Diamonds and Rust von Shirokko (Manche Dinge sind für die Ewigkeit und so dauerhaft wie Diamanten, während andere vom Rost der Zeit befallen werden und zerbröseln...) ================================================================================ Treffpunkt Pomfrey ------------------ Titel: Diamonds and Rust Kapitel: Begegnung 21: Treffpunkt Pomfrey Autoren: abranka und Shirokko Pairing: Draco / Harry Beschreibung: Die Fanfic spielt zeitlich nach dem 4. Buch, sprich hat Harry gerade die Begegnung bei der Auferstehung Voldemorts hinter sich. Die Ferien sind fast vorbei und er ist in der Winkelgasse, um auf seine Freunde zu warten, als er Draco sieht und sein Hass auf die Todesser ihn überwältigt. Es führt zu einer ganz neuen Erfahrung für den Blonden. In vielerlei Hinsicht… Den Rest solltet ihr schon selbst lesen… Warnung: Angst, Depri, Shonen-Ai, Kariesgefahr. Leute, deckt euch ausreichend mit Zahnpasta und Klobürsten ein. Und mit Schokolade, sie soll angeblich gegen Schocks helfen… vielleicht hat auch noch einer die eine oder andere Flasche Rohrreiniger da. Bemerkungen: Schuld an sämtlichen Logikfehlern sind die Protagonisten, die während des Schreibens allzu oft beschlossen haben, unsere Pläne zu durchkreuzen und getan haben, was sie wollten. Und nein, das ist keine Ausrede! *sich leicht wütend zu Harry und Draco umdreh und sie anfunkel* Nicht wahr? Hm, natürlich leugnen sie… Wie auch immer. Für eventuell anfallende Zahnarztkosten übernehmen wir keine Verantwortung. Edelkitsch garantiert. Disclaimer: Äh… ja, die Leute aus Harry Potter gehören natürlich nicht uns. Sie gehören sich selbst oder vielleicht auch dieser Frau, die sich Joanne K. Rowling nennt. Der Liedtextauszug ist in diesem Fall von Blackmore’s Night – 25 Years. Viel Spaß beim Lesen. Widmung: Unserer Freundschaft und dem einjährigen Jubiläum. Begegnung 21: Treffpunkt Pomfrey Harry erwachte im Krankenflügel. Schon am Geruch konnte er erkennen, dass er in dem Zimmer lag und auch zu dem Gefühl in seinem Körper passte es. Nur die Geräuschkulisse… Warum waren da so viele Stimmen? Stöhnend öffnete er die Augen und setzten sich auf. Schmerz zuckte durch seinen Rücken, aber es war erträglich… Es war hell hier drin. Und er war definitiv nicht alleine. Neben ihm war… Der Schwarzhaarige wandte den Kopf. Ron… Er war wach und starrte blicklos zur Decke. Ein Bett weiter lag Goyle, dahinter Crabbe. Gegenüber Malfoy, Blaise, Hermione, Pansy… die anderen Betten konnte er aus seiner Position direkt am Eingang nicht sehen. Poppy hatte sich wohl die Vorhänge gespart, um schnell und effektiv arbeiten zu können. War es so schlimm gewesen…? Es war seltsam. Er konnte sich an wirklich alles erinnern. Angefangen bei der Melodie in seinem Kopf, die dort noch immer nachklang, als wäre sie noch in der Luft. Er blickte zur Seite. Da, auf dem Nachttisch, lag sein Zauberstab und sein Umhang, seine Kleider… Sie hatten ihn also umgezogen… Wieder streiften seine Augen über seine Mitpatienten. Ron blickte ihn an. „Was habt ihr nur gemacht?“, fragte der Rotschopf leise. „Was war das für ein Zauber?“ Harry zuckte die Schultern. „Ich habe keine Ahnung.“, gab er ebenso leise zurück. „Bild dir nichts drauf ein, Potter!“, kam es von Crabbe. Er war also auch wach. „Das war Draco!“ Harry schwieg. Was sollte er dazu sagen? Er hatte einen anderen Verdacht gehabt, aber eigentlich konnte das doch sein, oder? Vielleicht hatte er nur nicht mitbekommen, wie Draco gezaubert hatte. „Niemand außer ihm kann Schwarze Magie einsetzen!“, war wieder Crabbe zu vernehmen. Diesmal schüttelte Harry wie hypnotisiert den Kopf. Das war keine Schwarzmagie gewesen. Draco konnte das schließlich nicht wirken mit seinem Stab… Gegenüber regten sich jetzt auch Pansy und Hermione. Das braunhaarige Mädchen aus Gryffindor stöhnte, als es sich aufsetzte. „Oh Mann, ihr seid echt gemeingefährlich!“, sagte sie. ~*~*~*~ Draco öffnete langsam blinzelnd die Augen. Diese verdammte Unruhe und dieses Gerede hatten ihn wach gemacht. Er starrte an die Decke. Eindeutig Krankenstation. Dafür musste er nicht lange grübeln. Offenbar war in diesem Zimmer die ganze Klasse untergebracht. Harry hatte das Bett ihm gegenüber, daneben Weasley, links von Draco lag Blaise, daneben Granger und Pansy und die anderen. Das nannte man mal einen umfassenden Krankenflügelbesuch. Er trug einen der typischen himmelblauen Krankenflügelpyjamas und ein Blick auf seinen Nachttisch sagte ihm auch wieso. Seine Kleider waren vollkommen von Blut befleckt, das wohl zweifellos sein eigenes war. Seine Arme wiesen noch immer leichte Schnittspuren auf, die noch nicht gänzlich verheilt waren. Selbst Magie brauchte manchmal Zeit und vermutlich war das Pomfreys Weg, um ihm zu zeigen, was er alles abbekommen hatte, so eine Art Abschreckungstherapie. Er setzte sich auf und zog die Knie an. Kurz blinzelte er zu Harry hinüber, vergewisserte sich unwillkürlich, dass es ihm gut ging, dann sah er beiseite. „Draco!“ Blaises Aufschrei zwang seine Aufmerksamkeit zu dem schwarzhaarigen Slytherin. „Du...“ Blaise starrte sein Gesicht an. „Hm?“ Verwirrt erwiderte er den Blick des Schwarzhaarigen. Was war denn jetzt kaputt? Stumm und mit schreckgeweiteten Augen warf Pansy ihm einen Taschenspiegel zu. Draco zuckte leicht zusammen, als er sein Spiegelbild sah. So, wie es ausschaute, hatte er es beinahe geschafft, sein Gesicht in Fetzen zu schneiden. Rote Striemen liefen quer über die helle Haut. Unwillkürlich pfiff er durch die Zähne. Er hatte wohl wirklich Glück gehabt. Was zum Merlin war eigentlich passiert? So, wie er aus dem Geschnatter entnehmen konnte, gab es offenbar zwei Fraktionen: Die einen glaubten, dass er selbst Schwarze Magie eingesetzt und damit diese Katastrophe ausgelöst hätte, während die anderen der Ansicht war, dass der Vorzeigegryffindor schlechthin die Explosion verursacht hatte. Er hielt beides für unmöglich - bei erster Vermutung wusste er es ja sogar besser. Irgendetwas war schief gelaufen. Es war nur die Frage was. ~*~*~*~ Harry war bei dem Anblick ebenfalls blass geworden. Draco sah fürchterlich aus! Schrecklich! Das würde Narben geben! Das wollte er nicht! Unter gar keinen Umständen! Ohne nachzudenken, schnappte er sich seinen Zauberstab, schlug die Bettdecke zurück und wollte aus dem Bett springen, als ein heftiger Schmerz durch seinen Rücken jagte und er zusammenbrach, den letzten Rest vom Bett hinabrutschte und auf dem Boden sitzen blieb. Was war denn nur mit seinem Körper los? Wieso gehorchte er nicht? Panik verdunkelte seine Augen, als er aufzustehen versuchte und es nicht ging. Und dann hob es ihn vom Boden hoch. Harry riss die Augen auf vor Schreck, als er zu schweben begann. „Mr Potter. Sie können es echt nicht lassen, oder? Nach einem solchen Unfall sollten Sie im Bett bleiben und nicht wie ein Grashüpfer durch die Gegend springen!“ Mme Pomfrey war zurück und sie war sichtlich nicht damit einverstanden, dass Harry aufstand, denn sie verfrachtete ihn zurück ins Bett. „Gebrochene Knochen brauchen ihre Zeit, um richtig zu heilen!“ Harry starrte sie an. Gebrochene Knochen? Wie bitte? Wann war denn…? Seine Augen weiteten sich, als er sich an den Schmerz erinnerte, der durch seinen Rücken gezuckt war. Waren seine Rippen gebrochen? Sein… Rückrad? „Wer hat denn jetzt gewonnen?“, tönte Deans Stimme von hinten aus dem Raum und lenkte Harrys betäubte Gedanken auf diese unwichtige Frage. Der Braunhaarige hatte aus dem Gespräch geschlossen, dass man nicht wusste, wer den Zauber gewirkt hatte, und außerdem… „Unentschieden…“, war Harrys Meinung. Seine Stimme war leise. Das durfte niemals jemand erfahren, dass er nur knapp einer Querschnittslähmung entkommen war… „Draco!“ Crabbe war davon überzeugt. Es war sein Mitschüler gewesen, der den Zauber gewirkt hatte, der alle außer Gefecht gesetzt hatte. Ron hatte da andere Vorstellungen. „Derjenige, der weniger schlimm verletzt worden ist! Schließlich waren sie beide KO!“ Fragende Blicke richteten sich auf die Medihexe, die erbost die Hände in die Seite stemmte. „Sind Sie denn alle des Wahnsinns?“, fragte sie in den Raum, bewirkte aber nicht wirklich etwas. „Wer?“, wiederholte Goyle auf seine typische redefaule Art. „Das geht Sie gar nichts an. Verletzungen unterliegen ebenso wie psychische Probleme der ärztlichen Schweigepflicht!“ Der Rotschopf wandte sich an Harry, der zu Draco hinüberblickte. „Was hast du abbekommen?“ Er antwortete nicht. Noch immer umklammerte er den Zauberstab. Er wollte ihm helfen. Dringend! „Harry?“ Ron war besorgt. „Ha, er ist noch immer zu schwach, um auch nur zu stehen!“, rief Crabbe schadenfroh. „Draco hat nur ein paar Schnitte!“ Das ist nicht wahr!, dachte Harry und presste die Lippen aufeinander. Selbst an den Augen waren noch diese roten Linien! Garantiert war Draco richtiggehend blind gewesen! Oder schlimmer noch! Das waren keine leichten Verletzungen! „Aber immerhin sieht man bei ihm nichts!“, rief Ron seinem Bettnachbarn zwei Betten weiter zu. „Harry ist Sieger!“ „Draco!“ „Harry!“ Harrys Finger krampften sich in seine Decke. „Es war ein Unentschieden!“, knurrte er und als die Streithähne ihn ansahen, waren sie einem so kalten Blick ausgesetzt, dass keiner mehr einen Ton sagte. Der Schwarzhaarige wandte den Blick auf die Decke zurück, wo seine Finger seinen Zauberstab umklammerten. Mme Pomfrey seufzte. Kinder… „Mr Thomas. Kommen Sie bitte nach nebenan, ich will Sie untersuchen, bevor Sie gehen können!“ Der Junge hatte wirklich ganz hinten gelegen, stellte Harry fest, als sein Klassenkamerad aufstand und zwischen den beiden Bettreihen hindurchging. Er wandte den Blick ab, um ihn nicht ansehen zu müssen, denn er ahnte den hasserfüllten Blick schon voraus… ~*~*~*~ Was zum Merlin hatte Harry vor? Der Sprung aus dem Bett mit dem Zauberstab... Er wollte doch nicht... Dracos Augen weiteten sich leicht. Der Junge hatte doch wohl offenbar den Verstand verloren! Wenn hier irgendeiner der Slytherins mitbekommen würde, was zwischen ihnen geschah, dass sie Freunde waren, dann war er geliefert! Pomfreys Auftritt hatte etwas für sich. Die Medihexe hatte wohl genau das richtige Gefühl für Timing. Aber gebrochene Knochen? Hatte es Harry etwa derart schwer erwischt? Und ihn selbst? Er brannte darauf, es zumindest selbst zu wissen. Geblutet hatte er... Schwer sogar nach den Flecken auf seinen Kleidern zu urteilen. Hatte er sich auch etwas gebrochen? Die Fragen der anderen Schüler rauschten an ihm vorbei. Mochten sie doch rumrätseln, wer gewonnen hatte. Ihm war es vollkommen egal. „Unentschieden.“, murmelte Blaise neben ihm leise und stimmte Harry zu. Draco warf dem schwarzhaarigen Slytherin einen nachdenklichen Blick zu. Manchmal schien Blaise deutlich mehr zu verstehen, als ihm lieb war. Nach und nach leerte sich der Raum, während Pomfrey einen Schüler nach dem anderen zu sich holte. Schließlich blieben nur noch fünf Schüler übrig: Weasley, Granger, Pansy, Harry und Draco, diejenigen, die dem Zentrum der Explosion am nächsten gewesen waren. ~*~*~*~ Harry hatte sich wieder zurückgelegt und die Decke über den Kopf gezogen, als die anderen nacheinander gegangen waren. Er wollte schlafen, ihnen nicht ins Gesicht sehen müssen. Oder wahlweise mit Draco alleine sein, damit er diese hässlichen Kratzer aus seinem Gesicht wischen konnte, aber dafür würde er warten müssen… Es war Ron, der die sich ausbreitende Stille im Raum durchbrach. Seine Stimme war misstrauisch. „Sag mal, Mione, was hatte eigentlich dein Auftritt vorhin zu bedeuten? Warum hast du… die Freundin von dem Frettchen gerettet?“ Er sagte das so abfällig, wie es nur ihm möglich war. „Ist dir eigentlich bewusst, dass es ihr Vater hätte sein können, der Percy umgebracht hat?“ ~*~*~*~ „Dein Bruder wurde umgebracht?“ Eigentlich hatte Pansy ja in die Luft gehen wollen, aber jetzt lag Verblüffung in ihrer Stimme. „Im Tagespropheten stand, dass es ein Unfall gewesen wäre!“ Draco sah sie nachdenklich an. Wenn das im Tagespropheten stand... Dann hatte das Ministerium wohl auf diesen ganzen Informationen immer noch den Daumen drauf. Man konnte den Tod von Percy Weasley nicht verheimlichen, aber man konnte offenbar die Todesursache vertuschen. Ahnte das Ministerium nicht, wie ahnungslos es sich damit seine Bevölkerung hielt? Wie schutzlos und unvorbereitet? „Ich glaube kaum, dass Pansy etwas für das kann, das ihr Vater möglicherweise getan hat, Wiesel. Du solltest mit solchen Pauschalurteilen vorsichtig sein.“ Dracos Stimme war ruhig und beherrscht, wirkte aber zugleich arrogant und kalt. Pansy sah ihn an und ihre braunen Augen leuchteten. Er nahm sie in Schutz! ~*~*~*~ Ron funkelte in seine Richtung. „Halt die Klappe, Malfoy!“, knurrte er. „Von dir will ich nicht mal reden! Du verheimlichst es ja nicht mal, dass du Menschen töten willst!“ Er wandte sich wieder an Hermione, die ihn ansah, als hätte er sie geschlagen. „Warum verteidigst du dieses…“ Ihm fehlten die Worte. Ihr auch. Hermione war den Tränen nahe. Sie hatte gewusst, dass es nicht einfach werden würde, wenn Ron dahinter kam, aber… „Sie hat Hilfe gebraucht!“, rief sie, schüttelte ihre Hilflosigkeit ab. „Hätte ich sie da liegen lassen sollen?“ „Ja!“ Ron schrie fast schon. „Sie war schutzlos!“ „Jemand anderes hätte das tun können! Das Frettchen zum Beispiel! Schließlich ist sie… seine Freundin!“ Wieder lag Verachtung in seiner Stimme, als er Pansy so titulierte. „Er hat sich für sie duelliert!“, rief das braunhaarige Mädchen. Sie fühlte sich zunehmend in die Ecke gedrängt durch seine Wut. Es grenzte fast schon an Ironie. Sie hatte sich mit Pansy angefreundet, weil sie beide das gleiche Problem hatten, dass sie unerwiderte Liebe empfanden. Und jetzt tat sie alles, um ihrer Liebe klar zu machen, dass es kein Fehler gewesen war, damit er sie nicht verachtete… Sie konnte ihn ja verstehen, verstand seinen Blickpunkt, seinen… Schmerz, aber das hieß doch nicht, dass sie ihre Freundin… im Stich lassen konnte! „Er hatte gar keine Zeit dafür!“ Unter seiner Decke rollte sich Harry noch ein bisschen mehr zusammen. Er wollte das alles gar nicht hören! Er wollte nicht hören, dass Malfoy sich für sie duelliert hatte… ~*~*~*~ „Er hat...“ Pansy starrte Draco jetzt mit offenem Mund an. Er hatte sich für sie duelliert? Wirklich? Das war... mehr als sie jemals erwartet hatte. Mochte er sie doch? ...liebte er sie sogar vielleicht? „Und uns Slytherins wirft man Starrsinn und Verbohrtheit vor. Mal abgesehen von Gemeinheit.“ Draco verdrehte die Augen. „Fass dir an die eigene Nase, Wiesel. Wie viel besser bist du, wenn du andere genauso behandelst? Kein bisschen.“ Er verzog angewidert das Gesicht. Er fand es zwar selbst reichlich seltsam, dass sich Granger um Pansy gekümmert hatte, aber zu einem gewissen Grad war er ihr dankbar dafür, wäre es doch sonst auch irgendwie seine Aufgabe gewesen. „Was bildest du dir eigentlich ein, Weasley?“, fauchte Pansy in dem Moment los. „Du hast kein Recht hier irgendjemanden zu kritisieren! Du wärst doch selbst viel zu feige gewesen, irgendwem zu helfen!“ ~*~*~*~ Rons Gesicht verzerrte sich vor Wut. „Todesser!“ Seine Stimme war dunkel und hasserfüllt, als er erst Pansy, dann Draco und schließlich Hermione anstierte. „Und du stellst dich auf ihre Seite!“ Das Mädchen war nun wirklich verzweifelt. Sie zitterte und starrte ihn an. „Ron, du weißt, dass das nicht wahr…“ „Ach nein?“, fuhr er ihr über den Mund und funkelte sie an. „Du hast ihr geholfen! Du…“ Er verstummte, als eine tonlose, gedämpfte Stimme seine Worte untergrub. „Willst du Hermione vorwerfen, dass sie das tun, was man von ihr als Vertrauensschülerin und als Mensch erwartet?“ Ron fuhr zu Harry herum. Sehen konnte er ihn nicht, da der Schwarzhaarige noch immer unter seiner Bettdecke lag, aber er wusste, dass er da war. „Was redest du da?“ „Wenn sie ihr nicht geholfen hätte, wer hätte dann noch sagen können, sie wäre besser als die, die du so verachtest? Hermione hatte vollkommen Recht damit, was sie getan hatte. Ich hätte nicht gewollt, dass sie wirklich stirbt…“ Er verstummte, schloss seufzend die Augen, als er sich bewusst wurde, dass er kurz zuvor noch alles dafür gegeben hatte, genau das zu erreichen. „Du wolltest nicht…“ Ron war sprachlos - zumindest kurzzeitig. „Das sah aber ganz und gar nicht so aus. Wieder ein Seufzen. „Ich weiß.“, murmelte Harry. „Und es tut mir Leid…“ „Das glaub ich einfach nicht!“, fuhr Ron wieder auf. „Was ist denn nur los mit euch beiden? Nicht nur, dass du Malfoy nicht mehr als Feind betrachtest, nein, du stellst dich auch noch auf die Seite der Feinde! Sind die Gerüchte vielleicht doch wahr? Stehst du auf der Seite des Unnennbaren?“ Ron hatte die Beine aus dem Bett geschwungen, war dabei aufzustehen, als Harry sich noch ein wenig kleiner machte. Es tat weh. Wie konnte der Rotschopf das nur denken… Es war doch genau anders rum! Malfoy… stellte sich auf ihre Seite! Nur, das konnte er nicht hier sagen, nicht vor Parkinson… vor Pansy… ~*~*~*~ Todesser. Draco schürzte leicht die Lippen bei dem Wort. Das war er wohl wirklich in den Augen der meisten Schüler. „Du bist wirklich der größte Idiot dieser Welt, Weasley, wenn du nicht einmal deinen Freunden traust.“ Die Stimme des blonden Slytherins war kalt und verachtend. Pansy schaute verwirrt von Draco zu Weasley und wieder zurück. Was zum Merlin ging hier vor? Das war sehr viel eher eine Zurechtweisung als ein wirklicher Streit! ~*~*~*~ Auch Ron blickte seinen Widersacher an. „Wage es nicht zu behaupten, ich würde ihnen nicht vertrauen!“, fauchte er. ~*~*~*~ „Tust du nicht.“ Draco blickte ihn mit Eiseskälte in den Augen an. „Ansonsten würdest du uns allen dein elendes Herumgejammer und Gekeife ersparen. Ehrlich: Du langweilst mich.“ ~*~*~*~ „Es ist mir völlig egal, ob du dich langweilst!“, schnappte Ron zurück, dann stand er auf, ging zu Harrys Bett hin und zog diesem die Bettdecke weg. „Ich verlange eine Erklärung!“, forderte er von der zusammengekauerten Gestalt dort. Harry wandte das Gesicht ab, versteckte es unter seinem Arm. Was sollte er denn sagen? Er konnte Draco nicht verraten. „Du kannst das nicht begreifen.“, sagte er ebenso tonlos wie zuvor. Er musste Zeit gewinnen. Er musste seine Maske wieder finden, bevor er ihn ansah… „Es ist ein Gefühl…“ Er hatte es doch schon einmal erklärt. Damals war es noch so viel einfacher gewesen. Harry richtete sich auf, blickte seinen Freund ruhig lächelnd an. „Es ist ein Gefühl, das Schwarz und Weiß nicht voneinander trennt. Warum glaubst du, dass ich euch verrate? Ich habe den Todessern Rache geschworen, nicht denen, die sich dafür halten oder dafür gehalten werden.“ Es war das erste Mal, dass er wirklich davon sprach, dass er seinen Plan irgendjemandem gegenüber auch nur ansatzweise erwähnte. Und auch wenn es ihm nicht leicht fiel, es musste jetzt sein. Er musste das ja auch nicht vertiefen. Harry hob die Hand und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, um Zeit zu gewinnen, um sich seine nächsten Worte sehr genau zu überlegen, denn er wollte Ron nicht noch weiter reizen. „Ist es dir nicht aufgefallen?“, fragte er leise. „Voldemort ist schon seit Monaten da draußen und er hat sie noch nicht gerufen. Er hat weder Malfoy noch Parkinson gerufen. Meinst du nicht, dass das einen Grund hat? Sie haben nicht das Zeichen, das ein Todesser auf seinem Arm hat.“ „Sie sind Anwärter!“ Ron war verzweifelt. Er fühlte, wie der Boden unter seinen Füßen weggezogen wurde. „Woher willst du das wissen?“ Die Argumentation wäre so viel einfacher, wenn Pansy nicht da war. Er könnte Ron sagen, dass Draco kein Todesser mehr werden wollte, und dieser könnte es ihm bestätigen, aber so… „Harry, du kannst nicht allem und jedem eine zweite Chance geben!“ „Warum nicht?“ „Weil… weil…“ „Ron… gib es auf.“ Hermione war aufgestanden und zu ihnen herübergekommen, legte ihm jetzt eine Hand auf die Schulter. „Es gibt Dinge, die sich dem Verstand entziehen. Harrys Denken ist eine solche Sache. Er hat mir eine zweite Chance gegeben. Er hat Remus eine zweite Chance gegeben, als er von dessen Krankheit erfahren hat. Und sogar Sirius hat er angehört und verziehen… Er wollte doch sogar Wurmschwanz’ Leben verschonen, erinnerst du dich?“ „Du bist doch nicht besser!“, gab er zurück, aber es war längst nicht mehr so hart. Ron war einfach nur noch verzweifelt. Hermione lächelte. „Wenn eine Sache sicher ist, dann die, dass weder Malfoy noch Pansy deinen Bruder umgebracht haben. Sie waren hier. Und du weißt ebenso gut wie ich, dass man für die Fehler seiner Eltern nichts kann.“ Er blickte sie an, nickte schließlich seufzend und ließ Harrys Decke los. „Ich… ent… entschuldige, Mione.“ Sie schloss erleichtert die Augen und als sie sie wieder öffnete, lag Vergebung darin. „Schon gut.“ „Harry?“ „Hast du es verstanden?“ Der Rotschopf nickte schwach. „Komm her.“ Harry griff nach seiner Hand und zog ihn zu sich heran, um ihn zu umarmen. „Danke.“, flüsterte Ron. „Vielleicht habt ihr ja Recht…“ „Ganz bestimmt haben wir Recht.“, lächelte Harry, ließ sich den Schmerz, der sich in seinem Oberkörper ausbreitete, weil er ihn verbog, nicht anmerken. „Niemand ist einfach so böse… jeder hat einen Grund, nur dass wir diesen Grund nicht kennen…“ Ron seufzte und ließ ihn wieder los. „Trotzdem…“ „Ja?“ Er stieß ein ärgerliches Geräusch aus. „Sie hat sich nicht einmal bedankt!“ Harry lachte. „Woher willst du das wissen? Warst du wach?“ „Sie ist nach mir aufgewacht!“ „Auch darüber kannst du dir nicht sicher sein!“ ~*~*~*~ Draco hörte den Gryffindors schweigend zu. Harry wollte sich also an allen Todessern rächen. So war das also... War das der große Plan? Harry war wohl wirklich ein solcher treuherziger Kerl, dass er jedem eine zweite Chance gab. Sogar ihm... Ihm, der ihm soviel in all den Jahren angetan hatte... Die Erinnerung und die Schuld trafen ihn mit brachialer Gewalt. Er hatte gar nicht gewusst, dass sein Gewissen derart empfindlich sein konnte... Eine bittere Lektion. Als die große Versöhnungsszene kam, sah er weg. Klar, er hatte diese ganze Geschichte gerade zu forcieren gesucht und irgendwie hatte das ja offenbar auch geklappt, aber er konnte sich das einfach nicht antun. Ihm wurde nahezu schlecht bei dem Anblick und er wusste nicht, ob das an dieser elenden Harmonie lag oder an diesem bohrenden Schuldgefühl in seinem Inneren. Der Blick aus seinen grauen Augen traf Pansys. Sie fixierte ihn forschend, schien ihn nahezu durchleuchten zu wollen. Verdammt, sie kapierte auch langsam, dass irgendetwas geschah, dass sich die Dinge änderten. Er brach den Blickkontakt ab, schaute auf seine Hände. Auch sie waren von roten Linien überzogen. Er wüsste nur zu gerne, was geschehen war... Aber noch nicht einmal dieser Ablenkungsversuch funktioniert. Er seufzte unhörbar, ließ sich zurückfallen und starrte an die Decke. Hoffentlich kam er hier bald raus. ~*~*~*~ Es war nicht Draco, den Mme Pomfrey holte, es war Ron, der sich schweren Herzens und mit letzten versichernden Blicken zu Harry und Hermione und einem bösen Richtung Slytherins von dannen machte. Hermione blickte zu Harry, der nach seiner Decke zu angeln versuchte und half ihm schließlich. Dann sah sie zu Pansy hinüber. Ihre Augen stellten die stille Frage, ob alles okay war. Und sie wollte sich für Ron entschuldigen. Nur… ob Malfoy davon erfahren durfte? Sie warf einen Blick zu dem zur Decke starrenden Blonden. Ob das Pansy nicht Schwierigkeiten machen würde… Und dann war da noch etwas. Draco hatte Harry verteidigt. Nicht wirklich offensichtlich, sondern versteckt, aber er hatte es getan. Und Harry… er wirkte nicht wie ein Verliebter. Gar nicht. Der Junge legte sich nur äußerst vorsichtig zurück und schloss die Augen. Und jetzt? Was war denn nun Sache? Wieder blickte sie zu Pansy hinüber. ~*~*~*~ Pansy erwiderte Hermiones Blick stumm. Sie hatte das Gefühl, als wenn gerade alles nur aus Fragezeichen bestand. Einerseits hatte sich Draco offenbar für sie eingesetzt, das hieß also, dass sie ihm nicht gleichgültig war - dann mussten sich Potter und Draco wohl ein wirklich fulminantes Duell geliefert haben und jetzt das hier! Aber andererseits suchten die beiden keinen übermäßigen Blickkontakt, machten sich keine übermäßigen Sorgen, nichts! Draco hatte zwar Potter gerade irgendwie geholfen - Bei Merlin! Wie auch immer! -, aber mit versteckten Karten. Das war doch zum Verrücktwerden. „Wie lange sind wir eigentlich schon hier?“, fragte Draco in diesem Moment. Er wandte sich an niemand Bestimmtes und starrte weiterhin zur Decke. Seine Stimme klang ein wenig heiser, so als müsste er sich gerade wegen irgendetwas zusammenreißen, was auch tatsächlich der Fall war. Irgendetwas - er konnte selbst nicht genau sagen, was es war, es fühlte sich an wie eine Mischung aus Schuldgefühlen und Welt vernichtender Wut - tobte in ihm und musste mit aller Gewalt im Zaum gehalten werden. Pansy zuckte hilflos mit den Schultern und sah Hermione an. Wenn, dann wusste sie das, oder? ~*~*~*~ „Seit etwa einem Tag. Nein, seit einem Tag und vier Stunden…“ Sie hatte auf die Uhr geschaut und sich daraufhin verbessert. „Und die meisten waren die komplette Zeit ohne Bewusstsein. Mal ganz ehrlich, Jungs, hättet ihr nicht wenigstens auf uns Rücksicht nehmen können, wenn ihr euch schon an die Gurgel geht?“ Ihr vorwurfsvoller Ton hing im Raum, doch Harry beachtete ihn nicht. Er antwortete auch nicht mehr. Seine Gedanken hingen bei dem letzten Zauber. Nur ein Expelliarmus. Und auch von Draco war nichts weiter als der Schildbrecher und ein Expelliarmus gekommen. Ganz egal wie angestrengt er nachdachte, Draco hatte nichts anderes gezaubert! Es waren nur diese zwei Zauber gewesen! Nur… Wie kam dann diese Explosion zustande? Hatte vielleicht ein unbekannter Dritter ihnen dieses Ei ins Nest gelegt? Und wenn, wer? Gedankenversunken rutschte er noch ein bisschen tiefer unter die Decke, zog sie über den Kopf. ~*~*~*~ So lange also schon... Was wohl hieß, dass es sie alle ziemlich schwer erwischt hatte. Erschreckend. Draco setzte sich bei Grangers letzten Worten ruckartig auf. „Bei allem vor der Explosion - nein. Und ehrlich: Es war mir scheißegal, ob irgendwer etwas abbekommt. Aber für die Explosion kann keiner von uns was. Ich habe nur einen simplen Schildbrecher und einen Expelliarmus gezaubert. Keine Schwarze Magie. Nichts, was wirkliche Zerstörungskraft besaß. Und bei Potter sah es kaum anders aus. Gerade du solltest nachdenken, ehe du irgendwelche Vorwürfe machst. Du tust doch sonst so schlau.“ Dracos graue Augen fixierten Granger mit einem harten Glanz. Solche dämlichen Vorwürfe waren gerade das allerletzte, was er hören konnte. ~*~*~*~ Hermione zuckte zurück. Sie hatte das im Spaß gesagt, nicht ernst gemeint, denn es war klar, dass bei einem Zaubererduell die Fetzen… „Du hast was? Einen Schildfluch und Expelliarmus?“ Es hatte ihre Gedanken erreicht, was das bedeutete. Es war nicht Malfoys Schuld gewesen, denn ob sie wollte oder nicht, sie glaubte ihm. Aber das hieß doch… Sie fuhr herum. „Harry, was hast du gezaubert?“ Ihre Stimme klang atemlos. „Expelliarmus.“, kam es irgendwo aus den Tiefen der Decke. Sie starrte auf den Stoffhaufen, unter dem er sich verbarg. Das war doch… Das war doch… Sie hatte so etwas doch schon mal… in diesem Buch über… „Ich muss weg!“, rief sie, schnappte sich ihren Umhang, warf ihn über und rauschte aus dem Raum, ohne noch etwas zu sagen. Harry wühlte sich aus seinen Decken, sah nur noch die Tür zufallen, als Poppy hereinkam und im nächsten Augenblick begriff, was passiert war. Sie riss die Tür auf. „Miss Granger! Kommen Sie sofort zurück! Ich habe Sie noch nicht entlassen!“ Doch Hermione kam nicht. Harry blickte zu Draco, dann zu Pansy. Musste er das verstehen? ~*~*~*~ Mit unbewegter Miene, aber innerlich doch reichlich verwundert sah Draco Granger nach. Was war das denn jetzt schon wieder? Drehte sie jetzt vollkommen durch. Na, von ihm aus... „Was hat sie denn?“, fragte Pansy verblüfft. Draco zuckte mit den Schultern. „Vielleicht einen Bibliotheksanfall oder so...“ Das Slytherinmädchen warf ihm daraufhin einen überraschend giftigen Blick zu, den er jedoch gekonnt ignorierte. Keine zehn Minuten später wurde Pansy von Madam Pomfrey abgeholt. Was wohl entweder bedeutete, dass sie Granger noch erwischt hatte oder aber es aufgegeben hatte, die Gryffindorschülerin zurückzuhalten. Somit waren sie jetzt also allein. Draco warf dem Gryffindor ihm gegenüber einen prüfenden Blick zu. Er lag noch immer in seine Decken gewickelt und rührte sich nicht. Nicht gerade großartige Bedingungen, um ein Gespräch anzufangen. Doch die Zeit dazu hatte er sowieso nicht. „Nun zu Ihnen beiden.“ Die Medihexe betrat den Raum und baute sich vor ihnen auf. Das roch nach Ärger. „Sie beide waren dem Zentrum der Explosion am nächsten und entsprechend waren Ihre Verletzungen am schlimmsten.“ Ihr Blick war ernst und Draco hatte ein ungutes Gefühl im Bauch. Die Bezeichnung ‚ernst’ war wohl vermutlich noch untertrieben... „Wenn Professor Dumbledore nicht gewesen wäre, dann wären Sie beide jetzt tot. Mit seinen schnellen Heilzaubern hat er Ihnen beiden das Leben gerettet. Machen Sie sich das bitte bewusst.“ Draco senkte den Blick, wurde jedoch genau in dem Augenblick von der Krankenhexe angesprochen. „Mr Malfoy, sehen Sie mich bitte an.“ Mit einem leisen Seufzer auf den Lippen blickte er auf. Sie sprach einen Diagnosezauber und beobachtete ihn kritisch. „Können Sie klar sehen? Haben Sie Schmerzen?“ „Nein, ja.“, antwortete er perplex. „Sehr schön... Dass Sie Ihr Augenlicht noch haben, haben Sie Professor Snape zu verdanken. Sein Zaubertrank hat Sie davor bewahrt, zu erblinden.“ Dracos Gesicht wurde blass. So ernst war es gewesen? „Öffnen Sie die Augen bitte weiter. Kopf in den Nacken.“ Pomfrey trat zu ihm hin und träufelte ihm eine milchige Flüssigkeit in die grauen Augen. „Augen schließen.“ Gehorsam tat er, was sie sagte. Was hätte er auch sonst tun sollen? Er spürte, wie sich die Flüssigkeit in seinen Augen verteilte und öffnete sie dann langsam wieder. Jetzt war das Bild leicht verschleiert. „So, das wird die Heilung noch einmal unterstützen. Es kann sein, dass Ihre Sicht in den nächsten Stunden wieder schlechter werden wird. Das liegt dann an den Tropfen. Diese nehmen Sie jede Stunde.“ Sie stellte das Fläschchen auf seinen Nachttisch. „Und jetzt ziehen Sie bitte Ihr Oberteil aus...“ Gehorsam kam Draco ihrer Aufforderung nach. Auch sein gesamter Brustkorb war mit roten Striemen übersät. „Sehr schöne Wundheilung... Es dauert nur noch ein bisschen, dann sind auch die Striemen weg. Narben werden keine bleiben...“, stellte sie fest und drückte kurz mit den Fingerspitzen auf seine Rippen. „Ihre Rippen sind auch wieder heil, sehr schön.“ „Was genau...“, begann Draco, wurde von der Medihexe aber sofort wieder unterbrochen. „Was genau Sie an Verletzungen hatten? Das ist ein ganzer Katalog, Mr Malfoy. Gebrochene Knochen: Rechter Knöchel, linker Oberschenkel, rechter Arm, die oberen vier Rippen. Dazu kam ein extrem hoher Blutverlust, der sie beinahe das Leben gekostet hat, aufgrund der vielen Scherben, die sich in ihren Körper gebohrt haben. Verletzung der Augen bis zur Erblindung sowie zwei geplatzte Trommelfelle. Noch Fragen?“ Draco schüttelte stumm den Kopf. Er war noch immer betroffen. Wie hatte das nur geschehen können? Was zum Merlin war nur schief gelaufen? Die Krankenhexe wandte sich derweil Harry zu. „Nun zu Ihnen, Mr Potter. Sie haben ihre gesamten Rippen zertrümmert und damit Ihre Lunge nahezu zerfetzt. Ihr Leben stand auf Messers Schneide. Dass Sie noch unter uns weilen, haben Sie - wie bereits gesagt - Professor Dumbledore zu verdanken. Außerdem ist es der Beitrag des ausgezeichneten Heiltranks von Professor Snape, dass Ihre zerschmetterte Brustwirbelsäule wie neu ist.“ Die Miene der Krankenschwester war scheinbar ruhig, doch das Glitzern in ihren Augen verriet, dass sie aufgewühlt war und die Verletzungen der beiden so ausbreitete, damit diese begriffen, wie schrecklich das Ausmaß dieses Unfalles war. Und dass sie in ihnen die Ursache für dieses Geschehnis sah. Dumbledore, der von den Figuren der Porträts im Klassenraum gewarnt worden war, dass dort etwas Schreckliches geschah, hatte zwar gesagt, dass den beiden wohl keine Schuld zukam, die Medihexe zweifelte daran jedoch erheblich. ~*~*~*~ Harry rührte sich noch immer nicht. Er wollte einfach nicht hören, was passiert war, und er wollte keine Vorwürfe hören. Schon gar nicht von ihr. Er war Dumbledore ja dankbar, das musste sie ihm nicht vorhalten! „Mr Potter, ich rede mit Ihnen, also sehen Sie mich an!“ Er zog die Decke vom Gesicht und starrte ihr ins Gesicht. Toll. Und weiter? „Haben Sie verstanden, was ich gesagt habe?“ Nein, na und? „Rippen zerschmettert, Lunge zerfetzt, Wirbelsäule zerschmettert. Sie waren einfallsreich, was die Beschreibung betrifft.“, gab er zurück. „Was meinen Sie denn, was ich hätte ändern können? Ich wollte doch nicht sterben! Das wäre einfacher gegangen, als D… Malfoy herauszufordern!“ „Mr Potter, jetzt hören Sie mir mal zu! Sie…“ „Wir haben nichts getan!“, rief er aufgebracht und hätte sich wohl aufgesetzt, hätte sein Rücken das zugelassen. „Keine wirklich gefährliche Magie, keine Schwarze! Es war nur ein Unfall!“ Sie sah ihn an, als würde sie ihm am liebsten die Ganzkörperklammer an den Hals zaubern, damit er die Klappe hielt. Und sie glaubte ihm auch nicht, das konnte Harry ganz deutlich erkennen. Er drehte den Kopf Richtung Fenster und starrte hinaus. Sie sollte verschwinden! Ganz schnell! „Ich kann nicht glauben, wie Sie mit mir reden!“ Mme Pomfrey hatte ihre Sprache wieder gefunden. „Sie sollten mir dankbar sein, dass Sie hier sind und nicht…“ Harrys Lächeln ließ sie verstummen, als er sie wieder ansah. „Ich bin Ihnen dankbar!“, sagte er leise und das musste sie ihm glauben, auch wenn er es nicht so meinte, wie sie wahrscheinlich dachte. Klar war er ihr dankbar, dass er kein Krüppel geworden war, dass er nicht gestorben war, denn er hatte trotz allem, oder seit neustem ja gerade vor, seinen Plan in die Tat umzusetzen, aber die wirkliche Dankbarkeit galt ihr wegen Draco. Sie hatte ihn davor bewahrt, blind zu werden. Und taub. Und tot… Sie hatte Dracos Leben gerettet! Es war erstaunlich, wie viel ihm das bedeutete. Es bedeutete ihm mehr als alles andere. „Wirklich.“ Sie lächelte ihn an. „Das freut mich. Und es beruhigt mich.“ Wegen seines Ausbruchs vorher hatte sie schon gedacht, er wäre lebensmüde geworden, aber er hatte diese Sorge zerschlagen. Harry konnte sich nicht mit ihr freuen. Und beruhigen tat es ihn auch nicht. Die Vorstellung, Draco Malfoy könnte durch einen Fehler von ihm gestorben sein… Die Vorstellung, er hätte sterben können, ohne dass er etwas dagegen zu unternehmen versucht hätte… Die bloße Vorstellung, dass er tot war, egal aus welchem Grund, dass er einfach nicht mehr da war, erschreckte ihn zutiefst. Wenn Sirius das wüsste. Wenn er… Er erbleichte, dass Mme Pomfrey alarmiert näher zu ihm trat, als er sich jetzt doch hektisch aufzurichten versuchte. „Was haben Sie denn? Was… bleiben Sie doch liegen!“, stotterte sie, doch Harry hörte nicht. „Was ist mit Tonks? Was ist mit ihr? Geht es ihr gut?“ Panik stand in seinem Gesicht. Alle hatten überlebt, auch Draco, aber Tonks hatte er nirgends gesehen… Was war mit ihr passiert? ~*~*~*~ Schweigend hatte Draco Harrys Ausbruch gelauscht. Er hatte ja Recht. Sie konnten nichts dazu und diese Vorwürfe waren mehr als nur sinnlos. Natürlich waren sie beide froh und dankbar, dass sie gesund und vor allem lebendig waren. Was für eine Frage! „Professor Tonks geht es gut. Sie hatte genauso viel Glück wie Sie alle. Sie erholt sich im Nebenraum noch von Ihren Verletzungen, wird den Unterricht aber morgen wieder aufnehmen können.“ Pomfrey bemühte sich um einen beruhigenden Tonfall. „Es ist alles in Ordnung mit ihr. Sie hatte das... Glück, dass ein Schrank über sie gekippt ist und sie vor dem schlimmsten geschützt hat. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Mr Potter.“, sagte die Medihexe eindringlich. Draco zog die Beine wieder an und starrte auf die Szene. Das Bild war verschwommen und so war es schwer, in Harrys Miene zu lesen. Ihm lag wohl wirklich etwas an dieser Frau. Und ihm selbst? Wenn Draco ehrlich war, dann hatte er sich eigentlich um niemanden wirklich Gedanken gemacht. Nicht einmal um sich selbst. War er wirklich schon so sehr abgestumpft, dass es ihm gleich war? Oder konnte er diese ganze Geschichte einfach noch nicht erfassen? Ließ er sie nicht an sich heran? ~*~*~*~ Die Medihexe verabreichte Harry noch etwas, dann verließ sie sie mit einem ernst gemeinten Hinweis auf ihre Schonung und Schlaf. Harry nickte nur, dann sah er zu Draco hinüber, der geschwiegen hatte. Warum wohl… „Was denkst du gerade?“, fragte er leise, als die Tür zugefallen war und noch immer nichts kam. ~*~*~*~ Langsam senkte Draco die Augen und schaute auf seine Knie, die er mittels seiner Arme eng an seinen Körper gezogen hatte. „Darüber möchte ich gerade nicht reden...“, erwiderte er leise. Er konnte diese Gedanken nicht in Worte fassen, sie in Worte bringen. Er wollte es auch nicht. Er hatte Angst davor, dass es Harry erschrecken würde – und ihn selbst. ~*~*~*~ Harry nickte leise. Dann nicht. War ja auch ein Schock, wenn man gesagt bekam, dass man geradeso überlebt hatte… Irgendwie konnte er es verstehen. Wieder blickte er zu ihm hin. Diese roten Linien im Gesicht waren wirklich abschreckend, auch wenn er sie ohne Brille nicht deutlich sah, und auch wenn Mme Pomfrey gesagt hatte, dass keine Narben blieben… „Draco, kannst du aufstehen?“ ~*~*~*~ Der Blonde schaute wieder zu dem Gryffindor hinüber. „Klar.“ Zumindest ging er davon aus. Er hatte ja so keine Schwierigkeiten sich zu bewegen – im Gegensatz zu Harry –, also gab es keinen Grund, warum er nicht aufstehen können sollte. Er schob die Beine aus dem Bett, setzte die nackten Füße auf den Boden. Einen winzigen Augenblick zögerte er, dann drückte er sich ab – und stand. Sehr problemlos. Er verspürte ein leichtes Ziehen in den ehemals gebrochenen Knochen, aber das war harmlos. Draco schaute fragend zu Harry hinüber. Und jetzt? ~*~*~*~ Der Junge lächelte. „Komm mal kurz her.“ Er stemmte sich hoch und langte über seine rechte Schulter nach hinten zum Nachttisch, wo Mme Pomfrey ihm seinen Zauberstab hingelegt hatte, den sie ihm abgenommen hatte. „Wollen wir doch mal sehen, ob wir dieses fiese Aussehen nicht ändern können.“ ~*~*~*~ „Fies?“ Draco zog gespielt empört eine Augenbraue hoch. „Ist das nicht vielmehr verwegen?“ Ein leichtes Grinsen huschte über seine Lippen. Diese Striemen sahen wirklich brutal aus – aber sie taten ja nicht weh, daher waren sie ihm recht egal. Dennoch schritt er zu dem Bett des Gryffindors hinüber und ließ sich auf der Bettkante nieder. ~*~*~*~ Harry hob seinen Zauberstab und überlegte, wie der Spruch ging, den ihm Hermione beigebracht hatte, als Dracos Hand so kaputt war. Er brauchte nicht wirklich lange. Er konnte sich noch sehr gut an die Worte erinnern. Auch an die Situation… „Es wird wehtun, das weißt du.“, sagte er, dann bewegte er den Stab. Seine Stimme war leise, die Berührung kaum zu erahnen. Er wusste, was es bringen musste, hatte auch beim letzten Mal gesehen, dass es wehgetan hatte und das nicht zu knapp, aber… „Sanus…“ ~*~*~*~ Draco erinnerte sich augenblicklich wieder an den Spruch - und an den Schmerz. Doch ehe er sagen konnte, dass ihm diese Striemen dagegen deutlich lieber waren, sprach Harry bereits den Zauber. Der Schmerz war gleißend, brennend und kalt zugleich. Er überzog seinen gesamten Körper. Jeder einzelne auch noch so winzige Schnitt riss tiefer und tiefer ein, bohrte sich in seinen Körper hinein, bis er das Gefühl hatte, vollkommen in Fetzen geschnitten zu werden. Ein leises Aufstöhnen kam über seine Lippen, dann biss er die Zähne fest zusammen. Sternen tanzten vor seinen Augen und er kniff sie zusammen, wollte die Zeugen seiner Pein nicht sehen. Unwillkürlich krümmte er sich zusammen, um dieser glühenden Woge zu entkommen, doch es ging nicht. Sie war überall... Überall... Ein leiser Aufschrei entfuhr ihm, als die Woge ihren Höhepunkt erreichte. Dann verging sie... Sein Atem ging stoßartig. Langsam öffnete er die Augen und stellte fest, dass er es geschafft hatte, halb über Harrys Beinen zu landen. „Nie wieder... dieses Zauber...“, sagte er leise, während er die Hand hob und sie begutachtete. Die roten Striemen waren verschwunden. Nur noch helle Streifen, die sich kaum von seiner Haut unterschieden, waren geblieben. ~*~*~*~ Mit deutlich schlechtem Gewissen nickte Harry. Das hatte er so nicht kommen sehen. Er hatte ja mit Schmerzen gerechnet, aber so… „Tut… Entschuldige, ich wollte nicht…“ Er verstummte. Nein, er hatte ihm nicht wehtun wollen, hatte ihn doch heilen wollen, aber vielleicht hätte er auf Mme Pomfrey vertrauen sollen… Es hatte doch einen Sinn gehabt, warum sie es nicht so gemacht hatte… Oder… „Ich werde einen anderen Spruch suchen.“, murmelte er leise. Er war davon überzeugt, dass er ihn noch häufig gebrauchen konnte, wenn er weiterhin mit Draco Malfoy befreundet war. Das hatte ihm dieser bereits bewiesen. ~*~*~*~ Draco atmete noch ein paar Mal durch, dann richtete er sich langsam wieder auf. Die blonden Haare hingen ihm noch wirrer ins Gesicht als zuvor. Unwirsch strich er sie beiseite. „Okay... Dein Versuchskaninchen hast du ja schon.“ Ein schiefes Lächeln huschte über Dracos Lippen, dann wurde es ein wenig breiter, ehrlich. „Dennoch: Danke. Ich weiß deine Mühe zu schätzen.“ Er stockte kurz. „Und? Sehe ich jetzt weniger... fies aus?“ ~*~*~*~ „Du hast mich falsch verstanden!“, moserte Harry. Er hatte das Verzeihen in Dracos Augen gesehen und war darüber unendlich erleichtert. Er hätte nicht gewusst, was er gemacht hätte, wäre Draco ihm böse gewesen. Aber jetzt blitzte irgendwo in den Tiefen seiner Augen der Schalk auf, als er Draco in die Wange piekste. „Du siehst immer fies aus! Nur die Wunden… ja, die sind jetzt nicht mehr so schlimm.“ ~*~*~*~ „Herzlichen Dank. So etwas hört man auch als Junge wirklich gerne. Du siehst immer fies aus.“, äffte er Harry nach und zog eine Schnute. „Danke...“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und blickte den Gryffindor beleidigt an. ~*~*~*~ Harry stupste ihn wieder an. „Im Ernst. Okay, ich habe deine freundliche Seite gesehen, die schöne, die nicht fies ist, aber die anderen schaust du immer an, als würdest du ihnen gleich an die Kehle springen. Haben… Pansy und Blaise es nicht verdient, dass du ihnen auch mal ein ehrliches Lächeln schenkst? So wie mir grade?“ Er nutzte bewusst ihre Vornamen, denn es wies ein wenig mehr auf Freundschaft hin als Nachnamen. Und Draco war mit ihnen befreundet. Sein Finger verharrte an Dracos Kinn, strich leicht darüber. Plötzlich war Melancholie in seiner Stimme geboren und auch sein Gesicht zeugte ein wenig davon. „Und ich… ich habe dich noch nie wirklich frei lachen hören…“ ~*~*~*~ Draco erstarrte, als Harrys Finger über sein Kinn wanderte. Diese Berührung... Brüsk konzentrierte er sich wieder auf die Worte des Gryffindors, sortierte seine Gedanken, um antworten zu können. Er war versucht, spöttisch zu antworten, um den Ernst aus dieser Situation zu nehmen, doch dann erwischte ihn die Breitseite dieses Kerngedankens. Lachen, Glück, Freude... Dinge, die ihm so fern erschienen. „Ich lache nicht gerade viel...“, sagte er leise. „Ich habe kaum einen Grund dazu. Genauso wenig jemanden anzulächeln...“ Sein Blick haftete kurz an Harrys melancholischem Gesicht und wanderte dann ins Leere. ~*~*~*~ Harry nickte. Das hatte er sich schon gedacht. Und wie es aussah, konnte er über die paar Momente tatsächlich glücklich sein, in denen Draco ihn angelächelt hatte, in denen er ihn durch sein Kitzeln zum Lachen gezwungen hatte. Denn er hatte ihm zumindest teilweise etwas Zeit verschafft, wo seine Seele nicht von irgendetwas belastet wurde. Kurz strich er Draco durch die Haare, dann krabbelte er mühsam zu ihm hin und zog ihn in die Arme. Vor ein paar Tagen war er für ihn so da gewesen und es hatte ihm geholfen. Jetzt… wollte er zurückgeben, was seine Seele vielleicht heilen konnte... ~*~*~*~ Es war regelrecht niedlich, wie Harry auf ihn zukrabbelte und ihn in die Arme zog. Dennoch blieb Draco im ersten Moment steif und ließ sich nahezu widerwillig in die Umarmung ziehen. Doch mit einem Mal schien die Spannung von ihm abzufallen. Er gab nach, lehnte den Kopf gegen Harrys Schulter und schloss die Augen. Er sah ohnehin nur noch vollkommen verschwommen.... Wozu dann die Augen noch offen lassen? Der Blonde seufzte leise, ganz leise. ~*~*~*~ Auch Harry schloss die Augen, konzentrierte sich voll und ganz darauf, Draco das zu geben, was er zu brauchen schien: Nähe. Einfach nur Nähe. Wie er sie auch brauchte. Es war unglaublich, wie ähnlich sie einander waren… Ganz sachte begann er ihn zu kraulen, zupfte gedankenverloren an den Haarspitzen und ließ los, bevor es unangenehm werden konnte, begann wieder von vorne. Die Zeit verschwamm in seinem Inneren, der Raum dehnte sich aus, beides wurde unwichtig. Wichtig war nur noch Draco; dieser zerbrechliche Geist als Mittelpunkt seines Universums. Es war fast, als würden sie schweben, nichts war mehr real. Es war wie die anderen Male, wo sie zusammen gewesen waren und doch verschieden, es ging unendlich viel tiefer, denn noch immer schwelte in Harrys Herzen der Gedanke daran, was hätte sein können, wenn ihr Zauber Draco getötet hätte. Denn das war es gewesen: Sie hatten diesen Zauber gemeinsam gewirkt. Und wenn er richtig darüber nachdachte, dann war es doch auch schon in Zauberkunst so gewesen, oder? Damals, als sie den Wasserzauber gewirkt hatten. Damals waren sie miteinander verbunden gewesen. Und heute… gestern hatten sie gegeneinander gekämpft. Was hatte das zu bedeuten? ~*~*~*~ Draco spürte, wie ihn eine angenehme Wärme überflutete. Er ließ sich fallen. Er wagte es, ließ einfach alle Anspannung hinter sich und ließ sich in diese Umarmung fallen, genoss stillschweigend die sanften Berührungen des anderen. Er stellte nichts in Frage und fühlte auf einmal fast so etwas wie Frieden in seinem Inneren... Seine Gedanken gingen auf die Reise, schweiften hierhin und dorthin, aber kehrten immer wieder zurück, so als wenn sie sich vergewissern wollten, dass das, was seine Sinne wahrnahmen, auch real war: Die warme Schulter unter seiner Wange, die vorsichtigen Finger in seinem Haar, der lebendige Atem auf seiner Haut, dieser langsam immer vertrauter werdende Geruch nach... Harry. Ironisch, dass es ausgerechnet er war, der ihm diese Nähe gab. Der Junge, den er heiß und innig gehasst hatte, gehasst bis aufs Blut, bis in den letzten Winkel seiner Seele hinein. Und nun? Nun war dieses Feuer erloschen und er fühlte sich... leer. Fast war es so, als wenn ihn nur dieser Hass lebendig gehalten hätte - und jetzt? Es gab nichts Vergleichbares mehr... Aber zurück… zurück wollte er auch nicht mehr... ~*~*~*~ Irgendwo schlug eine Uhr acht. Eine Stunde. Für Harry war es länger gewesen. Und immer noch zu kurz. Die Hand, die Draco hielt und noch immer den Zauberstab umklammerte, machte eine sachte Bewegung, während Harry lautlos den Spruch sagte, der die Augentropfen zu ihnen holte. Er wollte eigentlich nicht, dass diese Nähe unterbrochen wurde, aber er wollte genauso wenig, dass Dracos Augen doch noch blind wurden… „Dray?“, flüsterte er leise, versuchte ihm ins Gesicht zu sehen, was angesichts ihrer Positionen absolut unmöglich war. ~*~*~*~ Auch Draco hatte den Gong gehört, weigerte sich jedoch, sich zu bewegen. Er wollte einfach nicht... Er hob erst den Kopf, als Harry ihn erneut ansprach. Mit diesem Kosenamen, den er sich für ihn ausgedacht hatte. Stumm blickte er den Schwarzhaarigen an, dann griff er nach den Tropfen, die vor seiner Nase schwebten. Der Blonde legte den Kopf in den Nacken und tropfte die Flüssigkeit erst in das rechte, dann in das linke Auge und wartete einen Augenblick, bis sie sich verteilt hatte. Er harrte darauf, dass sich sein Blick noch weiter klärte, doch diesmal tat ihm das Zeug offenbar nicht diesen Gefallen. Ein milchiger Schleier hatte sich über das unscharfe Bild gelegt. Eigentlich war er versucht, sich wieder bei Harry anzulehnen, aber irgendwie... Er blieb still sitzen. ~*~*~*~ Schweigend hatte Harry gewartet, zugesehen. Irgendwie ging von der Flüssigkeit ein komischer Geruch aus. Unangenehm fast und er konnte sich kaum vorstellen, dass das helfen sollte, aber Medizin war immer scheußlich. Als Draco sich nicht weiter rührte, nichts mehr tat, nichts sagte, runzelte er die Stirn. „Was ist?“, wollte er zaghaft wissen, war sich gleichzeitig nicht sicher, ob er wirklich eine Antwort wollte. „Wirkt… wirkt es nicht?“ ~*~*~*~ „Doch, doch... Es ist nur...“ Draco schlug die Augen nieder, blickte auf seine Hände, die er kaum sehen konnte. Er fühlte sich so erbärmlich. Und er konnte noch nicht einmal sagen warum. Schuldgefühle, Leere, Einsamkeit... Alles vermischte sich zu einem Wirrwarr, den er nicht ordnen konnte. Wenn er gekonnt hätte, hätte er sich einfach auf sein Himmelbett verzogen und gewartet, bis die Welt wieder in Ordnung war. Aber so... „Ich...“ Er brach wieder ab, lehnte sich nach vorn, schmiegte sich an Harrys Schulter und sagte nichts weiter. ~*~*~*~ Harry lächelte. Irgendwie hatte er es verstanden. Nicht wirklich, er hätte nicht sagen können, was er tatsächlich gemeint hatte, aber irgendwo in sich wusste er die Antwort. „Du fühlst dich leer… Und verloren.“, sagte er leise, mehr zu sich selbst als wirklich zu Draco. „Es ist wie im Winter, wenn da Eis an den Fenstern ist und dich einsperrt. Es ist, als wärst du in einem Raum voller Menschen und keiner bemerkt, dass du da bist.“ Und jedem seiner Worte folgte genau das in sein Herz, was er sagte. Er wusste, dass es in Malfoy war, und das brachte ihn dazu das gleiche zu fühlen. Es war so ein schweres Gefühl… „Wasser, das dich einschließt und dich zu ertränken droht, oder auch Schatten, die das Licht verschlucken, obwohl du danach zu greifen versuchst. Es ist Hoffnungslosigkeit und Einsamkeit…“ Harry schluckte. Sein Herz tat ihm weh. Warum fühlte Draco noch immer Einsamkeit, obwohl er bei ihm war? Ging es ihm doch nicht so wie ihm? Fühlte er sich bei ihm nicht wohl? War er bei ihm noch immer allein? „Und sie ersticken dich.“ Es erstickte seine Worte, als er die Verzweiflung über sich rollen fühlte. Er wollte Draco helfen, aber so wie es schien, war er nutzlos. Einfach nur nutzlos… zu nichts zu gebrauchen… Er kam nicht an ihn ran! „Was hast du vorhin gedacht, Dray?“, fragte er leise, sanft, drückte seine Wange gegen Dracos Schläfe, so dass sein Mund jetzt direkt neben seinem Ohr war. „Du sahst so… traurig aus…“ Es war vielleicht nicht die richtige Umschreibung, aber es passte doch irgendwie… nur halt nicht exakt… ~*~*~*~ Draco spürte die lebendige Wärme neben sich und hatte doch das Gefühl, als wenn sie ihn nicht erreichen würde... Harrys Worte... Jedes einzelne war wie ein Messerstich, ein Dolchstoß, so präzise trafen sie das Gefühl in seinem Inneren. Dieses Gefühl erstickte ihn wirklich, es tötete alles in seinem Inneren ab und hinterließ den Eindruck, als wenn es ihn langsam umbringen würde. Er konnte fühlen, wie sich die warme Wange gegen seine Schläfe drückte, wie Harrys Atem über seine Haut strich und ihn am Ohr kitzelte, während der Gryffindor weiter sprach. Er wollte antworten und wollte es zugleich doch nicht... „Es war mir gleich. Im ersten Moment war ich erschrocken, als Pomfrey gesagt hat, dass ich beinahe gestorben wäre... Dann war es mir gleich. Es war mir vollkommen egal...“ Seine Stimme klang rau und heiser. Er stockte, sprach langsam weiter, den Mund beinahe verborgen in Harrys Hemd, damit dieser ihn kaum hören konnte. „Und es war mir vollkommen gleichgültig, ob irgendjemand von den anderen gestorben wäre. Ungeachtet der Tatsache, ob ich diese Personen mag oder nicht. Es war mir vollkommen egal.“ ~*~*~*~ Harry presste die Lider aufeinander bei den Worten. Es tat weh. Es tat weh, dass er sich selbst nicht genug achtete, damit er leben wollte. Und es tat weh, dass er sein Gefühl nicht teilte… Noch niemals war etwas so sehr durch seine Seele gefetzt wie diese Worte. Nicht einmal Voldemorts Angriff oder Cedrics Tod im Frühsommer konnte da mithalten. Ohne dass er es verhindern konnte, drückte er Draco enger an sich, als hätte er Angst ihn sonst zu verlieren, presste seine Nase in das seidenweiche Haar. Tränen liefen über seine Wangen, versickerten auf seinen Ärmeln… Was tat er denn hier noch? Er hatte ihn doch schon verloren, oder nicht? ~*~*~*~ Unwillkürlich schmiegte sich Draco näher, dachte nicht darüber nach, sondern suchte nur weiter nach Nähe, Wärme, Geborgenheit. Und doch... war es so unmöglich, sie dauerhaft zu finden. Tränen brannten hinter seinen Lidern, doch er weinte nicht. Er würde nicht weinen. Niemals. Nicht um sich selbst, nicht aus Selbstmitleid. Niemals. Das konnte er nicht zulassen. Die Malfoy’sche Erziehung griff. Er zwang sich zu ruhigen, tiefen Atemzügen, bekam sich langsam wieder unter Kontrolle. Ohne es zu bemerken bezwang er die nahezu überwältigende Traurigkeit und tötete sie ab. Er entspannte sich wieder, atmete wieder normal. Ohne es zu bemerken, hatte er sich an Harry festgekrallt, die Finger regelrecht in seinen Schlafanzug gebohrt. Jetzt lockerte er seinen Griff und ließ seine Hände entspannt auf dem weichen Stoff ruhen. ~*~*~*~ Auch Harry entspannte sich langsam wieder, auch wenn er seine Tränen nicht unterdrückte. Er hätte es eh nicht geschafft, warum also versuchen. Es war seltsam. Die Wärme, die er zuvor bei Draco empfunden hatte, war verschwunden. Und ganz egal, wie sehr er auch danach suchte, sie blieb fort. Genau wie er gesagt hatte: Einsamkeit in den Armen einer anderen Person… Es war, als hätte Draco ihn angesteckt… Es war ernüchternd. Es trocknete schließlich selbst seine Tränen, auch wenn es nicht das Gefühl in ihm auslöschte… Die Gefühle. Gefühle, von denen er nicht wusste, woher sie kamen: Das Gefühl versagt zu haben, das Gefühl allein zu sein, das Gefühl fortgerissen zu werden, das Gefühl… zu sterben… sterben zu wollen. „Warum darf ich dich nicht retten?“, flüsterte er tonlos in Gedanken, in Wirklichkeit. Es war sein letzter Hilfeschrei. ~*~*~*~ Er fand nicht, was er suchte. Draco spürte zwar Harrys Nähe, aber etwas fehlte... Vielleicht war er selbst zu weit fort, um ihn noch zu erreichen. Ganz behutsam löste er sich aus Harrys Umarmung und sah ihn an. Sein Blick war noch immer nicht wieder vollkommen klar, aber er konnte die Tränenspuren auf den Wangen des schwarzhaarigen Jungen sehen. „Ich weiß es nicht... Vielleicht, weil man mich längst nicht mehr retten kann...“ Ihm war auf einmal so kalt. So unendlich kalt. „Ich... Es erreicht mich nichts mehr. Kaum noch etwas...“ Er schwieg. Einem plötzlichen Impuls folgend, zog er den Gryffindor auf einmal an sich. „Du hast gesagt, ich soll dich um Hilfe bitten...“ Irgendwie hatte er nach Hilfe gesucht, sie aber nie gefunden. Unter denjenigen nicht, die er seine Freunde genannt hatte, aber vielleicht... würde er sie bei seinem ehemaligen Erzfeind finden... Er stockte. Diese Worte waren zu gewichtig. Viel zu gewichtig, viel zu flehentlich. Sie ließen jemanden zu sehr an ihn heran. Viel zu sehr... Und er würde genau das tun, was er nicht wollte: Sich abhängig machen. Jemanden so nah an sich heranlassen, dass er ihn brauchen würde... Er barg sein Gesicht in Harrys Haarschopf. „Hilf mir. Hilf mir, mich selbst zu retten...“ Seine Stimme war so leise, dass er sie selbst kaum hören konnte. ~*~*~*~ Harry erstarrte. Die leisen Worte waren so undeutlich, aber er hatte ihre Bedeutung erkannt und vernommen. Hilfe…ein Hilfeschrei. So kläglich und bemitleidenswert, dass es kaum noch zu ertragen war. Es fachte die kleine, fast erloschene Flamme in seinem Inneren wieder an. Diese Flamme, die zuvor von Dracos Worten so vernichtend erstickt worden war. Es war, als ließe Draco wieder Luft an sie heran… Hoffnung? Er schob Draco von sich, blickte ihm ernst in die trüb-milchigen Augen. „Ich helfe dir, hörst du?“, sagte er leise, drückte versichernd die Arme, die er hielt. „Aber du musst mir etwas versprechen. Du darfst dich mir nicht verschließen. Du musst versuchen, dein Herz zu öffnen, damit du mich auch hören kannst, sonst kann ich dir nicht helfen…“ ~*~*~*~ Widerwillig ließ sich Draco von Harry fortdrücken. Er wollte nicht. Er wollte ihm jetzt nicht in die Augen sehen, aber er riss sich zusammen und tat es. Kein Verbergen, kein Verstecken. Nicht jetzt. Harry verlangte viel... Er wusste nicht, ob er ihm das geben konnte. Er wusste es wirklich nicht. Aber... „Okay... Ich werde mich... bemühen. Aber erwarte keine Wunder...“ Seine Stimme wurde leise. Und erschrecke dich nicht vor den Abgründen, die dich erwarten... Das wollte er noch hinzufügen, aber das konnte er nicht. Er hatte schon genug Zugeständnisse gemacht, sich zu weit vorgewagt. Es gab keine Wunder. Das hier, auch gerade das Aufbauen von so tiefgehendem Vertrauen, brauchte Zeit. Und er wusste nicht, ob er das schaffen würde. ~*~*~*~ Harry lächelte. Leicht nur, aber aus tiefstem Herzen ehrlich. „Ich erwarte immer Wunder.“, sagte er freundlich. „Aber ich werde Geduld haben, versprochen.“ ~*~*~*~ „Dann bin ich ja beruhigt...“ Ein schwaches, aber ehrliches Lächeln huschte über Dracos Gesicht. Jetzt war er müde. Unendlich müde. Eine Wagenladung Anspannung war von ihm abgefallen. Aber er wollte nicht fortgehen. Allein der Weg zu seinem eigenen Bett hinüber erschien ihm viel zu weit weg. Und viel zu fern von dieser Hoffnung, die er jetzt in der Dunkelheit leuchten sah. Beinahe hatte er Angst, dass dieser Funke wieder erlöschen könnte, wenn er ihn auch nur einen winzigen Bruchteil aus seiner Wahrnehmung verlor. Stillschweigend legte er den Kopf wieder auf Harrys Schulter und schloss die Augen. ~*~*~*~ „Was fühlst du jetzt?“, fragte Harry leise, während er die Arme wieder um Draco legte und ihn sachte drückte. „Was geht dir durch den Kopf?“ ~*~*~*~ „Ich kann Licht sehen, wo ich es niemals vermutet hätte...“ Draco sprach leise. „Und ich bin wahnsinnig müde... Es ist... als wenn mir eine Last von den Schultern gefallen ist, von der ich gar nicht wusste, dass sie da war...“ Dieses Gefühl selbst auszudrücken, das war ihm vollkommen unmöglich. So etwas wie Glück und Hoffnung mischten sich mit Angst, Sorge, Mut, dem Wunsch nach Vertrauen und dem Eindruck der Machtlosigkeit. ~*~*~*~ Harry lächelte, strich ihm sachte über den Haarschopf. Die Antwort freute ihn. Irgendwie. Sie vermittelte ihm das Gefühl von Vertrauen mehr denn je. „Danke.“, sagte er leise, dann wurde das Lächeln breiter. „Und wenn du müde bist, dann schlaf einfach. Du hast es dir verdient.“ Vorsichtig ließ er Dracos Schulter los und zuppelte an der Decke, auf der sie beide halb saßen. Er kam nicht richtig ran… ~*~*~*~ Bei Harrys Worten musste Draco lächeln. Es war schön, nicht fortgeschickt zu werden. Als er merkte, dass der Gryffindor die Decke nicht zurecht ziehen konnte, drückte er diesen schlichtweg nach hinten, fischte die Bettdecke unter ihnen hervor und kuschelte sich neben Harry in das Kissen, wobei er die Decke wiederum über sie beide zog. Er legte den Arm um den Gryffindor und schmiegte sich näher, suchte nach der Nähe und Geborgenheit, die ihm gerade nur dieser Mensch versprach. Keinen Augenblick lang dachte er daran, dass das auf Madam Pomfrey bei ihren nächtlichen Visiten vielleicht seltsam wirken musste. ~*~*~*~ Harry unterdrückte ein Keuchen, als sein Oberkörper den Aufprall abbekam, aber er ließ sich nichts anmerken. Lohn dafür war Dracos Schmuselaune und das sichere Gefühl, heute Nacht traumlos und gut schlafen zu können. „Gute Nacht, Dray.“, murmelte er und machte die Augen zu. Eine angenehme Wärme breitete sich in ihm aus, vertrieb das vorherige Gefühl, alleine im Regen stehen gelassen worden zu sein. Vorsichtig bewegten sich seine Finger über Dracos Nacken und dessen Hinterkopf. „Schlaf schön…“ ~*~*~*~ „Du auch...“, murmelte der Blonde leise, schon beinahe im Halbschlaf. Sein freier Arm - auf dem anderen lag er nun einmal - schlang sich noch ein wenig fester um Harrys Taille und seine Hand verkrallte sich dort in dem Stoff des Pyjamas, beinahe so, als wenn er sicher gehen wollte, dass Harry nicht einfach abhauen könnte. ~*~*~*~ Diese Hand und seine unaufhaltsam kreisenden Gedanken waren das, was Harry davon abhielt, einzuschlafen. Was war den Tag über alles passiert… Gutes, sowie Verstörendes… Hermiones Anstalten, sich für Pansy Parkinson einzusetzen… Rons Ausbruch und der Versuch ihn zu beruhigen… Hermiones Abgang nach dem Gespräch über die Explosion… Ob sie vielleicht etwas ahnte, was er bisher übersehen hatte? Dann Mme Pomfreys Offenbarung, dass sie fast gestorben wären, der Hinweis, dass sie ohne Dumbledore gestorben wären… Er sollte sich bei Gelegenheit dafür bedanken… Der Versuch, Draco zu heilen… Er hatte ihm versprochen, einen anderen Spruch zu suchen. Würde er machen, sobald er hier raus kam… Als letztes die Melancholie Dracos, die ihn in dieses beinahe bodenlose Loch gestoßen hatte, ihn einsam zurückgelassen hatte, was er sich nicht so recht erklären konnte… War er etwa so sehr davon überzeugt gewesen, dass Draco ihm vertraute? War er so… Hatte er sich das wirklich so sehr gewünscht, dass die schlichte Zerstörung dieser Hoffnungen eine solche Auswirkung hatte? Gefährlich… Und dann war da der Versuch gewesen, diese zerstörte Hoffnung wieder zu kitten… Draco hatte ihn um Hilfe gebeten. Ganz offiziell! Und völlig verzweifelt… Und er hatte natürlich zugesagt und das, obwohl er nicht einmal wusste, was er tun konnte, um ihm zu helfen… Aber war das wichtig? „Es findet sich schon ein Weg.“, flüsterte er leise in das seidige Haar, das über seine Wange und seine Lippen fiel. „Versprochen. Wir schaffen das…“ Ein Versprechen an sich und eines an Draco, damit sie beide nicht einfach aufgaben, was vorhin beinahe geschehen war… ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ And you tried so hard to save me How do you save someone from themselves All those years, wasted wishes Drowning in the wishing well… ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ ----------__-----------__------------__-----------__-----------__------------ Shirokko: *augenverdreh* Solche Weicheier! *grummel* Die sollen sich mal nicht so anstellen… Die paar Verletzungen… Mann, sie haben es doch überlebt, oder? *murr* Wenigstens steht Mione wirklich hinter ihrer Entscheidung, Pansy zu mögen. Ist doch auch schon mal ein Fortschritt. abranka: Und Draco bittet Harry um Hilfe... Die Szene zu schreiben... Das war schwer und schön zugleich. *smile* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)