Alles nur nicht der! von abgemeldet (Vor Kaiba kann man eben nichts verbergen) ================================================================================ Kapitel 18: Blondie; second act ------------------------------- Das war wahre Magie. Die machtvollste Magie. Und unter deren Schutz hatte ich den Sprung aus meiner alten Welt gewagt. Die Flammen der Kerzen flackerten noch immer und der Regen klopfte an die Scheiben. In diesem Bett direkt neben mir, lag ein aufregender, herrlich nackter Mann. Ich fühlte mich wie eine Katze, die soeben den Schlüssel zur Molkerei erhalten hatte. „Ich bin froh, dass Steve bei der Auktion dabei war.“ Seto drehte den Kopf, merkte augenscheinlich, dass sein Gesicht in meinem Haar begraben war, und hob ihn, ein wenig zu schnell um gelassen zu wirken. „Was zum Teufel, hat Steve damit zu tun?“ „Oh! Ich wusste gar nicht, dass ich das laut gesagt habe.“ Natürlich hatte ich es gewusst. Sex hin oder her, ich konnte einfach nicht genug davon bekommen, Seto völlig verdutzt zu sehen. „Sehr nett von dir, an einen anderen Mann zu denken, während ich, nachdem ich dich mit aller Kraft geliebt habe, immer noch nach Luft ringe!“ Ich musste plötzlich unkontrolliert lachen. Mit Tränen in den Augen setzte ich mich auf, zu hysterisch, um daran zu denken, dass ich unbekleidet war. „So habe ich garantiert nicht an ihn gedacht. Aber wäre er nicht gekommen, wäre ich nie so wütend und dankbar zu gleich gewesen.“ Er besaß tatsächlich noch die Energie zur Arroganz, zog eine seiner Brauen hoch und meinte entschieden: „Am Ende hätte ich dich sowieso ins Bett gekriegt.“ „Du hättest wa...?“ Weiter kam ich gar nicht. Schon im nächsten Moment lag Seto auf mir und hielt mir den Mund mit seinen Lippen zu. Erneute Hitze durchdrang meinen Körper. Wie sollte ich dem standhalten? Was sollte ich Seto entgegensetzen? Bis auf... „Verflucht noch mal! Du bist so eingebildet, dass es schon beinahe weh tut! Geh’ endlich runter von mir, du dummer Ochse!“ Mit Mühe befreite ich mich aus seiner Umarmung und richtete mich auf. Eigentlich hatte ich vor gehabt, aus dem Bett zu verschwinden, aber ich wurde mir wieder meiner Nacktheit bewusst. Warum musste man bei dieser Art Sex auch unbedingt nackt sein? Tiere zogen schließlich auch nicht ihr Fell aus, um sich zu paaren. Ja, und warum nicht? Dummkopf! Sie sind doch schon längst unbekleidet! Wo hatte ich noch gleich mein Studium absolviert? Collage für Idioten? Fieberhaft suchte ich nach meinen Sachen und konnte sie weit abgeschlagen vom Bett erkennen. Na super! Wie komme ich denn jetzt dahin ohne mir vor Seto die Blöße zu geben? Ach, was soll’s! So schnell wie möglich hastete ich hinüber, um mich zu bedecken. Leider kam ich nicht allzu weit. Noch bevor ich meine Hand nach dem Kleid ausstrecken konnte, zog mich eine Fremde zurück in den Untergang meiner Jungfräulichkeit. Oder einfach ausgedrückt, Seto presste mich an sich. Da standen wir also. Zwei, wie Gott sie schuf. Das war so unglaublich peinlich, dass ich rot anlief. Das Anlaufen wiederum machte mich wütend. Immer geriet ich in solche Situationen. Und immer wegen ihm. Er war wirklich wie eine Mücke, die sich festgesaugt hatte. Blutsaugendes Ungeheuer. „Ich bin noch längst nicht fertig mit dir!“ „Du...bist...noch...nicht...fertig?“ Holt mir eine Sauerstoffmaske oder eine Papiertüte meinetwegen. Wie sollte ich das noch verkraften? Was bildete der Typ sich ein? Rache ist süß, Kaiba. Rache ist verdammt süß! „Ganz genau. Und genau aus diesem Grund wirst du hier bleiben müssen.“ „Hör zu!“ Bei Setos Befehlston knirschten meine Zähne gefährlich. Musste ich am Ende auch noch einen Orthopäden aufsuchen? Ich warne dich Kaiba! Die Arztrechnungen sind schon gewaltig. „Das, was hier eben passiert ist, bleibt unter uns. Außerdem habe ich nicht vor diese Bindung zu vertiefen. Wenn du also so nett wärst mich loszulassen?!“ Ich versuchte ihn von mir zu schieben, ergebnislos. Mir war wirklich danach irgendein Insektenspray aus der Tasche zu ziehen und es diesem Angeber um die Ohren zu sprühen. Nur leider viel mir wieder ein, dass ich immer noch nackt war. „Seto!“ „Ja?“ „Lass mich los!“ „Noch vor ein paar Sekunden wolltest du, dass ich dich berühre.“ „Hormone, weiter nichts.“ „Aha.“ Langsam beugte er sich vor, bis sein Mund federleicht auf meinen Lippen lag. Ich spürte, wie mein Hirn abschaltete. Aber was sollte es, schließlich brauchte ich Abwechslung, oder nicht? Ein Ventil für all die Anspannung. Am Besten ich schlänge meine Beine um ihn und ließe es geschehen. Was war nur aus meinen guten Vorsätzen geworden? „Hormone“, wiederholte ich und begrub meine Finger in seinem Haar. Wem wollte ich was vorlügen? Mir selbst? „Halt die Klappe, Robin.“ „Okay.“ Wunderbar, sengende Hitze wallte in mir auf. Bis zu diesem Augenblick hatte ich gar nicht gemerkt, wie kalt es im Zimmer war. Bis seine unrasierten Wangen meine Haut berührten, hatte ich nicht gewusst, wie weich ich war. Oder wie herrlich es sein konnte, weich zu sein. Nahm nichts mehr wahr außer dem leisen Knistern der Kerzen, die langsam dahinschrumpften. Ich stieß einen dankbaren, wohligen Seufzer aus, als er mit seinen Händen über meinen Rücken und dann über meine prickelnden Brüste fuhr. Das Flattern seiner Daumen auf meinen Nippeln löste eine neue Hitzewelle aus, ich lehnte mich zurück, zog seinen Kopf zu mir herab und wartete darauf, dass sein Mund die Arbeit seiner Finger übernahm. Doch stattdessen hob er mich hoch, trat zum Bett, ließ mich darauf nieder und begann dann damit mich erneut zum Wahnsinn zu treiben. Ich könnte nicht genau bestimmen, wie lange oder wie oft er dies in jener Nacht tat, das Einzige, das mir auffiel war, dass sein Gesicht immer mehr in der Dunkelheit verschwand. Ich konnte mir nicht erklären wieso. Hätte ich meinen Kopf benutzt, wäre mir sicher eingefallen, dass die Kerzen herunterbrannten und langsam verloschen. Doch immer dann, wenn ich eben dies versuchte, verlor ich mich wieder und wieder in Setos Berührungen. Das Erste, was ich erkannte, als ich die Augen aufschlug, war der Auszug von einem von Setos Bankkonten. Seto dagegen war nirgends zu sehen. Schwerfällig hob ich meinen Kopf und starrte auf das Stück Papier. Eine Million. Was sollte das denn? Dieser dämliche Esel hatte doch tatsächlich die Überweisung des Versteigerungsgeldes auf seinem Kopfkissen liegen lassen. Extra für mich, um mich zu erinnern, ich wurde gekauft? So ein Scheißkerl. Was war ich denn für ihn? Eine billige Schlampe? Worauf hatte ich mich da nur eingelassen? Eine Schmeißfliege war es nicht Wert meine Unschuld zu erhalten. Und ausgerechnet in diese Fliege hatte ich mich verliebt. Na, das verhieß ein schönes Spektakel zu werden! Erst nachdem ich mich einigermaßen beruhigt hatte, sah ich, dass neben dem Bankauszug noch ein kleiner, bekritzelter Zettel lag. Du schuldest mir noch ein anständiges Essen! Diese elende Bakterie. Ich weiß, ich hatte mich unmöglich benommen. Na warte! Das bekommst du alles zurück. Es würde ein Kampf, wie David gegen Goliath. Wer welche Rolle übernehmen würde, müsste sich allerdings noch herausstellen, aber eines war gewiss. Seto Kaiba würde sein anständiges Essen bekommen. * * * Von erholsamer Arbeit konnte auch nicht die Rede sein. Kaum hatte ich begonnen, die ersten Veilchen dieses Jahr einzusetzen, kam Rika auch schon völlig aufgedreht auf mich zugerannt. Zwischen ihrem Geblubber konnte ich nur zwei Dinge heraushören: Mokuba und shoppen. Verdutzt starrte ich sie an. Das machte doch keinen Sinn. Mokuba wollte mit ihr shoppen gehen? Derselbe Mokuba, den ich kannte? Er konnte doch nicht einmal Blau von Grün unterscheiden. „Noch mal ganz langsam, Rika. Ich versteh nur die Hälfte, wenn du einen auf ICE machst.“ „ICE? Du redest wieder einen Unsinn.“ Ja, wer redete denn hier von einem shoppenden Mokuba? „Ich meinte doch nur, dass Mokuba dich sprechen will und habe hinzugefügt, dass wir uns nachher noch in der Stadt den neuen Laden ansehen sollten. Du weißt schon. Den mit der Unterwäsche.“ „Unter...? Rika? Dir ist schon klar, dass ich nicht gerne einkaufen gehe, oder?“ „Natürlich.“ Jetzt lächelte sie mich glücklich an. „Aber ich! Also bereite dich schon mal darauf vor.“ Ohne mir noch eine Gelegenheit zu geben, meinen Standpunkt klar zu machen, stöckelte sie davon. Schon seit meinem 15-Lebensjahr wunderte ich mich über Rikas Schuhauswahl, wenn es ums Arbeiten in dreckigem Gelände ging. Die Frau wäre auf Hundemist noch wie Aschenputtel in ihrem Ballkleid herumstolziert. Klasse hatte sie, das musste man ihr lassen. Der Raum in dem ich Mokuba in meiner Arbeitspause fand, war das Musikzimmer. Es wirkte alt und lag am Ende des Korridors, in dem ich meinen eigenen Raum bewohnte. Dieses Zimmer war wohl noch ein Überbleibsel von seinem Vorhergegangenen Besitzer. Die Räumlichkeit zeigte mit seinen großen Fenstern über das Meer. Auch wenn die Familie Kaiba ihren Lebensunterhalt nie als Fischer verdient hatte, genoss sie den Meeresblick. Nachfolgende Generationen hatten im Lauf der Jahre, je nachdem, ob die Finanzen und die Umstände es ihnen erlaubten, in Abständen Teile an die Villa angebaut, sodass es inzwischen jede Menge neuer Räume gab, die meisten mit direktem Blick aufs Meer. Vor allem seit Seto Kaiba die Firma leitet, hatte sich wohl einiges verändert, doch von Mokuba wusste ich, dass er dieses Zimmer hatte genauso beibehalten wollen. Dieser Raum war der Einzige, der noch aus dunklem Holz und sandfarbenem Stein, beides ohne ein besonderes, erkennbares System, bestand. Ich fand es lustig und in seiner Einzigartigkeit sehr einladend. Er bestand aus zwei Etagen und besaß eine breite Veranda, die dringend gestrichen gehört hätte und die man über einen schmalen, von unzähligen Füßen abgetretenen, steinernen Weg erreichte. Das Ganze machte einen gleichermaßen heimeligen wie majestätischen Eindruck, und in der sanften, sich allmählich hebenden Mittagssonne wirkte es obendrein freundlich. Ein schlanker schwarzer Kater lag gemütlich vor der Eingangstür und beobachtete mich mit einem unergründlichen Blick aus seinen goldfarbenen Augen. Während ich noch überlegte, warum mir der Stubentiger bisher noch nie begegnet war, ging ich vor ihm in die Hocke und kraulte ihn leicht am Kopf. Zum Lohn kniff der Kater die Augen zusammen und stieß ein lautes Schnurren aus. „Das ist Kaitô!“ Mokuba stand in der Tür und schenkte mir ein herzliches Grinsen. „Unter anderem bedeutet das, geheimnisvoller Dieb - wegen seines wahrhaft diebischen Wesens. Komm rein, ich habe interessante Neuigkeiten für dich.“ Er trat einen Schritt zurück, um mich an sich vorbeizulassen. Ich blickte mich um und bemerkte, dass das Zimmer voll gestopft und durch und durch gemütlich war. „Ich hatte einen recht interessanten Besuch.“ Freundschaftlich nahm Mokuba meine Hand und zog mich mit sich. „Es war der Detective, der den Fall zu Samúi untersucht.“ „Samúi?“ „Ja, mein ehemaliger Bassist. Der Blonde.“ Völlig überrascht riss ich mich von ihm los und starrte wie in Schock. Blondie? Was wollte der denn? „Ich kann mir vorstellen, dass das ein Schock für dich sein muss, aber ich musste noch eine Aussage zu dem Vorfall vor ein paar Wochen machen. Dabei kamen allerdings aufschlussreiche Dinge ans Licht. Ich möchte dich bitten mich zu einem Verhör zu begleiten.“ Auf dem Weg zum Fenster blieb ich neben einem abgenutzten alten Klavier stehen, auf dessen verkratzten Deckel mehrere Notenblätter verstreut waren. „Spielt Seto eigentlich auch?“ „Ja, wir beide.“ Mokuba trat lautlos neben mich, legte seine langen Finger auf die Tasten und schlug ein paar schnelle Akkorde an. Trotz seines hohen Alters brachte das Instrument süße, zu Herzen gehende Klänge hervor. „Kannst du es auch?“ „Ein bisschen. Nicht sehr gut.“ Ich atmete vorsichtig aus und ermahnte mich, kein derart dummes Zeug zu reden. Ich versuchte doch nur abzulenken. „Ja.“ „Was nun? Ja oder nein?“ „Ja, ich kann ein wenig spielen.“ „Dann lass mal hören!“ Er stieß mich mit der Hüfte an, dass ich vor Überraschung auf die Klavierbank sank. Ich wollte eine Ablenkung, aber nicht auf diese Weise. „Ich habe seit Monaten nicht mehr geübt“, setzte ich zögernd hinzu; aber Mokuba blätterte bereits die Noten durch, stellte eine Seite vor mich und nahm neben mir Platz. „Versuch’s mal damit.“ Nervös wischte ich mir die feuchten Hände an den Oberschenkeln ab und erinnerte mich daran, dass dies kein Vorspielen wie in meiner Kindheit war - vor dem ich mich aus lauter Angst immer übergab. Trotzdem musste ich zweimal tief durchatmen, worauf Mokuba den Mund, ehe ich zu spielen begann, zu einem leisen Lächeln verzog. „Oh!“ Meine Finger glitten behände vom ersten Takt zum zweiten. „Oh, das ist wunderschön.“ Vor lauter Freude über die verträumten Klänge vergaß ich meine Aufregung und Angst über die Erinnerung an Samúi. „Das bricht einem ja regelecht das Herz!“ „Soll es auch. Du spielst in der Tat ganz gut. Warum hast du gesagt, du kannst es nicht?“ „Das bin ich so gewöhnt. Normalerweise stimmt es. Das hier kann jeder vom Blatt spielen. Es klingt wunderbar. Wie heißt dieses Stück?“ „Seto hat ihm noch keinen Namen gegeben.“ „Das hat Seto komponiert?“ Ich hielt im Spielen inne und starrte mir beinahe meine Augäpfel aus dem Schädel. Seto? Mokuba wollte mich sicher verarschen. Ein Kalender. Hier musste doch irgendwo ein Kalender hängen. Unmöglich. Heute war bestimmt der erste April. „Nicht direkt.“ Oh, Gott sei Dank. „Wir haben es zusammen geschrieben.“ „Was?“ Das machte die Sache besser, aber nicht leichter. Es bedeutete immer noch Seto konnte Noten von Tintenflecken unterscheiden. „Wie meinst du das?“ Mokuba druckste herum, als würde er ahnen, er hatte etwas Ungeheuerliches preisgegeben. „Nun ja. Ehm...also Seto und ich...wir...“ „Spuck’s schon aus!“ „Das ist nicht so leicht zu erklären. Als wir noch jünger waren und...Guzaburo. Er hat Seto nie irgendetwas erlaubt, aber... ich durfte den meisten Dingen, die mich interessierten ebenfalls nicht nachgehen. Ich liebe Musik, Robin und sie wurde mir verboten.“ Überraschung machte Platz für Mitleid. Es tat weh, Mokuba so zu sehen. Außerdem hörte ich zum aller ersten Mal etwas über die Vergangenheit der beiden Brüder, die nicht indirekt etwas mit mir oder Rika zu tun hatte. „Seto hat mich schon immer beschützt. Auch damals, als es mir um die Musik ging.“ Jetzt musste ich lächeln. „Daran hat sich bis heute nichts geändert.“ Er lächelte nun ebenfalls wieder. „Da hast du Recht. Als Guzaburo mir das Spielen von Instrumenten verbot, setzte sich Seto einfach darüber hinweg und schrieb mit mir zusammen ein paar Noten auf. Mit der Zeit wurde ich natürlich besser und habe einige, kleine Fehler immer mal ausgebessert, aber an dem Grundprinzip des Stückes hat sich nichts verändert. Und da es Setos Idee und großer Einfluss war, der das Stück ins Leben rief, soll er ihm einen Namen geben.“ Was sollte ich dazu noch sagen? Vielleicht war ich sogar etwas neidisch. Eine Familie wie diese hatte ich mir immer gewünscht. Eine Bindung wie diese immer herbeigesehnt. Aber was dachte ich da? Genau das hatte ich doch mit Rika und mittlerweile auch mit Mokuba. Die Zeit würde, die Erinnerungen bringen, über die ich mich, wie Mokuba jetzt, in Jahrzehnten noch freuen werde. Ich konnte Mokuba vertrauen so wie er mir. Mich an ihn lehnen und meiner Angst ins Gesicht blicken. Es gab keinen Grund mich zu fürchten. „Mokuba? Lass uns gehen. Ich möchte diesem Samúi meine Meinung sagen!“ Jetzt grinste er wie so oft. „Freut mich das zu hören!“ * * * Wir wurden in einen Verhörraum gebracht, der so angelegt war, dass er die Befragten einschüchtern sollte. Vom Verstand her war mir das bewusst. Die schlichten Wände, der verkratzte Tisch, der in der Mitte stand, die unbequemen Stühle, der breite Spiegel, bei dem man nur in eine Richtung sah, bildete alles Teil eines Arrangements, das es der Polizei erleichtern sollte, Verdächtige zum Auspacken zu bewegen. Doch so streng meine praktische Seite mir auch befahl, sich von diesen Dingen nicht beeindrucken zu lassen, bekam ich dennoch eine Gänsehaut. So ein blöder Mist. Ich war es doch nicht die, die hier verhört werden würde! Durchhalten, Robin! Mokuba saß, in einer maßgeschneiderten, schwarzen Lederjacke und der verblassenden, blauen Jeans ganz der Musiker, neben mir. Detective O’Malley faltete seine Hände auf der Schreibtischplatte. Große Hände, geschmückt mit einem schmalen, goldenen Ehering. Er schien ein nervöser Mensch zu sein, dachte ich, als ich seine schmerzlich kurz gebissenen Fingernägel betrachtete. Warum nur? Es ging doch nur, um einen kleinen Spion und Vergewaltiger. Bei dem Gedanken musste ich wiederum hart schlucken. Was musste ich mich auch selbst daran erinnern?! Einige Herzschläge lang war der Raum von summender Stille erfüllt, wie in einem Theater, ehe sich der Vorhang vor dem zweiten Akt eines bedeutenden Stückes hob. Bei der Assoziation hätte ich beinahe hysterisch gelacht. Zweiter Akt, erste Szene, und ich spielte die Hauptrolle. „Samúi Tantéi möchte gerne mit ihnen beiden über die Gründe seiner Aktionen sprechen. Er erhofft sich davon eine mildere Strafe. Weder, ob sie Mr. Kaiba und sie Ms. Foxx dem zustimmen oder nicht, wir hätten gern ein Schuldgeständnis.“ O’Malley beobachtete mich, wie ich als Reaktion auf seine Stimme zusammenfuhr und den Blick von seinen Händen auf seine Augen heftete. „Kann ich mit ihrer Kooperation rechnen?“ „Natürlich. Es interessiert mich brennend, was er zu finden gehofft hatte.“ Mokuba wirkte weder verängstigt so wie ich, noch nervös wie O’Malley. Er war in der Tat die Ruhe selbst. Tja, ganz der Bruder. Immer einen kühlen Kopf in einer Stresssituation behalten. „Detective O’Malley, ich und Ms. Foxx sind hier, um ein paar Antworten bezüglich merkwürdiger Ereignisse innerhalb des Naturparks meines Bruders zu bekommen.“ Seine kultivierte Stimme hatte einen kühlen, harten Klang, und unter der Tischplatte drückte Mokuba aufmunternd meine eisige Hand. Er hatte das Gleiche gedacht wie ich. Er verband all die Dinge, die ich mir nicht erklären konnte auf gewisse Weise mit Blondie. Kaum wurde mir endlich bewusst, dass Mokuba mehr wusste, als ich angenommen hatte, ging die Tür zum Verhörraum auf und Blondie betrat die Bühne für die zweite Szene. „Oh, lange nicht gesehen, Kumpel. Na wie geht’s dir meine Süße? Ach, Verzeihung. My Lady!“ Er brach in schallendes Gelächter aus. Kalte Wut stieg in mir auf. Samúi, der Schimmel unter meinen Schuhsohlen. Bei Mokuba keine Reaktion. „Vielen Dank für diese Einleitung, Mr. Tantéi. Wenn sie sich bitte setzen würden. Es wäre mir lieb, wenn sie mir nun endlich ein paar Fragen beantworten würden.“ O’Malley sah in Blondies Gesicht ohne eine einzige Gefühlsregung. „Ihnen sind ihre Rechte bereits verlesen worden?“ „Ja, man, ich weiß über eure heiligen Regeln bescheid. Lassen sie uns zum Punkt kommen. Ich habe mich nicht bereit erklärt irgendwelche Fragen zu beantworten. Ich wollte mit meinem Kumpel hier und dem Betthäschen seines Big Brothers reden.“ Bei den Worten sprang ich empört auf. Noch ehe ich jedoch ein Wort sagen konnte, zog Mokuba mich zurück auf meinen Stuhl. Er schüttelte den Kopf und wartete auf Detective O’Malleys Reaktion. „Wie dem auch sei, es wird sie nicht stören, dass wir das Band mitlaufen lassen?“ Blondie grinste sich einen Wolf in den Bauch. Über was er so lachen musste, blieb mir schleierhaft. Er fühlte sich seiner zu sicher. Und woher wusste er von mir und Seto? Und was noch viel wichtiger war: woher wusste Mokuba davon? Ich konnte es sehen. Seine klaren Augen hatten sich bei Blondies Bemerkung nur leicht verdunkelt. So, als wüsste er ganz genau wovon gesprochen wurde, auch wenn es ihm vielleicht nicht sonderlich gefiel. „Aber nein! Wie könnte es mich stören? Ich mach’ das doch alles nur für sie O’Malley Baby!“ Der Kerl widerte mich ja so an. Schon vom ersten Moment an. „Also gut, Tantéi. Sie kennen also die Regeln. Heißt das sie spielen ein Spiel?“ „In gewisser Hinsicht, ja. Aber ein Spiel, in dem es eben Regeln gibt. Leider hält sich jemand nicht an diese Regeln. Und aus diesem Grund sehe ich mich gezwungen, ebenfalls ein wenig zu schummeln.“ Diesmal lächelte er mich an. Beinahe hätte ich mich übergeben müssen. Es ging also um mich? In wie fern? Und wer spielte bei diesem Spiel mit? Langsam schien dieses Spiel der Metaphern Mokuba auf die Nerven zu gehen. „Jetzt pass’ mal auf...Kumpel! Wir sind nicht hier, um uns dein Geschwafel über irgendein Spiel anzuhören. Wir wollen Antworten. Was wolltest du bei mir finden? Dokumente? Geld?“ Wieder dieses schreckliche Lachen. Konnte man den Typ denn nicht abstellen? „Bei dir? Ich rechne es dir hoch an Mokuba, aber du warst nur Mittel zum Zweck. Die Kleine hier war mein Ziel. Von Anfang an.“ Seine Hand schoss nach vorne und griff nach dem Kragen meines Hemdes. Mein erster Gedanke war: Lauf! Doch ich wollte endlich die Wahrheit wissen. Statt mich also zurückzuziehen, ließ ich es geschehen und hielt sogar Mokuba zurück, der sich auf Blondie stürzen wollte. „Schon gut Mokuba. Also, Samúi. Was genau willst du von mir?“ Ich hätte mir selbst auf die Schulter klopfen können. Meine Stimme zitterte nur unmerklich. Ich wollte ihm nicht die Genugtuung geben mich eingeschüchtert zu haben. „Oh, die Lady ist jetzt plötzlich viel mutiger. Soll ich dich an unsere gemeinsame Nacht erinnern, Schätzchen?“ „Sag endlich, was du sagen willst, du Amöbe und nimm deine schleimigen Finger von mir!“ „Das ist aber sehr unfreundlich. Dabei habe ich mir solche Mühe gegeben, dir richtige Arbeit zu schaffen. Wie geht’s dem riesigen Monster eigentlich? Lebt das Vieh noch?“ „Wovon redest du?“ „Du weißt was ich meine. Das passende Gift zu bekommen, war gar nicht so einfach. Aber ich bin schließlich ein Profi. Dir ist sicher nicht eingefallen, dass das Tier mit dem Gift des Androctonus australis infiziert wurde.“ Sowohl Mokuba als auch Detective O’Malley schienen völlig ratlos und hielten Blondie sicher für verrückt geworden. Ich wusste jedoch exakt wovon er sprach. Androctonus australis ist der lateinische Ausdruck für den Dickschwanzskorpion. Ein giftiger Skorpion, dem man unter normalen Umständen nur in Nordafrika finden konnte. Er hatte Recht. Er musste ein Profi sein, in welchem Gebiet auch immer. Es war kein Kinderspiel an ein solches Gift zu kommen. Plötzlich wurde ich mir seiner Worte und ihrer Bedeutung erst richtig bewusst. Gift? Tier? JAMES! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)