Alles nur nicht der! von abgemeldet (Vor Kaiba kann man eben nichts verbergen) ================================================================================ Kapitel 9: Reunion ------------------ Eine leichte Brise kräuselte das Wasser des Sees, ließ die Spiegelbilder der Bäume verschwimmen und spielte mit meinen Haarspitzen. Jetzt, da ich mich unter dem strahlenden Himmel ausgestreckt hatte, war ich froh, dass Seto mich zu dem Ausflug überredet hatte. Die Sonne und die Bewegung würden mir gut tun, hatte er gemeint. Eine andere Frau, überlegte ich, hätte nach all den Tränen und wiedererlebtem Kummer wahrscheinlich nur schlafen wollen. Nicht ich. Ich war immer noch sehr blass und die Spuren um meine Augen verrieten wahrscheinlich die Tränen, die ich geweint hatte. Und doch umgab mich eine unverkennbare Aura von Stärke, für die ich Seto Kaiba danken musste. Wer hätte das gedacht? Immer wieder wichen meine Gedanken zu diesem geheimnisvollen Menschen. Wie oft hatte ich mich schon gefragt, wer Kaiba wirklich war? Ich hatte es ihm also erzählt. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte ich mich einem anderen Menschen gegenüber wieder geöffnet. Jetzt gab es nichts mehr, was Seto nicht von mir wusste. Warum hatte ich es ihm überhaupt erzählt? Vielleicht weil ich wusste - oder hoffte -, dass er immer noch da sein würde, wenn ich mit meiner Geschichte am Ende angelangt war. Und ich hatte Recht behalten: er stellte keine Fragen, erteilte keine Ratschläge, war einfach nur da und stützte mich. Er hatte gewusst, was ich in diesem Moment brauchte. Wann hatte ich entdeckt, was für ein ungewöhnlicher Mann er war? Und warum hatte ich dazu so lange gebraucht? Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich mich zuletzt so entspannt, so sicher und so zufrieden gefühlt hatte. Die Tränen und das vertrauliche Gespräch hatten mich von dem Schmerz befreit. Zumindest für eine kleine Weile. Ich schloss für einen Moment die Augen und genoss die körperliche Erleichterung, die diese Reinigung mit sich brachte. "Ich habe mich noch nicht bei dir bedankt!" "Wofür?" Mit langen, gleichmäßigen Bewegungen trat er zu mir. Ich konnte das Spiel seiner Muskeln beobachten. Er war kein Mann, der seinen Bizeps spielen lassen musste, um seine Männlichkeit und Stärke zu demonstrieren. Er wusste, dass er stark war, und bezog sein Selbstbewusstsein aus diesem Wissen. So langsam wurde mir klar, was alle so toll an Seto Kaiba fanden. War schon ein imposanter Mensch. Hilfe! Fängst du jetzt schon an hinter Kaiba her zu sabbern? Gott, erschieß mich, wenn du ein gütiger Gott bist! Was erwartete ich eigentlich? Gott mochte mich doch eh nicht leiden. "Dafür, dass du da warst und dafür, dass du mir all die netten, gutgemeinten Trostworte erspart hast, die man gewöhnlich in so einer Situation zu hören bekommt." Mit hochrotem Kopf wendete ich mich von ihm ab. Er musste nicht auch noch sehen, wie peinlich mir diese ganze Situation eigentlich gewesen war. "Du hast sehr gelitten." Er sah mich jetzt an; sein Blick war ruhig und intensiv. "Und es gibt keine Worte, die das, was dir widerfahren ist, ungeschehen machen oder auch nur erleichtern könnten." Erneut vernahm ich ein zorniges Funkeln in seinen Augen. Dachte er wieder an Steve und meinen Vater? Wie kam es nur, dass ihn das so sehr aufregte? Sonst konnte ihn auch nichts aus der Ruhe bringen. Lag' es wieder mal an mir? Wir schwiegen eine Weile, bis ich die Stille nicht mehr aushielt. "Wer bist du?" Ha! Zum ersten Mal sah ich Seto Kaiba zusammenzucken. Diese eine Frage, die er mir so verdammt oft gestellt hatte, ließ ihn zusammenzucken. Wahnsinn! Was für ein Gefühl! Er bewegte sich wie im Schlaf auf mich zu und streckte die Hand nach mir aus, um mich zu berühren. In instinktiver Abwehr zog ich mich zurück, aber der Protest erstarb mir auf der Zunge, als mich seine blauen Augen ansahen. Mein Atem stockte, als mir bewusst wurde, was ich in diesen Augen entdeckte. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf, nahm mein Gesicht in beide Hände und hielt es fest, als ob er das Recht dazu hätte. Als ob er schon immer das Recht dazu gehabt hätte. "Hör zu, ich will nicht..." Seto schüttelte nur den Kopf, seine Augen tauchten in meine ein, er zog mich enger an sich, und sein Mund traf meine Lippen, die sich ihm voll, heiß und willig öffneten. Ich zitterte, zum Teil aus Protest, zum Teil aus Furcht. Beides schien er nicht akzeptieren zu wollen. Diesmal musste ich annehmen, was er mir zu geben hatte. Seine Hände strichen durch mein Haar, über meine Schultern, und während sein Kuss leidenschaftlicher wurde, drückte er mich langsam auf den Boden und legte sich auf mich. Panik keimte in mir auf und kämpfte gegen die Begierde, die schnell und ungezüngelt von mir Besitz ergriff. Ich stemmte mich noch gegen seine Schultern, als ob ich ihn zurückdrängen wollte, selbst als ich mich ihm gleichzeitig schon entgegenbäumte. "Ich kann dir nicht geben, was du brauchst. Ich bin dazu nicht fähig." Er ließ seinen Mund über mein Gesicht gleiten, während ich unter ihm erbebte. "Dann nimm dir, was du willst." Seine Lippen streiften meinen Mund herausfordernd. "Ich will dich berühren." Er streichelte an meinen Rippen entlang, musste meine Reaktion spüren, als seine Finger sich leicht über meiner Brust schlossen. "Ich will dich hier im Sonnenlicht." Er erstickte meine Worte mit seinem Mund, dann strich er über meine Wange und hörte mich stöhnen. Er flüsterte meinen Namen, nur meinen Namen, und ich war verloren. Meine Finger gruben sich in seine Schulter, glitten durch sein Haar und zogen sein Gesicht wieder zu mir, zogen ihn zu mir herunter. Ich spürte den wilden Rausch des Glücks, die ungestillte Begierde, als sein Mund mit meinem kämpfte, erkannte die rücksichtslose Gier, als er mir mein Hemd über meinen Kopf fahren ließ. Stark und besitzergreifend drängte sich mein Fleisch gegen seines, zum heftigen Rhythmus des Blutes in meinen Venen. Zum ersten Mal in meinem Leben gab ich mich selbst ganz hin, und meine Gedanken waren vollständig von ihm erfüllt. Bis schließlich sein Handy klingelte. Ihn schien es nicht im Mindesten zu stören. Mich aber zog es aus seinem Bann. Ich schaffte es mich von ihm zu befreien und mich wegzurollen. Ich konnte mich nicht aufrichten ohne ein leises Fluchen zu vernehmen. Meine Güte? Was hätte ich da beinahe getan? Meine Gedanken fingen an sich wieder in Gang zu setzten. Shit! Seto verdammt noch mal Kaiba!!!! Ich brauchte eine Knarre mit einer Kugel und zwar schnellstmöglich! Am besten ich zog gleich aus oder noch besser ich ertrank mich gleich in dem See direkt vor mir! Einfach nur weg hier! Aber wollte ich das wirklich? Nein, verdammt! Ich wollte mich gleich wieder unter ihn legen! Ich will was? Oh, scheiße!!! In Panik lief ich auf und ab, wie ein aufgeschrecktes Huhn, bis Kaiba mich anhielt. Ich konnte noch ganz klar das Verlangen in seinen Augen erkennen. Er wirkte auf mich, als würde er gleich wieder über mich herfallen, doch er tat es nicht. Wie schade! Schade? Schade? Jesus Christus, Vater im Himmel, Maria und Josef!!! "Es ist Rika." * * * Da saßen wir nun. Ich, Kaiba und Mokuba. Alle zusammen in Kaibas Büro und warteten darauf, dass Rika endlich ihren Kopf durch die Tür steckte. Wie lange war es her? Wie lange hatte ich Rika nicht mehr gesehen? Es mussten schon fast sechs Monate her sein. Eine lange Zeit für mich. Immerhin hatten wir in unserer Jugend so gut wie jede Minute miteinander verbracht. Rika war auf dem Weg hierher. War sie schon auf dem Gelände? Würde sie gleich zuerst nach mir suchen? Ich rieb mir mit der Hand über meinen Mund und zwang mich, leichthin zu klingen. "Sagt mal, seit wann wisst ihr schon von mir und Rika?" Stille. Hatten denn beide ihre Stimmbänder verschluckt? Doch endlich meldete sich Mokuba zu Wort. "Ungefähr seit James Tod!" Ich starrte ihn an. Das war das Erste, das er seit unserem letzten Treffen zu mir gesagt hatte. "Sie rief Seto an, um zu erfahren, wo du steckst. Ich glaube die beiden hatten schon etwas länger Kontakt. Ist doch so, oder Bruder?" Irrte ich mich oder sah Mokuba etwas abwesend aus? Kaiba blickte nicht auf. Er saß vor seinem PC und tippte wie besessen auf seine Tastatur ein. "Präzise. Sie wird in ungefähr zehn Minuten hier eintreffen. Sie meinte, sie hätte dir etwas sehr wichtiges mitzuteilen. Etwas eure Vergangenheit betreffend." Ich entspannte mich erst, als nur noch Kaibas Tippen zu hören war und ich mich in meinen Sitz zurücklehnte und die Augen schließen konnte. Der Gedanke an Rika und mein altes Leben wurde immer kleiner, geriet außer Reichweite. Dort gab es nichts mehr für mich zu tun, keinen Grund zur Rückkehr. Die Gärtnerei, das einst mein Schloss gewesen war, stand hinter Eisentoren. Und die Spuren der Morde, die dort einmal geschehen waren, waren längst weggewischt. Wenn Rika sich bei mir melden wollte, musste ich mich mit ihrem Ansinnen auseinandersetzen. Und mit ihr. Ich hatte bewiesen, dass ich mich meinen Erinnerungen stellen konnte. Die Erinnerungen waren nur in Worte zu kleiden, und Worte konnten mir nichts anhaben. Sie kam hierher. War schon fast da. Es war wie ein Flüstern in meinem Ohr, eine Warnung, gefolgt von einer hämischen Schadenfreude. Aber es machte mir nichts aus. Ich würde es nicht an mich herankommen lassen. Ob Rika nun etwas zu sagen hatte oder nicht spielte keine Rolle - ich hatte sie aus meinem Leben gestrichen. Um ihrer und meiner Selbstwillen. Ich wandte den Kopf zum Fenster und zwang mich die Augen zu öffnen. Eine große, schlanke Frau kam mit schnellen Schritten näher. Sie hatte langes, braunes Haar, das ihr leicht um die sanften Gesichtszüge streifte. Ihre dunklen Augen suchten etwas. Oh Gott, diese Frau war Rika. Sie war doch tatsächlich noch einmal gewachsen und hatte sich die Haare gefärbt und sie waren länger. Ein anderer Schnitt. Doch das Schlimmste war, sie kam immer näher. Weg! Nein, nicht schon wieder weglaufen. Ich musste mir anhören, was sie mir zu sagen hatte. Ganz ruhig Robin! Das ist deine beste Freundin. Nein! Ich verbesserte mich, sie ist meine beste Freundin gewesen. In Sekunden öffnete sich die Tür und Rika trat erneut ein in meine Welt. Statt Kaiba oder Mokuba auch nur ein Zeichen zu geben, dass sie sie wahrgenommen hatte, kam sie gleich auf mich zu und zog mich auf die Beine. Ich fand mich in ihren Armen wieder. "Es tut so gut dich endlich wiederzusehen, meine Schwester." Ich spürte wie ich bereits zu weinen begann. Das war es wohl mit dem Stark sein; ein für alle mal. Sie hatte mich Schwester genannt, wie damals. Sie sah mich noch immer, als Schwester. Nach allem. Ich hatte sie im Stich gelassen, mit allem! Schwester! "Gott, Rika was machst du hier? Ich meine, was gibt es?" Krankhaft versuchte ich mich von ihr zu befreien, doch es fiel mir sichtlich schwer. Mokuba sprang auf. "Hey, freut mich dich kennen zu lernen. Ich kann zwar nicht behaupten, dass ich schon viel von dir gehört hätte, aber freut mich trotzdem." Er hielt ihr seine Hand hin, worauf hin sie mich endlich losließ. "Freut mich auch. Sie sind sicher Mokuba Kaiba. Ihr Bruder hat mir schon von ihnen erzählt. Vielen Dank, dass sie sich so gut um meine Kleine gekümmert haben. Ich schulde ihnen etwas!" Ihr Aussehen vielleicht, aber sonst hatte sich nichts geändert. Sie war noch immer meine große Schwester Rika, die versuchte mich zu beschützen. Nach all der Zeit. Wie hatte ich sie nur allein lassen können? Meine Entscheidung wegzugehen war ja so selbstsüchtig gewesen. Ich hätte es ihr sagen müssen. Alles. Die Wahrheit. "Oh, sicher. Und sie müssen Seto Kaiba sein. Schön sie endlich mal zu treffen. Ich bin ihnen so dankbar, dass sie mich angerufen haben. Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht Kleine!" Sie wandte sich wieder mir zu. "Du glaubst einfach nicht was seit deiner Abreise passiert ist! Unglaubliches! Wir müssen unbedingt reden und dann musst du mit mir kommen." Zurück? Niemals! Das ging doch nicht. Nicht nur, dass ich hier meine Verpflichtungen hatte, ich wollte nicht wieder zurück. Befand ich mich hier unter Wahnsinnigen? Was glaubte Rika eigentlich warum ich gegangen bin? Was bildete sich Kaiba ein, Rika mal so eben schnell anzurufen? Und warum starrte Mokuba Rika so dümmlich an? Alle sahen mich nun an und schienen auf eine Reaktion zu warten. Was sollte ich ihnen sagen? Vielleicht oh das tut mir leid. Leider habe ich nachher noch ein Date mit einem super süßen Typen. Sein Name ist Skipper und er ist ein Buschkänguru. Man, es war echt schwer nicht in hysterisches Lachen auszubrechen. Ich machte mir beinahe in die Hosen allein bei dem Gedanken an Kaibas Gesicht. Na ja, im Prinzip stimmte es ja. Ich hatte tatsächlich noch ein Date mit Skipper, aber ich schätze mal, das würde jetzt keinen interessieren. "Lass uns nach draußen gehen, dort kann ich dir alles genau erzählen und du kannst mir zeigen, wo du arbeitest!" Rika packte mich an der Hand und machte Anstalten mich wegzuziehen, als Kaiba sich schließlich einmischte. "Ich gehe doch richtig in der Annahme, dass sie ihren Vater betreffend etwas zu sagen haben, Ms. Thomas. Ich bilde mir ein, ein Recht darauf zu haben, zu erfahren worum es geht!" Nicht nur Rika und ich, auch Mokuba war völlig perplex. Er blieb noch aus. Er wusste nicht im Mindesten wovon Kaiba redete. Am liebsten hätte ich mich in seine Arme geworfen und hätte ihm alles erzählt, doch dafür gab es im Moment keine Gelegenheit. Rikas Gesichtsausdruck veränderte sich schließlich von fröhlich lächelnd zu einem bösen Grinsen. "Tut mir leid, Mr. Kaiba, aber ich denke doch, dass es sich hierbei um eine überaus private Angelegenheit handelt. Wenn sie uns entschuldigen würden meine Herren. Ich muss mit Robin unter vier Augen sprechen!" Genauso wie Mokuba ließ sie Kaiba keine Zeit noch irgendetwas einzuwenden. Mit einem Ruck trampelte ich hinter ihr her. Ich schaffte es gerade noch Mokuba einen entschuldigenden Blick zu zuwerfen. Ich hoffte Kaiba würde Mokuba erklären worum es ging. Ich wünschte mir mittlerweile, dass Mokuba alles wusste. Er bedeutete mir so viel. Ja, so viel wie Rika mir bedeutete. Doch sollte ich ihr erzählen was ich getan hatte? Was ich wusste? Und was hatte Kaiba überhaupt damit gemeint, es würde um Steve gehen? Steve war tot. Da gab es nichts mehr zu zusagen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)