Ippo ni Yoko von MAC01 (Seto x Jou) ================================================================================ Kapitel 96: Einen Schritt aus der anderen Richtung -------------------------------------------------- Nachdem ich mit Seto noch ein paar Runden gespielt habe, frage ich ihn, ob er mir beim Kochen helfen würde. Er blickt mich mit seinen großen, blauen Augen an und nickt schließlich. Langsam steht er auf und bittet mich um meinen Controller. Nachdem ich ihm diesen gereicht habe geht er zur Konsole, nimmt das Spiel heraus und schaltet alles aus. Ich steh auch auf und wir gehen gemeinsam in die Küche. Dass der Junge, den mein Sunnyboy mir letztes Jahr einfach nur als Seto vorgestellt hat, eine ähnliche Erfahrung gemacht hatte, wie mein Sohn, war mir in dem Moment klar, als er mich einen Helden nannte. Ich hatte in seinen Augen das Bedauern erkannt, dass niemand für ihn das getan hatte, was ich für meinen Sunnyboy auf mich genommen habe. Und jetzt, nachdem ich doch einige Details erfahren habe, bedaure ich diesen Umstand auch. Er wurde also von seinem Adoptivvater fünf Jahre lang missbraucht. Schrecklich. Wie kann jemand, der sich Vater nennt, so etwas seinem Kind oder Schutzbefohlenen antun? Er sollte doch den Jungen schützen und ihn nicht durch die Hölle schicken. Wut wallt in mir auf. Kinder sind so wichtig für unsere Zukunft. Sie sollten unantastbar sein. In dem Moment, wo man ihnen Gewalt antut, zerstört man ihre Unschuld und Reinheit. Die Gefahr – die ohnehin in unserer heutigen Zeit ständig größer wird und droht -, dass aus ihnen kaputte Erwachsenen werden potenziert sich dann ungemein. Mein Sunnyboy sagte, dass Seto etwas älter sei als er, also 18. Auch wenn ich die letzten Jahre überwiegend im Suff verbracht habe, ist nicht an mir vorbei gegangen, dass vor zweieinhalb Jahren die Zeitungen voll davon waren, dass er mit 15 die Leitung der Firma übernommen und sie komplett umstrukturiert hat. Fünf Jahre Hölle. Die endeten wohl mit dem Tod seines Adoptivvaters, also kurz bevor er die Firmenleitung übernommen hat. Himmel, erst jetzt wird mir bewusst, dass seine Hölle schon im Alter von zehn Jahren begonnen haben muss. Während ich verschiedene Zutaten aus den Schränken hole, frag ich – so beiläufig wie es möglich ist – ob er Hilfe hat. Erst blickt er mich fragend an, bevor ihm bewusst wird, worauf meine Frage gerichtet ist. Er nickt. Sagt, dass mein Sunnyboy ihm einen wirklich guten Therapeuten besorgt hätte. Kai, schießt es mir durch den Kopf und ich wundere mich etwas. Normalerweise arbeitete Kai nur mit Kindern, die zu Therapiebeginn nicht älter als zwölf Jahre alt sind. Aber… wenn ein Kind so früh durch so eine Hölle geht… vielleicht kann man es dann nicht mit einem Gleichaltrigen vergleichen, der normal aufgewachsen ist… Aber ich freu mich, dass Kai sich seiner angenommen hat. Er ist der Beste auf seinem Gebiet. Bei Katsuya hat er Wunder bewirkt… neben der anfänglichen Bewältigungstherapie hat er ihm auch später geholfen, als er sich immer wieder von Wut hatte leiten lassen. Immer wieder in Prügeleien geriet. Schwierigkeit mit der Schule und der Polizei hatte. Hat ihm geholfen, diese Wut in den Griff zu bekommen und sie produktiv – mit Kochen – abzubauen. Er hat ein unglaubliches Gespür, wie er an ein Kind heran gehen muss, damit es sich nicht bedroht fühlt und Vertrauen zu ihm aufbaut. Weiß wie er das Eis brechen kann. Ich setzt eine Grundbrühe an. Als er mich so über Kai reden hört lächelt er sanft. Mein Sunnyboy hat recht: Dieses Lächeln steht dem jungen Mann wirklich gut und ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass er öfters lächelt. Ich weiß, wenn er die Therapie mit Kai durchzieht, wird das ganz sicher eintreten. Wenn er erst einmal all seine Dämonen in den Griff bekommen hat… dann ist seine Seele frei und kann gänzlich dieses Leben genießen. Während ich einige Zutaten klein schneide und er mich aufmerksam dabei beobachtet, frage ich, wie das mit diesen 'Anderen' sei… was aus diesen geworden sei. Er zuckt nur mit den Schultern. Er weiß das angeblich nicht. Doch ich blicke zu ihm und er erkennt in meinem Blick, dass ich ihm das nicht glaube. Er holt tief Luft und erzählt mir, dass er vor anderthalb Wochen auf einen von ihnen getroffen sei. Bei einem geschäftlichen Meeting. Er habe sich zusammengerissen und das Meeting durchgezogen, doch danach… hätte sein Bewusstsein sich für zwei Tage verabschiedet. Wundert mich nicht. Mit einem lebenden Trauma, dass einen wieder bedrohte, konfrontiert zu sein, kann schon einmal eine enorme Panik und Schock auslösen. Dass der Verstand eines so jungen Menschen schon eine Bewältigungsstrategie hat, ist fast ausgeschlossen. Das sind Techniken, die man erst mühsam erlenen muss. Aber das wird Kai noch mit ihm angehen. Da bin ich mir ganz sicher. Aber in mir spüre ich die Wut erneut aufwallen. Nicht nur, dass scheinbar mehrere Personen ein Kind derartig übel mitgespielt haben. Diesem Kind später noch einmal unter die Augen zu treten… unverzeihlich. Sie müssen doch wissen, was für eine Wirkung das auf ihn haben kann… oder war das pure Berechnung… das wäre einfach nur widerwärtig und grausam. Doch Menschen, die sich an einem Kind vergreifen sind genau das…! Ich lasse mir nichts nach außen anmerken und frage, ob er mir ein paar Zutaten reichen würde und ob er ein Wunsch für den Ramen hat. Er arbeitet mir präzise zu und meint nur, dass egal, welches Ramen ich zubereite, er sich sicher ist, dass es ihm schmecken wird. Schließlich würde er durch meinen Sunnyboy wissen, was für ein großartiger Koch ich sei und wie gut mein Essen schmeckt. Der Junge entspannt sich wieder ein wenig. Also frag ich, was mit den anderen 'Anderen' ist. Ob er da wüsste, wo diese wären und was sie derzeit so tun. Er schüttelt den Kopf. Es habe ihn nie groß interessiert, solange er nichts mit ihnen zu tun hatte. Dieses Mal klingt er ehrlich. Vorsichtig frag ich ihn, ob er sich vorstellen könnte, diese Monstren anzuzeigen und sie ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Er kontert nur, ob ich wirklich denke, dass Gefängnis eine gerechte Strafe wäre. Ich weiß worauf er anspielt. Würde ich das glauben hätte ich damals die Gerechtigkeit für meinen Sohn nicht in die eigenen Hände genommen. Doch ihm geht es nicht darum, irgendwann für sich Gerechtigkeit zu üben. Also frag ich ihn, wovor er Angst hat. Er blickt mich nur kurz entsetzt an, bevor er seinen Blick wieder auf meine Tätigkeit richtet und scheinbar nachdenkt. Schließlich kommt irgendwann von ihm, dass er einfach nicht will, dass jeder weiß, durch welche Hölle er gegangen ist. Das wäre ganz alleine seine Schande und die ginge niemand etwas an. Jetzt halte ich in meiner Tätigkeit inne, leg das Messer weg und lege meine Hand ein weiteres Mal an seine Wange. Wieder blickt er mich überrascht und ängstlich an. Dann sag ich ihm, dass es nicht seine Schande ist. Es ist die Schande derer, die ihm diese Gewalt angetan haben. Verlegen wendet er seinen Blick auf den Topf, in der die Brühe aufkocht. Dann frag ich ihn, ob er irgendwelchen Sport treibt. Verwundert über den Themenwechsel blickt er mich wieder an. Er schüttelt den Kopf. Ich rate ihm, dass er sich einen Sport – vielleicht eine Kampfkunst – aussuchen und erlernen sollte. Damit kann man den Frust, den Schmerz und die Wut, die sich da drinnen – und ich platziere meinen Finger auf meiner Brust über dem Herzen – ein Ventil bieten. Vor allem gewinnt man aber durch Sport ein neues, positives Körpergefühl und es stärkt das Selbstwertgefühl. Meine Worte wirken auf ihn und er schaut mir eine Weile schweigend zu. Ich lass ihn derweil in Ruhe. Er hat schließlich einiges zu verdauen. Kann nur hoffen, dass er den Rat beherzigt. Es würde ihm gut tun, wenn er einen Ausgleich zu seiner Bürotätigkeit hätte und bei einer Kampfkunst würde er die Gewissheit gewinnen, dass sich nie wieder jemand seiner bemächtigen könnte. Natürlich weiß ich, dass das Beherrschen einer Kampfkunst kein Garant dafür ist, aber es geht hier schließlich nur um das Gefühl der Sicherheit, dass er dadurch gewinnen würde und was ihm derzeit fehlt. Dann decken wir den Tisch - genau pünktlich, wie sich rausstellt - als wir die Haustür hören und wenig später Mokuba und mein Sunnyboy herein kommen. Überrascht blickt mich mein Junge an und umarmt mich glücklich. Ich erwidere die Umarmung und küss ihn auf die Stirn. Wie immer, wenn er bei mir ist lacht er mich an. Das ist mein Sunnyboy. Anders wie früher ist sein Lachen heute echt. Dank Kai. Dank der Therapie. Und dank Seto. Ich bin stolz auf ihn. Darauf, was für ein großartiger Mann aus ihm geworden ist und dass er seinem Freund so beisteht und unterstütz. Ihn mit seinen eigenen Erfahrungen weiterhilft und ihm einen Weg zeigt, obwohl er bislang gescheut hat, irgendwem davon zu erzählen. Ihm zeigt, dass man ein glückliches Leben führen kann, wenn man die dargebotene Hilfe annimmt. Gerade als ich mich verabschieden möchte, um die Jungs in Ruhe essen zu lassen, steht Seto neben mir und bittet mich, mit ihnen zu essen. Ich weiß, dass es für den jungen Mann nicht selbstverständlich ist, jemanden um irgendetwas zu bitten. Also lächle ich ihn an und nehme seine Einladung an. Gemeinsam setzen wir uns an den Tisch und der Wirbelwind erzählt von seinem Tag. Dieses Essen erinnert mich an damals, bevor man meinem Jungen derartige Gewalt angetan hat, wie ich mit meiner Frau und den beiden Kinder abends am Tisch saß und sowohl meinem Sunnyboy, als auch meiner ruhige Prinzessin von ihrem Tag berichteten. Ja, ich vermisse diese glückliche Zeit. Jeden Tag. Dieses Gefühl von Verlust ist es, der mich jeden Tag versucht zum Alkohol zu greifen, um wenigstens eine Weile vergessen zu können. Doch dieser junge Mann hatte letztes Jahr einfach Recht: Ich habe mich lange genug in meinem Verlust und Selbstmitleid gesuhlt. Jetzt ist es an der Zeit mein Leben wieder in geregelte Bahnen zu lenken und meinem Sunnyboy der Vater zu sein, den er verdient. Ich möchte nicht auch noch sein restliches Leben verpassen, nur weil ich im Suff irgendwo liege und meinen Rausch auspenne. Ich will sehen, wie er glücklich wird und vielleicht… gelingt es mir ja auch zu kitten, was mir damals zerbrochen ist. Zumindest will ich es versuchen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)