden hinüber, der von dieser Eröffnung ebenso überrascht schien wie er selbst. Als ihre Blicke sich trafen, hielt sein Gegenüber gerade mal einen Atemzug lang stand und sah dann wieder zu Boden. Deadlyone schnaubte hörbar. Mit diesem mickrigen Feigling würde er bestimmt keine Freundschaft schließen. Es wurde höchste Zeit, dass sein Bruder zurückkehrte. Die Festung, die auf einer steilen Anhöhe in der Ferne in Sicht kam, ähnelte in ihrer Architektur den Ruinen von Southwind. Auch hier herrschte grauer Stein mit dem Symbol der Mondgöttin vor und nur wenige Gebäude wiesen die typisch nachtelfische Architektur auf. Ein massiver Wachturm überragte die übrigen Gebäude und warf seinen Schatten tief in die umliegende Sandwüste. Er wirkte allerdings fast klein, wenn man ihn mit dem Gebilde verglich, dass sich der Festung gegenüber aus dem Boden geschoben hatte. Eine gewaltige Säule aus Stein und dem organischen Baumaterial der Silithiden, die von tausenden von Insekten umschwärmt wurde. Insektenbeinartige Gebilde ragten daraus hervor und zuckten ab und an, als wäre die Säule selbst ein gewaltiges, lebendiges Wesen. Easygoing wusste nicht, was ihn mehr schwindeln ließ: die Höhe des Objekt oder die ständige Bewegung, in die es getaucht war. Trotzdem wirkte das Bild der beiden feindlichen „Siedlungen“ in gewisser Weise statisch. Obwohl an beiden Seiten Wachposten in Stellung gebracht waren, versuchte keine der beiden Fraktionen einen Ausfall. Die Frage war nur, wie lange dieser Zustand noch anhalten würde. Easygoing lenkte seinen Nachtsäbler auf den Pfad, der ihn zum Eingang der nachtelfischen Festung bringen würde. Layo Starstrike hatte ihm den Weg beschrieben, als Easygoing ihn von der Erfüllung seiner Mission berichtet hatte. Der ältere Nachtelf hatte ihn lange schweigend angesehen, nachdem der Druide seine Geschichte beendet hatte. „Ich habe nicht geglaubt, dass Ihr zurückkehren würdet.“, hatte Layo Starstrike schließlich gesagt. „Eine positive Überraschung fürwahr. Zudem ist das, was Ihr mir über den befallenen Wachturm erzählt habt, interessant. Dass die Silithiden sich dort eingenistet haben bedeutet nichts Geringeres, als dass sie ihren Schwarmbau unterirdisch bis zu dieser Siedlung ausgedehnt haben. Auf diese Weise konnten sie bei dem Überfall auf Southwind aus unbegrenzten Reserven schöpfen. Ich dachte mir schon, dass so etwas geschehen sein muss. Und das heißt, dass wir noch vorsichtiger sein müssen, denn inzwischen könnten diese Viecher ganz Silithus ausgehöhlt haben, ohne dass wir davon wissen. Diese Information muss schnellstmöglich zur Burg Cenarius gebracht werden. Ich würde einen meiner Späher schicken, doch ich denke, dass Ihr ohnehin dorthin reisen werdet, um wieder nach Moonglade zurückzukehren. Wenn Ihr denn Euren Auftrag erfüllt habt, den Rabine Saturna Euch gab.“ Easygoing hatte die unausgesprochene Frage seines Gegenübers nicht beantwortet. Stattdessen hatte er ihn darüber informiert, dass es sein Plan war, direkt nach Moonglade zurückzukehren und zwar mit dem druidischen Zauber, der ihm dies ermöglichte. Layo Starstrike hatte daraufhin nur freudlos gelächelt. „Versucht es.“, hatte er gesagt. „Ihr werdet feststellen, dass der Spruch hier nicht funktioniert. Wir wissen nicht, warum das so ist. Möglicherweise ein Machwerk der Silithiden oder vielmehr ihrer Anführer der Qiraij. Ihr werdet daher zunächst die Grenzen von Silithus überschreiten müssen, um per Teleportation nach Moonglade zu reisen.“ Einen kurzen Moment lang hatte Easygoing erwogen, sich zum nahen Krater von Un’goro durchzuschlagen um sofort abzureisen, aber dann war er lieber auf die Forderung des älteren Nachtelfen eingegangen. Ein paar Stunden, die das seltsame Reliquiar noch brauchte, um Moonglade zu erreichen, würden sicherlich keinen Unterschied machen. Und schließlich war auch dieser Botengang ein Dienst an den Belangen des Zirkels. Der Druide durchquerte die schwer gesicherte Pforte, der Festung, und fand sich kurz darauf flankiert von zwei Wachen vor dem Kommandanten der Burg wieder. Obwohl es sich bei ihm ebenfalls um eine Druiden handelte, wie Easygoing an dem Zeichen des Zirkels an seiner Rüstung erkennen konnte, hatte der Nachtelf, der sich als Kommandant Mar’alith vorstellte, eindeutig das Gebaren eines Kriegers. Der Nachhall der Schlachten, in denen er gefochten hatte, umhüllte ihn wie eine düstere Aura, die von der Schwermut seines Blicks noch verstärkt wurde. Trotzdem zweifelte Easygoing nicht daran, dass er jeden Silithiden, der es wagte, die Festung anzugreifen, mit seiner gewaltigen Stangenwaffe durchbohren und in das Loch zurückwerfen würde, aus dem er gekrochen war. „Ishnu’alah.“, grüßte Easygoing mit einer Verbeugung „Ich komme mit Nachrichten von Valor´s Rest.“ Kommandant Mar’aliths Gesicht blieb ausdruckslos. „Warum wundert es mich nicht, dass die einzigen Nachrichten, die wir empfangen, vom größten Friedhof dieses Landstrichs stammen. Aber sprecht nur frei heraus.“ Easygoing umriss kurz die Funde, die er in Southwind gemacht hatte und welche Schlüsse Layo Starstrike daraus gezogen hatte. Als er geendet hatte, nickte der Kommandant ernst. „Das sind schlimme Neuigkeiten. Wir wissen einfach immer noch viel zu wenig über unseren Gegner und seine Möglichkeiten.“ Er wandte sich an eine der Wachen. „Ist meine Frau Natalia inzwischen zurückgekehrt? Vielleicht können ihre Forschungen…“ Er brach ab, als die Wache den Kopf schüttelte. Da verstand Easygoing, dass mehr als nur das Los des drohenden Krieges und die Trostlosigkeit der Umgebung auf den Schultern des Kommandanten lasteten. Aber öffentliches Trauern ließ seine Position nicht zu. Immerhin hatte er eine Festung zu führen, eine Festung, in der die spärlichen Kräfte des Zirkels gegen ein Heer aus tausenden und abertausenden von gefühllosen Insekten stand, deren Zahl mit jedem Tag ständig anwuchs. „Kommandant Mar’alith, wenn das Alles war, würde ich euch gerne verlassen, Man verlangt in Moonglade nach mir.“ Der Kommandant, der inzwischen auf einen kleinen Balkon getreten war und von dort aus nach unten starrte, nickte abwesend. „Geht.“, sagte er. „Geht und berichtet, was Ihr hier gefunden habt. Die Lage ist ernst und es braut sich etwas zusammen. Die Schwarmbauten vibrieren dieser Tage vor Aktivität und keiner unserer Späher ist lebend zurückgekommen. Wir brauchen mehr Leute in Silithus. Sagt dem Zirkel das. Und sagt ihnen auch, dass ich mehr hinter all dem vermute. Irgendetwas ist dort draußen. Etwas Böses, das darauf lauert, hervorzubrechen. Wenn wir es aufhalten wollen, müssen wir uns beeilen, denn es sind weitere Kräfte auf dem Schlachtfeld erschienen, die im Verborgenen den Konflikt schüren. Wenn wir nicht bald etwas unternehmen, wird dieser Ort fallen.“ Easygoing verbeugte sich erneut. „Ich werde Eure Botschaft überbringen.“ Mit diesen Worten drehte der Druide sich um und verließ eiligen Schrittes das Hauptgebäude der Burg. Unwillkürlich maß er die Umgebung mit den Augen und blieb wie angewurzelt stehen. Auf der anderen Seite der Burg hatte er einen weiteren Silithidenbau entdeckt, der ähnlich den Bauten in Tanaris einen riesigen Krater in die Landschaft gerissen hatte. Wie ein weit aufgerissenes Mal drohte es die Burg zu verschlingen und die ersten Ausläufer waren schon bedenklich nahe an die Burg heran gebaut worden. Wenn es noch mehr Brutstätten dieser Größe in Silithus gab, musste die Anzahl der bereit stehenden Silithiden tatsächlich gigantisch sein. Easygoing fragte sich, ob wohl die Kräfte, die dem Zirkel zur Verfügung standen, überhaupt ausreichen mochten, um dieser Bedrohung Herr zu werden. Die Frage ließ in ihm den Wunsch aufkommen, dort hinunter zu reiten und ein paar Insektenschädel zu spalten. Allein das Reliquiar in seinem Beutel hielt ihn davon ab. Er hatte bereits eine Aufgabe, die es wahrzunehmen galt. Der Druide fühlte plötzlich ein eigenartiges Kribbeln in seinem Nacken. Er kannte das Gefühl. Irgendetwas oder irgendjemand beobachtete ihn. Die Hand an seinem Dolch drehte Easygoing sich herum. Auf dem Weg hinter ihm stand ein Nachtelf. Sein Gesicht war unter einem eisernen Helm nicht zu erkennen und auch sein restlicher Körper war in schwere, undurchdringliche Rüstung gehüllt. Unverkennbar ein Krieger. „Kann ich Euch behilflich sein?“, fragte Easygoing höflich. Der Fremde antwortete nicht. Durch die Sehschlitzes seines Helms drang ein intensiver Blick, der Easygoing förmlich zu durchbohren schien. Bevor der Druide es verhindern konnte, war der fremde Nachtelf bei ihm und sah ihm direkt in die Augen. „Ihr seid ihm begegnet.“, sagte er und in seiner Stimme lag keine Frage. „Der Meister ist also zurückgekehrt.“ „Was? Wovon sprecht Ihr?“ Easygoing wollte einen Schritt zurücktreten, aber die Hand des Nachtelfen schnellte vor und hielt Easygoings Handgelenk wie eine Bärenfalle gefangen. Vorsichtig, so als fürchte er etwas Zerbrechliches zu zerstören, langte der Nachtelf mit der anderen Hand nach Easygoings Wams. Seine Finger glitten zwischen den Lagen aus Stoff und Leder und als er sie wieder zurückzog, lag etwas sehr kleines in seiner Handfläche. Ein goldener Krümel, der sich bei näherer Betrachtung als Sandkorn herausstellte. Der Fremde ließ Easygoing so unvermittelt los, dass dieser zurücktaumelte und sich nur mit Mühe fing. „Was soll das?“, grollte der Druide ärgerlich. „Wer seid Ihr und von was faselt Ihr da von einem Meister?“ Der fremde Nachtelf hob die Augen von dem Sandkorn und sah Easygoing mit einem Blick an, der den Druiden frösteln ließ. Es war kein Wahnsinn, der darin lag, doch etwas, das dem ziemlich nahekam: glühende Verehrung. „Mein Name ist Baristolth. Der Tod hatte mich bereits mit seinen Klauen gepackt und wollte mich mit in sein finsteres Reich ziehen, als der Meister erschien und mich errette. Er ließ seinen Atem über meinen versehrten Körper streichen und wartete dann, bis die Sande der Zeit meine Wunden geheilt hatte. Du wirst für immer bleiben, wenn du musst, sagte er und mit diesen Worten band er mich in meine Existenz als Ewiger Wächter. Seit dem warte ich auf ein Zeichen, das seine Rückkehr verkündet. Ihr, Druide, brachtet mir dieses Zeichen. Meine Wache ist beendet. Die Zeit des zweiten Krieges ist gekommen.“ Easygoing schüttelte den Kopf. „Ihr wisst ja nicht, wovon Ihr da redet, Mann.“, knurrte er und ließ den Fremden einfach stehen. Er hatte genug um die Ohren, als jetzt auch noch auf das Geschwätz eines Nachtelfen zu hören, der ganz offensichtlich zu viel Zeit in der Sonne zugebracht hatte. „Wenn Ihr meinen Worten keinen Glauben schenkt, geht und überzeugt Euch selbst.“, rief der Krieger ihm nach. „Reist zu den Höhlen ganz im Westen von Tanaris. Dort werdet Ihr die Ruhestätte des Bronzeschwarms finden. Überzeugt Euch selbst von der Rückkehr des Meisters. Er allein weiß, was uns morgen erwartet.“ Easygoing war kurz davor, sich auf den impertinenten Fremden zu stürzen. Aber als er sich herumdrehte, um ihn zur Rede zu stellen, war der anderen Nachtelf verschwunden. Der Druide sah sich nach allen Seiten um, doch es war keine Spur von ihm zu entdecken. Mit einem mulmigen Gefühl wandte Easygoing sich wieder dem Weg zu und bestieg kurz darauf auf den Rücken eines helläugigen Hippogreifen. Während das Tier sich in die Lüfte schwang, meinte er noch einmal die Stimme des Fremden in seinem Inneren zu hören. Wenn die Zeit reif ist, mein Freund. Wenn die Zeit reif ist, wird alles offenbar werden. Der Meister rührt sich. Seht zum Himmel und erwartet die Rückkehr der Bronzenen. Abbefaria wusste nicht, ob er jemals in seinem Leben schon so müde gewesen war. Er hatte fast den gesamten Tag mit Loganaar zusammen verbracht und seine neuen Fähigkeiten trainiert. Inzwischen war er in der Lage, die Verwandlung in ein Moonkin zu kontrollieren und auch die Zauber, die er in dieser Gestalt wirkte, waren effektiver und gingen ihm wie von selbst von der Hand. Allerdings hatte er immer noch Schwierigkeiten, die körperliche Komponente der Verwandlung in ein so großes Wesen zu kompensieren. Hätten sie sich nicht an einer abgelegenen Stelle von Moonglade getroffen, wäre sicherlich einiges an Geschirr zu Bruch gegangen. Zudem war Loganaar ein unerbittlicher Lehrer und erlaubte nicht den geringsten Fehler. Wieder und wieder ließ er ihn die Übungen wiederholen und fand immer noch etwas daran auszusetzen. „Ein Fehler zur falschen Zeit kann dich dein Leben kosten und das deiner Kameraden.“, hatte er gesagt. „Folge deinen Instinkten, ohne dich von ihnen kontrollieren zu lassen. Bleib allzeit wachsam.“ Zum Abschluss seiner Lektion hatte Loganaar darauf bestanden, dass Abbefaria sich ihm in seiner neuen Form im Nahkampf stellte. Das Ergebnis war grauenhaft gewesen und nur die gute Polsterung, die er als Moonkin durch Fell und Federn besaß, hatte den jungen Druiden vor schlimmeren Verletzungen bewahrt. Trotzdem fühlte er jeden Knochen in seinem Leib und jeder seiner Muskeln wies mindestens einen blauen Fleck auf. Jetzt lag er hier auf einem Lager aus Kissen und Matten, zu müde um zu essen, und beobachtete den schlaksigen Schurken, der wie ein Tier in einem Käfig von einer Seite des Zimmers zur anderen tigerte. Dabei spielte er mit dem Dolch in seinen Händen auf eine Art und Weise herum, die den Druiden zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Finger gekostet hätte. Er mochte sich kaum vorstellen, was der drahtige Nachtelf mit dieser Waffe noch alles anzustellen vermochte. „Wenn du dich nicht gleich hinsetzt, Deadly, schicke ich dich eine Runde zum Schwimmen in den See.“, sagte der zweite Nachtelf, der das Gewand eines Priesters trug, mit ruhiger Stimme. Er saß in einer entspannten Haltung mit untergeschlagenen Beinen auf dem Boden des Zimmers auf einem Teppich und hatte die Augen geschlossen. „Immerhin schlafe ich nicht, während Easy da draußen sonstwas zustoßen könnte.“, fauchte der Schurke, setzte sich aber gehorsam auf einen Stuhl. Statt den Dolch durch seine Finger gleiten zu lassen, begann er jetzt, das Holz des Sitzmöbels mit der Klinge zu bearbeiten. „Ich schlafe nicht, ich meditiere und bitte Elune um ihre schützende Hand über deinem Bruder. Das ist allemal hilfreicher als das Mobiliar zu schänden.“ Der Schurke machte ein abfälliges Geräusch. „Beten, Pah! Ist das alles, was dir einfällt? Vielleicht möchtest du noch mit unserem neuen Druidenfreund hier zusammen deinen Namen tanzen? Oder ihr häkelt kleine Kleidchen aus Binsengras, damit ihr mit euren Puppen spielen könnt.“ „Deadly!“ Die Augen des Priesters öffneten sich schlagartig und der Ausdruck darin gefiel Abbefaria gar nicht. „Es reicht jetzt. Ich mache mir ebenfalls Sorgen um Easy und unser Freund hier scheint mir genauso müde zu sein wie du und ich. Vielleicht sollten wir uns lieber alle für ein paar Stunden zur Ruhe begeben.“ „Aber…“, begann der Schurke zu protestieren. „Schlaf!“, befahl der Priester und augenblicklich fielen dem Schurken die Augen zu und er sank auf der Tischplatte zusammen. Der Priester stöhnte leise und rieb sich die Nasenwurzel zwischen Daumen und Zeigefinger. „Keine Angst.“, versicherte er Abbefaria, der ihn mit großen Augen anstarrte. „Ich mache das nicht besonders häufig. Es verursacht mir Kopfschmerzen. Außerdem würde ich es normalerweise nicht gegen einen Freund einsetzen, aber in diesem Fall war es zu seinem eigenen Besten. Der Hitzkopf war drauf und dran etwas Unüberlegtes zu tun.“ Trotz der Beteuerungen des Priesters, blieb Abbefaria weiterhin skeptisch. „Ich habe noch nie gehört, dass im Tempel des Mondes solche Praktiken gelehrt werden.“, sagte er und zog sich noch ein Stück weiter in seine Ecke des Raumes zurück. „Nun, das werdet Ihr auch nie hören.“, antwortete der Priester in jovialem Ton. „Ich wünsche angenehme Ruhe, Abbefaria.“ Der Priester drehte dem Druiden demonstrativ seine Rückseite zu und streckte sich auf seinem Lager aus. Bald erklangen nur noch regelmäßige Atemzüge und ab und an ein leises Gemurmel aus der Richtung des Tisches. Zögernd bette sich auch Abbefaria auf sein Lager. Im Gegensatz zu den anderen fand er jedoch keine Ruhe. Er fragte sich, was wohl passieren würde, wenn dieser Easygoing aus dem fernen Silithus zurückkehren würde. Er selbst hatte allenfalls eine sehr vage Vorstellung davon, wo dieser Ort überhaupt lag. Weswegen hatte Rabine Saturna den anderen Druiden dort hin gesandt? Welche Pläne hatte er mit Abbefaria und welche Rolle spielten die anderen beiden Gestalten darin? Der Priester, Ceredrian, schien nett zu sein, doch irgendetwas an ihm machte Abbefaria misstrauisch. Dem Schurken hingegen traute er ganz offen nicht über den Weg und er hatte das Gefühl, dass seine Abneigung durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte. Abbefaria drehte sich auf den Rücken und betrachtete den dunklen Nachthimmel. Die Mitternachtsstunde lag bereits lange hinter ihnen, doch es konnte noch Stunden dauern, bis der Morgen graute. Bei der Erinnerung an das Feuerwerk dieses Abends wanderten seine Gedanken zu seiner Schwester. Wie gerne hätte Navala das miterlebt. Doch sie war im fernen Darnassus und morgen war der letzte Tag des Festes. Vermutlich würde sie ihm für den Rest des Jahres dafür grollen. Irgendwann musste ihn der Schlaf dann doch übermannt haben, denn das Nächste, was er durch die halb geöffneten Lider sah, war das Gesicht des Priesters, das über seinem schwebte. Eine feingliedrige Hand rüttelte ihn sanft an der Schulter. „Ihr habt einen ziemlich festen Schlaf, Abbefaria.“, bemerkte der Priester und zwinkerte ihm zu. „Kommt, man erwartet uns.“ Noch ein wenig schlaftrunken und steif folgte Abbefaria dem weißhaarigen Nachtelfen. Die Erinnerungen an das, was in den letzten Tagen geschehen war, drangen nur langsam wieder durch den wattigen Nebel des Tiefschlafes zu ihm vor. Alles wirkte wie aus einem fernen Traum und er fragte sich, ob er sich nicht einiges davon einfach nur eingebildet hatte. Diese Hoffnung wurde jedoch im nächsten Moment zerschlagen, als er sich in einem Raum mit Rabine Saturna, Ceredrian, dem finsteren Schurken und einem weiteren breitschultrigen Nachtelfen wiederfand. Der fremde Druide wirkte müde und abgekämpft und sowohl seine Haut wie auch seine Kleidung wiesen Spuren eines Kampfes auf. Er redete leise auf Rabine Saturna ein, dessen Gesicht ernst und voller Sorge war. Als Abbefaria eintrat, musterte der andere Druide ihn kritisch. „Das ist er also.“, war alles, was der andere Druide sagte und Abbefaria wusste sich nicht so recht einen Reim darauf zu machen. War das ein gutes oder ein schlechtes Vorzeichen? „Meister Saturna.“, ergriff der Priester das Wort. „Nachdem mein Cousin nun zurückgekehrt ist, wollt Ihr uns da verraten, warum Ihr uns alle hier versammelt habt? Mir scheint, es steckt mehr dahinter als nur die reine Gastfreundschaft.“ Der Verwalter von Nighthaven nickte. „Ich dachte mir schon, dass ich Euch nicht lange werde hinhalten können. Aber, meine Freunde, lasst uns auf der Terrasse Platz nehmen und dort eine Kleinigkeit essen und trinken. Hunger und Durst sind schlechte Gäste, wenn es gilt, weitreichende Entscheidungen zu fällen.“ Sie folgten Rabine Saturna auf die weitläufige Veranda, auf der Abbefaria schon am Tag zuvor empfangen worden war. Draußen dämmerte es bereits wieder und in bauchigen Gefäßen brannten leise rauschende Lichter. Man hatte die ursprünglichen Möbel beiseite gerückt um Raum zu schaffen für einen großen, reich gedeckten Tisch, an dem sie alle Platz fanden. Während Rabine Saturna an der Stirnseite Platz nahm, setzten sich Easygoing und Deadlyone auf eine Seite des Tisches. Ceredrian nahm Easygoing gegenüber auf der rechten Seite Rabine Saturnas Platz, so dass Abbefaria sich kurzentschlossen auf den Platz neben ihn setzte. So saß er zwar dem gallig dreinblickenden Schurken gegenüber, aber da die Alternative ein Platz an der Rabine Saturna gegenüberliegenden Seite gewesen wäre, befand Abbefaria, dass dies die bessere Wahl war. Rabine Saturna forderte sie auf, kräftig zuzulangen und faltete selbst die Hände, während Abbefaria und die anderen zu essen begannen. Der Verwalter wartete ab, bis sie ihren ersten Hunger gestillt hatten und eröffnete dann das Wort. „Meine jungen Freunde, ich will Euch nicht weiter auf die Folter spannen. Wie Ceredrian schon richtig vermutete, habe ich Euch aus einem bestimmten Grund hierher bringen lassen. Ich musste Euch jedoch zunächst im Unklaren lassen, da nicht sicher war, dass Easygoing den Auftrag, den ich ihm gegeben habe, tatsächlich erfüllen würde können, noch innerhalb welches Zeitrahmens ihm dies möglich sein würde. Glücklicherweise habe ich ein gewisses Talent darin, die Begabung anderer zu erkennen und habe eine gute Wahl getroffen. Euer Freund war in der Lage, mir den Gegenstand zu besorgen, nach dem ich ihn ausschickte. Wenn Ihr ihn jetzt bitte herausholen würdet, damit alle ihn sehen können.“ Der kräftige Druide langte nach einem Bündel, das er die ganze Zeit über im Schoß gehabt hatte, und platzierte den in weiche Tücher gehüllten Gegenstand vor sich auf dem Tisch. Vorsichtig entfernte er die schützende Schicht und zum Vorschein kam ein kleines, goldenes Kästchen. Schriftzeichen blitzten im Licht der Lampen auf und ein schillernder, milchweißer Stein auf der Mitte des gewölbten Deckels schien selbst von innen heraus zu leuchten. Abbefaria konnte sich nicht erinnern, einmal etwas derart Schönes gesehen zu haben. „Was ist das?“, ließ sich Ceredrian vernehmen. Auch dem Priester war seine Bewunderung für das Kästchen anzusehen. „Befinden sich Schätze darin?“, wollte der Schurke wissen und erntete dafür einen strafenden Blick des großen Druiden. „Es ist ein Reliquiar der Reinheit.“, erklärte er mit gewichtiger Miene. „Es dient dazu…ja, wozu eigentlich?“ Rabine Saturna lächelte. „Ein Reliquiar der Reinheit ist an sich schon ein großer Schatz. Wenige wurden einst hergestellt und fast alle von ihnen gingen im Lauf der Geschichte verloren. Ich gebe zu, ich hörte bereits vor einer ganzen Weile, dass es in Southwind noch ein solches Artefakt geben sollte, doch mit den Unruhen hier und dem steigenden Pegel an Aktivität in Silithus hielt ich es zunächst für besser, das Reliquiar als das zu bewahren, was es war - ein Geheimnis. Aber jetzt erfordern es die Umstände zu handeln. Ein weiteres Zögern könnte weitaus schlimmere Folgen haben, als jeder von uns es sich vorstellen kann.“ Der Nachtelf erhob sich und begann durch den Raum zu wandern. „Damit wir fortfahren können, muss ich Euch fragen, ob Ihr jemals von der Stadt Eldre’Thalas gehört habt. Es ist eine uralte Siedlung mitten im grünen Herzen von Feralas. Heute sind viele Teile davon bereits zu Ruinen geworden, doch die Überreste dessen, was sich einst dort befand, stellen eine große Bedrohung dar. Eine Bedrohung, die lange unentdeckt im Dunkeln vor sich hin wuchern konnte.“ „Eine Ruine? In Feralas?“ Easygoing verzog das Gesicht. „Ihr sprecht doch wohl nicht etwa von Düsterbruch?“ „Genau davon, mein junger Freund.“, bestätigte Rabine Saturna. „Was heute unter diesem vielsagenden Namen bekannt ist, war einst eine Hochburg der nachtelfischen Zauberei. Erbaut vor zwölftausend Jahren diente sie damals dazu, die wichtigsten, arkanen Geheimnisse der legendären Königin Azshara zu bewahren und ihren treuesten Magiern, auch bekannt als die Shen’dralar, Unterschlupf zu gewähren. Wie so vieles wurde auch sie während des ersten Einmarschs der Brennenden Legion und der großen Teilung in Mitleidenschaft gezogen, doch viele Teile der Stadt stehen noch und haben die unterschiedlichsten Kreaturen angezogen.“ „Oger zum Beispiel.“, warf der Schurke ein. Rabine Saturna nickte. „Die Oger des Gordok-Stammes halten den größten Teil von Düsterbruch besetzt, doch es gibt auch andere, unter ihnen die Geister der verstorbenen Hochgeborenen sowie einen Haufen Satyre, die sich in den ehemaligen Gärten niedergelassen haben. Um diese geht es mir.“ „Die Gärten oder die Satyre?“, rutschte es Abbefaria heraus. Der Schurke ihm gegenüber verdrehte die Augen, so dass der junge Druide instinktiv ein Stück tiefer in den Sitz rutschte. „Um beide, wenn man es genau nimmt.“, erwiderte Rabine Saturna. „Doch lasst mich der Reihe nach erzählen, denn um zu verstehen, was ich von Euch möchte, müsst Ihr zunächst Kunde von etwas haben, dass sich die Frucht des Gedeihens nennt. Über die Jahre und Jahrhunderte hinweg war Eldre’Thalas ein Hort magischer Kraft und diejenigen, die diese Hallen bewohnten, bedienten sich ihrer mit wahrhaftem Können. Eine von ihnen war eine Botanikerin mit dem Namen Millicent Serene. Sie formte die Kräfte der Natur nach ihrem Willen und erschuf aus ihnen ein mächtiges Artefakt, das das Geheimnis des Lebens in sich trug. Millicent benutzte dafür einen speziell präparierten Mondbrunnen und umgab eine exotische, pulsierende Ranke mit einer Aura des Wachstums und des Schutzes. Ganz Eldre’Thalas gedieh dank ihrer Schöpfung und brachte daraufhin noch größere Wunder hervor. Sie war eine wahre Meisterin ihres Fachs.“ Rabine Saturna schwieg einen Moment lang, den Blick in die Ferne gerichtet. Easygoing, der jetzt erst seine Mahlzeit beendet hatte, verzog das Gesicht zu einer finsteren Miene. „Ich vermute mal, dass dann irgendetwas schief gelaufen ist.“ Der Verwalter von Nighthaven schien aus einer Art Trance zu erwachsen. Er lächelte schwach. „Ja, wie bei vielen Dingen, die zu gut sind, um wahr zu sein, ist das auch hier der Fall gewesen. Der gesamte Zirkel – ich eingeschlossen – war eigentlich davon ausgegangen, dass die Ranke im Verlauf des Kriegs der Ahnen zerstört wurde. Wie groß war mein Schrecken, als ich erkennen musste, dass das nicht der Fall war. Im Gegenteil, die Ranke lebt immer noch und befindet sich jetzt in der Hand der erwähnten Satyre. Ihr Anführer, Alzzin der Wildformer, ist dabei, die Ranke mit seiner dämonischen Magie zu verderben. Ich vermag mir nicht auszumalen, welche Folgen es hätte, wenn ihm das tatsächlich gelänge. Ich weiß jedoch, dass ich dies auf keinen Fall zulassen werde und dass außerdem Eile geboten ist. Mit jedem Tag schreitet die Korruption weiter fort. Die Ranke muss gefunden, der Satyr getötet und die bereits verderbten Teile geborgen werden. Zu diesem Zweck schickte ich Easygoing nach Silithus. Nur das Reliquiar der Reinheit wird in der Lage sein, eine verderbte Quelle von derartiger Macht auf Dauer einzuschließen.“ Der Verwalter ballte die Hand zu einer Faust. „Ich kann Euch nicht befehlen, nach Feralas zu reisen, denn in dieses Geheimnis sind nur wenige eingeweiht. Offiziell weiß der Zirkel nichts von den Vorgängen in Eldre’Thalas. Ich kann eigentlich nur hoffen, dass Ihr, meine jungen Freunde, Euch bereit erklären werdet, mir diesen Gefallen zu tun. im Namen unser aller Sicherheit und im Namen von Millicents Andenken. Sie hat es nicht verdient, dass ihre großartige Arbeit derart besudelt wird. Milli war…eine großartige Frau.“ Rabine Saturna verstummte und wandte ihnen den Rücken zu. Er trat an die Brüstung der Terrasse und blickte wie schon am Abend zuvor auf den See hinaus. Am Himmel waren bereits die ersten Sterne erschienen und es konnte nicht mehr lange dauern, bis das große Feuerwerk, dass das Mondfest beendete, ihnen Gesellschaft leisten würde. Am Tisch hatte sich ebenfalls Schweigen ausgebreitet. Jeder der vier verbliebenen Nachtelfen schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Abbefaria konnte es immer noch nicht fassen. Er war weit davon entfernt, ein voll ausgebildeter Druide zu sein, und doch wollte Rabine Saturna ihn mit einem derart wichtigen Auftrag betrauen. Er fühlte sich geehrt und gleichzeitig stieg Panik wie eine eiskalte Welle seinen Hals hinauf. Wie sollte ausgerechnet er etwas zum Erfolg dieser Mission beitragen? Seine neu „erworbenen“ Fähigkeiten fielen ihm ein. Er war jetzt zum Teil ein Moonkin, ein von Elune berufener Wächter. Berufen, um diese Welt und das Gute in ihr zu beschützen. War es da nicht sogar seine Pflicht, sich dieser Herausforderung zu stellen? Und zeigte es nicht auch, wie verzweifelt Rabine Saturna sein musste, wenn er auf solche Mittel zurückgriff? Abbefaria erkannte, dass sie vermutlich tatsächlich die einzige Hoffnung auf Rettung waren. Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf. „Ich mache es.“ Drei Augenpaare richteten sich überrascht auf ihn. „Du?“, gluckste der Schurke. „Ausgerechnet du willst nach Düsterbruch reisen? Du weißt ja noch nicht einmal, wo das ist.“ „Dann werden wir es ihm zeigen.“, antwortete der breitschultrige Druide an seiner Stelle. „Wir sind dem Zirkel in dieser Sache verpflichtet, auch wenn er nichts davon weiß. Wir müssen nach Feralas reisen. Diese Ranke darf nichts weiter existieren.“ Der Priester ihm gegenüber nickte. „Das sehe ich genauso. Wir sollten aufbrechen, sobald der Tag beginnt.“ „Ihr werdet sofort aufbrechen.“, sagte Rabine Saturna. „Die Stunde ist günstig und im ausgelassenen Trubel der Festtagsfreude wird niemand Eure Abreise bemerken. Ich habe bereits Proviant und Ausrüstung für Euch bereitstellen lassen. Je eher Ihr aufbrecht, desto besser.“ „Gut.“, nickte Easygoing. „Reisen wir also nach Düsterbruch.“ „Ich weiß genau, dass wir das bereuen werden.“, unkte der Schurke, doch keiner schenkte ihm Beachtung; am allerwenigstens Abbefaria. Der junge Druide spürte eine merkwürdige Euphorie in seinen Adern kreisen. Er wusste nicht warum, aber die Tatsache, dass er nach Düsterbruch reisen würde, erschien ihm richtig und wichtig. Er konnte sich das Gefühl nicht erklären, aber er beschloss sich ihm hinzugeben. Wer wusste schon, wohin es ihn leiten würde. Womöglich war dies so etwas wie sein Schicksal. Schnaufend bahnte sich Magenta ihren Weg durch die Unmengen von Dockarbeitern und sonstigen unnützen Leuten, die ihr im Weg herumstanden. Schweiß perlte auf ihrer Stirn und ihre fliegenden Haare klebten daran fest wie Fliegen an einem Honigglas. Alles an ihr troff von der allgegenwärtigen Feuchtigkeit des Sumpflandes und die drückende Luft machte ihr das Atmen schwer. Trotzdem beschleunigte sie ihre Schritte noch einmal und flog regelrecht über den Anlegesteg des Schiffs, das sie nach Theramore bringen sollte. Mit letzter Kraft stieß sie sich von den rutschigen Bohlen ab und landete auf den nicht weniger rutschigen Planken des Schiffes. Sie glitt aus, verlor den Halt und landete mit dem Hintern genau im dreckigen Mopp des Schiffsjungen, der damit gerade seine Arbeit beendet hatte. „Auch das noch.“, murmelte die Hexenmeisterin. „Aber geschafft ist geschafft.“ Der Schiffsjunge zog die Stirn kraus. „Warum habt Ihr nicht gewartet, bis das Schiff anlegt?“, fragte er ernsthaft erstaunt. Magenta durchbohrte ihn mit einem bösen Blick. Als sie heute Morgen aufgewacht war, hatte sie aus dem Fenster nur ein Schiff gesehen, dass gerade im Begriff war abzulegen. Auf die Idee, dass es vielleicht gerade erst anlegte, war sie nicht gekommen. So würdevoll wie möglich raffte sie sich vom nassen Fußboden auf und setzte ein hochmütiges Gesicht auf. „Ich benötige eine Unterkunft für die Überfahrt. Führe er mich hin.“ Der Schiffsjunge sah wohl ein, dass mit diesem durchgeknallten Frauenzimmer nicht gut Kirschenessen war. So schnell er konnte, grabschte er nach Magentas Gepäck, schulterte den schweren Koffer und geleitete die Hexenmeisterin unter Deck. Dort zog Magenta sich in ihre Kabine zurück, schob zunächst den Schiffsjungen ohne Trinkgeld aus der Tür und dann den Riegel von innen vor. Erst dann erlaubte sie sich einen kleinen Wutschrei, der die funzelige Öllampe in der Kabine zum Klirren brachte. „Dieser dreimal verwünschte Goblin.“, fluchte sie. „Ich hätte wissen müssen, dass an der Sache ein Haken ist. Allein dieses süffisante Grinsen, mit dem er mir das Pergament und die anderen Sachen überreicht hat…“ Zusätzlich zu den Dingen, die sie bereits kannte, hatte Morzul Bloodbringer noch ein Buch mit Instruktionen überlassen. Der erste Teil hatte sich noch recht simpel angehört. Man musste einen großen Beschwörungskreis erschaffen, ein Portal nach Xoroth öffnen, ein Schreckensross hindurch locken, es besiegen und schließlich seinen Geist in Besitz nehmen. Dass der Teufel dabei wie üblich im Detail steckte, war Magenta erst klar geworden, als sie zu Kapitel drei geblättert hatte. (Kapitel zwei behandelte nur noch einmal im Einzelnen die Gegenstände, die sie dem goldgierigen, kakerlakenfressenden Widerling von einem Goblin abgekauft hatte und sie hatte wenig Lust verspürt, sich noch einmal das durchzulesen, was der Goblin ihr ohnehin schon erzählt hatte.) Kapitel drei nannte sich „Der Kreis der großen Bindung“ und zeigte nicht nur die genaue Anordnung der benötigten Runen und Zeichen, nein…er enthielt auch den entscheidenden Hinweis, dass dieser Beschwörungskreis nur an einem einzigen, verdammten Ort errichtet werden konnte und der befand sich noch nicht einmal auf demselben verdammten Kontinent wie Magenta! Er befand sich in einer Stadt mit dem unaussprechlichen Namen Eldre’Thalas, auch Düsterbruch genannt, wo irgendwelche hochbegabten Zauberer ein immens mächtiges Wesen namens Immol‘thar eingekerkert hatten. Ausgerechnet in dessen Verlies sollte sie hinabsteigen, um ihr Ritual zu vollenden. „Das ist lachhaft.“, grollte Magenta. „Geradezu wahnwitzig. Ich meine, was wollten die eigentlich mit diesem Immol’thar? Warum haben sie ihn nur eingesperrt und nicht einfach getötet, wenn sie doch so furchtbar schlau und mächtig waren? Ich begreife es nicht.“ „Ich hätte da so eine Idee.“, antwortete eine Stimme aus ihrem Rucksack. Sie klang eigenartig dumpf und hohl, als käme sie aus der Tiefe eines Brunnenschachts hervor. Magenta kniff die Lippen zusammen und angelte mit spitzen Fingern eine alte, bauchige Schnapsflasche aus ihrem Gepäck. „Wer hat dich denn um deine Meinung gefragt?“, fauchte sie den Wichtel an, der sie von der Innenseite der Flasche aus verzerrten Augen anstarrte. „Du bist nur da, um mir bei dem Ritual zu helfen. Danach werfe ich dich in den tiefsten Tümpel, den ich finden kann, du Billig-Kopie.“ Wieder so etwas, bei dem sie der Goblin über´s Ohr gehauen hatte. Nachdem sie sein Wichtelglas für die Erstellung des Pergaments nicht benötigt hatte, hatte er ihr im Nachhinein eröffnet, dass sie es aber sehr wohl brauchte, um das Ritual zu vollenden. Da er es für wenig wahrscheinlich halte, dass sie jedoch irgendwann in der Lage sein würde, ihm das Glas zurückzuerstatten, müsse er ihr 200 Goldstücke dafür in Rechnung stellen. Das waren genau 200 Goldstücke mehr, als Magenta besaß. „Also schön.“, hatte er gesagt und dabei gegrinst wie eine Katze, die eine Maus in der Mausefalle entdeckt hatte. „Ich habe da noch ein zweites Glas. Der Wichtel darin ist nicht so talentiert wie J’eevee. Ich habe ihn eines Tages dabei erwischt, wie er versuchte, mein Labor anzuzünden und habe ihn eingefangen. Ich würde ihn dir ausnahmsweise umsonst überlassen. Und natürlich ist das Glas, in dem ich ihn gefangen habe nicht so hochwertig, aber es wird genügen, damit er dir nicht abhandenkommt.“ Natürlich hatte Magenta eingeschlagen, da sie nicht riskieren wollte, so kurz vor dem Ziel noch zu scheitern. Was ihr das eingebracht hatte, saß jetzt in der Schnapsflasche und glotzte sie an. „Gorzeeki Wildeyes hat nur leider vergessen zu erwähnen, was für eine fürchterliche Nervensäge du bist.“, fauchte die Hexenmeisterin und versetzte der Flasche einen Tritt, die sie von der kargen Lagerstatt stieß und quer durch die Kabine rollen ließ. „Hey, pass doch auf.“, meckerte der Wichtel im Inneren. „Willst du etwa, dass ich mir meine schöne Wunderlampe vollkotze.“ „Sei still, Wichtel, ich habe zu arbeiten.“, brummte Magenta und steckte ihre Nase demonstrativ in das Buch mit Mor’zul Anweisungen. „Ach ja, das ist auch noch so etwas.“, quäkte sie Stimme von irgendwo hinter dem Nachttopf hervor. „Mein Name ist Pizkol. Merk dir das doch endlich mal.“ Die junge, blonde Frau, die an der Reling des Schiffes stand, zog erschrocken den Kopf ein, als plötzlich unter ihr eines der Bullaugen mit einem lauten Knall zerbarst. Ein Ball dunkler Energie raste hindurch und schlug ein Stück aus einem der Trägerpfosten des Anlegestegs. „Du meine Güte.“, hauchte sie. „Ob da unten jemand verletzt wurde? Ich sollte nachsehen gehen.“ Sie wollte sich schon umdrehen, doch ihr Begleiter, ein breit gebauter Krieger mit sonnengebräuntem Teint und rabenschwarzen Haaren schob sich ihr in den Weg. „Dazu haben wir keine Zeit.“, sagte er. „Sieh doch, das Schiff legt gleich an und wir wollen doch nicht, dass es mit dir an Bord wieder ablegt.“ Die junge Frau blinzelte überrascht und sah den Mann dann aus großen, blauen Augen bewundern an. „Wie umsichtig von dir. Du hast natürlich völlig Recht. Die kleine Magierin würde uns nicht verzeihen, wenn wir sie noch länger warten ließen.“ Der Krieger stülpte den Helm über den Kopf und griff nach seinem Zweihänder. „Sie klang in der Tat besorgt. Es erfordert schon eine ganze Menge, um diese Gnomin aus der Fassung zu bringen. Ich wünschte nur, sie hätte uns persönlich abholen können.“ „Du hast es doch gelesen.“, antwortete die junge Frau und strich ihre weiße Robe glatt, die sie als Mitglied des Priesterordens auswies. „Sie muss zuerst noch etwas erledigen, dann wird sie sich mit uns zusammen in Ironforge treffen. Ich frage mich, was so wichtig ist, dass sie uns extra dafür zurück nach Azeroth reisen lässt.“ „Vielleicht hat sie endlich den Ursprung der schwarzen Drachen ausfindig gemacht.“, überlegte der Krieger. „Das würde die Geheimnistuerei erklären.“ „Oder sie hat den verschwundenen König wiedergefunden.“, lachte die Priesterin. „Bei ihr kann man nie wissen.“ Der Krieger schüttelte den Kopf. „Das wäre ja nun wirklich zu albern. Ich tippe eher auf die Drachen.“ „Nun, wir werden sehen.“, sagte die Priesterin gut gelaunt. „Komm, dort drüben ist ein Greifenhort, dort können wir uns einen Flug nach Ironforge buchen. Hast du Gold dabei?“ „Natürlich habe ich Gold dabei.“, erwiderte der Krieger. „Oder hatte ich in Theramore irgendwelche Gelegenheit, meinen Sold auszugeben. Für etwas anderes als Glückspiel und Alkohol meine ich.“ Die Priesterin lachte hell auf. „Oh, ich glaube, die anderen Soldaten werden froh sein, wenn sie dich eine Weile lang los sind, du tugendhafter Held.“ „Wie meinst du das?“, wollte der Krieger wissen, aber die Priesterin lachte nur noch lauter und schob ihren Begleiter dann vom Schiff, bevor es wirklich noch mit ihnen an Bord ablegte. Immerhin hatten sie nicht vor, so schnell wieder nach Kalimdor zurückzukehren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)