Son of Ra von Autumn (YamixBakura) ================================================================================ Kapitel 7: Die Schriftrolle von Kul Elna ---------------------------------------- So, weiter geht's! ^______^ Ein dicker Gruß und ein dickes Dankeschön an YaKuRaMi und LOL-Girl, weil sie mir immer brav Kommis schreiben! *YaKuRaMi knuddel* *LOL-Girl knuddel* Hier ist also das neue Kapitel! Viel Spaß! Kapitel 7: Die Schriftrolle von Kul Elna ~~ Du siehst besorgt aus, Tochter. ~~ Der Gott der Götter, der Herr der Sonne, Ra, schritt von seinem Thron herunter und trat zu seiner Tochter Maat hinaus auf den Balkon des himmlischen Palastes, von wo aus man die Erde beobachten konnte. Sie hatte die Arme verschränkt und stieß einen tiefen Seufzer aus. ~~ Vater....habe ich falsch gehandelt? War es nicht recht von mir, meinen menschlichen Bruder und meinen fehlgeleiteten Schüler zu dieser Zusammenarbeit zu zwingen? Die Gefühle, die sie verbinden, sind widersprüchlich und intensiv....Vielleicht schaden sie ihrer Mission viel mehr, als dass sie ihnen nützen. Vielleicht wäre es besser gewesen, den Pharao alleine loszuschicken. Ich mache mir Vorwürfe. ~~ ~~ Dazu hast du keinen Grund. Ohne Aton stünde es schlechter um meinen menschlichen Sohn und Nachkommen, und das weiß er auch. Der Dieb kann ihm eine wertvolle Hilfe sein....außerdem hat er ein Recht darauf, zu erfahren, wer er wirklich ist. Er hätte nie ein Grabräuber werden sollen und wir sind es ihm schuldig, ihn über seinen wahren Weg aufzuklären....Er gehört an Atemus Seite, auch wenn er keine Ahnung davon hat. ~~ ~~ Was empfindet er für Atemu, was meint Ihr? ~~ ~~ Oh, ich weiß es sehr genau....aber ich werde mich hüten, es dir zu verraten, Tochter. Du musst es selbst erkennen lernen....ebenso wie die beiden. ~~ ~~ Ihr prüft mich, Vater? ~~ ~~ Ja. ~~ Yami und Bakura standen sich gegenüber und visierten sich an wie zwei kampfbereite Kobras. Dennoch loderte in ihren glühenden Augen neben dem Hass und der Wut zugleich die Flamme eines herrischen, aber ebenso leidenschaftlichen Verlangens, das ihre nackten Körper wie Magnete zusammenzuziehen schien. Der Grabräuber leckte sich begierig über die Lippen, auf einmal von dem Wunsch beseelt, die Weichheit dieses königlichen Mundes zu erproben. Ob er so sinnlich, so verheißungsvoll, so köstlich war wie er aussah? Seine Hände legten sich auf die makellosen Schultern und sein Kopf neigte sich dem anderen zu. Den Pharao durchströmte eine nie gekannte Hitze, als er bergriffen hatte, was sein Gegenüber plante. Der rationale Teil seines Verstandes befahl ihm energisch, den Kerl auf der Stelle mit einem Kinnhaken in die Realität zurückzubefördern, aber der gefühlsgesteuerte Teil sagte ihm etwas ganz anderes....In seinem innersten Kern erkannte der Bunthaarige, dass er wissen wollte, wie die Küsse dieses stolzen Bastards vor ihm schmecken mochten, wie es sein würde, diese starken Arme besitzergreifend um sich geschlungen zu spüren....Der Dieb kam immer näher, sein warmer Atem streifte seine entblößte Perlenhaut. Gebieterisch hob Bakura das Gesicht des einstigen Regenten an, starrte in diese funkelnden Amethyste und überbrückte die letzten Zentimeter. Ihre Lippen trafen sich und beiden schoss fast in derselben Sekunde eine Art Blitz durch die Körper; ein mächtiger Strom aus Sehnsucht, Begehren und Hingabe. Die Berührung brauste gegen die Ketten an, die jeder von ihnen um sein Herz geschmiedet hatte, um seine Einsamkeit und seine Verzweiflung zu vergessen und ihrer Herr zu werden. Sie donnerte an gegen verhärteten Hass, gegen Verbitterung, gegen Schmerz, gegen aufgestaute Tränen, gegen halsbrecherischen Stolz und Sturheit. Aber diese Ketten, die zwei unglückliche Herzen gefangenhielten, waren im Laufe von fünftausend Jahren entstanden - eine einzige Zärtlichkeit konnte diesen Kampf nicht gewinnen. Yami stieß in plötzlichem Ekel den Weißhaarigen zurück und dieser würgte und spuckte, als hätte er gerade eine schleimige Raupe geküsst. Hastig streifte sich der König seine Kleider über, schnallte sich seinen Dolch um und warf dem anderen seine Klamotten zu. "Zieh dir was an, damit ich deinen Anblick nicht noch länger ertragen muss!! Und wenn du so eine beschissene Nummer wie gerade vorhin nochmal bringst, schneide ich dir den Kopf ab!!" "Nicht, wenn ich dir vorher die Kehle aufschlitze und deine inneren Organe zum Trocknen im Wüstenwind aufhänge!!!" "Halt die Klappe, du verfluchter Mistkerl!!" "Verreck doch endlich, du Missgeburt!!" Und alles war wieder beim alten....nein. Beim alten war gewiss nichts mehr. Auch wenn es kein richtiger Kuss gewesen war, er hatte die Kontrahenten mit der erschreckenden Erkenntnis konfrontiert, dass sich etwas zwischen ihnen veränderte - und dass es eine tiefgreifende Veränderung war, über die keiner von ihnen auch nur annähernd nachdenken wollte. Bakura schlüpfte in seine Shorts und seine Jeans und zog sich das geringelte Hemd über die Schultern. Seine Finger fuhren die Konturen seines Mundes nach, auf dem noch immer ein sexuelles Brennen verblieben war, und er schluckte schwer. Oh Ra, das war so....so grauenhaft, so furchtbar....GUT....gewesen....Die Lippen des Pharaos waren so voll, so sanft, so betörend.... Einen derben Fluch ausstoßend, schnappte er sich den Beduinenmantel, wickelte sich darin ein, legte sich nieder und wandte Yami demonstrativ den Rücken zu. Der Meisterduellant hätte protestieren müssen, weil sein Rivale schon wieder ihre gemeinsame Decke für sich allein beanspruchte, aber im Moment traute er seiner Widerstandsfähigkeit nicht recht. Er streckte Bakura die Zunge heraus und stapfte davon, zu einer kleinen Felsformation, die in der Nähe der Oase aufragte und einen netten Aussichtspunkt abgab. Der Pharao kletterte hinauf und betrachtete stumm die nächtliche Landschaft um sich herum. Trotz der unfreundlichen Temperaturen war es ein Bild von ewiger und natürlicher Schönheit und Harmonie; der weite, scheinbar endlose schwarze Himmel mit den hellen, glitzernden Edelsteinen der Sterne, die sich darüber ausbreiteten wie über einen Teppich, die sanften Silhouetten der Hügel und Dünen, die Melodie des Wüstenwindes, der über den Sand strich und ihn zum Tanzen einlud - all das vermittelte Yami zum ersten Mal ein Gefühl der Heimat. Domino City verdiente diese Bezeichnung nicht, denn auch wenn er im 21. Jahrhundert leben konnte, es war nicht seine Zeit, nicht der Ort seiner Geburt, nichts, was wirklich zu dem Mann gehörte, der er einst gewesen war. Heimat, zu diesem Begriff zählten für ihn Dinge wie Sonne, Mittagshitze, Tempel, priesterliche Gesänge, der Glaube an die Götter, buntes Gewimmel in den Basaren, der Anblick der Pyramiden und der Sphinx....Ägypten war das Land, mit dem er in der Tiefe seines Herzens eine Verbindung spürte, die von Domino City nicht ausging. Ägypten, dieses Wort schmeckte nach Vertrautem, nach Vergangenheit, nach seinem wahren Ich, nach Familie....Ja. Ägypten war das Land. Sein Land. Und der einzige, der seine Sehnsucht nach Heimat verstehen konnte, weil er sie vermutlich ebenso empfand, war.... ....Bakura. Der ehemalige König umklammerte seine Knie mit den Armen und ließ seine Augen weiter über seine Umgebung schweifen. Die Worte des Diebes hallten in seinem Inneren wider: "Du bist genauso ein Mistkerl wie dein verachtenswerter Vater, der meine Heimat ausgelöscht hat, nur um die verdammten Millenniumsgegenstände zu erschaffen!! Ein schöner Herrscher, der unschuldige Menschen ermordet, bloß um seine Macht zu vergrößern!!!" - "Natürlich glaubst du mir nicht!!! Wie solltest du auch, du bist ja der festen Überzeugung, dass du aus einer hochwohlgeborenen, ach so edlen Familie stammst, die über jeden Zweifel erhaben ist!! Aber das ist nicht der Fall, das verspreche ich dir!! Dein Vater hat meine Existenz vernichtet, meine Kindheit, meine Familie, mein Leben!!! Ich war dabei - ich habe gesehen, wie die Soldaten des Pharaos meine Nachbarn abschlachteten, die Häuser in Brand steckten und mein Dorf dem Erdboden gleichmachten!! Ich war damals acht Jahre alt und musste miterleben, wie das Blut meiner Eltern und meiner Freunde im Sand versickerte!!! Ich hatte einen Grund, deinen Vater zu hassen....dich zu hassen!!! Es war mein Recht, Rache zu nehmen!!!" Ich war DABEI. Ich habe GESEHEN, wie die Soldaten des Pharaos meine Nachbarn abschlachteten, die Häuser in Brand steckten und mein Dorf dem Erdboden gleichmachten. Ich hatte einen GRUND, deinen Vater zu hassen. Es war mein RECHT, Rache zu nehmen. Ich war dabei.... Ich habe es gesehen.... Ich hatte einen Grund.... Es war mein Recht.... Yami vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Je länger er diese Worte in Gedanken wiederholte, umso klarer wurde ihm bewusst, wie viele Gefühle der Grabräuber in sie hineingelegt hatte. Zwar hatte er sie so bissig und hart ausgesprochen wie alles, was er sagte, aber jetzt erkannte er, was die tatsächliche Botschaft dahinter war - diese Worte trugen Schmerz und Verzweiflung in sich, Angst, Zorn, ungeweinte Tränen, seelische Qualen....Ein untrügliches Zeichen für ihre Wahrhaftigkeit. Der Bandit hatte nicht gelogen. >>Soll das heißen, dass es wirklich mein Vater war?! Dass er für diese Gräueltaten verantwortlich ist?! Dass ich von einem grausamen Tyrannen abstamme?! Nein, ich will das nicht glauben!! Seit ich denken kann, wollte ich nie etwas anderes, als meine Vergangenheit zu ergründen, herausfinden, wer ich bin. Aber....wenn die Wahrheit mich erschrecken würde? Was, wenn ich eine Natur meiner Selbst entdecken würde, die ich nie akzeptieren könnte?! Sollte ich es deshalb nicht gerade wissen?! Aber ich fürchte mich davor! Könnte ich einem Ich in die Augen sehen, das sich als unfähiger König erweist, der sein Volk knechtet? War wirklich mein Vater der Schuldige für das Massaker, das Bakuras Herz zerrissen hat?<< Ein Licht erstrahlte vor ihm und der Bunthaarige sprang auf. Es war Maat, die ihn mit einem traurigen Lächeln bedachte. ~~ Ich habe Euren Kummer und Eure Ratlosigkeit gespürt, mein Bruder auf Erden. Wenn Ihr nach Antworten verlangt, so will ich Euch einige geben. Ich schenke Euch das hier - aber es ist an Euch, dieses Geschenk zu beanspruchen. ~~ Sie reichte ihm eine alte Pergamentrolle, die mit einer seidig glänzenden Kordel verschlossen war. Ein Siegel baumelte daran und als Yami es genauer betrachtete, fiel ihm die Hieroglyphe für "königlich" auf. Die anderen konnte er nicht konkret zuordnen, aber bei dieser war er sich sicher über deren Bedeutung. "Was....was ist das?" ~~ Diese Schriftrolle stammt aus der Königlichen Bibliothek des Palastes....Eures Palastes selbstverständlich. Man verwahrte sie einst in der ,Verbotenen Abteilung'. ~~ "In....der ,Verbotenen Abteilung'? So etwas gab es?" ~~ Ja. Sie diente zur Aufbewahrung von Schriftstücken, die den Hof nichts angingen. ~~ "Oder die ihn nichts anzugehen hatten, richtig? Wovon....erzählt diese Schriftrolle?" ~~ Sie erzählt die Geschichte von Kul Elna, jenem Dorf, das vernichtet wurde, um mit den Seelen der Verstorbenen die Millenniumsgegenstände zu erschaffen. ~~ "Was?!" ~~ Sohn des Ra, dieses Pergament wurde mit einem Zauber versehen, damit kein Außenstehender je die Wahrheit über die sieben Heiligen Schätze des Königreiches erfahren sollte. Ihr jedoch, der Ihr wie alle Mitglieder des Herrscherhauses einen Funken der göttlichen Kraft meines Vaters in Euch tragt, seid in der Lage, Euch die Geschichte auf diesem Papier zugänglich zu machen! Es steht Euch frei, sie mir ungeöffnet zurückzugeben....oder die Antworten zu erhalten, die Ihr Euch wünscht - zumindest ein paar von ihnen. ~~ Der Meisterduellant zögerte. Es stimmte also, dass das Dorf des Grabräubers ausgelöscht worden war, um die Millenniumsartefakte zu kreieren?! Er umfasste das Schriftstück und flüsterte: "Selbst wenn ich die Wahrheit nicht ertragen kann....ich muss es wissen!" Bakura lag, noch immer schmollend, in den Mantel gehüllt am Boden, wütend auf den Pharao und auf sich selbst, da er sich hatte gehen lassen. Schließlich richtete er sich mürrisch auf. "Also, Yami, ich....he?!" Er sah sich um und merkte, dass der Grund seines Gefühlschaos' verschwunden war. Doch in geringer Entfernung, auf einem kleinen Felsplateau, entdeckte er die schlanke Gestalt des Monarchen, mit irgendetwas Länglichem in der Hand, das ein gleißendes Licht ausstrahlte. Neben ihm konnte er die schöne Erscheinung der Göttin Maat erkennen. Was machte die hier? Er raffte sich auf und näherte sich dieser seltsamen nächtlichen Zusammenkunft. Der Bunthaarige war damit beschäftigt, das magische Siegel zu lösen, und auf seiner Stirn war das Udjat-Auge aufgetaucht. Noch nie zuvor hatte er ohne das Millenniumspuzzle Gebrauch von seiner Kraft gemacht, und umso erstaunter war er, als er feststellte, dass das Artefakt offenbar nur als Mittler einer Magie fungiert hatte, die ihm längst innewohnte. Endlich sprang das Siegel auf und ein Beben erschütterte die Umgebung. Der Grabräuber stürzte und wollte dem Pharao schon etwas Unflätiges an den Kopf werfen, als er registrierte, wie sich die Landschaft um ihn herum veränderte. Lehmhäuser standen auf einmal dort, wo vorher nichts als Sand gewesen war, er hörte die Stimmen von Menschen und die Geräusche von Tieren in ihren Pferchen. Ein kleiner Junge von ca. acht Jahren schleppte einen Wassereimer zu einer Frau hinüber, die gerade eine Ziege melkte. Yami war von der Anhöhe heruntergeklettert und beobachtete das Geschehen. Noch war ihm Bakuras Anwesenheit nicht aufgefallen, da seine Sinne im Moment von der Vision beansprucht wurden. "Mutter, ich habe das Wasser geholt!" Die Frau mit dem langen silbernen Haar wandte sich um und lächelte ihren eifrigen Sohn herzlich an. "Vielen Dank, Aton. Dann schütte es in den Zuber und wasche dich." "Ich will mich nicht waschen! Schmutzig zu sein ist schöner!" Seine Mutter lachte und wuschelte dem Kind zärtlich durch die ebenfalls silbernen Haare. "Bald findet ein besonderes Ereignis statt. Dazu musst du rein und ordentlich sein, verstehst du? Du kannst unserem Herrscher doch nicht von oben bis unten dreckig unter die Augen treten!" "Ich werde den Pharao treffen? Warum? Weshalb sollte er arme Leute wie uns empfangen?" "Wenn es soweit ist, werde ich dir die Wahrheit offenbaren, mein Sohn. Und jetzt geh dich waschen." Aton nickte und stapfte in eines der Lehmhäuser. "Das....dieses Kind....das ist....Bakura, nicht wahr?" ~~ Richtig, mein König. Das ist Euer Erzfeind, bevor Hass, Rache, Verbitterung und Einsamkeit ihn von dem sorglosen, lieben Kind in einen harten, unversöhnlichen Mann verwandelten, für den nur noch Vergeltung und der eigene Vorteil zählten. ~~ "Von welchem Ereignis spricht seine Mutter? Kennt sie den Pharao tatsächlich?" ~~ Sie....sie starb, ehe sie ihrem Sohn die Wahrheit sagen konnte. Beobachtet weiter....wenn Ihr bereit seid, der Grausamkeit die Stirn zu bieten! ~~ Der Dieb war indessen unfähig, sich zu rühren. Seine Augen sogen sich an dem Frauenantlitz fest und ein warmes, wundervolles Gefühl durchströmte sein Herz. Er erinnerte sich klar und deutlich an dieses Gesicht mit dem herrlichen Lächeln und den sanften, fürsorglichen Augen in sattem Grün, die ihm stets mit Liebe begegnet waren....das war sie, Meret, seine Mutter!! Er verspürte den starken Drang, auf sie zuzulaufen und sich in ihre Arme zu werfen, aus denen das Schicksal ihn viel zu früh fortgerissen hatte. Aber er wusste, dass das hier lediglich ein Bild der Vergangenheit war, nicht die Realität. Es wurde dunkel über Kul Elna, und die Szenerie wechselte zu der jener schrecklichen Nacht, die den Grabräuber noch jahrelang danach in Alpträumen verfolgte. Berittene Truppen stürmten das Dorf und die Soldaten, bewaffnet bis an die Zähne, schwärmten aus, zündeten die strohgedeckten Dächer an und töteten, was ihnen vor die Schwertklingen kam. Yami sah entsetzt zu, fassungslos, ungläubig; vor seinen Augen verdichteten sich Feuer, Blut, Schreie und Zerstörung zu einem grässlichen Massaker. Krieger, die wehrlose Frauen umbrachten, unschuldigen Kindern die Kehlen durchschnitten und den Männern feige von hinten den Lebensfaden durchtrennten. Ein Reiter kam heran, in kostbare Gewänder gekleidet und mit Goldschmuck ausgestattet. Dem einstigen König stockte der Atem. War das....der Pharao? "Eure Arbeit hier ist beendet, Männer!" verkündete er. "Wir haben die schlechten Seelen dieser Menschen geopfert, um die sieben Gegenstände zu erschaffen, die unsere Feinde besiegen werden! Ich bin zufrieden mit euch!" "Wer ist das?" Er brachte die Frage kaum über die Lippen. "Ist das....mein....Vater....?" ~~ Nein. ~~ Bakura, gebannt von der Wiederholung des Ereignisses, das er seit damals tief in die Abgründe seines Herzens gesperrt hatte, zuckte zusammen, als er das hörte. Nein. Wie ein Echo klang dieses eine Wort in seinen Ohren. Wie konnte das sein?! Das war der Mann, den er gesehen hatte!! Aber er war NICHT der Pharao?! Das war doch unmöglich!! ~~ Das ist Akunadin, der jüngere Bruder von Pharao Akunumkanon. Er hat Kul Elna angegriffen, ohne seinem Bruder etwas davon zu erzählen. ~~ "Dann....ist mein Vater....nicht dafür verantwortlich?" Der Bunthaarige kämpfte mit den Tränen der Erleichterung, überwältigt von den Eindrücken, die er gewonnen hatte. Der Gedanke, dass es nicht sein Vater gewesen war, der diese Grausamkeiten befohlen hatte, nahm eine schwere Last von seinen Schultern. Dennoch....sein Onkel....war schuldig.... "Aber....warum hat Akunadin das getan? Was meinte er mit den ,schlechten Seelen'?" Er erhielt keine Antwort, jedenfalls nicht sofort, denn in dieser Sekunde, als die Soldaten wieder abzogen, arbeitete sich unter den Trümmern eines Hauses eine kleine Gestalt hervor. Es war Aton. Sein Kindergesicht war tränenüberströmt und seine rechte Wange war von einer übel blutenden, hässlichen Wunde entstellt, die später zu der kreuzförmigen Narbe werden würde, wie ein Mahnmal an diese Nacht, damit er sie niemals vergessen sollte. Der Junge blickte zu dem nunmehr leblosen Körper hinüber, der sich vor ihn geworfen hatte, um ihn zu schützen. Merets Haar war zerzaust, ihre Knochen von den Gesteinsbrocken zerschmettert. Ihr Sohn kniete sich hin, streichelte sie und würgte zwischen seinen Schluchzern hervor: "Mutter....sag doch etwas....Mutter....? MUTTER!!!" Die Tränen rannen unaufhaltsam fort, vermischten sich mit dem Blut und tropften auf das fleckige Gewand des Kindes, um das kleine, heimatlose Geschöpf herum nichts als Trümmer, Rauchschwaden und Leichen. Yami, der trotz seiner Arroganz und seiner Sturheit ein mitfühlendes Herz besass, dem Kummer und Verzweiflung nicht fremd waren, näherte sich Aton und wollte ihn umarmen, um ihn zu trösten; ein plötzlicher Impuls, der zu stark war, um ihn einfach zu ignorieren. Doch seine Hände griffen ins Leere, denn es handelte sich ja nur um eine Illusion. "Warum....musste....das passieren?!" presste er hervor und sein Widersacher, der alles mit verfolgt hatte, schluckte schwer. Kein Mitleid....sondern Mitgefühl?! Der verdammte Pharao war in der Lage dazu?! "Glaubst du mir jetzt?" zischte er, aber der Äußerung fehlte die beabsichtigte Schärfe. Der ehemalige Regent Ägyptens drehte sich um, gewahrte bestürzt den Banditen, der ihn abweisend musterte. "Du hast alles gesehen?" "Was ist das für eine lächerliche Frage?! Das sind die Bilder, die mich Zeit meines Lebens gejagt haben! Diesen Mann....ich habe ihn für den Pharao gehalten. Unter den Trümmern hat mich niemand bemerkt, aber ich habe sie beobachtet, diese....diese Schlächter! Und auch wenn er nicht dein Vater war, ändert das nichts, denn die Schuld lastet auf deiner Familie! Bist du stolz darauf, dass dein Onkel die Macht eurer Herrschaft mit dieser Gräueltat erkauft hat?! Präge dir das alles nur gut ein, Pharao, damit du endlich weißt, weshalb ich dich vernichten wollte!! Das ist es, was das Königtum mir hinterlassen hat!!" Die Vision verschwamm und löste sich auf. Sie kehrte in die Schriftrolle zurück und Maat nahm sie an sich. ~~ Du irrst dich, mein fehlgeleiteter Schüler. Zwar war es Akunadins Körper, der hier war, war es seine Stimme, welche die furchtbaren Befehle gab....aber es war nicht sein Wille. Jemand anderer hat ihn gesteuert. Jemand, dem es einzig darum ging, dein Leben auszulöschen - leider ist es ihm nicht geglückt, denn ich habe meine schützende Hand über dich gehalten. Meret, deine Mutter, bat mich kurz vor ihrem Tod, weiterhin über dich zu wachen, welchen Weg du auch einschlagen würdest....und ich versprach es ihr. ~~ "Was....was redet Ihr da?!" ~~ Wenn du die Wahrheit erfahren willst, bereit bist, sie mit deinem Herzen zu ergründen, werde ich dir....nein, euch beiden....die ganze Geschichte erzählen. Ich gebe euch bis zum Morgengrauen Bedenkzeit. Lehnt ihr mein Angebot ab, soll es so sein. Wenn nicht....~~ Sie verschwand in einem Lichtstrahl und ließ zwei sehr verwirrte und irritierte Männer zurück. Yami war unsicher, welche Meinung er sich nun über den anderen bilden sollte, denn das, was er eben erlebt hatte, hatte ihn zumindest ansatzweise begreifen lassen, welcher Schmerz und welche Trauer die Seele dieses Mannes gepeinigt haben mussten. Der Weißhaarige wirkte zermürbt und seltsam erschöpft, ein leichtes Zittern hatte ihn gepackt. "Ba....Bakura....?" Er schritt auf ihn zu, streckte eine Hand aus, doch bevor sie den Dieb berühren konnte, schlug er sie grob zur Seite. "Ich warne dich: Fass mich nicht an, verstanden!?! Dein falsches Mitleid kannst du dir sparen, Pharao!!" Er spuckte aus und lief zu ihrem Lagerplatz zurück, wo er sich den Mantel schnappte, das Pferd sattelte und in die Dunkelheit davon preschte. "Verflucht, bleib hier, du Narr!! Sei kein Dummkopf, alleine hast du da draußen keine Chance!!" So schnell ihn seine Beine trugen, rannte er hinter dem Flüchtigen her und bekam um Haaresbreite dessen Fußgelenk zu fassen. Er zog mit aller Kraft, der Grabräuber geriet aus dem Gleichgewicht und rutschte vom Pferderücken herunter. "Was fällt dir ein?! Nimm deine dreckigen Griffel von mir!!" "Erst, wenn du wieder zur Vernunft gekommen bist, Dieb!! Maat hat gesagt, dass sie uns alles erzählen wird, wenn wir uns für die Wahrheit entscheiden sollten! Außerdem hege ich kein Mitleid für dich, du Idiot! Du bist nicht jemand, den man bemitleidet, denn so unschuldig du damals gewesen bist, deine Taten als Mann waren immer und zu hundert Prozent deine eigenen! Ich empfinde Mitgefühl....für das Kind, das du einst gewesen bist, weil man diesem Kind alles genommen hat, was es liebte! Aber dich bemitleiden....? Niemals!" Sie lagen im Sand, der Meisterduellant zuunterst, der Bandit über ihm. Sie sahen einander in die Augen, dunkle Topase trafen auf leuchtende Amethyste. Bakura spürte eine unbekannte Macht, ein neue, eigentümliche Emotion in sich aufwallen, die er nicht einordnen konnte. Das adelige Antlitz betrachtete ihn stumm, seine Züge schienen wie gemeißelt zu sein, die edlen, makellosen Züge einer Statue, hinter denen sich ein Wesen von eiserner Willenskraft und glutvoller Leidenschaft verbarg. >>Warum zwingst du mich in solch eine Situation, oh Ra?! Was versprichst du dir bloß davon?! Schönheit, Härte, Stolz, innere Stärke, Mut, Furchtlosigkeit....all das sind Dinge, die ich an einem Mann schätze! Aber warum gerade er?! Warum muss es ausgerechnet dieser verwünschte Pharao sein?! Warum....muss er derjenige sein....den ich begehre....?!<< >>Boshaft, brutal, hinterlistig, ja, das bist du....aber du hast tatsächlich ein Herz. Ein Herz, das man misshandelt und dem man wehgetan hat. Wenn man dich innerlich nicht so geschunden hätte, was wäre dann wohl für ein Mann aus dir geworden? Du verfügst über hohe Intelligenz, Schlagfertigkeit, Stolz, Kampfgeist, Härte....Eigenschaften, die ich durchaus schätze. Und du bist schön, Bakura....anziehend....begehrenswert....Oh Ra, warum er?!<< Noch immer konnten sie ihre Blicke nicht voneinander lösen. So bemerkten sie auch nicht, dass eine Schlange durch den Sand kroch, eine Kobra, um genau zu sein. Eines ihrer Augen war von einer Narbe gezeichnet, das andere schimmerte blutrot und unheimlich in der Finsternis. Apophis. Fortsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)