Mermaid's thoughts von abgemeldet (Kai x Rei) ================================================================================ Kapitel 3: 3.6 - Wahre Liebe ---------------------------- 3.6 - Wahre Liebe Ein stilles Lächeln umspielte die Mundwinkel der jungen Frau, die bewegungslos aus dem Fenster starrte und ihren Gedanken nachhing. Es gab so vieles, was ihr durch den Kopf ging und ihr einfach keine Ruhe mehr ließ. Das meiste davon lag bereits in ihrer Vergangenheit und hätte ihr eigentlich keine Sorgen mehr bereiten sollen, doch sie war sowieso ein Mensch, der nur begrenzt in der Gegenwart leben konnte. Ihre Gedanken hingen immer irgendwo anders. Abrupt wandte sie sich vom Fenster ab und sah auf ihren Schreibtisch, auf dem mehrere Bilderrahmen mit Fotos darin standen. Fotos von ihrem Ehemann, von ihrem Kind und ein Foto, das ihr besonders lieb war - ihr Hochzeitsfoto. Sie hielt es in Ehren, trug außerdem noch eines in ihrer Brieftasche und hatte zwei weitere in ihrer Küche und neben ihrem Bett stehen. Sie war unheimlich stolz darauf, den Mann fürs Leben gefunden zu haben. Von all ihren Freundinnen war sie diejenige gewesen, bei der es am spätesten geschah und das hatte sie immer ziemlich gekränkt, denn sie hielt sich selbst für die Schönste und Intelligenteste unter ihnen. Nichtsdestotrotz hatte sie oft Spott über ihre früheren Freunde und Liebhaber ertragen müssen, weil sie angeblich einfach nicht zu ihr gepasst hatten. Dieser Spott hatte sie so weit getrieben, dass sie selbst anfing, Hass auf diese Personen zu schieben. Mit verliebtem Blick betrachtete sie weiter das Hochzeitsfoto und strich mit den Fingerkuppen über die Darstellung ihres Mannes. Er war ihr Ein und Alles, niemals würde sie ohne ihn leben können. Sie war fanatisch nach ihm und hochgradig eifersüchtig, wenn er eine andere Frau auch nur ansah. Sie sollte die einzige für ihn sein. Für immer. Einen Seufzer ausstoßend warf die junge Frau ihr rotes Haar hinter ihre Schultern und sah auf die Ablage auf der linken Seite ihres Bürotisches. Sie hatte noch eine Menge Arbeit vor sich, die an diesem Tag jedoch nur schleppend zu gehen schien. Schließlich war es ja auch ein ganz besonderer Tag, an den sie sich nur zufällig erinnert hatte. Eigentlich hatte sie die Erinnerungen daran schon längst aus ihrem Gedächtnis verbannt. Umso unangenehmer war es für sie, dass es wieder in ihr aufkam und ihr die Konzentration stahl. Sie nahm einige Unterlagen aus der Ablage und begann sich das oberste Schreiben durchzulesen. Sie war die Chefsekretärin eines großen Unternehmens und konnte es sich nicht leisten, ihre Arbeit zu verschleppen. Außerdem hielt sie sich für die Schönste und Intelligenteste unter allen Mitarbeiterinnen und wollte ihren Chef nicht enttäuschen, der neben ihrem Ehemann der zweitwichtigste Mann in ihrem Leben war, auch wenn zwischen ihnen eine andere Beziehung herrschte. Sie fürchtete, ohne ihn gar nichts zu sein. Ihr Telefon klingelte und sie schreckte aus ihren Gedanken. Sie betätigte einen der Knöpfe und schaltete das Gerät auf laut. "Miss", sie vernahm die Stimme ihres Chefs, "Was ist los? Ich warte immer noch auf die Datei, die Sie mir senden wollten." In einem Anflug von Scham verhaspelte sie sich und brachte nichts weiter als ein schiefes Quietschen heraus. Dann räusperte sie sich und ihre Stimme wurde deutlich. "Ich bin dabei, Chef." Sie hörte sein Brummen und letztendlich, wie er auflegte. Sie selbst besann sich nun auf ihre Arbeit und startete ihren Computer. Es waren ohnehin nur noch wenige Stunden, die bis Feierabend vor ihr standen, somit würde sie diese Arbeit einfach erledigen und dabei hoffentlich vergessen, was in ihr Gedächtnis zurückgekehrt war. Gegen Feierabend packte sie ihre wenigen Sachen zusammen und legte das Hochzeitsbild umgeklappt auf den Schreibtisch. Das war eine Angewohnheit ihrerseits. Es hätte ja geschehen können, dass eine ihrer Kolleginnen in ihr Büro kam und ihre Bilderrahmen betrachtete. Die waren sowieso alle viel zu gewitzt und unverschämt. Mit ihrer Handtasche unter dem Arm verließ sie das Büro, wünschte allen noch einen schönen Feierabend und verschwand, um ihr Auto zu holen. Als sie einstieg und den Wagen startete, entschied sie sich, heute einen anderen Weg nach hause zu nehmen und fuhr ans andere Ende der Stadt, um einem Bekannten noch einen Besuch abzustatten. Nach kurzem Weg hielt ihr Honda vor einem alten, grauen Gebäude und sie starrte mit unzufriedenem Gesichtsausdruck aus dem Fenster. Ich hätte nicht herkommen sollen. Ich bin eine glückliche Ehefrau und Mutter, sagte sie sich in Gedanken und würgte bei einem Versuch wegzufahren den Motor ab. Fluchend startete sie ihn erneut, ließ dabei das alte Haus jedoch nicht aus den Augen. Die große Schrift an der Außenseite war eindeutig. Sie hatte sich nicht geirrt. Sie konnte sich nicht irren. Sie irrte nie. Da bist Du also jetzt... Wer hätte gedacht, dass Du eines Tages Deine eigene Detektei hast und nicht mehr der Arschkriecher Deines alten Chefs bist? Sie kurbelte das Fenster runter und lehnte sich heraus, um die kühle Luft zu genießen. Es roch nach Abgasen. Sie starrte weiter auf das alte Gebäude der Detektei und las die Aufschrift etliche Male. Der Wind der vorbeifahrenden Autos spielte mit ihren roten Haaren und der Himmel verdunkelte sich im Anbruch des Abends. Sie wollte noch nicht nach hause fahren. Sie wollte ihn sehen. Sie wollte ihn sehen und sich darüber aufregen, dass es ihn noch gab, dass er noch lebte, dass er eine eigene Detektei besaß und erfolgreich war. Sie gönnte es ihm nicht. Doch die Tür blieb verschlossen und es begann zu regnen. Sie riss sich vom Anblick der Detektei los und wollte gerade wegfahren, als sie eine Person durch den Regen rennen sah, die zweifelsohne auf dem Weg zum Gebäude war. Sie hielt inne und beobachtete, wie der Fremde mehrmals klingelte und an der Holztür rüttelte; es dann für einen Augenblick aufgab. Tausende von Fragen kreisten in diesem Moment in ihrem Kopf. Sie fragte sich, was dieser Mann vor seiner Tür tat und ob er etwas mit ihm zutun hatte; und wenn ja - was. Sie wandte kurz den Kopf ab, um auf die Uhr zu sehen. Als sie ihn wieder hob, sah sie, dass der Fremde mittlerweile auf ein Fensterbrett geklettert war und in einem Anflug von Wahnsinn wohl vorhatte, auf das Vordach zu klettern und danach irgendwie in die Wohnung einzudringen. Geschockt beobachtete sie ihn hinter ihren verdunkelten Fensterscheiben dabei, wie er auf dem Vordach sitzen blieb, dass es schien, als hielt er eine kurze Ruhepause. Sie überlegte, die Polizei zu rufen, war dann jedoch nicht feinfühlig genug und dachte an das, was sie überhaupt an ihn erinnert hatte; weswegen sie überhaupt darauf gekommen war, dorthin zu fahren, wo sie jetzt war. Soll er doch sterben, dieser Verlierer. Schnaubend kramte sie in ihrer Handtasche, zog ihren Lippenstift nach und entschied sich endgültig dafür, wieder nach hause zu fahren. Es war unsinnig gewesen, überhaupt nach ihm zu sehen. Mit einem letzten Blick fiel ihr auf, dass der Einbrecher verschwunden war und ein Fenster offen stand. Sie gab Gas und verschwand. Es war nichts, was sie noch etwas anging. Schneller, als die Polizei es erlaubte, war sie wieder zuhause und die liebende Mutter und Ehefrau, die sie repräsentieren sollte. Doch ihre fragenden Gedanken konnte sie immer noch nicht loswerden. Selbst als sie nach dem Abendmahl alleine mit ihrem Mann beisammen saß, fiel es ihr schwer, noch an etwas anderes zu denken und so schilderte sie ihm in veränderter Form, was sie gesehen hatte, worauf dieser ihr riet, sofort die Polizei zu alarmieren. Er war ein ehrlicher Mensch - das genaue Gegenteil von ihr. Man versprach ihnen, schnellstmöglich eine Streife vorbei zu schicken. * "Chef... Chef!" Yuriy schreckte aus seinem zehnminütigen Schlaf hoch und streckte sich ausgiebig, ehe er auf das eifrige Rufen seiner Sekretärin reagierte. Er konnte sich nicht vorstellen, was für sie wichtig genug erscheinen konnte, um ihn aus seiner Ruhe zu wecken. Wahrscheinlich musste er ihr langsam mal beibringen, sich an gewisse Regelungen zu halten; seien sie auch nicht schriftlich festgehalten. "Chef...!" "Ja, ist ja gut", stöhnte er genervt und rutschte mit seinem schwarzen Ledersessel in Richtung Tür, wo seine junge Mitarbeiterin stand, die Hände in die Hüften gestützt, "Was ist denn los?" Er machte einen etwas trotteligen Eindruck. "Wir haben gerade eine Einbruchmeldung reinbekommen!", berichtete sie ihm aufgeregt und sah ihn auffordernd an. "Und?", erwiderte er gelangweilt, rutschte mit dem Sessel zurück vor seinen Schreibtisch und gähnte ausgiebig, wodurch sie ihm einen missbilligenden Blick zukommen ließ. Warum macht sie wegen einer solchen Angelegenheit so einen Aufstand? In meiner Position kümmert man sich nicht mehr um Einbrüche! "Schicken Sie halt 'ne Streife hin." Ihre Arme erschlafften und sie stieß einen Seufzer aus. Sie würde wohl niemals in der Lage sein, in ihren Chef zu verstehen. Er war schon ein eigenartiger Mensch. "Ist bereits unterwegs. Ich dachte, ich sollte Ihnen mitteilen, dass es sich dabei um Ihren Freund Rei Kon handelt." Einen Augenblick sah er etwas verwirrt und geschockt aus, fiel dann zurück in seinen Sessel und entspannte sich wieder. Ein eigenartiges Lächeln umspielte seine Mundwinkel und er begann sich ironischerweise dem Berg Papier vor sich zu widmen. "Rufen Sie die Streife zurück. Sofort.", brummte er abwesend und beförderte einige Unterlagen in den Papierkorb. Die Sekretärin hob die Augenbrauen. Sie verstand die Welt nicht mehr. "Was?", fragte sie sicherheitshalber noch mal auf die unhöfliche Art nach. Sie konnte nicht verstehen, wie ihr Chef seinen besten Freund einer solchen Gefahr aussetzen konnte. "Welchen Teil von Rufen Sie die Streife zurück verstehen Sie nicht, Omura-chan?" Er erhob sich und schob sie unauffällig aus seinem Büro. "Sollte es sich wirklich um einen Notfall handeln, wird er sich schon selbst darum kümmern - da können Sie sicher sein." Er schloss die Tür vor ihrer Nase und atmete tief durch. Einen Moment lang hatte sie ihn wirklich aus der Bahn geworfen. Doch mittlerweile hatte er sich wieder beruhigt und hoffte, dass es sich bei dem Einbrecher um Reis neuen Kollegen handelte, der endlich mental aufgewacht war und etwas unternommen hatte. Und das konnte Rei auch ohne ihn regeln, da war er sich sicher. Yuriy beförderte den Stapel Papier unbeachtet in den Papierkorb und streckte sich erneut. Jetzt, wo sie wieder verschwunden war, konnte er ja eigentlich wieder ein kleines Schläfchen genießen. Sie würde ihn schon nicht wieder stören; vermutlich war sie eher beleidigt über sein Verhalten und würde tagelang nur noch eintönig mit ihm sprechen. Aber das war für ihn nicht weiter unangenehm, denn sobald er sie wieder einmal zum Abendessen einlud, war alle Wut sowieso wieder vergessen. Er lehnte sich in seinem Chefsessel zurück und starrte auf das milchige Glas seiner Tür, auf deren Außenseite sein Name stand, um allen Besuchern mitzuteilen, dass er der Oberbefehlshaber an diesem Ort war. Zufrieden schloss er die Augen und dachte an seine Frau und seine Kinder und seinen Neuwagen, den er sich im letzten Monat geleistet hatte. Sobald er heimkam, würde er eine kleine Spritztour unternehmen, auch wenn seine Frau ihn immer wieder davor warnte, nicht zu schnell zu fahren. Sie hatte doch gar keine Ahnung von Autos. Die muss man ausfahren!, dachte er und grinste still in sich hinein. Er sank gerade erneut in den Träumen über seinen europäischen Neuwagen ab, als die Tür seines Büros mit Gewalt aufgeworfen wurde und seine Sekretärin zum zweiten Mal im Türrahmen erschien. "Chef!" Yuriy verdrehte die Augen. Es war wohl am besten, wenn er schon vorzeitig Feierabend machte. Dann hatte er wenigstens endlich seine Ruhe. "Was ist denn nun schon wieder?", fragte er genervt. "Wir können die Streife nicht erreichen!" Er runzelte die Stirn und sah die junge Frau einen Moment lang nachdenklich an. Dann erhob er sich tatsächlich aus seinem Sessel und schritt zu ihr. "Wieso können Sie die Streife nicht erreichen, Omura-chan?", entgegnete er ihr ruhig, auch wenn er innerlich jetzt ziemlich nervös war. Da ging was vor, was so nicht vor sich gehen sollte. Er kratzte sich am Kopf. "Ich weiß es nicht, Chef, ich -" "Wie oft habe ich Ihnen schon gesagt, dass Sie mir nicht mit Ich weiß es nicht antworten sollen, Omura-chan?", unterbrach er sie, nahm seinen Mantel vom Kleiderständer und verließ neben ihr sein Büro. "Verzeihung! Aber ich kann Ihnen wirklich keine Auskunft geben, Chef. Anscheinend ist die Funkleitung irgendwie unterbrochen, das passiert in der letzten Zeit häufiger." "Und wieso sagt mir davon keiner was? Wieso tut da keiner was dagegen? Was machen Sie eigentlich den ganzen Tag, Omura-chan? Nägel feilen?" Er wurde fast schon ärgerlich. Sie hatte ihn selten so erlebt. Vor allem nicht ihr gegenüber. Mit einem Mal fühlte sie sich ganz winzig und hüpfte in kleinen Schritten hinter ihm her. Ob er sie nach dem jemals wieder zum Abendessen einladen würde? "Es tut mir wirklich außerordentlich leid, Chef.", entschuldigte sie sich mehrmals. Yuriy ging an den Tischen der anderen Sachbearbeiter vorbei, die ihn alle mit einem höflichen Lächeln oder einem etwas übertriebenen Salutieren grüßten. Er beachtete sie nicht und kam mit ernster Miene an der Tür an, die seine Abteilung vom Rest des Gebäudes trennte. Seine Sekretärin lief immer noch wie ein kleines Mädchen hinter ihm her und machte auf alle Anwesenden einen amüsierenden Eindruck. "Chef!", quiekte sie übertrieben hoch und machte sich dadurch ein wenig lächerlich. Ein Polizist an der anderen Seite des Raumes kicherte leise. Sie ignorierte ihn. "Omura-chan", Yuriy drehte sich zum ersten Mal zu ihr um und sah sie mit einem fast väterlichen Blick an, "Gehen Sie nach hause. Es gibt für Sie heute nichts mehr zu tun." Sie hielt einen Moment inne und überlegte, dann jedoch - um den Befehl ihres Chefs nicht zu missachten - nickte sie und schlich sich unauffällig davon, in der Hoffnung, er würde sie nicht doch noch dafür verantwortlich machen, wenn es Ärger bei der Detektei Kon gab. Das Lachen der Kollegen verfolgte sie bis zu ihrem Schreibtisch, wo sie hastig ihre sieben Sachen packte und dann wieder Richtung Ausgang eilte. Ihr Chef war längst verschwunden. * Die junge Frau wälzte sich unruhig in ihrem Bett hin und her. Sie hatte sich zeitig zum Schlafen gewandt, weil sie weder ein, noch aus wusste, was ihre Gedanken anbelangte. Ihr Ehemann beobachtete sie besorgt, fragte sie mehrmals, ob sie krank sei oder ob es etwas gab, was sie bedrückte, doch sie wies ihn ab oder ignorierte ihn einfach nur. Rei ging ihr nicht mehr aus dem Kopf, auch wenn sie ihn schon lange hatte vergessen wollen. In Gedanken fluchend zog sie sich die Bettdecke über ihre roten Haare und stöhnte auf, als würde sie unter starken Schmerzen leiden. Ihr Mann blickte verzweifelt auf das Bündel in ihrem Ehebett und fühlte sich hilflos. Sie lag für einige Minuten still und starrte in die Dunkelheit. Manchmal wünschte sie sich, ihre Gedanken und Erinnerungen einfach auslöschen zu können. Jedoch nicht die Erinnerungen an das, was sie getan hatte, sondern an die Menschen, mit denen sie zusammen war. Vor allem Rei. Rei war in ihren Augen ein Einfaltspinsel gewesen, der nie besonders viel geschafft hatte. Sie hatte ihn durch eine gemeinsame Freundin kennen gelernt, die große Stücke auf ihn hielt und die beiden verkuppeln wollte. Er war ein stiller, aber sehr humorvoller Mann gewesen, der sehr höflich auf andere Menschen reagierte, ohne schmeichelhaft oder übertrieben zu wirken. Laut ihrer bekannten hatte er noch nie eine Frau schlecht behandelt. Doch sie selbst hatte sich schlecht behandelt gefühlt, denn er hatte sie nicht akzeptiert wie sie war. Er hatte versucht, sie - wie er es nannte - auf den richtigen Weg zu bringen, doch ihrer Meinung nach hatte er selbst doch gar keine Ahnung davon. Er hatte zwar eine gute abgeschlossene Schulbildung, fand aber aus gegebenen Gründen keinen Job, wodurch sie sich wiederum so fühlte, als läge er ihr auf dem Geldbeutel. Sie warf es ihm nie vor, es war nur in ihr drin, in ihren Gedanken. Doch eigenartiger Weise wurde er mit zunehmender Zeit immer aggressiver und abweisender zu ihr, wollte nicht mal mehr mit ihr schlafen und weigerte sich, sie überhaupt zu berühren. In ihrer Verwirrung zog sie ihn zu einem Psychologen, den sie gut kannte, weil sie selbst einst von ihren Eltern dorthin geschickt worden war. Rei verschloss sich vor dem Psychiater, sodass dieser nicht an ihn herankam. Somit brachte der Besuch dort wenig Erfolg und sie versuchte es erneut mit einer Partnertherapie. Sie bemühte sich wirklich. Nicht wegen ihm. Sie wollte nicht das Gefühl haben, dass es einen Mann auf der Welt gab, der mit ihr Schluss machte - und nicht anders herum. Das würde sonst bedeuten, dass es einen Menschen gab, der sie nicht als die Schönste und Intelligenteste betrachtete und das durfte nicht wahr sein. Eines Tages entschied sie sich dazu, ihre Sorgen ein für alle Mal zu beseitigen und kontaktierte einen Freund ihrerseits, der sich mit einem finanziellen Angebot dazu überreden ließ, sich um Rei zu kümmern. Doch wundersamer Weise landete Rei nur mit geringen Verletzungen im Krankenhaus. Sie kümmerte sich dort sorgsam um ihn, hatte aber das Gefühl, dass selbst ihre falsche Sorge nicht mehr bei ihm ankam, denn er sprach nicht mehr mit ihr und verschwand eines Tages spurlos. Zuvor war es das letzte Mal gewesen, dass sie ihn gesehen hatte. Sie wusste nicht, ob sie froh darüber sein sollte, dass er verschwunden war. Das Gefühl, dass er überhaupt noch lebte, war viel zu schlimm für sie. Wegen ihm hatte sie nicht nur viel Geld, sondern auch ihr Ansehen und einen Teil ihres Stolzes verloren. Sie konnte sich zu diesem Zeitpunkt nur gut vorstellen, was ihre Mitmenschen nun über sie dachten. Sie hatten sich sowieso immer nur negativ über ihre Beziehung zu Rei geäußert. Ihr Ruf war für mehrere lange Jahre geschändet gewesen. Es hatte sie viel gekostet, wieder angesehen zu werden. Jetzt war sie verheiratet und Mutter eines kleinen Jungen, den sie über alles liebte. Ihrem Mann brachte sie mehr als nur diese Gefühle entgegen. Sie war fanatisch nach ihm; zumindest einerseits. Andererseits war dann doch nur Mittel zum Zweck. "Salima...", sprach er sie leise an und strich besorgt über die Bettdecke, unter der sie sich befand. Er wollte ihr helfen, wusste jedoch nicht einmal, was überhaupt in ihr vorging. "Kane...", erwiderte sie leise seinen Namen und dachte dabei an Rei. Kane zog vorsichtig die Decke von ihrem Kopf und strich durch ihre Roten Haare, die sich verwuschelt auf dem Kopfkissen verteilt hatten. Er ließ ihr einen liebevollen Blick zukommen. "Was ist nur los mit Dir?" Sie sah ihn mit einem eigenartigen Blick an. In ihren Augen standen Tränen. "Hast Du Dir jemals so sehr gewünscht, einen Mensch sterben zu sehen?" Er war verwirrt und überlegte, was er ihr darauf antworten konnte, ohne sie anlügen zu müssen. "Ich weiß nicht", und er setzte noch hinzu, "Nein, ich glaube nicht." Er wirkte unsicher; suchte immer noch nach den Grund, weswegen gerade sie ihn so etwas fragte. Er wünschte, er wäre in der Lage, sie zu verstehen. "Ich kann nicht leben, solange er lebt.", schluchzte sie, "Ich will, dass er stirbt. Er zerstört mein Leben, Kane, er stört es! Ich werde, solang er lebt, nicht frei leben können, ich werde Dir keine Ehefrau und unserem Kind keine Mutter sein können!" Während sie weinte, kam ihr der Gedanke, dass sie nur lange genug darauf hinweisen musste - dann würde Kane sich schon darum kümmern. Er würde sie schließlich nicht leiden sehen können. "Wer?", war die prompte Antwort - ganz wie sie es sich erhofft hatte. "Sein Name lautet Rei Kon. Er ist Detektiv und führt die Detektei Kon.", schluchzte sie herzzerreißend und gab sich dabei besonders Mühe, da sie die Wirkung förmlich spüren konnte. Ihr improvisierter Plan funktionierte. "Schatz, Du weißt, ich liebe Dich. Ich will nicht, dass irgendjemand Dein Leben zerstört. Ich werde mich darum kümmern. Ich kann es nicht aushalten, Dich so leiden zu sehen, mein Liebes, Du bist mein Ein und Alles." Tief in ihrem Inneren grinste sie breit und böse, während sie sich von ihrem Ehemann in die Arme nehmen ließ und still vor sich hin schluchzte. Ihr Plan würde gelingen. Dieses Mal würde alles funktionieren. Alles. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)