Nur ein Spiel von Faylen7 ================================================================================ Prolog: -------- Prolog Sie kniete nieder, fasste in das weiche Gras, das sich einzigartig in der hylianischen Steppe nach oben reckte. Es wehte leicht im Wind. ,Wie immer‘, dachte sie, auch wenn sie wusste, dass selbst der Wind hier bald nicht mehr wehen würde. Hier im alten Hyrule, in einer vertrauten Vergangenheit, die nicht sein sollte. Sie fühlte den kalten, staubigen Erdbeben, aus dem langsam, fast unmerklich, das Leben sickerte. Es begann… Sie verschränkte ihre Arme vor sich und berührte sachte den samtenen Stoff ihrer blassrosa Handschuhe. Ein wenig kühl. Ja, in Hyrules Steppe schien immer ein kühler Wind zu wehen, selbst dann, wenn die heiße, feuerrote Sommersonne am Himmel stand. Langsam schloss sie ihre Augen, in denen einsame Tränen schimmerten. Der Wind streichelte ihre blonden Haare, die stets gepflegt aussahen. Einige goldene Strähnen wurden verspielt vom Wind aufgewirbelt. Sie nahm ihre aus teuerstem Stoff bestehende Handschuhe ab, warf sie wie etwas unnützes beiseite, griff sich in die blonden Strähnen und zerrte wie wild geworden ihre goldenen Spangen heraus, warf die reichlich verzierte Tiara ab. Kein gepflegtes Antlitz mehr- wozu auch! Sie stand mit geballten Fäusten auf, schaute nostalgisch in das stumme Tal vor ihren Augen. Der Weg, auf dem einst zahlreiche Händler unterwegs waren, um in der Stadt vor dem Schloss ihre Waren anzubieten, war nun leer und lag wie eine dunkle Blutader zwischen den grünen Hügeln. Sie blickte in Richtung Osten, wo sich eine lange Kette von kräftigen, stämmigen Bäumen von der Landschaft emporhob, dann in Richtung Westen zu der sich nähernden Wüste mit ihren sandigen Stürmen, um möglichst viel von diesem Bild in sich aufzunehmen, denn es würde eines der letzten Male sein, dass sie dazu die Gelegenheit hatte. Im Hintergrund ragten stolz die mächtigen Todesberge empor, eingehüllt von rauchigen Gewitterwolken. Doch dieses Bild, so wahnsinnig schön und bewundernswert, es würde in wenigen Stunden nicht mehr sein. Wie in Trance breitete sie ihre Arme aus, stellte sich vor zu fliegen, sich in einen königlichen, starken Adler zu verwandeln, der über der Welt hinweg schwebte, alles erblickte sein Auge und sein Ruf nach Freiheit, so mächtig, könnte von den Völkern gehört werden. Sie wünschte sich, sie könnte nur einmal so anmutig sein wie ein Adler oder ein Falke, so stark, nur für diese Welt, die sie hätte retten müssen. Sie hätte dieses Land, welches sie so sehr liebte, beschützen müssen. Warum nur war jetzt doch die letzte Stunde gekommen? Die letzten Minuten Hyrules? Ihre Augen, himmelblau und klar, blickten zum Himmel herauf, sahen, wie dunkle Wolkenschleier vorüberzogen, sahen am Horizont die Sonne herabsinken. Es tat unheimlich weh, der Schmerz wühlte ihr Inneres auf, alte Bilder eines Himmels, der aussah wie erstarrtes Blut, drangen in ihren Geist. Geistesgegenwärtig sagte sie: „Es war immer seine Schuld gewesen… und nun hat er im letzten Augenblick doch noch seinen Willen erhalten, sein Verlangen gestillt. Sein Wunsch Hyrule zu besitzen, seine Gier über es zu herrschen… und ich, ohnmächtig konnte ich nur zu sehen.“ Gedankenloser Hass stieg in ihr auf. Schäumende Wut kochte in ihrem Inneren und floss das königliche Blut in ihren Adern entlang, bis hin zu ihren porzellanfarbigen Händen. Die Macht, um die sie nie gebeten hatte, löste sich von ihr und stieg in Richtung des weiten Himmels. „Seht her, Ihr Götter. Ist das wirklich gerecht? Ich sollte einen Teil der heiligen Macht tragen, und trage ihn noch- auch wenn Hyrule bald nicht mehr ist. Ist das fair! Sagt es mir!“ Plötzlich schrie sie verzweifelt: „Das ist einfach nicht fair!“ Sie hatte immer nur an dieses Land gedacht, jede Minute ihres Lebens damit verbracht, an Hyrules Sicherheit zu denken. Wenn die Sonne schien, studierte sie Bücher, beschäftigte sich mit Magie und in der Nacht, weder geschlafen noch gewacht, hatte sie sich vor den Schatten in der Dunkelheit verkrochen. Sie unternahm alles in ihrer Macht stehende nur für Hyrule, ganz allein für Hyrule, hatte Gefühle geleugnet, Ängste versucht zu unterdrücken… alles für diese Welt. Und nun war sie gezwungen wegzulaufen, wie ein verfluchter Feigling, der sie niemals sein wollte. Das Triforcefragment der Weisheit stieg wieder herab und drang wie ein Stück glühendes Stück Metall in ihren rechten Handrücken hinein, jedoch ebenso wenig mit Schmerz, wie mit der Empfindung einer liebevollen Berührung. Dann hörte sie jemanden hinter sich leise durch das Gras wandeln. So sehr er sich auch bemühte, sie hörte seine kastanienbraunen Lederstiefel, als er näher trat. Sie blickte zur Seite, wollte schon den Mund öffnen um etwas zu sagen, aber dann, war sie einfach nicht mehr dazu in der Lage. Ein Gefühl der Leere, des Selbstzweifels, der Unfähigkeit lähmte sie und nahm ihr die Stimme. Die Person hinter ihr legte einfühlsam die Hände auf ihre Schultern. Mit sanfter Stimme sagte er: „Zelda. Es ist Zeit.“ Selten hatte sie ihn so gefühlvoll reden hören, der Klang seiner angenehmen, tiefgehenden Stimme beruhigte sie ein wenig. Ihre Wut flaute ab, aber der Schmerz in ihrer Seele wollte einfach nicht vergehen, sie fühlte sich jenen traurigen Gefühlen ausgeliefert und fand sich damit ab. Auch wenn er jedes Übel, jede Gefahr von ihr fernhalten konnte, jene Empfindungen konnte selbst er nicht stoppen. Die Prinzessin des Landes drehte sich langsam um und schaute mit traurigen Augen in das tiefe dunkelblau von seinen. Diese Augen gaben ihr immer mehr als einfach nur einen Halt, mehr als nur Mut und mehr als das Gefühl gebraucht zu werden. Es war sein Blick, der ihr immer Hoffnung schenkte. Aber heute, hier und jetzt, in diesem Augenblick… Er zog sie fester an sich und umarmte sie so liebevoll, wie er noch nie jemanden umarmt hatte. Erst jetzt fiel Zelda auf, dass auch er innerlich zerrissen war, auch er wollte diese Welt nicht verlassen, er hätte jeden Kampf für Hyrule auf sich genommen. Das wusste sie, und hatte es niemals anzweifeln können. „Link“, sagte sie vorsichtig und leise. Er antwortete nicht, sondern streichelte mit einer Hand ihren Rücken. Zelda weinte, wollte es aber verbergen und schaute an seiner Schulter zur Seite. Sicherlich, es war dumm von ihr gerade vor Link ihre Tränen zu verbergen, sie wusste doch, dass sie vor ihm nichts verbergen konnte und doch… Sie wollte nur einmal stark genug sein, für sie beide. Aber im Gegensatz zu dem Helden der Zeit weinte Zelda noch aus einem anderen Grund, von dem Link noch nichts wusste… Link und Zelda blieben noch lange auf jenem Hügel Arm in Arm stehen, bis die Sonne endgültig untergegangen war. Mit einem letzten Glühen, einem allerletzten Hauch feuerroter Lichtstrahlen ging sie unter. Der Heroe nahm Zeldas bildhübsches Gesicht in seine warmen Hände und murmelte verträumt: „Irgendwann…“ Doch er hielt inne, als er in den himmelblauen Augen der Königstochter etwas entdeckte, dass ihm sagte, er müsse erneut von ihr Abschied nehmen. Er spürte Machtlosigkeit, als seine Prinzessin ihm diesen Blick entgegenwarf. Gerade da ahnte er, was sie vorhatte. Zelda löste sich von ihm und blickte zu Boden. Dann begann sie unweigerlich erneut zu weinen. „Bitte, verzeih mir, aber ich habe keine andere Wahl. Ich kann nicht mit dem hylianischen Land leben und nicht ohne es.“ Sie hatte tatsächlich vor hier zu bleiben und mit Hyrule unterzugehen. „Und ich kann nicht ohne dich leben…“, flüsterte Link und gab das erste Mal zu, was er für den Menschen, der ihm gegenüberstand empfand. Zelda sah ihn ein letztes Mal an, versuchte zu lächeln und drehte sich dann um, lief in Richtung des Tales, erst in langsamen Schritten, dann schneller, bis sie schließlich rannte. Der junge Mann blieb wie angewurzelt stehen. Ein letztes Mal streckte er seine Hand nach ihr aus, unterdrückte das Gefühl der Traurigkeit in seinem Herzen. Er fühlte sich, als hätte er gerade alles, was ihm kostbar und wichtig erschien verloren. Alles wofür er gekämpft hatte, war vergangen. Sein Herz begann sich zusammenzuziehen, und fühlte sich dann an, als würde es zerspringen- in viele kleine blutige Splitter… Die Prinzessin Hyrules war in seinen Augen nur noch ein kleiner Punkt inmitten auf der Steppe und wirkte so unerreichbar wie eh und je, so weit entfernt wie damals in der Zukunft, die vergessen wurde, in der alternativen Zeit, in welcher es keinen Helden mehr gab… „Zelda…“ Link ließ sich auf die Knie sinken und versuchte einen klaren Kopf zu bewahren. So durfte es nicht enden, nicht hier. Nein! Er hatte niemals aufgegeben und würde es in diesem Augenblick ebenso nicht. Selbst, wenn jede Magie aus Hyrule verschwunden war und die Mächte diese Welt verlassen hatten, selbst wenn sich das Schicksal ihm persönlich entgegenstellte und Hyrule unterging, er war immer noch er selbst. Der Held der Zeit sagte zu sich, als er aufstand: „Die Hoffnung stirbt als letzte. Wir werden uns wieder sehen, Zelda. Ich werde kämpfen, und der letzte Funken Hoffnung wird mich begleiten.“ Ein pulsierendblaues Licht umhüllte ihn und seine Seele wurde weit hinfort getragen, hinein in den Strudel des Vergessens, wo seine Erinnerungen versiegelt wurden, hinein in die Fängen einer anderen Zeit, einer anderen Welt, die irgendwo weit entfernt von Hyrule existierte, irgendwo zwischen dem Nirgendwo und der Wahrheit. So erging es jedem Geschöpf, welches in Hyrule lebte, jedem Kokiri, jedem Gorone, allen Zoras, allen Hylianern, jedem Gerudo und den letzten Überlebenden der Shiekah. Das Böse aber war nun endgültig gefangen in einer Welt, die nirgendwo mehr existierte, und doch da war; gefangen in einer Welt, in der keine Sonne mehr aufging, kein Mond und keine Sterne mehr am Himmel leuchten konnten. Hyrule war nun endgültig dem Nichts untertänig. Aber die Seelen jener Wesen, die einst hier lebten, ihr Zuhause liebten, würden eines Tages in einer Welt ohne Magie, einer Zukunft ohne das Böse, das sie fürchteten, von ihrer fernen Vergangenheit träumen, selbst, wenn sie nicht wussten, das Träume manchmal mehr waren als Bilder der Nacht. Und dann, wenn sie durch die Steppe wandeln würden, über das saftig grüne Gras laufen würden -in ihren Träumen- dann würden sie fühlen, dass etwas existierte, dass es einst eine Welt gab, von der Phantasie und Glauben herrührten, eine Welt, die man, selbst wenn man sie nur einmal sah, einfach lieben musste -ohne Umschweife- ohne Zweifel. Kapitel 1: Der Ruf ------------------ Kapitel 1: Der Ruf Es war mehr… Ein Gedanke an Geheimnisse, versteckt und wohlbehütet in dem Träger eines rechtschaffenen Herzen. Eine Geschichte. Ein Schicksal. Und eine Wahrheit. Eine Geschichte, die sich aus menschlichen Sehnsüchten speiste. Geboren für viele Gemüter, die sich nach dem Zauber einer anderen Welt sehnten und dem Leben mehr als nur eine unangemessene Sinnhaftigkeit zu sprachen. Ein Märchen bloß und doch einzigartig, unheimlich kostbar für jene Seelen, die nicht nur mit unsicheren, kindlichen Augen sehen würden. Es war am Leben… nur mit einem falschen, unwirklichen Gesicht. Vergessen vielleicht… Geschrieben nicht nur einmal. Und doch erzählte jene Geschichte über viele endende Träume, über grausame Kriege, über Liebende, die nie welche waren… Ein Schicksal, an welches so viele Ereignisse geknüpft waren, an welches so viele Unschuldige ihre Seele verkauft hatten. Das einzige Schicksal, welches zwei Personen, nicht immer gut, nicht immer rein, nicht immer hoffnungsvoll, als ihren Anker auf dem Meer der Zeit angenommen hatten, darauf vertraut hatten. Ein Vertrauen, welches Götter und Wissende enttäuschen mussten. Denn nichts folgte in einem selbstgerechten Teufelskreis, welchen jenes Schicksal anordnete. Nichts als gestorbene Sehnsüchte, Enttäuschungen und die Bitterkeit leerer Gesichter. Ein Kampf folgte immer in jenem Rad des Schicksals. Und die Wunden, die Toten, sowie die gebrochenen Herzen würden nie das erhalten, was ein verräterisches Schicksal wie jenes ihnen versprach. Dumme Ideale für etwas, das den Namen Schicksal nicht verdiente… Eine Wahrheit über zwei miteinander verbundene Seelen, die ihre Wünsche und Sehnsüchte für den Frieden aufgaben. Seelen, die an dem Weltengesetz zerbrachen… Es war so viel, aber immer mehr, als man fassen konnte. Jene Geschichte. Jener Kampf um das, was in vielen Augen die einzige Wahrheit sein sollte. Der Kampf um Macht… Und doch nur ein Gedanke eines Jugendlichen, der mit einem abgeknabberten Grashalm im Mund auf einer saftig grünen Wiese dem herzlosen Vorüberziehen weißer Wolkenfetzen zu sah. Ein Gedanke an etwas, was er vermisste, ersehnte und was doch… so nahm er an, sich niemals bewahrheiten sollte… Melancholie und Trübsinnigkeit lag versteckt in tiefblauen Augen eines jungen Mannes, der sich wünschte, er könnte die Zeit anhalten, jene einfrieren, für einen Moment am Rande dieser großen Wirklichkeit. Ein Wunsch getragen von einem außergewöhnlichen Jugendlichen, der in einer modernen, perfekten Welt niemals finden würde, was er suchte… Sein linker Arm wanderte in die Höhe als ein unnötiger Versuch, die Konturen eines weißen Wolkenschleiers nachzubilden, zu formen, zu verstehen. Der grenzenlose Himmel mit seiner wunderbaren blauen Farbe und seinen Tausenden Gesichtern. Was verbarg das Schicksal, wenn es dem Horizont diese vielen Gesichter gab und keines lange halten würde? Verbarg es Verrat? Hass? Oder das Unausweichliche. Der Gedanke an den Schlüssel der Welt, an eine Erinnerung, die ihn täuschte. Stille Zweifel auf einem ansehnlichen Gesicht verblassten leise, als der junge Mann auf seine Beine hüpfte und sich tapsend in das Haus seiner Familie begab. ,Wenn du deinem Schicksal nicht mehr vertrauen kannst, rufe mich’, sagte es in seinen Gedanken, als er den Riegel eines Gartentores verschloss. ‚Wenn dir das Unglaubliche begegnet und deine Sinne in Frage stellt, rufe mich… Rufe mich…’, entkam es seinen Gedanken, als er unauffällig in einem kleinen Wohnhaus verschwand, gelegen in einer Stadt, die man Schicksalshort nannte, errichtet in der Straße der Erinnerung… Er betrat sein Zimmer im obersten Stockwerk, direkt unter dem Dach. Geschmackvoll eingerichtet in braunen, warmen Tönen und doch neu, fast unecht, so anders und fremd. Gegenstände der neuen Zeit, PC und Flachbildschirmfernseher, Schreibtisch, grüner Ledercouch und Sessel, allesamt unwichtig, wenn die Welt den Menschen ein anderes Gesicht offenbaren würde und doch erschreckend vertraut und real. Die Steuerung für ein Spiel, ein einfaches, unwichtiges Konsolenspiel in der Hand, ließ sich der Jugendliche vor seinem Fernseher nieder, fühlte ein fremdes Alleingelassen sein, ein dumpfes Erinnern ohne Grund… Ein Spiel. ,The Legend of Zelda’… nur ein Spiel… „Link?“ Meira Bravery, die Mutter des jungen Mannes in jenem modernen Raum, stand in der Tür und hatte sich mit strengem Gesicht gegen den Türrahmen gelehnt. Sie war eine eher kleinere Frau mit kräftigem Körperbau und aschblonden, gelockten Haaren. Ihre weiße Schürze auf der Brust verriet, dass sie sich um das Kochen und den Haushalt gekümmert hatte. „Jep, was ist denn?“, murmelte er, ohne seine Gedanken von dem Spiel vor seiner Nase zu lassen. „Erweist du mir die Güte meinen siebzehnjährigen Sohnemann zu fragen, was er da tut?“ Und frech und aufmüpfig wie er eben war, schüttelte er zur Ärgernis seiner Mutter den Kopf. „Link!“, fauchte sie sauer. „Gibt es in deinem Leben denn auch noch andere Dinge als dieses verflixte Spiel?“ „Nein“, meinte er gelangweilt. Sie wedelte aufbrausend mit dem Zeigefinger und trat vor ihn, sodass sie seine Sicht zu dem heißgeliebten Zeldaspiel blockierte. „Und dieses Spiel ist kein verdammtes Spiel… es ist einfach alles!“, setzte er hinzu. Ja, seit er es entdeckt hatte, war sein Leben ein völlig anderes. Es war vielleicht tatsächlich mittlerweile alles für ihn. „Seit Tagen, nein, ich verbessere mich, seit Wochen und Monaten sitzt du davor und vergisst, dass es auch noch eine wirkliche Welt gibt, in der dein Körper existiert.“ „Na und?“ Sie verdrehte die Augen und sagte: „Der junge Mann vor mir, mit dem grünen Basecape, mit den blonden Haaren und dem kurzen Pferdeschwanz könnte beispielsweise, wenn er die unglaubliche Güte dazu besäße, für seine morgige Klausur lernen!“, ordnete sie an. „Keinen Bock.“ „Und den Termin bei dem Berufsberater in Schicksalshort hast du doch hoffentlich wahrgenommen.“ „Nein, hab’ ich nicht.“ Sie setzte einen wutschnaubenden Blick auf, welcher zu der abscheulichen Röte in ihrem Gesicht passte. „Nimm‘ dir endlich ein Beispiel an deiner klugen Schwester, die auch fleißig für ihre schulischen Prüfungen lernt. Aber nein, was machst du, spielen und zu sehen, wie dein Leben an dir vorbeirauscht!“, zürnte sie, und ihre Stimme wurde lauter und lauter. Link hüpfte auf seine Beine und floh vor seiner aufgeregten Mutter. Er tänzelte zu einem modernen Schrank, versteckte sich noch kurz hinter seiner waldgrünen Couch, lugte dann vorsichtig in die grimmigen Augen seiner Mutter Meira und setzte zugleich sein unschuldigstes Gesicht auf, das er parat hatte. Seine Mutter sah ihn wie immer aufgebracht an. „Nebenbei… “ „Ja?“ „Hast du dir endlich überlegt, wie es in deinem langweiligen Leben nach der Schule weitergehen soll?“ „Sollte ich denn? Außerdem ist mein Leben keine langweilige Leier.“ Ihr Blick verzog sich bei diesen Worten. Link dachte schon, sie würde vor Wut gleich explodieren. Er sah förmlich, wie sich ihre Muskeln anspannten, ihre Augen sich weiteten und ihre Halsschlagader aufquoll und sicherlich, das war nicht fair, aber ihre Wutattacken faszinierten ihn und amüsierten ihn zugleich. Er konnte spielend leicht ruhig bleiben. Selten konnte ihn etwas aus der Fassung bringen. „Jetzt hör mir mal zu, Freundchen. Du wirst bald achtzehn Jahre alt sein, benimmst dich aber wie ein kleiner, verzogener Bengel. Ich hab’s langsam satt für dich alle möglichen Termine wie den bei der Berufsberatung zu arrangieren, wenn du sowieso nichts davon ernst nimmst.“ „Ich habe es eben vergessen.“ „Das sagst du jedes Mal.“ „Ja, weil du es niemals kapierst“, muckte er. „Waaaas???“ Ihre Stimme schwoll an zu einem niemals- enden- wollenden Gebrüll. Jetzt hatte er sie wieder da, wo er sie haben wollte. Seiner Unverschämtheit hatte sie einfach nichts entgegenzusetzen. Mit einem aufgebrachten Kopfschütteln verließ sie das Zimmer, grummelte unfassbare Dinge vor sich hin, während die Treppe ins Erdgeschoss knarrte. Immer wieder musste sie die merkwürdige Gelassenheit ihres Sohnes ertragen. Immer wieder brachte er sie zur Weißglut. Doch wirklich böse sein konnte sie ihm nicht. Er war schon immer so gewesen, ein wenig aufmüpfig, abenteuerlustig und auf der Suche nach neuen Erfahrungen. Sie wusste es und doch dachte sie nie darüber nach, dass ihr ältestes Kind irgendwie etwas Besonderes war. Link setzte sich vor den Fernseher, nahm einen schwarzen Controller zur Hand und spielte wieder. Jenes phantastische Spiel war einfach überwältigend, er liebte die Melodien, das riesige Abenteuer und in gewisser Weise sogar die tiefe Dunkelheit der eigentümlichen Verließe. Und so dumm es sich auch anhörte, es kam ihm so vor, als hätte er selbst jene Dinge schon einmal in der Realität erfahren, als hätte er selbst einst gekämpft. Merkwürdig allerdings war tatsächlich, dass Link ohne es richtig zu begreifen, schon vorher wusste, was in dem Spiel geschah. Er wusste vom Verlassen des Waldes, wusste von der einzigartigen Begegnung mit Prinzessin Zelda bis hin zum Endkampf mit Ganondorf, als wäre er selbst dort gewesen. Vertrautheit für etwas so unwirkliches… Sehnsucht nach etwas so Stupiden, was ihm diese Welt, in welcher er sein Dasein fristete, einfach nicht bieten konnte. Seine tiefblauen Augen wanderten, erfüllt mit einer unbeschreiblichen Sehnsucht nach mehr, nach Abenteuer, Hoffnung und vielleicht auch nach Liebe zu dem großen, hellen Fenster in seiner gemütlichen, wenn auch unaufgeräumten Wohnstube. Die Sonne ging bereits mit einem rufenden flammenden Rot unter, zog sich wärmend in die gemütliche Stube des Jugendlichen und Link träumte, während im Hintergrund ein Chor von unwirklichen Stimmen eine Hymne sang, die, so dachte er, mehr war als bloß ein magisches Lied mit dem man den Zeitenstrom verändern konnte. Ein Chor hier in der alten Zitadelle der Zeit. ,Ein so trauriger Ort‘, dachte Link. Ein Ort voller Erinnerungen und Leid. Etwas berührte ihn, wenn er die Hymne der Zeit vernahm, wenn er dem Chor vergessener Stimmen folgte. Es berührte sein Herz, wie als wäre an jene Melodie etwas geknüpft, das ihn an Vertrauen, Hoffnung und Schicksal erinnern wollte. Besorgt und melancholisch trat er an das helle Fenster, spürte das Umschlagen des sterblichen Tages in die verhüllende Nacht. Erneut war sie hier, die Erinnerung an jemanden, den er nicht kannte. Eine Erinnerung, die keine sein konnte. Und manchmal, wenn der junge Mann am Abend in den Himmel blickte, egal welche Farben er annahm, dann spürte er plötzlich und doch sanft eine Hand auf der Schulter, die sich in Luft auflöste, als er sich umdrehte. Manchmal spürte er etwas in seinem Raum, als wäre er nicht alleine, die Anwesenheit einer angenehmen Seele. Kopfschüttelnd wühlte er in seinen Haaren herum, ignorierte diese paranoiden Gedanken, berief sich auf die Wege der Vernunft, um sein Selbstvertrauen und die Selbstachtung zu stärken. Wieder kam seine Mutter herein. „Link, willst du nicht endlich zum Abendbrot kommen, es ist schon spät.“ „Nein, will ich nicht“, sagte er, ohne die Augen vom Spiel abzuwenden. „Link“, seufzte seine Mutter. Versteh’ einer die Jugend. Link jedoch wurde von Tag zu Tag seltsamer. Er war immer anders gewesen. Er hatte gar nicht den Hang, wie andere Jugendliche jedes Wochenende wegzugehen, irgendwelcher harten Musik zu zuhören, die keinen Sinn hatte, außer jenem, das Trommelfell zu zerstören. Stets traf er Entscheidungen, die andere nicht verstanden und überhaupt gab es wenige, die ihn verstanden… Er war vielleicht das, was viele als risikobereiten Optimisten bezeichnen würden, auch wenn er einige Probleme mit sich herumtrug… Doch gerade seine Einstellung zu der Welt und ihren Schönheiten, er liebte es zum Beispiel, einsam durch den Wald zu wandeln, machten ihn bei den Mädchen in seiner Schule beliebt. Nun ja, er sah wirklich gut aus: schlanker, starker Körper, tiefblaue Augen, von solcher Klarheit, blonde Haare und ein markantes Gesicht. Und weiterhin spielte er, wandelte durch die Steppe Hyrules, hatte im Hintergrund seiner Gedanken ein viel gewaltigeres Bild von Natur und Freiheit vor sich, als es dieses auf der Erde geben könnte. Ein prächtiges Bild von solcher Schönheit: weite Wiesen, Flüsse, die sich durch das Land schlängelten, große Gebirge. Es war nun annähernd Mitternacht und er begann zu gähnen. Er entschloss sich das Spiel für heute zu beenden und sagte: „Gute Nacht, Link.“ Aber er meinte nicht sich selbst, sondern die Figur, die durch Hyrule wandelte und die Weisen erwecken wollte, um das Land zu retten. Es war schon komisch und irgendwie verrückt, dass der Held in dieser Geschichte seinen Namen trug. Na ja, vielleicht auch bloß ein blöder Zufall. Ein sehr blöder Zufall. Er erinnerte sich noch genau, was er für ein Gesicht gemacht hatte, als ein Freund ihm etwas über jenes Spiel erzählte und welchen Namen die Spielfigur hatte. ,Die Legende von Zelda.‘ Ein Titel, der in seinen Ohren nach Einsamkeit und trostlosem Schicksal klang. Als seine Schwester und er dann vor einigen Monaten in einem Laden mit den verschiedensten Spielen herumwühlten, drängte sich in seinem Herzen der besitzergreifende Wunsch auf, dieses Spiel zu haben. ,The Wind Waker’, war sein Untertitel. Die alberne Frau an der Ladenkasse hatte ihm, als sie in seine Augen blickte, eine andere Version des Spiels zum gleichen Preis angeboten- mit Bonusdisk. Sie hatte gemeint, er würde es gebrauchen können. Ihr Erscheinungsbild hatte etwas Befremdendes an sich, etwas, was Link erstmalig fast unwirklich erschien. Und es sollte nicht das letzte, merkwürdige Ereignis in seinem jungen Leben gewesen sein. Das Seltsame war, dass jene Frau an einem weiteren Tag, an dem er dort nach interessanten Dingen suchte, verschwunden war, und es sie allem Anschein nie gegeben hatte. Aber was sollte dieses Nachgrübeln überhaupt? War doch egal. Das Spiel konnte er trotzdem sein eigen nennen. Doch in all der Zeit, die inzwischen vergangen war, spielte er fast besessen, immer und immer wieder: ,Ocarina of time’. Link hatte zwar einige Male das Abenteuer auf dem Meer überstanden, aber so fesselnd wie ,Ocarina of Time’ war es lange nicht. Vielleicht lag es an der Graphik oder einfach nur an seiner eigenen Ungeduld immer wieder über dieses öde Meer zu segeln. Seine Mutter schaute nun zum dritten Mal herein. „Link geh‘ endlich zu Bett, du hast morgen schließlich Schule.“ „Ja, ich weiß, Mum.“ „Nun dann, ab ins Bett.“ „Ich geh‘ ja schon.“ Er warf ihr einen gelangweilten Blick zu, der gemischt mit Nachdenklichkeit, sie rätseln ließ, was nun schon wieder in ihrem Sohn vorging. „Alles in Ordnung, Link“, doch er hörte gar nicht zu, schaltete den Fernseher und den Gamecube aus, lief ans Fenster und schaute nach draußen in den düsteren Nebel. Irgendetwas wartete da draußen, das spürte er. Er musste herausfinden was es war, sobald wie möglich. Etwas wichtiges, was er vergessen hatte. Wichtiger als alles andere. Die Wahrheit und das Schicksal warteten da draußen, geknüpft an das Leben einer fremden Gestalt, die das Gesicht jenes Jugendlichen trug. Denn manchmal, da fühlte der siebzehnjährige Link sich fremd gegenüber der Welt, gegenüber sich selbst und strebte nach dem, was nicht sein durfte… Seine Mutter stand plötzlich hinter ihm und bohrte noch einmal nach: „Was ist los?“ Doch Link winkte ab. „Es ist alles prima. Ich will jetzt schlafen gehen!“ Gleichgültig und genervt schubste er seine Mutter aus dem Zimmer. „Gute Nacht, Mum“ war das einzige, was er ihr noch hinterher warf. Mit einem Seufzen ließ sich Link dann auf das Bett fallen, welches ihm viel zu weich war. Schon des Öfteren hatte er sich früh morgens dabei erwischt, wie er ausgebreitet auf dem Boden lag. Er grinste unverschämt. Na ja, solange er sich dabei nicht den Schädel einschlug… Die Worte seiner Mutter hallten in seinen Gedanken nach. Eigentlich… hatte sie Recht mit ihrer Besorgnis um ihn, eigentlich war gar nichts so richtig in Ordnung. Häufig hatte er das Gefühl, er vermisste etwas… und mit jeder weiteren Sekunde, die dahin schwand, wurde jenes sich in das Herz einnistende Gefühl unerträglicher. Manchmal hatte er das Gefühl, es gab jemanden, den er wie niemanden sonst vermisste. Auch wenn da keine Erinnerungen waren, auch wenn vielleicht noch nie jemand einen Beweis für ein früheres Leben vorlegen konnte. Sein Herz sehnte sich nach jemandem, doch wen und wieso… das, so nahm Link an, würde immer ein Geheimnis bleiben. Ein großes Geheimnis. Sein Geheimnis, das er mit niemandem teilte, es sei denn, er würde jene Seele finden… ,Rufe mich… wenn dein Herz schmerzt…’ Und der Gedanke an eine unvergleichliche Aura, von der er hin und wieder träumen durfte, schmerzte irgendwie leise, flüsternd, rufend. Träume, ja Träume… Einst hatte er einen Traum von jemandem, den er mit einem Gedanken tief in seinem Herzen aufbewahrte. Link drehte sich mit geschlossenen Augen auf seinen Bauch und vergaß seine erinnernden Hirngespinste wieder. Langsam driftete er hinweg. Er wehrte sich gegen den Schlaf. Seine Augen fielen ihm dennoch langsam und ungebändigt zu. Aber er wollte sich noch nicht Schlafen legen. Wenn es etwas gab, dass ihn bedrückte, dann seine Träume. Vor wenigen Monaten träumte Link davon, er wäre einen Abhang hinabgestürzt, was nicht einmal sehr schlimm klang, wären da nicht die orkähnlichen Monster, welche hinter ihm her waren und die Tatsache, dass er am Morgen mit blauen Flecken und einer üblen Gehirnerschütterung aufwachte, sich aber seltsamerweise im Bett kaum gerührt hatte. Für Link waren Träume eine zweite Realität, als wären sie nicht so vergänglich, wie viele Menschen ihm glauben machten. Wegen ihnen war er eigentlich zu dem geworden, was er heute war: ein seltsamer, junger Mann, der davon träumte mit einem Schwert in seinen Händen durch die Welt zu ziehen, Abenteuer zu erleben, und seine Bestimmung zu erfüllen. ,Schwachsinn… purer Schwachsinn‘, redete er sich ein… Er sah sich selbst im Traum. Link stapfte durch dunkles, dreckiges Wasser, das leicht rot schimmerte, einen langen Tunnel entlang. An den Wänden hingen unzählige, beinahe überdimensionale Spinnweben. Alte, verdorrte Pflanzen, die er noch nie gesehen hatte, schlängelten sich die Wände hinauf. In seiner linken Hand hielt er fest umklammert ein reichlich verziertes Schwert, welches im Dunkel sogar noch leicht schimmerte. ,Eine wunderbare Waffe‘, dachte er, eine Waffe, mit der er sich stark und mutig fühlte. In der rechten Hand hielt er eine kleine Lampe, die nahezu sinnlos leuchtete in dieser endlosen Dunkelheit. Seine Schritte wurden immer schwerer und gleichzeitig fragte er sich, was zum Henker er hier überhaupt tat… Dann endlich veränderte sich die Szenerie. Am Ende des langen Ganges befand sich eine klappernde, rostige Tür, für die er einen Schlüssel hatte. Er öffnete sie vorsichtig und betrat ein riesiges Gewölbe mit gigantischen Pfeilern. Mit dem Feuer seiner Lampe entfachte er mehrere Fackeln in dem Raum. Erstaunt sah er um sich. Welch’ eine Pracht. An dem Deckengewölbe waren Fresken mit kämpfenden Göttinnen dargestellt. Eine hielt eine Art Zepter, mit der sie zum Schlag ausholte, als ein Dämon, in Art eines Zyklopen, eine mächtige Energiekugel auf sie abfeuerte. Einige weitere Gestalten waren zu sehen, aber Link hatte nicht mehr die Gelegenheit sie sich genau anzusehen. Ein kleiner, hellblonder Junge, ganz in grünen Gewändern, rief zaghaft seinen Namen und deutete auf ein Bild im hinteren Bereich des Gewölbes. Irritiert blieben Links tiefblaue Augen auf dem Jungen haften. Es war ein süßer Fratz, der breit grinste. Er erinnerte den jungen Mann an etwas, an Vergänglichkeit, an Bestimmung und Ereignisse, die einen Lebenssinn formten. Doch urplötzlich, als Link nur kurz zwinkerte, war dieser kleine Kerl wieder verschwunden. Der junge Schwertträger lief auf das Gemälde zu und entdeckte darauf eine zerstörte Landschaft, deren Himmel im Gemälde blutrot anlief. Als pinselte ein Künstler den Himmel rot, veränderte sich der Horizont, verwelkte, starb. Link war ein wenig verunsichert und schaute dann noch einmal hin. Aber im selben Augenblick war da nichts mehr- ein einfaches Bild mit blauem Himmel hing an der Steinwand. Hatte er etwa halluziniert? Mit einem Schlag wurde Link aus seinen Gedanken gerissen, mehr oder weniger ungewollt. Ein widerliches Zischen breitete sich hinter ihm aus, das einen Menschen ohne Mut und Willenskraft sofort zum Weglaufen gezwungen hätte. Der Held blieb jedoch gelassen stehen, spitzte seine Ohren und verfolgte die näherkommenden Schritte. Er hörte das gedämpfte Atmen der Kreatur, die nun nur noch wenige Meter von ihm entfernt stand. Ein Klappern. Ein dumpfes Klingen eines dreckigen Schwertes, an dem noch das Blut von Links Vorgänger klebte. Dann plötzlich ein wilder Kampfschrei, der eisern durch die Luft schallte. Erst jetzt bemerkte Link, dass es seine Stimme war, die durch den Raum hallte. Blitzschnell hatte er sich zur Seite gerollt und stürzte nun mit der scharfen Waffe in seiner Hand auf den Gegner. Das Monster, das Link als Skelettritter erkannte, war nicht in der Lage so schnell zu reagieren. Mit einem saftigen Hieb trennte der junge Held den einen Arm der Kreatur ab, in welcher es das Schwert trug. Jämmerlich kreischte die Bestie ohne Herz auf, an deren Knochen einzelne Hautfetzen hingen, und stürzte in einer letzten Verzweiflungstat auf seinen Gegner. Der Kämpfer fühlte die Kälte des Höllengeschöpfes, roch den Gestank des Todes, bis er es letztendlich ganz spaltete. Gekonnte kletterte Link an der Kreatur hinauf, drehte eine Rolle in der Luft und schlug das Häufchen Elend in der Mitte entzwei, als er mit den Beinen wieder auf der Erde landete. Die letzten Bestandteile des Dämons lagen zu Links Füßen… Dann erwachte er plötzlich schweißgebadet. Er schreckte hoch und wusste im ersten Moment nicht, wo er sich befand. ,Oh Mann‘, was für ein Traum, dachte er, als er einmal wieder auf dem Fußboden lag. Schläfrig schaute er auf die Uhr: Fast fünf? Link murmelte irgendetwas, indem er sich selbst als Trottel bezeichnete, dann sagte er: „Egal. Fünf Stunden Schlaf- das reicht.“ Mit einem Sprung stand er auf seinen Beinen und atmete tief ein um auch den restlichen Schlaf in seinem Körper abzuschütteln. Dann zwinkerte er verwundert. Er dachte an den eben erlebten Traum. Und er war ein wenig überrascht über den Salto, den er darin vollführt hatte, wünschte sich beinahe, er wäre in der Wirklichkeit dazu in der Lage und grinste etwas, bis er den Kopf schüttelte. Wozu sollte er noch länger über diesen Wahnsinn nachdenken? ,Unwichtig‘, entschied er. Diese Träumereien waren unwichtig und nicht gesund für seine Nerven. Erneut tat er die verwirrenden Träume ab, ignorierte, bildete sich ein, es gäbe viele, viele Menschen, die dieselben Träume hatten, obwohl da eine Stimme in seinem Kopf das Gegenteil sagte… Link stolperte die Treppe zur Küche hinunter, schmierte sich eine Scheibe Weißbrot, verschlang sie regelrecht, machte sich einen Tee, verschlang diesen noch mehr als das Weißbrot und war mit seinen Gedankengängen schon wieder bei seinem Traum. Den Ort kannte er doch- es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. Das dunkle Verlies mit den seltsamen Pflanzen, Lianen oder was immer sie auch waren, erinnerte ihn an die Szenerie des Waldtempels. Ja, genau das war es… aber der Traum war so echt, so real- mehr als es ein Spiel jemals sein konnte. Warum nur hatte er eine so blühende Phantasie? Link tapste ins Badezimmer, duschte sich eiskalt, wohl um seine Abwehrkräfte für näher rückende Ereignisse zu stärken, putzte Zähne und als er wieder in herrlicher Frische in die Küche kam, saß bereits seine kleine Schwester am Tisch- so klein war sie allerdings gar nicht mehr. Sie war ein fünfzehnjähriges, hübsches Mädchen mit graublauen Augen und schwarzbraunem, dickem Haar. Sie liebte die Farbe Grün und war auch heute wieder so gekleidet. Eine grüne Stoffhose war perfekt abgestimmt zu dem dunkelgrauen Top, das sie trug. „Morgen Sara“, meinte Link, als er wieder gähnte. „Morgen Bruderherz. Bist schon lange wach, nicht wahr?“ „In gewisser Weise habe ich gar nicht geschlafen.“ Sara blickte schockiert drein und lachte dann: „Link, der ewige Träumer.“ „Haha, sehr witzig…“, murmelte Link angefressen. Sara ging auf ihn zu, klopfte auf seine Schulter, grinste und verschwand dann mitsamt ihrer Schultasche im Flur. Als Link auf die Uhr sah, traf ihn fast der Schlag. „Was schon so spät. Mist!“ Dann rannte er schneller als der Wind mit seinem Rucksack in der Hand zur Haustür hinaus, in Richtung Schule. Der Traum jedoch schien nun vollends aus seinem Kopf verschwunden zu sein. Während Link auf dem vertrauten Weg zu seiner Schule lief, schien die Sonne. Es sollte sicherlich ein schöner Tag werden. Mit einem eher ungewollten Schmunzeln auf den Lippen, sah Link in den blauen Himmel, als er immer noch lief, ohne auf seinen Weg zu achten. Weiße Wolken zogen vorüber. Sie bestärkten ihn nur noch mehr in der Absicht, den Nachmittag in den Wäldern zu verbringen. Die Wälder, ein Ort, an dem er sich so behütet und sicher fühlte, ein Ort, der ihn erinnerte… Doch so leidenschaftlich seine Liebe zum stillen Wald mit seinen alten, weisen Bäumen, seinen Hunderten Geschöpfen und seiner grenzenlosen Freiheit auch war, so hatte er ständig den aufrichtigen Wunsch, er könnte die Wahrheit finden, jene Wahrheit, die ihm sagte, warum er sich hier befand, was seine Bestimmung war und mit wem er sein Schicksal teilte… und die Zuneigung für einen Ort so voller Ruhe und Sinnlichkeit würde von jenen Empfindungen für etwas anderes noch weit überschritten werden… Plötzlich ein matter Druck in seinen Gedanken, als ob sich etwas darüber legen wollte. Wie eine Hand, die die Sinne zu betäuben versuchte. Link blieb eine Weile wie angewurzelt stehen. Sein Körper fühlte sich irgendwie so komisch an, benommen, schwach. Er kam sich mit einem Schlag unsagbar kläglich vor. Schwer atmend stürzte er sich auf seine Knie und versuchte das Schwächegefühl zu unterdrücken. ,Vielleicht hatte er einfach nur zu wenig geschlafen‘, dachte er dann und grinste halbherzig. Das war sicherlich der Grund. Ja, als Ausrede mag jene Einbildung sicherlich eine Weile dienen. ,Du hast nicht genug geschlafen‘, Link, aber in Wahrheit gab es andere Gründe, die für seinen kläglichen Zustand verantwortlich waren. Seit geraumer Zeit bildete er sich ein, er wäre ein wenig depressiv… denn so oft hatte er miese Laune, dachte über stupide, sinnlose Dinge nach und fühlte sich kläglich, wenn er annahm, es könnte sich niemals etwas ändern… Aber Link, auch wenn er sich in den letzten Wochen so verloren fühlte, besaß mehr Stärke als ihm selbst bewusst war. Er besaß etwas, das ihn zwar von anderen unterschied, ihn aber dadurch nur außergewöhnlich machte und sehr bald würde er herausfinden, was tief in ihm schlummerte. Mut, Tapferkeit, Stolz, Glauben an das Gute und Hoffnung. Er lief weiter seines Weges, in Gedanken versunken, in Richtung Schule. Da war das alte, riesige Gymnasium, von dem er oftmals träumte, jedoch befanden sich in der Traumwelt keine Menschen darin, sondern üble Zombiekreaturen… Er hörte schon die Schulglocke läuten, als er die letzten Treppenstufen zu seinem Klassenzimmer hinauf trottete. Mit einem Seufzen stand er vor dem Raum und klopfte zaghaft. „Herein“, schallte es hinter der Tür, Link öffnete und trat unschuldig grinsend hinein. „Morgen Link“, sagte die schlanke Frau hinter dem Schreibtisch. „Schön, dass du mal wieder pünktlich bist, setz‘ dich gefälligst auf deinen Platz.“ „Sorry, ich wurde aufgehalten“, sagte Link kühl. Er wunderte sich. Die Direktorin I. Schattener persönlich befand sich im Raum. ,Gab sie etwa Vertretung‘, fragte er sich. Er hatte vor lauter Schussligkeit gar keine Zeit gehabt auf den Vertretungsplan zu schauen, aber sicherlich war Miss Krummspecht mal wieder krank geworden. Sie unterrichtete Geschichte und fehlte mindestens einmal im Monat, wusste der Teufel warum- und nun war mal wieder die Direktorin eingesprungen. Vor dieser eleganten Person hatte Link mehr Respekt, als vor seiner eigenen Mutter. Gelassen saß sie hinter ihrem Schreibtisch gekleidet in einem schwarzen Hosenanzug, mit einer schmalen Brille auf der Nase, durch die rotbraune, beherrschte Augen hervor sahen. Sie hatte die Schüler im Griff, besser als jeder andere Lehrer. Mit ihrer tiefen Stimme sprach sie schließlich zu den Schülern der Oberstufe. „Ich werde euch keinen Vertretungsunterricht geben, im Grunde genommen bin ich nur hier, um euch einige wichtige Termine zu übermitteln. Beschäftigt euch danach bitte still, macht irgendwelche Hausaufgaben oder so.“ Dann redete sie von den näherkommenden Prüfungen, von irgendwelchen Exkursionen, Wandertagen, Sportfesten, bis sie schließlich ihren Redeschwall beendete. Sie schien irgendwie abgelenkt und ständig über eine Sache nachzugrübeln. Link beobachtete sie und wurde neugierig. Er hatte die schlanke und durchtrainierte Direktorin noch nie so vertieft gesehen. Und unfassbar war eigentlich die Tatsache, dass sie den Schülern nicht diesen nervigen Geschichtsstoff aufzwang. Link flüsterte seinem Banknachbarn zu: „Sag mal, hab’ ich irgendetwas verpasst?“ „Nee, hast du nicht. Die benimmt sich heut’ schon den ganzen Tag so komisch.“ „Aha.“ Jetzt wurde Link erst recht neugierig. Vielleicht… konnte er ja irgendwie herausfinden, was vor sich ging. Hin und her gerissen fragte er sich, ob er sich in diese Geschichte einmischen sollte, aber aus irgendeinem Grund stachelte die merkwürdige Reaktion der Direktorin seine Neugierde an. Und es waren seine natürlichen Charakterzüge den merkwürdigen Dingen auf den Grund zu gehen… Die Direktorin blickte dann auf die Uhr, klapperte mit ihren Fingernägeln über das Holz des Schreibtischs und blickte den jungen Träumer Link dann fast durchdringend an. Irritiert, warum ihre beinah roten Augen ihn so nachdenklich musterten, sah er zwinkernd weg und dann wieder hin. Aber noch immer schien Miss Schattener ihn wie hypnotisiert anzustarren. Dann nickte sie und lächelte ihn etwas an, wissend, vielleicht irgendwie als wüsste sie etwas über ihn, dem er sich selbst nicht bewusst war. Dann schaute sie wieder auf ihre Armbanduhr, warf noch einen Blick zu Link, als wollte sie sichergehen, dass er noch auf seinem Platz saß, zwinkerte und ging aus dem Raum. Als hätte sie mit ihren merkwürdigen Blicken eine unausgesprochene Aufforderung an Link gerichtet, erhob er sich ebenso, wusste nicht warum es ihn interessierte, aber irgendetwas, vielleicht eine innere Stimme, sagte ihm, dass er es wissen musste. Unauffällig schlich er in Richtung Tür. Plötzlich packte ihn jemand am Arm. Ein Junge mit braunem kurzen Haar und rehbraunen Augen blickte ihn verschlagen an. Es war Rick, Links Cousin, ein schlanker, langer Kerl, und gleichzeitig sein bester Freund. „Wo willst du denn hin, du Schön- dass- du- mal- wieder- pünktlich- bist- Schlawiner.“ Link grinste ansatzweise: „Wenn sich Miss Schattener so seltsam benimmt, muss irgendetwas vorgefallen sein, meinst du nicht? Und da es sonst keiner herausfinden will, mach‘ ich das.“ Link schmunzelte. Er hatte sich in seinem Leben schon sehr oft in heikle Situationen gebracht, und er konnte einfach nicht anders. Rick nickte verschlagen. Sie öffneten die Tür, traten hinaus in den dunklen Flur. Link blickte um sich, sah niemanden und lief den Gang entlang in Richtung Treppe. Er hörte Schritte, die von Miss Schatteners Absätzen herrühren mussten. „Pst“, nuschelte er Rick zu. Wenn sie jetzt erwischt würden, könnte sie beide mit einem ordentlichen Verweis rechnen. ,Glück gehabt’, sie ging die Treppe weiter nach unten. Doch hinter ihnen wurde plötzlich eine Tür geöffnet. Link und Rick blieben fast die Herzen stehen. Sie versteckten sich flink hinter zwei Säulen, die am Anfang der Treppe nach oben ragten und beobachten das Geschehen schweigsam. Denn sie kannten die Person, die aus dem Raum heraustrat. Sein Name war: Dr. Richard Raunhold- stellvertretender Direktor und Schulpsychologe. Link erinnerte sich nicht gerne an das Gespräch, das er wegen eines kleinen Streits mit einem Mitschüler mit ihm führen musste. Zugegeben- ja er hatte diesem Scherzkeks Mike Kilhagen die Nase blutig geschlagen, aber doch nur, weil er ihn provoziert hatte. ,Weichei’ hatte Mike Link genannt. Daraufhin ist er ausgeflippt… und Link war der Stärkere. Das war aber schon wieder einige Jahre her. Eilig hatte es der Typ ja nun wirklich nicht. Er ging so schnell die Treppe hinab, dass er beinahe gestolpert wäre. Dr. Raunhold war schon mindestens fünfzig Jahre alt und besaß graue Haare und ziemlich spitze Ohren- wie Link fand. Als er außer Reichweite war, krochen Link und Rick ebenfalls die Stufen hinab. Doch nirgendwo ein Anzeichen der beiden Personen. Rick meinte seufzend: „Komm. Lass‘ uns zurück ins Klassenzimmer gehen. Ist doch sinnlos, als ob uns interessieren müsste, was die Schattener für Probleme hat.“ „Los. Dann geh. Ich habe aber irgendwie das Gefühl, ich müsste das hier herausfinden. Aus irgendeinem Grund hat mich die Direktorin vorhin merkwürdig angeschaut…“ Als würde Ines Schattener das Rätsel um seine eigenen Geheimnisse lösen können… „Na und?“ „Es war fast so, als wollte sie mich auffordern ihr hinterher zu spionieren.“ „Wenn du meinst“, lachte sein Gegenüber. „Das ist mal wieder typisch für dich, Waldmensch.“ Rick grinste und verschwand dann. Jetzt konnte Link endlich in Ruhe nach Miss Schattener suchen. Das Gefühl jemanden hinterher zu schleichen, dabei aber unerkannt zu bleiben, war irgendwie aufregend. Wie als hätte er das schon öfter gemacht. Dann ging Link ins unterste Stockwerk, in tiefe Dunkelheit, in den Keller. Unverhofft hörte er Stimmen, die er als jene von Miss Schattener und Dr. Raunhold erkannte. „Aber das darf einfach nicht sein. Ich meine, wie konnte er…“ Ihr blieb fast die Stimme weg. So hatte Link die stolze und immer starke Direktorin noch nie reden hören. Verzweiflung und Angst lagen in ihren Worten. Link schlich näher und stand nun unmittelbar hinter den zwei dunkeln Gestalten. „Ines, es tut mir leid“, sagte Raunhold, fast so, als könnte es etwas ändern. Link ahnte, dass etwas Schlimmes geschehen sein musste, vielleicht mit ihrer Familie- aber wieso sollte sie dann ausgerechnet mit Raunhold reden- vielleicht mit der Schule? „Er hat sich also befreien können… Ich frage mich, was mit ihr ist. Meinst du, sie existiert noch, glaubst du, sie lebt noch?“ „Ich hoffe es.“ „Aber das ergibt doch alles keinen Sinn… das alte Land sollte ruhen, wie konnte er hierher gelangen?“ Raunhold seufzte nur. „Und wenn er hier ist, dann muss mein Schützling ebenfalls hier sein. Es wäre wunderbar, wenn sie endlich neu beginnen kann…“ Link wusste nicht von wem sie sprachen, aber es schien wichtig zu sein. Befreien können? Was sollte das? War jemand aus dem Gefängnis entkommen, oder wie? Nach einer Weile sagte Raunhold: „Ich sah ihn auf der Straße entlang wandeln. Gesegnet seien die Göttinnen, dass er mich nicht erkannte. Vielleicht würde ich dann nicht mehr hier stehen.“ „Wir müssen ab heute sehr vorsichtig sein. Richard, du entschuldigst mich die nächsten Tage und übernimmst die Vertretungen, ja? Ich muss mich dringend auf die Suche nach ihr begeben. Möglicherweise ist sie ebenfalls hier, wer weiß, was geschah… Ich muss sie unbedingt finden. Wer weiß, wie durcheinander sie ist… Sie… Ich bin ihr immer noch verpflichtet.“ „Ja, das wissen wir. Ich werde die anderen kontaktieren.“ „Und was machen wir mit Li-“, Miss Schattener zuckte plötzlich zusammen, als die Pausenglocke erklang. „Schon so spät. Also, viel Glück, Richard, beten wir, es möge alles gut gehen.“ „Nun gut. Hoffentlich bis bald, Ines.“ Die Direktorin ging in schnellen Schritten aus dem Keller hinaus. Link hatte sich gerade noch rechtzeitig hinter einem einfachen Holzschrank verstecken können. Dann ging auch Raunhold aus dem Raum und Link blieb verwirrt und ein wenig abwesend dort stehen. Die Worte der Direktorin erschienen ihm so einprägsam, als wäre er selbst in die Ereignisse verstrickt, aber vielleicht wünschte er sich das auch nur: In merkwürdige Ereignisse verstrickt zu sein, eine Hauptrolle zu spielen, um seinem viel zu gewöhnlichem Leben zu entkommen. Plötzlich hörte er das Schloss knacken. Schitt. Was, wenn er eingeschlossen wurde? Schleunigst rannte er an die Tür, rüttelte kräftig, aber sie ließ sich einfach nicht öffnen. Na toll, das nächste Fettnäpfchen, in welches er hineingetreten war. Was jetzt? Ach ja, richtig. Irgendwo in diesem riesigen Raum war doch noch eine Tür. Oder etwa nicht? Das wenige Licht, welches vorhin noch brannte, wurde von außen abgeschaltet. Auch das noch! Nun sah Link nichts mehr, nicht einmal seine eigenen Hände vor sich. Das einzige Leuchten kam von seinen Augen, die sogar bei Finsternis noch den Anschein hatten, zu glühen. Diese Art der Dunkelheit kannte Link nur zu gut. Er war sie aus seinen Träumen irgendwie gewöhnt. Die Pause war sicherlich fast vorbei. „Verdammt“, fluchte er, bei dem Versuch etwas Leuchtendes zu finden. Nach einer Weile, in denen er alle möglichen Gegenstände in den Schränken betastete, um herauszufinden, was es war, fand er eine kleine, aber nützliche Taschenlampe. Mit ihrem hellen Schein, suchte er die Wände ab, und dort… zum Glück… da war die zweite Tür. Er rannte in jene Richtung, ergriff langsam die Türklinke und tatsächlich: Sie war offen. Link trat hinaus und befand sich an der Rückwand des Gebäudes. Schnell rannte er durch den herrlichen Park, von dem die Schule eingeschlossen war, zu dem nächstbesten Eingang. In der Aula angekommen, atmete er erst einmal erleichtert auf, als er feststellte, dass er immer noch zehn Minuten Pause hatte. Er lief in Richtung des Vertretungsplanes und las das, was er schon vermutete. Aha, Miss Schattener war für die nächsten Wochen abgemeldet. Auf dem Plan stand Dienstreise. ,Quatsch’, dachte Link. Immerhin kannte er den wahren Grund, sie war auf der Suche nach jemandem, einer Sie, jemandem, der für die Direktorin sehr wichtig war. Und es schien von höchster Priorität jene Person zu finden. Es war bestimmt besser, wenn Link darüber schwieg. Der Oberstufenschüler setzte sich in die Cafeteria, um ein wenig zu verschnaufen. Der Tag wurde immer seltsamer. Er fragte sich, was wohl noch passieren würde. Gedankenverloren träumte er vor sich hin. Er fühlte sich irgendwie müde und kraftlos und stürzte seinen Kopf in seine Hände. Der Anflug eines Gefühls, dass es einfach mal zu viel war, überkam ihn. Er hatte für heute einfach genug. Sara stand an einem Kaffeeautomaten, als sie ihren Bruder entdeckte. Als sie ihn dort sitzen sah, spürte sie Besorgnis. Und ihr Bruder hatte ihr in ihrer beiden kurzen Leben bisher einige böse Überraschungen beschert, über die sie nicht mehr so genau nachdenken wollte. Sara lief auf ihn zu und Link war tatsächlich dabei einzuschlafen. „Link“, brüllte sie. „Was“, brummte er schläfrig. „Link, du spinnst doch. Schläfst einfach ein… tz… tz.“ „Eh… nein, ich hab’ nur so getan. Eigentlich wollte ich mich nur mal ausruhen und mein Gedächtnis wieder in Schwung bringen…“ Sara guckte blöd und wusste ganz genau, dass er ihr Ausreden auftischte. „… für… ähm… Mathe!“ „Link, du flunkerst doch schon wieder! Hast du wieder zu wenig geschlafen?“ „Sara, es passt alles“, meinte er. Er versuchte charmant zu grinsen, und Saras sechsten Sinn zu verunsichern, aber sie durchschaute ihn spielend. „Was ist los?“, sagte sie strenger und durchbohrte ihren Bruder mit ihren graublauen Augen. Als er nicht antwortete, sprach sie warnend: „Link?“ Er verdrehte seine Augen, schien genervt und schüttelte den Schädel. „Lass‘ mich einfach in Ruhe, Sara…“ „Wenn du dich so anstellst, werd‘ ich dich bestimmt nicht in Ruhe lassen.“ Sara ließ ihren sechsten Sinn spielen und Link wusste genau, dass sie nicht locker lassen würde. „Ich weiß, dass du in letzter Zeit Alpträume hast… Willst du nicht mit mir reden?“ Er atmete tief durch, blickte zu den vielen Leuten um sich herum und seufzte. „Sara, lass‘ bitte gut sein.“ „Nein, ich will wissen, was los ist. Was hast du?“ „Ich will einfach nur meine Ruhe, das ist das Problem!“ Ohrenbetäubend fuhr er Sara an. Alle Schüler im Speisesaal drehten sich um. „Es tut mir leid…“, war das einzige, was er noch sagte, bis er aus der Cafeteria verschwunden war. Sara machte sich nun noch mehr Sorgen, sie liebte ihren Bruder aufrichtig. In letzter Zeit hatte er aber irgendwelche Probleme, die er verheimlichte. Sie wünschte, er würde mit ihr darüber reden, sich helfen lassen. Nur war er doch eigentlich immer so gewesen, ignorierte Probleme, versteckte Ängste, verbarg, was ihm in der Seele schmerzte. Sara hatte zwar einen starken Verdacht - sie hörte ihn im Schlaf oft reden, ahnte, dass er schlimme Alpträume hatte und dennoch - wirklich helfen konnte sie ihm nicht… so sehr sie sich es auch wünschte. Link war ein Einzelgänger, ein Außenseiter, und würde immer anders sein als der Großteil der Menschen, der ihn umgab. Er war nun mal Link - ein Mensch mit einem außergewöhnlichen Schicksal, mit einer einzigartigen Bestimmung. Und dieser Weg würde mit Schmerzen gepflastert sein, mit Leid und Verzweiflung… Der außergewöhnliche Blondschopf war auf dem Weg zu seinem Klassenzimmer und ärgerte sich nun, dass er seine kleine Schwester so angefahren hatte. Sie meinte es nur gut und er wusste das. Link rannte plötzlich und schloss die Augen. Warum fühlte er sich so mies und warum war er einfach nicht in der Lage, fröhlich zu sein? Weshalb empfand er Gefühle, die für viele unsichtbar waren. Er fühlte sich beinahe schuldig… doch schuldig wofür - dafür, dass sein Herz so zerfressen war von einer Sehnsucht nach anderen Zeiten, dem Verlangen etwas Großes zu erreichen? Er blieb schwer atmend stehen und schaute aus dem Fenster, sah die Sonne immer noch scheinen, brennend und glühend… Und es war dann, dass das gleißende Sonnenlicht ihm eine Aufforderung entgegenschickte. Die Aufgabe etwas zu suchen, das er nur an einem magischen Ort finden könnte. Ja, er musste in die Wälder, spürte den Klang von etwas Vertrautem dort, hörte es atmen und flüstern… Er hatte für Sekundenbruchteile, zu kurz als es wirklich zu begreifen, den Eindruck, jemand rief nach ihm- eine vertraute Stimme, leidend und flüsternd. Link wand sich kopfschüttelnd vom Fenster ab, fragte sich, ob er nun endgültig seinen Verstand verloren hatte und trat in das Klassenzimmer ein, setzte sich und bemerkte Rick, der ihn verdutzt ansah. „Was Neues?“ Link winkte ab. Im Moment hatte er nicht die Lust mit irgendjemandem wegen irgendetwas zu reden. Schweigend ließ der junge Bursche die Minuten verrinnen. Die Schulstunde verging, so dachte Link, mit ihrer alltäglichen Gewohnheit, mit haarsträubender Normalität. Und der blonde Schüler saß einmal mehr gelangweilt und tief in seine Gedanken versunken auf seiner Schulbank, kritzelte unsinnige Dinge auf ein Blatt Papier, tat ab und an so, als würde er dem Stoff folgen und erwischte sich selbst dabei, wenn er nicht hier, sondern für einige Sekunden an anderen Orten aufwachte. Die Hälfte der Schulstunde war vorbei, als Link abrupt den Stift in der Hand fallen ließ. Klack. Klack. Das Schreibgerät fiel geräuschvoll zu Boden, aber Link kümmerte sich nicht darum. Wie versteinert sah er drein und starrte als befände er sich unter Hypnose ins Nichts. Sein Atem beschleunigte sich und ein seltsamer Druck legte sich auf seine Gedanken, jedoch nicht belästigend, eher vertraut und angenehm. Etwas war da… jemand rief ihn… Alles wurde unwichtig, jedes einzelne Geräusch in dem Klassenzimmer erschien Link wie als rührte es tief vom Ozeanboden her. Nur noch tiefe Frequenzen… Es hämmerte in seinem Kopf. Es drängte sich auf. Jemand rief… Link schlug seine Hände an die Ohren, hörte einen Herzschlag neben seinem eigenen. Es brannte innerlich, aber Link konzentrierte sich aus irgendeinem Grund darauf, wollte wissen, was da war und wer… Im Kampf mit den Dingen, die das Schicksal bereithielt, würde er standhalten. Er wollte wissen, fühlen, erkennen… Ein Schlag, ein Dröhnen, ein Rauschen, das sich mit der Zeit zu den Geräuschen eines fließenden Stromes bildete. Link schloss krampfhaft die Augen, hoffte, rief nun auch innerlich nach jemandem, verstand nicht, was er tat, aber es musste sein. Das Ereignis war bestimmt zu geschehen, ohne dass es einen Namen hatte… Das Rauschen wurde durchdringender, verständlicher und ruhiger… Jemand versuchte zu rufen… Und als es geschah. Ein Wort in seinen Gedankensphären, eine Stimme, die sanft erklang, riss Link seine unter Druck stehenden Augen auf. „Link…“ rief sie, jene Stimme, die er doch kannte, oder kennen wollte. Ein weiteres Mal rief sie ihn beim Namen. „Link… Link.“ Als er jene Stimme, die seinen Namen sagte, das dritte Mal vernahm, stand er auf. Alle Schüler drehten sich verwirrt zu ihm um, aber er sah niemanden mehr, fühlte, hörte und folgte nur noch dieser Stimme. Wie unter fremder Steuerung lief er aus dem Raum, verstand nicht die empörten Rufe der Englischlehrerin, konnte den Rufen der Mitschüler nicht lauschen und kannte im Moment nicht einmal mehr Ricks Stimme. Er bewegte sich hinaus, lief aus dem Haupteingang der Schule und hörte die Stimme nun deutlicher nach ihm rufen: „Link, hilf’ mir…“ Dann nichts mehr. Es wurde still und dunkel in seinen Gedanken. Ruhe kehrte in sein Herz zurück und es schien als wäre er aus einer langen Trance erwacht. Verunsichert legte er eine Hand auf seine glühende Stirn, wollte Antworten, wollte Wissen. Was war eigentlich gerade geschehen? Von sich selbst erschrocken und zu tiefst beschämt, er könnte verrückt werden, ließ er sich auf dem Schulhof auf eine steinerne Treppenstufe sinken. „Ich dreh’ noch durch“, murmelte er und wünschte sich, er wäre nicht so dumm, sich einzubilden, dass es jene Stimme tatsächlich gab. Denn das dachte er, obwohl er sich Sorgen um seinen gesunden Menschenverstand machte. Sie rief nach ihm… sie war wirklich… lebendig… und wunderschön… „Ich kann mir das doch nicht einbilden“, bekräftigte er und stärkte damit ein wenig sein Selbstvertrauen. Er erinnerte sich an sie, jene Stimme, eine liebliche Stimme, glockenhell und sehr angenehm, sodass man ihr entgegen des Willens lauschen musste. Diese Stimme… Link blieb noch eine Weile nachdenklich sitzen, entschuldigte sich später bei der Lehrerin, aber redete kein Wort mehr mit irgendjemandem. Er wollte diese Stimme wieder hören, wollte wissen, zu wem sie gehörte und warum, sie ihn so berührte. Ihm war, als reagierte sein Herz darauf, als wäre jene Stimme der Schlüssel zu allen Antworten, die er im Leben finden wollte. So vergingen die Stunden in der Schule. Link hatte von dem Tag wirklich nicht viel mitbekommen, er hörte den Lehrern gar nicht zu, sondern schwelgte in wundervollen Phantasien, um vor der Realität zu entfliehen. Dann schien er wie ein Gespenst aus der Schule herauszustolpern, vorbei an fröhlichen Gesichtern, die sich auf den Nachmittag freuten. Müdigkeit. Unruhe. Zweifel. Sein Kopf schmerzte. Auf dem Weg in Richtung seines Elternhauses kamen ihn all die Dinge des Tages in den Sinn. Erst diese nervenaufreibenden Träume, und dann diese unheimlichen Worte der Direktorin und dem Schulpsychologen. Er konnte sich befreien- was hatte das wohl zu bedeuten? Und zu guter Letzt diese Stimme, die ihn nicht mehr losließ… Diese Stimme, die sein Herz berührte… und vielleicht war es diese Stimme, die das Schicksal in vorherbestimmte Bahnen lenken konnte. Eine Stimme voller Magie und Heiligkeit… Kapitel 2: Kampf gegen Feuer und Eis ------------------------------------ Zu Hause wartete Meira Bravery schon auf Link wegen des Mittagessens. Aber der siebzehnjährige Blondschopf hatte gar keinen Hunger, aß etwas, um den Eindruck zu erwecken, dass in seiner Welt alles in Ordnung war. Vielleicht war es das nicht, aber er sah keinen Grund andere mit seinen Gedankenwirrungen zu belasten und so verlief das Mittagessen mit Meira und Sara sehr harmonisch. Nach dem Essen brachte er seinen dunkelgrünen Rucksack auf sein Zimmer und blickte durch ein Fenster in Richtung des Mischwaldes. Nur wenige Minuten würde es dauern und er wäre inmitten von alten Laubkreaturen, allein mit sich selbst und den quälenden Fragen in seinem Kopf, allein mit seinen Selbstzweifeln. Das Flüstern der Bäume drang bereits jetzt schon an seine Ohren und rief ihn zurück in eine Welt, in welcher er träumen konnte. Link überlegte nicht lange, rannte aus dem Zimmer und lief mit einem Tschüss zu seiner Mutter in Richtung des Waldes, wo er in Ruhe nachdenken konnte. An einer kleinen Quelle blieb er stehen, trank einen Schluck Wasser und ließ sich dann ausgebreitet auf ein Stückchen weiches Moos fallen. Er streckte alle viere von sich, genoss die Stille, die nur von dem Gesang des Windes getrübt wurde. Er schloss seine Augen, versuchte zu lächeln, auch wenn es bei dem Versuch bleiben sollte. Lange war es her, dass er aus wahrem Herzen gelächelt hatte. Im Moment ging es ihm zwar wieder gut genug, um alle verwirrenden Ereignisse der letzten Zeit hinter sich zu lassen aber… diese Stimme… Nur diese liebliche Stimme, die wie ein kleiner Splitter in seinen Gedanken steckte, konnte er nicht verdrängen… eine so angenehme Stimme. Link gähnte und machte seine Augen zu, spürte noch irgendwelche Krabbeltiere auf seiner Hand, die er jedoch ignorierte und schlief ein wenig im Licht der Sonnenstrahlen ein. Spät am Abend wurde Link dann aus seinem bitter nötigen Schlaf gerissen. Letzte warme Strahlen des glühenden Feuerballs am Himmel durchdrangen die dichten Baumkronen, als er durch eine laute Stimme seine Augen öffnete. Rick stand vor ihm und wunderte sich. Seine rehbraunen Augen sendeten ein merkwürdiges Leuchten aus und überhaupt schien Rick wieder einmal zu Scherzen aufgelegt zu sein. „Na, auch schon wach, du Waldmensch?“ Link legte eine Hand vor seinen Mund, den er entgegen seines Willens weit aufreißen musste und gähne herzhaft. „Wie spät ist es?“, war seine begrüßende Frage. „Halb acht. Sag’ bloß, du warst schon wieder den ganzen Nachmittag hier?“ Damit setzte sich Rick auf seinen khakifarbenen Hosenboden und kramte einen Brief hervor. „Jep. Nur leider habe ich irgendwie die Zeit vergessen, betäubt oder manipuliert… was auch immer. Auf jeden Fall bin ich jetzt so wach wie schon lange nicht mehr.“ Und Link legte grinsend seine Hände hinter seinen Kopf. „Mal wieder schlechte Träume?“ Link nickte nur und damit verging ihm das Grinsen wieder. Rick wusste von seinen Problemen, seinen ungewöhnlichen Träumen, die ihre Spuren in der Realität hinterlassen konnten. Rick wusste einiges… „Egal, ich habe hier einen Brief für dich.“ „Nicht schon wieder…“ „Oh doch. So langsam werde ich neidisch auf dich, Mädchenschwarm.“ Link nahm verbittert und bis aufs Äußerste gelangweilt den Brief an sich. „Von wem?“ „Dreimal darfst du raten?“ Link kannte die Handschrift nur zu gut, kannte den mit fettem Rosa gemalten Absender. „Ilena schon wieder… Die gibt wohl nie auf, was?“ Ja, Ilena… Link erinnerte sich. Eine eitle Gans, die meinte, sie könne, in dem sie viel Haut zeigte, sich jeden Typen angeln, den sie haben wollte. Eine magere Gestalt, dazu ein unpassendes Vollmondgesicht mit wasserstoffblondgefärbten Haaren, die es nicht mehr ansehnlich machten. Gefärbte Kontaktlinsen, die ihre wahre Augenfarbe verheimlichten, bemerkte man dadurch, dass sie ständig mit ihren Zeigefinger auf der Augenoberfläche herumtastete und sich versicherte, dass die Linsen noch vorhanden waren. Jeder Charakterzug Ilenas war ein Grund, sie noch widerlicher zu finden. An allem hatte sie etwas auszusetzen und wenn es nicht nach ihrer Meinung ging, ließ sie kräftige Schimpfwörter vom Stapel. An jedem Menschen fand Ilena etwas, um hinter dessen Rücken darüber zu lästern. Nicht aber sie wollte etwas von jemandem, dann konnte sie die freundlichste Person der Erde sein… Das letzte Mal war sie mit Preston, weiß der Teufel wie dessen Nachname war, zusammen. Jemand, der genau zu ihr passte. Link hatte einmal mit der Absicht, wenn er fies und gemein zu ihr wäre, würde sie ihn in Ruhe lassen, in eine Verabredung mit ihr eingestimmt. Die Bilder liefen wie in einem schlecht inszenierten Farbfilm vor ihm ab. Jede Gemeinheit, die Link ihr damals an den Kopf geworfen hatte, tat sie als schlechten Humor ab und viele Dinge hatte sie wohl einfach nicht verstanden. Und als Link ihr dann absichtlich, mit der Betonung auf absichtlich, ein großes Glas Cola auf ihren viel zu engen, geschmacklosen Lederrock gekippt hatte, war sie ohne das geringste Schimpfwort in der nächstbesten Toilette verschwunden. Die Gelegenheit für Link, sich aus dem Staub zu machen, was er tat. Nur blöderweise wusste Ilena, wo er wohnte und kurzerhand stand sie dann vor seiner Haustür… Genervt öffnete Link den Umschlag. Als er die Begrüßungsformel las, riss er den ganzen geistlosen Brief auseinander und die Stückchen lagen verstreut auf dem Waldboden. „Was ist denn los?“ „Diese verdammte Ziege glaubt, sie könnte sich mit einer solchen billigen Anrede bei mir einschmeicheln. Es reicht.“ Link sprang auf und trank einen Schluck Wasser von der Quelle. Rick suchte die Stückchen zusammen und las den Titel. „Lovely Hero?“, entkam es dem entgeisterten Rick. Das wurde ja immer besser… Rick wusste genau, was Link davon hielt, wenn man ihn auf diese Art und Weise anredete. Er konnte gefährlich werden, besonders, wenn man ihn mit etwas anredete, was er nicht sein wollte. Und Rick wusste, worauf diese Anrede gemünzt war. „Dieses falsche Biest hat doch keine Ahnung. Noch einmal und ich drehe ihr den Hals um“, fauchte Link. Natürlich würde er ihr kein Haar krümmen, aber seinen Frust konnte er durch derartige Drohungen loswerden. „Mensch, reg’ dich doch nicht so auf, Link.“ Normalerweise bewahrte der junge Bursche ruhig Blut, doch das Wort Held brachte sein ganzes Blut in Wallung. Er hasste das Wort, es nervte ihn, da er schon so oft mit einer Spielfigur aufgrund seines Namens und Aussehens verglichen wurde. „Rick, du hast ja Recht. Und trotzdem nervt es mich, wenn diese Tussi nun auch noch die Leidenschaft für das Zeldaspiel entdeckt hat. Ich habe mir meinen Namen nicht ausgesucht.“ „Das weiß ich. Mir brauchst du das nicht erklären. Sag’ das lieber Ilena, damit sie ihren hässlichen Schmollmund hält.“ Link setzte sich wieder neben seinen besten Freund und starrte nachdenklich in den Himmel. „Sag’ mal, Link“, fing Rick an. „Jep, was ist?“ „Wäre es dir lieber, wenn Ilena Zelda hieße.“ Rick grinste und Link ahnte genau, dass er ihn jetzt provozieren wollte. Ein wenig entsetzt sah er seinen besten Freund an und suchte nach passenden Worten auf seine Frage. „Wenn Zelda so aussähe wie Ilena, würden sich die Götter Hyrules für eine solche Kreation schämend in eine Ecke stellen.“ „Oh, ich denke, die Götter unserer Welt haben bei Ilenas Erschaffung einen dummen Fehler gemacht.“ „Einen sehr dummen Fehler“, stimmte Link zu und dachte erneut über Ricks Frage nach. Wenn Ilena Zelda hieße… Link war eigentlich der Meinung, dass es niemanden gab, der Prinzessin Zelda ähnlich sehen und ähnlich sein konnte. Er bewunderte sie. Wie stumpfsinnig, Link bewunderte eine Spielfigur, träumte von einer Spielfigur ohne an ein reales Mädchen zu denken. Von sich selbst enttäuscht, fragte er sich für die Kürze eines Augenblickes, ob es diese Sache war, die mit ihm nicht stimmte. War er besessen von einer märchenhaften Spielfigur? War er verliebt in eine Spielfigur? Kopfschüttelnd tat er jene Gedanken als stupide Jugendprobleme ab und ließ sich wieder auf seinen Rücken fallen. „Ich glaube, es gibt niemanden, der Zelda das Wasser reichen könnte“, murmelte Link und erinnerte sich still und heimlich an einige seiner Träume, die ihn zwar belasteten, aber ohne jene Bilder der Nacht, wäre er nun mal nicht er selbst. Er träumte ab und an von einem Mädchen, das er kannte… ja, das tat er… aber ihr Name war auf keinen Fall Zelda, redete er sich ein. „Es gibt auch niemanden, der Link das Wasser reichen könnte“, meinte Rick und erhielt einen Stups von Link an seinen rechten Arm. „Hey, musst du mich eigentlich immer ärgern, schöner Cousin bist du.“ „Ach… ich weiß eben, dass du ein wenig Abwechslung nötig hast, Link.“ Dieser versuchte zu lächeln, aber es klappte nicht wirklich. Er brachte lediglich ein dummes Grinsen zum Vorschein. „Danke Rick, Abwechslung schadet mir wirklich nicht.“ „Na dann, hast du Lust morgen im Reiterhof von Marons Familie deinen Nachmittag zu verbringen? Wir waren ja schließlich lange nicht mehr Reiten.“ Mmh… Reiten gehen. Klang gut. „Abgemacht“, sagte Link begeistert von Ricks Idee. Maron war eine gute Bekannte von Rick. Sie, ihre Eltern und ihre zwei Schwestern hatten ein nicht zu verachtendes Gestüt. Tatsächlich war es lange her, dass sie dort vorbeischauten. Gegen acht Uhr abends machten sich die zwei Siebzehnjährigen auf den Weg in die Kleinstadt Schicksalshort, folgten aber einem längeren Weg, da es noch so angenehm schön in den Wäldern war. Sie begrüßten einen alten, bekannten Mann. Ein weiterer Mensch, den es oft in die Wälder zog. Rick und Link erreichten die Gartenanlangen, sahen einige Familien grillen. Es war ja wirklich ein herrlicher Tag, ein erster, warmer Frühlingstag. Dennoch… sehr bald würden Stürme aufziehen, Stürme, die bekämpft werden mussten, mit allem, was die Welt an Helden und Opfern hatte. Ja, sehr bald würde ein blutroter Umhang über der Welt liegen, der diejenigen forderte, denen es bestimmt war zu kämpfen. „Link. Mir fällt da noch was ein.“ „Jep, was denn?“ Link hob einen Stein auf und warf diesen in die Luft um ihn aus purer Herzensfreude wieder aufzufangen. „Was war eigentlich heute in der Schule mit dir los?“ Link ließ das Steinchen fallen und starrte gedankenversunken in die Gartenanlage mit den fröhlichen Menschen und den hüpfenden Kindern mit heiteren Gesichtern. Trauriger Weise hatte sich Link als Kind nie so austoben können. Als Kind mit vier Jahren hatte er eine herbe Zeit in einem Kinderheim durchmachen müssen und nun… Es gab immer wieder ein Ereignis in Links Leben, bei dem er sich fragte, warum das Schicksal nur so grausam zu ihm war. Nach dem Heim ging es bergauf, das war ja gut so, aber dann hatten die Träume angefangen. Träume, für die Link das Verständnis fehlte. Träume, die so rätselhaft waren wie Schriften, welche niemand lesen konnte. Und in den letzten Tagen war da diese Stimme. Ein nächster von Links leisen Anfällen, ein nächster von Links sogenannten Problemen. „Ich nehme an, ich hatte einen schlechten Tag, Rick“, fing er an, erzählte bewusst nur die halbe Wahrheit und rechtfertigte sein Verhalten gegenüber seinem Gewissen mit der Begründung, dass er nicht gelogen hatte. „Du hast leider viele von diesen schlechten Tagen, Link. Ich will mich in deine Dinge nicht einmischen, aber du weißt, ich kann schweigen wie ein Grab.“ „Ich weiß“, entgegnete Link und lief ein Stückchen. Seufzend lehnte er sich an einen Baum, hörte von weiten das schrille Kinderlachen aus den Gärten. „Ich drehe durch, Rick. Das ist das Problem.“ „Wie soll’ ich das verstehen?“ Rick ging zu ihm hinüber und trat vor ihn, sodass er Links Miene beäugen konnte. „Ich werde schizophren. Jawohl“, sagte Link lauter. „Wegen deinen Träumen.“ „Nein.“ „Weswegen dann?“ Link starrte in den Himmel, beobachtete einen Bussard, der seine Runden drehte, sich wünschend, er selbst wäre ein solches Tier ohne Probleme, in der Luft, hoch oben in der Freiheit. „Link“, redete Rick auf ihn ein. „Na komm’ schon. Du hast mir doch sonst alles erzählt.“ „Also gut, Rick, wenn du es wissen willst. Ich höre Stimmen“, fauchte Link. „Ja, guck’ ruhig entgeistert. Fühlst du dich jetzt besser, da du weißt, wie bescheuert dein bester Freund ist?“ Aber Rick entgegnete nichts, sondern blickte mit seinen braunen Augen entsetzt zu den Gartenanlagen. „Direkt hier drin ist diese Stimme“, sagte Link und deutete mit einem Zeigefinger auf seinen Kopf. „Eine schöne Stimme, die mich um meinen Verstand bringt.“ Rick drehte sich um, damit Link nicht in sein geschocktes Antlitz blicken konnte. „Eine einzelne, verzweifelte Stimme, die ich kennen sollte“, ergänzte Link aufgeregt. „Und ich weiß, sie wird wieder nach mir rufen, bis ich sie gefunden habe.“ „Verdammt!“, brüllte Link nach einer Weile und schlug seine linke Faust in die Rinde eines Baumes. Dann ließ er sich gelähmt auf den Waldboden sinken. „Ich kann mir das doch nicht einbilden“, murmelte er. „Sie hat vier oder fünf Mal nach mir gerufen und… mich bei meinem Namen genannt. Sie bat mich um Hilfe“, flüsterte Link. „Wer?“, brachte Rick schließlich stotternd hervor. „Ich weiß es nicht.“ Nach einer Pause meinte Rick. „Tja, was soll’ ich dazu sagen, Link. Du warst nie ein normaler Mensch, von Anfang an nicht. Und ich schätze, das wirst du nicht ändern können, egal was du tust.“ Link stand auf und lief schwerfällig zu Rick, trat neben ihn und nahm an dessen Ausblick teil. „Vielleicht muss ich mich endlich damit abfinden.“ Es war nicht zu ändern. Die Dinge waren passiert. Link könnte sich selbst verrückt nennen, sich krank nennen, aber er würde das Erlebte nicht rückgängig machen können. „Hast du morgen trotzdem Lust Reiten zu gehen?“ Die verzweifelte Miene des frustrierten und sich sorgenden Link erhellte sich ein wenig. „Jep, das habe ich.“ „Na, dann. Bis Morgen in der Schule, Link.“ „Bis Morgen“, erwiderte Link und sah Rick schnellen Schrittes weiterlaufen. Ricks Worte stimmten ihn nachdenklich. Vermutlich konnte er es tatsächlich nicht mehr leugnen. Etwas stimmte nicht mit Link. Ob es nun Ungewöhnlichkeit, Krankheit oder Einbildung war, sollte sich aber in naher Zukunft herausstellen. Gegen neun Uhr kam Link nach Hause und musste sich ein Nerv tötendes Gebrülle seiner Mutter anhören, weil er weder seine Hausaufgaben erledigt, noch für seine morgige Klausur gelernt hatte und was für die gute Meira Bravery am schlimmsten war, hatte er niemanden gesagt, wohin es ihn verschlagen hatte. Zumindest sein Handy hätte er mitnehmen können, auch wenn er im Wald sowieso keinen Empfang hatte. „Link, wenn du so weitermachst, kriegst du Hausarrest.“ Das verblüffte ihn. Wie konnte sie damit drohen? Das hatte sie doch noch nie. „Ach Mum, ich bin fast achtzehn“, meinte Link, das kleine Unschuldslamm. „Du hast dich aber noch nie so benommen.“ „Na und? Was ist falsch daran, sich so zu verhalten, wie es einem gefällt.“ „Falsch daran ist, dass das Leben nie so verläuft, wie es einem gefällt“, sagte sie mit ihrer mütterlichen Weisheit, von der sie sehr überzeugt war und, von welcher sie mehr hielt als von den Gerüchten, die sie zusammen mit der Nachbarin in die Welt setzte. Link wusste, wovon sie sprach… genauso war es, sein Leben würde nie so verlaufen, wie es ihm gefiele. „Aber man kann versuchen, etwas daran zu ändern“, sagte er trotzig, nicht sicher, ob er seinen eigenen Worten glauben konnte. Doch Hoffnung gab es immer und es gibt sie noch. Ein Satz, der ihm immer wieder einfiel und von dem er nicht wusste, wer ihn einst gesagt hatte. Aber es entsprach seiner Einstellung zu der Welt. Selbst wenn die Welt unterginge, verflucht, er würde Optimist bleiben und wenn er der letzte Mensch auf Erden sein sollte. Stur trottete er sein Zimmer hinauf und klappte noch einmal den Geographiehefter für die morgige Klausur auf, warf das dumme Stück missmutig in die Ecke und blickte zu seinem Gamecube. Er holte die kleine Disc aus der Konsole, ließ sie in seiner Handinnenfläche kreisen und erinnerte sich niederschmetternd daran, dass Hyrule mit all’ seinen Legenden doch nur ein Spiel war. Ein Spiel. Nicht mehr und nicht weniger. ,Eigentlich schade‘, dachte Link und tat das mitleiderweckende Gefühl in seinem Inneren für eine Welt, die nicht existierte, einfach ab. Plötzlich klopfte es an der Tür zu seinem Zimmer. Ohne, dass Link etwas gesagt hatte, trat seine kleine Schwester Sara mit ihrem moosgrünen Schlafanzug in den Raum. „Hey, Brüderchen, kann ich vielleicht noch eine Runde Zelda zocken?“, meinte sie. „Ja, von mir aus gerne. Ich lerne doch sowieso nicht mehr.“ „Das ist mir klar“, sagte sie hinterlistig. „Du hattest ja noch nie Probleme mit dem Fach Geographie. Mich würde nur mal interessieren, woher du so viel weißt.“ Links Augäpfel wanderten an die Decke. Das war eine gute Frage, aber wenn es um Karten ging und irgendwelche Länder, deren Lage, Flüsse und so weiter, hatte Link wohl so etwas wie hellseherische Fähigkeiten. Verlaufen würde er sich bestimmt nirgendwo, soviel stand fest. Sara setzte sich in Links Fernsehecke und spielte ,Ocarina of Time’. Ihr Bruder bediente sich von einigen Schnitten, die seine Mutter ihm ins Zimmer gestellt hatte und schaltete seinen Computer ein, um schnell seine Mails abzurufen, aber es gab nichts, dass ihn in irgendeiner Weise interessierte. Neugierig spähte er von seinem Schreibtisch hinüber zu Sara, die den armen Helden der Zeit gerade in maßlose Gefahr brachte. Sie wollte gegen Schattenlink bestehen, aber hatte keinen Plan diesen in die ewige Verdammnis zu schicken. Sie schlug auf ihn ein, was nach einigen Minuten sicher Wirkung zeigte, aber plötzlich drückte sie auf Stopp und warf den Controller erzürnt in die Ecke. „Ich kann nicht glauben, mit welcher Geduld du immer wieder dieses Spiel durch zockst. Langweilt es dich denn nicht endlich mal?“, meinte sie, wissend, dass Link das Spiel mindestens schon über hundert Mal gespielt hatte. „Nein. Mit jedem Mal werde ich besser. Das ist wohl meine Motivation“, sagte er und nahm den Controller. „Weißt du, was dein Problem bei Schattenlink ist, Sara?“ „Nö“, sagte sie eingeschnappt, „Sonst hätte ich ihn ja schon lange kalt gemacht.“ Link lachte kurz auf und meinte: „Ja, ist logisch.“ Link spielte dann mit wahnsinniger Geduld. „Du bist zu ungeduldig und denkst nicht daran, das einzusetzen, was Schattenlink nicht hat, da er bloß ein Schatten ist. Bei einem Kampf kommt es nicht einfach nur auf Schnelligkeit an und darauf, den Gegner sofort niederzumetzeln. Ein guter Spieler genießt den Kampf, kämpft mit Anmut und Eleganz und raubt seinem Kontrahenten mit jedem Schlag die Kraft, anstatt einfach nur wild mit dem Schwert herumzufuchteln, auch wenn so einige Spieler davon überzeugt sind.“ Sara glotzte auf den Bildschirm und verstand langsam. Link nutzte magische Attacken, von denen sie nicht wusste, dass sie im Spiel existierten und kämpfte mit der Spielfigur anders als sie es tat. Seltsam, es schien, als führte die Spielfigur mit der grünen Mütze andere Attacken mit dem Schwert aus, wenn Link sie steuerte. ,Quark’, ermahnte sich Sara, das geht doch gar nicht. Das musste sie gerade eben wohl geträumt haben. Nach wenigen Sekunden war Schattenlink besiegt. „Hier. Willst du weiterspielen?“, meinte Link. „Ach nö. Mach du das lieber. Vielleicht bist du dafür geschaffen, Zelda zu spielen.“ Mit einem Zwinkern stand Sara auf und schaute auf die Uhr. Schon Zehn. „Gute Nacht, Link“, sagte sie. Auch Link wünschte ihr gute Träume und beendete das Spiel. Aber er würde jetzt nicht in der Lage zu sein, Schlaf zu finden. Er hatte sich viel zu lange im Wald auf die Ohren gehauen. Vielleicht tat ihm eine Runde ums Haus gut. Kurzer Hand stolperte er die Treppenstufen hinab, warf sich eine moosgrüne Lederjacke drüber und ging an die frische Luft. Aus der Runde ums Haus wurde ein kleiner Spaziergang in Richtung Stadtzentrum. Wieder hatte er seiner Mutter nicht gesagt, dass er verschwand, und wieder könnte er Ärger deswegen bekommen, nur interessierte es ihn im Augenblick nicht. Er war eigentlich immer sehr verantwortungsbewusst und zuverlässig, nur wenn es um seine Mutter ging, war das eben etwas anderes. Er grinste angesichts des Gedankens, trottete genüsslich in der Stille der Nacht vorwärts und beobachtete die Sterne am Himmel funkeln. Link lief gerade geistesabwesend auf dem alten Marktplatz herum, blickte in den Brunnen, als das Licht einer Straßenlampe auf das Wasser fiel. Er berührte leicht mit der Spitze seines rechten Zeigefingers die Wasseroberfläche, sah wie sich Ringel bildeten, die sich nach Sekundenbruchteilen im Nichts auflösten. Dann allerdings hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden. Der junge Mann sah sich auf dem Marktplatz gezielt um. Seine Augen fielen zu jedem Winkel des Marktplatzes, dann zu den unbeleuchteten Seitengassen. Das Gefühl beobachtet zu werden wurde bedrohlicher, angsteinflößender. Jemand näherte sich. Link trat einige Schritte rückwärts und fühlte seinen Puls beschleunigen. Gleich einer alten Erinnerung strömten Empfindungen des Hasses, der Abscheu und des Schreckens auf ihn ein. Schritte. Der Oberstufenschüler vernahm ein Klappern, irgendwo tief von der Dunkelheit herrührend. Es raschelte in den Pappeln, die hier auf dem Marktplatz standen. Dann wieder Schritte. Links Atemzüge pro Minute nahmen zu, und erneut blickte er überall hin, konnte jenes Gefühl der Furcht vor etwas Nahbarem kaum definieren. Denn Furcht und die Gefühle der Hilflosigkeit, die sie mitbringen konnte, waren ihm bisher fremd. Link fürchtete sich im Grunde genommen vor nichts und niemandem. Er hatte in seinem jungen Leben bisher nie einen Grund gehabt sich vor dieser Realität zu fürchten… wovor auch? Der Jugendliche mit dem grünen Basecape stolperte plötzlich. Er drehte sich um, aber in der Dunkelheit war nichts. Stille. Absolute Stille. Irgendwie war ihm nun mulmig. Ohne weiteres Überlegen rannte Link weiter und erreichte eine schmale Gasse, in welcher rechts und links Häuser dicht zusammengedrängt aneinander standen. Seine Schritte wurden schneller. Sein Herz in der Brust fühlte sich an, als würde es zerspringen, vor zügelloser Ungeduld, Spannung und Aufregung. Er rannte weiterhin durch die unbeleuchtete Straße und schloss seine Augen während des Weges. Plötzlich wurde er mit voller Gewalt zur Seite geschupst, als er mit jemandem zusammenstieß. Link schleuderte einige Meter nach hinten, und schüttelte benommen den Kopf. Seine Augen spähten gespannt durch die Dunkelheit. Jemand stand vor ihm. Eine große Person, wesentlich größer als er. Doch jene Gestalt sagte nichts und blieb verhüllt vor Link stehen. Jener schaffte es nicht, seinen Körper zu rühren, als lägen Ketten der Angst um ihn. Eine Erinnerung. Unheilschwangerer Hass und namensloses Leid. In einem Haus ging plötzlich das Licht an. Ein flammender Schein fiel in die unbeleuchtete Gasse und gab der Gestalt ein Gesicht, gab der Gestalt Form und Umrisse. Es war eisig und obwohl Link zu frieren begann, so tropfte eine Schweißperle von seiner Stirn. Kälte. Unbezwingliche, verderbliche Kälte kroch umher, umhüllte jene Gestalt und saugte sie auf… Ein riesiger, kräftiger Mann stand vor ihm. Ja, es musste ein Mann sein, denn Größe und Breite konnte sich Link bei einem weiblichen Wesen nicht vorstellen. Er trug schwarze Kleidung, die zu seiner im Lichtschein erkennbaren dunklen, fast stechenden Haut passte. Links tiefblaue Augen wanderten von dunkelbraunen Lederstiefeln zu einer engen, hässlichen Hose, aus der die Muskeln an seinen Beinen fast heraustraten, sahen eine Art Rüstung um den breiten, muskelbepackten Oberkörper. Auf seinem Rücken lag lässig ein schwerer, schwarzer Umhang. Link blickte angstverzerrt in ein hochmütiges altes Gesicht. Ein übler Schmerz durchfuhr ihn, als er sich jene grimmige Fratze ansah. Blasse Lippen, eine lange Nase. Link wagte einen Blick in das geheimnisvolle Augenpaar, welches von seinem hohen Thron aus erniedrigend zu dem jungen Mann auf der Straße hinabsah. Weiterhin blickte Link in jene von Finsternis beherrschten Augen und fühlte sich, als ob sich ein Fluch über seinem Körper ausbreitete. Wie als ob alten Wunden mit einem Schlag aufgebrochen waren… Link blickte angewidert weg, wollte sich nicht an jene Augenfarbe erinnern, an jene hochjauchzenden, herablassenden Teufelsaugen. Gerade in dem Augenblick ging das Licht in der Gasse wieder aus. „Pass‘ gefälligst auf, wo du hinläufst, kleine Made.“ Eine tiefe, kalte Stimme drang an Links Ohren, unangenehm vertraut, spöttisch und bösartig. Die Gestalt lief mit einigen großen Schritten auf ihn zu. Gerade in dem Augenblick erkannte Link ein drohendes Funkeln in seinen dunklen Augen, die ein unnatürliches Glühen in der Finsternis aussendeten. „Wer meinen Weg stört, wird untergehen“, sagte der Kerl höhnend. Er wollte mit dem Fuß nach dem jungen Burschen treten, dieser jedoch wich aus, rollte sich geschickt und flink über den Boden und stand nun mit dem Rücken direkt hinter ihm. Der Mann drehte sich nicht um und sagte anmaßend: „Wenn du mich noch einmal anrempelst, bin ich nicht mehr so freundlich, armseliger Tropf!“ Erhobenen Hauptes ging die dunkle Gestalt den Weg weiter entlang. ,Was für ein Mistkerl’, dachte Link in dem Augenblick, als er begriff, was passiert war. Links Atmung wurde leiser und sein Puls beruhigte sich wieder und ein wenig verwirrt, weshalb in ihm ein fremdes Gefühl der Furcht erwachte, setzte er einen Fuß vor den anderen. Noch einmal sah er zurück, konnte aber den Mistkerl nicht mehr ausmachen. Er fühlte sich bedroht und fast wehrlos gegenüber jener Gestalt. Irgendwie hatte er ein sehr ungutes Gefühl, bei dem Gedanken, diesem Unmenschen ein weiteres Mal zu begegnen. Wer war dieses Scheusal überhaupt? Link wohnte in einer Kleinstadt, in der sozusagen jeder jeden kannte. Aber diese Person hatte er noch nie gesehen. So langsam würden die Fäden des Schicksals sich doch zusammenziehen, und wenn jener Tag der Entscheidung gekommen wäre, gäbe es für Link und jene, die ihm nahe standen, kein Zurück mehr… Am nächsten Tag schien wieder alles in bester Ordnung zu sein. Keine Stimme in Links Kopf. Keine Alpträume in der Nacht und einige beruhigende, wenn auch zu wenige Stunden Schlaf. Er dachte und hoffte, der letzte Tag war nicht länger der Rede wert. Frohen Herzens lief Link zur Schule, obwohl er eine lange Klausur zu überstehen hatte. Aber was war eine solche Prüfung schon im Vergleich zu Horden von Ungetümen mit Schwertern und Äxten? Was war schlimmes an einer Prüfung, wenn es Stimmen gab, die im eigenen Kopf herumgeistern konnten? Er ignorierte, tat jene Stimme als blanke Einbildung ab und genoss die kühle, frische Luft, welche ihm um seine Ohren wehte. Er brachte die für ihn langweilige, einfache Klausur spielend hinter sich und überstand ohne seltsame Ereignisse auch den Rest der Schule. Gegen Nachmittag rannte der junge Heroe quietschvergnügt und mit guter Laune zu dem Reiterhof von Marons Familie. Maron. Ja, Link kannte sie gut. Sie war ein hübsches Mädchen mit braunem, langem Haar, einem auffallend niedlichen Gesicht und besaß sehr viel Charme und Humor. Auch sie hatte ihn eine Zeit lang spaßhaft angehimmelt und Link ging ihr deswegen lieber aus dem Weg. Zugegeben, sie war nicht Ilena und hatte weitaus mehr Grips als das billige Flittchen mit den gefärbten Kontaktlinsen. Und Maron war ja ganz sympathisch, aber eher nicht Links Typ. Andererseits hatte Link nicht einmal selbst eine Ahnung, was nun sein Typ war. Aber Rick schien ein Auge auf sie geworfen zu haben, also unterstützte Link seinen Kumpel dahingehend. Rick und Maron empfingen Link auf der Koppel. „Hey, Waldmensch. Hier drüben sind wir“, schallte Ricks Stimme durch die Luft. Link fing dessen Blick ein und watschelte zu ihm herüber. Maron saß beinbaumelnd auf dem Zaun und lächelte Link sehr erfreut entgegen. Ihrem Blick ausweichend versuchte er ebenso ein Lächeln zustande zu bringen, aber es blieb wie immer bei dem Versuch. „Hallo, Link“, sagte sie und sprang mit einem großzügigen Sprung von dem Gatter. „Hi, Maron. Also, was habt ihr heute geplant?“ Sie zwinkerte und antwortete darauf: „Also, wie wäre es mit einer Runde durch den Wald. Wir könnten bei dem kleinen leer stehenden Dorf in der Nähe der Münzenquelle vorbei.“ „Gute Idee.“ Auch Rick stimmte dem Vorschlag zu. In der Nähe Schicksalshorts gab es so einige merkwürdige Orte mit alten daraus resultierenden Geschichten, wie ein untergegangenes Dorf, in dem niemand mehr wohnte, oder die märchenhafte Quelle, von der man sich viele Dinge erzählte. Wenn man dort eine Münze hineinwerfen würde, so erzählte man sich, dann würden sich innere Wünsche erfüllen. Für Link waren das alles nur Geschichtchen, genauso wie eben: ,The Legend of Zelda’ nur ein Spiel war. Unwirklich. Keiner Grübelei würdig. Aber manchmal wünschte er sich sehnlichst, dass an Geschichten mehr dran war… Es dauerte nicht lange und drei Pferde trabten durch die Wälder Schicksalshorts, über abgetrampelte Wege, durch dichtes Laubwerk. „Hey Link?“, sagte Rick, als Maron einige Meter vor ihnen ihrem Haflinger die Sporen gab. „Mmh?“ „Geht’s dir heute ein wenig besser?“ Link sah seinen Freund fragend an und nickte leicht. „Ich denke, dass gestern einfach nur ein dummer Tag gewesen ist. Kein Grund zur Beunruhigung“, sagte er abtuend und wich Ricks Blick aus. Stur trabte Link weiter und genoss das Gefühl mit einem Pferd durch die Wälder zu reiten. Er mochte das Gefühl sich tragen zu lassen und erinnerte sich daran, wie wichtig ihm das Gefühl der Freiheit, der Lebendigkeit und der Nähe eines Abenteuers war. Spät am Nachmittag erreichten sie das alte Dorf inmitten des Waldes, wo einige zusammenfallende Häuser standen. Die drei Jugendlichen machten eine Pause, entspannten, genossen den blauen Frühlingshimmel. Link lief geistesgegenwärtig und verträumt in dem kleinen Dorf herum, folgte einem mit altem Pflastergestein bedeckten Fußweg in Richtung der geheimnisvollen Quelle. Maron und Rick saßen derweil gemeinsam auf der grünen Wiese. „Du, sag’ mal, Rick“, meinte Maron neben ihm, als sie sich eine braune Strähne aus dem Gesicht wischte. „Was’n los?“, murmelte er und öffnete halb seine Augen. Denn er lag ausgebreitet und lässig auf der Wiese und hatte wohl gegen ein kleines Nickerchen nichts einzuwenden. „Es geht um Link.“ Rick setzte sich aufrecht und sah sich Marons nachdenkliches Gesicht an. Etwas in ihrem Blick machte sie verdächtig. „Habe ich Recht, du machst dir Sorgen um ihn, nicht wahr?“ „Ja, sieh’ ihn dir doch mal an. Ist dir jemals aufgefallen, dass er nicht ein Lächeln über sein ernstes Gesicht bringt? Ich meine, er ist in den besten Jahren seines Lebens, die ein Mensch haben kann und macht manchmal ein Gesicht, als laste das Schicksal des ganzen Planeten auf seinen Schultern. Warum kann er sich nicht einmal über etwas freuen?“ Rick war verblüfft. Nun ja, er wusste, dass Link seine Probleme hatte, erst recht jetzt, wo eine Stimme nach ihm rief. Aber das es selbst für andere, die ihn nicht so gut kannten wie er so offensichtlich war, brachte ihm ebenfalls ein Grübeln auf das Gesicht. „Link hat seine Geheimnisse, Maron, mehr kann ich dir dazu nicht sagen. Aber das mit dem Lächeln ist wahr. Er lächelt nie“, sagte er missmutig. „Warum? Ich meine, es muss doch einen Grund dafür geben.“ „Ja, den gibt es sicherlich.“ Maron legte eine Hand auf Ricks Schulter. „Meinst du, wir können ihm irgendwie helfen? Wir sind doch schließlich seine Freunde, Rick.“ Jener zuckte kurz mit den Schultern. „Das Problem ist, dass Link diese Dinge ganz alleine herausfinden will und was immer es auch ist, was ihn belastet, er will es alleine schaffen. Das ist wohl typisch für ihn.“ „So ein Sturkopf!“, brummelte Maron ärgerlich und pustete einige Strähnen ihres nussbraunen Haares aus dem Gesicht, welches der Wind dorthin wehte. „Ja, ein gewaltiger Sturkopf ist er und unvernünftig. Aber das muss ich dir wohl nicht sagen.“ Maron lachte laut auf. „Nein, wenn er nichts ist, aber unvernünftig ist er obendrein und zu abenteuerlustig. Das bringt ihn irgendwann mal in brenzlige Situationen“, sagte sie abschließend. Link befand sich gerade an der merkwürdigen Quelle, welche mitten aus dem Berg entsprang und sah einige Münzen, die er, da er ja so ein guter Kerl war, in jener tiefen Wasserstelle liegen ließ. Er füllte seine Handinnenflächen mit dem klaren Wasser und klatschte es in sein Gesicht. Vorhin wäre er fast auf seinem Friesen eingeschlafen, hätte ihn nicht ein gemeiner Ast des Weges ins Gesicht geschlagen. ,Schlafmangel’, dachte er. Nichts als Schlafmangel, wegen ein paar hirnlosen Träumen und einem merkwürdigen Gefühl, das immer wieder flüsterte, etwas naht. Link betrachtete sich das schattenhafte Bild von sich selbst, welches auf dem Wasser entstand und dachte kurz, nicht genau wissend wieso, an den gespenstisch wirkenden Kerl von gestern Abend. Es war unangenehm an diese Gestalt zu denken, aber Link tat dies nicht absichtlich. Irgendetwas machte ihn stutzig an dem Menschen, irgendetwas an dem Typen war ihm erschreckend vertraut. Link nahm noch etwas von dem kristallklaren Wasser in seine Hände, sprang auf und wirbelte es verschwenderisch in der Luft herum. Die kleinen Wassertropfen sammelten sich wieder in der Quelle und Link besah sich erneut die schattenhaften Konturen seines eigenen Gesichtes. Er konnte sein Abbild nicht erkennen, aber das war ja auch egal. Er tauchte einige Fingerspitzen in die Wasserstelle. Sein Bild verschwamm. Link blickte wieder hin, sah, wie sich sein eigenes Gesicht nun im Wasser spiegelte. Er sah seine tiefblauen Augen, seine Nase, die markanten Gesichtszüge und ein Lächeln. Aber er lächelte nicht, nur sein Spiegelbild tat es. Schnell schlug er mit der Faust auf die Wasseroberfläche, zerstörte das Bild, welches er nicht sehen wollte, zerstörte einen lächelnden jungen Mann, der er niemals gewesen war. Die Wasseroberfläche wurde ruhig, doch wieder befand sich sein lächelndes Gesicht auf dessen Oberfläche. Link beugte sich näher, fand dieses Spielchen zu schräg und wusste, er würde jetzt dem Geschehnis nicht entkommen können. Eine weitere Gestalt zeigte sich auf dem Wasser neben seinem Kopf. Ein wunderschönes Mädchengesicht, welches ebenso ein Lächeln trug. Sie war das Schönste, was er jemals gesehen hatte. Ein schmales, reines Gesicht und blutrote Lippen, die sich sanft bewegten um etwas zu flüstern. Beinahe wie gelähmt starrte er sie an, bevor ihn die Realität zurückholte. Erschrocken drehte sich Link um, aber da war niemand. Sorgsam betrachtete er die Stelle erneut, doch nun konnte er nicht einmal mehr sein eigenes Spiegelbild sehen. Alles war so normal wie vorher. „Link?“, rief Maron von weitem. „Wo bist du denn?“ Er schüttelte kurz seinen verwirrten Kopf, ignorierte wie immer und antwortete laut: „Hier, bei der Quelle.“ Wenige Sekunden später kamen Maron und Rick herbeigeeilt. „Kommst du? Wir wollen weiter.“ „Äh… ja… ja doch“, meinte Link und stempelte das Geschehene einmal mehr als Produkt seiner Phantasie ab. „Ist irgendwas, du siehst so zerstreut aus“, sagte Rick. „Nichts. Es ist nichts“, erwiderte Link und lief schnellen Schrittes an Maron und Rick vorbei. Er sagte nichts, wie auch. Er fühlte ja auch nichts… nichts außer Selbstzweifel. Gegen Abend stand der grünbemützte Jugendliche vor seinem Elternhaus, fragte sich, ob er nach dem Abendbrot Schlaf finden würde. Link öffnete die Tür und wurde von Sara, die gerade den Müll herausbrachte angerempelt. „Na, Brüderchen, bist du auch schon da.“ „Jep. Und das sogar vollständig, mit Leib und Seele. Irgendetwas Neues?“ „Eigentlich nicht“, meinte sie und lief zu der Mülltonne. Gerade als Link zur Haustür hinein trat, rannte sie geschwind hinter ihm her und sagte: „Das hätte ich ja beinahe vergessen. Heute war so eine komische Gestalt hier an der Haustür und fragte nach dir.“ „Häh? Was denn für eine Gestalt?“ Sara lief hinter Link die Treppenstufen hinauf. „Weiß nicht, sie trug eine weiße Kapuze und sagte mir, du solltest in nächster Zeit sehr vorsichtig sein.“ „War es ein Mann, ein großer mit breiten Schultern?“ Vielleicht hatte der komische, eingebildete Typ von gestern Nacht nach ihm gefragt, auch wenn es keinen Sinn ergab. „Nein, Link, es war eher eine Frau mit roten Haaren.“ „Wie bitte?“ „Du hast richtig gehört. Sie meinte, du sollst auf dich aufpassen. Ich fand’ diese Frau unheimlich.“ Link öffnete nachdenklich die Tür zu seinem Zimmer und schloss sein Fenster, das sperrangelweit aufstand. Er versuchte Sara nicht noch mehr zu beunruhigen und wechselte das Thema: „Noch etwas Neues? Wo sind eigentlich Mum und Dad?“ „Mum ist in der Küche, aber Dad arbeitet wieder bis in die Nacht hinein. Der und seine dämlichen Versicherungen. Manchmal glaube ich, der erfindet noch eine Versicherung für die Versicherung“, sagte sie schmollend. „Hast du heute noch was vor, Brüderchen, immerhin ist Donnerstagabend. Du hast doch morgen eine Stunde später, soweit ich weiß.“ „Ach Sara, Sorry, aber ich habe keinen Bock. Ich spiele noch eine Runde Zelda und dann geh’ ich ins Bett.“ Er machte es sich in seiner Fernsehecke bequem. Seine Schwester stand plötzlich vor ihm und legte eine Hand auf seine Stirn. Nicht überrascht über ihre heimliche Vorahnung, hatte Link tatsächlich erhöhte Temperatur. „Was soll das denn?“, grummelte er. „Tickst du jetzt vollkommen aus. Es ist gerade mal um sechs.“ „Na und?“ „Wenn du so weitermachst mit deiner Nerv tötenden Leier, versaust du dir noch dein Leben.“ „Das ist schließlich mein Leben, Sara“, erwiderte er verärgert. „Du trägst aber nicht die Spur von Verantwortung gegenüber dir selbst, Link.“ Sie wedelte mit ihrem Zeigefinger vor seinem Gesicht herum. „Du bist siebzehn Jahre alt, benimmst dich wie ein untoter Trottel, der nicht weiß, was Leben ist. Du warst doch früher nicht so.“ Link sprang wütend auf. „Oh doch. Ich war immer schon so, nur Pech für dich, dass du es nie gesehen hast. Glaubst du, ich suche mir das aus? Ich bin eben nicht ganz normal. Deswegen versaue ich mir, so wie du dummerweise annimmst, mein Leben nicht. Ich warte nur auf etwas, Sara, und wenn das dann eintritt, wirst du mich sehr gut verstehen können.“ Murrend ging Sara aus dem Raum und rief ihm noch ein eher gemein klingendes ,Gute Nacht’ hinterher. Dann, wie sollte es anders sein, schaltete Link doch tatsächlich seinen Gamecube ein. Es war einfach eine Sucht, sich durch dieses Spiel zu kämpfen. Seine Mutter kam ebenfalls ins Zimmer und sagte: „Link, ich hoffe, du hast nicht vergessen, dass dein Vater und ich nächste Woche für unbestimmte Zeit in den Urlaub fahren, oder?“ „Nein, das habe ich nicht vergessen. Wo soll es hingehen?“ „Eh nicht weit weg, erinnerst du dich an das Ferienhäuschen in den Bergen?“ Ja, Link erinnerte sich, dass sie öfter dort einige Tage verbracht hatten, immer dann, wenn Meira genug hatte von ihrem Alltagstrott. Es war eine gemütliche Hütte gelegen in herrlicher Landschaft und war nur ein zwei Stunden entfernt. „Ha, verstehe. Das heißt, ihr seid nicht weit weg. Ist in Ordnung. Gibt es deswegen irgendwelche Probleme?“ Er sah sie mit trüben Augen und den schlimmsten Augenringeln an. Vielleicht hatte er sogar Fieber. „Nein, ich möchte nur, dass du in dieser Zeit auf deine Schwester Acht gibst, ja?“ „Wenn sie nicht auf mich Acht gibt“, setzte Link hinzu. Seiner Mutter huschte ein Lächeln auf das Gesicht. „Link, ich gehe noch mal bei deiner Tante Lydia vorbei, wird also später.“ „Ja, ist in Ordnung.“ „Soll ich dir noch etwas mitbringen? Brauchst du irgendwas, Schatz.“ „Danke Mum, aber mach’ dir wegen mir keine Umstände… ich bin wunschlos glücklich.“ Link versuchte, Betonung auf versuchte, zu lächeln. „… wenn ich dieses Spiel nur wieder durch hätte.“ „Na dann, bis später.“ Seine Mutter ging mit heiterem Blick aus dem Zimmer, sein gekünsteltes Lächeln hatte seinen Zweck erfüllt. Gerade steuerte er den Helden in der Steppe in Richtung Hylia - See, als eine namenlose Müdigkeit über ihn herfiel, er denn Controller fallen ließ und sein Geist verschlungen wurde, von etwas Mächtigeren, was ihn mit aller Kraft in das Reich der Träume zerrte. Etwas, das sein Dasein besiegeln und Rache nehmen wollte. Link atmete noch einmal tief ein, fühlte sich hin und her gerissen, spürte, wie eine neue Kraft an seinem Bewusstsein zerrte. Gegen die fremde Kraft ankämpfend, verlor er das Bewusstsein. Und als er realisierte, als er fernab dieser Realität war, brannte etwas auf seiner Haut, ein Schmerz auf seiner Brust, dann an seinem Hals, als ob zahllose glühende Eisenstäbe auf ihn niederprasselten. Er konnte nichts sehen, seine Augen waren wie zugenäht, fest verschloss die fremde Macht seine Wahrnehmung. Er wollte schreien, aber seine Stimme war wie ausgelöscht. Und auch an diesem Punkt befahl die grausame Folter den Fortgang der Ereignisse. Plötzlich ging das Feuer, mit dem man ihn quälte unter seine Haut, drang tiefer, immer tiefer, reißend, stromgewaltig, und der junge Mann spürte die Qual gründlicher, in Fleisch, in Knochen, Sehnen zerreißend, seinem Magen quälend. Jene leise Stimme erklang erneut, es war diese schöne Stimme, so rein, die Stimme eines Mädchens, sie rief ihn beim Namen, immer und immer wieder. Dann rief sie um Hilfe… doch Link konnte ihr nicht helfen, er hatte mit seinen eigenen Schmerzen zu kämpfen. Er glaubte schon, nichts könnte schlimmer sein als die Wunden des Feuers, das über seinem Körper aufflammte, da spürte er, wie kleine, spitze, scharfe Eiszapfen auf ihn niederfielen und seinen Körper zurichteten. Knackend fiel das Eis, zermürbte und verätzte die bisherigen Wunden, schien im Wettkampf mit dem Feuer. Link schrie wie am Spieß, spürte seine Stimme heiser werden, schrie unentwegt und konnte dennoch nicht aufhören. Überall bohrte ein fressgieriger Schmerz sich in sein Inneres hinein, doch gegen diese Leiden konnte er nichts unternehmen, er konnte sie nicht stoppen, ahnte, dass er sich im Todeskampf befand… im Kampf mit dem Schicksal… Sara stürmte in dem Augenblick aufgebracht in Links Zimmer. Er lag auf dem Boden, seine Arme ruderten wie wild geworden in der Luft herum und immer noch schrie Link aus Leibeskräften. Sara traute ihren Augen nicht. Sein waldgrünes T-Shirt war fast vollständig verbrannt, und seine Haut darunter übersät mit übelsten Wunden. Fassungslos kniete sie nieder, hielt eine Hand vor ihren Mund und rüttelte an Links Schultern. „Wach auf, Link.“ Doch er ließ sich nicht sofort wecken, sondern brüllte weiterhin seltsame Laute in die Luft. „Um Himmels Willen, wach‘ doch endlich auf!“ Sara gab ihrem Bruder dann eine heftige Ohrfeige. Sein markerschütternder Schrei flaute ab, und wandelte sich in ein durchdringendes Stöhnen, bis Link keinen Laut mehr von sich gab. Langsam schlug er seine blauen Augen auf. „Verflucht…“, war das einzige, was er hervorbrachte. Sein Gesicht verzog sich, als er bei Sinnen war und begriff, dass er diese Wunden auch in der Realität trug. Sara saß neben ihm und weinte. Derweil versuchte Link sich aufzurichten. Sein Körper zitterte abartig und war am Ende seiner Kräfte. Der Siebzehnjährige schaute auf seinen Oberkörper, der aus vielen kleinen Wunden blutete. Er hatte Verbrennungen und Unterkühlungen zugleich. Ihm wurde übel vor Schmerz, obwohl die Verletzungen jetzt nicht so sehr brannten wie im Traum. Link versuchte auf die Beine zu kommen, seine Schwester half ihm, sodass er sich auf ihren Schultern abstützen konnte. Sie schleifte ihn ins Badezimmer… Kapitel 3: Schicksalhafte Entdeckung ------------------------------------ Verwirrt sah Sara ihren Bruder an, von dem sie immer dachte, sie würde ihn kennen, das schien allerdings eine Lüge zu sein. Gemeinsam befanden sie sich im Badezimmer, um Links Wunden zu versorgen. „Link, tut es sehr weh?“, murmelte sie trübsinnig. Er jedoch war bemüht, nicht umzukippen, oder sich zu übergeben. Er fühlte sich erbärmlich und sagte mit kläglicher Stimme: „Geht so…“ „Du Lügner… ich weiß schon, die Frage war einfach nur dämlich.“ Sara betrachtete die Wunden genauer, als Link auf einem Stuhl saß und sich an den Stuhllehnen festhielt. Ihm war schwindelig und er fragte sich, ob er vielleicht nur träumte. „Großer Gott… wer hat dir das nur angetan?“, sprach Sara entgeistert. Dann tupfte sie vorsichtig mit einem Wattebällchen und Desinfektionsmittel über die Blessuren. Link kniff die Augen zusammen und meinte gezwungen: „Wenn ich das wüsste… würde derjenige nicht mehr leben.“ Sara war entsetzt, sie hatte ihren Bruder noch nie so reden hören. Er klang grausam und eiskalt. Auch in seinen Augen lag kein Gefühl mehr. Sie waren geradezu beherrscht von Wut, Zorn und Hass. Vor Schreck ließ sie die Watte in ihren Händen fallen. Reagierte er so, um die Schmerzen zu unterdrücken oder gab es einen anderen Grund? Sara hatte das Gefühl, die Wunden einer fremden Person zu versorgen. Dieser Mensch war nicht ihr Bruder, und vielleicht niemals gewesen, sollte das sein wahres Gesicht sein. „Sara entschuldige“, flüsterte Link. „Ich bin irgendwie durcheinander. Das war… Gerade als ich spielen wollte, überkam mich eine unaufhaltsame Müdigkeit und im Traum wurde ich dann von irgendetwas so zugerichtet. Ich fürchte mich davor… einzuschlafen.“ Sara lächelte und war beruhigt zu wissen, dass sie sich in Link doch nicht ihr Leben lang getäuscht hatte. Vorsichtig sagte sie: „Vielleicht solltest du vorerst nicht Zelda spielen.“ Link begriff mit einem Schlag. Sara hatte Recht. Er hatte gespielt, als er zusammengesackt war. Er hatte gespielt, als er verletzt wurde und wenn er wirklich ehrlich zu sich selbst war, dann musste er sich eingestehen, dass vieles in seinem Leben schief gegangen war, seit er dieses Spiel kannte. Sara legte einen riesigen Verband auf Links Brust und Bauch, als er sprach: „Sara, ich danke dir. Aber ich bitte dich, was immer es auch gewesen ist, erzähl’ Mum und Dad nichts davon, sie würden sich nur unnötig sorgen…“ „Aber Brüderchen“, sprach sie fürsorglich. „Mir wäre es lieber, wenn du damit zu einem Arzt gehen würdest…“ Daraufhin neigte Link seinen Kopf zur Seite und schüttelte abweisend den Kopf. „Aber Link!“, sprach sie lauter. „Bist du des Wahnsinns. Du kannst mit solchen Wunden doch nicht durch die Gegend laufen und so tun als wäre nichts passiert!“ Entschlossen hüpfte Sara auf die Beine. „Ich werde jetzt sofort einen Arzt rufen, ob du willst oder nicht.“ Aber da umfasste Link energisch ihr rechtes Handgelenk und blickte sie befehlend an. „Bitte, Sara…“, sagte er. „Ich kann doch keinem erzählen, dass mir ein bescheuertes Spiel irgendwelche Wunden zugefügt hat… die stecken mich ins nächstbeste Irrenhaus…“ „Aber, Link…“, murmelte sie schwach und sackte dann ebenfalls nieder. Tief einatmend saß sie auf dem Wannenrand und schaute ihren Bruder durcheinander, vielleicht eine Spur aufmunternd an. „Und was machen wir jetzt…“ „Abwarten…“, entgegnete Link, seufzte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Erst jetzt merkte er wie bitter die Folgen der Verletzung auf seine Verfassung schlugen. „Und du versprichst mir, wenn es schlimmer wird, dass wir doch noch einen Arzt rufen…“ Link nickte. „Okay, und du versprichst mir außerdem, vorerst das Zeldaspiel nicht mehr anzurühren!“ Link nickte abermals: „Abgemacht.“ Ihr Bruder und Sara grübelten noch eine Weile über das Geschehene nach, aber konnten alles andere als eine Antwort für dieses seltsame Ereignis finden. Es war eine unangenehme, seltsame Situation, die zwischen den Geschwistern entstanden war. Und obwohl die beiden einander immer sehr wertgeschätzt hatten, sich so nah standen wie beste Freunde und sich vielleicht nicht wie typische Geschwister verhielten, so schuf die Situation eine beklemmende Distanz. Sara war bereits schlafen gegangen und auch Link wusste, früher oder später würde sein Körper Schlaf brauchen. Lange konnte er sich nicht gegen den Schlaf wehren. Wenig später lag der junge Bursche auf seinem Bett und traute sich nicht nur eine Bewegung zu machen. Die Schmerztabletten, die er regelrecht hinunter würgte, wirkten nicht. Wie auch, wenn diese Wunden keinen gewöhnlichen Ursprung hatten. Zähneknirschend versuchte er Schlaf zu finden, bis schließlich die Erschöpfung siegte… Über den Wäldern ging die Sonne unter und tauchte die kleine Stadt in ein zartes rosa- orange. Link schlief bereits, aber seine Träume waren harmlos im Vergleich zu dem Ereignis des Tages. Vermutlich lag es wirklich am Zeldaspiel, dass er diese Hölle durchmachte, was eigentlich unsinnig war. Die Nacht ging schleppend vorüber. Mehrmals wachte Link in der Nacht auf, fühlte das erdrückende Brennen seiner Wunde, stöhnte auf und konnte ab und zu nicht anders als einfach nur einen Schrei von sich zu geben. Himmel, er wusste vorher nicht, wozu Wunden fähig waren. Sie konnten einen Menschen um den Verstand bringen, sie konnten stören und sie konnten töten… Einmal mehr wachte er mit Herzrasen in Schweiß gebadet auf, sich wünschend, er wäre nicht aufgewacht. Sein gesamter Bauch brannte, nur schwerlich unterdrückte Link den Zwang sich zu übergeben. Er fröstelte, warf seinen Kopf hin und her und fühlte etwas Nasses vor Schmerzen über seine Wange tropfen. Er richtete sich begleitet von demütigenden Qualen auf, und bewegte sich aus seinem Bett. Jeder Schritt setzte ihm zu, jede Bewegung tat weh. Er torkelte an einen Schrank, hielt sich mit zusammengekniffenen Augen an einer Holzplatte fest. Aus einer Glasschale nahm er sich drei weitere Schmerztabletten, hoffend, sie würden endlich eine Wirkung zeigen. Er würgte diese hinunter und taumelte zu seinem Bett. An der Kante stürzte er auf seine Knie, fühlte sich zu schwach, um noch in das Bett zu krabbeln und ließ sich mit einem herzzerreißenden Fluchen fallen. Er kniff seine Augen zusammen, wünschte sich, es wäre vorbei. Diese Schmerzen, diese Qualen. Warum hatte er diese durchzustehen? Warum musste ausgerechnet er solche Pein ertragen? Link war immer schon stärker gewesen als andere, sowohl körperlich, auch wenn man es ihm nicht ansah, und seelisch. Viele harte Schicksalsschläge machten aus ihm einen selbstbewussten, mutigen, jungen Mann. Getreu dem Motto: Was dich nicht tötet, macht dich nur stärker, zog er durch die Welt. Doch in letzter Zeit hatte Link einen Teil seiner früheren Stärke eingebüßt. Es war zu viel… Sein Leben verlief niemals nach festen Regeln, das wusste er, doch nun wurde es immer schlimmer. Das Leben stellte zu viele Erwartungen an ihn. Er war ein Jugendlicher, der leben wollte, der Spaß haben wollte. Doch wenn er glaubte, es könnte sich etwas ändern, so kam der nächste überraschende Schlag, dem ihm seine Bestimmung ins Gesicht verpasste. Ebenso wie jetzt jene unerklärbaren Wunden, die niemand anderes durchzustehen hatte. Genervt und angewidert von sich selbst, weil er sich so schwach und hilflos fühlte, legte er eine Hand an seine glühende Stirn und starrte mit leerem Blick an die tote Deckenbeleuchtung. Genauso fühlte er sich innerlich… tot… ausgelaugt… Er wollte kämpfen, sicherlich, aber im Moment war ihm nur noch nach Aufgeben zumute. Das Ziepen wurde stärker, ein Druck baute sich in seinem Inneren auf. Link presste seine Zähne aneinander, verkrampfte sich, bereit die nächste Schmerzwelle über sich ergehen zu lassen. Unaufhaltsam kam der Schmerz. Ein lauter Schrei aus Links Kehle und er verlor das Bewusstsein. Um neun Uhr morgens dröhnte das Geräusch eines schrillen Radioweckers in Links Zimmer umher. Doch niemand hörte es oder schaltete es ab. Niemand außer Link befand sich im Haus. Seine Eltern arbeiteten und Sara befand sich mit ihrer Clique in der Schule. Auf wackligen Beinen lief Link die Treppe ins Erdgeschoss hinunter, schwankend, gefolgt von dem Gefühl, dass sich alles um ihn herum drehte. Er nahm nichts wahr, hörte nichts und interessierte sich für nichts. Normalerweise hatte er heute, wie jeden Freitag, eine Ausfallstunde, was wohl der eigentliche Grund war, warum ihn niemand geweckt hatte, warum nicht einmal Sara nach ihm gesehen hatte. Doch nun war Link dabei, sogar die zweite Stunde zu verpassen. Es war ihm egal. Wie unwichtig Schule war, wenn es andere Dinge gab, die seinem jungen Herzen Sorgen machen konnten. Großes würde geschehen, Großes würde erweckt werden. Irgendwo tief in der Vergessenheit schlummerte es, flüsterte und nicht jeder sollte in der Lage sein, zu hören, was nicht gehört werden wollte. Mühsam schleppte er seinen beanspruchten Körper ins Bad, hielt sich am Waschbecken fest und fragte sich, wer der junge Mann war, der aus einem Spiegel hervor sah. Ein merkwürdiges Gesicht, jugendlich und doch mitgenommen, wenn nicht sogar alt. Unergründliche Augen, so tiefblau wie ein vom Sturm beherrschter Ozean. Er drehte genervt den Wasserhahn auf und tauchte sein Gesicht in das kalte Wasser des Beckens. Da war es wieder… das Stechen, das Brennen. Und niemand konnte verstehen, niemand wollte verstehen. Sich selbst ein wenig bemitleidend schlug er mit seiner linken Faust auf das Spiegelglas, brachte es aber nicht zum Splittern. Schließlich tapste er aus dem Bad hinaus, durchquerte den dunklen Korridor und erreichte die riesige Stube seines Elternhauses. Er nahm den Telefonhörer zur Hand, wählte eine Nummer und hörte am anderen Ende die Stimme einer Sprechstundenhilfe des Arztes, der in Schicksalshort seine Praxis hatte. Er antwortete nicht. Ohne jeden Laut legte er den Hörer wieder auf, wohlwissend, dass es niemanden außer Sara gab, dem er erzählen konnte, was passierte. Er war verrückt. Er musste durchgedreht sein. Ein Spiel konnte niemandem Wunden zu fügen, wenn es lediglich ein Spiel war, das für eine Spielkonsole gemacht wurde. Ein Traum konnte niemand körperlich schaden, weil es nur ein Traum war. Und ein Arzt würde Links gesunden Menschenverstand in Frage stellen, wenn er ihm erzählte, woher diese Wunden stammten. Frustriert und von sich selbst enttäuscht, lehnte sich der siebzehnjährige Schüler zurück, starrte ins Nichts. Ob er nicht wenigstens in der Schule anrufen sollte? Seufzend entschied er sich dagegen. War doch unwichtig, so unwichtig wie alles, so nutzlos wie sein ganzes Dasein. Er stand auf, lief in die Küche um dort eine Flasche mit Wasser zu suchen. Als er sie fand, trank er einen Schluck, würgte noch einen Schluck hinunter, bis dieses Behältnis mit einem Schlag aus seinen Händen fiel. „Link…“, schallte es in seinen Gedanken. Verwirrt drehte er sich um, spähte in alle Richtungen der Küche, aber da war niemand. Diese Stimme war nun so deutlich und nah, als ob jene Gestalt, zu der diese Stimme gehörte, hinter ihm stand. „Link…“ Erneut ein Ruf. Er schüttelte mit dem Kopf, versuchte die Stimme zu verdrängen. Er hatte genug davon, wollte zurück, was man ihm genommen hatte- ein gewöhnliches Leben. Sein wahres Ich. Er schlug seine Hände an seine Ohren und brüllte: „Lass’ mich endlich in Ruhe. Ich will das nicht. Verschwinde aus meinem Kopf!“ Ruhe… Stille… Die Stille wurde jedoch unterbrochen. Den Verstand raubend tutete das Telefon vor sich hin. Link lief langsam darauf zu, hechelte vor Erschöpfung und nahm mühsam den Telefonhörer zur Hand. Es war seine kleine Schwester, die von ihrem Handy aus zuhause anrief, sich wundernd, warum ihr Bruder nicht in der Schule war, und besorgt wegen seiner Verletzung. „Link?“, sagte ihre freche Stimme am anderen Ende. Ein schwaches „Ja“ erklang. „Wie geht es dir, Brüderchen?“, sagte Sara. „Ich wollte vorhin noch nach dir schauen, aber du hast tief und fest geschlafen. Kommst du zu recht?“ Link grinste halbherzig. „Ja, ich komme zurecht…“ Er hauchte die Worte heiser ins Telefon und hoffte, Sara gab sich damit zufrieden. „Kommst du noch in die Schule? Oder soll ich dich entschuldigen?“ „Ich…“, fing er an, überlegte kurz vielleicht noch in die Schule zu gehen, aber gab nicht zu, dass er sich mit der Verletzung herumquälte. „… habe keinen Bock…“, endete er und stützte sein gesamtes Körpergewicht auf dem Tisch ab, auf welchem das Telefon stand. „Brüderchen, bitte ruh‘ dich aus und ruf‘ einen Arzt an, wenn es nicht geht…“, murmelte sie. Sie klang mehr als nur besorgt. „Sara jetzt lass’ mich in Ruhe und hör‘ auf dir Sorgen zu machen“, fauchte er, überrascht, dass er dazu noch die Kraft hatte. „Verdammt, ich rufe an, weil ich mir Sorgen um dich mache und erhalte nichts als deine Gemeinheiten. Da hätte ich mir den Anruf ja auch erübrigen können. Vielen Dank auch.“ Damit legte Sara auf und Link tippte genervt auf den Tasten herum. ,Was machte das schon’, sagte er sich. Sara würde sich wieder abregen… Mit einigen Tabletten, und der Fähigkeit sich von den Schmerzen abzulenken, brachte Link den Vormittag herum. Er saß vor dem Fernseher, sah sich stupide Talkshows an und amüsierte sich über deren Definition von Problemen… Hatten jene Leute doch eine Ahnung, von Dingen, die man wirklich als Problem, Schicksalsschlag oder Prüfung bezeichnen konnte. Menschen, mit billigen Vorstellungen über die Welt. Menschen, denen Worte wie Lebenssinn und Daseinsgrund nichts sagten. Manchmal kam sich Link wie der letzte Mensch auf Erden vor, oder der letzte Mensch aus einer anderen Dimension, in welcher man das Leben mit anderen Augen sah, in welcher viele noch wussten, was im Leben wirklich zählte… Es gab Wichtigeres als die Nachbarin, die nachts heimlich in fremde Fenster schaute. Es gab Wichtigeres als die beste Freundin, die den eigenen Liebhaber ausspannte und es gab tausendmal Wichtigeres als die blöde Ziege im Dorf, die andere nur nach dem fettleibigen Äußeren einschätzte. Doch jenes Wichtige wurde von den meisten Menschen in Links Umgebung nicht mehr wahrgenommen. Gegen ein Uhr mittags kam dann auch noch ein Bote und brachte dem kränklich- wirkenden Link eine volle Ladung von irgendwelchen Werbeprospekten, die er nächste Woche irgendwann in Schicksalshorts alten Gassen verteilen sollte. Schon häufiger hatte er solche Nebenjobs angenommen und nicht mehr damit gerechnet. Fluchend stellte er den riesigen Karton mit dem Zeugs einfach in den Korridor und ahnte, dass er nächste Woche nicht dazu in der Lage wäre, die blöden Werbezettel auszutragen. Es war egal, hatte keine Bedeutung, wie eine selbsterschaffene Macht, von der man glaubte, abhängig zu sein. Während Link im Korridor seines Elternhauses stand, überkam ihn erneut ein seltsames Gefühl, als kannte er sich selbst nicht, als würde das Herz in seiner Brust aus einem Grund schlagen, den er schon lange, viel zu lange vergessen hatte. Er öffnete die Haustür und trat hinaus in den Vorgarten. Frischer Wind wehte um seine Ohren, eine Empfindung, die ihn an etwas erinnerte… Er sah den Unmengen von Grundschülern zu, die fröhlich, sich auf das Wochenende freuend, nach Hause stürmten, sah so viele lachende Gesichter. Gedankenverloren blieb Link stehen und schaute in das märchenhafte Blau des Himmels. Dann hörte er eine Harfe, deren rührende Töne ganz nahe erklangen. Ein trauriges Lied… Link sah um sich, aber konnte den Ort der Melodie nicht ausmachen und genoss das Spiel. Seit wann gab es in der Nachbarschaft eigentlich jemanden, der Harfe spielte? Oder war jemand in das leer stehende Gebäude am Ende der Straße eingezogen? Neugierig lief Link einige Schritte die Straße hinab und blickte zu dem verlassenen Haus, welches umzingelt von Laubbäumen fast unheimlich wirkte. Nein, die Klänge wurden nicht lauter und verrückter Weise auch nicht leiser. Link hörte dem Klang zu, fühlte sich fast ein wenig besser bei jener Melodie und stolperte langsam nach Hause. Doch die Töne verschwanden einfach nicht, auch nicht, als Link sich in sein Zimmer begab, auch nicht, als wieder die Müdigkeit über ihn hereinfiel. Als Sara spät nachmittags heimkam, lag Link schlafend auf seinem Bett und wirkte halb tot mit der Blässe im Gesicht und den Augenringeln. Sie wollte ihn aufwecken, aber er ließ sich nicht wecken, murmelte etwas, aber machte seine Augen nicht auf. Sicherlich machte sich Sara Sorgen, aber was sollte sie denn tun? Sie verstand Link in der Hinsicht, keine ärztliche Hilfe annehmen zu wollen und verstand ihn, wenn er diese Sache selbst überstehen wollte. Sie ging schließlich aus dem Raum und wartete in ihrem Zimmer darauf, dass er seine Augen wieder öffnete. Link wandelte währenddessen schmerzfrei in einer fremden Welt umher. Vor ihm lag ein großes Stück Wald, welches in die orangenen, warmen Farben des Herbstes getaucht war, und erfüllt war von märchenhafter Eleganz. Angezogen von der Schönheit der Natur lief er in den Wald hinein. Er folgte einem abgetrampelten Weg und vernahm die nostalgischen Klänge einer einsamen Harfe. Link lief ein Schauer über den Rücken, fühlte einen kleinen Stich in seinem Herzen, wie den Ruf einer weitentfernten Erinnerung und ging in Richtung jener sanften Melodie, die sein Herz berührte. Wer spielte dieses Instrument nur so einfühlsam und zärtlich? Link konnte nicht anders, als jene Person zu finden… Aufgeregt trat er weiter, lächelte und spürte, er würde etwas finden, das er wie nichts in der Welt vermisste. Der Weg wurde von einem kleinen Bach unterbrochen. Sein kristallenes Wasser umspülte sachte das Gestein. Nun folgte Link dem Bach, der sich mit der Zeit zu einem kleinen Fluss herausbildete. Und dann, umschmeichelt von dem Klang der Harfe und umgeben von den Farben des Herbstes, begegnete ihm sein eigenes Schicksal. Auf einer kleinen Lichtung, die von dem Bach umrahmt wurde, saß auf einer grünen Wiese ein wunderschönes Mädchen und spielte. Sie spielte faszinierend, traurig und verträumt. Link ging auf sie zu. Er konnte gar nicht anders, seine Beine bewegten sich ganz von alleine. Ihre Augen waren noch immer geschlossen, aber Link wusste irgendwie, dass sich darunter ein himmlisches Blau befand. Sie besaß lange, goldene Haare, die im Licht der Sonne glitzerten und im Wind leise wehten. Sie trug ein anmutiges, weinrotes Kleid mit vielen goldenen Verzierungen, war so bezaubernd, und strahlte ihm entgegen, als sie ihre Augen aufschlug. ,War sie eine Göttin‘, sagte eine Stimme in Links Kopf, oder ein anderes wunderbares Märchengeschöpf? Sie sprach leise zu ihm: „Sag’ wirst du mich finden?“ Eine Träne rollte über ihre Wange. Link erkannte diese Stimme aus seinen Träumen. Immer wieder hatte diese Stimme nach ihm gerufen und jetzt, da er die Gestalt sah, die zu der Stimme gehörte, wünschte er sich, sie würde bleiben- in seinen Träumen. Geistesgegenwärtig sagte Link: „Wenn du dich finden lässt.“ Er lief zu ihr, kniete nieder und wollte nur einmal ihre Wange berühren. Aber sie wich zurück und entgegnete: „Verzeih’, du kannst mich nicht berühren. Ich bin nur ein Schatten, nicht mehr als ein Bild in deiner Seele und auch jetzt da ich eine Stimme besitze, so wird sie vergänglich sein und wenn der Tag erwacht, wirst du keine Erinnerung an mich haben, Link.“ „Du kennst meinen Namen, so bitte sag’ mir deinen.“ „Du kennst meinen Namen, kanntest ihn schon immer und sollst ihn niemals vergessen.“ Link kannte dieses Mädchen, ja, sie war immer ein Teil von ihm, aber er hatte keine Erinnerung an sie. „Ich kenne dich, auch wenn ich deinen Namen nicht weiß.“ Sie nickte und blickte ihm tief in die Augen. Etwas stach in seiner Seele, bei den Gefühlen, die ihr Blick begleitete. Sehnsucht… Verständnis… Verbundenheit… „Sag’! Kann ich dich denn finden?“ Sie lächelte, lief auf ihn zu und reichte ihm ihre Hand. Sie war warm und zart. Er hatte fast etwas Sorge sie zu fest zu berühren. „Du kannst mich finden… nur du… bitte hilf‘ mir…“, flüsterte sie, und in dem Augenblick, wo er das Gefühl hatte, alles, was er über sich wusste, würde in Frage gestellt werden, da er sie spürte, wusste er dennoch, dass er alles, restlos alles für sie tun würde. Sie lächelte ihn noch ein weiteres Mal an, schloss die Augen und kippte vornüber. Link fing sie einfach nur auf, hielt sie fest und plötzlich ging sie in ihn über. Link sah um sich, wollte nach ihr rufen, obwohl er ihren Namen nicht aussprechen konnte. Sie war aus seinem Sichtfeld verschwunden, aber er spürte sie. Sie war nahe, sie war in seiner Seele… Link sah noch einmal um sich, erkannte den Wald als jenen, in dem er immer umherlief. Auch den kleinen Bach kannte er… und etwas rief ihn zurück in sein Bewusstsein, erinnerte ihn daran, was er finden wollte und wozu er geboren wurde. Er würde hierher zurückkehren, retten und beschützen… Der blonde junge Mann schrak auf und lag ausnahmsweise mal in seinem Bett. Verstört blickte er zur Uhr, es war gerade einmal kurz nach neun. Rasend zog Link sich an. Die Schmerzen beachtete er gar nicht mehr. Er hatte nur noch diesen einen Wunsch, in den Wald zu gehen. An den Traum vor wenigen Minuten konnte er sich nicht völlig entsinnen, aber jemand oder irgendetwas sagte ihm, er sollte sich auf schnellstem Wege in die Wälder begeben. Link ging auf Zehenspitzen an Saras Zimmer vorbei, die dachte, er würde schlafen. Gerade wollte der Schüler zur Haustür hinaustreten, als er das Auto seiner Eltern die Einfahrt hereinfahren sah, er drehte um und hastete in Richtung Hintertür. Unheimlich, dass er plötzlich eine solche Kraft entwickelte, obwohl er ernsthaft verletzt war. Vermutlich lag es an diesem Drang so schnell wie möglich in den Wäldern zu sein. Nebel kam auf und die Nacht zog über die kleine Stadt. Doch Link raste ohne Pause in Richtung des Waldes, der nur einige Minuten von seinem Elternhaus lag. Der Wald war tiefschwarz und nur wenige Lichtstrahlen beleuchteten ihn noch. „Nein, ich laufe nicht weg, nicht vor dieser Dunkelheit.“ Link ballte die Fäuste. „Also gut, was immer mich dort erwartet, ich werde es überstehen. Wäre doch gelacht, wenn ich nicht herausfinden würde, warum ich eigentlich hier bin“, sprach er zu sich selbst und versuchte zu grinsen. Link ahnte noch nicht, dass er mit diesen Sätzen ein folgenschweres Bündnis einging. Also verschwand der junge Kerl in dem finsteren Wald, hörte die Stimmen der Nacht, Eulen in den Baumkronen, hörte kleinere Tiere durch die Sträucher huschen und ließ sich leiten von einem überwältigenden Gefühl, das er nicht beschreiben konnte. Mit einer Taschenlampe leuchtete er umher, versuchte ruhig und unauffällig zu bleiben und hoffte, er fand, wonach sich sein Herz sehnte. Eine Antwort, mehr erwartete er doch nicht. Eine Antwort auf seine ungewisse Sehnsucht… Plötzlich trat Link in kaltes Wasser. Aha, richtig, das war jener Bach, der in Richtung des Tales floss und sich in einem See ansammelte. Anhand der winzigen Details in der Dunkelheit versuchte sich Link zu orientieren. Das Brummen einer Eule drang an seine Ohren, als er weiter eilte. Vorsichtig folgte er dem Flusslauf, hoffend, er fand den Ort seiner Bestimmung, auch wenn er allmählich an diesem Vorhaben zweifelte. Er hörte sich selbst reden, fragte sich ob er noch bei Trost war, mitten in der Nacht und dies mit seinen schlimmen Wunden hier entlang zu marschieren. Weitere Zweifel gelangten über seine trockenen Lippen und er hörte sich selbst flüstern: „Sinnlos. Absurd. Albern.” Dann versagte plötzlich das Licht seiner Taschenlampe. Verflucht, dachte er. Da hatte er etwas Wichtiges vor, wurde aber auch hier vom Pech verfolgt. Link rüttelte an der Lampe, die kurz aufflackerte, lief noch ein Stück, schaute dann um sich, als er eine kleine Lichtung entdeckte, vor der der Nebel zurückwich und das Licht des Mondes sanft auf das Gras fiel. Die Bäume ringsherum warfen große Schatten… ,War dies ein Traum’, fragte er sich. Er konnte kaum richtig begreifen, was er hier tat, aber spürte eine Sicherheit und ein Gebrauchtsein mit jeder weiteren Minute zunehmen. Seine Wunden brannten ein wenig. Erst jetzt begriff Link, was er tat. Er musste die ganze Zeit teilweise in Trance gewesen sein. Seine tiefblauen Augen glühten im Dunkel, als der Mond kühl und erhellend leuchtete. Zaghaft trat Link näher an jenen Ort, den er erst vor wenigen Minuten in seinen Träumen gesehen hatte. Er war hier, wo der Fluss sich teilte und um einen grünen, grasigen Hügel schnellte. Zaghaft trat er mit seinen Turnschuhen durch das Nass, als der Mond sich ein weiteres Mal am Horizont zeigte. Links tiefblaue Augen blitzten durch die Nacht, funkelten wie jene eines wilden Tieres, als er eine Gestalt ausmachte, die mit dem Gesicht nach unten im Bach lag. Er blinzelte, schüttelte seinen Kopf und fragte sich, ob er jene Gestalt auch nicht einbildete. ,Aber tatsächlich‘, dachte Link. Dort in dem Bach lag jemand mit dem Gesicht im Wasser. Wie ein Irrer stürzte der nächtliche Wanderer auf die Gestalt zu… ließ sich einfach fallen und drehte die Person sanft zu sich. Völlig durchnässt ruhte jemand in Links Armen und er selbst spürte eine Welle der Erleichterung über seinen Körper hereinbrechen. War es wirklich möglich, was hier geschah? Seine Augen leuchteten ein weiteres Mal, als sich der Mond am Horizont zeigte und vergessene Magie diesen Ort heimsuchte. Verunsichert, aber irgendwo auch hoffend, versuchte Link in der Finsternis etwas zu erkennen, sah schattenhaft das Gesicht der Gestalt und sah für kurze Augenblicke die Schönheit eines Mädchens, welche ihm sofort den Verstand raubte… Link zitterte vor Aufregung, rüttelte sie sanft und streichelte über ihr Gesicht. Vorsichtig strich der junge Mann das Haar des Mädchens aus dem nassen Gesicht. Sie hatte langes Haar, wunderschönes Haar. Bemüht ruhig zu bleiben, nicht panisch zu werden suchte er nach einem Puls an ihrem Hals und hoffte sehnlichst, dass es nicht zu spät war, dass sie nicht zu viel Wasser geschluckt hatte… „Hey… bitte…“, sprach er leise. „Bitte… lebe…“ Er bekam sie nicht wach, sprach weitere Worte, aber sie reagierte nicht. Noch einmal tastete er nach ihrem Puls und drückte sein rechtes Ohr auf ihre Brust. Er konzentrierte sich und hörte ihr Herz schlagen, ganz regelmäßig, ganz ruhig. Erleichtert atmete Link tief aus. Sie atmete und ihr Herz schlug. Sie lebte… Hatte sie etwa nach ihm gerufen? War er nur wegen diesem Mädchen hier? Egal wer sie war, oder aus welchem Grund sie hier lag. Unwichtig, wieso Link ihren Ruf hörte, das einzige, was ihn momentan interessierte, war ihr zu helfen. Er nahm sie auf die Arme. Verwundert über ihr Leichtgewicht und schockiert über seine eigenen Kraftreserven, trat er vorwärts. Er hatte ein Ziel und würde nicht eher ruhen, bis sie in Sicherheit war. Entschlossen ging Link aus dem Wald hinaus und huschte wie ein Schatten durch die Schwärze der Nacht. Schicksalshort schlief bereits und niemand bemerkte den jungen Mann, der in dieser Nacht sein Schicksal in vorhergesehene Bahnen lenken würde… Vor seinem in Dunkelheit gehülltem Zuhause blieb er stehen, setzte das Mädchen ab, und warf zielgenau einen Stein an Saras Fensterscheibe. Sie öffnete sofort. Bestürzt schaute sie auf ihren Bruder, ließ ihren Blick schweifen und schaute dann noch bestürzter auf das Mädchen in seinen Armen. „Sara. Kannst du Mum und Dad für mich ablenken?“, rief Link. „Du Idiot, weißt du eigentlich, was ich mir für Sorgen um dich gemacht habe.“ „Ja, ist gut. Aber dieses Mädchen hier braucht dringend Hilfe.“ „Na gut. Beeil dich!“, rief sie und konnte kaum glauben, was hier passierte… Wenige Minuten später trat Link in sein Zimmer hinein. Seine Eltern hatte er wunderbar reingelegt. Sie wussten überhaupt nichts davon, dass er jetzt einen Gast hatte. Das Mädchen auf seinen Armen war total durchnässt, eiskalt und sah mitgenommen aus. Dennoch, als er in den Schein einer Lampe in seinem Zimmer trat, war er von der Schönheit des Mädchens schlichtweg überwältigt. Ein hübsches, eher schmales Gesicht, ohne jegliche Fehlerchen, Unreinheiten oder Makel, welches von einer perfekten Nase, vollen, roten Lippen, einem wohlgeformten Kinn und einer zarten Stirn abgerundet wurde. Ihr schlanker, für Link fast zerbrechlich- wirkender Körper, an dem ebenso alles perfekt proportioniert war, wurde von einem bis zu den Füßen reichendem, weinrotem Kleid mit goldenen Mustern und Verzierungen bedeckt. Lange Ärmel, aber ein eher auffordernder Ausschnitt. Das Kleid lag sehr eng an, sodass jedes Detail ihres anmutigen Äußeren zu bewundern war. Er legte sie vorsichtig auf sein Bett und zog ihr die roten Sandalen aus, die sie trug. Sie hatte nicht einmal ein Paar Strümpfe an. Folglich waren ihre zarten Füße eiskalt. Schnell legte Link eine flauschige Decke darüber. Wenige Sekunden vergingen und Link konnte seine Augen von ihr einfach nicht abwenden. Etwas war da… sie erinnerte ihn an irgendetwas. Aber was? Und noch etwas machte ihn beinahe wahnsinnig: Die Tatsache, dass er sich mit einem Schlag solche Sorgen um sie machte. Er sorgte sich um ein Wesen, das er nicht einmal kannte, er fühlte beinah Angst um sie, obwohl er jenes Mädchen wohl nur zufällig im Wald gefunden hatte. Oder war es gar kein Zufall… war es nicht vielleicht Schicksal? Er hetzte mit einem Sprung zu dem Ölofen und schürte ihn an. Dann stand er jedoch vor einem Problem. Sie war total durchnässt und musste unbedingt von diesem Kleid befreit werden, bevor sie sich noch den Tod holte. Er setzte sich an den Rand des Bettes, verwirrt, warum er sie im Augenblick am liebsten in seine Arme nehmen wollte, verzaubert von diesem wunderschönen Gesicht, das ein noch bezaubernderes Lächeln erschaffen könnte. Er strich sachte ihre goldenen, nassen Strähnen aus dem Antlitz, als sein Blick zu ihrer rechten Hand fiel. Sie umklammerte etwas darin. Vorsichtig versuchte Link ihre zur Faust geballte Hand zu öffnen und den Gegenstand daraus zu lösen. Sie stöhnte leise auf, schüttelte den Kopf im Schlaf und rührte sich dann wieder nicht mehr. Link versuchte es erneut und nahm den Gegenstand an sich. Verwundert betrachtete er sich ein Schmuckstück, das an eine reichlich verzierte, mit Edelsteinen besetzte Tiara erinnerte. Link sah es sich genau an, fuhr über die Verzierungen und legte es auf seinen Nachttisch. Was kümmerte ihn im Moment dieses Schmuckteil. Sie war ihm aus irgendeinem Grund weitaus wichtiger… sie war ihm so vertraut… und wenn ihre Stimme nach ihm gerufen hatte, dann war er für sie verantwortlich. Er beugte sich leicht über sie und wollte lediglich wissen, ob sie regelmäßig atmete. Vielleicht wäre es gut, einen Arzt zu rufen? Aber was sollte Link dem dann erzählen? ,Helfen Sie diesem Mädchen bitte, ich habe sie ihm Wald gefunden, weil sie nach mir gerufen hat…’ So ein Quatsch. Schnell vergaß Link den Gedanken. Außerdem kannte Link ihren Namen nicht, sie hatte nichts dabei, weder einen Ausweis noch irgendwelche anderen Papiere und erst recht keine Versichertenkarte. Welcher Arzt würde sich ihrer schon annehmen? Außerdem sagte ihm sein sechster Sinn, dass es im Moment noch falsch wäre, jemanden um ihre Existenz wissen zu lassen. Sie nahm zwar nur wenige Luftzüge in der Minute, aber sehr regelmäßig, was für Link ein gutes Zeichen war. Sie drehte sich schließlich auf ihre rechte Seite, sodass der grünbemützte Jugendliche sie nicht mehr ansehen konnte und begann zu zittern. In dem Augenblick gingen bei Link die Alarmglocken los. ,Verdammt‘, dachte er, ich muss ihr aus diesem nassen Outfit verhelfen. Kaum einige Sekunden waren vergangen, da trat glücklicherweise Sara in sein Zimmer. Sie warf ihm komische Blicke zu, aber immerhin war dieses Mädchen jetzt in Sicherheit. „Link! Jetzt verrate mir doch mal, was passiert ist.“ Während er seine Augen nicht von der unbekannten Schönheit abwenden konnte, erzählte er ihr die ganze Geschichte… Sara fand das alles einfach ungeheuerlich. Erst diese ernsten Verletzungen und nun die Geschichte mit dem Mädchen, das angeblich seinen Namen rief… langsam aber sicher würde Sara noch durchdrehen. Sie war ja einiges von Link gewöhnt. Aber das übertraf das Maß. „Nun ja, und was wollen wir Mum und Dad erzählen, wenn sie etwas merken.“ Sara runzelte die Stirn. „Ich weiß“, sagte sie um die ernste Stimmung zu verscheuchen. „Wir sagen einfach sie ist deine Freundin.“ Link lief purpurrot an: „Aber Sara.“ Link klang mehr und mehr verlegen. „Das kannst du doch nicht machen.“ Sara nahm ihren Bruder dann beiseite und flüsterte in sein Ohr: „Was anderes, kommt dir ihr Aussehen nicht komisch vor?“ „Was soll schon komisch daran sein, sie ist eben hübsch.“ „Oh, ja, wunderschön in jedem erdenklichen Sinne, nicht wahr? Blonde Haare, sicherlich auch noch blaue Augen, ein roter Mund, der geradezu danach schreit, geküsst zu werden und du sagst nur: ,Sie ist eben hübsch.’“ „Ach Mensch Sara, nun reg’ dich doch nicht gleich so auf.“ „Ich soll mich nicht aufregen. Jetzt hör’ mir doch mal zu, Link. Du weißt doch besser als ich, dass hier irgendetwas gewaltig verkehrt läuft. Dieses Mädchen ist kein gewöhnliches, auch wenn du sie gerne so sehen willst.“ „Aber ich wollte ihr doch nur helfen. Hätte ich sie etwa im Bach liegen lassen sollen. Hätte ich sie ertrinken lassen sollen?“ „Natürlich nicht, aber…“ Link fuchtelte aufgeregt mit seinen Armen in der Luft herum. „Natürlich nicht, aber sie hat hier eben nichts verloren. Ist es das, was du sagen willst?“ So allmählich wurde Link wütend auf seine kleine Schwester. „Sorry, Link, aber irgendwie macht mir ihr Erschienen Angst. Ich weiß nicht wieso, aber mit dem heutigen Tag, hat sich eben etwas verändert.“ Link nickte nur und schaute sich die Fremde in seinem Bett wieder an. In der Tat. Es war an der Zeit für Veränderungen in Links Leben. Es war die Zeit gekommen, da er sein Schicksal und seine Bestimmung erneut verstehen sollte. Es war unumgänglich für ihn dieses Wesen zu finden und erforderlich, für sowohl das Gute als auch das Böse, dass Link sie kennen lernte. „Und was an ihrem Aussehen findest du nun so komisch?“, fragte Link dann noch gereizt. „Ist gut. Ich hatte nur so einen Gedanken.“ Sara blickte auf den Gamecube, der in Links Zimmer stand. Link drehte sich um und murmelte: „Wie auch immer- sie ist total unterkühlt… Ich würde sagen, du gibst ihr etwas von deinen Klamotten… Die könnten ihr doch passen. Ich meine, sie… ist ganz durchnässt… und dann…“ Link wurde von Sekunde zu Sekunde nervöser, wohl bei dem Gedanken, dass irgendjemand diesem anmutigen Geschöpf das Kleid ausziehen musste. Wieso eigentlich? Warum zum Teufel? Sara gluckste geradezu abartig, bis sie schließlich in schallendes Gelächter ausbrach. „Haha… Jetzt ist wohl ganz und gar der Gar aus, mein Lieber… haha.“ Links Mundwinkel verzogen sich und angesichts Saras Demütigungen spannte sich seine linke Faust gefährlich an. „Link, ich habe doch nur Spaß gemacht.“ „Jaja… nur Spaß gemacht. Aber diese Situation hier ist nicht lustig, Sara. Dieses Mädchen braucht sofort warme Klamotten und muss unbedingt gewärmt werden.“ Sara nickte, Link hatte vollkommen Recht. „Gut, mein Brüderchen. Du rennst ins Badezimmer und holst ein Paar Handtücher und eine Schüssel mit heißem Wasser. Wir müssen sie, auch wenn du rot anläufst, von dem Kleid befreien und sie trocknen.“ „Jep, bin schon dabei.“ Und flugs war Link mit Saras Anweisungen aus dem Zimmer verschwunden. Er blickte auf die weiße, runde Uhr, welche im Badezimmer hing, während er eine große Metallschüssel mit warmem Wasser voll laufen ließ. Es war kurz nach Mitternacht. Und irgendwie wusste Link, dass er diese Nacht noch weniger schlafen würde als letzte. Er gähnte und legte eine Hand auf die Wunden an seinem Bauch. Einige kurze Schmerzstiche erinnerten ihn an den Vorfall von vor einigen Stunden… Er brauchte Ruhe und Schlaf. Aber Link würde nicht eher ein Auge zumachen, bis dieses Mädchen außer Gefahr war. Er nahm die Schüssel an sich, aus welcher Dampf stieg, warf sich einige Badetücher über die Schulter und hetzte wieder in das Zimmer. Eine angenehme Wärme strahlte ihm entgegen, als er die Tür hinter sich schloss. Der Ofen hatte seinen Zweck erfüllt. Sachte stellte Link die Schüssel auf seinen Nachttischschrank und warf das kostbare Schmuckstück dabei unabsichtlich dahinter. Mit einem leisen Klappern, auf das weder Link noch Sara Wert legten, landete die Tiara in einem Spalt zwischen Wand und Tisch… Und wieder gab Sara Link Anweisungen. „So, Brüderchen, hilf mir mal, dieses hübsche Wesen aufzurichten, damit ich am Rücken den Reißverschluss dieses teuren Kleides öffnen kann.“ Link tat, wie ihm geheißen. Er setzte sich auf die Bettkante und zog das Mädchen an ihren Armen zu sich heran. Vorsichtig hielt er sie fest und Sara kümmerte sich um den roten Reißverschluss. Verlegen starrte Link an die braunen Holzplatten seines Dachzimmers und hoffte inständig, Sara würde sich ein wenig beeilen. Nach wenigen Sekunden hatte Sara den oberen Teil des Gewandes von dem zarten Körper befreit. Noch immer lehnte die junge Lady an Link, der nur an die Wand starrte. Er spielte den Gentleman und sah nicht hin, sah nicht das cremefarbene, leichtdurchsichtige Korsett, welches das Mädchen trug oder das auffällige Muttermal in Form eines Dreiecks unterhalb ihrer Brust. Auch von dem Korsett musste Sara dieses Geschöpf befreien. „So Link, jetzt schließt du höflicherweise mal deine Augen.“ Natürlich tat er das. „Und nicht nur so tun, als ob“, warf sie hinterher. „Sonst sage ich ihr das, wenn sie aufwacht.“ Davor hütete sich Link. Er wollte nicht gleich zu Beginn einen schlechten, ungehobelten Eindruck machen, auch wenn jene Eigenschaften wohl in seiner Seele lagen. Sara entknotete das Korsett und legte ein großes Badetuch um die junge Dame. „So, du kannst die Augen wieder öffnen, Link. Du warst wirklich artig. Hätte ich dir gar nicht zugetraut“, meinte Sara grinsend. „Du traust mir viele Dinge nicht zu.“ „Vielleicht ist das auch besser so, mein lieber Bruder“, meinte sie noch und lachte. Auch Link rang sich endlich mal wieder zu einem Lachen. Etwas, das er schon lange nicht mehr getan hatte. „Hey? Was war das denn? Du kannst ja sogar noch lachen, Link.“ Er scheute Saras Blick, die langsam verstand, womit sein plötzlich fröhlicheres Gemüt zusammenhing. Dieses Mädchen war der Grund, war der eine Grund, warum Link endlich sein Lachen wiedergefunden hatte. „Ich frage mich, warum sie nicht endlich mal aufwacht… vielleicht sollten wir doch einen Arzt holen, oder zumindest Mum und Dad Bescheid geben“, sagte Sara, als sie die Haare des anmutigen Mädchens mit einem Zopfhalter zusammenband. Link dachte nach, überlegte und fand lediglich letztere Idee tauglich. Ihm war immer noch mulmig bei dem Gedanken, jetzt einen Arzt zu rufen. Was, wenn dieser sie gleich mitnehmen würde? Was, wenn sie irgendwohin käme und sie nicht einmal wüsste, wo und warum. Nein, außer seinen Eltern durfte niemand wissen, dass sie existierte… Er schüttelte mit dem Kopf. „Sara, ich kann dir das vielleicht nicht erklären, aber ich fände es besser, wir rufen jetzt noch keinen Arzt.“ „Sag’ mal. Spinnst du denn? Und wenn dieses Mädchen krank ist und dringend medizinische Hilfe benötigt?“ Link legte eine Hand auf die Stirn des Mädchens und murmelte: „Glaub’ mir bitte, aber ich weiß, dass es ihr gut geht“ Sara schüttelte mit dem Kopf. „Du hast einen Schlag. Tut mir leid, aber das trifft die Sache wohl ins Schwarze.“ „Verdammt, Sara“, fing Link an. Seine Stimme wurde laut und energisch. „Du verstehst das nicht. Sie hat nach mir gerufen, nicht nach einem Arzt. Wenn du so wenig Vertrauen in mich hast, dann ruf’ doch einen Arzt, oder rufe gleich die Polizei. Aber eines weiß ich, bevor hier jemand eintritt, bin ich mitsamt dem Mädchen verschwunden. Und Basta!“ Link sprang auf und brüllte. „Hör’ gefälligst auf, dich hier wichtig zumachen. Sie ist in Gefahr. Sie ist einfach…“ Sara blickte verstummend zu Boden, ein wenig traurig, wie Link sie doch anfahren konnte. „Na gut, ich hoffe, du hast Recht…“ Link blickte ebenso zu Boden. Nachdenklich sah er drein und äußerte: „Ich wollte dich nicht so behandeln, Sorry.“ Sara nickte bloß, aber sah ihrem Bruder nicht in die Augen. Stattdessen zog sie dem Mädchen die restliche Kleidung über den Kopf und rubbelte mit den weichen Handtüchern über die nassen Beine, den nassen Rücken, bis die Dame ganz trocken war. Eingehüllt in Badetücher lag das Mädchen nun auf Links Bett und wieder einmal sah sie unheimlich zerbrechlich für den jungen Mann mit dem grünen Basecape aus. Er setzte sich auf die Matratze und blickte zu den geschlossenen Augen. Ihre Augen bewegten sich schnell. Sie musste träumen… „Sara, siehst du das… sie träumt.“ „Ja, vielleicht träumt sie von dir, du Frauenheld“, sagte sie spöttisch. Link verkniff sich ein Fluchen und erwiderte. „Wenn sie aufwacht, kann ich sie ja gerne danach fragen.“ „Ja, aber erwarte nicht zu viel. Vielleicht ist ihr Charakter wie ihr Äußeres. Eitel. Unnahbar und eigensinnig.“ „Das weißt du nicht.“ „Du aber auch nicht. Was willst du denn von ihr? Sei doch froh, wenn irgendjemand sie abholt. Da sind wir sie wenigstens los.“ Bestürzt sah Link in die graublauen Augen seiner kleinen Schwester. „Ich kann einfach nicht glauben, wie herzlos du doch sein kannst.“ „Und ich kann nicht glauben, wie dumm, naiv und liebenswürdig du sein kannst.“ „Immer noch besser als ein herzloses Monster zu sein. Sara, bitte. Können wir diese sinnlosen Diskussionen nicht endlich beenden?“ „Diese Diskussionen sind nicht sinnlos. Du kannst dieses Mädchen nicht einfach bei uns wohnen lassen.“ „Das habe ich auch gar nicht gesagt. Wenn sie aufwacht, wird sie schon wissen, was zu tun ist.“ „Wenn sie aufwacht!?! Vielleicht liegt sie ja im Koma?“ „Und du wirfst mir vor, ich spinne? Du hast hier den Knall, Sara.“ Verletzt drehte sich Sara um, lief zu der Tür und schlug diese hinter sich zu. „Idiot!“, schallte es von außerhalb. Link schüttelte mit dem Kopf. Wer hatte den angefangen, Ärger zu machen. Er ja wohl nicht. Er hatte sich schon öfter wegen belanglosen Dingen mit seiner fünfzehnjährigen Schwester in den Haaren gehabt. Sie waren eben Geschwister, da kamen solche Streitereien vor… Sara würde sich schon wieder beruhigen, denn in ihrem Inneren wusste sie, dass Link mehr als Recht hatte. Stets hatte sie sich von seinen Einfällen, von seiner Sicht die Dinge zusehen, überzeugen lassen. Und genauso würde es wieder sein… dann, wenn dieses Mädchen ihre Augen aufschlug. Schon seltsam, dass sie einfach nicht aufwachte. Vielleicht war ja etwas Schreckliches mit ihr geschehen. Welcher halbwegs normale Mensch lag schon mitten in der Nacht im Wald, das Gesicht in den Bach gestürzt, wie als wollte sie es verbergen, nicht zugeben, wer sie war? Genauso kam Link diese Gestalt vor… als wollte sie niemandem mehr zeigen, wer sie war. Link lief zu einem Wäschekorb und holte eine dicke Decke daraus hervor. Sorgsam legte er diese über den bewusstlosen Körper einer Gestalt, die ihm so viel sagte, auch wenn er sie nicht kannte. Er blickte in das anmutige, blasse Gesicht und fragte sich heimlich, warum er sich schon wieder solche Sorgen machte? War es sein natürliches Mitgefühl, seine Hilfsbereitschaft und Empathie für die Menschen in seiner Umgebung. Oder lag es daran, dass sie Schlafendes in seinem Herzen berührte? Sie murmelte irgendetwas und schlug ihren Kopf zweimal von einer Seite auf die andere. Link war sich sicher, sie musste einen Alptraum hinter sich haben. Etwas war mit ihr geschehen. Und Verzweiflung, wie auch Angst begleiteten sie. Er nahm ihre rechte blasse Hand in seine beiden, spürte von ihr ein leichtes Drücken, so als wollte sie ihm etwas mitteilen, als wollte sie ihm sagen: ,Hab’ Dank…’ Link begann zu lächeln. Ein ehrliches Lächeln. Auch etwas, wozu ihm in den letzten Wochen und Monaten nie zumute gewesen war. Doch jetzt, da sie hier war… da fühlte er sich, als schien ein warmer Hoffnungsschimmer auf seine erkaltete, niedergebeugte, jugendliche Seele… Er lächelte und es fühlte sich angenehm an. Sara kam zurück und sah das stille, warme Lächeln auf Links Gesicht, das ihre Meinung endgültig änderte. Dieses Mädchen hatte es mit ihrer bloßen Anwesenheit geschafft, einen Eisberg zum Schmelzen zu bringen. „Link?“, murmelte sie. „Hast du weitere Argumente, warum sie verschwinden soll?“, sagte er trocken und löste ihre Hand aus seinen, obwohl sich ihre Finger in seinen festgekrallt hatten. „Nein… ich wollte mich bei dir entschuldigen. Ich hätte deine Entscheidungsfähigkeit nicht anzweifeln sollen.“ „Also bist du einverstanden, dass sie hier bleiben kann?“ „Ja“, sagte Sara kurz und knapp. „Danke, Schwesterchen.“ Sara ging nun eine Spur gefasster und beruhigter aus dem Raum: „Ich werde ein paar Wärmekissen holen.“ „Danke noch mal“, sagte Link, als er sich erneut an den Rand des Bettes setzte. Sara blieb noch kurz in der Tür stehen, was ihr Bruder allerdings nicht bemerkte. Er machte ein zu Tode betrübtes Gesicht und flüsterte: „Es tut mir leid… Es tut mir… so leid.“ Link schien nicht bei Verstand zu sein. Seine Augen blinzelten kurz und schlossen sich dann. Sara ging aus dem Raum, ließ die Tür ins Schloss fallen und lehnte sich dagegen. Sie begriff nicht, was vor sich ging, verstand die Welt nicht mehr. „Link“, seufzte sie, ahnend, dass er bald nicht mehr der nette, junge Mann, ihr Bruder, sein würde. Er machte sich mehr als nur Sorgen um dieses Mädchen. Sein Blick hatte sich ganz und gar gewandelt. Nun lag so viel Gefühl und Wärme darin, soviel Fürsorge und Verständnis. Als Sara wieder kam, saß er immer noch neben ihr und sah sie einfach nur an. „Link“, sprach Sara. Dieser erschrak leicht, als wäre er ganz plötzlich wieder zur Besinnung gekommen. „Ich… Ich weiß, es klingt verrückt- aber ich kenne sie.“ Sara glotzte entgeistert. Aber eigentlich hatte sie derartiges schon geahnt. „Du meinst, du bist ihr schon einmal begegnet?“ Link nickte, wirkte trübsinnig, aber auch zuversichtlich. „Und deshalb willst du nicht, dass wir überstürzt handeln, oder?“ Erneut kam ein Nicken von dem jungen Mann mit dem grünen Basecape. „Na dann, Link, es ist schon spät. Auch wenn morgen das Wochenende beginnt, ich bin hundemüde.“ Link stimmte zu. Es war ein langer Tag gewesen mit verrückten Erlebnissen, die Links ganze Kraft kosteten. Nach einem leichten Seufzen gähnte er und legte eine Hand vor seinen Mund. Sara war verschwunden. Er verspürte einen leichten Wunsch, die Hand des Mädchens zu halten… nicht, weil er sich zu ihr so hingezogen fühlte, sondern weil… Doch erneut begann die Schöne zu zittern und Link legte vorsichtig eine Hand auf ihre Stirn, überrascht von der Sanftheit ihrer Haut. Nein, sie hatte kein Fieber, aber wohl etwas anderes. War es Angst? „Hey…“, sagte er und versuchte sie endlich aus ihren Träumen zu reißen. „Kannst du mich hören?“, fragte er, eine Spur lauter als vorhin. Er berührte eine ihrer zartrosa Wangen und streichelte gegen seinen Willen mit den Fingerspitzen über die dort befindliche sanfte Haut. Sie seufzte etwas, ein Wort, das Link nicht verstehen konnte. „Wach bitte auf…“, murmelte er und wünschte sich, er könnte einfach so dreist sein und sie jetzt in seine Arme nehmen. Sie machte ihn irgendwie… wahnsinnig und zog ihn wie magisch an… Um sich abzulenken trat Link vor sein Fenster und schaute hinaus in die dunkle Nacht. Einzelne Tropfen fielen von dem dunklen Nachthimmel. Er war müde und fühlte nun die Last seiner Augenlider zu nehmen. Außerdem machte sich seine seltsame Wunde bemerkbar. Das Brennen wurde stärker und löste das eher zu ertragende Ziepen ab. Vorhin noch hatte er nicht einen Gedanken an die Wunde verschwendet, da es wichtigeres gab. Ein wunderbares Geschöpf lag in seinem Bett, jemand, von dem er glaubte, er hätte ihn vermisst, jemand, mit einer unvergleichlichen Aura… aber jetzt brannte seine Wunde wieder heftiger. Es wurde ihm schwarz vor den Augen. Er schleifte seinen mitgenommenen Körper in die Küche, wollte sich noch abstützen, griff mühsam an den Lichtschalter, legte diesen aber nicht um und brach in purer Dunkelheit zusammen… Link lag auch eine halbe Stunde später noch in dem Zimmer umgeben von Finsternis. Er schlug langsam seine Augen auf und sah Licht, von dem er nicht wusste, woher es kam. Sanfte kleine Engel des Lichtes tanzten in der Küche umher, in welcher kein Gegenstand mehr zu sein schien. Die Einrichtung war verschwunden. Der junge Mann versuchte sich aufzurichten, aber es ging nicht. Er hatte einfach keine Kraft, alles war so schwer… seine Arme und Beine wie taub. Ein Wind wehte in das hellerleuchtete Zimmer. Er drehte seinen Kopf in die Richtung aus der jener Luftzug rührte und sah eine Pforte in der Küche, dort wo normalerweise der Kühlschrank stand. Helle Vorhänge wehten in dem Wind, der von einem Ort herrührte, der zu einem weitentfernten Paradies führte. Erneut ein Licht, wie jene Strahlen, die lieblich durch den morgendlichen Nebel im Wald fielen. Es blendete, aber Link sah dennoch hin und dann… Einem Engel gleich erschien eine reine Gestalt aus dem Licht, durchquerte die Pforte. Links Augen schlossen sich, um erneut geöffnet zu werden. Das Wesen strahlte in jenem Licht, welches so warm und zärtlich berührte wie die unsichtbare Wärme des Feuers. Sie ging auf ihm zu, kniete nieder und lächelte sanft. Eine Geste des Mitgefühls, die jegliche Schatten in seinem Herzen betäubte. Sorgsam legte sie eine Hand auf die Wunde seines Bauchs, heilte mit einer bloßen Berührung und nahm ihm einen Teil seines Leides. Link blickte in das Gesicht des Engels, erkannte dieses hübsche Gesicht und nahm ihre Hand. Sie zerrte ihn mit einer schnellen Bewegung zurück auf seine Beine. Link blieb angewurzelt im Raum stehen, fühlte sich auf einmal wieder stärker und sah der Gestalt hinterher, wollte, dass sie sich preisgab. „Warte…“, rief er. Als die tanzenden Lichtfunken verglühten, wusste Link genau, dass jenes Mädchen vor ihm stand, welches er gefunden hatte, welches noch nicht bei Bewusstsein war. „Kehr’ nicht zurück durch diese Pforte“, sagte Link leise, suchte ihren Blick, wollte in diese himmelblauen Augen sehen. Er lief auf sie zu. „Komm‘ hierher… in diese Welt…“ „Ich kann nicht“, murmelte sie und blieb ihm den Rücken zugewandt stehen. „Warum nicht? Die Welt, in der ich lebe, hat viele schöne Dinge zu bieten.“ „Und was erwartet mich in deiner Welt, in der anderen Welt?“ „Hoffnung… Vertrauen… Freundschaft…“, murmelte Link, nicht sicher, ob er die Welt, in der er lebte, wirklich liebte und ob es diese Dinge für ihn dort gab. Sie blieb weiterhin wie erstarrt stehen, als Link in ihre Richtung lief. Doch er könnte laufen so lange und so viel er wollte, er würde sie nicht so einfach erreichen. „Bitte bleib’“, sagte Link leise. Eine ehrliche Bitte, ein Wunsch nach Gesellschaft. „Ist das tatsächlich dein Wunsch, Link? Wirst du mir zeigen, was Hoffnung ist, mir vertrauen können und ein Freund sein?“ „Ich werde dir sein, was immer du verlangst und dir weisen, was immer du begehrst zu verstehen. Aber bitte, kehr’ nicht zurück an einen Ort, an dem nichts ist.“ Sie schwebte auf ihn zu, als das Licht um ihren Körper gänzlich verging, als ihre Gestalt lebendig wurde und ihr Körper menschlich. Sie fiel in seine Umarmung, hielt sich fest, suchte Schutz und Wärme, die Link ihr schenken wollte. Ein Lächeln aus zwei leicht traurigen Gesichtern. „Nenn’ mich Zelda…“, sagte sie, bevor Link benommen seine Augen aufschlug. Tatsächlich war er auf seinen Beinen und das Licht in der Küche brannte. Ein wenig entsetzt stand sein Mund halb offen. Was war das? Ein Traum… nein, wohl kein Traum. Vorsichtig betastete er die Haut seines Bauchs, wusste da waren immer noch die Wunden, aber sie brannten nicht mehr so schlimm wie in den letzten Stunden. Langsam zog sich der glühende Schmerz zurück. Die Erinnerung an das Erlebte versank allmählich in den Sphären des Gedankenreiches und doch vergaß Link nicht. Er konnte nicht vergessen… Dieses Mädchen, ihre Aura, ihre Stimme. Ihr Name… Plötzlich kam seine Mutter in die Küche, sah ihren Sohn aufgrund der fortgeschrittenen Zeit missmutig an. „Weißt du, wie spät es ist? Was machst du denn noch hier?“ Link sah kurz auf die Armbanduhr an seinem rechten Handgelenk und riss seine Augen erschrocken auf. Es war schon kurz nach vier… Wo war diese verdammte Zeit hin? Hatte er so lange geschlafen? „Ähm… ich hatte nur Durst.“ „Oh ja. Deswegen trägst du auch immer noch deine Jeans und dein T-Shirt.“ Sie beäugte ihn ganz genau. „Du könntest deiner armen Mutter wenigstens Bescheid geben, wenn du schon abends weggehst.“ Abends Weggehen? „Aber ich war nicht…“ Sie unterbrach ihn. „Sara hat mir erzählt, du hättest noch etwas zu erledigen. Als dein Vater und ich heimgekommen sind, warst du ja schließlich nicht da.“ „Oh… na dann.“ Sara war ja wirklich einfallsreich und schlau. Link musste sich dafür noch bei ihr bedanken. „Könnte ich wenigstens erfahren, was du um Himmels Willen diesen Abend getrieben hast?“ Links Augen wanderten an die Decke, hoffend dort oben würde die Antwort stehen, die er vergeblich suchte. „Ähm…“, stotterte er. „Mal wieder Weibergeschichten?“, sagte sie. Eigentlich traf sie den Pfeil ins Schwarze. Und der arme, gutaussehende, künftige Held hatte einige brenzlige Geschichten hinter sich, die sich um das Thema Mädchen drehten. „Mum, nun hör’ aber auf.“ Sie grinste und meinte neugierig. „Mir kannst du das ruhig erzählen.“ Links Wangen färbten sich vor Wut und Verlegenheit ein wenig rosa. „Es ist nicht so, wie du denkst, Mum“, entgegnete er genervt. „Und ich dachte, du stellst uns endlich mal jemanden vor“, sagte sie keck. „Mum, jetzt ist’s aber genug.“ Sie lachte laut auf, während die Grübchen und Falten an ihrem Mund sich herrlich in die Breite zogen. Sie lief ans Fenster und schloss dieses, da eine kühle Brise von draußen hereindrang. Nach einer Pause meinte sie: „Aber jetzt gehst du ins Bett. Verstanden? Du hast nämlich ganz schöne Augenringel.“ Link nickte und hetzte dann die Treppen zu seinem Zimmer hinauf, sich fragend, wie beim heiligen Deku er es schaffen sollte, seiner Mutter von dem Mädchen zu erzählen, das immer noch schlafend in seinem Bett lag. Er betrat das in Dunkelheit gehüllte Zimmer, durchquerte leise den Raum, bis er vor dem Bett stand. Noch immer schlief das einzigartige Wesen darin tief und fest, noch immer lag sie in der Position, wie schon vorhin. Er tastete nach dem Lichtschalter einer winzigen Lavalampe, die auf seinem Nachttisch stand, als ihm die Tiara wieder einfiel. Er beugte sich über den Nachttisch und sah das edle Stück in einer Ecke, die er nur erreichen konnte, wenn er sich über das Bett beugte. ,Okay‘, sagte er zu sich. Sorgsam stützte er sich auf der weichen Matratze ab, direkt neben dem hübschen Gesicht der jungen Lady. Es war gar nicht so einfach, das Gleichgewicht zu halten. Nur mühsam gelangten seine Arme hinter den Schrank und umgriffen das Schmuckstück. Gerade als er sich mit der Tiara in der Hand aufrichten wollte, verlor er den Halt und krachte auf die Matratze, direkt neben den schlafenden Körper der anmutigen Dame. Es quietschte einmal laut. Aber sie öffnete nicht ihre Augen, sondern murmelte etwas und drehte sich in Richtung Wand. Wieder einmal kam sich Link äußerst dämlich vor, so trottelig und unbeholfen. Die Tiara jedoch landete wieder in einem Spalt und war keiner Erinnerung mehr wert. Link vergaß das dumme Schmuckstück und schob einen bequemen, großen Sessel an den Bettrand, lehnte sich entspannt darin zurück und machte es sich im wahrsten Sinn des Wortes gemütlich. Er zog seine Schuhe aus, legte seinen Kopf auf die eine Armlehne und ließ seine Beine über der anderen hinaus baumeln. So richtig müde war er jetzt zwar gar nicht mehr, aber ein wenig Ruhe würde ihm bestimmt gut tun. Wenige Minuten später war Link auf dem Sessel eingeschlafen… Kapitel 4: Herzensangelegenheiten --------------------------------- Es war weit nach fünf Uhr, als die fremde etwa sechzehn- oder siebzehn Jahre alte Person ihre Augen aufschlug. Sie hatte geträumt, war sich sicher, dass sie sich unbedingt erinnern musste, spürte, dass sich etwas verändert hatte. Sie richtete sich langsam auf, während ihr Kopf höllisch brannte. Durch den schwachen Schein einer Lampe, die warme rote Lichter in das Zimmer warf, konnte sie einen Blick auf den Ort werfen, an dem sie war: ein großer, gemütlicher Raum, in grünen und vor allem bräunlichen Tönen gehalten, ein Schreibtisch, zwei Schränke, eine Couch. Dann wanderte ihr Blick zu der Person, die neben dem Bett wachte. ,Nanu‘, dachte sie ungewollt und kam von seinem Erscheinungsbild zunächst nicht los, betrachtete sich die blonden Haarsträhnen, die ungezwungen in seine Augen fielen, betrachtete sich das sonnengebräunte Gesicht. Wer war dieser schlafende, junge Mann? Und was machte sie hier? Sie starrte ihn eine Weile an, begriff nicht, warum sie es so lieb von ihm fand, dass er neben dem Bett wachte, verstand nicht, warum die Art und Weise, wie er ausgebreitet auf dem Sessel schlief, ihr ein Lächeln auf das Gesicht zauberte. Dann wanderten ihre Hände zitternd an die Schläfen. „Mein Kopf…“, murmelte sie. Erneut schaute sie sich um, fand jedes Detail in diesem Zimmer bewundernswert und gleichzeitig befremdend. Sie stützte auch ihre andere Hand an ihren Kopf bei dem Versuch zu begreifen. Sie suchte nach Erinnerungen, nach etwas, um diese Situation verstehen zu können, aber irgendetwas stimmte nicht… es gab nichts in ihren Gedanken, kein Bild, keine Personen, keine Erinnerungen. Alles war so verschwommen, so leer. Verunsichert hetzten ihre Augen in jede Ecke des Raumes. Sie wollte verstehen, erkennen, erinnern. Aber nichts war da. Nur Ahnungslosigkeit. Unwissenheit und Nichts. Mit jeder weiteren Sekunde, die verging, wurde sie nervöser, ihr Puls raste vor Hilflosigkeit und Anspannung. Das Mädchen konnte sich nicht erinnern, was passierte, wusste nicht, wo sie war, wer sie war, was sie war. Leicht irritiert entfuhr es ihr: „Wo bin ich eigentlich?“ Dann bemerkte sie, als sie aufstehen wollte, dass sie gar nichts an hatte. Erschrocken umhüllte sie sich mit der Decke und ihr Blick fiel wieder zu dem jungen Mann neben dem Bett. Sie sah ihn eine Weile an, wusste, da war etwas… Ein vertrautes, angenehmes Gefühl durchfuhr sie, als sie in sein Gesicht sah. Eine angenehme Empfindung, beruhigend und vertraut. Etwas Warmes glitt über ihr Herz, sanft flüsterte eine Erinnerung… Dann seufzte er leicht im Schlaf und blinzelte. Link gähnte und öffnete schließlich seine Augen vollständig. Als er begriff, dass sie aufgewacht war, rutschte er beinahe vom Sessel und konnte sich gerade noch fangen. Verlegen sah er ihr genau in das Antlitz, und hatte Recht behalten- diese Augen waren wunderschön blau. Sie sahen sich lange an, so als kannten sie einander, als hätten sie einander für eine lange Zeit vergessen müssen, weil es das Schicksal so wollte. Sie zuckte in dem Moment zurück, als die Realität sich wieder einmischte und lehnte sich an die Wand. „Wo bin ich?“ Sie sprach die Worte langsam, hatte fast den Eindruck die Sprache war ihr fremd. Und Link erkannte jene Stimme, jenen Klang aus seinen Träumen. War sie es wirklich? „Du bist im Haus von den Braverys“, sprach er leise. Sie runzelte die Stirn und blickte angsterfüllt in seine Augen. Link meinte: „In…“ Er stoppte seine Worte, als er begriff, wie verunsichernd und schwer diese Situation für das Mädchen war. Wann wachte man schon nackt in einem fremden Haus auf? Eine Spur Befangenheit und ein verwirrter Blick verriet sie. „Du bist hier in Sicherheit. Du… brauchst dich vor mir nicht zu fürchten.“ Sie machte zuerst keine Anstalten ihm in irgendeiner Weise zu glauben, sondern sprach noch einmal bemüht Ruhe zu wahren: „Sagt mir bitte, wo ich bin!“ Link war total verdutzt, als er hörte, wie sie ihn anredete. „Das sagte ich bereits“, meinte er schroff. „Ich wollte wissen…“, begann sie leise. „… in welcher Stadt. Also gut: In Schicksalshort.“ Als sie ein bestürztes Gesicht aufsetzte, sagte er: „ Sagt dir nichts? Wir sind auf der Erde.“ Anstatt eines „Aha“, was Link nun wirklich erwartet hatte, fasste sie sich mit zitternder Hand an den Kopf und sah drein, als hätte sie ein Gespenst gesehen. „Willst du jetzt auch noch die Zeit wissen: einundzwanzigstes Jahrhundert.“ Link hatte eigentlich ein kleines Dankeschön erwartet. Aber jetzt machte er sich Vorwürfe. Vielleicht hätte er sich nicht einmischen sollen- in was auch immer. Er wollte gerade aufstehen und im Zimmer auf und ab gehen, um eine Lösung zu finden, als das Mädchen ihn an der Hand zurückhielt. Überrascht drehte er sich zu ihr und setzte sich wieder. „Ich weiß nicht, was geschehen ist, aber ich danke Euch…“ Diese liebliche… glockenhelle… fast schon melodische Stimme… konnte es denn tatsächlich sein, dass er ihre Stimme bereits einmal gehört hatte? Hatte ihre Stimme wirklich nach ihm gerufen, oder bildete er sich das ein? Auch wenn seine Gedanken ihn verunsicherten, huschte ein Lächeln über Links Gesicht. „Bleiben wir doch lieber bei dem du“, sprach er aufheiternd. Erst jetzt bemerkte Link die tiefe Traurigkeit in ihren Augen, die irgendwie rätselhaft mit Schatten überdeckt waren. Ein seltsamer Schatten, der irgendetwas hinter ihren Augen, direkt in ihrer Seele, verbergen wollte. Sie hielt immer noch Links Hand umklammert. Selbst dieses Gefühl kam ihm irgendwie so vertraut vor. Aber woher? Der junge Mann holte einmal tief Luft und sagte dann ruhiger und gefühlvoller als vorhin: „Ich habe dich in den Wäldern gefunden. Es war vor wenigen Stunden. Du lagst mit dem Gesicht in einem Bach. Ich konnte dich dort doch nicht einfach liegen lassen. Also habe ich dich mitgenommen und an diesen Ort gebracht. Dein Kleid und deine restlichen Sachen hängen dort drüben, neben dem Ofen.“ Sie errötete. „Keine Sorge, meine kleine Schwester hat dir das Kleid ausgezogen. Du warst starr vor Kälte…“ Link kam mit einem Schlag ein Bild zurück in seine Erinnerung: wie sie am Rande des Baches lag, so hilflos, allein, verdammt zu leiden… „Nebenbei, wer bist du eigentlich?“, wollte er wissen. Ihre Augen wurden trüb, dann sah sie zur Seite, während sie mit dem Ring an ihrer Hand spielte. „Ich weiß… es… nicht…“ Link verstand nun die ausweglose Situation dieses Mädchens. Sie konnte sich scheinbar an gar nichts erinnern, weder an ihren Namen, noch an irgendwelche Ereignisse. Er glaubte ihr, warum und mit welchem Zweck, waren andere Angelegenheiten. „Ich bin gerade eben zur Besinnung gekommen und als ich versuchte mich zu erinnern, da… da war alles weg… es…“ Sie suchte nach den Worten, aber es war wie, als konnte sie diese Sprache nicht einmal richtig verwenden. Link sah ihr eine Weile in die Augen, hatte noch nie eine solche klare, himmelblaue Farbe gesehen und konnte nicht anders als sanft und ermutigend zu lächeln. Er konfrontierte sie zugleich mit der Wahrheit. „Sieht so aus, als hättest du dein Gedächtnis verloren, tut mir leid, dir das sagen zu müssen… Mein Name ist Link.“ Er reichte ihr die Hand. „Hey, wir kriegen schon raus, wer du bist, okay?“ Sie nickte und blickte besinnlich in seine Augen. Das erste Mal war die Spur eines Lächelns auf ihrem Gesicht zu erkennen. Sie gab ihm die Hand. Ein Händedruck. Eine Berührung. Ein Lächeln. Und ihm wurde bewusst, dass er für dieses Mädchen alles tun würde. Erst jetzt musterte sie ihn genau, sah seine tiefblauen, ernsten Augen, seine blonden Haarsträhnen, die ins Gesicht hingen. „Link also.“ „Jep.“ „Ich möchte dir und den Menschen in diesem Haus keine Umstände machen… Ich bin auch gleich weg“, sprach sie vorsichtig. „Und wo willst du hin? Mit diesem Outfit wirst du mächtig Probleme bekommen. Du kannst, denke ich erst einmal hier bleiben, natürlich nur, wenn du keine andere Lösung hast.“ Daraufhin ließ sie sich erschöpft zurück ins Bett sinken. Nun bemerkte Link mal wieder die Wunden auf seinem Körper. Er spürte, wie ihm der Schweiß über die Stirn trat. Die ganze Zeit hatte er sie erfolgreich unterdrückt. Doch jetzt kamen sie langsam wieder angekrochen. Sein Atem wurde schwerer. Sein Gesichtsfeld war plötzlich verschwommen. Jetzt hatte er wahrlich Fieber. „Aber…“, sagte sie und verstand die unglaubliche Freundlichkeit ihres Gegenübers keineswegs. Doch der Anflug des Misstrauens von Beginn an, verschwand mit dem Blick in seine Augen. Sie mochte diese unentrinnbare Farbe darin, diese Tiefe, als ob er mit einem Blick hinter jeden Gedanken eines Menschen Herz gelangen könnte. Link griff sich selbst an die Stirn, sie glühte geradezu. ,Ich hätte diese Verletzungen nicht auf die leichte Schulter nehmen sollen‘, sagte er sich. „Ich kann wirklich bleiben?“ Sie sprach ihre Worte etwas sonderbar aus, mit einem sehr fremdartigen Dialekt. „Aber nur, wenn du aufhörst, dir Gedanken darüber zu machen, ob du irgendjemandem Umstände bereitest. Sonst trage ich dich eigenhändig aus dem Haus, verstanden?“ Link setzte sein charmantestes Lächeln auf und blickte verlegen zur Uhr. Hatte er das gerade wirklich zu ihr gesagt? Er wollte sich am liebsten ohrfeigen bei dem Gedanken, dass er mit ihr flirten wollte. „Es ist noch früh am Morgen. Ich bin gleich wieder da und erkläre dir dann einiges“, meinte er schließlich und ging aus dem Zimmer, um im Bad einen Blick auf seine ungewöhnlichen Wunden zu werfen. Das fremde Mädchen blieb noch eine Weile sitzen. Dann fiel ihr die Kleidung neben dem Bett auf. Es war ein enger roter Pullover, aus dünnem Stoff, und dazu eine blassblaue, helle Hose aus einem Material, das sie nicht kannte. Sara gefielen diese Klamotten nicht, war nicht ihr Geschmack, nicht ihre Farben, und nebenbei ein wenig zu eng. Also hatte sie die Sachen mit der Annahme, sie könnten der Fremden passen, als Link und die Dame geschlafen hatten, hier abgelegt. Das Mädchen verstand und zog die Kleidung an- sie passten wie angegossen. Der Pullover stand ihr ausgezeichnet und betonte ohne Umschweife ihre anmutige, weibliche Figur. Draußen war es immer noch dunkel. Im Schein der Lampe trat sie schwankend an den Schreibtisch, auf dem ein schwarzes Buch lag. Aus irgendeinem Grund war sie unheimlich aufgeregt, als sie die goldenen Buchstaben darauf las: ,The Legend of Zelda- Ocarina of Time.’ Neugierig blätterte sie darin herum, fand eine Graphik, die die ganze Seite einnahm und sah sich die Figuren darauf genau an. Links ragte ein königliches Schloss nach oben. Rechts eine dunkle, gefährliche Festung. In der Mitte, von reinem Licht umgeben, ein grünbemützter Junge, einmal als Erwachsener mit einem Schwert in der Hand, ein anderes Mal als Kind mit einer Okarina. Ja, sie kannte das Instrument, ja, sie war sich sicher, sie hatte es einige Male gespielt. Das Buch sah ziemlich mitgenommen aus, so, als wäre es etliche Male angesehen worden. Link trat inzwischen wieder in den Raum, frisch gekleidet, mit gekämmten Haaren und zwei Tassen Tee in der Hand. Die Schmerztabletten wirkten jetzt vermutlich, denn er war fast frei von Schmerzen. Unsicher sah er das Mädchen nun an und suchte nach Worten um für diese Schönheit eine Beschreibung zu finden. ,Eine Göttin‘, fiel im spontan ein… ja, sie verhielt sich wie eine Göttin. Sie stand mit dem Rücken vor seinem Schreibtisch. Sie war ungefähr einen halben Kopf kleiner als Link. Das lange, goldene Haar hatte sie aus dem Zopfhalter gelöst und fiel fast bis zu ihrer Hüfte. Links Blick schweifte sofort zu ihren langen, schlanken Beinen und fand, dass ihr eine Jeanshose besser passte und ihren Körper besser betonte als ein langes Kleid, unter dem diese Beine versteckt wurden. Und was für Beine… eine Schande diese zu verbergen. ,Eine echte Verschwendung von Schönheit‘, dachte Link. Und dieses Mädchen brauchte nicht ein Detail ihres Körpers zu verstecken… Er stutzte und meinte: „Das steht dir sehr gut… Ähm, interessantes Heft nicht wahr?“ Sie drehte sich überrascht, aber nicht verärgert um, da Link sie ohne jede Vorwarnung aus ihren Grübeleien befördert hatte. „Hab’ ich dich erschreckt?“ Sie schüttelte mit dem Kopf und schenkte ihm einen fast lächelnden Ausdruck in dem edlen Gesicht. „Wer ist dieses Mädchen auf dem Bild?“ „Du meinst die Dame mit der Krone.“ „Ja, sie hat so einen gefassten Blick.“ „Das ist… Prinzessin Zelda.“ „Aha.“ Eine innere Ahnung beschlich sie. „Und wer ist sie?“ „Sie ist ein Hauptcharakter eines Spiels…“, sprach er dann. Und auch Link begriff nun, was Sara vorhin schon lange verstanden hatte. Dieses Mädchen hatte eine unheimliche Ähnlichkeit mit einer Spielfigur. Oder sah er gerade nur, was er sehen wollte? „Sie sieht aus wie du- seltsam oder?“, meinte Link, ohne dass er wirklich mit dem Thema anfangen wollte. „Ja.“ „Und du kannst dich an wirklich nichts erinnern?“ „Nein.“ Link wollte sie in ein Gespräch verwickeln, aber sie schien sichtlich genervt und antwortete teilnahmslos: „Das bin ich nicht… sie ist nur eine Spielfigur!“ „Das habe ich auch niemals behauptet, die Ähnlichkeit ist aber verblüffend.“ Sie würdigte ihn keines Blickes. „Okay, vielleicht warst du auf einer Art Feier und die Leute dort haben sich verkleidet.“ Link redete absoluten Stuss, er begann jetzt mit seinen wahnwitzigen Ideen, die eben typisch Link waren. „Wäre es eine Schande eine Prinzessin zu sein?“ „Ja…“, meinte sie trübsinnig. Für einen kurzen Augenblick wurden ihre himmelblauen trauriger als ohnehin schon. „Und es wäre eine Schande eine Spielfigur zu sein.“ „Hin oder her… wir müssen dir einen Namen geben, oder“, sagte Link, als er ihr den Tee reichte. Sie nahm dankend einen Schluck und fragte ihn: „Ja, vielleicht, aber er wäre nicht mein richtiger Name.“ Sie stellte die Tasse auf den Schreibtisch und griff sich an ihren schmerzenden Kopf. Was war nur los mit ihr? Sie fühlte sich so komisch, so fremd, vor allem fremd gegenüber sich selbst. Es war nicht nur die Sprache, die sie doch eigentlich verstand, es waren auch diese ganzen merkwürdigen Alltagsgegenstände, die sie verunsicherten. Sie hatte fast das Gefühl, diese modernen Gegenstände waren ihr überhaupt nicht geläufig. Mit dem Anflug eines Schamgefühls blickte sie zu dem jungen Mann, der im Zimmer stand. Sie konnte ihn kaum belasten und in ihrer Angelegenheiten mit hineinziehen. Sie schwankte ein wenig und fasste sich an ihren trommelnden Schädel. Es hämmerte so entsetzlich… Plötzlich hielt sie eine starke Hand an ihrem Arm davon ab, umzukippen. „Vorsicht. Vielleicht setzt du dich wieder“, sagte Link. Sie nickte und ließ sich auf den Rand des Bettes sinken. „Danke für deine Hilfe. Bist du denn immer so freundlich?“ „Im Großen und Ganzen ja…“, erwiderte er und setzte sich ebenso auf die Bettkante. „Was willst du jetzt tun, nun, da du hier bist?“ Sie zuckte mit den Schultern und der traurige, verlorene Ausdruck auf ihrem Gesicht bedeutete nichts Gutes. Es stand ihr nicht… ein Lächeln gehörte auf dieses wunderschöne Gesicht mit der porzellanartigen Haut. „Alles hier ist so befremdend… vielleicht sollte ich doch gehen…“, sagte sie und schaute aus dem Fenster. Nebel lag in der Dunkelheit gleich einem dicken Schleier, welcher jene Nacht noch düsterer machte. Links Miene verzog sich bei dem Gedanken. Er wusste nicht warum, aber er wollte, dass sie blieb. Er brauchte ihre Anwesenheit aus irgendeinem Grund, obwohl er nicht eine Ahnung davon hatte, wie sie hieß oder wer sie war. „Ich kann dich nicht davon abhalten, zu gehen“, sagte seine einfühlsame, angenehme Stimme. Sie mochte den Klang, den tiefgehenden Klang seiner Stimme. „Nein, das kannst du nicht…“ Nach einer Weile stand Link schließlich auf, nachdem sie sich erneut minutenlang in die Augen gesehen hatten. Sie würde hier nicht verweilen. Wie nur konnte sich Link einbilden, dieses Mädchen hätte einen Grund seine Anwesenheit willkommen zu heißen? Diese beklemmende Situation… unheimlich vertraut. Erinnerung an Abweisung und Sehnsucht… Sie stand ebenso auf und kam knapp hinter ihm zum Stehen. „Ich würde sehr gerne bleiben“, sagte sie. Überrascht wand sich Link zu ihr. „Wirklich?“, fragte er erleichtert und zu tiefst erfreut, als ob sein Überleben von ihrer Anwesenheit abhing. „Ja, ich weiß ohnehin nicht, wo ich hingehen soll… und ich… ich hoffe, dass ich dir nicht auf die Nerven falle, Link.“ „Wahrscheinlich wäre ich froh darüber, wenn du mir auf die Nerven fällst“, sagte er mit einem Hauch Spitzfindigkeit. Sie lächelte beruhigend. Sachte nahm sie wieder ihre Tasse Tee und trank einen Schluck. „Was ist das eigentlich, was ich hier trinke?“ „Kirschtee mit Vanille. Warum?“ „Ich habe das Gefühl, ich hätte so etwas noch nie getrunken… na ja, unwichtig.“ „Das ist nicht unwichtig. Vielleicht hilft es dir, dich zu erinnern.“ „Mmh… hoffentlich.“ Sie lief ans Fenster und starrte in ihre Gedanken versunken hinaus, beobachtete die rote aufgehende Morgensonne hinter den Wäldern. Ein warmer Schein legte sich über die Stadt, über die vielen Einfamilienhäuser Schicksalshorts, über die kleinen geteerten Straßen. Auch das kam ihr seltsam vor, als ob sie nie etwas Derartiges gesehen hätte, als ob sie in einer weitzurückliegenden Zeit zuhause war. „Du sagtest, du hättest mich in den Wäldern gefunden?“ „Ja, in einem Bach… deshalb warst du so durchgefroren“, sagte er langsam und leise, und unterdrückte den aufkommenden Schmerz in seinem Magen. „Ich frage mich, wie ich dort hingekommen bin“, sagte sie und drehte sich zu ihm um. Mit stechendem Kopfschmerz setzte sie sich wieder und hielt eine Hand an ihre rechte Schläfe. „Das ist eine gute Frage“, meinte er. „Es dauert bestimmt nicht lange und du erinnerst dich. Nur Mut“, setzte er hinzu. Sie blickte direkt in seine tiefblauen Augen, versuchte wegzuschauen, aber sein Blick war einfach nur magnetisch. Er kniete aus irgendeinem Grund vor ihr nieder und sah zu ihr auf. „Warum tust du das für mich? Ich meine, warum hilfst du mir?“ „Nun ja, ich bin wohl irgendwie für dich verantwortlich. Schließlich habe ich dich gefunden.“ Sie nickte und versank halb in diesem unwiderstehlich blauen Leuchten seiner Augenfarbe. „Hast du Kopfschmerzen?“ „Ein wenig, ja.“ „Wie wäre es mit einer Aspirin?“ „Einer was?“, fragte sie unschuldig. Link zuckte ein wenig zurück und sich heimlich annähernd schlich ein seltsames Gefühl in seine Gedanken. Wusste sie tatsächlich nicht, was eine Aspirintablette war? Sie wich seinem Blick aus und sah beschämt weg. „Hältst du mich für dumm, weil ich von manchen Dingen keine Ahnung habe?“ Link schüttelte aufmunternd seinen Kopf. „Nein, ehrlich gesagt halte ich dich für alles andere als dumm.“ „Was denn dann?“ „Ähm“, stotterte Link, „… einzigartig.“ Ja, das traf es wohl am besten. „Aber… kommt dir hier denn nichts bekannt vor… Ich meine, diese Gegenstände in meinem Zimmer wie der PC oder der Fernseher?“ Ihr verunsicherter und verzweifelter Blick schenkte ihm sofort eine entsprechende Antwort. ,Dieses Mädchen war vielleicht wirklich nicht von dieser Welt‘, dachte er, kannte viele Dinge der modernen Welt nicht, hatte nicht einmal eine Ahnung davon, was Aspirintabletten waren und musste wohl neben den Erinnerungen, die sie wiederfinden wollte auch anfangen wie ein moderner Mensch zu leben. Er sprang aus seinem fast ritterlichen Niederknien vor ihr auf und holte schnell eine Schachtel Aspirin aus seinem Glasschrank. Sie betrachtete sich die Tablette, als hätte sie so etwas noch nie gesehen, wenn nicht sogar mit ein wenig Misstrauen erfüllt. „Hey, du kannst mir ruhig vertrauen. Das wird dir helfen.“ Sie nickte und schluckte es hinunter. Eine Pause entstand. „Diese Stadt heißt Schicksalshort, sagtest du vorhin.“ Wieder suchte sie seinen Blick. „Mmh.“ „Und dieses Haus? Wohnst du hier alleine oder…“ Link lachte kreischend auf. Das war vielleicht ein Gedanke. „Um Gottes willen, nein, du hast eine sehr lebhafte Phantasie. Man sieht es mir vielleicht nicht an, aber ich bin erst siebzehn und…“ Er setzte sich wieder auf den Sessel vor seinem Bett und ließ die Beine baumeln. „… in diesem Haus wohnen noch meine Eltern und Sara, meine Schwester. Von ihr hast du im Übrigen diese Klamotten erhalten.“ „Oh, da möchte ich mich aber bei ihr bedanken…“ „Das kannst du“, sagte Link lächelnd. „Wenn sie aufgewacht ist. Es ist noch früh am Morgen, vor um zehn steht bei uns keiner am Wochenende auf, also wirst du dich noch ein wenig gedulden müssen.“ Sie spielte mit einem weißgoldenen Ring an ihrer rechten Hand, ein schönes kleines verschnörkeltes Symbol war darauf angebracht. Link sah genau hin und fand, dass es sehr viel Ähnlichkeit mit einem alten Ritterwappen hatte. Eine Art Falke oder Adler war auf dem Schmuckstück dargestellt, und kleine grüne Smaragde dekorierten es. „Allerdings wissen meine Eltern noch nicht, dass…“ Er sprach den Satz nicht zu Ende. Ein unsicheres Gefühl drängte sich ihm auf- die Sicht der Dinge, wenn seine Mum und sein Dad dieses Mädchen so schnell wie möglich aus dem Haus schmeißen würden. Vielleicht konnte sie bleiben, oder vielleicht würden seine Eltern Wege einleiten, jenes Geschöpf ohne Umschweife von ihm fernzuhalten. Ein unschöner Gedanke. Aber warum? Weshalb setzte es ihm zu, wenn sie gleich wieder ging. Wer zum Kuckuck war sie nur? Seine Seelenverwandte? „Deine Eltern werden mich fortschicken, nicht wahr?“ Ein trauriger, verunsicherter Ausdruck in den ohnehin mit Sorgen belasteten himmelblauen Augen stach Link entgegen. Ein Druck baute sich in ihrem Inneren auf. Gerade hatte sie sich ein wenig besser gefühlt, nicht mehr so verloren, so hilflos wie am Anfang. Und sie wusste, dass die Anwesenheit dieses selbstlosen Menschen helfen könnte, zu überstehen, was sie befürchtete, zu erinnern… Ihre Stimme bekam Risse, als sie weiterredete: „Ich weiß nicht… wohin, ich gehen soll… Link“, sagte sie. Ihre Hände krallten sich zitternd in der Decke fest, die auf dem Bett lag. Sie unterdrückte den Zwang vor Verzweiflung zu weinen und kämpfte mit sich selbst und dem Gefühl der Demütigung. „Ich flehe dich an, bitte, lass’ mich hier bleiben. Es ist mir unbegreiflich, wie ich dich darum bitten kann… und noch unbegreiflicher zu verstehen, wieso ich dir Vertrauen schenke, aber….“ Link schüttelte mit dem Kopf und unterbrach sie. Dann zeigte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht, eine beruhigende Geste eines mitfühlenden Menschen. „Wenn du hier bleiben willst, kannst du das. Ich werde nicht zulassen, dass dich jemand herausschmeißt, ja?“ Sie legte eine Hand auf seine linke. „Danke“, sagte sie lächelnd. Dann wurde die ernstscheinende Situation von anderen Geräuschen unterbrochen. Ein Magenknurren, aber erstaunlicherweise nicht von Link, der zugegebenermaßen ein großer Vielfraß war. Die junge Lady errötete ein wenig und sah dann verlegen weg. „Ich nehme an, du hast Hunger“, sagte Link charmant mit einem Grinsen auf dem Gesicht, das dämlicher nicht aussehen konnte. Er half ihr Aufstehen und wies sie an ihm zu folgen. „Ich hoffe, du isst Gemüsesuppe.“ „Na ja… ich weiß nicht“, sagte sie. Aber höflicherweise war sie nicht wählerisch. „Die gab es gestern bei uns. Ein bisschen ist noch übrig. Und soweit ich weiß, war meine Mutter nicht einkaufen. Nächste Woche sind bei uns Schulferien und meine Eltern wollten in dieser Woche in den Urlaub fahren. Deshalb bin ich mir eigentlich sicher, dass es ihnen egal ist, ob ich nun einen Gast habe oder nicht.“ Das klang beruhigend und ausgesprochen ermutigend. Sie wollte diesen Leuten nicht noch mehr Umstände machen als nötig. Sie folgte Link die Treppe hinab, versuchte so wenig Geräusche zu hinterlassen wie nur irgendwie möglich und lief barfuß auf dem kalten Holz entlang. Sollte sie Link etwa schon wieder um etwas bitten? Nein, aus irgendeinem Grund fühlte sie sich unwohl, ihn um noch mehr zu bitten, als sie bereits getan hatte. Es forderte schon ein großes Stück Mut jemanden anzuflehen, bleiben zu können, den man noch nie im Leben gesehen hatte und der zudem noch im gleichen Alter wie sie war, so nahm sie an und, der auch noch so ansehnlich war wie Link… außerdem hatte sie ein merkwürdiges Gefühl im Magen, das ihr beinah befahl, Link nicht noch um mehr Dinge zu bitten… Überraschenderweise drehte er sich um und schaute zu ihren Füßen. „Ist dir nicht kalt an den Füßen.“ „Doch“, meinte sie leise. „Warum sagst du das denn nicht?“, erwiderte Link und öffnete einen Schuhschrank, als sie beide im Korridor standen. „Was für eine Schuhgröße hast du?“ Sie schüttelte mit den Schultern und sagte: „Das weiß ich leider nicht.“ Das hätte Link doch klar sein müssen. So langsam verstand er dieses Mädchen oder hatte er das nicht schon einmal vor langer Zeit? Nachdem die Zwei ein Paar Pantoffeln für die junge Schönheit ausgesucht hatten, liefen sie schnurstracks in die Küche. Link stellte einen kleinen Topf mit der Suppe auf den Elektroherd und wies das Mädchen an, sich auf die gemütliche Eckbank zu setzten, was sie sofort tat. Wenig später aß die Lady mit einem einfachen Löffel die Suppe und genoss das Gefühl etwas im Magen zu haben. Link beobachtete sie, während sie aß. Jeder würde sie beobachten, wenn sie das tat, denn sie aß mit einer solchen Eleganz, dass sich Link zunehmend fragte, ob sie von der Erde stammte. Sie aß vorsichtig, legte dabei großen Wert auf ihre Manieren und musste aus der Sicht anderer dadurch sehr eitel wirken. Link fragte sich, was die Menschen von ihr dachten, die ständig mit ihr zusammen gewesen waren. Was dachten ihre Eltern, wenn sie doch welche hatte. Oder lebten ihre Eltern in höheren Verhältnissen? Vielleicht war dieses elfengleiche Gesicht ja sogar adliger Abstammung? Wundern würde sich Link dahingehend nicht. Er setzte sich zu ihr an den Tisch und grinste, als sie um einen zweiten Teller von dem Eintopf bat. „Du hast gewaltigen Hunger, oder?“ Sie nickte. „Warum legst du dann einen solchen Wert auf Höflichkeit. Du kannst das Essen ruhig in dich hineinstopfen.“ Ihr Mund bewegte sich zu einem Lächeln. Dennoch aß sie wohlerzogen weiter. Nach einer Weile versuchte Link sie wieder in ein Gespräch zu verwickeln und begann: „Als ich dich fand, dachte ich…“ Da war es schon wieder. Dieses erdrückende Gefühl der Besorgnis um ihr Wohlergehen, als ob er sie kannte und sie ihm sehr am Herzen lag. „Meine Schwester und ich dachten, du wachst nicht mehr auf, weil du dich einfach nicht wecken lassen hast.“ Sie leerte ihren Teller mit einem letzten Löffel der Suppe und sagte leise: „Da war dieser Lichtweg… in meinen Träumen.“ „Ein Lichtweg?“ Sie stand auf und lief in ihrer Anmut zu der Spüle, aber sie wirkte unsicher, als ob sie sich nicht sicher war, dass sie den Teller dort hineinstellen sollte. Sie blickte kurz zu Link, der nickte und ihr damit klar machte, dass es völlig okay und richtig war. Mit einem Seufzen stellte sie den Teller in die Spüle. Link konnte währenddessen seine Augen nicht von ihr lassen. Sie war so bezaubernd, so hübsch. Es war seltsam, aber bisher hatte Link noch nie ein Mädchen so attraktiv gefunden, wie jenes, welches er in den Wäldern, bei Nacht und Nebel, gefunden hatte. Ihr goldenes langes Haar war ein wenig zerzaust, aber trotzdem verspürte Link den Wunsch, nur einmal dieses Haar zu berühren. „Ich träumte von einem Weg, den ich entlang ging und dann wurde plötzlich alles echt und nahm Farbe an. Dann bin ich aufgewacht.“ „Dem Himmel sei Dank bist du aufgewacht“, sagte er und trat zu ihr heran. Erneut blickten sie sich stillschweigend an, träumten in gegenseitigen Blicken. Und ohne jede Spur von Zurückhaltung berührte Link einige Strähnen des Haares, das er berühren wollte. ,Verdammt‘, er kannte sie. Sie war echt. Solange schon hatte er von ihr geträumt, ihre Stimme gehört und nun stand sie direkt vor ihm. Er erhielt die Bestätigung, den Beweis, nicht verrückt zu sein. Erleichterung. Sie war wirklich. „Möchtest du eine Bürste?“, fragte er schließlich, um die Situation nicht als das erkennen zu lassen, was sie war. Ein Annähern. „Ja, das wäre lieb“, erwiderte sie leise. Aber keiner von beiden unternahm einen Schritt, um aus der Küche zu gehen. Beinahe erstarrt blieben sie voreinander stehen und suchten etwas in den Augen des anderen. Sie stützte sich mit beiden Händen an der Einbauküche ab, während Link einen weiteren Schritt auf sie zuging. „Ich kenne dich nicht“, meinte sie. „Ich dich auch nicht“ „Macht das einen Unterschied?“ „Nein, das würde es wohl niemals.“ „Gut.“ „Gut“, sagte Link abschließend. Er stand nun direkt vor ihr und legte seine Hände beidseitig ihrer schmalen Taille ebenso an den Küchenschrank. Sie waren einander angesichts der Tatsache, wie wenig sie sich kannten, vielleicht zu nah… In dem Moment wurde die Küchentür schnell geöffnet und die etwas rundliche Meira Bravery kam mit ihrem weißen, langen Nachthemd hereinspaziert. Die rehbraunen Augen noch halb verschlossen, sah sie zweimal hin, um sicher zu sein, dass neben Link noch eine weitere Person in der Küche stand. „Nanu? Was ist denn hier los?“, entkam es ihr ein bisschen zu laut. Ihre großen herausquellenden Augen sagten alles, was Link nicht hören wollte. Natürlich interpretierte sie die Situation sofort ihren Zwecken entsprechend und ging schnellen Schrittes zu dem Mädchen, welches nur knapp hinter einem flehenden Link stand, der hoffte, seine Mutter würde sich nicht im Ton vergreifen. Die junge Lady begutachtend hüpfte sie um jene herum und begann dann zu grinsen. „Mum, es ist nicht so, wie du denkst“, sagte Link, der diesen Satz schon tausend Mal seiner Mutter um die Ohren warf, den sie aber herzlich ignorierte. Sie reichte dem Mädchen grinsend die Hand und meinte: „Guten Morgen, junges Fräulein. Ich nehme an, du bist schon lange hier, nicht wahr?“ Ihr vielsagender, erfreuter Blick schwenkte mit leuchtenden Augen zu Link. Das fremde Wesen sagte leise: „Guten Morgen… ja, das ist richtig, ich bin schon eine Weile hier…“ „Mum, ich muss dir da einige Sachen erklären. Würdest du bitte…“ Link versuchte seine Mutter mit einem gutmütigen Grinsen aus der Küche zu schieben. Jedoch unterbrach sie den verlegenen zukünftigen Helden ohne Scheu und sagte: „Ich verstehe schon…“, meinte sie, da sie sich an das Bild erinnerte, das sie gesehen hatte, als sie in die Küche trat. „Lasst euch von mir nicht stören, aber vielleicht solltet ihr beide euer romantisches Vorhaben in Links Zimmer weiterführen anstatt in der unbequemen Küche.“ Links Kopf glühte in allen erdenklichen roten Farben und fluchend brüllte er: „Mum, ich habe dir bereits gesagt, du siehst da was völlig falsch.“ Meira begann zu grinsen und das Mädchen hinter Link fing herzlich an zu lachen. Die unzweifelhafte Tatsache, dass jene schöne Lady auch zu lachen begann, stimmte ihn noch ratloser. Er drehte sich zu ihr um und sah nur das funkelnde Grinsen in ihren blauen Augen. Er schüttelte frustriert den Kopf und kam sich so dümmlich wie noch nie in seinem jungen Dasein vor. Link fuhr sich nachdenklich durch seine blonden Haarsträhnen und murmelte, ohne dem Wesen in die Augen zu sehen: „Würdest du in meinem Zimmer auf mich warten, ich erkläre meiner Mutter alles, ja?“ Sie nickte und lief in ihrer anmutigen Art aus der Küche. Doch bevor sie endgültig außer Sichtweite war, rief Link ihr noch hinterher: „Ach ja… die Bürste. Schau einfach in den obersten Kasten des Schuhschranks.“ „Danke“, hauchte sie. Link wusste, dass dieses Danke nicht dem preisgegebenen Aufenthaltsort der Bürste galt, sondern seinen Bemühungen, sie aus der Diskussion, welche er mit seinen Eltern ihretwegen führen würde, herauszuhalten. „Also, Mum, ich muss dir einige Dinge erklären. Am besten wir gehen in die Stube.“ Was Link nicht wusste, war, dass jene junge Dame nicht auf sein Zimmer ging, sondern neben der Wohnstube stehen blieb und den Worten lauschte. Wenig später saß Meira mit Link auf der Couch und hörte sich seine Bitte an, nachdem er ihr die ganze Geschichte, ausgenommen ihrer Stimme, die ihn rief, erzählte. „Ich habe sie in den Wäldern liegen sehen und konnte sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen“, sagte er leise. „Mum, ich bitte dich darum, dass sie bleiben kann. Sie fühlt sich hilflos und weiß nicht wohin sie gehen soll. Außerdem…“ Er fand nicht den Mut, die Worte auszusprechen, die gerade in seinen Gedankengängen herum kreisten. Außerdem… brauchte er sie… „Du willst ihr wirklich helfen, die Erinnerungen wiederzufinden, Link?“ „Ja, und ob ich das will.“ Sie stand auf und lief grübelnd einige Schritte in der Stube auf und ab. „Link, das ist nicht so einfach, wie du dir das vorstellst“, erwiderte sie. „Warum nicht, sie könnte ja einfach so etwas wie ein Pflegekind sein, bis sie ihre Erinnerungen wieder hat. Ihr habt früher schon einmal ein Pflegekind aufgenommen“, argumentierte er. Er würde restlos alles tun, damit das fremde Mädchen hier bleiben konnte und wenn er einen lebenslangen Streit mit seinen Eltern anzettelte. Er würde nicht zulassen, dass sie ging. „Das war doch damals eine ganz andere Situation“, meinte sie laut. Gerade da kam Links Vater herein, sich fragend, warum seine Frau schon auf den Beinen war. Er war ein eher untersetzt wirkender Kerl mit kurzgeschorenem, schwarzem Haar und hatte dieselben graublauen Augen wie Sara. Er rückte die große Brille auf seiner Nase zurecht und blickte abwechselnd von Link zu Meira. „Morgen ihr Zwei, was ist denn los?“, war sein erster Satz. Und Link erzählte die Geschichte zum zweiten Mal: „Die Kurzfassung. Ich habe in den Wäldern ein bewusstloses Mädchen gefunden, sie mit hierher gebracht und als sie aufwachte, hatte sie keine Erinnerungen daran, wer sie war oder was sie gerade getan hatte. Und jetzt weiß sie nicht weiter…“ Meira und Links Vater, namens Eric, tauschten Blicke aus. Skepsis, aber auch Zuversicht. Die rundliche Dame mit einem durchdringenden, ernsten Gesicht lief händeringend auf Link zu. „Also…“, sprach Meira kritisch. Link ahnte es, jetzt kam die Demütigung. Seine Eltern würden sie fortschicken. Sofort dachte er daran, dem Mädchen zu sagen, dass sie unerwünscht war und gehen müsste. Es war aus. Er stellte sich das verzweifelte, wunderschöne Gesicht vor und kniff aussichtslos seine Augen zu, als er es in seinen Gedanken erschuf. Warum setzte es ihm so zu, wenn sie ging? „Also…“, wiederholte Link für seine Mutter. „Ich weiß, dass sie bei uns nichts zu suchen hat und ich ahne, was du sagen willst: Schick’ sie zur Polizei. Oder schick’ sie ins Einwohnermeldeamt. Und dann auf Nimmerwiedersehen. Zum Teufel mit ihr.“ „Link, das habe ich nicht gesagt“, meinte seine Mutter. „Aber sie ist eine Fremde. Du weißt nichts über sie. Du kennst ihren Namen nicht, ihre Vergangenheit. Und womöglich stimmt etwas nicht mit ihr.“ Das fremde Mädchen neben der Stubentür sah mit bangem Blick zu Boden, unterdrückte die aufkommende Hilflosigkeit und den gemeinen Druck in ihrem Inneren ganz auf sich alleine gestellt zu sein, in einer Welt, die ihr so fremd war, in einer Zeit, die sie für merkwürdig hielt… „Das ist mir egal“, sagte Link gedämpft. „Und wenn sie ein Monster wäre, würde ich ihr helfen wollen.“ Mit sich selbst kämpfend trat Link zu dem Kamin in der Wohnstube. „Warum, Link? Warum ist dein Mitleid für sie so groß?“, sagte sein Vater, um auch endlich mal das Wort zu erheben. „Es ist kein Mitleid…“, fuhr er seinen Vater an. „Entschuldige… es ist wohl eher Mitgefühl“, setzte er ruhiger hinzu. Meira runzelte die Stirn und Links Vater lief in die Richtung, wo seine Frau stand. „Bitte, ich flehe euch an. Lasst sie bleiben. Sie wird niemanden schaden.“ „Link… du bist ein verständnisvoller, junger Mann. Das respektiere ich. Aber das ist uns leider nicht möglich. Wir können sie nicht einfach hier aufnehmen und so tun, als wäre nichts geschehen. Was, wenn ihre Eltern sie vermissen oder andere Leute nach ihr suchen?“, sagte sein Vater. Link schwieg. „Es tut mir leid, mein Sohn. Aber du wirst ihr jetzt sagen müssen, dass sie gehen muss. Wir können sie vielleicht noch zur Polizei bringen, aber mehr auch nicht.“ Eine kleine Träne lief dem anmutigen Geschöpf über die rechte, zartrosa Wange, als sie neben der Tür wartete und sich umdrehte. Sie rannte schnellen Schrittes die Treppe hinauf, hinein in Links Zimmer und kauerte sich in dem Sessel zusammen. ,Was jetzt‘, sagte sie zu sich selbst. Ein Schlussstrich. Wohin sollte sie gehen, wenn sie nicht einmal jemandem vertrauen konnte, wenn sie keine Ahnung hatte, wohin. Sie wusste, da war Gefahr… irgendwo da draußen suchte jemand nach ihr und diese Sache machte ihr unheimliche Angst. Nur hier fühlte sie sich sicher und irgendwie aufgehoben. Aber das war vorbei. Nur wenige Stunden hatte sie hier verbracht und dennoch setzte es ihr zu, diesen Ort wieder verlassen zu müssen. Sie versuchte nachzudenken. Überlegte, was sie tun könnte… aber es gab nichts zu tun. Ihre Situation war ausweglos. Warum hatte Link sie überhaupt gefunden… es wäre besser gewesen, er hätte sie gelassen, wo sie war. Dann würde sie vielleicht jetzt nicht wach sein, sie würde sich nicht so hilflos fühlen, so allein und verlassen. Sie legte ihre Füße hoch und wartete auf Link, der ihr mitteilen würde, es war Zeit zu gehen. Der Abschied kam, ohne dass ein Wiedersehen richtig begonnen hatte… Link starrte seinen Vater in die graublauen Augen, die er hatte und schüttelte stur mit dem Kopf. „Ich werde sie nicht fortschicken.“ „Link. Jetzt sei doch vernünftig.“ „Ich war nie vernünftig“, entgegnete er, „Und ich habe nicht vor, meinen Charakter zu ändern.“ „Nenn’ mir einen plausiblen Grund, weshalb du sie hier haben willst“, betonte sein Vater. Dieser Satz brachte ein austüftelndes Grinsen auf Meiras Gesicht zum Vorschein. „Weißt du Liebling, wenn du das Mädchen sehen würdest, könntest du sie auch nicht mehr weglaufen lassen. Unser Sohn hat sich in jemanden verguckt.“ Link wurde fuchsrot im Gesicht, aber verdrehte seine Augäpfel. „Das stimmt doch mit keiner Silbe“, entgegnete er genervt. „Wenn ich ein junger Mann in deinem Alter wäre, hätte ich das aber.“ Die rundliche Frau gab ihrem Mann einen Stups an den Arm. „Ach Liebling. Lass’ den jungen Leuten doch ihren Spaß“, sagte sie. Verwirrt und im nächsten Augenblick mit einem Hoffnungsschimmer auf dem ansehnlichen Heldengesicht sah Link in die Augen seiner Mutter. Dann lächelte sie und beeindruckte damit sogar ihren ernsten Gatten. „Du willst das Mädchen doch nicht einfach hier wohnen lassen, oder?“, murmelte Eric Bravery verwirrt. Meira lächelte und sah ihren Sohn aufmunternd an. „Weißt du, Eric…“, begann sie. „In all der Zeit, in der Link nun schon bei uns ist… in all den Jahren hat er uns noch nie um etwas wirklich Wichtiges gebeten, er hat immer dankbar alles angenommen, egal, was es war… Ich denke, wenn er sich so ins Zeug legt, hat das seine Gründe. Und ich möchte nicht anfangen eines unserer Kinder zu enttäuschen oder nach neuen Maßstäben zu erziehen.“ Link blinzelte und konnte kaum begreifen, was mit seiner Mutter los war. Aber alles, was er im Augenblick gegenüber ihr empfand war Dankbarkeit, unglaubliche Dankbarkeit. „Und es stimmt ja, wir haben vor einigen Jahren ein Pflegekind gehabt und sind noch immer verzeichnet. Ich weiß, was wir tun werden, ich habe eine Idee“, sagte sie dann. Sowohl Link, als auch sein Vater sahen sie völlig aufgelöst, beinah entgeistert an. Sie lief im Raum auf und ab und erklärte: „Link, du weißt, dass dein Onkel Jonas bei der Polizei arbeitet.“ Der junge Mann nickte, wusste aber nicht, worauf Meira hinauswollte. „Ich werde ihn anrufen und die Sachlage schildern. Das heißt nicht, dass das Mädchen bei uns wohnen kann, aber wir können zunächst einmal veranlassen, dass alles seinen geregelten Gang geht. Wir werden mir ihr zum Präsidium fahren, wo vermutlich geschaut wird, ob jemand vermisst wird. Vielleicht muss das Mädchen auch durch eine medizinische und psychologische Begutachtung… Es könnte ja sein, dass es einen weniger erfreulichen Grund gibt, weshalb sie in den Wäldern lag…“ Link zuckte verunsichert zurück: „Du meinst doch nicht, ihr hat irgendjemand etwas angetan…“ Der Gedanke machte ihn nicht nur traurig, sondern beinah wütend. Er spannte seine Fäuste und hoffte inständig, dass niemand Hand an sie gelegt hatte, oder er würde denjenigen… Link blinzelte dann und fragte sich, ob er noch bei Verstand war. Er hatte gerade den Gedanken gehabt, dass er jeden umbringen würde, der er sich wagte, ihr ein Haar zu krümmen… „Okay…“, murmelte der Oberstufenschüler dann und hoffte inständig, dass mit dem fremden Mädchen alles in Ordnung war. „Und was ist, wenn keiner sie vermisst, was machen wir dann?“ „Dann können wir herausfinden, ob es eine Möglichkeit gibt, dass sie zu einer Pflegefamilie kommt“, sprach Meira grinsend. „Es ist okay, mein Sohn…“ Sie trat zu ihm und lächelte aufmunternd. „Ich weiß zwar nicht, was es ist, aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass sie nur bei dir sicher aufgehoben ist.“ Sie legte eine Hand auf die rechte Wange ihres Sohnes. „Und ich weiß, dass es unter den jungen Leuten in Schicksalshort kaum eine so zuverlässige und verantwortungsbewusste Person wie dich gibt, auch wenn du diese Eigenschaften mir gegenüber nicht gerade zum Ausdruck bringst…“ Sie schmunzelte und setzte noch hinzu: „Wir werden schauen, was wir tun können.“ Link nickte und murmelte ein leichtes ,Danke‘ über seine Lippen, dann schaute er zu Boden. „Sie ist etwas Besonderes, nicht wahr?“, sprach Meira grinsend, auch da nickte Link, nun leicht verlegen. „Wir ruhen uns noch ein wenig aus und werden in ein zwei Stunden mit ihr zur Polizeiwache fahren. Erklär‘ ihr die Situation, ja?“, setzte Meira hinzu und drehte sich zu ihrem Gatten um, der ebenfalls nickte. In die Angelegenheiten, was die Kinder und das Haus betraf, mischte er sich ohnehin nicht gerne ein. Und auch in dieser Situation vertraute Eric Bravery ganz auf die Urteile seiner Ehefrau. „Jep, das werde ich“, meinte Link erfreut und lächelte jetzt ebenfalls. Erleichtert rannte er die Treppen hinauf und wollte der Fremden die guten Neuigkeiten berichten. Lächelnd öffnete er die Tür zu seinem Zimmer und wunderte sich zunächst, wo die junge Schönheit war. Besorgt schaute er sich im Zimmer um und fand das zerbrechliche Geschöpf in dem Sessel liegen. Ihre Augen waren geschlossen. Schlief sie etwa? Vor ihr niederkniend sagte er sanft: „Ich habe gute Neuigkeiten für dich. Wir haben eine Lösung gefunden, Zelda.“ Zum Teufel? Was war ihm da rausgerutscht? Zelda? Oh ja… natürlich Link. Drehst du jetzt vollkommen am Rad? Er gab sich selbst eine Ohrfeige für diesen peinlichen Ausrutscher und fragte seinen gesunden Menschverstand, wieso ihm das passieren konnte. Zelda? Heiliger Strohsack, nur gut, dass sie schlief und nicht gehört hatte, was ihm da passiert war. Doch so falsch, wie Link diesen Namen für ihr Wesen fand, war er gar nicht. Und die Dame bräuchte einen Namen. Wenn sie schon hier war, konnte Link sie nicht immer mit Du oder Hey oder Hallo, du Fremde, anreden. Und jener Name, war ohne Zweifel genau der Richtige für dieses Mädchen, denn allein schon ihre Seele trug ihn… Dann bemerkte er die kristallenen Tränen auf ihren zartrosa Wangen… Hatte sie etwa geweint? Link tat diesen Gedanken als seiner merkwürdigen Phantasie entsprungen ab und kramte nach einer Decke. Er deckte sie wieder zu. Sie murmelte etwas Unverständliches und kauerte sich noch weiter zusammen. In dem Augenblick spürte Link einen gemeinen Schmerzstich in seinem Magen. Richtig die Wunden… diese hatte er ja auch noch. Er nahm sich ein weiteres Schmerzmittel und trank den kalten Tee aus seiner Tasse, die noch im Zimmer stand. Er wischte sich einige Tropfen des Getränkes von seinen Lippen und ging für eine halbe Stunde aus dem Zimmer. Er lief ins Badezimmer, und begutachtete dort seine verrückten Wunden. Er löste den Verband, der klebrig auf der Wunde haftete, blickte sich die Blessuren angeekelt an. Die Wunde nässte und noch hatte der Heilungsprozess nicht wirklich eingesetzt. Link ließ sich mit freiem Oberkörper auf den Boden sinken und fragte sich, wie lange er solche Wunden ohne medizinische Hilfe noch ertragen könnte. Er tat sich ein wenig schwer einen frischen Verband umzulegen, schaffte dies aber, streifte sein grünes T-Shirt über den Oberkörper und ging dann erneut in sein Zimmer. Er musste das Mädchen leider aufwecken, um ihr die Neuigkeiten zu unterbreiten. Als er eintrat, hörte er ein Rascheln von der anderen Zimmerecke. Das Mädchen war aus ihrem kurzen Schlummer aufgewacht und stand mit einem traurigen Ausdruck auf dem Gesicht gegenüber von Link. Noch immer war das goldene Haar zerzaust… Sie verschränkte ihre Arme, schaute aus dem Fenster und hatte einen bekümmerten Blick in den wunderschönen Augen. „Sag’ es nicht. Es hätte mir klar sein müssen…“, sagte ihre zittrige, glockenhelle Stimme. Wovon redete sie? Link war für einen Augenblick völlig sprachlos. Sie lief auf ihn zu und brachte den Versuch eines Lächelns hervor. „Du… du hast es versucht…“, murmelte sie und nahm seine linke Hand in ihre beiden. „Du bist Linkshänder…“, meinte sie schwach. „Ja“, war alles, was er hervorbrachte. „Ähm… vielleicht sehen wir uns irgendwann wieder, Link“, sagte sie gedämpft und kämpfte damit, bettelnd vor ihm auf die Knie zu fallen. Aber das würde sie nicht, nein, dafür war sie viel zu stolz. „Leb’ wohl“, sagte sie und lief in Richtung Tür, als Link sie überraschend an ihrem rechten Handgelenk festhielt. Er versuchte es mit einem Grinsen, um von der Verlustangst abzulenken, die er verspüren würde, wenn sie verschwand. „Jetzt habe ich meine Eltern überzeugt, bedroht und um den Verstand gebracht, damit wir irgendeine Lösung finden und du willst trotzdem gehen. Also… das ist ein wenig… ähm… unglücklich für mich, weil ich dann…“ Ihr Gesichtsausdruck erhellte sich. „Du hast sie überzeugt?“ „Ja, das habe ich, wenn auch mit anfänglichen Schwierigkeiten und auch wenn noch nicht gesagt ist, dass du bei uns bleiben wirst… aber wir haben eine Idee, was wir tun können… Ich lass‘ dich nicht alleine…“, murmelte er und biss sich gleich wieder auf seine Lippen. Es war ja schön und gut, dass seine Eltern seine Sichtweise verstehen konnten und niemand das fremde Mädchen im Stich ließ, aber musste er gleich so rührselig werden? Sie zwinkerte und legte erfreut und den Tränen nahe eine Hand über ihren Mund. Sie wollte ihm gegenüber nicht weinerlich wirken, aber… „Danke, Link“, sagte sie und wischte einige blasse Tränen unter ihren Augen weg. Link begriff irgendwie. „Du hast gelauscht, oder?“ Sie nickte bestätigend. „Hey, kein Grund jetzt noch darüber nachzudenken, oder?“ Sie lachte heiter auf. „Und das nächste Mal, hörst du dir das Gespräch, welches du belauschst, bis zum Ende an, glaub’ mir, das ist effektiver. Klar?“ „Klar“, stimmte sie zu und ärgerte sich über ihre voreiligen Schlussfolgerungen. Sie dachte wirklich, sie müsste einfach so gehen ohne irgendwelche Unterstützung in einer ihr fremden Welt, ohne Anhaltspunkt und Sicherheit. Doch jetzt? Sie wusste mit Links Hilfe war der größte Teil dessen, was sie zu bewältigen hatte, schon siegreich überstanden. „Also… was wird jetzt mit mir passieren?“, meinte sie und ließ sich wieder auf das grüne Sofa sinken. Link nahm neben ihr Platz und erklärte ihr die Umstände und vor allem auch die Tatsache, dass sie gemeinsam nachher zum Polizeipräsidium fahren mussten. Er klärte sie darüber auf, wie die Dinge standen und welche Möglichkeiten sie nun hatten. Und er machte ihr deutlich, dass die Befragung auf der Wache nicht das Angenehmste für sie sein würde. „Vielleicht wird ein Arzt dich untersuchen…“ „Warum? Ich bin eigentlich körperlich völlig…“, begann sie, als sie aber die Unsicherheit in Links blauen Seelenspiegeln entdecken konnte und abbrach. Und da lag noch mehr in diesem unentrinnbaren Tiefblau. War es Angst? „Die Frage ist, ob es nicht etwas gibt, was du nicht weißt…“, murmelte Link. Und auch sie verstand. Er redete von den Wunden, die vielleicht nicht sichtbar waren. „Dein Gedächtnisverlust muss einen Grund haben…“ Sie krümmte sich auf dem Sofa ein wenig zusammen und starrte einfach ins Leere. „Du meinst ein Gewaltverbrechen, nicht wahr…“, murmelte sie. Link zuckte mit den Schultern und blickte sie aufmunternd an. „Nun ja, letztlich weiß niemand etwas darüber, was geschehen ist… Hauptsache, es geht dir soweit gut.“ Er lächelte tiefgehend und ein Teil dieses mutigen Lächelns ließ auch das junge Mädchen sich entspannen. Auch sie lächelte dann. „Du bist ein Schatz, Link.“ „Äh…“, sagte er verlegen und hielt eine Hand hinter seinen Kopf. „Sag’ das bloß nicht noch mal, sonst bilde ich mir zu viel darauf ein.“ Sie lächelte ihm entgegen und zusammen gingen sie hinab in die Wohnstube. Link zeigte ihr dann das gesamte Haus, auch wenn sie noch nicht wussten, wie lange sie hier bleiben würde. Der Oberstufenschüler führte sie in den Keller, wo sie sich von den Getränken bedienen konnte, zeigte ihr den Dachboden, wo neben sinnlosem Schrott noch ein alter Bogen stand, den Garten und am Ende das Badezimmer. „Möchtest du ein Bad nehmen, bevor wir zur Polizei fahren? Das würde dir gut tun und entspannt.“ „Ja, gerne.“ „Warte. Ich hole dir frische Handtücher.“ Geschwind verschwand Link aus dem Raum. Sie drehte mit Links hilfreichen Anweisungen die Heizung auf und schloss das Fenster. Warum verstand sie sich so gut mit ihm? War das in Ordnung? Es erschien ihr, als würde er ihr alles aus den Augen ablesen können. Er war wirklich ein Schatz oder ein Schutzengel… Es war keine vierundzwanzig Stunden her, dass er sie gefunden hatte und sofort, ohne etwas dafür zu verlangen, hatte er sich ihrer angenommen, seine Zeit für sie geopfert, seine Eltern überzeugt, ihr zu helfen. Warum tat er das? Dann probierte sie, den Wasserhahn aufzudrehen und ein heißer Strahl floss in die Wanne, gerade als sie testen wollte, wie warm das Wasser war, umfasste eine starke Hand ihren Oberarm. „Nicht. Das Wasser ist glühend heiß. Du verbrennst dich noch daran“, sagte Link, der wieder einmal schnell gehandelt hatte. „So langsam komme ich mir stumpfsinnig vor, weil ich von nichts eine Ahnung habe und mich ständig bei dir bedanken muss. Das muss dir auf den Geist gehen…“ „Ach Quatsch. Ich helfe gern. Und damit du dir keine Sorgen machen musst, du brauchst dich nicht für jede Kleinigkeit bei mir zu bedanken. Es ist okay.“ Und schon wieder. Allein seine verständnisvollen Worte hätten Lob und Dank verdient. Sie nahm ihm das Badetuch ab und schaute zu den Behältnissen mit Duschgel, wohlriechender Körpermilch und anderen Dingen. In dem Augenblick griff sich Link leise aufstöhnend an seinen Bauch, hasste die brennende Wunde und wusste, er konnte seinen Körper nicht noch mit mehr Tabletten voll stopfen. „Alles okay?“, fragte sie sanft. Ihr Blick verriet, dass sie ihn versuchte zu durchschauen. „Ja“, stotterte Link. „Es ist nichts.“ Aber sie wusste irgendetwas stimmte nicht. Der junge Mann neben ihr kam ihr immer rätselhafter vor und sie wusste, er hatte Probleme, die er jedoch nicht zugeben wollte. Doch sie würde herausfinden, was ihn belastete, genauso wie sie ihn noch besser kennen lernen würde. Eines Tages würde sie in sein Herz sehen können. Doch was sie dann fand, könnte sie beide in Probleme bringen… Link drehte den Wasserhahn auf die kälteste Stufe und beobachtete das Mädchen, als sie vor dem Spiegel stand und ihre Haare zusammenband. „Bei deinen langen Haaren hat es wohl keinen Zweck, sie zusammenzubinden…“, murmelte er und stellte sich hinter sie, blickte ebenso in den Spiegel und dachte ungewollt, wie gut sie beide doch zusammenpassen würden. ‚Himmelhochjauchzend, jetzt wird’s ernst‘, dachte er. Kläglich sendete er eine Bitte an seine vorschnellen Gedanken, sie würden aufhören, solchen Mist von sich zu geben. Sich wünschend, er hätte seine Gefühle ein wenig besser unter Kontrolle, griff er sich an seine warme Stirn, sich fragend, ob diese so glühte, weil er eine schreckliche Wunde hatte oder weil dieses wunderschöne, anmutige Geschöpf direkt vor ihm stand. „Äh, ich meine, du kannst die Haare nach dem Bad ruhig föhnen. Weißt du, was das ist?“ Sie schüttelte mit dem Kopf. In ihrer Welt gab es wohl keine elektrischen Geräte. Peinlicherweise erklärte er ihr dann auch noch diese Angelegenheit, betonte, dass sie den Fön auf keinen Fall ins Wasser fallen lassen sollte, und zog sich grinsend aus dem Bad zurück. Doch bevor er ganz hinter der Tür verschwand, schaute sein Kopf schmunzelnd durch den Türspalt. „Glaubst du, du schaffst den Rest ohne mich oder brauchst du weiterhin meine Hilfe?“ Verlegen öffnete sie ihren Mund und wollte ihn für seine dreiste Art zurechtstutzen. „Du möchtest wohl zu schauen?“ Nun war es an Link beschämt drein zu gucken. Diese Dame konnte wohl genauso gutmütig hinterhältig sein wie der künftige Held selbst. „Ich könnte dir den Rücken schrubben.“ Jetzt trieb Link das Spielchen erst Recht auf die Spitze. „Du könntest auch gleich zu mir in die Badewanne steigen.“ Aber mit so viel Ungeniertheit und Flegelhaftigkeit hatte er nicht gerechnet. Es war aus. Sie hatte ihn mundtot gestellt. Zum Teufel, das hatte doch noch niemand geschafft. Mit hochrotem Kopf schloss Link die Badekur und hörte selbst im Korridor noch ihr angenehmes, liebliches Lachen… Ein Lachen, das ihn tatsächlich um den Verstand brachte. Wieder erkannte er diese Stimme aus seinen Träumen… Wissend es war Bestimmung, sie zu finden, folgte er ebenso lachend den Treppenstufen hinauf ins zweite Stockwerk, um sich ein wenig auszuruhen. In einem anderen Raum des Hauses hüpfte Sara froh und munter aus ihrem Bett. Bereit für den Tag öffnete sie das Fenster, genoss den Sonnenschein und die weißen dicken Wolkenbällchen, die am Horizont vorüberzogen. Sie lief aus ihrem Zimmer, erspähte hastig einen Blick auf ihre Armbanduhr, welche auf acht Uhr stand und ging zuerst in die Küche, um zu sehen, ob ihre Mutter schon auf den Beinen war. Aber niemand war in der Küche. Also, und zur Freude ihrer Eltern und ihres zwei Jahre älteren Bruders setzte sie Kaffee auf, erwärmte die restliche Milch und steckte eine Toastbrotscheibe nach der anderen in den Toaster. Dann hörte sie das laute, dröhnende Geräusch des Föns vom Badezimmer aus. Sie wunderte sich. War ihre Mutter doch schon wach? War doch sonst nicht ihre Art? Und niemand sonst in diesem Haus föhnte sich die Haare. Link beispielsweise ließ seine Haare immer von der Luft trocknen, selbst wenn tiefster Winter war. Recht hatte sie… denn egal, was er tat, eine richtige Erkältung hatte sich ihr großer Bruder noch nie zugezogen. Und wenn er sich in ein Klassenzimmer vollgepumpt mit Viren setzte. Noch nie hatte er sich bei irgendjemand angesteckt… Eine weitere von Links Ungewöhnlichkeiten… Sie folgte dem Geräusch und stand in Kürze vor der Badezimmertür. Sie klopfte. „Mum, bist du da drin?“ Keine Antwort. Stattdessen wurde die Tür geöffnet und ein Paar leuchtende blaue Augen blickten sie durchdringend an. Sara fiel sofort auf, was für eine schöne Farbe diese Augen hatten. Ein Blau genauso klar wie das von Link, nur ein wenig heller und nicht so durchdringend tief. „Ähm… hallo. Du bist ja aufgewacht“, sagte Sara und begutachtete ihre Kleidung an der Dame. Die junge Lady nickte und sagte kurz und ruhig: „Guten Morgen.“ Sara grinste: „Du kannst froh sein, dass diese Klamotten mir ein wenig zu groß sind und zu eng. Sonst müsstest du jetzt nackt rumlaufen.“ Sara wollte mit ihr ins Gespräch kommen, und was eignete sich da besser als etwas Humorvolles. „Ja, danke. Du bist Links Schwester?“ „Ja genau, auch wenn man es mir nicht ansieht. Und du, wie heißt du?“ Die Fremde ging aus dem Badezimmer und lief in die Küche. Links Schwester wusste ja noch nichts davon, dass sie ihr Gedächtnis verloren hatte. Ihre Hände zu Fäusten geballt, meinte sie. „Das ist leider nicht so einfach. Ich wünschte, ich könnte dir sagen, wer ich bin, aber das weiß ich leider nicht.“ Sara setzte sich mit der fremden Schönen an den Frühstückstisch. „Das musst du mir erklären“, sagte Sara und ergänzte, „Willst du was von dem Toast?“ Das Mädchen ohne Namen schaute Sara ein wenig ratlos an, begriff aber dann was Toast war, als Sara ihr eine Schüssel damit gefüllt reichte. „Ich bin vor einigen Stunden aufgewacht und erinnerte mich an nichts mehr. Es war alles weg, wie als ob ich vorher noch an einem anderen Ort gewesen wäre…“ Sara biss genüsslich von ihrer mit Marmelade bestrichenen Brotscheibe. Sie schien nicht überrascht zu sein und blickte das Mädchen nur aufmunternd an: „Na ja, kann man halt nichts machen. Ist nun mal passiert, dass du hier bist. Willst du Milch oder Kaffee?“ Milch war dem Mädchen irgendwie vertrauter als Kaffee, demnach entschied sie sich für das Erstere. „Milch, bitte.“ „Mit Honig?“ „Ja, gerne.“ Sara grinste: „So trinkt Link die immer. Er trinkt gar keinen Kaffee. Weiß der Teufel warum, aber Milch liebt er.“ Die Fremde lächelte leicht und musterte Sara nun genau. Links Schwester hatte tatsächlich keine Ähnlichkeit mit ihm, was nebenbei nicht möglich war. Sara wirkte ziemlich ungehobelt auf die Menschen ihrer Umgebung, was sicherlich an ihren frechen blaugrauen Augen lag, ihrer kurzen Frisur und der Tatsache, dass sie liebend gerne grüne Kleidung trug. Wie eine kleine Koboldin erschien sie, zwar nicht rabiat, aber extrem unverschämt. Sie hatte außer dem Aussehen, viel mit Link gemeinsam und ließ sich ihren Mund nicht verbieten. „Sind meine Eltern einverstanden, dass du vorerst hier bleibst?“ „Ja, das sind sie. Link hat ihnen vorhin alles erklärt und nachher fahren wir zur Polizei. Vielleicht gibt es irgendwo eine Vermisstenmeldung. Link hat das alles arrangiert…“ „Das ist echt lieb von ihm, nicht wahr?“ „Er ist ein sehr guter Mensch. Das weiß ich, seit ich aufgewacht bin…“ Sara grinste: „Ja, allerdings und gutaussehend, aber das brauche ich dir nicht mitteilen, das sieht man auch so…“ Nach der Bemerkung blickte die Schöne weg. „Aber die Art und Weise, wie er vielleicht einen Eindruck bei den Menschen hinterlässt, ist rätselhaft. Er schleppt viele Probleme mit sich herum und tut manchmal nur so, als wäre er fröhlich. Manchmal kommt es mir vor, als würde ich ihn nicht kennen… das solltest du wissen, wenn du schon hier bist und das verheimliche ich auch nicht vor dir.“ Die Fremde verstand die kleine Warnung. „Aber egal. Wo ist denn der Held überhaupt?“ „Held?“, sagte die junge Dame dann. Sara kicherte daraufhin und erwiderte: „Das erkläre ich dir später, wenn wir einen Namen für dich gefunden haben“, meinte Sara mit einem Wink. „Aber dein Alter könnten wir schätzen“, ergänzte Sara noch. Das Mädchen mit den schwarzbraunen, kurzen Haaren stand auf und holte einige weitere Teller aus dem Schrank, deckte schnell den Tisch und ging mit der Fremden aus dem Raum. „Ich würde meinen, du bist in etwa so alt wie Link.“ Die Unbekannte stimmte dieser Sache zu. „Gibt es irgendeinen Namen, der dir gefällt?“, fragte Sara und lief den Korridor zu Links Zimmer entlang. „Nein.“ „Und welche Namen findest du gut?“ „Ach, ich weiß es wirklich nicht. Das ist gar nicht so einfach“, erwiderte die Fremde. Sara drehte sich zu ihr um, besah sie sich von unten bis oben und grinste unverschämt: „Ich habe eine Idee, aber Link köpft mich dann, wenn ich das laut sage.“ Die Fremde öffnete ihren Mund, wollte wissen, was Sara mit ihrer Heimlichtuerei bezweckte, aber diese kicherte nur und meinte noch: „Der Name würde zu dir passen, wirklich, aber Link wird sicher nicht begeistert davon sein.“ Die Fremde zuckte teilnahmslos mit den Schultern. „Egal, ich brauche nur einen Namen, unwichtig welchen.“ Sie erreichten das Zimmer von Link und klopften, aber es öffnete ihnen niemand. „Nanu? Ist er denn nicht in seinem Zimmer?“ „Ich weiß nicht“, sagte das unbekannte Mädchen. „Er sagte nicht, dass er fortgehen wollte. Ich dachte, er wäre in seinem Zimmer.“ Sara klopfte erneut, aber Link schien nicht da zu sein. Ohne weiter zu überlegen, traten die zwei Mädchen in sein Zimmer und fanden ihn schlafend auf dem Fußboden. Sara rüttelte an seinen Schultern und gab ihm dann einen Klaps an seine rechte Wange. „Link?“ Schläfrig machte er die Augen auf, setzte sich aufrecht und gähnte. „Mensch Sara, wie spät ist es denn?“ Die Fremde stand hinter ihm und zuerst registrierte er sie nicht. „Es ist halb Neun? Du bist eingeschlafen“, sagte Sara. Links Erinnerungen kamen wieder und seinen Kopf schüttelnd murmelte er unabsichtlich: „Wo ist überhaupt Ze…“ „Was?“, sagte Sara laut. Hämisch begann sich ihr Gesicht zu einem Grinsen zu verziehen. „Nichts.“ Link drehte sich um und sah die schöne Unbekannte lächelnd an der Tür stehen. „Lust auf Frühstück, Brüderchen?“ „Jep“, meinte Link und sprang vom Fußboden auf. Er ließ sich seine Schmerzen erneut nicht anmerken und schauspielerte. Es ging eben gegen seinen Stolz vor der Unbekannten den Jammerlappen zu spielen und somit tat er so, als wäre nichts, ignorierte das Brennen, versuchte das Schwindelgefühl zu unterdrücken. Link erzählte Sara schließlich ausführlich davon, wie sie nun weiter verfahren würden. Und so verging die Zeit wie im Fluge und auch seine Eltern frühstückten und machten sich bereit für den Tag und auch bereit für den Weg zur Polizei. Als Link gemeinsam mit dem unbekannten, bildhübschen Mädchen aus der Haustür trat und seine Eltern mit Sara bereits im Wagen saßen, wussten sie beide, dass sich in den nächsten Stunden viel für sie entscheiden würde. Sie atmete tief durch, blickte hilflos über die Straße, zu den Häusergruppen, den Autos, der Straßenbeleuchtung, all‘ dies sah sie vielleicht heute zum ersten Mal, und sie hatte das erdrückende Gefühl, dass diese Welt zu groß und zu neu für sie war. Sie suchte noch einmal das Verständnis in Links tiefblauen Augen, als er eine Hand auf ihre rechte Schulter legte. „Wir kriegen das hin, ich verspreche es dir…“, murmelte der junge Mann. Sie schloss kurz die Augen und ließ sich von ihm zum Auto führen. Er half ihr beim Einsteigen und half ihr mit dem Gurt. ,Egal, was passierte‘, schwor sich Link, ,er würde sie nicht im Stich lassen… niemals…‘ Und so fuhr der VW mit den Braverys und der unbekannten Schönheit in Richtung Stadtzentrum, als die Sonne am Himmel von grauen Wolkenschleiern ummantelt wurde… Kapitel 5: Auf der Polizeiwache ------------------------------- Die Braverys schwiegen während der gesamten Fahrt zum Polizeipräsidium. Sara hatte sich Kopfhörer in die Ohren gestopft und hörte ihre irische Musik, die leise in dem Auto herum säuselte. Alle außer Link und seinem Schützling waren entspannt. Link kam die Fahrt beinahe wie eine Ewigkeit vor. Trübsinnig sah er das Mädchen neben sich immer wieder an. Sie schien sich in ihren Gedanken verloren zu haben, schaute zu ihren verkrampften Händen. Sie wirkte so unglücklich und verzweifelt, alleingelassen, so traurig, dass Link mehr und mehr den Wunsch hatte ihr diese ganzen Unannehmlichkeiten zu ersparen. Aber es ging nicht anders… das wusste auch er… Als ein hässliches Nebelgewand die Kleinstadt Schicksalshort überzog, parkte Eric Bravery seinen VW Tiguan auf dem großen Parkplatz direkt vor dem gigantischen, grauen Gebäude des Polizeipräsidiums. Es war kühl geworden außerhalb und winzige Regentropfen schmückten die Scheiben des Wagens. Mit bangem Blick schaute das blonde Mädchen nach draußen, hatte noch nie ein so eigentümliches und merkwürdig konstruiertes Gebäude gesehen. Sie hatte etwas Sorge, sie könnte sich darin vielleicht verlaufen. Wie ein riesiger, grauer Kasten mit jeder Menger viereckiger Glasscheiben erhob sich das Polizeipräsidium auf seinem Grund und übertraf die nebenan befindlichen Wohnhäuser und Geschäfte um ein Vielfaches. Und diese Gebäude… diese Welt wirkte irgendwie… kalt… „Wir sind da“, sagte Link sanft, war bemüht sie mit keiner Aussage zu überfordern und blickte die unbekannte Schönheit aufmunternd an. Sie seufzte und nickte bloß. Als die Braverys bereits ausgestiegen waren, saß sie noch immer auf dem mittleren, hinteren Sitz und fummelte aufgeregt an ihrem Gurt herum. Sie warf Link einen hilflosen Blick zu, der die Situation sofort verstand. Sie wusste nicht, wie sie den Gurt lösen konnte. Er half ihr mit der Angelegenheit und erhielt einen weiteren, sehr beschämten Blick. Verlegen legte das Mädchen eine Hand über ihre Augen und seufzte. Ob das noch mit ihrem Gedächtnisverlust erklärbar war? ,Es war ja nicht nur der Gurt‘, dachte sie still. Es war einfach alles seit sie aufgewacht war. Diese Welt um sie herum, sogar der Wagen, in dem sie saß. Es war erschreckend für sie gewesen, mit welcher Geschwindigkeit das Auto durch die Stadt gefahren war… durch eine Stadt, in der alles befremdend auf sie wirkte. Selbst diese mit komischem Material beschlagene Straße, auf der mehrere Wagen fuhren. Für die Kürze eines Augenblicks fragte sie sich, wo die Pferde und Kutschen waren… Und auch Link zweifelte an einem gewöhnlichen Gedächtnisverlust. Er hatte von Leuten gehört, die ihr Gedächtnis verloren hatten. Aber bestimmte Aspekte waren unbewusst und die meisten Leute wussten sich dennoch in der Welt zurechtzufinden. Diese unbewussten Dinge wie einen Gurt zu lösen, musste das fremde Mädchen doch eigentlich wissen… Er packte ihre Hände und half ihr aus dem Auto, spürte aber sofort, wie unsicher sie war. Sie zitterte und war käseweiß im Gesicht. „Bist du soweit in Ordnung?“, hauchte Link. Sie blickte ihn daraufhin noch hilfloser an als vorher und sah den Tränen nahe zu Boden. Dann rieb sie sich über die mit dünnem rotem Baumwollstoff überzogenen Arme. Kränkelnd und schwankend folgte sie dem Weg und fragte sich, wohin dies alles führen sollte. Ihre Existenz… Diese Welt… Die Fäden des Schicksals, die sich gerade verhedderten… Sie durchquerten eine riesige, sich drehende Glastür und blieben alle fünf am Empfangsschalter der Polizeiwache stehen. Auch das Innere des Gebäudes war so kalt für das Mädchen… graue Wände… merkwürdige Bilder, die hier und da hingen und seltsame Möbelstücke… Es war Meira Bravery, die sich sofort um alles kümmerte. Die kleine Dame in Uniform am Empfangsschalter wirkte freundlich und engagiert, rief sofort die zuständigen Personen an, auch Meiras Schwager Jonas Carter, und Vater von Links Cousin Rick, wurde verständigt. Er war Abteilungsleiter und hatte die Möglichkeit, dass der Fall der unbekannten Schönen schneller behandelt werden konnte. Kurze Augenblicke später marschierte Jonas Carter, gepflegt in einem dunkelbraunen Anzug, zu dem Empfangsschalter. Es war ein muskulöser, schlanker Mann mit kurzgeschorenem Haar und eher kühl und distanziert. Er reichte Meira eine Hand und begrüßte die Braverys kurzangebunden. Seine Aufmerksamkeit galt eher dem fremden Mädchen. Und nicht nur er blickte sie interessiert an, auch die meisten Anwesenden musterten sie neugierig. Sie fühlte die vielen Blicke in ihrem Genick, aber wusste scheinbar damit umzugehen. Stur blickte sie mit ihren himmelblauen Augen jeden an, der sie zuvor gemustert hatte und es erzielte Wirkung. Die Anwesenden sahen alle verlegen weg. Links Mund stand halb offen, als er sie dabei beobachtete. ,Von wegen hilflos‘, dachte er. Dieses Mädchen war jedenfalls alles andere als ein Feigling. Dann grinste er… aus irgendeinem Grund mochte er das… Meira verständigte sich dann mit Jonas: „Also, was wird jetzt gemacht?“ „Nun, ich habe mit meinen Kollegen gesprochen“, meinte dieser. Er besaß eine sehr durchbohrende Stimme, etwas wirsch und aufbrausend. „Wir müssen jetzt erst einmal eine Vernehmung machen, dann kommt eine medizinische und psychologische Begutachtung. Dr. Dar Gordon wird die Untersuchung machen. Es wäre wohl angenehmer für sie…“ Und er deutete mit seiner Hand zu dem Mädchen, das etwas hinter Link stand. „… wenn wir eine Ärztin hier hätten, aber auf die Schnelle hatten wir keine andere Möglichkeit.“ ,Dr. Dar Gordon‘, dachte Link verwundert. Ja, er kannte diesen Arzt. Er war wegen den unumgänglichen Impfungen bei diesem Kerl vorstellig gewesen und erinnerte sich nicht gerne daran. Nicht, weil dieser Mann unsympathisch war, aber jener liebte es geradezu seine Opfer, zu denen auch die Schüler im Gymnasium gehörten, zu quälen. Spritzen waren seine Leidenschaft, aber unter seiner harten Schale hatte er einen sehr netten und weichen Kern, das wusste Link. Vielleicht war es ganz gut, dass er das fremde Geschöpf untersuchte und kein anderer… „Folgt mir bitte“, meinte Jonas Carter. Gemeinsam tapsten die Braverys mit der unbekannten Schönen vorwärts, bis sie vor einem Aufzug in die dritte Etage stehen blieben. Überfordert sah das blonde Mädchen sich überall um. Da waren so viele neue Gegenstände, die sie verwunderten und irritierten. Maschinen bewegten sich und komische Geräusche drangen über den Flur. Selbst die Menschen hier, alle von sonderbarer Kleidung umhüllt, saßen diese vor Maschinen, mit denen sie nichts anzufangen wusste. Das nächste seltsame Erlebnis sollte die Fahrt mit dem Aufzug sein, selbst dies kam der Fremden mehr als sonderbar vor. Dann endlich gelangten sie in die dritte Etage, wo sich auch die Abteilung für Vermisstenmeldungen befand. Tief durchatmend ließ sich der Beamte Jonas auf einem schwarzen Ledersessel in seinem Büro nieder. Ein hübscher, großer Raum mit Garderobe, Kaffeemaschine und neustem PC. Er lehnte sich zurück und blickte misstrauisch in die Augen der Unbekannten. Er war von seinem Beruf her immer kritisch zu jedem Klienten und meinte bestimmend: „Du hast also dein Gedächtnis verloren.“ Er verlieh dem Satz einen Klang nach Ironie. Das Mädchen nickte und sprach sachlich: „Soweit ich das beurteilen kann, ja…“ „Das heißt, du kannst dich nicht daran erinnern, wer du bist oder wo du gewohnt hast.“ „Nein“, sagte sie ruhig. „Gibt es eine Vermisstenmeldung, die auf sie zutreffen könnte?“, mischte sich Link ein. Er hatte kein gutes Gefühl dabei, wenn sein Onkel das Mädchen wie einen Verbrecher ausquetschen wollte. „Soweit sind wir noch nicht um das zu bestätigen“, sprach Jonas kühl. Ganz kurz blitzten seine Augen in die Richtung seines Neffen… und für einen schwindenden Augenblick war da etwas in Jonas‘ hellen Augen, das Link alles andere als gefiel. Seine blonden Augenbrauen verzogen sich argwöhnisch. Für einen Moment hatte er fast das Gefühl gehabt, die Augen seines Onkels hätten geglüht. Link zuckte irritiert zurück und dachte mit einem unangenehmen Gefühl daran, dass sein Schlafmangel und die Wunde am Bauch ihren Tribut forderten. Konnte es sein, dass seine Wahrnehmung ihm einen Streich spielte? Er seufzte… „Ich werde sie jetzt alleine befragen“, sprach der Beamte streng und winkte die Braverys aus seinem Büro. Link schluckte und musste wohl oder übel einsehen, dass er am kürzeren Hebel saß. Er blickte das Mädchen, für das er sich doch verantwortlich fühlte, noch einmal an und sah eine plötzliche Überlegenheit in ihren himmelblauen Augen, die ihm beinah einen Schauer über den Rücken jagte. Und dann war ihm klar, dass sie sich von seinem Onkel nicht beirren lassen würde. Dennoch… hatte er beinah Angst um sie… Mit einem weiteren Seufzen musste Link mit den anderen das Büro verlassen. „Dass Onkel Jonas nur immer so streng sein muss“, maulte Sara. „Er muss seinen Job nicht immer so todernst nehmen, erst recht nicht, wenn es teilweise um Familienangelegenheiten geht.“ „Er macht halt seinen Dienst nach Vorschrift“, hakte Meira ein. „Er macht das schon richtig.“ Link konnte durch eine Glastür hinweg beobachten, was vor sich ging und versuchte die Unruhe in seinem Gemüt mit dem Gedanken zu besänftigen, dass seine Mutter vielleicht Recht hatte. Onkel Jonas war eben ein Prinzipienmensch, der seinen Job sehr ernst nahm. Und er erlaubte sich keine Fehler. Er hoffte, dass sich das Mädchen, das er doch in den Wäldern gefunden hatte, von der Art des Beamten nicht beirren ließ. Nach einer halben Stunde war das zarte und scheinbar zerbrechliche Wesen mit dem Gedächtnisverlust erlöst von dem Verhör. Sie trat mit Onkel Jonas aus dem Raum, der sie in einen weiteren Raum schickte. Sie blickte währenddessen die gesamte Zeit zu Boden und schien auch Link nicht beachten zu wollen. Und da wusste der junge Mann, dass Jonas ihr vermutlich sehr unangenehme und persönliche Fragen gestellt hatte. Link umfasste kurz ihr rechtes Handgelenk, als sie in einen weiteren Raum treten wollte. „Kommst du klar…“, murmelte er. Sie nickte und blickte ihm dankbar entgegen. „Ja, es ist in Ordnung, danke, Link…“ „Wirklich?“ „Ja…“ „Was musst du jetzt machen?“ „Eine psychologische Begutachtung…“ „Du sagst aber, wenn es dir zu viel werden sollte…“, sprach Link widerwillig. „Okay?“, meinte er mit Nachdruck, woraufhin sie nickte. „Gut…“ „Gut…“, meinte auch sie und verschwand im nächsten Zimmer. „Was war das denn?“, meinte Meira verdutzt. Sie wusste ja, dass ihr Sohn immer hilfsbereit zu anderen war, aber dass er sich so besorgt verhielt, sprengte das Maß. Er verdrehte seine Augen und trat seine Mutter ignorierend den Gang entlang. Wie sollte er irgendjemandem erklären, was in ihm vorging? Er verstand sich selbst ja nicht einmal mehr… Zwei lange Stunden verflogen, in denen Link seinen Schützling noch nicht wieder gesehen hatte. Er fühlte sich immer nutzloser, kochte vor Ungeduld. Konnte sie nicht endlich fertig sein! Warum dauerte das nur so lange? Auch der Rest seiner Familie war ungeduldig und teilweise genervt. Sara hatte keine Lust mehr hier zu warten und schaute ständig auf die Uhr. Eric Bravery holte sich einen Kaffee nach dem anderen aus einem Automaten und Meira unterhielt sich über Mode, Pflanzen und Vasen mit einer Kollegin von Jonas, die gerade Mittagspause hatte. Derweil hatte die Fremde von einer Psychologin einige Tests bekommen, die sie, so gut sie es konnte, ausgefüllt hatte, und wartete erschöpft und müde auf den Arzt, der gleich erscheinen würde. Sie musste sich auf eine Krankenpritsche setzen und zählte die Sekunden vorbeiticken. Auch wenn sie sich am Anfang sehr tapfer geschlagen und sich von den kritischen Fragen der Polizisten nicht einwickeln oder beirren lassen hatte, fühlte sie sich nun etwas niedergeschlagen und verloren. Sie hatte wahnsinnigen Durst und ihr war kalt… Sie war kurz davor in ihrer Stimmung einzubrechen, als sie begann an dem Ring mit den Smaragden herumzuspielen, und dachte dann mit einem beruhigenden Gefühl an denjenigen, der sie aus dem Fluss gerettet hatte. Es machte ihr Mut an ihn zu denken, obwohl sie sich vorher noch nie begegnet waren. Und es half ihr noch etwas länger durchzuhalten. Als sie schluchzte, wurde eine weitere Tür in dem schmalen, langen, unpersönlichen Raum geöffnet und eine ihr unbekannte Gestalt trat ein. Es war ein kleiner, kräftiger Mann, mit braungebrannter Haut und hellbraunem, lockerem Haar. Er hatte ein breites, angenehmes Grinsen in seinem Gesicht und wirkte sehr entspannt und fröhlich. Als der Mann sie sah, grinste er noch wilder, fast erleichtert und glücklich, und vielleicht ein kleiner Teil seiner Fröhlichkeit ging auf sie über. „Ja, hallo, meine Hübsche“, sprach er erheitert. Er trug einen weißen Kittel, darunter ein buntes Hawaihemd und hatte ein für das Mädchen seltsam anmutenden Gegenstand um seinen breiten, kurzen Hals hängen. „Hallo…“, sprach sie vorsichtig und sah eine Wärme in den schokoladenbraunen Augen des Mannes, die sie tröstete. „Nana, Prinzessin. Du musst doch nicht so traurig dreinschauen. Dass wird schon“, sprach er. Er hob ihr Kinn nach oben und legte dann eine Hand auf ihre Stirn. „Du bist ziemlich unterkühlt, Mädchen.“ „Das ist wohl… weil… wegen dieser ganzen Situation…“, entgegnete sie. Sie bekam kaum noch eine Zunge herum, aber auch das verstand er sofort. Er huschte mit seinem breiten Äußeren und den kurzen Beinen aus dem Raum und kam mit einer Wasserflasche wieder. Dankbar nahm sie einen Plastikbecher mit Wasser und trank dieses mit einem Zug. „Aus deiner Akte habe ich gelesen, du hast einen Gedächtnisverlust, Kleine“, meinte er. „Ja, das ist richtig…“ Er betrachtete sich mit einer Lampe ihre Augen und prüfte ihre Reflexe. Er untersuchte sie nach Knochenbrüchen und Verletzungen, aber ihr Körper war ohne Harm. Auch der mögliche Verdacht eines Schädel-Hirn-Traumas bestätigte sich vorerst nicht. Aus seinem runden Gesicht sprach ein erneutes Lächeln. Nach einigen Minuten war der Arzt mit der Untersuchung fertig. Verwundert sah das Mädchen den Mann an. „War es das schon?“ „Ja, das war es. Du bist völlig gesund. Dein Gedächtnisverlust ist dein Geheimnis, deines allein, Prinzessin.“ Er pfiff eine Melodie, die ihr vertraut schien, reichte ihr seine Visitenkarte, verbeugte sich kurz, packte sie an beiden Armen und schob sie aus der Tür hinaus. Als sie bereits gegangen war, griff der Arzt nach seinem Handy und hatte darauf die Nummer von der Direktorin Ines Schattener. Er überlegte anzurufen, aber Dr. Dar Gordon schaute kurz in den Gang und seine Augen blieben zaghaft bei Link haften. Dann grinste er noch wilder und das Handy versank wieder in seiner Tasche. Er hatte seine Gewissheit und würde sich in schicksalhafte Fügungen nicht einmischen. Grinsend schrieb er seinen Bericht… Link lief währenddessen immer wieder im Gang auf und ab und hoffte sehnlichst, dass sich die Sachlage irgendwie klärte. Dann endlich erschien sein Onkel Jonas mit seinem Schützling. Links tiefblaue Augen fielen sofort zu dem Mädchen und er bemerkte mit leichter Sorge ihren Zustand. Sie sah irgendwie erledigt und kränklich aus. Was hatten die Leute hier mit ihr angestellt? Jonas Carter las dann endlich den Bericht vor und bemerkte kühl und unpersönlich: „Ein Gewaltverbrechen schließen wir zum jetzigen Zeitpunkt aus. Die medizinische Untersuchung erbrachte keine Ergebnisse. Das Mädchen ist unauffällig und gesund.“ Link lächelte diesbezüglich. Ein Stein fiel ihm gerade vom Herzen. „Naja, das klingt doch nicht so schlecht“, sagte Meira ebenfalls beruhigt. Die Unbekannte ließ sich in dem Augenblick auf einen Stuhl sinken und umarmte sich etwas. „Allerdings fielen die psychologischen Tests etwas merkwürdig aus. Sie ist für ihr Alter überdurchschnittlich intelligent, scheiterte aber an simplen Sprachtests“, sagte Jonas und ließ die Untersuchungsergebnisse dann in der Akte verschwinden. „Wie geht es jetzt weiter?“, meinte Sara. Auch sie war daran interessiert, dass diese Situation sich endlich klären konnte. Sie wollte nach Hause und Mittag essen… „Wir müssen noch auf die Entscheidung des Richters warten, was einen möglichen Aufenthalt in einer Pflegefamilie betrifft. Solange muss das Mädchen hier warten. Ihr jedoch solltet heim fahren. Es bringt euch nichts hier herum zu lungern“, sprach der Beamte dann. „Das heißt, es gab keine Vermisstenanzeige, die auf sie zutrifft, oder?“, meinte Link aufgeregt. Sein Onkel schüttelte lapidar seinen Kopf. ,Ich wusste es‘, dachte Link und atmete tief durch. „Gut, das ist doch schon mal etwas“, meinte Meira dann. Die Braverys bis auf Link zogen sich ihre Jacken über und verabschiedeten sich kurz und knapp bei dem Mädchen. Bemüht zu lächeln sah sie auf, aber wenn man genau hinblickte war da ein grausamer Schatten der Trauer und unausgesprochenen Ängste, der sich gerade noch verdichtete. „Link, kommst du bitte. Wir werden zuhause auf weitere Anweisungen warten“, meinte Eric Bravery dann und allesamt fragten sie sich, worauf der Angesprochene nun wartete. Verwundert schaute er von einem zum anderen und kapierte nicht, was man von ihm wollte. Er würde hier nicht weggehen, warum auch? „Link, ihr könnt hier nichts mehr tun, fahr‘ gefälligst mit nach Hause“, raunte sein Onkel Jonas dann. Er schien unruhig, beinahe genervt und drängte darauf, dass die Braverys endlich gingen. „Was macht das, ob ich nun hier warte, oder nicht?“, argumentierte der Jugendliche und blickte seinen Schützling fragend an. Er verstand das Problem einfach nicht. „Du bist hier nicht erwünscht, verschwinde endlich…“, murrte der Beamte, sodass es die Braverys am Ende des Ganges nicht gehört hatten. Und gerade in dem Augenblick war neben der Strenge und Disziplin eines Polizeibeamten noch mehr vorhanden. Eine Lieblosigkeit herrschte in dessen hellen, blauen Augen, die dem Oberstufenschüler verunsicherte. Und für einen kurzen Augenblick flackerte in den so stolzen Seelenspiegeln seines Onkels etwas Glühendes auf, was Link alarmierte. Fast automatisch stellte er sich vor das sitzende fremde Mädchen und breitete seine Arme aus. Er würde sich mit keinem Mittel dazu bringen lassen, sie einfach ohne Schutz hier zu lassen, und erst Recht nicht mit dem mehr als unguten Gefühl, dass ihn gerade umfing. Gerade da packte Sara ihren Bruder an einer Hand. Sie hatte seine Jacke bereits unter einem Arm und drängte ihn nach Hause zu fahren. „Link, jetzt reicht es aber. Hör‘ auf den großen Helden zu spielen und fahr‘ endlich mit heim… Du hast Ruhe bitter nötig.“ Eine Warnung erklang aus Saras Stimme, die sein komisches Verhalten nicht verstehen wollte. Sie wusste nur, dass er eine hässliche, kraftraubende Wunde hatte, und ihr war nicht wohl dabei, dass er sich überanstrengte. „Link… es ist in Ordnung… bitte geh‘ und ruh‘ dich aus…“, murmelte die schöne Unbekannte sich verabschiedend und blickte leicht verächtlich in das Gesicht des Polizeibeamten. Sara schob ihren Bruder dann vorwärts. Aber sie spürte seinen Widerwillen. Er warf seinem Schützling ein zweifelndes Lächeln zu und wusste nicht so recht, was es war. Aber er fühlte sich verloren. Er blickte noch einmal zu dem hübschen Mädchen, das seinen Namen in den Träumen gerufen hatte und sah sie ein sachtes ,Auf Wiedersehen‘ über ihre blutroten Lippen bringen. Auch als Sara ihn in Richtung des Aufzugs schleifte, bekam er das Gefühl nicht unter einen Hut und starrte zu dem blonden Mädchen zurück. Er hatte den Eindruck, dass er einen gewaltigen Fehler machte, wenn er jetzt ging. Als das Geräusch des sich nähernden Aufzugs erklang und er sah, wie weit der Mensch, den er aus irgendeinem Grund brauchte, entfernt saß, spürte der Beschützer in ihm, wie seine Knie weich wurden. Er konnte nicht gehen, er konnte einfach nicht…. „Nein… nicht schon wieder… nicht noch einmal…“, flüsterte er, sodass es lediglich Sara verstanden hatte. Er schloss seine tiefblauen Augen und hatte einen entschlossenen, mutigen Ausdruck in seinem Gesicht. Als der Aufzug ankam und eine Menge Leute heraustraten, und dann Sara, sowie seine Eltern einstiegen, zögerte er bewusst. Gerade als die Fahrstuhltüren sich schließen wollten, schüttelte er den Kopf und meinte bloß: „Sorry, ich bleibe…“ Empört wollte Sara einige fiese Worte vom Stapel lassen, aber sie kam nicht mehr dazu. Denn die Türen schlossen sich direkt vor ihrer spitzen, koboldhaften Nase. Link hörte sie dahinter noch fluchen, aber lächelte in sich hinein. ,Ich kann einfach nicht gehen… ich kann sie nicht alleine lassen‘, sprach er in Gedanken und wand sich in Richtung seines Schützlings, welcher gerade von seinem Onkel bedrängt wurde. Link trat mit zornigen Schritten näher, als er sah, dass er sie sehr brutal an ihren linken Oberarm packte und sie ihm giftige Blicke zuwarf. Als sie Link näher hasten sah, schwappte eine Welle der Erleichterung über sie. Link umfasste fest den Arm seines Onkels und blickte ihn warnend an. ,Irgendetwas war hier faul‘, dachte Link. Seit wann stellte sich Jonas so unprofessionell an? Und warum belästigte er sie auf diese Weise? „Gibt es hier ein Problem?“, sprach Link deutlich und blickte kühl in die funkelnden Augen seines Onkels. Gerade da erlosch ein fernes Feuer in seinen Seelenspiegeln und er wich irritiert zurück. Er zwinkerte und kratzte sich am Kopf. „Nein, es passt alles…“, murmelte er benommen. Dann verschwand er durcheinander in seinem Büro. Es wirkte beinahe, als wäre er für einige Sekunden nicht er selbst gewesen. „Danke…“, murmelte das Mädchen und ließ sich tief einatmend zurück auf den Stuhl sinken. „Hast du eine Ahnung, was das gerade war?“, sprach Link aufgeregt. Für einen kurzen Moment hatte er den Eindruck sein Onkel hatte die Absicht gehabt seinen Schützling irgendwie zu bedrohen. „Ich habe… absolut keine Ahnung… das war sehr seltsam gerade eben…“, murmelte sie. „Aber warum bist du noch hier?“ „Ob ich nun hier mit dir warte oder zuhause… macht keinen Unterschied.“ Er setzte sich zu ihr, vergrub sein Gesicht in den Händen und fuhr sich durch das blonde, strubblige Haar. „Du solltest wegen mir nicht… so viel… auf dich nehmen…“ Er zwinkerte. „Hey, nur weil ich hier mit dir warten will, weil ich mich irgendwie verantwortlich fühle, heißt das doch nicht, dass ich zu viel auf mich nehme. Es ist ja nicht so, dass ich hier Gewichte stemmen müsste oder mich überanstrenge. Mach‘ dir keinen Kopf deswegen.“ Sie lächelte ihn verträumt an und er erwiderte. Lange Zeit träumten sie in gegenseitigen Blicken bis sie beide zwinkerten und kurz auflachten… Die Braverys stiegen gerade etwas belustigt angesichts Links Sturheit in den Wagen. Nur Sara, die ja Links derzeitige gesundheitliche Verfassung kannte, konnte sein Verhalten nicht lustig finden. „Nun ja, dann soll er halt hier bleiben, wenn er meint“, scherzte Meira erheitert und freute sich insgeheim darüber, dass er sich, endlich, bei allen Göttern dieser Welt, für ein Mädchen interessierte. Sie hatte oftmals schon Sorge gehabt, er käme vom anderen Ufer. Und diese Möglichkeit war nichts für eine sehr konservativ eingestellte Meira Bravery. „Link ist alt genug…“ „Ich frag‘ mich nur, wofür er alt genug ist…“, nuschelte Sara. „Die Sache endet noch böse…“ Saras pubertärer Verstand dachte etwas, das sie lieber nicht gedacht hätte. Irgendetwas sagte ihr, dass ihr Bruder bestimmte, vielleicht sogar schwärmerischere Absichten hatte, was dieses Mädchen anging, auch wenn sie ihn niemals als einen Lustmolch bezeichnen würde. „Nun ja, er wird doch hoffentlich nicht auf dumme Gedanken kommen, was dieses hübsche Ding angeht…“, meinte Eric. „Wenn er sogar freiwillig auf Mittagessen verzichtet, dann sollte uns das jedenfalls zu denken geben, normalerweise verschlingt er immer die größte Portion und Essen ist ihm heilig!“, sprach Sara bitter. „Jetzt scheint etwas anderes heiliger zu sein…“, lachte Meira. „Wie wahr…“, murrte Sara abschließend. Dann sauste der VW Tiguan in Richtung Stadtrand, wo die Braverys ihr Haus hatten… Nachdenklich saß Link neben der jungen Dame, die mehr als nur seinen Beschützerinstinkt geweckt hatte. Er fragte sich heimlich, wie er den Tag bisher so gut überstanden hatte. Die hübsche Fremde war so wichtig für ihn, dass er seine gefährlichen Wunden und die daran geknüpften Schmerzen fast vergessen hatte. Nur jetzt im Augenblick wurden die Beschwerden wieder schlimmer… Es ging kaum mehr… Es ziepte heftig, brannte und pochte wie wahnsinnig über seinem Bauch verteilt… Mit Schweißausbrüchen saß er auf einem Holzstuhl neben seinem Schützling und hatte das Gefühl, die Wunde am Bauch fraß ihn regelrecht auf… Hinzukam, dass ihm beinahe schwarz vor Augen wurde… Saras warnende Stimme schallte in seinem Kopf nach. ,Hab‘ ich nicht gesagt, du sollst dich ausruhen?‘, brummte sie. Ja, er wusste, dass sie recht hatte, aber er schaffte das schon. Er müsste nur noch ein wenig länger durchhalten… „Link… ich wollte noch Danke sagen, dass du mit mir hier wartest. Ich weiß, es ist alles andere als eine einfache Situation… und eigentlich kennen wir uns kaum… Es ist nicht selbstverständlich, dass du mir hilfst… Ich weiß sehr zu schätzen, dass du das für mich tust…“, sprach das anmutige Wesen neben ihm. Er hörte ihre Stimme verschwommen, hörte nur Bruchstücke, und fürchtete sich davor ohnmächtig zu werden. Er kniff die Augen zu und murmelte schwach: „Was… hast du… gesagt?“ Dann presste er auffällig die Hände auf seinen Bauch. Aber so schmerzhaft und überwältigend die Gefühle gerade waren, wurde der tiefe, erschreckende Schmerzreiz von einer durchaus angenehmen Empfindung, einer plötzlichen, kühlen Hand auf seiner Stirn, für Augenblicke ausgelöscht. Er blinzelte. Seine tiefblauen Augen waren müde und mit Schlafsand umschmeichelt und sein Gesicht war fahl wie das eines Zombies. Nur benebelt nahm er ihre Hand auf seiner Stirn wahr. Sie näherte sich ihm und sah ihn mit leicht wässrigen Augen an. Ihre Stirn runzelte sich verräterisch und ihre vollen, roten Lippen öffneten sich einen Spalt, als sie wahrnahm, dass der junge Mann neben ihr Fieber hatte. Seine Stirn glühte nahezu… Sie sprach kein Wort, aber schaute tiefsinnig und besorgt in seine Augen. Beschämt wich Link ihr aus und führte ihre Hand von seiner Stirn weg. Sie las in seinem Augen und musste scheinbar nichts sagen. Die Sachlage war für sie klar wie Glas… Mit geballten Fäusten stand sie auf, trat vorwärts und sprach die Beamtin an, die wenige Meter weiter an einem PC saß. Etwas fassungslos registrierte Link, dass sie irgendetwas in die Wege leitete. Und tatsächlich hatte sie etwas verursacht, das ihm gar nicht gefallen würde. Denn die Beamtin sprang von ihrem Platz und verschwand in dem Arztzimmer, wo die namenlose Dame ihre ärztliche Untersuchung gemacht hatte. Dann plötzlich ging die Tür wieder auf und Dr. Dar Gordon trat aus dem Raum heraus. Link wollte sich zunächst überhaupt nicht angesprochen fühlen, aber das Mädchen in seiner Obhut hatte andere Pläne. Mit einem entschlossenen Blick zeigte sie auf Link und machte dem Arzt deutlich, dass der junge Mann massive gesundheitliche Probleme hatte. Link wollte am liebsten im Erdboden versinken, als er begriff, was das Mädchen getan hatte. Sie hatte wahrlich… Sie hatte einfach so… Sie hatte dem Arzt aufgetragen ihn zu untersuchen? Link war baff und schaute drein, als ginge für ihn die Welt unter. Sie huschte näher, zog ihn an seinen Händen auf die Beine und grinste überlegen. ,Ja, das war sie in diesem Moment auch‘, dachte Link dümmlich und wollte sich am liebsten ohrfeigen… „Was wird das?“, sprach er sich vergewissernd. Er schaute beinahe ängstlich zu Dr. Gordon. Jener rieb sich nur die Hände und grinste hämisch. Oh ja, er schien sich darauf zu freuen, eine Spritze aufzuziehen. „Du wirst dich jetzt behandeln lassen“, sprach das Mädchen stur. Sie wirkte entschlossen und würde nicht mit sich reden lassen. „Wie jetzt… behandeln lassen…“, murmelte Link. Er versuchte sich herauszureden und spielte den Unwissenden. „Du bist verwundet, ich weiß es“, entgegnete sie klar und schob ihn einfach vorwärts. Hilflos und beinah flehend blockierte Link und stemmte sein Gewicht gegen ihren Zugriff. „Aber ich…“, begann er. „Wieso…“ „Hör‘ auf zu diskutieren“, unterbrach sie ihn scharf. „Ich bin nicht verwundet“, log er. „Ich hab‘ nur nicht genug geschlafen…“ Doch auf seine Lügengeschichten reagierte sie beinah bissig. Ihre zartrosa Wangen färbten sich teuflisch rot und sie schloss die Augen für weitere Argumente. Weg war das unschuldige Erscheinungsbild. Stattdessen vibrierte in ihrer Gegenwart beinahe die Luft. Sie atmete tief durch und sprach ruhiger: „Bitte, Link… mir gefällt nicht, dass du dich so… zurichtest… nur wegen mir… Du hast mir geholfen, jetzt helfe ich dir.“ „Aber ich habe nicht…“ Und seine Stimme versagte. Das Ziepen in seinem Bauch wurde plötzlich so unerträglich, dass er keinen Ton mehr herausbekam. Er schwankte und lehnte sich an die Wand. „Willst du deine Wunde immer noch abstreiten!“, schimpfte sie dann entrüstet. Dann endlich gab er sich geschlagen. Dämlich grinsend sah er auf: „Nein… aber ich hätte es gerne vor dir verschwiegen…“ Er schüttelte seinen Kopf, weil er dies über seine Lippen brachte und kam sich bescheuert vor. Warum unterhielt er sich mit einem Mädchen, dass er noch nicht einmal einen ganzen Tag kannte auf eine vertraute Weise, als hatten sie eine ewiglange Vergangenheit? Es war wie als wussten sie alles voneinander… jedes Geheimnis… jeden Charakterzug… Er stöhnte leise auf, kniff die Augen zu und marschierte zu Dr. Dar Gordon ins Arztzimmer. Das Mädchen sah ihrem Retter trübsinnig hinterher. Vielleicht kannten sie einander nicht… nicht wirklich… aber aus irgendeinem Grund… hatte sie seine Schmerzen annähernd gefühlt. Sie hatte es gespürt… mit jeder Faser ihres Herzens… und sie hielt das Gefühl, dass er sich quälte, und den unerschütterlichen Mann der Tat spielte, kaum aus… Als Link in das schmale Arztzimmer eintrat, bemühte er sich beherrscht zu bleiben und hielt sich an der Tür fest. Plötzlich stand der Arzt Dr. Gordon direkt vor ihm, was den jungen Mann irritierte… Waren seine Aufmerksamkeit und Konzentration tatsächlich soweit gesunken, dass er verschiedene Dinge nicht mehr korrekt wahrnahm? Er hatte überhaupt nicht mitbekommen, dass der Arzt sich auf ihn zubewegt hatte. Gerade eben stand er doch noch an dem Schreibtisch. Durcheinander sah Link den kleinen, kräftigen Mann an. Auch dieser musterte ihn scharfsinnig. „Na Link, wir haben uns ja lange nicht gesehen“, sprach dieser, als kannte er ihn besser als es dem jungen Burschen lieb war. „Wie ist es dir ergangen, Br…“, dann brach er ab und marschierte zu seiner Arzttasche. Verwundert ließ sich Link auf der Pritsche nieder. „Also, warum wurdest du zu mir geschickt?“ Der Angesprochene seufzte, wusste nicht, wie er dem Kerl erklären sollte, was vorgefallen war und entschied sich dafür, ohnehin nicht alles zu erzählen. Ohne weiteres, und einsichtig, dass er endlich medizinische Hilfe brauchte, zog sich Link einfach sein waldgrünes T-Shirt vom Oberkörper und deutete auf den Verband. Beschämt, dass es erst so weit kommen musste, und er nicht gleich Hilfe geholt hatte, sah er zu Boden. Dr. Gordon wirkte enttäuscht, vielleicht sogar etwas besorgt und schüttelte mehrfach seinen Schädel. „Leg‘ dich bitte auf den Rücken“, meinte er, ohne irgendwelche Fragen zu stellen. Er entfernte den Verband vorsichtig, aber selbst das bereitete dem jungen Helden Schwierigkeiten. Es brannte brutal… Link atmete scharf ein und musterte den Arzt erneut. Er schüttelte ein weiteres Mal den Kopf, brummte merkwürdige unverständliche Laute vor sich hin und begann die Wunde zu reinigen. Und das Reinigen der Verletzung war beinah noch heftiger als jene selbst. Link keuchte vor Schmerz… „Ein erwachsener Mann sollte wissen, wann es genug ist“, sprach Dr. Gordon. „Wenn sich das infiziert, holst du dir den Tod.“ „Sorry…“, stöhnte der junge Kerl und fragte sich, warum er sich bei Dar Gordon dafür entschuldigte. Er wollte eine weitere Frage stellen, aber verlor vor lauter Schmerzen die Stimme. Er wurde so fahl wie die Wände um sich herum und wollte schreien. „Das wird so nichts… Du brauchst unbedingt ein starkes Schmerzmittel, Antibiotika und am besten gleich eine Tetanusimpfung…“ „Das… geht schon“, maulte Link und sah den Arzt grimmig und genervt an. „Können Sie… sich bitte beeilen und… das irgendwie zusammenflicken… oder verbinden…“ Erneut brummte Dr. Dar Gordon irgendetwas vor sich hin, das Link nicht verstand. Er schloss die Augen und seufzte wieder. „Helden…“, murrte er. Das einzige Wort, das der junge Bursche verstanden hatte. „Das Mädchen da draußen hat nichts davon, wenn sich ihr Retter kaputt macht… Du musst gut auf sie aufpassen und das kannst du nicht in dieser Verfassung“, meinte der Arzt dann und sah das Unverständnis in Links tiefblauen Augen aufflackern. „Du hast mich schon verstanden, Link…“ Misstrauisch beobachtete jener den Mann dann bei seinen weiteren Handlungen. Er bereitete irgendetwas vor, eine Art rotes Getränk, zog drei Spritzen auf und legte einen riesigen Verband bereit. „Ich will keine Spritze…“, brachte Link sich halb verrenkend hervor. „Du brauchst aber leider drei davon“, argumentierte Dr. Gordon. „Ich schaff‘ das aber… ohne… Spritze…“, murrte Link und ärgerte sich, dass er überhaupt hier war. Hätte das hübsche Mädchen, wegen dem er dies alles auf sich nahm, nicht einfach den Mund halten können? „Ich will keine Spritze… verbinden sie die blöde Wunde und geben sie mir irgendwas zum Schlucken. Den Rest schaff‘ ich auch so…“ „Da bin ich als Arzt aber anderer Meinung.“ „Das interessiert mich… aber nicht… Hören Sie auf mit mir zu diskutieren.“ Links Sturheit und Unvernunft ließen ihn nicht begreifen, wie ernst die Sachlage war. „Du hast es so gewollt“, meinte der Arzt verärgert. Und er tat etwas, das Link gar nicht gefiel, ihn nervös machen würde und seine Widerstände mit einem Schlag beseitigen würde. Mit einem schadenfrohen Grinsen öffnete Dar die Tür und winkte das Mädchen mit dem Gedächtnisverlust herein. Zusätzlich zu den Schmerzen, Kältegefühlen und Schweißausbrüchen, hatte Link nun noch Angst vor einem Herzkasper. Wollte Dr. Dar Gordon dem Mädchen tatsächlich zeigen, was hier los war? Wusste er etwa, dass Link sich unter den sanften Augen des Mädchens alles gefallen lassen würde und sich erst gar nicht gegen irgendeine Behandlung wehren würde? „Das ist nicht Ihr ernst, Dr. Gordon! Ich kenne sie erst seit heute und…“, sprach Link aufgeregt und richtete sich auf. „Wollen Sie, dass ich vor ihr wie ein Waschlappen…“ Doch gerade da trat die Unbekannte in ihrer eleganten Gangart in den Raum. Als sie Link auf der Pritsche hocken sah und ihre Augen sofort zu der hässlichen Wunde wanderten, keimten irgendwie… Schuldgefühle in dem jungen Mann auf. Das Mädchen sah drein, als wich jede Lebensenergie aus ihrem Körper. Link hatte noch nie wahrgenommen, dass jemand so heftig besorgt um ihn war. Ohne es zu wollen, tropften Tränen von ihren himmelblauen Augen… Vielleicht hatte sie schon einmal Wunden gesehen, aber sie sah jene nicht gerne an Link… Es waren in etwa zehn größere Verletzungen. Ein Teil sah aus wie Stiche, ein Teil wie Verbrennungen. Und die Wunde nässte und blutete teilweise… Das Mädchen legte eine Hand auf ihren kirschroten Mund und trat näher zu ihm. „Das ist nicht… so schlimm… wie es aussieht“, sprach Link, spielte den Tapferen, und versuchte dämlich zu grinsen. Sie schwieg und setzte sich zu ihm an die Pritsche und blickte sorgenvoll zu seiner Wunde. Link beobachtete ihr Verhalten, sah wie sich ihre kleine Stirn etwas runzelte. Zögerlich strich sie sich mit einer Hand ihr blondes Haar hinter ein Ohr. Er spürte Vertrautheit, spürte eine Form von Nähe, die ihn tröstete und etwas beruhigte. Und obwohl es vorhin für den jungen Mann unerträglich war, zu wissen, dass sie seine Wunden sah, so beruhigte es ihn inzwischen… Gordon untersuchte die Wunden noch einmal und stellte seltsamerweise keine weiteren Fragen. Link wollte schon flüchten, als Gordon ihm mitteilte, er müsste ihm jetzt die besagten drei Spritzen verabreichen. Doch als er den Blick seines Schützlings sah, ertrug er lieber die Spritze, als sich vor ihr zu rechtfertigen. „Sagen sie mal, Mr. Gordon…“, hauchte Link, während der Arzt ihm die Spritzen verabreichte. Zwei in den Arm und eine in den Bauch. „Ach, nenn’ mich einfach Dar.“ „Also gut, Dar, interessiert es Sie denn nicht, woher diese Wunden stammen?“ „Nein, tut es nicht.“ Er legte ihm einen Verband um und meinte noch, er sollte jeden Tag gewechselt werden. Das Mädchen, wie auch der Verwundete nickten beide. Dann reichte er dem kränkelnden Helden ein Getränk, das ihm von Geruch und Geschmack irgendwie vertraut erschien. Mit einem Zug würgte er es herunter und spürte, dass jenes einen sehr beruhigenden und wärmenden Effekt auf ihn hatte. Er seufzte, sackte entspannt zurück und konnte gerade noch sehen, dass Dr. Dar Gordon dem Mädchen eine Hand reichte, ihre Hand küsste und mit einer Verbeugung vor Links Schützling verschwand er aus dem Zimmer. „Was war das denn?“, murmelte Link leise, bevor er in ein Nickerchen sank. Er wehrte sich gegen den Schlaf, musste sich aber geschlagen geben… nicht jeden Kampf konnte man gewinnen. „Ich habe keine Ahnung, was der Arzt meinte“, entgegnete die Fremde. „Aber das ist… nicht so wichtig… Wichtig ist, dass du wieder gesund wirst…“ Obwohl sie spürte, dass es falsch war, und sie leicht zögerte, legte sie eine ihrer kühlen Hände auf seine zu ihr gewandte Wange und streichelte seine Haut. Ihre schmalen Fingerspitzen spazierten lieblich bis zu seiner Stirn. Link öffnete überrascht seine tiefblauen Augen… und wenn die Wunde nicht so heftig brennen würde, so würde er glauben, er wäre in einer Märchenwelt gelandet. Noch nie hatte ihn jemand so… sanft… beruhigend… gestreichelt… Er lächelte verträumt und prägte sich das liebliche Gesicht ein, das über ihn wachte. Diese sanften himmelblauen Augen… diese kleine, spitze Nase… und diese vollen, tiefroten Lippen… dann dieses seidene Haar… „Schlaf ein wenig, Link… ich bleibe hier… und danke für alles…“, flüsterte sie. Sie nahm seine linke Hand in ihre und hielt sich jene an ihre rechte Wange. Es war so angenehm für sie, zu wissen, dass er hier war. Für einen kurzen Augenblick war sie sich sicher, ihn zu kennen, ihn sein ganzes Leben schon zu kennen und sie war sich sicher, dass sie ihn brauchte… „Wow…“, murmelte er benebelt. Es waren vielleicht die Berührungen oder ihre Schönheit oder beides, was er gerade so toll fand und entsprechend würdigen wollte. „Weißt du eigentlich…“, begann er und blickte sie wie in Trance an. „… ich habe dich irgendwann schon einmal gesehen… du bist wunderschön… das könnte ich nicht vergessen…“, murmelte er. Es war wie, als hätte ihm die Droge ein noch frecheres und närrisches Mundwerk verliehen. Sie blinzelte und schickte ihm einen hilflosen Blick entgegen. Mit einer solchen Aussage hatte sie trotz allem nicht gerechnet. „Du bist bestimmt… eine Märchengestalt… so anmutig… wie Prinzessin Zelda…“, murmelte er und lächelte charmant, so liebevoll, dass sich ihre Wangen vor Verlegenheit rot färbten. „Ich würde alles für dich tun…“, seufzte Link und wollte noch mehr sagen, aber das ließ das Mädchen nicht zu. Sie schüttelte ihren hübschen Kopf und legte einen Zeigefinger auf seine Lippen, das er damit aufhörte und sich nicht in sehr peinliche Situationen oder sogar um den Verstand brachte. Dann wirkte der Trunk, den Dr. Dar Gordon ihm verabreicht hatte, endgültig und der junge Held sank für ein paar Minuten in einen kostbaren Schlaf… Kapitel 6: Die Entscheidung --------------------------- In Schicksalshort fiel inzwischen der Regen herzlos nieder. Er trommelte auf die leeren Teerstraßen und Häuserdächer und schickte das Leben an wärmende, heimische Rückzugsorte. Nur wenige Menschen mit Regenschirmen waren unterwegs und hetzten durch die Stadt. Nachdenklich stand das blonde Mädchen an einem Fenster im Polizeipräsidium und beobachtete die moderne Welt außerhalb… eine graue, fehlgeleitete Welt, die Ursprünge und Würde vergessen hatte… eine Welt, wo Geheimnisse nicht sicher waren oder so tief verschüttet, das sie niemand bergen konnte… eine grausame Zeit, in der Zweifel und Macht regierten… Hier und da funkelten Lichtstrahlen, das konnte sie spüren, aber es gab auch sehr viele Wesen, die sich an abgestumpfte, selbsterschaffene Mächte klammerten und sich verrannt hatten… Sie hatte einen Plastikbecher in ihren Händen und selbst dieses Material war ungewöhnlich für sie, kalt und neu. Sie blickte erneut schwermütig hinaus in den Regen und verlor sich in vergänglichen Gedanken. ,Was wartete hier auf sie‘, fragte sie sich. War dies denn wirklich die Welt, in der sie leben sollte? Sie nahm einen Schluck Wasser und musterte hier in dem kleinen Arztzimmer das Krankenbett, wo ein junger Mann ruhte. Er war vor einer halben Stunde in den Schlaf gesunken und schlief leise und friedvoll. Sein Charakter, sein Herz und seine Ideale waren das einzige, was ihr seit dem Erwachen vertraut erschien, das einzige, was ihr half Ruhe zu bewahren. Und vorhin… als sie spürte, dass er verletzt war, hatte sie für schwindende Augenblicke eine herbe Verlustangst erfahren, die sie nicht begreifen konnte. Sie wusste, sein Erscheinungsbild ergab keinen Sinn für ihre Erinnerungen, denn er kannte sie nicht vorher. Sie wusste, dass es ihr nicht zustand sich in sein Leben einzumischen und sie wusste, dass es ihr nicht erlaubt war, zu ergründen, woher er seine schlimmen Wunden hatte. Sie wollte ihm nicht vorschreiben, wie er mit seiner Gesundheit umzugehen hatte, aber… Ein wissender, beinah übersinnlicher Blick spiegelte sich auf der Glasscheibe des Fensters, als sie verstand. Ja… es gab kein Aber… Selbst wenn man tiefe Wünsche hatte, wenn man alles für deren Erfüllung tat und dann trotzdem enttäuscht wurde, musste man dies aushalten und akzeptieren… es gab kein Aber… vor allem nicht für sie. Sie wand sich in seine Richtung und tapste leise zu ihm hinüber. Sie stellte den Plastikbecher zur Seite und beobachtete den jungen Mann entzückt, sah wie sich sein Brustkorb sanft und stärkend hob und er seine Kraft wiederfand. Erneut ein angenehmes, pulsierendes Gefühl in ihrem Bauch wie der Ruf aus einer weitzurückliegenden, wunderschönen Erinnerung… ein Lächeln aus einem tapferen Jünglingsgesicht… Kinderlachen auf weiten Wiesen… magische Nähe und Geborgenheit. Entgegen ihres Willens streichelte sie durch seine blonden Haarsträhnen, die leicht über seine geschlossenen Augen fielen. Sie lächelte verträumt, spürte das Auflodern alter Sehnsüchte… Seelenverwandtschaft… Vertrauen… ,Er war wirklich ansehnlich‘, dachte sie. Plötzlich umfasste er grob ihre Hand. Seine Augenlider flatterten nach oben und sein Oberkörper schoss hastig in die Höhe. Für einen kurzen Augenblick wusste er überhaupt nicht mehr, was passiert war und wo er sich befand. Er fühlte sich zittrig, gleichzeitig unheimlich aufgeladen und hatte das Gefühl, man hatte ihm einen Elektroschock verpasst. „Hey“, sprach sie leise und versuchte sich von seinem zu festen Griff zu lösen. Auch seine tiefblauen Augen blickten überrascht zu seiner Linken. Fast grob hielt er ihr Handgelenk fest. „Oh… sorry“, sprach er sogleich und ließ sie los. Er sah sich vergewissernd zu ihrer Hand, hoffend, er hatte ihr damit nicht weh getan. „Du hast einen ziemlich festen Griff…“, sprach sie schüchtern, aber auch erheitert. „Entschuldige nochmal…“, entgegnete er unsicher. „Ich hab‘ dir nicht weh getan, oder?“ Ein ehrliches Kopfschütteln ließ ihn sich beruhigen. Erst dann kehrten die neuerlichen Ereignisse zurück in sein Bewusstsein und er berührte vorsichtig seinen Bauch und die Wunden, die er dort hatte. Er kratzte sich dümmlich an der Stirn, wusste nicht, was es war, aber er fühlte sich sagenhaft gut. Die Schmerzen waren erträglich und sein Geist irgendwie hellwach. Was hatte Dr. Gordon ihm da eigentlich für ein Zeug zusammengemischt? „Wie lange war ich weg?“, sprach Link strotzend vor Energie und richtete sich auf. „Nicht lange…“, murmelte sie. „Ist mittlerweile geklärt, wie es mit uns weitergeht?“ ,Mit uns?‘, fragte sie sich. Was genau meinte Link? Erst als sie ihn darauf etwas verdattert ansah und sich ihre Augenbrauen auf eine misstrauische Weise verschoben, wusste Link, was er gerade gesagt gestammelt hatte. „Quark“, brummte er, spürte eine teuflische Verlegenheit anwachsen und klopfte sich gegen seinen Kopf. „Ich meinte, wie es mit dieser Begutachtung und so weitergeht… und ob der Richter endlich entschieden hat.“ „Noch nicht… es ist noch nichts geklärt…“, sprach sie leise. „Okay“, sprach Link gefasst und hoffte, dass die Entscheidung in den nächsten Minuten fiel. Dann endlich ließ er seine Beine von der Pritsche baumeln und hüpfte in die Höhe. Er streckte sich, fuhr sich über den Verband am Bauch und konnte nicht verstehen, was es war, aber er fühlte sich wirklich ausgeruht und einfach nur… klasse. Fast schon besser als vor der Verletzung. „Wie geht es dir jetzt?“, hauchte sie und trat zu ihm hinüber. Sie wünschte sich eine Antwort, auch wenn sie spüren konnte, dass er sich etwas erholt hatte. „Wunderbar“, entgegnete er mit einem Grinsen. Er zog sich dann endlich sein waldgrünes T-Shirt über und trat verlegen zu ihr hinüber. Er hob eine Hand hinter seinen Kopf und blickte bewusst und irgendwie scheu an ihr vorbei. „Ähm… danke… dass du das arrangiert hast. Ich hätte diese Wunden nicht auf die leichte Schulter nehmen sollen.“ Er sah peinlich berührt zu Boden und hatte aber dennoch dieses Bedürfnis ihr das alles zu erklären. „Ich wollte nicht, dass du…“ Er setzte seinen Satz in Gedanken fort: ,… dass du dir Sogen machst…‘ „Das habe ich trotzdem…“, sprach sie, als hätte sie einen Zugang zu seinen Gedanken. „Ich weiß nur nicht, warum…“ „Du meinst, warum… warum du…“ „Ja, warum ich mir Sorgen gemacht habe… um dich… Wir kennen uns kaum“, flüsterte sie und atmete dabei tief aus. Und da kam ihm der absurde Gedanke, dass sie einander vielleicht doch kennen mussten. Wie, um Himmels Willen, konnte sie wissen, was er gerade gedacht hatte? Oder konnte sie etwa Gedanken lesen? „Richtig, eigentlich kennen wir uns kaum…“, sprach er sanft. Unsicher sah sie auf, biss sich leicht auf die Unterlippe und sah ganz vorsichtig in das stechende Tiefblau seiner Augen. „Wir sind uns noch nie begegnet…“, hauchte sie und träumte in seinem Blick. „Nein, das sind wir nicht“, stimmte er zu und trat noch einen Schritt näher. Erneut knisterte es zwischen ihnen… erneut zogen sie sich wie magnetisch an. „Nicht hier in dieser Welt…“ Sie lächelte bezaubernd. Sie war so unendlich dankbar, dass er sie gefunden hatte, nur er allein. „Nein, nicht hier…“ Und sein Flüstern, der zarte, tiefgehende Klang seiner vertrauten Stimme spiegelte ihre verborgenen Wünsche und Bedürfnisse. Seine Stimme war so warm und sicher. Sie schloss die Augen, spürte dem Klang seiner Worte hinterher… Sie kannte diese Stimme in allen Variationen, ließ jene Erinnerungen wecken. Da war etwas… weit weg und verborgen… weit in der alten Zeit… Wie hypnotisiert sah Link das Mädchen an. Seine gesamte Aufmerksamkeit galt ihr und ihrer Schönheit. Und wenn die Welt unterginge, alles, was er wollte, war sie in Erinnerung zu behalten. Ohne dass er wirklich verstand, was er tat, berührte er ihre blütenweichen Wangen, hielt ihr Gesicht in beiden Händen und war sich sicher, dass er noch nie etwas so Schönes berührt hatte. Er wollte Worte finden, die er noch nie gesagt hatte, wollte ihr schmeicheln, sie trösten und vieles mehr… aber allen voran… festhalten… Sie lächelte und umfasste mit ihren Händen die seinigen, verwundert über die Wärme seiner Haut. Die beiden waren kurz davor, sich zu umarmen, als Dar Gordon in den Raum platzte. Er grinste breit und klatschte. Verlegen rückten die beiden auseinander und schauten zu ihren Straßenschuhen. „Wie mir scheint, geht es euch beiden gut“, lachte er. „Ihr müsst dann raus aus dem Raum. Ich muss das Arztzimmer abschließen.“ Sie nickten beide und tapsten artig und mit roten Gesichtern nach draußen… Wenig später stand Link vor dem Kaffee- und Teeautomaten und dem Automaten für Snacks. Er wollte für seinen Gast und sich etwas Gutes tun und sah in dem Augenblick zufällig aus dem großen Fenster zu seiner Rechten. Die bleichen, eisigen Nebelgewänder eines unangenehmen Frühlingstages schlichen durch die Straßen. Die Wolken weinten und die großen, kalten Wassertropfen knallten stürmisch nieder. Ganz schwach zeigte sich die Sonne hinter den silbergrauen Farben und ließ die Welt mit einem verschwommenem rotorange mystisch und gespenstisch erscheinen. Link wollte gerade einen Tee vom Automaten auswählen, als er aus seinen Augenwinkeln eine Gestalt außerhalb ausmachte, die inmitten des Regens stand. Eine hochgewachsene, durchtrainierte Person, kräftig gebaut und irgendwie… bedrohlich… Link ignorierte das Piepsen des Automaten und ließ seine tiefblauen Augen hinaus schwenken, erschrak an einer alten Wahrheit, erkannte vergessene Grausamkeiten und würde doch nur zweifeln. Inmitten des Parkplatzes, unbeeindruckt von dem Regen und kleineren Hagelkörnern, befand sich ein breitschultriger Mann. Gefühllos peitschte der Regen nieder und schien in der Nähe des Mannes zu verdampfen. Er bewegte sich keinen Zentimeter, ließ den eisigen Regen auf eine schwarze Kutte fallen und funkelte unter seiner Kapuze mit glühenden Augen in Links Richtung. Ein wahnsinniges Feuer der Gier und Brutalität loderte dort in jenen Seelenspiegeln, schickte Zorn, schickte Verdammnis. Der junge Mann blinzelte, rückte näher an die Scheibe und beobachtete den verdächtigen Mann kritisch. Zunächst war Link nicht sicher, ob dieser Kerl tatsächlich ihn fokussierte, oder vielleicht nur aus Versehen in seine Richtung blickte, als jener halbe Riese aber seine rechte Faust hob und mit einem Zeigefinger auf ihn zeigte, konnte der Blondschopf nicht mehr an Zufall glauben. Link stemmte seine Hände gegen das Fensterglas. Sein Atem benetzte die Scheibe und es war da, dass der Hüne außerhalb belehrend mit seinem Zeigefinger pendelte. Als würde Link hypnotisiert werden, starrte er zu dem bedrohlichen Menschen nach draußen. Seine tiefblauen Augen blieben ununterbrochen geöffnet, als wären sie erstarrt. Noch ein Blick ausgehend von dem Mann im Regen… noch einer und ein weiterer… als kommunizierte er, als nutzte er Wege der Sprache, die in der Menschenwelt kaum existieren. Und als Links Augen gläsern wurden, drängte sich eine Stimme in ihm auf, die sie unerlaubt Zutritt zu seinen tiefsten Gedanken verschaffte. „Du wirst sie nicht beschützen… nicht vor mir…“, summte es dröhnend. Als brachen Links Wunden am Bauch wieder auf und raubten ihm die Kraft, sackte er gegen die Scheibe und kniff die Augen zu. Für einen unwirklichen Moment brach etwas durch die dicke Schutzschicht seiner Gedankenwelt… ein marterndes, unruhiges Gefühl suchte ihn heim geknüpft an grausame Bilder, zerstörte die Versiegelung alter Erinnerungen für wenige Augenblicke und forderte Achtung und Gehör. „Du wirst sie nicht beschützen… nicht hier…“, brummte es erneut schlitzend und kraftraubend. Als der Oberstufenschüler einen erstickenden Laut aus seiner Kehle ließ, brachen Bilder einstiger Herzlosigkeit an die Oberfläche… Er konnte sich selbst sehen, benetzt mit kostbarem, hellem Blut, umgeben von garstiger Dunkelheit, die nur vom glühendroten Himmel und flackernden, fernen Blitzen erhellt wurde. Dort in der Finsternis erhob er sich, stützte sich auf ein weißleuchtendes Schwert, das heller als jeder Blitz die Dunkelheit verbannte. Er konnte Schreie in der Ferne hören, erstickende, quälende Rufe dutzender Menschen, die kreischten, als würden sie gefoltert. Und in dem Strudel jener Stimmen stach eine heraus, die hell und rein durch die Dunkelheit schallte. Er konnte sie rufen hören, das Mädchen aus seinen Erinnerungen, konnte sie weinen spüren. Hier, an diesem Ort, wo der Tod regierte, wo nichts mehr wuchs und alles Leben in die Verdammnis geschickt wurde, konnte er sie spüren. Er ächzte, sah weiteres kostbares Blut aus seinem eigenen Körper auf den Boden sickern. Und das dunkle, dicke Blut lief triefend aus zahlreichen Wunden seines Körpers über seine Stirn, über seine Brust, über seine Hände und doch… und doch würde er kämpfen, wenn es das Schicksal so wollte. Sein Feind würde ihn nicht brechen, mit keiner seiner Grausamkeiten, mit keinem fiesen Wort, mit keinem dreckigen Schwert. Diese Welt kannte ihre Helden, das Land, für das er stand, kannte die legendären Schicksale, und würde sich immer an das Gute erinnern, das die Geschichten verzauberte. Die Welt, die nun auf Messers Schneide stand, vertraute auf ihn und auf das willensstarke Herz, das in seiner Brust schlug und sich nicht zerquetschen lassen würde, von keinem Schwertstoß, von keinem dunklen Zauber und keiner Folter. Er wusste, wozu er geboren wurde, was es hieß der eine Held zu sein, er wusste, wen er beschützen wollte… Die Augen weit aufgerissen, beinah erstarrt zu Stein, stand Link noch immer vor dem Fenster in einem grauen Gang des Polizeipräsidiums. Irritiert sah er um sich, hatte das Gefühl, ihm wären einige Sekunden abhanden gekommen, als ihm der mysteriöse Kerl außerhalb wieder einfiel… aber dort, wo jener Mann noch vor Sekunden stand, war nun nichts mehr. Misstrauisch überschaute der Oberstufenschüler die Welt außerhalb, aber nirgendwo war eine Spur dieses Mannes. Link setzte eine Hand an sein Kinn, grübelte, wusste, dies war der Kerl, den er bei nächtlichen Streifzügen durch die Innenstadt schon einmal gesehen hatte. Und im selben Moment drehte sich der Schüler in Richtung seines Gastes. Das Mädchen mit dem langen, goldenen Haar saß zerschlagen und hungrig auf einem Sessel, nicht weit von ihm, und doch wurde Link das Gefühl nicht los, dass er lieber direkt neben ihr sein sollte. Er schnappte sich den Tee vom Automaten und lief geradewegs in ihre Richtung. Als er vor ihr stand, sah sie mit müden Augen auf und rieb sich ihre zarte Stirn. Link versuchte es mit einem leichten Lächeln und reichte ihr den Tee. „Danke…“, meinte sie leise. „Ich weiß gar nicht, wie ich mich revanchieren soll… ich meine nicht nur für den Tee…“ „Du kannst dich revanchieren, indem du dich mit mir unterhältst“, sprach er und lächelte verlegen. „Wir könnten einfach ein Stück in dem Gebäude herum gehen… um etwas Zeit tot zu schlagen, wäre das okay für dich?“ Er wollte sich ein wenig die Beine vertreten, aber eigentlich war dies nicht der Hauptgrund. Irgendetwas sagte ihm, dass sie sich beide nicht mehr zu lange hier aufhalten sollten. „Ja, gerne…“, sprach sie. „Und wir könnten uns etwas kennenlernen… vielleicht gibt es ja doch etwas, was dir einfällt oder worüber wir reden können…“, sprach Link und führte sie in Richtung des Aufzugs, aber auch dies gefiel ihm gerade irgendwie nicht. Er überlegte es sich anders und entschied sich die Treppe zu nehmen. Sie tapsten einige Stufen hinab, waren hier alleine, denn kaum jemand entschied sich zu Fuß zu gehen… Mit einem leicht mulmigen Gefühl trat das blonde Mädchen hinter Link her. Sie spürte, dass er irgendetwas verheimlichte und fragte sich für einen Moment, was sie hier eigentlich tat. Sie ließ sich von einem ihr fremden, jungen Mann, den sie vorher scheinbar nie gesehen hatte und der sie nicht kannte, einfach durch einen leeren Treppenaufgang führen. Auch wenn sie ihn als sehr aufrichtig, und reinen Herzens, einschätzte, so war es mehr als naiv und dumm von ihr ihm zu viel Vertrauen zu schenken. Sie bremste ihren Schritt und blieb einfach stehen. „Was ist?“, murmelte er, da sie nicht folgte. Verwundert blieb auch er stehen und konnte sich aus ihrer plötzlichen Scheue keinen Reim machen. „Link… ich bin dir wirklich dankbar dafür, was du hier für mich getan hast… aber was erwartest du eigentlich von mir?“, meinte sie bestimmt und sah ihm mit einer Spur Ernst und Misstrauen in die Augen. Die Frage brachte ihn total aus dem Konzept und er wusste überhaupt nicht, was sie meinte. Er kratzte sich an einer hellen Augenbraue und konnte die Zweifel in ihren kristallblauen Augen sehen. „Was ich erwarte?“, wiederholte er. Er wollte sicher gehen, sich nicht vielleicht doch verhört zu haben. „Ja… ich… ich habe das Gefühl, du verbirgst etwas… und es macht mich unsicher… Erwartest du etwas von mir?“ Sie schloss die Augen trübsinnig. Sie wusste nicht, wo dieses ungute Gefühl herkam, aber es nagte… „Es ist nur ein Gefühl, das du hast…“, argumentierte er. „Ich helfe dir doch nicht, weil ich dafür eine Belohnung haben will.“ Aber war es wirklich so einfach? Vielleicht hatte er bestimmte Absichten, aber er würde niemals etwas für seine Hilfsbereitschaft verlangen… Ein wenig enttäuscht sah er seinem Schützling entgegen. Wie blind war er gewesen, als er sie fand? Dachte er wirklich, er hatte jemanden gefunden, der sein langweiliges Leben durcheinander bringen konnte? Dachte er wirklich an so etwas wie Schicksal? Mit einem Schlag zerstörte sich die kleine, heile Scheinwelt, die er sich mit ihrem Erscheinen ausgedacht hatte… und das Erwachen aus diesem Traum war bitter. Hatte er wirklich geglaubt, dass das eingebildete Vertrauen zwischen ihnen etwas Besonderes war? „Du denkst, ich erwarte irgendeinen Dienst von dir dafür, dass ich dir helfe…“, sprach Link leise. Und eine plötzliche Trübsinnigkeit, Melancholie in seinen Gesichtszügen, zerschmetterte auch die kleine Brücke von Hoffnung und Stabilität, auf der sie wanderte. „Nein“, sprach sie klar und trat wieder näher. Sie kannte diese Situation, sie kannte diesen Kummer, als hätte es viele dieser Situationen schon vorher gegeben. „Das ist es nicht… ich weiß eigentlich… ich weiß eigentlich überhaupt nicht mehr, was ich hier mache…“ Link seufzte und schloss die Augen, aus irgendeinem Grund kannte auch er dieses Gefühl… und diese Empfindungen erinnerten ihn an Abweisung… Sehnsucht… an unerfüllte Bedürfnisse und menschliche Grausamkeiten. „Ich weiß… irgendwie nicht einmal mehr, was ich glauben soll… ich komme mir so seltsam vor, als wäre ich nicht ich selbst…“, murmelte sie, schüttelte dann den Kopf und schämte sich, dass sie es ihm sagte, schämte sich, dass sie ihm ihr Herz ausschüttete. „Entschuldige…“, setzte sie hinterher. „Was ist das hier nur… alles ist so komisch… diese Gebäude… diese komischen Materialien… selbst der Geruch der Luft… es fühlt sich alles so fremd an… und ich habe Angst vor… vor irgendjemandem, den ich nicht kenne…“ Link schwieg und einmal mehr brachen unerwünschte Gedanken an die Oberfläche, bereit seine Illusionen wieder aufzubauen. War sie vielleicht doch kein gewöhnlicher Mensch? War da vielleicht doch mehr, das ihre Seele von anderen unterschied? „Verzeih‘ mir bitte… ich wollte dich damit nicht belasten… Es ist nicht deine Sorge. Entschuldige vielmals…“ ,Nein‘, dachte er. Es war mehr als nur seine Sorge und sein Problem… Denn er war für sie verantwortlich. Denn er hatte ihren Ruf gehört, er hatte sich ihr Erscheinen gewünscht… gesehnt hatte er sich danach mit jeder Faser seines Herzens. „Hör‘ endlich auf damit“, sprach er dann bestimmend. Er konnte diese traurigen Gefühle nicht ertragen. Mit ernster Miene trat er auf sie zu, soweit bis sie mit dem Rücken an der Wand lehnte und er sie ganz genau mustern konnte. Verblüfft wich der schönen Unbekannten die Farbe aus dem Gesicht. Nicht, weil Link sie intensiv musterte, aber weil er nur wenige Zentimeter vor ihr stand. „Hast du eigentlich die Spur einer Ahnung, dass dein Aufenthalt hier sehr wohl mein Problem ist?“ Willig hörte sie zu, öffnete ihren Mund einen Spalt und sah ihn mit immer größeren Augen an. „Ich habe dich im Wald gefunden und ich werde den Teufel tun, dich einfach hier zu lassen und mich nicht mehr darum zu kümmern! Ich bin für dich verantwortlich und ich käme nicht im Traum auf die Idee nur deswegen irgendetwas von dir zu verlangen. Glaubst du, ich will meinen Spaß und dann hat sich die Sache erledigt?“ Er hob ihr Kinn mit seinen Fingerspitzen nach oben, sodass sie die Aufrichtigkeit in seinen Augen lesen konnte. „Und ich weiß sehr wohl, wie furchtbar diese ganze Geschichte für dich sein muss, ich kann mir vorstellen, wie verloren du dich fühlst, aber kannst du mir bitte den Gefallen tun und mir glauben, dass ich nichts im Sinn habe dir irgendwie zu schaden?“ Sie nickte fahl, nickte mehrfach und zwinkerte aufgeregt. „Und wenn etwas nicht stimmt, dann musst du das einfach nur sagen…“, schloss er ab, rückte aus ihrem Gesichtsfeld und kam sich irgendwie noch bescheuerter vor als vorher. Sie hatte ja eigentlich vollkommen recht, sie kannten einander nicht und sollten eine gewisse Distanz voreinander haben, also war ihr Misstrauen doch mehr als berechtigt. ,Und es stimmte ja‘, dachte Link dann, er hatte ihr etwas verschwiegen… Er hatte ihr den bedrohlichen Mann im Regen verschwiegen… und sein sechster Sinn sagte ihm, dass dieser Hüne nicht weit weg war. Er drehte sich um seine Achse und rieb sich seine Stirn. Auch wenn der Schmerz der Wunden erträglich war, spürte Link, dass diese ganze Ausnahmesituation mehr als anstrengend war… für alle Parteien. „Link… ich…“, murmelte sie und legte eine warme Hand auf seine rechte Schulter. „Danke…“, ergänzte sie. „Danke, dass du mich gebremst hast…“ Trottelig drehte er sich um seine Achse und wirkte fast noch beschämter als sie. „Du hast Recht“, sagte sie und ballte ihre rechte Faust. „Ich muss mich einfach zusammenreißen…“ Link war nur verdattert über seine Argumentationskunst. Er hatte es wahrlich geschafft sie von ihren Zweifeln runterzuholen? „Ähm… gern geschehen“, murmelte er und erhielt dafür ein sanftes Grinsen. Aber er konnte keine Antwort von ihren weichen Lippen abwarten. Denn gerade in dem Augenblick dröhnte ein Zeldaremix, ausgelöst von seinem Handy durch die Luft. Der junge Mann schaute sofort darauf und sah, dass seine Mutter anrief. „Hey, Mum“, meinte er verwundert und knipste den Lautsprecher an, sodass sein Schützling mithören konnte. „Hallo, mein Schatz“, entgegnete sie, worauf er nur die Augen verdrehte. Er hasste es, wenn sie ihn ,ihren Schatz‘ nannte. Das war doch kein Zustand einen fast erwachsenen Mann so zu betiteln… „Was gibt es“, meinte Link genervt und sah während des Telefonats immer wieder zögerlich in die himmelblauen Augen seines Schützlings. „Wir haben gerade eben einen Anruf von Onkel Jonas bekommen, dass die Entscheidung des Richters gefallen ist und sind auf dem Weg ins Präsidium“, erklärte sie. Link grinste und freute sich, dass das Warten ein Ende hatte. Und irgendwie, so nahm er an, war auch der Zeitpunkt der Richtige. Der Mann von vorhin kam ihm in den Sinn und Link hatte etwas Sorge, jener könnte sich in dem Gebäude aufhalten. Es ergab zwar überhaupt keinen Sinn, soweit er das beurteilen konnte, aber er spürte… aus irgendeinem Grund… und ohne, dass es der Logik folgte… Gefahr… Gefahr für sich selbst, aber vor allem für das Mädchen, das er in Sicherheit wissen wollte. „Danke, Mum“, meinte Link, legte auf, und hoffte nun nur noch, dass die Entscheidung des Richters positiv ausfiel. Er ließ sein Handy in die Hosentasche sinken und blickte seinen Schützling aufmunternd an. „Jetzt wird sich die Sachlage entscheiden…“, sprach er sanft, während sie in dem Treppenaufgang standen. „Ja…“ „Eigentlich schade“, sagte er aufheiternd. „Warum?“ „Nun ja, jetzt wollte ich mich mit dir unterhalten und dich besser kennenlernen und nun haben wir doch keine Zeit mehr dafür“, murmelte er und schaute verlegen an ihrem rechten Ohr vorbei. Sie nickte bloß, wusste nicht, was sie sagen sollte und fühlte sich erneut sehr unsicher. Was war, wenn die Entscheidung des Richters weniger erfreulich ausfiel? Was war, wenn sie an einen Ort käme, der nicht so angenehm war wie Links Zuhause? Mit einem Schlag wurde ihr die Tragweite dieser ganzen Situation bewusst… und das Gefühl, dass ein anderer über ihr Wohlbefinden entschied, gefiel ihr ganz und gar nicht, es löste einen sehr bitteren Beigeschmack aus. „Wollen wir dann nach unten gehen und auf meine Eltern warten?“ Erneut kam nur ein Kopfnicken von der Schönen. Es kam ihm beinah so vor, als hatte sie ihre Stimme verloren. Sie scheute sich mit ihm zu reden und er ahnte, warum. Sie war angreifbar und hatte Angst vor den weiteren Abläufen. Sie umarmte sich selbst, richtete ihr wunderschönes Gesicht zu Boden und schloss ihre mit Schatten belegten Augen. „Hab‘ keine Angst…“, meinte Link und spürte in sich das Bedürfnis ihr das Gefühl zu geben, dass alles okay war. Zögerlich blickte sie auf. „Wir wissen beide, dass diese Situation irgendwie… verrückt ist… aber ich weiß, und ich will, dass du mir das glaubst… ich weiß, dass wir das irgendwie schaffen werden, was auch immer passiert. Ich weiß einfach, dass sich alles zum Guten wendet.“ Die Zuversicht schien persönlich aus dem Mund des Blondschopfs zu sprechen. „Hab‘ ein wenig Mut“, ergänzte er. Und Link fragte sich inzwischen teilweise, ob er jeden Verstand verloren hatte, was, zum Teufel, ließ ihn diese geistlosen Sätze formulieren? „Danke, Link“, meinte sie bestimmter und lief gemeinsam mit ihm die Treppen hinab. Er wusste nicht, ob sie ihm wirklich glaubte, aber ein Teil in ihm verlangte danach… Wenig später erschienen die Braverys fröhlich gelaunt und sichtlich entspannt durch ihrem bisher angenehmen Samstagnachmittag und liefen gemeinsam mit Link und der Unbekannten in das Büro von Onkel Jonas. Beschäftigt saß der Beamte hinter seinem Schreibtisch und las die Entscheidung des Richters vor, der das Mädchen ebenfalls vorhin begutachtet hatte. Tatsächlich war es eine erfreuliche Entscheidung, welche Link ein ausgefeiltes Grinsen in das Gesicht brachte und auch das Mädchen tief durchatmen ließ. „Die Entscheidung des Richters bestimmt also, dass sie zu einer Pflegefamilie kommen soll“, wiederholte Meira. Auch sie schien irgendwie begeistert und rieb sich die Hände. „Habt ihr bereits jemanden?“ Jonas Carter lächelte das erste Mal, seit Link ihn heute gesehen hatte. Es schien als war die schlechte Laune von heute Vormittag verflogen. „Nein, wir haben noch niemanden“, entgegnete er. „Das wolltet ihr doch alle hören, nicht wahr? Und ganz besonders du, Link!“, sprach er lachend. Dümmlich schaute der Angesprochene an die Decke und schluckte die Spucke in seinem Hals zwanghaft herunter. ,Ja, verdammt‘, dachte er. Ja, er wollte, dass sie bei ihm war. Er wollte, dass sie es nicht so schwer hatte! Was war daran so schlimm? „Wie geht es jetzt weiter?“, meinte Link neugierig und stemmte seine Hände auf dem Tisch ab. „Nun, den Rest musst du deiner Mutter überlassen“, meinte Jonas und alle Augen fielen auf Meira. Die rundliche, fröhliche Dame nickte bloß, krallte sich den Arm der unbekannten Schönen, die überhaupt nicht mehr wusste, wie ihr geschah. Sie war mittlerweile erledigt… fühlte sich schwindlig und hatte das Gefühl zu träumen… „Für mich ist die Sachlage klar, ich kann dann die Papiere unterschreiben, meine Personalien sind ja eh noch hinterlegt. Ihr habt noch alles, was ihr braucht von mir, oder?“ „Ja, es ist alles da, auch ein polizeiliches Führungszeugnis. Es steht nichts im Wege, dass das Mädchen nun bei euch bleiben kann“, entschied der Beamte, worauf Link heftig grinste und Freudensprünge absolvieren wollte. „Zumal die Unbekannte auch bei der Psychologin geäußert hat, dass sie bei euch bleiben will, natürlich nach Ausschluss irgendwelcher anderweitigen Motive.“ „Tatsächlich?“, meinte Sara. Ihre neckischen, großen Augen fielen interessiert zu der blonden Schönheit. Verlegen sah jene zu Boden. „Das ist ja hervorragend“, sprach Meira, krallte sich sofort die Formulare auf dem Tisch und unterzeichnete. „Können wir dann gehen?“, sprach sie. „Das Essen steht auf dem Ofen.“ Perplex sah das Mädchen dann in die Runde. War wirklich alles geklärt? Sie war den Tränen nah, als sie von Link in Richtung der Tür geschoben wurde und konnte die Situation noch gar nicht begreifen. Es war wirklich alles gut gegangen? Sie würde erst einmal bei Link bleiben können? „Aber bedenkt bitte, dass ein neuer Termin vereinbart werden muss, wenn das Mädchen einen Anhalt für ihre Erinnerungen hat. Außerdem wird sie nach den Ferien in die Schule gehen müssen, auch das muss noch geklärt werden. Die Unterlagen zur Krankenversicherung und so weiter schicken wir euch sobald wie möglich“, ergänzte Mister Carter. Dann endlich traten die Braverys aus dem Raum und machten sich bereit für die Fahrt in die Straße der Erinnerung. Überfordert ließ sich die fremde Lady aus dem Gebäude führen und schien zu träumen. Benommen registrierte sie nur teilweise, was passierte und schien erst wieder zu sich zu kommen, als sie gemeinsam im VW Tiguan saßen. Alles war in Ordnung… alles war gut… Sie schloss die Augen und lehnte sich entspannt zurück… Und auch für Link war im Großen und Ganzen alles in Ordnung, außer einer erinnernden Kleinigkeit. Denn als der Wagen seines Vaters über den Parkplatz fuhr, konnte er am Eingang des Präsidiums eine auffällige Gestalt heraustreten sehen. Beschleunigend fuhr der VW voran, aber ein letzter Blick bestätigte Links Sorge. Der bedrohliche Hüne von vorhin, der ihm gespenstisch vertraut erschien, hatte sich tatsächlich im Gebäude aufgehalten… Und vielleicht wachte jemand über das bisschen Glück, das Link und seinem Schützling zustand… Kapitel 7: Ein Name für alle Zeit --------------------------------- Als die Braverys mit ihrem Pflegekind in ihre Garage am Haus einfuhren, webte die glühende Abendsonne ein Gewand aus schimmerndem Rot, dass beflügelnd durch die silbergraue Nebeldecke drang. Zitternd trat das unbekannte Mädchen aus dem Auto und musterte die Braverys dankbar, auch wenn sie noch nicht begreifen konnte, was in den letzten Stunden geschehen war. Ein ihr fremder, und doch charmanter, herzensguter Junge hatte sie gefunden und darum gekämpft, dass sie vorerst eine sichere Bleibe hatte. Und nun war sie hier, vielleicht nicht so verloren wie vorhin, aber ungemein durcheinander. Sie tapste unsicher hinter Link her und versuchte sich an seinem Verhalten zu orientieren. Im Korridor des gemütlichen Einfamilienhauses entledigte er sich seiner Turnschuhe, worauf auch sie ihre Sandalen auszog. Noch ehe sie etwas sagen musste, stellte er ihr ein paar Hausschuhe vor die Nase und deutete an, dass sie diese jetzt die nächsten Tage tragen konnte. Und auch sonst ging alles sehr schnell seinen Lauf. Sie wusste nicht einmal mehr, was sie noch sagen sollte, als Meira sie in das Gästezimmer im obersten Stockwerk schob. Ein geräumiges Zimmer mit einem Ehebett, das die blonde Schönheit für sich alleine hatte, stand in der Mitte. Ein Schreibtisch, eine kleine Couch, sogar ein Fernseher und ein Radio. Und beruhigend war auch die Tatsache, dass Links Zimmer gleich neben diesem lag… „Dieses Zimmer wirst du in der nächsten Zeit dein Eigen nennen dürfen. Wann immer du alleine sein willst, oder Ruhe brauchst, dann kannst du dich hier aufhalten“, sprach Meira funkelnd und zeigte der Fremden alles, was sie über diesen Raum, die elektronischen Geräte und so weiter wissen musste. Die Schöne befolgte alle Anweisungen und traute sich kaum etwas zu Meira zu sagen… alles war so neu… alles war so befremdend. Gerade da kam Link in das Zimmer und hatte frisches Bettzeug auf seinen Armen. Er lächelte, hatte ohnehin das Gefühl, dass irgendwie alles in Ordnung war, dass auch seine vielen Grübeleien mit dem Erscheinen des Mädchens der Vergangenheit angehören würden. „Mum, ich habe hier die Bettwäsche“, sprach er. Sofort nahm Meira ihm diese ab, grinste ihn verschlagen an, wohl, weil er sich sonst nie die Mühe machte, jemandem im Haushalt zur Hand zu gehen. Sie überzog in Windeseile das Bett, während das Mädchen nur seufzend daneben stand. „So, junges Fräulein“, sprach Meira und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Du wirst nun erst einmal ein Teil unseres Haushalts sein, das heißt, dass du nur fragen musst, wenn es etwas gibt, was du brauchst, und dass du auch einige Aufgaben übernehmen wirst.“ Sie nickte augenblicklich und sprach langsam: „Das ist selbstverständlich.“ Es wirkte beinahe so, als suchte sie immer noch nach den richtigen Worten, als käme sie mit der Sprache nicht ganz zurecht. Meira schien sich von ihrem Tatendrang auch weiter leiten zu lassen, hetzte aus dem Raum und kam nur Augenbliche später mit einem Stapel Wäsche wieder. Sie reichte der Unbekannten die Kleidung. „Das sind einige Dinge, die dir vielleicht passen könnten, unter anderem ein Nachthemd, das einer meiner Fehlkäufe war, ein paar Strümpfe und so weiter.“ Dankbar nahm das Mädchen die Dinge an sich und war im Begriff vor Meira einen Knicks auszuführen, als sie sich aber stoppte. Irritiert sah sie eine überraschte Meira und einen geschockten Link an, der mehrmals zwinkerte. Sie spürte, dass sie verlegen wurde, ließ sich auf das Bett sinken und legte eine Hand über ihre Augen. Was, bei den Göttinnen, war eigentlich los mit ihr? Was war nur passiert, dass sie sich vorkam wie ein Überbleibsel einer anderen Zeit? „Vielleicht solltest du erst einmal etwas Ruhe finden, ich kümmere mich derweil um das Essen“, meinte Meira und trat in ihre Küche hinab. Sie dachte, dass auch Link ging, aber er stand sorgenvoll an der Tür und rührte sich nicht. Sie wendete ihren Blick ab, wollte sich nicht schon wieder vor ihm rechtfertigen müssen, und wünschte sich bloß, sie würde auf andere nicht so eigenartig wirken. Noch ehe sie die Situation verstand, saß Link schon neben ihr auf dem Bett und musterte sie. „Du bist ziemlich durch den Wind, hm?“, sprach er und wollte sie nur etwas aufheitern. „Es ist… eine schwierige Situation… ich weiß nicht, wie ich mich Meira gegenüber verhalten soll… Sie ist so fürsorglich und… ich habe irgendwie ein schlechtes Gewissen, dass sie bereits jetzt schon so viel für mich tut. Auch Eric… und Sara… sind so wunderbare Menschen. Ich will einfach nicht, dass ich ihnen Umstände bereite…“ „Das machst du nicht“, sprach er streng. „Es war die Entscheidung meiner Eltern, dass du bleiben kannst.“ „Weil du sie überzeugt hast“, meinte sie und blickte ihn sinnlich an. Ihre Augen funkelten mit Dankbarkeit auch ihm gegenüber. „Nun ja, ich habe… es dir versprochen… es wird alles gut…“, sprach er schüchtern und wurde ebenso verlegen. „Wer weiß, vielleicht kannst du dich ja bald an alles erinnern und dann machst du meiner Familie und mir bestimmt auch keine Umstände mehr.“ „Ja, das ist ein guter Gedanke…“ „Natürlich, der Gedanke kommt ja auch von mir“, brüstete er sich und grinste. Auch sie lächelte sanft und zumindest ein Teil ihrer Nervosität verflog. „Link… können wir uns nachher ein wenig unterhalten…“, bat sei inständig. Er nickte lediglich, wollte noch etwas sagen, als aber Sara in den Raum stürmte. „Ich wollte nur schauen, dass ihr auch keine Dummheiten anstellt“, lachte sie. Link funkelte sie beleidigt an, nicht, weil sie gerade die angenehme Situation zwischen ihnen unterbrochen hatte, aber weil sie mit ihren Sätzen einige Unterstellungen anrichtete. „Und ich habe mir etwas überlegt, damit wir deinen Schützling nicht dauernd mit ,Hallo‘ oder ,Hey‘ anreden müssen. Sie braucht einen Namen. Kommt ihr mit rüber?“ Und es war dann, dass die drei Jugendlichen in Links Zimmer überlegten, wie man für die Fremde einen guten Namen finden könnte. „Ich weiß“, sagte Sara und kramte nach vielen, vielen leeren Papierzetteln. „So Leute, lasst uns Namen auf diese Zettel schreiben und dann werfen wir sie in einen Beutel und du…“ Sie deutete zu der Fremden. „… du ziehst irgendeinen davon heraus. Und der Name, der auf dem Schnipsel steht, wird deiner sein.“ Link und das Mädchen stimmten dem Vorschlag zu und jeder schrieb irgendwelche Namen, die ihnen in den Sinn kamen, darauf. Der junge, zukünftige Held verschwand für eine Weile aus dem Raum, als die Fremde Sara ansprach: „Sara, welchen Namen hast du im Sinn?“ „Das wirst du erfahren, wenn du einen bestimmten Zettel ziehst. Und wenn du diesen Zettel unbewusst auswählst, dann ist das entweder Zufall oder Schicksal.“ „Du bist geheimnisvoll, Sara.“ „Nö, ich bin bloß schlau und das sieht man nicht nur an meinen Schulnoten und ich bin nicht eingebildet.“ Der Gast der Braverys lächelte. „Das habe ich auch niemals angenommen. Aber irgendetwas verbirgt sich hinter dir.“ Sara sah die Fremde mit einem ernsten Blick an. Und das Gegenüber blickte ebenso in ihre Augen. „Du siehst viele Dinge, die niemand sehen kann, Sara, aber du hast Angst davor.“ Und die Situation zwischen Sara und dem fremden Mädchen wandelte sich von locker zu gehemmt und angespannt. Als würde das fremde Mädchen Dinge hinter den Augen eines Wesen erkennen, die das Wesen selbst nicht preisgeben wollte, als wüsste sie mehr als jeder andere. „Du siehst Dinge, bevor sie geschehen und doch hast du diese Fähigkeit noch nie als solche erkannt…“ Die junge Lady mit dem Blick einer weisen, mächtigen Persönlichkeit nahm Saras Hand und sagte leise: „Fürchte dich nicht vor dir selbst, Sara.“ „Aber ich…“, murmelte Sara und blickte verwirrt und eine Spur angsterfüllt weg. Die Fremde stand auf und wunderte sich wohl über sich selbst. „Verzeih mir Sara, ich wollte nicht…“ Ein wenig schockiert legte sie eine Hand über ihre Lippen, verstand nicht, wusste nicht, was in sie gefahren war. Und da war es wieder. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Sie war anders als andere Menschen und gegenüber Sara hatte sie einen weiteren Beweis dafür. „Du bist genauso verrückt wie Link, weißt du das?“, sagte Sara um die beklemmende Situation zu überspielen. „Apropos Link. Du wolltest vorhin wissen, was ich gemeint habe, als ich sagte: Held?“ Das Mädchen drehte sich langsam um und nickte lediglich verlegen mit dem Kopf. Sara hüpfte zu Links Schreibtisch und blätterte in dem Spielberater von ,Ocarina of Time’ herum. „Siehst du, sein Name ist auch Link.“ Und Sara deutete vielversprechend auf die mit einer Tunika bekleidete Figur. „Wirklich?“ „Ja, lustig, aber er mag es nicht, wenn man ihn nur wegen seines Namens mit einer Spielfigur vergleicht. Er hasst es sogar.“ „Aber ich würde mir dieses Spiel gerne einmal ansehen.“ Und sie strich mit ihren Fingerspitzen über eine Abbildung des Helden der Zeit, tupfte über dessen Gesicht als wäre er echt. „Solltest du vielleicht“, entgegnete Sara. In dem Augenblick kam Link zurück. Sofort bemerkte er, wie die beiden Mädchen über dem Spielberater gebeugt, amüsiert und grinsend darin herumblätterten. „Und noch etwas… Link sieht der Spielfigur ähnlich. Krass, nicht wahr?“, sagte Sara, die noch nicht bemerkt hatte, dass Link in dem Zimmer stand. Die Schöne meinte nichts dazu, sondern dachte, wie demütigend es für ihn sein muss, stets damit verglichen zu werden. Eine Spielfigur war nun mal nicht wirklich, aber Link war es… Es musste ihn belasten, denn das Zeldaspiel war wohl in aller Munde… „Ja, krass. Echt nett Sara. Und du hast nichts Besseres zu erzählen, als dass eine Spielfigur mir ähnlich sieht und noch genauso heißt wie ich. Danke… ich dachte immer, du wärst anders als die meisten. Aber ich habe mich wohl getäuscht.“ Link blickte Sara mit einem verächtlichen Blick an, wie er es noch nie getan hatte. „Entschuldige Link, das…“ „Ich habe es schon kapiert, da ich nicht so naiv und schweigsam wie eine grünbemützte Spielfigur bin. Danke für deine Verspottung…“, sagte Link und fuhr ihr mit seinen Worten über den Mund. Wütend lief er in die Mitte der beiden Leute zu dem Schreibtisch, nahm das schwarze Heft an sich und legte es in einen Schrank, bedacht, dass es nicht gesehen wurde, als wäre es eine Art Rettung für sich selbst, wenn es das Tageslicht nicht mehr sah. Ebenso wie ein Land gerettet werden könnte, wenn es nicht mehr existierte… Sara sah reumütig weg und das fremde Mädchen sah sich die beiden Menschen genau an, wusste und verstand zu viel… sie sah Dinge in dem Herzen eines Menschen, ohne es zu wollen. Eine lange unangenehme Pause entstand. Die Fremde ergriff die Initiative, nahm den Beutel mit den Namensschildchen zur Hand. Anstatt es einfach seinen Lauf nehmen zu lassen, hatten die Geschwister in diesem Haus eine Wissenschaft daraus gemacht, der Fremden einen Namen zu geben. Aber war dieser ganze Aufwand denn nötig? Fühlte sie nicht vielleicht doch schon, welcher ihr Name war? „Am besten du ziehst gleich den Schnipsel“, sagte Link. „Dann machst du die Sache nicht so spannend.“ Sie nickte und kramte in dem Beutel herum. Sie umfasste einen Zettel und öffnete das zusammengefaltete Stückchen Papier sehr vorsichtig. Ein wenig irritiert sah sie in Links tiefblaue Augen und ahnte, dass ihm dieser Name gar nicht gefallen würde. Sie sagte nichts, sondern reichte ihm den Zettel. Entsetzt, aber wohlwissend, welche Schrift diese auf dem Stückchen Papier war, sah er seine kleine Schwester an: „Du willst mich wohl endgültig in die Klapsmühle bringen, was?“, sagte er verärgert. Schnell sah Sara auf den Schnipsel und hätte auch vorher gewusst, welchen Zettel die unbekannte Schöne gezogen hatte. Aber Sara lächelte nur: „Also, dann nennen wir dich Zelda.“ Sie schmunzelte. Wie schön es sein konnte, wenn sich harmlose, aber wohlgemerkt gewisse interessante Vorahnungen bewahrheiteten. Sara wusste, dass jene Dame diesen Zettel an sich nehmen würde. Denn darauf stand ein Name für sie… ein Name für alle Ewigkeit… Link ließ sich genervt in seinen Sessel sinken und schüttelte bloß mit dem Kopf. „Das hast du ja toll hinbekommen, Sara… fein… fein…“ „Gut, oder nicht. Zelda passt doch zu ihr.“ Und Sara deutete vielsagend zu der schweigenden Unbekannten. „Und was soll’ ich anderen Leuten erzählen, wenn sie mich fragen, was passiert ist? In etwa: ,Link findet Zelda’ Spitze, weiter so. Fehlen nur noch die sechs Weisen und der König von Hyrule…“, meinte er ironisch. Aus irgendeinem Grund störte ihn etwas. Nicht, dass der Name der Fremden nicht stehen würde, nein, aber vielleicht war es aus anderen Gründen nicht richtig. „Wenn andere fragen, kannst du ihnen ruhig die Wahrheit erzählen.“ Link funkelte Sara eindringlich an, als wollte er sagen. ,Die Wahrheit? Soll ich anderen sagen, was ich träume, oder dass ihre Stimme nach mir gerufen hat?’ Er ärgerte sich maßlos über Sara und in dem Augenblick war ihm alles zu viel. Seine Wunde brannte und verärgert murrte er: „Du bist einfach nicht mehr bei Trost, Sara.“ „Du bist hier nicht mehr bei Trost“, sagte sie eingeschnappt. „Mag sein, aber ich demütige andere Leute nicht noch mit geistreichen Erfindungen, die keinen interessieren. Diesmal hast du total danebengegriffen, Sara.“ Die Schöne mischte sich ein und begann mit einem: „Hey, beruhigt euch doch. Diese Sache ist doch kein Grund, sich aufzuregen, weil…“ Aber sie wurde unterbrochen von zwei griesgrämigen Gestalten, die sich wegen etwas so Stupiden, wie einem einfachen Namen, in den Haaren hatten. Link und Sara zankten sich so lange, bis Sara aus dem Raum rannte und die Tür hinter sich zu schlug. Jetzt würde sie wohl nicht mehr so leicht dem Frieden unter Geschwistern einwilligen. Beschämt über diese stumpfsinnige Demonstration eines läppischen Geschwisterstreits, suchte Link nach einem neuen Thema zur Ablenkung. Aber er verschwendete seine Zeit mit Überlegungen. „Streitet ihr beide euch öfters“, fragte die junge Lady mit den blonden Haaren und setzte sich auf den Drehstuhl, welcher gegenüber von dem Schreibtisch stand. „Ja… irgendwie immer wegen solchen Kleinigkeiten. Ich bin so hirnlos. Weißt du, eigentlich will ich Sara gar nicht anschreien, aber da ist diese Sache mit dem Spiel…“ „Du willst eben keine Spielfigur sein. Hey, wer will das schon?“, sagte die Fremde. Sie suchte seinen Blick und lächelte. „Sie ist dir bestimmt nicht böse. Ich glaube, jemandem wie dir vergibt man gerne den größten Fehler…“, setzte sie hinzu. Link sah nur dumm aus der Wäsche. War das gerade ein Kompliment? Wie bescheuert. Er zeigte hier auf eine abfällige Art und Weise ein spätpubertäres Streitproblem mit seiner Schwester und die Fremde machte ihm noch Komplimente deswegen. Er setzte ein charmantes Grinsen auf und nickte bloß. „Aber wegen dem Namen…“, sagte er. „Ich finde…“ „Ja?“ Und das Mädchen ihm gegenüber rutschte einige Zentimeter näher an ihn heran. „… er passt ausgesprochen gut zu dir… auch wenn ich es wohl nicht wahrhaben will.“ „Wirklich?“ Link nickte lächelnd und zeigte ein weiteres charmantes Grinsen. Gerade da riss Meira gut gelaunt die Holztür in Links Zimmer auf und sprang ohne weiteres hinein. Sie trug ihre Küchenschürze und musste mehr gekocht haben als sowohl das Mädchen, als auch Link essen konnten. „So, Kinder, das Essen ist fertig“, sprach sie. „Kommt dann bitte zu Tisch.“ Im nächsten Augenblick war sie auch schon wieder verschwunden. „Ich kann immer noch nicht so recht glauben, dass ich tatsächlich erst einmal hier bleiben kann…“, murmelte die blonde Schönheit, die nun vorerst den Namen Zelda tragen würde. „Es ist alles so unwirklich…“ Sie rieb sich über ihre Arme und drehte sich zu Link um. Er seufzte und hoffte nur, dass sich die Ungewissheit seines Schützlings legen würde. Und er hoffte, dass bei all den verrückten Ereignissen der letzten Tage Zeldas Erscheinen, ihr Leben und ihr Aufenthalt bei ihm, keine bedenklichen Konsequenzen hatte. Vielleicht war es doch nur Zufall, dass er sie gefunden hatte… vielleicht war es nicht ihre Stimme, die ihn rief, und vielleicht war auch ihr Gedächtnisverlust nichts Ungewöhnliches… „Das legt sich garantiert“, sprach Link. „Vielleicht machst du dir zu viele Gedanken.“ „Ja, vielleicht…“, entgegnete sie. Gemeinsam traten sie schließlich hinab in die Küche. Aus der Küche drang die Nase verführend ein sehr starker, nach verschiedenen Gewürzen duftender Geruch und erfüllte das gesamte Haus. Zelda schnupperte das Aroma in der Luft, sich nicht sicher, ob sie jemals den Geruch dieser Gewürze in der Nase hatte und erstaunte. Wenn man den gesamten Tag kaum etwas gegessen hatte, schien ohnehin alles gut zu riechen. Als sie vorsichtig hinter Link in die Küche eintrat, saßen Sara, Eric und Meira bereits am bunt gedeckten Tisch. Dunkelblaue Teller, silberfarbiges Besteck und bunte Gläser waren auf eine farbenreiche Tischdecke gestellt worden. Eine riesige, pechschwarze Pfanne, die das gut gewürzte Essen warm hielt, stand verschönernd in der Mitte. Etwas misstrauisch musterte Zelda das Essen und blickte dann unsicher in die Runde. Link deutete auf den freien Platz, direkt neben ihm auf der Eckbank, worauf sich das Mädchen setzte. Sie wartete bis jeder sich bedient hatte und beäugte die Speise nicht mit Abscheu, aber Verwunderung. ,Welches Fleisch war dies‘, fragte sie sich. Und selbst einige der Gemüsesorten kamen ihr fremd vor. „Du darfst dich ruhig bedienen“, meinte Meira, während sie schmatzte und sich eine Bandnudel in den Mund schob. Zelda nickte dankend und schien sich etwas unbeholfen anzustellen, als sie sich das Essen auf den Teller packte. Dann fragte sie sich für einen kurzen Augenblick, wo das restliche Besteck auf ihrem Platz war. Sie rieb sich über die Augen, wusste, dass es für sie gewöhnlich war, dass sie mindestens drei Gabeln, drei Messer und zwei Löffel an ihrem Platz hatte. Link bemerkte ihr Zögern. „Stimmt etwas nicht?“, meinte er und sprach, während er kaute. Sie schüttelte den Kopf und blickte in die Runde der erwartungsfrohen Braverys. Besonders Meira schien darauf zu warten, dass sie endlich aß. Als Zelda einen ersten Bissen nahm, konnte sie kaum glauben, jemals etwas Besseres gegessen zu haben. Hastig aß sie weiter, erstaunt über die Erfahrung eines neuen Geschmacks in ihrem Mund. „Schmeckt es denn, Kind?“, fragte Meira. „Ja, es ist wundervoll…“, sprach sie, worauf Link mit dem Ellenbogen an Zeldas Schulter stupste. „Du musst nicht immer so höflich sein. Du kannst ruhig sagen, wenn es dir nicht mundet“, maulte Link. „Meine Mutter wird es überleben.“ Bitterböse funkelten Meiras rehbraune Augen in die tiefblauen ihres Sohnes. „Mein Essen hat bisher jedem geschmeckt“, sprach sie beleidigt. „Ja, jedem, der nichts anderes kennt“, neckte er, aber auch da wurde Meira wütend und rot wie eine Kirsche im Gesicht. Sie schnaubte entrüstet. Link wollte eigentlich nur etwas heitere Stimmung an den Tisch bringen, weil er spürte, dass die Situation irgendwie unbequem war. Aber der Versuch war nicht der Beste… Er seufzte und entschärfte die Situation. „Obwohl ich dein Essen ohnehin sehr mag, Mum…“, meinte er dann. „Das will ich auch gehofft haben“, brummte sie. Aber die Befangenheit bei Tisch verging nicht… und auch Zelda spürte dies. Es war unangenehm zu wissen, dass sie das normale Familienleben der Braverys störte. Und sicherlich benahmen sich bei Tisch alle nur wegen ihr so ungewöhnlich und zurückhaltend. „Also, junges Fräulein“, meinte Eric dann. Zweiter Versuch die miese Stimmung zu beseitigen. „Gibt es etwas, was du über unsere Familie wissen möchtest? Oder würdest du uns gerne irgendetwas erzählen? Natürlich wird dich keiner unter Druck setzen, aber du bist unser Gast und es wäre gut, dich etwas kennenzulernen.“ Überfordert huschten ihre himmelblauen Augen von einem zum anderen. Ja, sie würde gerne etwas erzählen, aber sie hatte nicht einen winzigen Faden, wo sie anfangen konnte. Und sie war so sehr mit ihren Zweifeln beschäftigt, dass sie nicht einmal wusste, welche Frage sie stellen sollte. „Also, Paps, erst einmal brauchst du sie nicht mit ,junges Fräulein‘ ansprechen. Wir haben uns vorhin zu dritt einen passenden Namen überlegt. Ihr könnt sie mit Zelda ansprechen“, sprach Sara und rettete irgendwie die unangenehme Situation. „Zelda, also?“, sprach Meira. „Habe ich den Namen nicht irgendwo gelesen letztens?“ Schmatzend beäugte sie ihren Sohnemann. „Nun ja, ist ja auch unwichtig. Viel wichtiger ist wohl, dass wir den Schlamassel erst einmal hinter uns haben.“ „Ja, zum Glück, es war nervenaufreibend in der blöden Polizei zu warten“, meinte Sara, worauf das blonde Mädchen das Essen stoppte. Es war ihr etwas peinlich und unangenehm, dass sie die Braverys damit überhaupt belastet hatte. „Ja, das war in der Tat ein Erlebnis“, sprach Eric aufheiternd. „Und es hat uns den Samstag versaut“, murmelte Sara. Sie wünschte Zelda nichts Böses, aber hätte man diese Angelegenheit nicht auch anders regeln können? Und es war dann, dass Zelda endgültig ihr Besteck zur Seite legte. Sara wusste es nicht, aber ihre Worte lösten bei der hübschen Unbekannten noch mehr Schuldgefühle aus. Sie erhob sich, blickte dann in die verwunderten Gesichter der Braverys und sprach klar: „Ich möchte mich in aller Form… für eure Gastfreundschaft bedanken… Sobald ich mich wieder erinnern kann, dann möchte ich, dass ihr dafür… belohnt werdet…“ Auf eine Antwort wartend sah sie wieder in die Runde und nahm vorsichtig Platz. Doch diese Aussage schockierte die Braverys mehr als alles bisher Geschehene. Link fiel der Löffel aus dem Mund. Sara zwinkerte. Meira und Eric warfen sich gespenstische Blicke zu. Und jeder dachte, was keiner aussprechen wollte. Zelda kam entweder wirklich von einem anderen Stern oder sie wusste einfach nicht, wie man sich ausdrückte… „Ähm…“, murmelte Link, wollte irgendetwas sagen, um auch diese peinlichen Gefühle der Anwesenden zu verändern, aber er wusste sich keinen Rat. Normalerweise hatte er immer einen frechen Spruch parat, aber er musste wohl einsehen, dass er sich einfach zu müde fühlte. „Nun ja, Mädchen, es ist ja soweit alles in Ordnung und du solltest keine Schuldgefühle wegen uns haben, zumal das unsere Entscheidung war dich einzuladen“, meinte Eric. „Du bist jetzt unser Pflegekind und hast damit auch das Recht uns um etwas zu bitten oder dich an Diskussionen zu beteiligen.“ Zelda nickte bekümmert. Sie wusste gar nicht, was sie darauf sagen sollte. Es war ihr fremd, dass jemand sich ihr gegenüber so bestimmt und herzlich verhielt. „Nebenbei“, sprach Meira einfühlsam. „Wie fühlst du dich, Zelda? Ich meine, nach all dem Chaos?“ Und einmal mehr wirkte sie, als würde diese Anteilnahme sie überfordern. Sie blickte beschämt zu ihren verkrampften Händen. „Es geht mir… eigentlich… ganz gut.“ Sie warf einen zögerlichen Blick zu Link, der sich genüsslich das Essen in den Wanst stopfte. „Freut mich“, sprach Meira und blickte das Mädchen mütterlich an. „Es tut mir leid… dass ich nicht weiß, was ich erzählen soll… Ich habe einfach keine Idee…“, rechtfertigte sie sich. „Aber das macht doch nichts, du wirst ja noch genug Zeit dafür haben“, entgegnete Meira. Und nicht nur so lächelte, auch der Rest der Familie tat es ihr gleich. ,Ja‘, dachte Zelda, und sie spürte es: sie war willkommen in diesem Hause, auch unbedacht der merkwürdigen Umstände… Nach dem Essen beobachtete Zelda die Tätigkeiten von Meira, wie sie ihren Haushalt in Ordnung brachte, beobachtete Eric, der an seinem Laptop saß und sie war beinahe fasziniert von der modernen Technik. Sie beobachtete ganz genau die Abläufe und lernte schnell… Und so zeigte Meira ihr die Aufgaben, die sie in nächster Zeit übernehmen sollte wie Blumen gießen und den Geschirrspüler bedienen. Links Eltern schlossen die Dame sofort ins Herz und waren von ihr noch begeisterter als ihr Retter selbst… Später am Abend waren Zelda und Link gemeinsam in sein Zimmer getrottet und unterhielten sich über den mehr als ungewöhnlichen Tag. Auch das Schmuckstück fiel Link wieder ein, welches hinter dem Nachttischschränkchen lag. Er stand auf und beugte sich zähneknirschend über den Schrank. Seine Wunde brannte stärker, wenn er unangemessene Bewegungen machte, aber vor diesem hübschen Gesicht würde er keine Schwäche zeigen, nicht heute, nicht morgen. Diesmal krallte er sich das kostbare Schmuckstück und reichte es dem verdutzt drein sehenden, hübschen Gesicht ihm gegenüber. „Du hast diese Tiara in deiner rechten Hand gehalten, als ich dich fand und nicht loslassen wollen. In der Nacht ist es dann unabsichtlich hinter dem Schrank gelandet. Es gehört dir und deshalb nimm’ es.“ Sie sah sich das edle Stück an und irgendwie war etwas Abstoßendes daran. Etwas haftete daran, das ihr nicht geheuer war, etwas so Unberechenbares, Kaltes. „Ich will dieses Ding nicht haben“, sagte sie und bezeichnete das Schmuckstück damit als etwas Unnützes, das keinen Wert hatte. Angewidert legte sie es auf den braunen, runden Tisch in der Zimmermitte. „Irgendwie macht es mich krank. Wenn du möchtest, kannst du es irgendwo verkaufen.“ Noch im selben Moment griff sie sich an den Ring, den sie an ihrer rechten Hand trug, ja auch dies war Schmuck, genauso wie die Tiara, aber daran haftete etwas Warmes, Vertrautes. Sie lief dann zum Fenster, was, so nahm Link an, ihre Lieblingsbeschäftigung war, und blickte mit verschränkten Armen hinaus. Link packte das Schmuckstück in eine Schachtel und steckte diese in den erstbesten Kasten. Er trat neben sie und nahm an ihrem Ausblick teil. „Das ist eine seltsame Welt da draußen…“, sagte Link gedämpft, den aufkommenden Schmerz unterdrückend. „Ja… jeder lebt ohne richtig den Sinn erkennen zu wollen…“, antwortete sie. „Aber warum ist dir diese Welt fremd? Du hast eine sorgende Familie und du führst ein normales Leben…“, sagte sie. „So normal ist mein Leben nur leider nicht“, entgegnete er. Sie sah ihn von der Seite an und fürchtete sich fast davor, einen Blick hinter seine Fassade zu werfen. Er war so unbeschreiblich anziehend, so rätselhaft… Tiefe Geheimnisse lagen in seiner Seele und belasteten ihn. Das fühlte sie… Er drehte seinen Kopf zu ihr und versuchte es mit einem seines sanften, charmanten Lächelns. „Also… Zelda…“, murmelte er, überrascht, wie schön der Name doch klang, wenn man ihn richtig aussprach. „Also, Link“, sagte sie. „Was möchtest du jetzt noch tun? Ich würde dir ja gerne einmal die Stelle zeigen, wo ich dich fand, aber es ist so neblig draußen und nieselt. In den Wäldern ist es unangenehm, wenn solches, schmieriges Wetter ist.“ „Da stimme ich dir zu. Bist du denn häufig dort unterwegs?“ Link nickte nur. „Es ist, als ob mich etwas schon immer dort hingezogen hätte…“ „Als ob du früher dort gelebt hättest…“ „Ja, genau.“ Sie erwiderte seinen nachdenklichen Blick. Unmöglich… sie verstand ihn, kannte seine Gedanken. Und es war das erste Mal in Links Leben, dass ihn jemand auf diese Art und Weise verstehen wollte. Das erste Mal, dass er sich so mit einer Menschenseele unterhalten konnte. „Ich danke dir, Zelda“, meinte er. „Wofür?“ Überraschung stand in ihren Augen. „Ach, einfach nur so.“ Sie blickten sich erneut so lange an wie möglich, bis einer von beiden mit den Wimpern zuckte. „Du gibst mir Mut, auch wenn ich nicht verstehen wieso…“, sagte sie, „Ich fühle mich irgendwie so sicher hier, aufgehoben und äußerst wohl. Wie kann ich dir nur danken, dass ich hier bleiben kann?“ „Mir fällt später bestimmt was ein…“, sagte er grinsend, verkniff sich aber besagtes Grinsen wieder, als seine Wunde sich bösartig einmischte. Er atmete tief ein und stützte sich leicht auf der inneren Fensterbank ab. Plötzlich fühlte er eine warme sanfte Hand auf seiner Stirn. Seine Augen begegneten ihren, die sichtbar besorgt dreinblickten. „Du brauchst mir nicht die heile Welt vorspielen, die es für niemanden gibt… und dir brauchst du diese auch nicht vorspielen…“, murmelte sie ein wenig unsicher. Sie wusste, ihm ging es nicht gut. Sie fühlte sein Fieber beinahe, als wäre es ihr eigenes. Er sagte nichts auf ihre Worte, nahm ihr Handgelenk und führte jene warme Hand, trotz des durchaus angenehmen Gefühls ihrer Haut auf seiner Stirn davon weg. Link lief einige Runden im Raum hin und her, beachtete Zeldas ernsten Blick nicht und lief zur Zimmertür. Verdammt, er wollte vom Thema ablenken, und hatte keine Ahnung wie. Sie hatte ihn durchschaut, sie wusste zu viel… „Warte, Link. Könntest du mir dieses Spiel… du weißt… die Legende von Zelda, denn einmal zeigen?“ Er schüttelte mit dem Kopf. „Ich habe Sara versprochen, es nicht anzurühren… frag’ sie deswegen.“ Und er legte eine Hand auf den Türgriff. „Link, ähm…“ Sie wollte zu ihm durchdringen. Das schien aber eine Lebensaufgabe zu sein. Er verheimlichte so vieles, nicht nur vor anderen, sondern auch vor sich selbst… „Ja“, fragte er ohne sich umzudrehen. „Bitte rede mit mir. Erzähl’ mir etwas von dieser Welt, Link.“ Er öffnete die Tür. „Später…“, murmelte er und ging aus dem Raum. Sie folgte ihm, wollte wissen, wie es mit seiner Verletzung stand, ihm helfen, da er ihr geholfen hatte. Sie schritt ebenso aus dem Raum und wunderte sich zunächst, wo Link so schnell abgeblieben war. Zelda lief in die Stube und sah Links Eltern dort vor dem Fernseher sitzen. Genüsslich schaufelten sie sich ein paar Chips in den Mund und lachten über eine stupide Videoaufzeichnung. „Suchst du Link?“, fragte Meira in einem Moment, als sie ihr schrilles Lachen unterbinden konnte. „Ja, das tue ich.“ „Er hat seine Jacke angezogen und ist ohne ein Wort abgerauscht. Komm’ ja nicht auf den Dreh ihm hinterher zu rennen. Du holst ihn sowieso nicht ein.“ „Warum denn nicht?“ „Weil er zu schnell ist und seine Geheimverstecke kennt.“ „Und wo ist Sara?“ „Die ist bei Mike, einem Freund.“ Zelda lief zu der Couch, wo das Ehepaar gemütlich saß und auf einen neuen Flachbildfernseher schaute. Meira stand auf und beäugte das Mädchen wieder. „Aber egal, du weißt nicht, was du tun könntest, oder?“ „Ja, ich brauche wohl einfach nur eine Beschäftigung.“ „Das kann ich gut verstehen. Möchtest du vielleicht ein wenig lesen? Ich habe einige Phantasieromane, Horrorgeschichten und Krimis, wenn du magst. Da fällt mir ein, du kannst auch gerne irgendeine DVD aus der Sammlung meines Mannes schauen.“ Und Links Vater sah das Mädchen grinsend an. „Danke, aber ich würde gerne irgendetwas Nützlicheres tun…“ „Nützlicheres gibt es bei uns am Wochenende nur leider nicht, nur Entspannendes… da hätte dich unser Sohn früher finden müssen.“ Und Zelda lächelte. „Wegen Link…“, fing Zelda an. Sie setzte sich auf einen großen, cremefarbenen Hocker mit weichem Bezug. „Gibt es denn nichts, was ich für ihn tun könnte, wie ich mich bei ihm revanchieren könnte.“ „Du möchtest aus der Situation, so wie sie ist, eben das Beste machen. Das ist uns klar“, sagte Links Vater und Zelda sah sich diesen ein weiteres Mal genau an. Er hatte graublaue Augen, so wie Sara, trug einen Dreitagebart und war eigentlich sehr schlank, vielleicht sogar ein bisschen zu mager. Das auffälligste an ihm war eine große Narbe an seiner rechten Wange und die Brille auf der Nase. „Ich würde dich ja gerne damit beauftragen, Links Schränke auf Unrat zu sortieren, aber du könntest wahnsinnig werden bei dem ganzen Kram, den er aufbewahrt und zweitens mag er es nicht, wenn jemand in seinen Sachen herumschnüffelt.“ „Vielleicht lese ich doch ein Buch…“, sagte Zelda dann. Meira führte sie dann in ihre persönliche kleine Bibliothek, die aus einem großen Regal in ihrem Schlafzimmer bestand. „Was möchtest du? Harry Potter? Oder eher etwas von Wolfgang Hohlbein? Dean Koontz ist auch nicht schlecht oder… Marion Zimmer Bradley lesen auch viele.“ „Ja, also? Wenn ich ehrlich bin, sagt mir keines der Bücher irgendetwas…“ „Tja… das muss wohl an deinem Gedächtnisschwund liegen.“ „Nein, da steckt mehr dahinter“, seufzte Zelda, während sie die Bücher durchkämmte. Meira sah verwirrt drein und legte eine Hand auf die Schulter des Mädchens. „Wie auch immer, genieße deine Zeit hier doch einfach.“ Zelda nickte und entschied sich für ein Buch der Donovan- Saga. Meira schmunzelte. „Aber ich warne dich. Diese Bücher sind immer ein wenig… nun ja… romantisch…“ Zelda tat diese Tatsache ab und nahm an, dass sie dies selbst herausfinden würde. Wenn es dann zu romantisch werden sollte und ihr das Lesen keinen Spaß machen würde, könnte sie das Buch auch wieder zu klappen. Meira folgte dem Mädchen in das Gästezimmer. „Fühl’ dich ruhig wie zuhause.“ Was Zelda natürlich tun würde. Sie setzte sich vor den Schreibtisch und hatte spontan einen weiteren Gedanken. „Ähm, Meira, könntest du mir noch einen Gefallen tun?“ „Ja, was möchtest du?“ „Ich hätte gerne ein paar Blätter Pergament und eine Feder.“ Meira begann herzlich zu lachen und kugelte sich schon. Ihren Atem kontrollierend lehnte sie sich an die Wand. Seit wann benutzte man in der modernen Welt Federn zum Schreiben? „Habe ich etwas Falsches gesagt?“, meinte Zelda leise und erneut verlegen. „In unserer Welt benutzt man keine Federn mehr, zumindest nicht unbedingt für den Alltag, armes Kind.“ „Oh…“, sagte Zelda, „entschuldige bitte…“ Meira lief hastig auf sie zu. „Nana… dafür brauchst du dich doch nicht zu entschuldigen. Es klang nur so witzig. Ich müsste mich für mein Gelächter entschuldigen… Warte ich hole dir Schreibzeug und ein Notizbuch.“ Zelda ließ sich beschämt mit dem Rücken auf das Bett fallen und hielt das Buch schützend vor ihren rotglühenden Kopf. Wie peinlich… wie demütigend… Sie wusste einfach nichts, kannte sich in dieser Welt nicht aus und kam sich mit ihrer stumpfsinnigen, alten Art ziemlich unpässlich vor. Alles war befremdend… die Gegenstände… die Menschen… Da war wieder dieses Gefühl etwas wissen zu müssen, was sie nicht wusste, was sie nicht erinnerte und doch war es von Bedeutung, nicht nur für sie- irgendwann vielleicht für diese ganze, moderne Welt. Während sie so dalag, wendete sie ihren Kopf zu der Fensterscheibe, sah Regen, der beinahe wütend vom nebulösen Himmel niederfiel. Etwas wartete da draußen. Jemand suchte nach ihr. Das ahnte sie, fühlte sie. Eine ihrer wunderbaren Fähigkeiten, mit denen sie nichts anzufangen wusste. Etwas Bösartiges, unmenschlich Finsteres, lauerte da draußen und wartete, begehrte Macht, verlangte nach Rache… Meira kam frohen Mutes in das Zimmer gestolpert und brachte die aus den Gedanken gerissene Zelda total aus dem Konzept. Dies schien wohl ihre beste Fähigkeit zu sein: Leute, besonders ihren Sohn, aus dem Konzept bringen wollend. Sie hatte einen A4- Block unter dem Arm und eine Federmappe in der Hand. „Bitte sehr. Darf’ ich auch fragen, wozu du diese Dinge benötigst.“ Zelda sprang vom Bett auf und nahm Meira die Sachen ab. „Ich möchte meine Gedanken notieren und vielleicht einige Träume aufschreiben, um festzuhalten, was wichtig ist…“ „Na, da scheint unser Junge ja tatsächlich eine Prinzessin gefunden zu haben“, sagte Meira kichernd und pflanzte sich in einen Sessel neben dem Schreibtisch. „Ich danke dir sehr, Meira. Ich wäre verloren, wenn Link mich nicht gefunden hätte und ich nicht hier wohnen dürfte.“ „Er hat ja auch lange dafür argumentiert, dass du bleiben kannst.“ Zelda lächelte. „Und ich denke, ihn hat es irgendwie erwischt, als er dich sah. Du bist wirklich sehr hübsch. Das muss dir einfach mal jemand sagen.“ Zelda sah verlegen zu Boden und ihre Wangen färbten sich schwach rosa. „Danke für das Kompliment.“ „Nicht der Rede wert.“ Nach einer Pause ergänzte Meira noch: „Ehe ich es vergesse, Eric und ich fahren morgen vielleicht ein paar Tage weg und Sara hat uns bereits darum gebeten, ob sie mitkommen kann. Ich schätze, das müsste eigentlich auch nach dem Betreuungsgesetz unseres Landes in Ordnung sein. Eric, Sara und ich sind nicht zu weit weg, sodass wir schnellst möglich hier sein können, wenn irgendetwas nicht okay sein sollte. Meine Schwester Lydia und ihr Ehemann Jonas werden ab und an mal vorbeischauen. Jonas kennst du vom Polizeipräsidium. Nichtsdestotrotz heißt das, du bist mit Link einige Tage allein in diesem großen Haus. Spätestens Ende nächster Woche sind wir dann wieder da. Nur, dass du Bescheid weißt.“ Zelda nickte. „Okay und nun tu’ das, was dir Spaß macht, Zelda.“ Und das Mädchen breitete sich wieder auf dem Bett aus, nahm sich das Buch und begann zu lesen. Gerade mal zwei Minuten später kam Meira wieder herein und ergänzte: „Und wenn du Hunger oder Durst hast, sag’ einfach Bescheid, ja?“ „Ja, danke…“ Wie herzlich diese Menschen doch waren, bei denen sie gelandet war. Ob wohl viele Leute in dieser modernen Welt so freundlich gesinnt waren und so viel Verständnis zeigten? Zelda las mit Bedacht und Bewunderung jenes Buch und vergaß darüber hinaus, wie die Zeit davonrannte. Spät abends wurde Zelda aus ihrer Lektüre herausgerissen. Es läutete an der Haustür. Sie sprang auf und lief aus dem Raum hinaus. Auf der Treppe klingelte es erneut. Nanu? Warum öffnete denn niemand die Tür? Wo waren denn Meira und Eric? Wieder drang das Klingelgeräusch an ihre Ohren. Schnell hastete sie zur Tür und blickte durch den Späher. Link stand davor, total durchnässt, mit triefenden Haaren. Zelda öffnete ihm mit einem: „Hey.“ Er trat wortlos ein und hielt sich nach Luft schnappend am Türrahmen fest. In dem Augenblick wusste das unbekannte Mädchen, dass es ihm alles andere als gut ging. „Ich habe wohl meinen Schlüssel vergessen…“, sagte er leise, worauf Zelda vorsichtig lächelte. „Alles in Ordnung mit dir?“, fragte sie. Aber Link sagte nichts darauf. Langsam stolperte er hinauf zu seinem Zimmer und Zelda entschlossen hinter ihm her. ,Soll er doch schweigen wie ein Grab, sie würde schon herausfinden, wie es um seine Verletzung stand‘, dachte sie. Sie wollte sich für seine Hilfe, sein Mitgefühl, irgendwie bedanken und hatte diesbezüglich schon eine Idee. In seiner riesigen Stube angekommen, wunderte sich Link zunächst über die fremde Schönheit, da sie ohne die Spur von Zurückhaltung hinter ihm hergeschlichen war. Merkte sie denn nicht, dass er seine Ruhe haben wollte? Er betätigte den Schalter seiner Schreibtischlampe, riss sich sein vom kalten Regen durchgeweichtes Basecape vom Kopf und legte es neben den Ölofen. Es war düster draußen, viel zu düster… Erschöpft von seinem kleinen Spaziergang machte sich Link auf seiner Couch breit. Er war bis auf die Knochen durchgeweicht, aber es interessierte ihn nicht. Weiterhin tat er so, als ob Zelda nicht im Raum wäre und schaltete seinen Fernseher ein, beobachtete stupide Figuren des Samstagabendprogramms. „Ich… störe, nicht wahr?“, meinte sie leise. Dabei hatte sie gehofft, Link könnte ihr einige Dinge über diese Welt erzählen. Seine Augen begegneten ihren für einen kurzen, unbedeutenden Augenblick und doch konnte Link darin die Sorgen sehen, die Hilflosigkeit und sogar eine Spur Angst. „Wenn du möchtest, dann setz’ dich doch…“, erwiderte er, inzwischen verdutzt über die Worte aus seinem eigenen Mund. Hatte er sich vorhin nicht gewünscht, seine Ruhe haben zu können? Sicherlich wollte er das, andererseits mochte er ihre Anwesenheit und genoss es, wenn sie blieb. „Weißt du, wo meine Eltern sind“, sagte Link, um einen Anfang zu machen. Zeldas Augen funkelten kurz in einem fast unnatürlichen Licht auf und dann setzte sie sich neben ihn auf die Couch. Auch sie machte es sich gemütlich und legte ihre Beine hoch. „Wahrscheinlich packen sie ihre Taschen für morgen, weil sie ja eventuell verreisen möchten, und Sara ist bei einem Freund…“ „Aha, bei Mike, nehme ich an“, meinte Link und sein Blick wanderte zu ihr. Heute früh noch wirkte sie auf ihn so zerbrechlich, so unnahbar und irgendwie nicht von dieser Welt. Aber seit Zelda die Jeans und die Bluse trug, schien sie wie ausgewechselt zu sein, wirkte in seinen Augen wie ein gewöhnlicher Mensch mit einem unbeschreiblichen Lächeln. „Ja, Mike hieß er, soweit ich mich erinnern kann.“ „Sie tut immer so als wäre er nur ein Freund, aber ich habe sie durchschaut…“, sagte Link und schmunzelte leicht. Er legte eine Hand auf den Verband unter seinem grünen T-Shirt, unterdrückte das Brennen. „Du meinst, Mike ist ihr Freund?“ „Jep“, beendete Link. Wieder schaltete er durch das Programm und suchte nach lohnenswerten Sendungen. „Eigentlich bin ich gar kein Freund davon seinen Tag mit dem Fernseher zuzubringen, aber bei dem Wetter da draußen, gibt es wohl nichts sinnvolles, was man tun könnte.“ „Ich wünschte, ich wüsste, was ich bei solchem Wetter getan habe…“, sagte sie trübsinnig und starrte auf den Bildschirm. Link rutschte ein wenig näher zu ihr und murmelte leise: „Hab’ ein wenig Vertrauen… so schnell geht das nicht mit den Erinnerungen.“ Zelda wich seinem Blick aus und verkrampfte sich kurz aufgrund seiner unmittelbaren Nähe. „Ich mache mir einfach nur Sorgen… wer weiß, was ich jetzt hätte tun müssen…“ Er versuchte zu grinsen, das war aber wegen seines eher jämmerlichen Zustandes nicht so einfach. „Richtig, wer weiß. Also, mach’ doch das Beste draus, dass du hier bist.“ Daraufhin lief Zelda ans Fenster, schaute hinauf in den Himmel, wo sich die Regenwolken langsam zurückzogen. Was sich in dieser Welt wohl dort oben verbarg, hinter den Wolken, hinter dem so alltäglich gewordenen Sonnenuntergang? „Ich habe vorhin ein interessantes Buch gelesen“, meinte sie und sah einen Bussard über den abendlichen Wäldern im Süden verschwinden. „Einen Roman von meiner Mutter, nehme ich an.“ „Es gibt so viele Dinge, die ich darin einfach nicht verstanden habe, so viele Dinge, Begriffe, von denen ich noch nie hörte.“ Sie stütze eine Hand an ihren viel zu schweren Kopf, wo etliche erdrückende Gedanken herum kreisten. Sich fragend wieso, sich fragend warum ihr alles so unvertraut war, begann sie an ihrer eigenen Existenz zu zweifeln. Sie blickte sehnsüchtig in das weite Himmelszelt, wissend, es gab so viel mehr als diese Welt und doch verstand sie ihr eigenes Wissen nicht. Der Mond gab sich preis und durchbrach den dunklen Schleier jener Wolken, die sein Licht zu versiegeln versuchten. „Ich…“, fing Zelda an, wusste aber doch, wie dumm das, was sie sagen wollte, klang. Link stand plötzlich neben ihr und schaute hinauf ans Himmelszelt. „Du… liebst den Himmel…“, sagte er, erstaunt, woher er doch wissen konnte, was ihr auf der Zunge lag. Sie drehte sich zu ihm um und lächelte kurz. „Du kannst meine Gedanken lesen. Hast du das irgendwo gelernt?“ „Nein. Das funktioniert nur bei dir…“, erwiderte er ehrlich. „Da muss ich demnächst ja vorsichtig sein.“ „Hast du Angst, etwas Falsches zu denken?“ Und eine Spur Heiterkeit stach aus seiner Stimme heraus. „Nein, ich habe eher Sorge das Richtige zu denken…“ und ihr Kopf drehte sich wieder zu dem in grauen Farben versinkendem Abendhimmel. „Nur so als Hinweis… ich bin gewappnet für jeden von deinen Gedanken.“ „Bei manchen Gedanken bricht selbst der stärkste Schutzwall“, meinte sie und grinste dann. „Du siehst aber ehrlich gesagt so unschuldig aus, dass deine Gedanken nicht so gefährlich und todbringend sein könnten.“ „Das Äußere kann trügen“, erwiderte sie und ihr Lächeln verschwand. „Ich glaube, ich bin nicht so harmlos wie ich auf andere wirke, wie ich vielleicht auf dich wirke.“ „Du hast Angst vor dir selbst, Zelda…“, murmelte er. „Glaub’ mir, ich kenne dieses Gefühl nur zu gut.“ Sie nickte vielsagend. Link wusste, wovon er redete. An manchen Tagen fühlte er sich tatsächlich zu mehr imstande, als er tun sollte. Sein Erscheinungsbild mochte das eines Jugendlichen sein, doch innerlich verbarg sich ein Mensch, der schon vielmehr Tod und Leid gesehen hatte als jeder andere. „Gelegentlich, wenn ich in das Blau des Himmels sehe, überkommt mich so ein… beunruhigendes Gefühl“, meinte sie, „So als…“, sie suchte nach richtigen Worten… „Als ob es nicht ewig halten könnte…“, sagte er für sie. „Wenn du dich weiterhin in meinen Kopf einschleichst, endete das noch böse“, erwiderte sie kichernd. „Alles wird gut“, meinte er spöttisch und schmunzelte. Nach einer Weile andächtigem Bestaunens des Abendhimmels, fragte Zelda: „Meinst du, er hält ewig, meinst du, das Blau des Himmels wird immer bleiben?“ „Ich denke, es wird immer jemanden geben, der dafür sorgt, dass es bestehen bleibt.“ „Das ist eine zuversichtliche Sichtweise.“ „Ja, und wenn nicht, übernehme ich den Job.“ „Job?“ Sie lachte über diesen Gedanken. Wie könnte ein Siebzehnjähriger schon dafür sorgen, dass die Sonne am Himmel scheinen würde, besonders einer, der die Rettung des Himmels als Job ansah. Sie schüttelte über ihren kleinen Gedankenspaziergang den Kopf. Warum machten sie sich jetzt Gedanken um das Ende der Welt? Als ob der Teufel von der Hölle aufgestiegen wäre. Wie weit die beiden Jugendlichen vom Thema abgekommen waren, bemerkte das fremde Mädchen nun und wunderte sich ein bisschen. „Jep. Nächste Woche sind Schulferien, also habe ich Zeit für das ein oder andere Abenteuer.“ Sie grinste ihn an. „Ich bin also bei einem Abenteurer gelandet.“ „Erstens hätte dich ein Langweiler niemals gefunden und zweitens erlebst du in der Gesellschaft eines Abenteurers mehr.“ „Da bin ich aber froh, Link“, sagte sie grinsend. „Und ich erst…“, murmelte er, nicht sicher, wie genau er das meinte. Er war froh, dass sie hier war, obwohl er sie nicht kannte. Ja, in der Tat, aber war das die volle Wahrheit? Link tapste zu dem Schreibtisch und knipste gleichzeitig seinen Fernseher aus. „Ich habe eine Idee. Sara hat mir zwar verboten, den Gamecube anzurühren, aber ich könnte dir ein Nintendo DS- Spiel zeigen, welches sich um Zelda dreht. Und du wolltest doch etwas darüber wissen, nicht?“ „Doch“, sagte sie und hüpfte ebenso von der Couch. Link erklärte ihr daraufhin einige Dinge über ein wissenswertes Spiel mit dem Namen: ,Minish Cap’. Zelda zeigte Begeisterung und verliebte sich sofort in das Spiel. Es besaß etwas, das sie erinnern wollte. Etwas rüttelte an ihr, als sie den Sinn des Spiels verstand… Nach einer Weile schaltete Link das Spiel aus und ließ sich auf sein Bett sinken. Fast automatisch fielen ihm die Augenlider zu. „Zelda“, sagte er, bemüht seinen Zustand zu verheimlichen. Sie kniete vor ihm nieder, so wie er es getan hatte, als sie aufwachte. „Mmh?“ „Ich weiß, ich wollte dir etwas über diese Welt erzählen, aber…“ „… es geht dir nicht gut“, beendete sie für ihn. „Ist es die Wunde?“ Er sah sie wieder an, erkannte so etwas wie Gewissheit in ihren Augen und Verständnis. Er nickte bloß. „Soll ich dich alleine lassen?“ „Bitte…“, meinte er. Nun gut, sie respektierte das. Wenn er sie darum bat zu gehen, dann hatte er sicherlich seine Gründe. Sie legte kurz eine Hand auf seine Wange und murmelte noch: „Danke noch einmal, Link, und schlaf’ schön, damit es dir bald besser geht.“ Link sah ihr hinterher, als sie das Zimmer verließ und für einige Sekunden erneut einen Blick zu ihm wagte. „Gute Nacht“, sagte Link schwach. Dann war sie verschwunden, würde sich vermutlich mit seinen Eltern und Sara noch etwas unterhalten, um jene kennenzulernen und Link war allein mit seinen Problemen, so allein wie eh und je. Aber vielleicht wusste Zelda schon lange, was nicht stimmte… vielleicht konnte sie irgendwann zu ihm durchdringen und ihm helfen, so wie er ihr geholfen hatte. Link krabbelte erschöpft unter seine Decke und machte ohne weitere Bewegungen oder Gedanken die Augen zu. Noch ganz in seiner Bekleidung schlief er ein, wünschte sich, es gäbe diese Nacht keine Träume in seiner Welt… keine Monster… keine fremden Gesichter. Niemand durfte jemals Zutritt zu dem Link haben, der er in diesen Momenten war, niemand durfte jemals sehen, was sich hinter dem jugendlichen Gesicht Links verbarg. Nicht seine Eltern. Nicht Sara oder seine Freunde. Auch nicht Zelda… Sie durften niemals herausfinden, was in ihm vorging. All die gespenstischen Dinge, die Begegnungen mit dem Bösen in seinen Träumen, die unheimlichen Wunden, würden sie vergessen lassen, dass immer noch Link- ihr Sohn vor ihnen stand. Denn… vielleicht war tatsächlich mehr hinter seinem Gesicht als er sich selbst bewusst war. Und gerade deshalb wollte er nicht zugeben, wie schlecht es ihm ging, wollte nicht wie ein Jammerlappen auf andere wirken. Es war machbar mit den Schmerzen fertig zu werden… doch, das würde schon irgendwie funktionieren. Von Kindesbeinen an redete sich Link ein, er wäre der einzige der in der Lage war zu bestehen, wenn andere aufgaben. Er bezahlte den Preis für die Wanderung an die Grenzen seiner eigenen Kräfte. Doch wofür? Wofür ging er denn die ganze Zeit durch die Hölle? Er war sich selbst eine Erklärung schuldig… Kapitel 8: Vertrautheit ----------------------- Die erste Nacht im neuen, und doch sehr ungewöhnlichen Heim ging für das Mädchen, das ihre eigene Geschichte und ihren Namen nicht kannte, nur schleppend vorüber. Immer wieder war sie aufgewacht, brauchte mehrere Minuten um sich daran zu erinnern, was geschehen war, wo sie war und versuchte ihre herben Zweifel ruhen zu lassen. Der Regen knallte fordernd an die Scheibe des großen Fensters im Gästezimmer der Braverys, als die schöne Fremde einmal mehr in den Schlaf sank. Ein letzter Gedanke an Link, der sie gefunden hatte, der sie beschützt hatte ohne irgendeinen hinterhältigen Gedanken, geisterte durch ihren Kopf, als sie endlich einschlief. Und während sie schlief, wunderschön in dem riesigen Ehebett, bedeckt mit einer dicken Federdecke und ihr Haar sich schlängelnd auf der Decke verteilte, kullerte eine einzelne kristallene Träne aus ihrem rechten Auge und fiel auf das Kopfkissen. Gerade da schimmerte in der Nacht, die doch von Sturm und Gewitter, Nebel und Kälte so unleugbar verunstaltet wurde, leise und andächtig, ganz zaghaft ein kleines Leuchten in dem Raum, als schillerte ein weißes Kerzenlicht, flackernd, aber magisch durch das Zimmer… das Licht tanzte und in jenem Licht, barmherzig, funkelte jemand, der sich aus den seidenen Fäden seiner nicht besiegelten Existenz erhob. Ein kleiner Junge, vielleicht fünf Jahre alt, gekleidet in waldgrünen Gewändern, niedlich mit blondem, strubbligem Haar und einprägsamen, sehr mutigen Gesichtszügen erschien hier, als Bote, als andersartige Magie und als Beobachter. Er lächelte, trat näher zu der blonden Schönheit und hauchte mit einer glockenhellen Singstimme. „Du wirst dich erinnern… du bist so schön… denn du bist die Prinzessin des Schicksals… Die Göttinnen wachen über dich… und sie ließen nicht zu, dass du ohne ihn sein musst…“ Er lächelte eindringlich. In der Dunkelheit des Zimmers erhob er sich mit seinem feinen Licht und ein süßes Kindergesicht beugte sich über das schlafende Mädchen. „Ich mag‘ dich“, flüsterte er zart und drückte ein schmatzendes Küsschen auf ihre rechte Wange. „Du darfst nicht mehr so viel weinen… Du hast jetzt Link… er wird deine Tränen trocknen…“ Er lächelte noch einmal und verschwand, sinnlich und leise. Gerade da wühlte Zelda nervös in dem Bett herum, schrak dann hastig auf und keuchte. Sie presste ihre Hände auf die Brust und suchte schließlich das Zimmer ab. Für einen kurzen Augenblick hatte sie das Gefühl gehabt, nicht alleine zu sein. Aber… sie ließ ihren Blick weiterhin schweifen… aber hier war niemand. Verwundert strich sie sich über ihre Wange, spürte einen angenehmen Nachklang von irgendetwas sehr Vertrautem… Sie richtete sich auf, murmelte den Namen Link in die Nacht und legte ihre Rechte noch einmal auf ihre Wange. Aus irgendeinem Grund hatte sie das Gefühl gehabt… Link wäre hier gewesen… diese angenehme Energie, die sie gerade gespürt hatte und diese Empfindungen, welche jene begleiteten… das konnte nur Link gewesen sein… Sie zwinkerte und entschied sich ihr Gedankenwirrwarr ruhen zu lassen. Link schlief garantiert tief und fest, denn er musste sich mit seiner fiesen Wunde ausruhen. Warum sollte er sich bei ihr ins Zimmer schleichen? Sie tat diesen Gedanken als eine sehr schlechte Einbildung ab und versuchte wieder Schlaf zu finden… Der nächste Morgen im Haus der Braverys startete und es sollte ein angenehmer, sonniger Morgen werden. Meira und Eric beratschlagten derweil mit Sara inwieweit es günstig wäre ihren geplanten Urlaub in die Tat umzusetzen. Sie frühstückten, als sowohl Link, wie auch Zelda noch schliefen, und kamen zu dem Entschluss, auch weil Sara beinahe darauf beharrte, dass nichts dagegen sprach ein paar Tage wegzufahren. Und insgeheim sah Meira keinen Grund nur wegen einem neuen Pflegekind ihre Urlaubsreise zu verschieben… und was der mütterlichen Meira sonst noch im Kopf herumgeisterte, verriet sie lieber nicht. Aus einem sicheren, und sehr hinterlistigen Bedürfnis heraus, wollte sie Link und Zelda alleine lassen. Wann schon hatte Link sich wie ein normaler Jugendlicher verhalten? Nie… nur, seit dieses Mädchen da war, schien er endlich aufzutauen und sich so zu verhalten, wie es gut für ihn war. Dieses Mädchen hatte eine Wunde geheilt, die Meira schon lange bei ihrem Sohn bemerkt hatte… und sie wusste, dass nichts dagegen sprach die beiden alleine zu lassen. Was sie überraschte, war, dass Sara dieselben Ansichten hatte. Zufrieden packten die Braverys ihre Taschen in das Auto, als Zelda in Meiras weißem Nachthemd die Treppen hinab trottete. Sie war verschlafen, hatte ohnehin eine sehr unruhige Nacht gehabt und wunderte sich, dass die Braverys so in Eile waren. Dann erinnerte sie sich daran, dass Meira ihr von dem geplanten Urlaub erzählt hatte. „Guten Morgen, Zelda“, sprach Meira erheitert und auch Sara und Eric begrüßten das Pflegekind. „Guten Morgen… ihr fahrt jetzt schon… weg?“, fragte sie irritiert und heftete ihre himmelblauen Augen auf Sara. „Ja, es ist ein guter Zeitpunkt“, entgegnete Links Schwester. Sie trat näher an Zelda heran und wisperte geheimnistuerisch in ihr Ohr. „Einen besseren Zeitpunkt gibt es nicht, dass du mit Link allein sein kannst.“ Dann grinste sie neckisch und lachte. „Ich werde Link wecken“, sagte sie noch und hetzte die Treppen nach oben. Nicht sicher, was Sara meinte, hockte sich Zelda in die Küche und beobachtete ihre Pflegeeltern freudig Taschen in das Auto packen. Irgendwie… hatte sie dabei ein sonderbares, freies Gefühl. Ob es wirklich okay war, dass die Personen, die auf sie achten mussten, einfach wegfuhren? Für einen Augenblick hatte sie den Eindruck, dass es in ihrem Leben immer viele Leute gab, die auf sie aufpassen mussten… Derweil kam Sara mit ihrem Bruder nach unten und sofort fiel Zelda auf, wie kläglich Links Zustand war. Er hatte mit seiner Wunde zu kämpfen, die er unter seinem grünen Pyjama versteckte. Er versuchte sich jedoch vor Sara und seinen Eltern nichts anmerken zu lassen. Aber er sah müde aus, hatte Augenringel und war blass… „Guten Morgen…“, murmelte sie und lächelte ihn etwas verträumt an. Es war für sie teilweise eine angenehme Situation zu wissen, dass sie umso mehr Zelt mit ihm verbringen konnte. „Morgen, Zelda“, murmelte er schläfrig und verabschiedete sich dann von seinen Eltern. Meira schien ebenso wenig wie Eric zu bemerken, dass Link kränklich aussah, was ihn beruhigte. Er wollte nicht, dass seine Eltern, denen er unheimlich dankbar war, dass Zelda bleiben durfte, auf ihren Urlaub verzichteten. Und das nur wegen ihm und der bescheuerten, unerklärlichen Wunde. Er ließ sich nichts anmerken, winkte seiner Mutter zu, die überhastet aus dem Haus stürmte. „Ich habe Lydia und Jonas beauftragt, ab und an nach euch beiden zu schauen, also bis Ende der Woche!“, rief Meira, als sie in das Auto hüpfte. Sara war die letzte im Haus, umarmte ihren Bruder zum Abschied, und auch Link war überrascht, dass sie mit in die Berghütte fahren wollte. „Es ist besser für Zelda… und auch für dich, wenn ich mich nicht zu sehr einmische…“ „Wie meinst du das?“, sagte er verdutzt, als sich seine Schwester ihre Jacke überstreifte. „Du wirst mich irgendwann verstehen… Vertrau‘ mir, Brüderchen. Eine tolle Woche euch beiden.“ Und damit war auch sie verschwunden. „Das ging ja mal schnell“, murmelte Link irritiert und sah seine Familie im VW von dannen Rauschen. „Ja, irgendwie… eine komische Situation, dass wir jetzt alleine sind…“, entgegnete Zelda und nahm an seinem Ausblick teil. Beide standen sie nun im Wohnzimmer, beide noch in ihren Nachtgewändern. Link grinste auf die Bemerkung: „Meinst du, du hältst es so lange mit mir aus?“ „Äh… solange du keine hinterhältigen Gedanken hast“, sprach sie erheitert. Er verschränkte die Arme und lachte in sich hinein: „Woher willst du denn wissen, dass ich diese nicht habe, hm?“ Er beäugte sie spaßhaft. „Nun ja… weil…“ Sie verhaspelte sich und wusste nicht wirklich etwas darauf zu sagen. „Du hast keine Hintergedanken, oder“, sprach sie verstört. „Nein, aber du hattest diese“, konterte er und lächelte sie breit an. „Wie meinst du das?“, sprach sie irritiert. „Du hast gesagt, es wäre eine komische Situation, dass wir jetzt alleine sind. Daraus kann man so einiges folgern.“ Sie wurde etwas rot in ihrem hübschen Gesicht und beäugte ihn skeptisch: „Was würdest du daraus folgern?“ „Das verrate ich lieber nicht“, lachte er. Er wollte sich eigentlich weiterhin so spaßhaft unterhalten, spürte aber mit einem gemeinen Ruck, dass er noch immer verwundet war. Eine plötzliche Schmerzattacke überkam ihn, bohrte sich heftig hinein in seinen Bauch, sodass ihm beinah übel wurde. Er atmete scharf ein, torkelte und fühlte überraschend zwei Arme, die ihn stützten. Er sah Zelda teilweise verschwommen vor sich, spürte ihre Anwesenheit mit einem einschleichenden Gefühl und der Erinnerung an etwas, das älter war als diese Welt. Er konnte sie flüstern hören, konnte sie spüren, roch ihren Duft… nach Rose… Irgendwo stand sie einst vor ihm, lächelnd und doch traurig… ihre himmelblauen Augen ohne Schatten, sanft und doch fordernd. Und in diesem winzigen Augenblick sah er sie lächeln, so einprägsam, wie sie noch nie gelächelt hatte: „Ich danke dir, mein Held“, sagte sie. Und der verwundete, junge Mann verstand nicht, was sie meinte. „… dafür, dass du mich gefunden hast.“ Sie streichelte sein Gesicht, als Link dachte, nichts könnte jemals schöner sein als ihre Haut an seiner… Gerade in dem Moment kam Link langsam wieder zur Besinnung. Er saß angelehnt auf dem Couch und Zelda kniete mit ernster Miene vor ihm. Ihr Blick wanderte zögerlich, aber besorgt zu seinem Bauch, wo etwas Blut unter dem grünen Pyjama zum Vorschein kam. Sie legte ihre Hände auf den teuflisch roten Mund und sah dann besorgt in seine tiefblauen Augen. Aber sie blieb ruhig, fragte erneut nicht nach dem Ursprung seiner Verletzung und hetzte ins oberste Stockwerk. Nicht einmal eine Minute später erschien sie mit einer kleinen Visitenkarte in ihren Händen und trat damit zu dem Telefon. „Ich habe bei Meira und Eric gesehen, dass ihr damit Kontakt aufnehmen könnt… Ich muss einfach nur die Nummer eingeben, richtig?“ Etwas fragend sah sie in Links Richtung, der nicht kapierte, was sie von ihm wollte. Er seufzte, drückte die Augen zu und legte seine Hände auf die Wunden. Als Link nicht antwortete, schüttelte sie kurz ihren hübschen Kopf und ließ sich von ihrer Intuition leiten. Sie tippte die Nummer ein und lauschte in das Telefon. Tatsächlich erklang am anderen Ende eine freundliche Stimme, die sie sofort wieder erkannte. Dar Gordon war persönlich am Telefon. Er sprach einen aufheiternden Guten-Morgen-Gruß und wartete auf eine Antwort. „Guten Morgen… hier ist Zelda… ich brauche Hilfe für meinen Freund…“, sagte sie. Und auch Link hörte mit halbem Ohr zu. Hatte sie ihn tatsächlich ,ihren Freund‘ genannt? Benommen schaute er zu ihr hinüber. Sie sprach mehrmals ein leises Ja und wippte mit ihrem blonden Kopf. Dann beendete sie das Telefonat, erfreut darüber, dass sie dies geschafft hatte und warf einen Blick zu ihrem verletzten Helden. „Wen hast du denn angerufen?“, murmelte er, als sie sich zu ihm auf das Sofa setzte. „Dr. Dar Gordon, der mir seine Visitenkarten hinterlassen hatte, du brauchst dringend medizinische Hilfe.“ „Was? Bist du total übergeschnappt? Ich brauche nicht schon wieder Spritzen… Und außerdem… Was, wenn er mich fragt, woher diese Wunden kommen… Ich kann ihm ja kaum erzählen, dass ein Spiel mir diese Wunden zugefügt hat?“ Zelda machte keine Anstalten, aus irgendeinem Grund überrascht zu sein und schaute trübsinnig zu Boden. Wusste sie etwa Bescheid? Wenn ja, woher? Wie als ob sie Gedanken lesen konnte, setzte sie hinzu: „Nein, ich weiß nicht Bescheid. Es spielt keine Rolle, woher du diese Wunden hast, oder wer sie dir zugefügt hat, wichtig ist, dass… es dir bald wieder besser geht.“ Sie meinte zaghaft: „Weißt du, ich habe von dir geträumt.“ Nicht einmal das konnte Link noch überraschen, er lächelte bloß. Sie lächelte zurück. Stille herrschte in der Wohnstube des Hauses. Kein Geräusch, kein Laut, keine Stimme. Es war geradezu eine unangenehme Ruhe… Das Läuten an der Haustür kam gerade zur rechten Zeit. Beide hatten einfach nicht gewusst, was sie noch sagen sollten. Zelda lief in schnellen Schritten zur Tür und öffnete. Dar Gordon trat in das Wohnzimmer mit einem leicht irritierten Blick auf dem runden Gesicht. „Na, Link, wie geht es dir denn?“ Link fiel nichts ein, sondern warf Zelda ein grimmiges Lächeln zu. Aber sie lachte lediglich. Gordon untersuchte die Wunden und stellte seltsamerweise erneut keine Fragen. Link musste erneut zwei unangenehme Spritzen über sich ergehen lassen, war dann aber dankbar, dass Zelda dies in die Wege geleitet hatte. Dar Gordon legte ihm einen frischen Verband um und meinte noch, er sollte jeden Tag gewechselt werden. Mit einer Verbeugung vor Zelda verabschiedete er sich. Es war nun bereits lange nach Mittag. Link befand sich in der Küche und kramte in einem Schrank herum, auf der kläglichen Suche nach etwas Essbarem. Er kam sich total bescheuert vor, da er einen Gast hatte und nicht wirklich einen Plan vom Kochen. Zelda kam herein, er bemerkte sie jedoch nicht. Dann durchkämmte er den Kühlschrank und fand lediglich eine Packung Milch, die schon sauer war, ein paar Gläser mit Fisch und irgendwelchen konservierten Gemüsesorten, Butter, Ketchup und eben das notwendige. Doch aus nichts der Dinge konnte man eine ordentliche Mahlzeit zubereiten. Dann begann er zu fluchen: „Verdammt. Ausgerechnet heute ist Sonntag. Einkaufen kann ich auch vergessen.“ Zelda schmunzelte. Link registrierte nun endlich ihre Anwesenheit und drehte sich blitzschnell um und lächelte unschuldig. „Ähm… sieht so aus, als haben wir ein Problem.“ „Problem?“ Sie grinste ihn an. „Ja, eine Art Problem.“ „Tatsächlich. Ein großes Problem?“ Jetzt spielte auch Link mit. „Kommt darauf an, was du als großes Problem definierst.“ „Als großes Problem würde ich den Umstand bezeichnen, dass du nichts Essbares findest.“ „Dann würde ich sagen, wir haben wirklich ein äußerst großes Problem.“ Jetzt grinste auch Link. Es machte irrsinnigen Spaß sich mit ihr zu unterhalten. Noch nie hatte der junge Bursche in seinem jugendlichen Leben so mit jemandem reden können. Wer um Himmels Willen war sie nur? Vielleicht seine Seelenverwandte? Zelda öffnete den Gefrierschrank. „Kein Problem. Deine Mutter sagte, hier wären noch einige essbare Sachen. Aber Morgen müssen wir dann einkaufen gehen.“ Link sah Zelda an und begriff nicht, was es war, aber irgendwie war es nichts Außergewöhnliches mehr, dass sie hier war, als ob sie schon lange zur Familie gehörte. Der junge Held stand nun neben ihr und schaute ebenso in den Gefrierschrank, wo etliche Beutel mit irgendwelchen Dingen lagen. Glücklicherweise waren sie alle beschriftet. „Sag’ mal. Kannst du dich denn an irgendetwas erinnern? Vielleicht ein kleiner Hinweis?“ „Nein… leider nicht…“ Sie lief ans Fenster und schaute mit gesengtem Blick hinaus. „Manchmal kommen mir alle kleinen Dinge hier so seltsam fremd vor. Ich meine zum Beispiel den Kühlschrank, den Fernseher, die moderne Technik überhaupt. Ich glaube manchmal, ich habe so etwas nie besessen…“ Link wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Er schwieg. „Aber egal. Ich mache mir wohl unnötige Gedanken.“ Link schloss genervt den Gefrierschrank. „Ich weiß, wir gehen einfach zu Burger King, oder zu McDonald. Ich lade dich ein.“ „Ich weiß, du meinst das nur gut, aber ich liege euch jetzt schon auf der Geldbörse, ich kann diese Einladung nicht annehmen.“ Link lehnte sich mit den Rücken an die Tür des Gefrierschranks, verschränkte seine Arme und sagte: „Tja, dann wird dir wohl nichts anderes übrig bleiben, als hier zu bleiben.“ „Ja, geh’ ruhig.“ „Keine Sorge, ich bin gleich verschwunden.“ „Okay.“ „Ja, genau. Dann bis später.“ Link hielt die Situation schließlich einfach nicht aus, krallte sich ihren Arm und zerrte sie mit. „Ich habe keine Lust, alleine Essen zu gehen, also!“ Und Zelda folgte ihm schließlich ohne Widerwillen. Wenig später saßen sie sich gegenüber an einem Tisch bei McDonalds. Zelda überlegte sich immer noch, was sie nun essen sollte. „Sag’ mal, was schmeckt denn eigentlich von diesem ganzen Zeug?“ Ihr Blick wanderte an der Tafel mit den ganzen Angeboten hin und her. „Nun, kommt wohl darauf an, ob du auf deine Figur achtest.“ „Wie?“ „Ganz einfach. Es schmeckt zwar gut, macht aber fett.“ Zelda zuckte mit den Schultern, als ob sie das herzlich wenig interessierte. Sie hatte das Gefühl, dass sie nur immer für andere auf ihr Äußeres geachtet hatte, aber niemals für sich selbst. „Bring mir einfach irgendwas mit, ja“, sagte sie schließlich. Link stand auf und stellte sich in der Reihe an. Zelda wurde ihm irgendwie immer sympathischer… Ja, er hatte sie gefunden und fühlte sich für sie verantwortlich, aber dieses Mädchen hatte etwas, was sie einzigartig machte. Je mehr Link in ihre Augen sah, umso mehr hatte er das Gefühl sie zu kennen. Dann wanderte sein Blick wieder zu ihr. Zelda sah aus einem Fenster und hatte einen traurigen Blick in ihren warmen Augen. Er kannte diesem Blick… auch, wenn diese Tatsache wohl nur als ein Hirngespinst zu deuten war. Als Link das Tablett auf den Tisch stellte, sah Zelda überrascht auf. Sie war so sehr in Gedanken versunken, dass sie nichts mehr wahrgenommen hatte. „Ich weiß, eigentlich kennen wir uns nicht, aber ist alles okay? Du wirst so nachdenklich…“, meinte Link vorsichtig. Er erwartete, sie würde seiner Frage aus dem Weg gehen. Ja, er durfte sich nicht einfach in das Leben dieses Menschen einmischen, das Recht dazu besaß er nicht. Sehr zu Links Verwunderung lächelte sie ihn leicht an. „Nein… nicht wirklich.“ Er reichte ihr eine der Tüten. „Ist es wegen deinem Gedächtnisverlust?“ Jetzt war er zu neugierig, um einfach wieder locker zu lassen. „Nein, es ist nur, dass ich keine Ahnung habe, was ich hier tun soll. Ich komme mir ziemlich verloren vor.“ Dann sah sie verlegen weg. „Aber was erzähl’ ich dir das überhaupt? Es wird dich wohl nicht sonderlich interessieren. Wir kennen uns schließlich nicht.“ „Ähm… also… Es interessiert mich trotzdem.“ „Wirklich?“ „Aber sicher.“ „Soso. Du scheinst ein sehr hilfsbereiter Mensch zu sein, Link.“ „Und du scheinst ein sehr nachdenklicher Mensch zu sein, Zelda.“ Er grinste, ein wenig dämlich und hinterhältig, wie das Grinsen von Link eben immer war. Daraufhin aßen sie die Burger, Pommes, Salate und so weiter. Zutreffender für Link wäre wohl gewesen: Daraufhin stopfte er sich das Essen fast mit einem Schlag in den Mund. Sie blieben noch eine Weile sitzen. „Ich bin mir sicher, dass ich derartiges noch nie gegessen habe“, sagte Zelda. „Hat es denn wenigstens geschmeckt?“ „Ja, es hat mir tatsächlich geschmeckt. Obwohl ich jetzt mampfsatt bin…“ „Und du bist dir sicher, dass das deiner Figur nicht schadet?“ Er grinste schon wieder. „Ich glaube nicht, dass ich jemals auf meine Figur geachtet habe“, meinte sie und trank einen Schluck Cola. „Nein? Das ist eine Schande. Du siehst nämlich so aus, als ob du stets sehr viel Wert auf dein Äußeres gelegt hast.“ „Wie meinst du das denn?“ Er blickte seitwärts. „Na, sieh’ dich doch mal an. Du hast nirgendwo ein Gramm Speck, deine Haare sehen unheimlich gepflegt aus, schon als ich dich in den Wäldern fand, deine Haut muss sich anfühlen, als ob sie jede drei Stunden eingekremt worden war und und und… Meine Schwester ist sicherlich neidisch auf dich.“ Sie stützte ihr Kinn an ihrer rechten Hand ab und funkelte ihn mit ihren blauen Augen an. „Du beobachtest mich aber genau.“ „Ich bin eben ein sehr guter Beobachter.“ „Bei manchen Personen wohl ein wenig zu gut, wie?“ Er rutschte näher und sagte frech. „Ja, es gibt Personen, die ich sehr genau beobachte…“ „Man sollte sich wohl geehrt fühlen, eine dieser Personen zu sein.“ „Ehrlich gesagt, gibt’ es von diesen Personen gar nicht so viele.“ „Also, muss ich mich noch mehr geehrt fühlen, eine dieser wenigen Personen zu sein?“ Sie lächelte und wartete auf eine Antwort. Link überlegte genau, normalerweise kamen Bemerkungen wie jene einfach natürlich, aber bei Zelda schien sein Gehirn wohl nicht mehr richtig zu arbeiten. „Bin gespannt, wie du deine Ehre ausdrücken möchtest“, fiel ihm dann ein. Zelda seufzte, er hatte immer das letzte Wort. „Jetzt hast du mich…“ Aber Link lachte nur, bis Zelda ebenfalls zu lachen begann. Sie gingen gemeinsam aus dem Laden und liefen die Straße zum Marktplatz entlang. „Mir fällt da schon etwas ein“, sagte Link nach einer Weile. „Aber sei nicht zu gemein, ja“, entgegnete sie. „Gemein? Wer? Ich?“ „…“ Sie kaute auf ihrer Unterlippe. „Ich bin höchstens link, aber gemein bestimmt nicht. Versprochen.“ „Du hast aber auch immer etwas draufzusetzen, oder?“ „Jep. Und da bin ich stolz drauf.“ Sie liefen gemeinsam über den Mittelaltermarktplatz, der heute in Schicksalshort stattfand. Link hatte eigentlich nicht so großes Interesse an irgendwelchen Märkten, aber Zelda schien dies wirklich toll zu finden. Sie lief vorneweg und sah sich ganz genau um. Sie rannte von einem Stand zum anderen, mit den unterschiedlichsten Dingen, die verkauft wurden. Neben Blumenständen, Waffen- und Kostümständen, waren alle möglichen Dinge zu bewundern. In der Mitte des Marktplatzes zeigten Gaukler auf Fahrrädern mit Bällen in den Händen ihre Künste. Neben dem Brunnen fand sogar ein Ritterturnier statt. Zwei Schauspieler mit schweren Rüstungen traten gegeneinander an. Der eine besaß ein Schwert, der andere eine Axt. Sie duellierten sich. Das fand Link schon sehenswerter und drängelte sich in die erste Reihe, um dem Kampf zu zusehen. Einige Zeit später stand Zelda neben ihm. „Erzähle mir etwas von dir. Wenn ich schon bei euch wohne, möchte ich dich auch besser kennen lernen. Was machst du so, solltest du einmal nicht fremde Mädchen in den Wäldern finden?“ „Na ja, so toll ist mein Leben eigentlich nicht. Um ehrlich zu sein, beschäftige ich mich die meiste Zeit mit Zelda.“ Er grinste schon wieder. Er hatte das im doppelten Sinn des Wortes gemeint. „Du bist wohl verrückt nach dem Spiel?“ „Ja, aber das geht, Gott sei Dank, nicht nur mir so.“ Er machte eine kleine Pause. „Ansonsten widme ich meine Zeit den Wäldern. Meine Freunde und ich gehen häufig Angeln, Bogenschießen und Reiten. So langweilig ist mein Leben also auch nicht.“ „Hätte mich auch gewundert.“ „Aber manchmal… da hatte ich…“, begann er, und wusste nicht wieso er jenes Thema, das er bei den meisten Menschen umgangen hatte, ihr jetzt anvertrauen wollte. Er schaute fragend und mit einem Anflug des Zweifels in ihre Augen, lächelte gehemmt und sah dann verlegen weg. „Link?“ „Ach… vergiss, was ich gesagt habe. Es ist nicht weiter wichtig…“ Sie legte eine Hand auf seinen Arm und lächelte durchdringend. „Schon gut… du brauchst mir das nicht erzählen, wenn du nicht magst.“ Er konnte sich nicht helfen, als einfach nur zu lächeln. Die Kämpfer in der Mitte des Platzes machten nun ernst und schlugen härter aufeinander ein. Link studierte ihre Bewegungen. Zugegeben, es waren Schauspieler… aber irgendetwas passte ihm an der Technik der Personen nicht. An seiner ernsten Miene erkannte man, dass er sich tatsächlich genauer mit dem Kampfszenario auseinander setzte. Falsch. Falsch. Falsch, sagte eine Stimme in seinem Kopf. Noch bevor er verstand, was er gedacht hatte, waren diese Worte seinen Lippen entkommen. Zelda schaute ihn neugierig an. „Falsch?“, sagte sie. „Ja, irgendwie schon. Ich habe das Gefühl, sie machen alles falsch, was man nur falsch machen kann. Schau auf ihre mangelhafte Beinarbeit, auf ihre miserable Technik, auf ihre Ausdruckslosigkeit.“ „Du kannst das wohl besser?“ Daraufhin lachte er. „Machst du Witze, ich hatte noch nie eine Waffe, außer einem Bogen, in der Hand. Ich weiß gar nicht, wie das geht.“ „Du tust aber so, als wärst du ein Experte, zumindest sagt mir das deine Kritik an ihrem Kampfstil.“ Link war baff. Sie hatte vollkommen Recht. Und dennoch, er wusste einfach, dass man mit den Waffen anders umgehen sollte. Er wusste es einfach, auch wenn nicht woher. „Nun, ich hab mich dämlicher Weise hinreißen lassen. Stimmt. Ich sollte nicht darüber urteilen.“ Sie beobachteten weiterhin den Kampf. Beide Krieger schlugen aufeinander ein. Axt und Schwert krachten aneinander. Plötzlich hörte man das Splittern von Holz… Der obere Teil der Axt war abgebrochen. Die scharfe Axt flog in hohem Bogen auf die Masse der Leute zu. Schreie hallten durch die Luft. Die Axt sauste ungeheuer schnell in Links Richtung. Noch bevor er begriff, was geschah, erreichte ihn die Axt. Zelda hielt sich vor Schreck krampfhaft die Augen zu. Nach einigen Sekunden öffnete sie ihre Augen wieder. Link hatte die Axt spielend aufgefangen. Die Schauspieler glotzten ihn entgeistert an, ebenso wie einige andere Anwesende. „Wahnsinn, wie hast du das gemacht?“ Link kniff verlegen seine Augen zu und sagte: „Ähm… hatte wohl Glück.“ Er reichte dem Typ in der Ritterrüstung die beschädigte Waffe. Zelda sah ihn misstrauisch an. „Dafür, dass du noch nie eine Waffe in der Hand hattest, kannst du gut mit ihnen umgehen. Mir ist fast das Herz stehen geblieben.“ „Ach? Warst du besorgt?“ „Ja… ein wenig.“ Sie lächelten sich an. Nein… unmöglich… Sie kannten sich nicht erst seit zwei Tagen… „Ähm. Auf jeden Fall hab’ ich wohl doch noch einige unbekannte Talente.“ „Ja, zum Glück.“ Sie entfernten sich wieder vom Marktplatz und liefen ziellos in der Stadt umher, bis Link stehen blieb und Zelda beobachtete, wie sie dem Weg folgte. Sie erinnerte ihn an etwas. Aber was? Zelda blieb stehen, drehte sich aber nicht um. „Du hast gesagt, du hast von mir geträumt“, meinte Link schließlich. Das hatte ihn die ganze Zeit interessiert. „Wenn du mir das erzählst, hast du damit deine Ehre bewiesen.“ „Okay. Ich sag’ es dir. Versprochen, wenn wir bei deinem Haus sind…“ „Gut.“ „Gut.“ Die Sonne war gerade am untergehen und ein gewöhnlicher Frühlingstag ging zu Ende, als Link und Zelda zur Haustür hereintraten. Für Link wurde die Situation, wie sie war, immer bizarrer und irgendwie auch vertrauter. Er fragte sich nun zunehmend, ob er dieses Mädchen nicht doch schon irgendwann einmal getroffen hatte. Er grübelte eine Weile nach, besann sich auf vergangene Kindertage, dachte an die Gesichter von Kindern, die ihm damals über den Weg liefen. War Zelda möglicherweise unter ihnen gewesen? Aber er fand keine Antwort… Zelda bemerkte seine grübelnde Miene, als sie sich in der Küche an einen braunen Tisch setzten. „Worüber denkst du so verbissen nach, Link?“ Sie hatte ihn völlig aus seinen Überlegungen herausgerissen. „Weißt du, ich frage mich schon die ganze Zeit, ob ich dich nicht doch schon einmal gesehen habe…“ „Mir geht es genauso. Und obwohl ich dich nicht kennen kann, glaube ich zu wissen, was du für ein Mensch bist.“ Sie lächelte ihn leicht an. „Und ich danke dir für alles, was du bisher für mich getan hast… danke.“ Link lächelte ebenfalls. Er kann auch lächeln, ohne dämlich zu grinsen. Dann stand er auf. „Wollen wir Pudding kochen?“ „Wie kommst du denn jetzt darauf?“ „So als… Abendessen?“ „Okay.“ Dann begannen sie schon alles dafür vorzubereiten. Link stand gerade am Herd, während Zelda in der Stube den Tisch deckte. Nachdem sie endlich die Teller und das Besteck gefunden hatte- sie durchsuchte die ganze Schrankwand, einige weitere Fächer, wie auch einige weitere Schränke im Wohnzimmer- schaltete sie den CD- Spieler ein. Eine ungewöhnliche Musik wurde abgespielt. Für Zelda war auch diese ungewöhnlich, sowohl die Musik, als auch das Radio. Sie setzte sich an den Tisch und schwelgte in unsinnigen Sphären ihres Gedankenreiches. Link nahm den Topf vom Herd und wollte gerade damit in die Stube laufen, als ihm der Schweiß über die Stirn trat und sein Gesichtsfeld verschwommen wurde. Er hatte seine Wunden ganz vergessen, und begriff im ersten Augenblick nicht, woher dieser kleine Schwächeanfall rührte. Er stellte den Topf zurück auf den Herd. Dann wanderte seine linke Hand zu seinem Magen und er fühlte kleine Schmerzstiche seiner Wunde. Er lief zum Spülbecken, drehte den Hahn auf und klatschte eiskaltes Wasser in sein Gesicht. Er öffnete seine Augen wieder und stellte beruhigt fest, dass er wieder normal sehen konnte. Vom Wohnzimmer her drang irische Musik an seine Ohren. Das war doch Saras Musik, dachte er. Seine kleine Schwester hörte gerne mystische Musik, manchmal allerdings ein wenig zu laut, sodass sie ihren Eltern damit gewaltig auf den Wecker gehen konnte. Zelda hatte wohl das Radio eingeschalten. Link startete seinen zweiten Versuch und nahm den Topf vom Herd. Diesmal schaffte er es ins Wohnzimmer, bevor sein Gesichtsfeld wieder verschwommen wurde. Schleunigst setzte er sich an den Tisch und stellte den Topf darauf ab. Er brauchte einige Sekunden, um wieder klar denken zu können. Die Spritze von heute Morgen hatte wohl ihre Wirkung verloren, denn nun wiederholte sich der Schmerz seiner Wunde alle paar Sekunden, auch wenn sie erträglich waren. Er atmete einmal tief ein… „Link“, sagte Zelda, der Link soeben erst Aufmerksamkeit zukommen ließ. „Was?“ „Du bist blass. Ist es deine Wunde?“ Link blickte sie erstaunt an, sie machte sich offensichtlich wirklich Sorgen um ihn. „Was interessiert dich das eigentlich? Als ob du eine Ahnung hättest“, sagte Link kalt. Er hatte wirklich keinen Bock, ihr zu erklären, was es mit dieser Wunde auf sich hatte. „Lass mich einfach in Ruhe.“ Zugleich bereute er seine Worte, die leicht verächtlich klangen. Sie sah weg, stand dann auf und meinte leise: „Verzeih mir, ich wollte mich nicht in deine Angelegenheiten einmischen.“ Stille. Das fremde Mädchen lief in Richtung Treppe. „Zelda… warte. Ich hab’ das nicht so gemeint“, sagte Link schließlich. „Ich habe schon verstanden“, entgegnete sie verärgert. „Bitte setz’ dich wieder.“ Er bereute seine Worte nun ungemein. Sie drehte sich um und sah ihn mit ernsten Augen an. Soviel Unsicherheit lag darin. „Ich weiß, dass du es nicht leicht hast und ich möchte dir wirklich helfen. Es ist eben nur, dass…“, meinte er. „… dass wir trotz allem Fremde sind“, beendete sie. Zelda sah ihn mit ihren kristallblauen Augen eindringlich an. „Du machst es mir schwerer, als die ganze Situation ohnehin schon ist, Link. Wenn du es veranlasst, werde ich gerne gehen. Ich weiß nicht, ob es Zufall war, dass du mich gefunden hast. Und trotzdem habe ich mir eingebildet, es hätte seinen Grund gehabt.“ Eine Pause entstand. „Ich habe meine Worte vorhin ernst gemeint…“ Zeldas Blick hatte sich gewandelt. Es lag keine Wut oder Unsicherheit mehr darin, sondern ehrliche Besorgnis. ,Gib’ dir einen Ruck, Link…‘, sprach sie in Gedanken… Jener griff sich mit seiner Hand an die Stirn und sagte: „Ja, du hast Recht. Es ist die Wunde… Ich wollte dich nicht anfahren.“ Schließlich setzte sie sich wieder. „Du musst den Pudding wohl alleine essen“, sagte Link. „Mir ist wirklich nicht danach zumute.“ Im Hintergrund lief immer noch mystische Musik, die an vergangene Zeiten erinnerte. „Schlaf ein wenig, Link“, meinte sie dann und erwartete eine raue Antwort, die jedoch ausblieb. Der junge Kerl stand auf und ließ sich auf die Couch in der Wohnstube sinken. Ja, sie hatte Recht, er brauchte nur eine Mütze Schlaf. Innerhalb weniger Minuten war er eingeschlafen. Zelda lief auf Zehenspitzen zur Tür. Es war nun spät am Abend. Link schlief immer noch. Sie wollte ihn nicht wecken, also räumte sie leise das Geschirr ab und schloss hinter sich die Tür. Sie trat in die Küche, räumte das Geschirr in die Spülmaschine, auch wenn sie nicht mehr wusste, wie man sie bediente. War irgendwie komplizierter als das Radio… Sie schlich wieder in die Stube und entzündete das Licht der Stehlampe, sodass sie Link im Schimmer deren Licht sehen konnte. Er sah nicht gut aus, nun noch blässer als vorher. Sie machte sich nun mehr Sorgen um ihn. Aber warum? Sie kannte ihn nicht… oder vielleicht doch? Vom Radio lief gerade beruhigende Harfenmusik. Die Klänge waren angenehm in ihren Ohren… und wohlvertraut. Sie setzte sich in den Sessel und schloss die Augen, um abzuschalten, bis sie schließlich hinweg driftete, irgendwohin, wo sie die Antworten bekam, nach denen sie verlangte. Zelda öffnete ihre Augen und erblickte einen riesigen Garten. Wie kam sie hierher? Sie folgte einen schmalen mit weißem Gestein gepflasterten Pfad, in Richtung eines kleinen Teiches in jenem Garten. Überall standen denkwürdige Steinskulpturen mit anmutigen Wesen, die Zelda als Drachen, Götter, Engel und andere Magiegeschöpfe erkannte. Sie blickte sich weiter um und sah viele kleine Wege in jenem Garten. Am Rande standen weiße Rosen, die wohlgeordnet am Weg entlang führten. Sie folgte dem Weg und entdeckte einen großen Baum, an dessen alten Zweigen eine alte Schaukel hing. Verträumt setzte sie sich und schaukelte ein wenig hin und her. Sie befand sich in den Lüften und nahm nun noch mehr von der herrlichen Ortschaft wahr. Ihr Blick fiel zu den hohen Mauern eines riesigen Schlosses, dessen Türme hoch in den Himmel ragten. Eine Person stand am Fenster und winkte ihr zu. Sie winkte zurück, wusste aber nicht, wer es war. Es handelte sich um einen älteren Mann, mit grauem Haar und blauen Augen. Sie kannte diesen Menschen nicht, auf dessen alten Gesicht sich ein angenehmes Lächeln zeigte und doch spürte sie eine Verbindung zu ihm. Sie entschloss sich weg zu schauen… Zelda öffnete die Augen erneut. Das Lied von vorhin war zu Ende. Sie schaltete das Radio nun endgültig aus und lief dann zu dem schlafenden Link. Ja, sie machte sich aufrichtig Sorgen um ihn. ,Wie dumm von mir‘, dachte sie. Er war ein einfacher Jugendlicher, vielleicht nicht halb so normal wie andere und dennoch… Wieso sollte sie sich in sein Leben einmischen? Es ging ihm bestimmt besser, wenn sie nicht hier wäre und er sich um sie keine Gedanken machen müsste. Sie kannte ich nicht… nicht wirklich… Sie lief zur Tür, doch bevor sie verschwand, erwischte sie sich selbst dabei, wie sie plötzlich zu ihm zurückging. Sie blickte ihn noch einmal an, und legte eine Hand auf seine Stirn. Er hatte nun wahrlich Fieber. Sie nahm eine Decke, die in einem Korb lag und deckte ihn zu. Er rührte sich nicht. „Gute Nacht, Link“, sagte sie leise und verschwand, als das Licht in der Stube ausging. Link wurde am nächsten Tag durch ein leises Summen aus der Küche geweckt. Eine helle, schöne Stimme erklang und das Lied, welches diese Stimme sang, ging ihm irgendwie nahe. Er öffnete verwirrt seine blauen Augen und schaute umher. Ach ja, richtig… er war ja auf der Couch eingeschlafen. Aber die Decke? Wo kam die denn her? Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf die liebliche Stimme. Er versuchte sich aufzurichten, was ihm zwar gelang, aber ihm sofort wieder einen Teil seiner Kräfte raubte. Er lehnte sich zurück und schloss erneut seine Augen. Die Stimme kam näher… Wie schön das Lied doch war, welches von ihrem Mund erklang. Als Zelda schließlich vor ihm stand, öffnete er wieder seine Augen. Sie hatte ein Glas Wasser in der Hand und irgendwelche Tabletten, die er als Schmerzmittel erkannte. „Morgen…“, sagte sie. Er scheute ihren Blick. „Morgen…“ Sie setzte sich neben ihn und reichte ihm das Schmerzmittel mit dem Glas Wasser. „Ich habe den Arzt noch einmal kommen lassen, während du geschlafen hast. Er hat mir dann das hier für dich hinterlassen.“ Er würgte es hinunter. „Warum tust du das für mich“, fragte er leise. „Du hast genug gut bei mir, Link“ Er sah sie immer noch nicht an. Daraufhin sprang Zelda auf und sagte. „Ich war auch schon einkaufen. Deine Mutter hatte uns eine Liste hinterlassen, was wir besorgen sollten und hat mir gezeigt, dass am Ende der Straße eine Einkaufsmöglichkeit vorhanden ist. Es war interessant und irgendwie spannend diese Besorgungen zu machen. Das Geld befand sich in der weißen Dose in der Schrankwand, wobei ich das Restgeld wieder zurückgelegt habe. Der Kassenzettel ist auch dabei, damit du weißt was ich…“ Er unterbrach sie mit schwacher Stimme: „Du musst das nicht tun, Zelda.“ „Doch, ich denke, das ist zumindest etwas, was ich tun kann.“ „Aber…“ „Sei endlich still, Link.“ Er blickte sie überrascht an. Jetzt hatte sie die Fäden in der Hand. Zelda würde sich von ihm nichts mehr sagen und gefallen lassen. „Übrigens, da ich mich dummerweise in einem Einkaufszentrum überhaupt nicht auskenne, habe ich mir Hilfe geholt.“ Link sah sie neugierig an. „Hilfe?“ „Ja, da waren zwei nette Kerle, die mir aus irgendeinem Grund unbedingt den Einkauf abnehmen wollten.“ „Oh“, brachte Link hervor und wusste ganz genau, warum… Vielleicht hatten zwei Zeldafreaks ihr unbedingt einen Gefallen tun wollen… Außerdem war Zelda ja wirklich bildhübsch, so wunderschön wie eine Porzellanfigur… „Sag’ mal… wer waren denn die zwei Kerle?“, meinte Link und versuchte eine aufkeimende Eifersucht, die er selbst natürlich nicht verstehen wollte, im Zaum zu halten. „Ihre Namen waren Josh und Hendrik, glaube ich. Warum fragst du?“ Link fuchtelte mit seinen Händen in der Luft herum und hoffte, er könnte sich damit nicht noch verdächtiger machen als ohnehin schon. „Nur so“, platzte es aus ihm heraus. Aber er kannte die beiden Kerle. Josh und Hendrik waren Zwillinge, auch, wenn man es ihnen nicht ansah, und gingen beide in die Oberstufe. Link hatte einige Kurse mit ihnen und wusste nur zu gut über ihren nervenaufreibenden Humor Bescheid. Trotz allem waren es gute Menschen, und Link ahnte bereits jetzt schon, dass Zelda irgendwie sehr genau wusste, wer vertrauenswürdig war und wer nicht. Sie wusste um innere Absichten eines Wesens, ohne diese Fähigkeit vielleicht als diese anzuerkennen. Sie kniete vor ihm nieder und seufzte. „Du kannst einem einen ganz schönen Schreck einjagen, du kleiner Dummkopf.“ Er wusste nicht, was er sagen sollte. „Hast du Hunger“, sagte sie und blickte ihn mit einem warmen Lächeln an. „Ja, irgendwie schon.“ „Wir haben noch Himbeerpudding“, meinte sie scherzhaft. Seine Mundwinkel zogen sich endlich wieder nach oben. Sie wollte gerade in der Küche verschwinden, als Link sie am Arm zurückhielt. „Wegen gestern… es tut mir leid…“ „Du brauchst dich dafür nicht entschuldigen. Ist okay. Bleib’ hier, ich bring’ dir was.“ Mit einem Lächeln verschwand sie. Link seufzte und verstand die Welt nicht mehr. Dieses Mädchen hatte es wirklich drauf. Nicht nur, dass sie den ganzen Einkauf, vor dem er sowieso am liebsten geflüchtet wäre, auf sich genommen hatte, obwohl sie Schwierigkeiten hatte sich zurecht zu finden, nein, sie hatte sogar noch einmal Dar Gordon verständigt. Sie war wohl wirklich ein Engel. Link kam sich vor wie der letzte Trottel. Wie konnte er Zelda nur jemals auf diese Art und Weise anfahren, wie er es gestern getan hatte. Er war kurz um wütend auf sich selbst. Er nahm die Fernbedienung zur Hand und schaltete durch das Programm. Wie Nerv tötend der Montag sein konnte. Nur Schwachsinn auf der Glotze. Nach einer Weile, die Schmerztabletten wirkten erstaunlicherweise, stand Link auf und streckte sich. Die Nacht auf der Couch war nicht die beste Lösung gewesen. Dennoch, er fühlte sich wieder gut, gut genug, um sich einen kleinen Scherz zu erlauben. Auch wenn er bedenken sollte, dass kleine Scherze manchmal schwere Folgen nach sich ziehen. Er stellte sich neben die Tür, so geschickt und vor allem leise, dass Zelda ihn sicherlich nicht sehen würde und wartete mehr oder weniger ungeduldig auf ihr Erscheinen. Ein Grinsen formierte sich auf seinem Gesicht. Wenn sie den Himbeerpudding bringen würde, würde sie dies sicherlich wieder bereuen… hehe… Was Link vermutete, trat ein. Zelda brachte ein Tablett mit zwei Schälchen Pudding und einem ordentlichen Frühstück. Sie kam zur Tür herein. Und… Noch bevor sie sich versah, hatte Link sich eines der Schälchen gekrallt und rannte damit in die hinterste Ecke der Wohnung. Zelda begriff den Sinn der Aktion offenbar nicht wirklich, da sie ihn leicht verstört beäugte. Er nahm den Löffel zur Hand, belud ihn mit der rosa Masse mit Himbeergeschmack und grinste Zelda dämlich an. Er holte aus und… An Zeldas verdutztem Gesicht hätte er sich stundenlang erfreuen können, aber der Pudding war schneller und landete in ihrem Gesicht. Wut und Empörung lagen nun in ihren Augen. „Du… na warte“, rief sie. Zelda stellte das Tablett ab, wischte sich die Paste aus dem Gesicht, nahm die andere Schüssel und machte mit. Sie zielte auf Link. Dieser wich aus und der Pudding verteilte sich an Mutters heißgeliebter Schrankwand. ,Oh oh‘, dachte Link, als er mit ansah, wie die Creme an der Glasscheibe entlang lief. Ein langer rosa Fleck schmückte nun die Glasscheibe. Derweil hatte Zelda wieder eine ordentliche Portion nach ihm geschleudert. Und… sie traf ihn am Hals. Es stand 1:1. Jetzt war ihm auch die Schrankwand und das sonstige Mobiliar egal. Diese Herausforderung wollte er keineswegs verlieren. Sie bewarfen sich weiterhin mit Pudding, wichen aus und innerhalb von Minuten glich die Stube einem Schlachtfeld, in das man sich nicht mehr hinein traute. Der Pudding klebte überall: am Kronleuchter, am Schrank, auf der hellen Couch, an der Decke und auf dem Fußboden. Zelda war am Zug und sie zielte auf Link. Er wich aus und hüpfte auf die Couch, schaute wieder zu Zelda, die aber nur angetäuscht hatte. „Mach’ schon. Du triffst mich sowieso nicht.“ „Das werden wir ja sehen“, lachte sie frei heraus. Sie schleuderte den Pudding nach ihm, was das Zeug hielt, bis ihre Schale leer war. Trotzdem hatte sie ihn einfach nicht treffen können. Er war zu schnell, auch wenn er eine riesige Wunde am Bauch hatte. Link befand sich inzwischen an der Tür. „Gibst du dich geschlagen? Ich habe gewonnen“, sagte er aufmüpfig. Er hatte Zelda häufiger getroffen und wusste um seinen Siegeszug. Wie konnte er auch eine Herausforderung verlieren? „Natürlich…“ dann rannte sie in seine Richtung. „… nicht. Ich gebe mich niemals geschlagen.“ Link verstand und hechtete aus dem Raum. Sie wollte ihn offensichtlich fangen. Er rannte die Treppe nach oben. Aber Zelda kam nicht. ,Hm, dieser freche Engel will mich wohl reinlegen‘, dachte Link. Vorsichtig tastete er die Treppe nach unten. Ein Schritt, noch ein Schritt… Er schlich zur Tür in die Stube und lugte vorsichtig hinein. Nanu? Wo war sie denn? Link ging ins Wohnzimmer, aber Zelda schien verschwunden zu sein. Er schaute in jede Ecke, im Übrigen so leise, dass ihn niemand bemerkt hätte, aber nirgendwo das Anzeichen von Zelda. Link ging aus der Stube hinaus, schaute in der Küche nach, in vielen weiteren Zimmern, sogar im zweiten Stockwerk. Schließlich lief er wieder in die Küche und setzte sich eingeschnappt auf einen Stuhl. „Kannst rauskommen, hast gewonnen“, sagte er. Zelda kannte sich in seinem Haus besser aus, als er selbst, wie niederschmetternd… Er hatte verloren. Einige Minuten vergingen, aber Zelda kam nicht. „Zelda?“ Es rührte sich nichts. Inzwischen kam ihm die Situation nicht mehr lustig vor. „Hey. Du hast gewonnen“, rief er, aber es antwortete ihm niemand. Link, nun ergriffen von einem Hauch der Besorgnis, sprang auf und suchte noch einmal die ganzen Zimmer durch. Dann lief er in den Keller und schaltete dort das Licht ein. Aber auch da war sie nicht. Das konnte doch nicht sein! Wo war sie nur? „Zelda. Das ist nicht mehr witzig. Komm’ endlich raus.“ Seine Stimme schallte durch den Keller. Plötzlich fühlte er eine warme Hand auf seiner Schulter, drehte sich um und sah Zelda, die ihn ziemlich verlogen anblickte. Sie grinste: „Du bist dran.“ Dann sprintete sie davon. Link blieb kurz stehen und unterdrückte ein merkwürdiges Gefühl in seinem Inneren. Er blickte ihr wie in Trance hinterher, seine blauen Augen erfüllt mit einem leichten Angstgefühl, dass Zelda sich plötzlich in Luft auflösen würde. Er hatte sich wahrhaft eingebildet, sie wäre verschwunden. „Warte“, rief er. „Worauf? Dass du mich fängst?“ Sie drehte sich um und sah ihn im Schein der Kellerlampe an. Er hatte das seltsame Gefühl erfolgreich unterdrückt und grinste. „Nein, auf die Erkenntnis, dass du mir sowieso nicht entkommst.“ „Das würde dir wohl so passen.“ Sie hechtete wie eine Irre davon und rannte zurück ins Wohnzimmer. Hier nahm das Unglück seinen Lauf, denn sie hatte leider und unglücklicherweise in ihre Geschwindigkeit den Pudding, welcher auf dem Fußboden klebte, nicht mit einberechnet. Sie spürte wie ihr der Boden unter den Füßen entglitt und das klebrige Material jegliche Reibung außer Kraft setzte. Sie versuchte sich noch zu fangen, aber aller Kraftaufwand versagte entgegen der Schwerkraft, die sie auf den Boden befördern wollte. Link war direkt hinter ihr, konnte sein Tempo nicht mehr abbremsen und fiel ebenfalls. Sie kreischte panisch auf und lachte dann, als sie mit einem dumpfen Schlag mit dem Rücken auf dem Teppich landete. Auch Link begann zu lachen, als er dummerweise auf ihr landete. Sie lachten bis ihnen der Bauch weh tat. Dann blickten sie sich verlegen an. „Ich habe trotzdem gewonnen“, sagte er und blickte ihr direkt in die Augen. „Ja, ich gebe auf.“ Schließlich herrschte Funkstille. Es war ein seltsames Gefühl einander so nahe zu sein, obwohl sie sich erst wenige Tage kannten. Sie sahen sich immer noch an. Links Hände spazierten zu ihren Schultern, dann zu ihrem goldenen Haar. Sein Puls stieg an und sein Blick wanderte instinktiv zu ihren weichen, vollen Lippen. Zeldas rechte Hand bewegte sich zu seinen Hals, wo immer noch rosa Pudding von ihrer Schlacht klebte. Seine Haut unter dem Pudding war angenehm warm. Ihre linke Hand griff an seinen Oberarm. Sie war erstaunt über die Muskeln unter ihrer Hand. Ein wunderschönes Lächeln formte sich auf ihrem Gesicht, das Link dazu gebracht hätte alles für dieses Mädchen zu tun. ,Ich würde sterben für ihr Lächeln‘, murmelte eine Stimme in seinem Kopf, die er als seine eigene erkannte. Dann tropfte möglicherweise gerade zum rechten Zeitpunkt ein wenig Pudding von der Decke und traf Link an seinem rechten Ohr. Er spürte den schleimigen Pudding und wirbelte herum, bis er sich das Zeug vom Ohr wischte. Sie ließen voneinander ab, standen auf und drehten einander den Rücken zu. „Also… gibt’s du mir… irgendwann eine Revanche?“ „Jaja… klar… doch.“ Er stotterte und kam sich total dämlich vor und fragte sich, wie weit er wohl gegangen wäre, wenn nicht der Pudding eingegriffen hätte. Nach zwei Stunden hatten sie mit Wasser und genug Reinigungsmittel den Pudding so gut es ging beseitigt. Zelda wischte gerade die teure Schrankwand sorgfältig, Link schrubbte noch einmal über den Boden. Als alles sauberer war als zuvor, setzten sie sich schweigend an den Tisch und aßen endlich Frühstück, aus dem wohl das Mittagessen wurde. „Ähm, Zelda? Wegen deinem Gedächtnisverlust…“ „Ja, was ist damit?“ Dann nahm sie einen Schluck von ihrer Kaffeetasse. „Wollen wir vielleicht noch einmal bei der Polizei nachfragen, ob inzwischen jemand eine Vermisstenmeldung aufgegeben hat? Das wäre ein Anfang, um herauszufinden, wer du bist.“ Sie stellte die Kaffeetasse ab, schaute weg und ballte ihre Hände. „Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.“ „Warum denn nicht?“ Sie stand auf und lief ans Fenster. Sie zog leicht den Vorhang weg und beobachtete einige Knirpse, die mit Skateboards die Straße hinunter rasten. Sie tippte mit ihrer linken Hand die auf den mit Smaragden bestückten Ring an ihrer Rechten. „Ich weiß, dass ich dir nicht ewig zur Last werden kann, Link. Und ich danke dir zutiefst.“ „Worauf willst du hinaus?“ Link stand nun neben ihr und versuchte sie anzusehen. Sie wendete sich ab und setzte sich wieder. Sie wollte ihn mit ihren dummen Vorahnungen nicht belästigen, denn das ihre Gefühle dumm waren, das bildete sie sich ein. Irgendetwas stimmte hier nicht. Das konnte sie spüren… es war überall… in der Luft, in den Menschen, selbst in den Alltagsgegenständen. Alles war so fremd, so merkwürdig, selbst das Licht der Sonne. Dann fühlte sie warme Hände auf ihren Schultern. Link sagte leise: „Erzähl‘ es mir.“ Er setzte sich neben sie. „Was würdest du tun, wenn du fühlen würdest, dass mit dir etwas nicht stimmt.“ Sie sah ihn eindringlich an und erwartete eine ehrliche Antwort. „Ich würde auf mich selbst hören; und versuchen herauszufinden, was es ist, das nicht stimmt.“ „Und wenn du damit vielleicht dir selbst und anderen schaden würdest?“ Sie schaute auf ihre Hände, die zitterten. „Ich würde abwarten und versuchen einen klaren Kopf zu bewahren. Die Zeit kann wahre Wunder tun.“ Sie sah ihn an, erneut war das Blau ihrer Augen von Schatten bedeckt. Link fürchtete, dass jener Schatten sie wegtragen würde. „Genau das… versuche ich im Augenblick zu tun.“ Link hatte verstanden. Sie wollte abwarten. „Vielleicht hast du Recht. Aber nach Hinweisen können wir dennoch suchen, hm?“ Sie nickte. „Ich habe einfach das Gefühl, dass ich einen Fehler machen würde, wenn ich noch einmal zur Polizei gehen würde. Ich kenne den Grund nicht, aber das Gefühl ist trotzdem da. Es ist, als ob ich mich damit in Gefahr bringen würde… Ich weiß, das klingt stumpfsinnig, aber…“ Er legte seinen Zeigefinger auf ihre Lippen. „Pst. Das tut es nicht. Es ist in Ordnung. Es gibt andere Möglichkeiten, um herauszufinden, wer du bist. Aber zuerst hörst du auf, deine Ideen als stumpfsinnig zu bezeichnen.“ Sie lächelte ihn dankend an. „Und außerdem hatte auch ich das Gefühl, es wäre besser, wenn wir nicht zu unbedacht handeln. Ich wollte lediglich deine Meinung dazu wissen. Aber eine Sache hätte ich trotzdem noch gerne gewusst“, sagte Link dann. „Und die wäre?“ „Dein Traum von gestern. Du hast doch gesagt, du erzählst ihn mir, oder?“ Er lächelte und der Schatten über ihren Augen verschwand beinahe. „Ja, das habe ich schließlich versprochen, aber…“ „Hm?“ „Ich habe heute noch einen Traum gehabt…“ „Äh… war ich da schon wieder dabei?“ Er wurde etwas rot und zwinkerte aufgeregt. Sie nickte bloß und kicherte dann. „Das ist nicht so schlimm… es war ein schöner Traum…“ „Oh… na dann…“ Er hatte das Gefühl in seinem Leben noch nie so rot im Gesicht gewesen zu sein wie gerade eben. „Dann brauche ich… mir keine Sorgen zu machen, oder?“ Er grinste verlegen und kratzte sich am Kopf. Sie lächelte bloß. „Ich erzähle dir einen dieser Träume, ja?“ Er nickte verwirrt, wusste ohnehin nicht, was er hätte sagen sollen und versuchte sich zu beruhigen. Link und Zelda gingen an die frische Luft und machten es sich auf einer Hollywoodschaukel bequem, die in dem Garten seiner Eltern stand. Der Garten war gleich ans Haus angeschlossen und nicht besonders groß, aber trotz allem ein Ort an dem man entspannen konnte. Link verschränkte seine Arme hinter seinem Kopf und schloss die Augen. Die Hollywoodschaukel wippte hin und her und Link begann schon wieder zu gähnen. Es war nicht nur die Wunde, sondern auch der Schlafmangel der letzten Wochen… Alles wegen seinen eigenen aufreibenden Träumen. „Also, dann erzähl mir doch mal von deinem Traum. War er interessant oder spannend“, meinte Link und machte seine Augen erstaunlicherweise wieder auf, obwohl man den Eindruck hatte, dass es ihm schwer fiel. „Na ja, eigentlich war er eher verwirrend.“ „Verwirrend?“ „Ja, irgendwie seltsam.“ Er sagte nichts dazu. Nun interessierte er sich immer mehr für ihren Traum. Die Schaukel schwankte hin und her. Eine Pause entstand. „Ich befand mich in den engen Gassen einer riesigen Stadt. Komische, eigentümliche Geschäfte, in denen die undenkbarsten Sachen verkauft wurden waren links und rechts von mir. Aber leider habe ich mir nichts von dem gemerkt, was angeboten wurde.“ „Kanntest du diese Stadt vielleicht.“ Sie drehte sich schnell zu ihm, offenbar erstaunt über seine Frage. „Nein, ich habe keine Ahnung, obwohl sie mir ziemlich vertraut vorkam.“ „Aha.“ „Auf jeden Fall lief ich weiter, bis ich eine große Stadtmauer erreichte, die sich wie eine Schlinge um die ganze Stadt wand. Unzählige Soldaten waren dort postiert. Ich folgte meinem Weg, bis ich durch ein kindsgroßes Tor die Stadt verließ.“ Link blinkte zu ihr herüber. „Also, ich muss sagen, bis jetzt ist der Traum zwar noch harmlos, aber interessant. Wann läuft man schon durch fremde Städte.“ „Mmh.“ Zelda stand auf und starrte in einen kleinen Teich vor der Schaukel, wo einige Goldfische drin herumschwammen. Sie kniete nieder und schöpfte ein wenig kühles Wasser, während die Goldfische merkwürdigerweise auf ihre Hand zu schwammen. Sie erfreute sich an den kleinsten Dingen, die diese Welt zu bieten hatte, selbst an ein paar Goldfischen. Das Leben an sich hatte in ihren Augen einen unermesslichen Wert, der durch nichts in Frage gestellt werden konnte. Sie setzte sich wieder auf die Schaukel. Link hatte währenddessen seine Augen geschlossen und seufzte leicht. Sie blickte ihn lange an und je mehr sie in sein Gesicht sah, umso sicherer und beständiger wurde das Gefühl ihn schon lange zu kennen. „Link?“ „Huch? Ähm… ja, was ist denn? Oh Mann, sorry, jetzt wäre ich doch glatt eingeschlafen.“ „Ja, so sahst du auch aus, als ob du dich von nichts und niemandem mehr wecken lassen wolltest.“ „Aber, ich habe mich von dir wecken lassen, oder?“ „Kommt darauf an, ob du glaubst, dass das hier die Realität ist.“ Links Kopf neigte sich zur Seite. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass das hier die Realität ist.“ Zelda setzte einen sehr nachdenklichen Blick auf. „Was sagt dir das? Wer sagt dir das?“ Link zwinkerte leicht und musste bei ihren Worten zweimal nachdenken… darauf eine gute Antwort zu finden, schien nicht leicht zu sein. „Sehen wir es mal so. Ich möchte einfach nicht daran zweifeln, dass ich vielleicht nicht wirklich bin, weil ich sonst mit meinem Leben nicht mehr zufrieden wäre. So wie es jetzt ist, ist es doch nicht schlecht. Ich sage mir selbst, dass dies die Wirklichkeit ist, Zelda.“ „Das ist eine sehr optimistische Sichtweise.“ „Logisch, ich bin ja auch Optimist!“ „Dich kann wohl nichts aus der Fassung bringen, wie?“ Link grinste sie an. Sein Blick war einfach nur Gold wert. „Es bedarf schon einiger Kunststücke, um mich aus der Fassung zu bringen.“ „Vielleicht schaffe ich das ja, wenn ich dir sage, wie mein Traum weiterging.“ „Dann lass’ mal hören.“ Zelda erzählte ihm weiterhin von ihrem Traum. Sie erzählte davon, dass sie über eine riesige Wiese lief, auf einem abgetrampelten Pfad in Richtung eines einzelnen großen Baumes. Sie wusste, dass sie sich hier mit jemandem treffen wollte, also setzte sie sich unter das riesige Laubdach und lehnte sich gegen den Stamm des Baumes. „Ich saß eine ganze Weile dort und beobachtete Adler in der Ferne. Sie flogen in Richtung eines dunklen Tales und verschwanden dann in der Ferne. Inzwischen wurde Abend und ich sah die Sonne am Horizont untergehen. Der Himmel erstrahlte in roten, warmen Farben.“ „Also Zelda, ich muss schon sagen, deine Träume sind wahrhaft ausführlich. Und du erinnerst dich tatsächlich an so viele Details?“ „Ja, irgendwie verrückt, oder?“ „Nein, eher außergewöhnlich“, sagte Link bewundernd. Sie blickte zu ihm und lächelte. Sie verschränkte ihre Arme und sprach dann leiser als zuvor. „Schließlich erhielt ich Gesellschaft von jemandem, den ich nicht erwartet hatte. Ich hörte eine Art Gemurmel und schließlich hüpfte jemand vom Baum herunter. Die Person setzte sich neben mich und redete mit mir und dann wusste ich auch, dass ich gerade auf diesen Menschen gewartet hatte.“ „Wie sah die Person denn aus und war es eine sie oder ein er?“ „Es war ein junger Mann.“ „Aha und kannst du dich an ihn erinnern? Ist es vielleicht jemand aus deiner Vergangenheit, den du kennen solltest?“ Zelda lehnte sich zurück und schloss nun auch die Augen. Links Augen ruhten auf ihr und er sah sie sich nun genau an, jetzt, da er nicht den Eindruck erwecken würde, er würde sie womöglich anstarren. Einmal mehr registrierte er… wie wunderschön sie war… dieses ebenmäßige Gesicht… ihr langes, seidenes Haar. „Ich habe das Gefühl, ich sollte ihn kennen und doch… Nein. Er kann unmöglich zu meiner Vergangenheit gehören.“ „Warum nicht?“ Sie öffnete die Augen, Links Blick immer noch auf sie gerichtet. „Weil es keinen Sinn macht… Wie auch immer. Dann saß er neben mir, schnappte sich einen Grashalm und kaute darauf herum. Ich kann mich sogar noch an einige seiner Worte erinnern. Er sagte in etwa: Zelda, ob du es glauben willst oder nicht, das ist kein Traum. Dann sprang er auf, zerrte mich an meinen Händen ebenfalls auf die Beine und schleifte mich mit. Wir rannten über die riesige Wiese, bis ich schließlich aufwachte. Es war ein sehr schöner Traum.“ Link blickte mit ernsten Augen in den kleinen Teich. Traum oder nicht, aber hatte Zelda nicht etwas vergessen, ihm zu erzählen? Sie sagte doch, sie hätte von ihm geträumt. Zelda stand auf und lief in Richtung Hauseingang. „Ähm, Zelda?“ „Ja?“ „Dieser junge Mann… wie sah er aus?“ Sie blickte ein wenig verunsichert weg und sagte: „Er trug dein Gesicht, Link.“ Damit verschwand sie im Haus. Kapitel 9: Der elegische Klang der Okarina ------------------------------------------ Als sich die Nacht über die Kleinstadt senkte und Schicksalshort sich von der verschlingenden Finsternis in den Schlaf zerren ließ, waren auch im Hause Bravery die Lichter gelöscht. Aber die beiden Seelen dort, die auf ewiglich ein dickes Band der Zuneigung besaßen, schliefen nicht. Nachdenklich starrte Link von seinem Bett aus an die kahle Zimmerdecke. Es war nicht die Wunde, die ihn wach hielt, sondern der Gedanke an das Mädchen, welches im Gästezimmer ruhte. Sie war wirklich einzigartig… und ein Mensch, mit dem er sich endlich so unterhalten konnte wie mit niemand anderem. Er räusperte sich und grinste in die Schwärze der Nacht. Wie sollte er als pubertierender junger Mann auch ruhig schlafen, wenn eine unwiderstehliche, blonde Schönheit nur ein Zimmer weiter schlief? Er musste zugeben, dass er gerade etwas unkeusche Gedanken hatte, zog sich dann peinlich berührt sein Kissen über den Kopf und fragte sich, ob er noch zu retten war. Er konnte nicht mit solchen Absichten ein Mädchen anschauen, das völlig hilflos bei seinen Eltern aufgenommen wurde… „Ich hab‘ sie wirklich nicht mehr alle“, brummte er und versuchte endlich Schlaf zu finden. Während er vor sich hin träumte, unterbrach ein sonderbares Geräusch, leise und andächtig, kaum wahrnehmbar die Stille. Ein Klang, den er zunächst nicht von seinen Träumen trennen konnte. Er blinzelte und richtete sich auf. Und einmal mehr konnte er den Klang vernehmen… ein Summen… eine feine Melodie… Und da wusste er, dass jenes Geräusch nicht aus seiner Traumwelt stammen konnte. Link spitzte die Ohren und lauschte erneut… Und je mehr er dem Klang folgen konnte, umso deutlicher wurden die zarten Töne für ihn. Jemand sang. Eine reine, helle Stimme summte und sang eine feine Melodie, die ihm eine Gänsehaut über den Rücken schickte. Nicht sicher, dass er vielleicht eine seiner Halluzinationen war, folgte der junge Mann dem Gesang. Bekleidet nur in einer grünen Schlafanzughose tapste er zu seinem Fenster und blickte nach draußen. Er lauschte wieder und war sich nun sicher, dass der Gesang von draußen her schallte, aber er konnte den Text nicht verstehen, ahnte, dass es keine Sprache dieser Welt war. Alles, was er wusste, war, dass diese Melodie einen Zugang zu seinem Herzen öffnete. Er musste herausfinden, wer sang, und musste erfahren, woher er dieses Lied kannte… Wie in Trance trat Link in den Flur, hörte das feine Singen lauter werden und schaute vom Korridor hinaus in den Garten. Er war sich zunächst nicht sicher, ob dort jemand in der Finsternis stand, aber als sich seine Augen an die Nacht gewöhnten, und der Mond leuchtende Schleier warf, konnte er jemanden dort ausmachen… Und dieser jemand sang… rein… beinahe… göttlich… Die Umrisse der Gestalt wurden klarer und auch die Stimme konnte Link zuordnen. Es war Zelda… Sie trug das weiße Nachtkleid von Meira und sang, als wollte sie jemanden rufen oder der nächtlichen Stille huldigen… vielleicht sogar beten. Ein wenig angespannt, aber gefangen in der Melodie, öffnete Link das Fenster, spürte eine eisige Brise in das Haus dringen und lauschte ihrer warmen, erinnernden Melodie. War das wirklich das Mädchen, das er gefunden hatte, das nach ihm gerufen hatte? Im Augenblick hatte er dieses unglaubliche Maß an Ehrfurcht vor ihr, die ihn nur staunen ließ. Sie wirkte so… transzendent… Die Sekunden zerrannen träge, als sich das Lied, gesungen mit Worten, die Link nicht verstehen konnte, als Symphonie edler Herzen in Links tiefste Gedanken wagte. Er lauschte, fühlte Wonne und Leid zugleich. Er lauschte und sein Gehör blendete alles andere aus, seine Sinne vernebelt von der Tonfolge. Er lauschte, spürte sein Herz beben und bluten… und ihr Lied reinigte… folterte… und reinigte… Als er es nicht mehr aushielt, nicht sicher warum, und mit welcher verborgenen Macht sie spielte, schloss er hastig und einen lauten Schlag produzierend das Fenster. Er mochte das Lied und konnte doch nicht mehr davon ertragen, er konnte, obwohl er ihre Stimme beinahe begehrte, diese Ballade nicht noch weiter bohren lassen. Denn ein Teil in ihm kannte dieses Lied, und ein Teil von ihm reagierte darauf mit Kummer und einem sehr schmerzhaften Gefühl in seiner Brust… Aufgebracht stolperte Link die Treppen hinab und stieß in der Dunkelheit der Stube mit jemandem zusammen. Es polterte entsetzlich, und sowohl Links tiefe Stimme als auch eine wesentlich hellere erklangen fluchend, brummend und murmelnd. Hastig suchte der junge Bursche nach dem Lichtschalter, worauf die gesamte Wohnstube in blendendem Licht erstrahlte. Und da sah er das Mädchen, das er beschützen wollte, mit verweinten Augen vor sich stehen. Ihre Haare waren aufgewühlt und das weiße Nachthemd von Meira hatte teilweise Flecken. Sie zitterte, wirkte für einen Moment völlig neben sich. Sie sah geschockter aus als Link und drückte dann ihre Hände in ihr Gesicht. „Entschuldige… ich wollte dich nicht in deinem Schlaf stören…“, murmelte sie und hetzte an Link vorbei in Richtung Treppe. „Warte“, meinte er bestimmend. Er wollte aus seinem Mitgefühl heraus wissen, warum sie so spät in der Nacht aufgestanden war und dieses melancholische Lied gesungen hatte. Sie zügelte ihren Schritt kurz vor den Treppenstufen, aber antwortete nicht sofort. „Zelda…“, fragte er. „Bist du in Ordnung…“ Sie wand sich nicht zu ihm, sondern stand weiterhin mit dem Rücken zu Link. Aber er konnte sehen, dass sie den Kopf schüttelte… ja… einmal mehr war nichts in Ordnung… „Dieses Lied… kannst du dich an irgendetwas erinnern… Ist das Lied Teil deiner Erinnerungen?“, meinte er leise. Und erneut kam nur ein Kopfschütteln. „Es tut mir leid…“, wimmerte sie. „… falls ich dich beunruhigt habe… ich möchte wieder schlafen gehen“, redete sie sich heraus. Sie wollte ihm nicht zeigen, wie ihr zumute war. Denn es stand weder ihr zu um sein Mitgefühl zu bitten als ihm, sich in ihr Leben einzumischen. Vielleicht suchte sie nach ihrer Erinnerung, hatte auch meditiert um weiter zu kommen… Und dabei hatte sie einen sehr dünnen Faden gefunden, der sie zu diesem Lied geführt hatte. Sie trat wieder ein paar Schritte, aber Link ließ nicht locker. Aufgebracht und vielleicht genauso durcheinander wie sie umfasste er ihr Handgelenk und hielt sie davon ab wegzulaufen. „Zelda… bitte… was war das für ein Lied?“ Es quälte ihn zu spüren, dass sie so abweisend war und er das dringende Bedürfnis hatte diese Melodie zu begreifen. „Diese… Ballade… sie klingt nach Vergangenheit… nach…“ „Ich weiß es nicht, Link… bei den Göttern, ich weiß es nicht… bitte… ich möchte mich einfach hinlegen…“ Ihre leidende Stimme ließ ihn seinen Griff lockern und er seufzte. „Es war… wunderschön… du singst so… sinnlich und angenehm…“, murmelte er. Er wollte ihr zumindest sagen, dass er sie bewunderte, nicht nur für das Lied, sondern dafür, dass sie sich mit ihren verlorenen Erinnerungen so tapfer verhielt. Dennoch verstand er, dass sie seine Anteilnahme im Augenblick, vielleicht weil sie gerade irgendwie sie selbst war, kaum zuließ. „Ich habe… noch nie eine so gefühlvolle Melodie gehört“, sprach er sanft. „Wenn jene zu deinen Erinnerungen gehört, dann muss in deiner Vergangenheit auch etwas Schönes und sehr Liebevolles vorhanden sein, etwas, was es lohnt erinnert zu werden.“ Er hatte noch nie derartiges gesagt, begriff nur schwerlich, was ihn dazu brachte. Vielleicht hatte ihre Melodie auch ihn an etwas erinnert… daran, dass es Dinge auf der Welt gab, für die es sich lohnte zu kämpfen, die beschützt werden mussten. Und als seine Sätze leise ausklangen, drehte sie sich endlich zu ihm um. Sie war blass, aber ihre himmelblauen Augen funkelten berührt. „Glaubst du, dass es in unserem Leben etwas gibt, das wir um jeden Preis erinnern sollten? Und vielleicht auch in anderen Leben?“ „Ja, wenn es diese anderen Leben gibt“, entgegnete er und sah sie einfach nur an. „Und woher nimmst du dieses Vertrauen?“, sprach sie, etwas wimmernd und traurig. Sie war verzweifelt wegen all den Gedanken und Gefühlen, die durch ihre Schutzschicht prallten und versuchten sie zu beeinflussen. Gedanken an das, was niemals sein konnte. Gefühle, die für sie keinen Sinn machten. „Ich vertraue auf mich selbst und die Menschen, denen ich begegne… Und ich weiß, dass ich meinen Sinn darin finden kann… von Nutzen zu sein… gerade für Menschen wie dich.“ Sie tapste zu ihm verzaubert und beeindruckt, war ihm etwas zu nah und flüsterte mit ihrem warmen Atem in sein linkes Ohr. „Wenn du ein Teil meiner Erinnerungen wärst, dann würde ich auch dieses Vertrauen finden wollen… Deine Seele… ist wunderschön, so stark und sicher, wie dieses Lied…“ Damit wand sie sich ab und hetzte schnellen Schrittes hinauf in das Gästezimmer. Link sah ihr konsterniert hinterher, ballte seine Hände zu Fäusten und seine tiefblauen Augen schillerten in einem alten Glanz… Der nächste Tag brach an. Link wollte Zelda einmal die Stelle im Wald zeigen, wo er sie gefunden hatte und so machten sie sich beide heiter gestimmt auf den Weg und genossen die frische Luft. Sie liefen einen schmalen Waldweg entlang, ließen sich von der Schönheit der Natur verzaubern, beobachteten Eichhörnchen in den Sträuchern verschwinden, lauschten dem Gezwitscher kleinerer Vögel. Zelda beobachtete lächelnd den Fluss des Wassers in dem Bach, der hier entlang lief, genoss die Freiheit, Ruhe und unberührte Natur. Sie breitete ihre Arme aus, rannte ein Stück um sich auszupowern und lachte dem jungen Mann entgegen, der sie hierher geführt hatte. Und es berührte auch sein Herz, sie so ausgelassen und fröhlich zu sehen. Nach einer Weile lief sie wieder neben ihm. „Link, ich möchte noch einmal… in aller Form danke sagen, dafür, was du mir hier ermöglichst…“ Er lächelte einprägsam. „Trotzdem… auch wenn du es nur gut meinst, ich kann mich nicht ewig bei euch durchessen. Das geht einfach nicht. Ich habe jetzt schon ein schlechtes Gewissen.“ Link wusste, dass sie so dachte. „Wer weiß schon, was die Zeit bringt. Warte doch erst einmal die nächsten Wochen ab. Vielleicht finden wir einen Anhaltspunkt. Möglicherweise sogar früher, als du denkst. Komm’ hier entlang.“ „Du kennst dich in den Wäldern sehr gut aus, was?“ „Ja, wie mein zweites Zuhause.“ Die Sonnenstrahlen schimmerten durch die grünen Kronen der Laubdächer und glitzerten im kühlen Wasser des kleinen Baches. Weiße Nebelschleier zogen am Himmel vorüber. Zelda rannte erneut, breitete die Arme aus und genoss den Wind. „Es ist einfach wunderschön hier“, rief sie Link hinterher. Er führte sie dann weiter, immer entlang des Baches, der an Größe zunahm, bis zu einem beinah heiligen Ort, wo sich ihrer und sein Weg ohne ihr Wissen gekreuzt hatten. Hier war der Ort, wo er sie fand, spät in der Nacht, der Hügel grüner Wiese, der von zwei Armen des Baches beschützend umrahmt wurde. Link winkte ihr zu: „Schau‘, das ist der Ort, an dem ich dich gefunden habe.“ Zelda betrachtete sich diesen Ort genau und staunte. „Ich habe davon geträumt, hier zu sein, aber ich wusste nicht, dass ich tatsächlich hier gewesen bin.“ „Wann hast du davon geträumt?“ „Die letzte Nacht…“ „Verstehe…“, murmelte er, konnte sich aber aus alle dem einfach keinen Reim machen und es ergab auch keinen Sinn. Als Zelda dann einen Blick auf den Bach warf und sie sich vorstellte, wie sie ausgesehen haben musste, als sie hier lag- für die Augen eines Fremden, fragte sie ihn: „Hast du mir eigentlich nur geholfen, weil ich so aussehe wie Zelda?“ Der Oberstufenschüler drehte sich zu ihr um, sah in ihr Gesicht, grinste und lachte dann. „Hey, die Frage war ernst gemeint.“ „Ach, entschuldige. Jeder Zeldaspieler hätte dir geholfen, wenn er deine Ähnlichkeit mit ihr bemerkt hätte… wenn er sie bemerkt hätte, was in jener Nacht gar nicht möglich war. Hör‘ mir mal zu, glaubst du, ich wäre so ein schlechter Mensch und hätte dich liegen lassen, nur weil du eine Fremde bist.“ Sie schüttelte mit dem Kopf. „Und außerdem, hätte ich dich nicht einmal gesehen, wenn nicht zufällig der Mond geschienen hätte und der Nebel jener Nacht nicht vor diesem Ort zurückgewichen wäre.“ „Moment mal. Es war Nacht?“ Sie klang entsetzt. Erst jetzt begriff sie, dass sie vielleicht hätte tot sein können, hätte sie mehr Wasser geschluckt. „Und die Tatsache, dass ich ausgerechnet in dieser Nacht noch einmal in den Wald gegangen bin, war schon mehr als Glück für dich. Ich glaube, es hätte dich niemand finden können…“ Sie blieben noch eine Weile stehen, beobachteten den Lauf des Wassers, genossen die Ruhe und ließen andächtig die Ereignisse in Vergessenheit geraten. „Ich muss mich noch einmal bei dir bedanken…“ „Schon gut. Lass uns gehen.“ Die ganze Zeit lief sie hinter ihm her und sah nur die blonden Haarsträhnen am Hinterkopf. „Du bist ein sehr guter Mensch, weißt du das?“ Link drehte sich um und sah mit treuherzigen Augen in ihre. „Natürlich weiß ich, dass ich der netteste, freundlichste, klügste und gutaussehendste Mensch weit und breit bin.“ „Eingebildet bist da ja auch nicht.“ „Das würde mir doch im Traum nicht einfallen.“ Er lachte, ebenso wie sie. Er zeigte ihr noch einige Stunden den Wald, ab und zu trafen sie auf irgendwelche Leute, die an diesem Tag Spaziergänge unternahmen. An einem See hielten sie sich auf und wollten ein wenig verschnaufen. Einige Leute waren noch dort und sahen die beiden verwundert an, weil die meisten wohl Zeldas Gesicht hier noch nie gesehen hatten. Einige Kinder, noch Grundschule tollten herum. Ein kleiner Junge, kaum zehn Jahre alt, glotzte Zelda mit großen Augen an, und flüsterte in die Ohren seiner Freunde. Link meinte: „Siehst du, nicht nur mir ist deine Ähnlichkeit mit Prinzessin Zelda aufgefallen.“ „Du brauchst gar nicht so unschuldig zu tun, mein Lieber.“ Jetzt bekam Link sein Fett weg. „Was ich?“ „Weißt du, wie du aussiehst?“ Link zuckte mit den Schultern. „Fehlt nur noch die grüne Mütze.“ Link riss sich sein Basecape herunter. „Jetzt gehst du aber zu weit!“, sprach er entnervt. Link marschierte auf ein Stück Grünfläche zu und setzte sich. Nicht weit von ihm entfernt saß eine junge Frau, etwa fünfundzwanzig Jahre alt. Der junge Held hatte sie hier auch noch nie gesehen. Sie war braungebrannt, trug ein weißes Top, dazu passend eine weiße Stoffhose und hatte feuerrotes Haar. Das schien wohl der Grund gewesen zu sein, dass sie die Blicke der Leute, ebenso wie Zelda auf sich zog. Als sein Schützling an ihr vorüberging, sah sie kurz auf und sah unheimlich schockiert drein. Dann schaute sie zu Link hinüber, der ihren Blick einfing und goldene Augen wie zwei Sterne daraus hervor leuchteten. Sie grinste und kniff ein Auge zu. Der junge Mann verstand nicht, sondern sah weg und dann noch einmal hin. Inzwischen hielt sie ein Handy ans Ohr und redete mit jemandem. Link bemühte sich, ihre Worte zu verstehen. Zelda fragte: „Was ist?“ „Pst.“ Aber so sehr er sich bemühte, diese Frau konnte er nicht verstehen. Sie sprach Englisch, ein sehr schnelles, unverständliches Englisch. „Yes, she’s here, together with him, in the forest of Schicksalshort. They both are okay.” Link war zwar nicht der Schlechteste in Englisch, aber die Dame redete viel zu schnell. Er schüttelte seinen Kopf, fragte sich, ob er denn wahrhaft alles im Sinn haben musste und hoffte, er machte sich zu viele Gedanken. Es würde schon nicht jeder, den er hier in Schicksalshort antraf, hinter Zelda her sein, oder? Dann ließ er sich mit ausgestreckten Armen in das Gras fallen und machte die Augen zu. Schon seltsam… seit sie hier war, seine Seelenverwandte, der Mensch, den er beschützen wollte, ging es ihm irgendwie besser. Er fühlte sich sorgloser, fröhlicher. Auch das sinnlose Nachgrübeln schien verschwunden zu sein. Unwichtig waren die Träume, die Ängste, alles. Er würde es genießen hier zu sein, würde genießen, dass sie hier war, obwohl er sie erst seit zwei Tagen kannte… verrückt. Dann öffnete er seine Augen und sah Zelda zusammengehockt auf der Wiese sitzen und in den See starren. Sie war mit ihren Gedanken irgendwo weit weg. Link sah sie verträumt an, ihre Silhouette wirkte so anmutig. Mit einem Schlag kam ihm in den Sinn, dass er es sich niemals hätte verzeihen können, wären ihre Lebensgeister in dem Wald verschwunden, vor zwei Tagen, als sie dort lag, Wasser geschluckt hatte. Sie erschien ihm so weit entfernt, als ihr Blick irgendwo zwischen dieser und der Traumwelt lag, so nah und dennoch unerreichbar. Dieses Gefühl war unwirklich. Die Tatsache, dass sie hier war, schien unwirklich. Ihre Aura, die Link fühlen konnte… unwirklich… Link konnte nicht anders und bewegte sich auf sie zu. Wenn er sie doch nur festhalten könnte, sicher sein, dass sie niemals mehr verschwinden würde. ,Heiliger Deku, warum nur zieht sie mich so an‘, dachte Link. Er legte eine Hand auf ihre Schulter und fragte: „Alles in Ordnung?“ Zelda war im ersten Moment überrascht und sagte aber dann trübsinnig: „Ich frage mich, wie lange ich wohl noch hier sein werde. Eigentlich fühle ich mich sehr wohl hier. Ich meine, diese Welt ist wirklich schön.“ Dieser Satz brannte Link in der Seele: „Ich sehe keinen Grund, weshalb du nicht hier bleiben könntest. Das ist doch deine Entscheidung.“ „Nein, ist sie nicht… Ich glaube, es gibt einen sehr wichtigen Grund, dass ich hier bin. Es gibt etwas Größeres, Mächtigeres in der Welt, und der Umstand, dass ich versucht habe das zu leugnen, war ein dummer, jämmerlicher Fehler, den ich mit nichts wieder gutmachen kann.“ Link hatte es die Sprache verschlagen. Er bildete sich ein, eine Träne an ihrer Wange hinab tropfen zusehen. Er rutschte nun noch näher und flüsterte direkt in ihr Ohr. „Ich glaube der Name Zelda passt wirklich zu dir.“ Dann lächelte sie wieder, sanfter und versteckter als vorhin, aber immerhin lächelte sie… „Sag mal, was macht eigentlich deine Wunde?“ „Nichts. Ich merke nichts und denke, dass sie jetzt wirklich verheilt.“ „Du hattest sie schon, als du mich gefunden hast, nicht wahr?“ „Jep.“ „Ich wollte das die ganze Zeit schon wissen, wie hast du sie bekommen? Ich bin einfach zu neugierig. Tut mir leid.“ „Ich habe gerade Zelda gespielt, bin kurz weggetreten und habe dann schlecht geträumt. Allerdings fühlte es sich nicht wie ein Traum an, sondern eher wie die Realität oder etwas, was noch schlimmer war. Ich konnte mich nicht rühren… wäre Sara nicht gewesen und hätte mich aufgeweckt, würde ich vermutlich… ich hätte es nicht überlebt.“ Zelda schaute entgeistert. „Ich bin nun mal ein Freak, oder?“ „Das sind wir beide.“ Am Rande des Sees tänzelte gerade ein Kind fröhlich umher. Plötzlich rutschte es ab und landete in dem eiskalten Wasser. Es planschte wild geworden im Wasser umher, ging unter, kam noch einmal nach oben und verschwand dann unter der Wasseroberfläche. Alle Anwesenden schrien verzweifelt auf. Link sprang auf und zögerte nicht lange. Zelda rannte hinter ihm her: „Aber deine Wunde, Link“ rief sie. Doch er war bereits mit einem Sprung im Wasser, holte tief Luft und tauchte hinab. Er schwamm gelassen vorwärts, aber das Wasser fühlte sich für ihn irgendwie seltsam an, es war irgendwie nicht wie gewöhnliches Wasser, sondern fest, gleichzeitig glitschig… Wirklich schwimmen war nicht möglich, es war ein Gleiten durch eine halbfeste Substanz, wie durch Grütze. Wie Link sich fortbewegte erinnerte ihn mehr an das Stapfen durch den kalten Matsch eines tiefen Sumpfes. Er sah den Jungen panisch Luft holend, mit hetzenden Bewegungen auf dem Boden des Sees liegen und kämpfte sich zu ihm durch. Er packte ihn gerade so am Kragen und stieß sich mit den Beinen am Grund ab und schwamm nach oben. Er erreichte die Oberfläche und frische Luft erfüllte seine Lungen. Der junge Retter schwamm auf den Rand des Sees zu und sah einige Leute am Ufer stehen. Sie zerrten sogleich den Jungen an Land. „Link“, Zelda lächelte und reichte ihm die Hand. Er nahm sie, verwundert wie warm und zart sie sich anfühlte. Mit einem Seufzen stand Link im Trockenen. „Puh… ganz schön kalt.“ Die Eltern des Kindes kamen angerannt und dankten ihm, aber Link war inzwischen eher daran interessiert wieder trocken zu werden. Seine nasse Kleidung klebte an ihm wie Pech und fühlte sich ungeheuer unangenehm an. „Keine Ursache“, sprach er bloß und kniete dann zu dem Kind nieder. Als der jugendliche Retter das Kind ansah und sich vergewissern wollte, ob es in Ordnung war, schienen sich dessen Augen zu verwandeln. Zuvor hatte das Kind noch grüne Augen, doch dann leuchteten dessen Augen kurz auf und es sprach kaum vernehmlich, sodass nur Link es hören konnte: „Du wirst noch bereuen zu leben… kleine Made…“ Link erschrak und zuckte zurück, dachte daran, dass er schon wieder halluzinierte. Ein vertrautes, aber gehasstes Gefühl kam zurück und es erinnerte ihn daran, dass irgendetwas im Gange war. Die Lady mit den feuerroten Haaren mischte sich schließlich in das Gespräch ein. „Du kannst wohl nicht anders, als die Menschen in deiner Umgebung zu retten, was?“ Ein leichter englischer Akzent lag in ihrem Satz. Sie reichte ihm die Hand. „Ich bin Naranda Leader und neu hier. Ich leite das Antiquitätenzentrum ,Another Folk’ und wir werden hier eine kleine Zweigstelle errichten. Übrigens, der Versuch, diesen kleinen Kerl zu retten war mutig und dumm zugleich von dir.“ „Warum Versuch, ich habe ihm doch geholfen oder nicht?“ „Vielleicht… aber die Frage ist wohl für wie lange…“, nuschelte sie. Sie schob ihre Sonnenbrille wieder auf die Nase. „Wie auch immer, ich hoffe, ihr beide schaut einmal in meinem Geschäft vorbei. Bye.“ Dann hüpfe sie auf ihr Mountain-Bike und radelte weg. Sowohl Link, als auch sein Schützling sahen der geheimnisvollen Frau hinterher, es schien beinahe so, als kannten sie die Frau und als wusste sie sehr genau, wer Links Schützling war… In den nächsten Minuten eilten Link und Zelda zurück nach Hause. Sie hatten nichts mehr gesagt seit dem Vorfall, und standen schließlich vor Links Haus. Es war wirklich komisch, dass Link sich doch wahrhaft einbildete, die Augen des Kindes hätten geglüht. Aber auch dies hatte er sich wohl nur eingebildet. Es war nicht möglich, dass Augen glühten. Auch die Augen seines Onkels im Polizeipräsidium hatten geleuchtet, was Link mittlerweile nur für Einbildung hielt. Es war doch alles okay, warum sollte er sich um so etwas noch Gedanken machen? Hauptsache, es war nichts weiter passiert… Link tropfte immer noch, als er in das Haus hineintrat. Er rannte ins Badezimmer und ließ die Wanne voll laufen, drehte die Heizung auf und rannte dann in sein Zimmer. Gerade als er die Schranktür öffnete, und frische Kleidung herausnehmen wollte, fiel ihm etwas Klapperndes entgegen. ,Ach, da ist sie ja‘, sagte er zu sich. Er legte das Objekt auf den Schreibtisch, nahm sich seine Klamotten und war blitzschnell im Bad verschwunden. Zelda wunderte sich, woher er nur diese Energie nahm. Link war ernsthaft verletzt und dennoch, er bewies Tag für Tag eine erstaunliche Stärke. Zelda hätte es niemals zugegeben, aber sie war von ihm beeindruckt. Sie ging ebenfalls in sein Zimmer, fühlte sich einfach wohl hier, ließ sich auf die bequeme Ledercouch sinken, und sah etwas Glitzerndes auf dem Schreibtisch liegen. Eine wunderschöne, weiße, barocke Okarina faszinierte ihre Augen. War das denn möglich? Link besaß tatsächlich eine Okarina. Sie kannte das Instrument, wusste ganz genau, wie man es spielte und war einfach nur entzückt. Sie lächelte und murmelte „Wie schön.“ Zelda nahm das Instrument sofort zur Hand. Die Okarina war jedoch schwerer als sie dachte. Vorsichtig führte sie das Instrument an ihre Lippen und spielte einige Töne. Ihr Klang war hell, zart und vor allem rein. Zelda setzte sich auf die flauschige Decke auf Links Bett, schloss die Augen und spielte wieder. Sie spielte nichts Fassbares, nichts, das in irgendeiner Weise einen Sinn ergab oder sich zu einer Melodie formte. Sie probierte lediglich die Töne aus… und es war beruhigend für sie… angenehm und irgendwo erinnernd… Als Link in das Zimmer kam, spielte sie immer noch. Sie ließ sich von seiner Anwesenheit nicht stören. Zelda öffnete plötzlich überrascht die Augen und bemerkte, dass Link neben ihr saß. „Wow. Du kannst dieses Instrument wirklich spielen. Toll!“ „Kannst du es denn nicht?“ „Nein, ich bin unmusikalisch.“ Zelda schüttelte den Kopf und reichte sie ihm, als sie aber einen unbeholfenen jungen Mann dabei beobachtete, wie er sich trottelig anstellte. Er hatte Recht damit unmusikalisch zu sein, er selbst versagte schon, als er die Okarina in seine Hände nahm. Wie denn nun, so rum oder etwa so. In Links Gedankengängen entstanden Fragezeichen… Zelda kicherte. „Sehr komisch…“, sagte Link. „Dabei dachte ich wirklich, du könntest das.“ „Du hältst mich wohl für übermenschlich.“ „Nein, für etwas Besonderes.“ Dem konnte Link nichts hinzusetzen. Er nahm die Okarina wieder in seine Hände. Doch jetzt gab es unerwartet einen Grund sie gleich wieder fallen zu lassen. Zelda setzte sich im Schneidersitz hinter ihn, schlang ihre Arme um ihn, berührte seine Hände, in denen sich die Okarina befand. „So“, meinte sie. Und half ihm das Instrument in korrekterweise zu halten. Sie legte ihre Fingerspitzen auf seine. Vier Hände spielten ein Instrument, das für zwei gedacht war. Sie schlossen beide die Augen. Die Töne nahmen jetzt eine sanfte, traurige Melodie an… eine Melodie der Erinnerung, sie lebte in der Erinnerung und würde es immer tun. Nach einigen Minuten lösten sich Zeldas Hände von seinen und Link spielte allein. Tatsächlich, er konnte es. Ja, sogar richtig gut. Diese Melodie rüttelte in Zelda etwas lange Vergessenes wach. Sie erinnerte sich, wie oft hatte sie jene Klänge schon gehört und selbst gespielt. Diese Melodie… Außerhalb leuchteten die Straßenlaternen schon, und der Mond stand weit am Himmel. Dunkelheit kroch in Links Zimmer umher. Link beendete sein Spiel, ein wenig verwirrt, über sein eigenes Talent im Okarina spielen, ein wenig durcheinander, da Zelda immer noch hinter ihm saß und sich an ihn gelehnt hatte. Schlief sie etwa? Das Gefühl in Zeldas Nähe zu sein, war so vertraut, ihr Körper an seinen gelehnt, so wohltuend. Er blieb noch einige Minuten sitzen, als er sie plötzlich leise schluchzen hörte. Weinte sie etwa? Er drehte sich langsam um. Auch Link kannte diese Melodie von irgendwo her, auch war es jene Melodie, die Zelda heute Morgen gesungen hatte. Ihr Klang bohrte sich ins Herz hinein. „Zelda…“ Link konnte in der Dunkelheit nur ihre Umrisse erkennen, vielleicht lag es daran, dass er sich traute, sie in seine Arme zu nehmen. Er wollte ihr die ganze Zeit schon so nahe sein, sie beschützen und nun tat er es einfach. „Weißt du, ich habe dich nur im Wald finden können, weil du nach mir gerufen hast…“ Er berührte ihre rechte Wange und fühlte, dass da Tränen waren. „Weine nicht mehr.“ Sie schluchzte bitter, wollte sich verbieten sich so gehen zu lassen, als aber das Bedürfnis sich fallen zu lassen, siegte. Sie schloss die Augen, wischte sich die Tränen weg und wollte sich noch rechtfertigen… Aber der Gott des Schlafes war stärker- Zelda schlief in Links Armen ein. Kapitel 10: Ilena ----------------- Am nächsten Morgen war Link der erste, der durch sanfte Sonnenstrahlen, die in die Wohnstube fielen, aus seinem Schlummer geweckt wurde. Er hatte die Nacht in der Wohnstube verbracht, nachdem sein Gast erschöpft und durcheinander in seinem Bett eingeschlafen war… Für einen kurzen Augenblick, gerade als er sich noch nicht vollkommen sortiert hatte, war da der innige Wunsch sofort nach ihr zu schauen, sich sicher zu sein, dass sie überhaupt noch da war und er sich die letzten Tage nicht eingebildet hatte. Er richtete sich auf, spürte glücklicherweise keine Schmerzen der hässlichen Wunde am Bauch und blickte verschlafen und gähnend drein. Er blinzelte, schaute dann verwundert auf die große Standuhr, die im Wohnzimmer stand und war überrascht, dass es noch so früh war. Kurz nach neun. Und er hatte einfach himmlisch geschlafen, selbst auf der Couch im Wohnzimmer. Schon seit den letzten Tagen hatte sich der Nachtschlaf gebessert… und die nervenden Albträume schienen mit dem Mädchen, das er gesucht hatte, verschwunden zu sein. Genüsslich erhob er sich vollständig, streckte sich vorsichtig und tapste leise die Treppenstufen zu seinem Zimmer hinauf. Als ob sie ihn erneut rief, ließ ihn der Gedanke an sie nicht los. Und vielleicht war auch dies der Grund, warum er zunächst nach ihrem Befinden schauen wollte. Ihr Zustand gestern Abend beunruhigte ihn etwas. Er erinnerte sich, dass sie völlig neben sich gestanden war, geweint hatte und so labil, wie sie war, sich gehen lassen hatte. Vielleicht, so entschied der junge Mann, waren die letzten Tage doch zu viel für sie. Er konnte sich kaum vorstellen, wie es für sie sein musste, in einem fremden Haus, bei fremden Menschen zu wohnen, nicht zu wissen, wer sie war. Ganz vorsichtig öffnete er die Tür in sein Zimmer. Und kein Laut drang von dort heraus. Es war etwas düster, was daran lag, dass Link die grünen Gardinen gestern zugeschoben hatte. Dann wanderten seine tiefblauen Augen zu dem Bett und er war erleichtert, dass Zelda tatsächlich darin schlief. Erst dann trat er ein, schloss langsam die nussbraune Zimmertür und trat näher zu ihrer ruhenden Form. Und dort in der düsteren Stille seines Zimmers waren es nur seine tiefblauen Augen, die leuchteten. Für Augenblicke schillerten sie schwermütig, schimmerten wie ein kühles, unbeherrschbares Meer, das stark und mächtig an Küsten schlug. Trostlosigkeit… aber auch Milde und Hoffnung leuchteten dort in seinen Augen, während er sie beobachtete. Sie lag beinahe erstarrt in der weißen Bettwäsche, auf ihrem Rücken, und hatte ihre Hände ineinander gefaltet als wollte sie beten. Beten für das, was noch bevorstand, beten für die Welt, die sie nicht kannte. Ihre Reinheit… und Schönheit… ihr Schicksal… hüllten sie gerade in dem Moment in einen fernen und doch grausamen Zauber. Und dieser Zauber war nicht erfüllend, noch tröstend. So wie sie gerade wirkte, in ihrer edlen Haltung, mit diesem Bewusstsein für Verantwortung und Pflicht, konnte Link spüren, dass sie nicht geboren wurde für Glück und Sorglosigkeit. Es war sie… sie, die auf ewig an etwas gebunden war, das folternder nicht sein konnte. Deswegen hatte sie gestern geweint, nicht weil sie schwach war, auch nicht für Mitleid und Aufmerksamkeit von ihm… der Auslöser ihrer Tränen war das schmerzhafte Rufen einer göttlichen Bestimmung. „Es tut mir leid… Zelda… es tut mir so leid…“, sprach er. Seine Stimme nur ein ungewollter Klang aus einer anderen Zeit. Er kniete nieder, nicht er selbst, vielleicht verzaubert, umschmeichelt von Magie, die ihn in etwas verwandelte, dass er immer sein wollte. Er berührte mit seinen warmen Fingerspitzen ihre Stirn, streichelte über ihre Augenlider, dann ihre zartrosa Wangen. „Ich verspreche dir… bei allem, was einst war, ich sorge dafür, dass du glücklich wirst… nichts wird jemals wieder verblassen…“ Als sein Flüstern endete, und die edle Seele in seinem Körper sich zurückzog, drückte er noch ganz sanft einen Kuss auf ihre zu ihm gewandte Wange, feinfühlig und hingebungsvoll. Dann trat er zögerlich, etwas verwirrt, aus dem Raum und ließ das schlafende Mädchen noch etwas ruhen… Als Zelda am Mittwochmorgen durch Vogelgezwitscher, das erhellend in den Raum drang, aufwachte, war es bereits Mittag. Ihre himmelblauen Augen huschten verunsichert umher, auf der Suche nach etwas Fassbarem, etwas, das sie verstehen konnte. Sie blinzelte, und als ihre Erinnerungen wieder kamen, Erinnerungen daran, wo sie war und was gestern Abend geschehen war, zog sie sich schämend die Decke über ihren Kopf. Sie lag in Links Bett, das wusste sie jetzt, nachdem sie gestern am Rande eines Nervenzusammenbruchs war. Sie war sich nicht sicher, was sie im Augenblick fühlen sollte. Scham? Weil Link sie gestern in ihrem Kummer aufgefangen hatte? Angst? Weil sie nicht wusste, was durch die Okarinamelodie in ihr hochgekocht war. Oder sollte sie den Gedanken, dass Link da war… genießen… Sie seufzte, erhob sich dann und warf einen Blick auf die Uhr, verdrehte ihre Augäpfel und dachte schon, sie hätte sich verschaut. Es war mittlerweile nach Zwölf Uhr… was bedeutete, dass sie mehr als zwölf Stunden geschlafen hatte. Sie brütete über gestern Abend, glaubte, der Erinnerung so nahe gewesen zu sein, mit jener Melodie, die im Herzen erklang. Aber kaum etwas kehrte wieder- nur ein Bild von ihr, wie sie in ihr fremden, magischen Wäldern wandelte, dort die Bäume flüstern hörte, und eine Okarina in der Hand hielt. Sie sah selbst nur ihre Schritte, ausgelöst durch dunkelbraune Lederstiefel, und das Ende eines langen, samtenen Kleides. Dann war dieses Bild wieder weg, und sie wusste nicht einmal mehr genau, wie jener Wald aussah… Sie kuschelte sich noch ein wenig unter die Decke, versuchte die unangenehmen Gefühle und Gedanken wegzuschieben und bemühte sich zu lächeln. ,Das konnte sie gut‘, dachte sie. Lächeln, wenn es doch nichts zu lächeln gab. Sie erhob sich endlich, zog aber die flauschige Decke noch ein wenig zu sich heran, schloss die Augen und träumte vor sich hin. Sie schwelgte in ihren geheimen Phantasien, bis sie murmelte: „Nein, ich stehe nicht auf, Im…“ Mit einem Schlag überlegte sie, was sie denn gerade hatte sagen wollen. Ein Name, ja ein Name, aber von wem? Sie war sich sicher, dass sie sich vor irgendjemandem rechtfertigen wollte, dass es jemanden gab, der sie immer sehr früh geweckt hatte. Aber wer? Etwas beunruhigt, sah Zelda sehr schnell ein, dass allmählich doch einige Erinnerungsfetzen zurückkehrten… und dagegen, auch wenn sie spürte, dass es weh tat, konnte sie sich nicht wehren. Plötzlich stieg ihr ein leckerer Geruch in die Nase und sie stand letztendlich noch auf. Sie quälte sich aus dem Bett heraus und folgte dem Duft. Er kam aus der Küche. Und ein junger Mann stand vor dem Herd, wirkte irgendwie lustig mit einer grässlichen Küchenschürze über seinem grünen T-Shirt. Aber dennoch war sie überrascht. ,War das denn zu fassen‘, dachte sie, Link kochte! Als er am Herd stand, summte er, sodass Zelda lachen musste. Lächelnd drehte er seinen Kopf zu ihr und sagte: „Nicht Lachen, das ist wirklich das Einzige, was ich kochen kann, außer Pudding natürlich.“ Er freute sich, dass sie auf den Beinen war und anscheinend gut gelaunt. „Soso, dafür riecht es aber sehr gut.“ Zelda schaute ihm über die Schulter, bewunderte diese eigentümlichen langen Stäbe, die er zum Kochen brachte. „Guten Morgen erst einmal…“, sagte Link dann und erhielt erneut ein Lächeln und ebenso eine Morgenbegrüßung. Zelda schaute noch einmal bewundernd in den großen Topf für die Nudeln und den kleineren mit der ketchuproten Soße. Sie schnupperte daran und grinste. Sie war seit gestern wie ausgewechselt. Link war dennoch ein wenig beunruhigt, ob mit ihr tatsächlich alles in Ordnung war und blickte sie eine Weile durchdringend an. „Kannst du dich seit gestern an irgendetwas erinnern?“ „Nein, ich glaubte zwar zuerst, die Erinnerungen kämen zurück, aber der Anflug erstarb.“ „Na dann.“ Link gab sich damit zufrieden, wollte sie nicht weiter belasten und ließ das Thema ruhen. Er drehte sich vollständig zu ihr um und meinte: „Wollen wir heute irgendetwas unternehmen. Die Geschäfte sind geöffnet. Also, wenn du Lust und Zeit hast, können wir ja in die Stadt gehen?“ „Ja, sehr gerne.“ Plötzlich klingelte es an der Haustür. „Warte ich öffne sie. Kannst du mal nach der Soße sehen?“ Ehe Zelda ja sagen konnte, war Link schon auf dem Sprint zur Tür. Zuerst lugte er durch den Türspäher, dann erkannte er die Person dahinter und öffnete. Es war der fünfundvierzigjährige Postbote Kornelius mit dem roten Pulli, auf dessen Vorderseite ein hässliches, kindisches Motiv eines Hasen zu sehen war. Link kannte den Typen deshalb, weil er selbst eine zeitlang hin und wieder Zeitungen, Werbung und anderen Kram austrug um sein Taschengeld aufzubessern. „Hallo“, meinte Link. „Morgen. Die Post ist da.“ Und der magere Mann reichte dem verdutzten Link einige Briefe und ein großes Paket. Nach einer Unterschrift, dass Link jenen Karton an sich genommen hatte, verschwand der Typ in Windeseile. Link schaute die Briefe durch und fand einen ohne Absender. ,Komisch‘, dachte Link und schüttelte den Briefumschlag kurz, um zu testen, das auch ja nichts verdächtiges dran war. Ungeduldig öffnete er das Schreiben, und entfaltete ein Blatt Papier, wo eine feine Handschrift einige Sätze geschrieben hatte. Der Brief war an ihn adressiert und eine Warnung stand in den Sätzen. Ein ausdrücklicher Hinweis, dass er von jetzt an sehr, sehr vorsichtig sein sollte. ,Dinge werden geschehen, die mit dem Schicksal deiner Seele zu tun haben.’ Zweimal musste Link diesen Satz durchlesen, um ihn überhaupt ansatzweise zu verstehen. Er überflog den gesamten Brief ein drittes Mal, vergewisserte sich, dass tatsächlich er gemeint war und blieb in seine Gedanken versunken im unbeleuchteten Korridor des Hauses stehen. Es war soweit. Jetzt gab es für Link kein Zurück mehr und die Gelegenheit, zu beweisen, was in ihm steckte, zu zeigen, was in ihm schlummerte. Alle Antworten waren nun so nah, dass Link lediglich zugreifen musste. Das Schicksal nahm seinen unbestrittenen Lauf, nun auch in dieser Welt. Link stellte das große Paket vor Mutters Schlafzimmertür und ahnte, dass sich darin eine teure Vase befand. Eine Leidenschaft Meiras, denn jede Vase, die nur ansatzweise zu gebrauchen war, gehörte in ihren Haushalt. Dann las er den Brief ein weiteres Mal und kam sich dämlich vor bei dem Gedanken, dass er diesen Stuss ansatzweise geglaubt hatte. ,Das musste lediglich ein makaberer Scherz sein, ein sehr dummer Scherz‘, entschied er. Der Brief landete im Papierkorb und Link tapste wieder in die Küche, wo Zelda mühevoll vor dem Herd stand und ungeschickt versuchte, das übergekochte Wasser aus dem Spaghettitopf wegzuwischen. Sie grinste unschuldig und machte Link schöne Augen, als er das verteilte Salzwasser beäugte. „Äh…“, sagte sie, „mir ist das Wasser übergekocht… entschuldige.“ Link lachte daraufhin. „Passiert ist passiert. Deshalb brauchst du dich nicht entschuldigen.“ Er trat näher und wischte mit einem Lappen über das Kochfeld. „Ich glaube, für den Haushalt bist du einfach nicht geschaffen“, setzte er hinzu und kramte gleichzeitig zwei dunkelblaue Pastateller aus einem Küchenschrank. Sie setzte sich geistesabwesend auf die Eckbank und stützte den Kopf auf ihren Armen ab, die sie einfach auf den Tisch gelegt hatte. Für einige Sekunden schloss sie ihre Augen und träumte vor sich hin. Da war ein Gedanke… Es stimmte, sie war nie für den Haushalt zuständig gewesen. Derartige Dinge hatte sie nie getan, es war ihr sogar untersagt, sich mit solchen einfachen, niederen Arbeiten abzugeben. Eine heimliche Erinnerung, die das Gefühl des Verlorenen neu entfachte. Sie wusste es, sie verstand… Links Stimme riss sie aus ihrem Gedankenspaziergang, als er in ihr Ohr flüsterte: „Schläfst du?“ Sie schreckte hoch und stieß fluchend mit seinem Kopf zusammen. „Das tat weh“, sagte Link und rieb sich seinen glücklicherweise harten Schädel. Auch Zelda strich sich über ihren Kopf und suchte nach der Beule. „Du hast gut reden… mein Kopf ist wohl nicht so belastbar“, murmelte sie. Aber ein Lächeln huschte ihr über das Gesicht, als Link zu lachen begann. „Soll ich dir mit dem Besteck helfen?“ Er schüttelte den Kopf. „Quark, bleib’ sitzen. Ich decke den Tisch.“ Doch wieder war da dieses Gefühl… sie hatte noch nie einen Tisch gedeckt, zumindest sagte ihr sechster Sinn das. Ihre Augen beobachteten jeden Schritt, den Link tat und sie war so dankbar, dass er hier war, obwohl er ein Fremder war, obwohl sie ihn nur seit drei Tagen kannte. Link suchte Besteck, legte es neben die Teller, welche schon auf dem Tisch standen und verschwand dann im Keller. Geschwind kam er wieder, hatte eine Flasche Orangensaft in der Hand und stellte diese zusätzlich auf den Tisch. Dann streckte er sich und kramte nach zwei Gläsern aus dem obersten Fach des Schrankes. Zelda starrte ihn währenddessen an, musterte seinen schlanken Körper und jede Bewegung, die er machte. Ja, er war unheimlich attraktiv. Aber aus irgendeinem Grund wollte sie das nicht sehen, als ob ihr jemand verboten hätte, ansehnliche Menschen genauer zu betrachten. Verlegen wanderten ihre Augen in die andere Ecke des Zimmers, auf der Suche nach einer weiteren Beschäftigung, als seinen Körper zu bewundern. Ob er eine Freundin hatte? Sicherlich, dachte sie… Lächelnd nahm er ihr gegenüber auf einem Stuhl Platz und belud die Teller mit den Spaghetti. „Viel oder wenig Soße?“ „Ruhig etwas mehr“, entgegnete sie und sah weiter zu, wie er ihr jeden Handgriff abnahm. ,Bei Nayru‘, es war so vertraut. Diese Situation zwischen ihnen, als ob sie seit Jahren zusammen aßen. Sie blickte lächelnd in seine tiefblauen Augen, die hypnotisieren konnten. Eine reine, dunkle Farbe, nicht verwaschen oder blass und sie mochte diese Farbe, sie stellte sich vor, darin zu versinken. „Schmeckt’ s denn?“, fragte Link neugierig und stopfte sich eine riesige Portion Nudeln in den Mund. „Echt lecker“, sagte sie und grinste angesichts seiner unmöglichen Tischmanieren. Aber sie war nicht überrascht, als wüsste sie über seine Fähigkeit die Funktionen von Messer und Gabel in Frage zu stellen, sehr gut Bescheid. Er grinste ebenfalls auf seine hinterhältige, dämliche Art und Weise und wich dann ihrem aufmerksamen Blick aus. Erst jetzt bemerkte sie den silbernen Ohrring in seinem linken Ohrläppchen. Ohne Nachzudenken oder sich selbst bewusst, was sie tat, beugte sie sich über den Tisch und berührte diesen runden silbernen Ring. Link zuckte zurück und sah sie überrascht an. „Was ist?“, meinte er. „Äh…“, sagte sie verlegen, „… mich hat dein Ohrring interessiert.“ „Ach der…“, und er berührte selbst das Stückchen Silber. „… Sara hat mir dieses Ding zu meinem sechzehnten Geburtstag geschenkt, wahrscheinlich, weil sie keine Ahnung hatte, was ich gebrauchen könnte und… na ja… sie hat darauf bestanden, dass ich dieses Ding trage.“ „Es steht dir…“, sagte Zelda und trank einen Schluck des Saftes. „Ich weiß…“, bemerkte er noch und leerte seinen Teller. Zelda stand mit einmal auf. Torkelnd lief sie zum weißumrahmten Küchenfenster und hielt sich an der rauen Fensterbank fest. Tief ausatmend schaute sie hinaus durch das durchsichtige Glas und fühlte ein Ziepen in ihrem Magen, dann ein Trommeln in ihrem Kopf. Die Welt außerhalb veränderte sich für ihre Augen in dem Bruchteil einer Sekunde. Farben verschwanden, Grautöne verschmolzen mit dem Gefühl der Unwirklichkeit vor ihren eigenen Sinnen und die Gewissheit über die schöpferische Fähigkeit, hinter Dinge zu sehen, steigerte die Wahrnehmung für das Unleugbare ins Endlose. Fast schmerzhaft sanken ihre Augenlider nieder und das Brennen in ihrem Kopf erstickte gewaltsam ihre restlichen Sinneseindrücke. Sie wand ihr schattenhaftes Gesichtsfeld vom Fenster ab und suchte nach Link in einem mit schillernden Farben ausgefüllten Raum, den sie nicht mehr als Küche wahrnahm. Er lief auf sie zu und bewegte seine Lippen langsam, als wollte er ihren wirklichen Namen sagen, sie fragen, was los sei, aber sie hörte ihn nicht. Er lief auf sie zu und Zelda erschien es, als bräuchte er Stunden für diesen Weg, als beständen Sekunden für sie aus mehreren Stunden. Es knisterte in ihren Gedanken und ruckartig kamen Bilder der weitzurückliegenden Vergangenheit, Bilder voller Leben und doch dem Tode geweiht. Ein stechender Druck hinter ihren Augen und die Bilder wurden zahlreicher, kurz und bedrohlich strömten sie auf ihr Inneres ein, nahmen Energie, raubten Unschuld. Sie wollte schreien, sie wollte weinen und bat diese fremde Macht, sie möge jene Bilder stoppen, möge den Alptraum beenden, in dem sie gefangen war. Laut aufkreischend warf sie sich mit dem Rücken an die Wand, wollte nicht sehen, wollte die Erinnerung als solche nicht akzeptieren. Bilder von Toten, durch erbitterte Schlachten auf grünen Wiesen gestorben. Blut über den grünen Hügeln, Angst in den weitaufgerissenen, glasigen Augen der toten Krieger. Angst vor dem wahren Gesicht des Bösen… Link war von seinem Platz aufgesprungen und packte Zelda an ihren Oberarmen. Ihre Augen waren leer, ihre Haut eiskalt. Sie zitterte und schrie plötzlich hysterisch auf. „Zelda!“, fauchte er sie an, rüttelte sie vorsichtig und wusste nicht, was hier geschah, beobachtete geschockt, wie Zelda mit einmal anfing zu weinen. Sie redete wirres Zeug, verwechselte die Wortstellung, sagte Wörter, die in seiner Sprache nicht existierten und gab schließlich ihren zitternden Knien nach. Sie wurde ohnmächtig und fiel mit dem Kopf vornüber, direkt an Links Schulter. Er nahm ihren zierlichen Körper auf seine Arme und trug sie auf die cremefarbene Couch in der gemütlichen, warmen Stube. Er gab ihr leichte Hiebe auf die schwachrosa Wangen und sagte energisch ihren Namen, bat sie, ihre Augen wieder zu öffnen. Aber sie rührte sich nicht und blieb weiterhin bewusstlos. Auch als Link ein feuchtes Tuch auf ihre Stirn legte und sie mit der erstbesten Decke zudeckte, reagierte sie nicht. Besorgt blieb Link einige Minuten neben dem Sofa hocken und sah ihr zu. ,Was tun‘, fragte er sich… Aber Link wäre nicht Link, wenn er keine Idee hatte. Wenige Minuten später hüpfte er in sein Zimmer und kam mit seiner weißen Okarina zurück. Sanfte, dumpfe Töne erklangen in dem Raum, lösten den Bann angstvoller Erinnerungen, besänftigten und streichelten die Sinne mit beruhigenden Lauten. Link versank halb in seinem Spiel, schloss die Augen und lehnte sich zurück. Er bemerkte nicht das leichte Zucken Zeldas, als sie die sanften Flötentöne vernahm, sah nicht das Blinzeln ihrer Augen und den verwunderten Ausdruck auf dem edlen Gesicht, als sie das Tuch auf ihrer Stirn bemerkte oder die Melodie der Flöte erkannte. Zelda richtete sich auf, wusste nicht, was vor wenigen Minuten passiert war und genoss das Spiel der Okarina. Ein wenig lächelnd ließ sie ihre Beine von der Couch baumeln und strahlte Link entgegen, der so in seiner Melodie gefangen war, dass er immer weiter spielte. Links Augen öffneten sich und abrupt stoppte er das Musizieren, setzte sich zu Zelda auf das Sofa und blickte sie mit seinem sorgenvollen, ernsten Blick an. Dieser Ausdruck verriet, sagte zu viel und Zelda ahnte, obwohl sie nicht erinnerte. „Was ist passiert, Link?“, meinte sie, in einer normalen Stimme, mit normalen Worten. „Du bist in der Küche zusammengebrochen und…“ Sie verzog unverständlich ihr Gesicht, wollte es nicht wahrhaben. „… ich wollte von dir wissen, was passiert ist“, ergänzte Link. „Das kann ich dir aber nicht sagen. Verzeih’ aber ich kann es dir nicht sagen, weil ich nicht weiß, was ich tat…“ „Du hast keinen blassen Schimmer?“ Sie zuckte ratlos mit den Schultern und sah in das tiefe Blau seiner Augen. „Habe ich dir Sorgen bereitet?“, murmelte sie. „Ja, ich wusste nicht, was ich tun sollte…“ „Du hast Okarina gespielt…“ „Es hat dich aufgeweckt und…“ Gott, er kam sich so belämmert vor, wusste nicht, was er sagen sollte, wollte ihr nicht sagen, wie verstört sie vor wenigen Minuten reagierte, bevor die Bewusstlosigkeit sie überwältigte. Zärtlich nahm er ihre Hände in seine, streichelte die samtene Haut ihrer Handrücken. Sein Blick verlor sich darauf, vielleicht, weil er gerade jetzt nicht aufrichtig in ihre Augen sehen konnte. „Jage mir bitte nicht noch einmal so einen Schrecken ein, Zelda. Ich hatte… Angst um dich“, murmelte er vorsichtig, kaum sich selbst begreifend, denn noch nie hatte Link derartige Worte zu irgendjemandem gesagt. „Um… mich“, wiederholte sie, begriff den Sinn dieser Worte nur schwerfällig, als gab es niemals jemanden, der Angst um sie und nicht Angst vor ihr verspürte. Vielleicht machte sie gerades das so anders, jene Einbildung, andere könnten Angst vor ihr haben und deshalb vor ihrem doch übernatürlich schönen Erscheinungsbild weglaufen. „Ist das ein Fehler…“ „Wohl dein größter Fehler…“, murmelte sie und stand auf. Erneut ein Beweis für dieses trügerische Gesicht, das sie trug. Erneut eine Bestätigung für das unbezweifelbare Gefühl, sie gehörte nicht hierher, sie unterschied sich von den Menschen in vieler Hinsicht, sie brächte Gefahr diesem jungen, liebevollen Menschen neben ihr, dieser anderen, möglicherweise besseren Welt. Die Erkenntnis, etwas stimmte nicht mit ihr- sowohl in ihrer Seele lag dieses Wissen, diese trügerische Weisheit, welche sich nur im ersten Augenblick von der beschmutzten Macht eines Teufels abhob- als auch in ihren Handlungen, Entscheidungen. „Ich habe Harfe gespielt…“, sagte sie, als eine erste Erinnerung, wollte die Schattenseiten des Gedächtnisses überspielen, vergessen… „Was, du meinst, du hast früher Harfe gespielt?“ „Ja… wenn ich schlafen gehe, da überkommt mich so ein Gefühl für die Saiten jenes Instrumentes und ich stelle mir vor zu spielen und dann sehe ich mich selbst in einem kleinen runden Raum, wo nur diese Harfe steht. Überall strahlt Licht in jenen Raum, eines Turmes, so nehme ich an, und ich sitze davor und spiele eine Melodie…“ „Das freut mich für dich…“, sagte Link mit seiner beruhigenden, angenehmen Stimme und stand jetzt direkt hinter ihr. Er wollte sie berühren, überlegte aber gleichzeitig, ob er überhaupt das Recht dazu besaß. „Ich kann nichts für meine Ungewöhnlichkeit, bitte sieh’ mich deswegen nicht mit anderen Augen…“, murmelte sie schwach, stockend und wurde in ihren Worten immer leiser. „Bitte…“, bekräftigte sie und wand ihren Kopf schräg zur Seite. Sie fühlte seine Unsicherheit, seine zunehmende Nervosität, aber auch die ehrliche Anteilnahme. Link lief um sie herum, sah sie tiefgehend an und flüsterte aufheiternd: „Ungewöhnlicher als ich kannst du gar nicht sein, Zelda… Ich werde dich immer mit den gleichen Augen sehen…“ „Du schaffst es immer wieder jemanden zum Lächeln zu bringen…“ „Jep. Eine tolle Gabe, nicht wahr?“ „Besser als jegliche anderen…“ „Oh… heißt das, ich besitze noch mehr umwerfende Gaben?“, meinte er und grinste ein wenig. Er nahm einen Schluck einer Wasserflasche, die neben dem Sofa stand. „Du hast sie nur noch nicht herausgefunden oder wahrhaben wollen…“, erwiderte sie eine Spur ernster. „Genauso wie du selbst, Zelda.“ Sie stimmte zu: „Genauso wie ich…“ Und die Erkenntnis rief ihr zu, wie stark die Fäden ihrer beiden Schicksale doch ineinander verwirbelt waren… Er reichte ihr die Flasche und hastig trank sie davon, half ihrer trockenen Zunge. In dem Augenblick schlich Link um sie herum, musterte ihren schlanken Körper. Sie trug immer noch die Kleidung von Sara. „Weißt du Zelda, ich bin ja wirklich kein Freund von langen Einkäufen in irgendwelchen Modegeschäften, aber ich denke, du brauchst ein paar Klamotten.“ Sie blickte ihn mit großen Augen an. „Aber wie soll ich das denn…“ Er unterbrach sie: „Ich leihe dir das Geld, ganz einfach. Auf meinem Sparbuch ist noch so einiges.“ Sie wollte ihm wiedersprechen und meinte: „Und was, wenn ich mir das einfach nicht leisten kann?“ „Dann verkaufen wir deine Tiara, die ist sicherlich ein Vermögen wert und wenn nicht, dann kannst du mir das Geld in Raten zurückgeben. Ich verlange auch keine Zinsen“, sagte er grinsend. Mit Hilfe von Links überwältigendem Charme war Zelda überzeugt. „Danke, Link.“ „Es ist okay. Also, wie sieht’s aus? Hast du heute noch Lust irgendwohin zu gehen, wenn nicht, dann verstehe ich das und wir machen es uns hier gemütlich.“ Sie schüttelte mit dem Kopf und nahm sich den Arm, den er ihr anbot. „Also dann, Mademoiselle, könnten wir losgehen.“ Aber da kam ihm noch eine Idee. Tante Lydia, die Mutter seines Cousins, war Geschäftsführerin in einem größeren Modegeschäft, wo sie sicherlich einige Kleidung für Zelda finden konnten. Und es wäre wohl die Gelegenheit Lydia und Onkel Jonas, wo beide ja ab und an nach ihnen sehen sollten, zu informieren, dass es ihnen gut ging. Sicherlich hatte Links Mutter Meira bereits getratscht wie eine kaputte Schallplatte, aber besser Link und Zelda statteten Lydia einen Besuch ab. „Da fällt mir noch etwas ein, ich melde mich kurz bei meiner Tante und informiere sie, dass wir in ihrem Geschäft vorbeischauen“, erklärte er und stand mit einem Sprung neben dem Telefonhörer und diskutierte mit seiner Tante. Ein wenig später liefen die beiden Jugendlichen in Richtung Stadtzentrum bis sie vor dem riesigen, mehrstöckigen Modegeschäft standen. „Los geht’s“, sagte Link und packte Zelda an der Hand und schleifte sie in das Innere des Gebäudes. Zelda blickte sich erstaunt um, sah Unmengen von Kleiderständern mit farbenfrohen, sommerlichen Jacken, Tische mit Jeanshosen in allen Varianten und Farben, entdeckte hier und da Kleiderbügel mit modischen Blusen, T-Shirts, Mänteln und anderen Dingen. In langsamen Schritten folgte sie Link, der auf eine Rolltreppe zu steuerte. Er drehte seinen Kopf zu ihr und sagte: „Ich würde sagen, wir fangen mit der Unterwäsche und dem Schlafanzug an.“ Sie lief nur unsicher hinter ihm her, sich bei der großen Auswahl fragend, wer solche Dinge überhaupt brauchte und ob diese denn tatsächlich in einen Kleiderschrank gehörten. Sie erreichten das oberste Abteil und schnurstracks wendete sich Link zu der sicherlich hübschen Dame, die hinter der Ladentheke stand. Eine braunhaarige Frau mit einem schicken dunklen Overall. Sie regelte irgendeinen Papierkram und begrüßte Link schließlich auf eine auffallend vertraute Art und Weise und blickte zu Zelda, die sich mehr und mehr beobachtet fühlte. Viele Leute befanden sich in dem Geschäft und stöberten in den Sachen herum und einige, vor allem Gleichaltrige, bemerkten Zelda im Vorübergehen. Einige schauten höflich weg, andere starrten sie an, als käme sie vom Mars. Die Dame an der Kasse lief dann mit Link in Zeldas Richtung. Mit einem netten „Hallo“, begrüßte die Frau das augenscheinlich siebzehnjährige Mädchen, welches Link im Wald gefunden hatte. „Zelda, darf’ ich vorstellen, das ist meine Tante Lydia, die Mutter meines Cousins. Sie wird dir helfen, passende Sachen zu finden, da ich von Mode leider keinen blassen Schimmer habe.“ Zelda nickte dankend. „Wenn irgendetwas ist, ich bin dort drüben.“ Und er zeigte auf eine rote Couch, die in der Nähe der Ladenkasse stand. „Ist das okay für dich?“ Sie nickte. Wie oft sollte sie ihm denn noch für seine Hilfsbereitschaft danken? „Ach… ja, noch etwas. Wenn du jemanden brauchst, der die Kleidung an dir beurteilen soll, dann komm’ einfach rüber. Ich warte so lange.“ Link lief langsam zu der Couch und warf ihr noch etwas hinterher: „Nimm’ dir so viel Zeit, wie du brauchst, wir haben doch sowieso nichts vor.“ Mit einem Grinsen machte er es sich, unbeachtet der empörten Gesichter einiger Leute, auf dem Sofa bequem und legte frech seine Straßenschuhe auf die Polsterung. Mit einem Schmunzeln widmete sich Zelda dann der Frau, die aufmerksam ihre Größe und Figur einschätzte. „Also, Zelda, Link hat mir erzählt, du bräuchtest ein neues Outfit.“ Die Lady hatte eine schöne Stimme, auffallend beruhigend und einfühlsam. Zelda nickte. „Meira hat mir schon alles erzählt. Es ist eine ungewöhnliche Situation im Augenblick. Ich hoffe, dein Gedächtnis kommt wieder und du kannst zurück nach Hause.“ Etwas verwundert sah Zelda auf. Diese Worte… Zuhause, das klang so schön. Aber gab es dieses Zuhause denn wirklich? „Nun ja“, fing Zelda an, wollte die Situation etwas überspielen. „Solange werde ich Link wohl nicht auf die Nerven fallen, hoffe ich.“ Die Dame mit den rehbraunen Augen sah Zelda durchdringend an: „Ich will dich ja nicht ausfragen, aber neugierig wird man ja wohl sein dürfen…“ Zelda lächelte, aber mied die Augen der fremden Dame. „Aber egal, ich würde sagen, wir suchen erst einmal passende Unterbekleidung für dich, dürfte bei deinen perfekten Maßen ja nicht schwer sein…“ Zelda folgte der etwa vierzigjährigen Frau durch die Kleiderständer, Ablageflächen, vorbei an leblosen Schaufensterpuppen. Sie erreichten eine Ecke, in der allerlei Kleidung für drunter, Bade- und Morgenmäntel wie auch Dessous hingen. Zerstreut schaute Zelda von einem Objekt zum anderen und fühlte wieder dieses Unbehagen. So fremd war der Anblick des Modegeschäftes mit seinen Leuten, den ganzen aktuellen Klamotten… Im Handumdrehen hatte Lydia einige Dessous, drei Nachtgewänder, einen schönen roten Pyjama, einen Stapel Strümpfe und allerlei anderen Kram auf ihren Armen. „Da drüben sind Umkleidekabinen“, sagte sie und reichte der überforderten Zelda den Stapel. Seufzend schlenderte das hübsche Mädchen in die Kabine und tat sich vielleicht ein wenig zu schwer bei der Anprobe. Nach vielen Begutachtungen Lydias und sie klatschte, wann immer Zelda irgendetwas der kompletten Sammlung passte, war dieses Thema vom Tisch. Ein Berg von Kleidung ruhte auf dem Tisch der Ladenkasse und Link, der nur einen kleinen Blick riskierte, wusste, diese Dinge, würden bei seinem Sparbuch Ebbe verursachen… und es war erst der Anfang… Lydia schien nun in ihrem Element zu sein. Zahlreiche Jacken, Hosen, Pullover und andere Dinge musste Zelda an ihrem modelgleichen Körper vorzeigen, nur um das nächste Modeobjekt anzuprobieren und so verging die Zeit. Über eine Stunde war verstrichen und Link war auf dem Sofa fast eingeschlafen. Er streckte sich und blickte hinüber zu Zelda, die wieder grinsend einen Stapel T-Shirts in den Händen hatte und damit in einer Umkleide verschwand. Laut ausatmend lehnte er sich zurück und dachte darüber nach, was er doch alles für Zelda tun würde, obwohl er sie nicht kennen konnte, obwohl sie eine Unbekannte war. Diese Gefühle der Zuneigung… ob diese überhaupt richtig waren? Könnte es ein Fehler sein, sich so sehr auf ein Mädchen einzulassen, dessen Namen Link nicht wirklich kannte? Dann spürte er plötzlich zwei Hände über seinen Augen. Eine süße Stimme erklang und Link wusste, zu wem sie gehörte: „Wer bin ich?“ „Ach… Zelda, ich erkenne dich auch, wenn du nicht redest.“ Sie löste ihre Hände von seinen Augen und trat vor ihn hin. Leicht scheu murmelte sie: „Ich soll dich fragen, was du von diesem Kleid hältst, meinte deine Tante.“ Link starrte sie geschockt an. Das wunderschöne Geschöpf vor ihm trug ein knappes, schwachrosa Kleid, welches eng anlag und ihren graziösen Körper betonte. Zelda schaute mit roten Wangen an die Decke und wartete auf eine Reaktion Links. Aber er war sprachlos und schien gefangen zu sein in ihrem Anblick. Zwei geflochtene Träger hielten das teure Sommerkleid und waren die einzigen Verzierungen daran. Ansonsten war es in Natürlichkeit belassen. Und wenn der richtige Mensch es trug, wirkte es genauso: natürlich und doch perfekt. „Ähm… das ist…“, brachte Link hervor und stand ungeschickt auf. „Du… du solltest es nehmen, wenn… wenn du magst“, stotterte er vor sich hin und versuchte nicht den Eindruck zu erwecken, sie anzustarren. Aber Zelda lächelte, drehte sich um und hastete wieder zu Lydia. Link kam sich hirnlos vor, als würde jeglicher Verstand aussetzen, wenn Zelda auf diese Weise auf ihn wirkte. Warum? Warum hatte sie eigentlich diese verwirrende Wirkung auf ihn? Er war doch sonst nicht nervös, wenn er ein Mädchen ihres Alters ansah… So in seine Gedanken versunken, bemerkte Link nicht, dass er beobachtet wurde. Zwei unechte, blaue Augen hatten ihn im Visier und lachten leise auf, als Link sich wieder auf dem Sofa breit machte. Er schloss seine Augen und gerade da setzte sich jemand zu ihm auf die Sitzgelegenheit. „Lovely Hero“, surrte jemand neben ihm. In dem Augenblick standen Link alle Haare zu Berge. ,Nicht die‘, flehte er, bitte nicht die schon wieder. Eine Stimme, die noch unechter war, als der Rest ihres Erscheinungsbildes, verriet die nervige Person. Ilena war ihr Name. Ilena. Link hüpfte vom Sofa und murrte verärgert: „Was willst du?“ Ilena stand ebenso auf und sagte berauschend: „Warum bist du denn gleich so unfreundlich? Ich wollte bloß Hallo sagen, lovely Hero.“ „Lass den Quatsch!“, sagte Link und etwas Neues, Gefährliches ging von seinen Worten aus. Aber Ilena verstand nicht, was Link damit meinte und sagte in ihrer quietschend hohen Stimme: „Ich, deine Prinzessin, frage dich, ob du nicht Lust hättest, mit mir ins Kino zu gehen oder durch den Park zu laufen. Bitte Link.“ Und ihre Worte endeten in einem für verführerisch anmutenden Klang. „Du bist lediglich ein billiges Flittchen, stell‘ dich nicht so an, und ich sage, ich habe keinen Bock auf deine Anwesenheit.“ Eine Schnute ziehend, tastete Ilena auf ihren blaugefärbten Kontaktlinsen herum und hoffte, sich verhört zu haben. „Warum denn nicht?“ „Weil ich erstens in Begleitung bin und zweitens deine falsche Zunge nicht ertrage.“ Sie ging auf ihn zu und hauchte ihm ins Gesicht. „Bitte Link.“ „Nein. Und Basta.“ Er lief, seine Geduld allmählich am Ende, an Ilena vorbei und suchte nach Zelda in dem Modegeschäft, spürte aber, dass Ilena ihm auf Tritt und Schritt folgte. Zelda stand an der Kasse und beobachtete Links Tante, die mühevoll die Preisschilder der an die Hundert Kleidungsstücke abzupfte. Frohen Herzens und äußerst vergnügt fand Link seine wahre Prinzessin und war schneller bei ihr als es ihm lieb war. „Das macht so einiges…“, sagte Zelda. „Ich fühle mich schrecklich bei dem Gedanken, dass du das alles bezahlen willst…“ „Ich würde mich schrecklich fühlen, wenn du keine anderen Klamotten hättest, als die von Sara, Zelda“, erwiderte er und bezahlte den ganzen Kram mit Vergnügen. „Danke für die Hilfe, Lydia“, meinte Link. „Gern geschehen. Im Übrigen hat es mir Spaß gemacht, Zeldas Outfit zu gestalten“, sagte sie lächelnd. „Aber eines hätte mich doch noch interessiert.“ „Und das wäre?“, meinte Link und schaute ab und an nach der neugierigen Nervensäge Ilena, die sich ungeschickt an die Ladenkasse heranpirschte. „Wie geht es euch beiden zu zweit? Ich hoffe, es gibt keine Schwierigkeiten.“ Genauso wie ihre Schwester Meira Bravery hatte sie anderweitige Hoffnungen. Auch sie wusste um Links manchmal sehr abnormes Verhalten. Und auch sie erwartete, dass die Anwesenheit dieses hübschen Kindes ihr Gegenüber ein paar seiner Probleme löste. „Nein, es gibt keine Schwierigkeiten… Da fällt mir ein, ich habe noch etwas vergessen, wartest du eine Sekunde, Zelda?“ „Natürlich, oder hast du Angst, ich könnte verschwinden?“ Bei diesen Worten überlegte Link zweimal und fand diese nicht so spaßhaft, wie sie von Seiten Zeldas gemeint waren. Sein Blick wanderte zu der Ecke, in welcher vorhin Ilena schaulustig dem Geschehen mehr als genug Aufmerksamkeit schenkte. Aber das aufgetakelte Mädchen schien aufgegeben zu haben. Link entdeckte sie nicht mehr und erledigte sein Vorhaben. Vergnügt ließ er sich von der Rolltreppe ins Erdgeschoss transportieren, während Zelda an der Ladenkasse auf ihn wartete. Aber Ilena hatte die Szene weiterhin beobachtet, nur aus einer anderen Perspektive und verzog immer mehr ihr Gesicht. Sie fragte sich, wer dieses Mädchen neben Link war und warum er mit ihr redete. Er bezahlte sogar die Sachen. Langsam wurde sie eifersüchtig und grübelte nach, was sie tun könnte… Sie schlich zu den Beiden an die Ladenkasse und sah Link dieses fremde Mädchen anlächeln. Er packte sie sogar an ihrer Hand. Ilena schlich näher, verbarg ihr gekünsteltes, lächerliches Erscheinungsbild hinter Kleiderständern und hörte die beiden lachen und sich unterhalten. ,Link verschwand dann aus ihrem Gesichtsfeld, die Gelegenheit‘, dachte sie. Auch Lydia wurde von einer weiteren Kundin abgepasst. Somit stand das unbekannte Mädchen allein, fast unsicher an der Ladenkasse. ,Jetzt oder nie‘, redete sich Ilena ein. In dem Augenblick ergriff sie die Chance und hetzte zu dem fremden Mädchen hinüber. Angewidert schaute Ilena in Zeldas hübsches Gesicht und hatte noch mehr Grund eifersüchtig zu werden. Zelda begrüßte das magere Mädchen ihr gegenüber mit einem kühlen: „Hallo.“ Sie wagte einen Blick hinter die Tarnung Ilenas, die ihr wahres Gesicht verschleiern sollte. Ein abstoßender Mensch, ohne Ideale und Wahrheit im Herzen. Bilder einer zerstörten Familie, mit zermürbenden Gesprächen über das, was nicht richtig war. Und doch waren da Wünsche, tief verborgen, abgedeckt von Kälte und dem Bedürfnis andere für das eigene Elend büßen zu lassen. „Hallo“, sagte Ilena unecht, fast erfreut, dass Zelda ihr ins Antlitz blickte. „Was hast du mit Link zu tun?“ Eine abfällig klingende Frage aus ihrem Mund verriet Zelda noch mehr über einen unsympathischen Charakter hinter den in Wirklichkeit hellen, trüben Augen, wo Licht von Nebel abgelöst wurde. Und noch etwas fiel Zelda sofort auf, die seltsam hohe Stimme, wenn Ilena sprach. „Wohl mehr, als er und ich verstehen könnten“, erwiderte Zelda mit einem standhaften Blick in Ilenas Abscheu zeigendes Gesicht. „Lass’ ihn in Ruhe. Er gehört dir nicht“, sagte Ilena, da sie wohl kein vernünftiges Gespräch mit Zelda anfangen konnte und wollte. „Es ist seine Entscheidung, von wem er in Ruhe gelassen werden will und außerdem gehört er niemanden, nur sich selbst.“ Ilena glotzte trotzig an die Decke und suchte nach Worten. Sie sah sich im Geschäft um und hatte dann eine Idee. Die besten Waffen, um diese Person loszuwerden, waren Mittel der Eifersucht. „Er ist mein Freund“, sagte sie laut und freute sich wohl schon über ihren vermeintlichen Triumph. Aber Zelda ließ sich mit keiner Silbe beeindrucken, sah hinter dem Gesicht viele Lügen und die eine Lüge, dass Ilena sich nicht einmal Selbst vertrauen konnte. „Link ist auch mir ein Freund.“ „Aber du bedeutest ihm nichts.“ „Es genügt mir ihn zu kennen… und es genügt ihm mich zu kennen“, sagte Zelda sicher und blickte verträumt zu der Rolltreppe, darauf wartend, dass Link wieder auftauchte. „Du eingebildetes Stück Dreck, Link gehört zu mir“, betonte sie und warf Zelda jetzt schon Schimpfwörter an den Kopf. Zelda drehte ihren Kopf mit einem überlegenen Blick zu Ilena um und in dem Augenblick wich Ilena zurück, sah Empörung und doch Ruhe in den Augen der Dame ihr gegenüber. „Fordere nicht schlafende Wölfe heraus. Deine Wortwahl wird nur dir selbst schaden.“ Und Zelda starrte beinahe in den Ausdruck auf Ilenas Gesicht, welcher sich langsam von hochmütig zu respektvoll änderte. Eine Schweißperle glänzte an Ilenas Stirn, so als hätte sie nun mehr als nur Respekt vor Zelda. „Geh“, ordnete Zelda an und Ilena schlich mit einem lauten: „Du spinnst doch“, in Richtung Rolltreppe. Zelda wartete über zehn Minuten auf Link, als ihr die Sache allmählich Nerv tötend vorkam. Ihre Lage überblickend lief sie zur Rolltreppe und schaute von dort oben aus hinunter ins Erdgeschoss, aber Link schien nirgendwo zu sein. Was trieb er denn nur die ganze Zeit? Wo, bei den Göttern, war er abgeblieben? Aber unberufen erschien dann doch eine Gestalt in der Menge, die ein waldgrünes T-Shirt trug und Zelda zuwinkte. Sie winkte zurück, verstand nicht, warum sie sich so freute ihn zu sehen und lehnte sich ein wenig an das Geländer der Rolltreppe und sah Link auf der anderen Treppe nach oben fahren. Er hatte irgendeine Kleinigkeit in seiner Hand und dieses unverblümte Grinsen im Gesicht, an das sich Zelda sofort gewöhnt hatte. Die Zeit schien still zustehen und Link war fast bei ihr. Plötzlich ein schmerzhafter Stoß in Zeldas Rücken und sie verlor das Gleichgewicht. Schreiend drehte sie sich um und sah für einen kurzen Moment etwas erschreckend Finsteres in zwei unechten blauen Augen. Haltlos stürzte Zelda ohne die Möglichkeit sich aufzufangen die Treppe neben Link hinab. Mit Grauen erfüllt sah er zu, sprang geistesgegenwärtig über das Geländer und packte Zelda gerade so am Arm, verhinderte, dass sie die gesamte Rolltreppe hinabstürzte. Seufzend und mit wackligen Beinen kamen die beiden am Fuß der Treppe an, blickten sich erschrocken an. „Alles okay?“, murmelte Link, entsetzt, welche Angst er in diesem nichtigen Moment verspürte. Zelda nickte und wich seinem Blick aus. Doch so wirklich okay war nichts. Jemand hatte gerade versucht, sie umzubringen. Jemand wollte ihren Tod, so wie sie es schon seit ihrem Aufwachen in Links Elternhaus wusste. Und Zelda wusste im Moment auch wer. „Bleib’ hier“, veranlasste Link und rannte mit einigen schnellen Schritten die Treppe hinauf. Auch er hatte gesehen, wer mit Zelda an der Treppe stand. Er hatte gesehen, wer Zelda das Leben stehlen wollte. Gefangen in unbeschreiblicher Wut und dieser Angst, Zelda könnte etwas zustoßen, hetzte er in der Halle umher und fand Ilena neben der Ladenkasse stehend. Kopfschüttelnd trat Link an sie heran und schimpfte: „Was hast du getan, Ilena? Warum?“ „Was denn?“, sagte sie und blickte Link betörend an. „Das weißt du genau. Spiel hier nicht das Unschuldslamm.“ In dem Moment kam Zelda entgegen Links beschützenden Anweisungen angelaufen und legte eine Hand auf seine Schulter. „Was bildest du dir eigentlich ein? Du wärst beinahe zur Mörderin geworden?!“ Lautstark dröhnte Links Stimme in dem Geschäft umher. Grob packte er Ilena an ihrem Unterarm. „Ich habe nichts Unrechtes getan“, wetterte sie. „Du hättest Zelda beinahe umgebracht.“ „Ach Zelda heißt die…“ und Ilena zeigte mit ihrem Zeigefinger auf das hübsche Gesicht neben dem Oberstufenschüler mit dem grünen Cape. Zelda nickte nur. „Ich könnte dich anzeigen, du Biest“, giftete Link und verstand nicht diese überwältigende Wut in seinem Inneren. „Link, es ist doch nichts geschehen. Bitte beruhige dich“, murmelte Zelda und legte auch noch ihre andere Hand auf seine zweite Schulter. „Bitte. Das ist es nicht wert.“ Link entspannte sich unter ihren Händen und kopfschüttelnd ließ er Ilenas Arm los. Langsam drehte er sich zu Zelda um und kühlte seinen Ärger ab, indem er in Zeldas sanfte Augen blickte. Ilena lief einige Schritte weiter und sah dann noch einmal zurück, sah diese verträumten Blicke in zwei Gesichtern und hetzte dann, erbost über ihre eigene Dummheit hinaus. „Ich gebe dir wohl mehr als nur einen Grund auf mich aufzupassen, wie?“, sagte Zelda aufmunternd. Links Lippen bewegten sich zu einem geruhsamen Lächeln. „Sehr viele Gründe womöglich…“ Er nahm zwei der großen Beutel, in welcher Zeldas neue Klamotten gepackt waren, in jeweils eine Hand. „Ich hatte plötzlich so viel Angst um dich“, gab er zu und bereute seine Worte im nächsten Augenblick. „Das…“ Er schüttelte mit dem Kopf. Besser, sie sagte nichts dazu. Und vieles, was ihren Lippen jetzt entkommen würde, wäre vielleicht unpassend und nicht richtig. „Sie wird dafür Büße tun, ohne dass sie es will, Link.“ „Das hoffe ich“, sagte er. Zelda nahm zwei weitere große Taschen und die Ereignisse des Tages langsam ignorierend liefen die Jugendlichen mit den vielen Beuteln in ihren Händen zurück zu Links Elternhaus in der Straße der Erinnerung. Kapitel 11: Die waldgrünen Rosen -------------------------------- Es war spät abends, als Link den Tisch in dem Wohnzimmer abräumte. ,Das war vielleicht ein Tag‘, dachte er. Nach dem Vorfall mit Ilena in dem Modegeschäft, hatten die zwei Jugendlichen noch ausführlich darüber diskutiert, grübelten über das Wenn und Aber der ganzen Situation. Sie beruhigten sich gegenseitig mit dem Gedanken, dass nichts Schlimmes geschehen war und schnell wurde das Thema unwichtig. Als er die Spülmaschine in der Küche in Gang setzte und das Licht ausschaltete, hüpfte Link vergnügt die Treppen ins nächste Stockwerk hinauf, zielstrebig auf das Gästezimmer zusteuernd. Zelda befand sich gerade in dem Gästezimmer und probierte fleißig Kleidungsstücke an, sie fand Gefallen an den Dingen jener modernen Welt, sie mochte das Neue, was ihr anfänglich so unwirklich vorgekommen war, nun auf eine bemerkenswerte Weise. Nur die Nachttischlampe leuchtete und machte das Zimmer noch gemütlicher, als es für sie ohnehin war. Langsam entledigte sie sich der roten Bluse und der Jeans von Sara und des unbequemen Korsetts, welches sie die ganze Zeit anhatte. Kichernd trat sie vor den Spiegel und begutachtete ein schwarzes fesselndes Dessous an ihrer schlanken Figur, war überaus zufrieden mit sich selbst und dachte kurz an die Person, der sie das alles zu verdanken hatte. Ob es nicht doch etwas gab, was sie für ihn tun könnte? Sie kramte ein veilchenfarbenes Top aus einer Tüte und hielt es sich vor den Oberkörper. In dem Moment öffnete Link einfach die Tür, rechnete nicht damit, dass Zelda mit sich selbst beschäftigt war und trat gedankenlos in den Raum. Mit einem Quiekser drehte sich Zelda vom Spiegel in seine Richtung, ließ beinahe das schützende Top, mit welchem sie gerade so ihren Oberkörper bedecken konnte, fallen. Links Mund klappte auf. Er hatte noch nie ein Mädchen halb nackt gesehen… Wie versteinert sah er sie an, ehe er sich besann, was er hier tat. Stotternd sagte er: „Ich sollte… das nächste Mal klopfen…“ und mit einer täppischen Bewegung drehte er sich um. Schnell zog sich Zelda ihren Pyjama an und setzte sich, noch völlig geschockt, auf die Bettkante. Verdammt, war das peinlich… Link stand immer noch mit dem Rücken zu ihr, spürte ein paar gemeine Reaktionen an seinem Körper, wollte sich am liebsten in den Magen boxen und murmelte verlegen: „Ich wollte dich bloß fragen, ob du noch Lust hättest, einen Abendspaziergang zu unternehmen oder vielleicht einen Film aus der Sammlung meines Vaters zuschauen?“ „Gerne. Gibst du mir einige Minuten, dann können wir ruhig noch ein wenig spazieren gehen…“ Die Möglichkeit für Zelda ihre neue Kleidung einem Test zu unterziehen. Eine dunkelblaue Stretchjeans, einen langärmligen weißen, aber nicht zu weiten Pullover und eine modische Nickijacke waren ihre erste Wahl. „Sicher“, sagte er unruhig und ging aus dem Zimmer, spielte mit dem anstößigen Gedanken noch einmal in ihre Richtung zu schauen, aber unterließ dies dennoch… was, so entschied er, für seinen gesunden Menschenverstand vielleicht von großem Nutzen wäre… Im Schein der alten, blutrot untergehenden Abendsonne liefen die beiden am Waldrand entlang. In der Nähe alter Laubgeschöpfe, die tief an geheiligten Orten, Verstecke für die letzten Rätsel der Erde hüteten. „Machst du das öfters, ich meine, abends noch in der Nähe des Waldes herumlaufen.“ „Jep“, sagte Link und schaute neben Zelda hinein in die tiefe Dunkelheit, die erschreckend geheimnisvoll, Dinge verbergen konnte, die noch nie jemand gesehen hatte. „Hast du denn keine Angst vor der Dunkelheit der Wälder, wenn du so ganz alleine dort herumwanderst?“ „Nein, ich sage mir einfach, die Tiere in den Wäldern haben mehr Angst vor mir, als ich vor ihnen haben könnte.“ Zeldas Schritte beschleunigten sich, sodass sie einige Meter vor ihm war und ihn beäugen konnte. „Aber ich rede nicht von den Tieren, Link.“ Sein Blick wurde ernster. „Dort in der Dunkelheit, meinst du nicht auch, dass es dort Dinge geben könnte, die sie sich zunutze machen könnte“, sagte sie leise und hoffte, ihre Worte wären nicht zu weit hergeholt. „Zelda… in unserer Welt gibt es keine Ungeheuer oder Dämonen. In der Schwärze der Nacht liegt absolut nichts, vor dem du dich fürchten müsstest und wenn, wären diese Dinge schon lange entdeckt worden. Diese Jahrhunderte dienen der Wissenschaft, dem Fortschritt. Märchen haben hier auf der Erde keinen großen Stellenwert mehr.“ Langsam liefen sie weiter und hörten ab und an die Laute einer Eule am Waldrand herum kreisen oder ein Rascheln, tief in Finsternis verborgen. „Link?“, sagte Zelda und blieb erneut stehen. „Du würdest dir aber wünschen, dass es anders wäre, nicht wahr?“ Sie suchte seinen Blick, aber er tapste voran. „Manchmal schon, aber das ist eben keine Alternative… Realität ist und bleibt Realität. Märchen, Wunder und Dämonen gibt es eben nur in den Träumen. Findest du nicht, dass es gut so ist? Oder vermisst du Märchen und Magie?“, ergänzte er. „Oh, ich habe das Gefühl, ich bräuchte diese Dinge nicht unbedingt zu vermissen…“ Link machte große Augen, erstaunte über ihre Worte und erwiderte neugierig: „Wie darf’ ich das verstehen?“ Doch Zelda gab ihre Gedanken nicht preis, aus Ungewissheit und teilweise Scham über die Dinge, die sie für selbstverständlich hielt. Und zu dieser Selbstverständlichkeit gehörten nun mal Dämonen mit jeglichem Erscheinungsbild, als auch den Kräften, die sie besaßen. Sie erreichten eine kleine Kreuzung und entschieden sich für einen Weg, der sie zwar in die Dunkelheit der Wälder steuerte, aber nach nur wenigen Minuten über viele grüne Wiesen führte. Inzwischen war die Sonne endgültig untergegangen und der Schleier der Nacht legte sich über Schicksalshort. Zelda spähte ab und an in die Dunkelheit, fühlte sich nicht unbedingt sehr behaglich bei dem Gedanken, dass dort in den alten Wäldern mehr lauern könnte, als einfach nur ein paar wilde Tiere. „Wenn es dich beruhigt, ich habe eine Taschenlampe dabei“, sagte Link, der Zeldas Unbehagen fast fühlen konnte. „So allmählich finde ich die Idee bescheuert diesen Waldspaziergang zu machen…“, murmelte sie. „Tut mir leid, Zelda. Vielleicht hast du Recht…“, entgegnete er gedämpft. „Aber ich bin ja da und ich übernehme jegliche Verantwortung, sollte sich vor uns ein raffgieriger Dämon mit einer riesigen Axt und schweren Rüstung auftürmen.“ Zelda stupste ihn mit ihren Ellenbogen an den Arm. „Beschrei’ es nicht noch…“, sagte sie leise. Aber Link schien diese Warnung nicht ernst zu nehmen und lachte ein wenig zu laut auf. „Sei doch leiser, Link“, meinte Zelda und kam sich immer hilfloser in seiner Gesellschaft vor. Fehlte ihm vielleicht irgendein Gen, welches für Angstempfindungen zuständig war? Oder arbeitete ein Teil seines Cortexes verkehrt? „Ach Zelda…“, sagte er und legte kurz einen Arm um ihre Schulter. „Nimm’s doch nicht so schwer. Du wirst sehen, es gibt hier nichts, vor dem man Angst haben muss.“ Sie wollte ihm wirklich glauben, aber bei seinem merkwürdigen Abenteuersinn, war das eine unlösbare Aufgabe… Sie folgten weiter dem Weg, welcher in der Dunkelheit nur noch schwer zu erkennen war. Link holte seine kleine Taschenlampe aus der Hosentasche, als ihm einfiel, dass er blöderweise, die leeren Batterien nicht gewechselt hatte… Plötzlich ein eigensinniges Rascheln aus dem Unterholz und Zelda machte einen großen Satz vorwärts, begleitet von mehr Unbehagen als zuvor. Ungewollt krallten sich ihre Finger in Links Hand fest. Er sagte nichts, und ließ ihre Hand dort, wo sie war: in seiner. In gewisser Hinsicht, war dieses Gefühl für ihn sogar sehr angenehm… „Können wir vielleicht ein wenig schneller laufen?“ „Wenn es dich beruhigt…“, sagte er. Es dauerte nicht lange und die beiden traten aus der Finsternis des Waldes hinaus. Zelda atmete tief ein und aus, als sie die grünen Wiesen entdeckte, von denen Link vorhin gesprochen hatte. Einen abgetrampelten Weg entlang laufend, löste sich Zeldas Unbehagen in Luft auf. Der Mond strahlte am Himmel und warf sein kühles Licht besinnlich über die weiten Wiesen. Die junge Lady blieb stehen, nahm mehr von diesem Bild auf und schaute lächelnd über die weite Landschaft. Ihr Blick wanderte zu einem Tal, welches umgeben von einem schützenden Ring aus Bergen, eingehüllt in Nebel, von dem Mondlicht abgeschirmt wurde. Sie breitete ihre Arme aus und genoss die unendliche Natürlichkeit, die rufende Freiheit und spürte in sich den Wunsch nach einer Herausforderung. Sie drehte sich lächelnd zu Link um, der ebenso einen schwachen fröhlichen Ausdruck auf dem Gesicht hatte. „Ich dachte mir, du würdest diesen Ort lieben, Zelda“, meinte er und trat noch einen Schritt näher zu ihr heran. „Hast du mich deshalb durch diese unerträgliche Dunkelheit geschleppt?“, sagte sie erheitert. „Jep.“ „Ich muss sagen, es hat sich durchaus gelohnt.“ Und ihr verträumter Blick verlor sich an dem dunklen Nachthimmel, wo Sterne wie kleine Funken glitzerten. „Danke, Link. Du ahnst nicht, wie viel mir ein solches Bild bedeutet.“, flüsterte sie. Link sah ein wunderbares Funkeln in ihren Augen, ein Licht, welches vielleicht den Schatten darüber ein wenig verblassen lassen könnte. Nach einigen Minuten, in denen sie sich stillschweigend anstarrten, gingen sie weiter, bis sie schließlich wieder an einem Waldrand entlang tapsten. Zelda suchte erneut Links Hand, was er himmlisch fand, und blickte ehrfürchtig über die in Dunkelheit gehaltene Welt. „Link.“ „Mmh?“ „Du bist ein wundervoller Mensch, weißt du das?“ „Jep, vor allem, weil du das jetzt zum zehnten Mal sagst.“ Sie lachte leise auf: „Ja, ich weiß, aber dir kann man das nicht oft genug sagen.“ Auch Link gab ein fröhliches Lachen von sich. „Seitdem du da bist, da…“, fing er an und lächelte ihr entgegen. Auch, wenn sie in dieser Nacht nicht viel von seinem Gesichtsausdruck sehen konnte. „… es geht mir besser.“ „Ich weiß…“, sagte sie überlegen und folgte wieder dem Weg. Von weiten sahen sie die ersten Lichter der Stadt Schicksalshort. Schweigsam liefen sie nebeneinander, erfreuten sich an der frischen Luft und den Geräuschen der Tiere in der Nacht. Schließlich brach Zelda die Stille zwischen ihnen mit einem lauten Gähnen. „Schon müde?“ „Ja, so ein Spaziergang macht eben schläfrig…“ „Wir sind ja bald daheim. Siehst du dort hinten den großen Komplex?“ Und Links Zeigefinger wanderte zu einem unbeleuchteten Ort ein wenig entfernt von den ersten Lichtern. „Das ist unser Friedhof. Wenn wir dort lang laufen, sind wir schneller in der Straße der Erinnerung, als wenn wir erst nach Osten laufen und dann durch die ganze Stadt watscheln.“ „Ein Friedhof?“, sagte Zelda, bemüht die daraus resultierende Furcht zu unterdrücken.„Was machst du mit mir? So etwas wie Schocktherapie?“, meinte sie spaßhaft. „Nun ja, du musst dich wohl an Schocks gewöhnen, wenn du in meiner Gegenwart bist.“ Und Link dachte an so einige seltsame Geschehnisse der letzten Wochen, die vielleicht ein anderer nicht so gut weggesteckt hätte wie er… „Dass du so gefährlich bist, hätte ich nicht vermutet…“ „Es gibt vieles an mir, was niemand vermuten würde…“ „Vielleicht macht dich das zum Anziehungspunkt in der Umgebung“, murmelte sie und blickte entschieden weg. „Zu einem gefährlichen Anziehungspunkt, nicht wahr, Zelda?“, nuschelte er gedämpft in ihr Ohr, sich der Tatsache bewusst, wie viel Spaß es ihm machte, sich bei Zelda auf Glatteis zu begeben… „Also gut, du hast mich überzeugt. Gehen wir am Friedhof vorbei. Aber, du musst mir versprechen, dass wir dort nicht verweilen werden.“ Link grinste und sagte nichts dazu, als wollte er nicht auf dieses Versprechen eingehen. Der Mond verschwand gebändigt hinter dichten Wolken, die das letzte Licht über den Wiesen in Schwärze verwandelten. Sie näherten sich mit jedem Schritt mehr dem alten Friedhof Schicksalshorts, der von einem hohen Eisenzaun umgeben war. Viele hohe Laubbäume standen in dem Inneren von der Außenwelt abgeschnittenem Komplex und eine alte Friedhofshalle, wo immer noch Beerdigungen stattfanden. Der Weg führte nah an der hohen Umzäunung vorbei und manche erzählten sich, dass, wenn sie hier entlang wandelten, die Stimmen der Toten flüsterten, als sollte sie jemand aus ihren Gefängnis befreien. Link nahm nun bewusst Zeldas Hand in seine, denn selbst jemand wie er, hatte an Orten des Todes immer noch Ehrfurcht. Und es war ihm lieber, seinen Schützling nah bei sich zu wissen… Plötzlich hielt Zelda an und zeigte mit ihrer freien Hand auf das Innere des Friedhofs. Ein Licht drang von dort innen heraus. „Was mag das sein?“, nuschelte sie einem überraschten Link zu, der das Licht ebenso bemerkte. Es war dem Licht einer Fackel sehr ähnlich, sah nicht aus wie ein kleines Licht einer Kerze oder einer Taschenlampe. „Keine Ahnung, aber ich werde es herausfinden.“ Zeldas Augen weiteten sich. Tickte er jetzt völlig aus? Abrupt ließ er Zeldas Hand los und marschierte auf die Umwallung zu und kletterte daran hinauf. „Rühr’ dich nicht vom Fleck, ich bin gleich wieder da.“ Mit einem zweifelnden Nicken lehnte sich Zelda an die Mauer und blickte nervös von einer Ecke in die andere, während Link der Sache auf den Grund ging. Langsam schlich er zwischen alten Bäumen in die Nähe des kleinen Feuers, schaute ab und an zurück und konnte Zelda in der Dunkelheit nicht mehr ausmachen. Einerseits wollte er herausfinden, was dort im Gange war, andererseits wollte er sie nicht unbedingt alleine lassen. ,Aber was sollte schon passieren‘, redete er sich ein. Seine Schritte wurden schneller, das merkwürdige Licht kam näher. Der junge Mann mit dem grünen Basecape versteckte sich hinter einer dickstämmigen Eiche und schaute mit seinen Augen knapp neben der Rinde vorbei, entdeckte eine niedergebeugte Gestalt umzingelt von Gräbern. Jene Gestalt hatte tatsächlich eine Fackel in der Hand und murmelte etwas vor sich hin, eine Art Fluchen… Die rätselhafte Person stellte die brennende Fackel direkt neben sich ab und setzte sich auf das tote Gras hier auf dem Friedhof. Link schlich unbemerkt noch ein Stück näher und betrachtete sich jene Gestalt genauer. Es war ein Mann, sah in etwa so aus wie ein Mönch, denn er trug eine dunkelbraune Kutte und hatte eine Halbglatze, umgeben von ein paar letzten grauen Haaren. Link kannte den Typen nicht, hatte die Gestalt auch sonst noch nirgendwo gesehen und ein mulmiges Gefühl beschlich ihn. Der Kerl wirkte aus irgendeinem Grund nicht so harmlos, wie das Erscheinungsbild eines Mönches sein sollte. Nein, etwas Bedrohliches ging von ihm aus, etwas, was Link dennoch sehr vertraut erschien. Erschreckend vertraut. Die Gestalt grub in der Erde herum, als suchte sich nach etwas, oder als schaufelte sie sich ihr eigenes Grab. „Dem törichten… immer dem törichten Drokon…“, entkam es der Person in einer übernatürlich kratzigen Stimme, wie das Reiben zweier Schiefertafeln aneinander. „Diene dem Meister…“, schleimte er vor sich hin, und schlug dann mit der Faust auf den wehrlosen Erdboden ein. „Böser Lord… immer strafst du den armen Drokon, der nichts schafft, der doch dem Herrn immer treu, so treu, bemüht treu zu sein. Alle Energien… mit der er in diese Welt gelangen konnte… alles tut der arme Drokon… schafft die Verseuchung mit den bösen Energien um das Gleichgewicht zu stören… und doch… bestraft er ihn… so jämmerlich…“ Link hörte gespannt zu, konnte das verrückte Faseln dieses Kerls nicht verstehen. Aber irgendetwas ließ Link nicht los, als müsste er jenen Worten lauschen, um seiner selbst willen… um Zeldas willen. „Hoho… der Lord wusste, der Lord hasste, der Lord mordete… gelangte doch in diese Welt mit denen, die noch in der verblassten gefangen sind… den wunderbaren Mächtigen…“ Dann fing die Gestalt krankhaft an zu lachen und schnalzte mit den Fingern. „Und der böse Lord… straft immer den armen Drokon…“, wimmerte die Gestalt nun. Aber Mitleid konnte Link nicht empfinden. Vielleicht Abscheu, oder Antipathie, aber niemals Mitleid oder etwas Ähnliches. Mit einem Schlag legten sich zwei Hände über Links Mund. Das Herz in seiner Brust blieb fast stehen und mit Schock in den Augen drehte er sich um. Eine bekannte Gestalt befand sich vor ihm. Ja, Link kannte dieses Typen. Es war Josh, einer der Zwillinge aus der Oberstufe. Er führte seinen Zeigefinger zu seinen Lippen und Link verstand. Josh hatte wohl zufälligerweise ebenso auf dem Friedhof herumgelungert- mit der Betonung auf zufälligerweise… Plötzlich ein Knacken von Joshs Schuhwerk und die merkwürdige Person zischte: „Wer stört die Stunde des Meisters? Wer stört den armen Drokon, wenn er doch der Stunde des Meisters dienen muss?“ Drokon stand auf und ein Glühen kam aus seinen kleinen Augenschlitzen. Er sah genau in die Richtung, wo Link und Josh standen und hämmerte mit seiner unechten, quietschenden Stimme: „Der Lord tötet, wer ihm im Weg steht! Der Lord mordet… haha.“ Seine Worte endeten in einem kranken Gelächter und mit knackenden Gelenken lief er auf Link und Josh zu. Josh wurde die Situation zu gefährlich, er wich zurück und brüllte Link entgegen: „Lauf!“ Geschwind hasteten die zwei Jugendlichen auf die Umzäunung zu, kletterte so schnell wie noch nie in ihrem Leben daran hinauf und sprangen fieberhaft auf die andere Seite. Link schaute zurück und suchte nach dem Schurken auf dem Friedhof, blieb furchtlos stehen und nutzte eine weitere seiner Ungewöhnlichkeiten, die eine oder andere Personen spüren zu können, um den Typen in der Dunkelheit ausfindig zu machen. Aber er sah nichts, fühlte nichts… Nach einer Weile lief er dorthin, wo Zelda sein musste und fand sie genau an derselben Stelle, wo er sie zurückgelassen hatte. Zwei weitere Personen standen neben ihr, und einer davon musste Josh sein, soweit Link das einschätzen konnte. Sie lief nervös hin und her und sagte laut: „Und wo ist Link?“ „Weiß nicht“, entgegnete Josh. „Er ist einfach stehen geblieben.“ Vermutlich hatte Josh ihr die unheimliche Geschichte sofort unter die hübsche Nase gerieben. Link trat in der Dunkelheit näher und hörte Verzweiflung aus Zeldas Stimme. Dann rief sie nach ihm, aber Josh packte sie gleich am Arm. „Bist du verrückt? Wenn uns der Kerl hört, sind wir bestimmt fällig.“ „Das ist nicht möglich. Der Mönch ist wie vom Erdboden verschluckt“, sagte Link und trat aus der Dunkelheit zu den drei Leuten heran. Zelda trat vor ihn und gab ihm eine kleine, aber wirkungsvolle Ohrfeige. Entgeistert sah Link in ihr besorgtes Gesicht. „Zelda?“ „Weißt du, was ich mir für Sorgen gemacht habe. Tu’ das nicht noch einmal!“, fauchte sie. Sie mied seinen Blick und sah trübsinnig hinaus auf die weiten Wiesen. „Sorry“, entgegnete er, und sah langsam ein, wie unvernünftig er gehandelt hatte. „Josh hat dir schon alles erzählt, nehme ich an.“, meinte Link dann und betrachtete die andere Person neben Zelda. Nickend bestätigte sie seine Vermutung. „Hendrik ist aufgetaucht, kurz nachdem du darüber klettern musstest.“ Daraufhin mischte sich der zweite Zwilling in das Gespräch. „Link, wir haben vor etwa einer Woche hier auf dem Friedhof Brandspuren bemerkt und sind dann abends hier umher geschlichen, weil irgendetwas verdächtig war. Von unserem Wohnhaus haben wir Lichter gesehen und dann sahen wir diesen Kerl, der jeden Abend hier vor sich hin flucht.“ Ja, richtig, Link wusste, dass jenes Wohnhaus am Rande der Stadt eine gute Sicht zu den Vorgängen auf dem Friedhof gewährte. „Jeden Abend?“ „Genau“, stimmte Josh zu. „Und heute haben wir Zelda und dich in die Nähe des Friedhofs laufen sehen, da wollten wir euch warnen. Zelda kennen wir ja schon.“ Link erinnerte sich, dass Zelda ihm erzählt hatte, wie nett die beiden ihr beim Einkaufen geholfen hatten… „Wir wussten ja nicht, dass Zelda bei dir wohnt. Seit wann hast du denn diesen netten Gast bei dir?“ „Noch nicht lange“, sagte Link ehrlich. „Du hast es echt gut“, erwiderte Josh mit einem Wink. „So einen netten Gast hätte ich auch gerne.“ Zelda hatte eine atemberaubende Wirkung auf die Menschen in ihrer Umgebung und auch Link wusste dies… nur gefiel es ihm ganz und gar nicht. „Diese Friedhofssache ist echt unheimlich…“, meinte Hendrik schließlich. „Seitdem kann ich kein Auge mehr zu tun, und muss ständig darüber nachdenken.“ „Dann frage ich mich“, meinte Link mit seinem überdrehten Mut, „warum ihr jedes Mal abhaut. Stellt den Kunden doch einfach mal zur Rede.“ Josh trat näher an Link heran und sagte: „Verrückt bist du, kannst dich dem Kerl bei seinen Ritualen ja gleich anschließen, du hast ja keine Ahnung, was der schon alles gesagt und getan hat…“ Link verzog sein Gesicht und konnte nicht begreifen, warum die beiden ein solches Geheimnis daraus machten. „Wenn wir dir das erzählen, glaubst du uns kein Wort mehr.“ „Wie auch immer, wie spät ist es eigentlich?“, fragte Link. Zelda klammerte sich an Links Arm und gähnte. „Schon zwölf“, antwortete Hendrik. „Vielleicht sollten wir zurück in die Stadt gehen…“ Die Jungendlichen nickten nur zustimmend. „Und was machen wir mit diesem Spinner?“, meinte Zelda. „Auf jeden Fall nicht die Polizei rufen…“, sagte Hendrik. „Der Kunde hat nämlich vor denen nichts zu befürchten…“ Mit diesem mysteriösen Worten verschwanden die Zwillinge in entgegengesetzter Richtung von Link und Zelda. Und auch die beiden Auserwählten liefen nach Hause, bis sie schließlich ein Uhr morgens vor Links Haustür standen. Link befand sich gerade in seinem Zimmer, trug bereits eine knielange, dunkelgrüne Schlafanzughose und schaute einmal wieder nach seiner Wunde. Sachte nahm er den Verband ab und überprüfte die merkwürdige Verletzung. Endlich hatte sich ein gewöhnlicher Grind über den Schrammen gebildet. Seufzend tupfte er mit seinen Fingerspitzen über die Blessuren und schloss seine Augen bei dem kurzen Schmereffekt. In dem Moment trat Zelda in ihrem roten Pyjama in sein dunkles Zimmer, wo lediglich die Lavalampe seines Nachttisches brannte. Ihr langes golden schimmerndes Haar hatte sie zu einem Zopf verbunden und über ihre rechte Schulter gelegt. „Hey“, murmelte sie und ihr Blick schweifte hinab zu seinem Bauch. Sie trat zu ihm und fragte: „Wie geht es dir?“ „Äh… gut“, sagte er aufrichtig. „Möchtest du, dass ich dir einen frischen Verband umlege?“ „Das wäre lieb“, entgegnete er und ließ sich auf die Bettkante sinken. Zelda setzte sich hinter ihn und begann mit der Prozedur. „Ist das in Ordnung?“ „Mmh“, flüsterte er sanft. „Danke.“ „Wegen vorhin…“, begann Zelda, „Entschuldige die Ohrfeige.“ „Ich denke, ich habe sie verdient“, sagte Link und drehte seinen Kopf mit einem Grinsen in ihre Richtung. „Ich war wirklich besorgt, Link.“ „Du glaubst, was Josh und Hendrik erzählt haben, nicht wahr?“ „Sicher.“ „Ich auch, Zelda. Die beiden hätten gar keinen Grund uns anzulügen.“ „Ja, Hendrik erzählte mir, der Mönch selbst nennt sich Drokon und hätte magische Kräfte…“ Zelda hatte den Verband vollständig um Links Bauch gelegt und stand auf. Zufrieden und mit einem heiteren Gähnen ließ sie sich in den Sessel neben Links Schreibtisch sinken und streckte ihre Arme in die Luft. Erst jetzt sah sie Links leicht fassungslosen Ausdruck in dem ansehnlichen Gesicht. „Magische Kräfte… und das sagst du so einfach?“ Zelda zuckte ratlos die Schultern. Wieder eine Selbstverständlichkeit in ihren Augen… Warum sollten Menschen nicht irgendwelche besonderen Fähigkeiten besitzen? „Meine Güte, Zelda…“ Link war mit einem Sprung bei ihr, kniete nieder und legte seine Hände auf ihre Knie. „In dieser Welt ist es sehr unwahrscheinlich, dass jemand derartige Begabungen besitzt und diese auch noch einsetzt.“ „Ach so…“, meinte sie und rieb sich den Schlafsand aus den Augen. „Und was tun wir jetzt, nachdem wir wissen, welche mysteriösen Dinge dieser Kerl auf dem Friedhof veranstaltet?“ „Weiß nicht, aber vielleicht bringt die Zeit Antworten, Zelda.“ „Mmh vielleicht.“ Und die Zeit würde Antworten bringen, auch wenn diese dann noch mehr Fragen aufwarfen… Plötzlich schoss ein Geistesblitz durch Links Kopf und er kramte in einer Schublade nach einem Gegenstand. Er hielt Zelda ein paar silberne, einfache, aber hübsche Ohrringe in Rosenform unter die Nase. Sie waren waldgrün und passten farblich sehr gut zu dem Ring, den Zelda die gesamte Zeit trug. Verdutzt beäugte sie ihn und dann die Ohrringe. „Was ist damit?“ „Für dich“, sagte Link und lief ein bisschen rot an. „Heute in dem Modegeschäft, also… weißt du, ich wollte dir einfach etwas schenken“, redete er sich unsicher heraus. Sie nahm die Ohrringe in ihre rechte Hand und strahlte fast vor Freude. Ihre Augen leuchteten, als hätte sie noch nie etwas geschenkt bekommen. „Ich habe gesehen, dass du… Löcher in deinen Ohren hast, aber nichts darin trägst und deswegen…“ „Das ist ja sehr lieb von dir“, meinte sie und warf sich ihm ohne Nachzudenken um den Hals. Die Berührung an sich dauerte nicht lange, und doch schien sie Link etwas erzählen zu wollen… Erinnerung an Sehnsucht und gestorbene Wünsche… Zelda war so warm… und sanft… und sie duftete so gut… nach etwas, was er im Augenblick nicht definieren konnte… süß und angenehm lieblich… „Sie passen gut zu dem Ring, den du trägst…“, sprach er leise und hatte das Gefühl in der Liebkosung immer zittriger und nervöser zu werden. „Aber das kann ich doch nicht annehmen, du hast schon viel zu viel für mich getan“, murmelte sie und löste sich verlegen aus der Umarmung. „Keine Sorge, die waren sogar billiger als eine Packung von meinem Lieblingseis.“ Sie nickte vielsagend und hatte in Nullkommanichts das kleine Schmuckstück in den Ohrläppchen. „So gefällst du mir besser, als ohnehin schon. Apropos Eis, hast du Appetit auf welches?“ „Willst du jetzt noch Eis essen, es ist doch schon um zwei Link“, sagte sie, als sie nachdenklich auf das Ziffernblatt seines DVD-Players schaute. „Jep. Ich habe immer Lust auf Eis, egal wie früh oder wie spät.“ „Na gut, aber nicht zu viel, ja?“ Damit hüpfte Link aus dem Raum, kehrte mit einer vollen Ladung Eis zurück und so verbrachten sie die halbe Nacht mit Gesprächen, schauten die Wiederholung eines Horrorfilms an, den nur Zelda gruselig fand, bis sie mit einem gähnenden Gute- Nacht- Wunsch sein Zimmer verließ. Kapitel 12: Gefahr ------------------ Am Donnerstagvormittag klingelte es überraschend an der Haustür. Link öffnete und blickte in ein paar rehbraune Augen, die ihn interessiert musterten. „Hallo Rick. Gibt’s was Neues.“ „Du Trottel, hast du etwa vergessen, dass heute Donnerstag ist.“ „Rückmeldung an den, der mich Trottel nennt, nein, hab’ ich nicht. Ist an dem Tag irgendetwas Besonderes?“ „Oh Mann, du hast wohl das Training vergessen“ Link griff sich an den Kopf und schüttelte diesen dann. „Sorry, hab’ ich wirklich.“ Donnerstags stand immer Bogenschießen auf dem Plan. Seitdem aber Zelda da war, hatte er zugegebenermaßen nur noch sie im Kopf. „Hör zu Rick, ich habe Besuch, sehr netten Besuch, ja, also wenn du entschuldigst. Ähm… das Training fängt doch erst in zwei Stunden an.“ „Du hast Besuch, wirklich, weiblichen Besuch?“ Links Wangen färbten sich stufenweise zu einem auffälligen Rot. „Ah, du redest von dem neuen Pflegekind, das Meira aufgenommen hat, oder?“ Und da verstand Link, dass Rick scheinbar nicht alles wusste. ,Mal wieder typisch für seine Mutter und Tante Lydia‘, dachte er. Die beiden Schwestern tauschten so manches Geheimnis aus, aber vergaßen in ihrem Gebrabbel oftmals, andere über Wesentliches zu informieren. „Egal“, sagte Link. „Möchtest du nicht reinkommen?“ „Yup“, entgegnete Rick und schloss die Tür hinter sich. Sich wundernd, was nun genau dahinter steckte, welches Mädchen bei den Braverys wohnte und vor welchem Mädchen Link ausnahmsweise mal nicht geflüchtet war und sogar bei sich zu Hause hatte wohnen lassen, trat er in den Korridor, zog seine Turnschuhe aus, auch wenn er wusste, dass seine Tante Meira nicht zugegen war. Wie oft hatte er sich wegen seinen, von ihr als teuflisch bezeichneten, dreckigen Turnschuhen Ärger eingehandelt. Also zog er sich brav die Schuhe aus und ging dann in die Wohnstube. Rick war neugierig, das war schließlich Link, der immerzu irgendwelche Geheimnisse hatte und Rick würde jetzt eines davon herausfinden. Der Fernseher lief und jemand, der seine Beine auf das Sofa gelegt davor saß, schaltete immer wieder zwischen den Sendern hin und her. Rick trat näher, verwundert, wieso er plötzlich so ein leichtes Unbehagen verspürte, ein Gefühl, als würde er den größten Popstar in wenigen Sekunden treffen. Dann blieb er stehen und sah seitlich ein unheimlich wunderschönes Mädchen dort auf der Couch sitzen. Langes blondes Haar, schlanke, atemraubende Figur. Rick verschlug es halb die Sprache und im ersten Moment hatte er völlig vergessen, dass sie wohl das besagte Pflegekind sein musste. ,Hat Link eine Freundin? Ich fass es nicht‘, dachte er sich. Und was für eine. Sie drehte ihren Kopf zu ihm und lächelte leicht scheu. „Hallo“, sagte sie verzagt. Nur unter Aufbietung allen Mutes brachte Rick ebenso ein Hallo über die Lippen. ,Wer war sie‘, dachte er und starrte das edle, makellose Gesicht mit den feinen Zügen, der porzellanartigen Haut und den roten Lippen an, aus dem zwei blaue Augen wie Saphire hervor strahlten. „Hallo“, stotterte Rick erneut und kam sich vor, als müsste er sofort eine Verbeugung machen. Rick trat ein wenig näher, um sich zu vergewissern, dass dieses Mädchen wirklich hier war und sagte: „Ähm… ich bin Links Cousin Rick. Schön, dich kennen zu lernen.“ Sie stand auf und Rick bewunderte nun noch mehr diese Anmut, welche sie umhüllte. Sie reichte ihm die Hand und sagte mit einem Lächeln. „Man nennt mich Zelda.“ Rick musste sich daraufhin vergewissern, sich nicht verhört zu haben und grinste mit seinen rehbraunen Augen in ihr unschuldiges Gesicht. „Zelda? Das ist ja der blanke Wahnsinn.“ Sie grinste dann und entgegnete: „Es ist nicht so, wie du annimmst, Rick.“ „Schon okay. Link wird mit die Geschichte bestimmt erzählen.“ Zelda nickte daraufhin. In dem Augenblick kam Link herein. Er hatte zwei Flaschen Cola unter dem Arm und durchquerte die Stube, bis er mit einem Lächeln neben Zelda stand. „Also, Rick, ich denke, ich habe dir einige Neuigkeiten zu unterbreiten.“ Die drei Jugendlichen setzten sich an den Glastisch in der Wohnstube und Link erzählte seinem besten Freund alles, was nötig war. Er erzählte ihm die ganze Geschichte, ebenso, dass sie ihr Gedächtnis verloren hatte und Zelda nicht ihr wirklicher Name war. Aber eine Sache verschwieg er ihm… nämlich die unglaubliche Tatsache, wie ähnlich Zeldas Stimme jener Stimme war, die ihn des Öfteren gerufen hatte. Nein, es war nicht nur Ähnlichkeit… es war wirklich ihre Stimme… „Und was gedenkt ihr beide jetzt zu tun?“ „Abwarten“, sagte Link. „Abwarten“, stimmte Zelda zu und blickte Link mit einem warmen Lächeln an. Er erwiderte diesen Gesichtszug und selbst Rick erkannte die Veränderung in Link. Wie lange war es her, dass er so gelächelt hatte. Sehr lange… Rick freute sich für ihn und dankte diesem fremden Mädchen jetzt schon für ihr Erscheinen. Zelda hüpfte von ihrem Platz auf und holte aus einer kleinen Bar drei Gläser für die Cola. Vier Augen wanderten ihr hinterher und sie wusste das, spürte Blicke in ihrem Nacken. „Sie ist unheimlich hübsch“, flüsterte Rick so, dass Zelda es nicht hörte. „Ja, das ist sie…“, antwortete Link verlegen, konnte diese Tatsache jedoch nicht bestreiten. „… hast du was mit ihr?“ Link wurde wieder ganz rot im Gesicht. Er hustete und sagte: „Nein, wie kommst du denn darauf. Sie ist mein Gast, nicht mehr.“ „Gut. Dann hab ich ja Chancen.“ „Wag’ es dir!“, sagte er lauter und weckte damit Zeldas Aufmerksamkeit. Link ballte unbewusst die Fäuste, spürte das Aufkeimen von ungeheurer Eifersucht wegen diesem Engelsgesicht und sah sie lächelnd an, als sie sich wieder an den Tisch setzte. „Was soll sich Rick wagen?“ „Ähm… nichts von Bedeutung“, entgegnete Link und wich ihrem durchdringenden, wissenden Blick aus. Sie grinste und hatte wohl im Gegenzug jetzt seine Gedanken gelesen… Die Jugendlichen amüsierten sich eine Weile, bis Mittag anbrach und Rick verschwand. Im Korridor flüsterte er dann Link noch eine Sache zu. „Zelda sie sieht aus wie… die Zelda aus dem Spiel, Link.“ Auch das Mädchen neben Link spitze ihre Ohren. „Zelda ist eine Spielfigur und sie hier ist ein Mensch!“ Link wurde ungemütlich, so hatte er seinen Freund noch nie angefahren. „Tut mir leid, Link, hast ja recht, aber…“ Link sah Zelda so an, wie er dieses vertraute Engelsgesicht lange nicht angesehen hatte. „… Sie hat zu viel Ähnlichkeit mit ihr, nicht wahr?“ Link sah zu Boden. Zelda meinte ruhig: „Link, es macht mir wirklich nichts aus, okay. Ich trage diesen Namen mit Ehrfurcht, Stolz und Respekt. So, jetzt lass uns essen.“ „Na gut, ich mach’ mich dann aus dem Staub. Link, kommst du dann noch zum Bogenschießen?“ „Ja, das werde ich, wenn…“ Zelda las schon wieder seine Gedanken. „Ich habe nichts dagegen. Ich kann doch mitkommen, oder nicht?“ Link lächelte ihr zu. „Wollen wir doch mal sehen, ob du gute Augen hast, hm?“ Sie nickte. Link begleitete Rick zur Tür und trat mit ihm einige Meter auf die Straße. „Sag’ mal, du hast doch sicherlich was mit ihr?“ Rick wiederholte diese Worte bewusst, ahnend, dass mehr dahinter steckte, als Link preisgab. Er wusste, Link verheimlichte etwas Wichtiges, was mit ihr zusammenhing. Dieses Mädchen besaß nicht nur Anmut und Charme, wohl aber etwas viel Mächtigeres… Link verleierte die Augen und stammelte vor sich hin, trat von einem Fuß auf den anderen. „Ich brauche sie…“, sagte er und ließ seinen Blick durch das Wohnstubenfenster schweifen. Nachdenklich saß Zelda dort auf einem Hocker und starrte fast traurig in den Fernseher, den sie nur eingeschaltet hatte, um sich von ihren trübsinnigen Gedanken abzulenken. „Sie sagt mir so viel… ich meine, nicht ihre Worte, sondern die Art und Weise, wie sie mit mir redet, mich ansieht und überhaupt mit mir umgeht. Es ist, als würde ich sie schon ewig kennen.“ Link lehnte sich gegen eine Straßenlampe und verschränkte seine Arme. „Ich will dir nicht den Mut nehmen, oder deine Urteilskraft bezweifeln, aber irgendetwas stimmt hier nicht mehr. Jetzt da sie hier ist, da… habe ich einfach ein ungutes Gefühl.“ „Ich weiß… aber was soll’ ich denn deiner Meinung nach tun? Soll ich sie fortschicken und mich dann dafür ewig hassen, weil ich mir einbilde, ewig darauf gewartet zu haben, sie zu finden? Soll ich sie aus dem Haus werfen, mit der Begründung, sie bringt Gefahr in diese Stadt?“ „Nein… und doch…“ „Da ist Gefahr…“, sagte Link und lief wieder zur Haustür. Rick nickte nur. „Und das Lustige daran ist, Rick, es ist mir egal, solange sie da ist, ist mir alles egal, die Schule, die Träume und von mir aus jedes Höllengeschöpf, das man sich vorstellen kann. Ich werde sie niemals fortschicken, ganz im Gegenteil, ich will, dass sie bleibt und ich…“ Er konnte kaum glauben, was er da sagte, aber jetzt kamen so einige Gefühle an die Oberfläche. „… ich beschütze sie, was immer auch passieren wird.“ Rick verstummte. Link kam entweder wirklich von einem anderen Stern oder er hatte einfach seinen gesamten Verstand verloren. ,Hatte es ihn denn so erwischt‘, dachte Rick. „Rick, es war ihre… Stimme“, sagte Link leise und drehte seinem Freund den Rücken zu. „Was?“ Geschockt sah Rick erneut zu Zelda, die wie von Sinnen in der Stube saß. „Ja… ich weiß es einfach. Es war ihre Stimme. Sie hat nach mir gerufen, Rick und wenn ich sie nicht gehört hätte, nicht gefunden hätte, wäre sie jetzt nicht mehr am Leben.“ Link spürte Ricks Hand auf seiner Schulter. „Schicksal, Link“, meinte Rick aufmunternd. Und der grünbemützte Jugendliche lachte kurz auf, jedoch nicht aus Spaß oder Freude… „Ja, Schicksal“, sagte Link und meinte schließlich: „Also, ich…“ „Mach’ dir keinen Kopf. Die Sache klärt sich bestimmt auf und dann wirst du lachen, wie stumpfsinnig die Gedanken sind, die wir uns hier machen. Und jetzt, würde ich sagen, heiterst du das feenhafte Wesen in der Wohnstube ein bisschen auf. Sie zieht so eine traurige Schnute.“ Link grinste. „Ja, du hast Recht. Danke Rick.“ „Nichts zu danken. Bis später“, sagte der braunhaarige Jugendliche noch und lief dann die Straße hinunter. Link kam zurück in die Stube des Hauses und fand Zelda noch in der gleichen Position wie vorhin. Sie hockte im Schneidersitz auf dem weißgepolsterten Schemel und starrte ins Nichts. „Zelda…“, murmelte er. Sie sah überrascht auf, verwundert, dass sie tatsächlich auf diesen Namen hörte. „Ist mit dir alles in Ordnung?“, meinte Link zusätzlich. Betrübt schüttelte sie ihren Kopf und suchte mit einem unbeschreiblichen sehnsüchtigen Blick seine Nähe. Er setzte sich vor den Hocker auf einen Sessel. „Rick… er hat Angst vor mir…“, sagte sie gedämpft und mit zitternder Stimme. „Hey, das…“, fing Link an. „Sag’ es nicht. Ich konnte es fühlen, Link. Es ist keine wirkliche Angst, nur so ein Unbehagen, welches ihm sagt, dass er mir fernbleiben sollte…“ Er legte eine Hand auf ihre Schulter und sagte: „Na und? Du hast immer noch mich. Ich habe weder Angst vor dir, noch empfinde ich Abscheu in deiner Nähe und… du bist etwas Einzigartiges, Zelda… Wir werden schon herausfinden, was hier nicht stimmt und dann wird dich Rick auch mit anderen Augen sehen können… ja? Außerdem ist er dabei dieses mulmige Gefühl zu überwinden.“ Sie nickte und lächelte leicht. „Ich danke dir. Habe ich schon erwähnt, dass du ein Schatz bist, Link?“ „Jep. Aber ich höre das gerne aus deinem Mund.“ „Du meinst, ich könnte das noch einige Male sagen?“ „Du könntest dir zusätzlich etwas ausdenken…“ „So etwas, wie: Du bist der beste Mensch dieser Welt?“ Link grinste: „Jep. Das gefällt mir.“ Er zog sie auf ihre Beine. „Aber jetzt kochen wir uns erst mal was Schönes, hm?“ Sie folgte Link in die Küche. „Wie wäre es mit etwas Gesundem zur Abwechslung?“ „Salat, Kartoffeln und Dinge in dieser Richtung?“ Zelda lächelte. „Ja, an so etwas habe ich gedacht.“ „Gut.“ „Gut.“ Zelda und Link aßen gemütlich zusammen, und machten sich im Anschluss auf den Weg zu der Trainingsarena in Schicksalshort. Als sie in dem riesigen Gebäude, einer alten Turnhalle, ankamen, strahlte Zelda vor Aufregung. Bogenschießen war etwas, das ihr vertraut erschien, als hätte sie dies schon öfter gemacht. Und es war eine angenehme Sache, die sie beruhigte, vielleicht weil sie sich damit verteidigen konnte, oder weil es für sie irgendwie entspannend war. Viele Menschen, alte und junge, waren hier und spannten die Bögen. Sie beobachtete jene Menschen mit den heiteren Gesichtern, dem fröhlichen Gelächter und dieser ausgelassenen Stimmung. Einige waren ganz gut in dem Sport, andere wiederum schafften es nicht eine geeignete Technik anzuwenden, geschweige denn die Zielscheiben zu treffen. Zelda war begeistert, das sah Link ihr an der Nasenspitze an. Wenig später tauchte Links Cousin auf. „Hallo. Da seid ihr ja. Hol’ doch mal zwei Bögen, Waldmensch. Ich werde dieses hübsche Gesicht hier einweihen.“ Der Blondschopf sah Rick mit strengen Augen an und verschwand dann. Rick lächelte Zelda an, trotz des Unbehagens in ihrer Gegenwart, trotz des leichten Angstgefühls. „Also, ist wirklich schön, dich kennen zu lernen.“ Die blonde Lady freute sich, dass Rick nun doch versuchte, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Link hatte Recht, irgendwie war sein bester Freund jemand, dem man Vertrauen schenken konnte. Ein aufrichtiges Herz schlug in seiner Brust. Und er besaß angenehme, warme rehbraune Augen. „Link hat viel von dir erzählt“, sagte Rick leise. „Wie bitte?“ Das war doch gar nicht möglich. Sie kannte ihn doch erst seit wenigen Tagen. Der Gedanke verunsicherte Zelda ein wenig… „Du weißt wohl gar nichts davon, oder?“ „Nein, das musst du mir erklären.“ Indes kam Link zurück, mit zwei schönen hölzernen Standardbögen in der Hand. „Ähm, ich erzähl’ dir das ein anderes Mal.“ Link hielt der verdutzten Zelda schweigend, aber grinsend einen Bogen unter die Nase. „Pass genau auf“, sagte Rick. „Wir haben hier einen Profi unter uns!“ Und sein Zeigefinger wanderte zu dem grünbemützten Jugendlichen. Er stattdessen lief gemächlich auf die Schießvorrichtung zu, spannte geschmeidig den Pfeil, fühlte die Spannung in der Sehne und die Kraft dahinter, wartete noch ein wenig, und der Pfeil sauste blitzschnell auf die Mitte der Zielscheibe zu. Einige Leute beobachteten den grün gekleideten jungen Mann und waren verblüffter als Zelda es jemals sein konnte. Sie hatte von ihm nichts anderes erwartet. Link winkte seinem Gast schließlich zu, wünschte sich, sie solle es auch einmal probieren. Sie trat neben ihren neuen Freund und hielt den Bogen mit einer geeigneten Zugkraft für sie vor sich. Zelda probierte es, grinste überwältigt von dem Gefühl dieser Kunst, und war, wie Link fand, unheimlich gut darin, so, als hätte sie früher schon den einen oder anderen Pfeil verschossen. Der Jugendliche setzte sich schließlich auf eine Bank, legte die Arme hinter seinen Kopf und beobachtete einige von den Leuten interessiert. Eines der Gesichter kam ihm sofort bekannt vor- es war Maron. Das Mädchen, von welchem Rick so fasziniert war. ,Sie besaß eine etwas kleinere Gestalt als Zelda, war ein auffallend süßes Mädchen, und hatte eine schöne Figur‘, dachte Link. Es war lange her, da hatte sie Link ihren Prinzen genannt, weil er damals in der siebten Klasse ihre Katze vom Baum geholt hatte. Wochen später war Link regelrecht vor ihr geflohen… denn jede Begegnung mit ihr endete damit, dass sie ihn doch unbedingt bei sich zu Hause einladen wollte. Dazu hatte Link nun wirklich keine Lust gehabt. Sie war ja ganz nett, aber das, was sie von ihm wollte, konnte Link nicht erwidern. Dem Himmel sei Dank waren diese naiven Schwärmereien niemals ein Grund gewesen, sie auf Abstand zu halten und mittlerweile waren sie beste Freunde. Überhaupt… war Link in Sachen Verliebtheit und Schwärmereien nicht so leicht zu beeindrucken. Es gab zwar viele Mädchen in seinem Alter, sogar Mädchen der höheren Jahrgänge, die sich für ihn interessierten, aber Link hatte nie irgendeine Zuneigung erwidert, was seiner Mutter überhaupt nicht gefiel. Sie hatte sogar versucht ihren Sohn zu verkuppeln, musste sich aber geschlagen geben, denn auch sie wusste eine Sache nicht. Denn alles, was Link jemals für irgendjemanden empfand, gehörte zu seinem großen Geheimnis, von dem lediglich Rick, sein bester Freund, mehr oder weniger durch Zufall, erfahren hatte… Link wurde plötzlich aus seinen Gedanken gerissen. Sorgsam sah er um sich, erblickte hier und da kichernde Leute, sah so viele, die lachten und sich an ihrem Hobby erfreuten. Zischende Pfeile gingen durch die Luft, prallten reißend in die Zielscheiben. Jubelklänge und Musik aus Lautsprechern im Hintergrund. Aber etwas war da, was sich mit den Klängen an diesem Ort nicht vereinbaren ließ. Etwas, das sich auf raschelnden Klauen näherte. Etwas Beunruhigendes. Ein ungewisses Gefühl überkam den Siebzehnjährigen, als er dem Geschehen lauschte und an einer fremden Wahrnehmung kostete, Geschmack und Lebendigkeit kostete. Etwas Kaltes legte sich auf sein Herz, packte ihn fest, ließ ihn erschauern. Er sah auf seine Hände, besonders seine linke Hand zitterte. Sie zitterte so stark, dass er sie mit der anderen Hand festhalten musste. Er fühlte eine boshafte, dunkle Energie zunehmen. Kälte. Nichts als eisige, trockene Kälte. Tiefausatmend hob Link seine Hand, die immer noch zitterte, als würde jemand sie steuern. Link atmete wieder aus und sah Nebelschwaden aus seinem Mund vor ihm aufsteigen. Die Kälte war nicht nur in seinen Gedanken, sondern bereits außerhalb, sammelte sich in der Luft, beherrschte eines der Elemente, nur um sich weitere Elemente Untertan zu machen. Link stand unsicher auf und blickte um sich. Er sah Rick, der ihm irgendetwas zurief. Doch dafür hatte er keine Zeit. Etwas sagte ihm, es blieb keine Zeit. Als ob die Zeit sich mit der dunklen Energie verbündet hätte, die sich hier herumschlich. Link griff sich schlagartig an den Kopf. Etwas brannte in seinen Gedanken, ein unheimlicher Druck legte sich auf seinen Kopf. Da war Schmerz. Bilder aus seinen Träumen zerrten an seinem Willen, erschienen, ohne dass Link es wollte. Alpträume. Kreaturen der Dunkelheit, Blitze, Donner, Blut und pechschwarze Nacht ohne Lichtpunkte. Es tat höllisch weh, folterte das edle Blut in dem starken Körper des Kämpfers. Ein Druck in seinem Kopf, eine Fesselung, so todbringend wie die Pest. Dann glaubte er, eine widerliche Stimme spräche zu ihm. Kälte. Ein Zischen. Worte, gesprochen mit genauso viel Kälte wie sie jetzt in dem Raum zunahm. „Diesmal wirst du sie nicht beschützen.“ Link erschauderte. Noch einmal sah er um sich, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken, unterdrückte und bekämpfte jene Stimme in seinen Gedanken, mit der er doch verbunden war, ebenso wie mit Zeldas Stimme. In langsamen Schritten lief er auf seinen Gast zu. Wieder blickte er umher. Aber da war nichts. „Diesmal wirst du sie nicht beschützen…“ Erneut dieses widerwärtige Murmeln einer tiefen, grausamen Stimme, die zu einer noch grausameren Gestalt gehörte. Link näherte sich Zelda an, wusste nun, die Gefahr ging nicht von ihr aus, sondern von jemandem, der auf der Suche nach ihr war. Jemand wollte sie… wollte ihre Macht und Einzigartigkeit… wollte etwas, was ihm kein Glauben der Erde schenken konnte. Mit einer namenlosen Angst im Nacken blickte sich Link wieder um. Und seine Augen würden etwas erfahren, dem er in seiner jetzigen Gestalt kaum gewachsen war. Seine tiefblauen, ernsten Augen, wo ein reiner Mut verankert schien, würden gezwungen werden sich mit einer alten Wahrheit auseinanderzusetzen. Denn hier an diesem Menschen überfüllten Ort, sah er etwas, was er nicht glauben konnte. Es war so entsetzlich, das Link seinen Augen zunächst nicht trauen wollte. Er sah das Mädchen mit dem kastanienbraunen Haar, Maron, eine seiner Freunde. Wie immer spannte sie einen Bogen um ihr Ziel zu treffen. Wie immer trainierte sie hier, aber sie tat etwas, das zunächst aussah wie ein übler Scherz. Denn Maron spannte ihren Sportbogen und zielte genau auf Zelda. Für einen Sekundenbruchteil wünschte sich der junge Held, er würde träumen. ,Maron würde doch niemals einen Menschen bedrohen‘, dachte er. Nicht Maron, sie war ein tierliebes, freundliches Mädchen. Als sie aber die Sehne des Bogens straffte und die Pfeilspitze noch immer auf seinen Gast zeigte, verstand Link, dass die Situation nicht mehr lustig war. Für Link gab es jetzt nur noch ihn, Zelda und den Pfeil. Die Welt um ihn herum versank, wie die Sonne am Abendhimmel. Sein Schrei schallte durch den Raum. Er hoffte mit aller Sehnsucht, dass sein Ruf sie noch erreichte: „Zelda, lauf’ weg. Zelda!“ Einige Personen drehten ihre Köpfe zu der Stimme, die jene Worte erschuf. Aber Link reagierte nicht auf sie, nur Zeldas Wohlbefinden war jetzt noch wichtig. Erneut ein Schrei aus Links Kehle und auch sein Gast schaute sich zu ihm um. Und noch ehe der Ruf verklungen war, seine markante Kämpferstimme schwieg, rannte er bereits so schnell ihn seine Beine tragen konnten. Er sah den Pfeil, sah wie jener mit hoher Geschwindigkeit auf Zelda zuschoss. In Millisekunden wandelte sich der Blick seines Schützlings, als sie die Gefahr realisierte… Mit Entsetzen sah sie das todbringende Metall, mörderisch auf sie zusteuernd, todessehnsüchtig… Link sprang geistesgegenwärtig, fieberte mit eigener Angst vor dem, was Zelda zustoßen könnte. Mit einem lauten Schlag riss der Held seinen Schützling zu Boden, spürte einen heftigen Aufprall, und wusste doch, dass er richtig gehandelt hatte. Denn der Pfeil sauste über ihre Köpfe hinweg und bohrte sich mörderisch, mit einem unerwarteten Zischen, in die Wand. Schützend lag Link neben dem Mädchen aus seinen Wünschen und hörte nur sein eigenes aufgeregtes Atmen. Er lächelte sie erleichtert an, träumte in diesen himmelblauen Augen für Sekundenbruchteile und erkannte, dass er sterben würde um sie zu beschützen… Keuchend richtete er sich auf, zog Zelda hastig auf die Beine und fixierte mit scharfen Blicken den Gegner… Einige hatten dem Geschehen fassungslos zugesehen, begriffen nicht und blickten überrascht zu Maron. Zu unwirklich war die Situation und das, was die Schülerin versuchte. Doch sie spannte erneut einen Pfeil und schien nicht mehr bei Sinnen zu sein. „Maron, komm’ zu dir“, rief Link und stellte sich schützend vor Zelda. „Du weißt nicht, was du tust! Hör‘ auf damit!“ Doch die Verfluchte begann nur abartig zu kichern und spannte weiterhin den Bogen mit Mordgier, Hass und hinterhältiger Feindseligkeit. Sie lachte und ließ den Pfeil los. Das Geschoss raste direkt auf Link zu, verfehlte nur knapp sein rechtes Ohr und landete in einer Wand. Plötzlich ging der Pfeil in Flammen auf. Einige Leute kreischten, waren verblüfft über die Flammen, die wie ein Zaubertrick das vergnügliche, gewohnte Training in der Arena anheizte, und sahen sich an, als wäre dies alles nur ein Spiel. Die Menschen begriffen erst in dem Augenblick, wie ernst die Situation war, als Maron weitere Pfeile in alle Richtungen abfeuerte. Und es war dann, dass dutzende Feuerstellen entstanden. Gegenstände begannen in Flammen aufzugehen. Holzwände glühten und Eisen zerschmolz unter einem Hitzegewitter, das die Trainingsarena veränderte. Rauchwolken begannen in dem Gebäude zu tanzen. Kinder hasteten mit ihren Eltern aus der Halle. Schüler ließen alles stehen und liegen und rannten aus dem hohen Eingangstor. Wenige versuchten die Flammen unter Kontrolle zu bringen, aber nicht eine der Flammen ließ sich löschen. Das Feuer in der Halle vermehrte sich rasch, und doch wusste niemand, wie jenes entstehen konnte… und Marons Gelächter schallte in dem Raum umher. Ein wildes Angstgeschrei zerriss endlich die Luft und fast jeder rannte in Windeseile aus der Halle. Nur Link und Zelda würden nicht weglaufen. Denn das, was dabei war zu geschehen, passierte ihretwegen. Aus Rache und Blutdurst. Link ergriff den Bogen, den er selbst benutzt hatte, nahm seinen Schützling an der Hand und schleifte sie hinter sich her. Er zerrte sie aufgelöst hinter eine Bar, suchte Schutz, ahnte, dass er kämpfen müsste so wie in seinen Träumen… Vorsichtig blickte der mutige Blondschopf über die Tischkante, sah die letzten Menschen aus dem Gebäude hetzen, auch Rick war unter ihnen und warf noch einen letzten verzweifelten Blick zu Maron. Das Mädchen, das er mochte. Das Mädchen, das ein reines Herz besaß, mit Tieren sprach und die Natur liebte, hatte den Verstand verloren, metzelte sich durch das Gebäude, verunstaltete nach Belieben, lachte wahnhaft und rief nach Link und Zelda… Einmal mehr lugte Link über die Tischkante, als die glühenden Augen Marons seine tiefblauen kreuzten. ,Erneut ein Glühen‘, dachte Link. Hatte er sich die glühenden Augen seines Onkels im Polizeirevier und die glühenden Auen des Kindes am See in den Wäldern tatsächlich nicht eingebildet? Er zweifelte, denn einmal mehr zerstückelte ein Geschehnis, das die Vorstellungskraft sprengte, die Realität, die er für echt und vertraut hielt… „Link, bei den Göttern, was…“, fieberte das blonde Mädchen in seiner Nähe. Zelda stand unter Schock, krallte sich mit ihren kalten Händen an seine Arme, sah verweint und erinnernd aus. Ihre himmelblauen Augen standen starr und erzählten doch mit grausamer Wahrheit, wie vertraut dieses Ereignis war. Zitternd lehnte sie an der Theke, atmete hastig angesichts der Rauchwolken, die immer wilder im Raum umher tanzten. „Verdammt!“ Link keuchte, spürte das Beißen des Rauchs, schwefelartig, bitter und gallig. „Was sollen wir nur tun, ich kann sie doch nicht umbringen.“ Link schaute auf den Bogen in seinen Händen und dann in Zeldas verängstigtes Gesicht. „Kommt raus, ihr Narren.“ Marons Stimme klang unheimlich tief. War sie besessen? War sie ein Spielzeug von etwas, das sich Link in seinen dunkelsten Illusionen nicht vorstellen konnte? „Kommt raus, ihr, wo ich nur lebe für euch… Ihr seid mein Band in diese Welt.“ Sie kreischte, begann zu wüten, schoss Pfeile in alle Richtungen. „Wir müssen irgendwie hier rauskommen, das heißt, du musst hier unbedingt herauskommen“, sprach Link leise und zweifelnd. Seine Augen schillerten mit einem Trübsinn, den das blonde Mädchen darin noch nie erblickt hatte… da lagen Rechtschaffenheit, Pflichtgefühl… und Liebe für die eine gerechte Sache. „Ich will, dass du zum Ausgang rennst, wenn ich sage jetzt, okay?“ Zelda schüttelte selbstquälerisch den hübschen Kopf. „Ich kann nicht. Nicht ohne dich.“ Link kniff seine Augen zusammen und fuhr sie an: „Das hast du jetzt nicht zu entscheiden. Du verschwindest hier, sagte ich!“ Dann setzte er leise hinzu. „Ich will nicht, dass dir irgendetwas zustößt.“ Zelda stiegen brennende Tränen in die Augen. „Also. Wenn ich sage, Jetzt!“ Link sprang auf und sah, wie Maron, oder der Dämon, der sie beherrschte mit einer einfachen Handbewegung einige Tische umwarf. Das war nicht mehr Maron. Das war ein Monster! Als das Wesen Link im Visier hatte, nahm es den Bogen und spannte. Doch Link war schneller. „Jetzt“, rief er und feuerte einen Pfeil ab, welcher den Bogen in der Hand des Mädchens traf und ihre Waffe meterweit weggeschleudert wurde. Gerade da stieß Link seinen Schützling in Richtung des Ausgangs, sah noch wie Zelda den Ausgang erreichte und ihm ein verzweifeltes Gesicht zuwarf. Dann war sie sicher, befreit von einem Anblick aus alter Zeit und beschützt vor dem, was kam. Die Last das Böse kennenzulernen trug der Heroe nun alleine und er trug sie mit Stolz und Tapferkeit… Inmitten des Feuers erhob sich der Heroe. Rauchfetzen tanzten um seine schlanke Gestalt, nährten sich von seiner Energie und flohen doch vor seiner Furchtlosigkeit. Mit standhaftem Blick trat er näher, seine Schritte stark und fest, bis er das verfluchte Mädchen, schön war sie mit ihrem kastanienbraunem Haar, inmitten der Flammen entdecken konnte. Es war illusorisch hier zu stehen, im Angesicht eines Feindes und eines Wahnsinns, der die Welt verändern wollte. Und dennoch war es der einzige Weg… „Maron!“ Links tosender Ruf hallte durch die Halle. Er würde hier nicht herausgehen ohne das Mädchen zu retten. Er würde Maron von diesem Schwein befreien, das ihr Herz verflucht hatte. „Maron, ich bin hier. Ich werde nicht ohne dich gehen!“ Mit starkem Vertrauen an das Gute appellierte Link an den Menschen, der sie doch war, an das Gute, reine Herz, das in ihrem Körper schlug. Gerade da schickte das Mädchen, verändert von dem wahren Gesicht des Bösen, manipuliert Folge zu leisten, scharfe, beißende Blicke in Links Richtung. Sie lachte, hob beide Arme in die Höhe und schrie grausam und todbringend. „Maron ist nicht mehr hier, kleine Made. Meine Macht tritt an die Stelle von schwachen Seelen… meine Macht und Königlichkeit überdauern die Zeit… närrischer Held!“ „Wer bist du?“, sprach der Heroe todesmutig, ließ sich nicht einschüchtern, aber zweifelte dennoch an dem, was hier geschah. Maron war besessen von einer abartigen, dunklen Energie… einem namenlosen Grauen, mit dem der grünbemützte Jugendliche zu reden begann. Die Kreatur ihm gegenüber lachte markerschütternd. Marons langes braunes Haar stand in alle Himmelsrichtungen, als sie den jungen Mann fixierte. „Wer ich bin?“, donnerte ihre nunmehr nicht erkennbare Stimme durch den Raum. Ihre Stimmbänder vibrierten unecht, erschufen Laute, die an das Ende der Welt geknüpft schienen… eine Stimme, selbstherrlich und krank. „Du hast mir mein Schicksal genommen und weißt nicht, wen du vor dir hast“, zischte es weiterhin. „Schicksal!“, rief Link abwertend und machte seinen Boden einsatzbereit. Lässig spannte er den Pfeil, nicht sicher, ob er das wahnsinnige Mädchen vor sich tatsächlich angreifen sollte. Wenn nichts anderes half, entschied er, würde er sie in den Arm oder in das Bein schießen müssen… er musste sie befreien aus diesem Bann und sich selbst vor einem Angriff bewahren. Schweißperlen glitten in die tiefblauen Augen des Heroen, der sein Gesicht angesichts dieser Gedanken verzog. Er konnte Maron doch nicht verletzen! Diese Gedanken ergaben keinen Sinn! „Du redest von Schicksal!“, brüllte der Jugendliche. „Jämmerliche Kreatur, die unschuldige Menschen befällt. Was maßt du dir an dich so aufzuspielen. Du bist ein feiges Monster!“ Marons Augen glühten in einem gelben Spektakel und einmal mehr donnerte ihre entstellte Stimme nieder: „Dein freches Mundwerk scheinst du nicht verloren zu haben… Kämpf‘ ruhig, Held… kämpf‘ ruhig… für deine lächerliche Bestimmung, den Wahnwitz… und unterschätze das Schicksal, das mir zuteilwerden wird…“ Link starrte gelassen in die nun schwarzen Augen dieses Ungetüms, welches Marons Körper benutzte. „Wenn du ein Schicksal hättest, würdest du nicht andere deine Rachegelüste für dich ausführen lassen. Du bist eine feige Kreatur, schwach und dumm!“ „Du unverschämter, kleiner Held. Du weißt ja nicht, wer dir gegenübersteht und du ahnst nichts von dem, was du einmal gewesen bist.“ Link schüttelte seinen Kopf, wollte sich durch diese Worte nicht verunsichern lassen. „So, aber du Scheusal, weißt das ja… dann weißt du auch, dass ich nicht zulasse, was du mit den Menschen dieser Stadt anstellst!“ Wie ein Richter trat der Held näher, ließ sich von den tanzenden Flammen und der Grausamkeit seines Gegners nicht beeindrucken. „Ich schwöre, so wahr ich hier stehe, ich werde dich aufhalten!“ Die Kreatur lachte hämisch, grausam, dass jenes Lachen Link plötzlich lähmte wie Ketten, die man um seinen ganzen Körper gelegt hatte. Die Dunkelheit in dem Raum nahm zu. Es wirkte beinahe, als zerrten rauchige Gewitterwolken die Trainingshalle in ein düsteres Loch, welches jegliches Licht absorbierte. Es wurde immer entseelter, hier, wo vergessene Helden und niemals endendes Böses sich gegenüberstanden. Es wurde dunkel, und nur die erbarmungslose Hitze des Feuers fraß sich durch die Dunkelheit. Und gerade da, bestialisch, wie in einem Film, knallte der verfluchte Mädchenkörper nieder und aus ihr schlüpfte ein riesiger, eisiger Schatten, lief über den kalten Boden und bäumte sich vor Link auf. Der Schüler stand mit einem Schlag wie unter Schock, denn alles, was er jemals in den Träumen erfahren hatte, alles, was er über sich in dieser Realität wusste, zerbrach in dieser Sekunde. Und er wusste, dies war keine seiner Halluzinationen, keiner seiner Tagträume. Der Schatten vor ihm, glühend und grausam, war Realität… und mörderisch stark. Wie zu Stein erstarrt wurzelte Links Körper vor seinem Gegner und auch der Bogen fiel klirrend aus seiner Linken. Noch ehe der junge Mann verstand, zielte das Ungetüm mit einem Energieball, rötlich leuchtend und rauschend, auf den Helden, der nicht so schnell verstehen, reagieren oder auch ausweichen konnte und nur schützend seine Hände vor das Gesicht schlug und an die Wand gestoßen wurde. Link schrie auf, fühlte den Aufprall von feuerartigen Wurfgeschossen, spürte einen unangenehmen Schmerz in seinem Rücken und reißende Brandwunden an seinen Händen. „Du vergessener Held… alles, was du wolltest… alles, was du hofftest… ist nur ein Lügengebilde, erschaffen von deiner jämmerlichen Prinzessin. Woher nimmst du nur das Vertrauen in sie… wo sie dich nur enttäuschen kann… Leide… so wie ich leiden musste und du wirst verstehen…“ Damit kroch der Schatten die Wände entlang, immer schneller, bis er durch das Feuer und den Rauch nicht mehr sichtbar war, und dann endlich verschwand er lachend unter der Türschwelle. „Ich werde euch irgendwann beide finden und solange quälen, bis ihr vor Verzweiflung und Angst lieber sterben würdet. Ich bin nur hier wegen euch! Wir sind verbunden… über die Welten hinaus…“, zischte es noch, zischte es wie in einer unter Druck stehenden Flasche, die geöffnet wurde und übersprudelte. Und wie ein Ventil, das zerplatzte, verschwand das Böse aus der großen Halle. Marons Körper jedoch lag wehrlos auf dem Boden, wie ein Stück Bekleidung, das man weggeworfen hatte. Und Link… begreifend und entschlossen, aber auch schwermütig, stand er dort, als sich das Feuer verdichtete. Seine verletzten Hände ballten sich zu Fäusten und ein messerscharfer Blick glitt zu dem Bereich, wo der Schatten sich zuletzt aufgehalten hatte. Ein alter Teil seiner Seele murmelte. „Niemand wird leiden… außer dir… alter, kranker Mann…“ Und dann sackte er auf seine Knie, atmete schwer und warf einen erschöpften Blick zu dem bewusstlosen Körper von Maron. Er blinzelte, wollte nur noch weg hier und hatte seit langem das Gefühl, dass er tun konnte, was er wollte, er würde niemals so glücklich leben können wie andere. Dieses Böse, dieser Schatten, musste für alles Übel verantwortlich sein, welches auf ihn herabgefallen war. Er rappelte sich auf, als er außerhalb die Sirenen der Feuerwehr hören konnte. Link kam mit der bewusstlosen Maron auf seinen Armen aus der Halle und sah einige Leute um das Gebäude stehen. Polizeiwagen kamen herangefahren, sogar die Feuerwehr wurde allarmiert. Link suchte augenblicklich nach Zelda, und fand sie direkt neben seinem Cousin, mit dem sie sich aufgeregt unterhielt. Sie weinte… Als sie Link erblickte, dem Maron von einem Polizisten abgenommen wurde, und der so blass aussah wie eine Leiche, rannte sie ohne zu zögern auf ihn zu. Sie wollte ihm um den Hals fallen. Doch Link war unfähig jetzt irgendetwas zu fühlen. Er wies sie ab, sagte kein Wort, nicht einmal, als Zelda entgeistert auf seine mit Brandwunden bedeckten Hände starrte. Einige Polizisten und Feuerwehrleute rannten in das Gebäude. Auch das Feuer wurde gelöscht. Link war mit seinen Nerven total am Ende, er hatte so die Schnauze voll, von irgendwelchen unsinnigen, schmerzenden Erfahrungen… es war genug. Und weil er schwieg, weil es ihm reichte, sagte er auch nichts zu der Rettungssanitäterin, die ihn ohne Weiteres zu dem Krankenwagen schob. Lethargisch saß er auf eine Pritsche, als ein anderer Sanitäter sich seine aufgeplatzten Hände betrachtete. Seine tiefblauen Augen starrten haltlos ins Leere, wirkten beinah zornig und gefährlich. Auch Zelda, die durcheinander neben ihm stand und eine Hand auf seine Schuler legte, wusste nicht, was mit ihm los war, wie sie reagieren sollte. Er hatte sich noch nie so abwesend verhalten, und sein Blick ließ sie nervös werden. Maron wurde in den Krankenwagen geschoben, wachte einfach nicht auf und wurde von mehreren Pflegern umsorgt. Rick sah kurz nach seinem Cousin, und auch er stand völlig neben sich, hatte Tränen in den Augen und schien unsicher, was Links Blick bedeuten mochte. Er unterhielt sich kurz mit Zelda, spürte ihre Ratlosigkeit und entschied sich, Maron ins Krankenhaus zu begleiten. Link schwieg während der gesamten Fahrt ins Präsidium, wo sein Onkel Dienst hatte. Aber die Befragung auf dem Polizeirevier brachte nichts, denn Link war im Moment nur teilweise ansprechbar. Mit wenigen Worten tat Link die Sache in der Bogenschießhalle ab, erzählte kaum etwas, und wenn dann nicht die Wahrheit, und zumeist ließ er sich von seinem Onkel alles aus der Nase ziehen. Auch die wissbegierigen Reporter konnten dem Jugendlichen keine Informationen entlocken. Weitere ärztliche Hilfe schlug er aus und so traten Link und Zelda mit hängenden Schultern aus dem Gebäude des Präsidiums hinaus. In Link herrschte reinstes Gefühlschaos mit hinterhältiger Verwirrtheit gemischt. So durcheinander, wie er sich im Augenblick fühlte, so hatte er noch nie empfunden, nicht bei dem Rufen jener Stimme, nicht bei dem Erscheinen des merkwürdigen Kerls in der unbeleuchteten Gasse und auch nicht, als irgendetwas ihm diese Wunden zufügte… Er wusste nur, dass etwas geschehen würde, dem er momentan kaum gewachsen war und dem er auch nicht ausweichen konnte. Weglaufen… feige davon rennen… gab es für ihn nicht. „Link. Komm’ lass uns heim gehen“, sprach Zelda bestimmend. „Du musst nicht reden…“, setzte sie hinzu und drängte ihn nach draußen, wo mittlerweile die Sonne unterging. Zelda schleifte ihn hinter sich her, blickte beinah ängstlich in seine tiefblauen Augen, wo Stolz und Kampfbereitschaft lagen, etwas, das sie von dem jungen, fürsorglichen Mann, den sie vor wenigen Tagen kennengelernt hatte, überhaupt nicht kannte. Er sagte die ganze Zeit kein Wort, auch nicht, als sie endlich in das Haus eintraten. Link war gar nicht mehr bei Sinnen. Als Zelda mit dem Verbandskasten ins Wohnzimmer trat, mit dem Wunsch seine Hände neu zu verbinden, starrte er nur in ihre himmelblauen Augen. Zelda konnte diesen Blick nicht definieren. Link machte keine Anstalten, dass ihm irgendetwas weh tat, nicht einmal die aufgeschürften Hände. Selbst als sie niederkniete und seine Hände verband, reagierte Link nicht so wie sie ihn kennen gelernt hatte. Sein Zustand schien eine Art Trance oder Wachschlaf zu sein. „Link, so sag doch was.“ Aber er sah sie nur an, gerade so, als wäre er nicht hier und auch nicht an einem anderen Ort. Da war ein trübsinniger, und doch hoffnungsvoller Blick in diesem kühlen und doch sanften Tiefblau. ,Faszinierend‘, dachte sie. Wunderschön… Sie ertrank beinahe an diesem Blick, legte ihre zarten Hände auf seine Wangen und murmelte noch einmal eindringlich seinen Namen. „Link…“ Sie wusste nicht, was sie tun sollte um ihn aus diesem Schock zu reißen, aber war er wirklich unter Schock? Es kam ihr beinahe so vor, als brach etwas Altes und Starkes durch seine Gedanken, etwas, das sie vermisst hatte und auf eine Weise auf sie wirkte, was ihr niemals geheuer war. Es brachte ihr ganzes Gleichgewicht durcheinander. Sie räusperte sich, murmelte erneut seinen Namen und sah etwas verzweifelter in seine Augen. Was war in der Bogensporthalle nur geschehen? Link sah aus, als hätte er dem Tod ins Antlitz geblickt, als hätte er alles, was er über sich wusste, mit einem Schlag verloren. „Link“, Zeldas Stimme wurde lauter und stimmgewaltiger als vorher, denn ihre Sorge um ihn nahm zu. Aber Link tat so, als hörte er sie nicht, er schwieg, blickte sie durchdringend an, und packte ihre Hände. Er wollte ja etwas sagen, aber er wusste überhaupt nicht, wo er anfangen sollte. Es war so viel in der Trainingshalle vorgefallen, dass Link selbst nicht einmal wusste, ob er wirklich dabei war. All das vor wenigen Minuten erschien so unwirklich, so unbegreiflich und irgendwie absurd. „Bitte rede mit mir…“, sprach sie leise. „Du machst mir Angst damit…“ Dann ließ er ihre Hände wieder los, erhob sich und blieb mit geballten Fäusten am großen Terassenfenster der Wohnstube stehen. Wie hypnotisiert stand er da, blickte nach draußen, als wollte er etwas suchen. Zeldas Verzweiflung wuchs. ,Warum verhielt er sich so abweisend‘, dachte sie. Zelda schien so verzweifelt, dass sie keine andere Lösung hatte, als… Sie trat zu ihm heran, war sich nicht sicher, ihn zu berühren, als er sich aber umdrehte. Dennoch starrte er ins Nichts, als wartete er darauf, dass Zelda etwas tat. Sie kniff die Augen zusammen, ballte ihre rechte Faust kurzzeitig und gab Link dann eine gewaltige Ohrfeige. Der junge Held zuckte zur Seite, stieß einen bedrohlichen Laut aus seinem Mund, und rieb dann mit einer Hand die Stelle, auf der Zeldas Handabdruck zu sehen war. Link schloss die Augen, blinzelte dann und sah sie noch geschockter an als vorher. „Zelda…“, war alles, was er sagte. „Was ist los mit dir…“, sprach sie nervös. „Was meinst du?“ Etwas verärgert rieb er sich seine rechte Wange. „Du hast dich so sonderbar verhalten… und…“, meinte sie, als sie das Unverständnis in seinen Augen sehen konnte. „Ich musste doch nur einen Moment nachdenken über das… alles…“, erwiderte er. Gerade da ließ sich das blonde Mädchen verzweifelt auf das Sofa sinken, vergrub ihr Gesicht in den Händen und schluchzte leise. „Zelda…“, sprach Link entgeistert und wusste nicht so recht, was eigentlich los war. Er hatte mit den Polizisten geredet, hatte sich sogar irgendeinen Unfug zusammengereimt, der einigermaßen plausibel klang und wusste nur noch, dass sie in aller Ruhe nach Hause getrottet waren. Warum war Zelda nun so verzweifelt? Fehlten ihm ein paar Augenblicke? Etwas schuldbewusst kniete Link nieder und hob Zeldas Kinn nach oben. Er sah die Tränen in ihren himmelblauen Augen und Bruchteile von Angst… „Hey…“, sprach er. „Kann ich…“, setzte er hinzu, aber der Gedanke entfiel ihm augenblicklich. „Zelda… weißt du…“ Er stutzte, als sie noch einmal schluchzte und die Nase hochzog. „Jetzt habe ich die zweite Ohrfeige von dir bekommen… und ich schätze, auch diese war berechtigt…“, meinte er dann, worauf sie kurz auflachte. „Nein… vielleicht habe ich überreagiert“, meinte sie dann und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Es tut mir leid, Link…“ „Mir auch…“, entgegnete er und ließ sich neben ihr auf dem Sofa nieder. Er atmete tief durch und spürte erstmals die Wunden an seinen Händen brennen. „Nicht nur… weil ich scheinbar irgendwie abweisend war… sondern… weil…“ Er machte eine kurze Pause, seufzte und erinnerte sich mit einem unangenehmen Bauchgefühl an die Ereignisse. „Ich habe dich in schreckliches Elend gestürzt… und in Gefahr gebracht. Wir hätten niemals in die Trainingshalle gehen sollen“, flüsterte er und lehnte sich zurück. Erneut war da ein Schimmer von Zorn und Wut in seinen Augen. „Du… du hast mich nicht in Gefahr gebracht… Du hast mir das Leben gerettet. Nun schon zum dritten Mal…“ Sie spielte mit ihren Händen und verkrampfte sich bei diesem Gedanken. Wie sollte sie jemals wieder gut machen, was er alles für sie getan hatte? „Es wird weitergehen…“, meinte Link und stützte den Kopf in die Hände. „Link, ich verstehe nicht…“ „Etwas wartet da draußen nur darauf uns fertig zu machen, unser Leben zu zerstören, er wird uns finden…“ „Wer?“ „Ich weiß es nicht.“ Stockend kamen die Worte über seine blassroten Lippen. Zelda blickte in Links Augen, die nun wieder ganz normal schienen. Ja, langsam kam seine Kraft und der Mut, der in seinen Augen verborgen lag, zurück. Sie rückte näher, nahm seine aufgeschürften Hände und streichelte diese. Dann endlich erzählte er ihr alles, was in der Halle vorgefallen war. Und sie war die einzige, die es wissen durfte… die einzige, die verstand… Als seine Worte endeten, brauchten beide einige Minuten um das alles sacken zu lassen… Zelda verschwand im Badezimmer und duschte sich. Link machte sich über den Kühlschrank her… „Wir müssen sehr vorsichtig sein“, sagte Link ein wenig später und rieb sich immer noch die malträtierte Wange, als Zelda aus dem Bad kam. „Du hast einen ganz schönen Schlag drauf, weißt du das?“ Anstatt darüber zu lachen, lächelte sie und bewegte sich auf ihn zu. Sie lehnte ihre Stirn gegen seine und sah ihm fest in seine Augen. „Sag’, hat mein Lebensretter mir nicht irgendwelche Dinge verschwiegen?“ Link konnte sich nicht herauswinden. Es gab vieles, was er ihr noch nicht erzählt hatte- einerseits um sie zu schützen- andererseits, weil er einige Dinge noch niemanden erzählt hatte. „Ja, das habe ich.“ Da Zeldas Augen so nah waren, hatte es keinen Zweck weiterhin irgendetwas verheimlichen zu wollen. „Rick erzählte mir, du…“ „Rick?“ „Du hättest von mir geträumt, lange, bevor wir uns überhaupt begegnet sind…“, sprach Zelda und schaute ängstlich weg. Sie war froh, dies endlich gesagt zu haben, aber fürchtete sich ein wenig vor den Konsequenzen. Geschockt sah Link auf, wies sie ab und lief ans Fenster. Er war sich uneins mit dem Gedanken und dem Wunsch ihr endgültig alles zu erzählen. Aber wer sonst sollte es verstehen, wenn nicht sie? „Nun… es ist nicht so einfach…“ „Das ist es nie…“ „Nein, nicht für uns…“ „Niemals für uns…“, sagte sie leise. „Möchtest du meine Geschichte hören?“ Sie nickte nur, aber Link konnte spüren, das ihr nicht wohl dabei war. „Es war vor zwei, drei Jahren“, begann er zu erzählen. „Unser Kurs machte gerade Exkursion, das heißt, wir hatten eine einwöchige Klassenfahrt durch das Land, um verschiedene Museen zu bestaunen und einen Aufsatz darüber zu schreiben. Ich musste mir mit Rick ein Zimmer teilen und war eigentlich froh darüber. Damals hatte er mir auch von einem Spiel erzählt, das ich unbedingt spielen müsse, weil… der Held in der Legende genauso hieß wie ich. Ich lachte damals darüber, fand den Gedanken irgendwie erheiternd und machte mich darüber lustig. Später sah ich mir Illustrationen davon an und wollte nicht wahrhaben, dass jene Figur mir nicht nur vom Namen her ähnelte. Es war verrückt… aus irgendeinem Grund gestalteten die Gamedesigner ihn so, als hätten sie mich als Vorbild. Es war ein kranker Gedanke, den ich damals nicht ernst nahm. Dann sah ich mir Bilder der Prinzessin an, von der ich mir irgendwie einbildete, ich hätte sie schon einmal gesehen. Ich wollte das Alles nicht verstehen und ignorierte es. In der Nacht in jener Jugendherberge wachte Rick in der Nacht auf, da ich im Traum redete… Am nächsten Morgen hat er mich dann diesbezüglich zur Rede gestellt. Ich erzählte ihm alles, restlos alles. Dass ich fast jede Nacht mit einem Schwert in der Hand durch irgendwelche Tempel krieche, auf der Suche nach irgendetwas Wichtigem. Ich sagte ihm, welche Monster ich getötet hatte, welche Dämonen sich mir in den Weg stellten, die ich alle… mit diesen Händen… kaltblütig und grausam… hingerichtet hatte.“ Link lief dann nervös in dem Raum auf und ab, kniff seine Augen zusammen und fluchte leise vor sich hin. Warum hatte er ihr diese ganze Geschichte jetzt erzählt, obwohl er sich einst schwor, diese Sache niemandem mitzuteilen, es sei denn es wäre unabdingbar und richtig? Zelda beobachtete ihn nur und wusste nicht, wie sie ihm sagen sollte, was er in ihr erweckte. Es erschien ihr unbeschreiblich. Die Art und Weise, wie sie sich von ihm angezogen fühlte. Die Art und Weise, wie er sie ansah… diese tiefblauen Augen. Kannte sie ihn vielleicht doch in ihrem wahren Leben? „Ich erzählte ihm auch vor wenigen Tagen, dass ich den Eindruck hatte, eine Stimme rief nach mir und das ich mir einbildete, verrückt zu werden. Nur dadurch verschwand diese Stimme nicht. Eine Mädchenstimme- zuerst im Traum, dann in der Realität. Und dann bist du aufgetaucht… und… ich fand…“ Er suchte ihren Blick, erkannte Zweifel und Furcht darin. „… ich fand die Stimme, die mich rief, in deiner.“ Stille. Was sollte jetzt auch gesagt werden, nun, da Worte weh tun konnten. Zelda ließ sich wieder auf das Sofa sinken und stützte entsetzt ihren Kopf in ihre Hände. Sie sah auf, begegnete seinen Blick, und las noch mehr Unsicherheit darin, als sie bisher verspürte. Link lief langsam auf sie zu, so trügerisch waren seine Schritte, als könnte er sofort in entgegengesetzter Richtung laufen. Er kniete vor ihr nieder und murmelte, während er versuchte ihrem Blick standzuhalten, forderte Ehrlichkeit und Vertrauen. „Ich wollte… dich damit nicht verletzen, Zelda“, begann er und rechtfertigte, was er ihr offenbarte mit dem Wunsch, ihr niemals zu schaden. „Du hast mich nicht verletzt, nur… verunsichert, Link.“ „Manchmal… hatte ich das Gefühl, ich wäre das Monster, das…“ Sie legte ihren rechten Zeigefinger auf seine Lippen. Er sah sie an, erst überrascht, dann verträumt. „Du bist kein Monster… Du bist…“ und sie ahnte nicht, welche Folgen es haben könnte, würde sie hier ihre Gedanken preisgeben und ihm davon erzählen, was er auf seine Weise für sie war. Ein wunderbarer, fürsorglicher Freund. Der beste Freund, den man nur haben konnte. Und dennoch… aus welchem Grund sollte sie ihm verschweigen, was sie dachte. Murmelnd gab sie preis: „Du bist der liebste und selbstloseste Mensch, der mir jemals begegnet ist und, den ich kenne… Link.“ Sie lächelte scheu, stand auf, kam sich nun ziemlich dumm vor und drehte sich weg. Sie legte ein wenig schockiert über sich eine Hand auf ihre, für sie wohl gefährlich- offenbarende Klappe. Die Art und Weise, wie sie seinen Namen sagte, erinnerte ihn erneut an jene Stimme… es war ihre Stimme. Wie konnte das nur sein? Ihre Stimme hatte nach ihm gerufen… ihre reine, glockenhelle Stimme… Link begriff nicht, was hier dabei war zu passieren. Zelda, wenn dies tatsächlich ihr Name war, vertraute ihm und er vertraute ihr… Wie konnte das geschehen innerhalb weniger Tage? Immerhin kannten sie einander nicht. Diese ganze Gefühlswallung in ihm, die Gedanken, die er hatte, wenn sie in der Nähe war… noch nie war ihm so etwas in der Gegenwart eines Menschen passiert. In ihm schlummerte dieser stille Wunsch, sie festzuhalten, damit sie nicht mehr weglief. Aber warum? Warum vernebelte sie seine Sinne in dem Maße? Seine tiefblauen Augen waren wie gefesselt von ihr, und ließen sie nicht aus dem Blickwinkel. Sie verstand ihn… und als ob es das erste Mal wäre, dass Link wirklich von jemandem verstanden worden war, garte in ihm der Wunsch, ihr dafür zu danken, dass sie zuhörte, dass sie ihn beruhigen konnte und in sein jugendliches, aber mit Sorgen belastetes Herz gesehen hatte. Er wollte ihr irgendwie dafür danken, mehr als nur mit Worten… Tief einatmend und sich selbst ein wenig Mut fassend, lief Link zu ihr und legte sanft seine Hände auf ihre Schultern. Nur mühsam und unter Aufbietung alles erdenkbaren Selbstvertrauens, sagte Link: „Danke, du weißt nicht, wie sehr du mir geholfen hast. Danke, Zelda…“ Sie drehte sich um und lächelte verlegen. Link erwiderte das Lächeln, versuchte seine zunehmende Aufgeregtheit zu überspielen, das Gefühl der Anspannung zu verdrängen und seinen schneller rasenden Puls zu überhören. Sie machte ihn zappelig, unzurechnungsfähig, ließ ihn zu einem gehirnlosen Trottel werden und brachte ihn dazu, das Unmögliche zu tun. Was zum Henker tat sie und wie im Namen des Himmels brachte sie seine gesamte Existenz so zum Wanken? Zelda flüsterte dann: „Du hast mir noch etwas verschwiegen, nicht wahr… etwas, dass nur dich betrifft.“ „Ja, weißt du es etwa?“ „Mmh… ich fühlte es.“ Link war verblüfft, sie kannte ihn und schien sogar seine tiefsten Geheimnisse zu kennen. Link wurde adoptiert. Seine Eltern starben als er noch ein Baby war in den Flammen eines Hauses. Man hatte von Brandstiftung gesprochen und Link hatte sich geschworen, die Schuldigen zu finden. Und Zelda hatte es irgendwie herausgefunden, ob sie nicht vielleicht doch seine Gedanken lesen konnte, oder an Orte seiner Seele gelangt war, von denen Link nicht einmal wusste, dass sie existierten. „Du sag mal, diese Frau, die wir am See getroffen haben, glaubst du, sie weiß irgendetwas über diese dunkle Energie?“ „Du meinst Naranda Leader?“ „Ja, genau. Sie hat solche seltsamen Bemerkungen gemacht, als du das Kind gerettet hast.“ „Stimmt! Ich denke, wir werden ihr Morgen einen Besuch abstatten, was hältst du davon?“ Link grinste und Zelda, überglücklich, dass es ihm wieder besser ging, strahlte ihn an: „Okay, wir werden sie morgen mal aufsuchen!“ „Und heute? Was wollen wir heute noch machen? Es ist zwar schon sieben Uhr, aber der Abend ist noch lang.“ „Wenn ich ehrlich bin…“, sagte sie und machte es sich auf dem Sofa so richtig gemütlich. „… dann würde ich viel lieber faulenzen.“ Sie legte ihre Beine hoch und ließ ihren Kopf auf einer Lehne niedersinken. Nach solch einem Tag war Faulenzen die beste Medizin. „Klingt gut. Ich schließ’ mich dir an“, entgegnete er und setzte sich auf den freien Platz des Sofas, der noch übrig war. Auch Link streckte alle viere von sich, genoss die Ruhe, genoss Zeldas Anwesenheit. Sie hatte ihre Augen geschlossen. Wollte sie jetzt etwa schlafen und ihre Ruhe haben? ,Wie langweilig und deprimierend‘, dachte Link. Selbst nach einem solchen, schrecklichen Tag, ließ er sich seine Laune nicht verderben. Die schrecklichen Erlebnisse des Tages versanken langsam in den Gebilden der Erinnerung. Link hatte eine Idee… Zeldas zarte Füße waren in unmittelbare Reichweite. Er kroch auf dem Sofa ein wenig näher an sie heran und ließ seine Fingerspitzen spielerisch über die empfindlichen Stellen ihrer Fußballen wandern. Zelda kreischte auf und lachte dann. „Bist du kitzlig, Zelda?“, sagte er. Aber sie antwortete nicht sofort, sondern kicherte weiter. Sie wusste, vor seiner niederträchtigen Gemeinheit konnte sie nicht entkommen. Sie zog ihre Füße weg und richtete sich ebenso auf. Aber Link stoppte seine Späße nicht. Grinsend bewegte er sich auf sie zu und kitzelte sie unter ihren Armen. Zelda lachte weiter, vergnügte sich in gegenseitigen Kitzelattacken und im Gegenzug ärgert sie jetzt Link. Hinterhältig zwickte sie ihn in seine rechte Seite und hörte eine Art Fluchen aus seinem Mund, das sich gleich wieder in munteres, erfreutes Lachen wandelte. Inzwischen lagen sie auf der Couch nebeneinander, Zelda rechts von Link, und ärgerten sich gegenseitig, kniffen sich, lachten und genossen die Nähe des anderen. Es war ein leichter Heilzauber, der nach diesem Tag auf beide Kinder des Schicksals niederging… es tat so unheimlich gut zu lachen… gemeinsam… Nach vielen Minuten, was eine Ewigkeit schien, hörte Link auf, die neben ihn befindliche, kichernde Zelda noch mehr in ihre ausweglose Situation zu bringen und stoppte seine kleinen Gemeinheiten. Leicht über sie gebeugt, blickte er in jenes kristallfarbene Blau ihrer Augen und meinte: „Gibst du auf?“ Sie schüttelte mit dem Kopf und lächelte so wunderbar wie noch nie. Link piekte sie frech in ihre wohlgestaltete Nase und ließ seine linke Hand sanft an ihrer Wange, bis hin zu ihrem rechten Oberarm hinab wandern. Ein wenig fester umfasste er ihn und murmelte: „Und jetzt?“ Sie wendete ihren Kopf zweimal von links nach rechts und schmunzelte. Daraufhin packte Link auch ihrem anderen Arm und hielt ihn fest. „Aber jetzt musst du aufgeben, Zelda“, sagte er grinsend. Sie konnte sich zwar nicht mehr rühren, doch wieder lachte sie nur. Sie begann herum zu zappeln und quietschte, als Link sie wieder unter ihren Armen kraulte. Sie zappelte solange, bis sie mit Link auf dem Fußboden landete. „Ich gebe auf“, hauchte sie mit ihrer herrlich süßen Stimme unter ihren Lachkrämpfen und drehte sich zu Link um, der neben ihr mit dem Gesicht auf dem Teppich lag und nichts mehr sagte. „Link?“ Sie richtete sich auf und legte es drauf an. Sie zwickte und piekte ihn nun an seinem gesamten Oberkörper. Kreischend bewegte er diesen aufrecht und drückte Zelda sachte gegen das unterste Couchteil und saß direkt vor ihr, sah in ihr makelloses Gesicht und fühlte so viel, allein durch einen Blick in ein ausdrucksvolles Gesicht, ein Lächeln, welches ihm so viel sagte. Ein angenehmes Gefühl durchströmte ihm, etwas, was er noch nie empfunden hatte und ohne jegliche Vernunft legte er seine starken Arme um sie und zog sie an sich. Perplex standen Zeldas Augen weit offen. Ein wenig fassungslos rührte sie sich nicht mehr und ließ die Umarmung einfach über sich ergehen. Was geschah hier? Wieso passierte das? Und warum schon wieder… so aus heiterem Himmel… So vertraut. So angenehm… fast erinnernd… Link löste sich von ihr und stand abrupt auf. Ein leises „Entschuldige“ aus seinem Mund änderte jedoch die Situation nicht, machte nicht rückgängig, was er sich gerade eben erlaubt hatte. Noch einmal sagte er: „Entschuldige…“ und ging schnell, ohne zurückzublicken aus der Wohnstube hinaus. Kapitel 13: Fluchworte des Bösen -------------------------------- In aller Gemütlichkeit, völlig zufrieden und irgendwie entspannt, saß Link abends vor dem Fernsehen. Es war noch nicht zu spät und das Fernsehprogramm war eigentlich erträglich. Ein toller Film lief gerade. Eine Mischung aus Abenteuer, Action und Liebesgeschichte, der ihn irgendwie interessierte. Den Titel hatte er schon längst wieder vergessen, war ja auch unwichtig, aber es waren die einzigen Filme, die ihn einigermaßen interessierten. Einprägsame Bilder von faszinierenden Schwertkämpfen liefen vor Links Augen ab und er fieberte mit. Mit jedem Schwertstreich, mit jedem Kampfschrei, mit jedem Tropfen Schweiß, den der Kämpfer dabei hinterließ. Ja, das waren Kämpfe… das war Eleganz… und Würde… Ein kurzer Gedanke an ein Telefonat mit seiner Mutter kam auf. Meira hatte vorhin ganz aufgelöst und hysterisch angerufen, wurde von Onkel Jonas über den sonderbaren Vorfall in der Trainingshallte unterrichtet und hatte Todesängste ausgestanden bei dem Gedanken daran, dass jemand ihrem Link-Schatz die Hände blutig geschlagen hatte. Erst nach mehreren Minuten schien Meira ihm zu glauben, dass alles okay war und hatte genauso hysterisch wieder aufgelegt. Link lachte kurz auf, es war ja schön, dass er Eltern hatte, aber konnte seine Mutter sich nicht ab und an einfach etwas gelassener verhalten? Natürlich hatte sie sich auch nach Zelda erkundigt, und auch da hatte Link gelogen… Er hatte behauptet, dass es ihr wunderbar ging, aber das war nicht richtig… das würde es vielleicht nie sein… Zelda hatte sich schon vor Beginn des Filmes schlafen gelegt, war auffällig müde heute gewesen und er wusste, dass sie Erholung brauchte, erst recht in ihrer scheinbar ausweglosen Situation. Wie mochte man sich fühlen, wenn alles, was selbstverständlich war, wenn alles, was man liebte, alles, was Beständigkeit gab, schattenhafte Bilder in den Gedanken waren und die Erinnerungen fehlten? Er wollte verstehen, wie es ihr ging, aber auch sie wusste, dass er es einfach nicht konnte. Grübelnd hockte Link im Schneidersitz auf dem Sofa, wollte eigentlich ein bisschen abschalten und den Film schauen, aber der Gedanke an Zelda ließ ihn unruhig werden, der Gedanke an sie machte ihn halb wahnsinnig… Er machte sich Sorgen um sie, um das Wesen, das in ihrem zerbrechlichen Körper steckte, um diese sanfte, wunderschöne Seele, die es nicht verdient hatte zu leiden. Zelda… Kaum dachte er an sie, konnte er nicht anders und lief in das obere Stockwerk, öffnete leise die Tür des Gästezimmers und schlich hinein. Die Schreibtischlampe brannte noch, schickte einen besinnlichen Schein in den Raum und zog als erstes Links Aufmerksamkeit auf sich. Langsam lief er hinüber und sah einige Zettel darauf verstreut. Papier mit einer wunderschönen, sehr eleganten Handschrift mit vielen Bogen und einer faszinierenden Eigenheit. Diese Schrift gehörte sicherlich nicht in die gewöhnliche Menschenwelt… Link drehte sich um und sah seinen Gast ein Kissen umarmend in dem Bett liegen. Ihre einzigartige Schönheit ergriff Besitz von seinen Augen. Und er konnte sich kaum dagegen wehren… Sie war ein wunderschöner Mensch, nicht nur ihre Schönheit, nicht nur ihr Äußeres… Ein sanftes Lächeln umspielte Links Lippen und der verträumte Ausdruck in seinem Blick kehrte zurück, nahm seinen Eigentümer gefangen. Er lief langsam hinüber zu dem zerwühlten Bett und blieb nur wenige Zentimeter vor Zeldas schlafendem Körper stehen. Zelda schlief ganz ruhig, friedlich und zufrieden. Link beugte sich über sie und streichelte ihre Wangen und strich einige honigblonde Haarsträhnen aus dem Gesicht. Wie bildhübsch sie doch war. Warum nur trachtete man ihr nach dem Leben? Langsam ging er wieder zu dem Schreibtisch, um dort das Licht auszuschalten, als sein Blick aber noch einmal auf diese wunderbare Handschrift fiel. Ob er das Recht besaß, diese Sätze zu lesen? Seine Neugier siegte und Link setzte sich einige Minuten auf einen Stuhl vor dem Tisch. Es war schwierig ihre Handschrift zu entziffern, aber nach einigen Minuten lasen sich die Zeilen dann von ganz alleine, vielleicht wusste Link um diese Handschrift, ohne es zu verstehen. „Sehend wandelte ich in der Dunkelheit, der Erbarmungslosigkeit von tausend Nächten und doch sah ich nicht, was ich sehen sollte. Mir selbst entrinnend, schweigen sogar die Gedanken, die mir übermittelt, die mir gegeben, da ich wissen sollte. Und irgendwo, am Rande jeglicher Gesetzmäßigkeit verfiel ich der Schuld, die ich doch trage. Dunkelheit, Finsternis, gemischt mit dem Gestank giervoller Dämonenseelen, verhext von eisigen Händen, die sterbliches und ewiges Leben stahlen, beschmutzt von blutendem Schein, dort wandelte ich… Trockenes Gras unter meinen Füßen, philisterhaft und kalt, reißt an der Haut meiner Füße, schlitzt an meiner Selbst, da jenes Gras leben sollte. Die Dunkelheit entriss es ihm, entriss ihm den Saft des Lebens. Ein Bild dieser weiten Wiesen, als jene farbigen Bänder Leben in sich trugen, als Kinder über die alten Wiesen tobten, als Schlachten auf jenen weiten Grasflächen geschlagen wurden, rüttelte in meiner Seele. Wunden trägt diese Landschaft jetzt, die nie wieder heilen werden. Mörderischer Wind wehte mir ins Gesicht, schrie mich an, ich sollte kämpfen, flehte mich an, meine Pflicht zu tun, die ich nicht tun konnte, da ich versteckte, was mein Gesicht sagen wollte. Meine Pflicht… ich besaß diese Pflicht… Ich bin mir selbst so fremd, erkenne den untrüglichen Sinn nicht, verfremde mich mit jeder schweigenden Sekunde, die mein wahres Ich gefangen ist in der Schuld, weggelaufen zu sein. Mein Blick, der doch nicht der meinige ist, da er versteckt, in den Augen gefangen hält, was ein Fluch ist… Etwas zwang mich niederzuknien, atemlos, erschöpft, sank ich auf meine Knie und berührte das verstaubte, leblose Gras auf jenen einst so blühenden Hügeln und doch ist da nichts in mir. Ich fühlte eine Träne über meiner Wange. Mehrere Tränen fielen hinab und wurden vom rissigen, toten Erdboden aufgesaugt. Das winzige Leben eines empfindenden Wassertropfens erlosch angesichts der Grausamkeit jener Finsternis und nur ich… fand die Schuld. Erstarrtes Blut am Horizont, schrecklicher Tod und Verzweiflung ohne Namen beherbergen diese Welt in meinen Träumen und dennoch sehe ich nicht… ich fühle nicht… und ich lebe nicht…“ Entsetzt legte Link den Zettel beiseite und drehte sich zu dem schlafendem Mädchen in dem riesigen Ehebett um. Er fühlte eine beißende Traurigkeit in sich zunehmen, fühlte einen gemeinen inneren Druck und Angst um dieses Geschöpf. Ihre Träume… sie schienen noch grausamer zu sein, als seine eigenen und die Art und Weise, wie sie beschrieb, was sie empfunden hatte, was sie verstehen wollte, weckte nicht nur Mitgefühl in Link, sondern das Gefühl, ihr diese Träume abzunehmen. Link löschte das Licht und ging wieder aus dem Zimmer und legte sich jetzt ebenfalls schlafen. Mit einem letzten Gedanken an Zelda schlief er ein, hoffend, dass sie in Zukunft nichts so Schreckliches mehr ertragen musste, dass alles gut werden würde. Zufrieden und laut gähnend wachte das blonde Mädchen in dem Gästezimmer aus ihren Träumen. Sie umarmte verträumt ein Kissen und rieb sich dann den trockenen Sand aus den Augen. Der Traum dieser Nacht schwirrte noch durch ihren Kopf, ehe sie sich darauf besann, wo sie war, was die letzten Tage geschehen war. Sie hatte von Link geträumt, und es war ein angenehmer Traum gewesen… Ein Traum, den sie aber lieber verdrängte. Denn es ergab keinen Sinn, jene Träume waren so real, aber auch keineswegs in diese moderne Welt zu verpacken, dass es sie teilweise ängstigte, aber auch faszinierte. Sie hatte geträumt, sie würde sich gemeinsam mit ihm über eine riesige, wunderschöne und so ungeheuer lebendige, weite Landschaft von zwei starken, muskulösen Pferden tragen lassen. Eine Landschaft, die ihr Herz zum Beben brachte. Denn alles dort lebte, pulsierte, und atmete… Sattgrüne Gräser, die verspielt im Wind wippten… gleißende Sonnenstrahlen, die das Leben in jenem Land verzauberten und ihr ein Gefühl von ewigwährendem Frieden schenken konnten… und dieses Tal vor den größten Bergen, die sie je gesehen hatte… märchenhaft… Vielleicht, so schlussfolgerte sie, träumte sie von ihm, weil Link sich ihr gegenüber so vertraut verhielt, vielleicht aber auch nur, weil sie ihn irgendwie… toll fand. Sie öffnete ihre kristallblauen Augen vollständig und tat den Gedanken an Links Charme, sein unverbesserliches Grinsen und die hypnotisierenden tiefblauen Augen ab, als sie merkte, dass sie angesichts des Gedanken verlegen wurde. Sie streckte sich und tapste in dem dunkelroten Pyjama barfuß die Treppen hinab. Die Sonne ging gerade erst auf, was bedeutete, dass Link sicherlich noch schlief. Zerstreut trat die hübsche Dame vor die Haustür, fühlte Kühle und Frische, als der morgendliche Wind ihr entgegenschlug. Ihr blondes, ungekämmtes Haar wehte in alle Richtungen. Ein jugendlicher Fahrradfahrer kam vorbei und starrte die Jugendliche eine Weile an, verpasste eine Abbiegung, als er ihr hinterher blickte und flog kurzum von dem Fahrrad, als er über eine Kante raste. Mit rotem Kopf stand er auf und schien zu grübeln, was jene Lady in dem Hause Links tat. Anscheinend wusste er, wer hier wohnte. Er nahm das verbeulte Fahrrad und schob es fluchend die Straße hinab. Zelda lächelte entzückt, fühlte sich mit jeder Minute, befreiter, zufriedener und einfach nur in der Stimmung lauthals loszulachen… Dann nahm sie endlich die Morgenzeitung aus dem Briefkasten und marschierte zurück in das Haus. Sie deckte den Tisch mit Tellern, Teetassen und Besteck und räumte die Spülmaschine aus. Manche Dinge wusste sie nirgendwo einzuordnen, aber das war sicherlich nicht so schlimm… Als sie nichts mehr mit sich anzufangen wusste, hüpfte sie lächelnd in Links Zimmer. Doch der Gute lag ausgebreitet auf seinem Bett, hatte die gesamte Federdecke meterweit von sich weggeschoben und schwelgte noch in seinen Träumen. Nur begleitet in einer dunkelgrünen Schlafanzughose fühlte sich Zelda vielleicht sogar ein wenig unpässlich, ihn hier einfach so… ohne sein Wissen… zu beobachten. Ein komischer Laut entkam dann seiner Kehle und Zelda dachte schon, er würde aufwachen. Zumindest hoffte sie es, weil sich dann ihre Langweile legen würde. Während sie ihm zusah, als er träumte, tief einatmete, war da wieder das Gefühl, der angenehme Gedanke, ihn ein Leben lang zu kennen. Es war irgendwie alles an ihm… nicht nur das Aussehen, sondern eher sein Charakter, dieser Edelmut, dieser beinahe hitzköpfige Mut. „Und so kenne ich dich doch…“, flüsterte sie. Und sie hatte einmal mehr das Bedürfnis durch die goldblonden Haarsträhnen zu streichen, die an seiner Stirn hinab fielen. „… wir kennen uns doch…“, sagte sie sanft. Grinsend hüpfte sie dann wieder aus dem Raum und platzierte sich vor dem Fernseher. Stunden später. Zelda machte gymnastische Übungen, die aus der Sicht eines Beobachters sehr seltsam anmuteten, als ob man ihr einst kämpfen beibrachte, während Saras irische Musik durch das Wohnzimmer dröhnte. Sie spürte es… Kampfeslust… mit jeder Bewegung, die das Blut schneller durch ihren Körper pumpte. In dem Augenblick wurde die Hi-Fi- Anlage in der Stube ausgeschaltet und Link stand gaffend in seiner Schlafanzughose daneben. „Wow. Du bist eine Kämpferin“, sagte er und schien noch beeindruckter von ihr als jemals zuvor. Zelda grinste verräterisch: „Und du bist ein Kämpfer“, meinte sie und hatte plötzlich irgendwie das Bedürfnis in Links Arme zu stürmen. Warum, wusste sie nicht. Es war nur so ein Gefühl, als ob er ein Freund wäre, den sie Jahrzehnte nicht gesehen hatte und gerade dieser Freund wieder vor ihr stand. Nur ein Gefühl aus der Vergangenheit… ein Gedanke an etwas, was sie irgendwann lernen sollte, zu vergessen. „Lass’ uns doch frühstücken“, meinte sie und lächelte ihm tiefsinnig entgegen. Aber noch ehe sie in die Küche hasten konnte, packte Link sie zaghaft am Handgelenk. Er schenkte ihr ein Grinsen und murmelte dann leicht scheu: „Ich bin so froh, dass du hier bist.“ Am liebsten hätte er sie im Augenblick an sich gezogen, aber welchen Grund gab es dafür? Warum fühlte er diese unglaubliche Zusammengehörigkeit Zelda gegenüber… „Ist wieder alles okay… nach gestern… ich meine in unserer Freundschaft…“, murmelte er leise. Sie nickte, würde ihm wohl jede noch so grobe Tat verzeihen, und konnte irgendwie nicht anders, als sich auf ihre Zehenspitzen zu stellen und ihm einen kleinen Kuss auf seine Wange zu drücken. Als ob es eine Selbstverständlichkeit wäre und sie dies ihr Leben lang getan hatte. „Es ist alles okay… Danke“, murmelte sie und lief in die Küche, wo Kräutertee duftete. Link aber stand mit vor Schreck aufgerissenen Augen noch in der Stube und rührte sich nicht. Zaghaft berührte er die Stelle, an welcher Zelda ihn küsste und hatte das Gefühl seine Beine wollten nachgeben. Grinsend tapste er in die Küche und setzte sich einer strahlenden Zelda gegenüber. Er wusste nicht, was er sagen sollte und grübelte nach einem Gesprächsthema, während sie die Tassen mit Tee füllte. „Ich wünsche mir, du würdest für immer hier bleiben“, sagte er dann und schaute auf den leeren Teller vor seiner Nase. „Ich wünschte, ich könnte es“, entgegnete sie leise und dachte heimlich an den Preis, den sie dafür zahlen müsste. Ein mögliches Leben ohne Erinnerungen. Aber waren ihre Erinnerungen, die sie allmählich fühlte, es denn überhaupt wert, erinnert zu werden? Da war Grausamkeit in der Vergangenheit… Hass… Pflichten, die sie zu einem kalten Menschen werden ließen… All das fühlte sie, fürchtete sie mit einem Blick in den Spiegel und mit den Bildern in ihren Träumen. „Hast du Alpträume?“, murmelte Link und scheute weiter ihren Blick. Sie stand auf und wich ihm aus. „Ich…“, fing sie an, hatte nun die gute Laune von vorhin verloren. „… bin nicht mehr hungrig. Mach’ du doch schon mal Frühstück… ich gehe nur kurz… ins Gästezimmer.“ Link spürte irgendwie, wie anstrengend es für sie sein musste, sich herauszureden und gleichzeitig bereute er seine Neugierde. Auch wenn sie nun Freunde waren, er konnte nicht einfach ihre tiefsten Geheimnisse ausfindig machen… Damit verschwand sie trübsinnig im ersten Stockwerk. Link krallte sich derweil die Morgenzeitung und glaubte dabei, aus allen Wolken zu fallen. ,Schülerin der Oberstufe bedroht unschuldige Menschen aufgrund Eifersuchtsattacke.’ Ach du Schreck, Maron. Links blaue Augen kullerten beinah aus den Höhlen. Entsetzt las er den Titel erneut. Tatsächlich… ,Maron wird nun beschuldigt, die Menschen in der Halle in Gefahr gebracht zu haben‘, dachte Link und fühlte Bitternis allein bei dem Gedanken an den monströsen Schatten von gestern… so viel Kälte… so viel Hass. Ob er nun wollte, oder nicht, er musste mit Zelda darüber reden. Auch wenn es sie noch trübsinniger machen sollte, als seine Frage nach ihren Alpträumen. Sicherlich tat es ihm leid, und sogar ein wenig weh, in der Herzgegend, dass er sie damit belasten musste. Aber Zelda war schließlich in diese Sache verwickelt und sie hatte genauso wie er erfahren, was es hieß, Unglaubliches zu erleben. Er hatte keine Wahl als mit ihr darüber zu reden und vielleicht half es ihr, damit fertig zu werden. ,Aber vorher‘, so dachte Link, könnte er sich in aller Ruhe seine kühle Morgendusche gönnen. Nach dem Frühstück huschte er dann ins Bad, vergaß nur blöderweise die Tür abzuschließen… Mit melancholischem Blick stand das blonde Mädchen in dem Gästezimmer, als sich vor ihrem Geiste das Mobiliar veränderte. Teure, aus dunklem Holz bestehende Schränke mit Verzierungen gaben sich ihr preis. Der Teppichboden verschwand und wandelte sich in weißen Marmorboden. Das Ehebett wich einem mit Seide bedeckten Himmelbett und überhaupt platzte der ursprünglich kleine Raum auseinander, wurde größer und mehr und mehr Licht fiel hinein in das Gemach aus alten Zeiten… ,Das war ist nicht mehr…’, dachte sie still und verscheuchte dieses erinnernde Bild aus ihrem Gedächtnis. Sie wollte es nicht wissen, wehrte sich gegen ihre Vergangenheit, gegen Bilder des Leides… Sie rieb sich über die Stirn und hatte dann ebenso das Bedürfnis, ins Bad zu gehen, zu entspannen, um sich von ihren quälenden Visionen abzulenken… Galant folgte sie den Treppenstufen, dachte, Link wäre noch mit seinem Frühstück beschäftigt und so öffnete sie gedankenlos die Badetür, bemerkt zunächst nicht den in der Dusche stehenden, nackten jungen Mann, der gerade das Duschgel von einer Schale nahm. Auch er bemerkte sie nicht, dank des ungünstigen Winkels, in welcher die Dusche angebracht war. Das erste, was das blonde Mädchen tat, war sich die geschenkten Ohrstecker herauszumachen und diese behutsam auf einen kleinen Badeschrank zu legen. Plötzlich hörte sie das Geplätscher des Wassers aus der Dusche und wand sich entsetzt um. Sie sah nicht alles durch die leicht milchig glasigen Scheiben und doch sah sie genug, um es als die attraktive Rückenansicht eines jungen Mannes zu erkennen. Wie ein geölter Blitz hetzte Zelda aus dem Bad, und schloss die Tür so leise wie möglich. Mit roten Wangenbäckchen lehnte sie sich gegen jene Tür und kam nicht umher zu denken: ,Nicht einmal schlecht…’ Sie räusperte sich und berief sich wieder auf ihre guten Manieren. Wenige Sekunden später, hörte sie das Wasser nicht mehr plätschern und sie klopfte an die Tür, weil sie ja selbst Lust auf ein Bad hatte. „Ja?“, und Link trat mit Jeans, aber freiem Oberkörper heraus. „Ich wollte bloß wissen, wie es deiner Wunde geht und ob du noch lange brauchst.“ Ihr Blick schweifte zu dem teilweise vernarbten Bauch. „Ich probiere es heute mal ohne Verband. Die Dinger nerven…“, sagte er belustigt und tapste zu dem Waschbecken, um sich dort seine grüne Zahnbürste zu krallen und sich die Zähne zu putzen. „Ich bin gleich fertig, dann kannst du das Bad ganz für dich alleine haben. Von mir aus, auch den ganzen Tag“, sagte er erheitert und hoffte, er könnte damit das Eis tauen, um zu ihr durchzudringen. Sie bejahte lediglich und wühlte in ihrem blonden, langen Haar herum. Während die Zahnbürste in Links Mund stak, kam er nicht umher, erneut Zeldas langes, blondes Haar zu bewundern. ,Sie musste das längste Haar in dieser Kleinstadt besitzen‘, dachte er. Sie steckte die goldenen Strähnen mit einigen Spangen in die Höhe, bis sich eine dieser Spangen löste, sie dies aber nicht sofort bemerkte. Link, der mit dem Zähneputzen endete, trat nah an sie heran und nahm die wenigen Strähnen in seine Hände, die noch lose über ihren Rücken fielen. Zelda spürte sehr wohl und deutlich seine Nähe, aber empfand nicht den Drang, sich sofort umdrehen zu müssen. „Dein Haar…“, murmelte er leise. „… hast du noch eine Spange?“ „Ja“, meinte sie, noch gedämpfter redend als er. Sie reichte ihm eine Schachtel mit den Spangen, worauf Link dann wie in Trance die letzten Strähnen ihres honigblonden Haares hochsteckte. Dann umfasste er sachte ihre Oberarme und setzte flüsternd hinzu, als ob sie sich beide für ihre Taten schämten: „Möchtest du mit mir reden?“ Sie drehte sich zu ihm und lehnte sich an die geflieste Wand. Link stützte daraufhin seine Hände neben ihrem hübschen Kopf an den glänzenden Fliesen ab. „Zelda?“ Seine Stimme, warm, voller Anteilnahme. „Ich bin dir so dankbar… für alles…“, meinte sie und murmelte in sein Ohr: „Aber ich kann nicht reden, wenn mir die Wahrheit dies untersagen würde… verzeih’ mir.“ Irritiert schluckte Link den Knoten in seinem Hals herunter und trat dann seufzend aus dem Bad, hörte noch, wie das Schloss knackte, und verschwand nachdenklich in der Küche, um weiterhin die Morgenzeitung zu studieren. Wenige Minuten später riss ein lauter Schlag den jungen Mann aus seiner Lektüre. Verwundert sah er auf und deutete das Geräusch als von dem Badezimmer stammend. Besorgt hetzte er auf, sprintete zu dem Badezimmer und klopfte aufgeregt dagegen. „Zelda?“, rief er. „Alles in Ordnung?“ Aber keine Antwort kam, was Link noch mehr beunruhigte als bisher. Er klopfte noch einmal, brüllte nun fast den Namen seines Gastes, aber wiederum kein Laut aus dem Raum. Die Geduld verlierend rüttelte er am Schloss, aber nichts tat sich. Sofort kam ihm der Gedanke, Zelda könnte zusammengebrochen sein, wie vor letztens in der Küche… Hastig rannte er aus der Haustür und blickte von außen in das Fenster des Bades. Aber er konnte nur spärlich etwas erkennen, weil seine Vorhänge- über- alles- liebende Mutter das Badefenster mit weißem Gardinenstoff zugekleistert hatte. Was nun? Scheibe einschlagen? Link schüttelte den Kopf, obwohl… Eine neue Idee entbrannte seinem klugen Kopf. In wenigen Sekunden beraubte ein aufgeregter Link den Werkzeugkasten aus Vaters geheiligtem Altar mit den verschiedensten Werkzeugen. Keine Ahnung von Schlössern knackte der junge Kerl dann das Schloss im Badezimmer. Ohne Zeit zu verlieren trat Link ein und hatte Recht mit seiner Vermutung. Zelda lag bewusstlos, nur spärlich mit einem Badetuch bedeckt vor der Dusche. „Zelda?“, kreischte er und rüttelte sie sanft, bemerkte eine große Schramme an ihrem linken Arm, die von der Kante in der Dusche stammen musste. Aber an ihrem Hinterkopf konnte er keine Verletzung erkennen. Er trug sie langsam aus dem Badezimmer und tapste hinauf in das Gästezimmer. Kurz vor der Tür in jenen Raum, stöhnte sie auf seinen Armen auf und blinzelte. „Link“, war alles, was sie flüsterte und der Angesprochene wusste nicht mit Sicherheit, ob sie vielleicht nur in ihrer Ohnmacht redete… Sachte ließ er ihren bewusstlosen Körper auf dem Bett nieder und bedeckte sie mit einer Decke. Er beugte sich besorgt über sie und sagte eindringlich ihren Namen, wusste doch, dass sie auf ihn hören würde. Sie blinzelte wieder und hatte etwas in ihren Augen, was einem Tränenmeer glich. Trübsinnigkeit. Schuldgefühle. Ohne ein Wort zusagen, wand sie ihr Gesicht von Link ab und sah hinaus aus dem Fenster. „Bist du okay?“, meinte er schwach und setzte sich auf die Bettkante. Anhand ihrem Kopfnicken konnte Link erkennen, dass es ihr zwar gut ging, aber angesichts ihrer Distanz vermutete er, dass sie sich mehr als gebrandmarkt und kleinlich fühlte, erneut zusammengebrochen zu sein. „Was ist mit dir passiert?“, sagte er leise. Aber Zelda schwieg. „Zelda.“ Wieder entkam dieser Name seinem Mund, nun warnend. Ein Name, um den sie nie gebeten hatte. Aber es war ihrer… so sicher war sie sich nun. Zelda… war ihr Name. „Es gibt keinen Grund für dich, dich beschämt zu fühlen.“ ,Vielleicht war es das‘, dachte Link. Dachte sie vielleicht, und das unnötigerweise, er hätte mehr von ihr gesehen, als er durfte, oder als es ihr lieb war? „Das ist es nicht“, antwortete sie auf seine Gedanken. „Aber du nimmst an, ich würde dich vielleicht für schwach halten, bloß weil du zusammengesunken bist.“ Sie nickte und schüttelte gleich wieder den Kopf. „Ach, Zelda…“, sagte er lediglich und huschte um das Bett herum, sodass er endlich einen Blick aus diesen mit Schatten belegten blauen Augen erhalten konnte. Es war nicht nur Trübsinnigkeit in ihrem Blick, sondern Verzweiflung. „Was ist los?“, sagte er neugierig. Denn er wollte einfach wissen, was mit ihr nicht stimmte. „Ich werde mich erinnern“, begann sie leise und richtete sich mit dem Badetuch über ihrer Brust auf. „Und mit jedem Anflug beginnt sich die ganze Realität für mich in Frage zu stellen.“ Sie schloss die Augen und flüsterte weiter: „Es tut weh… jedes Bild in mir, vor mir… es schmerzt…“ Eine Pause entstand und Link wusste einfach nicht, was er sagen sollte. Schweigend sah er zu Boden. „Lass’ mich bitte allein…“, meinte sie und Link verschwand traurig aus dem Gästezimmer. Mit der Morgenzeitung in der Hand saß Link auf der Couch, las, aber verstand kein Wort. Andauernd musste er an Zelda denken. Es tat ihm irgendwie… selber weh, dass ihre Erinnerungen sie in gewisser Weise folterten. Als er aufsah, stand Zelda begleitet mit Jeans und mit einer Stoffjacke in der Tür. Sie blickte traurig zu Boden und Link wurde das Gefühl nicht los, dass ihre Aufbruchsstimmung mehr im Sinn hatte, als einfach nur das Ziel eines Ausflugs. Entschieden sah sie auf. Ein Blick des Abschieds auf dem schönen Gesicht. Erschrocken hetzte Link näher und wollte ihr Abschiedslächeln nicht begreifen. „Du willst doch nicht…“ „Doch“, sagte sie und biss sich auf die Lippe. „Hättest du eine Tasche für mich, damit ich meine Sachen dort hineinpacken kann.“ Sie sprach zittrig und unsicher weiter. „Nein“, sagte er laut. „Du gehst nirgendwohin.“ Sein Tonfall harsch und uneinsichtig. „Aber ich bringe dich in Gefahr, Link“, sagte sie halb wimmernd und halb bemüht stark zu sein. „Nein, du bringst gerade nur einen einzigen Menschen in Gefahr. Dich selbst. Ich kann nicht zulassen, dass du gehst.“ Eine Pause entstand. „Ich will nicht, dass du gehst“, sagte er und trat noch einen Schritt näher. „Das ist nicht deine Entscheidung.“ „Aber ich könnte deine Entscheidung anfechten und dich überzeugen.“ „Link, bitte… ich muss… gehen…“ „Ich kann doch in deinen Augen sehen, dass du Angst davor hast, zu gehen.“ Er hob ihr Kinn in seine Richtung. „Genau dort…“ und er musterte trübsinnig das schöne Blau. „… dort steht Angst… vor der Erinnerung, vor der Welt, die dir fremd ist. Ich kann dich nicht gehen lassen, dich deinem Schicksal überlassen, dich alleine lassen.“ Zeldas verkrampfte Hände lösten die angespannten Fäuste. Sie blickte beschämt weg, worauf Link einfach nicht anders konnte, als sie an sich zu drücken. „Es ist okay, Zelda.“ Er streichelte mit einer Hand ihren Rücken. „Du bist nicht allein… und du musst das, was auf dich wartet nicht alleine bewältigen. Bitte bleib’.“ Sie schloss die Augen und fühlte sich sicher, beschützt. Ihr war zum Weinen zumute und gleichzeitig zum Lachen, weil Link hier war. Dann strich er ihr über den blonden Schopf und meinte aufheiternd: „Nebenbei… wer sollte mich denn wieder zurück auf den Boden der Tatsachen bringen, wenn ich unvernünftig handle, wenn nicht du…“ Sie entgegnete nichts und ließ ihre Hände auf seine Brust wandern. „Wer sollte mir meine eigenen Sorgen ausreden, wenn nicht du…“ Es war plötzlich so einfach für Link, ihr diese Dinge zu sagen. Lag es an ihrer körperlichen Nähe oder mehr an der Verzweiflung, die sie überfordert hatte? „Und wer sollte mich so unzurechnungsfähig machen, wenn nicht du… ich brauche dich.“ Damit atmete Zelda tief aus und hätte am liebsten Tränen geweint dank seiner wärmenden Worte. Er nahm ihr hübsches Gesicht in beide Hände und murmelte: „Lächle, Zelda. Bitte lächle.“ Sie löste sich aus der Umarmung und nickte nur, blickte auf und versuchte es mit einem Lächeln, obwohl sie im Augenblick lieber geweint hätte. Tränen angesichts dieser gutherzigen Dummheit, die Link zeigte. Tränen angesichts ihres bemitleidenswerten Schicksals, welches ihr mit jedem Tag zugänglicher wurde. Sie rieb sich die Schläfen und meinte leise: „Entschuldige… ich bin irgendwie nicht ich selbst.“ „Doch… das bist du und wahrscheinlich ist genau das… das Problem“, meinte er vorsichtig. „Du musst dich vor mir nicht verstecken, Zelda“, sagte Link und grübelte dann nach Möglichkeiten sie irgendwie abzulenken. Er wusste irgendwoher ganz genau, was mit ihr los war, warum sie so traurig war, weshalb ihr zum Weinen war. Ihre Erinnerungen erzählten mehr, als es gut für sie beide war. Link lief schnell in den Korridor und krallte sich seine eigene Jacke. Er tat nichts anderes als zu grinsen und nahm Zeldas Hand fest in seine. „Komm’ mit mir. Du brauchst Abwechslung.“ Als er die Haustür zufallen ließ, bemerkte er noch aufheiternd: „Ein was gutes hatte deine Aufbruchsstimmung, Zelda.“ Verdutzt blickte sie auf. „Du hattest deine Jacke schon an und du hast mich auf eine Idee gebracht.“ Link durchquerte mit ihr die Altstadt Schicksalshort, und erklärte ihr ab und an wie ein Reiseführer einige Dinge, wie ein altes Märchen, welches man sich in Schicksalshort gerne erzählte. Es hieß, dass vor einer Ewigkeit jemand hier eine Pforte in eine Märchenwelt gefunden und diese betreten hatte. Als er wiederkam, brachte er eine Handvoll Magie mit, worauf alle Bewohner des kleinen Dorfes von da an, ihr Schicksal im Glücklichsein fanden. Und je länger Link sich darum bemühte Zelda aufzuheitern, umso leichter fühlte sich die Bürde an, die sie allmählich erinnerte. Eine Bürde getragen von ihnen beiden… Als sie in dem Stadtzentrum einige Geschäfte abklapperten, fand Zelda allmählich ihr Lächeln wieder. Und Link hätte wohl alles dafür getan, sie wieder auf diese Weise lächeln zu sehen. Ihr nächstes Ziel war das neuerrichtete Antiquitätenzentrum. Sie begaben sich ins Innere und bewunderten die alten Kunstschätze, die hier ausgestellt waren. Sie folgten einem langen Gang und mussten Acht geben von den Menschenmassen nicht zertrampelt zu werden. An den Wänden hingen zahlreiche ältere Gemälde, sicherlich aus der Zeit der Romantik, denn auf ihnen waren oftmals Landschaften zu sehen. Sie liefen weiter und kamen jetzt in ein Abteil mit alten Vasen, Urnen, Schränken, reichlich verzierten Tischen, wunderschönen Himmelbetten und weiteren Kostbarkeiten. In einer Ecke stand eine Person, die Link und Zelda beide bereits kennen gelernt hatten: Naranda Leader. Sie unterhielt sich mit einigen Kunden. Ihre feuerroten Haare hatte sie zu einem eleganten Zopf verbunden. Sie trug goldenen Schmuck, der ihren weißen Anzug abrundete. Als sie Link und Zelda ins Auge fasste, entschuldigte sie sich bei ihren Kunden und lief schnurstracks auf die beiden zu. „Na ihr zwei? Wusste doch, dass ihr mal vorbeischaut.“ Link begegnete ihr mit einem misstrauischen Blick, den sie sofort bemerkte. Natürlich war er misstrauisch bei all den Dingen der letzten Woche. Die Lady allerdings blieb gelassen und setzte hinzu. „Ich nehme an, du heißt Link und ihr…“ Sie blickte fast ehrfürchtig in Zeldas Antlitz. „… Ihr müsst Zelda sein, nicht wahr?“ Vorsorglich trat Link vor seinen Gast, hatte fast das Gefühl, er müsse sie bei jeder Gelegenheit beschützen… „Jetzt guck’ nicht so entsetzt, Link. Und sei nicht so angespannt“, sprach die Lady in ihrem merkwürdigen Akzent. „Soll ich nicht verwundert sein, dass Sie von irgendwoher unsere Namen kennen?“, meinte er Ruhe suchend. Vor allem nach dieser Woche war sein Misstrauen mehr als berechtigt… Die Lady grinste unverschämt. „Du wirst später schon noch herausfinden, wie ich das wissen konnte. Aber im Augenblick solltet ihr beide euch lieber um ein anderes Thema kümmern. Jetzt muss erst einmal diesem Mädchen, wie war gleich ihr Name, Maron, geholfen werden.“ Link trat etwas einschüchternd näher, er war immer noch skeptisch, was die Absichten dieser Naranda Leader anging. „Ich habe einige Freunde bei der Polizei. Ich habe sie bereits verständigt und die ein oder andere Sache bereinigt. Man überarbeitet den Fall gerade.“ „Was meinen Sie mit ,die ein oder andere Sache bereinigt‘?“, meinte Link sachlich. Darauf lachte die Lady kurz auf, stemmte ihre Hände in die prallen Hüften und strich sich durch ihr langes, feuerrotes Haar. Sie grinste unverbesserlich, zog den ahnungslosen, eigentlich sehr scheuen Link an seinem Kragen näher und hauchte an sein Ohr: „Von welcher Sache könnte ich wohl sprechen, wenn niemand weiter als du an der Geschichte beteiligt war… und niemand sonst etwas gesehen hat, das doch nicht real sein kann.“ Überrascht und rot um die Nase wich Link zurück und wurde das Gefühl nicht los, dass diese Naranda Leader mit ihm flirten wollte. Er blinzelte, schaute sich im Geschäft kurz um und redete sehr leise. „Sie wissen, dass ein Schatten aus ihrem Körper gekrochen kam. Woher?“ „Ich bin eine gute Beobachterin“, meinte sie geheimnistuerisch. „Aber, das war schließlich ein Monster. Das ist doch…“ Doch die Dame unterbrach ihn streng: „… Verrückt? Vielleicht. Aber würdest du denn in Frage stellen, was du selbst gesehen hast?“ Link schüttelte den Kopf. „Du wolltest sicherlich eine andere Erklärung, die kann ich dir aber nicht geben.“ „Können Sie mir dann wenigstens sagen, weshalb, aus welchem Grund dieses Scheusal uns verfolgt?“ Naranda holte tief Luft und sah sich dann um. Sowohl Link, als auch Zelda spürten, dass sie damit nicht herausrücken wollte. „Ich kann euch beiden nicht mehr sagen als einfach, dass ihr gut aufeinander aufpassen solltet…“ „Das ist alles?“, murrte Link und fuhr sich durch sein goldblondes Haar. „Erst machen Sie mir Hoffnung, benehmen sich unheimlich wissend, als könnten Sie mir irgendetwas zu der Geschichte sagen und dann fällt Ihnen kein besserer Satz ein, um diese Diskussion zu beenden?“ Seine tiefblauen Augen loderten mit Neugier und ein Funken darin verriet, dass Link die Lady mit dem feuerroten Haar schon lange durchschaut hatte. „Ich kann euch nicht mehr sagen…“, erklärte sie anteilnehmend und lächelte Zelda aufmunternd entgegen. „Na gut. Es hätte mich auch gewundert, wenn wir plötzlich irgendwelche Antworten bekämen… Ich würde meinen, wir verschwinden wieder und besuchen mal Maron, okay?“ Damit wand sich Link an seinen Schützling. Als er Zelda ins Gesicht sah, nickte sie zwar, hatte aber immer noch diesen schwermütigen Funken in ihren schönen Augen. Link hätte in diesem Augenblick so ziemlich alles getan, um sie wieder zum Lächeln zu bringen, aber er fühlte und wusste doch, dass es nichts gab, weshalb sie gerade jetzt unbeschwert lächeln sollte. Da waren dringende Fragen, Gefahren und die Vergangenheit Zeldas, die sie verabscheute. Und nichts davon konnte er mit einem aufmunternden Wort wegwischen oder in Frage stellen. Link ging mit ihr aus der Halle, nachdem sie sich von Naranda Leader verabschiedet hatten. Als sie den sattgrünen, sauberen Park durchquerten, war die Stimmung zwischen ihnen noch immer nicht berauschend. Sie grübelten beide über die letzte Woche nach, hatten irrsinnige Gedanken an etwas Absurdes, das sie kaum verstehen konnten. Link hatte mehrfach versucht seinen Gast in ein Gespräch zu verwickeln, aber sie antwortete teilnahmslos, hing ihren schwermütigen Gedanken nach und sprach sehr wenig. Und es war dann, als Zelda ihre bruchstückhaften Erinnerungen überflog, dass Link ein wenig missmutig wurde. „Erde an Zelda…“, sprach er, blieb stehen und schaute sich nach ihr um. Sie lief ein wenig hinter ihm und Link kam es so vor, als würden ihre Schritte immer langsamer werden. Sie träumte… „Zelda.“ Link blieb stehen und blickte in den Park, mit seinen sauberen, grünen Wiesen, wohlgeordneten Wegen und den Menschen, die hier picknickten. Kinder spielten Federball, sie waren glücklich und hatten keinerlei von den Problemen, die Link und Zelda über sich ergehen lassen mussten. Verlor sich Zelda wirklich nur in ihren Gedanken… oder brachen erneut Erinnerungen hoch? „Zelda, du… bedeutest mir sehr viel“, sagte Link, sicher, dass sie es nicht gehört hatte. Andernfalls hätte er es wohl nicht sagen können. Sie lief abwesend weiter über den Kiesweg, dann auf eine Grünfläche zu und pflückte einige Blumen. Link beobachtete sie wie in Trance. Sie wirkte so wunderschön und unschuldig mit der rosa Strickjacke und der verwaschenen, hellblauen Jeans und mit dieser kindlichen Handlung. Es waren einfache Wiesenblumen, die sie pflückte. Gänseblümchen, Butterblumen, Löwenzahn. Sie pflückte eine Hand voll, bis sie einen kleinen Strauß zusammen hatte. Dann trat sie mit einen leichten Lächeln vor Link, strich über die wenigen Blüten und funkelte ihn mit ihren himmelblauen Augen an. „Ist es nicht schön…“, sprach sie leise, aber sie wollte keine Antwort. „Ich habe… noch nie solche Blumen gesehen“, setzte sie hinzu. „Kann es denn sein, dass es auf dieser Welt ein Land gibt, in dem diese Blumen nicht sprießen?“ Link betrachtete sich den Strauß, den sie mit solcher Hingabe gebunden hatte, aber es waren nicht die Blumen, die er bewunderte, sondern Zeldas Hingabe für etwas so Kleines, scheinbar Unbedeutendes. „Es ist unwahrscheinlich… bist du dir sicher, dass du diese Blumen nicht kennst?“ Sie wand sich um ihre Achse, drückte die wenigen Wiesenblumen an sich und nickte. „Was für ein Irrsinn“, meinte sie. „Ich weiß, dass ich öfter Blumen gepflückt habe… Ich kann es sehen, sehe, wie ich niederknie auf einer riesigen Wiese, mitten auf einer hügelreichen Landschaft. Im Hintergrund sind riesige, hohe Berge und in der Mitte dieser stolzen Berge, reckt sich ein Gipfel aus dem manchmal Lava quillt, in die Höhe, als wollte er die Götter anlachen… Ich sehe dieses Bild so klar und deutlich, kann spüren, wie der Wind dort atmet, wie die Wiese duftet und das Herz des Lebens pocht… aber ich kann mich nicht daran erinnern, dort auf dieser Wiese nur eine von diesen Blumen jemals gepflückt zu haben… Dort gibt es diese Blumen nicht, dort schießen Knospen in die Höhe, die beinahe lächeln, dort leuchten Farben, die ich auf dieser Blumenwiese nicht finden kann…“ Links tiefblaue Augen schillerten trübsinnig und auch wenn sein Gegenüber es nicht wusste, ihre Umschreibungen waren Worte für etwas, das auch er ab und an gesehen hatte, was er bereitwillig, sollte ihm die Aufgabe zuteilwerden, immer wieder finden und beschützen würde. Sie erzählte von einer Welt, die in ihren beiden Herzen lebendig war. Eine Welt, kostbar und unersetzbar, vielgestaltig und heilig. Langsam tapste der junge Mann näher, legte seine Hände auf ihre Schultern und wollte mehr erfahren als ihm bestimmt war. Er überschritt eine Grenze, als er sie fragte, und diese Grenze hatte das Mädchen nicht ohne Grund. „Zelda… meinst du, das, was du damit beschreibst… ist dein Zuhause?“ „Link… ich…“, seufzte sie schwach. „Es tut dir weh, diese Welt zu sehen, nicht wahr…“, meinte er leise und presste seine Lippen aufeinander. Er wollte sich verbieten darüber zu reden, diese Wallung von einer alten Welt in sich hochkochen zu lassen, aber manchmal nagte es so sehr, dass er es kaum aushielt. Manchmal bohrten vergängliche, folternde Bilder so sehr, dass er kaum wusste diese zu begreifen, und wegzuschieben. „Bitte… lass‘ uns weitergehen… es ist nicht richtig…“, meinte sie, torkelte etwas und fürchtete sich erneut an den Bildern ihrer Vergangenheit zusammenzubrechen. „Es kann einfach nicht sein… es ist nicht gut…“ „Es tut mir leid, Zelda…“, meinte er, spürte ihre Unsicherheit und Angst. Er bedeckte seine Augen mit einer Hand, rieb sich über die Stirn und wünschte sich gerade so sehr, dass dies alles, diese Gefühle und Gedanken, nur ein lächerlicher Traum waren, das nichts davon etwas bedeutete, dass dieses Land in ihrem und seinem Herzen nicht existierte. „Auch mir tut es leid…“, erwiderte sie und ihr Blumenstrauß fiel ihr aus den nervösen Händen. Als die Blumen zu Boden sanken und der Strauß nicht mehr war, konnte sie es für einen Augenblick noch festhalten, die Erinnerung, die Vernichtung… das Verblassen allen Lebens und ihrer Welt… bis einige Kinder an ihr und Link vorbeistürmten. Erneut war der Faden weg und alles, was blieb, war Traurigkeit. Ihr Blick war verletzlich weich, als sie Links Hand suchte und ihn stumm darum bat, sie abzulenken. „Gehen wir weiter, ja?“, meinte Link und erhielt einen zaghaften Zuspruch von Zelda. Sie schwiegen wie vorher, aber nun war die Situation noch beklemmender… Vor dem Haus von Maron angekommen, wollte Link gerade an der Klingel läuten, als Rick rennend die Straße hinunterlief. „Link“, rief er. „Willst du auch zu Maron?“ Außer Puste blieb er vor seinem Cousin und der schönen Zelda stehen. „Hi, Zelda“, entgegnete er kurz und wartete auf die Antwort seiner Frage. „Ja, wir wollten sehen, wie es ihr geht“, meinte Link. Rick schaute kühl zur Seite und schien Link nicht in die Augen sehen zu können. „Ich frage mich nur, was in sie gefahren ist… Sie ist ein guter Mensch und hätte Zelda niemals etwas zu leide getan. Wenn ihr zwei nur hier seid, um ihr Vorwürfe zu machen. Dann werde ich verhindern, dass ihr hier reinkommt.“ „Rick…“, murmelte Link und seine Augen kreuzten die rehbraunen seines Cousins. „Niemand wird Maron für irgendetwas einen Vorwurf machen… ich bin nur daran interessiert, wie es ihr geht.“ „Das kaufe ich dir nicht ab“, sagte Rick und verschränkte seine Arme. „Nach allem, was in der Morgenzeitung stand, nach allem, was ich gehört habe, nach allem, was ich gesehen habe… du bist doch eigentlich nur hier, um herauszufinden, was Maron dazu gebracht hat, einen Bogen auf unschuldige Menschen, sprich deinen Gast, zu spannen. Und ich weiß, wie wichtig dir euer Pflegekind ist“, sagte er und schaute durchdringend in den trübsinnigen Blick Zeldas. „Rick, ich weiß, dass du besorgt bist um Maron. Sie ist ja schließlich nicht nur eine gute Freundin für dich. Ich kenne sie mindestens genauso lange wie du. Darf’ ich etwa nicht fragen, wie es ihr geht?“ Rick verdrehte die Augen. „Doch… ich möchte nur, dass du ihr keine Vorwürfe machst, das ist alles.“ Link nickte: „Das ist doch sonnenklar…“ Auch, weil er ganz genau wusste, dass Maron von einem widerlichen Schatten besessen gewesen war. Sie war nicht schuld an dem Unheil, sie war nur zur falschen Zeit an falschen Ort… Der junge Held wand sich zu Zelda, die noch immer ein trübsinnigeres Gesicht aufsetzte. Dabei hatte er sich so sehr gewünscht, sie wieder lächeln zu sehen, frei zu sehen, als jenen Menschen zu sehen, der sie doch war. Friedliebend und rein… „Nun gut“, sagte Rick. „Aber erschreckt nicht, wenn ihr Maron seht… es geht ihr nicht so gut.“ Und er klingelte an der Tür. Plötzlich öffnete jemand die Tür in das große Zweifamilienhaus, indem Maron wohnte. Ihre kleinere Schwester öffnete. Sie war etwa zehn Jahre alt und war mit Maron sehr leicht zu verwechseln. Auch sie besaß braune Locken, die über ihre Schulter fielen und hatte eine warme, nussfarbene Augenfarbe. „Ihr wollt bestimmt zu Maron. Sie wartet in der Stube“, sagte sie mit einer piepsigen Kinderstimme. Sie folgten dem kleinen Mädchen, was schneller als der Blitz davon humpelte und rief: „Maron, Maron, dein Prinz ist hier… Maron.“ In der Wohnstube saß das besagte Mädchen, kreidebleich, mit einer dicken Wolldecke umschlungen, einer Tasse heißen Tee in der Hand auf der Couch und weinte. Fassungslos verharrte Link an der Wohnzimmertür, während Zelda schockiert neben ihm erstarrte. Was hat dieses Scheusal ihr nur angetan? War dies das Resultat, wenn eine dunkle Energie sich dem Körper bemächtigte? Außer sich trat Link näher, prüfte die Oberstufenschülerin mit Blicken, untersuchte die Starrheit in ihren Augen. Maron aber reagierte nicht, sie zitterte, als ob ihr Körper mit Eis umrahmt wäre. Ihre Wangen wirkten eingefallen und überhaupt sah Maron so aus, als ob sie innerhalb von zwei Tagen um zehn Jahre gealtert war. Marons ältere Schwester Grazia, stand ebenfalls in der Wohnstube und schüttelte den Kopf: „Das geht jetzt schon seit gestern so… Sie… meine kleine Schwester…“ Link verstand nun endgültig, was die Bestie von gestern gemeint hatte. Er würde alles in seiner Umgebung quälen, alles zerstören- bis seine Verzweiflung und Wut ihn übermannte, über seine Grenzen hinausging und er vielleicht zu Mitteln greifen würde, die er selbst bereute. Ein ernster Blick stach Zelda entgegen, die das Gefühl hatte, die Erinnerungen an etwas Grausames in ihrem Kopf, wollten sie ersticken. Ihren Atem kontrollierend ließ sie sich auf einem Stuhl nieder und prüfte genau den Zustand Marons. Irgendetwas war ihr daran unheimlich vertraut. Sie kannte es- das Schockgefühl- den Hass- den schwarzen Fluch. In Sekundenbruchteilen stand Link neben ihr und legte eine Hand auf ihre Schulter, die sie im Gegenzug dankbar festhielt. Rick versuchte währenddessen wieder zu Maron durchzudringen, was er bisher nicht geschafft hatte. Seit gestern im Krankenhaus hatte er ihr zugeredet, hatte versucht, diesen Schockzustand in ihr zu löschen. Aber nicht einmal die Ärzte wussten, was nicht stimmte. Unter der Diagnose, körperlich würde mit Maron alles in Ordnung sein, hatte man sie mit Psychopharmaka nach Hause geschickt und gemeint, die vertraute Umgebung wäre das Beste für ihre Erholung. Wenn dies nicht helfen sollte, hatte man ihnen die Nummer von Richard Raunhold, dem Schulpsychologen gegeben, in der Hoffnung, der vielbeschäftigte alte Mann, könnte seine Zeit für Maron opfern. Aber als Maron den Namen Raunhold hörte, bekam sie plötzlich einen Schreikrampf und schlug wild um sich, fauchte ständig, dass man auch Raunhold töten werde, genauso bestialisch und grausam wie die anderen. Weitere Namen fielen, deren Tod Maron prophezeite, bis hin zu dem Namen Link… welcher als Schlussstrich über ihre Lippen kam, bevor sie endgültig verstummte. Einige Reporter hatten versucht Maron in die Klatschpresse zu bringen und hatten nun einen wütenden Jugendlichen mit Namen Rick, der einem der Reporter die Nase blutig geschlagen hatte… „Maron… weißt du noch, letzten Sommer?“ Ricks sonst so selbstbewusste Stimmte zittrig und unsicher. Aber Maron rührte sich nicht und starrte ins Nichts. „Ich hatte mir eine Glasscherbe in den Fuß gerammt und der einzige, der da war, warst du… du hast mir geholfen.“ Er nahm ihre eisigen Hände in seine. „Und deshalb helfe ich jetzt dir… bitte rede mit mir, Maron.“ Aber sie starrte ins Nichts, wurde bleicher und bleicher, bis sie anfing wirres Zeug zureden und hob ihre Stimme wie eine Wahnsinnige. „Das Böse… kommt und geht… bis kein Wind mehr weht… Das Böse verschlingt die Welt… bis keine Hoffnung mehr zählt… Das Böse ist nah… Das Böse ist da… Es wird euch alle verschlingen… es wird euch nicht gelingen… Das Böse vernichtet das Leben… es wird keine Menschen mehr geben…“ Rick ballte seine Fäuste und wich zurück… Er konnte es einfach nicht mehr hören, nicht mehr ertragen. Marons Seele schien wie aus ihrem Körper gesaugt. Dieses Mädchen war nicht mehr seine Maron. Dieses Mädchen war eine leere Hülle geworden. Link ließ sich entsetzt neben Zelda auf einen weiteren Stuhl sinken und legte trübsinnig einen Arm um ihre Schultern. Beide waren sie wie vor den Kopf gestoßen, hörten diesen seltsamen Gesang Marons und fühlten sich schuldig an dem Unheil, schuldig an etwas, was so irreal erschien, so unmöglich. Grazia meinte wimmernd: „Das sagt sie schon seit gestern immer und immer wieder. Und wir wissen einfach nicht, wie wir zu ihr durchdringen sollen.“ Dann presste Maron ihre Hände an die Ohren, und wippte auf der Couch hin und her. Sie hetzte auf und zeigte mit dem Zeigefinger entehrend auf Link und Zelda. Sie begann zu schreien und plötzlich zu weinen. „Ich habe alles gesehen. Er will euch töten und dann will er uns alle töten. Er wird die ganze Welt töten!“, schrie sie. Sich Mut fassend stand Zelda auf und blickte entschlossen in Marons verweintes Gesicht, alle Augen überrascht hinter ihr her. Kraftvoll stieß sie Maron zurück auf das Sofa und kniete dann vorsichtig vor ihr nieder, blickte scharfsinnig in die Augen, wo das Leben fast erloschen schien. Sie nahm Marons rechte Hand und führte diese zu der rechten Brusthälfte des Mädchens. „Spüre das Leben, Maron“, meinte Zelda leise und versuchte die erloschenen Funken Glück in den Augen Marons zu finden. „Es ist alles hier, was du brauchst… um zu bestehen… Lass‘ ihn keine Macht über dich gewinnen…“ „Was tut sie?“, meinte Rick leise zu Link gewandt. „Ich habe keinen Ahnung“, entgegnete jener ruhig und war gerade unheimlich begeistert von Zelda. ,Sie war so unglaublich‘, dachte er. Ihre Seele schien Millionen unerkannte Seiten zu besitzen, die er aber alle unbedingt entdecken wollte. Und Zelda sprach langsam und sicher weiter: „Hier… fühlst du das? Es schlägt. Es lebt… und solange du dieses Herz besitzt, Maron… hast du auch die Kraft weiterzumachen, zu kämpfen.“ Wieder füllten sich Marons Augen mit Tränen, aber diesmal war irgendetwas anders. Ihr Schluchzen war lebendiger, menschlicher. „Spüre dich, spüre dein Herz, deine eigene Wärme… lass’ es keine Macht über dich gewinnen… nicht mehr…“, sagte Zelda leise, aber streng. „Er wird nicht gewinnen, verbanne den Schatten aus deinem Herzen… ich helfe dir und schicke ihn mit dir fort…“ Maron blickte mit geweiteten Augen in jene Zeldas, begann zu zählen, zählte gemeinsam mit der blonden Schönheit von drei abwärts. Und als sie beide bis Null gezählt hatten, war da ein Wort, welches weinend aus Marons Mund entkam. Ein wenig verschluckt, ein wenig verwaschen, aber beständig. „Rick“, sagte Maron wimmernd, bis sie die Tasse in ihrer Hand fallen ließ. Zelda atmete befreit aus, und reichte Rick eine Vertrauen spendende Hand. Jener trat unbeholfen näher und kniete lange Augenblicke vor seiner besten Freundin nieder. Sie murmelte noch einmal Rick, als in ihren Augen endlich so etwas, wie ein Hoffnungsschimmer geboren wurde. Als ein weiteres Mal der Name Rick über Marons Lippen kam, fiel sie ihm um den Hals und begann hemmungslos zu weinen. Ihr fluchesgleichender Schockzustand wich nun langsam der Vernunft und der Kraft ihres Herzens. „Rick.“ Jener Jugendliche aber fühlte sich plötzlich alles andere in der Lage, Maron zu trösten, da er das Gefühl hatte, vor Freude gleich ohnmächtig zu werden. Maron war wieder hier, seine Maron war wieder auf dem Weg die Alte zu werden. Auch die beiden Schwestern Marons spürten die Veränderung, umarmten Maron, so dankbar, dass sie wieder zu ihnen gefunden hatte. Und den ersten Satz, den sie murmelte, würden Rick und die anderen wohl nie mehr vergessen. „Leute… ich will in mein Bett.“ Rick lachte und konnte nicht anders, als sie auf die Arme zu nehmen und in ihr Zimmer zutragen. Mit einem erleichterten Grinsen blickte Link zu Zelda, wollte ein Lächeln aus ihrem schönen Gesicht, wollte sie fragen, woher sie diese Gabe hatte, aber das blondhaarige Mädchen hatte ihren Kopf trübsinnig hängen und rieb sich erneut an den Schläfen. Sie torkelte halb aus dem Raum und lehnte sich im dunklen Flur an eine raue Tapetenwand. Sie brauchte eine Weile, um zu registrieren, dass Link neben ihr stand und fürchtete sich fast ein wenig vor seinen Fragen. „Du bist großartig, Zelda“, sagte Link, aber unterband seine Freude, als er den Schatten über ihren Augen dunkler werden sah. „Zelda?“ „Das ist es… großartig, nicht wahr? Einen schwarzen Fluch beseitigen“, murmelte sie bitter und schmeckte die Grausamkeit der Wahrheit über ihre verborgenen Fähigkeiten. „Entschuldige“, flüsterte Link, sich wünschend, er hätte den Mund gehalten. „Wofür entschuldigst du dich? Für die Wahrheit, die auch du nicht betrügen kannst.“ Er schwieg und fühlte sich fast ein wenig unwohl in seiner naiven Haut. Das blonde Mädchen schloss die Augen und sagte kühl und streng: „Ich schöpfe den Zweck meiner Existenz aus einer dummen Fähigkeit, angebliche Flüche zu beseitigen, Böses zu vertreiben. Das ist unmenschlich und unwirklich.“ „Bitte hör’ auf, so zu reden“, meinte er lauter. „Aber es ist… die Wahrheit“ Ihre Stimme zitterte dann und auch ihr Gleichgewichtssinn machte ihr Schwierigkeiten. „Link, ich…“ „Ja?“ „Können wir vielleicht heute Abend in aller Ruhe darüber reden. Ich kann im Moment keinen klaren Gedanken mehr fassen.“ Link sah sie mitfühlend an. Er hob mit einem Zeigefinger ihr Kinn nach oben, sodass sie ihn direkt in seine tiefblauen Augen sehen musste. Er wollte sie aufheitern, ablenken. Denn ihre Zweifel und der spürbare Selbsthass trübten auch sein Gemüt. „Okay, besprechen wir das heute Abend… aber nicht zu lange, sonst könnte es noch sein, dass ich durchdrehe und wenn ich erst einmal so weit bin, tue ich die dümmsten Sachen… ja?“ Sie blickte ihn traurig an und konnte seinem Charme jedoch nicht widerstehen. Für einen Augenblick schwanden die Angst, der Hass und die vielen Zweifel in ihrem Kopf… In dem Moment ruhte Marons mitgenommener Körper friedvoll auf ihrem Bett, während Rick in ihre tränenden Augen schaute. „Was ist passiert, Rick?“, meinte sie und richtete sich auf. Rick antwortete zunächst nicht und drückte sie mit sanfter Gewalt wieder nieder. „Du musst dich schonen.“ „Habe ich irgendetwas getan?“ Rick schüttelte den Kopf, aber Maron wusste eben zu genau, wann ihr bester Freund log. „Mach’ dir keine Gedanken.“ „Sag’ mir, was los ist“, sagte sie strenger und richtete sich auf. Rick schaute schräg zur Seite, wollte ihr ausweichen, aber nur für ihren eigenen Schutz. „Du hast…“ Ihm blieben die Worte im Hals stecken. „Sag’ es mir!“, brüllte sie beinahe und griff an Ricks rechten Arm. „Link hat einen weiblichen Gast seit einigen Tagen…“ „Und was hat das mit mir zu tun?“, sagte sie sauer. „Empfindest du immer noch… so viel für Link…“, murmelte Rick und starrte zu Boden. „Für Link?“ Sie schüttelte mit dem Kopf. „Diese junge Schwärmerei von damals ist doch lange passe. Worauf willst du hinaus?“ Rick rollte seine Augen und meinte: „Bist du eifersüchtig auf das Mädchen, welches in Links Haus zu Gast ist.“ Sie schüttelte entrüstet mit dem Kopf und starrte Rick durchdringend an. „Bitte glaub’ mir. Mir ist total egal, was Link so treibt.“ Aber Ricks bleiche Miene besserte sich nicht. Dann ballte er seine Fäuste und sagte laut und eindringlich: „Weil du in der Bogensporthalle einen Pfeil auf sie schießen wolltest.“ Seine Worte. Kurz und knapp. Aber Maron sah entsetzt drein. „Das ist nicht wahr“, wimmerte sie. „Ich wollte dir das nicht sagen, aber besser du erfährst es von mir, als von der Polizei…“ Sie packte grob Ricks Hände. „Bitte, Rick, ich habe nichts damit zu tun. Ich kann mich nicht erinnern und ich habe nicht mal eine Ahnung, wie dieses Mädchen in Links Elternhaus aussieht. Wieso sollte ich sie töten wollen! Bitte Rick, schau’ mich an.“ Langsam blickte er auf und seine rehbraunen Augen lasen in ihren. „Es tut mir leid, Maron“, sagte er und neigte seinen Kopf wieder seitwärts. Eine Pause entstand. „Glaubst du mir?“ Er nickte und versuchte zu lächeln. „Und hilfst du mir?“, meinte sie. Er nickte erneut, als aber eine Träne über Marons Wange lief. „Ich wünschte, ich wüsste, was ich getan habe, warum ich es getan habe… ich bin doch kein Monster“, wimmerte sie. In dem Augenblick beugte sich Rick über sie und konnte nicht mehr anders. Ohne weiteres senkte er seine Lippen auf ihre und brachte die aufgeregte Maron mit einem verträumen Kuss zum Schweigen. Entsetzt und wortlos sah sie ihn an, als er von ihr abließ. Das einzige, was sie tat, war eine Hand auf ihren Mund zu legen, als Rick kopfschüttelnd das Zimmer verließ. Er trat in die Wohnstube ein, als die beiden Schwestern in Marons Zimmer gingen. Schweigend saß Link auf einem Sessel, die Hände in seinen blonden Haaren, bis er sich über seine Stirn rieb. „Wie geht es ihr?“, meinte Link. „Ich weiß nicht“, entgegnete Rick. „Aber du warst doch gerade eben bei ihr.“ Ricks Mund verzog sich und seine Augen wanderten beschämt zu Boden. „Ich Idiot habe sie einfach geküsst.“ Link zwinkerte ein paar Mal. „Du hast… was?“ Rick sprang aufgeregt in die Höhe. „Denkst du, das ist so eine Katastrophe. Kann doch jedem Mal passieren. Und was kann ich denn dafür, dass du so was nicht fertig bringst.“ Link war kurzum baff, sodass er kein vernünftiges Argument parat hatte. „Wo ist überhaupt Zelda?“ „Sie fühlte sich nicht so gut und sitzt in der Küche mit einem Tee.“ „Sie fühlt sich nicht so gut? Hat sie diesen Fluch jetzt auf dem Hals!“, murrte Rick. „Nein, ich glaube, es ist nicht das, was mit Maron passiert ist, was sie belastet, sondern ihre Angst vor der Erinnerung.“ „Sie hat Angst davor.“ „Ja“, murmelte Link. „Dann solltest du das ganze genauso angehen wie ich“, meinte Rick stolz und dachte an den Kuss von vorhin. Immerhin hatte Maron erwidert. So falsch konnte das, was er getan hatte, also nicht sein. „Sag’ mal spinnst du?“, fauchte Link beherzt. „Ich bin nicht so ein Schürzenjäger wie du und knutschte fremde Lippen.“ „Marons Lippen waren ja alles andere als fremd. Und Zelda? Sie kannst du nun wirklich nicht mehr fremd nennen.“ In dem Augenblick lachte Rick das erste Mal seit dem Vorfall. Links Gesichtsausdruck wurde schamlos und dümmlich. „Der Kuss scheint sich ja gelohnt zu haben“, sagte er trocken. In dem Augenblick trat Zelda trübsinnig in die Stube und klammerte sich an den Türrahmen. Ihre Beine waren wacklig, obwohl sie keinerlei Krankheitsgefühl verspürte. Und sie ahnte, dass es bloß die Anwesenheit des Bösen war, die ihr so zusetzte. „Wie geht es Maron?“, meinte sie leise und setzte sich torkelnd auf die Couch. „Besser“, sagte Rick. „Ich möchte dir sagen, dass das, was mit ihr geschehen ist, mir unendlich leid tut. Ich…“ „Ich weiß, du machst ihr keinen Vorwurf für den Pfeilschuss.“ Zelda nickte. „Außerdem wird sie demnächst nichts zu befürchten haben.“ „Wie meinst du?“ Rick sah überrascht auf. „Eine gewisse Naranda Leader sorgt dafür, dass das ganze unter den Teppich gekehrt wird… und der Artikel in der Morgenzeitung wird auch nur als ein Scherz präsentiert werden. Es wird keine Anklage geben und niemanden, der Maron einen Vorwurf macht, für etwas, was sie nicht wirklich getan hat, für etwas, was sich ihrem Wissensbereich entzieht, für etwas, woran sie keine Schuld trägt. Es wird nur einen geben, der dafür büßen wird… und es ist nicht Maron.“ Damit endete Zelda, als ob eine Richterin auf dem Sofa saß, eine wissende, weitsichtige Persönlichkeit mit einer sehr alten Seele. Link und Rick schauten sie an, als käme sie von einem anderen Stern, aber Zelda winkte ab und beobachtete den Wolkenhimmel über das Wohnzimmerfenster. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass Maron vom Teufel besessen war“, murmelte Rick und legte die Beine auf den Glastisch. Er knipste den Fernseher ein und hörte die Abendnachrichten. Aber weder Link noch Zelda fanden den Mut für eine Bestätigung seiner Aussage… Schwerfällig stützte sich Zelda an der Fensterbank ab und kniff die Augen zusammen. Die Ereignisse, so vertraut. Der Hass und diese lähmende Angst… all’ diese Dinge fühlten sich an wie Erinnerungen… Schon wieder kurze Bilder in ihrem Geist, die zermürbten und sich in die Seele einbrannten. Und nur ein grausames Wort legte seine Pfade in das Nebelreich ihrer Vergangenheit. Das Gefecht. Das Gefecht um Frieden. Das große, letzte Gefecht… Plötzlich riss Link sie aus ihren Gedanken und er legte seine Hände massierend auf ihre Schultern. „Zelda, es ist Zeit.“ ,… es ist Zeit…’ Zu gehen? ,Aber wohin‘, dachte sie kurz. Seine Stimme- ein Beweis, ein Abbild für die Erinnerung in ihr. Diese Worte… Link sprach sie schon einmal, aber sie wusste nicht wann, sie wusste nicht warum. „Hier deine Jacke…“, meinte er leise und sie fühlte einen warmen Stoff auf ihren Schultern. ,Ich muss nach Hyrule.’ Wie eine Prophezeiung lag dieser Satz in ihren Gedanken. ,Ich muss nach Hause.’ Ohne Gegenwehr ließ sie sich von Link durch den Raum geleiten, der am Rande der Realität ein „Bis bald, Rick“ murmelte. Aber auch Rick schien für Zelda im Moment nicht mehr zu existieren. „Ich muss zurück“, sagte sie leise mit unendlicher Traurigkeit in ihrer Stimme. Gerade fiel die Haustür zu, als Link diesen Satz aus ihrem schönen Mund vernommen hatte. „Wohin?“ „Bringst du mich zu dem Bach, wo du mich gefunden hast“, bat sie inständig. „Sicher, aber was willst du dort?“ Sie wich zurück und neigte ihren Kopf schwerfällig. „… mich erinnern…“ Und plötzlich war da eine beklemmende Distanz zwischen ihnen, die Link in dieser Weise noch nie gefühlt hatte. Abweisung und Verlustangst. Was, wenn sie sich daran erinnerte, dass sie irgendwo, weit weg wohnte? Was, wenn sie plötzlich weit weg war, unerreichbar für Link… was, wenn mit ihren Erinnerungen alles endete, was er in ihr sehen konnte, alle seine Hoffnungen und Träume. „Bring’ mich in die Wälder“, sagte sie fast befehlend. Ihr Gesicht kühl und angespannt. Links tiefblaue Augen wanderten zu Boden und er bejahte ihre Bitte zweifelhaft. Wie ein Meer aus lodernden Flammen lagen sie Wälder vor ihnen, erleuchtet mit dem flammenden Schein der Abendsonne. Es war etwas kühl außerhalb und eine leicht salzige Brise lag in der Luft, kündigte Stürme an. Wenig später erreichten beide Jugendlichen schweigsam den magischen Ort, wo mit dem Auffinden des bewusstlosen Körpers Zeldas ein Abenteuer begann, welches sich in naher Zukunft nicht nur auf der Erde bewahrheiten sollte. Aufgeregt hetzte Zelda zwischen den Bäumen umher, folgte dem Bachlauf und wühlte letztlich zwischen den frischen feuchten Gräsern. Sie ließ sich zu Boden sinken, verzweifelt, beinahe hysterisch. „Es muss hier doch irgendwo sein“, fauchte sie. „Zelda, was um Himmels Willen suchst du?“ Aber sie ignorierte Link vorerst und suchte irgendetwas zwischen Gestrüpp und Gras. Aber nichts war hier, alles gewöhnlich, alles so leer… Es gab keinen Hinweis auf einen Platz in einer anderen Welt, keine Pforte nach Hause. „Sag’ mir bitte, was du suchst“, meinte Link leise und trat hinter ihrem Rücken näher. „Die Wahrheit“, wimmerte sie, und zog die Nase hoch. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt, die Augen hatte sie zugekniffen und nicht nur eine Träne tropfte ihre Wange hinab. Sie wusste nicht, was sie suchte. Aber es war entschieden mehr als ein stupider Hinweis auf ihre wirkliche Persönlichkeit. Es war eine Antwort. Eine Pforte in die Welt, die sie zurückließ. Sie hörte das Rascheln von Links Turnschuhen durch das feuchte Gras und wusste, dass er nur wenige Zentimeter hinter ihr stand. Auch jenes Geräusch verdammte sie… die Art und Weise seiner Schritte erinnernd. „Hör’ auf…“, murmelte sie und sprach mit den Mächten der Erinnerung, die ihr die Vergangenheit zuflüstern wollten. Sie schlug ihren Kopf mehrmals zur Seite und schien irgendetwas abwehren zu wollen. „Ich muss nach Hause… ich muss unbedingt nach Hause…“, wimmerte sie. Und in dem Moment spürte Link, auch wenn sie ihr Gesicht ihm abgewendet hatte, dass sie weinte. „Dein Zuhause“, sagte er sanft, trat an sie heran und zog ihren Körper mit seinen Armen auf die Beine und dann an sich, wollte ihr helfen sich zu erinnern, Mut zu haben für die Erinnerung und jene nicht abzuweisen. „Wo ist das, Zelda“, meinte er leise, hoffte seine Frage könnten sie befähigen dem Erinnerungsfluss zu vertrauen. „Überall… nur nicht hier…“, sagte sie. Ihre Augen leer und unwirklich. „Dein Zuhause… beschreib’ es mir“, flüsterte er und lehnte sein Kinn an ihren Hinterkopf. „Nein, es ist falsch… es ist unecht…“ Bilder von einem luxuriösen Schlossgemach mit Bibliothek und den aufwendig verarbeiteten Möbeln überhaupt brannten sich in ihren Geist. Da war eine Glastür mit Inschriften. Ein Turm… „Lass’ es zu“, sagte Link und wollte, dass sie die Erinnerungen nicht vor sich verschließen sollte. „Nein… es tut weh…“, murmelte sie und riss dann wieder die geschlossenen Augen auf, zwang sich zu vergessen, zwang sich alles zu betäuben. Plötzlich gaben ihre Knie nach und sie sank wieder zu Boden. Seufzend saß sie auf der Wiese und fühlte Links Wärme hinter sich. „Erinnerst du dich?“ Sie schüttelte mit dem Kopf und drehte sich laut ausatmend zu ihrem Seelenverwandten um. „Ich habe den Faden verloren“, meinte sie und fühle getrocknete Tränen auf ihren Wangen. „Entschuldige… ich wollte dich damit nicht verunsichern“, sagte sie fest und stand auf. Und schon wieder fühlte sich Link total vor den Kopf gestoßen. Wo war plötzlich die Zelda, die sie vor wenigen Sekunden noch gewesen war? Mit einem Schlag stand ein ausgewechselter Mensch vor ihm. Und innerhalb unbedeutender Momente war das, was in ihr hätte erwachen können… einfach unwichtig. Er schenkte ihr einen absolut ehrlichen Blick in ihre blauen Augen und sagte: „Verzeih’ mir für meine Worte, aber du wirst mit jeder Minute rätselhafter. Ich weiß nicht, wie ich dich noch verstehen soll.“ Link fühlte sich einfach hilflos, so, wie noch nie in seinem Leben. Und er steckte als Ausdruck dessen seine Hände in die Hosentaschen. Sie flüsterte nah in sein Ohr. „Du wirst mich nicht verstehen müssen, für keine Entscheidungen, die ich treffen werde. Das musst du nicht.“ Er packte ihre rechte Hand und meinte herausfordernd: „Aber ich wollte es von Anfang an. Ich wollte dich von Anfang an verstehen.“ „Warum?“, sagte sie. „Weil du mir ein Freund geworden bist…“ „Wirklich?“ Er neigte seinen Kopf auf eine Schulter. „Wie nennt man das denn, wenn sich Leute so gut verstehen wie wir beide und wenn sie einander so vertrauen können. Ich sehe dich als Freund, Zelda.“ Sie nahm seine linke Hand in ihre beiden, wusste doch, dass er Linkshänder war und sprach sanfter als vorhin: „Dann möchte ich, dass du verstehst… ich möchte, dass du weißt, dass egal, was immer ich auch irgendwann tun werde… es immer einen Grund gibt… ich möchte, dass du meine Entscheidungen verstehen lernst, egal, wie dumm sie auf den ersten Blick erscheinen und egal, wie sehr jene andere verletzen könnten.“ Er nickte, wusste aber nicht, auf welches Bündnis er sich damit einließ. „Und wenn ich mich erinnere, dann bitte ich dich, lerne auch meine Erinnerungen zu begreifen“, meinte sie leise. „Versprochen. Aber nur, wenn du wieder lächelst“, sagte er leise und drückte sie noch einmal an sich. Sie erwiderte die Umarmung mit grenzenloser Vertrautheit und murmelte beinahe lächelnd: „Abgemacht.“ Als die Nacht in Schicksalshort kam, ging Zelda im Hause der Braverys ohne ein Wort in das Gästezimmer und lehnte sich an die Bettkante. Immer wieder hatte sie es heruntergeschluckt, versucht vor Link standhaft und stark zu wirken. Aber sie hielt alles das, was geschehen war, und was noch geschehen würde, kaum mehr aus. Sie wusste, dass da draußen irgendwo an einem kalten Platz jemand auf sie wartete, lauerte mit reißenden Zähnen, lauerte mit machttrunkenem Herzen, und sie fühlte eine furchtbare Angst in sich brodeln, seit dem gestrigen Tag. Eine vertraute Angst, dumme Furcht und lächerliche Gewissheit. Und alles, woran sie sich klammern konnte, was ihr Hoffnung gab, war der junge Mann, den sie knapp eine Woche nun kannte. Sie fühlte sich sicher bei ihm und konnte doch die Sorge um sein Wohl kaum aushalten. Sie sorgte sich um Link, um die Dinge, die noch passieren würden, fürchtete sich vor der Nacht, vor dem Tag… vor der Erinnerung und der daran geknüpften Wahrheit. Pulsierende Bilder voller Leben und Grausamkeit kehrten nun immer häufiger in ihr Bewusstsein zurück, und je mehr sie versuchte sie wegzuschließen, umso folternder wurden sie. Es tat weh… jedes Bild in ihrem Kopf. Jeder Funken Wissen und Wahrheit brannte in ihrem Herzen wie Feuer… Sie fühlte Pflichtgefühl… Schuld… und sie wusste diese Empfindungen waren nicht ohne Berechtigung in ihr Bewusstsein gekehrt. Sie trug Verantwortung… sie war immer diejenige, die das Schicksal in bestimmte Bahnen lenken musste. Sie war verantwortlich, auch für diese Welt… „Ich bin ein ganz normales, gewöhnliches Mädchen“, wimmerte sie in die Leere des Raumes Aber sie wusste, dass das nicht stimmen konnte. Ihr Herz sagte es ihr, flüsterte… folge dem Schicksal und deiner Bestimmung… Es flüsterte leidend: ,Du kannst nicht weglaufen… nicht vor dem, was du bist…‘ Link stand vor ihr und trug ein seltsames blassblaues Gewand. Er seufzte, wir dürfen es nicht ignorieren. Was durften sie nicht ignorieren? Er sah sie so liebevoll an, so als könnte die Welt um ihn herum versinken, aber sein Blick würde standhaft bleiben. Dann verschwand sein Bild, wie als ob die Nebel der Erinnerung es verschlingen wollten. Eine weitere Person sprach zu ihr… eine weise, ältere Frau, deren Stimme sie immer respektiert hatte. „Wir müssen uns beeilen, Prinzessin.“ Sie folgte der Frau, wusste, dass etwas Schreckliches passiert war. Sie durchquerten mit Pferden eine riesige Art Steppe, mit grünen Wiesen, und nur wenigen Bäumen darauf. Vor einem riesigen See, so schön und gefüllt mit dem reinsten Wasser, blieben sie stehen. In der Mitte des Sees befand sich eine kleine Insel. Zelda blickte zu der Dame und dann in den düsteren Himmel. Ein Gewitter braute sich zusammen. Zarte Regentropfen fielen, verdichteten sich, wurden schwerer, größer. Die schlanke, muskulöse Person mit dem dunklen Umhang winkte ihr zu und meinte, sie müssten unbedingt mit dem Boot zur Insel hinausfahren. Zelda stieg ein und beobachtete, wie die Person ihr gegenüber mit den Paddeln das Boot vorantrieb. Rote Augen starrten sie an, teilweise mit Angst erfüllt, teilweise aufmunternd. Sie waren an der Insel angekommen… Zelda stieg aus, wollte durch das Unwetter erkennen, was vor sich ging, doch sah nur, wie der Eingang zu einem heiligen Ort- Treppenstufen, die nach unten, in den See hineinführten, allmählich verblassten. Sie wollte es sehen, wollte wissen, was das zu bedeuten hatte, aber alles verschwamm wie Tinte auf Papier, die von einer Träne überdeckt wurde. Alles verging, wie Erinnerungen unter der Macht der Zeit. Sie wünschte, sie könnte es festhalten, das Bild aus der Vergangenheit… die Wahrheit. Zelda saß immer noch an der Bettkante, war zu erschöpft um aufzustehen und ließ sich einfach in die Ohnmacht fallen, mit dem Wunsch auf einen glücklichen Traum, mit der Hoffnung ruhen zu können, nichts mehr zu wissen oder zu ahnen, egal ob es Zukunft oder Vergangenheit betraf. Sie wollte einfach leben. ,Link, hilf mir bitte’, flüsterten ihre Gedanken und doch wünschte sie sich nur, dass sie ihm nicht schadete, dass sie ihn nicht in eine Geschichte hineinzog, in der er bestimmt war zu leiden. Sie wollte ihn nur beschützen… vor der Grausamkeit des Schicksals… Link trat in das unbeleuchtete Gästezimmer ein, und obwohl er sich bereits schlafen gelegt hatte, war er aus irgendeinem Grund wieder aufgewacht, glaubte schon, Zelda würde nach ihm gerufen haben, auch wenn er sich nicht sicher war, und er war sich nicht sicher, ob er sie nicht lieber etwas alleine lassen sollte nach den merkwürdigen Ereignissen diese Woche. Er lief auf das Bett zu, suchte mit seinen Augen nach Zelda und sah, wie sie zusammengehockt auf dem Boden saß. Er kniete etwas irritiert nieder und berührte ihre Schultern. „Zelda…“ Sie rührte sich nicht, reagierte nicht einmal auf ihn. Er nahm sie auf seine Arme und legte sie in das Bett, als sie plötzlich schluchzte: „Link… bitte verlass’ mich nicht.“ Zelda fantasierte. Hatte sie wieder einen Alptraum? Link deckte sie dann mit einer Decke zu, legte sich zu ihr auf das Bett, umschlang mit seinen Armen ihren Bauch und blieb. Er würde solange bleiben, bis sie aufwachte. Sie umklammerte seine Arme. Seine Nähe tat unheimlich gut… Aneinander gekuschelt, in der Wärme des anderen, in der Wärme jener Person, die mehr als ein anderer das eigene Schicksal teilte, ein Gefühl, welches Trost und Ruhe spendete, ein Gefühl, unvergleichbar und angenehm. Sein Kinn an ihren Hinterkopf gelehnt, schlief auch Link ein und ließ sich seit langem einmal wieder in einen Schlaf fallen, der ihn entspannte, durch den er sich am Morgen besser fühlen sollte. Jetzt würde er sie nie wieder alleine lassen… nie mehr wieder. Kapitel 14: Erinnerung ---------------------- Link war im Hause der Braverys am Morgen der erste, dessen Augen blinzelten. Er wusste zunächst nicht, wo er war, fühlte nur eine angenehme Wärme, roch einen Duft nach Rose und spürte seidenes Haar, das seine Nasenspitze kitzelte. Er blinzelte ein weiteres Mal, genoss den ersten Augenblick des Tages, genoss das Gefühl zu erwachen und einfach entspannt zu sein. Als er die Umgebung erkannte, nämlich das Gästezimmer, und als er begriff, dass er jemanden ganz innig festhielt, blinzelte er erst recht und hoffte, dies war einer seiner Träume. Er richtete sich sachte auf, versuchte das Mädchen in seinen Armen nicht aufzuwecken und rückte zur Seite. Er war sichtlich durcheinander, schämte sich mehr als er es in seinem Leben jemals getan hatte, und rutschte so unbeholfen über die Bettkante, dass er hinunterfiel. Seine Gedanken noch nicht geordnet, erzählte ihm sein noch verschlafener Verstand, dass er sich ohrfeigen sollte. Er hatte einfach so, und ohne sich etwas dabei zu denken, die Nacht mit Zelda verbracht. Arm in Arm… Wenn das seine Mutter herausbekam, dann… ja, was dann? Sein Kopf so rot wie eine Tomate hechtete er aus dem Zimmer und fragte sich, warum sie einander so nah gekommen waren. Obwohl die beiden sich augenscheinlich nur wenige Tage kannten, so fühlten sie eine ungeheure Geborgenheit in der Nähe das anderen, die mit gewöhnlicher Vertrautheit einfach nicht zu beschreiben war. Sie fühlten sich wie Seelenverwandte, wie Geschwister, wie Liebende… als würden sie einander schon ewig kennen. ,Ob das so gut für sie beide war‘, fragte sich der junge Mann, duschte sich um sich von dem Gefühlswirrwarr abzulenken und hoffte, Zelda würde sich an diese Sache nicht erinnern, wenn sie wach wurde… Als Zelda am späten Vormittag ihre Augen öffnete, stand Link mit einem Tablett bedeckt mit Toast, Marmelade, Orangensaft, Tee und Obst vor ihr. „Guten Morgen, hast du Hunger?“, meinte er nervös. Das blonde Mädchen war noch nicht einmal richtig wach, als ihr Freund das Tablett auf die Bettdecke stellte und sich ihr gegenüber direkt auf das Bett setzte. „Komm‘ schon, iss‘ was, damit du wieder zu Kräften kommst.“ Zelda wusste nicht, wovon er überhaupt redete. Sie wusste nur noch, dass sie gestern nach der zweifelhaften Erinnerung irgendwie eingeschlafen war… Jetzt aber lag sie in diesem gemütlichen Bett und hockte nicht mehr an der Bettkante, und scheinbar war die Nacht sehr erholsam für sie gewesen. „Guten Morgen, Link“, sagte sie in einer ganz sachlichen Stimme. Sie wirkte ruhig und entspannt, lächelte ihm leicht entgegen. ,Das war nicht die Zelda von gestern Abend‘, dachte der junge Mann, die ihn in ihrem Unterbewusstsein gebeten hatte, bei ihr zu bleiben. Im Moment war sie nicht das zarte, angsterfüllte Mädchen, das er zu beschützen bereit war. Link sah sie ein wenig besorgt an. „Alles okay mit dir? Geht es dir wirklich…“ Er sah die Ratlosigkeit in ihren Augen und bohrte nicht weiter nach. „Wie auch immer, du musst hungrig sein, oder?“ Zelda nahm die Tasse Tee in die Hand und nickte: „Etwas zum Frühstück könnte ich schon vertragen. Du bist aber lieb heute…“ Sie wirkte verlegen und schaute mit schwachrosa Wangen auf das Tablett. Er lächelte unbeholfen und kratzte sich am Kopf. „Nun ja, nur das Beste für eine Prin…“ Er schloss die Augen und biss sich auf die Lippe. Was war eigentlich passiert? Dieses ganze Chaos zwischen ihnen… diese ungeklärten Ereignisse. Hatte er eigentlich mittlerweile seinen ganzen Verstand verloren sie als Prinzessin zu bezeichnen? Er pustete die Luft seufzend aus seinen Lungen und sah deprimiert drein. „Link?“ „Ja.“ „Ich mache mir Sorgen um Maron und die anderen Menschen in unserer Umgebung.“ „Ja, dazu hast du auch allen Grund. Aber, ich habe keine Ahnung, was wir tun könnten… außer wir besuchen diese Naranda noch einmal.“ „Das hat keinen Zweck, ich denke, sie wird uns nicht mehr erzählen, als wir bereits wissen.“ Zelda stand mit einer Scheibe Weißbrot in der Hand auf, und lief auf den Schrank zu, öffnete dessen Tür und betrachtete das samtene, weinrote Kleid, das darin hing. „Und andererseits bin ich mir nicht sicher, ob es unsere Aufgabe ist, uns da einzumischen und Helden spielen zu wollen…“, setzte sie hinzu. Link lehnte sich zurück und steckte die Hände hinter den Kopf. „Nun ja, es ist ja nicht so, dass wir aus Spaß an der Freude dahinein gestolpert sind… einige der Vorfälle… nun ja, an einigen Vorfällen waren wir eben doch beteiligt.“ Seine Worte erklangen mit mehr Ernst als er es wollte. Aber es stimmte ja. Sie suchten es sich nicht aus etwas Besonderes zu erleben. Wenn es nach Link ging, hätte er versucht diese ganzen merkwürdigen Vorkommnisse zu verhindern. Er hatte nicht darum gebeten durch ein Spiel angegriffen zu werden, hatte nicht darum gebeten zu sehen wie ein Schatten aus Marons Körper kroch. „Erinnerst du dich an das, was Maron gesagt hat- über das Böse, meine ich.“ Link wusste nicht, worauf sie hinaus wollte und blinzelte zu ihr herüber. Sie wirkte so bezaubernd in dem weißen Nachthemd, das sie trug… so rein und unschuldig. Ihr Haar hatte sie teilweise geflochten… „Sag’ glaubst du, es gibt… etwas so unheimlich Böses… etwas, so Machtbesessenes, das eine ganze Welt unterwerfen würde, um alles, was sein Begehr scheint, zu besitzen.“ „Seit ich gesehen habe, welcher Schatten aus Marons Körper gekrochen kam, glaube ich fast alles, Zelda.“ Sie schloss langsam die Augen und sagte leise: „Glaubst du, ich habe etwas damit zu tun… ich meine… Glaubst du, ich bin…“ Sie berührte das Kleid und öffnete einen Kasten, in dem das goldene Diadem lag. Sie setzte es auf und betrachtete sich damit im Spiegel. Es wirkte so obskur, und gleichzeitig so demütigend, dieses Schmuckstück zu tragen. „Was meinst du…“, murmelte er schwach. Aber er seine Frage war überflüssig, und die Unsicherheit in seinen Worten, bemerkte auch sein Gast. Link blickte zu ihr herüber, beobachtete sie dabei, wie sie den Stirnschmuck wieder abnahm… und irgendwie gefiel auch ihm nicht, dass sie so etwas trug. Sie ließ den Schmuck zu Boden fallen und setzte sich zu ihm auf das Bett. „Entschuldige… ich weiß überhaupt nicht, was los ist“, murmelte sie und rieb sich ihre Stirn. „Ich komme mir so stumpfsinnig vor… irgendwie verrückt… weil ich über Dinge nachdenke, die einfach nicht sein können. Ich denke an eine Welt, die nicht existieren kann. Ich träume von Geschehnissen, die keinen Sinn ergeben… und…“ Link lächelte ihr trübsinnig entgegen und griff nach ihrer Hand. Es war wie als erwartete er einen Segen von ihr. „Du denkst an die Legende von Zelda… an das Spiel, habe ich Recht?“ Sie nickte fahl und kniff die Augen zusammen. „Das ergibt überhaupt keinen Sinn… wie kann für mich eine Spielwelt real sein…“ „Die Frage habe ich mir auch schon sehr oft gestellt und immer… immer bin ich daran gescheitert eine Antwort zu finden. Denn es gibt keine Frage, die wir uns stellen sollten. Wir können uns nicht wirklich fragen, ob Hyrule…“ „… Ob Hyrule einmal Wirklichkeit wahr?“, beendete sie für ihn. Daraufhin sprang Link aufgeregt aus dem Bett. „Nein, das kann nicht sein, selbst wenn du Zelda wärst und ich Link… Hyrule ist nur ein Märchen, eine erfundene Geschichte, die geschrieben wurde, um den Menschen Freude zu bereiten. Hyrule ist nicht wirklich.“ Er redete laut und eindringlich, fragte sich, ob er sich selbst diese Worte einflößen musste oder ihr. „Hyrule… das klingt irgendwie so schön. Könntest du dir vorstellen, dass es irgendwann einmal ein solches Land gegeben hat.“ Link blieb stumm. In seinem Inneren glaubte er fest an eine solche Welt, mit Magie, mit Abenteuern, mit dem Bösen… Aber es ergab trotz allem keinen Sinn. Er konnte nicht mit einem Schwert durch die Gegend laufen, nach den Weisen suchen und Ganondorf vernichten wollen. Diese Welt würde ihn in eine Psychiatrie sperren und nie wieder herauslassen. „Sag’ mir, Link… denkst du auch manchmal an eine weite, unberechenbare, und doch liebenswerte Welt… mit einer Landschaftszeichnung, für die menschliche Phantasie nicht ausreicht. Und kannst du sie sehen, fühlen, riechen… kannst du Bilder sehen, wie es dort einmal aussah… was jene Welt zu einer Besonderen machte.“ Zelda lehnte sich auf dem Bett zurück und starrte an die Decke. „Kannst du sie sehen, diese Welt?“ Mit einem warmen Lächeln begegnete er ihrem Blick. „Und wenn es so wäre…“ Zelda lächelte zur Verwunderung ihres Gegenübers. „Dann wärst du mein Held für alle Zeit…“ Sie grinste etwas, aber ihre Worte waren mehr als ehrlich gemeint. „Oh…“, murmelte Link und wurde rot wie eine Tomate. Er kratzte sich an der Wange und wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Er hatte sich noch nie wirklich Gedanken darum gemacht für jemanden dieser Held zu sein, der er doch zu gerne in der Traumwelt war oder den er in einem Spiel steuerte. Würde die Zuneigung für Zelda ausreichen um ein solcher Held zu sein? „Entschuldige, Link. Ich wollte dich damit nicht verunsichern…“ Sie wand sich ab und richtete sich einmal mehr auf. Dann hob sie den Stirnschmuck vom Boden. „Es ist nur… ich frage mich, ob es Seelen in dieser Welt gibt, die bereit wären für etwas einzustehen, das gut ist, das schön ist und das mit aller Macht beschützt werden sollte. Ich frage mich, ob es Menschen gibt, die ihre Welt beschützen würden… genauso wie ich… die Welt beschützen möchte, die ich spüren kann. Die Welt, die ich sehe, wenn ich schlafen gehe. Die Welt, die ich sehen kann in…“ Zelda blickte auf das Diadem. „… Erinnerungen.“ Erinnerungen. Ein Fluch, wenn sich diese in Gestalt von so aufwühlenden preisgaben. Ein Fluch. Mitfühlend suchte er einen stummen Gedanken in ihren Augen, fand ein Glitzern, so warm wie ein Hoffnungsschimmer, wo nur noch Dunkelheit herrschte. „In Erinnerungen?“, wiederholte Link zweifelnd. Plötzlich sprach Zelda lauter als vorhin. „Verdammt, ja, ich bin…“ Sie war in den Augen aller, die sie sahen, nur ein einfacher Mensch. Vielleicht verschlossener als andere, ein wenig zurückhaltender… aber in ihrem Inneren war sie auserkoren, hatte ein ganz außergewöhnliches Schicksal… „Ich habe gestern Abend einige Bilder gesehen… von einer weitentfernten Welt. Ich habe weite grüne Wiesen gesehen, riesige Gebirge und ich sah… wie das alles verblasste. Ich gehöre nicht hierher, nicht in deine Welt.“ Link zuckte fassungslos zurück. „Willst du mir damit sagen, das…“ Er sah Tränen auf Zeldas Gesicht ihre zartrosa Wangen hinab tropfen. „Das stimmt nicht. Und wenn du auch nur eine Sekunde daran denkst, werde ich mich bemühen, zu beweisen, dass du genau hier her gehörst.“ „Ich habe mich daran erinnert, dass mich jemand…“ Zelda würde ihm mittlerweile alles erzählen, denn wenn sie jemandem vertrauen konnte, dann nur ihm. Und für Link kam nun vielleicht der größte Schock. „Ich erinnerte, wie mich jemand… Prinzessin nannte.“ Zelda fasste sich an den Kopf, als wäre er zu schwer für ihre Schultern. Dann wischte sie sich die Tränen weg. Link rutschte näher, sodass der Abstand zwischen ihren Nasenspitzen verschwindend gering wurde. „Ach Zelda… Prinzessin hin oder her, das ändert nichts daran, wer du bist. Es ist nur ein Titel, der dir vielleicht irgendwann einmal auferlegt wurde. Er sagt nichts über dich aus, über dein Wesen und dein anmutiges Lächeln. Es ist mir egal, wer du bist. Ich sehe vor mir einfach nur Zelda, die diesen Namen trägt, weil er zu ihr passt und nicht, weil eine Prinzessin hinter diesem Wort steht. Ich sehe dich als Menschen, als sehr liebenswürdigen Menschen… und… ich mag den Menschen hinter dem Titel. Ich mag dich so, wie du bist, einfach Zelda.“ Zeldas Tränen schienen sich in Freudentränen zu verwandeln und sie nickte: „Mmh. Danke, Link.“ „Und jetzt!“ Link stand auf, schnappte sich ein Kissen, rannte einige Meter in Entfernung und traf Zelda damit. Er wollte sie ablenken von dieser Grausamkeit ihrer Gedanken und den Zweifeln, die sie beide spürten. Hyrule konnte nicht real sein… es konnte einfach nicht… „Na, warte, das wirst du noch bereuen, mein Lieber“, antwortete Zelda und nahm die Herausforderung an. Sie nahm ebenfalls einige Kissen und bewarf Link damit, der allerdings viel zu gut ausweichen konnte. Das ging noch einige Minuten so… und es war für beide ein Heilmittel, das die letzten Ereignisse ein wenig wegwischen konnte… Es war kurz nach Mittag, als Link fluchend über den riesigen Karton mit den Werbezetteln stolperte und den Teppich aus neuer, naher Perspektive betrachten konnte. Zelda hatte den Krach vernommen und kam herbeigeeilt, als ihr junger Held grinsend neben einem aufgerissenen Karton und den Zetteln auf dem Boden hockte. Sie grinste zurück und blickte nachdenklich mit einer Falte auf der Stirn zu den Hunderten Prospekten. „Was ist das denn?“ Zelda setzte sich neben ihn und sah ihm beim Sortieren zu. „Bloß ein Haufen Werbung, den ich austrage, den die Leute aber sofort wieder in die Mülltonne werfen.“ „Oh… und wenn ich dich richtig verstehe, musst du das am besten heute noch erledigen.“ „Jep. Seitdem du da bist, habe ich das wohl einfach nur verdrängt.“ Sie lächelte ihm entgegen. „Okay, ich helfe dir“, sagte sie. „Bist du dir sicher? Macht nämlich keinen Spaß durch ganz Schicksalshort zu watscheln.“ „Aber hier wüsste ich erst Recht nicht, was ich tun sollte.“ „Also gut, lass’ uns gehen.“ Link nahm Zelda an der Hand und lenkte sie in einen Teil der Altstadt. Ihr Weg führte sie durch eine schmale Gasse, die sogar noch Pflastergestein besaß. „So, Zelda. Hier fangen wir an und arbeiten uns vor bis hin zu den Häusern am Rande des Parks.“ „Okay“ erwiderte sie und nahm ihm einen großen Stapel ab. Und so brachten Zelda und Link den Nachmittag mit jenem langweiligen Job herum. Gegen Abend erreichten sie einige Villen an dem Rande des alten Parks mit der hohen Steinmauer und mit den vielen ehrwürdigen Pappeln. „Machst du das eigentlich öfter?“ „Was, mein Taschengeld damit aufzubessern?“ Zelda nickte und nahm ihm einige wenige der restlichen Zettel ab. „Jep. Bringt doch was und außerdem bleibe ich fit, wenn ich durch die ganze Stadt laufe.“ „Mag sein, aber irgendwie habe ich jetzt schon genug davon.“ „Hat eben keinen Anspruch dieser Job“, ergänzte Link und sah Zeldas bestätigendes Kopfnicken. Zelda nahm sich das nächste Haus vor und öffnete ein schweres, hohes Gartentor. Langsam und ganz in ihren Gedanken folgte sie einem gepflasterten Weg durch einen sauberen, gepflegten Garten mit beschnittenen, zu den unterschiedlichsten Figuren geformten Büschen und lief geradewegs zu der Haustür, um die Werbung in den Briefkasten zustecken. Plötzlich hörte sie gefährliches, lautes Knurren der Hunde, die hier wachend in dem Garten lauerten. Sie ließ die Werbung fallen und fühlte erneut Gefahr. Gemeiner Druck in ihrem Magen, ein Ziehen und Klemmen, wie jene Fähigkeit in ihrem Herzen, Böses frühzeitig wahrzunehmen. Sie drehte sich langsam und schaute sich sorgfältig in dem großen Garten um, fühlte, auch wenn sie nichts Verdächtiges sehen konnte, das Herannahen von Gefahr, spürte den Drang von etwas zu töten… Zögernd lief Zelda erneut auf das hohe, noch offenstehende Gartentor zu, hatte diesen Weg in Sicht und traute sich nicht zurückzublicken. Die Angst in ihr wuchs, sie kannte das Gefühl, sie wusste, wie es sich anfühlte, wenn jemand hinter ihr lief. Sie wusste, wie bedrohlich es sein konnte, wenn Böses hinter ihr her war. Ihren Besitz einforderte, das stahl, was ihr teuer und lieb erschien, das mit kalten Klauen beschmutzte, was einst rein und blühend in Licht erstrahlte. Nur eine Erinnerung an vergangene Gefühle. Eine Erinnerung. Unwichtig… Mit einem lauten Schlag fiel das hohe Tor zu und wie von magischer Hand verriegelte sich das Schloss. In dem Augenblick verlor Zelda die Geduld und die Ruhe. Sie rannte zu dem hohen Tor und rüttelte aufgeregt an dem Schloss herum, hörte ein lautes Bellen hinter ihrem Rücken, dann ein Knurren und das Hasten von vielen Pfoten durch das grüne Gras des doch schönen Gartens. Angstvoll, mit dem unerträglichen Gefühl der Gewissheit in ihrem Magen, drehte sich Zelda um, lehnte sich mit ihrem Rücken an das Tor und sah drei die Zähne fletschende, ausgewachsene Rottweiler vor ihr stehen. Hechelnd standen sie kreisartig vor ihr, starrten ihr Opfer an, bis sich die dunkle Farbe in ihren Augen zu einem stechenden Glühen wandelte- einem Schimmern in feurigen Farben. Zelda konnte nicht schreien, obwohl sie es wollte, sie konnte sich nicht bewegen, obwohl sie es musste. Wie erstarrt blickte sie die todbringenden Hunde an. Gemach wendete sie ihren Kopf von rechts nach links und suchte nach irgendetwas, das ihr helfen könnte. Aber nichts war da, nur die sauberen Wiesen, einige Pappeln, wenige Hecken und die beschnittenen Büsche. Alles wirkte so edel, so ordentlich und nur die Hunde schienen fehl am Platz. Ein älterer Herr mit Krückstock erschien auf einer Terrasse und rief etwas, aber die Rottweiler folgten nicht seinen Befehlen, in jenem Moment unterlagen sie einer anderen Kontrolle und Zelda verstand langsam… Er würde sie finden und er würde Link finden. Jemand voller Hass und Rachedurst. Zelda schloss ihre Augen, ballte ihre Fäuste und fühlte sich elend aufgrund ihrer Feigheit, die sie noch mehr verabscheute als das bekannte, aussagekräftige Angstgefühl in ihrem Inneren. Sie nahm all ihren Mut zusammen und bewegte sich ein wenig nach rechts, hörte das warnende Knurren, aber zuckte nicht zurück. Bedächtig rückte das junge, blonde Mädchen weiter, tastete sich mit ihren Händen an der hohen, weißen Mauer entlang und kniff die Augen zu. Sie schlich weiter, bis sie ein kleines Stück außer Reichweite der verhängnisvollen Biester war. Sie knurrten weiterhin, tapsten auf ihren Pfoten näher. Aber in dem Augenblick brach in Zelda jegliche Angst heraus. Laut aufkreischend begann sie so schnell zu rennen, wie ihre Beine sie tragen konnten. Zelda rannte um ihr Leben, hörte das Zürnen der dem Bösen dienenden Bestien. Sie rannte bis sie am anderen Tor der Mauer ankam, rüttelte daran und schlug mit den Fäusten dagegen. Aber auch diese Fluchtmöglichkeit war ihr verschlossen. Die Hunde standen erneut hinter ihr, doch diesmal setzten sie bereits zum Sprung an. Zelda trat an die dicken Eisenstäbe des Tores, griff mit ihren zitternden Händen an das Metall und versuchte Halt zu finden. Sie stieß sich mit ihren Füßen ab, bevor sich einer der Hunde an ihren Beinen festbeißen konnte und zerrte sich an dem Tor in die Höhe. Sie begann zu fluchen, winselte leicht und versuchte sich Mut zu machen. Als Zelda auf der Mauer saß, und zu den drei Kreaturen hinabsah, wurde ihr schwindelig bei dem Gedanken, welche Kraft sie plötzlich entwickelt hatte und dass sie nur beinahe dem Zerfleischen entgangen war. Die Hunde klafften, sprangen wie besessen an die kalte Mauer, wollten die Beute, die ihnen entgangen war. Zelda brachte langsam ihren Atem und den Puls unter Kontrolle und kletterte mühevoll mit zittrigen Beinen an der Außenseite der Mauer hinab, verlor den Halt und fiel mit einem Schrei auf die geteerte Straße. „Verdammt“, fluchte sie und drehte sich um. Eine hässliche Schürfwunde zierte ihr Knie. Das Aufstehen wollte ihr nicht gelingen, so sehr bebten ihre Beine und Arme noch von dem Erlebnis der Furcht und Gefahr. Sie kroch rückwärts, bis sie sich an einen Baum lehnen konnte. Tief ausatmend, befreit, schaute sie zurück zu der Villa, traute sich nicht eine falsche Bewegung zumachen und wartete… Wenige Minuten später vernahm sie Links besorgte Stimme, die in dem Park umher schallte. Er rief nach ihr, wie sollte er auch nicht? Sie wusste, dass er sie brauchte… Sie versuchte aufzustehen und humpelte vorwärts. Der Schrecken saß ihr immer noch in den Gliedern. Als Link sie endlich entdeckte, flog er fast zu ihr, um sie zu fragen, wo sie war. Als er schließlich vor ihr stand und den leichten Schock, die Beklemmung in ihren Augen sah, tat er nichts weiter als in ihren saphirblauen Augen zu lesen, schwieg und nahm sie an der Hand. Er führte sie nach Hause und sagte nichts, was nicht gesagte werden sollte. Auch Zelda schwieg und versuchte das Erlebnis zu verarbeiten. Die Sonne außerhalb verschwand und Regenwolken zogen auf. Link schloss die Tür zu dem Haus seiner Eltern auf und führte Zelda in die Küche. Noch immer schwieg sie. Seufzend setzte sich das Mädchen auf die Eckbank, zog ihre Beine zu sich heran und legte ihren Kopf auf das aufgeschürfte Knie. Link kam mit einem Verbandskasten angelaufen und kniete vor ihr nieder. Er schwieg. Und doch hätte Zelda so ziemlich alles gegeben um jetzt in seine Gedankenwelt eintauchen zu können. „Darf ich?“, war das erste, was er sagte. Und Zelda ließ ihr leicht verletztes Bein von der Bank herunterbaumeln. Link krempelte ihre helle Jeanshose nach oben und legte ein Pflaster auf die Wunde. Zelda beobachtete ihn während er es tat, genoss verlegen seine Hände, die auf der Haut ihres Unterbeins spielten und blickte mit roten Wangen an die Decke. „Danke“, murmelte sie. „Nicht nur für das Pflaster…“, ergänzte sie. Und Link erkannte an ihrem Blick jenes Verständnis, sein Verzichten auf das Ausfragen bezüglich des Geschehnisses als Grund ihres Dankeschöns. Sie ließ sich vollständig zu ihm auf den Boden sinken und gab ihm spontan und unerwartet einen sanften Kuss auf seine linke Wange. Mit geschlossenen Augen stand sie dann abrupt auf und kam an dem Herd an. In dem Moment ging das Licht in der Küche aus und Donner wurde außerhalb hörbar. Ein Stromausfall. Wie schon so oft in Schicksalshort… Es war nichts Ungewöhnliches, Gewitter um diese Jahreszeit. Schicksalshort lag nun mal sehr ungünstig umgeben von Bergen und Tälern, auf einer Erhebung, und jedes Gewitter lud sich genau über diesem Ort aus. Zelda blieb stehen und lauschte furchtsam dem Brausen des Donners, während Link in dem Haus nach Taschenlampen suchte und alle Fenster verriegelte. Wenig später tauchte der junge Kerl wieder auf und reichte Zelda eine Taschenlampe als Orientierungsmöglichkeit. „Hier“, sagte Link gedämpft, als wollte er dem gefährlichen Grollen des Donners lauschen. Als Zelda die Taschenlampe an sich nahm, berührten sich kurz ihre und seine Fingerspitzen. Link konnte fühlen, wie eiskalt Zeldas Hände waren. „Bei uns gibt es sehr oft Gewitter, das ist ganz normal“, meinte er und dachte, Zelda fühlte sich deswegen so unwohl. Denn, dass es ihr irgendwie nicht gut ging, fühlte Link sehr deutlich. „Es ist nicht das Gewitter“, sagte sie und leuchtete mit ihrer Taschenlampe in dem dunklen Raum umher. „Es ist… vielmehr die Dunkelheit.“ Ja, die erdrückende Dunkelheit… das war ihre Angst. Schon immer verspürte sie Abscheu vor der Dunkelheit, als könnte sie sich um ihren Körper winden und jenen mitsamt der Seele, welche er hütete, verschlingen. Es gab eine mörderische Dunkelheit, irgendwann einmal in ihrer Vergangenheit. Einer Vergangenheit, vor der sich das freundliche Mädchen in dem Haus der Braverys sträubte. Eine Zeit mit erbarmungsloser Dunkelheit, die sich über jeden Lichtstrahl legen konnte. Ihre wahre Angst, die Dunkelheit, welche so kindisch war, dass Zelda von sich selbst enttäuscht war. Link nahm sie an der Hand und gemeinsam gingen sie in sein Zimmer. „Ich habe eine Idee, Zelda.“ Und für Zelda erschien diese Idee mehr als das- es war vielmehr eine Freude für sie. In wenigen Minuten stellte Link einige Kerzen auf, die eigentlich zu den teuren Kerzen in Meiras Sammlung gehörten, und die viel zu schade zum Abbrennen waren. Aber für Zelda nahm er wohl mehr als den Anpfiff seiner Mutter in Kauf. „Danke, Link“, sagte Zelda und machte es sich auf seiner Couch bequem. „Wegen vorhin“, ergänzte sie, „Ich werde nie wieder mit dir Zeitungen austragen.“ Diesen Satz nahm Link genau unter die Lupe. Hatte er einen Fehler gemacht, Zelda um Hilfe zu bitten? Vielleicht war ihr der dumme Job zu langweilig. Link lief zum Fenster, sah dem mürrischen Regen zu, der wild an die Fensterscheibe trommelte. „Es ist okay“, sagte er, „Du musst das doch nicht tun.“ „Es geht nicht um die Sache an sich, Link.“ Damit drehte er sich um, blickte in den hellen Schimmer ihrer Augen, wo sich das Kerzenlicht spiegelte. Zelda rührte sich nicht und starrte geistesgegenwärtig in die hellen Flammen. Er lief langsam auf sie zu, aber ihr Blick lag weit entfernt. „Ich wurde angegriffen“, sagte sie zögerlich. Sie lehnte sich zurück und stützte ihren Kopf an der Lehne ab. „Da waren drei Rottweiler, die…“ Innerhalb von wenigen Sekundenbruchteilen war Link neben ihr auf dem Sofa, legte seine Hände auf beide ihrer Wangen und zog ihr Gesicht in sein Aufmerksamkeitsfeld, damit er in ihre Augen sehen konnte. Aber entgegen seiner Erwartung sah er keine Furcht darin, sondern Wärme und ein mildes Gefühl der Ruhe. Zeldas Lippen bewegten sich zu einem empfindungsvollen Lächeln. „Es geht mir gut“, sagte sie standhaft und beruhigte damit das besorgte Gemüt Links. Plötzlich schüttelte er mit dem Kopf, gab Zelda einen sanften Stups an ihre Nasenspitze und drehte sich seitwärts. „Die ausgewachsenen Hunde… standen unter einer anderen Kontrolle und versuchten mich anzugreifen.“ „Verstehe.“ Endlich brach er sein Schweigen. „Ich lass’ dich jetzt nicht mehr aus den Augen“, setzte er leise hinzu, dann verlegen über diese aussagekräftigen Worte aus seinem Mund. Überrascht stützte sich Zelda nach vorne und legte eine Hand auf seine Schulter. „Habe ich richtig gehört, du…“ Aber Link sprang auf und wechselte schnell und kurzgebunden das Thema. „Wie auch immer, hast du eine Ahnung, was wir jetzt tun könnten?“ „Wie wäre es mit einem Spiel? Gibt es hier so was wie… Brettspiele?“, fragte Zelda unschuldig. Denn irgendwie hatte sie derartige Dinge in ihrer Erinnerung, auch wenn sie nicht mehr daraus machen konnte. „Äh“, sagte Link verlegen und hielt eine Hand hinter seinen Kopf. „Ja, aber Lust habe ich dazu wirklich nicht.“ „Auch gut. Dann eben nicht“, sagte sie abschließend. Sie wollte hier bleiben und nicht in das einsame Gästezimmer verschwinden. Vielleicht suchte sie deshalb nach etwas, womit sie und Link beschäftigt wären. Und Brettspiele waren etwas, das ihr bekannt erschien. Sie hatte fast das Gefühl, es gab da in der Vergangenheit ein Spiel, das sie gerne gespielt hatte, erinnerte sich für Sekundenbruchteile an ein hölzernes Spielbrett mit Uhr und sieben farbigen Figuren… Dann war der Gedanke wieder erloschen und nur eine Frage geisterte durch ihren Kopf. Wie sollte sie Link darum bitten, heute hier bleiben zu dürfen? Sie wollte nicht alleine sein nach dem Angriff dieser Höllenhunde, würde sich auch mit dem Sessel vergnügen. Aber was würde Link davon halten? „Möchtest du vielleicht hier übernachten? Ich meine, nur wenn du nicht in das dunkle Gästezimmer gehen möchtest.“ Zelda lächelte ihn bedeutungsvoll an. Wie las er ihr die Gedanken nur? Wie schaffte er das? „Nur, wenn du willst. Du kannst auch das Bett haben.“ Link hatte seinen Satz noch nicht zu Ende gesprochen, als Zelda zu ihm hinüber sprang, ihre Arme um seinen Hals legte und ein leises Dankeschön in sein verdutztes Gehör flüsterte. „Danke, Link.“ „Äh… nichts zu danken“, erwiderte er verlegen. Nach langem Hin und Her überzeugte Zelda ihren Helden dann doch, dass sie in dem Sessel schlafen würde und das Licht in Links Zimmer erlosch. Trotz Zeldas Anwesenheit überkamen Link seit tagelangem ruhigen Schlaf einmal mehr furchtbare, verwirrende Alpträume. Etwa drei Uhr morgens wurden die Träume dann intensiver und Link wälzte sich zermürbend in seinem Bett umher, bis er anfing zureden und in unerträgliche Schweißausbrüche verfiel. Er wusste nicht, wo er sich befand, aber überall war Dunkelheit, Stille und nur das Rauschen eines anrückenden Sturmes drang an seine Ohren. Und dennoch… Link fühlte sich, als ob er stundenlang gerannt wäre. Seine Lungen brannten und das Herz in seiner Brust hämmerte wild gegen den Brustkorb. Er schleppte sich vorwärts und fühlte die Schwere seiner Beine, seiner Arme. Fest umkrallt hatte Link irgendetwas in der Hand, ein Fetzen Stoff oder ein Stück Leder. Weiter torkelte er in dieser unheimlichen Dunkelheit, als er mit einem lauten Platsch in eine Pfütze trat. Link hechelte geradezu und lehnte sich gegen eine Wand, hier in der Finsternis. Vielleicht war er in einem Verlies oder Labyrinth… In dem Moment drang ein schwaches Licht aus der Dunkelheit hervor und Link öffnete seine verschwommenen Augen. Ein paar rote, durchdringende Augenlichter pirschten sich an ihn heran. Die Augen waren ihm aus irgendeinem Grund sehr vertraut und Link spürte nicht den Wunsch, vor der Person, zu welcher die Augen gehörten, zu fliehen. Die Person trat näher und Link erkannte eine schlanke Gestalt, die in ihrer einen Hand eine Lampe trug. Sie trat näher und prüfte den nach Luft ringenden Helden sorgfältig. Eine tiefe Stimme erklang und Link tat nichts anderes als zu nicken. Dann zogen sich die Augen von einem auf den anderen Moment zurück und die Dunkelheit nahm wieder zu. Da war in dem dunklen Tunnel mehr als nur Link. Krächzende Stimmen riefen, brüllten nach Vernichtung, ließen ihre summenden Klingen geräuschvoll auf dem Boden schleifen, suchten nach einem Opfer… In dem Augenblick wurde Link an seinen Schultern gerüttelt und spürte eine angenehme Hand auf seiner Stirn. „Link!“, sagte eine energische Stimme. Benommen hoben sich seine schweren Augenlider. Er versuchte sich aufzurichten, blieb aber unter dem schmerzvollen Druck in seinem Körper noch eine Weile liegen. „Hey…“, sagte Zelda. Und Link rückte sie in sein Aufmerksamkeitsfeld. „Bist du in Ordnung?“ Und Link stellte fest, dass er bereits wieder auf dem Fußboden lag. „Ja, ich hatte nur einen blöden Traum“, meinte er. „Du hast dich hin und her gewälzt, Link.“ Er versuchte es mit einem gutgemeinten Grinsen und stand auf. Ein Blick auf die Uhr: Schon elf. Sonnenstrahlen drangen durch das Fensterglas und erhellten sein ganzes Zimmer. Link streckte sich, gähnte herzhaft und folgte dann Zelda in die Küche, um das verspätete Frühstück zu essen. Zelda und Link verbrachten die nächsten Stunden zusammen, als wären sie ganz normale Jugendliche. Sie schlenderten vergnügt über den Marktplatz, gingen zusammen ins Kino, lachten gemeinsam und genossen das Leben. Es war abends, als Sara mit ihren Eltern die Tür öffnete und leise mit schweren Koffern in das Wohnzimmer trat, in dem es stockfinster war und lediglich der Fernseher lief. Zelda und Link saßen zusammen auf der Couch. Als Sara das Licht anschaltete, sprang Link wie ein Irrer auf und begrüßte seine Schwester freudig: „Hey, Sara.“ „Hallöchen, Bruderherz. Hab’ dich schon vermisst.“ Sie gab ihm einen Klaps auf seine Schulter. „Seid ihr gut angekommen?“ „Ja, gab keine Probleme. Ich sage dir, der Urlaub war phantastisch. Du hättest mitkommen sollen“, meinte sie. Sara wand ihren Kopf Zelda zu, die ebenfalls grüßte. „Ach, hallo, bist ja auch noch da. Wohl noch nichts Neues mit deinem Gedächtnis, he?“ „Nein, nicht wirklich“, erwiderte Zelda und log gleichzeitig, und warf Link dann einen eher trübsinnigen Blick zu. In dem Augenblick kamen Links Eltern, Meira und Eric, in die Wohnstube und stellten genervt ihre schweren Koffer ab. Sie begrüßten Link und die Fremde ebenso. „Na, ihr zwei, hattet ihr viel Spaß zusammen?“, fragte Links Mutter wissbegierig. „Äh… ja, schon, oder, Zelda?“, babbelte Link vor sich her. Denn er wusste, weshalb Meira so scharfsinnig nachfragte. Er erkannte an dem übernatürlichen Glitzern in den Augen seiner Mutter, welche stumpfsinnigen, unverschämten Hoffnungen sie sich machte. „Ja, es war eine schöne Woche“, entgegnete Zelda leise und lief in die Küche, um derweil das Essen anzurichten. Link sah ihr mit einem melancholischen Blick hinterher. In dem Moment wusste Sara, dass etwas geschehen sein musste. „Ach ja, mein liebes Brüderchen, dafür, dass du vor einer Woche so nett zu mir warst, hab’ ich dir was mitgebracht.“ „Ach’ Sara, hängst du mir das immer noch nach. Tut mir leid.“ „Na ja, ich weiß doch, dass du das nicht ernst gemeint haben kannst. Ich bin dir auch nicht böse. Aber, viel wichtiger, was macht eigentlich deine seltsame Wunde.“ An die hatte Link nun wirklich nicht mehr gedacht, seit Zelda in seiner Nähe war. „Ist fast verheilt.“ „Du hast mir damit einen schönen Schrecken eingejagt.“ Sara kramte jetzt in einer Tüte herum und holte dann zwei kleine Bücher heraus. „Hab’ dir etwas mitgebracht, das Zelda vielleicht ebenfalls gefallen würde. Es ist so cool und da musste ich es sofort kaufen. Lest sie ganz genau durch, ihr werdet begeistert sein.“ Und Sara hielt ihm zwei Mangas unter die Nase. Links Augen wurden so riesig, dass sie beinahe herausgefallen wären. „Sara, das ist ja…“ „Sie sind leider auf Englisch, aber verstehen werdet ihr beide es trotzdem. Keinen Zweifel. Sagt’ mal, gibt es sonst was Neues?“ Link sah an Saras Kopf vorbei, hatte etwas Schwermütiges in seinem Blick und meinte dann: „Allerdings, es gibt viel Neues, von dem ich wünschte, es wäre nie geschehen“, sagte er gedämpft. Sara blickte ihn leicht fassungslos an. „Aber lass‘ uns heute bitte nicht darüber reden. Du wirst morgen in der Schule schon davon Notiz nehmen.“ Sara guckte zwar erst ein wenig trotzig, beließ es aber dabei, noch mal nach zu bohren. Link betrachtete nun die zwei Comics in seinen Händen: Zelda: Ocarina of time. Sara stürmte aus dem Raum. Und Zelda kam zurück an Links Seite. „Diese Comics sind zwar wunderschön, aber ich frage mich, ob wir sie wirklich lesen sollten?“ „Du fühlst dich nicht wohl dabei…“ „Ja, ich fühle mich nicht wohl dabei, zu sehen, welches Leid die beiden Hauptfiguren durchmachen.“ Zelda klammerte sich an Links Arm. „Komm’, wir gehen auf dein Zimmer und werfen mal einen Blick rein und wenn es uns zu viel wird, schlagen wir diese Mangas einfach wieder zu.“ Link nickte zustimmend. Sie hatten sich erst gestern über Hyrule unterhalten… über Zeldas Erinnerungen… und es war nicht gerade gesund für sie beide sich noch weiter in die Phantasiewelt zu flüchten… Die letzten Tage waren nichts im Vergleich zu dem Beginn der Woche, mit allen schrecklichen Erlebnissen, die man nie wieder vergessen konnte, die einfach da waren und denen man nicht zu entrinnen in der Lage ist. Am Ende der Woche war nichts mehr geschehen, vor denen sie sich beide hätten fürchten müssen. Möglicherweise war das alles nur ein schlechter Scherz gewesen, vorbei und nicht mehr von Bedeutung. Vielleicht gab es gar keinen Grund mehr, sich wegen irgendetwas Sorgen zu machen. Und vielleicht war es auch völlig unsinnig, dass sie sich beide mit diesen Spielfiguren verglichen. Gemeinsam sahen sie sich den Manga an. Nach einer halben Ewigkeit schlug Link den Comic zu und meinte, dass es schon sehr spät sei und er morgen zur Schule müsse. Zelda verstand und wollte gerade aus dem Zimmer gehen. „Zelda, wenn es ein Hyrule gab, wärst du dazu in der Lage gewesen ihn in der Zeit zurück zu schicken?“ Sie drehte sich nicht um, aber Link kannte die Antwort. „Wärst du in der Lage gewesen, ihr klar zu machen, dass du bleiben wolltest? Hättest du dich wie ein Unbekannter vor ihrem Antlitz verbeugt?“ Auch das Mädchen, was vor ihm stand, wusste die Antwort. „Hyrule ist…“ „… nur eine Geschichte, ein Spiel, nicht wirklich.“ „Ja und es hat nichts mit uns zu tun.“ Sie leugneten, was sie fürchteten- zwei Figuren im Schachspiel gegen das Schicksal zu sein… von Göttern gesteuert… Zelda ging aus dem Zimmer und nun erschien sie ihm wieder einmal, so unnahbar, unerreichbar, als wäre sie nie hier gewesen. Am Morgen war Link der Erste, der das Haus verließ. Vom Küchenfenster aus beobachtete Zelda, wie er in strömenden Regen, ohne Regenschirm, mit einem grünen Kapuzenshirt und einer blassblauen Jeans die Straße hinunterlief. Er hatte sie am heutigen Morgen kaum begrüßt, noch in irgendeiner Weise beachtet. Er war im Zweifel mit allem, mit sich selbst und einer Wahrheit, die er fürchtete. Und sie verstand ihn darin, dass er Zeit brauchte, nur für sich und alles, was auf ihn wartete… Regentropfen klatschten an die Scheibe und Zelda zog die weißen Vorhänge zurück. Eine weitere Person stand in dem Raum. „Guten Morgen, Zelda, hast du schon gefrühstückt“, fragte Links Mutter. Zelda schüttelte den Kopf. „Weißt du, seitdem du hier bist… ist unser Link wie ausgewechselt. Du hast ihm ganz schön den Kopf verdreht.“ Zelda sah verlegen drein. „Link war immer sehr ungewöhnlich und nun, habe ich das erste Mal den Eindruck, er gewinnt ein bisschen an Normalität. Ich will dir dafür danken, und falls du dann dein Gedächtnis wieder hast, und nicht mehr hier bist, hoffe ich doch, dass du ab und an zu Besuch kommst, oder?“ Zelda wurde schlagartig eine Bedrohung klar, die mit dem Wiedererlangen ihres Gedächtnis‘ entstehen würde. Wenn sie sich erinnerte… vielleicht war sie dann gar nicht mehr hier? Vielleicht müsste sie die Menschen hier verlassen und sie würde Link nie mehr wiedersehen. Und wenn ihre Erinnerungen wiederkämen, müsste sie vielleicht Vorkehrungen treffen, die andere in ihrer Umgebung nicht verstehen konnten. Wenn sie ihre Erinnerungen zurückforderte, hätte dies einen Preis… und bezahlen müsste sie diesen mit ihrer Freundschaft zu Link… Sie bedankte sich bei Meira Bravery für das Frühstück, musterte verabschiedend das Gästezimmer und lehnte sich mit glitzernden Tränen in den Augen an die Tür. Sie warf einen Blick in den Schrank, wo das samtene Kleid und ihr Stirnschmuck untergebracht waren, streichelte über das Material und über das glatte, glänzende Gold des Diadems. Sie verabscheute den Titel, der an dem Schmuck haftete, erinnerte den Tag, als ihr Vater ihr eine erste Krone geschenkt hatte… seine alten, lebenserfahrenen Hände, die ihr eine Schachtel mit der Krone brachten… geschwungen in Gold, besetzt mit Saphiren… und sie wusste, dass sie weinte, als sie ihre Bürde begriff… Ein Schluchzen ging durch den Raum, bis Zelda die Schranktüren zuschlug, einen kurzen verzweifelten Blick zu dem Fenster haschte und mit geballten Fäusten aus dem Raum stürmte. Sie achtete darauf, dass Meira sie nicht bemerkte und hastete mit ihrer rosa Strickjacke aus der Hintertür, sie rannte, als sich ihre Tränen mit dem Regen vermischten und die Erinnerungen so deutlich hochkamen, dass sie jene nicht mehr wegschieben konnte. Sie schluchzte bitterlich, stolperte über das nasse Gras in Richtung des Waldes, dorthin, wo die Pforte war, die sie hierher gebracht hatte. Entschlossen nach Hause zu gelangen, hetzte sie hinfort. Als der Wald sie verschluckte und ihre Heimat sie rief, trommelte der Regen noch heftiger nieder, prasselte in einer feinen Melodie durch die Blätter und Zweige und summte andächtig. Wie eine Beschwörungsformel gelangten wenige Buchstaben über ihre Lippen, als wollte sie Lebewohl sagen. Sie flüsterte den Namen ihres Helden, der auf ewig mit ihren Schicksalsfäden verbunden war. „Link…“, sie flüsterte leidend und wusste, sie konnte zu ihm einfach nicht Lebewohl sagen, auch wenn sie es musste… Sie würde ihn erinnern, immer… Sie würde ihn benutzen für die Rettung ihrer Welt… Und sie würde daran zerbrechen… Link stattdessen ging in schweren Schritten in Richtung Schule. Er überquerte die klatschnassen Straßen, vorbei an dem Einkaufszentrum, vorbei an der alten Porzellanfabrik und fühlte sich hundeelend. Er hatte in seinem jungen Leben noch nie für irgendetwas Tränen vergossen, warum auch… Alles, was er bisher hatte bewältigen müssen, sei es der Aufenthalt im Kinderheim, sei es die seltsamen Ereignisse oder die Kämpfe in den Träumen, die ihn formten und stärkten, alles hatte er bewältigt und irgendwie wegstecken können. Aber nun… mit Zeldas Erscheinen und dem Gedanken an etwas, das einfach nicht sein konnte, hatte er das Gefühl, dass er beinahe weinen wollte. Es war nicht der Kummer oder der Schmerz dessen, was er in den letzten Tagen hatte aushalten müssen. Es war der Gedanke, dass Zelda litt… seine Zelda… Er wühlte sich durch die Menschen auf dem Gehsteig, als er plötzlich vor sich eine Gestalt sah, die ebenso keinen Regenschirm hatte. Ein kräftiger, riesiger Mann marschierte rücksichtslos durch die Menge, stieß unzählige Passanten an und schupste sie wie willenlose Sklaven beiseite. Diesen Kerl hatte er doch schon einmal gesehen und den schwarzen Umhang, den er trug. Ja, Link fiel es wie Schuppen von den Augen, dieses Ekelpaket hatte ihn vor einigen Tagen angerempelt und kleine Made genannt. Und er hatte ihn auf dem Polizeipräsidium gesehen, als wäre er auf der Suche nach jemandem… Link lief ein wenig abseits und blickte wachen Auges umher, nicht sicher, ob er diesem Kerl vielleicht folgen sollte. Wie ein Spion schlich Link dann hinter der muskulösen Gestalt her, versteckte sich hinter Hausecken, sobald jener sich umdrehte. Dann lief dieses Ungetüm über die Straße. Herankommende Autos blieben kurz vor ihm stehen, als hätte er sie selbst gesteuert. Niemand schaute aus den Wägen und protestierte angesichts der Unverschämtheit des Kerls. Vielleicht traute sich niemand. Link folgte der Gestalt weiterhin unauffällig und rannte wie besessen über die Straße. Er war neugierig, wo der Kerl hin wollte, spürte, dass er ihm unbedingt folgen musste, herausfinden musste, wer dieser Kerl war. Und so sputete er sich, lief durch den herzlosen, niederprasselnden Regen, verfolgte den hochgewachsenen Mann und sah jenen in Richtung der alten Kirche marschieren. Und tatsächlich bewegte sich der Hüne in Richtung der großen Eingangstür des Gotteshauses, bis er diese öffnete und von dem Gebäude verschluckt wurde. Was, zum Teufel, wollte ein solcher Kraftprotz, der aussah, als machte er sich überhaupt nichts aus Glaubensvorstellungen an einem solchen heiligen Ort? Und der junge Held kannte diese alte Kirche, er hatte oftmals davon geträumt dort zu sein, obwohl er sich nicht an diese Nachtschatten erinnern konnte und er für diesen Glauben nichts übrig hatte. Link war nun mal kein religiöser Mensch, eigentlich gehörte er zu denen, die ihr Schicksal immer selbst in die Hand nahmen… und das würde sich auch nicht ändern. Er blieb kurz stehen, als der Regen auf ihn niederprasselte, und überlegte. Es wäre vielleicht besser in die Schule zu gehen… schon wieder zu spät kommen, wäre keine gute Alternative. Und dieses Ungetüm war möglicherweise so gefährlich wie er aussah. Doch letztendlich siegte die Neugier über seine Vernunft und die Zweifel, die sie ihm hatte einreden wollen. Link schlich wie ein Schatten um das Gebäude herum, fand eine Treppe nach unten und versuchte dort eine alte, morsche Holztür zu öffnen. Er hatte Glück und trat in die Kirche ein… Hoffentlich bemerkte niemand, dass er hier war. Sonst bekäme er gewaltigen Ärger, aber auch diesmal siegte sein Wissbegehr. Link wischte seine Zweifel mit einer Handbewegung weg. Ein Kälteschauer lief ihm über den nassen Rücken. ,Puh… in dem Gebäude war es kälter als draußen‘, dachte er alarmiert. Regentropfen fielen an seiner Kleidung hinab, nasse Haarsträhnen hingen nervig im Gesicht. Er schloss vorsichtig die Tür und betrachtete den finsteren Ort, in dem er sich befand. Der Raum war geradezu unheimlich dunkel, eine Art kleiner Keller. Dennoch, durch ein schwaches Licht, das einige Treppenstufen hinunterfiel, konnte er einen Weg ausfindig machen. In langsamen Schritten tapste er durch die Dunkelheit, während Nässe und Schlamm Fußspuren hinterließen. Er öffnete zaghaft die Tür in das Licht einige Zentimeter, versuchte ruhig zu bleiben und sein eigenes Herzklopfen zu überhören. Ein wenig Licht beleuchtete sein Gesicht. Es rührte von einigen Kerzen am Altar her. Zuerst konnte Link niemanden entdecken und er wollte schon wieder umdrehen, doch dann erklang die kalte Stimme des muskulösen Mannes, dem er hierher gefolgt war, als wäre sie direkt hinter ihm. Link zog die Tür wieder näher zu sich, sodass nur ein winziger Spalt offen blieb, ahnte, dass alles, was er nun erfahren würde, nur ihm bestimmt war. Ein Schauer lief Link über den Rücken, erinnernd und fesselnd, lähmend, aber vertraut. Er entdeckte daraufhin einen Ritz in der Tür, durch den seine scharfen, mutigen Augen einen ordentlichen Blick in die Halle werfen konnten, die Geschehnisse beobachten konnten, die für die Zukunft und für ein anderes Schicksal bedeutsam waren. Ein Priester, den Link schon einmal auf dem Friedhof gesehen hatte, kniete vor dem Antlitz des Mannes. „Sir, seid willkommen“, sprach er anbetungsvoll. Mehrmals verbeugte er sich und kicherte nervös. ,Tatsächlich‘, dachte Link. Dieser kugelrunde Kerl mit der Halbglatze, mit einer braunen Kutte, unsicher vor seinem Herren kriechend, war jener Mann, der nachts auf dem Friedhof in Schicksalshort herum werkte. „Bringst du mir Neuigkeiten, Drokon?“ Die dunkelgefärbte, schmierige Stimme des Mannes erklang. Gewaltig war sie, die Stimme eines Anführers, grausam, als dröhnte jene über Schlachtfelder. „Ja, mein Herr, alles ist bereit, um diese Ratten, die am Sonntag hier erscheinen zu Eurem Werkzeug zu machen und damit die Verseuchung voranzubringen… Aber wegen… verzeiht, mein Lord. Ich konnte in dem Geiste derer, die hier wandeln, ihren göttlichen Geist nicht ausmachen.“ Drokon klang entschuldigend, spähte unsicher zu seinem Meister und wartete ängstlich auf eine Reaktion. Der unheimliche Hüne warf stolz seinen dunklen Mantel nach hinten, seine Kapuze sank hinab, und Link konnte von hinten feuerrotes Haar erkennen, lang, ungewaschen und zottelig. Der heimliche Spion schluckte die Spucke in seinem trockenen Hals herunter, hatte das Gefühl würgen zu müssen, spürte Erinnerungen auf einer Gefühlsebene, Erinnerungen ohne Bilder… Dieser Bastard… Link ballte seine Hände zu Fäusten, ahnte um eine namenlose, böse Energie, die dieser Mann beherbergte. Das tapfere Herz in dem jugendlichen Körper stockte und sein Atem wurde unregelmäßig. Etwas Eisiges legte sich auf seine Gedanken, genauso wie in der Bogenschießarena, genauso erinnernd, als bohrten sich Schrauben in Links Gedanken, bespitzelnd, bis Link das Gefühl hatte beobachtet zu werden. ,Unsinn‘, dachte Link vernunftgesteuert, es sei denn dieser Kraftprotz hätte Augen am Hinterkopf. „Verzeiht mir, mein Lord… aber die Prinzessin des Schicksals ist nicht erreichbar für die unseren, beschützt von ihrem Helden… Weshalb auch sollten wir sie oder ihn fürchten? Sie ist in einer erdigen Welt… in dieser erdigen, magieleeren Welt… Sie kann den Unseren nicht gefährlich sein…“ Drokon knickte ein, verbeugte sich mehrfach mit seinem krummen Rücken und blinzelte ängstlich in das Gesicht seines Lords. Ohne Vorwarnung packte der übermenschliche Kerl den fast wehrlosen Priester, grummelte, schimpfte. „Du unterschätzt diese kleine, zickige Königstochter gewaltig.“ Link hätte beinahe einen Schrei ausgestoßen bei dem Anblick in der Kirche, aber würgte diesen herunter. Denn der Hüne packte einen kleinen Mönch am Kragen, hob ihn wehrlos, wie eine leblose Hülle in die Höhe und katapultierte in gnadenlos durch den Raum, bis der Mönch an einer Säule knackend aufschlug. Er sank zu Boden, kniete nieder. „Ja, mein Lord…“, piepste Drokon entschuldigend. „Wenn du fehlschlagen solltest, Drokon, und mir diese kleine Königstochter nicht auf dem Tablett servierst… was glaubst du, wird dann mit dir geschehen?“ „Mein Herr… nicht strafen… nicht bestrafen…“, winselte Drokon flehend. „Verstehst du nicht… wenn wir ihre Macht nicht nutzen können… denn in dieser Welt hausen die alten Mächte nicht. Wenn wir die Verseuchung nicht voranbringen können, dann ist das, was von uns übrig ist, verdammt zu sterben! Das alte Land ist verblasst… durch eine Gunst der Götter…“ Darauf winselte der Priester wie ein kleines Kind, erhob sich träge und tapste zu seinem Meister herüber. „Aber mein Herr…“ Drokon sah mit seinen pechschwarzen Augen auf. Die Angst in seinen Gesichtszügen war einer ungläubigen Verwunderung gewichen. „Deshalb brauche ich die unberührte Kraft dieses Miststückes und das, bevor sie herausfindet, wer sie ist.“ Link rutschte das Herz in den Magen, weil er mittlerweile nicht mehr an Zufälle glauben konnte… Es ging um Zelda, es ging immer um sie… Der Unmensch packte den Priester noch fester, hielt ihn verärgert in die Höhe, würgte ihn, bis er zu röcheln begann. Ehe ihm seine Lebensgeister entwichen waren, warf die Schreckensgestalt ihn mit voller Wucht durch die Reihen der alten Stühle. „Wir können uns nicht erlauben zu versagen! Ich dulde keine Fehler!“, donnerte seine tiefe Stimme umher. Link war entsetzt, was für eine Kraft! Und was für eine Brutalität! Eitel breitete der dämonische Mann seine Arme aus und lachte entseelt, sodass die Mauern in dem Gebäude bröselten. „Die alten Göttinnen, armselig, verfolgt von ihren eigenen Schatten, hatten wirklich geglaubt, eine Welt zu begraben könnte die Lösung sein und den Fluch, der doch seit Ewigkeiten besteht, brechen? Götter… lächerlicher Abschaum!“ Mit großen Schritten stapfte der Kerl in Richtung des Altars, würde niemals wieder Fehler seiner Untergebenen dulden, nicht, wenn seine Existenz auf dem Spiel stand. „Wie dumm…“, sprach er zischend. „Götter können so selbstgefällig und erniedrigend ihre Schöpfung nicht verteidigend einfach nur zusehen… Ich bin doch selbst schon ein Gott und ich werde ein besserer sein als die Drei mit ihren ignoranten Ansichten über Leben und Tod. Denn ich werde zum Gott dieser beklagenswerten Welt.“ Link wich von der Tür zurück, hatte ganz plötzlich das Gefühl entdeckt worden zu sein, löste sich aus der übermächtigen Trance diesem Geschehnis zuzusehen, und wäre beinahe die Stufen rückwärts hinuntergefallen. Blitzartig rannte er durch den Keller und öffnete die Tür nach draußen. Es regnete immer noch, nun noch stärker als zuvor. ,Mein Gott, was für ein Teufel war das‘, fragte er sich. Der junge Mann kämpfte gegen seine aufkommende Furcht und rannte wieder auf die Straße. Der Fürst des Bösen jedoch schielte in dem Moment auf den Eingang zu dem kleinen Kellerraum, bis er die morsche mit Schlitzen versehene Holztür mit einem gewichtigen Schlag zertrümmerte. Selbstherrlich schritt er näher an zerstörte Holzbretter, stach mit den Teufelsaugen in die Düsternis des kleinen Raumes und sah frische Schlammspuren auf dem Steinboden. „Drokon“, sagte er bissig, worauf der bucklige Priester angehumpelt kam. „Ja, mein Gebieter“, winselte er und fürchtete sich vor der nächsten Strafe. „Sind die Helden, schwach, wertlos und ohne Mut, die in dieser beklagenswerten Welt existieren, ein Grund zur Vernichtung… ein Grund sie bluten zu lassen wie das Schwein am Haken?“ „Gewiss. Gewiss“, sagte er, stolz, denn jeder Held, wie mächtig er auch war, sollte der Gegenspieler seines Meisters sein… und jeder dieser Helden sollte fallen. Ohne jene, die kämpften, ohne heiligen Mut, wäre die Beherrschung der Welt ein Kinderspiel… „Und warum?“, murrte der kräftige Mann, trat in den staubigen Kellerraum und roch mit seiner feinen Nase den Geruch nach Wald, nach erinnerndem Kampf. „Warum sollten wir einen Narren fürchten, der sein eigenes Schicksal vergessen hat? Der jämmerlich schwach geworden ist, nicht weiß, wie das Schwert zu führen ist und nicht weiß, wozu er geboren wurde…“ „Weil… “, begann er, aber wusste darauf nichts zu antworten. Es mochte stimmen, dass der Gegenspieler seines Meisters keine Gefahr mehr darstellte. Aber er würde niemals wieder den Fehler machen einen Helden zu unterschätzen! „Weil er es ist, der die alte Welt rettete… seine Seele, verbunden mit der anderen… Es ist sein Schicksal… kämpfen für das Blut und die Köpfe von uns Dämonen.“ Zögernd krabbelte Drokon näher zu seinem Herren. „Ist es das nicht… ist es nicht immer so… so gewesen?“ „Nein!“, zürnte der Hüne und breitete den dunklen Umhang aus, der sich flatternd auf seinem Rücken wiederfand. Winselnd schrumpfte Drokon zusammen und schaute schief auf. Respekt und Angst in seinen alten Dämonenaugen. „Nein… denn eingeschüchtert wie er ist… wertlos seine Seele ist in einer neuen, unreifen Welt, hat er keinen Mut mehr zu bestehen, wo die Welt dunkel wird…“ Er nahm einen Kelch vom Altar, wo roter Wein süß duftete. „Er ist nichts im Vergleich zu dem wahren Helden… Ja, er wird zerbrechen…“ Gierig leerte er den Kelch und zerknüllte das metallene Gefäß wie eine Papierdose. „Er wird brechen. Mit jedem weiteren Angriff wird er zerbrechen…“ Drokon hüpfte hastig zurück und kratzte sich über die wenigen Haarstoppeln auf seinem geschrumpelten Schädel. „Geh’ mir aus den Augen und kümmere dich um deine nächste Aufgabe“, sprach der Mann, wischte sich mit einem dunklen Ärmel das Getränk von trockenen, alten Lippen. „Um meine nächste Aufgabe?“ Bereitwillig rückte der Dämon wieder näher und schaute erwartungsvoll in das hochnäsige, grünlichschimmernde Gesicht des Teufels. Der Hüne machte eine auffordernde Handbewegung, worauf Drokon ihm folgte- hinein in die Krypta der dunklen, alten Kirche. Angekommen in dem dunklen, staubigen Gewölbe fielen dem alten, unbeholfenen Priester sofort Unmengen von Scherben auf, die auf einen riesigen Haufen lagen, ausgebreitet in der Mitte des Raumes. „Mein Lord. Was ist das?“ Daraufhin lachte der Hüne und schritt mit lautem Klappern seiner mit Eisen beschlagenden Stiefel näher. „Dieses magische Glas entstammt dem alten Hyrule, welches einmal mir gehörte und wieder mir gehören wird.“ Aufgeregt hechtete der alte Priester näher und ergriff eine der Scherben. Sorgsam studierte er die Kanten, die nicht splitterten, nicht einmal sich in die Haut schneiden konnten. „Du wirst mit diesen Scherben ein großes Gefäß erbauen.“ „Aber… mein Herr und Gebieter… wie…“, setzte Drokon vorsichtig an, worauf der Lord mit den roten Augen bebte. Drokon kniete ängstlich nieder und fürchtete sich vor einer weiteren Reaktion. „Widersprich’ mir nicht noch einmal, die Häufchen Dreck, sonst endet dein nächster Trip auf dem Friedhof mit deiner Beerdigung.“ Und der Schrecken lachte gebieterisch. Schmunzelnd tapste er zu einer großen, goldenen Schale, die auf einem klapprigen Holztisch stand. Ohne den Ansatz von Schmerzempfinden tätigte er mit einem seiner langen Fingernägel einen langen Schnitt quer über seinen rechten Handrücken und violettes Blut floss strahlförmig in die Schale hinein. „Aber mein Herr!“, wimmerte Drokon und sah bloß angeekelt zu, wie sich teuflisches, verunreinigtes Blut in der Schale ergoss. Als die Schale prall gefüllt war, stoppte der Blutstrom und die Wunde an der Hand des Hünen schloss sich von alleine. „Du wirst dieses Blut als Material benutzen, um die Scherben aneinander zufügen. Wenn der Behälter fertiggestellt ist, so nenne ihn: Gefängnis der Finsternis“, sagte der Kerl dröhnend und plötzlich war Drokon allein in dem Raum. Der Hüne war spurlos verschwunden… Link lief währenddessen wie ein Gespenst weiter in Richtung Schule. Als er ankam, war die Hälfte der ersten Stunde schon vorbei. Mit einer weniger einfallsreichen Ausrede entschuldigte er sich bei der Englischlehrerin und setzte sich unschuldig auf seinen Platz. Er starrte ins Nirgendwo, bis er von hinten einen Stups an seinen Ellenbogen verspürte. Link schaute überrascht zurück und sah Rick, der ihn irgendwie misstrauisch beäugte. „Alles in Ordnung bei dir?“, nuschelte er ihm zu. Link nickte lediglich und versuchte zu grinsen. Einmal mehr blieb ein Lächeln aus seinem Gesicht nicht mehr als ein Versuch. „Ich muss dir einige Dinge erzählen“, flüsterte der grünbemützte Jugendliche nach hinten und drehte sich dann wieder nach vorne. Denn ein empörtes Schnauben der Lehrerin machte ihn auf die immer noch währende Schulstunde aufmerksam. Nachdem Link sich einige Belehrungen von Seiten der Lehrerin bezüglich seiner verbesserungswürdigen Einstellung zum Unterricht anhören musste, und sich eine schlechte Note einhandelte, da er seinen frechen Grünschnabel nicht halten konnte, verschwanden die Schüler aus dem Klassenraum. Nachdenklich packte Link seine Stifte in die Schulmappe, als sein bester Freund seine Hände auf seiner Schulbank abstützte. „Na, Waldmensch. Was gibt’s denn so wichtiges?“ Link stand auf und begab sich ebenso aus dem Raum, während Rick hinter ihm herlief. „Lass’ uns rausgehen, dann erzähle ich es dir. Nebenbei, wie geht es eigentlich Maron?“, sagte Link und lief hüpfend die Treppe hinab. „Maron geht es, sagen wir, den Umständen entsprechend.“ „Wo ist sie denn überhaupt?“, meinte Link, während sie beide zusammen aus einem Eingang hinausliefen. Mühsam öffnete Link die große, gläserne Tür ins Freie. „Sie bleibt noch eine Weile zuhause. Ich war nämlich gestern bei ihnen.“ „Soso“, sagte Link mit einem Wink. „Du bist in letzter Zeit auffällig häufig bei ihr“, ergänzte er schmunzelnd. „Ich habe mir eben einfach nur Sorgen gemacht. Sie hat eine schlimme Grippe, Link.“ Daraufhin blickte der Jugendliche mit dem grünen Cape noch eindringlicher in Ricks rehbraune Augen. „Und ausgerechnet dann gehst du sie besuchen? Willst du dich vielleicht bei ihr anstecken?“, meinte Link verdutzt. Rick schüttelte nur mit dem Kopf und versuchte das Thema irgendwie zu wechseln. „Was wolltest du vorhin mit mir besprechen?“ „Versuch’ nicht das Thema zu wechseln, mein Freund“, sagte Link und grinste seinen Cousin verräterisch an. „Ich kenne dich eben zu gut.“ Auch Rick grinste jetzt verlegen vor sich hin. Eine Pause entstand. „Da wir das jetzt geklärt haben, rück’ endlich mit der Sprache heraus, Link.“ Rick ließ sich vergnügt auf eine Bank in dem Schulgelände sinken und blickte in den Himmel, wo die Regenwolken von vorhin langsam vorbeizogen. Mit einem Seufzen machte es sich Link neben Rick bequem und suchte nach dem richtigen Anfang. „Es geht um…“ „… deinen Gast?“ Dem konnte Link nicht widersprechen. Aber vielleicht ging es nicht allein um sie. Möglicherweise gab es eine andere Sache, die ihn noch mehr zum Nachdenken brachte, als Zelda und ihrer verrückten Wirkung auf ihn. „Warum ist sie eigentlich nicht in der Schule?“ „Das ist noch nicht ganz geklärt“, murmelte Link. „Aber das ist auch nebensächlich.“ Verdutzt sah Rick auf und versuchte den Trübsinn in den Gesichtszügen seines Cousins zu deuten. „Ich frage mich, ob… Könntest du dir vorstellen, dass die Realität nicht das ist, wofür du sie hältst, Rick?“ Aber der braunhaarige Jugendliche schwieg. „Was würdest du tun, wenn du herausfindest, dass du nicht das bist, was dir jeder glauben macht zu sein?“ Und Links Blick verlor sich auf einem kleinen Eichhörnchen, dass frech vor den beiden herum hüpfte und hinterhältig aus dem kleinen Gesichtchen hervor lugte. „Was ist denn das für eine komische Frage?“ „Vergiss’ es einfach“, meinte Link, ein wenig verärgert über sich selbst. Was war nur los mit ihm? Es schien, als säße nicht mehr der Link neben Rick, der er noch vor wenigen Tagen gewesen war. Was war nur geschehen? Er ahnte, dass es nicht mehr lange dauerte und er wäre endgültig auf der Spur seines früheren Ichs, drauf und dran, herauszufinden, was sich wirklich hinter seinem Gesicht verbarg. Und Zelda… sie war vielleicht der Schlüssel zu alldem. Sie hatte die tragende Rolle, sollte Link tatsächlich erfahren, was es mit Hyrule auf sich hatte… „Was macht Zelda denn nun?“, sagte Rick und schlich sich an das frech grinsende Eichhörnchen heran. Seit langem war er der Meinung, diese Tierchen sahen lediglich harmlos aus, hatten aber vielerlei Unsinn im Kopf, wie auch vielerlei Streiche… „Sie erinnert sich langsam“, sagte Link leise. Seine Worte klangen seltsam, mit einem Hauch Ungewissheit, als würden ihre Erinnerungen eine Bedrohung für sie selbst und andere sein. „An ihren wirklichen Namen?“ „Nein, aber…“, murmelte Link. „An… verschiedenes.“ Rick stellte sich vor seinen Kumpel und gab ihm einen Klaps an seine Stirn. „Mach‘ es nicht so spannend, Link.“ Dann aber sah er den miserablen Ausdruck auf dem ansehnlichen Gesicht seines Freundes. „Was’ n los?“, meinte er leise und setzte sich wieder auf die braunangestrichene Parkbank. „Es wäre schön, wenn ich wüsste, was wirklich los ist“, murmelte Link und beobachtete das eifrige Eichhörnchen, das einmal mehr von der in der Nähe befindlichen Eiche hinab hüpfte und die beiden Oberschüler herausforderte. „Mir ist nach dem Vorfall…“ Das war nun wirklich ein sehr unpassendes Wort für das Ereignis in der Bogenschießarena. „… einiges klar geworden“, sagte Link gedämpft, sich wünschend, er wäre nicht so dumm an das zu glauben, was nun mal geschehen war. „Du hast aber doch gesagt, Maron wäre nur das Opfer böser Machenschaften geworden. Stimmt das denn nicht mehr?“ „Doch“, rechtfertigte sich Link. „Nur, dass es nicht einfach bloß ,üble oder böse Machenschaften waren’. Es war das Grauen, ein anderes Wort fällt mir dazu nicht ein.“ „Und Zelda… hat sie etwas damit zu tun?“ Link nickte frustriert. „Es ist zum Verrücktwerden. Ich habe mir so sehr gewünscht, dass etwas passiert. Irgendetwas, nur um zu verstehen, weil ich weiß, dass ich irgendetwas vergessen habe, dass nicht vergessen werden sollte. Und jetzt, da es soweit ist, da merkwürdige Dinge geschehen, da… bin ich mir nicht mehr sicher, das alles gewollt zu haben.“ „Die Sache in der alten Turnhalle hat niemand gewollt. Da bist du doch nicht dran schuld.“ Und Link gab ihm einen Blick, der Rick mitteilte, dass es vielleicht doch so war. Link war der Grund für das Ereignis, für das Erscheinen des unheimlichen Schattens. Link… und sein Gast. „Es geht nicht einfach nur um die Sache in der Turnhalle. Die ganze Woche sind komische Dinge passiert, die ich nicht verstehe, die über den normalen Verstand hinausgehen. Und Zelda…“ Ricks Blick zeigte Verständnis und Neugierde. „… sie ist in Gefahr. Das ist vielleicht alles, was ich weiß.“ „Oh Mann, Link“, fing Rick an, „Was du dich nur beschwerst. Du hast einen wunderbaren Gast. Was genießt du die Zeit mit ihr nicht einfach, anstatt vor dich hin zu grübeln. Das soll einer verstehen.“ Und Rick sprang auf und jagte dem Eichhörnchen hinterher. Er hatte sich doch tatsächlich eingebildet, dieses Tierchen hätte ihm einen Vogel gezeigt. Link grinste leicht und schloss seine Augen. Ja, eigentlich hatte Rick Recht. Das Nachgrübeln half ihm auch nicht weiter… Link sprang auf und jagte ebenso dem Eichhörnchen hinterher und so verging die Pause, in welcher zwei beknackte, man bedenke siebzehnjährige, Jugendliche, von denen man erwachsenere Umgangsweisen und reiferes Verhalten erwartete, einem unschuldigen, kleinen Eichhörnchen hinterher jagten. Die Mittagspause war fast vorüber, als Link per Lautsprecher aufgerufen wurde. „Link Bravery, bitte sofort in das Büro der Direktorin.“ Nanu? Hatte er irgendetwas ausgefressen? Mit einem unüberhörbaren Seufzen ging er den vertrauten Weg zu dem Büro Miss Schatteners entlang. Komisch, war sie denn schon wieder da? ,Ich war mir sicher, sie wäre fortgefahren, um jemanden zu suchen‘, dacht er. Link vernahm laute Stimmen in dem Raum, es waren drei Personen in dem Büro. Link klopfte zaghaft. Niemand öffnete. Er klopfte erneut, etwas lauter. Dann wurde die Tür von Richard Raunhold geöffnet. „Tritt ein, Link“, sagte er und machte einen eigenartigen Eindruck. Er sah drein, als ginge die Welt unter, war bleich im Gesicht und hielt sich teilweise am Schreibtisch fest. Im Raum stand neben der Direktorin noch eine Person, die Link schon einmal gesehen hatte. Es war Dar Gordon, der Arzt, der ihn einmal besucht hatte. Was machte der denn hier? „Hallo Link, überrascht mich zu sehen?“ Link nickte. „Weshalb wurde ich denn aufgerufen?“ Die Direktorin lief einschüchternd auf Link zu und platzierte sich direkt vor ihm. Sie hatte sich innerhalb dieser Woche vollkommen gewandelt. Ihr elegantes, stolzes Aussehen war gänzlich verschwunden. Ihre braunen Haare hatten deutliche graue Strähnen und ihre Augen schienen noch durchdringender und rötlicher als jemals zuvor. „Wo ist sie“, sagte sie und Link verstand keineswegs, was sie meinte. „Wer?“ Sie schüttelte mit dem Kopf. „Seht Ihr, Dar… er hat keinerlei Erinnerungen…“ „Welche Erinnerungen?“ Die Direktorin verschränkte die Arme vor der Brust. „Nichts weiter. Mich interessiert, wo das Mädchen ist, mit dem du gesehen worden bist.“ Link glaubte zu träumen. Erst wollte dieser Unmensch in der Kathedrale wissen, wo sich Zelda versteckte und nun auch noch die Direktorin? Link rechtfertigte sich: „Ich weiß nicht, von wem ihr redet.“ Nun mischte sich Raunhold in das Gespräch ein. „Wir wissen, dass du mit ihr unterwegs gewesen bist. Sag’ uns endlich, wo sie ist. Sie schwebt in großer Gefahr.“ Link zuckte mit den Schultern. Auch Dar Gordon gab sein Bestes zum Gespräch dazu. „Link, nun sei doch nicht so misstrauisch. Ich weiß, dass Zelda bei dir war, ich habe sie schließlich begutachtet.“ „Kann ich Ihnen trauen?“, murmelte Link leise und sah aus einem hohen Fenster. Miss Schattener meinte: „Mehr als anderen Personen in dieser Stunde.“ Link wusste nicht, warum sie Zelda sehen wollten oder weshalb diese Sache so wichtig war, aber er hatte das merkwürdige und durchdringende Gefühl ihnen glauben zu können. „Sie ist… im Haus meiner Eltern und hat ihr Gedächtnis verloren. Deshalb wohnt sie bei uns. Ihr wisst, wer sie ist, oder?“ „Ja. Die Schule kannst du vergessen, wir müssen schnell zu dir nach Hause. Ich werde Zelda abholen“, meinte die Direktorin. „Abholen? Wo willst du denn mit ihr hin?“ Link war schockiert. Es war die ganze Zeit so selbstverständlich gewesen, dass Zelda bei ihm war und nun… Und unfassbar war die Sache, dass sogar die Schule unwichtig schien. Diese Worte aus dem Mund der fleißigen Direktorin? „Wieso soll Sie jetzt…?“ „Sie kann euch nicht ewig zur Last werden. Ich habe stets auf sie Acht gegeben. Ich bin so etwas wie ihre Tante- und gleichzeitig ihre Erziehungsberechtigte.“ „Mmh, verstehe…“ Link kam sich erbärmlich vor… Er würde Zelda nun vielleicht nicht mehr so oft sehen können wie sonst… Irgendwie tat es weh, obwohl sie doch nicht aus der Welt war, sondern immer noch in der gleichen Stadt. Link folgte der Direktorin aus dem Gebäude und stieg in ihr Auto ein. Die ganze Zeit sagte er kein Wort und bejahte oder verneinte die Fragen der Frau, die am Steuer saß. Ja, genauso kam sie ihm vor… Jemand, der das Steuer in der Hand hatte. „Nenn’ mich Ines, okay?“ Link nickte nur. Er schwieg jedoch über die Kreatur, die er in der Kirche gesehen hatte, man würde ihm sowieso nicht glauben… „Sag mal, ähm, Ines, ist sie, ich meine, ist Zelda… die Prinzessin aus…“ „Wovon redest du eigentlich, bist wohl ein bisschen verwirrt? Zelda ist einfach von adliger Abstammung. Was mich aber mal interessieren würde, ist, wieso du sie Zelda nennst. Ich dachte, sie hätte ihr Gedächtnis verloren.“ Link sagte mit lauter, überraschter Stimme: „Das hat sie auch. Wir haben ihr einfach den Namen gegeben, weil… er zu ihr passte.“ „Scheint, als wärst du einem inneren Gefühl gefolgt. Aber unwichtig. Ich hoffe, es geht ihr gut.“ „Ja, es geht ihr gut.“ Link sah zu seiner Seite aus dem Fenster und beobachtete die Menschen, die wie Marionetten die Straße entlang liefen. Ines bog rechts in eine Straße ein und der junge Mann neben ihr erblickte durch das trübe Regenwetter die Kirche. Die Bestie aus der Halle kam ihm wieder in den Sinn. Hatte er tatsächlich von Zelda gesprochen… wenn ja, dann war sie in größter Gefahr. Aber von welcher unberührten Kraft hatte er gesprochen? „Ines. Wieso schwebt sie in Gefahr?“ Sie trat einmal kräftig auf die Bremse, was Link veranlasste, ihre Reaktion genau unter die Lupe zu nehmen. Sie schwieg. „Wer bedroht sie?“ Die Direktorin schwieg weiterhin. „Vielen Dank auch. Wenn ich weiterhin den Dummen spielen muss, werde ich auch nicht zu lassen, dass man Zelda mitnimmt.“ Groll und Ärger lagen in Links Stimme. Ines war entsetzt, dass er so gefährlich klingen konnte. So hatte sie diesen Schüler noch nie erlebt. Sie hielt voller Entrüstung den Wagen an. „Link. Respekt für deine Besorgnis um Zelda, aber es ist mir untersagt, dir irgendetwas mitzuteilen… und außerdem, weiß ich auch nicht viel mehr als du.“ Link gab sich, auch wenn etwas unwillig, damit zu Frieden. Ines war kein schlechter Mensch und sicherlich hatte sie ihre Gründe ihm nichts Näheres mitzuteilen… Der Wagen hielt direkt vor Links Wohnhaus. Ines und Link sprangen in Windeseile aus dem Wagen. Einerseits, weil sie sich schleunigst vergewissern wollten, ob Zelda in Ordnung war, andererseits, um vor dem Regen zu fliehen. Links Mutter öffnete die Tür und war zunächst verwundert, was die Direktorin hier wollte. Als aber Ines ihr erklärte, dass sie Zeldas Erziehungsberechtigte sei, schien sie sich wieder zu beruhigen. „Na, dann, kommt rein. Ihr seid ja klatschnass.“ „Mum, wir haben keine Zeit, wo ist Zelda?“ „Also, ich dachte, sie wäre in ihr Zimmer gegangen.“ Link warf seinen Rucksack in die erstbeste Ecke und rannte mit wenigen Sätzen die Treppen hinauf. „Also, dieser Junge überrascht mich immer wieder. Woher nimmt er nur seine Kraft?“ Ines lächelte kurz, wollte sich aber nichts anmerken lassen. Sie ahnte, woher er seine Energie nahm. Augenblicklich sprang er, diesmal mit einem Satz, die Treppe wieder hinunter. „Sie ist nicht hier. Mum, wo könnte sie sein? Du hast sie einfach aus den Augen gelassen.“ Link war außer sich. Vorwürfe packten ihn. Dann aber hetzte er hinaus in den Regen, in Richtung Wald. Ines folgte ihm, konnte aber nicht wirklich Schritt halten. Nach einigen Minuten hatte sie ihn aus den Augen verloren… Link wusste genau, wohin er wollte. Und er hatte recht behalten. Er fand Zelda, dort, wo er sie schon einmal fand. Das blonde Mädchen aus seinen Träumen saß zusammengehockt mit dem Rücken zu ihm auf der Wiese, die von dem Bach umrahmt wurde. Ihr Haar war total zerzaust und ihre Kleidung klatschnass. Aber es schien sie keineswegs zu stören. Sie umfasste mit beiden Händen ihre Arme und ließ sich durch nichts abhalten. Langsam hob sie ihren Kopf und blickte in den Himmel, der weinte, kläglich weinte… aus einem Grund, den ein Beobachter nicht verstehen könnte. „Ich weiß, dass du hier bist“, war das einzige, was sie sagte. „Zelda, lass‘ uns gehen. Du erkältest dich noch.“ „Das macht nichts.“ Link lief in schnellen Schritten auf sie zu. „Natürlich macht das was.“ Zelda drehte sich um und Link schien wie von Sinnen. Ihr Blick hatte sich total gewandelt. Wer war dieses Mädchen, das mit einem Schlag, in einem so unbedeutenden Augenblick noch anmutiger, noch liebreizender, noch edler wirkte? Link konnte deutlich Spuren von verblassten Tränen auf ihrem Gesicht sehen, auch wenn jene vom Regen fortgespült wurden. „Link… ich kann mich erinnern…“ „Du weißt…?“ „Ja, ich weiß viel zu viel. Und vieles, was du niemals erfahren sollst.“ Und schon wieder überkam Link das Gefühl, sie wäre so fern, so weit weg, obwohl sie doch genau vor ihm stand. Plötzlich erschien Ines aus dem Schatten der Wälder. „Ich habe auf dich gewartet“, sagte Zelda und sah Ines in die roten, durchdringenden Augen. „Kommt mit mir, Zelda.“ Das Mädchen mit den langen Haaren, dem wunderschönen Antlitz und dem einzigartigen Blick verschwand mit einem Lächeln und einigen letzten Worten: „Danke für alles… mein Held.“ Ines und Zelda tapsten wie Schatten aus dem Wald hinaus. Link blieb einfach nur stehen, mitten im Regen, orientierungslos und vor den Kopf gestoßen. Er kam sich vor wie der letzte Mensch auf Erden… Kapitel 15: Zeldas Zwiespalt ---------------------------- Ines fuhr in strömenden Regen die Einfahrt zu ihrem Anwesen hinauf. Ihr Haus, welches vielmehr an eine alte Villa erinnerte, lag wie ein dunkles Schloss auf einem kleinen Hügel, umgeben von Pappeln, die ihr Anwesen noch märchenhafter erscheinen ließen. Zelda hatte, seitdem sie in das Auto gestiegen war, nicht mehr mit ihr geredet. Sie sah die ganze Zeit aus dem Fenster, versuchte ihre Tränen und Erinnerungen zu unterdrücken. Sie erinnerte sich an fast alles… an den bestialischen Zeitkrieg, an die vielen Opfer, auch an die glücklichen Stunden in Hyrule, aber allen voran an ihre Zeit mit Link… und die Welt, in der sie jetzt lebte, erschien ihr irgendwie so fremd, so seltsam, so neu und irgendwie leer… Sie spürte, dass hier irgendetwas für sie fehlte, vielleicht nicht nur, weil die Magie, in Hyrule so lebendig, hier kaum atmete, sondern weil sie kein Ziel hatte, nichts, was sie in dieser Welt sein sollte, keine Aufgaben, die im Augenblick auf sie warteten. Teilweise fühlte Zelda sich sogar fehl am Platz. Wie sollte sie hier leben mit den Erinnerungen an eine Zeit, die vergessen war? Wie sollte sie hier leben mit ihren Eigenheiten, mit ihrem Trauma, das vom Zeitkrieg geblieben war? Alles war so anders und furchterregend. Die einstige Prinzessin der hylianischen Lande, und Hyrule war ein riesiges Königreich gewesen, das gerechteste Land unter der Sonne, fortschrittlich und reich, öffnete die Wagentür, sah verwundert zu der Villa und ließ ihren Blick über die von hier sichtbaren Wohnhäuser in der Stadt schweifen. Alles war so modern, so perfekt… die Technik, der Fortschritt. Es schien, als gingen die Menschen nur diesem einen Ziel hinterher. Warum? In Hyrule trachtete man vielleicht ebenso nach Reichtümern, nach Macht. Aber ein solches Interesse an der Zukunft hegte man dort nicht. Die Völker ihrer Welt glaubten an das Schicksal, an die Götter. Zelda schien es unverständlich, ob es in dieser Welt noch Dinge wie diese gab. Sie begriff schlagartig, wie sehr sie sich doch von den Menschen unterschied… Link war in diese Welt geboren worden, lebte hier, ganz gewöhnlich… Sie aber könnte das nicht. Wie auch? Sie hatte nicht einmal den Wunsch dieses Leben zu nutzen, ihr fehlte jegliche Motivation hier zu leben, zu genießen und Hyrule… zu vergessen… „Impa. Sag’ mir, wie du es schaffst hier zu leben“, sagte Zelda, als Miss Schattener die große Eingangstür öffnete. „Wie habt Ihr es geschafft, hier zu leben, als ihr noch keine Erinnerung an Euer wahres Ich hattet?“, entgegnete sie verständnisvoll. „Ich habe mich fast gefühlt, wie ein normales Mädchen.“ Impa machte eine Geste, sie solle eintreten. Als Zelda dann im Gebäude stand, war sie mächtig verwundert über die Zusammenstellung der Möbel in der großen Halle. „Ich verbinde einfach die Vergangenheit mit der Gegenwart, so fühle ich mich sowohl Hyrule, als auch dieser neuen Zeit zugehörig“, erklärte sie und entledigte sich ihres dunklen Ledermantels, den sie auf einen Garderobenständer hing. Zelda blickte umher und begriff, was Impa meinte. In dem riesigen Raum standen sowohl alte als auch neue Gegenstände. An der Decke hing ein riesiger Kronleuchter, auf dem alte Kerzen aufgereiht waren. Schränke, wie sie in Schlössern standen, glänzende, rote Teppiche, ein etwas modernerer Kleiderständer, moderne Vasen, neuartige Gemälde. „Als ich noch in Hyrule war, besser gesagt, als mein Geist noch dort verweilte… konnte ich euch alle beobachten. Ich sah die Welt, in der ihr jetzt lebt… war glücklich und gleichzeitig traurig über das Schicksal, das euch zuteilwurde. Und ich ahnte, bis ich es wusste, dass ihr Weisen… eure Erinnerung wiederfinden würdet. Aber nur ihr, da ihr zu den Göttern Kontakt hattet. Link allerdings…“ Zeldas Augen füllten sich mit Tränen, ohne dass Impa es sehen konnte. „Er weiß nichts über Hyrule, die Welt, die einst durch ihn das Licht der Sonne zurückerhalten hatte. Er kennte sein Schicksal nicht, weiß nicht wer er ist…“ „Prinzessin…“, murmelte die einstige Shiekah und legte dem Mädchen eine Hand auf die Schulter. „Letztlich wissen nicht einmal die Weisen, was in den nächsten Wochen geschehen wird und niemand von uns kann erahnen, welchen Weg das Schicksal einschlagen wird… Ihr solltet Vertrauen haben in das, was noch kommt, so wie damals. Und was bringt es der Vergangenheit nachzutrauern… wir leben nun in einer modernen, vielleicht besseren Welt. Und auch Ihr habt jetzt neue Chancen und Möglichkeiten. Hyrule ist nicht mehr… es ist verblasst…“ Doch die einstige Königstochter wollte Impas Worte nicht verstehen. Wie nahm sie nur an, dass Zelda daran interessiert war ein Leben in dieser ihr fremden Welt zu führen? Sie war immer für Hyrule da gewesen, und sie würde nicht durch einen ungerechtfertigten Götterwillen ihr Zuhause vergessen! „Du hast Hyrule… völlig vergessen, nicht wahr, Impa?“, meinte Zelda streng und wand sich ab. „Was redest du hier? Neue Chancen in einer anderen Welt! Ich habe Hyrule nicht aufgegeben, auch jetzt nicht…“ Irritiert wich die Direktorin zurück. Sie ahnte, dass ihr Schützling verzweifelt war, aber Zelda schien dieses neue Leben überhaupt nicht akzeptieren zu können. Impa wusste, dass es nicht einfach sein würde, die Prinzessin Hyrules bei sich aufzunehmen, dafür zu sorgen, dass sie es gut hatte, aber sie hatte zumindest gehofft, dass sie sich auf diese neue Welt einließ. Immerhin war sie einige Zeit bei Link gewesen, bei dem einzigen Freund, den sie jemals hatte… „Zelda… das tut Euch nicht gut…“, murmelte Impa. „Ihr habt keine andere Wahl als Euch auf dieses Leben einzulassen, auch wenn es weh tut.“ „Das weiß ich“, murrte sie zickig. „Aber das heißt nicht, dass ich gutheißen muss, wie du und scheinbar auch die anderen Weisen mit Euren Erinnerungen an Hyrule umgeht. Hat denn jemals einer von Euch versucht etwas zu tun, um das alles zu verstehen. Hat einer von euch versucht nach Hyrule zu gelangen und es zu retten?“ Impa war völlig sprachlos. Die eisigen Vorwürfe aus Zeldas hübschem Mund hätte sie nicht erwartet. Sie hatte gehofft, dass auch Zelda sich über die Jahrhunderte verändert hatte, nur schien ihre Liebe zu Hyrule sich mittlerweile in Zorn und Hass gewandelt zu haben. Impa schüttelte fassungslos ihren Kopf. „Es ist besser Ihr bringt zunächst Euer Temperament und Eure Verzweiflung unter Kontrolle… Ihr wisst nicht, wie es uns ergangen ist in dieser Welt. Urteilt nicht zu leichtfertig, Prinzessin…“ Zelda wollte noch etwas sagen, aber schwieg dann. Sie konnte gerade vielleicht wirklich nicht auseinander halten, welche Gefühle in ihrem Inneren kämpften. Sie konnte nicht erklären, warum sie Impa nun Vorwürfe machte… vielleicht war es tatsächlich ihre Verzweiflung und der Umstand nun hier zu sein, obwohl sie es eigentlich nicht wollte, was an ihrem Gleichgewicht rüttelte. „Verzeih‘ mir, Impa…“, sprach sie leise, und verkniff sich weitere Tränen. „Es ist in Ordnung, Zelda… ich kann mir vorstellen, wie Euch gerade jetzt zumute ist, vielleicht wäre es gut, wenn Ihr zunächst ein warmes Bad nehmt… und dann reden wir über alles in Ruhe.“ Die einstige Prinzessin nickte schwermütig, ließ sich von Impa das große Badezimmer in der Villa zeigen und versuchte Entspannung zu finden. Wie in Trance folgte sie den einfachen Handgriffen in einem sehr großen Badezimmer, wo eine runde Badewanne in der Mitte stand. Der Raum war nobel in lila, grauen Farben eingerichtet, geschmackvoll mit Details aus vergangenen Zeiten und doch modern. Trübsinnig stand Zelda vor einem großen Spiegel, der an der weißen, gefliesten Wand montiert war. Sie schluchzte, jetzt, da ihre Erinnerungen da waren, und sah das traurige Kind im Spiegel, das sie immer war, und sie sah ihre Bürde. Dann wanderte ihr Blick zu den Ohrringen, die sie von Link geschenkt bekommen hatte und dann zu dem Falkensmaragdring… Sie streichelte den Ring, nahm jenen und die Ohrringe ab und verstaute diese auf einer Ablagefläche. Lethargisch ließ Zelda die durchnässte Kleidung von ihrem Körper fallen und sank in die heiße Wanne. Ihre himmelblauen Augen, einen Spalt geöffnet, leidend, erzählten eine grausame Geschichte über eine Vergangenheit, die sich mit Erinnerungen früherer Leben vermischte… und je länger sie in der Wanne lag, kristallene Tränen ihre zartrosa Wangen hin abtropften, umso kälter und grauer wurde das schöne Blau ihrer Augen. Sie ruhte hier wie in Trance und schloss ihre Augen. Sie ruhte und doch… herrschte in ihrer Seele ein grausames Chaos. Sie wusste nicht, wo sie beginnen sollte die Vergangenheit und diese Gegenwart zu bewältigen. Da waren die Erinnerungen an Hyrule, die tiefe Liebe zu ihrem Land, der Hass, und Taten des Bösen und schließlich ihre Gefühle für Link. Sie schluchzte bitter und versuchte dieses Gedankenwirrwarr erst einmal zu verdrängen… Wenig später trat die einstige Prinzessin der hylianischen Lande mit einem weißen Bademantel aus dem Raum, wo heißer Dampf die Luft erfüllte. Sie hörte Impa in einem Raum herum werken, hörte Teller klappern, und tapste barfuß dorthin, wo sie ihre damalige Zofe vermutete. Und tatsächlich befand sich ihre Ziehmutter in der Küche, und auch diese war teuer und geschmackvoll eingerichtet. Mit einem Gesicht wie zehn Tage Regenwetter nahm Zelda am Tisch Platz, ein ovaler Tisch mit weißen Stühlen und blauer Polsterung. Sie beobachtete Impa schweigend, die eine Suppe auf den Herd setzte und irgendetwas zubereitete, das Zelda fremd war. Erst nach einigen Minuten brach das blonde Mädchen das Schweigen. „Impa… ich wollte… Danke sagen, dass du dich kümmerst… Verzeih‘ mir wegen vorhin, es war nicht meine Absicht dir Vorwürfe zu machen…“, sprach sie klar und versuchte zu wirken wie einst. Standhaft für ihr Land. Sachlich und ruhig. Und kühl… Doch einstige Shiekah seufzte: „Ihr braucht Zeit, Prinzessin, um Euch an dieses Leben zu gewöhnen, es ist in Ordnung.“ Aber Zelda schaute zweifelnd zur Seite, fast so, als glaubte sie Impa ihre beruhigenden Worte nicht. „Nein, es ist eben nicht in Ordnung… Du hast ein neues Leben, Impa, es ist nicht selbstverständlich, dass du mich noch unterstützt…“ Doch da kniff Impa ihre bräunlich roten Augen zu, stoppte ihre kochende Tätigkeit. Sie drehte sich mit einem warnenden Blick zu ihrem Schützling um. „Meint Ihr denn wirklich, ich hätte Euch einfach im Stich gelassen?“ Sie trat näher und hob Zeldas Kinn in ihre Richtung. „Ausgerechnet Euch, wo ich immer bewundert habe, wie Ihr Euch für Hyrule eingesetzt habt… Alles, was Hyrule zugestoßen ist, alles, was die Völker der alten Welt erleiden mussten, Ihr habt alles ertragen und gekämpft. Wie könnt Ihr annehmen, dass die Weisen Euch einfach so vergessen haben. Selbst Link…“ Doch da winkte Zelda ab. „Bitte lass‘ dieses Thema…“ Impa wollte mit dem Kopf schütteln, schloss aber dann die Augen. ,Scheinbar war auch zwischen Link und ihr noch alles beim Alten‘, dachte die Direktorin. Schon damals vermied die Prinzessin das Gespräch über den Helden der Zeit… „Zelda, meine Liebe, wie ist es Euch eigentlich gelungen, nun doch noch in diese Welt zu gelangen. Ihr wolltet einem nächsten Leben entsagen… und jetzt steht ihr vor mir, zwar ohne spitze Ohren, aber ihr seid immer noch die kleine Prinzessin, die mehr Wildfang war als eine königliche Hoheit, die kleine Prinzessin aus der alten Welt.“ Impa versuchte Zelda abzulenken und sie zum Lächeln zu bringen, aber sie war schließlich nicht die Person, die Zelda an ihr Herz ließ… Zelda seufzte und begutachtete die Suppe und die Köstlichkeiten, die Impa auf eine gewellte Platte gepackt hatte und versuchte den Duft zu hylianischen Gewürzen zuzuordnen, aber es war einfach nicht möglich. Sie wollte Impa auf diese Frage nicht antworten, vielleicht auch, weil sie es einfach nicht konnte. „Impa, gerade das… hatte ich gehofft von dir zu hören. Ich weiß es nicht…“ Aber auch Impa spürte deutlich, dass die blonde Schönheit ihr gegenüber nicht ehrlich war. Sie belud die Teller mit der weißlichen, cremigen Topinambursuppe und hoffte, dass diese Gemüsesorte Zelda mundete. „Wie dem auch sei. Nun seid Ihr hier. Mit all’ Euren Erinnerungen…“ „Fast allen…“, erwiderte die Prinzessin und kostete die Suppe. Es schmeckte ihr zwar, aber nach dem heutigen Tag und dem Hereinbrechen ihrer Erinnerungen hatte sie schlichtweg den Appetit verloren. Sie schob den Teller zur Seite und machte deutlich, dass sie keinen Hunger mehr hatte. „Nun gut. Irgendwie müssen wir es schaffen, aus Euch ein normales Mädchen zu machen, auch wenn nur augenscheinlich“, sprach Impa und räumte den Tisch teilweise wieder ab. Zelda nickte. Auch wenn es ihr schwerfallen würde, hier zu sein, dieses Leben zu akzeptieren, eine andere Wahl hatte sie im Augenblick nicht. Das hieß aber nicht, dass sie ihre Zeit hier verschwenden oder tolerieren würde. Irgendwo in ihrem Herzen erwachte ein starker Drang sich weiterhin mit Hyrule zu beschäftigen… und wenn sie dafür sorgte, dass das alte Land auferstand. Doch da kam ihr ein weiterer Gedanke. „Impa, ich habe noch eine Frage. Wieso gibt es von Hyrule ein Spiel? Das kann doch eigentlich nicht sein.“ Impa starrte an die weiße Zimmerlampe an der Decke. „Nun. Wir, die Weisen, wissen, dass die Götter Hyrules damals, genauso wie Ihr, nicht für immer aufgeben wollten.“ Impa lief dann zur Küchentür und deutete Zelda an, ihr zu folgen. „Folgt mir, ich habe ein Zimmer für Euch eingerichtet.“ Impa lief in schnellen Schritten weiter und die Treppe hinauf. „Jedenfalls sind sich die Weisen über Hyrules Vermächtnis einer Meinung. Als eine Art der Wirklichkeit wurde es sicherlich aufgegeben. Aber dennoch trägt Hyrule noch ein Antlitz- ob als Geschichte… oder als Spiel. Die Götter haben den Legenden von damals ein Denkmal gesetzt, ein Vermächtnis, und vermutlich schon bevor Hyrule endgültig verblasste… und die Weisen zum Beispiel, wir leben ebenso mit der Erinnerung an die alte Welt, und wir lieben Hyrule noch heute. Es gab immer Hoffnung und gibt sie noch. War das nicht der Satz, den ihr immer sagtet?“ Zelda verstand langsam und versuchte ihren Groll und den daran geknüpften Schmerz ruhen zu lassen. „Dennoch ist es unheimlich traurig.“ Impa blieb stehen und sah Zelda mit den Augen einer Mutter an. „Nun, Prinzessin, es hat keinen Nutzen im Augenblick darüber nachzudenken. Sicherlich ist diese Situation unerträglich, wenn man Hyrule kannte, aber was sollen wir auch tun? Jetzt möchte ich nur eins von Euch.“ Impa kniete nieder. „Ich möchte, dass Ihr endlich loslasst… beginnt endlich zu leben- wie ein einfacher Mensch.“ „Ich…“ Zelda wusste, dass Impa recht hatte, aber sie würde es nicht können. Sie log, wie so oft in der Vergangenheit… „Ich werde es versuchen…“ Sie sah trübsinnig ins Leere. „Noch etwas, könntet Ihr mich Ines nennen?“ „Und Impa, hör‘ endlich auf mit deiner höfischen Anrede, sonst bin ich wohl gezwungen, mich wie eine Prinzessin zu benehmen“, murrte sie. Als sie geendet hatte, ertappte sie sich dabei, dass sie selbst so redete, wie Link es immer tat… Einige Minuten waren vergangen und Miss Schattener führte sie in einen langen Gang, an dessen Ende ein großer Raum sein musste. Zelda öffnete die braune, große Tür mit den verzierten Griffen. Das Bild eines wunderschönen Zimmers erhellte Zeldas Herz. Der Raum hatte Balkon und an der anderen Seite noch ein großes Fenster, sodass genügend Licht hier hereinfallen konnte. Ein wunderschönes, großes Bett stand in der Mitte. In einer Ecke ein Schreibtisch, einige kleine antike Schränkchen mit roten Deckchen und überhaupt war der Raum in weichen, hellbraunen und roten Farben gehalten. Rechts neben dem Bett stand ein weiterer wichtiger Gegenstand… eine mit goldenen Schriftzeichen versehene Harfe. Das Instrument, das Zelda sehr oft gespielt hatte… Zelda blickte sich um und lächelte das erste Mal, seit sie in Impas Villa eingetreten war. „Ich danke dir, Ines. Jetzt fühle ich mich etwas mehr hier angekommen… Weißt du, ich will gar keine Prinzessin mehr sein.“ „Du wolltest nie eine sein.“ Zelda setzte sich auf das Bett und ließ sich einfach fallen. „Irgendwie eine Ironie des Schicksals, dass Link keinerlei Erinnerungen hat. Ich will aber auch nicht, dass selbst, wenn nur in geringster Weise, er seine Erinnerungen zurückerhält. Es würde ihm nur unnötig Leid zufügen. Endlich kann er einmal ein ganz normaler Mensch sein… in einer ganznormalen Welt… in einer Welt, in der er…“ Zelda beendete den Satz nicht, ihre Stimme versagte. Liebte sie einen Menschen, so hieß das nicht immer, auch mit ihm glücklich werden zu dürfen, erst Recht nicht in ihrer Position als Thronerbin. Möchte sie, dass es denen, die ihr so viel bedeuteten gut ging, musste sie zwangsläufig Opfer bringen. Und Zelda würde ein Opfer bringen, das tat sie immer. Link lebte nun nicht mehr in ihrer Welt. Er hatte eine andere Zukunft vor sich, er würde einen anderen Weg gehen. Und sicherlich, auch wenn es weh tat, irgendwann, würde er seinen Weg finden, der nichts mit Hyrule, nichts mit dem Bösen zu tun hatte, nichts mit Zelda. Er würde sie vergessen… und könnte endlich der sein, der er immer sein wollte, ein junger Mann mit edlen Zielen, nicht der erbarmungslose Krieger, der dem Abschaum Hyrules die Köpfe absäbelte und nicht ihr Beschützer und ihr Opfer… „Könntest du mich alleine lassen, bitte Ines.“ Sie nickte und verließ schwerfällig das Zimmer. Zelda schluchzte, drückte den grünfunkelnden Ring, den sie hatte an ihr Gesicht, ließ sich weiter in das Bett sinken und weinte endlich. Es war soweit, dass die ganzen Ereignisse sie überforderten und sie endgültig durcheinander brachten. Erinnerungen an Hyrule, an die Tage mit ihrem Helden brachen hoch und sie versuchte diese wegzusperren, zu verbannen, hoffte, sie könnte die Erinnerungen einfach in die Träume sperren, genauso ihre Gefühle… ,Ja, so sollte es sein‘, entschied sie. Sie würde sich in Links Leben nicht einmischen. Er war frei, konnte leben, ohne quälende Erinnerungen… Und sie würde dafür sorgen, dass er dieses Leben ohne den Kampf genießen konnte… Es machte keinen Unterschied, ob Zelda ihren Titel trug oder nicht. Es spielte keinerlei Rolle, sie war und würde mit all den Bildern einer verlassenen Welt in ihrem Herzen immer die Prinzessin Hyrules bleiben. Ein Leben, wie es andere und wie Link es führte, gab es für sie nicht. Und es war damals ihre Entscheidung gewesen, Hyrule niemals alleine zu lassen, wie es heute ihre Entscheidung sein würde, Link die Möglichkeit eines gewöhnlichen Lebens zu schenken, eines Lebens in einer anderen, neuen Welt, ohne das Böse, ohne Hyrule und ohne… sie. Mit Tränen in den Augen stand Zelda auf, lief zu dem Balkon und schaute hinaus in den Himmel. Was hieß Freiheit in einer anderen Zeit schon, wenn man verflucht war, die Erinnerungen zu behalten? Und Zelda könnte davor weglaufen, vor ihren Visionen, ihrer Einsamkeit und Angst, aber die Bilder würden bleiben, auch wenn sie sich verleugnete. Sich selbst umarmend lief sie in das andere Ende des Zimmers und setzte sich an die Harfe, spielte von Einsamkeit, von Hoffnung und Sehnsucht… In ihrem Inneren traf sie endgültig ihre Entscheidung. „Link“, entkam ihren Lippen. Es belastete sie, dass sie ihm erneut weh tun würde, um seiner selbst willen, für sein Bestes, wie damals, als sie ihn in der Zeit zurückschicken musste. Es tat weh, dass sie ihm niemals gesagt hatte, wie viel er ihr bedeutete. „Leb’ wohl…“ Impa stand außerhalb des Raumes und ahnte um Zeldas folgenschwere Entscheidung. Denn so einfach, wie Zelda sich das vorstellte, würde das nicht funktionieren. Link würde so lange versuchen herauszufinden, was vor sich ging, bis er es wusste. Auch wenn Zelda versuchte, ihm auszuweichen, sie hatte es schließlich mit Link zu tun. Er hatte zwar keine Erinnerungen mehr, aber Impa kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er alles, grenzenlos alles tun würde, um die Prinzessin zur Rede zu stellen. Außerdem gab es eine weitere wichtige Sache, von der Zelda keine Notiz nahm. Sie ignorierte es, litt zu sehr an ihrem Trauma, als dass sie einen Gedanken daran zulassen wollte. Zelda schob den Gedanken an das Böse, das auch Hyrule heimsuchte, einfach von sich. Denn das Böse versiegelt in der vergangenen Welt, hatte genauso wie sie, einen Weg auf die Erde gefunden… Früher oder später war es unumgänglich, dass die Kinder des Schicksals zueinander fanden und das Böse in seine Schranken verwiesen. Irgendwann benötigten sie alle Links Hilfe. Denn er war die auserwählte Seele mit dem heiligen Mut. Er würde kämpfen müssen, ob er wollte oder nicht, mit Schwert oder seinen blanken Fäusten. Ja, es ging nicht ohne ihn und es war gut so. Mit einem leichten Lächeln folgte Impa den Treppen ins Erdgeschoss. Währenddessen erklärte Link seinen Eltern alles und ging dann trübsinnig in sein Zimmer. Er fühlte aus irgendeinem Grund eine Art Druck in seinem Inneren, wie jene Gefühle der Ohnmacht, wenn man bei einem schrecklichen Ereignis einfach nur daneben stehen und nicht helfen konnte. Er fühlte sich, als ob er in naher Zukunft einen Verlust erleiden würde. Vielleicht der Verlust einer Freundschaft oder der Verlust von tiefen Gefühlen, die nicht mehr erwidert wurden. Ein einfacher Gedanke an Zelda wirbelte in seinem Kopf herum und er fragte sich, ob es denn wirklich die beste Lösung war, Zelda bei der Direktorin wohnen zu lassen? Was hatte Ines Schattener mit Zelda zu tun? War sie tatsächlich ihre Tante? Wenn ja, warum ging Zelda nicht in Schicksalshort zur Schule? Warum hatte er nicht schon viel früher ihr Gesicht einmal gesehen? Es gab so viele Fragen in seinem Kopf und er konnte die ganzen Zusammenhänge nicht begreifen. Wie sollte er auch? Immerhin kannte er Zelda jetzt gerade eine Woche lang. Er war ein gewöhnlicher Jugendlicher, nicht mehr… Aber warum fühlte jener einfache Jugendliche sich so verantwortlich dafür, dass sie hier war? Wieso? Er hatte schließlich nicht dazu beigetragen, ihr Gedächtnis zu löschen… Er wagte einen Blick auf die Uhr und fühlte sein schlechtes Gewissen brodeln, da er schon wieder den Unterricht schwänzte. ,Hey‘, sagte er zu sich selbst. Das war ja schließlich nicht seine Schuld, oder? Die Direktorin hatte ihm doch erlaubt, den Tag zuhause zu verbringen. Da würde er sicher keinen Ärger kriegen… Link setzte sich einige Minuten auf den Fußboden und betrachtete die Nintendokonsole vor ihm. Mmh- Zeit für das Spiel. Sara drückte ja noch die Schulbank und war logischerweise noch nicht da, konnte also nicht meckern, wenn er die Konsole einschaltete… und da konnte er doch mal wieder zocken, das Spiel um Hyrule genießen… langsam schaltete er den Gamecube ein. Er fragte sich, ob denn erneut etwas Unvorhergesehenes mit ihm geschehen würde, nur weil er ein Konsolenspiel zockte und dachte mit Zweifeln an die merkwürdigen Wunden, die er sich beim Spielen zugefügt hatte. Ganz kurz strich er sich mit der Rechten über die Narben und grinste halbherzig. Link war wohl einerseits wissbegierig und andererseits zu übermütig, um es nicht auszuprobieren. Mit einem tiefen Atemzug und irgendwo vorbereitet auf ein merkwürdiges Ereignis führte er den grünbemützten Heroen durch die riesige, hylianische Steppe, mit ihren grünen Hügeln und einsamen Pfaden. Während er auf den Fernseher blickte, gerade zu gebannt die Abläufe beobachtete, schienen sich seine Augen zu verwandeln… sie nahmen nun ein noch dunkleres Blau an, als sie ohnehin schon hatten. Link starrte auf den Fernseher, als gäbe es nichts anderes mehr. Und auf dem Bild, welches die Konsole auf den Fernseher projizierte, war plötzlich eine andere Person, die neben dem erwachsenem Link her trabte. Der Schüler zwinkerte, fuhr sich mit der linken Hand durch das blonde Pony und rieb sich seine Augen. Erneut starrte er auf den Bildschirm und sah tatsächlich eine kleinere Person neben dem erwachsenen Link herlaufen. „Das ist ja schräg“, murmelte Link, rückte näher an seinen Fernseher und ließ den Helden der Zeit mitten auf der Steppe stehen. Er legte den Controler aus der Hand und sah sich ein kleines Kind neben der Spielfigur an, das ihn mit einem Lächeln aus dem Bild heraus anblickte. Link zwinkerte erneut und klopfte an seinen Fernseher, aber musste wohl tatsächlich annehmen, dass er sich das Kind neben dem Helden der Zeit nicht einbildete. Es war ein Junge mit hellblondem Haar, das einen ähnlichen Schnitt besaß wie der erwachsene Heroe. Und auch sonst war der Junge dem erwachsenen Hylianer sehr ähnlich. Der kleine Kerl trug grünliche Kleidung, eine Tunika, sogar ein golden schimmerndes Kettenhemd, das unter dem Leinenstoff herausragte, aber seine Kleidung wirkte sehr edel, was gar nicht zu dem Helden im Spiel passte. Die Tunika hatte einen goldenen Saum an Ärmeln und Hüfte und ein weißer Gürtel war um die Hüfte des kleinen, vielleicht fünf Jahre alten Knirpses geschnallt. Link lief in die andere Ecke des Zimmers und schüttelte seinen Kopf. Eigentlich hatte er gerade Lust diesen in die Wand zu schlagen, weil er sich fragte, ob er noch bei Verstand war, und drehte sich dann wieder zu dem Fernseher um. Doch der Junge war noch immer darauf, winkte ihm zu und plötzlich hörte Link den Jungen sprechen. Er hatte eine glockenhelle Stimme und sie klang fast lärmend in seinem Kopf. „Die Menschen in dieser Welt sind in Gefahr. Der dunkle Lord versucht, sie unter seinen Willen zu ziehen und das Gleichgewicht der Welt zu stören. Verhindere die drohende Gefahr.“ Link schreckte hoch, taumelte dann zu seinem Schreibtisch und hoffte krampfhaft, nicht doch noch verrückt zu werden. Er sah noch einmal zum Spiel. Doch der Knabe, der ihm und der Spielfigur des Helden der Zeit ähnlich sah, war verschwunden. Mit rasendem Puls sinnierte Link über die Worte des Kindes, schüttelte den Kopf und knallte sich auf sein Bett. Konnten diese Halluzinationen ihn nicht endlich in Ruhe lassen. Erst Zeldas Stimme in seinem Kopf, dann die Wunden, der Angriff des Schattens in der Trainingshalle und nun ein Bengel, der mit ihm telepathisch kommunizierte? ,Welche drohende Gefahr konnte dieses Kind denn meinen‘, dachte Link und ärgerte sich gleichzeitig, dass er überhaupt über diesen Unsinn nachdachte. Es reichte langsam… er wollte diesen Irrsinn nicht… Link schloss seine Augen, genoss die Musik der hylianischen Steppe, die durch sein Zimmer dröhnte und schwelgte in seinen Gedanken. Er legte sich auf seinen Bauch, gähnte, und dachte an die Erlebnisse der letzten Tage. An Zelda, an den merkwürdigen Mann, der vor dem Polizeipräsidiums stand, und auch die Geschehnisse in der alten Kirche wollten ihm nicht aus dem Sinn. Wer zum Teufel war diese Schreckensgestalt? Dunkler Lord? Hastig richtete er sich auf, als es ihm wie Schuppen von den Augen fiel. Hatte der Bengel im Spiel etwa den Mann gemeint, der in der Kirche Schicksalshort hauste? Und aus einem warnenden Gefühl heraus, spürte Link, dass er sich irgendwie… darum kümmern musste. Egal wie viele Fragen jene Kreatur in Link hervorrief, irgendwann, in naher Zukunft, so spürte er, würde er diesem Hünen gegenüberstehen, wissen, wie bestialisch seine Absichten waren und wie erfroren sein Herz, irgendwann würde er sich wünschen, seinen Namen nicht zu kennen. Und dieser Tag rückte mit jeder Minute näher… Das Schicksal entwarf gerade die Puzzleteilchen, die sich zu einem großen Ganzen in seinem Leben fügen würden. Die Frage schien nur, wie viele Puzzleteilchen noch fehlten… Link starrte von seinem Bett aus an die braune Zimmerdecke. Alles in seinem Dasein würde sich ändern. Er würde sehr bald nicht mehr derselbe sein… Zu diesem Zeitpunkt ging eine verträumte Sara gerade auf die Haustür zu. Das gesamte Gymnasium hatte sie nach ihrem die- Schule- als- sinnlos- abstempelnden Bruder abgesucht und war über die Maßen enttäuscht von ihm. Ja, ja… und wenn er sie dann wieder mit seinem unschuldigen Grinsen liebäugelte, so würde sie erneut nachgeben. Aber allmählich könnte er noch Probleme bekommen, wenn er die Schule so einfach ins Jenseits schickte- und natürlich die notwendige Angewohnheit eines Schülers, sich dort jeden Tag blicken zulassen. Sie öffnete die Haustür, ging in die Stube und fand einen Zettel, wo drauf stand, dass ihre Eltern erst gegen Abend heimkämen. Und anders als ihr werter Bruder, stellte Sara ihren Rucksack höflich und nett in das dafür vorgesehene Fach. Und ein blödes, aber bemerkbares Magenknurren erinnerte sie daran, dass sie heute noch kein Mittag hatte. Dann bemerkte sie einen unangenehmen Geruch, der aus der Küche kommen musste. Es stank fürchterlich nach Verbranntem. In der nebligen Küche fand das fünfzehnjährige Geschöpf dann den Grund für das Übel. Zwei Töpfe standen auf dem Herd, die beide nicht wiederzuerkennen waren. Aus dem einen kam eine hohe Stichflamme und der andere war so verkohlt, dass der Inhalt dessen nicht mehr identifiziert werden konnte. „Link!“, brüllte Sara und drehte schnell und geschickt den Herd zurück, griff nach den erstbesten Handschuhen und zog die Töpfe von den glühenden Herdplatten. Noch einmal rief sie wütend nach ihrem großen Bruder. Hatte dieser Trottel schon wieder das Essen vergessen? Eine Angewohnheit Links, für die Sara ihn Köpfen, Vierteilen und Vergiften könnte. Schläfrig kam Link dann von seinem Nachmittagsschlaf angelaufen und schnupperte ebenso mit seiner Nase. „Hast du das Essen vergessen, Hohlkopf?“, murrte sie wie ein ausgebüchster Stier, der Rot gesehen hatte. Link wich unschuldig grinsend einen Schritt zurück und hob beschwichtigend seine Arme in die Höhe. „Oh… das…“, fing er an und probierte es mit seinem allseits typischen Unschuldslächeln. Doch Sara beruhigte sich nicht. Sie grabschte den erstbesten Gegenstand, erkannte diesen als hölzernen Kochlöffel und hatte das Ziel damit auf Link los zugehen. Dessen Augen standen weit vor Schreck, als seine kleine Schwester nun keineswegs mehr so harmlos aussah wie sonst. Ihre Wangen waren kochendrot vor Wut und ihre braunen Haare standen ihr zu Berge. „Du Blödmann. Kannst du nicht einmal in deinem Leben aufpassen?“ Und mit Zorn in der Stimme, mit überschäumender Ärgernis rannte sie hinter Link her, der hilfesuchend vor ihrem Wutausbruch die Flucht ergriff. Doch aus irgendeinem Grund war Sara diesmal schneller und sie gab Link einige Schläge mit dem Löffel auf den Deckel. Hilfeschreie und ein verständliches „Ich ergebe mich“, schallten in dem Haus umher, bis Sara ihr ausgeflipptes Temperament unter Kontrolle brachte. „So, ich hoffe, das wird dir eine Lehre sein“, sagte sie höhnisch, als sie sich beide wieder in der Küche befanden. Link tastete murrend auf seinen Beulen herum und Sara legte endlich den Kochlöffel beiseite. „Ja, Madam.“ „Und wehe, du bildest dir ein, dass ich das nur spaßhaft gemeint habe.“ Einmal kräftig schluckend grinste Link seine kleine Schwester an und hoffe, sie würde sich endlich wieder beruhigen. Es war vielleicht das erste Mal, dass sie so überdreht und gefährlich reagiert hatte. „Und guck’ mich nicht so an“, ergänzte sie zähneknirschend. „Sonst bekommst du noch eine, aber diesmal mit der Schöpfkelle.“ „Ja, Madam“, wiederholte er. „Und hör’ auf mit deinem Sarkasmus, den kann ich heute nicht gebrauchen.“ „Ein schlechter Tag, Sara?“ „Und ob, da mein werter Bruder mein Mittagessen ruiniert hat.“ „Tut mir leid, Sara.“ Mit einem Schnauben setzte sie sich gegenüber von Link auf einen Stuhl. „Gibt es wenigstens einen Grund für deine Schusseligkeit? Wo ist überhaupt Zelda abgeblieben. Oder ist sie etwa der Grund für deine nervtötende Schusseligkeit?“ Link starrte an die Decke, wie immer, wenn er nach einer alternativen Antwortmöglichkeit suchte. „Sie… ist jetzt dort, wo sie hingehört“, meinte er, sich fragend, wie er dies annehmen konnte. „Und wo ist das bitte schön?“, meinte Sara, die sich ihren knurrenden Bauch rieb und dann den wehrlosen Kühlschrank überfiel. Link lehnte sich mit einem langgezogenen Gesicht zurück und beobachtete das Schauspiel. Sara begutachtete jedes der Fächer, schaute verzweifelt in die leeren Schachteln und schnupperte mit ihrer koboldartigen Nase an einem verfaulten Ei. „Sie ist mit der Direktorin verwandt“, murmelte Link und machte sich auf dem langen Teil der Sitzbank breit. „Und daher hat Ines Schattener sie vorhin abgeholt.“ Daraufhin sah Sara interessiert auf. „Nicht wahr!“ „Doch wahr…“, sagte Link und legte seine Hände hinter den Kopf. „Oh Mann, wenn die Direktorin meine Mutter wäre, würde ich meines Lebens nicht mehr froh werden. Erst Recht, wenn die Schattener meine Mutter wäre. Die Strenge in Person…“ „Ich glaube, so schlimm ist sie gar nicht. Vielleicht ist es besser, Zelda hat ihr normales Umfeld wieder, jetzt da sie ihre Erinnerungen wiedergefunden hat. Außerdem ist Ines nicht ihre Mutter“, meinte Link. Sara gesellte sich zu ihm und aß genüsslich von ihrer kostbaren Toastbrotscheibe. „Moment mal, heißt das, Zelda ist ihr wirklicher Name?“ Sara fiel vor Schreck das Brot aus dem Mund. Link lächelte leicht und schloss seine Augen. Und Sara hatte Recht. Zelda war ihr wirklicher Name, was vieles bedeutete, was Link noch mehr verwirrte als bisher. „Das ist ja… unheimlich“, sagte Sara langsam. Sie beäugte ihren großen Bruder genau und sah das stille Lächeln auf seinem Gesicht. „Du findest das nicht bedenklich, Link?“ Er schüttelte seinen Kopf und machte sich nicht die Mühe die blauen Augen zu öffnen. „Ich freue mich viel zu sehr für sie, als dass ich ihren Namen unheimlich finden könnte.“ „Verstehe“, sagte Sara und grinste bestätigend. „Du hast mir noch gar nicht erzählt, wie eure Woche gelaufen ist.“ „Schön“, murmelte Link umständlich, sodass Sara ihn nun genauer unter ihre alles sehende Lupe nahm. Link dachte an die langen Tage mit Zelda, die so selbstverständlich geworden sind, als kannte er sie schon sein ganzes Leben lang. Und doch war jeder neue Tag mit ihr, so wunderbar, so einzigartig und aufregend, als würde er an jedem Tag eine neue Seite von ihr entdecken. „Hat’s dich erwischt?“ Und das Hinterhältige an Saras Gemüt kam zum Vorschein. Daraufhin richtete sich Link verärgert auf und funkelte Sara streitsüchtig an. „Jetzt halt’ die Luft an. Soweit kommt’s noch“, schnaubte er. Aber… armer Link, die roten Wangenbäckchen verrieten wohl zu viel. „Ich kenne sie doch kaum, also bilde dir nicht so einen Schrott ein. Wer ist denn hier diejenige, die pausenlos zu Mike rennt?“ Sara verging das Grinsen wieder. Das Grübchen an ihrem Kinn spannte sich, die Ecken ihres Mundes verzogen sich nach unten und ihre blaugrauen Augen formten sich zu zwei gefährlichen Schlitzen, aus denen ihre Sicht der Dinge strebsam hervor blitzte. Angesichts dessen brach Link in einen herrlichen Lachanfall aus und kugelte sich auf dem Boden. „Du bist blöd“, fauchte Sara. „mehr als blöd, du hast deinen gesamten Verstand verloren, seit Zelda in dieser Stadt ist.“ „Na dann, du wusstest, dass ich noch nie sehr viel Wert auf einen gutfunktionierenden Verstand gelegt habe.“ Und Link hüpfte mit einem großen Sprung auf seine Beine. Es tat so gut, fröhlich zu sein. „Leider, du Hornochse.“ Und ihr großer, durchgeknallter Bruder warf ihr wieder sein Unschuldsgrinsen zu, welches ohne Umstände dazu führte, dass sich Saras Augenbrauen anhoben und sie mit ihrem klugen Kopf auf und ab wippte. „Wenn du nicht so ein wunderbares Grinsen im Gesicht hättest, hätte ich dich schon lange umgebracht, du Trottel.“ Link hatte sein Ziel erreicht, auch wenn Sara beim Herausgehen aus der Küche ihm noch eine beleidigte Zunge herausstreckte. Seine Schwester pflanzte sich in der Küche auf das Sofa und aß eine im wahrsten Sinn ungenießbare Beutelsuppe, die sie nur hinunterwürgte, da ihr Magen sein unsägliches Knurren nicht unterbinden wollte und wartete auf Link, der ihr immer noch zu erzählen hatte, was die Woche denn so Schlimmes geschehen sein sollte. Denn, dass etwas nicht stimmte, hatte sie bereits von Rick in der Schule erfahren. Maron sollte, so seine Worte, das Opfer von bösen Machenschaften geworden sein… Was hatte das wohl zu bedeuten, fragte sie sich. Wenig später kam Link in das Wohnzimmer und hatte seine Okarina in der Hand. Mit großen Augen starrte Sara auf das Instrument. „Was ist das denn? Ich wusste gar nicht, dass du eine Okarina hast.“ Link winkte diesbezüglich ab und trällerte einige Töne herunter. „Das Verrückte ist, dass ich sie bisher nicht spielen konnte. Zelda hat es mir aber dann beigebracht…“ „Aha.“ Und vergnügt stopfte sich Sara eine weitere Toastbrotscheibe in den Mund. Würde man nicht wissen, dass die beiden Geschwister waren, könnte man sie bedenkenlos an ihren großen Appetit in dieselbe Familie einordnen. „Ich habe auch eine lange Zeit Flöte gespielt, weißt du noch?“ Link nickte. Seine kleine Schwester hatte tatsächlich ein sehr gutes Gehör und eine sagenhafte Begabung für jenes Instrument bewiesen, leider hatte sie ihre Leidenschaft für das Flötenspiel für andere Hobbys aufgegeben. Aber die Fähigkeit dafür war schließlich geblieben. Sie nahm Link die Okarina ab und spielte ein sehr lustiges, aufheiterndes Lied, ohne dass sie jemals eine Okarina in der Hand hätte haben müssen. Sie konnte es einfach, genauso gut wie Link. „Du bist gut darin, Sara.“ „Ich weiß“, kicherte sie und reichte Link das Instrument wieder. Eine Pause entstand, in der Link ans Fenster lief, aber nicht hinaus schaute, sondern seine Augen schloss. „Willst du sie denn nicht besuchen?“, meinte Sara wissbegierig, da sie irgendwie wusste, wie gern Link seine Zeit jetzt lieber mit Zelda anstatt mit seiner kleinen Schwester verbringen wollte, die viele, viele Jahre schon seine Nerven strapazierte. „Ja, schon… aber, ich nehme an, dass sie jetzt lieber alleine sein möchte, jetzt, da sie sich erinnert.“ „Hat sie dir denn erzählt, woran sie sich erinnert?“ In dem Moment schossen Tausende verwirrende Bilder durch Links Gedankengänge. Bilder von Zelda, ihrem stillen Lächeln und den traurigen Augen. Bilder aus seinen eigenen Träumen, von Dämonen, Blut und Finsternis. Zelda erinnerte sich… aber woran? Konnte es sein, dass sie vielleicht doch nicht in die moderne Menschenwelt gehörte? Und schließlich das letzte Bild derjenigen Zelda, die mit Tränen in den Augen bei Regen und Kälte auf der kleinen Lichtung im Wald saß und Link einen schwermütigen Blick zuwarf. „Nein… sie ist dann sofort mit Ines mitgegangen. Aber das seltsamste war das, was sie zu mir sagte, als sie verschwand…“ Und Link lehnte sich mit dem Rücken an die Wand, sah dem goldenen Pendel der Wohnzimmeruhr zu. „Sie sagte: ,Danke für alles… mein Held.’ Und es war vielleicht das erste Mal, dass mir dieser Titel nicht den Tag verdorben hat.“ „Das lag bestimmt daran, dass es aus ihrem Mund gekommen ist. Hätte Ilena diesen Satz gesagt, wärst du ausgetickt…“, meinte Sara und sah, wie sich Sorgenfalten auf Links Stirn bildeten. „Ist was?“ Aber Link schwieg und ließ sich nachdenklich auf die Couch sinken, stütze seinen Ellenbogen auf der Glasplatte des Tisches davor ab und verfiel einmal mehr seinen Grübeleien. „Erinnere mich bloß nicht an dieses billige Flittchen.“ Und Saras Kopf sank auf eine ihrer Schultern. „Hat sie was verbrochen, ich meine natürlich, außer dich anzuhimmeln?“ Link schlug mit seiner Faust. „Ja, verdammt, sie hätte Zelda beinahe umgebracht“, fauchte er. „WAS?“ Und Sara hüpfte zu ihrem großen Bruder auf die cremefarbene Couch. „Wir waren in dem großen Modegeschäft Lydias, als Ilena Zelda die Rolltreppe hinuntergestoßen hatte.“ „Nicht wahr. Ist die noch bei Trost?“ Entsetzt starrte Sara ins Nichts. „Es geht nicht nur um Ilena. Die gesamte Woche sind komische Sachen passiert. Da wäre beispielsweise ein merkwürdiger Vogel auf dem Friedhof, oder eben die Geschichte mit Maron.“ „Erzählst du mir jetzt endlich mal, was mit Maron passiert ist?“ Und der ohnehin verunsicherte Link atmete tief ein, pustete einen Luftstrom an den Ansatz seines Haares und machte den Eindruck nicht darüber reden zu wollen. „Glaubst du an Dämonen, Sara?“, fragte er dann herumdrucksend. Aber Sara schien über diese Frage so wenig erstaunt zu sein, wie Zelda über die Tatsache, dass Menschen nicht irgendwelche magischen Fähigkeiten besitzen könnten. Sie zuckte teilnahmslos mit ihren Schultern und schüttete sich den Inhalt eines großen Joghurtbechers in den Wanst. „Ist das ein Ja?“ „Nun Link. Wenn du sagen willst, dass Maron von Dämonen besessen gewesen war, dann glaube ich dir das eben, weil du mein Bruder bist. Rick erzählte mir, du warst der letzte in der brennenden Turnhalle und hast Maron wieder zur Vernunft gebracht.“ „Ja, das habe ich. Danach hatte ich die Schnauze dermaßen voll…“ Sara legte eine Hand auf seine Schulter. „Du hast Maron in gewisser Weise gerettet, Link. Du kannst stolz auf dich sein.“ Er nickte dämlich grinsend und stand dann auf. „Trotz allen haben wir noch ein gewaltiges Problem, Sara.“ Daraufhin blickte sie verstört drein. „Hör zu, ich sagte, ich glaube dir, Link, aber Lust auf Probleme habe ich einfach nicht, weil ich noch einen Berg von Schularbeiten bewältigen muss.“ „Auch, wenn die Sache viel wichtiger ist als Schule?“ „Jetzt rück’ endlich mit der Sprache heraus, Grünschnabel.“ Link hatte einen grauenvollen Verdacht und irgendwie ein Gefühl der Vorahnung, als ob in naher Zukunft sehr viel geschehen sollte, Schreckliches passierte, Grausames… Wenn dieses Ungetüm in der Kathedrale Schicksalshorts ernst meinte, was es sagte, dann schwebten Dutzende von Leuten in Gefahr. Dieser Mistkerl wollte sie unter seinen Bann ziehen und dann zu seinen Sklaven machen. Genauso wie er es mit Maron getan hatte. Und Link wusste, dass der unheimliche Hüne in der alten Kirche für die seltsamen Ereignisse verantwortlich war. „Ich mache mir vielleicht auch bloß unnötige Gedanken…“ Daraufhin lachte Sara laut auf. Sie blickte Link direkt in seine tiefblauen, ernsten Augen. „Es muss schon etwas geschehen sein, dass ausgerechnet du mal so gedankenvoll, statt gedankenlos handelst.“ „Ich bin nicht gedankenlos und handle auch nicht so“, rechtfertigte er sich, blickte aber im selben Augenblick mit einer unechten Schnute an die Decke. Nun ja. Einige seiner dummen Jugendstreiche kamen ihn in den Sinn. Vor vier Jahren zum Beispiel hatte er das Färbemittel seiner Mutter für die Haare gegen ein hochwirksames Bleichmittel ausgetauscht, was ihm sehr in Erinnerung blieb. Einer der besten Brüller, die er sich je geleistet hatte. Aber egal. „Also, Sara, ich denke, du hörst gut zu. Das, was ich dir zu sagen habe, hat nichts mit dem Möglichen zu tun.“ Link erzählte ihr von dem rätselhaften Mann, den er zuerst auf der Straße getroffen und dann in der alten Kirche belauscht hatte. Auch das Vorhaben dieses Unholdes teilte Link Sara mit. „Link bist du dir sicher, dass du dir das nicht einbildest?“ „Was?“ „Seit ich dich kenne, planst du immer irgendwelche Streiche an den Menschen deiner Umgebung. Du bist kein schlechter Mensch, aber das ist…“ Sara wich ihm aus. „Aber Sara, das ist die Wahrheit.“ „Link, das ist einfach nicht denkbar. Ich glaube dir, wenn du sagst, dass Maron irgendwie besessen war und ich glaube an Dämonen. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass so jemand hier in Schicksalshort herumwandert und niemand etwas gegen ihn tut. Das will mir nicht in den Kopf.“ „Mir auch nicht…“, murmelte Link. „Wie wäre es mit Polizei? Oder besser gleich das FBI?“ Diesmal lachte Link auf. „Nur blöd, dass uns sowieso niemand glaubt…“, murrte Sara ergänzend. „Vielleicht würde mir die Direktorin glauben“, fiel Link spontan ein. Als er aber Saras rätselhafte Miene sah, vergaß er den Gedanken wieder. „War nur eine Idee.“ „Eine bescheuerte Idee. Der Schattener würde ich niemals irgendetwas sagen, selbst wenn mein Leben daran hing. Ich habe einfach Angst vor ihr. Guck sie dir doch mal an, welcher normale Sterbliche hat schon rote Augen.“ „Ach Sara. Meinst du nicht, dass du übertreibst?“ Sie stand auf und stützte ihr ganzes Gewicht auf der gläsernen Tischplatte vor ihnen ab. „Sie sieht mit ihrem muskulösen Body aus wie eine Horrorbraut“, murrte sie. Bellend fing Link an zu lachen, konnte kaum glauben, dass seine wohlerzogene Schwester derartige Begriffe überhaupt kannte und jauchzte und jauchzte, hielt sich krampfhaft den Bauch und spürte schon seine glasigen Augen zunehmen. Tz… Tz… Horrorbraut…. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Zelda bei der sicher ist.“ Und geräuschvoll pflanzte sich Sara auf einen breiten Sessel. „Ich hatte den Eindruck, dass Zelda sehr vertraut mit Ines umgegangen ist“, sagte Link dann. „Sie ist in der alten Villa wahrscheinlich zuhause.“ „Und weshalb besucht Zelda dann nicht die Schule?“ „Keine Ahnung.“ „Warum haben wie sie in dieser Stadt noch nie gesehen? Ihr hübsches Gesicht wäre dir doch aufgefallen.“ „Keine Ahnung“, wiederholte Link und fühlte Ärgernis und ein hinterhältiges Unwohlsein bei diesem Gedanken. Saras Einwände waren zwar berechtigt und sprachen wohl für sich. Zeldas gesamte Vergangenheit schien ein großes Rätsel zu sein… Aber Link wollte das einfach nicht hören. Es kümmerte ihn nicht. Er wusste, dass er Zelda vertrauen konnte, er kannte ihre wahre Natur. Welche Bedeutung hatte dann ihre merkwürdige Vergangenheit? „Ist das denn so wichtig für dich, Sara?“, murrte Link dann und sprang von seinem Platz auf. „Ja.“ „Mir aber nicht, mich interessiert das so wenig wie die kommenden Klausuren“, schimpfte er. „Link, kann es nicht sein, dass du dir einige Dinge wirklich nur einbildest? Ich meine, vielleicht suchst du nach komplizierten Erklärungen, wo es die einfachsten gibt.“ „Wie meinst du das?“ „So wie ich es sagte. Ich denke, dass nicht alles an dem, was du gesehen hast, wirklich so abgelaufen ist. Vielleicht hast du die Dinge nur mit deinen Augen sehen wollen.“ „Du glaubst, ich habe Dinge gesehen, die so nicht abgelaufen sind?“ Sara nickte betrübt, auch wenn sie ihrem großen Bruder damit verletzen könnte. „Schön, dann nimmst du also an, dass ich den Verstand verloren habe. Danke für dein Vertrauen“, murrte er ironisch, schnappte sich seine Okarina und ging aus der Stube hinaus. So erledigte Link gegen seine Art die belastenden Matheaufgaben, zu denen Ableitungen bilden oder Zeichnen von stupiden Exponentialfunktionen gehörten. Wenige Sekunden später donnerte ein frustrierter Oberschüler seine Hefte, die Federmappe und das dicke Mathebuch gegen die sich in seiner unmittelbaren Nähe befindlichen Wand. Die Stifte purzelten aus der Mappe, das Buch wurde durch den harten Aufprall gespalten und Link sah scherzhaft zu, wie sich sein Heft selbstständig machte und mit Gleichungen beschriebene Blätter in der Luft herumwirbelten. Link sah kurz aus dem Fenster und erblickte den glühenden Feuerball am Himmel untergehen. Das Glühen der letzten Strahlen erschien ihm so fremd. Statt eines warmen roten Schimmers nahmen sie ein beängstigendes Violett an. Ein dunkles Violett zog über die Stadt, machte Schicksalshort zu einer Stätte der Wiedergeburt für finstere Kreaturen, einem Ort der Einöde, wo die Windgeister selbst keine Atemzüge mehr nahmen. Links Fernseher lief noch, als er auf seinem Bett lag und seine tiefblauen Augen durch die Düsternis des Raumes leuchteten. Die Nachrichten erklangen nebenbei, zogen seine Aufmerksamkeit aber nur teilweise zurück in die Realität. Die Berichte von irgendwelchen Naturkatastrophen häuften sich. Letzte Woche zum Beispiel waren am anderen Ende der Welt zwei Vulkane ausgebrochen, von denen angenommen wurde, sie wären schon vor Hunderten Jahren erloschen. Hurrikane traten öfters auf, Küsten wurden überschwemmt. Mutter Natur schien einen Groll gegen jemanden oder irgendetwas zu haben. Es gab jede Menge Spendenaktionen für die Opfer der Naturkatastrophen und der ein oder andere Beteiligte, der in den Nachrichten befragt wurde, sprach von einer dunklen Zeit, die auf die Erde zu raste. Link knipste seinen Fernseher desinteressiert aus. Unglücke auf diesem Planeten waren nicht zu verhindern, das wusste er, es würde immer Opfer geben und immer solche, die aus Katastrophen wachsen würden… Die Welt brauchte Schicksalsschläge und dunkle Ereignisse, erst dann wuchsen die Menschen… und erst dann wurden diejenigen, die reifen mussten, stärker… So verging die Zeit wie im Fluge und einige stressige Tage. Es war schon wieder Mittwoch und Link, der von Zelda die Woche noch nichts gehört hatte, wollte sie endlich wieder sehen. Er kam mit einem vergnügten Grinsen nach Hause, warf seinen Rucksack noch vergnügter in die erstbeste Ecke, auf das niemand diesen mehr beachtete. Er war allein zuhause. Sara war sicherlich wieder bei Mike oder bei ihren Freundinnen und seine Eltern arbeiteten noch fleißig. Langsam trottete er in das Gästezimmer und sah Zelda wie in einer verblassenden Erinnerung an der Tür zum Gästezimmer stehen. Sie lächelte. Und obwohl Zelda sich nicht wirklich hier befand, sah er ihr Bild direkt vor sich. Etwas überfiel ihn dann von einer Sekunde auf die andere- eine Art wirrer Gedankenspaziergang- ein Gefangensein im teuflischen Labyrinth der Erinnerung, die tief in der alten Seele Links verschlossen war. Er sah Zelda über eine gigantische grüne Wiese laufen, und doch kehrte sie ihm den Rücken zu, traute sich nicht ihn anzusehen, als ob Link bei Entscheidungen, die sie zutreffen hatte, trotz seines Edelmutes, seinem Mitgefühl für andere, im Wege stand. Und sie lief, rannte über jene Wiese mit den lebendigen Grashalmen und mit jeder Sekunde, die sie davon hastete, wurde ihr Bild verschwommener. Sie verblasste… langsam und leise, so als ob er sie nicht mehr erinnern dürfte. Sie verschwand, wie eine weitzurückliegende Erinnerung, deren Farben grau wurden. Sie wurde vergessen, sie wurde unwirklich… Link kämpfte gegen jene Visionen an, versuchte sie zu unterdrücken, da sie nicht nur verwirrten, sondern auch weh taten. Er lehnte sich für einen Augenblick an die Wand des Korridors und kniff seine Augen zusammen. Dieses Bild zermürbte innerlich, als ob er für kurze Momente sah, was man ihm genommen hatte. Doch jenes Bild auf weiten, grünen Wiesen wurde so schnell es ging wieder in seinem Inneren versiegelt, da er es nicht wissen durfte- es gehörte vielleicht nicht zu seiner Bestimmung, das Vergessene zu erinnern. So tapste Link auf das Gästezimmer zu, als wäre nichts gewesen und er stempelte seine Vision, die er sowieso nicht verstand, als Halluzination oder Gedächtnisschwund ab. Er öffnete die Zimmertür und blickte zu dem Schrank, in welchem das samtene, weinrote Kleid hing. Er nahm das Kleid an sich und fuhr mit seinen Händen verträumt über den weichen Stoff. Er legte die Schachtel mit dem Diadem und das kostbare Kleid zurück und hüpfte frohen Herzens die Treppenstufen ins erste Stockwerk hinab. Er murmelte geistesgegenwärtig den Namen seines Gastes von der vorherigen Woche, zog sich eine dunkelgrüne Jacke über und lief auf die Haustür zu. Gerade wollte er aus der Haustür hinaus, als der Wagen der Direktorin die Einfahrt hinein fuhr. Zelda hatte offensichtlich die gleiche Idee. ,Vielleicht könnten sie ja den Nachmittag zusammen verbringen‘, dachte Link erfreut. Zelda stieg sehr vorsichtig, vielleicht ein wenig unsicher aus dem Wagen und hatte ihr Äußeres ein wenig geändert. Sie war vermutlich beim Friseur gewesen, denn ihr goldenes, langes Haar war etwas kürzer, teilweise gelockt. Sie wirkte gepflegt, trug sogar etwas dezentes Make-Up und war mit Jeans und ihrer rosa Strickjacke bekleidet. Sie lief auf Link zu, ohne ihm in die Augen zu sehen. „Ich wollte lediglich das Kleid, also meine Sachen, und dieses Diadem abholen.“ Sie sprach unsicher und unbeholfen. Noch immer scheute sie seinen Blick. Link verstand ihr Verhalten nicht, wusste nicht, warum sie sich ihm gegenüber so abweisend und distanziert verhielt. „Hey“, meinte er und ging einen Schritt näher auf sie zu. Doch Zelda wich mit geschlossenen Augen unsicher zurück und neigte ihren Kopf ablehnend zu Seite. Auch Link blieb nun zurückhaltend stehen, suchte nach ihrem Blick, ihrem Lächeln. Aber Zelda tat nichts dergleichen und sagte leise: „Das Kleid hängt bestimmt noch in dem Schrank im Gästezimmer.“ „Das Diadem… ist auch noch dort“, sagte Link und fühlte mehr als Unbehagen in sich aufkommen. War das alles, war Zelda nur wegen ihren Sachen hergekommen? Und was war mit ihm und seinen Gefühlen? Sie atmete tief aus und blickte zu dem grünen, frisch gemähten Rasen. Es war schwer für sie, ihn nicht einmal zu beachten, aber hatte sie denn eine Wahl um dafür zu sorgen, dass er sie nicht mehr kennen sollte? Hatte sie eine Wahl, ihm erneut Steine in den Weg zu legen. Sie tat es doch nur für ihn… Sie ballte ihre Fäuste und drehte sich schließlich ganz um. „Ist das alles, was du willst?“, sagte er energisch. Zelda nickte bloß. Verärgert drehte sich Link um und rannte die Treppenstufen hinauf. Er holte Zeldas Sachen und schlug frustriert die Tür zum Gästezimmer zu. Allmählich verstand er die Situation ganz gut… Er fühlte Wut in seinem Bauch und bemühte sich nicht ausfällig zu werden. Er lief wieder zu ihr und reichte ihr die Sachen. Zelda nahm die Dinge an sich und holte eine kleine Geldbörse aus ihrem Rucksack. Mit einem Klacken öffnete sie den Verschluss und holte einige Scheine aus dem Innenraum. Sie reichte diese Link und blickte direkt an ihm vorbei. „Was soll das?“ „Für die Kleidung und die Umstände, die ich dir bereitet habe.“ Umstände? Als ob er es nicht genossen hätte, dass sie bei ihm war. Als ob er sie nur aus Mitleid in dem Haus seiner Eltern hatte wohnen lassen… Verärgert sagte Link: „Du hast mir nie Umstände bereitet, Zelda.“ Sie wünschte, sie könnte einfach vor ihm weglaufen, vor seinen Gefühlen, die doch da waren, aber sie musste diese Geschichte jetzt klären und abschließen. „Nimm’ das Geld, Link. So viel bin ich dir schuldig.“ Erneut reichte sie ihm die Geldscheine. Link fühlte von einem Moment auf den anderen eine hinterhältige Leere in sich, jetzt, da er langsam verstand, was der Preis gewesen war, für diese schönen Tage mit jemandem, nach dem sein Herz gerufen hatte. Und im nächsten Augenblick diese Empörung und Zorn. Ungehalten schlug er ihr die wertlosen Geldscheine aus der Hand. „Ich will dein verdammtes Geld nicht.“ Schockiert kniete Zelda nieder und hob die Scheine auf. Sie kämpfte mit den Tränen und den Erinnerungen an die wundervollen Tage mit ihm. Sie wich ihm noch mehr aus, als zuvor, trat einen Schritt zurück und neigte ihren Kopf. „Warum tust du das?“, fragte Link und packte sie an den Oberarmen, aus Angst sie könnte sich wieder in Luft auflösen. „Ich habe im Moment keine Zeit“, sagte sie leise und mit zitternder Stimme, als ob Link ihr jemals weh getan hätte, als ob er die Intension verspürte, sie zu verletzen… „Ach so. Und deswegen siehst du mich nicht einmal an?“, fauchte er gekränkt. Verwirrt ließ er sie los und sah zu Boden. „Wirst du denn jemals wieder Zeit haben?“ Sie schüttelte mit dem Kopf. In dem Augenblick begann nicht nur Links Verstand die Tatsache zu begreifen, nein, auch sein Herz akzeptierte langsam… „Bitte nimm’ das Geld an“, betonte sie. „Ich will dein verdammtes Geld nicht“, wiederholte er und spürte das Umschlagen der Wut in Selbstmitleid. „Alles, was ich jemals wollte, war deine Freundschaft. Und wenn du, jetzt, da du deine Erinnerungen wiederhast, nicht mehr bereit bist, diese mir zugeben, dann ist es wohl besser, wenn du dich hier nicht mehr blicken lässt“, sagte er kalt. Seine Mundwinkel verzogen sich wieder und unklar war, ob Link jetzt wieder sein Lächeln finden würde. „Verschwinde!“, brüllte er und drehte sich um. „Hau‘ ab, wenn das alles ist, was du für mich empfunden hast. Such’ dir einen anderen, den du ausnutzen kannst. Verschwinde“, tobte Link, hetzte ins Haus und schlug frustriert die Tür zu. Das Licht in seiner Seele war nun wieder verschwunden. Der junge Mann ging in die Stube und sah aus dem Fenster. Zelda stand mit traurigem Blick immer noch vor der Tür und rührte sich nicht. Ihre Lippen bewegten sich, aber Link konnte diese Worte nicht hören oder identifizieren. Sie warf das Portemonnaie in den Briefkasten und lief mit schweren Schritten zu dem Wagen, aus dem zwei trübsinnige rote Augen hervor sahen. Ines sagte irgendetwas und Zelda wischte sich etwas aus ihrem Gesicht. Link verschwendete nicht einen Gedanken daran, dass dies vielleicht eine Träne war. Sie stieg wieder in den Wagen ein und Link verstand die Welt nicht mehr. Verletzt ließ er sich auf einen Sessel sinken und starrte Löcher in die Wände. Sie hatte ihn wohl niemals als einen Freund respektiert und nun mied sie jede Begegnung mit ihm. Das war nicht das Mädchen, das er im Wald gefunden hatte, die Person, die ihm so viel bedeutete. Diese Dame hatte er nie kennen gelernt. Für Link war das nicht mehr Zelda. Link ging niedergebeugt in sein Zimmer und folgte wieder dem Trott seines bemitleidenswerten Lebens, von dem er glaubte, es könnte sich ändern, nun da sie hier war… seine Seelenverwandte… Aber nichts würde sich ändern. Schon wieder eine Enttäuschung, alles bloß wegen seiner ungewöhnlichen Einstellung zu der Welt und der Tatsache, dass er an Zelda geglaubt hatte, ihr vertraut hatte. Und nun wusste sie tiefe Geheimnisse über Link, wusste Dinge, die er niemandem sagen wollte, und das zu Unrecht. Mit ihrem jetzigen Wissen konnte sie Link vielleicht noch mehr verletzen als ohnehin schon. Er konnte ihr nicht mehr vertrauen. Sie wollte nichts mit ihm zu tun haben. Sie war eine Fremde, sie war niemand mehr für ihn. ,Was zum Kuckuck hatte er denn falsch gemacht‘, fragte er sich. Hatten sie einander nicht angelächelt, immer und immer wieder? Hatte Zelda denn nichts für ihn übrig gehabt und die gesamte Zeit geschauspielert? Link verstand sie nicht mehr, er wollte sie nicht mehr verstehen… War er nicht derjenige gewesen, der sie gerettet hatte, der sie beschützt hatte? In dem Augenblick klingelte jemand aufgeregt an der Haustür. Schlecht gelaunt hastete Link zu der Tür und schaute durch den Spion. Nanu? Josh und Hendrik, die beiden Zwillinge standen vor der Tür. Was wollten die denn? Link öffnete und murmelte ein einfaches Hallo vor sich hin. „Hey, ist denn Zelda da?“, fragte Hendrik. „Sie wohnt nicht mehr hier. Wenn ihr sie besuchen wollt, geht zu Ines Schattener, ist soweit ich weiß, ihre Tante“, sagte er kurzangebunden und kühl. „Auch gut“, entgegnete Josh und warf dann seinem Zwilling einen vielsagenden Blick zu. „Eigentlich wollten wir ja zu dir“, setzte Josh leise hinzu. „Es geht um die Sache mit dem Friedhof.“ Daraufhin trat Link aus der Haustür heraus und vergewisserte sich, das Thema des Gespräches verstanden zu haben. „Was ist damit?“ „Sagst du’s ihm?“, meinte Josh. „Nein, sag’ du’s ihm“, erwiderte Hendrik. Und so machten beide eine Wissenschaft daraus, die Neuigkeiten an andere, hier in diesem Fall Links Ohren, zu bringen. „Also“, fing Josh an, der von seinem Zwillingsbruder und dessen verflixter Schauspielkunst zum Nachteil Joshs überzeugt wurde. „Letzte Nacht war Drokon nicht alleine auf dem Friedhof. Er wuselte in den Gräbern herum und irgendwann standen etwa zehn andere Leute neben ihm. In der Dunkelheit konnten wir die Gesichter dieser selbstverständlich nicht ausmachen und so beobachteten wir nur, wie sich diese Brut humpelnd vom Friedhof entfernte.“ „Und was erzählt ihr ausgerechnet mir das?“, sagte Link grantig. „Weil du und Zelda ebenso davon wissen und…“ Link sah Hendrik eindringlich an. „… und weil du normalerweise nicht so leicht aus der Fassung zu bringen bist… naja… und du hast den Ruf an der Schule ziemlich mutig zu sein…“ „Und ihr erwartet jetzt von mir, dass ich der Sache auf den Grund gehe?“ Die Zwillinge nickten bestätigend und zufrieden mit ihren Köpfen. „Ihr spinnt doch. Sucht euch einen anderen, der die Drecksarbeit macht“, fauchte Link so sauer wie noch nie in seinem Leben. Verdatterte Gesichter standen vor ihm, die seine plötzliche Wut nicht verstehen konnten. „Was ist dir denn über die Leber gelaufen?“, meinte Josh maulend. „Sorry“, nuschelte der junge, zukünftige Held den beiden entgegen. „Ich habe bloß einen schlechten Tag.“ „Das merkt man“, meinte Hendrik. Link fuhr sich nachdenklich durch die blonden Haarsträhnen, die so ungezwungen in seine tiefblauen Augen fielen. Drokon und sein angeblicher Lord hatten irgendwelche Pläne, so viel wusste Link aus den Gesprächen dieser zwei Gestalten in der Kirche. War es möglich, dass Link deren Pläne irgendwie vereiteln konnte, wenn er Drokon auf dem Friedhof hinderte, seine Pflicht zu tun. Das war ein furchteinflößender und doch überraschend aufregender Gedanke. Link könnte dadurch endlich seinen Mut testen und herausfinden, was in ihm steckte. „Und was wollt ihr jetzt machen?“ „Wir dachten daran, heute Nacht wieder auf den Friedhof zugehen und diesen Drokon endlich zur Rede zu stellen.“ „Klingt gut, auch wenn nicht ganz ungefährlich.“ „Genau und deswegen wollten wir uns Kapuzen aufsetzten, um nicht erkannt zu werden und sicherheitshalber unsere Bögen mitnehmen. So was hast du doch auch zuhause.“ Link nickte. Und obwohl er den Zwillingen nichts über den Aufenthaltsort Drokons in der alten Kirche erzählt hatte, war ihr Einsatz irgendwie fragwürdig. „Was springt für euch dabei raus?“, fragte Link wissbegierig. Er konnte sich nicht vorstellen, dass die beiden diese Geschichte nur zum Spaß klären wollten. „Erstens finden wir diese Sache unheimlich und wollen diesem Drokonspinner bei seinen mysteriösen Ritualen einen Strich durch die Rechnung machen und zweitens brauchen wir eine neue Story für die Schülerzeitung.“ Den letzten Punkt hätte Link lieber überhört. Diese Beiden unterschätzten die Gefahr der Situation maßlos und dachten wohl an Nichts anderes als ihre Zeitung, die von Josh und Hendrik als Chefredakteure geleitet wurde. „Ist nicht euer Ernst.“ Die Zwillinge grinsten. Und Link verstand die Zwei nun ganz gut. „Wann soll’ losgehen? Ich bin dabei.“ Und Links Einverständnis gab den Zwillingen wohl Grund genug für laute Freudenrufe. „Neun Uhr an der alten Porzellanfabrik. Wir gehen dann zu dem Friedhof und warten auf den Kerl.“ „Gut“, meinte Link abschließend, wusste aber nicht, dass Josh und Hendrik so dreist sein würden, ihre Photoapparate und eine Videokamera mitzunehmen… ,Wenn es nur erst Abend wäre‘, dachte Link. Es war nicht die Nervosität und das leichte aufgeregte Gefühl, nachts auf dem alten Friedhof herumzulungern, es gab einen anderen Grund, weshalb er sich wünschte, dass es so schnell es ging Abend wurde. Ein wenig Abwechslung würde ihn davon abhalten, ständig an Zelda zu denken. Es musste doch einen Grund für ihn abweisendes Verhalten geben. Hatte er einen Fehler gemacht? Und so verging der Nachmittag eines grübelnden Link, der mit der Zeit immer nachdenklicher wurde. Als Sara heimkam, bemerkte sie sehr wohl seinen Trübsinn, konnte aber nichts aus ihm herauslocken. Er schwieg und wollte einfach nicht darüber reden. Und als es dann endlich Abend wurde, rückte der Gedanke an die verlorene Freundschaft weit abseits. Bewaffnet mit seinem Bogen und einer dunklen Jacke mit Kapuze als Verhüllung schlich er, ohne jemandem etwas zu sagen, durch die zunehmende Nacht. Er kam einige Minuten zu spät an der Porzellanfabrik an, aber Hendrik und Josh waren auch noch nicht da. Link lehnte sich einige Minuten an das mausgraue Mauerwerk des Gebäudes und wartete. „Tu‘ das nicht. Man darf nicht wissen, dass du bereit bist zu kämpfen. Du darfst das nicht tun“, schallte es aus einer Ecke. Eine glockenhelle Kinderstimme rief ihm diese Worte zu. Aber das Böse ahnte schon lange, schon sehr lange um die Existenz seines Gegenspielers, obwohl es glaubte, es hätte ihn schon vor Jahren ausgelöscht. Link drehte sich geschwind um, hastete zu der Stelle, wo diese Worte herkamen. Aber er fand niemanden. „Du bringst dich damit in Gefahr. Tu‘ das nicht“, schallte es erneut. Aber Link interessierten jene Sätze nicht, dachte ohnehin daran, dass sie wieder nur eine seiner Einbildungen wären und schüttelte seinen Kopf. Dann klatschte er sich mehrmals mit der Hand an die Stirn. ,So ein Quatsch‘, dachte er. Und wenn er sich in Gefahr brachte, dann konnte er sich damit etwas beweisen. Er würde, nur weil er einen komischen Vogel auf dem Friedhof beobachten wollte, nicht gleich im Gefängnis landen. Außerdem… Er konnte schon auf sich selbst aufpassen. Gefahr? Was sollte schon so gefährlich daran sein, irgendeinem Ekel den Abend auf dem Friedhof zu vermiesen. Link zuckte mit den Schultern und tat das eben Erlebte wieder als pure, hirnrissige Halluzination ab. In dem Moment erschienen zwei weitere Gestalten aus der Dunkelheit. Zwei grüne Augenpaare funkelten aus in Kapuzen gehüllten Gesichtern hervor. „Guten Abend, Link“, meinten Josh und Hendrik gleichzeitig. ,Weniger guten Abend‘, dachte Link, verkniff sich diesen Kommentar aber und nickte zur Begrüßung. Stolz präsentierten sie Link ihre Kamera und den Photoapparat, worauf dieser nur kopfschüttelnd seine Augen verleierte. Alsdann machten sich die Jugendlichen auf den Weg und erreichten kurz vor zehn den Friedhof. Sich hinter einigen Bäumen auf die Lauer legend, beobachteten sie, was vor sich ging. Es dauerte zwei Stunden, ehe sich auf dem finsteren Friedhof etwas regte. Pünktlich um Mitternacht humpelte ein Sinnlosigkeit faselnder Drokon auf den Friedhof, geisterte von einem Grab zum anderen und schaute hin und her, als würde er warten, als würde er nervös werden. Ein heller Vollmond wurde von grauen Wolken preisgegeben und warf sein kühles Licht über den Friedhof. „Dumm… so dumm…“, murmelte Drokon mit seiner quietschenden Stimme. Link spitzte seine Ohren. Wovon redete dieser komische, wahnsinnige Mönch? Drokon setzte sich auf ein Stückchen Wiese, welches einging und sich verfärbte, als er dies tat und wuselte erneut in dem kalten Erdboden herum. „So dumm die Erschaffungen, durch den Auftrag des Meisters Gnade, sie doch nicht überlebten“, piepste er. Dann plötzlich tauchten in etwa zehn Gestalten neben ihm auf, wie aus dem Nichts, und im selben Moment zerbrachen diese in Stücken verfaulte Erde. Die Klumpen lagen verstreut und ohne Bedeutung um Drokon herum, der daraufhin einen schrecklichen Seufzer von sich gab. „Wenn der Lord das erfährt, der böse Drokon schlug wieder fehl.“ Und der kleine Mönch rieb mit seinen langen, dreckigen Fingernägeln über seine kahle Stirn. Link sah dem merkwürdigen Treiben entsetzt zu. Wenn das nicht Magie war, und dazu noch schwarze Magie, dann wusste er nicht, was es sonst sein sollte. Link blickte sich um und wunderte sich, wo denn Hendrik und Josh abgeblieben waren? ,Das gibt’s doch nicht‘, dachte Link, die haben sich einfach aus dem Staub gemacht. Diese Feiglinge… Link ballte ohne es zu merken seine Fäuste und wurde nun auch allmählich nervös. Vielleicht hätte er nicht herkommen sollen. Diese Sache ging ihn nichts an, genauso wenig, wie er sich in das Leben Zeldas einmischen konnte. Als er jedoch Drokon in der Dunkelheit nicht mehr erblickte, wurde ihm mulmiger zumute. Link lief einige Schritte durch die Düsternis, hörte das Knacken seiner Turnschuhe, die sich durch das staubige Gras bewegten. Abrupt blieb der junge Mann stehen, spürte eine Art Hecheln hinter seinem Rücken und ahnte… ahnte Gefahrvolles. „Zeigt sein Gesicht, die junge Wiedergeburt… Gut! Gut. Wahrhaftig, wenn der Meister erfährt von seinem Gegenspieler“, erklang jene grausige Stimme Drokons. Link aber drehte sich nicht um, sondern blieb gelassen. „Du kennst mich nicht“, sagte Link mutig und drehte sich um. „Das glaubst du zu wissen, aber dein Wissen kann dich belügen.“ Daraufhin lachte der griesgrämige Mönch mit dem schamhaften Äußeren und seiner Erbarmungslosigkeit vor sich hin. „Link… haha… Link… ja, ja, ein toller Name.“ Doch die Augen des jungen Mannes gegenüber Drokons weiteten sich nur, anstatt zu begreifen. „Woher weißt du meinen Namen?“ Drokons dunkle Augen blitzten glühend auf, aber erzählten Link nicht das große Geheimnis seiner Existenz. Die schmierige Gestalt lief langsam zu einem hohen Grabstein. „Was machst du hier überhaupt?“, sagte Link, entschlossen diesen Typen zur Rede zu stellen. Es musste doch eine logische Erklärung dafür geben, dass dieser Kerl den Namen des Oberstufenschülers wusste. Hatte sich Drokon über ihn und seine Eltern informiert? Wenn ja, aus welchem Grund? Das ergab für Link einfach keinen Sinn. War es möglich, dass Drokon nur geraten hatte? „Ich feiere die Auferstehung alter Krieger, aber sie wollen nicht gelingen.“ Und Drokon schaute fast bedauernd zu den am Boden liegenden Erdhäufchen. Ein Wunder, dass Drokon so dumm war, Links Fragen zu beantworten. Oder war es keine Dummheit, war es vielleicht eiskalte Berechnung? „Gut, dann wirst du jetzt damit aufhören und den Friedhof verlassen, Drokon“, sagte Link befehlend. Daraufhin wich Drokon vor Links Erscheinungsbild zurück, anstatt sich über seine drohenden Worte lustig zu machen. Link sah dem Kerl überrascht hinterher. Eigentlich hatte er mit fiesen Worten, oder einem möglichen Angriff von dieser abscheulichen Witzfigur gerechnet und hielt schon mal seinen Bogen bereit. Aber der fette, missgeratene Mönch kroch schleimend und irgendetwas vor sich hin murmelnd weiter, bis er von dem Friedhof verschwunden war. Konnte es sein, dass jene Kreatur zu viel Respekt oder sogar Angst vor Link hatte, anstatt ihn herauszufordern? Bedenklich. Der junge Mann mit dem grünen Basecape blieb weitere Augenblicke gedankenverloren auf dem Friedhof stehen. Die Realität spielte ihm wieder einen Streich und schickte Gefahr, nicht nur für ihn, auch für die Menschen, denen er etwas bedeutete. Denn Drokon würde seinem Meister, von dem Link keine Ahnung hatte und davon, wie sehr sein Schicksal an das dieses bedrohlichen Schattens gebunden waren, genausten darüber in Kenntnis setzen, dass auch diese Welt ihre kampfbereiten Helden hatte. Helden, die man vielleicht nicht mehr sehen konnte, die aber ihre Ideale besaßen und für jene einstehen konnten. Drokon jedoch tapste kriechend durch die Straßen Schicksalshorts und trat in die dunkle Kirche ein, als sich über der Kleinstadt ein Gewitter zusammenbraute. Sein Meister saß selbstherrlich wie immer an einer Tafel und schien Löcher in die Wände zu starren. „Hat deine Kreation wieder versagt, du Wurm?“, maulte er schlechtgelaunt und schleuderte eisige Energiebälle in der Kirch umher, zertrümmerte einige heile Holzbänke und erfreute sich an Drokons ängstlichem Gesicht. „Der Held war auf dem Todeshof… er hat mich vertrieben…“ „Der Held sagst du…“ „Ja, der Held…“ „Und du bist vor dieser billigen Wiedergeburt einfach weggelaufen, die elender Feigling?“ „Aber mein Lord… er drohte… den unseren…“ Der Fürst des Schreckens verdrehte die Augen und schwebte durch den Raum, packte Drokon am Kragen und zerrte ihn hinunter in die Krypta. „Arbeite jetzt an dem Gefängnis der Finsternis. Ich will die hübsche Königstochter darin sehen… wie sie verrückt wird… wie sie ihre Seele verliert… wie sie leidet…“ Krankhaft und eine innere Befriedigung erfahrend, allein bei dem Gedanken wie die Prinzessin Hyrules in jenem Gefäß leiden, weinen und verzweifeln würde. Mit Freuden erinnerte er ein Ereignis aus der Vergangenheit, als er ihre Seele beinahe zerquetscht hätte wie eine fette Fliege in der Hand. Lachend erinnerte er sich an das wimmernde, flehende Gesicht dieser Hure, wie er hylianische Weiber gerne nannte… und er hatte jeden Augenblick genossen ihr weh zu tun, ihr die Würde und Selbstachtung zu nehmen, hätte nicht der damalige Held der Zeit sich eingemischt… „Das also wollt Ihr mit dem Gefäß erreichen“, stellte Drokon fest. „Ihr wollt die Seele der Prinzessin darin einfangen.“ „Ja, du Dummkopf… wenn niederes Gesocks wie du nur nicht so schwer von Begriff wäre“, fauchte er und verschwand aus der Krypta. Drokon aber arbeitete weiterhin eifrig, fast besessen an dem gefährlichen Seelenfänger… Inzwischen war es ein Uhr nachts und Link verspürte nicht den geringsten Hauch von Müdigkeit. Mit Zelda in seinen Gedanken kam ein trübsinniger Link nach Hause und fand das gesamte Haus dunkel vor, lediglich in der Küche brannte Licht. Langsam und gewappnet für das Gemeckere seine Mutter kam Link in jenes hellerleuchtete Zimmer und sah seine Mutter mit ihrem weißen Nachthemd auf einem Stuhl sitzen. Sie hatte ihm den Rücken zugedreht und ihr schulterlanges, dunkelblondes Haar mit einer langen Nadel umständlich in die Höhe gesteckt. Ihre Lesebrille auf der Nase las sie ihren Schmöker, saß am Küchentisch und wartete vermutlich auf ihren Sohnemann, der freudlos in den Raum trat und zunächst keinen Mucks von sich gab. Sie drehte sich begutachtend zu ihm um und schüttelte mit dem Kopf, ohne irgendetwas zusagen. „Entschuldige Mum…“ Meira stand auf und schüttelte immer noch den Kopf. Sie schwieg weiterhin und lief mit gesenktem Blick auf ihn zu. Link unterließ es in ihr vor Wut kochendes Gesicht zusehen und murmelte ein weiteres ,Entschuldige’ vor sich hin. Noch ehe Link verstehen konnte, was geschah, spürte er einen gemeinen Schmerz auf seiner rechten Wange. Entgeistert sah er seine Mutter an, die ihm eine gewaltige Schelle verpasst hatte. Er rieb sich langsam die wunde Wange. „Mum?“, sagte er fragend. „Hast du eine Ahnung, was ich mir für Sorgen gemacht habe?“, fauchte sie gekränkt. „Du sagst niemandem, wohin du gehst. Du rufst nicht an, schreibst keine SMS und hast auch sonst nichts gesagt. Zudem hast du morgen Schule und kommst so spät heim. Wo, beim Teufel, warst du?“ Und Link hatte nichts anderes als einen unsinnigen Kommentar zu bieten. „Ich war bei einem Teufel.“ Jetzt war’ s aus. Links Kommentar hatte seiner Mutter den Rest gegeben. Sie war kurz vorm Explodieren. Das Rot ihrer Wangen passte farblich perfekt zu ihrem weißen Nachthemd, welches feine rote Farbstreifen aufwies und zu der weißen Haube auf ihrem wütenden Kopf. „Du landest gleich bei einem richtigen Teufel, wenn du mir nicht auf der Stelle sagst, wo du warst!“, brüllte sie lautstark, sodass die Gläser in den Schränken klapperten. Aber Link schwieg und verkniff sich die nächste bissige Bemerkung. Genervt ließ er den Kopf hängen. Er konnte seiner Mutter doch nicht ernsthaft die Wahrheit sagen! „Warst du bei Zelda?“ „Nein!“ Und nun wurde Link laut. Der Gedanke an Zelda und ihr abweisendes Verhalten ihm gegenüber kamen wieder hoch. „Wenn du es wissen willst, ich war auf dem Friedhof, jawohl“, sagte er energisch. „Lüg’ mich nicht an“, wetterte sie herum. „Aber ich lüge doch nicht“, meinte er unverblümt. „Soll ich erst bei den Schatteners anrufen?“, schimpfte sie und hielt ihm ihren spitzen Zeigefinger unter die Nase. „Von mir aus. Mach‘ doch.“ „Hast du vorgesorgt und Zelda angewiesen, nichts zu verraten, ja? Das denkst du dir. Pah!“, predigte sie. „Ab ins Bett und bilde dir nicht ein, dass du aus diesem Zimmer wieder herauskommst. Du hast Hausarrest und diesmal wirklich. Und sieh’ mich nicht mit deinem dämlichen Grinsen an. Jetzt hast du’s verbockt. Und es ist mir egal, ob du bald volljährig bist. Du bist ein hoffnungsloser Fall.“ Ihr Brüllen hörte Link noch, als sie mit einem aufgebrachten Stapfen die Küche verließ und die Treppen geräuschvoll hinauf ging. Meinte sie das ernst mit dem Hausarrest? Mit einem lauten Seufzen verschwand Link in seinem Zimmer und ließ sich erschöpft in sein Bett fallen. Er wollte die Geschehnisse des Tages noch einmal überdenken, aber da war es schon zu spät und Link schlief ein. Er hatte auch diese Nacht seine Alpträume. Und richtig schlafen konnte er nicht, da die Nacht die reinste Hölle war. Er hörte alle möglichen Stimmen in seinen aus Bilderfetzen bestehenden Träumen, hörte Zeldas Stimme, hörte Drokons Stimme und zwischendrin vertraute Stimmen von Rick und anderen Leuten. Ständig wachte er mit rasendem Herz auf, ständig schlief er wieder ein, da er sich gegen den Traum nicht wehren konnte. Insgesamt hatte der arme Kerl die Nacht vielleicht drei Stunden geschlafen und stolperte gegen sechs mit herunterhängenden Schultern und seinen gewohnten Augenringeln die Treppe hinunter. Er lief in die Küche und hielt sich eine Hand über die Augen, als das morgendliche Sonnenlicht ihn blendete. Seine gesamte Familie saß am Tisch, aber keiner würdigte ihn eines Blickes. Stumme Begrüßungsformeln erklangen. Wenn es etwas gab, was Link mehr hasste als den erniedrigenden Anpfiff seiner Mutter, dann mit Sicherheit das Schweigen seiner ganzen Familie. Kein Wort fiel und Link war er erste, der das Haus verließ. Er fühlte kaum Schuldgefühle, warum auch… er war beinahe erwachsen und er hatte sich bisher immer verteidigen können, wenn irgendetwas Gefährliches geschehen war. Und der Mönch von gestern hatte sich auch von ihm einschüchtern lassen… In der Schule hatte er ein ausführliches Gespräch mit Josh und Hendrik, die ihm ohne Umschweife mitteilten, dass sie gestern Abend auf dem Friedhof einfach Angst hatten und kurzum Reißaus machten. Und so verging die Schule in ihrer Gewöhnlichkeit. Aber Link ging nach der Schule nicht nach Hause. Er trottete wahllos in der Stadt herum. Es war Donnerstag, ein blöder Donnerstagnachmittag. Link lief über den mit Menschen gefüllten Marktplatz und alles schien seinen gewohnten Lauf zunehmen, alles war so selbstverständlich- das rege Treiben, die Marktschreier, die eifrigen Leute, die nach den besten Preisen jagten, sogar die vielen grauen Tauben auf dem alten Pflastergestein. Link wandelte schwerfällig durch die Menschenmassen und ihm war, als stach er aus den Massen heraus, wie ein kleiner bunter Punkt unter vielen grauen. Es war einfach nicht fair. Er wollte sich nicht mehr so fühlen, wie er sich fühlte, er brauchte einige Antworten, die möglicherweise alles waren, was ihm fehlte. Langsam folgte Link seinem Weg, vorbei am Park und seinen sauberen Wegen, die ihn überall hinbrachten, bloß nicht dorthin, wo sein Herz gern wäre… Von weitem sah er das Anwesen der Direktorin auf jenem einsamen Hügel liegen und blieb geistesgegenwärtig stehen. ,Geh’ zu ihr und rede mit ihr‘, sagte sein Herz. Aber irgendwie wusste er auch, dass Zelda ihn nicht wiedersehen wollte, aus welchem Grund auch immer… Er atmete tief ein, um sich Mut zu machen, kletterte über eine hohe Mauer und ging zweifelnd zu der hohen Tür jener Villa, die an ein großes, magisches Tor eines Schlosses erinnerte. Er suchte nach einer Klingel, fand diese in Form einer Glocke mit Löwenkopfverzierung und läutete, überrascht von dem lauten, fast klagenden Klang. Ines Schattener öffnete die Tür. „Link?“ Fragend sah sie den Jugendlichen an und schaute dann zurück in das Haus, schaute zu einer mit dem Kopf schüttelnden Zelda, die trübsinnig auf der Treppe in der Halle stand. „Was führt dich her?“, sagte die Direktorin und ging zu ihm nach draußen, schloss leise die Tür. Der junge Mann mit dem grünen Basecape sah hilflos an der Mauer des Anwesens hinauf und zählte aus Nervosität die Stockwerke. „Nichts“, murmelte Link vor sich hin. Genau, nichts… Er hatte hier nichts zu suchen. „Ich sollte besser wieder verschwinden“, ergänzte er schwerfällig und trat von einem Fuß auf den anderen. Gott, er kam sich so bescheuert vor, war hier, um jemanden zusehen, den er seit knapp zwei Wochen kannte und dieser Jemand wollte doch nie wieder mit ihm reden. Reden, genau reden… Ines gab ein Schnauben von sich und drehte sich wieder in Richtung Tür, als Link murmelte: „Warten Sie! Eigentlich wollte ich…“ Mit einem leichten Lächeln drehte sich Ines um. „Ja?“ „… ich wollte mit Zelda reden.“ „Ich weiß.“ Und Verständnis zeigte sich auf dem fast gutmütig aussehenden Gesicht jener Lehrerin. „Und ich weiß, dass Zelda dir aus dem Weg gehen will.“ Link nickte und grub seinen Kopf in die Hände. Mutlos ließ er sich auf die Treppenstufe sinken. „Habe ich irgendwas falsch gemacht?“ Ines setzte sich neben ihn und schüttelte mit dem Kopf. „Warum redet sie dann nicht mit mir? Es gibt so vieles, was ich ihr erzählen muss.“ „Zelda hat einige Dinge mit sich selbst zu klären, Link. Lass’ ihr Zeit. Ich bin mir sicher, es kommt alles wieder ins Lot.“ Er sah verdutzt auf. „Wirklich?“ Sie nickte lächelnd. „Da fällt mir etwas ein.“ Und Ines gab ihm einen kleinen Hinweis. „Zelda wird nachher in dem Supermarkt am Ende der Straße einkaufen gehen, so in einer halben Stunde werde ich sie dorthin schicken. Alles klar?“ Zuerst verstand Link diese Sache nicht wirklich, aber dann machte es Klick und ein Grinsen kam auf seinem ansehnlichen Gesicht zum Vorschein. Und der gutmütige, hinterlistige Jugendliche wartete knapp eine halbe Stunde auf Zeldas Erscheinen. Er würde sie abpassen. Er würde sie zur Rede stellen. Denn er brauchte sie und konnte in der nächsten Zeit nicht mit diesem inneren Druck leben, dass Zelda nichts mehr von ihm wissen wollte. Sie musste ihm einfach Antworten geben, sie musste mit ihm reden… Dann erschien Zelda mit einer verwaschenen Jeanshose, einer sommerlichen rosa Jacke und hatte einen Einkaufskorb unter ihrem Arm. Als Link sie entdeckte, trat er aus der Gasse, in welcher er sich zuvor noch gut versteckt hatte und behinderte ihren Weg. Er breitete seine Arme aus und hielt sie davon ab, weiterzugehen. Sie sah ihn kühl an, zunächst geschockt und so, als wollte sie am liebsten vor ihm weglaufen. Dann wandelte sich ihr überraschter Blick zu einem, der seine Opfer versteinern konnte. Nicht ein Gefühl lag mehr in ihren blauen Augen. In dem Moment wusste Link endgültig Bescheid darüber, wer sie wirklich war, was sie tatsächlich für ihn fühlte… Es war keine Freundschaft, keine Form der Zuneigung, nur Unbehagen in seiner Gegenwart, vielleicht sogar Abscheu. Und sie war kalt, eisig… und unnahbar. „Rede mit mir!“, sagte Link und behinderte sie weiter an ihrem Weg. „Es gibt nichts zu reden“, sagte sie eisern. Link packte sie an ihren Oberarmen, drückte sie sanft gegen eine Hauswand und stützte seine Hände beidseitig ihres Kopfes ab. „Ist das dein wahres Gesicht, ja?“, fauchte Link gekränkt. „Ich trage nur ein Gesicht und das wirst du niemals sehen können“, erwiderte sie zynisch. „Du hast also die ganze Zeit geschauspielert? Du hast meine Freundlichkeit nur ausgenutzt?“ Dann lachte Zelda verzweifelt auf, wirkte ängstlich und panisch zugleich. Ihre Worte kamen wie als hätte sie jene auswendig gelernt über ihre Lippen. „Komm’ schon, du Held, bist du so naiv, dass du dir einbildest, du würdest einen Menschen kennen können, wenn dieser sein Gedächtnis verloren hat und gerade mal eine Woche mit dir verbracht hat? In welcher Welt lebst du eigentlich?“ Ihre Worte taten weh und doch sagte sie die bittere Wahrheit. Link war einfach zu naiv und gutgläubig gewesen, genauso wie die Spielfigur. Er hatte sein Vertrauen verschenkt, mit der Gewissheit ein Teil dessen verloren zu haben und nun forderte das verräterische, zu Unrecht verschenkte Stück seiner Selbst einen unaufbringbaren Preis. „Bist du so dumm, dass du geglaubt hast, ich würde dich brauchen? So dumm, dass du dachtest, ich wollte meine Zeit mit jemandem wie dir verbringen, der so jämmerlich ist, dass er Wunden trägt, die er sich einbildet von einem Spiel zu haben? Denkst du wirklich, ich habe es nötig, dein dummes Geschwätz und deine witzlosen Scherze zu ertragen?“ Sie lachte weiter und reckte ihre Nase in die Höhe. Link jedoch drehte sich geschockt um. Er war sprachlos und fühlte sich auch so, dumm, minderwertig, als hätte er nichts zusagen. „Tu’ mir einen Gefallen und geh‘… geh‘ einfach und lass‘ mich in Ruhe… Ich kann nicht… mit dir reden… und ich will nicht… Du störst mich.“ Link schluckte den Klumpen in seinem Hals herunter und schüttelte mit dem Kopf. „Schauspielerin… du bist eine schlechte Schauspielerin“, murmelte er. Seine Beine setzten sich in Bewegung und er lief langsam die Straße hinab, hörte ein unechtes Schluchzen hinter sich, bis er rannte, nicht mehr zurückblickte und nichts mehr hörte. Als Link außer Reichweite war, lehnte sich Zelda mit einem Wimmern gegen die Straßenlampe, ließ den Einkaufskorb fallen und stürzte weinend in sich zusammen… Sie musste es einfach tun, sie konnte ihn nicht in die Kämpfe hineinziehen. Nayru möge ihr für diese Grausamkeit vergeben, denn sie hatte nur edle Absichten. Sie wolle sein Glück, sie wollte sein kostbares Leben nicht noch einmal zerstören… Und irgendwo in der Nähe, nicht sichtbar für die meisten Menschen, kaum fühlbar, saß ein in grünen Gewändern gekleideter Junge mit leuchtenden, blauen Augen auf einer Mauer. Sein ansehnliches, aber blasses Kindergesicht war traurig und vergrämt. Er hatte Tränen in den Augen, wohl, weil er etwas sah, das er nicht ertragen konnte. Er hatte eine weiße Rose in der Hand, die er der vergessenen Prinzessin schenken wollte. Aber er wusste auch, dass die Blume ihr nicht helfen würde über ihren Herzschmerz und Liebeskummer. Auf unsichtbaren Pfaden verschwand er wieder, wissend, er würde sich noch einige Male in die Geschehnisse einmischen… Kapitel 16: Keine Chance ------------------------ Link hetzte mit zusammengekniffenen Augen vorwärts, nachdem er versucht hatte den Streit mit Zelda zu klären. Er wusste nicht, wo sein Weg ihn hinführte, bis er außer Puste vor der Kirche in Schicksalshort zum Stehen kam. ,Das war alles‘, dachte er. Das war die wahre Zelda… ein kühles, beinah grausames Mädchen… Mit einem elenden Gefühl in seinem Herzen stützte der junge Heroe seine Hände an seinen Knien ab und atmete schwer. Ja, er hatte stets und ständig mit seinem Schicksal zu kämpfen, und es gab viele schwierige Ereignisse in seinem Leben, die er bewältigen musste, aber diesmal tat es wirklich weh. Zeldas bissige Worte, die Verachtung in ihren himmelblauen Augen… Wütend trat Link gegen den erstbesten Zaun, bis dieser auseinanderbrach. „Verdammt!“, fauchte er, beachtete die Leute nicht, die seinen schlechten Manieren zu sahen, interessierte sich nicht für das Gerede eines älteren Mannes, der seine Aktion mit dem Gartenzaun beobachtet hatte und ihn dafür zurechtstutzte. Es war ihm so egal, was die Menschen hier von ihm hielten. Er hatte gerade die Demütigung seines Lebens erfahren, gab ihm das nicht das Recht wütend zu sein? Gab ihm das nicht das Recht Fehler zu machen? Und geboren aus seinem Zorn, machte Link einen sehr dummen Fehler und ließ sich von schlechten Gefühlen leiten. Blitzartig rannte er zu dem alten Eingang ins Kirchinnere. ,Ich werde Zelda und allen anderen beweisen, dass ich mir meine ganzen Zweifel und diese seltsamen Ereignisse nicht einbilde‘, murmelte sein Unterbewusstsein. Er würde dem Kerl in der Kirche auflauern und ihn zur Rede stellen, ihn mit seinem Wissen konfrontieren, denn Link wusste, dass jener für die schrecklichen Ereignisse verantwortlich war. Er würde ihn zur Rede stellen, egal wie stark er war! Denkwürdig lag das Gotteshaus vor ihm, als war jenes Gebäude eine Schwelle, die Gegenwart und Vergangenheit verband. Von innen her kamen die düsteren Klänge einer teilweise abgenutzten Orgel, zermürbend, todessehnsüchtig. Eine Melodie, die, so wie der junge Heroe annahm, tragischer klang als jedes Lied, das er bisher vernommen hatte… Wenn am Sonntag wirklich irgendwelche Menschen hier einer Gehirnwäsche unterzogen werden sollten, so wie Link dies vor kurzem erfahren hatte, würde er es aufhalten. Das schwor er sich, vielleicht aus Trotz, oder auch, weil er beweisen wollte, dass er sich diese Ereignisse nicht einbildete… Er könnte Zeldas Worten folgen und sich in der nächstbesten Ecke verkriechen, er könnte so tun, als wäre nichts geschehen. Aber das entsprach nicht seinen Idealen. Link lief niemals vor etwas davon, erst Recht nicht vor seiner eigenen Bestimmung. Er blickte mit mutigen Augen zu dem Tor hinauf, schluckte seine Zweifel hinunter und ballte die Fäuste. Doch gerade, als er einen Fuß vor den anderen setzen wollte, bemerkte er, dass jemand hinter ihm stand. Seine Sinne erzählten ihm von ein paar klappernden Holzsandalen, die auf dem Boden raschelten, erzählten ihm von einer kleinen, eher unschuldigen Gestalt, die hinter seinem Rücken tänzelte. Und tatsächlich konnte der Heroe, als er sich umdrehte, ein kleines Mädchen mit zwei geflochtenen, blonden Zöpfen und blauen Schleifen im Haar vor sich sehen. Ein hübsches, kleines Mädchen mit giftgrünen Augen, tief und eindringlich. Sie starrte Link an und kicherte, als hätte er etwas im Gesicht. „Hast du ein Problem“, wollte er wissen. „Nein“, sagte sie in einer piepsigen, kindlichen Stimme, obwohl ihre kleinen grünen Kinderaugen so alt wirkten, als hätten sie Tausende Jahre hinter sich. Sie tänzelte um Link herum, lachte ausgelassen, als wollte sie ihn irgendwie von seinem Fehler abhalten. „Hey, was willst du denn von mir?“, murmelte Link verwundert, während das Mädchen grinste. Sie hatte ein kugelrundes Gesicht mit vielen Sommersprossen, wirkte irgendwie ausländisch, obwohl er sie nicht zu einer bestimmten Nation zuordnen konnte. Sie kicherte immer noch, als er sie verdutzt musterte. „Mädchen, du solltest besser wieder zu deinen Eltern gehen.“ „Nein, ich bin lieber hier“, sprach sie kichernd, worauf Link die Augen rollte. Und er verlor immer mehr die Geduld. Er hatte gerade andere Pläne gehabt als auf kleine Kinder aufzupassen. „Mir reicht dieses dumme Spielchen jetzt“, meinte er wütend. Link lief die Straße weiter entlang. Wenn dieser Teufel in der Halle war, konnte er unmöglich dieses Kind, was ihm immer noch folgte, in Gefahr bringen. Er folgte seufzend seinem Weg und hoffte, dass das Kind irgendwann einfach wieder nach Hause lief, aber das eigensinnige Mädchen folgte ihm immer noch. Mit frechen Augen blickte sie zu ihm hinauf: „Ich glaube dir, Link. Und ich denke, Zelda hat ihre Gründe.“ „Was?“ Und da hatte Link den Eindruck endgültig überzuschnappen. Woher wusste dieses Kind Bescheid über ihn und Zelda? Woher kannte sie seinen Namen? Das Mädchen kicherte wieder und rannte dann die Straße entlang. Link streckte die Hand nach dem Geschöpf aus und rief: „Bitte, warte.“ Doch als er kurz seine Augen zumachte und dann wieder öffnete, war das Kind aus heiterem Himmel verschwunden. Link griff sich an seine Stirn, kam sich vor als träumte er schon wieder und als verwandelte sich die Realität immer weiter. Habe ich Fieber? Leide ich an Wahnvorstellungen oder Halluzinationen? Vielleicht habe ich mir ja tatsächlich vieles nur eingebildet. Alles, was Zelda und diesen Dämon betraf… die Träume… die Wunden… Weitere Zweifel wuchsen und Link lief mit schweren Schritten ziellos in der Stadt herum. Sollte er trotzdem in die Kirche gehen und herausfinden, ob der Kerl dort die Menschen manipulieren wollte und es waren nur noch wenige Tage bis Sonntag… Sonntag, an dem, so wie die Kreaturen geredet hatten, mehrere Menschen einer Gehirnwäsche unterzogen werden sollten. Oder hatte er sich auch dies nur eingebildet? Unsicher, was er nun tun sollte, lief Link vorwärts. Das, was er im Augenblick durchmachte, diese Zweifel, aber auch das Pflichtgefühl Leben zu retten, dunkle Pläne zu vereiteln, kam ihm unheimlich vertraut vor und er hasste diese Gefühle… Er fühlte sich wie die Spielfigur Link, auf der das Schicksal einer ganzen Welt lastete… und er alleine müsste Alles bewältigen. Plötzlich rannte er, rannte weg vor seinen Zweifeln und den Ängsten, und bog dann in eine kleine Seitengasse ein, wo er stoppte, sich auf seinen Knien abstützte und schwerfällig atmete. „Verdammt“, brüllte er, „Ich, Dummkopf. Ich bin so ein… Dummkopf.“ Ja, ein Dummkopf… Er brauchte einen Menschen, der nichts mit ihm zu tun haben wollte, mochte sie sogar auf eine quälende Weise. Dann werkte irgendein Monster in der Kirche Schicksalshorts herum und ständig halluzinierte der sorgenvolle Jugendliche, der sich am Rand von Gut und Böse fühlte, irgendwelche komischen Kinder, die noch die bodenlose Frechheit hatten mit ihm zu reden. ,Weiter so‘, dachte er. Mach’ ruhig weiter so und dann kannst du gleich vom erstbesten Hochhaus springen… Genervt von sich selbst und dieser unmöglichen Erbärmlichkeit schlug er die linke Faust in den steinharten Boden, fühlte sich billig und erneut unfähig in dieser neuen Welt zu bestehen… Verdammt, er brauchte Zelda nun mal, auch wenn eine unmenschliche Grausamkeit die größte Eigenschaft ihres wahren Gesichts sein sollte. Er brauchte sie… selbst wenn sie das größte Monster des Planeten wäre, er konnte einfach nicht so tun, als ob sie Luft wäre… Schlaksig humpelte er auf die Beine, hatte zunächst die Absicht nach Hause zu laufen, aber dort würde eine griesgrämige Meira Bravery und eine neugierige Sara warten, die ihm den Rest Geduld und Verschwiegenheit aus dem besorgten Gemüt reißen würden… Also marschierte er ziellos durch die Straßen, beobachtete neidisch die fröhlichen Menschen, schaute ebenso neidisch auf einige Jugendliche, die verliebt und Händchen haltend an ihm vorübergingen. Sie alle hatten ihren Sinn im Leben. Sie alle hatten gefunden, wonach sie suchten. Sie kannten ihren Lebensweg, wussten um das Morgen, erfreuten sich an ihren Erinnerungen… und er? Sollte der junge Mann ewig nach etwas Ausschau halten, was es nicht gab? Sollte er ewig darauf warten, dass sich ihm sein Schicksal offenbaren würde? Er schüttelte den Kopf, erreichte den Marktplatz. Sorgen in den tiefblauen Augen, die so viel Mut ausstrahlen konnten. Zweifel wegen gestern und wegen Zelda… Er hatte so viele Dinge für sie getan. Die glücklichsten Momente in einer einfachen Ferienwoche zogen an ihm vorüber als wären sie nur ein Wunschtraum. Momente, die ihm mehr bedeuteten als alles, was er bisher als Glück empfunden hatte. Er erinnerte die Fernsehabende, als sie zusammen auf dem Sofa saßen und Zelda eines Abends einfach eingeschlafen war. Die vielen Kleinigkeiten wie ein schönes Frühstück. Die unermessliche Bedeutung eines vergnüglichen Lachens. Ilena stand mit ihrer Clique an einem Eisstand und wie sollte es auch anders sein, sie musterte ihn, hüpfte unecht zu ihm hinüber und schien erfreut und wissbegierig. „Hallo, lovely Hero“, summte sie und begaffte erneut das ansehnliche Gesicht, welches Link spazieren trug. Links Blick war jedoch giftiger denn je. „Was machst du denn hier so alleine?“ Sie klimperte mit den falschen Wimpern, was wunderte er sich noch… fast alles an Ilena war falsch. Einschließlich der Nase, die ihr Vater- ein bekannter Schönheitschirurg- ihr zum siebzehnten Geburtstag geschenkt hatte. „Ich überlege, wie ich dich zum Schweigen bringe, du Klapperschlange“, sagte er grantig und schickte ihr den bedrohlichsten Blick, den seine Augen hergaben. Eisig war nun das tiefe Blau. Stürmisch und kalt. Ilena wich wenige Meter zurück und schaute irritiert in das sonst so freundliche Grinsen, das sich in seinem Gesicht verbarg. „Wenn du mich noch einmal mit deiner minderwertigen, wertlosen Art ansprichst, wirst du schon merken, dass nicht alles so harmlos ist, wie es scheint und nun verzieh‘ dich, bevor ich jeglichen Respekt verliere.“ Angstvoll zog sich Ilenas Gesicht zusammen. „Seit wann bist du denn so böse?“ Link schwieg und starrte zornig über den Marktplatz. „Das bist du nicht“, sagte Ilena und sie lief trotzig zu ihrer Clique um wahrscheinlich dieses Erlebnis gerade eben irgendwie verdreht nach zu erzählen. ,Na, bitte‘, dachte der Heroe. Nun verstand er Zeldas Art und Weise ganz vorzüglich. Es war einfach grausam zu sein, und wahrscheinlich auch zu den Menschen, die man mochte… Und erneut lief Link die Straßen Schicksalshorts herunter, hetzte zu dem einzigen Ort, an dem er so etwas wie Ruhe und Sorglosigkeit finden könnte. In den alten Wäldern… Er rannte wieder, gelangte zu der Stelle, an welcher er Zelda gefunden hatte, überquerte eine alte Bahnbrücke, über die wohl bloß noch Geisterzüge fahren würden, bis er auf einer schönen Erhöhung stand, wo kraftvoll ein Wasserfall seinen Weg in die erdrückende Tiefe einschlug. Als Knirps von fünf Jahren war er einmal von den Braverys- seiner Adoptivfamilie- abgehauen und mitten in der Nacht einfach in den Wäldern herumgelaufen und war gerade an dieser Stelle abgerutscht und wenige Meter weiter durchnässt auf einem Felsen sitzen geblieben. Meira Bravery hatte zum damaligen Zeitpunkt die gesamte Stadt nach ihm auf den Kopf gestellt… und als er dann am nächsten Morgen, durchnässt und mit vielen Schrammen und Beulen vor der Haustür stand, hatte sie nichts anderes getan, als ihn wortlos ins Haus zu ziehen, in die Badewanne zu stecken und dann schweigsam, aber mit mütterlichen Tränen, den kleinen Link mit Pflastern zuzumauern. Ein Grinsen huschte ihm über das Gesicht, denn es war eine seiner ersten Erinnerungen an das Leben in Schicksalshort. Er ließ sich längs auf einer Holzbank, die für erschöpfte Wanderer hier stand, nieder, kaute auf einem Grashalm und starrte in den Himmel. Verspielt begann er das traurige Okarinalied zu pfeifen, welches Zelda ihm beigebracht hatte. ,Lied der Sehnsüchtigen’ hatte sie es genannt. Und vielleicht war es ihre Vorsehung, die sie diesen Titel wählen ließ. Die Vorsehung, dass zwei zueinander gehörende Seelen wie jene von Link und Zelda, nie das bekommen konnten, was sie sich beide wünschten. Hoffnung auf Erfüllung in einem sehnsuchtstragenden Lied… Plötzlich vernahm er Schritte und eine vertraute Stimme beförderte ihn aus seinen irrsinnigen Zweifeln. „Jaja, Waldmensch… Wenn man schon mal in den Wäldern ist, wen findet man? Link natürlich“, meinte Rick belustigt und schielte mit den rehbraunen Augen zu ihm hinunter. „Hey“, sagte Link und legte die Hände hinter den Kopf. „Was machst du denn eigentlich hier?“ Rick stoppte und platzierte sich am Wasserfall und ließ die Beine in die Tiefe baumeln. „Ich dachte, du wärst bei Zelda.“ „Bei Zelda?“, murmelte er fragend. Allein ihren Namen auszusprechen tat weh. „Ja, du weißt schon, das Mädchen, welches du gefunden hattest“, meinte Rick so, als ob man Link aufgrund eines Gedächtnisproblems nachsichtig behandeln musste. Er rollte die Augen und brummte: „Ich weiß, wer Zelda ist. Das brauchst du mir nicht erklären.“ Seine Worte und der bittere Klang darin ließen mehr vermuten als Link beabsichtigt hatte. „Was’n los?“ „Sie geht mir aus irgendeinem Grund aus dem Weg.“ „Wieso das denn?“ „Weiß nicht.“ „Dann musst du mit ihr reden.“ „Will ich nicht.“ „Na dann mach’ eben was anderes. Lad’ sie einfach ein.“ „Will ich auch nicht“, sagte er trübsinnig. Ricks Augen jedoch drückten mit jeder Minute mehr gewisse Narretei aus. ,Den hat’s ja endlich mal erwischt‘, dachte er. Das musste- und Rick überlegte verbissen- das erste Mal sein! „Dann geh’ Bogenschießen.“ „Keinen Bock.“ „Oder Angeln.“ „Noch weniger Bock.“ ,Himmel, ist der heute schlecht drauf. Das ist ja grausam‘, dachte Rick. „Hast du Lust auf Pizza?“ Jetzt aber! Wenn Link selbst keinen Appetit auf Lieblingsgerichte von Jugendlichen hatte, dann war dies der beste Beweis für einen bösartigen Liebeskummer. Und er seufzte erneut: „Keinen Appetit.“ ,Beweis geglückt‘, dachte Rick. „Keine Lust auf Pizza?“ „Nein.“ „Na, dann. Lasagne bei Maron, immerhin ist ihre Schwester Grazia die beste Köchin weit und breit.“ „Ich will keine Lasagne“, murmelte Link und starrte in das Blau des Himmels. „Du bist krank.“ „Immer schon.“ Und erneut eine trübsinnige, kurz Antwort. Das war heute echt kein guter Tag, den Link da hatte. Und wer würde es ihm übel nehmen… „Also hast du endlich deine Traumfrau gefunden“, meinte der Braunäugige. Rotwerdend fiel Link von der Bank herunter und schielte fuchtig zu Rick hinüber. „Red’ nicht so einen Blech.“ „Du benimmst dich aber so. Ich fasse zusammen: Schlechte, unerträgliche Laune, weil Zelda dir, wie du sagtest, aus dem Weg geht. Interessenverlust an deinen Hobbys und das Schlimmste: Keinen Appetit. Das passt doch alles nicht zu dir.“ Rick hüpfte auf die Beine, während der schusslige Link die Kleidung sauber klopfte. „Ich meine, du bist Link. Du liebst das Abenteuer, hast nie Lust auf Langeweile, suchst nach ultimativen Erlebnissen. Deine Hobbys sind Reiten, Bogenschießen, Angeln, Blödsinn machen und zu guter Letzt Essen. Und nun sitzt du hier und brütest vor dich hin. Das muss doch einen Grund haben.“ Verärgert und doch einsichtig schaute Link den Abgrund hinab, wo der Wasserfall rauschte. „Sie will einfach nichts mehr mit mir zu tun haben. Verstehst du? Sie hat angefangen mich zu hassen.“ Link brüllte beinahe und drehte sich um. „Das glaube ich nicht.“ „Aber sie hat es mir direkt ins Gesicht gesagt.“ „Selbst dafür muss es einen Grund geben. Glaubst du das, was sie gesagt hat? Ich meine, nach allem, was so die letzten Wochen geschehen ist… Sie wirkte doch so glücklich, als sie bei dir gewohnt hat.“ Link zuckte mit den Schultern. „Das ist es ja, was ich einfach nicht verstehe.“ „Es gibt bestimmt einen anderen Grund.“ „Ja und? Soll ich sie so lange belästigen bis sie mir die Güte erweist, mit mir zu reden?“ „Nein, aber…“ „Aber was?“ Link breitete die Arme aus und fauchte fast: „Soll ich sie um ihre Freundschaft anbetteln?“ „Nein, aber du könntest ihr Zeit lassen.“ Verwundert sah Link auf, blickte in Ricks rehbraune Augen und runzelte die Stirn. „Das wäre immerhin ein Anfang.“ Link nickte trübsinnig und lief einige Meter. Rick folgte ihm. „Wie steht’s eigentlich bei dir und Maron?“ „Gut“, sagte Rick erfreut und grinste speckschwartig. „Und das heißt?“ „Wir küssen uns manchmal“, sagte Rick und grinste breiter, während Link bloß zwinkerte. „Was, einfach so?“ „Jup.“ „So ganz ohne Grund?“ Rick lächelte und schaute in das blaue Himmelsdach. „Natürlich nicht ohne Grund. Es überkommt mich manchmal einfach und dann erwidert sie… auch wenn wir es irgendwie nicht schaffen darüber zu reden.“ „Soso.“ Link wusste echt nicht, was er dazu sagen sollte. Wie konnte man sich küssen ohne darüber zu reden? Das wollte ihm nun wahrlich nicht in den Kopf. „Und gestern… da hatten wir…“ Rick verstummte und suchte nach einem harmloseren Wort. Aber Link fand für diese Verlegenheit einfach kein Verständnis… „Was denn nun?“ „Ähm… also… wir hatten…“ „Spaß?“ „Ja, dabei schon.“ „Wobei?“ Rick wuselte genervt in seinen braunen Haaren herum, trampelte zwei drei Meter hin und her und sagte aufbrausend: „Hach… wir hatten Sex.“ Link fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. Und das sagte Rick so einfach. Verlegen und ein Kloßgefühl im Hals entwickelnd murmelte Link: „Oh…“ Nach einer kurzen Beruhigungspause sprach er weiter. „Und ihr habt wieder nicht darüber geredet?“ „Nein. Und ich dachte schon, du wolltest fragen, wie es war.“ Link hustete umständlich und wusste selbst nicht, warum er bei diesem Thema einfach bisher immer die Flucht ergriffen hatte. „Also… wie war es?“, fragte er umständlich, während verräterische rote Farben sich in seinem Gesicht entlang zogen. Rick schaute begeistert auf, was Bände sprach. Wissend belehrte er ihn: „Wenn du es wissen willst, musst du das schon selbst ausprobieren. Am besten mit Zelda, wenn sie sich abreagiert hat.“ Wütend stapfte Link von dannen. „Ich will nichts von Zelda. Du hast einfach jeglichen Grips bei Maron gelassen, Spinner.“ Und damit folgte Link den einsamen Pfaden des Waldes hinaus, während Rick mit obskuren Schmunzeln und Lachen vor dem Wasserfall stehen blieb und auf Maron wartete, die ihn hier treffen wollte… Erneut lief Link nachdenklich durch die Stadt, rannte wegen dieser dummen Sehnsucht nach Zeldas Anwesenheit mit zusammengekniffenen Augen durch die Straßen und leeren, dunklen Seitengassen, während der Abend dämmerte. Vielleicht hatte Rick recht, dass er ihr Zeit lassen musste, aber er konnte sie sich nicht aus der Seele reißen… Gedankenversunken tapste der junge Mann weiter, hörte den Wind in der Ferne rauschen, der als einziges Geräusch die Stille trübte. Keine Menschen waren mehr in der Altstadt unterwegs, jetzt, da die Nacht kam; und mit ihr waren ungewisse Begegnungen… Gerade in diesem Moment bemerkte der Jugendliche einige Schatten auf dem Boden, da das Licht einer alten Straßenlaterne in jene unbeleuchtete Seitengasse fiel. Und durch das spärliche Licht konnte Link drei monströse Kerle mit dunkler Kleidung vor sich sehen. Ihre mit Eisen beschlagenen Stiefel klapperten auf dem Pflastergestein. Ihre Lederkleidung knirschte. Sie blickten ihn herausfordernd an, ein vorbereitendes Glühen aus schwarzen Augen, und traten einschüchternd in seine Richtung. Ruckartig sah der grünbemützte Jugendliche um sich, erkannte hinter sich ebenfalls zwei Schatten, die näher traten. Und da wusste Link auch, dass es kein Zufall war, dass diese Kerle, schmierig grinsend, stark und durchtrainiert, seinen Weg blockierten. „Was wollt ihr?“ Link blickte von einem zum anderen und sah in deren Augen ein bedrohliches, rotes Leuchten erstarken. Aber er wusste auch so, was diese Kerle wollten. Er schluckte einmal kräftig, grinste barbarisch und blickte todesmutig von einem zum anderen. Er wischte sich noch den Angstschweiß von der Stirn, wissend, dass er gegen diese Kerle keine Chance hatte, nicht gegen fünf von ihnen und unbewaffnet… „Wer seid ihr?“, sprach Link abwertend, war mittlerweile von den schweigsamen Kerlen umzingelt. Dann lachten sie hämisch. Und noch ehe sie ihr Lachen unterbrachen, ging der erste Gegner auf den Jugendlichen los. Er trat nach ihm, versuchte ihn mit einem Tritt zu Boden zu befördern, aber der junge Heroe, gesegnet mit sehr guten Reflexen wich blitzartig aus. „Ihr seid feiges Pack! Fünf gegen einen, wie erbärmlich“, brüllte Link in die Nacht, wissend, dass er keine Chance gegen die Angreifer hatte. Weglaufen… wollte er nicht. Er war kein Feigling und außerdem war das Weglaufen schlecht möglich. Von allen Himmelsrichtungen hatten sie ihn umzingelt, ließen ihm keine Fluchtmöglichkeit, ließen ihm kein Entkommen, keine Chance… ,Was jetzt‘, fragte er sich, und hatte das erste Mal in seinem Leben das Gefühl, es war aus. Wie sollte er aus diesem Schlammassel herauskommen? Plötzlich packten ihn zwei der Kerle von hinten und hielten ihn fest. Link versuchte sich loszureißen, schlug mit aller Kraft um sich, wehrte sich so gut er konnte. Aber die Kräfte dieser Unmenschen waren einfach zu gewaltig. Ein weiterer Kerl mit rabenschwarzen Haaren, aus denen rotglühende Augen wie zwei glühende Messer hervor blitzten, ließ seine Faust nach unten wandern. Es schien, als sammle er seine ganzen Kräfte darin. Mit einem unangenehmen Knacken sauste sie direkt in Links Magen. Links ganzer Körper schien sich zu spalten, seine Narben an jenen Stellen schienen sich wieder zu öffnen. Und noch einige Male krachte die Faust gegen seinen Körper. Link spuckte Blut. In diesem Moment ließen die zwei Widerlinge ihn los und der junge verwundete Mann landete mit dem Gesicht nach unten auf dem kalten Boden, krümmte sich, spürte den Drang sich zu übergeben und wollte vor Schmerzen schreien. Er spürte, wie Füße auf ihm herum trampelten, auch wenn nur undeutlich, da die Schmerzen einfach unerträglich waren. War das die Rache dieses Teufels in der Kirche, weil Link verhindern wollte, dass die Leute in der Kirche unter seinen Bann fielen? Link war zu schwach, um noch klar zu denken oder weiterhin zu schreien… und ließ es einfach über sich ergehen. Ein Tritt gegen seinen Rücken. Ein Stoß an seine Schläfe und Link verlor das Bewusstsein… Als Link seine Augen aufschlug, wurde er von einem unerträglichen hellen Licht geblendet. Er wollte sich mit einer Hand über den Kopf fahren… das war aber nicht möglich. Sein ganzer Körper fühlte sich so komisch, so taub an, und gleichzeitig quälten ihn Schmerzen, die er noch nie erlebt hatte. Er wollte einen klaren Gedanken fassen… auch das ging nicht. Link hätte nie gedacht, dass es solche Schmerzen gab. Langsam kamen seine Erinnerungen jedoch zurück, folternd und hinterhältig. Die besessenen Kerle blitzten mit ihren verderbenbringenden Kräften vor seinen Augen auf, lachten und grinsten, schlugen zu… Diese übermenschlichen Kräfte. Dieser namenlose Hass in den rotglühenden Augen… Langsam gewöhnten sich Links tiefblauen Augen an das Licht. Der junge Mann blickte um sich, sah weiße Wände, irgendwelche Apparate, die in Krankenhäusern üblich waren. Und da wusste er auch endlich, wo er war. An seinem rechten Arm befand sich eine Kanüle. Oh Mann, er hing sogar am Tropf. Er wollte wach bleiben, aber dann überkam ihn wieder eine unhaltbare Müdigkeit. Nach einigen Stunden öffnete er dann wieder seine Augen und bemerkte, dass fremde Leute in dem Raum standen. Leute in weißen Kitteln, Ärzte und Schwestern. Sie bekamen nicht mit, dass Link zuhörte. „Nun, er hat einige Rippenbrüche und innere Blutungen, aber so schlimm wie er aussieht, ist es ,Gott sei Dank‘ nicht. Er wird keine bleibenden Schäden davontragen. Obwohl, wenn er immer noch in der Gasse liegen würde, er wohl mächtige Schwierigkeiten bekommen hätte.“ Und tatsächlich sah Link übel aus. Sein Gesicht übersät mit blauen Flecken und Schnittwunden und Beulen. Und die Schmerzen hörten gar nicht mehr auf. Er war noch nie im Krankenhaus gewesen und noch nie so schwer angeschlagen… Dann erkannte er aus dem Stimmengewirr im Raum noch zwei weitere Stimmen. Dr. Dar Gordon musste anwesend sein und unterhielt sich mit Naranda Leader. Was machte die Besitzerin des Antiquitätenzentrums hier? „Dar, ich… um Himmels Willen, ich hätte nicht gedacht, dass er Link erkannt hat. Nur gut, dass ich noch einmal joggen gegangen bin. Ich habe ihn in einer Gasse liegen sehen und Blut tropfte aus einer Wunde an seinem Bauch. Verdammt, wir können ihn nicht länger im Unklaren lassen. Sag’ hast du Ines und Zelda schon Bescheid gegeben.“ „Ja, das habe ich. Ines meinte, Zelda sei vor Schreck zusammengebrochen… kein Wunder bei alledem…“ „Wir müssen seine Familie verständigen, auf schnellstem Wege.“ „Ja. Falls Link aufwacht, erklär‘ ihm bitte, was geschehen ist. Ich verständige seine Familie.“ Dar ging aus dem Raum. Link wollte keine Erklärungen, er wollte nur seine Ruhe haben. Er tat weiterhin so, als würde er schlafen, bis alle Anwesenden verschwunden waren. Das Licht wurde ausgeschaltet. Dunkelheit erfüllte den Raum und Link hieß sie äußerst willkommen. Am frühen Morgen kamen als erstes einige Schwestern herein. Link war wach und das erste, das er wissen wollte, war, um welchen Tag es sich handelte. „Nun ja, Jungchen, wir haben Sonntag.“ Link fiel aus allen Wolken. „Was?“ Er wollte sich aufrichten, wurde für dieses Verhalten aber zugleich wieder bestraft. Seine Verletzungen spielten nicht mit. „So wir schaffen dich jetzt auf ein Zimmer. Du liegst jetzt schon seit einigen Tagen auf der Intensivstation, Jungchen.“ Na, die Schwester konnte wohl nichts erschüttern. Sie wirkte ein wenig übereifrig mit ihrem gewichtigen Äußeren, den schwabbeligen, riesigen Händen und dem breiten Grinsen im Gesicht. „Jungchen“, Link verfluchte dieses Wort. „Du hast Besuch. Wirst erwartet.“ Sara, seine Eltern und einige andere Gesichter waren sicherlich hier und hatten sich schreckliche Sorgen gemacht. Die Schwestern schoben Links Bett aus dem Zimmer, den Gang entlang, in Richtung Fahrstuhl, wieder einen langen Krankenhausflügel entlang, in ein Einzelzimmer, wo bereits einige Leute standen. Das Gesicht seiner Mutter würde Link nie wieder vergessen… Tränen standen in ihren Augen. Link versuchte zu grinsen… klappte aber nicht wirklich. „Hab‘ ich denn immer noch Hausarrest?“, seufzte Link zur Begrüßung, überrascht, wie schwach seine Stimme doch klang. Seine Mutter lächelte mit den Tränen in den Augen und lachte erheitert auf. „Ach mein Schatz, was machst du denn für Sachen?“ Sie trat näher und wollte ihn umarmen. „Mum, nicht. Das tut weh!“ „Ja, natürlich.“ Sara, Rick und sein Vater waren ebenfalls anwesend. Aber Link hatte eigentlich gehofft, hier ein anderes Gesicht zu sehen. „Mensch Link, ich frage mich die ganze Zeit, was eigentlich passiert ist!“ Rick schien vollkommen entgeistert zu sein. „Du lässt dich doch sonst von niemandem vermöbeln.“ Seine braunen Augen starrten Link eindringlich an. „Wenn ich dir ernsthaft sagen würde, was geschehen ist, würdest du es mir sowieso nicht glauben.“ Bei diesen Worten schenkte Link Sara einen vorwurfsvollen Blick. „Andere glauben mir doch ebenso wenig.“ Link lehnte sich zurück und seufzte. Das Sprechen kostete unheimlich an Kraft. „Na egal, Link“, meinte Rick. „Hauptsache es geht dir bald wieder besser. Die Schmerzen sind wohl unerträglich.“ Link nickte. Eine Pause entstand. „Naranda Leader hat mich gefunden… welch‘ Glück.“ Nun mischte sich auch sein Vater in das Gespräch ein. „Ja, Dr. Dar Gordon hat uns alles erklärt. Du wurdest ganz schön übel zugerichtet. Warum eigentlich und von wem? Wenn du die Kerle noch im Gedächtnis hast, müssen diese sofort angezeigt werden!“ Aber Link seufzte ein klägliches Nein, auch, weil er selbst nicht richtig glauben konnte, was passiert war. Er war von merkwürdigen zwielichtigen Gestalten zusammengeschlagen worden. „Ich wusste zu viel, und doch zu wenig, um es zu verhindern“, war seine Ausrede. „Hat eigentlich der Gottesdienst in der alten Kirche schon begonnen?“ Sara zuckte mit den Schultern und sagte leise: „Ja.“ Link schaute seufzend aus dem Fenster. Er begriff langsam, dass sein Einmischen in die Ereignisse nicht der einzige Grund war, dass er überfallen wurde. Man wollte ihn aus dem Weg haben. Ganz sicher. In nächster Zeit müsse er sehr vorsichtig sein. Seine Eltern, Sara und Rick blieben noch eine Weile und verabschiedeten sich dann. Es würde noch mehr geschehen. Ja… und Link würde bald den Grund kennen, weshalb der dunkle Schatten ihm diese Qualen bereitete. Während die Zeit verfloss, überlegte Link, was er sinnvolles tun könnte. Er machte sich Gedanken um die Menschen, die gerade jetzt den Worten dieses Priesters lauschten. Wie war doch sein Name? Drokon? Er versuchte sich aufzurichten, um aufzustehen. Seine Beine baumelten schon halb aus dem Bett. ,Na gut, vielleicht schaffe ich das ja.‘ Er taumelte benommen, begleitet von Schweißausbrüchen, zu dem Schrank, in dem seine Klamotten hingen. Link hechelte geradezu. Verdammt, er hatte seine ganze Kraft verloren… wie als hätte man sie ihm ausgesaugt. Er schaffte es nicht ganz zum Schrank, nur zum Tisch, wo er dann seinen Körper auf den wackligen Armen abstützte. „Verdammt… ich kann nichts tun. Ich muss diese Menschen doch irgendwie warnen.“ Eine kleine Hand tippte ihn von einem Moment auf den anderen von hinten an. Ein nächster Schweißausbruch überkam den schwächlichen Helden, bis er eine bekannte Stimme vernahm. „Hallo, Linky. Wie geht’s denn so?“ Das kleine Mädchen mit den geflochtenen Zöpfen, das ihn vor einigen Tagen genervt hatte, stand urplötzlich im Raum. ,Das gibt’s doch nicht‘, dachte Link. Die Tür war doch gar nicht geöffnet worden. „Du musst zurück ins Bett, du kleiner Idiot“, sprach sie warnend. ,War das zu fassen, die spielte sich auf, wie seine Mutter‘, dachte er. Link tat dennoch wie ihm geheißen, quälte sich zurück ins Bett und gähnte: „Also gut, du kleine Göre. Wer bist du eigentlich?“ „Ich habe keinen Namen in dieser Welt. Mir hat keiner einen gegeben.“ Link schüttelte ungläubig den Kopf. „Jetzt hör‘ mal zu. Ich will nicht noch ganz durchdrehen, ja. Du sagst mir jetzt, wer du bist oder ich flippe aus.“ Link klang überraschend laut. Das kleine Mädchen setzte eine breite Schnute auf. „Scheint dir besser zu gehen.“ Link verleierte die Augen. „Also, Linky, ich bin eigentlich nur hier, um dir mitzuteilen, dass in der alten Kirche nichts vorgefallen ist. Die Menschen sind wohl auf, da du Drokon irgendwie einschüchtern konntest. Ich kenne dich, mein Freundchen.“ Ihre kleinen Kinderaugen wirkten groß und rund, fast unwirklich- wie die Augen einer Comicfigur. Aber sie kicherte. Dann hüpfte sie um das Bett herum. Link grinste leicht, beruhigt durch diese positiven Nachrichten und ließ sich fallen. Aus irgendeinem Grund glaubte er dem Mädchen und wusste auch, dass sie keine gemeinen Absichten hatte. Ihre Aura war warm… und tröstend. „Ich wünschte, es wäre jetzt eine andere Person hier. Aber sie hat mich wohl die ganze Zeit nur ausgenutzt…“, meinte Link widerwillig und ärgerte sich gleichzeitig, dass er es gesagt hatte. Das Kind hörte auf mit seinem ausgefallenen Sprüngen, blieb stehen und sagte: „Zelda hat einen Kreislaufkollaps wegen dir und hat die ganze Zeit geschlafen, wie du. Tja, ihr seid eben Seelenverwandte im doppelten und dreifachen Sinn. Sie wird dich schon irgendwann besuchen kommen. Sie braucht dich, genauso wie du sie.“ Link war so erstaunt, dass ihm die Worte in der Kehle stecken blieben. Er wollte sich aufrichten, doch da war das Mädchen schon wieder verschwunden. War sie so was wie ein Schutzengel? Link hatte irgendwie das komische Gefühl, sie beobachtete jeden seiner Schritte. Es war schon weit nach Mitternacht, als leise die Tür in Links Zimmer geöffnet wurde. Eine dunkle Gestalt trat herein, die einen Umhang trug, der noch schwärzer als die Nacht zu sein schien. Sie setzte sich auf einen Stuhl, direkt neben dem schlafenden Helden. Die Person streichelte über Links Gesicht, der leise unverständliche Worte murmelte und strich dann seine Haarsträhnen aus dem Gesicht. Die Gestalt blieb noch eine Weile sitzen, faltete ihre Hände in einer eigenwilligen Gebetshaltung und beobachtete den Verwundeten. Dann schenkte sie ihm einen kleinen Kuss auf die Stirn. Schließlich ging die Gestalt wieder aus dem Raum und schloss vorsichtig die Tür… Einige mühselige Tage gingen vorüber. Link verfolgte jeden Tag die Nachrichten und war mit jedem weiteren Bericht des Nachrichtensprechers irritierter. ,Irgendetwas schien auf der Welt nicht mehr zu stimmen‘, dachte er. Denn in den Nachrichten kamen nur noch Berichte von einer Katastrophe nach der anderen. Der Meeresspiegel stieg in den letzten Tagen so drastisch, dass viele Orte gänzlich verschwunden waren. Dürreperioden, Erdbeben, unheimlich starke Regenfälle auf der ganzen Welt. Heuschreckenplagen, ausgetrocknete Flüsse, Seen, in denen tote Fische die Oberfläche zudeckten. In den Nachrichten redeten einige schon vom Tag des Jüngsten Gericht. Aber nicht nur Mutter Natur schien ihre Kraft verloren zu haben. Auch die Welt der Menschen, mit ihrer modernen Technik, ihrem Fortschritt… alles ruderte auf ferne Ufer zu. Die Zahl der Flugzeugabstürze nahm in den letzten Wochen unleugbare Ausmaße an. Seltsame Todesfälle häuften sich. Menschen wurden wahnsinnig und redeten von einem Teufel, der bald die Herrschaft an sich reißen würde. Einbrüche, Überfälle, Attentate auf wichtige Leute in der Politik geschahen immer öfter… Link fragte sich, ob er der einzige Mensch in seiner Umgebung war, der bemerkte, dass das nicht mehr normal sein konnte. Es kam ihm beinahe so vor als geriet die Welt aus dem Gleichgewicht… Frustriert hämmerte er dann auf der Fernsehbedienung herum, knipste die Kiste aus und knallte die Fernbedienung auf den Nachttischschrank. Etwas traurig und gelangweilt ließ der junge Held seinen Blick schweifen, blickte hinaus aus dem Fenster, wo ihm die Sonne entgegen lachte. Ja, er war sichtlich gelangweilt durch den Aufenthalt hier, steckte seine Hände hinter den Kopf und wollte eigentlich nur noch raus aus diesen sterilen, toten Räumen. Aber ihm wäre nicht so traurig zumute, wenn die Person ihn besucht hätte, nach deren Anwesenheit es ihm verlangte. Er hatte sich so sehr gewünscht, dass Zelda ihn besuchen kam, dass sie ihm erklärte, weshalb sie sich so verhielt, aber… dies würde wohl Wunschtraum bleiben. Und allmählich siegten in ihm ein kleines Trotzgefühl und sein Stolz. Er wollte ihr nicht länger hinterherlaufen, sie nicht länger in Schutz nehmen für das, was sie tat. Er würde nicht länger ihr Trottel sein, mit dem sie spielen konnte. ,Dafür war er wirklich zu stolz! Und es gab wichtigeres‘, dachte er. Link fühlte sich inzwischen wieder so kräftig, dass er bald nach Hause und dann wieder in die Schule gehen konnte. Es war ein gutes Gefühl für ihn, wenn der Alltag zurückkam und der junge Held würde den gewohnten Lauf des Lebens, den er vor einigen Wochen beinah gehasst hatte, endlich wieder genießen und auskosten. Musste immer erst etwas Schreckliches geschehen, dass er als Mensch verstand, wie gut und schön sein Leben doch war… Dann wurde Link jäh aus seinen Gedanken gerissen. Jemand klopfte an der Tür und trat dann in den Raum. Ines Schattener und Naranda Leader wollten Link Gesellschaft leisten. Die Frage schien nur, ob sie gegen seinen großen Dickschädel gewappnet waren… „Was wollt ihr denn von mir“, fragte Link anstatt Hallo zu sagen. Es wunderte ihn immens, weshalb ausgerechnet die Direktorin nach ihm schauen wollte. Und bei dieser Naranda Leader hatte Link ohnehin immer ein komisches Gefühl gehabt. „Nun, wir sind hier um dir einige Dinge zu erklären, Link“, sprach Miss Schattener und wirkte erneut sehr neben sich, wie damals, als sie nach Zelda gesucht hatte. Sie wirkte erschöpft und abgearbeitet. Irritiert und gleichzeitig gelangweilt sah Link drein. „Wozu wollt ihr mir etwas erklären?“, sprach er genervt. Links Blick verriet nur Kälte. Seit dem Vorfall war er geradezu eisig geworden und er hatte nicht gerade Lust auf irgendwelche Erklärungen zu den Ereignissen, wo gewisse Leute ohnehin nicht mit ihm reden wollten. „Ich habe hier deine Entlassungspapiere“, meinte Ines. Nicht einmal dadurch änderte sich der ernste Blick in seinen Augen. „Also…“, Naranda wollte zu einer Erklärung ausholen. „Erspart mir das. Es interessiert mich nicht. Verschwindet wieder.“ Kurze, aussagekräftige Sätze aus Links Mund, die Naranda und Ines fast zum Schweigen gebracht hätten. „Es geht aber um dich, Link“, setzte Ines hinzu. „Wie schön“, sagte der Jugendliche ironisch, „Dann wird es ja wohl für euch nicht von Bedeutung sein.“ Miss Schattener konnte nicht glauben, dass tatsächlich Link vor ihr saß. Seine Augen bebten fast vor Wut und Zorn. „Glaubt ihr wirklich, ich hätte Interesse an euren dummen Erklärungen. Nichts davon kann mich noch überraschen. Nichts davon hat für mich einen Sinn, was immer es auch sein möge. Ihr freut euch doch über jedes Geheimnis, das ihr vor mir verbergen könnt, selbst wenn es mich betrifft.“ Nun ging Link zu weit. „Link, wir…“ Naranda kramte einen riesigen Beutel hervor. „Darin sind einige Dinge für dich. Du wirst sie gebrauchen können.“ „Das brauche ich nicht. Nimm‘ es wieder mit.“ Naranda blickte verzweifelt drein, stellte die große Tasche dennoch in eine Ecke und ging dann auf die Tür zu bis sie dahinter verschwunden war. „Zelda hat sich schreckliche Sorgen um dich gemacht“, murmelte Ines. Aber Link fing daraufhin an zu lachen. „Zelda. Wer war das gleich noch mal? Ach ja, dieses komische kleine Biest, dem es unheimlichen Spaß macht andere auszunutzen. Und es dann nicht einmal fertig bringt mich zu besuchen. Das Prinzeschen fühlt sich wohl standesgemäß nicht in der Lage sich mit niederem Volk wie mir abzugeben.“ Ines ging haltlos auf ihn zu und gab ihm eine saftige Ohrfeige. Erst jetzt sah Link Tränen in den Augen der stolzen Direktorin. „Zelda hat das alles nur getan, um dich zu schützen… Ich weiß, dass es unwahrscheinlich verletzend ist, dass sie sich dir gegenüber so abgrenzt, aber sie tut das nicht aus Eigennutz. Sie hat es nicht verdient, dass du so über sie redest.“ Ines ging mit verzweifelten Augen aus dem Raum. Link stattdessen tat so, als wären sie beide nie hier gewesen, telefonierte mit seinen Eltern, die ihn dann gleich abholten und genoss es, dem Krankenhaus Lebewohl sagen zu können. Kapitel 17: Kämpferherz ----------------------- Links erster Schultag begann. Als er, ausnahmsweise pünktlich, in das Klassenzimmer trat, schauten ihn einige Leute wissbegierig an. Sie studierten ihn von unten bis oben… Aber Link sah genauso aus, wie sie ihn in Erinnerung hatten. Sein blondes, wildes Haar hing struppig bis in seine tiefblauen Augen. Er war etwas blässer als vor Wochen, aber keine der üblen Verletzungen oder irgendein Medikament hatten an seinem schlanken Körper Spuren hinterlassen. Er sah erholt aus, blickte sich neugierig in dem Raum um. Dann wanden sich die Schüler wieder ihren Tätigkeiten zu. Doch in dem Klassenzimmer war etwas ungewöhnlich. Hinten an dem Fenster saß eine Person, die Link hier nicht erwartet hatte. Ein blondes, hübsches Mädchen mit einem Engelsgesicht, das ihn dazu brachte, alles für sie zu tun. Als sich ihre Blicke kreuzten, sah Link gleich wieder weg und tat so, als ob sie gar nicht existierte. Er war höllisch sauer auf sie… Zelda seufzte kurz und blickte dann aus dem Fenster. Im Grunde genommen hatte sie genau das erreicht, was sie wollte. Link sollte sich von ihr abwenden, sollte sich in dieses Schicksal nicht einmischen und endlich das Leben führen, das ihm zustand. Er sollte glücklich werden, frei sein… Dennoch, Link erwischte sich selbst dabei, wie er sie manchmal einfach ansah und immer, wenn sie seinen Blick spürte und sich zu ihm drehte, schaute er wieder in eine andere Richtung. ,Es war besser so‘, dachte Zelda. Link würde ebenso denken, wenn er die Wahrheit kennen würde, die Wahrheit über sie beide und die Wahrheit über ihr grausames Schicksal, jenem Teufelskreis von Wiedergeburt und Kampf. Er würde auch nicht wollen, dass ihr etwas zustieß. Aber Zelda war dankbar und mehr als beruhigt, dass es ihm wieder so gut ging. Die Glocke ertönte und die krummnasige Lehrerin schrieb hastig einige Daten der Geschichte an die Tafel. Dann drehte sie sich um und sagte: „Also, meine lieben Schüler. Nun werde ich euch in Gruppen aufteilen. Zwei Leute arbeiten an einem Thema ihrer Wahl. Ich gehe jetzt mit einem Beutel herum und jeder zieht ein Los.“ Miss Krummspecht, die in Links Augen tatsächlich eine krumme Nase hatte, lief durch die Reihen. Als Link in den Beutel fasste und ein Los in der Hand hielt, überlegte er es sich plötzlich anders und griff nach dem nächsten. Er zog es heraus und schaute darauf. „Nummer sieben… na dann.“ Als alle Leute ein Los besaßen, kehrte die Lehrerin nach vorne zurück und meinte: „Also, meine werten Schüler. Findet euch bitte in den Gruppen zusammen und überlegt euch ein Thema aus der Geschichte. Ich brauche unbedingt noch eine Note von euch und da glaube ich, ist das eine gute Lösung. Ihr habt dafür aber nur wenige Wochen Zeit.“ Alle Schüler suchten nach ihrem Partner, ebenso Link. Doch niemand hatte die Nummer sieben. Konnte es sein? Links Blick fiel zu einem blonden Mädchen, welches trübsinnig auf ihrer Schulbank saß und gedankenverloren aus dem Fenster schaute. Ja, Link wusste, sie liebte den Himmel, selbst, wenn er wie heute grau war und die Sonnenstrahlen die Erde nicht bedecken konnten. ,Was war nur los mit ihr, dass sie sich so verhielt… so distanziert… so kühl… als wollte sie sich selbst bestrafen‘, fragte er sich. Und in dem Moment kam ihm das erste Mal der Gedanke, dass Zelda sich den Grund für ihr Verhalten, den Grund für ihre Distanz nicht aussuchte. Sie wirkte so einsam, als ob sie Abbitte leistete und Link deshalb aus dem Weg ging… Rick klopfte ihm auf die Schulter und riss ihn aus seinen Gedanken. „Was hast du für eine Zahl?“ „Sieben.“ „Wirklich? Darfst dreimal raten, wer die andere sieben hat.“ Ricks Blick wanderte zu Zelda, die immer noch aus dem Fenster sah. „Auch das noch“, seufzte Link. Ob er vielleicht mit jemandem tauschen konnte, aber die anderen waren mit ihrem Partner ganz zu Frieden. Besonders Rick, der mit Maron zusammen arbeiten durfte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich auf dem freien Platz neben ihr zusetzen. Ganz zögerlich zog er den Holzstuhl zur Seite, räusperte sich, und ließ sich auf dem Platz nieder. Er wollte etwas sagen, aber wusste nicht, wo er anfangen sollte. Sie reagierte nicht auf ihn, tat ebenso, als wäre er gar nicht anwesend. Die Stimmung zwischen ihnen war geradezu unerträglich. Alle Schüler redeten wild durcheinander. Link und Zelda aber blieben stumm, während sie aus dem Fenster starrte und Link so tat, als würde er sich ein Thema überlegen. „Ich werde Ines bitten, dass sie mir ein Thema vorschlägt“, murmelte sie schwach. „Sag’ Bescheid, wenn… wenn du eins hast.“ „Gut.“ „Gut“, sagte Link, als er aufstand und in Richtung Tür lief. Die Pausenglocke ertönte. Im Pausengang wurde Link von Rick und Sara aufgehalten. „Sag’ mal, Link. Zelda verhält sich komisch. Kannst du nicht mal mit ihr reden?“ „Sie und ich sind keine Freunde mehr. Sie will nichts mit mir zu tun haben.“ „Was, aber wieso denn?“, fragte Sara aufgeregt. Ihr fiel fast die Kinnlade herunter, weil sie das nicht verstehen konnte. „Was fragst du mich das… Sieht nicht jeder, dass sie ein Problem mit mir hat… Lasst mich einfach in Ruhe…“ Genervt stapfte der junge Held weiter. Rick rief ihm noch etwas hinterher, aber Link winkte ab und ging in schnellen Schritten in die Aula und dann nach draußen. Er fühlte sich so mies, dass er am liebsten stehen geblieben wäre und seine Sorgen herausgebrüllt hätte. Warum eigentlich nicht? Link blieb in der Aula des Gymnasiums stehen, streckte seine Arme nach oben und ließ einen lauten Schrei los. Alle Schüler drehten sich um… aber Link interessierte es nicht. Rick und Sara sahen sich bestürzt an und schüttelten dann ratlos die Schultern. Zelda saß immer noch im Klassenzimmer. Als Sara in den Raum eintrat, wischte sie einige blasse Tränen beiseite. „Sag’ mal. Was ist zwischen euch beiden vorgefallen?“ „Es ist meine Schuld…“ „Jetzt hör‘ auf dich zu bemitleiden. Was ist deine Schuld?“ „Ich habe mich von ihm abgewiesen.“ Sara verstand einfach nicht den Grund dafür. „Aber Link braucht dich.“ Sara sah nur zur Seite, während Zelda erschrocken über ihre Worte aufsah… „Vielleicht solltet ihr einfach mal über das Geschehene reden. Das ist immer die beste Medizin. Egal, was passiert ist, es kann doch nicht so schlimm sein, dass ihr tut, als wärt ihr Fremde.“ Zelda umgriff ihre Arme. „Es ist so schlimm, dass wir gezwungen werden, selbst tiefe Empfindungen zu ignorieren. Ich kann nicht zulassen, dass er sich in meiner Gegenwart in Gefahr bringt“, sagte Zelda schwach, stand auf und verließ blitzartig den Raum. Sara lächelte schwermütig, aber ein neckischer Funken in ihren graublauen Augen trat an die Oberfläche. Sie konnte Zeldas Handlungen ganz genau nachvollziehen und verstand mehr als sie zugeben durfte, aber so, wie es im Augenblick war, konnte sie die Situation zwischen Link und Zelda nicht stehen lassen. Sie liebte ihren Bruder viel zu sehr, als dass sie bei diesem Liebeskummer zu sehen konnte. Irgendwo in den verschlagenen Ecken ihres Gehirns arbeitete es, und Sara würde sich einen Plan ausdenken, wie sie die beiden wieder zusammenbrachte. ,Na warte, meine Liebe. Wenn ihr nicht miteinander reden wollt. Dann werde ich eben dafür Sorge tragen. Ich bring’ euch schon zusammen. Das sag’ ich euch‘. Zufrieden setzte sie ein stolzes Grinsen auf und schritt aus dem Raum in Richtung Park. Währenddessen trat an einem anderen Ort eine dunkle Gestalt, schlank, schwarze Lederkleidung von unten bis oben, in das alte Kirchengebäude hinein, das nur wenige Lichtstrahlen in den großen Saal ließ, als wäre die Finsternis persönlich zugegen. Die Gestalt warf ihren Umhang zurück. Und dann konnte man ein schmales, spitzes Gesicht erkennen, aus dem kalte Augen hervor starrten, die keine Regenbogenhaut, geschweige denn einer Pupille besaßen. Blonde lange Haare fielen ihren Rücken herunter. Sie nuschelte mit einer Stimme, die Zeldas Stimme unheimlich ähnlich klang: „Ich bin zurück, Meister.“ Erhobenen Hauptes ging sie in Richtung Altar, schritt majestätisch vorwärts, wo ein Diener des dunklen Fürsten mit Seilen aufgehängt, um Vergebung winselte. „Drokon“, lachte sie, als wahnsinnige Augen seinem Todeskampf interessiert zu sahen. „Hast du unseren Herren enttäuscht und des Gefängnis der Finsternis nicht erbauen können? Haha… du bist ja so erbärmlich.“ Der Priester sah kurz auf. Violettes Blut tropfte aus seinem Mund, während sich die Seile immer enger um seinen Körper wanden- von schwarzer, zorniger Magie. Plötzlich drang noch ein weiterer Schatten in die Kirche, wie eine pechschwarze Wolke, brennend und erstickend, übertünchte jene die Lichtspiele der spärlichen Sonnenstrahlen, bis aus dem Rauch eine große Gestalt heraustrat. Mit stapfenden Schritten stolzierte ein Hüne von einem Mann näher an die Untergebene. Genüsslich zog er an ihren langen, aschblonden Haaren, bekundete seine Anwesenheit, und lehrte seinem Volk Demut. Das blonde Weib seufzte: „Meister. Ich bringe Nachrichten. Link hat den Überfall überstanden.“ „Hätte mich auch gewundert, wenn es anders gewesen wäre, Zarna. Was sonst?“ Er umfasste die Kehle der Dämonenkriegerin zugleich zärtlich als auch brutal. Sein kalter, starker Körper presste sich an ihre schlanke, beinahe zierliche Gestalt. „Wird mein Plan diesmal funktionieren und des Gefängnis der Finsternis fertiggestellt werden? Sonst ergeht es dir wie Drokon.“ Und Zarnas neblige Augen schwenkten hinauf zu dem Mönch, der versagt hatte, der seinem Meister nicht bringen konnte, was er brauchte. Der Priester quälte sich, ja, er quälte sich am Rande des Todes, faszinierend und erschreckend zugleich. „Sieh‘ hin, Weib… hast du je eine Kreatur sterben sehen?“, sprach er in ihr spitzes Ohr. „Noch nie… mit dieser Eleganz“, sprach sie fasziniert. „Das war eine hervorragende Antwort, Zarna“, zischte er. Er leckte mit seiner pelzigen, trockenen Zunge über ihre Wange und sie genoss es. „Willst du mehr sehen?“, sprach er amüsiert. Sie kicherte und biss sich auf ihre Lippen. Sie hatte spitze Zähne, weiß und raubtierähnlich. „Sieh‘, Zarna und genieße…“ Und in den Lüften tanzte ein Dolch, spielerisch, kontrolliert von dem Dämon, der kein Gefühl mehr für Leid und Schmerzen anderer besaß. Ganz langsam ließ er den Dolch an der Kehle des Priesters entlang laufen, bis schwarzes, dickflüssiges Blut aus seiner Kehle drang, wie Lava aus dem Boden. Drokon röchelte, leiser und leiser, bis er schließlich erstickte. Zarna applaudierte, trat wahnsinnig grinsend näher zu Drokons lebloser Hülle und kniete nieder. Sie berührte mit ihren Fingerspitzen sein Blut, kostete davon. Es war Genuss für sie in höchster Form… „Zarna. Der nächste Zielort ist das Gebäude, wo so viel ruht, was Menschen besitzen wollen…“, sprach ihr Lord. „Ja, das Einkaufszentrum.“ „Auch dort werden wir suchen nach dem Keim, der in die Köpfe schwacher Seelen gelegt werden kann… die Verseuchung hat oberste Priorität…“ Zarna verbeugte sich, sodass ihre blonden, langen Haare, strohig, über ihre Augen fielen. „Lord, darf ich nun diejenige sein, die den einstigen Helden quält… Darf ich ihn benutzen und foltern… Er ist ein herrliches Spielzeug, ich will ihn haben.“ Sie kicherte und drehte sich wie eine Puppe um ihre eigene Achse. „Ja, peinige ihn… Er sei dein Spielzeug. Wenn sein Wille erst einmal gebrochen ist, wird er leicht zu beseitigen sein.“ Als sie kicherte, dankbar und ergeben, trat er noch einmal näher, packte sie energisch an ihrem Genick, riss sie mit einer brutalen Geste herum und fixierte sie. „Du bist das perfekte Ebenbild der Prinzessin… nutze diesen Vorteil“, sprach er raunend, worauf sie grinste. Zufrieden blickte sie mit ihren leeren Augen in die glühend roten ihres Meisters. Er leckte sich über seine Lippen, ließ seinen rechten Zeigefinger über ihre dicke, blutrote Oberlippe wandern. Zarna hatte sich vorher so sehr gebissen, dass ihre Lippe blutete. „Blutrot ist auch die Nacht, die kommen wird, dann, wenn wir erfolgreich sind“, sprach er lüstern. Die dunkle Kriegerin wischte sich dunkles Blut von der vollen, roten Lippe, ging aus dem Raum, als das Monstrum ihr hinterher warf: „Und finde endlich Zeldas Aufenthalt… Wenn die Zeit gekommen ist, wirst du mit deinem Antlitz Zeldas Platz übernehmen.“ Zarna drehte sich nicht um und verschwand. Dann lachte der Unmensch in der Kirche laut, selbstherrlich und siegessicher, dass die Wände schallten und die letzten Kerzen am Altar erloschen… Als die letzte Schulstunde sich dem Ende zuneigte, war Zelda die erste, die aus dem Raum verschwunden war. Sie ertrug Links Anwesenheit nicht mehr, fühlte sich kläglich und fühlte, wie die Tränen in ihren Augen brannten. Sie lief den Gang entlang, ging die Treppen hinab und rannte aus dem Haupteingang der Schule. Mit zusammengekniffenen Augen kämpfte sie gegen den Druck, der ihr auf dem Herzen lag, versuchte die Gefühle für ihren Seelenverwandten zu unterdrücken, den Schmerz abzutöten… Plötzlich hielt sie jemand an der Hand zurück. Sie ahnte bereits, wer hinter ihr stand. Er hatte sie immer wieder, wenn auch unbewusst, angestarrt. Er konnte einfach nicht anders, als sie zur Rede zu stellen. „Sag’ mir endlich, was los ist!“ Links Blick verriet Enttäuschung und Wut. Zelda fühlte sich einfach nicht in der Lage, ihm die Erklärungen zu geben, nach denen er verlangte und wollte ohne ein Wort weiterlaufen. Aber Link hielt sie immer noch zurück. „Sieh’ mich doch wenigstens an.“ Er sah Zelda ins Antlitz, doch sie schaute nur zur Seite. „Ich kann nicht…“ Link hielt sie fest an den Armen und bemerkte in seinem Wahn nicht, dass er immer fester zudrückte. „Link, du tust mir weh.“ Vor Schreck über diesen Satz ließ Link los und stand festgemauert am Eingang, während Zelda ohne ein Wort weiterrannte. Link verstand nicht, was in ihn gefahren war. Dieses Mädchen kannte er vielleicht gerade einmal zwei, drei Monate, hatte nichts weiter als eine angenehme Woche mit ihr verbracht und das zu einem Zeitpunkt, als sie sich nicht erinnern konnte. Was erwartete er denn? Dass sie beide ab jetzt und für alle Zeit immer wieder beieinander waren? Hatte er tatsächlich geglaubt, sein Leben würde Sinn machen, sein Leben hätte einen Nutzen, nun da sie hier war? Nein, beantwortete er sich die Fragen selber in Gedanken. Er konnte nicht ernsthaft von seinen Träumereien ausgehen, hoffen, dass für Zelda es genauso war. Er konnte sie eigentlich nicht kennen, nicht nach so kurzer Zeit und sicherlich nicht auf diese Weise, wie er es sich ausgemalt hatte. Sie war dennoch eine Fremde, ein hübsches, und kompliziertes Mädchen, aber mehr auch nicht. Vielleicht hatten sie eine gute Basis gehabt, vielleicht war etwas zwischen ihnen. Aber Link musste die Realität endlich akzeptieren. Er hatte sie nur zufällig in den Wäldern gefunden. Das war Fakt, das war Realität. Hatte er wirklich geglaubt, diese Ereignisse der letzten Wochen waren außergewöhnlich? Vielleicht hatte er mehr gesehen als er sehen wollte… Er schleppte sich nach Hause und begann alles, was er geglaubt hatte, in Frage zu stellen. Er leugnete, dass er Zelda kannte, dass er sie brauchte. Warum nur tat es so höllisch weh, dass sie taten, als wären sie sich nie begegnet… Als Link nach Hause kam, stand das Mittagessen bereits auf dem Tisch. Aber er hatte keinen Hunger und ging gedankenverloren in sein Zimmer. Der Beutel mit irgendwelchen Gegenständen von Naranda Leader, der rothaarigen, vollbusigen Schönheit, stand immer noch in seinem Zimmer. Jetzt würde er doch mal einen Blick hineinwerfen. Das lenkte ihn wenigstens von dem Gedanken an Zelda, Zelda und nochmals Zelda ab. Für einen Moment hatte er den Wunsch wieder ,Ocarina of Time‘ zu spielen, entschied sich aber dagegen, denn auch das Spiel erinnerte ihn selbstverständlicher Weise an Zelda. Er nahm den riesigen, fast kindsgroßen Beutel und wunderte sich, wie schwer er doch war. Oh Mann! Was hatte Naranda dort nur hineingepackt? Die Tasche fühlte sich an, als wären Tonnen von Stahl darin gelagert. Link hatte gar nicht so unrecht, was er selbst gleich sehen sollte. Er öffnete die Schnalle und warf einen Blick hinein. Aber seine Neugierde sollte sich auf eine bemerkenswerte Weise in Entsetzten und Wahnwitz wandeln. „Nee jetzt“, entkam seinem offenstehenden Mund. Link wäre vor Schock gleich explodiert. In der riesigen Tasche befand sich ein Schwert, umhüllt von einer dunkelbraunen, leicht verschlissenen Schwertscheide, außerdem einige Dolche zum Umschnallen, einige Wurfsterne und diverse andere Gegenstände. Links Augen wurden immer größer. ,Das gibt’s doch nicht‘, dachte er und glaubte, er würde das erste Mal in seinem Leben in Ohnmacht fallen. Was zum Teufel sollte er denn mit solchen Waffen? Weiterhin lag ein Brief in dem Beutel. Aha, von Naranda. Link las den Brief sehr sorgfältig. „Auch wenn du nicht verstehen wirst wieso. Aber diese Waffen sollen dir gehören. Du musst sehr vorsichtig sein. Dein Leben ist in Gefahr, also lerne mit ihnen umzugehen. Ich hoffe inständig, dass du den Umgang mit den Waffen lernen wirst. Also: Übe fleißig.“ Link konnte es einfach nicht fassen, hatte er nicht vor wenigen Minuten gehofft, er hätte sich die ganzen Ereignisse der letzten Wochen nur eingebildet? Und nun beauftragte ihn diese Naranda Leader, dass er lernen sollte mit mittelalterlichen Waffen umzugehen? Andererseits… und ein etwas heimtückisches Grinsen formte sich auf seinen ansehnlichen Gesichtszügen. Hatte er nicht immer den Drang verspürt ein Schwert zu schwingen? Diesen Rausch zu spüren, wenn die Seele der Waffe zischte? Zu wissen, wie es war in dieser Realität zu kämpfen? Mit einem Gedanken an seine Träume, in denen er immer wieder Waffen benutzte, änderte der junge Held seine Meinung schlagartig und würde damit sein Glück versuchen. Ohne mit der Wimper zu zucken, zog sich Link seine ältesten Klamotten an, schnappte sich den Beutel und ging aus dem Haus. In den Wäldern könnte er bestimmt in Ruhe einmal ausprobieren, was in ihm steckte. Link kannte einige versteckte Orte in den Wäldern, auch einige Lichtungen, zu denen es niemals jemanden verschlug. Tja, die Leute hatten halt Angst sich zu verlaufen… und dies würde er sich zum Vorteil machen… Am späten Nachmittag war Link dort angekommen, wo es ihn hin verlangte. Er stellte den Beutel ab und blickte sich in Ruhe um, genoss es hier zu sein, atmete die frische Waldluft ein und streckte sich. Er kannte diesen himmlischen Ort von früher, hier wo das Plätschern des Baches an seine Ohren drang, wo der Wind rauschend Melodien spielte und Vogelgesang die Stille vertrieb. Es war eine riesige, leuchtende Lichtung mit dichtgewachsenem Gras, auf der ein einzelner, großer Laubbaum in der Mitte stand. In den Ästen des alten Eichenbaumes, hatten Rick, Link und einige andere Knirpse einst ein Baumhaus errichtet, das immer noch existierte. Link lief darauf zu und kletterte wie in Trance eine leicht morsche Leiter hinauf. Überrascht, dass der Innenraum trotz allen so groß war, dass mindestens zwei Personen von seiner Größe hier Platz fanden, stieg er in das kleine Häuschen ein. In dem Räumchen lagen sogar noch zwei alte Decken. Wie lange war es her, dass er hier war? Ohne Zweifel, die Wiese, der Baum mit dem Häuschen, hier war der richtige Ort zum Trainieren. Aber war dies wirklich richtig und warum tat er das? Aus welchem Grund wollte er mit diesen Waffen umgehen? Mit welchem Ziel? Um sich selbst etwas zu beweisen? Zu zeigen, dass er stark und mutig war? Um Zelda etwas klar zu machen? Oder tat er es einfach, um angestauten Ärger los zu werden? Er schüttelte den Kopf, entschied sich diese Grübeleien ruhen zu lassen und widmete sich seinem Vorhaben. Neugierig auf seine eigenen Fähigkeiten sprang er aus dem Baumhaus, schnappte sich das Schwert aus dem Beutel und betrachtete es. Er schwang es einige Male im Stehen und es fühlte sich toll an. „Was für ein Gefühl“, rief Link in die hohen Kronen der Bäume. Dann schwang er das Schwert einige Male horizontal, dann vertikal. Er hörte die Klinge durch die Luft schneiden, genoss das Vibrieren, das Flüstern der Klinge, den Rausch eines nahenden Kampfes… Einfach überwältigend war dieses Gefühl für ihn, erinnernd und so genial. Sein ganzer Lebenssinn steckte in dem Stahl einer Waffe, sein Wunsch von Nutzen zu sein, wurde durch diese edlen Waffen symbolisiert… Dann vollführte er einige Kombinationen, ging einmal in die Hocke und ließ das Schwert knapp über den Boden sausen, rannte mit einigen Vertikalattacken nach vorne, rollte sich mit dem Schwert in der Hand über den Boden und stand dann wieder auf seinen Beinen. Als er begriff, wie geschmeidig die Bewegungen, die Kombinationen, ihm von der Hand gingen und wie elegant sich sein Körper dazu bewegte, sah er verwirrt auf das Schwert in seinen Händen, und sah im blanken Stahl sein Spiegelbild leuchten. Dann blickte er auf seine Hände und schien noch irritierter über seine eben ausgeführten Attacken zu sein. „Mein Gott… was hab’ ich getan“, war das einzige, was er noch sagte. Er studierte das Schwert… Er war sich sicher, wenn er wollte… könnte er tatsächlich kämpfen. Aber wo hatte er das gelernt? Lag’ es vielleicht im Blut? Und wenn ja, woher rührte sein Talent, seine Fähigkeiten? Gehörten diese Fähigkeiten wirklich zu ihm, zu seinem Schicksal, genauso wie die verblassende Freundschaft zu Zelda… Link schob seine quälenden Gedanken einfach zur Seite, vergaß die Zweifel und übte weiter. Ständig versuchte er sich einen Gegner vorzustellen, um herauszufinden, wie man ihn angreifen würde und wie er parieren müsste. Link übte bis der Abend kam, bis zur Erschöpfung. Dann ließ er sich einfach in das Gras fallen und dachte nach… Geistesgegenwärtig starrte er in den abendlichen Himmel. Die Wolken waren blutrot gefärbt, beinah leidvoll zogen jene schneller vorüber als sonst. ,War es das jetzt‘, fragte er sich. Und war das, was er hier tat, wirklich noch normal? War er nun dort angekommen, wo er hinwollte? Zu kämpfen mit legendären Waffen, seine Lebensenergie in etwas investieren, was grausam und doch anziehend und faszinierend war? Er grinste und lachte dann über sich selbst. Er richtete sich auf, fühlte sich ausgepowert, aber gut, und irgendwie wunderbar. Etwas durchgeschwitzt sah sich der junge Held die anderen Waffen noch an. Die zwei Dolche konnte er sich gut umschnallen, was er im selben Augenblick tat- aus Sicherheitsgründen, sodass er sich im Notfall verteidigen konnte. Einen unter seine Hose um seine rechte Wade, einen um seinen Bauch unter sein grünes T-Shirt, so dass niemand die Waffen sah und er immer eine Waffe griffbereit hatte. Er nahm sich vor, jeden Tag zu trainieren. ,Jetzt bin ich vorbereitet und nun könnt ihr mich ruhig noch mal versuchen zusammenzuschlagen. Dieses Mal werdet ihr euer blaues Wunder erleben und selbst im Krankenhaus landen’, dachte Link. Einige Wurfsterne steckte Link in seine Hosentasche. Die restlichen Gegenstände stellte er zusammen mit dem Schwert in das Baumhäuschen und verriegelte dessen Tür. Diesen Ort würde sowieso niemand finden. „Also dann. Ich bin bereit… für was auch immer…“, rief Link in die Schwärze der Nacht und verschwand dann aus den Wäldern in Richtung seines Elternhauses. Sara und seine Mutter saßen am Abendbrottisch, als Link nun mit hungrigem Magen, gähnend in das Zimmer hineintrat. „Mann, du Hornochse, wo warst du denn die ganze Zeit?“ Sara klang echt vorwurfsvoll. „Ich… ach, war im Wald.“ „Na dann, setz’ dich und iss‘ was.“ Link hatte den Eindruck Sara wäre eine Laus über die Leber gelaufen… na gut, vielleicht auch irgendwas größeres, so schlecht, wie die drauf war. „Und dürfte ich den Herren, der keinen Wert auf die Zeit legt, fragen, was er in den Wäldern die ganze Zeit getrieben hat?“ „Ähm nichts…“ Link versuchte unschuldig zu lächeln. Was ihm gelang, aber Sara kannte ihn wohl zu gut. Sie stand auf und stützte ihre Hände auf dem Tisch ab. „Mensch, Link…“ „Ich weiß, dass ich ein Mensch bin.“ Sara schnaubte wie ein wütender Stier. „Du kannst nicht mehr einfach so sorglos auf die Straße gehen. Man hätte dich beinahe umgebracht.“ Sara pflanzte sich wieder auf ihren Stuhl. „Ach Sara, glaubst du, das weiß ich nicht. Deswegen kann ich mich aber doch nicht den ganzen Tag in meinem Zimmer einschließen. Außerdem gehe ich nicht sorglos auf die Straße.“ „Aber sorglos in den Wald.“ Link grinste. „Selbst das tue ich nicht sorglos“, sagte er, während er sich Hähnchenfleisch in den Mund stopfte. „Iss‘ nicht so hastig, Link.“, sagte seine Mutter, die sich angesichts seiner Manieren vom Tisch begeben musste… Sara sah Link ratlos an. „Was verschweigst du mir.“ „Ein Geheimnis.“ Na toll, das wusste Sara auch. „Link, bitte.“ Link, der sich den Bauch vollgeschlagen hatte und nun mampfsatt war, stand auf und ging die Treppen ins zweite Stockwerk hinauf. Seine kleine Schwester folgte ihm. „Also Sara, ich habe ein wenig geübt, mich selbst zu verteidigen…“ „Du hast was?“ Sara verstand nur noch Bahnhof. Link zeigte ihr dann die Dolche am Bauch und an der Wade. Fassungslos stand Sara vor ihm. „Aber Link, du kannst doch mit solchen Waffen gar nicht umgehen.“ Link sah zur Seite. „Das habe ich am Anfang auch gedacht… aber dann…“ Link wusste, dass seine Fähigkeiten mit derartigen Waffen umzugehen, nichts mehr mit der Realität zu tun hatten. Er ahnte, dass er sehr bald wirklich kämpfen müsste. Er zweifelte an seiner eigenen Persönlichkeit, seinem Bewusstsein. „Sara, hör’ zu. Ich weiß den Grund nicht, aber ich glaube, mit diesen Waffen umgehen zu können.“ Sara lächelte und ihre blauen Augen schienen Verständnis zu zeigen. „Ach, mein Brüderchen… du warst immer schon anders als die anderen. Und nun ist es wohl soweit, dass du den dir vorgesehen Weg findest.“ Link konnte nicht glauben, dass Sara vor ihm stand. Sie wirkte so wissend, als könne sie Ereignisse vorhersehen. „Versprich’ mir auf dich aufzupassen, ja?“ Link nickte. Sara drehte sich um und meinte dann noch. „Link, du solltest Zelda nicht aus den Augen lassen. Du weißt ja, dass sie in Gefahr schwebt, auch wenn keiner weiß wieso, warum und weshalb.“ „Ich kann ihr nicht helfen. Sie…“ „Sie hat sicherlich ihre Gründe. Sie kann dir nicht ewig aus dem Weg gehen. Immerhin habt ihr doch das Schulprojekt zu bewältigen, und dabei zählt Teamarbeit.“ Link atmete tief aus und antwortete nichts darauf… „Also, gute Nacht.“ Link wünschte ihr ebenfalls gute Träume und legte sich schlafen. Aber diese Nacht konnte er einfach nicht schlafen. Überall im Zimmer sah er Zeldas bildhübsches Gesicht vor sich. Er wollte sie aufrichtig beschützen, vor den Dingen, die auf sie warteten. Er wünschte, sie würde sich ihm gegenüber nicht so distanziert verhalten. Aber wie konnte das sein? Er erinnerte sich daran, als er sie durchgefroren in den Wäldern fand, daran, als sie aufgewacht war und er das erste Mal ihre Stimme hörte. Er schwebte in Erinnerungen an die Zeit, die er mit ihr verbracht hatte. Seelenverwandte- ja, das mussten sie beide sein. Dann kamen Link mit einem Schlag Gedanken an den dunklen Schreckensfürsten in der Kirche in den Sinn… Wer war dieser Kerl nur? Es musste doch eine logische Erklärung dafür geben, dass er es schaffte, Leute so wie Maron unter seinen Willen zu ziehen. Es musste doch einen Sinn dahinter geben. Und warum sollte er gerade Link ausschalten wollen? Tausende Fragen entstanden in Links Kopf. Was hatte es eigentlich mit dieser Naranda Leader auf sich, die ihm diese Waffen schenkte? Wieso war Ines Schattener so besorgt um das Wohlergehen Zeldas? Und aus welchem verfluchten Grund schaffte Link es nicht diese Grübeleien abzuschalten? Schluss damit, befahl er seinen Hirnströmen, die aber mit keiner Silbe auf ihn hörten… „Ich drehe noch durch“, flüsterte Link in die Dunkelheit seines Zimmers. Er wälzte sich im Bett hin und her. „Mist, warum kann ich einfach nicht schlafen, ich müsste doch müde sein.“ Link klopfte auf seinem Kopfkissen herum. Dann stand er auf und kramte in seinem Schrank herum. Wiederrum setzte er sich auf sein Bett, diesmal aber mit der Okarina in der Hand. Langsam führte er sie an seine Lippen und spielte, während er sich an die Wand lehnte. Irgendwie beruhigte das Spiel auf der Okarina. Er spielte das Lied, das Zelda ihm beigebracht hatte, als sie noch hier war. Welch’ schöne Melodie… Halbversunken in der Melodie, hörte Link im Hintergrund eine zweite Stimme, gespielt von den feinen Saiten einer Harfe. Die Melodie erklang in seinen Ohren, das Instrument erzählte ihm vieles… Link beendete sein Spiel, schloss seine Augen und schlief nun. An einem anderen Ort saß Zelda bei purer Dunkelheit an der Harfe und nur ein kleines Kerzenlicht leuchtete in ihrem Zimmer, welches ihre Angst vor der Nacht verscheuchen sollte. Kapitel 18: "Ich bin nicht wirklich." ------------------------------------- Die nächsten Tage rannte Link stets nach dem Mittagessen in die Wälder und trainierte, ohne, dass eine Menschenseele wusste, dass er sich an dem Kampf mit dem Schwert probierte. Wenn ihn jemand beobachtete, hätte das vielleicht weitreichende Konsequenzen… Link blieb halbherzig grinsend auf dem vertrauten Waldweg stehen, schlug mit seinen Turnschuhen Steine auf dem Weg vorwärts und starrte ab und an in den märchenhaften Himmel. Was wohl passieren würde, wenn irgendjemand herausfand, was er tat? Würde man ihn für verrückt erklären und sofort in eine psychiatrische Anstalt stecken? Wie würden die Menschen ihn anstarren, hätte er ein Schwert in der Hand und würde damit durch die Straße laufen? Die Dinge auf der Welt schienen sich für ihn nun zu verwandeln. Er sah die Welt mit anderen Augen, die Tiere, die Pflanzen, die Menschen, die eifrig ihrem Alltagsleben nachgingen. Link jedoch würde ein gewohntes Alltagsleben nicht mehr führen können und das wegen all dem, was er seit Anbeginn seines Daseins auf der Erde spürte, diese tiefe Sehnsucht danach etwas Größeres zu erreichen. Im Grunde genommen, und er selbst gestand es sich immer mehr ein: er wollte kein gewöhnliches Leben, das hatte er nie gewollt. Weiterhin starrte Link, während er dem kleinen moosigen Pfad folgte, in den Himmel. Was wäre wenn… Er dachte an die Spielfigur auf dem Gamecube. Auch der Link im Spiel beherrschte das Schwert meisterlich, aber er führte es gegen das Böse. Gegen wen wollte Link denn mit dem Schwert kämpfen? Es gab keine Dämonen… oder doch? Link kam an seinem vertrauten Übungsplatz an, kletterte begeistert und mit einem zufriedenen Gesicht in das kindliche Baumhaus, und nahm sich sein scharfes Übungsschwert. Es schien ihm wie eine Sucht, eine Droge, diese Waffe in den Händen zu halten. Er sprang gekonnt mit dem Schwert aus dem Baumhaus und drehte einen Salto in der Luft. Er fühlte sich so kräftig, dass er sich nicht vorstellen konnte, jemals in einem Krankenhaus gelegen zu haben. Er protzte vor Energie, so dass ein Salto für ihn eine leichte Übung war. Er landete elegant auf seinen durchtrainierten Beinen, überrascht wie ihm das gelingen konnte und gleichzeitig überaus zufrieden mit sich selbst. Dann begann er mit seinen wilden Fechtkünsten, die tatsächlich aus der Sicht eines Beobachters immer besser, immer stärker und schneller wurden. Dann probierte er einige neue Attacken aus, die er sich letzte Nacht überlegt hatte. Neben einer besonders starken Stichattacke, einer weiteren Attacke, in welcher Link das Schwert mit beiden Händen umfasste, einem Angriff, in welcher er sich geschwind über den Boden rollte und sich hinter einem Gegner auftürmen würde, um ihm das Schwert in den Rücken zu bohren, war alles Mögliche seiner Vorstellungskraft entsprungen. Während Link gegen eingebildete Gegner kämpfte und dabei des Öfteren nicht anders konnte, als ein wildes Kampfgeschrei anzustimmen, klatschte hinter ihm jemand, der die ganze Zeit seine Bewegungen studiert hatte und beeindruckt schien. Link drehte sich, von allen guten Geistern verlassen, um. Nein, nun war es trotzdem passiert. Jemand hatte ihn gesehen! Der Heroe spürte seinen Herzschlag bis in seiner Kehle. Aber als er sich umdrehte, stand lediglich ein Kind vor ihm, ein Kind, das ihm mehr als vertraut erschien, das Mädchen mit den blonden Zöpfen und den giftgrünen Augen. Ein bis zu den Knien reichendes babyblaues Kleidchen flatterte im Wind, während sie herum hüpfte. „Was machst du denn hier“, sagte sie, „Übst wohl für das letzte Gefecht zwischen dir und dem Meister des Bösen?“ Das kleine Mädchen hielt geschwind die Luft an. Sie wollte ihm doch nichts darüber sagen und durfte es auch nicht. Sie konnte sich kaum in schicksalhafte Fügungen einmischen, und es war nicht ihre Aufgabe dem Helden klar zu machen, dass er das Böse hindern musste sich auf der Welt breit zu machen. „Wen?“ „Ach nichts. Übrigens, du bist zwar gut, aber lässt deine Deckung zu weit offen.“ Link schnaubte: „Ich wüsste nicht, was dich das angeht.“ „Na ja, man muss dir doch irgendwelche Ratschläge geben, bei deinem Leichtsinn, Linky.“ Link drehte sich wütend zu ihr und meinte. „So, meine kleine Nervensäge. Ich habe hier eine sehr gefährliche Waffe. Und ich weiß nicht, was passiert, wenn du mich weiterhin störst und mir nicht endlich sagst, wer du bist. Ich will meine Ruhe, also verschwinde wieder. Du…“ Link konnte den Satz einfach nicht beenden, denn das kleine Mädchen mit den blonden Zöpfen lachte nur und tänzelte wieder um ihn herum. Link schüttelte mit dem Kopf. Kinder waren immer so unberechenbar… Sie reagierte keineswegs auf seine Drohungen - ganz im Gegenteil, sie kicherte darüber. „Ich weiß, dass du niemanden mit gutem Herzen etwas zu leide tun kannst. Du bist doch schließlich Link.“ Wow, dass er so hieß, wusste er selbst. Der Angesprochene entschloss sich das Training zu beenden und setzte sich an einen alten Baumstamm. „So“, sagte Link, als sich die Kleine neben ihn setzte. „Sag’ schon, was willst du von mir!“ „Ich muss auf dich aufpassen, Linky.“ „Kannst du das bitte unterlassen.“ „Was?“ Link beugte sich über sie und betrachtete sich das kleine, rundliche Gesichtchen genau. Sie besaß eine außerordentlich spitze Nase und rote Wangenbäckchen. „Hör auf mich Linky zu nennen.“ „Ist gut, Linky.“ Er verdrehte die Augen. „Bist du so was wie ein Schutzengel?“ „Vielleicht.“ Sie stand auf und tanzte nun um den Baumstamm herum. „Warum hast du keinen Namen? Hast du kein Zuhause, keine Eltern oder so?“ „Das war einmal vor langer, langer Zeit, vor vielen, vielen Jahren.“ Sie blieb stehen und seufzte: „Aber dieses Zuhause gibt es nicht mehr.“ Dann lief sie wieder um Link herum. Der Kämpfer übte weiter, während das kleine Geschöpf ihm Ratschläge erteilte und Link, der es eigentlich nicht wahrhaben wollte, musste einsehen, dass dieses schlaue Wesen, wer immer sie auch war, ihm tatsächlich helfen konnte. Als der Abend kam, war die Kleine verschwunden, wie als wäre sie nie hier gewesen. Link ging zurück in die Stadt, folgte verträumt dem Weg und schickte seine Gedanken auf die Reise. Was wäre wenn… Eine neue Woche begann und langsam sollte sich Link ernsthaft Gedanken um das Schulprojekt machen. Es wurde allmählich Zeit, Zelda deswegen anzusprechen. Sie redete ja nicht mit ihm und Link, total nervös und unzurechnungsfähig, wenn sie in der Nähe war, müsste langsam aber sicher etwas tun. Inzwischen hatte er sich mit der beklemmenden Situation, wie jene zurzeit war, abgefunden. Wahrscheinlich hatte ihn der Umgang mit dem Schwert abgelenkt und verdeutlicht, dass es nichts brachte, Zelda zu bedrängen… Aber die Gefühle für sie waren eben da und Link konnte sie einfach nicht ignorieren… sein Herz sagte ihm, rede mit ihr, sein Verstand aber sträubte sich. Link und die anderen Jungs versammelten sich gerade in den Umkleidekabinen. Sportunterricht war angesagt. Rick tippte Link auf die Schulter und musterte ihn verdutzt. „Du, sag’ mal. Wie machst du das?“, meinte er. „Was?“ „Na, das.“ Rick packte Link am Arm und schleifte ihn zu einem Spiegel. „Ja und? Soll ich jetzt dreimal in die Hände klatschen, weil mein Spiegelbild so gut aussieht.“ „Link, ich meine es ernst.“ Und der junge Held wusste, was Rick meinte. Während der letzten Wochen nervenaufreibendem Training in den Wäldern hatte Link einiges an Kraft und Muskelmasse zugelegt. Es fiel ihm jetzt erst einmal richtig auf. Sein Körper hatte sich ganz schön verändert. Kein Gramm Speck mehr. Link schien sportlicher und stärker zu sein als jemals zuvor, und er wusste, dass ihm diese Eigenschaften in naher Zukunft sehr nützlich sein würden. Er fühlte die Veränderung in sich selbst und den sich nähernden Sturm… „Nun ja, ich habe die letzten Wochen ein wenig Sport getrieben, vielleicht ein wenig zu viel“, erklärte der blonde Held. Rick stutzte: „Du bist ein Übermensch. Vor wenigen Wochen lagst du mit Rippenbrüchen und inneren Blutungen auf der Intensivstation und jetzt… du bist einfach unmöglich.“ Link fasste das als Kompliment auf. Dann gingen sie nach draußen. Ines Schattener war neben ihrer Direktorenposition am Gymnasium Sportlehrerin und zu allem Überfluss auch noch unheimlich streng. Link hatte sie ebenso wie Zelda die letzten Wochen ignoriert. Sie wollte ihm Erklärungen geben. Erklärungen für alles. Alles. Aber Link glaubte nicht, dass jedwede Erklärung ausreichte. Es war einfach das Letzte, dieses dumme Versteckspiel von Seiten Zeldas. Aber unterstütze die Direktorin das wirklich? Es mochte sein, dass Link nichts über die Absichten Ines Schatteners wusste, aber auf ihn hatte sie einen eher zugänglichen Eindruck gemacht. Und die Absichten jener Direktorin, die auch noch einen anderen Namen hatte, standen tatsächlich in großem Widerspruch zu denen Zeldas. Wohingegen die einstige Prinzessin Hyrules alles dafür tat, Link nicht zu nahe zukommen, um ihn von weiterer Gefahr fernzuhalten, ihn vor sich selbst zu beschützen und damit starke Gefühle der Einsamkeit ohne seine Nähe ertrug, so wollte Ines, dass er an den Ereignissen teilhaben konnte. Ines befürwortete ein Einmischen von Link, denn sie wusste, dass es einfach sein Schicksal war, an den näherkommenden Kämpfen teilzunehmen. Die Schüler befanden sich auf einem riesigen Sportplatz. Auf der großen Wiese in der Mitte spielten die Mädchen gelassen Federball. Die Sonne schien und die brütende Hitze, die sie aussendete, wurde immer schlimmer. Miss Schattener beauftragte die Jungs einige Runden zu laufen. Eine von Links leichtesten Übungen. Er überrundete einige und schien am Ende keineswegs außer Puste zu sein. Er hatte in den Wäldern ebenfalls seine Ausdauer und Kondition erfolgreich trainiert. Er wollte auf alles vorbereitet sein. Seit ihm dieser teuflische Schatten begegnet war, konnte Link nicht aufhören Kraft zu sammeln. Doch wofür? Was um Himmels Willen stachelte ihn an, seinen Körper in dem Maße zu beanspruchen? Er wusste nichts von einer anderen Welt, einer anderen Zeit, als eine seine Reinkarnationen dort Großes tat und er wusste nichts von seinem eigenen Schicksal… Er machte es sich auf einem Zaun bequem und starrte in das herrliche Blau des Himmels. Plötzlich spürte der Jugendliche, dass er beobachtet wurde. Er schaute in alle Richtungen und erkannte am Eingang zur Turnhalle eine Person mit eng anliegender Lederkleidung. Sie zog seine Aufmerksamkeit auf sich, aber nicht wegen den blonden Haaren, die Zeldas Haaren an Länge ähnelten, sondern weil sie bei der Hitze diese unerträgliche schwarze Kleidung trug. Dennoch… mit dieser Dame stimmte etwas nicht. Die Hitze schien ihr nichts auszumachen und ein kalter Schatten schien sie nicht nur zu begleiten, sondern auch zu umhüllen. Als Link in ihr Gesicht sah, wäre ihm beinahe das Herz stehen geblieben. Die sah Zelda erschreckend ähnlich! Wie konnte das sein? Hatte Zelda eine Zwillingsschwester? Sie sah Link in die Augen und leckte sich auf eine abscheuliche Art und Weise über ihre kahlen Vorderzähne. Entsetzt blickte Link weg und lief unbewusst auf Zelda zu, ließ dieses Biest aber nicht aus den Augen. Die seltsame Gestalt machte eine bedrohende Geste, während ihr Blick nichts als Kälte absonderte, und sie deutete auf Zelda, die gerade mit Sara Federball spielte. Ihre Augen, so gefährlich kalt und ohne Mitleid, Augen so unecht und doch lebendig. Link blickte Zelda an. Sie trug eine kurze rosa Jeanshose und ein dunkelblaues Spaghettitop. Sie sah darin unheimlich begehrenswert aus… Wunderschön… Für einen kurzen Augenblick vergaß er diese Gestalt vor der Turnhalle und hatte nur noch Augen für diesen Engel. Wie konnte man nur so himmlisch aussehen, fragte er sich… Als Link wieder zu der dunklen Gestalt sah, war sie verschwunden. Hatte Zelda jetzt einen bösen Doppelgänger? Hatte der Mistkerl in der Kirche dieses Biest geschickt? Irgendetwas plante dieses Ungeheuer doch. ,Wenn ich nur wüsste was‘, dachte Link. Während der gesamten Schulstunde hatte Link immer wieder darüber nachgedacht. Aber ihm fiel nichts ein, was er hätte tun können. Warum fühlte er sich so hilflos? Während die Jungs fleißig Kugelstoßen übten, nahm Ines Schattener Link beiseite und bat ihn um ein Ohr. Verdutzt willigte Link ein und folgte der Direktorin in das kleine Büro in der Turnhalle. Das kleine Fenster im Büro bot einen ordentlichen Blick auf die Grünfläche, sodass Ines ab und an hinaussehen konnte, um sich zu vergewissern, dass die Jugendlichen da draußen keinen Unfug anstellten. „Setz’ dich, Link.“ Und er machte es sich auf dem Holzstuhl vor einem schwarzen Schreibtisch bequem. Ines Schattener holte zwei Gläser und eine Limonadenflasche aus einem kleinen Kühlschrank in jenem Büro. ,Sehr praktisch‘, dachte Link. Äußerst praktisch. „Durst?“ Link nickte, sich fragend, womit er so viel Freundlichkeit von Seiten der Direktorin verdient hatte. Dann erinnerte er sich an die miese Szene im Krankenhaus, als er überreagiert hatte. Konnte es sein, dass Ines ihm jetzt die Erklärungen geben wollte, die er damals für unwichtig hielt. „Ich will nicht um den heißen Brei herumreden, Link, und sicherlich ist dir auch einiges daran gelegen, dass ich dir so schnell wie möglich mitteile, was mitzuteilen ist.“ Erneut nickte er und nahm einen Schluck der kalten Limonade. „Hat Zelda dieses Gespräch eingefädelt?“ „Nein“, erwiderte Ines. Traurig blickte sie hinaus zu der Mädchentruppe und beobachtete ihren Schützling mit besorgtem Blick. „Sie hat mir eigentlich untersagt, mit dir zu reden…“ Und aufmerksam hörte Link zu, der den verzweifelten Ausdruck auf ihrem Gesicht sah, aber sich keinen Reim daraus machen konnte. „Sie leidet, Link. Auch, wenn sie es nicht wahrhaben will, auch wenn sie so tut, als wäre alles in bester Ordnung.“ Und Impa, ein anderer, vielleicht zutreffender Name für diese Persönlichkeit, dachte an einige Tage, einige Abende, die sie mit der einstigen Prinzessin Hyrules erlebt hatte. Damals wie heute, gab sich die Prinzessin des Schicksals an allem die Schuld. Damals wie heute ignorierte sie, dass sie sich geliebt fühlen wollte und ertrug lieber die Einsamkeit, die langen Abende und Nächte, in denen es niemanden gab, mit dem sie reden konnte. Nicht einmal ihr Kindermädchen aus alten Tagen ließ sie an sich ran. Und wann immer Impa nachfragte, nein, nachbohrte, ob sie reden wollte, ob etwas nicht stimmte, dann schüttelte Zelda mit dem hübschen Kopf und wich ihr aus. Das war die Wahrheit über jemanden, der in seinem Leben nie etwas anderes als das Wohl anderer, das Wohl eines ganzen Landes im Sinn hatte- die Wahrheit über ein verletztes Herz, wie es das Zeldas war… „Das, was ich dir zu sagen habe, könnte Zelda vielleicht verletzen, weil ich entgegen ihres Wunsches handle. Aber du musst es einfach erfahren, du musst wissen, dass vielleicht sehr viel von deinem Erfolg abhängen könnte.“ Erfolg? Welchen Erfolg? Meine sie die Noten? Ja, er hatte die letzten Wochen herzlich wenig für die Schule getan, aber so schlecht stand er doch wirklich nicht da, oder? „Ich verstehe das alles einfach nicht. Wovon redest du, Ines?“ „Ich will dir nicht alles sagen, Link. Da ich finde, Zelda sollte dir erzählen, was geschehen ist, weshalb sie plötzlich hier ist, warum sie vorher niemand kannte, weshalb sie in dieser Welt so verloren ist und…“ Ines sah gedankenverloren hinaus zu dem blonden Mädchen, das so tat, als wäre es glücklich. „… und warum du sie finden konntest und in ihrem Leben immer eine Rolle spielen wirst.“ „Warum tut sie dann so, als würde sie mich nicht kennen. Warum, Ines? Warum?“, fauchte Link gekränkt und sprang von seinem Platz auf. Er breitete seine Arme aus und sagte aufbrausend: „Ich habe nichts getan, um sie zu verletzten, ich hätte alles für sie getan.“ Wütend brachte Link diesen Satz zu Ende und verzog sein Gesicht bei seiner eigenen Wortwahl. Wie konnte er nur so dumm sein, zu reden, ohne über die Worte in seinem Mund reiflich nachzudenken. Er ließ seinen Kopf hängen und drehte sich halb um, sodass er die Wärme in Impas Blick nicht sehen konnte. „Ich weiß, Link.“ Und die Direktorin legte eine Hand auf seine Schulter. „Du musst ihr Zeit lassen. Glaub’ mir, sie geht dir nicht aus dem Weg um deine Gefühle zu verletzen. Sie tut es nicht aus Eigennutz.“ Ines Blick wanderte zu der Zimmerbeleuchtung. „Sie hat noch nie in ihrem Leben etwas aus Eigennutz getan. Und Zelda hat vieles getan… vieles, was ihr eigenes Glück aber im Gegenzug zerstörte.“ Und wieder sprach Ines in Rätseln. „Ich wollte dir mitteilen, dass du dich in Gefahr befindest, Link“, sagte sie dann und schenkte ihm noch ein Glas der Zitronenlimonade ein. „Warum überhaupt?“ „Ich hatte gehofft, du könntest mir darüber etwas erzählen. Ich weiß zwar einige Geschichten von Naranda, aber mir fehlen noch einige Zusammenhänge.“ Link sah überrascht auf, setzte sich wieder und trank von dem kühlen Getränk, welches angenehm seine Kehle hinab lief. „Ich wollte die ganze Zeit schon wissen, wie du sie gefunden hast, Link?“ „Hat Zelda dir darüber noch nichts erzählt?“ Ines schüttelte frustriert den Kopf. Wieder etwas, worüber Zelda lieber schwieg. Sie machte ein großes Geheimnis aus der Woche mit Link, ebenso über die Tatsache, wie er sie gefunden hatte. „Nein, darum bitte ich dich, mir alles genau zu erzählen, Link.“ Der junge Oberschüler holte tief Luft und stand wieder auf. Auch er lief zum Fenster und sah hinaus, blickte verträumt zu Zelda und fühlte einmal mehr diese lähmende Angst um sie, sie könnte sich plötzlich in Luft auflösen. „Das heißt also indirekt, ich bin wirklich in alle Geschehnisse verwickelt, nicht wahr?“ „Nicht nur das, es geht vielleicht mehr um dich und deine Fähigkeiten als du ahnst. Du wirst eine Hauptfigur der nahen Ereignisse sein.“ Link entgegnete nichts darauf, schloss mit Bedenken seine Augen und stützte eine Hand an sein Kinn. „Zelda… sie hat nach mir gerufen. Ich meine, nicht so, wie man das auf normalen Weg tut, sondern… irgendwie telepathisch…“, meinte er stockend. Gott bewahre, hoffentlich hielt ihn die Direktorin jetzt nicht für verrückt. Denn, dass jenes Rufen verrückt klang, konnte Link nicht bestreiten. „Verstehe“, sagte Ines mit klarer Stimme. Und Link dachte, er hätte sich verhört. War sein Trommelfell kaputt? Unbewusst prüfend griff er sich an seine Ohren. „Sie sind nicht überrascht?“ „Nein, erzähl‘ ruhig weiter.“ „Sie ist dann am frühen Morgen aufgewacht und sagte etwas über einen Lichtweg in ihren Träumen. Sie war so verunsichert und wusste nicht, wohin sie gehen könnte. Ich konnte meine Eltern überzeugen, sie als Pflegekind bei uns wohnen zu lassen und so ist sie dann geblieben.“ Wiederrum nickte die stolze Direktorin. „Ich bin so froh, dass du sie gefunden hast, Link. Wir, das heißt Naranda, Dar und Richard waren schon lange in Sorge um sie, nun da…“ „… da was?“ „Ist dir jemals ein großer Mann begegnet, mit teuflischen Augen.“ Link nickte geistesgegenwärtig. „Ja, er ist mir begegnet, hält sich in der alten Kirche auf. Und ist mir sogar schon bevor ich Zelda fand über den Weg gelaufen, warum fragen Sie?“ „Gefahr geht von ihm aus. Ich erwarte von dir, dass du dich von ihm fernhältst. Versprich‘ mir das, Link.“ „Okay.“ „Gut“, meinte sie und wirkte im Moment alles andere als ruhig, obwohl Ines sonst immer eine sonderbare Ruhe ausstrahlte. Sie wirkte rätselhaft mit ihrer Besorgnis um Link und um die Prinzessin, von der niemand ahnte, wer sie wirklich war. „War denn eure gemeinsame Woche schön?“ Verlegen nickte Link und suchte nach den richtigen Worten. „Diese Woche war… Zelda, ich dachte immer, ich wäre ihr schon einmal begegnet. Gibt es so was denn? Ich habe das noch nie bei irgendjemand empfunden. Es war die beste Woche meines Lebens“, gab er ehrlich zu und schaute irritiert, mit roten Ohren auf den Boden. Ein brauner Teppich lag dort, ein sehr alter, abgenutzter Teppich. Was kümmerte Link denn im Moment der blöde Teppich? Ines lachte vergnügt auf. „Oh Link, denk’ ja nicht, dass diese Woche die letzte mit Zelda gewesen ist. Sie braucht zwar ihre Zeit, um einzusehen, dass du nicht wegen ihr in Gefahr schwebst, oder sagen wir, nicht nur wegen ihr, aber in nächster Zeit wird sie dich brauchen. Hab ein wenig Mut, Link.“ Er sah auf und nickte mit seinem typischen Grinsen. Irgendwie fühlte er sich jetzt besser. So als hätte Ines ihm seine Sorgen ausgeredet oder sein Herz beruhigt. „Manchmal gebe ich Zelda einen Wink, verstehst du, und wenn sie verstehen will, ignoriert sie diesen Wink nicht.“ „Einen Wink?“ „… damit sie einsieht, wie dringend sie jemanden braucht, mit den sie reden kann. Damit sie einsieht, dass sie einen Freund braucht und diesen in deiner Gestalt schon lange gefunden hat.“ Und mit jeder weiteren Silbe, die Ines sprach, erwachte ein übernatürlicher, fast manischer Optimismus in ihm. Ja, ihre Worte schenkten ihm Mut, Mut und Hoffnung, Zelda wieder in seinem Freundeskreis zu haben. „Gut, Link. Aber vielleicht solltest du jetzt wieder an den Übungen teilnehmen, nötig hast du diese ja bei Weitem nicht mehr, richtig?“ „Richtig.“ Ines wusste wohl davon, welche Dinge Naranda ihm zukommen ließ und bemerkte die Veränderungen an Link. Sie hatte ja immerhin zwei sehr scharfe und aufmerksame Augen im Kopf. Link grinste und lief zu der Tür. Als er verschwinden wollte, fiel ihm aber noch etwas ein: „Noch etwas, Ines. In der letzten Zeit sind viele merkwürdige Sachen passiert, ich meine, unheimliche Sachen, und da wollte ich mal nachfragen, ob Zelda vielleicht einen Doppelgänger oder eine Zwillingsschwester hat.“ Die roten Augen der Direktorin veränderten sich von Wärme, die sie aussendeten, bis hin zu Besorgnis. „Nein“, meinte sie energisch. „Wie kommst du darauf?“ „Vorhin stand eine schlanke Gestalt, die Zelda ähnelte, an der Halle und winkte mir zu. Dann fiel ihr Blick auf Zelda und…“ Ines unterbrach ihn. „Vorhin, sagtest du? Gut, dass du das erwähnst. Ich hoffe nur, dass Zelda nicht schon wieder in Gefahr schwebt.“ „Ja, es ist nur, dass diese Gestalt sehr bedrohlich wirkte. Ich habe das Gefühl, ich müsste etwas dagegen tun… Auch der Mann in der Kirche, warum unternimmt keiner etwas gegen die Dinge, die er plant?“ Ines seufzte, so als wusste sie keine Antwort. „Link, vielleicht sollte jemand etwas gegen ihn unternehmen, aber ich wüsste keinen, der im Moment dazu in der Lage wäre. Du darfst dich nicht in die Kirche wagen und deinen Mut dort austesten. Du hast gegen diesen Kerl keine Chance. Das einzige, was wir tun können, ist Zelda vor ihm zu schützen…“ Link nickte, wusste nicht, was er von diesen Informationen halten sollte, aber er würde auf die Worte der Direktorin hören. „Passen Sie bitte gut auf Zelda auf.“ „Kein Thema, Link.“ Mit einem zufriedenen Nicken verließ er den Raum und nahm so wie die anderen am Weitsprung teil. Die Sonne, die vor wenigen Stunden noch so hell geschienen hatte, mit solcher Stärke, wurde nun von dunkelgrauen Wolken bedeckt. Link rannte nach Hause, während die Dunkelheit stetig zunahm. Wenn jetzt ein Unwetter kam, hatte er keine Lust nass zu werden. Plötzlich hielt er inne. ,Verdammt, ich hab’ das Schulprojekt total vergessen‘, sagte sein viel zu vergessliches Gemüt. Er blickte in den Himmel und dann in Richtung des Hügels, wo das Anwesen Miss Schatteners stand. Keine Ausflüchte. Kein Weglaufen. Kein Nein… Er zwang sich Zelda zu besuchen. Entweder sie redete mit ihm, was gut war, oder sie tat es nicht, was unabänderlich war. Er konnte sie erneut konfrontieren, er könnte sogar gemein zu ihr sein, aber was brachte das… Link schüttelte den Kopf, während er die Einfahrt zu dem stolzen, alten Gebäude entlang rannte. Selbst wenn er wollte, er konnte zu Zelda nicht kalt und grausam sein. Er war einfach nicht in der Lage, ihr in irgendeiner Weise, auch wenn nur mit Worten, weh zu tun. Er klingelte an der riesigen Tür, überrascht über den Ton der Glocke, die wie eine alte Pendeluhr klang. Ines öffnete mit einem Hallo und wusste sofort, dass Link wegen dem Schulprojekt hier war. „Zelda wartet in der Wohnstube auf dich. Ich habe ihr bereits ein Thema vorgeschlagen. Na dann, du musst nichts weiter tun, als dir von ihr das Material geben zu lassen, das du ausarbeiten sollst. Falls ihr Probleme habt, ich bin in meinem Arbeitszimmer.“ Ines verschwand hinter einer Tür und Link musste erst einmal schlucken, als er sich den Innenraum betrachtete. Wo waren wir? Im Mittelalter? Als er sich umblickte, hatte er das Gefühl etwas zog ihn in andere Dimensionen, er durchschritt das Tor in eine weite ferne Welt. Das ganze Gebäude, die alten Kerzenständer, die eleganten Tische, die Teppiche, die roten Vorhänge erinnerten ihn an ein altes Schloss. War das denn wirklich? „Link, nun geh’ schon. Das Wohnzimmer ist zu deiner rechten.“ Ines riss ihn aus seinen Gedanken. Ehe sie sich versah, war Link verschwunden. Der junge Mann ging einen langen, dunklen Gang entlang und hörte aus dem Raum am anderen Ende keltische, nostalgische Musik. Eigenartig klangen die Töne für ihn- Flöte und Harfe, die aufeinander abgestimmt waren… Link blieb vor der großen Holztür stehen und seufzte, bevor er klopfte. Ein einfaches Ja aus dem Mund seiner scheinbaren Seelenverwandten, machte ihm deutlich, dass er eintreten durfte. Mit einem Schlag fühlte er sich so nervös, dass er den Eindruck hatte, seine Beine würden ihn noch schneller irgendwohin tragen, als ihm lieb war. Der Raum war geschmackvoll in dunkelroten, warmen Farben gehalten. Es war nun so dunkel außerhalb, dass Zelda einige Kerzen angezündet hatte. Kerzen? Warum nutzte sie lieber Kerzen? Mit einem traurigen Ausdruck im Gesicht suchte der junge Mann den Raum nach dem blonden Mädchen ab, das er in seinem Freundeskreis haben wollte. Er fand sich vor dem Kamin hocken, blickte sie einige Sekunden lang an, aber sie sah nicht auf. Sie schrieb irgendetwas auf ein Stück Papier. Ein Stapel Bücher war neben ihr aufgetürmt. Das Feuer des Kamins warf undeutliche Schatten. Mit dem Licht des Feuers, flackernd und geheimnisvoll fühlte sich der junge Held beinahe in andere Zeiten versetzt. Es war vertraut im Licht des Feuers… so vertraut Zelda um Antworten zu bitten, so vertraut ihr hinterher zulaufen… Dieser Raum, Zelda und er, schienen irgendwie am Abseits der Realität, an der Grenze zwischen Vergangenheit und Zukunft zu existieren. Er kannte das Gefühl Zelda zu besuchen… in Räumlichkeiten wie diesen… Es schien ihm so alltäglich, so als hätte er es sein Leben lang getan. Zelda hatte ihn bemerkt, drehte sich aber nicht um. „Hallo“, sagte sie, fast tonlos. Link schluckte seine Anspannung und Aufregung herunter. „Hallo“, seine Stimme klang ihm so unwirklich. Zelda stand auf und tat nichts weiter, als ihm ein Buch zu reichen. Ohne ein Blick, ohne Lächeln, ohne jede Gefühlsregung. Link nahm das Buch und sah zur Seite. „Das Thema…“ „Steht alles auf einem Zettel im Buch, auch was du… ausarbeiten sollst.“ „Also, dann.“ Link grübelte, aber konnte nicht einfach gehen ohne es erneut zu versuchen, erneute Enttäuschung, erneute Abweisung. Er hielt es einfach nicht mehr aus. „Zelda… kannst du mir nicht wenigstens sagen, was ich falsch gemacht habe.“ Link wünschte, er hätte irgendeinen Fehler begangen, um zu wissen, dass es einen Grund gab, weshalb Zelda ihn nicht einmal ansehen konnte. Aber er wusste, da war kein Fehler, kein Grund, für den er verantwortlich war… „Zelda, bitte.“ Link hätte sich am liebsten vor ihr niedergekniet, nur für eine aufrichtige Antwort, für ein Lächeln. Aber das gottesgleiche Wesen vor ihm drehte sich um und sah aus dem großen Balkonfenster zu ihrer rechten. Link bildete sich ein, sie schluchzen zu hören. Aber das schien ihm wohl wirklich nur Einbildung. „Geh’ bitte.“ „Nein.“ Link verschränkte die Arme und blieb an Ort und Stelle stehen. „Selbst wenn du Ines rufst, wirst du mich hier nicht wegbekommen.“ Zelda setzte sich wieder vor den Kamin und schrieb einige Sätze aus dem Buch ab. „Du wirst mich nicht ewig ignorieren können.“ Link blieb hart, er wollte sofort wissen, was vor sich ging. Aber Zelda reagierte nicht auf ihn. Eine lange Pause entstand. „Ich entschuldige mich“, sagte Link, um sie in ein Gespräch zu verwickeln. „Wofür?“ „Für meine Dummheit, geglaubt zu haben, dich zu kennen. Für meine Torheit, geglaubt zu haben, du würdest mich kennen. Ich entschuldige mich dafür, dass ich mich in dein Leben eingemischt habe. Ich entschuldige mich dafür, dass…“ Link hörte Zelda nun wirklich weinen und stand sprachlos im Raum. Wieder entstand eine lange Pause… „Warum weinst du, wenn du es nicht fertig bringst, mit mir zu reden?“ „Ich weine nicht“, sagte Zelda, als sie sich die Tränen aus dem Gesicht wischte. „Soso. Dann sitzt wohl nicht Zelda vor dem Kamin, sondern eine Person, die mir wirklich nichts zu sagen hat, eine Person, die nicht wirklich ist.“ „Genau, das ist es… Ich bin nicht wirklich.“ Link glaubte nicht, was er da hörte. „Jetzt reiß’ dich, verdammt noch mal, zusammen, Zelda. Du bist nicht wirklich? Aber du atmest, du fühlst, du lebst. Du bist genauso wirklich wie ich und alle anderen Menschen.“ „Aber ich bin nicht, wie andere Menschen.“ Links Stimme wurde immer lauter: „Du bist selbst daran schuld, wenn du nicht aufwachst und langsam versuchst ein normales Leben zu leben, egal, wer du bist. Verflucht, es kann doch nicht so schwer sein, zu leben. Es gibt Menschen, denen es viel schlechter geht als dir, und dennoch, sie leben… ist das für dich so unbegreiflich?“ Zelda starrte schockiert in das Feuer und drehte sich zu Link um. Das erste Mal seit langem begegnete sie seinem Blick. Links Gefühle gingen mit ihm durch. „Warum kannst du nicht wie andere Menschen sein, du gehörst doch ebenso zu den Menschen. Zelda… du bildest dir nur ein, nicht leben zu können.“ Die Prinzessin zweifelte langsam, ob Link nicht doch etwas von seiner Vergangenheit ahnte, so wie er redete, hatte er früher in gefährlichen oder verzweifelten Situationen geklungen. „Tu’ mir das nicht an und begegne mir wie einem Fremden. Ich bin kein Fremder. Zelda, ich…“ Link hielt die ganze Situation nicht mehr aus und ging auf die Tür zu, legte eine Hand auf den Griff und öffnete sie. „Dann war’s das?“ „Ja, das war’s.“ „Gut.“ „Gut.“ Link verschwand hinter der Tür und rannte mit dem Buch in der Hand aus dem Haus. Sara empfing ihn an der Haustür. Link war nun doch noch total durchgeweicht. „Lass mich raten, warst bei Zelda, hm?“, meinte Sara. Link nickte mit einem elenden Gesichtsausdruck und ging dann in schweren Schritten auf sein Zimmer. Sara wollte ihn nicht weiter belästigen, aber… er sah so unglücklich aus, dass sie einfach mit ihm reden wollte. Als sie in Links Zimmer trat, musste sie allerdings feststellen, dass er bereits alle Lichter ausgeschaltet hatte und wie ein Toter auf seinem Bett lag. Link war allerdings noch wach und starrte an die Decke. „Das war’s“, seufzte er. Sara stand noch in der Tür und hörte Link murmeln. „Link, wenn du mit mir reden willst, ich sitze in der Stube.“ „Ist gut, aber ich möchte schlafen… dann ist nichts mehr wirklich…“ Sara sah erschrocken in die Dunkelheit des Zimmers, ging aber dann. Link drehte sich um und ließ sich von der Göttin der Träume in die Arme schließen. Als er in die Träume eintauchte, erkannte er sich selbst auf einer grünen, weiten Wiese stehen. Ein Mädchen mit langem, blondem Haar hockte ihre Arme um die Beine geschlungen auf jener Wiese, während die Sonne beinahe brütend vom Himmel stach. Der junge Mann wollte sich orientieren, aber weit und breit nur grüne Wiesen, einzigartig, beinahe magisch. Er trat näher und legte eine Hand auf die Schulter einer Person, die ihm in der Realität einfach nicht mehr der Freund sein wollte, den er brauchte. „Zelda?“ „Mmh?“, murmelte sie und blickte sehnsüchtig an das Himmelszelt. „Habe ich einen Fehler gemacht?“, sagte er leise, platzierte sich hinter sie und drückte seinen zweifelnden Schädel an ihre Schulter. „Nein…“, meinte sie leise, aber blickte immer noch entschieden in das lichte Himmelszelt. „Dann ist es einfach nur Abneigung gegenüber mir?“ „Auch das nicht…“, meinte sie, nun strenger. „Willst du mich vor dir beschützen?“ Damit drehte sie ihr überraschtes Gesichtsfeld zu ihm. Sie blinzelte, aber brachte keine Antwort fertig. Sie lächelte, ein irrsinniges Gefühl des Glücks raste in seinem Körper entlang angesichts dieser wunderschönen Geste. Ein Lächeln… Sie hüpfte auf die Beine und klopfte die Falten an ihrem roten Kleid mit den Stickereien zurecht. „Irgendwann wirst du verstehen… irgendwann werden wir beide verstehen“, flüsterte sie und löste sich vor seinen Augen in tausend schimmernder Lichtfunken auf. Am Nachmittag des nächsten, brütendheißen Tages, zog es den Jugendlichem mit dem grünen Basecape direkt nach dem kurzen Schultag hinaus in die Wildnis. Link kannte einige Teiche und Seen in den Wäldern, die so versteckt hinter engstehenden Eichen und hohen Gebüschen lagen, dass niemand überhaupt von ihrer Existenz wusste. Zumindest glaubte der junge Held das und folgte nachdenklich seinem Weg. Von weiten hörte Link aber dann frohes Gelächter und Freuderufe. Ob vielleicht doch jemand diesen Ort entdeckt hatte? „Schade“, murmelte er leise. Denn eigentlich hatte er gehofft bei einem kühlen Bad in der Einsamkeit, seine Gedanken neu ordnen zu können. Antworten zu finden, die mit dem Rätseln in seiner Seele zu tun hatten. Antworten bezüglich Zeldas Einstellung, dem Geheimnis hinter ihrer Existenz und dem großen Geheimnis hinter seinem Selbst. Es war notwendig, die Antworten riefen schon beinahe von selbst nach ihm und doch wollte niemand ihm diese geben… Link erreichte den himmlischen Ort eines märchenhaften Waldteiches. Das Wasser klitterte in der Sonne silbern und lud einen Besucher ein, sich sofort in das kühle Nass hineinzustürzen. Link trampelte näher auf dem mit alten Nadeln belegten Waldboden herum und erkannte in etwa zehn Oberstufenschüler, die sich hier vergnügten. Seine tiefblauen Augen wanderten von Ilenas dürrer Gestalt, die mit einer Sonnenbrille lässig am Ufer des Sees lag zu ihren Freundinnen, die einigen Jungs in dem See zujubelten, welche sich ein Match mit einem Volleyball lieferten. Auch Rick, Sara und Mike waren unter ihnen und die beiden vorwitzigen Gestalten Josh und Hendrik. Ob die beiden die Story des Friedhofsmönches Drokon in ihre Zeitung eingearbeitet hatten? ,Hoffentlich nicht‘, dachte Link und marschierte zu einem kleinen Holzhäuschen, welches als Ablageplatz für die gesamten Rucksäcke diente. Link stellte seine Sachen dort ab, mitsamt den überflüssigen Klamotten, die er sich schnell und flink über den Körper streifte. Plötzlich fühlte er eine Hand auf der nackten Haut seiner Schulter und drehte sich geschwind zu. Ein paar hübsche Augen starrten ihn an und einige schokoladenbraune Haarsträhnen fielen in das bekannte Gesicht. „Hey“, sagte Link erfreut und stand mit Maron auf einer Höhe. „Hallo“, sagte sie und fand sogar wieder ein Lächeln nach den schrecklichen Dingen, die über sie hereingebrochen waren. „Wie geht es dir?“ Prüfend musterte Link die blassen Wangen des Mädchens und die Tatsache, dass Maron sicherlich fünf Kilo seit dem Erlebnis von ihrer schönen Figur eingebüßt hatte. „So einigermaßen“, sagte sie schwach und begegnete dann dem Blick Links. „Ich bin hier, um mich zu amüsieren“, ergänzte sie. Sie warf ihren rosa Rucksack in eine Ecke. „Ja, ich auch. So ist’s richtig.“ Sie nickte und zog sich ebenso schnell ihre Klamotten aus und trug einen dunkelblauen Badeanzug, bei dem Rick vielleicht die Augen herausfallen würden. Sie liefen gemeinsam barfuß zu dem Ufer, wo Ilena und ihre Clique Unmengen von Decken ausgebreitet hatten, aus Angst man könnte nur einige Sekunden mit den sauberen Füßen den Dreck des Erdreiches berühren. Zum Glück gehörte Maron nicht in diese Kategorie eitler Damen. Als Rick Link und Maron entdeckte, schwamm er fröhlich auf das Ufer zu und hüpfte schnell aus dem Wasser hinaus. Er gab Link einen Stups mit seinem nassen Ellenbogen und begrüßte Maron mehr als überschwänglich. Er packte Maron quietschvergnügt an ihren Händen und zerrte sie hinein in das kühle Nass. Sie fauchte laut, als das kalte Wasser ihre Haut traf, aber schließlich bereitete es ihr viel Heiterkeit Rick mit Wasser zu bespritzen und seinen Kopf aufheiternd unter die Wasseroberfläche zu drücken. Sie hatten viel Spaß zusammen, sodass Link sich zunehmend überflüssig fühlte und allmählich den Anflug von Neidgefühlen spürte. Ja, irgendwie war er neidisch auf die beiden… auf ihre Ausgelassenheit und Lebenslust. Mit einem lauten, kläglichen Seufzer ließ Link sich auf den Waldboden sinken, lehnte sich an den Stamm eines alten Baumes und war mit seinen Gedanken wieder dort, wo er nicht sein sollte. Er wollte sich ablenken, hatte sich so fest vorgenommen, nicht an die Geschehnisse der letzten Tage zu denken, gehofft, er könnte sie aus seinen Gedanken vertreiben, gehofft, er könnte Zelda aus seinen Gedanken streichen. Aber es ging einfach nicht… Er wehrte sich gegen seine Gefühle, aber es brachte nichts. Link ließ seinen Blick schweifen und sah Hendrik und Josh, die beiden ungleichen Zwillinge, ihm zu winken. Auch Link grüßte die beiden und blickte dann mehr oder weniger ungewollt zu Ilena, die seinen Blick einfing, als könnte sie ihn verschlingen. Sie nahm ihre dunkle Sonnenbrille ab und blinzelte mit ihren unechten Augen zu ihm hinüber. Sofort sah Link weg, hetzte auf und sprang per riskantem Kopfsprung in das kalte Wasser, tauchte einige Runden, in der stillen Hoffnung, Ilena würde vergessen, dass er überhaupt hier war, wenn er nur lange genug die Luft anhielt. Und Link schwamm gelassen am Grund des Sees herum, fand Unmengen von Plastikflaschen, Büchsen und anderen Kram dort unten, umlagert von Wasserpflanzen und weichem Moos. Kurz kam ihm der Gedanke eine Handvoll Pflanzen abzureißen und sie in das dämliche Gesicht Ilenas zuschmettern, aber dann erinnerte er sich daran, dass dies vielleicht keinen Nutzen hätte. Denn Ilena interpretierte alles so, wie sie es brauchte und würde diese Aktion für Spaß oder einen blöden Ausrutscher halten. Link schloss seine Augen und ließ sich entspannt am Grund entlang treiben, vergaß die Zeit und die Tatsache, dass er überhaupt Luft holen musste. Schon wieder war etwas im Gange… als würde Link die Zeit manipulieren und seinen durchtrainierten Körper selbst nicht mehr unter Kontrolle haben. Es dauerte und es dauerte, bis er wieder auftauchte. Er ließ sich Zeit, unterdrückte vielleicht deren Existenz und verfälschte den Rhythmus, welche sie jedem Geschöpf vorgab. Er hatte Kontrolle und gleichzeitig keine… Er öffnete seine Augen und drehte elegant und anmutig, mit leichten Bewegungen am Grund seine Runden, sah wie die Sonnenstrahlen hier unten entlang wanderten, sah wie das Element das Wassers dem Licht einen Weg schuf und die sanften Sonnenstrahlen an vielen Stellen den See mit Licht erfüllten, sah leuchtende, verzauberte Punkte am Grund und fühlte sich so frei wie schon lange nicht mehr. Er vermisste das Gefühl der grenzenlosen Freiheit, des Nichtgebundensein an die Dinge, das Abenteuer. Eines, das ihn zu fremden Orten führen und, wo er die größten Gefahren überstehen könnte… nach all dem sehnte sich sein junges Herz. Inzwischen war eine Viertelstunde verstrichen und Rick, wie auch Maron wunderten sich, wo Link blieb. Mit dem Anflug von Angst wollte Rick gerade nach seinem Cousin tauchen gehen, aber da schoss Links Kopf schnell und hastig aus dem Wasser heraus und er röchelte beinahe nach Luft. Er schaute auf seine Armbanduhr. Eine Viertelstunde? ,Wow, du bist gut, Link‘, sagte er zu sich selbst ohne die Spur von Hochmut. Rick schwamm näher und sagte kopfschüttelnd: „Spinner!“ Link grinste schief und zuckte mit den Schultern. Vielleicht hatte er tatsächlich irgendwo eine lockere Schraube. Link war gerade dabei sich an das Ufer zu begeben, als ein stabiler Volleyball seinen harten Schädel traf. Fluchend drehte er sich um und pfefferte das Stück zu Josh und Hendrik, die ihn geworfen hatten zurück und nahm für einige Minuten an dem lustigen Spiel teil. „Sagt mal, habt ihr Drokons geheime Aktionen in der Schülerzeitung veröffentlicht?“, wollte Link eifrig wissen, als er mit Josh und Hendrik bei den Rucksäcken in der Hütte herumkramte. „Nein, entgegnete Josh mit einem ernsten Blick in den dunklen Augen. „Ach nein? Wie kommt ihr denn zu der Einsicht?“, entkam es Link, der sich von seiner Selterwasserflasche bediente und die halbe Flasche mit einem Zug entleerte. „Wir wollten ursprünglich Photos entwickeln, nur…“, und Hendrik flüsterte fast und redete für seinen Bruder weiter. „… die Photos sind aus heiteren Himmel vor unseren Augen verbrannt.“ „Nicht wahr“, meinte Link fassungslos und ließ beinahe die Flasche in seiner Hand fallen. Müsste er sich an solche magischen Ereignisse nicht langsam gewöhnen? „Doch!“, schnauzte Hendrik und schüttelte bestätigend mit seinem Kopf. „Und als wir uns das Video anschauen wollten, wir haben ja schließlich alles auf der Videokamera aufgenommen, da war Drokon einfach nicht drauf, als hätte man ihn aus dem Bild herausgeschnitten.“ „Schräg“, sagte Link und nahm sich ein Handtuch, um seine Haare wenigstens ansatzweise zu trocknen. „Und habt ihr Drokon noch mal irgendwann gesehen?“ Die Zwillinge schüttelten gleichzeitig mit ihren Köpfen und zogen sich ihre Straßenklamotten an. „Wollt ihr schon los?“ „Ja, ist doch schon nach sechs. Du solltest vielleicht mal auf die Uhr schauen Link. Schönen Tag noch“, sagten die beiden und hüpften von dannen. Ilena und ihre Clique waren verschwunden und glücklicherweise hatte Link sich diesen Abend nicht ein dummes Wort aus ihrem Mund gehört. Und weitere Stimmen entfernten sich von Link, und so verschwand mit Sara und Mike der letzte Rest aus den Wäldern. Und tatsächlich leerte sich der Ort allmählich, gerade jetzt wurde es aber für Link geradezu vertraut und magisch in den Wäldern. Wenn der Abend in dem wohl ältesten Ort der Welt anbrach, da überkam Link diese geheime Sehnsucht nach etwas Unwünschbaren. Die Sonne verschwand und die Wälder verdunkelten sich. Der mächtige Arm der Nacht legte sich über die alten Laubgeschöpfe mit ihren in die Höhe schießenden Stämmen, den schweren Zweigen mit den vielen, wildwachsenden grünen Blättern. Link ließ sich entspannend auf den weichen, warmen Waldboden nieder, atmete tief durch seine Nase ein und genoss den Duft des süßlichen Wassers, den Geruch der Kiefernadeln und vergötterte die angenehme Stille. Aber wo waren eigentlich Maron und Rick abgeblieben? ,Komisch‘, dachte Link. Sie hatten nicht einmal Tschüss gesagt. In dem Moment hörte er wildes Kichern von irgendwo hinter der Hütte. Dann ein Knacken im Unterholz und auch Ricks Stimme erklang. Was beim Kuckuck war denn so lustig? Link sprang auf und wollte nachsehen, folgte den Geräuschen, erreichte eine kleine Lichtung, die von dem orangefarbenen Schimmern der langen Gräser verschönert wurde. Und da rannten zwei durchgedrehte Jugendliche hintereinander her, jagten sich und lachten während ihres Weges. Link schmunzelte und freute sich irgendwie irrsinnig für die beiden… Seinen Kopf neigend drehte er sich um und wollte die beiden bei ihrem unbefangenen Vergnügen keineswegs stören. Ihre Stimmen entfernten sich und Link war allein. Allein, auf seine ungewöhnliche Art und Weise. Auch wenn es verrückt klang, wenn man sein Leben lang allein gewesen war, wenn es niemanden gab, der die Seele in dem eigenen Antlitz verstehen konnte, dann, gerade dann lernte man den Wert der Einsamkeit durchaus zu schätzen. Das Alleinsein hatte eigentlich keine allzu verachtende Bedeutung mehr, wenn man mit den Konsequenzen einer so außergewöhnlichen Seele lebte und Link akzeptierte diese Verantwortung, welche auf seinen Schultern ruhte… Er beobachtete die weißen Wolkenfetzen am Horizont, die bereits eine fuchsrote Färbung genossen und phantasierte, sah Bilder in den Wolken, einmal ein gigantisches weißes Schloss mit vielen Zinnen, einer stolzen Flagge am höchsten schmalen Turm. Bilder über Bilder drängten sich ihm auf. Vorstellungen über Innenräume in alten Schlössern, alte Schränke, ein reichlich verzierter goldener Standspiegel mit einem Wappen an dessen oberster Kante, ein Balkon mit aus grauem Gestein bestehendem Geländer, eine Schlossmauer mit stabilen Kletterpflanzen, ein Brunnen, ein Schlossgarten mit weißen Rosensträuchern. Doch gerade als er mehr sehen wollte, als er diese Bilder festhalten wollte, legte sich eine hinterhältige Gewalt auf seine Gedanken und versiegelte die Erinnerungen wieder, versiegelte, was er nicht sehen durfte, da es nicht sein unumstrittenes Schicksal war, die Vergangenheit zu erinnern. Link ärgerte sich. Wieso konnte er sich nicht einfach daran erinnern, was er gerade seiner überquellenden Phantasie entlockt hatte? Warum durfte er das nicht? Es schien ein Verbot zu sein, als ob Götter für das Schweigen in seiner Seele sorgten. Er hetzte auf und sprang erneut in das kühle Wasser, schwamm seine Runden und fühlte diese maßlose Wut, da er schon wieder an Zelda dachte. Er reagierte sich ab, schwamm und schwamm immer schneller, bis er entkräftet an das Ufer torkelte. Er stützte sich schwerfällig auf seinen Knien ab und sah bereits den Mond am Himmel aufsteigen. Mit einem erzwungenen Lächeln lief er zu der Hütte und suchte seine Sachen zusammen. Es war nicht zu ändern. Zelda wollte seine Freundschaft nicht. Sie hatte ihm gestern unmissverständlich klar gemacht, dass es vorbei war. Sie brauchte seine Nähe nicht, sie wollte seine Hilfe nicht. Gegen Anbruch der Nacht kam Link zuhause an und ging ohne ein Wort auf sein Zimmer. Es war aus und nicht zu ändern. Er musste darüber hinwegkommen. Sara klopfte an seinem Zimmer und sagte etwas, dass Link jedoch nicht hören wollte. Es war ihm im Augenblick egal… er wollte etwas abschalten, aber schlief dann sehr schnell ein… In der Traumwelt schien alles so schön zu sein, so friedvoll, keine Probleme, keine Ängste… Link stand in einem alten Schlossgemach, das ihm beinahe vertraut erschien. Es war ein runder Raum, ausgelegt mit pelzigem, rotem Teppich und Kerzen warfen grausige Schatten an die Wände. Die Vorhänge waren noch zugezogen, aber Link wusste, dass die Nacht vorüber war. Er wusste nicht, was er hier zu suchen hatte, aber er spürte, dass jemand auf ihn wartete, nur auf ihn. Ja, als hätte ihn jemand zu sich gerufen, war er hierher gelangt, fühlte eine alte Sehnsucht in sich brodeln und Wünsche, die er in sich verschlossen hatte. In dem Zimmer entdeckte Link schließlich eine Gestalt, die seelenruhig in einem wunderschönen, riesigen Himmelbett schlief. Eine Märchengestalt mit honigblondem Haar, das sich schlängelnd auf einer bestickten golden schimmernden Bettdecke wand. Link beugte sich zu ihr und gab dem Wesen einen zärtlichen Kuss auf die Wange. Sie musste bereits wach gewesen sein, blinzelte erwartungsvoll und sah ihn, noch ganz im Halbschlaf, liebevoll und verträumt aus ihren himmelblauen Augen an. Er hörte sich selbst reden: „Willst du nicht bald aufstehen, hm? Es ist Mittag, in wenigen Minuten… und dein Vater möchte dich sprechen. Du weißt, wegen unserer bevorstehenden Feier…“ Sie lächelte, streichelte seine Hände. Sie blinzelte, schnappte dann nach Luft und schickte ihm einen flehenden Ausdruck in schönen himmelblauen Augen entgegen. Plötzlich quoll Blut aus ihren Augen und Link, entsetzt über das, was geschah, was er tat, sah seine eigenen Hände, die zu ihrem Hals wanderten, diesen zarten Hals umfassten und schließlich zudrückten. Er würgte sie, erbarmungslos, mörderisch. Er umgriff ihren Hals fester und drückte ihre Kehle gewaltvoll zu, ließ ihr keine Luft zum Atmen, ließ ihr keine Chance… ,Nein, das bin ich nicht‘, rief Link in die Stille der Nacht und seine Stimme überwand die Traumwelt. ,Hör’ auf damit, das bin ich nicht!‘, kreischte er. ,Ich würde das niemals tun, ich würde sie nicht verletzen!‘ Aber so sehr er auch kämpfte gegen den Traum und gegen diese Grausamkeit, er sah seine eigenen Hände, an denen Blut klebte. Er drückte immer fester zu, wie von Sinnen, als hätte er keine Kontrolle mehr über seinen eigenen Körper und als hätte der Schmerz über Zeldas Abweisung sich in bitteren Hass und Mordgier verwandelt. Die Prinzessin sah ihn mit Tränen in den Augen an. Aber sie wehrte sich nicht, entsetzt über das, was er tat. Ihr Hals, nun übersät von Blutergüssen, machte eine Luftzufuhr nicht mehr möglich. Mit einer letzten Träne, die ihre zartrosa Wange herunterfiel, hörte sie auf zu atmen und ihr Herz schlug nicht mehr. Ihre himmelblauen, mit Schatten belegten Augen erzählten ihm eine Geschichte über Schuld und verleugnete Bedürfnisse, über Angst und Einsamkeit… bis ihre Augen vom nebligen Gewand des Traumes bedeckt wurden… „Zelda“, schrie Link in die Dunkelheit seines Schlafzimmers. Begleitet von unheimlichen Herzrasen und der Angst im Nacken, wachte er auf, fiel aus dem Bett und hatte das Gefühl, seine Atmung setzte aus. ,Nein, das war ich nicht‘, sprach er aufgeregt in Gedanken, erinnerte den Traum mit allen Details, und spürte eine Angst in sich hochkochen, die er noch nie gespürt hatte, nicht einmal als er von den fünf Schlägertypen überfallen wurde. Leise wimmernd hockte er in der Nacht, lehnte sich kurz an sein Bett und blickte benommen in die Dunkelheit seines Schlafzimmers. Zunächst war er sich nicht sicher, ob er sich es einbildete, aber in der Dunkelheit seines Zimmers, beleuchtet von der Anzeige des DVD-Players, konnte er die Umrisse einer kleinen Gestalt ausmachen, die sich plötzlich auf ihn zubewegte. Tatsächlich. Da war doch jemand. Außer Sinnen, und durcheinander wegen seines Traumes, stolperte Link zu dem Lichtschalter und blickte hechelnd zu dem Wesen in seinem Zimmer. Es war das kleine Mädchen mit den wissenden, grünen Augen, das ihn beim Schwerttraining unterwiesen hatte. „Linky, du musst dich beeilen, Zelda ist in Gefahr. Und nimm’ deine Dolche mit.“ Das Geschöpf mit dem frechen, kleinen Kindergesicht winkte ihm zu und verschwand dann in einem Reigen buntleuchtender Splitter. Link stand irritiert in seinem Zimmer, fuhr sich durch sein blondes, wildes Haar und zog sich schließlich rasend an. Er fackelte nicht lange und hetzte aus dem Haus, rannte entschlossen zu der alten Villa, während Donner und Blitze ihn auf seinem Weg begleiteten. Er rannte bis zur Erschöpfung, rannte so aufgeregt wie noch nie in seinem Leben. Verzweiflung packte ihn, weil er spürte, dass etwas nicht stimmte. Link kam in Windeseile an dem Gebäude an, hoffend, dass es nicht zu spät war… In diesem Moment wachte Zelda in ihrem Zimmer aus leidvollen Träumen, Träumen über Hyrule, die ihre Seele folterten. Sie wusste zunächst nicht, was sie geweckt hatte, als sie aber jemanden zischend flüstern hörte. Ein wahnsinniges Wimmern und Betteln, dann lauter und befehlend. Eine kalte, weibliche Stimme sprach zu ihr, in Art und Weise wie ihre eigene, derselbe Klang, derselbe merkwürdige Dialekt und die Unsicherheit diese Erdensprache zu benutzen. Sie blickte um sich, konnte aber in der Dunkelheit niemanden erkennen, da ihre Augen sich noch nicht daran gewöhnt hatten. Sie blinzelte, rieb sich ihre Augen. „Was willst du“, sagte Zelda, suchte in ihrer Aufregung nach einem Messer, das sie in ihrem Nachttischschränkchen versteckt hatte. Sie fand es nicht sofort, wurde unruhig, fiebrig. Ihr lag Furcht auf der Zunge, aber sie würde diese nicht zeigen, nicht gegenüber einem Vasallen des dunklen Fürsten… „Ich will das gleiche wie du…“, bohrte sich die weibliche Stimme durch die nächtliche Stille. „Ich verstehe nicht“, entgegnete Zelda kühl, versuchte Zeit zu schinden und ahnte, dass sie ohne Hilfe diese Nacht nicht überstehen würde. „Ich bin du“, antwortete es, und es war dann, dass in der Nacht rotglühende Augen aufblitzen und der Prinzessin verdeutlichten, dass sie nicht mehr in ihrer Traumwelt und nicht alleine war. Zelda griff vorsichtig an den Schalter ihrer Lampe. „Wenn du jetzt das Licht einschaltest, wird dir das nicht bekommen.“ Zelda verstand die Warnung und versuchte in der Dunkelheit die Kreatur zu erkennen, wahrzunehmen, wer sie war, und wie sie überhaupt hier erscheinen konnte. Wie konnte sie an Impa vorbeischleichen? „Deine ach so treue Hofdame, wird dich nicht hören, ich habe ihr einen Schlaftrank gemischt… haha.“ Zelda begriff nun langsam, dass diese Kreatur, genau wusste, was sie dachte, was sie fühlte. Dennoch fragte die Prinzessin noch einmal ganz ruhig, bemüht die Lage zu begreifen, bemüht, sich in aller Ruhe zu überlegen, wie sie vorgehen sollte: „Was willst du von mir?“ „Ich will dein Leben, ich will das, was Link für dich fühlt.“ Zelda blieb auf diese Aussage fast die Luft weg: „…Was Link für mich fühlt?“ „Ich habe dich und den Helden beobachtet… So ein wunderbarer Kämpfer und du bist unfähig, auf seine Gefühle zu antworten. Du behandelst ihn wie Dreck, lässt ihn wie ein Schoßhündchen hinter dir her kriechen… Ha… du bist ein unwürdiges, dummes Mädchen, genau wie mein Meister sagte.“ Zeldas Augen wurden schlitzartig in der Finsternis. Kampfbereit richtete sie sich etwas auf. „Und du bist eine lächerliche, gezüchtete Kreatur, die nach der Pfeife des Dämonenlords tanzt. Du verstehst keine meiner Handlungen! Glaubst du wirklich, ich hätte Angst vor dir und seinen anderen Ablegern!“, zischte die Prinzessin. „Du solltest Angst vor mir haben… und Angst um deinen Helden…“, murrte die blonde Dämonin. Blitze erhellten kurzzeitig das Zimmer und Zelda konnte gerade so die Gestalt ausmachen, konnte angeekelt zusehen, wie sich ihr Angreifer mit einer langen Zunge über volle Lippen leckte. Es war dann, dass Zelda nicht mehr zögerte. Kreischend stürzte sie sich aus dem Bett, hastete mit ihrem kurzen, roten Nachtkleid in die andere Ecke des Zimmers, aber konnte in der Dunkelheit ihren Feind kaum ausmachen. Sie krallte sich ihre Schreibtischlampe, die aus zwei langen Stahlrohren und einem aufgesetzten Lampenkopf bestand und hoffte, sich damit verteidigen zu können. Dann endlich griff Zarna die vergessene Prinzessin des Schicksals an, stürzte sich zähnefletschend auf sie, schlug, trat und kratzte. Und die Prinzessin tat es ihr gleich. Gegenstände wurden umgeworfen. Schreie zerrissen die Stille. In dem Moment hatte Link die Tür in die große untere Halle aufgebrochen. Mit schnellen, entschlossenen Schritten raste der junge Held die Treppen hinauf, rief den Namen seiner Seelenverwandten so verzweifelt wie noch nie: „Zelda, wo bist du? Zelda!“ Link lauschte durch die Stille, vernahm Geräusche am Ende des Ganges, hörte Zeldas Schreie. Energisch trat er die Tür in Zeldas Schlafzimmer ein, sah zunächst nichts in der Dunkelheit, als aber das Licht der Deckenlampe aufflackerte. Was er dann sah, versetzte ihm einen gewaltigen Stich ins Herz. Das in Leder gekleidete Biest, das er vor einigen Tagen beim Sportunterricht gesehen hatte, hielt Zelda wie eine Puppe an den Haaren in der Luft. Jene schrie verzweifelt auf, als die Dämonin mit ihrer rechten Hand das Mädchen an der Kehle packte, sodass Zelda einige Zentimeter über dem Boden schwebte. „Lass sie sofort los“, fauchte Link, stellte sich in Angriffshaltung und zog seinen Dolch. Bereit für den ersten Kampf mit diesen Waffen wuchs sein Vernichtungswille. „Oder was dann? Glaube nicht, dass du hier die Befehle geben kannst. Ich sage, was getan wird!“, raunte die Feindin. Ihre weißen Glaskörper funkelten, schillerten, bis sie rot glühten. Sie drückte Zelda noch fester die Kehle zu, lachte wahnsinnig. Zelda kämpfte, und obwohl sie einst kämpfen gelernt hatte, so war ihr Körper in den letzten Tagen schwach und kränklich geworden, wohl, weil sie sich an das Essen hier in der Erdenwelt kaum gewöhnen konnte und weil sie seelisch litt… Sie war schwach geworden, konnte sich kaum aus dem Griff der Gegnerin befreien und umfasste hilflos und zittrig die eisige Hand der Dämonenkriegerin und hustete allmählich. Klägliche, saugende Atemlaute entkamen ihrem hübschen Mund… Link hatte geglaubt, es gab nichts, was er in letzter Zeit nicht hätte überstehen können, aber jetzt erlag er der Machtlosigkeit. Hilflos sah er zu der Dämonenkriegerin, die eine Waffe in ihrer Hand hielt und in der anderen Zeldas Kehle zerquetschte. Seine tiefblauen Augen schillerten mit Gewissheit, mit Angst, und mit Unterwürfigkeit… Gelähmt ließ er sich auf den Boden sinken und sprach bettelnd: „Was soll’ ich tun, dass du sie am Leben lässt?“ Er schämte sich dafür, dass er Zelda nicht anders helfen konnte. Aber er wusste nicht wie… Die vergessene Prinzessin versuchte mit dem Kopf zu schütteln, hauchte den Namen ihres Helden und keuchte mehr und mehr. Als Tränen aus ihren Augen quollen, konnte Link diese nicht sehen, er starrte nur zu Boden, verletzlich weich… „Du trägst doch zwei Dolche mit dir“, sprach die Kriegerin interessiert, ließ Zelda nur wenig Luft zum Atmen und lachte wieder. Wie auf Befehl nahm Link auch den anderen Dolch, der an seiner linken Wade versteckt war. Fest umfasste er das Leder, hörte es knirschen und reißen. „Nimm’ diesen einen Dolch und setz ihn dir ans Herz“, befahl Zarna. „Ich will sehen, wie du dich erniedrigst… für das Wohl deiner Zelda… ich will dich leiden sehen, spüren, wie dir ihre Gefühle das Herz bluten lassen… Ihr Schmerz und deiner bereichern den dunklen Lord…“ Mit messerscharfem Blick sah Link auf, wissend, er würde alles für seine Prinzessin tun, alles, für den Menschen, den er gefunden hatte. Zelda begann zu weinen, als Link tat, was die Dämonin verlangte. Skrupellos setzte sich Link einen Dolch an sein Herz, sein gesundes, kräftiges Herz, das tosend schlug. „Würdest du sterben, wenn ich ihr die Luftzufuhr abschneide? Würdest du für deine Prinzessin in die Hölle fahren?“ Link Blick war mitleidlos und eisig. Er überlegte nicht, handelte ohne zu realisieren, umfasste den Dolch energisch und kalt. Er konnte nicht anders, suchte nach Alternativen einer möglichen Rettung Zeldas, aber er wusste auch, dass es diese nicht gab. Er war derjenige, der handeln musste, der sich entscheiden musste. Und für das, was richtig war in der Welt, für das, was er liebte, würde er sich ohne die Wimper zu zucken bereitwillig opfern. „Stich zu, wenn dir ihr Leben am Herzen liegt“, summte die blonde Kämpferin, grinste makaber und ihre Augen funkelten tiefrot und bedrohlich mit jedem Wort, das sie sprach. „Nein…“, keuchte Zelda dann, kämpfte erbarmungslos gegen die Kräfte ihres Peinigers. Sie röchelte. „Tu‘ das… nicht, Link… bitte nicht… bitte.“ Sie schickte ihm einen flehenden Blick zu, einen, der ihn schockierte… da lagen Empfindungen in ihren Augen, die allem widersprachen, was sie in den letzten Wochen gezeigt hatte. Wärme und Sorge… und in ihren Augen war der Wunsch, dass es ihm gut ging. Tränen tropften von Zeldas Augen, die ihn noch weiter darin bestärkten, dass es richtig war, sich für sie einzusetzen, dass es richtig sein würde, sie zu retten… „Link… mein Link…“, röchelte sie, mobilisierte noch einmal alle Kräfte und kämpfte gegen Zarnas Zugriff. „Sei still, dumme Göre“, raunte die dunkle Kriegerin schließlich, ließ ihren Dolch fallen und umgriff auch mit ihrer anderen Hand Zeldas Kehle. Die Prinzessin wurde dann so fahl im Gesicht wie noch nie. Feine Äderchen platzten in ihren Augen, schwache Blutungen unter ihrer Haut verrieten ihren Todeskampf. Und Zarna drückte weiter zu. „Hör‘ auf damit!“, kreischte Link. „Ich warne dich, wenn Zelda etwas zustößt, bring‘ ich dich um! Ich tue, was du willst, aber lass‘ Zelda gehen…“, sagte Link, als er sich den Dolch immer noch ans Herz hielt und dessen Griff mit zitternder Hand fester umfasste. Zelda verlor in dem Augenblick das Bewusstsein. Ein letztes Röcheln entkam ihrer Kehle, bevor die Bewusstlosigkeit sie übermannte. Die Dämonin lachte teuflisch auf, begutachtete ihre Tat und warf den wehrlosen Körper Zeldas einfach in eine Ecke. Regungslos lag die Prinzessin dort, verwundet, geschändet und am Rande in eine andere Welt. „Jetzt ist es aus!“, kreischte Zarna, „Ich hab‘ sie umgebracht“, brüllte sie. „Die Prinzessin ist tot, tot… Und der Held, dumm und handlungsunfähig, hockt er dort, lässt sich von seinen Feinden einschüchtern, ist feige und unerträglich dumm… will sich opfern für eine kleine Schlampe, die ihn nur ausnutzt, sowohl hier als auch in anderen Leben!“ Link stiegen in dem Augenblick Tränen in die Augen. Ein letzter Blick, bevor ihn ein unerwünschter Trieb nach Rache überwältigte, glitt zu Zelda, die mit ihrem kurzen Nachtkleidchen dort lag, und vielleicht nicht mehr atmete. Ein Feuer der Brutalität erwachte in Link, eine alte, starke Natur forderte den Kampf und forderte Blut. Mit einer kaltblütigen Verzweiflungstat stürzte er sich auf das Monster, riss sie brüllend zu Boden, und stach mit beiden Dolchen in den schlanken, von Leder umgarnten Körper. Gnadenlos stach Link zu, immer und immer wieder, wollte töten, wollte Rache. Doch das Biest lachte nur und fand Gefallen an dem Schmerz, den Link ihr zu fügte. Sie lachte, bis ihr die Luft wegblieb… bis das violette Blut spritzte und sie ihn mit leeren Augen musterte. Ein letzter, piepsiger Ton entkam den feuerroten Lippen der Kriegerin, bis sie sich nicht mehr rührte… Dann hetzte Link, mit Tränen in den tiefblauen Augen, mit blutbeschmierten Händen auf Zeldas bewusstlosen Körper zu. Er nahm sie in seine Arme, liebevoll und zärtlich wie damals, als er sie in den Wäldern gefunden hatte… aber diesmal atmete sie nicht mehr, kein Lebenszeichen. Er suchte nach einem Puls an ihrem mit roten Striemen übersäten Hals, suchte nach einem Lebenszeichen. „Zelda!“, rief er quälerisch, bereit alles zu tun, dass sie diese schreckliche Nacht überlebte. Tausende Gedanken schossen in seinen jugendlichen Kopf. Ines um Hilfe bitten. Dar anrufen. Einen Krankenwagen holen. Aber er wusste auch, dass Zelda diese Zeit nicht hatte. Wie in Trance legte Link ihren bewusstlosen Körper auf den Boden, beugte sich über sie und berührte ihre Brust, diesen Körper, der nur von einem dünnen, roten Stoff bedeckt war, zählte die Rippen von unten aufwärts. Als weitere Tränen aus seinen Augen schossen, versuchte er es verzweifelt mit einer Herzdruckmassage. „Komm’ schon, atme…“, hauchte er, massierte ihr Herz, befahl diesem starken Muskel zu arbeiten. Aber Zelda rührte sich nicht. Sie blieb stumm, so verletzlich, so leblos. „Zelda, bitte…“, schrie Link selbstquälerisch. Noch nie hatte Link in seinem ganzem Leben für irgendjemanden, für irgendetwas Tränen vergossen. Aber nun wollten sie einfach nicht vergehen. Link probierte es mit einer Mund-zu-Mund- Beatmung, berührte Zeldas Lippen, hielt ihr die Nase zu… Und doch gab sie immer noch kein Lebenszeichen von sich. „Zelda!“, Link rief ihren Namen folternd in die Nacht, wusste, er würde nicht aufgeben. Er würde sie nicht gehen lassen, niemals. Er würde sie zum Atmen bringen… Er konnte sie nicht gehen lassen, nicht heute und hier. Er würde sein Herz für sie hergeben, wenn sie doch nur lebte… Wieder probierte er Herzmassagen und versuchte Luft in ihre Lungen hineinzudrücken. Sekunden kamen ihm vor wie Minuten und Minuten wie Stunden. „Zelda, lebe…“, winselte Link, den seine engsten Bekannten nicht wieder erkannt hätten. Er war wie verwandelt, gefangen in Angst und Hoffnungslosigkeit. Er machte sich Vorwürfe, hatte Schuldgefühle, sie alleine gelassen zu haben… Links Gedanken schweiften ab, er sah Zelda vor sich, das Mädchen aus der Vergangenheit, das Mädchen aus seinen Träumen… Er kannte sie, wollte sie beschützen und nun hatte er jämmerlich versagt. Versagt wie in all der Zeit auf diesem Planeten… jämmerlich… „Verzeih‘ mir, Zelda…“, wimmerte er, streichelte ihre Wangen, dann ihren mit hässlichen Malen übersäten Hals. Noch einmal presste Link Luft in ihre Lungen, spürte seine Tränen auf ihr Gesicht tropfen und betete… Auf einmal spürte der junge Mann einen leichten Druck aus Zeldas Innerem. Sie kämpfte… Er ließ von ihr ab, musterte sie, dieses wunderschöne Gesicht, ihre Eleganz… Ihre Hände zitterten, ihr Körper bewegte sich unruhig und dann begann sie plötzlich zu hüsteln. Sie hustete, als ob sie noch nie gehustet hätte, röchelte, kämpfte um ihr Leben… Zeldas erschöpfte, rotgefärbte Augen blinzelten plötzlich, ihre Brust begann sich wieder zu heben und zu senken, knirschend, pulsierend, unter Zwang. Link starrte wie eine Statue in ihre Augen, als immer noch Tränen an seinen Wangen hinab tropften. Er berührte ihre rechte Hand, vorsichtig, als hatte er Angst vor jedem bisschen zu viel Druck, den er ihr zufügen konnte. Er küsste die Hand, hielt sich diese an seine rechte Wange. Sie blickte ihn durch ihre rotgefärben Augen an, schluchzte dann und fühlte seine heißen Tränen auf ihrer Haut. „Ich will leben…“, wimmerte sie. „Link…“ Das Atmen fiel ihr schwer und sie wusste nicht mehr genau, was geschehen war. Aber der Ausdruck in Links Augen, sein schmerzerfülltes Gesicht, sagten ihr mehr, als sie wissen wollte. Sie fühlte sich schwer, nicht sicher, ob ihr Körper noch mitspielte und hatte Sorge bewusstlos zu werden. Link nahm sie plötzlich in seine Arme und trug sie schweigsam auf das Bett. Wie in Trance deckte er sie zu, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Zelda sah ihm genau in die Augen und wusste nicht, wie sie seinen Blick deuten sollte. Er schien nicht anwesend zu sein, wirkte, als träumte er, als war etwas in ihm erwacht, vor dem er sich fürchtete. „Link“, flüsterte Zelda. „Ich… es tut mir…“ Sie redete nicht weiter, als er sich zu ihr setzte, einen Zeigefinger auf ihre Lippen legte und dann ihren verwundeten Hals streichelte. „Zelda… nicht reden“, bat er. „Du brauchst sofort medizinische Hilfe…“ Seine Stimme klang schwach und benommen. Sie versuchte sich aufzurichten, stützte sich auf ihre wackelnden Arme und konnte einen Blick zu dem Fußboden erhaschen. Als sie das violette Blut dort entdeckte, das teilweise auch an Link klebte und an die Wände gespritzt war, kamen ihre Erinnerungen zurück. Mit Angst in den Augen prüfte sie Link und ahnte, was er getan haben musste. Auch er sah erschrocken um sich, beachtete das Blut weniger, aber ihm fiel sofort auf, dass die Leiche der schwarzen Zelda verschwunden war. Erst dann sackte der junge Held in sich zusammen, hockte auf der Bettkante und realisierte, was geschehen war. Besorgt musterte er seine Prinzessin, kramte sein Handy aus der Hosentasche und rief sofort die Notrufnummer. Aber da berührte Zelda ihn an seinem Arm und schüttelte zitternd ihren Kopf. „Nicht… ich kann… ich kann nicht…“ Bestürzt sah er das verwundete Mädchen an, nicht fähig irgendwie zu reagieren, nicht sicher, was sie von ihm wollte. „Du brauchst einen Arzt… Zelda… du warst…“ Plötzlich schlug jemand die Tür in Zeldas Zimmer auf, und Ines Schattener eilte aufgeregt herein. Sie orientierte sich, wirkte lethargisch, kaum wach genug um sich auf den Beinen zu halten. Sie sah Link todesbleich an Zeldas Bett stehen, hielt sich schläfrig an der Tür fest. Ein Blick auf Zelda und zu dem Blut in ihrem Zimmer genügte und sie wusste, dass etwas Entsetzliches geschehen sein musste. Zeldas Hals war übersät mit roten, bläulichen Flecken und ihr Gesicht war käseweiß, übersät mit Punktblutungen. Link warf Ines in dem Augenblick einen zornigen Blick entgegen und schüttelte enttäuscht mit dem Kopf. Ines sah die Tränen in seinen tiefblauen Augen. „Was willst du sein?“, Links Stimme dröhnte durch den Raum. „Ihre Erziehungsberechtigte… und du kriegst es nicht einmal fertig darauf Acht zu geben, wer in diesem Haus ein und aus geht!“ Der junge Mann brüllte so laut, dass es auf die Straße schallte. „Link… bitte…“, begann Zelda zögerlich, spürte ihren Hals unerträglich schlitzen und bekam kein weiteres Wort aus ihrem Mund. „Zelda wäre beinahe tot gewesen und du… du schläfst seelenruhig in deinem Arbeitszimmer. Du bist unfähig, du bist einfach hilflos… du schaffst es nicht, sie zu beschützen.“ Fassungslos sah die einstige Shiekah in das wütende Gesicht des vergessenen Heroen. Sie hatte ihn noch nie so verzweifelt gesehen. Und obwohl Link nicht alles erklärt hatte, wusste Impa sehr genau, was sie von Zeldas Zustand halten musste. Sie hatte versagt… versagt, die Prinzessin vor den Vasallen des Dämonenlords zu beschützen. „Zelda braucht dringend einen Arzt!“, donnerte Links laute Stimme durch den Raum. „Erledige deine Pflichten…“, setzte er hinzu, blickte mit Tränen in den Augen zu Zelda und fragte sich, ob sie auch jetzt daran festhielt ihn nicht mehr sehen zu wollen. Aber da sackte sie in den Schlaf, ihr Körper hatte keine Kraft mehr, und ihr Geist erzwang Ruhe und Erholung. Erschrocken wirbelte der jugendliche Retter zu seiner Seelenverwandten, begriff aber sehr schnell, dass sie nur erschöpft war. Ihr Brustkorb hob und senkte sich wieder. Sie lebte… bei all den guten Geistern in dieser Welt… er war so dankbar, dass sie lebte… Link hockte weiterhin auf der Bettkante, orientierungslos und erschöpft, als Ines sich um Zeldas Versorgung kümmerte. Dr. Dar Gordon kam nur Minuten später aufgelöst in der Villa an und untersuchte Zelda so gut er es konnte. Ihm war nicht wohl dabei zu wissen, dass ein wiederbelebter Mensch ohne entsprechende medizinische Versorgung behandelt wurde und er wusste, dass sie eigentlich überwacht werden müsste. Aber… es gab leider auch dringende Gründe, sie hier zu behalten. Erst einmal konnte sich keiner sicher sein, dass in der Stadt Schicksalshort nicht noch andere Gefahren auf Zelda warteten… und zweitens würde es schwierig werden die Sachlage zu erklären. Dar entschied sich dann diese Nacht in der Villa zu bleiben, Zelda zu versorgen und auch Heilmittel zu nutzen, die auf der Erdenwelt nicht unbedingt üblich waren. Link wich kaum von Zeldas Seite, wollte sich mit Ines über den Vorfall unterhalten, aber er konnte einfach nicht. Da war ein Chaos in seinen Gedanken, das er nicht in den Griff bekam. Der scheinbare Tod der Dämonenkriegerin. Zeldas lebloser Körper und seine Versuche sie wieder zu beleben. Die Tatsache, dass er etwas unternehmen müsste… Er hatte getötet, er hatte einem Geschöpf, das böse war, den Tod gebracht… Und er hätte sich für Zelda beinahe selbst umgebracht… Fertig mit den Nerven war es, dass der junge Held genug hatte von Kämpfen und genug von Angst und der Unkontrollierbarkeit des Lebens. Er hatte einen Punkt erreicht, wo selbst er nicht mehr konnte, und hatte weder Dar und Ines die Geschehnisse in Zeldas Zimmer ausführlich geschildert. Und dann irgendwann in der Nacht war der junge Held im Wohnzimmer bei den Schatteners eingeschlafen… Als Link tief in der Nacht, nur eine Stunde vor dem Sonnenaufgang aufschreckte, beinahe panisch, und mit einem unterdrückten Schrei sofort auf seinen Beinen stand, hastete er sogleich aus dem Wohnzimmer. Er sah aus wie ein Gespenst nach der Nacht, sein grünes T-Shirt noch immer voller Blut, und er erblickte gerade Ines Schattener mit einem Tablett aus der Küche treten. Sie hatte Tee und Hühnersuppe gekocht und warf Link einen erschöpften, aber auch erleichterten Blick zu. „Link…“, murmelte sie. „Bist du schon…“ Aber der junge Mann unterbrach sie streng: „Ich will sofort zu Zelda!“ Er war dabei die Treppe hinauf zu hasten, als sie ihn zurückhielt. „Warte bitte.“ Er seufzte, drehte sich seitwärts und fuhr sich durch das durchgeschwitzte, blonde Haar. Ihm war mulmig, selbst der Geruch der Suppe erschien ihm unerträglich. „Was ist?“ Jedes Wort von Ines war ihm im Augenblick zu viel. Er fühlte neben dem Chaos über das, was diese Nacht geschehen war, Ärger vor allem gegenüber Ines. Er hatte erwartet, dass die Direktorin besser für Zeldas Sicherheit garantieren konnte. „Es tut mir leid“, sprach sie und blickte ihn aufmunternd an. „Und gleichzeitig bin unheimlich dankbar, dass du hier warst als…“ Link schüttelte dann nur noch den Kopf. „Sorry, dass ich so ausgetickt bin…“ Er wusste, dass er überreagiert hatte, aber Zeldas Wohl war das Wichtigste für ihn. „Nun ja, du hattest Recht mit jedem Wort, dass du gesagt hast“, meinte Ines sachlich und ihre rotbraunen Augen leuchteten mit Selbstdemütigung. „Ich habe nicht aufgepasst… nicht genug.“ Link sagte nichts dazu, rieb sich seine müden Augen und hatte nur noch den Wunsch nach seiner Prinzessin zu schauen. „Würdest du mir noch erklären, was geschehen ist?“, bat die Direktorin dann, aber auch hierzu blieb Link schweigsam. Er war dem Reden so überdrüssig. Als er den Kopf schüttelte, entgegnete Ines mit einem enttäuschten, aber einsichtigen „Okay.“ Gemeinsam traten Link und Ines in das Zimmer der verwundeten Prinzessin ein. Ein warmer Strom Energie schoss den beiden entgegen, als sie die Tür schlossen. Verwundert musterte Link den Innenraum und fragte sich nur, was der Arzt hier angestellt hatte. Der Kamin brannte, schickte ein gellendes, fast weißlich leuchtendes Feuer umher. Irgendwelche eigentümlichen Duftsäckchen hingen am Kamin und über dem Bett. Und auf dem weißen Schreibtisch waren mehrere Gefäße und Reagenzgläser aufgestellt, teilweise mit merkwürdig aussehender Flüssigkeit. Dr. Gordon saß am Bett des blonden Mädchens und wirkte übereifrig und beschäftigt. Dann fiel Links Blick zu Zelda, die ruhend in dem Bett lag, gleichmäßig und tief atmete und blinzelte. Ihr goldenes Haar war zerzaust… ihr Gesicht aschfahl und übersät mit den Punktblutungen, die noch mehr sichtbar waren als vorher. Der Arzt hatte ihr sogar eine Infusion angehängt. Link stiegen Tränen in die Augen, als er sie sah… weil sie so verwundbar wirkte, so schwach und verletzlich… Zeldas himmelblaue Augen wanderten benommen zu ihm. Sie schluchzte und legte sich ihre zitternden Hände über das Gesicht. Es war so einfach aus ihrer Gestik abzulesen, dass sie sich schämte. Für ihre Schwäche und das, was Link erlebt hatte… gerade davor hatte sie ihn bewahren wollen… „Ich weiß nicht, wie es dir geht, Ines, aber ich habe Hunger!“, meinte Dar, klatschte in die Hände, handelte schnell und nahm Ines das Tablett ab, das sie brachte. Er stellte es auf den Schreibtisch, zwinkerte ziemlich auffällig dem jungen Helden zu und ging in Richtung Tür. Er räusperte sich mit einem lauten „Ähäm“ und warf Ines eindeutige Blicke zu. „Oh… jaja, ich bin schon unterwegs“, entgegnete sie und hetzte mit dem Arzt aus dem Raum. Link schluckte den Knoten in seinem Hals herunter, als er realisierte, dass er mit Zelda alleine war… seiner Zelda… Wie versteinert stand er neben der Tür, hatte Unmengen von Wörtern auf den Lippen, aber keines wurde gesprochen. Er traute sich nicht einmal näher zu treten nach der Abweisung der letzten Tage. Es kam ihm beinahe so vor, als hätte das Schicksal diese Situation eingefädelt, das Schicksal, das Zelda zwang sich mit ihm auseinanderzusetzen. Warum sonst sollte er diesen Traum gehabt haben, den Traum, der ihn dazu brachte überhaupt hier zu erscheinen um sie zu retten? Er wollte die Stille brechen, aber erneut kam kein Wort aus seinem Mund. Alles, was er sagen wollte, erschien ihm dumm und falsch. Mit einem erstickten Seufzen trottete der jugendliche Retter zu dem Tablett, schenkte mit zitternden Händen den Tee ein und tapste nervös mit dem Tee in der Hand zu seiner Seelenverwandten. Er war froh, dass er nicht mehr als die Hälfte des heißen Getränks verschüttet hatte, als er an ihrem Bett stand. Sie schluchzte, traute sich nicht ihn anzusehen, auch dann nicht, als er sich auf die Bettkante setzte. „Zelda… Hier… dein Tee…“, sprach er benommen. Sie reagierte nicht darauf, ballte ihre Hände zu Fäusten. Diese zarten Hände, die beinahe erkaltet wären. Link atmete frustriert aus, stellte die Tasse auf den Nachttisch. Er wollte einen Anfang machen, aber ahnte, dass die blonde Schönheit kaum mit ihm reden wollte. „Wie fühlst du dich…“, fiel ihm spontan ein, aber auch darauf reagierte sie kaum. Noch immer bedeckte sie ihr Gesicht mit beiden Händen, vielleicht aus Scham. Link sah schnell ein, dass es nichts brachte, ihr ein Gespräch aufzwingen zu wollen, aber er wollte nicht ohne einen Versuch wieder verschwinden. Er biss sich auf die Lippe und traute sich etwas, wofür Zelda ihm unter anderen Umständen vielleicht eine Ohrfeige gegeben hätte. Aber so würde sie vielleicht endlich mit ihm reden. Er krabbelte auf das Bett und alleine dies ließ die Schönheit aufschrecken, dann stützte er seine Hände neben ihrem Gesicht ab. Erst dann glitten ihre kühlen Hände von ihrem Gesicht und Link konnte sie eindringlich mustern. Jegliche bitteren Gefühle waren aus ihrem Gesicht gewichen. Ihr schöner, begehrenswerter Mund stand weit offen und drückte Überraschung aus. Ihre Lippen formten seinen Namen, aber sie sprach ihn nicht aus. Sie war so wunderschön, selbst mit den Verletzungen… „Verdammt, Zelda, rede endlich mit mir…“, klagte er. Sie tauchte ein in seine tiefblauen Augen, als segelte sie auf einem riesigen Meer, genoss den Moment der Nähe, und ließ sich von der Aufrichtigkeit seines Blickes hypnotisieren. „Kannst du reden?“, murmelte er dann, nicht sicher, ob ihre inneren Verletzungen am Hals das Sprechen beeinträchtigten. Sie nickte bloß und sträubte sich schließlich gegen seine Nähe. Sie drehte sich seitwärts und krümmte sich etwas zusammen. Auch Link wich dann zurück, enttäuscht und genauso vergebens wie vorher. Er hüpfte auf seine Beine, blickte hinaus, wo allmählich die Sonne aufging. „Du machst… dieses Versteckspiel nicht, um mir weh zu tun… oder weil du mich nicht leiden kannst… richtig?“ Sie schien sich auf diese Worte noch mehr zu krümmen. Ja, er hatte einen sehr wunden Punkt mit diesen Wörtern getroffen. „Zelda, was soll ich noch sagen oder tun, dass du endlich mit mir redest. Ich kann verstehen, dass es dir schlecht geht im Moment, aber du kannst mich nicht schon wieder einfach so stehen lassen. Ich habe dir das Leben gerettet…“ Er wollte ihre keinen Druck machen, und es lag ihm fern für seine Aufopferung irgendetwas zu verlangen, aber zumindest eine Erklärung erwartete er. Sie schluchzte und da wusste der junge Heroe, dass sie schon wieder weinte. „Link… versteh‘ mich bitte… ich will dich nicht in Gefahr bringen… ich will nicht, dass du wegen mir leidest…“, sprach sie endlich, stockend. Ihre Stimme war rau und belegt. „Und was ist mit dir… soll ich zusehen, wie du zerbrichst… an diesem ganzen Mist, den du durchmachst…“, sprach er aufgeregt und musterte sie wieder. „Es ist meine Entscheidung… bitte geh‘ jetzt“, hauchte sie schwach. „Es ist eben nicht nur deine Entscheidung…“, argumentierte er. „Ich konnte dich nur retten, weil mir ein Traum gesagt hat, was passieren wird… Ich werde in diesen Mist verwickelt, egal ob ich will oder nicht. Du kannst mich nicht schützen.“ Er versuchte ruhig und sachlich zu bleiben, aber den Gefühlwirrwarr in seinem Herzen hielt er kaum noch aus. „Zelda, ich verstehe das nicht… Warum wurdest du angegriffen? Was bedeutet das alles…“, meinte er. „Link…“, flüsterte sie schließlich schwach. „Ich kann… jetzt nicht mehr… Bitte geh‘ nach Hause…“ Einsichtig, dass es ihr nicht gut ging und sie vielleicht auch nicht die Kraft hatte sich mit seinen Zweifeln auseinanderzusetzen, nickte er bloß. Mit noch mehr Fragen in seinem Kopf trat er aus dem Zimmer, verabschiedete sich von einer erschöpften Direktorin und einem traurig dreinblickenden Dr. Dar Gordon. Als Link die Einfahrt auf dem Grundstück hinunterlief, setzten sich seine Beine noch schneller in Bewegung. Er kniff seine Augen zusammen und lief hetzend durch den strömenden Regen… Als Link sich auf den Weg nach Hause machte, lag die einstige Prinzessin Hyrules wachend in ihrem Bett, fühlte sich kläglich und verausgabt. Ihr Hals tat schrecklich weh, aber der Schmerz war auszuhalten… sie war es gewöhnt Schmerzen auszuhalten… Sie erklärte Ines und Dar kurz und bruchstückhaft die Ereignisse, worauf sich Dar verabschiedete. Zelda war außer Lebensgefahr und damit war sein Job beendet. Die einstige Shiekah saß derweil besorgt an Zeldas Bettkante. „Also schickt er tatsächlich seine dunklen Diener. Ich frage mich, wie er es geschafft hat, in diese Welt zu gelangen“, meinte sie nachdenklich. Zelda seufzte kurz und berührte dann ihre Schwellungen am Hals. Sie spürte eine leichte Übelkeit und ein sehr unangenehmes Zittern in ihren Gliedern. Ines dachte außerdem über das nach, was Link gesagt hatte. War sie tatsächlich nicht in der Lage für Zeldas Schutz zu sorgen? „Impa, warst du jemals an der Schwelle zum Tod?“, meinte die vergessene Prinzessin Hyrules schläfrig. Die Direktorin schüttelte ihren Kopf. „Schwer verwundet im Zeitkrieg… aber ich war nie soweit…“ „Bevor Link mich wiederbelebte… ich habe…“, begann sie und fragte sich, ob sie dies für sich behalten sollte. „Was hast du gesehen, Zelda?“ „Wärme… Geborgenheit… und Hyrule…“, gab sie preis. Aber dies war nicht alles. In diesen zerrütteten Sekunden, wo sie Link spüren konnte, wo seine gesamte Energie auf sie gerichtet war, seine Besorgnis, seine gesamte Konzentration und alles, was seine Seele ausmachte. In diesen wenigen Sekunden, wo sie ihn von oben herab an ihrem Körper Wiederbelebungsversuche durchführen beobachten konnte, sah sie im nächsten Augenblick zwei Kinder auf den Wiesen Hyrules. Ein Junge, vielleicht sieben Jahre alt, mit himmelblauen Augen und einer grünen, aber prachtvollen Tunika und einem weißen Gürtel um die Hüfte. Er rief nach seiner Schwester, einem süßen, tollpatschigen Mädchen mit rosa Kleidchen. Sie hatte seidiges, gelocktes Haar, hellblond, und sie stolperte fröhlich hinter ihm her. Alles, was Zelda in dem Augenblick noch spüren konnte, war Wärme und das Gefühl, dass diese Kinder sie brauchten… Impa legte plötzlich fürsorglich eine Hand über Zeldas Stirn und sah dann die Blässe in ihrem Gesicht. „Es tut mir leid, Zelda… Möchtest du vielleicht doch noch ins Krankenhaus… Ich sollte Richard Raunhold anrufen, er kennt sich mit Nahtoderfahrungen aus…“ Doch Zelda schüttelte mit dem Kopf: „Nein, es war… es war nicht belastend…“ Eine Träne tropfte von ihren Augenwinkeln, als sie die Bilder der beiden Kinder in ihr Gedächtnis rief. Es gab ihr Mut… Nachdenklich lag Zelda in ihrem gemütlichen Bett, kuschelte sich in die Kissen und erinnerte sich an den Ausdruck der Angst in Links Augen. Sie konnte sich nicht erinnern damals in Hyrule diesen Ausdruck gesehen zu haben. So viel Wärme und Mitgefühl in seinem Blick. War es möglich, dass sie jenen Blick in der Vergangenheit nie hatte sehen wollen? Zelda schloss langsam ihre Augen für einen Moment und zog die Decke zu sich heran. Insgeheim wünschte sie sich, Link wäre jetzt hier. Warum war sie so stur ihn wegzuschicken… er hielt trotz der harten Worte immer noch zu ihr… „Wie fühlst du dich jetzt?“, murmelte Impa und riss sie aus ihren Gedanken. „Kläglich…“, sagte Zelda ehrlich. „Ich brauche… Schlaf.“ „Bist du sicher, dass du nicht etwas anderes brauchst?“ Und Impas wissender Blick setzte Zelda vielleicht noch mehr zu als das Ereignis vor wenigen Minuten. Impa wusste genau, was Zelda in Wahrheit brauchte, um mit dem Schockgefühl fertig zu werden und es war weitaus mehr als Schlaf. „Link… er…“, fing Zelda an. Impa reichte ihr den mittlerweile lauwarmen Tee in einer Tasse mit der Aufschrift ,Für unpassende Ereignisse’. „Ich… was ist nur los mit ihm… Er sollte keine Erinnerungen an Hyrule haben… warum kämpft er so darum, dass ich ihm das alles erkläre. Ich kann ihm nicht von Hyrule erzählen… er soll dieses Leben endlich genießen… Warum geht er so weit, sich für mich opfern zu wollen…“ Zelda stützte eine Hand an ihren Kopf, sich wünschend, Ines hätte diese Worte nicht gehört. Sie hieß dies ohnehin nicht gut. Impa würde Link am liebsten in alles einweihen. „Zelda, ich will mich nicht schon wieder mit dir streiten… erst recht nicht jetzt…“, platzte es aus ihr hervor. „Aber Link empfindet so viel für dich, es ist kein Wunder, dass er dich retten will…“ „Das ist nicht alles“, murmelte die Prinzessin leise, dann gähnte sie. „Er hätte… sich seine Dolche ins Herz gerammt, wenn es die dunkle Kreatur verlangt hätte…“ Doch diesen Umstand hatte Impa noch nicht gewusst, sie torkelte ein wenig und fiel darüber aus allen Wolken. „Link hätte… er hätte sich für dich geopfert?“ Sie schüttelte entgeistert ihren Kopf. Aber dadurch war für sie eine Sache klar, die Zelda nicht ertrug… Link hatte keine Erinnerungen an Hyrule, aber alles, was ihn ausmachte, auch seine Gefühle der Prinzessin gegenüber waren dieselben. „Dann weiß ich nicht mehr, was geschehen ist. Ich vermute…“, Zelda warf einen angeekelten Blick auf die getrockneten Blutspuren an Wand und Schrank. „… Link hat diese Kreatur umgebracht.“ „Wozu ich nicht fähig war.“ „Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen, Impa.“ „Doch, das muss ich und Link hat vollkommen Recht behalten.“ „Wie auch immer, ich muss mich jetzt… ich muss das versuchen zu vergessen…“ Trübsinnig streichelte sie den grünen Ring an ihrem Finger und dachte an die beiden Kinder in ihrer Vision. Es war so angenehm jene zu sehen, jene zu spüren, auch wenn sie nicht wusste, wer sie waren… Impa setzte sich an den Rand des Bettes und meinte beunruhigt: „Das ist richtig… du solltest versuchen zu schlafen… Wenn es dir besser geht, reden wir über das, was geschehen ist.“ Aber Zelda hielt Impa an einer Hand zurück: „Impa… du meinst, wir sollten uns einen Plan überlegen unseren Feind auszuschalten, ist es das?“ Die einstige Shiekah nickte beschwörend. „Wir haben keine andere Wahl. Wenn das so weiter geht, bringt er einen von uns um…“ Zelda zog die Decke zu sich und bekam erneut wässrige Augen. „Wenn das so weitergeht, wird Link noch mehr verletzt… oder getötet… wenn wir Link einweihen, wird er sich ihm entgegen stellen wollen… Er wird seinem Pflichtgefühl nachgehen…“, sprach sie bekümmert. Sie verkrampfte sich und grub ihre Fingernägel in die Bettdecke. „Aber dazu wird es auch kommen ohne dass wir ihn über alles unterrichten…“, argumentierte Ines. „Deine Abweisung ist für ihn noch schlimmer als alle Wunden vorher. Du kannst ihn nicht vor dem Kampf gegen seinen Erzfeind beschützen, Zelda. Hör‘ auf dich für deine Fehler aus der Vergangenheit zu bestrafen…“ „Lass‘ mich allein, Impa“, sprach die Prinzessin dann bissig. Ihre Vertraute hatte nun doch noch zu viel gesagt und sich den Mund verbrannt. Und wenn es etwas gab, das Zelda bezüglich ihrem Helden nicht hören wollte, dann war es die Wahrheit… Ein dunkler Schatten breitete sich in der alten Kathedrale aus, während düstere Töne einer Orgel erklangen. Das Blut der Erde tropfte leise an den Wänden herunter, erzeugte klirrende Töne, die in der endenden Nacht untergingen. Die Gestalt der Dämonenkriegerin humpelte ziellos durch die Reihen der alten Holzbänke. Sie ächzte, lachte närrisch, während sie sich mit ihren blutbefleckten Händen den Brustkorb zuhielt. Dickes Blut rann aus den Stichwunden des Helden und sie wusste, sie würde daran verenden… aber einen süßeren Tod würde es für sie niemals geben. Es war der Held, der ihr das Leben nahm, allein dies war Genugtuung für sie. Ihre Schritte wurden immer schwerer. Sie wusste, dass sie für ihr Handeln bestraft werden würde, von ihrem Meister, aber was hatte sie noch zu befürchten. Sie würde ohnehin sterben, und sie starb mit dem süßesten Gefühl überhaupt… Der Held hatte sie berührt… und gequält… Sie hatte Zelda aus Eifersucht umgebracht. Nur das zählte… die einstige Prinzessin aus Hyrule war tot, Vergangenheit. Besessen von ihren abscheulichen Gedanken kroch sie in Richtung Altar, wo ihr Herr wartete. Sie kniete nieder, während schwarzes Blut aus vielen Stichen an ihrem Körper tropfte. „Was hast du mir zu sagen, Zarna?“ „Lord, ich…“ Zarna leckte sich wieder auf ihre widerwärtige Weise über die Zähne. „Des Helden Herz ist gebrochen. Sie ist tot… tot…“ Der monströse Kerl wand sich kopfschüttelnd zu dem verletzten Untertan. „Du hast alles vermasselt, dumme, niedere Mistgeburt. Jetzt da die Prinzessin tot ist, werde ich niemals wahre Gestalt annehmen können. Du bist ebenso des Todes. Nenn’ mir einen Grund, dich am Leben zu lassen.“ Zarna wischte sich das Blut von ihren Mundwinkeln und grinste. Dann lachte sie wieder frei heraus. Ihr kaltes, wahnsinniges Herz, zerfressen von Neid und Missgunst für Zelda hatte ihr die Fähigkeit genommen Schmerzen zu fühlen. Sie genoss es auf eine abartige Weise zu leiden. „Herr, ob ihr mich nun tötet oder nicht, ist für mich nicht von Interesse.“ „Aber, ob du in der Hölle schmorst oder nicht, sollte für dich von Interesse sein, nutzloses Weib.“ Der riesige Abschaum breitete seine Arme aus und brüllte plötzlich, dass die Wände bebten. „Du Miststück, wegen dir habe ich die einzige Möglichkeit verloren, Zeldas Kraft zu bekommen. Ich bin tot. Ich bin lebendig. Ich bin alles…“ Er lief einschüchternd auf Zarna zu, während sie langsam nach hinten kroch und ihren Meister nicht aus den Augen ließ. Er holte aus und hatte plötzlich ein Schwert in der Hand. „Dich mit einem Schwert zu töten, ist viel zu einfach… Er schwang seine Faust und ließ sie wieder herabsinken. Plötzlich zersprang der Körper Zarnas in scharenweise kleine blutbefleckte Splitter, die sich in alle Himmelsrichtungen zerstreuten. Die Splitter flogen dann aus den zerbrochenen Fenstern der Kirche. „Zerstreut euch und ergreift Besitz williger Sklaven, für die Rache, für den Tod, für die Verseuchung und mein Leben…“ Mit einem unheimlichen, roten Glühen in den Augen stolzierte das Monster, dessen Schatten immer größer wurde, in Richtung Altar… Währenddessen führte Link kurz vor dem Sonnenaufgang seinen Schlüssel in das Schlüsselloch an der Tür seines Elternhauses, doch die Tür wurde überraschenderweise von seiner Schwester aufgezerrt. Sara sah ihn argwöhnisch, besorgt und schlecht gelaunt an. „Wo warst du?“ Sie wollte ihm eigentlich eine Standpauke halten, als sie aber sein vergrämtes, bleiches Gesicht sah und die getrockneten Blutspuren auf seiner Kleidung, verging der Ärger und Sara blickte ihn mitfühlend an. Link antwortete nicht, seufzte und wimmerte etwas, wich ihrem wissenden Blick aus und rannte beinahe panisch auf sein Zimmer. Doch Sara würde jetzt nicht locker lassen. Aufgeregt sprang sie hinter einem erschöpft aussehenden Link hinterher. „Was ist los, Brüderchen?“ Sie pflanzte sich auf die Couch in Links Zimmer, während jener kopfhängerisch vor seinem Schreibtisch stand und sich über seine Stirn rieb. Er hatte ein Stechen in seinem Kopf und brauchte Schlaf. Mit dem Gedanken spielend, seine kleine Schwester anzulügen und eine plausible Ausrede zu erfinden, stützte er sein Körpergewicht auf dem hölzernen Tisch ab. Andauernd hatte er Zeldas leblosen Körper in seinen Gedanken und andauernd erinnerte er sich an den Geschmack und den Geruch des Todes… „Es ist nichts“, murmelte er, wollte das, was geschah verheimlichen und fühlte sich inzwischen leicht beschämt, da er sich beinahe selbst aufgegeben hatte. Doch was sollte falsch an seiner Selbstlosigkeit sein? Warum stärkte er sich nicht an dem Gedanken, wie edelmütig er doch war und wie groß seine Bereitschaft zu helfen, ohne an den Preis seines Lebens zu denken, den er irgendwann bezahlen würde. „Lügner“, sagte Sara ruhig. Aber sie machte ihm keinen Vorwurf. Sie stand auf und legte eine Hand über seine Schulter. Daraufhin drehte sich Link um und Sara schaute in das klare dunkelblau seiner ernsten Augen. „Ich“, brachte er hervor. Tief einatmend setzte er sich auf sein Bett. „Du musst mit jemandem reden…“, meinte sie. „Du siehst aus, als hättest du diese Nacht die Hölle durchgemacht…“, sprach sie. „Und vielleicht solltest du eine heiße Dusche nehmen und deine Kleidung in den Müll werfen“, setzte sie aufmunternd hinzu. „Wenn Mum dich so sieht, glaubt sie, du hättest jemanden umgebracht.“ Sara hatte ihre Aussage sicherlich scherzhaft gemeint, aber ahnte nicht, dass sie den Pfeil ins Schwarze getroffen hatte. Als Link daraufhin noch fahler im Gesicht wurde, verstand seine kleine Schwester etwas, das sie nicht völlig zugeben würde. „Link“, sprach sie besorgt und lief zu ihm hinüber. Sie umarmte ihn und wollte ihn trösten. Sie spürte, dass mehr geschehen war, als er überhaupt verstand. Er war kalt in der Umarmung und zitterte. „Du weißt, dass du mit mir reden kannst und ich kann schweigen wie ein Grab.“ „Ich weiß, danke, Schwesterchen.“ Er löste sich aus der Umarmung und lehnte sich an das Bettende. Grüblerisch, ob er Sara damit belasten sollte, fuhr er sich durch sein blondes Haar. „Wenn ich… angenommen, ich hätte etwas getan, das brutal und grausam wäre, würdest du dich von mir abwenden?“ Er gähnte, fühlte sich hundemüde, aber wollte Sara mit ihrer Besorgnis nicht einfach wegschicken. „Du bist mein Bruder, selbst, wenn du ein Mörder wärst, würde ich zu dir halten“, meinte sie und lächelte mitfühlend. Ihre neckischen graublauen Augen wach und bereit ihm seinen Alptraum abzunehmen. „Ich bin ein Mörder…“, sagte er gefasster. Aber anstatt überrascht zu sein, setzte sich die Fünfzehnjährige zu ihrem Bruder auf das Bett und musterte ihn neugierig. „Was ist passiert, Link?“ „Ich… ich war gerade eben bei Zelda. Eine unheimliche Person, wie Zeldas böses Ich, stand in ihrem Zimmer. Ich konnte nur zusehen, wie sie Zelda… Ich konnte nur zusehen, wie sie… Sie hat Zelda…“, sagte er schwankend. Sara bekam wässrige Augen, auch, weil seine Worte mehr in ihrem eigenen Seelenleben verursachten, als Link ahnte. „Sie sagte, sie würde Zelda am Leben lassen, wenn ich mich für sie… Einige Sekunden länger und ich hätte mich selbst getötet.“ Eine Träne rollte über Saras Wange. Denn sie wusste Fügungen, Zusammenhänge und hatte Vorahnungen… sie wusste mehr als sie zeigen konnte. Und bald würde sich ihre Rolle in den Ereignissen offenbaren. „Sara?“ „Link, du musst jetzt sehr vorsichtig sein und pass gut auf deine Zelda auf.“ Sara umarmte ihn noch einmal wie es eine kleine Schwester tun würde und sagte. „Irgendetwas Böses wartet auf euch beide und das, was in letzter Instanz immer auf euch warten würde, ist nun so nah, dass du es nicht mehr ignorieren kannst. Ich glaube, das Schicksal will es so… Vieles, was wir vielleicht nicht als Bestimmung erkennen, kehrt doch irgendwann wieder. Link, gesteh’ es dir ein. Du bist nicht, was du glaubtest zu sein.“ „Das weiß ich, Sara.“ „Du hast die falsche Zelda getötet, oder?“ „Ja.“ „Deswegen brauchst du keine Schuldgefühle zu haben. Dieses Etwas hatte sicherlich kein Herz. Ich glaube, dir blieb keine andere Wahl.“ Link stand auf und sein Weg endete an der Nintendokonsole. Seufzend sagte er: „Das mag sein. Aber es ändert nichts daran, dass ich getötet habe.“ „Link.“ Sara machte eine mitfühlende Geste. „Es ist schon gut. Danke für deine Anteilnahme, Sara.“ Es war nur noch eine Frage der Zeit, wenn sich sein Weg vor ihm auftun würde. Eine Frage der Zeit, bis er endgültig wusste, was Zelda verschwieg und was es mit Hyrule auf sich hatte. Allmählich begann er an das zu glauben, was nicht wirklich sein durfte. „Kann ich dich alleine lassen, Brüderchen?“ „Ja, wenn ich ehrlich bin, hätte ich gerne ein wenig Zeit für mich…“ Sara lächelte sachte und ging aus seinem Zimmer. Auch Link meldete sich krank und ging nicht mehr zur Schule. Er legte sich auf sein Bett, starrte gedankenversunken an die Decke, schloss seine Augen und wollte sich für seine Niedergeschlagenheit am liebsten ohrfeigen. Es gab keinen Grund sich schwach oder depressiv zu fühlen, er hatte Zelda gerettet… er hatte getan, was er tun musste. Kapitel 19: Bürde der Vergangenheit ----------------------------------- Als der junge Held am Morgen des nächsten Tages seine Augen öffnete, fühlte er sich wie gerädert. Sein gesamter Rücken tat weh und irgendwie hatte er sich seinen linken Arm verdreht. Link blinzelte angesichts des Sonnenlichtes, das sich in sein Zimmer bahnte und machte seine Augen wieder zu. Er lag heute ausnahmsweise einmal in seinem Bett und hatte nach der schrecklichen Nacht überraschenderweise keine Alpträume, die ihn todbringend und gefährlich heimsuchten. Er hatte gut geschlafen, etwas Angenehmes geträumt und wusste nur noch, dass Zelda ein Trauminhalt war… eine glückliche, lachende Zelda… Er zog die weiche Decke vollständig über seinen stechenden Schädel und versuchte wieder Schlaf zu finden, wollte die Gedanken an Zeldas Nahtod wegschieben. Er spielte mit dem Gedanken vielleicht doch noch in die Schule zu gehen, beließ es aber bei einem Gedanken. Er war bis auf den Vorfall mit der seltsamen Bauchwunde vor einigen Wochen nie krank gewesen, also konnte er sich das doch einmal erlauben. Während er so vor sich hin träumte, ertappte er sich selbst dabei, dass Bilder von Zelda in seinen Gedankengängen immer häufiger wurden, zu häufig… und er spürte, dass ihm das gerade nicht gut tat… Er blinzelte erneut und wagte einen Blick auf den Radiowecker neben seinem Bett. Überrascht über die fortgeschrittene Zeit richtete er sich auf und gähnte und streckte sich nach Liebeslaune. Seine Beine baumelten aus dem Bett, als er es sich anderes überlegte und sich wieder zurück in die Kissen sinken ließ. Es tat so himmlisch gut, zu faulenzen. Erst Recht, wenn das Leben so unregelmäßig verlief wie das von Link. Keine Alpträume die Nacht und Link war sich sicher, dass dies der perfekte Start in einen tollen Tag sein sollte. Als er sich darauf besann, dass heute Mittwoch war, jawohl, Link benötigte eine Weile sich daran zu erinnern, rappelte er sich doch noch auf und stand halb nackt vor seinem Schreibtisch. Er fand eine Notiz darauf liegend. Sie war von Sara, die ihm ein ordentliches Frühstück in der Küche vorbereitet hatte und scherzhaft ,Gute Besserung’ wünschte. Ein Lächeln umspielte Links Lippen, Sara hatte wohl auch seiner Mutter Bescheid gegeben, dass er heute zuhause blieb… ja das war wirklich extrem nett von ihr… Der junge Held kramte sein Lieblings- T-Shirt aus dem Kleiderschrank, ein waldgrüner Pulli aus leichtem Stoff für die heißen Tage eben, und heute schien wieder einmal ein warmer Tag zu werden. Eine verwaschene Jeanshose und das T-Shirt unter dem Arm verschwand Link in dem Badezimmer und begutachtete seit langer Zeit einmal wieder die Narben an seinem sonnengebräunten Bauch. Er fuhr leicht über die Hautfetzen, fand aber nicht, dass sie störten. Der Anblick von Narben war ihm irgendwie vertraut, so als hätte er in einem früheren Leben mehr als diese kleinen Narben davongetragen… Der Kopfschmerz von vorhin verschwand mit der kühlen Morgendusche und der Vorfreude auf das Frühstück. Himmel, irgendwie liebte Link diesen neuen Tag. Kein Kopfzerbrechen. Keine Merkwürdigkeiten. Irgendwie war heute alles in Ordnung, alles an seinem vorhergesehen Platz. Link hüpfte vergnügt, mit dem Pfeifen eines fröhlichen Liedes in die Küche und entdeckte frische Semmeln, ein neues, ungeöffnetes Glas Nussnougatcreme und einen Krug voller lauwarmer Milch mit Honig, ein Ei, sein Lieblingsobst, dem Apfel auf einem dunkelblauen Teller, einer Schüssel frischen grünen Salat, eine Packung Cornflakes und frischgepressten Orangensaft auf seinem Platz. Sara war ein Schatz, sagte er zu sich selbst und schlug sich den Magen voll. Link schaltete nach seinem wunderbaren Frühstück durch das Programm des Fernsehers. Erneut Berichte über einige Naturkatastrophen, Terroranschläge und Überfälle, die sich häuften, aber der junge Held konnte den Nachrichten kaum folgen, war mit seinen Gedanken ständig woanders. Er brachte seine blutbespritzte Kleidung von gestern in den Müll, lachte über die Selbstverständlichkeit eines solchen Handgriffs, als hätte er dies schon immer getan. Dann ging er auf sein Zimmer und schnallte sich vorsorgend seine Dolche um, da er auf alles vorbereitet sein wollte, als plötzlich das Telefon klingelte. Link sprang mit einem Satz die Treppe hinab und nahm das Gespräch entgegen. „Wunderschönen Guten Morgen, Link Bravery am Apparat. Mit wem habe ich das Vergnügen?“, sagte er überschwänglich. Eine verunsicherte Stimme erklang am anderen Ende und als Link jene Stimme dann seinem Besitzer zuordnete, verschwand das Grinsen in seinem Gesicht wieder. Er stützte sich vor Schreck an der Wand ab und ließ sich auf den Boden sinken. „Zelda?“ Und er vergewisserte sich, dass sie wirklich anrief. „Guten Morgen…“, sagte sie leise und Link erkannte die Unsicherheit in ihrer Stimme, die schwache Angst überhaupt mit ihm reden zu wollen. Denn sie wusste, wie sehr sie ihn mit ihrer kalten Abweisung verletzt hatte. „Ich… wollte nur…“, sie fand nicht die Kraft weiterzureden und wünschte sich lediglich, seine Stimme zu hören, um zu wissen, dass es ihm gut ging nach der gestrigen Nacht. Aber die freudige Begrüßung zu Beginn sagte dies wohl schon aus. „Wie geht es dir?“, sagte Link dann, machte sich Mut mit seinen Worten, wollte auch ihr helfen, einfache Worte zu finden. Ein kurzes Schluchzen am anderen Ende erklang, erstickt von dem Wunsch, etwas Vernünftiges hervorzubringen. „Ganz gut… ich wünschte, du hättest das gestern nicht sehen müssen…“, murmelte sie schwach. Beim Heiligen Triforce, es ging gestern Nacht um Zeldas Leben und sie machte sich schon wieder Gedanken darüber, ob es Link belastete, dass er gestern ihren beinahe Tod gesehen und Zeldas abscheulichen Peiniger ermordet hatte? Konnte sie nicht einmal an sich denken? „Zelda?“ Und Link wollte sich nach der langen Pause vergewissern, ob sie überhaupt noch an der Leitung war. „Bitte bleib’ fern von mir…“, sagte sie mit zittriger Stimme. Aber Link schüttelte mit dem Kopf, wissend, dass das allein seine Entscheidung war. „Bis irgendwann…“, sagte sie und wollte gerade auflegen. „Nein, bitte Zelda, rede mit mir. Nur einige Minuten.“ Aber sie würde es nicht tun, sie würde ihn und sein Verständnis, seine Zuneigung, abweisen. Mit geschlossenen Augen und geballter rechter Faust legte sie trotz ihres Wunsches nach seinen beruhigenden Worten den Hörer auf. „Zelda?“, rief Link. Aber er konnte ihre Stimme am anderen Ende der Leitung nicht mehr hören. Tut. Tut. Er atmete tief ein, schüttelte seinen Kopf und sprang auf. Es brachte nichts, wegen Zelda erneut schlechte Laune zuhaben, nicht nach dem Anruf und der Tatsache, dass sie überhaupt versuchte hatte, mit ihm zu reden. Ein Anfang. Ja, für Link war das ein neuer Anfang, ein gutes Zeichen, dass ihre Freundschaft noch nicht erkaltet war und sie vielleicht doch irgendwann wieder so miteinander reden konnten, wie vor einigen Wochen… Im Grunde genommen hatte Ines dazu beigetragen, Link die Augen zu öffnen und auf der anderen Seite, auf Zeldas Seite, einige Hebel in Bewegung gesetzt. ,Danke Ines‘, dachte Link, wissend, er würde auf Zelda warten, egal wie lange es dauerte. Und er würde ihr verzeihen… Entschlossen verschwand er einmal mehr in den Wäldern, um dort ein wenig zu trainieren… Eine brütende Hitze stand in der Kleinstadt Schicksalshorts… und überall stiegen kleine Wärmewellen auf, von der geteerten Straße, von den Autos, den Parkbänken… Kein Mensch war unterwegs. Alles saßen sie erschöpft und müde vor ihren kalten Limonaden und verrenkten sich die Hälse als einen Versuch aus der Benommenheit dieser unsäglichen Hitze auszubrechen. Und nicht nur in Schicksalshort schien das Klima die Menschen zu bestrafen… auch an anderen Orten verschob sich das Gleichgewicht… Überall drehten die machtvollen Götter, vielleicht auch etwas anders Übermächtiges am alten, und doch empfindlichen Wesen der Naturkräfte. Link, der gerade die Schulbank drückte, kam es so vor, als würde selbst der Puls der Zeit stehen bleiben. Warum konnte Link den erbärmlichen, mitleiderregenden Zustand der Natur fühlen, wo andere Menschen diese- seiner Meinung nach bescheiden gesagt- Umstände auf den Treibhauseffekt oder die unumgänglichen Klimaveränderungen schoben. Und sein sechster Sinn, sagte ihm, dass jene Zustände nichts mit dem Klima an sich zu tun hatten. Vielmehr gab es eine andere mächtige Hand hinter den Geschehnissen, die das Chaos heraufbeschwor und sich mit seinem kranken Herz und Hirn daran erfreute. Bevor die Schüler der Oberstufe aber aus dem Schulgebäude stürmten, richtete die Direktorin über die Lautsprecher einige Worte an sie. „Werte Schüler. Versammelt euch bitte heute Abend gegen neun an der Schule. Für die, die Interesse haben, ist eine Nachtwanderung geplant, mit Lagerfeuer und so weiter, bis dahin schönen freien Tag.“ ,Cool und überraschend‘, dachte Link, denn Nachtwanderungen, die er eigentlich alleine zu begehen vollzog, mochte er immer schon. Er fand die Nacht in den Wäldern aufregend, atemberaubend mit den vielen vertrauten Lauten, dem Hallen vergessener Geheimnisse, und genoss die Geräusche in der Dunkelheit auf seine Weise. Wenn Ines Schattener diese Nachtwanderung plante, dann sicherlich nicht ohne Grund, und wenn, dann würde sie Zelda sicherlich nicht alleine in der Villa lassen. Ja, vielleicht ergab sich auch die ein oder andere Gelegenheit, Zelda anzusprechen… Plötzlich wurde der junge Held von jemandem angerempelt. Mike Kilhagen stand hinter ihm, jemand, den er seit der Grundschule auf dem Kieker hatte und so war es auch umgekehrt. ,Was wollte der denn jetzt‘, fragte sich der Oberstufenschüler. Link starrte ihn genervt an. Augen, wie zwei Schlitze sahen in seine tiefblauen. Lachsfarbene Haare bedeckten eine ziemlich ausgeprägte Stirn. „Hast du Sara gesehen?“ „Nein, hab’ ich nicht. Was willst du denn von ihr?“ Mike grinste wie eine Speckschwarte. „Wir gehen heute zusammen Eis essen“, protzte er. „Wirklich? Sara mit dir? Ist ja echt witzig! Sara braucht wohl langsam eine Brille.“ Mike glotze blöde drein. Es dauerte einige Zeit, bis er registriert hatte, was Link andeutete. „Wieso?“ „Oh Mann, Mike, bist wohl nicht der Hellste. Na ja. Wünsch’ dir jedenfalls einen, ähm, schönen Tag mit Sara.“ Link lachte kurz auf, aber je länger er darüber nachdachte, umso mehr verging ihm das Grinsen. Hm, Eis essen gehen. Eine schöne Idee und ein wirklich angenehmer Gedanke. Er liebte Eis… und er würde es schön finden, wenn er sich dazu in entsprechender Gesellschaft befand. Link überlegte, ob er Zelda fragen sollte, ob sie nicht doch Lust hätte. Dann aber hielt er es für eine dumme Idee. Es war vielleicht zu früh dafür und nicht der richtige Zeitpunkt, sie um Rat und Antworten zu bitten. Sie brauchte Zeit, das wusste Link und er würde ihr so viel Zeit geben, wie sie für sich selbst benötigte, um zu klären, was ihr auf dem Herzen lag. Die blonde Schönheit, an jene er dachte, stand plötzlich hinter ihm, hatte ihren Hals mit einem Schal bedeckt, wo sie noch eine Wunde von der schrecklichen Nacht hatte. Sie mied seine Nähe, schenkte ihm kein Lächeln, als er sich umdrehte. Sie sagte kein Wort und rannte trübsinnig weiter. Ja, das sollte so sein. Link schlug sich die Idee mit dem Eis essen wieder aus dem Kopf. Es wäre zu schön gewesen. Langsam tappte er nach Hause… Link verkroch sich in seinem Zimmer, während andere Leute sich vergnügt im Schwimmbad amüsierten, Eisbecher und literweise Limonade hinunterwürgten. Er wusste, dass es elend war, bei diesem genialen Wetter zuhause herum zu hocken, aber er hatte schlichtweg keine Lust auf die falschen Gesichter… Nach langer Zeit fiel Links Blick wieder zu seinem veralteten Gamecube, dachte an das Spiel: ,Legende von Zelda‘ und fackelte nicht lange. Er hatte lange nicht gespielt und hatte fast das Gefühl, er vermisste das Spiel. Also betätigte er den Powerschalter und ließ die heldenhafte Spielfigur durch Hyrule wandern. Nach einigen Minuten befand sich der Held der Zeit auf dem Weg in die Zitadelle der Zeit, um langersehnt jene zu treffen, die auf ihn wartete. Link stellte sich vor, er selbst würde an diesem Ort erscheinen, um Zelda zu treffen. Zelda… Prinzessin oder nicht, für ihn spielte das keine Rolle… das hatte nie eine Rolle für ihn gespielt… Und da war er wieder, der Gedanke, dass: ,The Legend of Zelda’ vielleicht mehr als nur ein Spiel sein könnte. Ein erschreckender Gedanke… und doch für Links junges Herz allmählich die Wahrheit flüsternd und nach den letzteren Ereignissen nicht mehr allzu unwahrscheinlich. Was, wenn Zelda die Prinzessin war und er Link, jener Held, der sie retten sollte? Link begann zu träumen, begann zu erinnern, noch ehe er verstand, was er tat… Der Controler fiel ihm aus der Hand, als er einmal mehr einnickte… Er rannte, hetzte mit braunen Lederstiefeln an seinen Füßen über das leblose Pflastergestein einer toten Stadt, vorbei an eingefallenen Häusern, an denen der Zahn der Zeit nagte und doch war da diese wärmende Hoffnung in seinem jungen, gerade elf Jahre alten Herzen, ein stiller, immerwährender Funken Licht, der so viel erzählte von blühenden Städten, mit Menschen gefüllten Straßen und der scheinenden Sonne, die ihr Licht den Geschöpfen dieses Zeitalters in jener verlassenen, dem Erdboden gleichgemachten Hauptstadt nicht mehr schenken konnte. Er rannte und rannte weiter, fand sich selbst diesem Hoffnungsschimmer unterlegen, er würde in wenigen Sekunden das Licht in seiner Seele wiederzurückgewinnen. Antworten… Am dunklen Himmel stand ein feuerroter Mond, der blutete, wenn man genau hinsah, ein Mond, der von dunklen Wolken, die ebenso ein rötlich- schimmerndes Gewand trugen, bedeckt wurde. Die Welt rief nach ihm, schrie nach einem Helden… und er wusste, dass jene Aufgabe ihm zuteilwerden würde. Vor wenigen Stunden war er aufgebrochen, um an diesen Ort zu finden, aufgebrochen vom anderen Ende des Landes, wo er seine vorletzte Schlacht geschlagen hatte. Er trug noch die Wunden des Kampfes in seinem jungen Herzen, das von einem sieben Jahre älteren Körper behütet wurde, spürte noch das aufgeregte Schlagen seines Herzens, als er den vernichtenden Schlag ausführte und den letzten Tempel der sechs Weisen von seinem bitteren, quälenden Fluch befreite. Er war losgezogen, ohne geschlafen zu haben, rannte und rannte zu dem einzigen Ort, an welchem die letzte Hoffnung sich aufhielt. Sie musste es sein, sagte er zu sich. Sie musste sich ihm endlich preisgeben. Link erreichte den Ort, der vielleicht die letzte Festung gegen das schier übermächtige Böse darstellte und doch genauso der Vergänglichkeit unterlegen war, wie sein Verstand, sein Körper und dieses Hyrule. Mühsam schob er die schweren Eichentore zur Seite, schloss diese wieder hinter sich, als er eintrat und nichts anderes als die aufwühlende Kälte in jenem heiligen Bauwerk fühlen konnte. Mit Nebelschwaden vor seinem Gesicht, die sich bei jedem schnellen Atemzug neu bildeten, ging Link einige Schritte vorwärts, trat näher an den reichlich verzierten Altar, an dem drei glühende, ein schwaches Licht aussendende Steine standen. Ein schwaches Licht, ein kleiner Trost in der Kälte und Dunkelheit des Gebäudes. Wer wusste, wie lange dieser kleine Trost noch wehrte? Er sollte hier erscheinen. Hier sollte er jene treffen, die auf ihn wartete. Sieben lange Jahre hatte sie gewartet, auf seine Rückkehr gehofft, gelitten, da man ihm sieben Jahre seines kostbaren Lebens gestohlen hatte- ein hinterhältiger Preis für die Rettung des Landes vor dem Bösen, das trotz allem die begehrenswerte, zerstörerische Macht errungen hatte, das trotz allem vernichtete ohne die Spur eines Gewissens zu zeigen. Und so klammerte sie sich an jenen Hoffnungsschimmer, das Böse würde bestraft werden, würde zurückerhalten, was es jener einst so blühenden Welt angetan hatte… Link warf einen Blick aus den mit farbigen Glasplatten gestalteten Fenstern und erkannte nichts als Tod in dem einst so blauen Himmel. Hier, in der unmittelbaren Nähe des Bösen rührte die Dunkelheit selbst die Farben zusammen, die dem Himmelsgewölbe diesen hässlichen Überzug verliehen hatten. So kalt, so düster und unheilbar war dieser Himmel über Hyrule, wo jedes Volk am eigenen Leib erfahren hatte, was es hieß, dem übermächtigen Bösen im Weg zu stehen. Links ernster Blick fiel zu den Fackeln an dem dunklen Mauerwerk und nur für ein bisschen Wärme und Licht lief er dorthin, rieb sich die Hände über dem Feuer und wartete. Es blieb ihm nicht mehr viel, außer das Warten. In Kürze würde der letzte Kampf beginnen, den er vielleicht nicht nur mit blauen Flecken und einigen Schnittwunden davontragen würde. Es könnte für immer, sein letzter Kampf sein… „Link?“, und er kannte diese Stimme, das merkwürdige Säuseln, als würde diese Stimme weder männlich, noch weiblich sein. Jemand stand vor den drei Heiligen Steinen, der nur ein Schatten war. Jemand ohne und doch mit Gesicht… Rote Augen starrten ihn eindringlich an und funkelten so emphatisch, so verständnisvoll wie noch nie. Der junge Held lief zu dem im Schein der drei Heiligen Steine glühenden Licht und sah dem Shiekah unentwegt in dessen verhülltes Gesicht, spürte Enttäuschung und Wut. Denn so sehr hatte er gehofft, sie hier zu sehen, sich gewünscht, das Mädchen wieder zusehen, welches sein Schicksal teilte. Doch sie gab sich nicht preis, sie versteckte sich vor ihm und vielleicht vor ihrer eigenen Hoffnung, dem stillen Wunsch, verstanden zu werden. „Shiek? Was suchst du hier?“ „Ich muss dir Antworten geben.“ Verärgert drehte sich Link um und stützte sich an dem in weißem Gestein gefassten Altar ab. Die Gefahr gab der Prinzessin anscheinend genügend Grund, sich von Link fernzuhalten. „Ich will keine Antworten“, sagte das Kind in Links achtzehn Jahre altem Körper. Frustriert schlug er mit der Faust auf das blanke Gestein ein und empfand weder Schmerz noch etwas anderes in seiner linken Hand. Eine fremde Wahrnehmung, wie ein Stück Leben, das sich in der Hand verinnerlichte und langsam zu Fleisch und Blut, zu Herz und Verstand, vorarbeitete. Es rief und verlangte, jenes Gefühl in seiner Hand, an welches mehr als nur Magie gebunden war. „Für einen Moment habe ich geglaubt, ich könnte sie wiedersehen. Ich habe mir gewünscht, sie für nur einen kurzen Augenblick mit den Augen dieses erwachsenen Körpers sehen zu können.“, sagte Link leise. „Ich wünsche mir… so sehr… sie nur einmal… berühren zu dürfen.“ In seinem Herzen aber bestand dieser Wunsch schon lange aus Leere. Seit Shiek ihm den Weg zeigte, seit jeher schien Zelda so weit weg zu sein, als ob auch sie sieben Jahre schlief, als ob man ihr Bewusstsein in die unendliche Leere eines lebenden Schattens eingesperrt hatte. Link drehte sich um und bemerkte den traurigen Ausdruck in Shieks Gesicht, welches verstand und doch leugnen konnte. Eine Träne tropfte aus den Augenwinkeln Shieks und nur das silberne Funkeln jener Träne genügte… Machtlos sank Shiek auf den kalten Boden und stütze sich mit den Händen auf dem fast eisigen Gestein ab. So spielte das Schicksal mit Link, dachte er- jener einsame Schatten, der sein wahres Gesicht nicht mehr zurückhalten konnte. „Ich bin nicht…“, murmelte die zittrige Stimme Shieks, die ihren Klang nun fast vollständig geändert hatte- ein Klang, viel reiner als der eines Mannes, viel schöner und lieblicher in den spitzen Ohren Links. Link kniete nieder, wollte Shiek eindringlich ansehen, ihn bitten, die Wahrheit nicht länger zu verschweigen, zu sagen, was gesagt werden musste. Und so flackerte das Feuer in der heiligen Zitadelle an den Wänden, während Link und Shiek auf die Preisgabe ihrer unbekannten Geheimnisse warteten. Vorsichtig zog Link den umhüllenden, weißen Mundschutz von dem immer echter, immer lebendiger und irgendwie mädchenhafter werdenden Gesicht einer Gestalt, die er nicht länger als Shiek ansehen wollte. Sie sah auf, und nun war das abweisende, fast kühle und beherrschte Rot jener Shiekahaugen dem Vergehen untertänig. Ein verträumtes Blau, so kostbar wie ein leuchtender Edelstein verbarg sich jetzt in diesem nach Zuneigung suchendem Blick, der Link so viel erzählen wollte. Und er kannte diese Augen, auf die er gewartet hatte, die er so oft in seinen Träumen gesehen hatte erneut. Er kannte und liebte diese Augen… Erschrocken wich Link zurück und sah nur in dieses wunderschöne Blau, welches ihm schon einmal lange vor diesem zerstörten Hyrule begegnet war. Er stand mit wackligen Beinen auf und drehte sich um. Ein fassungsloses „Nein…“, entkam seinen Lippen und eine verwundete, mit Schnitten übersäte linke Hand stützte den schmerzenden Kopf… Er atmete tief ein und fühlte machtvolle Energie in der Zitadelle, ein helles Licht hinter seinem Rücken und den Anflug von tiefen Gefühlen, die er unter Verschluss gehalten hatte. „Ich bin nicht… was du glaubtest, das ich bin…“, sagte diese Stimme, die Link kannte und doch war es nicht mehr diese liebliche Mädchenstimme. Sie hatte sich gewandelt, war reifer und zurückhaltender. Er traute sich einfach nicht, sich umzudrehen. Sein Herz begriff die Geschehnisse von wenigen Sekunden nur schwerfällig, es weigerte sich, diese Wahrheit zu sehen, denn so viel wusste Shiek über Links Gefühle, seine Gedanken um Zelda… und nun wusste Zelda, was Shiek wusste. Sie kannte das Herz in jenem Körper und seine tiefen Sehnsüchte. Shiek kannte Links Murmeln und Rufen nach Zelda in jenen Nächten, in welchem er verwundet in einer kleinen Holzhütte die Nacht herumbrachte und nur Shiek da war. Sie kannte seine Wünsche… denn nicht Shiek, nein, die Prinzessin, für die er so viel aufgab, hatte seine schmerzenden Wunden versorgt, sein junges, verletztes Herz geheilt, als sein Schicksal und das Leid, welches so stark daran geknüpft waren, so sehr an ihm nagten… Zelda war immer da gewesen und hatte das wenige Licht eines zerstörten Hyrules für ihn hergegeben… Zelda… Kronprinzessin von Hyrule stand nun in der Zitadelle, direkt hinter ihm und obwohl er sich mehr als alles andere gewünscht hatte, sie wieder zu sehen, zu erkennen, wie sich ihre Gestalt verändert hatte, so brachte er es in dieser Minute nicht fertig, sie nur einmal anzusehen. „Verzeih’ mir bitte…“, sagte sie leise. Aber ihre so ehrlichen, aufrichtigen Worte versiegelten doch nur das, was sie wirklich sagen wollte. Verzeihen? Link war nun, in diesem so bedeutungsvollen Moment des überfälligen Wiedersehens, nicht in der Stimmung, nicht daran interessiert, diesem Wunsch zu folgen… Es gab so viel mehr, als ein einfaches Verzeihen, was er dachte, was er empfand. Die Gefühle und das Stückchen Hoffnung entsagten die Bedeutung eines einfachen Verzeihens. Er drehte sich langsam zu ihr um, konnte mit Worten nicht beschreiben, was er vor sich sah… diese Schönheit, dieses wunderschöne Gesicht. War das wirklich Zelda? Ihre gottesgleiche Gestalt und das samtene, königliche Gewand, das zart ihren fast zerbrechlichen Körper umrahmte… Ihr stiller Blick, die Angst, lähmende Einsamkeit und selbstbeschmutzenden Zweifel in ihren Augen erzählten so viel von jenen grausamen sieben Jahren, die sie hatte durchstehen müssen, weil ein niederträchtiger, dem Leben nicht würdiger Dämon ihr Land zerstörte… Sie blickte weg, scheute so verletzlich seinen Blick und nur die Wellen der Zeit hatten Macht darüber, ob sie diesen Blick ablegte. Fast unwirklich entkam ihr Name seinen Lippen, gesprochen von der Stimme eines Mannes, obwohl ein Kind ihren Namen sagen wollte. „Zelda?“ Sie schloss die Augen und tat nichts weiter als zu nicken, während kristallene Tränen an ihren so bleichen Wangen hinab liefen. Es tat weh, man selbst zu sein, wenn man verfolgt wurde, wenn man nicht sein durfte, was man wirklich war. Und die Schmerzen jener grausamen Fesseln ihres Daseins erschufen eine durchsichtige Schutzmauer vor ihren Gefühlen und Sehnsüchten… „Ich bin es…“, murmelte sie und wischte sich blasse Tränen aus den Augen, die doch nur zahlreicher wurden, als ihr wahres Gesicht an ihrer Unschuld rüttelte. Tränen über Tränen benetzen ihre Wangen und sich dafür schämend wand sie ihr ohnehin schwaches, wahres Gesicht den Steinen am alten Altar zu. Sie wollte reden und ihm erklären, was über die Zeitalter jenes Landes hinausging, wollte die Worte finden, die sich vor ihm versteckten, um ihn nicht noch mehr zu verletzen. Aber sie konnte nicht reden, ihr Hals war wie zugeschnürt und die Kälte rief nach ihr, auf dass sie sich vor sich selbst und der Empfindung für ihren Seelenverwandten davon stahl. Und so sah Link das Mädchen aus seinen Erinnerungen immer mehr verblassen, es sei denn, er könnte sie festhalten, könnte zurückrufen, was in dieses junge, einst so glückliche Herz gehörte… Auch aus seinen tiefblauen Augen fiel eine warme Träne hinab, die er mit seiner linken Handinnenfläche auffing. Noch nie hatte er eine Träne vergossen, noch nie war ihm diese Empfindung vergönnt gewesen und er erkannte diese als etwas so kostbares, etwas, was nur Zelda galt… Sie umarmte sich selbst ein wenig und ließ die Tränen ohne Gegenwehr hinab rollen. Der Schmerz, die Angst der letzten grausamen, in Blut getränkten Jahre kamen mit einem Mal zum Vorschein und riefen zurück, was die junge Prinzessin des hylianischen Reiches in so kurzer Zeit hatte lernen müssen. Sie musste lernen, wie erbarmungslos das Leben verlaufen konnte, wie einsam und entseelt man sich fühlen konnte, wenn man niemanden mehr hatte… und Zelda, ja, sie hatte niemanden mehr, auch wenn sie schon vor Ganons Machtübernahme viele einsame Stunden erleben musste. Auch sie war innerlich noch ein Kind, das aus den heilen Kindertagen heraus befördert wurde, ohne die Überbleibsel jenes Kindseins vergessen zu können. Es war ihr nicht vergönnt. Es war ihnen beiden nicht vergönnt. „Ich…“, fing sie an. Doch ihre Worte wurden unterbrochen von zwei schützenden Armen, die sich fest um ihre Schultern legten. „Still…“, murmelte Link leise hinter ihr, legte sein Kinn an ihren Hinterkopf und hielt sie einfach nur fest, solange, bis sich die angsterfüllte Prinzessin zu ihm umdrehte und endgültig in seiner Umarmung versank, suchte, was sie seit vielen Jahren nicht hatte haben dürfen- eine Schulter, an der sie ihr Leid anklagen konnte, eine Schulter, an der sie sich ausweinen konnte. Sie krallte sich leise weinend an seiner grünen Tunika fest, lehnte ihren Kopf an seine starke Brust und folgte dem beruhigenden und doch aufgeregten Schlag seines Herzens. Endlich hatte sie gefunden, was ihr sieben lange Jahre verwehrt geblieben war- endlich hatte sie Link gefunden… „Ich habe dich so sehr vermisst…“, murmelte Link leise und drückte ihren zierlichen Körper ein wenig näher an seinen. Doch Zelda erwiderte nichts darauf. Wozu Worte, wenn sie doch nur störten. Sie blickte mit einem aussagekräftigen Lächeln seit langer, langer Zeit zu ihm auf und blickte in das tiefe Blau seiner Augen, nur um in seinem Gesicht ebenfalls ein Lächeln zusehen… Ein Lächeln Links und eines von Zelda, das selbst die Hürden der Zeit überwinden konnte, ein Lächeln an das sich Link auch dann erinnern würde, wenn seine Erinnerungen versiegelt wären und ihren Träger zu unüberwindbaren Mauern führen sollte. Ein Lächeln. Nur ein leises, empfindungsvolles, geheimes Lächeln seiner vergessenen Liebe… Link wurde plötzlich aus seinen Träumereien gerissen und vergaß den Traum wieder, als Sara im Raum stand. „Link, ich gehe kurz fort, ja.“ „Weiß schon Bescheid, viel Spaß beim Eis essen“, meinte er, schaltete deprimiert den Gamecube aus und trat ans Fenster. Sara lugte halb hinter der Tür hervor. „Frag’ doch Zelda, ob sie nicht Lust hat mit zu kommen. Ich sehe dir doch an der Nasenspitze an, dass du gerne etwas Zeit mit ihr verbringen möchtest. Vielleicht reagiert sie anders, als du vermutest… und vielleicht lässt sie sich überzeugen.“ „Ich weiß nicht recht. Das geht nicht“, war Links trübsinnige Antwort. Er warf sich auf sein Bett und wand Sara seine entzückende Rückenansicht zu. Sara atmete einmal kräftig aus, schüttelte ihren verschlagenen Kopf, und ging dann aus dem Raum. ,Ich habe geschworen, dafür zu sorgen, dass ihr beide zusammenkommt und, mein liebes Brüderchen, ich halte meine Versprechen.‘ Sara kratzte sich an ihrem Kinn, wusste, sie würde schon noch irgendetwas anstellen um Link und Zelda zu ihrem Glück zu zwingen und kicherte in sich hinein… Link lag wie ein Toter auf seinem Bett, blickte schwermütig in das märchenhafte Blau des Himmels und schloss langsam seine Augen. Ob es wohl doch existierte… Hyrule… „Hyrule…“, murmelte Link mit seiner angenehmen Stimme. „Hyrule…“ Erst jetzt fiel ihm auf, was Zelda meinte, als sie sagte, das Wort klänge so schön. Und es klang wirklich einmalig, fast magisch, rufend und doch machtvoll. Ein Wort, das betäubte und erfüllte, wenn es auf der Zunge lag. Ein so wunderschöner Begriff, der die Stimmbänder in neue, wohlige Schwingungen versetzte. Link seufzte erneut: „Hyrule.“ Den Namen jenes Landes auszusprechen klang so traurig und stolz… Hyrule… Verlassenes Königreich… Von einem auf den anderen Moment erwachte eine beißende Unruhe in Link. Er hielt die langweilige Situation nicht mehr aus, hüpfte aus dem Bett, trat gegen seinen Schreibtisch, verfluchte den Tag und besonders die Hitze. Mit einem Satz sprang er zur Tür, schlug diese genervt zu, hetzte die Treppenstufen hinab, verfehlte nur leider Gottes eine, flog auf seine Nase und rutschte die letzten Treppenstufen hinab. Er lag wie ein Toter am Ende der Treppe und murmelte: „Immer ich“, dennoch sprang er auf, ärgerte sich über seine soeben ergatterten Kreuzschmerzen und rannte aus dem Haus. Wenige Minuten später stand er vor der Villa von Ines. Er klingelte. Niemand öffnete. Er klingelte noch einmal, wieder reagierte niemand. Dann klingelte er immer und immer wieder, bis eine Stimme aus dem Haus schallte: „Ich komm’ ja schon.“ Link erkannte die Stimme als diejenige von Zelda, bis sie schließlich die Tür öffnete. Link starrte sie von unten bis oben an. Sie trug eine kurze, schwarze Hose und ein weinrotes Top, und ihr Hals war noch immer durch einen Schal verdeckt. „Link… Was… was willst du hier?“, stotterte sie. Sie scheute seinen Blick, konnte nicht glauben, dass er vor ihr stand, sie besuchen wollte. Hatte er immer noch nicht verstanden, dass sie ihn in Gefahr brachte? ,Was für eine wunderbare Begrüßung‘, dachte Link. „Zelda… hast du vielleicht… nun ja… Lust auf ein Eis“, sagte er, aber sah sie nicht an. Er wusste nicht wirklich, was ihn dazu brachte, sie nun doch zu fragen, obwohl er wusste, dass sie abweisend reagieren würde. „Es geht mir nicht darum… über das zu reden, was passiert ist. Ich will dich auch nicht drängen, dass du mir irgendetwas erklärst, aber… ich dachte…“ Er verhaspelte sich und schloss nervös seine tiefblauen Augen. „Ich wollte nur… Zeit mit dir verbringen“, brachte er dann endlich hervor. Sie sagte zuerst nichts und schien über seine soeben gesagten Worte nachzudenken. „Link… bitte… ich kann nicht“, war die kurze, schmerzlose Antwort. Link hatte nichts anderes erwartet, aber ärgerte sich trotzdem darüber, dass er einen winzigen Hoffnungsschimmer hatte. Er traute sich nicht mehr sie anzusehen und drehte sich halb um. „Dann… dann gehe ich wohl besser…“ Er schloss seine Augen mit einem Seufzen. „Also… selbst nach der ganzen Geschichte…“ Und er deutete zu dem Schal, den sie trug um ihre Wunde zu verdecken. „Du willst dich immer noch von mir fernhalten… du willst nichts mehr mit mir zu tun haben?“ Man hörte die Traurigkeit an seiner Stimme. „Das…“ „Warum? Zelda, sag’ mir bitte, warum? Ist das der Dank dafür, dass ich dich gefunden habe? Der Dank für alles?“ „Es tut mir leid“, sprach sie zittrig. Aber der junge Held wusste, dass sie log. Er schüttelte den Kopf, grinste mitleiderregend. „Ja… mir auch…“ Link lief langsam die Einfahrt hinunter, als Zelda noch hauchte, wissend, der junge Mann würde sie nicht hören: „Wegen neulich… danke, mein… Held…“ Dann schloss Zelda die Tür und lehnte sich dagegen, mit einem Gesichtsausdruck, der zu viel verriet. Ines hatte jedes einzelne Wort von einem Nebenzimmer mit angehört und schüttelte betrübt den Kopf… Besorgt über die Stille in dem Raum, öffnete die stolze Direktorin die Tür zu ihrem Arbeitszimmer und sah Zelda gelähmt auf dem Boden vor der Eingangstür sitzen. Ihren Kopf in ihren Armen verborgen, liefen zügellos Tränen ihre Wangen hinab. Nur ein Schluchzen aus ihrem Mund verriet sie, erzählte von dem bitteren Kampf mit der Erinnerung an schöne Augenblicke mit ihrem besten Freund Link. Impa kniete nieder und legte eine warme Hand auf Zeldas blonden Schopf, wollte sie trösten, wollte ihr Mut machen. „Zelda…“, murmelte Impa. „Das geht so nicht weiter. Du machst dich kaputt damit!“ „Und was interessiert dich das!“, kreischte die Prinzessin. Ihre blauen Augen blitzten wütend auf. „Es geht jeden von uns etwas an… wir müssen uns endlich um den dunklen Lord kümmern. Wer was, was er in der Kirche plant! Und Link muss eingeweiht werden!“ „Denkst du, das weiß ich nicht?“, zischte Zelda verzweifelt. „Ich denke die gesamte Zeit an nichts anderes…“ Beschämt über ihren Gefühlsausbruch schlug sie die warme Hand von Impa weg. „Aber das geht nicht so einfach, wie du dir das vorstellst, Impa. Link ist nicht mehr derselbe. Glaubst du allen ernstes er hat den Hauch einer Chance gegen den dunklen Lord!“ Tränen perlten sich über Zeldas bleichen Wangen. „Er würde Link mit einem Fingerschnippen foltern und zerfetzen… Ich kann das nicht zulassen, lieber gehe ich alleine zur Kirche, wo er haust und gebe ihm, was er verlangt…“ In all der Zeit konnte die Prinzessin das erste Mal Angst und Entsetzen in den blutroten Augen ihrer einstigen Zofe erkennen. Sie war fassungslos und schüttelte den Kopf. „Das wiederrum…“, murmelte sie leise. „Würden die Weisen, ich und Link ebenfalls nicht zulassen. Wenn du soweit gehst, Prinzessin, werde ich nicht mit der Wimper zucken, Link alles zu erklären.“ Das blonde Mädchen erhob sich traurig und schluchzte um die letzten Tränen in den Griff zu bekommen. „Er sucht doch nur nach mir, Impa…“ „Ja, vielleicht tat er das… Nur ist dies nicht mehr ganz richtig… wir können annehmen, dass die Dämonenkriegerin von neulich ihm ausgerichtet hat, dass du den Angriff nicht überlebt hast. Der dunkle Lord könnte denken, dass du nicht mehr lebst.“ Zelda nickte einsichtig, ja auch mit dem Gedanken hatte sie gespielt. „Das bedeutet auch, dass du versuchen musst unauffällig zu bleiben.“ „Ich weiß… und deshalb werde ich Link weiterhin aus dem Weg gehen.“ Impa seufzte ernüchternd. „Weil du glaubst, dass du ihn damit beschützen kannst? Das ist dummes Geschwätz, Zelda, das weißt du besser als ich.“ Mit einem bissigen Blick sah Zelda auf. „Ich weiß einiges, was damals war, auch zwischen dir und dem Helden. Jeder hat es gesehen und du glaubst immer noch, dass du deine Gefühle verheimlichen kannst. Es mag sein, dass du verletzt wurdest, Zelda. Es mag sein, dass auch dein Vater damals viele Fehler gemacht hat, aber“ - „Hör‘ auf über meinen Vater zu reden. Das geht dich, bei Din, nun wahrlich nichts an!“, zickte die Königstochter und war zugleich bleich im Gesicht. „Niemand belehrt mich über die Vergangenheit, weder du noch mein Vater!“ Damit rannte die Prinzessin panisch und verärgert hinauf in ihre Zimmer, verriegelte die Tür und bestrafte sich einmal mehr mit quälender Einsamkeit… Die Schüler, längst nicht alle, versammelten sich am Haupteingang. Manche hatten keine Lust, andere hatten es einfach in den Wind geschlagen. Auch Link nahm an der Nachtwanderung teil und war überrascht darüber, wen er hier vorfand. Neben den wenigen Schülern hielten sich Naranda Leader, Dar Gordon und Richard Raunhold hier auf. Was wollten denn Naranda und Dar hier? Ihm war klar, dass Naranda irgendeine Beziehung zu der Direktorin hatte. Und die Lady mit den feuerroten Haaren verbarg genauso ungelöste Rätsel wie Ines und Zelda… Aber was hatte diese Dame auf einer Nachtwanderung zu suchen? Link war zu neugierig und fragte Ines bezüglich dieser Sache. Er lief langsam hinüber zu der stolzen Direktorin, die irgendetwas mit Zelda diskutierte. Und das blonde Mädchen mit dem hübschen Gesicht schien wegen irgendetwas verärgert zu sein. Sie hielt Ines ihren Zeigefinder unter die Nase und fauchte gekränkt zischende Worte, die Link nur ansatzweise verstanden hatte. Und sie war wütend, denn ihre sonst so kühle Stimme nahm ungemeine Lautstärke an. Link schlich näher und hörte kurz seinen Namen aus dem Gespräch. Hatte Ines sich ihren Mund verbrannt, weil sie doch mit Link einige Dinge diskutiert hatte. Und hatte die stolze Direktorin ihm etwa Dinge anvertraut, die er nicht wissen sollte? Das musste einmal mehr Zeldas Problem sein… und ihm war klar, dass selbst Ines es nicht geschafft hatte die blonde Schönheit zu überzeugen. Der junge Oberstufenschüler trat näher und als Zelda ihn bemerkte, senkte sie ihr Haupt und lief ein wenig abseits von der Menge in die Nähe einer Bank. Kopfhängerisch und mit einem äußerst traurigen Blick ließ sie sich darauf nieder. Sie tat so, als hörte sie einen Mp3-Player, aber Link ahnte, dass sie sich nicht einmal auf die Musik konzentrieren konnte. Sein Blick blieb auf ihr haften, bis sie dies bemerkte. Sofort stolperte sie auf ihre Beine und lief ein paar Schritte. „Glaubt sie denn immer noch, dass sie mich damit beschützen kann… Warum tut sie das nur?“, murmelte Link leise und wünschte sich im Moment nichts sehnlicher, als sie zu trösten. „Ich habe es dir gesagt, Link. Sie gibt sich an sehr vielen Dingen die Schuld. Auch an deinem Krankenhausaufenthalt“, entgegnete Ines und schien dann sehr beschäftigt die restlichen Vorbereitungen für die Nachtwanderung zu treffen. „Ach… Zelda.“ Warum war sie so verbittert geworden? Was war da in ihrer Vergangenheit, das sie zwang sich in letzter Instanz vor ihren eigenen Wünschen und Sehnsüchten zu verstecken? „Und was machen eigentlich Dar und Naranda hier?“, fragte Link neugierig. „Nun ja, sie sind gute Bekannte von mir und hatten einfach Lust und Zeit mitzukommen.“ „Ach wirklich?“, raunte Link und funkelte Ines hinterhältig an. Er wusste, dass mehr dahinter steckte. Dar Gordon und Naranda Leader schienen irgendetwas mit der Direktorin zu tun zu haben, es wirkte beinahe so, als verheimlichten sie etwas. „Bei all den Dingen in der letzten Zeit bezweifle ich, dass dies der einzige Grund ist. Ines, glaubst du denn wirklich, ich ahne nicht, dass ihr etwas vor mir verheimlicht?“ Link schüttelte entnervt den Kopf. „Link“, sprach die Rotäugige dann. „Es stimmt… das verleugne ich nicht. Es gibt einige Fügungen, die ich dir nicht mitteilen kann, weil ich nicht zu vorschnell handeln will. Aber du kannst mir glauben, dass es im Augenblick gut so ist. Du wirst es bald verstehen…“ Der junge Mann seufzte, aber gab sich einmal mehr damit zufrieden. Gerade in diesem Augenblick bemerkte Link eine weitere Gestalt, die sich in der Nähe von Naranda aufhielt und mit ihr plauderte. Sie fasste Link in ihr Gesichtsfeld und sah ihm interessiert in die sturmblauen Augen. Irgendwo hatte der Schüler diese hochgewachsene, und sportliche Dame doch schon einmal gesehen… aber er konnte sich gerade keinen Reim daraus machen. Sie hatte einen blauen Schimmer in den dunklen zu einem Pferdeschwanz verbundenen Haaren und trug ein hellblaues, sicherlich teures Sommerkleid. Eine lange Kette aus Brillanten hing an ihrem Hals und wirkte übertrieben groß und unecht. Link fiel es in dem Moment wie Schuppen von den Augen. Das war doch eine Schülerin von Ines: Rutara von Wasserstein. Sie war adliger Herkunft und machte eine Karriere als Eiskunstläuferin. Wasser schien geradeso ihr Element zu sein. Denn bei den Schwimmmeisterschaften der Schule hatte sie stets den ersten Platz gemacht. Sie hielt dem durchdringenden Blick Links stand und ging in langsamen Schritten auf ihn zu. Erst mit einem ernsten Ausdruck auf dem geschminktem Gesicht, dann mit einem ungewöhnlichen Lächeln. „Guten Tag, du hast also Zelda gefunden, aha. Sehr interessant, wirklich sehr interessant.“ Sie reichte ihm eine kühle, leicht feuchte Hand, wovor Link am liebsten geflüchtet wäre. „Ich hoffe, wir können uns im Laufe des Abends noch ein wenig unterhalten. Aber nur ein bisschen. Also, dann.“ Link nahm die kalte Hand und schüttelte diese kräftig, versuchte es weiterhin mit einem selbstgefälligen Grinsen. Dann verschwand sie wieder… nicht unbedingt zu Links Unbehagen. Er hatte keine Lust aufs Flirten… nicht in der jetzigen Situation… Nach wenigen Minuten machten sich die Schüler auf den Weg in die Wälder. Rick und Maron, die jetzt zusammen waren, liefen Hand in Hand an Link vorbei, der die gesamte Zeit seinen Grübeleien nachhing und schwieg. Rick warf Link einen überglücklichen Blick zu, einen Blick, der Bände sprach. ,Freut mich für dich, Rick, endlich hast du, was du wolltest‘, dachte Link. Ein Beobachter konnte die stumme Ungewissheit in seinen tiefblauen Augen sehen, denn Link würde vielleicht niemals das haben können, was er wollte. Und er suchte nach nichts anderem als der Wahrheit, die man vor ihm versteckte. Link verlangte keine Antworten, nicht, wenn sie aus dem falschen Munde stammten und dennoch es beschäftigte ihn. Alles. Restlos alles. Die letzten Wochen waren nicht das, was man normal nennen konnte. Die Begegnung mit Zeldas einzigartigem Wesen, die Verletzung, während er ein Spiel spielte, Marons Besessenheit, der unheimliche Priester auf dem Friedhof, Zeldas Nahtod und zu guter Letzt der grausame Schatten, der in der Kirche seine dunklen Pläne schmiedete. Und in jedes Ereignis war Link verwickelt. Sein Schicksal war es, mittendrin in dem näherkommenden Sturm zu bestehen oder unterzugehen… Die Schüler und einige Lehrer erreichten ihren Zielplatz: eine riesengroße Wiese, mit vielen Sitzgelegenheiten und einem großen Platz für ein Lagerfeuer. Die Schüler verstreuten sich auf dem riesigen Platz. Einige Schüler suchten währenddessen Äste für das Feuer zusammen. Manche breiteten Decken aus und pflanzten sich auf die grüne Wiese im Schein der Abendsonne. Rick präsentierte seinem Cousin Link stolz sein neues Radio, welches er mit Batterien gefüttert hatte und sofort auf volle Lautstärke stellte… die Musik zerstörte die Ruhe der Wälder, aber dies schien niemandem außer Link etwas auszumachen. Er seufzte und entschied sich ebenfalls nach ein paar Zweigen und Ästen zu suchen. Als die Sonne am Horizont versank, märchenhaft, den Wald in warme Farben tauchend, tapste der junge Held vorwärts, aß ein paar Waldhimbeeren und suchte nach etwas Brennbarem. Ein leichtes Lächeln glitt ihm über das Gesicht bei dem Gedanken daran, wie wohl er sich in den Wäldern fühlte. Und es war ein erschreckender Gedanke, dass er oft den Eindruck hatte, irgendwann einmal hier gelebt zu haben. Er kletterte an einem hohen Tannenbaum hinauf, ließ sich gedankenverloren darauf nieder und schloss die Augen. Er pfiff ein bekanntes Lied, das Lied, das Zelda ihm beigebracht hatte, als noch einigermaßen alles okay war. Andererseits… schon als er sie damals in den Wäldern fand und sie bei ihm gewohnt hatte, war nichts okay… Sie war oft genug traurig gewesen, selbst ohne ihre Erinnerungen. Aber hatte er sie nicht zumindest einige Male zum Lachen bringen können? Selbst, als sie in diesen gefährlichen Situationen feststeckten, selbst da… hatte er es geschafft ihr Mut zu machen. War das nicht Grund genug, dass sie ihr Versteckspiel endlich beendete? Er öffnete seine tiefblauen Augen, hüpfte vom Baum und nahm die Äste und Zweige auf seine Arme, die er zusammengesucht hatte. Er lief einige Meter, als er aus der Dunkelheit neben den Geräuschen von Ricks Radio und dem Gelächter der Jugendlichen noch etwas anderes hörte. Bekannte Stimmen, die lautstark diskutierten, drangen an seine Ohren. Vorsichtig und bemüht keine Geräusche zu produzieren trat Link vorwärts und fand den Ursprung des Geräuschs in einer heftigen Auseinandersetzung von Zelda, Sara und Maron. Sachte versteckte er sich hinter einigen Sträuchern und lauschte dem Streitgespräch. Es ging teilweise um ihn; und Sara und Maron schienen sehr verärgert zu sein. „Du hast keine Ahnung, was du Link seit einigen Wochen zumutest“, meinte Maron sauer. „Rick hat mir einiges erzählt… und ich finde es eine Frechheit von dir, wie du mit seinen Gefühlen umgehst. Er hat schließlich alles getan, damit es dir bei den Braverys gut ging. Ich meine, ich will bestimmt nicht unverschämt sein und mich einmischen, aber ich kann das nicht gut heißen, Link ist einer meiner besten Freunde und er ist der beste Mensch weit und breit.“ Zelda stand an einen Baum gedrängt vor den beiden Jugendlichen und hörte sich die Vorwürfe an. Sie ließ ihr Haupt erneut hängen. „Zelda… auch ich will dir keine Vorwürfe machen, aber ich ertrage das langsam nicht mehr. Du hast keine Vorstellung davon, wie es ihn fertig macht… Er ist mein Bruder und ich sehe nicht länger mit an, wie ihr euch beide mit diesem Theater ruiniert.“ Link war schlichtweg baff, dass sich Sara und Maron dermaßen ins Zeug legten, nur um Zelda dazu zubringen mit ihm zu reden. Und er war etwas besorgt, dass sie Zelda damit überforderten… denn die beiden wussten schließlich nicht alles… „Ich habe euch beiden nichts zu sagen“, sprach die blonde Lady stur. „Ja, uns beiden vielleicht nicht, aber Link“, murmelte Sara leiser. „Glaubst du wirklich, du tust ihm damit einen Gefallen?“ „Ja, das tue ich“, entgegnete die Schöne. „Ihr habt überhaupt keine Ahnung!“ Energisch breitete Zelda ihre Arme auseinander und brüllte so laut wie sie mit ihrer teilweise belegten Kehle konnte. „Gerade weil er ein wundervoller Mensch ist, ist es besser, er sucht sich Freunde, die ihn für das wertschätzen können, was er ist… solche Freunde wie euch…“ Sie hustete etwas und lehnte sich gegen den Stamm der Kiefer. Maron seufzte nur und konnte diese Sturheit nicht verstehen. „Ich gebe auf… Rick hatte recht, er hat gemeint, dass du stur bist und es nicht verstehen willst.“ Kopfschüttelnd hastete Maron wieder zu den anderen Leuten. Sara warf der blonden Lady ebenfalls nur einen enttäuschten Blick zu. „Auch ich scheine dich nicht überzeugen zu können, aber ich will dir zumindest noch eine Sache sagen. Ich weiß es“, sagte sie belehrend. „Ich weiß, warum du dich so verhältst, Prinzessin. Du kommst einfach nicht raus aus deinen emotionalen Problemen, schon damals nicht. Dabei wäre es so einfach für dich und Link, wenn du ihn nur mal an dich ranlassen würdest. Er ist wie geschaffen für dich. Und außerdem passt ihr einfach gut zusammen.“ Daraufhin hielt sich Zelda kindisch die Ohren zu. „Hör‘ auf damit, Sara. Ich kann das nicht hören.“ „Nein, du willst es nicht hören. Das ist das ganze Problem… Wir werden sehen, Zelda. Ich schwöre dir, Link lässt nicht locker und irgendwann bringt er dich dazu, dass du dich ihm öffnest. Vergiss‘ nicht, wie tapfer und entschlossen seine Seele ist. Und ich werde dafür sorgen, dass ihr euch aussprecht, egal wie.“ Damit trat auch Sara murrend und unzufrieden außer Reichweite und Link stand perplex und so rot im Gesicht, dass es in der Dunkelheit leuchtete, hinter den Sträuchern. Er trat nur einen Schritt zurück, unbeholfen und peinlich aufgeregt, sodass seine Turnschuhe unabsichtlich ein Knacken verursachten, dass die Prinzessin des hylianischen Reiches gehört hatte. Sie blickte angestrengt durch die Dunkelheit, wurde leicht panisch und blickte angestrengt in seine Richtung. Sie sah so durcheinander aus nachdem sie von den beiden Mädchen bedrängt wurde. „Wer ist da!“, rief sie. „Gib dich zu erkennen!“ In dem Moment tapste Link mit geschlossenen Augen aus seinem Versteck heraus, blickte sie enttäuscht an, so wie immer in den letzten Wochen. „In der Dunkelheit war nur ich… ich habe Äste gesucht… für das Feuer…“, sagte er zögerlich. „Es ist kein Feind in der Nähe… schätze ich…“ Außerdem war er ja hier, und nun, da er mit einem Schwert kämpfen konnte, wäre er auch in der Lage andere zu beschützen. Sie nickte schwach und zog die Nase hoch. „Du hast alles mit angehört, nicht wahr?“, wollte sie wissen. „Na sowas, du stellst mir sogar noch einmal eine Frage, nachdem ich dich immer wieder mit Fragen bombardiert habe und du auf nichts reagiert hast. Und jetzt auf einmal willst du mit mir reden?“ Sie ballte die Fäuste und schluchzte. „Nein, ich denke immer noch, dass es besser so ist wie im Augenblick“, erklärte sie. „Egal, was Sara, Maron oder Rick davon halten. Es ist besser für dich und das Leben, dass du hast, wenn du dich von mir fernhältst.“ In dem Augenblick ließ Link die Äste und Zweige auf seinen Armen fallen, trat mit großzügigen Schritten näher und presste sie gegen den Baumstamm, er bedrängte sie noch mehr als die Mädchen vorher: „Zelda… bitte, ich kann das nicht mehr… Erklär‘ es mir endlich.“ Er packte sie an beiden Oberarmen, hielt sie fest, aber zugleich zärtlich. Die schwachen Lichter einiger Taschenlampen und des entfachten Lagerfeuers fielen auf die beiden Jugendlichen, besonders auf das bekümmerte Gesicht der Prinzessin. „Ich weiß, dass du ein wunderbarer Mensch bist… selbst mit diesen miesen Streitereien und deiner Abweisung… ich weiß, dass du das alles tust um mich zu beschützen. Aber sag‘ mir doch bitte wovor…“ Sie verkniff sich die Tränen, schloss die Augen und schüttelte den Kopf. „Du würdest es nicht verstehen“, meinte sie träge. „Und das, was hier passiert, soll ich das verstehen? Ich habe unsere gemeinsame Woche nicht vergessen… Ich habe nicht vergessen, wie gut es tat, dass du da warst. Und ich habe nicht vergessen, wie nah wir uns waren…“, säuselte seine Stimme in der Nacht. Und weil seine Worte vielleicht zu weit gingen, ließ er von ihr ab, spürte eine ungewohnte Nervosität aufsteigen und fragte sich nur noch, warum sein Puls so raste… „Ich hätte dich beschützt bis zum Ende…“, sprach er bedauernd, als ob er das Ende der Freundschaft zu ihr doch allmählich akzeptierte. „Ich dich auch…“, erwiderte sie schluchzend und hetzte an ihm vorbei in Richtung der anderen, dort, wo das Lagerfeuer in den Himmel schlug… Und erneut kochte in ihm dieses verdammte Gefühl hoch, dass er in seinem Leben bisher selten erfahren hatte. Warum nur setzte es ihm so zu, dass Zelda und er sich zerstritten? Er lehnte sich mit der Stirn an den Baumstamm, schlug mit der Faust mehrmals dagegen und verstand sein eigenes Gehirn nicht mehr. Konnte er es nicht endlich akzeptieren? Zelda hatte ihre Gründe… und sie tat es um ihn zu schützen… warum tat es dann so weh, dass sie sich so abweisend verhielt? Plötzlich hörte er ein leises Knistern hinter sich, wirbelte herum und sah im fahlen Licht Rutara von Wasserstein vor sich stehen. „Hey“, meinte sie. „Ist alles in Ordnung? Ich habe gerade Zelda panisch weglaufen sehen.“ Irritiert sendete Link der Dame einen skeptischen Blick. Wusste Rutara etwa auch von Zeldas Problemen? „Ich wüsste nicht, was es dich angeht…“, erwiderte er. Darauf kicherte sie lediglich, trat näher und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Nun ja“, hauchte sie mit einer umschmeichelnden Stimme. „Du wirst sie nicht verletzt haben, was? Ich bin nur verwundert, dass es zwischen euch beiden kriselt. Ines erzählte mir, dass du Zelda gefunden hast und dass ihr euch sehr nahesteht.“ „Das war einmal“, verblabberte sich Link und trat abtuend weiter. „Oh, und ich dachte schon, Zelda hätte dir alles erzählt“, sprach sie dann. Sie wusste ohnehin, wie sie die Aufmerksamkeit des Helden gewinnen konnte. Mit offenem Mund drehte er sich wieder zu ihr und fixierte sie mit einem messerscharfen Blick. „Das bedeutet, du weißt mehr darüber?“ Sie nickte hinterhältig, spielte mit ihrem Pferdeschwanz und lachte. „Na, sag’ schon, was willst du wissen? Ich respektiere Zeldas Wunsch nicht dir wichtige Informationen zu verheimlichen.“ Link reagierte ein wenig verwundert. „Was soll das heißen, wichtige Informationen?“ „Nun, die Informationen, die sich auf die Angriffe beziehen, auf Zeldas plötzliches Erscheinen in Schicksalshort, auf das Ungetüm in der Kirche und so weiter. Und da du absolut nichts weißt, also tatsächlich überhaupt nichts, weil Zelda sich aufführt wie ein dummes, depressives Häufchen Elend… “ Dann unterbrach Link die Dame scharf: „Rede nicht so über sie! Du weißt nicht, was sie scheinbar durchmacht.“ Und nun war die ehemalige Schülerin von Ines irritiert. Er verteidigte sie immer noch, obwohl sie sich so furchtbar ihm gegenüber verhielt? „Was immer es ist, es gibt sicherlich einen Grund, dass ich es nicht weiß…“, sprach Link sachlich. Rutara verzog ihr Gesicht. „Und Zelda geht es nicht gut, sie hat ihre Gründe. Ich glaube nicht mehr, dass sie mich irgendwie verabscheut…“, setzte er hinzu. Rutara lief hinter Link in Richtung des Lagerfeuers, blickte leicht entgeistert zu Zelda, die sich gerade von ihrem Rucksack mit Waffeln bediente und sich auf einen Baumstumpf setzte, um den Flammen des Lagerfeuers zuzusehen. „Das ist wahr… sie verabscheut deine Nähe nicht… Es ist nur nicht leicht für sie, hier in dieser Welt zu sein“, sagte Rutara schwach. In dem Moment wand sich Link wieder zu ihr und fand Rutaras Anwesenheit nun keinesfalls mehr nervend. Auch sie verheimlichte etwas… und schien sehr verwundbar zu sein. „Zelda ist nicht hier zuhause, denn ihr Herz hängt noch in der alten Heimat… niemand könnte ihr das nachempfinden.“, meinte sie leise. „In ihrer alten Heimat?“, fragte Link und sah in die hellen, fast grünlichen Augen der nur zwei Jahre älteren Rutara von Wasserstein. „Wo ist das?“, sprach Link. „Weit weg, dort, wo niemand mehr leben könnte, wo die Zeit still steht und Schreckliches geschehen ist…“ Link sah stumm zu, wie Rutara mit einem Satz wieder verschwand. Diese traurigen, melancholischen Worte. Konnte es sein, dass jene Person selbst, eine andere Welt vermisste? Link begriff den Sinn dieser Worte nur schwerfällig. Wie sollte er auch, denn den einfachsten Gedanken, den es gab, den einfachsten Hinweis sah er nicht, oder wollte ihn nicht sehen… Plötzlich musste Link anfangen zu lachen. Er sah auf die Wiese, wo sich einige Schüler versammelt hatten und zu einem neuen coolen Song des Radios tanzten. Inmitten der Masse drehte Dar Gordon einige heiße Rhythmen. Er überschlug sich fast, als er sich wie ein Irrer drehte. Seine schweren Füße wollten wohl nicht das, was sein restlicher Körper wollte. Link hielt sich vor Lachen den Bauch fest. „Vielleicht ein leidenschaftlicher Tänzer, aber ein begnadeter auf keinem Fall“, sagte er laut vor sich hin. Auch die Menge tobte und lachte… Alle versammelten sich wenig später um das große Feuer. Einige hielten Marschmelos hinein, andere spannten Brotstücke auf Stöcke und andere wiederum schauten sich einfach nur die Flammen an, die nach oben schlugen. Link saß auf einem großen, umgefallenen Baum und starrte nostalgisch in das Feuer. Eines der ältesten Dinge auf der Welt. Und… das Feuer würde man wohl niemals in Frage stellen, die Vergangenheit schon. Und je höher die Flammen schlugen, umso weiter entfernte sich die Realität für Link. Er lebte und war sich nicht mehr sicher, ob er vielleicht nur halluzinierte. Die Angriffe von dämonischen Kreaturen, die Wunden, der Kampf mit dem Schwert- wie konnten diese Dinge Wirklichkeit sein? Dann schaute er wieder in das Feuer und beobachtete dessen hungrige Flammen, die den Eindruck erweckten etwas in sich hineinziehen zu wollen- als ob es eine Falle für verlorene Seelen wäre. Link erschienen die Flammen immer unnatürlicher, als würden sie von einer fernen Macht gesteuert. Er konnte nicht anders und stand auf, um einige Schritte auf jene zu zulaufen. Wie in Trance ließ sich der junge Held an die Flammen heranziehen, ließ sich hypnotisieren… Als er dem Feuer so nah war, dass kleine Funken in sein Gesicht sprühten, dass Schweißperlen in seinem Gesicht schimmerten und es für ihn gefährlich wurde, bemerkte auch Zelda, die weit abseits war, dass etwas nicht stimmte. „Link, was ist?“, sagte sie, entgegen ihres Willens, da sie sich geschworen hatte, sich nicht mehr in sein Leben einzumischen. Und der Schmerz deswegen, so wusste sie, würde mit der Zeit vergehen. Die Schuldgefühle würden vergehen… Und nun handelte Zelda entgegen ihres Schwures, Sorgen umspannten ihre alte Seele, Böses suchte sie heim und ihr Magen krampfte sich schlagartig zusammen. Link war den Flammen so nah, dass es auch andere Beobachter schockierte. Angespannt schaute der Schüler in sie hinein, spürte etwas in dem Meer aus Feuer warten, pulsieren und wüten… Höher und höher schlugen die Gebilde des Feuers, rot löste sich zu gefahrvollem Gelb. Formen bildeten sich in dem Feuermeer, Figuren und andere Gebilde, die immer bessere Konturen besaßen, Gestalten des Leides und Kampfes, die aus dem Feuer zu fliehen begehrten. Und schließlich beruhigten sich die Gebilde, die ihre quälenden Entsetzensschreie in das Feuer schickten, um ihre Peiniger zu rufen. Und die Unschuld einer einsamen Feuerquelle wurde zerstört von Schatten, die sich einnisteten, wo Licht ewig vorherrschen sollte. Dunkle, violette Flecken in dem sonst so Wärme erfüllendem Rot. Schändliche Flecken, die mehr und mehr zu sehen begannen. Ein widerliches Augenpaar starrte ihn machthungrig an. Link stolperte nach hinten und rief den Schülern zu, sie sollten sich sofort von den Flammen entfernen. Link brüllte noch einmal laut, es drohte Gefahr. Etwas kam näher… und wurde doch nicht gehört. Er hatte seinen Satz kaum ausgesprochen, als er von einer gewaltigen Stichflamme getroffen und nach hinten geschleudert wurde. Sein markerschütternder Schrei hallte durch die Luft, ließ noch mehr Anwesende aufschrecken. Benommen lag er auf seinem Rücken, schüttelte er den Kopf, richtete sich etwas auf. Die Flammen schlugen immer höher und umzingelten ihn. Im Hintergrund schrien die Anwesenden endlich verzweifelt auf. Schüler rannten wild durcheinander. Link konnte Zelda noch sehen, die sich gerade von Ines losriss. Mit einem flehenden Ausdruck in dem wunderschönen Gesicht stürzte seine Seelenverwandte auf ihn zu. Er fauchte so laut er konnte: „Bleib’ dort, wo du bist. Lauf weg, Zelda.“ Link sah kurz ihr Antlitz als würde die Zeit stehen bleiben. Ihr vertrautes Gesicht war angespannt und voller Sorge. Ihre Schönheit war das letzte, was er sah, bevor er von einem Ring aus Feuer eingeschlossen wurde. Fassungslos orientierte sich der junge Heroe, als die Hitze unerträglich wurde. Was jetzt? Seine Dolche würden hier nichts nützen. Das war’s wohl. Link wusste nicht, wie er sich hier herauswinden sollte. Der Feuerring wurde lebendig, tanzte um ihn herum, um den Ring kleiner werden zu lassen, um sich zu schließen. Eine kalte Stimme sprach zu ihm, er kannte dieses selbstherrliche, komische Gelächter nicht, es war eine neue Stimme, die zu ihm sprach. Ein Zischen, ein widerliches, abstoßendes Gemurmel in einer anderen Sprache. Es klang wie eine Art Fluch, die das Zischen befehligte, geführt von Zorn und Hass. „Stirb’“, war das einzige, was Link verstand. Er spürte die Hitze auf seiner Haut, den Rauch in seinen Lungen, der entsetzlich brannte. Dann stürzte sich jemand durch die Flammen. Link sah, wie eine Gestalt mit langem blondem Haar, umhüllt mit einer Decke auf ihn zu stürzte. Er war außer Sinnen, als er verstand. Es war Zelda, die sich durch die Flammen wagte um ihm beizustehen. Sie war einfach unglaublich. Link hätte niemals gedacht, dass so viel Mut in ihr steckte. Zelda zwang sich zu einem kurzen Lächeln, auch wenn ihr das Feuer mehr auszumachen schien als Link. Sie reichte ihm ihre zitternde, in Angst gebadete Hand und zog Link schnell unter die dunkle, dicke Decke. Gemeinsam stürzten sie aus dem Ring aus Feuer, auch wenn es fürchterlich auf der Haut im Gesicht brannte, auch wenn es unheimlich an den Kräften zehrte. Der Feuerring löste sich auf, als beide ihm entkommen konnten. Geistesgegenwärtig riss Link Zelda zu Boden, legte sich schützend über sie und spürte, wie die Flammen mit einem letzten bösen Willen über seinem Rücken hinweg rasten. Link blieb erschöpft liegen und versuchte zu atmen. Zelda hatte nichts abbekommen, es ging ihr gut. Sie lag mit dem Gesicht auf dem Boden und versuchte sich umzudrehen. Eine starke Hand hievte den hechelnden Link auf die wackelnden Beine. Ines sah ihn geschockt an. Link kniff ein Auge zusammen und spürte erst jetzt, dass sein Rücken mehr abbekommen hatte, als er dachte. Sein dunkelgrünes T-Shirt war am Rücken fast vollständig abgebrannt und Wunden zierten seine Haut. Das Atmen fiel ihm irgendwie immer schwerer. „Hoffentlich hast du keine Rauchvergiftung“, sagte Ines, dann wurde es schwarz vor Links Augen… Das übernatürliche Feuer jedoch war gänzlich verschwunden und hinterließ keine Brandspuren auf dem Waldboden… Als der junge Held zu sich kam, lag er auf dem Bauch in dem weichen, gemütlichen Bett in Zeldas Zimmer. Er seufzte, drückte sein ansehnliches Heldengesicht gegen das Kissen und genoss noch im Halbschlaf das Faulenzen im Bett. Erst als er blinzelte, begriff er, dass es nicht sein Bett, und erst recht nicht sein Kissen waren, die ihm gerade so angenehm erschienen. ,Oh Mann, wie bin ich denn hier gelandet‘, dachte er und wusste, dass es Zeldas Zimmer war. Die Sonne schien und Link, noch ganz benommen, blinkerte in Richtung Fenster, beobachtete die weißen Strahlen des Lichts, die fast beruhigend in den Raum drangen. Er hatte wunderbar geschlafen, eine Nacht ohne Alpträume… und das nach dem Ereignis von gestern. Seine Beine, umhüllt von der blassen Jeans, die er trug, baumelten aus dem Bett. Er schloss sinnierend die Augen, erinnerte den Geruch in dem Zimmer. Überall im Raum duftete es nach Blumen, besonders nach Rosen, nach dem Duft, der Zelda immer umhüllte… Er sah um sich und konnte eine gläserne Vase mit einigen weißen Rosen auf dem Schreibtisch stehen sehen. Eine elegante, leicht schimmernde Blume, langstielig, fast herzförmige Anordnung der schneeweißen Blütenblätter. Erst als Link aufstand, und diese eigenwillige Rose weiter bewundern wollte, bemerkte er, dass er gar kein T-Shirt trug. Ja richtig, das Feuer… seine Erinnerungen an gestern wurden deutlicher, besonders in dem Augenblick, als er sich vorsichtig über die Brandwunden am Rücken strich. Link seufzte, verdrängte den Gedanken an die infernalischen Augen im Feuer mit dem Gedanken an ein gesegnetes Frühstück und hoffte, er müsste sich nicht schon wieder mit Zelda auseinandersetzen… Er war schließlich hier in der Villa. Er hatte sogar in Zeldas Bett geschlafen… ,Aber immerhin hatte er sich nicht in ihr Bett verlaufen‘, dachte er albern. Irgendjemand musste seinen Aufenthalt hier gewollt haben… Auf dem Nachttisch lag ein blassblaues T-Shirt aus einem weichen Material, das er nicht kannte. Vermutlich hatten es Zelda oder Ines ihm zu Recht gelegt. Link zog es mit einem Lächeln an. Es fühlte sich an wie reinste Seide und es war angenehm auf den Brandwunden, beinahe heilsam… Plötzlich hörte er zögerliche Schritte, die von dem Gang außerhalb stammten. Klopfgeräusche erzählten von dem Wunsch zu ihm zu gelangen, Klopfgeräusche produziert von sanften, kühlen Händen. „Link… bist du wach…“, murmelte es leise außerhalb. Es war Zelda, die sehr scheu klang. Noch immer benommen, dass er in Zeldas Bett geschlafen hatte, wusste Link zunächst nicht zu antworten. Verlegen sprach er: „Jaja… doch… ja, ich bin wach…“ Er war vielleicht noch verlegener als sein Gastgeber… Dann trat Zelda vorsichtig ein. Sie versuchte ihre lila Augenringel zu kaschieren, versuchte einmal mehr stark zu sein und sah aber unheimlich erschöpft aus. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn und ihr goldenes Haar, in einem einfachen Zopf über ihrer Schulter liegend, war ungekämmt. Sie hatte ein Tablett auf ihren zitternden Armen, mit selbstgebackenen Waffeln, herzhaftem Frühstücksspeck und seinem Lieblingsgetränk Milch. Sie stellte das Tablett vorsichtig auf ihren Schreibtisch, wirkte noch nervöser und unpässlich. Sie umarmte sich dann, umgriff ihre schmale Taille, die von einem weißen Top umschmeichelt wurde. ,War das ein Versöhnungsversuch?‘, dachte der junge Held. Oder womit hatte er diese Aufmerksamkeit von ihr verdient? Und warum schickte sie ihn nicht sofort weg? „Guten Morgen… Wie… wie geht es dir“, fragte sie leise, auch wenn sie sich nicht zu ihm umdrehen konnte, aus Angst, er würde in ihren Augen lesen, was sie wirklich dachte. „Ging mir nie besser“, sprach er. Zelda lächelte leicht, ließ sich kurz auf den Rand des Bettes sinken, aber hüpfte dann wieder auf ihre langen Beine. Sie war barfuß… und überhaupt war alles an ihr anziehend, vor allem diese knappe Jeanshose. „Das ist gut…“, stotterte sie. Link beobachtete ihr Verhalten mit einem Seufzen. „Ja… gut…“, meinte er leise. „Es geht mir gut…“ „Das ist schön zuhören…“, meinte sie. „Ja, sehr schön…“, entgegnete er frustriert. Er wusste nicht wirklich, wie er noch mit ihr reden sollte nach den vielen belastenden Diskussionen. „Du hast zum Glück keine Rauchvergiftung“, murmelte sie dann. Er nickte schwach, überlegte kurz, ob er noch länger bleiben sollte. Es war angenehm, dass Zelda sich bemühte, aber es ging ihm dann doch zu schnell. Die Tatsache, dass sie nun mit ihm reden wollte, erweckte in ihm einen leichten Groll und das Gefühl verarscht zu werden… „Ja, zum Glück keine Rauchvergiftung“, wiederholte er, tapste zu dem Tablett mit dem Frühstück, direkt an ihr vorbei und spürte, dass ihm der Appetit vergangen war. „Rick, Sara und deine Eltern wissen nur teilweise Bescheid. Wir haben ihnen erzählt, die ganze Sache war nur ein Unfall. Deine Mutter wartet im Empfangssaal… Niemand außer uns beiden hat diese Augen gesehen. Ich… hab’ mir Sorgen um dich gemacht“, ergänzte sie schwermütig. Sie ließ sich auf ihr Bett sinken, umarmte sich und wirkte noch hilfloser als in den letzten Wochen. Link musterte sie, hätte unter anderen Umständen erneut versucht sie zu einem Gespräch zu zwingen, aber im Augenblick war er nicht in Stimmung dafür. Er fühlte sich veralbert, und auch er hatte seinen Stolz. „Danke… für… also… Ich gehe jetzt besser“, seufzte Link freudlos und ging aus dem Zimmer. Zelda wimmerte etwas, ließ sich auf die Matratze fallen und stürzte ihren Kopf in ihre Arme. Warum nur war alles so schwer? Kapitel 20: Gegner aus Knochen ------------------------------ Ein weiterer langweiliger, frustrierender Schultag ging für den jugendlichen Helden mit einer nervigen Musikstunde vorüber. Mit hängendem Kopf verließ Link das Klassenzimmer. Er folgte nachdenklich dem endlos scheinenden Gang in die Aula der Schule. Einige Male hatte er Zelda versucht in ein Gespräch zu verwickeln, aber sie ignorierte ihn weiterhin, wirkte fast schon ängstlich in seiner Gegenwart… und das nach dem Ereignis mit der Dämonenkriegerin und dem infernalischem Feuer. Er verstand es mittlerweile, er verstand, dass Zelda keine bösen Absichten hatte und ihre Distanz hatte sie nicht ohne Grund aufgebaut. Aber trotz all der Umstände, konnte sie nicht zumindest mit ihm reden, ihm alles erklären? Er würde dann auch Ruhe geben, würde ihr Zeit lassen… „Ich bin so ein Dummkopf…“, murmelte er und blickte deprimiert hinaus an den Wolkenhimmel. Er wollte ihr Zeit lassen, offene Dinge mit sich selbst zu klären. Sicherlich, er wollte sie nicht drängen, aber, warum konnte sie ihn dann nicht einmal anlächeln, so wie früher… Die Sonne stand weit am Horizont und obwohl es erst fünf Uhr nachmittags war, zog der Abend mit seinen geheimnisvollen Scharen herauf. Die Dunkelheit näherte sich… Link tapste weiter, als ihm einfiel, etwas in dem Musikzimmer vergessen zu haben. Geschwind rannte er zurück und öffnete die Tür. Er achtete nicht auf die Person, die ebenso hinter einem alten Klavier im Raum stand, bemerkte nicht den unglücklichen Ausdruck in ein paar blauen Augen, die ihm auf Schritt und Tritt folgten. Langsam tapste Link zu seinem Platz und packte seine Federmappe, die er aus Schussligkeit vergessen hatte, in den Rucksack. Er stützte seine Hände auf der holzigen Schulbank ab, bis er plötzlich mit der linken Faust darauf einschlug und es aus ihm hervor platzte: „Verdammt. Verdammt!“ Immer wieder entkam dieses Wort seinen Lippen, bis er sich seufzend und geräuschvoll auf einem Stuhl niederließ. Das Mädchen hinter dem dunklen Klavier blickte zu Boden, wollte aus dem Raum gehen, aber wenn sie auch nur einen Schritt machte, würde Link sie sehen, er würde sich ihr in den Weg stellen und sie erneut um Antworten bitten. Sie konnte ihm jene Antworten aber nicht geben, um seiner selbst willen. Sie machte nur einen kleinen Schritt. Dumpfe Geräusche ihrer Schuhe auf dem grauen Teppichboden gaben ihre Anwesenheit preis. Ruckartig wirbelte Link herum und sah sie neben dem großen Piano stehen. Ihr bekümmerter Blick wanderte zur Seite, in Richtung der hohen Fensterscheiben, wieder einmal floh sie vor ihm und ihren Gefühlen. Langsam lief er zu ihr, schaute ununterbrochen in ihr Gesicht, wollte ihre Stimme hören, ihr Lächeln sehen, aber nichts davon geschah, als hätte man ihr das Reden und Lächeln verboten. Nur wenige Zentimeter war Link nun von ihr entfernt. Ihr Name entkam seinen Lippen fast flehend. „Zelda.“ Ein taubes Gefühl in ihren Beinen nahm zu, als wäre sie versteinert worden. Sie wünschte sich, ihm alles zu erklären, zu sagen, was ihr auf dem Herzen lag, aber welchen Preis würde sie dafür bezahlen? Erneute Schuldgefühle, Link in ein Heldendasein hineinzuzwängen? Links tiefgehender Blick wanderte von Zeldas schwachrosa Wangen zu den Ohrringeln, die sie trug. Silberne Ohrstecker, rosenförmig mit einem nachgebildeten, hübschen, wenn auch billigen grünen Kristall in der Mitte. Es waren genau die Ohrringe, die er ihr geschenkt hatte, als sie noch nicht wusste, wer sie war. „Du trägst… sie immer noch?“ Er wollte die Ohrringe berühren, als ob er sich von deren Existenz überzeugen müsste. In dem Moment wich Zelda so schnell und beinahe furchtvoll zurück, dass sie an der Wand lehnte. „Bin ich Gift für dich?“, sagte Link rau und sarkastisch. Mit einem unechten, fast gemeinen Lachen ging er auf sie zu und starrte sie eindringlich an. „Was willst du mit diesen Ohrringen, wenn ich doch Gift für dich bin?“, sagte er verletzt und ballte seine Hände zu Fäusten. „Hast du keine Angst, diese Ohrringe könnten dich vergiften?“ Aber erneut schwieg sie. Schon lange trug sie das Geschenk von Link in ihren Ohren, beinahe heilig waren ihr diese Ohrringel geworden. Sie erinnerte sich kurz an letzte Woche, in welcher sie einen der Stecker verloren hatte und dann drei geschlagene Tage die gesamte Villa auf den Kopf gestellt hatte, nur um dieses Stückchen billiges Silber wiederzufinden. An sich hatte jener Schmuck vielleicht keinen Wert. Aber es war Link, der sie ihr geschenkt hatte. Es war sein Wunsch, dass sie diese trug. Und es waren seine Hände, die diese Ohrringe gekauft hatten… „Sag’ schon, welchen Grund hast du, diese dämlichen Ohrstecker zu tragen. Sind sie dir denn nicht zu billig, genauso wie ich zu billig für deine Freundschaft bin?“ Seine Anklage steigerte die ungebändigte Wut in seinem Herzen, die Zweifel und den Schmerz wegen Zelda. Er schüttelte mit dem Kopf und kniff seine Augen zusammen. „Was bin ich, he? Bin ich ein Krankheitserreger, so etwas wie Alkohol, das nach der berauschenden Wirkung sein wahres Gesicht zeigt oder wohl doch ein tödliches Gift?“ Seine Worte endeten in einer Gefühlswallung, er fieberte selbst mit den Worten, kämpfte mit der ungeheuren Wut in seinem Bauch und dem aufrichtigen Wunsch, Zelda nicht zu irgendetwas zwingen zu wollen. Mit einem schwer zu unterbindendem Schluchzen führte sie ihre Hände an die Ohren und betäubte seine Worte auf diese Weise. „Hör‘ auf damit…“, winselte sie, ein Zeichen, wie weh ihr diese Worte taten. „Sicher“, fing Link an und packte sie an ihren Oberarmen. „Aber nicht, bevor du mir die Worte aus deinem Mund gesagt hast, jene Worte, die ich in deinen Augen ablesen kann.“ Es verriet sie, der stille Wunsch, er würde es selbst sehen können, ohne dass sie es ihm erklären musste. Ihre Gefühle für ihn lagen manchmal vor dem kalten Schatten ihrer Augen. „Sag’ es endlich und schau’ mich an!“, fauchte er, ließ seinen Kopf hängen, aber hielt sie immer noch an den Armen fest. Aber sie schwieg, stieß ihn zurück und trat zu der blauen Eingangstür. „Ich brauche dich“, sagte Link leise. Doch Zelda drehte sich nicht um. Nur die langen blonden Haare konnte er sehen. Kein Lächeln. Nicht einmal ein Blick. Nach wenigen Sekunden des Wartens, hetzte Zelda aus dem Raum und verließ einen auf sich selbst wütenden Link, der aus Frust und Zorn eine ganze Schulbank umwarf… Verfolgt von ihrem eigenen Selbsthass hetzte die einstige Prinzessin Hyrules nach Hause, besann sich auf Links Worte, auf seinen letzten gefühlvollen Satz. Das leise: ,Ich brauche dich’, schallte in ihren Gedanken nach und doch tat es weh. Sie führte langsam ihren Schlüssel in die hohe Eingangstür der alten Villa und erhielt sofort beim Eintreten einen aussagekräftigen Blick ihrer Ziehmutter. Impas rote Augen sahen mehr, als Zelda wollte, dass sie es taten. Sie las in ihrem Blick. „Wie war dein Schultag, Zelda?“, meinte sie und lief langsam in die Küche, wo das verspätete Mittagessen von ihr vorbereitet wurde. Stur und hoffend, Impa hätte in ihren Augen nicht gesehen, was es zu finden gab, folgte Zelda ihrer Zofe aus Kindertagen. Schweigsam nahm Zelda am Küchentisch Platz und schaute in die Stielpfanne mit den Fünf- Minuten- Steaks, begutachtete die Kartoffeln, den Spargel, die Erbsen und Möhren in weiteren Töpfen. Mit einem Seufzen belud sie ihren Teller mit lediglich einer Kartoffel, ehe sie das Besteck wieder zur Seite legte. „Du hast meine Frage noch nicht beantwortet“, sagte Impa energischer. „Entschuldige, der Schultag war so… wie immer.“ „Soso“, meinte sie und verschränkte ihre Arme, so wie Impa es immer tat. Eine ihrer Eigenheiten eben. „So wie immer.“ Impas Blick wandelte sich, wurde milder und weicher. „Hast du endlich mit Link geredet?“ Zelda wand ihren Blick zu dem Fenster. Jetzt hatte Impa wahrlich das Thema getroffen. „Also nicht“, sagte Impa schroff und legte sich ebenfalls Kartoffeln auf den Teller. Ein gemeiner, enttäuschter Akzent lag in ihren Worten. „Hätte mich ja auch gewundert.“ Das blondhaarige Mädchen stocherte gedankenversunken in ihrer Kartoffel herum und seufzte wieder. „Hast du etwas an dem Essen auszusetzen?“, sagte ihre Erziehungsberechtigte beinahe einfühlsam. Doch Zelda schüttelte bloß mit dem hübschen Kopf. „Was ist es dann?“ „Es ist lediglich… der Geschmack. Alles ist so anders als in Hyrule. Ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen.“ „Das musst du aber, Zelda.“ Verärgert sprang sie auf und brachte ihren Teller zur Spüle. Seit Tagen schon konnte man an einigen Fingern abzählen, was Zelda aß… „Das weiß ich selbst sehr genau. Das brauchst du mir nicht immer wieder unter die Nase reiben.“ In den letzten Wochen schon war das Verhältnis von Zelda und der Direktorin so angespannt. Vor allem, da Impa mit Link geredet hatte. Nein, eigentlich war es sogar nur der einzige Grund für die Anspannungen. Impa stand auf und legte dem siebzehnjährigen Mädchen eine Hand auf die Schulter. „Zelda, du musst etwas essen. Und hör‘ endlich auf, dich für alles Schlechte in der Welt verantwortlich zu machen.“ Zelda beließ es dabei darauf zu antworten und lehnte sich sachte an eine Küchentür. Es wurde kurz schwarz vor ihren Augen, worauf sie sich aus Angst noch schwächlicher zu wirken als ohnehin schon, setzte. „Rede endlich mit ihm“, sagte Impa mit gefühlvollen Worten. Zeldas Augen blitzten gefährlich auf. Sie begann zu schreien: „Und was soll ich ihm sagen. ,Tut mir leid, Link. Aber du bist eine Spielfigur!’ und ,Verzeih’ mir, Link, aber du hattest ein früheres Leben, an das du dich nicht erinnern kannst.’ Oder noch besser: ,Alles, was du durchmachen musstest, sowohl damals als auch heute, passiert nur wegen einer ignoranten, dummen, kindischen Prinzessin, die niemals zugeben wollte, was sie an dir hat?’“ Zeldas Augen wurden wässrig, bis sie zur Tür lief. „Ich kann ihm das nicht antun.“ „Aber er hat ein Recht es zu erfahren, Zelda, er wird es herausfinden, auch ohne deine Worte, auch ohne deine Hilfe. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Link weiß, bis er erkennt. Du kannst ihm sein wahres Ich nicht vorenthalten.“ Eine Pause entstand. Auch Impa hatte jetzt den Appetit verloren und warf das gesamte Essen mit einem Schlag in den Müll. „Er liebt dich“, flüsterte sie. Mit einem geschauspielerten Lachen drehte sich Zelda zu Ines, lachte angesichts dieser drei Worte und besonders angesichts des mittleren. „Liebe?“ Zelda lachte panisch auf. „Red’ nicht so einen Stuss, Impa.“ Blanker Wahnwitz lag in Zeldas Augen angesichts dieser Worte. Liebe. „Liebe?“ Zelda hörte nicht auf mit ihrer kalten, gehässigen Kicherei. „Bist du bescheuert, Impa?“, sagte sie gekränkt. Aber die stolze Direktorin trat nur näher und hob grob Zeldas Kinn nach oben. „Ich war zwar immer nur deine Zofe, aber habe ganz gewiss nicht dieselben Gemeinheiten von deiner Seite verdient, wie du sie Link an den Kopf wirfst“, sagte sie streng, worauf Zelda ihre Hand wegschlug und sich umdrehte. „Er will es doch nicht anders!“, schimpfte Zelda, erbost und vielleicht stur, weil sie sich nicht eingestehen konnte, dass es Menschen gab, die sie brauchten, die sie respektierten und achteten. „Er gibt einfach nicht auf, mich zu Rede stellen zu wollen. Kann er nicht endlich akzeptieren, dass eine Freundschaft zu mir das dümmste ist, was er sich antun kann?“ „Ja, er gibt nicht auf… er gibt nicht auf, dein Freund zu sein… ein Beweis mehr, dass er dich liebt“, sagte Impa und verschränkte ihre Arme. „Warum, glaubst du, ist ihm diese Freundschaft so wichtig? Warum glaubst du, kann er nicht aufgeben?“ Aber Zelda schwieg und ließ das Haupt sinken. „Genau das ist es nämlich, was du nicht ertragen kannst. Die Tatsache, dass du geliebt wirst!“ Und Impas strenge, weise Stimme überschlug sich fast vor Wut. Zelda aber schlug die Hände an die Ohren und hetzte zu ihrem Zimmer. Wenn Verzweiflung in Kälte umschlug, in Selbsthass und Gefühllosigkeit, war vielleicht gerade Liebe das eine Heilmittel. In dem Moment klingelte Link an der Haustür zu seinem Cousin Rick. Er brauchte Gesellschaft, suchte nach Rat, vor allem nach dem, was vor wenigen Stunden im Musikzimmer geschehen ist. Er klingelte an der Haustür und überraschenderweise wurde diese sofort geöffnet, jedoch nicht von Rick, seinem Cousin, sondern einem Mädchen mit nussbraunen, schulterlangen Haaren. „Link? Nanu? Wolltest du zu Rick?“ „Jep, ist der Gute denn daheim?“ „Ja, natürlich.“ Und Maron bat den jungen Oberstufenschüler hinein. Rick saß gerade in der Stube vor dem Fernseher und sprang hastig auf, als Link hineintrat. „Hey, was machst du denn hier?“, meinte Rick überrascht. Link hatte ein verschmitztes Grinsen auf dem Gesicht, sagte jedoch nichts dazu. Seine Augen wanderten zu dem langweiligen Fernsehprogramm und dann wieder zu Maron, die zu Rick hinüberlief und ihren Freund einen schnellen Kuss auf die Lippen gab. Überrascht meinte Link: „Ihr seid jetzt also offiziell zusammen, was?“ Zwei einander liebäugelnde Augenpaare strahlten und nickten sich gegenseitig zu. „Jup“, sagte Rick und beobachtete Maron, als sie in der Küche verschwand. „Wenn ich euch störe, verschwinde ich wieder“, sagte Link und beobachtete genau das tolle Funkeln in Ricks rehbraunen Augen. „Quatsch, du störst doch nicht. Mach’s dir gemütlich.“ Ohne Widerrede ging Link dieser Aufforderung nach und ließ sich alle viere von sich gestreckt auf dem Sofa nieder. „Also, du wirst nicht ohne Grund vorbeigekommen sein.“ Ricks wissender Blick sprach Bände. Tatsächlich hatte Rick eine sehr gute Beobachtungsgabe, er wusste vieles genau richtig zu deuten. Wieder einmal lag Ernst in den Augen Links, Kühle, Verschwiegenheit und eine Spur Sehnsucht. „Hast du mir ihr gesprochen?“, meinte Rick leise, der ganz genau wusste, was Link durch den Kopf ging. Er schüttelte das Haupt und suchte nach Worten. „Ich hatte mir vorgenommen, es einfach dabei zu belassen. Sie will nichts mehr mit mir zu tun haben. Aber… heute…“ Rick lächelte schief. „Habt ihr euch versöhnt?“ „Es wäre schön, wenn es so wäre. Sie macht aus allem ein großes Geheimnis, kann sie nicht endlich mit der Wahrheit herausrücken?“ „Sie ist ein merkwürdiger Mensch“, stimmte Rick zu. „Aber du musst ihr irgendwie helfen. Sieh sie dir doch mal an. Jeden Tag wird Zelda blasser im Gesicht, sie wird immer dürrer… ist dir das mal aufgefallen?“ Erschrocken sah Link auf. Auf diese Kleinigkeit hatte er nicht geachtet. „Und wann immer man sie irgendwo trifft, egal ob in der Schule oder in der Stadt, selbst im Park, sie ist immer alleine. Ich kann nicht glauben, dass sie das so will.“ Wahre Anteilnahme und Besorgnis stand in Ricks braunen Augen, vielleicht, weil er wusste, wie viel Zelda seinem Cousin bedeutete. „Na sag’ schon, was war vorhin?“ Rick rutschte näher und musterte Links blaue Augen eindringlich. In dem Moment kam Maron zurück und nahm neben ihrem Rick Platz, der sofort einen Arm um ihre Schulter legte. „Wir haben uns mal wieder gezofft.“ Auch Maron verstand nun das Thema des Gespräches und bemühte sich ihrem Kumpel Link einen guten Rat zu geben. Links Blick wurde immer verletzlicher, wenn er daran dachte. Der leere Ausdruck in Zeldas Augen. Die Blässe in ihrem Gesicht. „Besser gesagt, ich habe mich mit ihr gestritten. Sie hat ja nicht mit mir geredet“, murrte Link. „Es ging um ein paar Ohrringe, die ich ihr irgendwann geschenkt habe. Du weißt schon, die billigen Dinger aus dem Modegeschäft.“ „Sag’ bloß, diese Ohrringe sind von dir?“, sagte Maron. „Zelda trägt doch nichts anderes. Sie hat sich sogar geweigert, diese Dinger im Sportunterricht herauszumachen. Wusstest du das?“ „Na und? Soll’ sie diese Ohrstecker doch behalten“, meinte Link gereizt. Maron sprang erheitert auf und gab Link einen schmerzhaften Klaps auf den Hinterkopf. „Bist du so blöd, oder willst du das einfach nicht verstehen?“ Link zuckte mit den Schultern und spielte den naiven Helden, der von nichts eine Ahnung hatte. Maron grinste überschwänglich: „Sie trägt diese billigen Ohrringe doch nur, weil sie von dir sind. Verstehst du?“ Links Blick wurde nachdenklicher. „Mensch Rick, dein Cousin hat wohl, wenn es um das Thema Mädchen geht, nicht den blassen Dunst einer Ahnung, was?“ Dem konnte Rick nicht widersprechen und vielsagend wippte er mit seinem klugen Kopf auf und ab. „Wollt ihr mir helfen, oder mich beleidigen?“, meinte Link enttäuscht, mit roten Ohren im Übrigen, die man glücklicherweise nicht sofort bemerkte. „Link, was Maron sagen will, ist doch nur, dass Zelda an diesen Ohrringen hängt, was indirekt bedeutet, dass sie sehr an dir hängt. Kapiert?“ „Ist das nicht zu weit hergeholt?“, sagte Link leise und fuhr einmal schnell mit seiner linken Hand durch seine blonden, ihm ins Gesicht ragenden Haarsträhnen. „Sieh es, wie du willst. Aber ich bin ja schließlich ein Mädchen und ich nehme an, dass ich dies genauso machen würde, wenn mir jemand am Herzen liegt. Ich würde auch ständig etwas von Rick bei mir haben wollen, wenn er nicht da ist.“ Sie schenkte ihrem Freund ein bezauberndes Lächeln. Link kratzte sich am Kopf und sah höflicherweise nicht hin, als die beiden beinahe übereinander herfielen. ,Verliebt muss man sein’, dachte Link. Link blieb nicht mehr sehr lange bei seinem Kumpel und verabschiedete sich mit einem: „Bis morgen in der Schule.“ Er tapste nach Hause, überlegte es sich anders und rannte, um sich Abzureagieren hinein in den märchenhaften Wald, der in den Farben des Sonnenuntergangs erstrahlte. Ein verräterischer, feiger Diener kniete zu jener Stunde vor seinem Meister in der dunklen Kathedrale Schicksalshorts. Ein gefährliches Glühen kam aus einem knochigen, sehr scharf kantigen Gesicht. Er hatte Absichten, verdorbene Wünsche und sein erfrorenes Herz tickte. „Das Gefängnis der Finsternis ist nun fertig gestellt. Sagt mir, mein Lord, welche Aufgabe wird dieses Teufelsinstrument haben?“ „Es ist ein Seelenfänger“, lachte der Hüne und spielte mit blutroten Energiebällen, die in seinen Händen hin und her wanderten. „Die Prinzessin der alten Welt wird, selbst wenn sie gestorben ist, ihre Seele niemals von der des Heroen lösen können. Sie beschützt ihn einerseits, wie er sie wohl immer beschützen wollte. Deshalb muss diese Seele noch in dieser Welt verweilen… und wenn ich einmal ihre Seele habe, habe ich auch ihre alte Macht. Ein guter Nebeneffekt scheint, dass sie dann ihren hilflosen Zwergheld nicht mehr bewachen kann.“ „Ihr seid fabulös, mein Meister.“ Und der Diener wusste, dass sein Herr nur auf Komplimente reagierte. Kritik konnte er nicht leiden, bestrafte er lieber sehr hart… Doch der Schreckensfürst zog bloß verächtlich die Augenbrauen nach oben. „Mortesk, du jämmerliches Häufchen Dreck, geh’ in die Wälder zusammen mit deinen vier Brüdern und quäle den einstigen Helden. Er wird dort sein. Ich weiß, dass er sich dort aufhält. Er war früher schon ein Kind des Waldes. Kein Wunder, dass es ihn dorthin zieht - in diese Öde mit dem krächzenden Vogelgezwitscher und dem ätzenden Rauschen des Windes. Diesmal vernichte ihn.“ Der breitschultrige Kerl mit rabenschwarzem Haar knirschte mit den Zähnen und hob den Kopf, um seinen dunklen Meister zu mustern. „Ja, Sir, wie Ihr befiehlt. Sagt’, wo ist eigentlich Zarna?“ Sein Herr begann auf eine selbstherrliche Art und Weise zu lachen. „Willst du wirklich wissen, was mit ihr geschehen ist?“ Die roten Augen in dem Antlitz Mortesks blitzten auf. „Sie hat ihre Strafe für ihren jämmerlichen Fehler erhalten… ha… ha. Wenn sie Zelda nicht getötet hätte, wäre ich gnädig gewesen. Aber selbst dann hätte sie nicht überlebt. Der dumme grünbemützte Gartenzwerg hat ihr zu viele Wunden zugefügt.“ Mortesk erhob sich mit zusammengeballten Fäusten und schritt wie ein unzurechnungsfähiger, gesteuerter Sklave aus dem Gebäude, rachedurstig und bereit zu Töten. Link lag inzwischen tatsächlich im Wald, außer Puste, aber mit tiefen, gleichmäßigen Atemzügen, galant und genüsslich, da er schon wieder mehr als eine Stunde mit dem Schwert geübt hatte, die Seele des Kampfes in seinen Adern pulsieren spürte. Und die Welt um ihn herum wandelte sich in ihrer eigenen Vergänglichkeit und Schwäche… die Welt zeigte ihm das wahre Gesicht von Bestimmung und Wahrheit… Als er im Gras ruhte und verträumt den schwachrosa Wolken am Himmel zu sah, spürte er die ungebändigte Kraft in seinen Venen stärker werden, pochen, rauschen, so gewaltvoll und stürmisch wie das Meer. Mit jedem Hieb des Schwertes fühlte Link eine innere Kraft anwachsen, begann wahre Stärke wahrzunehmen, so, dass alles, was so klein und dumm erschien nicht mehr zählte. Wahre Stärke erwuchs seinem Herzen, so gigantisch und ungreifbar wie magische Ströme im Wind. Und er wusste diese Macht nun einzusetzen. Der Kampf, seine Kondition, sein Wille und sein Ehrgeiz bereiteten ihn vor auf das, was noch kommen würde. Und seine Stärke besaß nun viele Gesichter. Er war in der Lage seine Muskeln balanciert in dem Schwertkampf spielen zu lassen, war in der Lage mit kühnen Sprüngen und Kombinationen seiner Klinge zu vernichten, was notwendig war. Alles unterlag diesem Gesetz von Hoffnung, Einsatzbereitschaft und Leistung… und er würde den Willen für das aufbringen, wenn kein anderer es konnte… Die Abendsonne, flammend am westlichen Horizont, tauchte den Wald bereits in rötliche Farben. Der Wald warf riesige dunkle Schatten und der junge Kämpfer wollte seine Waffen im Baumhaus einschließen und sich dann auf den Weg nach Hause machen. Seine tapferen Gedanken, seine Entschlossenheit waren in seiner Aura fühlbar, als er sich erhob wie der letzte Krieger seiner Art und sich zu seinem Baumhaus bewegte. Geistesgegenwärtig genoss der Träger des Mutes die Ruhe der Wälder, das beruhigende Rauschen des Windes, die Klänge einer alten Eule, das Plätschern eines nahen Baches… das Tapsen der Tiere durch das Gras. Der grünbemützte Jugendliche wollte gerade die Leiter zu dem Baumhaus hinauf klettern, als seine Bestimmung ihn belehrte, als seine Instinkte getestet wurden und das, was ihn erwartete einen Weg fand. Das Böse erwachte irgendwo und doch nur dort, wo das Gute sich ein Nest baute… Lauter wurde das Tapsen hinter dem jungen Krieger, der ein neues Gesicht der Stärke für sich beanspruchte. Fester umklammerte er den robusten Griff des Schwertes, hörte das Leder schreiend nach einem Kampf knirschen und roch die Gefahr. Das Tapsen, billig und zerstörerisch, ging es nieder in der werdenden Nacht, verriet die Nähe von mehreren Personen. Abwartend und geheimnisvoll näherten sie sich, durstend nach dem, was die Welt auseinander stückelte, dann, wenn die Helden fielen. Das Tapsen veränderte sich, formierte sich zu dumpfen Schritten, und dann klang es wie das Klappern von schlottrigem Metall gegen Metall. Der Kämpfer nutzte seine Sinne, schärfte sie mit seinem Mut und fütterte sie mit der Erwartung eines wühlenden Augenblicks. Und seine Sinne erzählten ihm, dass er nun nicht mehr als einziger Streiter in den Wäldern stand, seine Klinge fest umschlossen in der Hand. Er war nun nicht mehr allein und spürte die Herzen, kalt, beinahe trostlos von fünf Wesen, die dunkle Gelüste befürworteten. Der Held hielt sich gelassen mit dem Rücken zu ihnen und gab seinen Angreifern nicht den Hauch von Überraschung oder Angst. Gefahr brannte nun in den Wäldern wie Gift in den Adern eines Menschen. Spannung zerriss die Luft, welche jedoch keinen Keim in Links Herzen nisten konnte. Er war bereit, er war mutig und er war derjenige, der kämpfen konnte wie niemand sonst. Und als sich der grünbemützte Jugendliche umdrehte, erkannte er seine Angreifer von vor einigen Wochen wieder. Jene Kerle, mit dunklen Haaren, einer durchtrainierter als der andere. Bis zu den Knien reichende Mäntel aus altem, rauem Stoff an ihren Körpern ließen die Kerle bedrohlich wirken. Aber es waren nicht die Kleidung, grau bis schwarz, und die erschreckend fahlen Gesichter, die den Helden sein Schwert zücken ließen, denn alle fünf Kerle besaßen gefährliche Waffen. Einer hielt einen langen Stab in seinen Händen, der andere schwang erbarmungslos einen riesigen, mit spitzen Stacheln besetzten Morgenstern, der nächste hielt eine Axt in seinen Händen und ein weiterer besaß eine Armbrust, auf der spitze Pfeile glänzten. Link schwang sein Schwert und hielt es langgestreckt von sich. Er wusste, dass er keine Chance hatte als sich diesen Kerlen zu stellen, und er wusste, dass jene nicht umsonst ihre zerfleischenden Waffen bei sich trugen. Es war nun Zeit dem vorherbestimmten Schicksal Folge zu leisten, zu kämpfen, ohne Fragen zu stellen, zu leiden, wie es sein musste und zu überleben. Link zuckte nicht mit den Wimpern, seine tiefblauen Augen waren scharf und sicher. Und dann hielt er seine Klinge in die Höhe, zielte jene genau auf einen Kerl mit rabenschwarzen Haaren, welcher als einziger unbewaffnet zu sein schien. „Dieses Mal werdet ihr mich nicht umzingeln“, sprach Link mutig. Seine Mundwinkel zogen sich beinahe verräterisch in die Breite. „Genau, dieses Mal werden wir dich töten, Held der alten Welt“, zischte der unbewaffnete Angreifer. Ein breitschultriger, langer Kerl, fettig grinsend, verbraucht und kränklich aussehend. Links Mundwinkel bebten, ließen seine anmutigen Gesichtszüge zu einem entschlossenen, kampfbereiten Lächeln wachsen. „Dann versucht es… Ihr habt es beim ersten Mal nicht geschafft und dieses Mal bin ich vorbereitet!“ Der Kerl mit den rotglühenden Augen, in denen Verachtung, Hass und krankhafte Zuversicht an die eigene Überlegenheit tobten, begann zu lachen. „Wir sind die Diener eines gewaltigen Meisters, der deinen Tod will, ebenso wie du seinen Tod willst. Du bist ein jämmerlicher, nichts wissender Schwächling.“ Link antwortete nicht darauf, aber seine Entschlossenheit wuchs. Er wusste nicht, wovon die Fünf sprachen, aber er vermutete, dass der Hüne in der Kirche dahinter steckte. „Denkst du wirklich, du hättest gegen uns eine Chance?“ Link grinste überlegen: „Mit Gesindel wie euch werde ich leicht fertig.“ Die fünf Kerle reagierten gar nicht und starrten den Jugendlichen nur an, warteten auf die entscheidende Sekunde, warteten auf die Sekunde der Genugtuung, auf die Chance im rechten Zeitpunkt anzugreifen. Ruhe bewahrend blieben die tiefblauen Augen des Heroen auf dem unbewaffneten Angreifer haften, während Blätter im Hintergrund tanzten, während die Zeit reifte. Und plötzlich, so gnadenlos wie ein durch Fleisch donnerndes Schwert stürzten sich die fünf Widersacher auf ihn. Des Helden Mundwinkel zogen sich jedoch unverschämt nach oben. Kräftig stieß er sich mit seinen beiden Beinen ab und sprang. Seine Angreifer wussten nicht, was er bezweckte, und glotzten ihm auf eine merkwürdige Art und Weise hinterher. Gewandt drehte er in der Luft eine Rolle, landete mit seinen Beinen an dem Stamm des Baumes, stieß sich wieder ab und sprang über die Köpfe seiner verdutzten Gegner hinweg. Link stand nun hinter den fünf Vasallen des Bösen und ließ sich von ihnen nicht beeindrucken. Er biss sich auf die Unterlippe, wusste, er würde nun die Fähigkeiten aktivieren, die in ihm verborgen nur darauf warteten genutzt zu werden. Er würde kämpfen, er würde tun, was er konnte, sich wehren bis zum Ende. Selbst die Zweifel, diese Kerle zu erledigen und zu verletzen, selbst wenn sie bösartig waren, versuchte Link nun wegzuschieben. Es würde nicht dazukommen, dass er diese Kerle mit seinem Schwert abschlachtete, nicht wie Zeldas Doppelgängerin, die er abgeschlachtet und deswegen massive Gewissensbisse hatte. Denn er wüde kämpfen, ehrvoll und gerecht! Plötzlich sprang der Gegner mit dem Stab auf ihn zu und attackierte mit heftigen Schlägen. Link wehrte die Attacken gekonnt mit seinem Schwert ab, und es schien ihm als könne er die Angriffe des Kerls voraussehen, als hätte er etliche Kämpfe hinter sich und Unmengen von Schlachten geschlagen. Der junge Mann ahnte mit jedem Schlag, welcher der nächste sein würde… Mit der Wucht jedes Schlages spürte Link die Klinge in seinen Händen vibrieren… Es war vertraut… gespenstisch genial und vertraut… Gerade als sein Gegenüber zu einem nächsten Schlag ausholen wollte, rollte sich der junge Held geschickt über den Boden und ließ das Schwert dabei knapp über die Erde sausen. Der Kerl verlor brüllend das Gleichgewicht und stürzte mit seinem wuchtigen Körper krachend zu Boden. Link stand in Sekundenschnelle über ihm und hielt ihm die scharfe Waffe an die Kehle, bereit weiter zu gehen, wenn dieser Kampf es so wollte, bereit alles zu tun, was das Schwert verlangte. Nach Atem ringend erhob sich Link vor seinem Opfer, starrte mitleidlos in die Augen des Mannes und roch Verrat, spürte etwas an dem Kerl, das fernab von jeder Menschlichkeit entsprang. Aber Link konnte sich aus diesem Gefühl noch keinen Reim machen. Hochkonzentriert verfolgten seine Sinne die Umgebung und er war vorbereitet auf jede noch so kleine Gefahr. Und als der am Boden liegende Kraftprotz höhnisch lachte, schnellte der Heroe im letzten Augenblick zur Seite. Denn gerade da sauste eine Axt nieder, geschwungen von einem weiteren Krieger, metzelte sich leidenschaftlich durch das knöchelhohe Gras und ließ die Erde vibrieren. Link vollführte einige Saltos, schwang sich elegant mit seiner Waffe in der Hand zurück und überblickte die Angreifer. Er atmete heftig, spürte Schweißperlen an seiner Stirn hinab wandern und genoss die ermutigende kühle Brise des Windes. Einmal mehr streckte er die Klinge in die Höhe. Und dort stand er, derjenige, der als der eine wahre Held erwachen könnte, dort stand er fest und sicher, mutig und bereit. Sein Herz schlug tosend mit der Grausamkeit, die in dieser Nacht noch geschehen musste. „Was bringt es euch Schwachköpfen gegen mich zu kämpfen?“, rief Link donnernd über die Lichtung. Seine starke Stimme schallte über die Szenerie wie einst über Schlachtfelder. „Es bringt uns Genugtuung… weil es unsere Aufgabe ist und weil du Zarna getötet hast…“, rief der unbewaffnete Krieger, der an einem Baum lehnte und seine Arme verschränkt hatte. „Zarna?“, rief Link fragend. „Unsere Geliebte, blond war sie, wunderschön und edel… schlank, atemberaubend und so kühl und grausam, dass sie Blut gefrieren ließ. Du hast sie abgeschlachtet, Held. Abgeschlachtet wie Vieh!“, schnalzte der unbewaffnete Krieger aus der Ferne, zeigte Bedauern und Wut. In Links tiefblauen Augen keimte die Erinnerung, wuchs das Wissen und er verstand schlagartig. Das dämonische Miststück, welches Zelda in einer regenverhangenen Nacht heimgesucht hatte, welches Zelda beinahe erwürgt hatte, diese Dämonenkriegerin… hörte auf den Namen Zarna. Und sie war eine genauso scheußliche Kreatur des Wahnsinns wie diese fünf Kerle mit ihren schweren Waffen. „Lasst mich raten, ihr wollt euch nun dafür rächen!“, sprach Link mit geballten Fäusten und spuckte angewidert vor die Füße der Kämpfer. Amüsiert stützte er sich auf sein Schwert. „Erbärmlich“, rief er verspottend. Er spürte das Blut kochen in sich, als die Erinnerungen an den Abend hochkamen, als dieser widerwärtige Abschaum, sich an Zelda zu schaffen gemacht hatte, sie gequält und verletzt hatte. Erneut hob der Heroe sein Schwert in die Höhe. Er wirkte wie ein Richter, der das Unheil der Kreaturen nicht duldete. Er bewegte sich in Angriffsstellung, wusste nicht mehr, wie weit er gehen würde, um diesen Kampf zu gewinnen, aber auch er hatte Rachegefühle, menschliche, verständliche Rachegefühle… und alles nur wegen Zelda. Er schob seine Zweifel zur Seite, wusste, wenn er nicht den ersten Schritt wagte in diesem mörderischen Kampf würde es sein Gegner tun und keiner von denen kämpfte fair. Also spitzte er seine Ohren, machte sich bereit für die nächste Attacke und hielt seine Klinge erbarmungslos in der linken Hand. Dann endlich bewegte der Heroe sich vorwärts in Begleitung des einen Mutes, der ihm diese Schlacht ermöglichte. Er rannte blitzschnell auf den Kerl mit der Axt zu, der vor Schreck das Beil in die Höhe riss. Ungebändigt ließ Link das Schwert auf die Axt zu rasen, vollführte meisterhafte Schwertstreiche und zerschlug dessen Griff mit einer starken Attacke. In hohem Bogen flog die Axt zur Seite und blieb kurz vor den Füßen des unbewaffneten Kriegers stecken. Der junge Held fasste in dem Augenblick noch mehr Mut und Entschlossenheit, grinste überlegen, hetzte über den Schauplatz des Kampfes… Plötzlich zischten Pfeile über Link hinweg, einer verfehlte knapp sein rechtes Ohr und bohrte sich mörderisch hinein in das Unterholz. Gelassen lief der grünbemützte Jugendliche in die Richtung, aus der die Geschosse kamen und wich den Pfeilen aus. Und er war wahrhaft schnell, rauschte wie der Wind von dannen, kämpfte genial und leidenschaftlich. Das Ungetüm mit der Armbrust in der Hand wurde langsam nervös, wollte noch einen Pfeil aufspannen, aber ihm würde die Zeit dafür nicht reichen. Denn Link war nun keine drei Meter von ihm entfernt. Der Heroe sprang und umgriff das Schwert mit beiden Händen. Mit einem kräftigen Hieb schlug er die Waffe aus den Händen des Gegners, der sich kurz umsah, erschrocken auf Link blickte und dann die Flucht ergriff. Ein kleiner Moment der Unachtsamkeit, nur ein kurzer Augenblick, wo der Held nach Luft schnappte, sich seiner Selbst und der edlen Kämpfernatur bewusst wurde, die in ihm lebte, und er hätte beinahe die Blümchen von unten angesehen. Ein mit Stacheln besetztes Seil schoss zischend durch die Luft und umklammerte Link fest und erbarmungslos an seinen Oberarmen, sodass er sich nicht mehr rühren konnte. Gewaltvoll riss das Seil an seinen Armen, schlitzte durch den grünen Stoff und rieb an seiner Haut. „Mist“, fauchte er krampfartig, da er nicht wusste, wie er sich aus dieser misslichen Lage befreien sollte. Er rüttelte kräftig, beobachtete dann den Kerl, der das Seil geschwungen hatte angewidert, aber auch gelassen. „Wir haben alle mehr als eine Waffe, hattest du wahrlich geglaubt, du könntest uns besiegen“, sprach der Kerl, welcher an einen Baum angelehnt, seinen vier Brüdern erfreut zu sah. „Ich bin Mortesk, erster der fünf Vasallen der Leibgarde des Meisters. Und du wirst hier dein Grab finden, auserwähltes, armseliges Häufchen Dreck.“ Link spürte wie die eisernen Stacheln an dem Seil sich immer mehr in seiner Haut vergruben. ,Was soll ich nur tun‘, dachte Link, blickte hetzend umher, glühte innerlich vor Anspannung und Aufregung. ,Wenn mir nicht schnell etwas einfällt, bin ich des Todes‘. Und erst in dem Moment schien ihm klar zu sein, was hier passierte. Fünf Vasallen einer namenlosen Gefahr, einer Brutalität, die auf der Erde noch nie als real beschrieben wurde, kämpfte gegen ihn, versuchte ihn zu foltern und zu töten. Er glaubte zu träumen, wurde aber durch das mit Stacheln besetzte Seil sofort wieder daran erinnert, dass dies keiner seiner Träume war, dieser Kampf war Wirklichkeit, war so real wie nichts anderes auf der Welt. Link orientierte sich, blickte muterfüllt auf die Gestalt, welche zuvor noch die gefährliche Axt schwang und ihn nun mit dem Seil in der Mangel hielt. Der Kerl zerrte am Seil und Link fiel hart und kreischend zu Boden, spürte altes Laub und Dreck in seinem Gesicht. Ein wahnsinniges Gelächter schallte umher, krank, arrogant und dumm. Der junge Held sah auf, hörte nur das schrille, eisige Lachen seiner Gegner und es widerte ihn an. Noch immer hatte Link sein Schwert in der Hand und umklammerte dessen Griff so fest wie er konnte. Noch hatte er nicht verloren… Der Jugendliche rappelte sich auf und griff mit der rechten Hand an das Seil, selbst wenn er sich dabei seine Finger aufschlitzte und zog, ebenso wie der Kerl am anderen Ende. Es war ein eigenartiges Gefühl dieses Spielchen zu führen, seinen verbliebenen Vorteil zu nutzen. Er zog und zog, machte sich die Stärke zu Nutze, die er in den letzten Wochen angesammelt hatte und es wirkte. Link lachte beinahe, als er realisierte, wie kraftvoll seine Attacken waren und welche Stärke in ihm schlummerte. Er brüllte überlegen und brachte seinen vermeintlichen Vernichter zu Fall. Schnell befreite er sich aus dem Seil, atmete tief durch, genoss das freie Gefühl an seinen Oberarmen, suchte nach etwas um sich zu schützen. Schmierig lag der Angreifer am Boden, grinste verschlagen, blieb gelassen hocken… und auch diese Geste gab dem Heroen Antwort… Gerade da kam der Morgensternkämpfer auf den Jugendlichen zu, schwang wie wild geworden seine tödliche Waffe - ein Treffer, der Knochen brechen konnte. Ein Treffer und der Kampf wäre entschieden. Das Ungetüm holte kräftig aus, schnalzte mit der Zunge, als das heftige Metallgehäuse durch die Luft knallte. Mit einem lauten Knacken landete es im Boden und Grasfetzen wurden aufgewirbelt. Link hüpfte schräg zur Seite, landete auf seinen Knien und suchte verbittert nach etwas zum Verteidigen, als er realisierte, was er vermisste. Er brauchte einen Schild! Ein leeres Gefühl breitete sich in seinem rechten Arm aus, dort, wo er einen Schutzpanzer hätte haben sollen, dort, wo er hingehörte. Gerade da setzte der Angreifer seine brutalen Angriffe fort und schleuderte den mit scharfen Spitzen besetzten Morgenstern nach ihm. Überrascht stolperte der Heroe nach hinten und sah wie der Morgenstern einige seiner blonden Haarspitzen abriss. Erhaben, aber durchgeschwitzt, hüpfte der Heroe auf seine Beine und vollführte einige Saltos nach hinten, sodass er geschwind am Rande der Bäume stand und einen genauen Blick auf die Lichtung werfen konnte, wo sich seine mit schweren Waffen bestückten Feinde auftürmten. Die Sonne versank mit einem letzten warnenden Glühen über den Wipfeln der Welt, und der Mond, kühl und überdauernd, begann seine Runden zu drehen. Und mit dem weißen Licht des Trabanten krochen Schatten, vergessen und versiegelt in den Tiefen der Welt, hervor und ließen den einsamen Streiter die Anbahnung einer gewaltigen Gefahr spüren, die er bis jetzt maßlos unterschätzt hatte. Die fünf Gestalten stapften nun immer wieder mit ihren schweren Beinen auf den Boden und versammelten sich in einer Reihe, als würden sie eine Art Todesmarsch einleiten, als riefen sie nach ihrer verruchten Bestimmung… Fassungslos starrte Link auf die schattenlosen Angreifer, spürte die Kälte der Hölle ihrer Körper, roch ein Gemisch aus Schwefel und Verwesungsgestank, spürte eine Gänsehaut über seinen Rücken wandern und beobachtete die Geburt des Grauens, beobachtete sein eigenes Verhängnis… Die Kerle stapften mittlerweile rhythmisch mit ihren Füßen in unschuldigen Boden, trommelten das Leben aus der Erde. Dann bewegten sie sich auf den jungen Helden zu. Ihre Körper schienen sich zu verändern, zu verwandeln, als würde die Dunkelheit ihre wahren Gestalten preisgeben. Mit jedem Schritt ihrer Eisen beschlagenen Stiefel, leuchteten ihre roten Augen stärker als zuvor. Mit jedem donnernden Stapfen gruben sich alte Grausamkeiten und Flüche in ihre hässlichen Fratzen. Mortesk Stimmbänder begannen zu vibrieren und Link war entsetzt wie ausdruckslos, kalt und tief diese Stimme plötzlich klang. „Was seid ihr wirklich?“, sprach Link, noch ehe er sich sicher war, überhaupt zu fragen. „Wir sind ohne Seele, ohne Gefühl, wir sind Verbündete der Finsternis; wir sind der Schrecken einer alten Welt, kommen und gehen, da wir schon tot sind, wählen keinen Weg, da für uns alle Pfade geöffnet sind.“ Mortesk beendete sein grausiges Zischen und blieb wie angewurzelt stehen, als sich der gleißend leuchtende Mond ein weiteres Mal zeigte und das fahle Licht Schatten lebendig werden ließ. Die fünf Kerle gaben plötzlich unerträgliche, zischende Laute von sich, als würden sie gefoltert. Und ihr reißendes Gekrächzte vertriebe jedes Tier, welches sich nahe der Lichtung aufhielt. Das klägliche Schreien der Gegner zerriss die Luft, als ob sie von einer schier übermächtigen Macht gepeinigt wurden. Atemlos beobachtete Link das Ereignis, dem er doch nicht gewachsen war, bis seine Augen auf dem Anführer Mortesk haften blieben. Und dessen längliches, bleiches Gesicht veränderte sich, je ruheloser die Zeit tickte und je mehr Wolken sich vor das tröstliche Licht des Mondes schoben. Die Wangen des Angreifers fielen ein. Die blasse Haut wurde innerhalb weniger Sekunden älter, Würmer krochen darin herum, bis sie die Haut zerfressen hatten und ein wenig schwarzes Fleisch herausquoll, bis hin zu den Knochen. Link musste zweimal hinsehen um zu begreifen, dass dies wirklich passierte, dass dies kein Traum war und keine Phantasie. Die fünf Kerle, die ihn herausgefordert hatten, veränderten sich, wurden lebendig tot, verwandelten sich in etwas, das der junge Held in dieser Form und mit den jetzigen menschlichen Augen doch noch nie erblickt hatte. Dem grünbemützten Jugendlichen gefror vor Schreck das Blut in den Adern, als er dem Geschehnis folgte, sah, wie aus den scheinbar menschlichen Gestalten, Wesen der Finsternis geboren wurden. Dunkle Lederkleidung zerfiel zu Staub, Haut und Fleisch zerfielen zu Staub und alles was blieb waren grausame, dämonische Gelüste und Triebe… Nach wenigen Sekunden bestanden diese Geschöpfe der Hölle nur noch aus Knochen an denen einige Hautfetzen hingen. Eine schwere Rüstung umhüllte die Angreifer… und Link noch immer erstarrt, mit Tausenden Zweifeln in seinen leuchtenden blauen Augen hatte in dem Augenblick alles vergessen, was er in dieser Realität für selbstverständlich hielt. Ihn packte die Angst und er lief in langsamen Schritten nach hinten, hörte seine Turnschuhe Zweige zertreten. Das waren keine Menschen mehr- gegen diese Kreaturen hatte er keine Chance. Wie sollte er etwas besiegen, was schon tot war und nur noch aus Knochen bestand? Link zweifelte an der Kraft, die er sich in den letzten Wochen angeeignet hatte und er wusste nicht mehr, was er noch glauben sollte. Dämonen aus Knochen standen vor ihm! Fünf Gegner mit scharfen Waffen, genährt von einem bösen Willen wollten sie ihre Klauen in sein Fleisch senken und ihn erniedrigen. „Schnappt ihn“, fauchte plötzlich eine tiefe Stimme, dröhnte durch den nächtlichen Wald auf der Suche nach frischem Blut. Mortesks knöcherne Hand schnellte nach vorne und zeigte auf den geschockten Link. Von einer Sekunde auf die andere stürzten sie sich auf ihn, brüllend und gnadenlos, wie barbarisches Getier, das zerfetzen und zerreißen wollte. Mit anbahnender Nervosität in seinen Gliedern umklammerte Link das Schwert in seiner Hand immer fester, zuckte ängstlich mit den Muskeln in seinem Gesicht und spürte, dass die Vorstellung und barbarische Aura jener Geschöpfe seinen Geist lähmte und jeden noch so kleinen Funken Mut in ihm sprengen wollte. Und als die Kreaturen der Hölle, die Wesen aus einer anderen Zeit näher donnerten, ihre reißenden Waffen glühend in die Höhe streckend, war alles, was Link noch auf den Lippen hatte ein Gebet. Ein Gebet, dass er diese Nacht überstand und eine Hoffnung, dass er in der Lage sein würde, zu kämpfen und sie zu besiegen, um nur noch einmal… und wenn es ein letztes Mal wäre… Zelda himmelblaue Augen zu sehen… Und vielleicht war der Gedanke an die Prinzessin das einzige Überlebenselixier, das er besaß um sich aus der Lähmung nur zuzuschauen zu lösen. Er musste kämpfen, er hatte keine andere Wahl. Er hatte nur diese eine Möglichkeit, um derjenige zu sein, der er sein musste. Entweder er stellte sich dieser Gefahr oder das wären seine letzten Atemzüge! Und niemand, so entschied ein verlorener Teil in seiner Seele hatte jemals darüber entschieden, wann er seinen letzten Atemzug nahm! Er war nicht geboren um zu fallen! Er stellte sich in Angriffsposition, warf die Ängste über Bord, und hielt das Schwert langgestreckt nach vorne. Und es war dann, dass seine Feinde in Begleitung des rauschenden Windes, der geheimnisvoll durch die Baumkronen schlüpfte, näher donnerten. Ihre schmierigen Häupter grinsend, ihre verruchten Seelen brüllend und vorbereitet auf ein Gemetzel, das erst jetzt in die heiße Phase ging. Und als die Zeit stillstand, einen ehrvollen Atemzug nahm, attackierten die fünf Gegner den jungen Mann mit dem heiligen Mut von allen Himmelsrichtungen. Fiebrig gingen ihre gewaltigen Klingen nieder, lustvoll nach jungem Fleisch und edlem, süßen Blut. Link drehte sich gewandt und führte das Schwert reflexartig mit sich. Erbarmungslos krachte die stählerne Klinge gegen die Rüstungen der Gegner, zerriss Eisen, schickte Zorn und Stärke denen entgegen, die grausam morden wollten. Mit einem lauten Getöse wurden alle Angreifer mit der kräftigen Attacke zurückgeschlagen, kreischten die Stille und Ruhe aus den Wäldern. Und alle Wesen aus Knochen kamen wenige Meter weiter auf ihren Beinen auf, grunzten gehässig. Überrascht über seine Fähigkeit im Kampf starrte Link auf das Schwert, knirschte mit dem Leder und wischte sich mit der anderen Hand über seine Mundwinkel. Diese Attacke gab ihm Zeit… und belehrte ihn gleichzeitig darüber, dass er kämpfen könnte bis zum Ende, dass er tatsächlich in der Lage war zu bestehen. Als einziger Streiter des Guten sollte er diese Nacht alles geben, was ihm das Schwert beigebracht hatte. ,Ja, du kannst sie besiegen‘, flüsterte das Schwert in seiner Hand. Und wenn er sie jetzt nicht besiegte, würden sie an einem anderen Tag wieder auf ihn lauern… oder sie würden Menschen in Gefahr bringen, die ihm wichtig waren. Und das reine Herz in Links Brust duldete diese Möglichkeit nicht. Nicht jetzt und nicht in dieser grausamen Stunde, wo er wusste, was es hieß, ein Held zu sein! Mortesk richtete sich grunzend auf. Seine glühenden Augen leuchteten verächtlich, machten deutlich, dass ihm das Spielchen des Heroen nicht gefiel. Gehässig richtete er seinen Blick auf den grünbemützten Link, der seinen entschlossenen Blick zurückgewonnen hatte. Ein morbider Drohruf entlockt aus seiner staubigen Kehle, schief, aber durchdringend zerstörte die nächtliche Stille. „Tötet ihn!“ Und sein Ruf war kaum verklungen, da stürzte sich die Brut aus Knochen erneut auf den grünbemützten Helden, der jedoch wie ausgewechselt schien. Jede Attacke schenkte ihm neuen Mut und jeder Streich seines Schwertes saß und verdammte. Als erstes nahm sich Link den Widersacher mit dem Morgenstern vor, der diesen bedrohlich schwang. Er war vielleicht derjenige mit der gefährlichsten Waffe und der, den Link als erstes außer Gefecht wissen wollte. Ein mörderischer Kampf entbrannte, ließ die Welt erstaunen, als Schwert und Morgenstern miteinander rangen. Immer wieder donnerten die Klingen nieder. Immer wieder wich Link den Hieben aus. In einer ausgefeilten, raffinierten Art und Weise hüpfte der junge Kämpfer so hoch ihn seine durchtrainierten Beine es ermöglichten, krallte sich an den Ast eines Baumes fest, wo er eine Rolle drehte. Tapfer, und wissend, dies war sein vorherbestimmter Weg, sprang Link direkt mit dem Schwert nach unten gerichtet auf den Kopf der Kreatur zu. Ohne Zweifel. Ohne Ängste… Und als sein scharfes Schwert zischend den Kopf des Ungetüms durchbohrte, er das letzte Hecheln der Bestie vernahm und die Welt sein Bewusstsein bereicherte, hörte er die neue Wahrheit rufen. Es rief dort draußen in der Welt nach dem Helden und die Zeichen erstarkten. An den anderen Ufern des Schicksals, vergessen, vernahm das Böse den Ruf des einen Helden. Sein Mut lebte und er lebte mit einer gigantischen Stärke. Und jener Mut würde diese Nacht entscheiden. Wie der Richter über das Unheil und die Grausamkeit der Dämonen landete Link auf seinen Beinen, blickte mitleidlos zu jener Kreatur mit dem gespaltenen Schädel. Am Boden brach das Ungetüm zusammen, kreischte markerschütternd noch einmal, bis seine entstellten Lippen schwiegen und er sich in Asche auflöste… Ein Widersacher war gefallen… und er fiel gnadenlos zu den Füßen des grünbemützten Schwertfechters. Erleichtert atmete Link aus und schnaubte nach Luft. Seine tiefblauen Augen glühten in einem Spektakel aus Überraschung und Überlegenheit. Etwas ungläubig richtete er seinen Blick auf seine Waffe und schließlich zu den Monstern, die noch übrig waren. Ja, das war, was er sein wollte. Ein Kämpfer, der über das triumphierte, was herrschsüchtig und dumm war. Und er würde diese Nacht in seinem Leben nicht mehr vergessen, denn sie ließ ihn sein, was er sein wollte. Und er würde in dieser Nacht nicht aufgeben! Gespannt blickte er um sich, stellte sich erneut in Kampfposition und seine Mundwinkel zogen sich herausfordernd in die Breite. Mit einer auffordernden Handbewegung lud er die Gegner ein, war völlig in Trance, realisierte nicht mehr, aber ließ sich von dem Rausch der Gefahr gefangen nehmen… Mortesk, der sich zuvor noch gelassen zurückhielt, schnippte nun mit den Fingern und trug plötzlich Schild und Schwert in den Händen, aber griff dennoch nicht in das Geschehen ein, während Link begann sich mit den anderen drei Gegnern zu duellieren. Als die Nacht dunkler und dichter wurde, flitzte das stachlige Seil erneut über Link hinweg, der sich geschickt bückte und über den Boden rollte. Er kämpfe leidenschaftlich, mit allem, was er hatte, hüpfte mit gehässigem Blicken hin und her, bis er auf dem Seil des Ungetüms stand. Erstaunt sah der Gegner auf, bereit kräftig an dem Seil zuziehen, um Link zu Fall zu bringen. Aber gerade im letzten Moment stellte sich Link mit einem hinterhältigen Grinsen neben es. Der schmierige Kerl zog und flog mit einem Knacken seiner schweren Rüstung nach hinten. Link rannte auf ihn zu, die anderen Widersacher immer im Auge, und setzte dem Kerl aus Knochen die Waffe an die Kehle. „Wer schickt euch“, fauchte der Jugendliche. Doch das Monstrum antwortete nicht, auch dann nicht, als Links Klinge näher an dessen knöcherner, mit Hautfetzen behangener Kehle entlang fuhr. Er war bereit ihm den Gar aus zu machen, blickte ihm zornig entgegen. Plötzlich hatte der am Boden liegende Knochengegner einen Dolch in den Händen und stieß ihn nach seinem Feind. Dieser wich knapp aus und ließ die Klinge nun die Kehle des Unholds durchstoßen. Mit einem Winseln sprang die dämonische Kreatur auf, fasste sich mit den Händen an den Hals und zersprang in einem unheimlichen Ascheregen… und erneut fiel ein Gegner zu Staub und fütterte den Überlebenswillen des einen Helden… „Wollt auch ihr sterben wie eure beiden Brüder!“, kreischte Links Stimme durch die Nacht. Er schwang seine Waffe auf eine elegante Weise, blickte eiskalt in die Antlitze zwei weiterer furchteinflößender Ritter, die nur aus Knochen bestanden. „Wollt auch ihr die Klinge kosten?“, brüllte Link hetzend. „Ritter aus Knochen, billiger Abschaum, kämpft oder flieht! Aber ich, so wahr ich hier stehe, werde mich nicht besiegen und nicht erniedrigen lassen, nicht von Rittern aus Knochen wie euch!“ Ja, Ritter aus Knochen… Skelettritter, wie sie ein vergessener Teil seiner Seele nannte. Der Gedanke war genauso wahnwitzig wie doch unerschütterlich. Er stand hier im Angesicht von Feinden, die genauso aussahen wie die mordlüsternen Streiter aus Knochen, die doch nur in einer Phantasiewelt existieren konnten. Link hatte keine Zeit für weitere seiner Überlegungen und doch wusste er es. Er kämpfte erbarmungslos mit der Macht seiner Tapferkeit gegen Wesen, die in einer anderen Dimension existieren sollten. Er kämpfte wie in der Legende von Zelda… und noch war das Gefecht nicht vorüber. Die Welt entließ Link noch nicht aus seiner Pflicht… Erneut fand sich der grünbemützte Jugendliche umgeben von der Grausamkeit seiner eigenen Erwartung. Noch drei Gegner hielten sich mit mörderischen Waffen hier auf und alle drei waren nun weitaus vorsichtiger, wussten um die Fähigkeiten, die sich der junge Mann angeeignet hatte. Einer der verbliebenen Widersacher, derjenige, der gerade seine Armbrust mit mehreren Geschossen aus Metall fütterte, rückte in Links Visier. Mit einem Grunzen spannte der Skelettritter seine Waffe und ließ in dem Augenblick, als sich der Mond ein weiteres Mal am nachtschwarzen Himmel zeigte, seine gefährlichen, dickstämmigen Geschosse los. Zischend donnerten die Pfeile über die Lichtung, zerrissen Blätter und Zweige, aber keiner der Pfeile war direkt auf den jugendlichen Kämpfer gespannt. Hochkonzentriert, aber erstaunt beobachtete Link die Geschosse, sah jene vorbeirasen und erkannte im letzten Augenblick etwas funkelndes, violettes, das an den Eisenspitzen der Pfeile klebte. Etwas Schleimiges verlieh den Geschossen Schnelligkeit und Intelligenz, verlieh jenen den Willen zu töten. Ohne weiteres Überlegen rannte Link in die Dunkelheit der Wälder und spürte die selbstständig denkenden Pfeile immer näher kommen, fühlte ihren Vernichtungswillen, gefüttert von einem Geist, der die Geschosse durch den Wald lenkte. Der Streiter des Guten drehte einige Runden, hetzte zur Seite und sah, wie eines der eigentümliche Geschosse nach vorne schnellte, sich bizarr in den Lüften drehte und einmal mehr auf ihn zusteuerte. Link duckte sich hetzend und hörte ihn über sich hinweg rasen. Mit einem weiteren Adrenalinstoß, der ihm ins Mark fuhr, rannte der junge Held weiter, hüpfte über einen Bach, hörte seine Schuhe Laub und Zweige zertreten, hörte im Hintergrund, wie die Pfeile den Wind teilten und blickte ab und an mit seinen scharfen, tiefblauen Augen zurück. Ruckartig blieb er schließlich stehen, wischte sich Dreck und Schweiß von der Stirn und entschied sich nicht länger wegzulaufen. Er war nicht geboren worden um wegzulaufen und er wusste, dass die Geschosse, genährt von dem übernatürlichen Schleim auf ewig hinter ihm her donnern würden, wenn er sie nicht stoppte. Und er konnte sie stoppen! Mit geschlossenen Augen, in einer edlen Haltung, das Schwert vertikal nahe seinem Körper, stand Link inmitten der Dunkelheit und fokussierte. Seine Konzentration wuchs, seine Sinne schärften sich im Angesicht der Stille der Nacht, und der Stunde, wo das Leben auf der Erde schlief. Kein Laut drang durch die Finsternis, nur das sanfte Plätschern des Baches, ein Raunen einer alten Eule, Gesänge der Wildnis… und ganz leise, aber unverkennbar röhrte etwas Gefährliches durch die Winde. Mehr und mehr konzentrierte sich der Kämpfer auf das eigenwillige Geräusch der Geschosse, die zischend näher hasteten und die Luft vibrieren ließen. Gerade als sich seine tiefblauen Augen öffneten und das mutige Leuchten jener durch die Dunkelheit drangen, konnte er die Pfeile in der Dunkelheit aufblitzen sehen, erkannte auch den funkelnden Schleim an den metallischen Objekten und entschied sich weiterhin zu verweilen, sich bereit zu machen. Tapfer hielt Link sein Schwert gestreckt dicht an seinem Körper und wartete geduldig auf das erste Zeichen der Zeit… Langsam bewegte er seine Waffe nach links, konnte die mörderischen Geschosse schneller werden hören. Sie näherten sich verbittert und entseelt, näherten sich mit der Sucht nach zerrupftem Fleisch, donnerten gnadenlos vorwärts. Und sie waren nah, so nah, das Link die Windgeister heulen hören konnte, und spürte, wie sie jene unschuldigen Geister zerfetzten. Doch er blieb gelassen, wo er war, bereit auf seine Fähigkeiten zu vertrauen und bereit für einen neuen Weg. Und als sich die todbringenden, dickstämmigen Pfeile näherten, lebendig und zielgerichtet, biss sich der junge Heroe auf die Lippen, schluckte trockenen Speichel in seinem Hals herunter, umfasste seine schutzbringende Waffe energisch. Nur noch wenige Meter trennten ihn von den Geschossen und es war dann, dass Link sich einmal mehr auf seine Kämpfersinne verließ. Als hatte sich die Zeit mit ihm verbündet, schloss er seine Augen in dieser Sekunde des Wahnsinns, führte seine Waffe elegant und mit einer satten, geschmeidigen Bewegung ließ er die Klinge tanzen. Kurz davor mit einem erstickten Laut in seinen Körper einzudringen, erstarben die Pfeile vor seinem Körper. Alle drei hatte der gewandte Kämpfer mit seinem Schwert zerteilt und die zerstückelten Teile der Pfeile landeten zu seinen Füßen. Link trat geistesgegenwärtig auf den lila Schleim, der sich von den Pfeilen absonderte, davon kriechen wollte. Dieser übernatürliche Schleim, von dem der junge Mann ahnte, dass er gefährlicher war als so mancher Gegner, würde auch durch seine Hand gerichtet werden. Ohne Mitleid, und wissend, dass es richtig war, stieß der grünbemützte Kämpfer die Klinge mehrfach in die Substanz, bis auch diese sich auflöste und wie Rauch zum Himmel emporstieg. Mit einem leichten Seufzen, nach einer kurzen Verschnaufpause, wo sich der Jugendliche kurz am Wasser das Baches erfrischte, rannte er weiter und konnte ein erneutes, gefährliches Knacken im Wald vernehmen. Noch waren da draußen drei Gegner, die sein Blut wollten und noch waren die Nacht und der Kampf nicht vorbei. Ruhiger werdend und vorbereitet huschte der jugendliche Schwertfechter durch das Unterholz, bemüht wenige Geräusche zu verursachen und sich weiterhin geschickt in der Dunkelheit zu halten, einen Vorteil zu haben. Aber Link ahnte auch, dass seine Feinde sich viel leichter mit der Finsternis verbünden konnten als er. Ein vergessener Teil seiner selbst belehrte ihn darüber, dass Kreaturen des Bösen schärfere Sinne für die Finsternis besaßen als ein Wesen der Lichtwelt… Und in der Schwärze stapften seine Feinde vorwärts, suchend nach ihm, dürstend nach Rache für die Abschlachterei von zwei ihrer Sorte. Link lauschte gespannt durch die Nacht, fühlte eine einschleichende Erschöpfung in seinen Gliedern und kostete von seinen Sinnen, spürend, dass einer der Angreifer sehr nah war. Dann plötzlich ein Knacken, das Klappern von Metall. Dann Schritte, die ihm erneut einen Adrenalinschub verpassten. Und nur wenige Meter weiter entdeckte der gewandte Streiter des Guten ein bedrohliches Funkeln, rötlich, von zwei kranken Augen, die nach ihm Ausschau hielten. Einer der Gegner näherte sich, rieb seinen Kampfstab an den Baumrinden, schlug dann mehrfach gegen Äste und Zweige und rief nach dem einen Helden. „Komm‘ raus, Held der alten Welt. Narr, der du bist, zeig‘ dich! Du kannst nicht gewinnen, keiner kann das… keiner kann uns bezwingen auf ewig!“ Der Dämon brüllte mit seiner staubbelegten Kehle, zerstörte die Ruhe in den Wäldern. Und noch war Link im Vorteil. Er zögerte nur kurz, entschied sich dann seine Anwesenheit preis zu geben. Gelassen, in geschmeidigen Schritten näher tretend, würde er sich auf den nächsten Kampf einlassen. Und während er in den Kampf zog, wurden seine Schritte schneller und fester. Furcht bekämpfte ihn nicht… Furcht hatte keine Chance sich breit zu machen in dem Herzen des wahren Helden. Mit einer saftigen Sprungattacke gab Link seine Anwesenheit preis, donnerte mit aller Kraft gegen seinen Widersacher und das Schwert und der lange Kampfstab prallten erbarmungslos aufeinander. Wie in Trance ließ sich Links starker Körper von der Macht des Kampfes benutzen. Die Energie einer Schlacht verwandelte ihn in eine Maschine, die nur geboren schien zu vernichten. Er umgriff das Schwert mit beiden Händen, schlug so kraftvoll auf den Kerl ein wie er es konnte, spürte seine Muskeln vibrieren. Schwert und Kampfstab rangen miteinander, während sich die Kontrahenten angeekelt in die Augen starrten. Link drückte das Schwert gegen den Stab und presste die Zähne zusammen, legte alle Kraft des Guten in die Klinge, bereit alles zu geben, was er hatte. Brüllend riss Link das Schwert nach rechts, wissend, welche Attacke zum Sieg führen würde, aber es reichte nicht. Und erneut kämpften die Gegner, als würde die Welt um sie herum versinken. Gerade in einem unbedeutenden Augenblick tauchten zwei weitere Augen in der Dunkelheit auf. Während Link seinem Gegner immer mehr die Kraft raubte, wurde die Armbrust direkt auf ihn gespannt. Die Bestie im Hintergrund war sich ihres Sieges schon sicher und verfolgte den Heroen zähneknirschend mit der gefährlichen Waffe. Triumphierend hatte der Widersacher Links Herz im Visier, wissend, er brauchte nur noch abdrücken, brauchte nur noch wenige Sekunden und dann wäre diese Welt befreit von dem einen Helden und dann wäre diese Welt bereit für das, was der Meister mit ihr vorhatte. Doch gerade in diesem Augenblick spürte Link ein Paar Augen im Nacken, stürzte nach vorne, direkt auf seinen Gegner zu, wissend, was der Kampf nun forderte, wissend, dass nun die Zeit gekommen war erneut zu morden. Ein Pfeil zischte durch die Luft, todbringend, glühend und gnadenlos. Link duckte sich blitzartig und rollte sich geschickt durch die Beine seines Kontrahenten. Der Pfeil rauschte, durchbohrte die Rüstung des knöchernen Wesens und tötete Böses mit Bösem. In einem glühenden Ascheregen zerplatzte die Kreatur der Finsternis… und erneut fiel ein Dämon zu Links Füßen. Der junge Mann versteckte sich wenige Minuten später hinter einem Baum, stützte seine Arme auf die zitternden Beine und schnaubte heftig. Die Müdigkeit legte sich nun unberechenbar stark und fordernd über seine Glieder und seinen Kämpfergeist. Ja, er war erschöpft, spürend, wie ihm seine Kräfte schwanden… aber noch war es nicht vorbei. Und Link würde eine Niederlage niemals selbst wählen… Link spitzte seine Ohren und lauschte angespannt durch die Dunkelheit der Nacht. Er umfasste den Griff des Schwertes wieder fester, weil dort draußen in der nächtlichen Dämmerung, dort draußen, wo die Gefahr lebte, noch immer zwei Widersacher warteten. Zwei, die seinen Tod forderten mit jeder Faser böser Energie, die in den zusammengewürfelten Knochen lauerte. Dann erneut ein morbides Knacken im Unterholz, näher und näher. Der junge Held konzentrierte sich auf das Atmen der Kreatur des Bösen in der Ferne, konnte sie hecheln hören und wusste, dass es auch jetzt kein Entrinnen gab. Es gab keine Fragen mehr, die er sich stellen konnte und es gab kein Weglaufen. Die Tage, an welchem er vor bösem Abschaum Angst hatte, waren vorbei. Und seine Furcht war mit dieser Nacht gestorben wie seine Unschuld im Kampf… Er würde sich ab diesem Tage niemals mehr entmutigen lassen, nie wieder weglaufen und dem Kämpferblut in sich treu bleiben. Denn sein legendärer, heiliger Mut war zum Leben erwacht… Noch einmal lehnte sich der Streiter des Guten konzentriert an einen morschen Baum, lauschte gespannt durch die Nacht. Und es war dann, dass Link sein Schwert rufend schwang, und jenes, während er mit dem Rücken zum Baum gelehnt dastand, einfach nach hinten stieß. Ein trostloser Aufschrei zerriss die Stille. Ein leises Röcheln. Ein dumpfer Ton und auch das vierte Monster zerplatzte in schimmernde, rotglühende Funken… und seine Existenz endete im vorherbestimmten Jenseits… Nach einer kurzen Atempause und einer zunehmenden Erschöpfung, die sich heimtückisch über seinen ermüdeten Körper legen wollte, lief Link wachsam durch den düsteren Wald und wusste, er müsste die Lichtung überqueren, andernfalls würde er nicht nach Hause gelangen. Mortesk wartete bestimmt auf ihn, würde es genießen sich ihm im Kampf entgegen zu stellen. Link spürte seine Verderben bringenden Kräfte, roch in der Luft noch immer den schwefligen Gestank, der von den zerfetzten Skelettrittern geblieben war. Link blieb plötzlich verausgabt stehen und holte kräftig Luft. Erst jetzt schien er vollkommen zu realisieren, was er getan hatte, wer er war und was in ihm zu pulsieren begann. Er kämpfte mit Würde und Leidenschaft, gerade so als wäre es sein Ruf, seine Bestimmung. Und in seinem Herzen führte Link ebenso einen Kampf- er trat gegen sich selbst an, gegen das menschliche Abbild seiner selbst, gegen eine Unschuld, die er diese Nacht in den Wäldern begraben hatte. Und diese Unschuld hatte er geopfert für das tosend schlagende Herz eines Kämpfers, der wie kein anderer mit einem Schwert umgehen konnte. Ja, er wusste, seit dem Tag, an dem er Zelda gefunden hatte, war etwas in ihm erwacht… etwas, dass er niemals hatte vergessen wollen, etwas Wertvolles und Legendäres… Nach mehreren Minuten stolperte der Jugendliche auf die vom Mond beleuchtete Lichtung zu, blickte sich um, aber er ahnte, dass Mortesk verschwunden war… Feige war er davon gelaufen, hatte seine Brüder geopfert und konnte sich an einer Niederlage des Heroen nicht ergötzen. Ja, das Gute hatte in dieser Nacht eine Schlacht gewonnen und das Gute würde nun nicht mehr so leicht zu besiegen sein… Der grünbemützte Schwertfechter gähnte, streichelte das Schwert dankbar in seiner Hand, wissend ohne es hätte er diese Nacht nicht überlebt. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und starrte auf die Zeiger… sie waren genau um Mitternacht stehen geblieben. Sara saß zu dem Zeitpunkt am Telefonhörer und schaute geistesgegenwärtig darauf. Sie machte sich Sorgen um ihren großen Bruder, spürte nahezu, dass etwas nicht stimmte. Mitternacht war schon lange vorbei und Link hatte sich auch sonst nicht mehr gemeldet. ,Irgendetwas war da faul‘, dachte sie. Sara hatte ein sehr ungutes Gefühl. Sie ergriff den Telefonhörer und wählte eine vertraute Nummer. Am anderen Ende der Leitung ertönte dann die schläfrige Stimme der Direktorin. „Ja, hallo, bei Schatteners. Mit wem spreche ich?“ „Ähm, Sorry für die späte Störung. Hier ist Sara Bravery.“ „Ach, Sara, worum geht’s?“ Miss Schattener klang ruhig und sachlich. „Also, Link ist noch nicht nach Hause gekommen. Ist er vielleicht bei Zelda?“ „Nein, ist er nicht. Und er hat sich sonst nicht mehr gemeldet?“ „Nein.“ Sara war enttäuscht, sie hatte gehofft Ines Schattener könnte ihr helfen, das war aber ein Irrtum. Trotzdem klang die Direktorin unheimlich besorgt. „Hast du eine Ahnung, wo er hin wollte?“ „Nein, das heißt, er ist vielleicht in den Wäldern und…“ Plötzlich wurde im Hause der Braverys die Tür geöffnet und Link trat mit erschöpftem Blick hinein. „Link ist gerade gekommen. Hat sich erledigt, entschuldigen Sie nochmals die Störung bitte. Gute Nacht.“ Damit legte Sara den Hörer auf und starrte Link an, der einige Kratzer im Gesicht hatte und dessen Kleidung total zerrissen war. Sara wollte sofort wissen, was passiert war. Link jedoch winkte ab, ging auf sein Zimmer und ließ sich hundemüde in sein Bett fallen. ,Ich habe vier Menschen mit einem Schwert getötet… vier Menschen, die zu Monstern mutierten‘, dachte er erschöpft. ,Ich bin… nicht mehr, was ich glaubte zu sein…‘ Kapitel 21: Klarheit -------------------- Als Link am nächsten Morgen seine Augen öffnete, fühlte er sich so wach wie noch nie in seinem Leben. Es war noch vor Schulbeginn, als er die Treppenstufen hinunter trat, eine Kleinigkeit aß und spürte, dass sich in den nächsten Wochen noch mehr verändern würde als bisher. Mit einem nervösen Schmunzeln auf den Lippen fragte er sich zwanghaft, ob der Kampf von gestern tatsächlich passiert war oder ob er sich das alles nur eingebildet hatte. Es konnte doch nicht sein, dass er wie der Link im Spiel nun gegen Skelettritter kämpfte, gegen Knochenwesen, die von einem teuflischen Willen genährt wurden… Und er kämpfte, genauso wie die Spielfigur mit einem Schwert… Der junge Mann schlug sich gegen seine Stirn. Es fehlten bloß noch die grüne Mütze und das Hylia-Schild… und Epona… Er lachte dümmlich, stützte sich verzweifelt auf dem Tisch ab und hatte Sorge sich endgültig in einer Traumwelt zu verlieren. Er war nicht Link, er war nicht der Held der Zeit, er war nicht der Retter Hyrules… das konnte nicht sein… Ohne Aufsehen zu erregen, Sara oder seine Eltern zu wecken, begab sich der junge Mann in aller Frühe aus dem Haus und lief zunächst ziellos durch die Stadt. Erneut hatte er seiner Mutter nicht gesagt, dass er außer Haus ging, aber in den letzten Wochen schien Meira das zu ignorieren. Sie hatte seit seinem Krankenhausaufenthalt aufgegeben ihm Hausarrest zu geben… Die Sonne ging gerade auf, glühend und beinahe verräterisch, aber in der Stadt herrschte noch Totenstille. Link folgte dem Weg zur Schule, besah sich die Welt, in der er lebte, die Selbstverständlichkeiten des Alltags und zweifelte immer mehr. War dies wirklich das Leben, was er führen sollte? Und war Hyrule… war ein Spiel… wirklich nur ein Spiel? Schwermütig kam der Jugendliche an der alten Kirche vorbei. Der Wind, ein kühler Bote des nahenden Sturmes, zog raschelnd durch die alten Bäume, die dicht gedrängt um das Gotteshaus standen. Link spürte das Knistern eines neuen Weges, das Gefühl, die Offenbarung seiner Bestimmung näherte sich, spürte den Drang sich dort einem Gemetzel stellen zu müssen, auch wenn es genügend Leute gab, die ihn beschützen wollten. Er würde kämpfen müssen, auch wenn er keine Spielfigur war. Magisch angezogen tapste er den mit Steinen bepflasterten Pfad zu der riesigen, alten Holztür hinauf, blieb zögerlich stehen und hatte dann keinen Zweifel mehr in den Innenraum der Kirche einzutreten. Ines hatte ihm verboten sich hier her zu wagen. Vielleicht, weil er keine Chance hatte gegen den Bastard, der dort seine Pläne schmiedete. Aber wer sollte gegen ihn kämpfen, wenn nicht jemand, der ein Schwert führte? Link hob leicht einen Arm um die morsche Tür zu öffnen. Vorsichtig trat er ein, folgte dem Ruf seines Schicksals, folgte der Herausforderung und wurde von der Pforte verschluckt. Die große Halle schien jedoch leer zu sein. Link lief wachen Auges durch Reihen aus Bänken und schritt in Richtung Altar. Nein, es war niemand hier. In ihm gehrte ein hinterhältiger Gedanke. Noch einmal blickte Link wachen Auges umher, dann rannte er zum Altar und suchte nach Spuren, er wollte irgendetwas finden, irgendetwas als Beweis, dass sich hier ein Dämon herumtrieb, der seine widerlichen Abgesandten auf unschuldige Menschen hetzte. Einzelne Lichtstrahlen fielen durch die bunten Glasfenster und gaben winzige Staubkörnchen preis, die in der Luft herumwirbelten. Link krabbelte auf dem Boden herum und sah hinter jede Ecke. Irgendeinen Hinweis müsse er doch finden. Er stand wieder auf und schaute durch die teilweise kaputten Holzbänke. Nichts… Link starrte nun an die Decke, blickte dann nach rechts, nach links, aber keine Spur. Verdammt hier muss etwas sein, sagte eine ungeduldige Stimme in seinem Kopf. Etwas, das ihm half diesen ganzen Irrsinn um den Kerl hier drin zu lösen. Link lief abermals zum Altar, wo ein Felsenstein stand und seltsame Schriftzeichen dort hineingehauen waren. An den Wänden hingen drei Gemälde, auf denen nichts dargestellt war. Seltsam, dachte er, bisher war ihm das noch gar nicht aufgefallen. Drei alte Gemälde mit goldenen Rahmen. Aber ohne Motiv, ohne Farbe, nur ein schwarzer Hintergrund war darauf dargestellt. Link ging näher und berührte eines der Gemälde… Als er seine Fingerspitzen darauf legte, schien es ihm für einen Sekundenbruchteil, als lebte es. Er spürte etwas Pochen, fühlte deutlich einen Puls, eine scheue Bewegung, ein Zeichen des Lebens. Irritiert, aber zugleich erfreut, dass er etwas fand, das als Beweis genügte, nahm der Held das Gemälde ab und klemmte es unter seinen Arm. Gerade als er aus der Halle treten wollte, sprach die Stimme eines Kindes zu ihm. Die Stimme eines Jungen, die Link schon einmal im Traum gehört hatte. Link sah auf das Bild und blickte verstört drein. Der Knirps, welcher ihm so ähnlich sah, seine blonden Haare trug, waldgrüne Kleidung, erschien auf dem Bild. „Nein, bitte nimm’ das andere Bild auch mit. Dieses steht für Mut, nimm’ auch das Gemälde, welches für Weisheit steht. Und gehe damit zu Naranda Leader“, sprach er piepsend und aufgeregt. Link schüttelte entnervt den Kopf, wusste nicht, was er von dem Bengel und diesem merkwürdigen Ereignis halten sollte und flüsterte: „Wie bitte? Warum?“ Doch der kleine Kerl auf dem Bild, welcher ebenso blaue Augen besaß, schüttelte verängstigt den Kopf. „Du musst mir vertrauen, ich bin zwar ein Kind, jemand der noch nicht einmal eine Existenz besitzt, aber ich gehöre zu deiner Zukunft.“ „Wie heißt du!“, rief der junge Mann und berührte das Gemälde wieder. Das Kind jedoch, im ersten Augenblick so real, so vertraut und ansehnlich, war wieder verschwunden. Link zögerte kurz, nicht ahnend, was er von dem Zwerg halten sollte, aber irgendwie besaß das Kind ein Paar niedliche und angenehme Augen, denen er alles glauben würde. Link fasste einen weiteren Entschluss und lief zurück. Er schnappte sich auch noch das Bild ganz rechts. Es fühlte sich irgendwie anders an als jenes, das er bereits unter seinem Arm trug, ja, es strahlte eine wohlige Wärme aus, angenehm, fast zärtlich. Auch dieses klemmte sich der Schüler unter den Arm. Doch bevor Link sich umdrehte und verschwand, wollte er unbedingt noch das Bild in der Mitte betasten. Seine Beine bewegten sich langsam darauf zu, er stoppte kurz, hob seine Hand und berührte es. Aber als seine Fingerspitzen darauf tanzten, wünschte er sich beinahe, er hätte es nicht berührt. Das Bild lähmte ihn völlig, Schmerz durchfuhr seinen Körper, eine kalte Hand legte sich auf sein Herz… Vor Schreck stolperte Link nach hinten, als er von dem Bild abließ. Sein Körper zitterte und eine ungewohnte Übelkeit bohrte sich in seinen Magen. Genauso hatte er sich gefühlt, als diese Abgesandten der Hölle ihn zusammen geschlagen hatten. Link, außer Atem und verstört, rannte in schnellen Schritten auf das Tor am Eingang zu und war blitzartig dahinter verschwunden… Gerade in diesem Augenblick wurden in dem Einkaufcenter am Rande der Stadt die Lampen entfacht. Ein riesiger, hässlicher Schatten breitete sich in der riesigen Halle aus, in welcher Unmengen von Regalen mit Lebensmitteln, Gebrauchsgegenständen für den Haushalt und anderen Dingen aufgestapelt waren, für die jener Dämon keinen Zweck erkannte. Hinter ihm kroch Mortesk mit gebeugtem Rücken hinterher. „Wozu brauchen die jämmerlichen Geschöpfe auf der Welt nur so viel blanken Unsinn“, sprach das Ungetüm abwertend, als er eine der Reihen mit einer Handbewegung leerte. „Sie wollen alle nur besitzen, aber sie erkennen nicht den wahren Wert einer Macht, die man begehrt. Sie glauben, diese geistesarmen Gegenstände hätten einen Wert, dabei beschämen sie nur das Dasein ihrer Besitzer.“ Er lief weiterhin durch die leeren Reihen. „Mortesk.“ „Ja, mein Herr.“ „Ist alles bereit, diejenigen, welche sich dieser Stätte nähern, zu versklaven.“ Mortesk sah auf und kniete nieder, als seine eisigen Augen in die noch eisigeren des Schreckensfürsten sahen. „Einige, die an diesem Ort beschäftigt sind, unterliegen bereits eurer Kontrolle. Wir werden auf weitere Narren warten… für die Verseuchung…“ „Und das Gefängnis der Finsternis? Ist alles vorbereitet, um Zeldas Geist einzusperren, wenn er hier noch irgendwo verweilt?“ „Ja, mein Lord. Fertiggestellt ist er schon lange. In einigen Tagen dürfte er dann funktionsbereit sein.“ „Gut“, lachte der Hüne. Der monströse Kerl hob beide Arme und breitete sie aus. „Diese Welt wird bald mir gehören… Und kein Held stellt sich zwischen mich und der Welt… kein Held hat Wissen. Kein Held kann die Waffe führen, die mich bezwingt. Es ist hier anders als in Hyrule, anders als in den Welten, wo die Kämpfe des Schicksals geschlagen wurden. Es ist beinahe zu einfach…“ Der Klang seiner kalten Stimme schallte durch das leere Gebäude, drang nach draußen, dröhnte in Richtung Straße, aber niemand wollte es hören… Link stattdessen ging in Richtung Stadtmitte. Eigentlich hätte er jetzt in der Schule sitzen müssen, aber dazu war ihm einfach nicht zumute. Vorahnungen begleiteten ihn, während er abwesend die Straße entlang tapste. Irgendetwas stimmte nicht, er konnte es fühlen. Das Ungetüm in der Kirche plante etwas Verwerfliches. Auch wenn Link nicht wusste, wer der Kerl war, oder weshalb er Leute unter seinen Bann ziehen wollte, nur um ihn fertig zu machen, das Gefühl, er müsse sich ihm stellen, wurde mit jeder Minute stärker. „Ich bin Link. Ich glaubte, ein gewöhnlicher Junge zu sein, ein einfacher Jugendlicher, der irgendwelche Streiche anstellte, weil das zum Leben eines Jugendlichen gehörte. Ich habe immer geglaubt, ich würde zu den Menschen gehören, zu denen, die ihr Leben genossen, aber das war ein Irrtum. Ich bin genauso wenig normal, wie ich glücklich bin…“ Aber er beklagte sich nicht über sein Schicksal, er wusste, dass man ihm nach dem Leben trachtete, aus einem besonderen Grund. Und Link ahnte, dass Zelda in diesen Dingen eine wichtige, wenn nicht sogar die bedeutsamste Rolle, spielte. „Ich habe kämpfen gelernt, mich im Umgang mit dem Schwert selbst erprobt. Ich fühlte, dass das Schwert und der Kampf zu mir gehörte… ich bin nicht mehr das, was ich vor einigen Wochen gewesen bin…“ Link hatte Selbstzweifel darüber, ob er richtig gehandelte hatte. Schließlich war er es, der vier Kreaturen, die aussahen wie Skelettritter aus dem Zeldaspiel, getötet hatte. Nein, er hatte sie grausam abgeschlachtet… „Ich muss verhindern, dass dieser Dämon den Menschen in dieser Stadt, in diesem Land, auf dieser Welt… etwas antut. Ich muss Zelda beschützen…“ Link kam ein abscheulicher Gedanke, als er in den grauen, wolkenverhangenen Himmel starrte. Das musste die Antwort sein… dieser aus der Hölle entsprungene Mistkerl war sicherlich auch für all die Naturkatastrophen, für die Missstände, für das unsägliche Chaos auf der Welt verantwortlich! Link rannte nun, mit den schwarzen Bildern unter dem Arm, welche sich so angenehm anfühlten, weiter. In der Schule läutete gerade die Glocke, die den Beginn der Pause ankündigte. Zelda starrte ein wenig betrübt auf Links leeren Platz, der sich heute nicht beim Unterricht blicken ließ, ahnend, dass ihr Versteckspiel nicht mehr funktionierte. Sie hatte geglaubt, sie könnte ihn so vor seinem Schicksal bewahren, könnte ihn schützen, indem sie sich von ihm fernhielt und in die Kämpfe nicht hineinzog, aber sie musste zu ihrer eigenen Schande und Schmach allmählich einsehen, dass Impa Recht hatte. Link wäre auch ohne ihr Zutun in die Kämpfe verwickelt worden, selbst in Hyrule befürworteten Götter seine Einsatzbereitschaft… Auch Sara war besorgt, wo sich ihr Bruder herumtrieb. Sie wusste ja, dass er trainierte, dass er lernte mit einem Schwert zu kämpfen und sie fand diesen Gedanken nicht einmal ungewöhnlich. Es war nur eine Frage der Zeit, dass er damit anfing. Aber es war nicht okay, dass er deswegen die Schule schwänzte. Sie tapste zu ihrem Schließfach, um ihre Bücher von dort zu holen und öffnete das Fach nachdenklich. Gerade als sie ihre Bücher herausnehmen wollte, fiel ihr ein kleines, fremdes Stück Papier auf, das sich ungewöhnlich anfühlte und nicht in ihr Schließfach gehörte. Verstört blickte die Schülerin auf das zusammengerollte Schriftstück und konnte sehen, dass es sich nicht um Papier handelte. Mit offenem Mund blickte Sara um sich, versuchte unauffällig wahrzunehmen, ob sie jemand beobachtete, aber sie sah niemanden. Erst dann rollte sie das Stück Pergament auf und las ein Schriftstück, das mit dem hylianischen Königswappen geschmückt und in einer anderen Sprache verfasst war. Sie hatte ein hinterhältiges Funkeln auf ihrem Gesicht, als sie sich die Worte durchlas. In einer Sprache, die sie sehr gut kannte und erinnerte, war etwas niedergeschrieben, das ihr eine deutliche Aufforderung machte. „Liebe Sara, schick‘ Zelda ins Antiquitätenzentrum, ich kümmere mich darum, dass Link und sie miteinander reden müssen. Vertrau‘ mir. Danke. Grüße vom Götterkind.“ Die Schülerin grinste, glaubte den Worten ohne Anhalt und stiefelte entschlossen in das Klassenzimmer, wo Zelda sitzen musste. Als sie in das Klassenzimmer der Oberstufe eintrat, nahm Sara sofort Notiz von Zeldas trauriger Miene, aber sie hatte keine Lust der Prinzessin erneut gut zuzureden. Energisch stützte sie ihre Hände auf Zeldas Tisch ab, die schnell erschrocken aufsah. „Wenn du dir Sorgen um Link machst, dann habe ich dir ein paar Dinge zu berichten“, meinte Sara mit einigen Falten auf der Stirn, als Zelda sofort nickte. Sie wirkte entgeistert, aber auch einsichtig. „Es gibt wohl einiges, was du noch nicht weißt, Zelda.“ „Und das wäre?“, murmelte sie leise. Sara holte einen Stuhl heran und setzte sich der vergessenen Prinzessin gegenüber. Derweil verschwanden die letzten Schüler aus dem Klassenzimmer in Richtung Cafeteria. „Link hat sich in den letzten Wochen sehr verändert…“ Zelda biss sich rotwerdend auf die Lippe. Natürlich hatte sie bemerkt, dass er sich verändert hatte. Er war kräftig und athletisch geworden… so wie damals. „Ich ahne, was du meinst…“ „Ich weiß einfach nicht, was in ihn gefahren ist. Naranda Leader hatte ihm einige Dinge, in einem riesigen Beutel geschenkt. Eines Tages ist er dann schnurstracks damit in den Wäldern verschwunden. Seitdem ist er wie ausgewechselt. Er kommt immer erst spät abends heim und verschlingt dann zentnerweise Essen. Ich glaube er trainiert seine Fähigkeiten in den Wäldern…“ Zelda sah leicht erschrocken auf. Wie kam Naranda dazu, ihm Waffen zu schenken? Eine üble Bitterkeit gegenüber der Leiterin des Antiquitätenzentrums stieg in ihr auf. „Und das schlimmste, Zelda, Link kam gestern Abend erst nach Mitternacht nach Hause… mit einigen Kratzern und Schürfwunden und zerfetzter Kleidung. Ich glaube, er wurde erneut angegriffen.“ Zelda wich darauf die Farbe aus dem Gesicht. Sie stützte ihren Kopf auf den Händen ab und machte sich zunehmend Sorgen. Gerade das hatte sie nicht gewollt. „Wurde er… schlimmer verletzt?“, sprach Zelda betrübt. Aber Sara schüttelte beruhigend ihren Kopf. „Nein, wie gesagt, er trainiert schon seit Wochen. So leicht kann man ihn in seiner jetzigen Form nicht mehr verletzen… Er ist stark geworden, das wolltest du doch, oder? Er hätte wohl niemals so verbissen seinen Ärger dir gegenüber in das Training gesetzt, wenn zwischen euch alles prima wäre.“ Etwas heimtückisch lächelte Zelda in sich hinein. „Es war nicht der einzige Grund… eigentlich wollte ich ihn heraushalten aus diesem ganzen Mist…“ Sara grinste: „Und gerade du mit deinen höfischen Manieren nimmst solche Wörter in den Mund, du hast dich mittlerweile doch etwas an das Leben auf der Erde gewöhnt, was?“ „Nicht so, wie ich sollte… schätze ich…“, entgegnete sie seufzend und trat ans Fenster. Vielleicht hatte ihre Distanz mehrere Gründe, aber die Sorgen um ihren Helden blieben. „Zelda, ich muss noch etwas weniger erfreuliches berichten…“, meinte Sara dann geheimnisvoll. Mittlerweile konnte sie sich sehr gut von Zeldas mentalen Fähigkeiten abgrenzen und sie wusste, die Prinzessin könnte sie nun nicht mehr so einfach durchschauen wie damals als sie ihr Gedächtnis nicht hatte. Sie beabsichtigte den Wunsch in die Tat umzusetzen, den ein unbekanntes Schreiben an sie gerichtet hatte. Denn sie spürte, dass es richtig war. Sie spürte, dass es gut sein würde, Zelda eine kleine Lüge aufzutischen und jetzt fort zu schicken. „Was meinst du?“ Die junge, blonde Lady blickte Sara daraufhin misstrauisch an. Sie konnte nicht direkt ablesen, ob Sara die Wahrheit sagte. Von all den Wesen, die ihr auf der Erde begegnet waren, war die Schwester von Link diejenige, die es schaffte weiterhin geheimnisvoll zu bleiben… „Ich muss dir berichten, dass Link sich in das Antiquitätenzentrum begeben hat, er will sich weitere Waffen dort besorgen und danach in die Kirche marschieren“, log Sara. Es war vermutlich nicht die wirkliche Absicht ihres Bruders, aber ohne eine Notlüge würde Sara die Prinzessin nicht dazu bringen ins Antiquitätenzentrum zu hetzten. „Wie kommst du darauf?“ Und Saras Notlüge erzielte ihre Wirkung. Zelda sah aus, als wäre sie von einem Sack Flöhen gestochen worden. Sie wurde fahrig und unruhig. „Er hat es mir gestern Abend gesagt, er will den Bastard in der Kirche konfrontieren und aufhalten… ich konnte Link nicht von dem Gedanken abbringen… Bei den Göttern, Zelda, was sollen wir tun?“, log die Fünfzehnjährige. Das schockierte Gesicht der Prinzessin würde Sara wohl nie mehr vergessen. Sie sah aus, als stünde der Sensenmann vor ihr. Ihr Gesicht verlor jede Farbe und ihre himmelblauen Augen standen starr. Aufgeregt schnappte sich die blonde Schönheit ihren Rucksack, hetzte aus dem Raum ohne Sara noch einmal zu beachten und achtete darauf, dass Impa nicht bemerkte, dass sie sich davon stahl. Sara hockte derweil zufrieden in dem Klassenzimmer, wissend, sie hatte gerade ihr Versprechen die beiden zusammenzubringen eingelöst, und schlürfte behaglich von ihrer Waldmeisterlimonade. Der grünbenützte Heroe trat in der Zwischenzeit in das riesige Antiquitätenzentrum ein. Er hatte die beiden schwarzen Gemälde noch immer bei sich und wollte diese Naranda Leader zur Aufbewahrung geben. Link wollte den Fahrstuhl nehmen und in das fünfte Stockwerk fahren. ,Dort waren die Büroräume, Naranda würde mit Sicherheit dort sein‘, dachte er. Er drückte auf den roten Knopf des Aufzuges. Die Türen öffneten sich und Link trat herein. Ein kleiner untersetzter Mann mit roter, geschwollener Nase, einem kurzen hellbraunen Haaransatz und einem giftgrünen Anzug glotzte ihn mit einem nervigen Grinsen an. Unpassender Weise trug der Zwerg eine weiße Krawatte mit rosa Punkten, die ihn zunächst völlig ablenkten. Wie konnte man so eine geschmacklose Zusammenstellung seltsamer Kleidungsstücke tragen, fragte sich der Siebzehnjährige. Erst dann fiel ihm auf, dass der Mann ebenfalls ein Gemälde in der Hand hielt, ein kleines Bild. „Ich bin Maler. Darf ich mich vorstellen: Alois Fairytale. Meine Gemälde sind ihnen sicher ein Begriff“, meinte er hochgestochen und musste sich halb den Kopf verrenken um Link zu mustern. Link schüttelte desinteressiert den Kopf. „Nein, dann eben nicht. Man kann ja schließlich nicht alles wissen. Hier meine Karte.“ Und der Mann reichte ihm eine goldene Visitenkarte, auf der eine kleine Fee abgebildet war. Dann schaute Link noch einmal auf das Bild, welcher der Kerl in der Hand hatte. Darauf war eine kleine Fee abgebildet- mit grünen Augen- zwei geflochtenen Zöpfen und typischen roten Wangenbäckchen. Link wäre beinahe das Herz stehen geblieben, als er das Kind darauf erkennte. Dieses Mädchen war doch… vor Schreck ließ er die Gemälde in seiner eigenen Hand fallen und nahm blitzartig das Bild des Mannes. „Gefällt dir das Bild?“, sprach er vergnügt. „Ich sagte doch, meine Bilder sind bekannt.“ „Sagen sie, Mister, wer ist das auf dem Bild?“ Mit einem ungewöhnlichen Ruck hielt der Fahrstuhl an. Ein Knattern, als wäre der Fahrstuhl lange nicht mehr gewartet worden. „Ja, das ist eine gute Frage. Eines der ersten Bilder, die ich entworfen habe und bis heute trägt es keinen Namen… Wenn dir ein Name einfällt, sag‘ mir doch bitte Bescheid. Man sieht sich bestimmt wieder, Sportsfreund.“ Mit diesen Worten trat der ungewöhnliche Kerl aus der Tür hinaus und war verschwunden. Entgeistert verweilte Link noch einen Augenblick im Fahrstuhl. Das Mädchen, welches ihn oft besuchte, wenn er trainierte, was ihm geholfen hatte, als Zelda in Gefahr war, war nichts anderes als ein Bild… Links Kopf schlug einmal wieder Purzelbäume, bevor er ebenfalls aus dem Fahrstuhl ausstieg… Sorgsam schaute er sich um und las aufmerksam die Namen an den Türen. Ah, da war es ja: das Büro von Naranda Leader. Link klopfte zaghaft an. Die Lady mit den feuerroten Haaren und der markanten Stimme, zweifellos die Stimme einer Anführerin, ertönte. „Herein.“ Link begab sich in den geschmackvoll eingerichteten Innenraum. Der Raum war in weißen Farben gehalten und hellbraune Gegenstände passten perfekt dazu. Vornehme Teppiche lagen hier und viele Kunstgegenstände verrieten das Herz einer leidenschaftlichen Sammlerin. Da hingen teure Schwerter an den Wänden, antike Vasen, sogar eine Vitrine mit Münzen. Doch so genau konnte sich Link den Raum gar nicht ansehen, denn eine weitere Person stand in dem Raum, mit der er hier nicht gerechnet hatte: Rutara von Wasserstein. Sie strahlte ihn mit ihrem übertriebenen Lächeln an. „Hi“, sprach sie zwinkernd. „Du siehst gut aus, Link.“ Er wurde etwas rot um die Wangenknochen, nicht genau realisierend, wie Rutara das beurteilen konnte. „Ähm… ebenfalls Hi.“ Die beiden Damen lachten, weil er sich entzückend und verlegen klingend anstellte. „Na, Link, was führt dich hierher“, wollte Naranda sogleich wissen. „Also, ähm. Es geht um diese Bilder. Könnte ich dich nicht unter vier Augen sprechen?“ Doch Naranda schüttelte den Kopf. „Rutara weiß über alles Bescheid, was ich weiß, also worum geht’s?“ Link verdrehte leicht die Augen und war sich nicht sicher, ob Naranda dieser wassersüchtigen Person wirklich alles erzählt hatte. „Ich wollte, dass du diese Bilder bitte aufbewahrst. Ich habe das Gefühl, diese Gemälde könnten ein Beweis sein für dunkle Machenschaften…“ Er hoffte bloß, dass die beiden Damen seine Worte nicht so schräg fanden wie er selbst. Es kam ihm stumpfsinnig vor, dass er zwei Bilder entwendet hatte, weil er sich sicher war, dass sie ein Beweis sein könnten. Naranda rückte eine eigenwillige Brille auf ihre Nase um die Gemälde zu beurteilen, berührte die Bilder, aber ließ sie gleich wieder fallen. Entsetzen stand in ihrem stolzen, sonnengebräunten Gesicht geschrieben. Rutara legte vor Schreck ihre Hände auf den Mund. Auch sie blickte fassungslos drein, als stünde der Sensenmann vor ihr. „Link, das ist ja unglaublich! Wo hast du das her?“, Narandas Stimme schien vor Schock und Begeisterung zu explodieren. „Jetzt beruhigt euch“, sprach der junge Mann, sich gleichzeitig fragend, warum die beiden Damen hier so auffällig reagierten. „Ich habe diese komischen Gemälde von der Kirche entwendet, weil…“ Er konnte ihnen doch nicht ernsthaft mitteilen, dass ein Junge darauf erschienen war und gesagt hatte, er solle es mitnehmen. Rutara und Naranda setzten sich mit bleichen Gesichtern auf die hellbraune moderne Couch in der Mitte des Raumes und begutachteten die Gemälde weiterhin. Naranda träufelte sogar irgendeine merkwürdige Flüssigkeit mit einer Pinzette darauf. „Warum warst du in der Kirche?“, fragte Naranda streng. „Hatte Ines dir nicht untersagt, dort hinzugehen?“ Link seufzte daraufhin miesgelaunt. „Warum, weil dort ein Hüne von einem Mann seltsame Pläne schmiedet und Gefahr in diese Stadt bringt und dieser Kerl mich umbringen will? Toll, als ob ich darauf warten kann, dass er mich angreift!“ Er schüttelte den Kopf. „Als ob ihr mich weiterhin für dumm verkaufen könnt… ich ahne ohnehin, was los ist. Es sind genügend komische Dinge passiert…“ Naranda nickte bloß, und Rutara trat zu ihm und klopfte ihm auf die Schulter. „Wir wollten dich nie aus dieser Geschichte heraushalten… das ist alles auf Zeldas Mist gewachsen, Link“, erklärte Rutara. „Kennst du den Namen des Mistkerls in der Kirche?“ „Nein, ich hab’ ihn nie erfahren. Auf jeden Fall war ich heute wieder dort, aber der unheimliche Typ war verschwunden und ich habe nach Hinweisen gesucht… und diese Bilder hier habe ich gefunden.“ Naranda nickte und trug jene in die hinterste Ecke des Raumes. Dort legte sie, in der Nähe des Kamins auf einem Bücherregal, einen kleinen Schalter um. Ein kleines Geheimversteck wurde preisgegeben. Weiterhin tippte Naranda einen Zahlencode an einer Vorrichtung dafür ein. „Wow, so was will ich auch“, meinte Link, der eigentlich die Stimmung ein wenig hochschrauben wollte, brachte aber nichts… „Also. Link, der Zahlencode lautet 71374576, du musst dir diese Zahlen unbedingt merken. Irgendwann könnte das noch mal sehr wichtig für dich und vielleicht auch für deine Zelda sein.“ Naranda verstaute das schwarze Gemälde in der Geheimkammer. Links Gesicht wurde mit einem Schlag wieder ernster. „Jetzt aber mal Spaß beiseite. Was sind das für komische Bilder? Und warum soll das für Zelda und mich wichtig sein?“ „Das erklärt dir mal lieber deine Prinzessin“, meinte Rutara schroff. „Die reißt uns sonst den Kopf ab, wenn wir dir jetzt alles erklären…“ Sie verschränkte die Arme und lächelte dann etwas unbeholfen. Es schien, als wollte sich Rutara in Zeldas Aufgaben nicht unbedingt einmischen. Mit einem Seufzen beließ es Link dabei. „ Na dann, ist wohl besser ich gehe jetzt wieder und Naranda-“ Sie schaute kurz auf. „Danke für die Waffen.“ „Gern geschehen, du Held“, lachte sie. Darauf trat Link aus dem Raum, zufrieden sein Pflichtgefühl die Machenschaften des Dämons in der Kirche zu beeinflussen gestärkt zu haben, und sicher, dass die Gemälde bei Naranda gut aufgehoben sein werden… Der Blick auf die Armbanduhr verriet dem Jugendlichen, dass es sich nicht mehr lohnte nun noch zur Schule zu gehen. Also wollte Link, dem die Schule mittlerweile völlig egal war, wieder in die Wälder gehen und trainieren. Er würde schon nicht von der Schule verwiesen werden, jetzt, da er einen guten Draht zur Direktorin Schattener hatte. Er wollte zuerst die Treppe nehmen, aber entschied sich dann aus Trägheit doch den Fahrstuhl zu benutzen. Gedankenversunken betätigte Link den Knopf und wartete darauf, dass der Lift kam… Ein kleiner Junge mit himmelblauen Augen stand derweil hinter einem Blumentopf, ein Junge von vielleicht fünf Jahren, der sehr ansehnlich war. Ein niedlicher Fratz mit einer hübschen Stupsnase und einem Grinsen im Gesicht, das hinterhältiger nicht sein konnte. Er schnippte mit den Fingern und teleportierte sich geradewegs in das Erdgeschoss, wo gerade eine aufgeregte Zelda durch den langen Gang rannte, auf den Weg zu Naranda Leader. Sie hatte einen rosa Rucksack auf ihrem Rücken, wirkte gestresst und nervös. Auch sie hetzte zu dem Fahrstuhl und da wusste der Bengel, dass sein Plan funktionieren würde. Als Zelda geradeso in den Aufzug einstieg, sich alleine darin befand, manövrierte sich der kleine Fratz zu dem im Keller liegenden Steuerungsmodul das Fahrstuhls, öffnete einen Kasten und lugte mit seinen neckischen, kleinen Augen zu den vielen Verschaltungen, die dafür sorgten, dass der Fahrstuhl korrekt funktionierte. Er zählte einige Sekunden abwärts, wissend, wie lange es dauern würde, dass Zelda und Link gemeinsam im Fahrstuhl waren und legte schon einmal seine kleinen Kinderhände auf die Schalter, bereit den Lift zu sabotieren… In dem Augenblick hielt der Fahrstuhl im fünften Stockwerk, wo ein gelangweilter Link wartete. Er schloss seine tiefblauen Augen, als ein Piepsen durch den Gang schallte, was ihm verriet, dass der Lift da war. Langsam öffneten sich die Türen und gerade da, als er eintreten wollte, stieß er mit jemandem zusammen, der aufgelöst und hektisch aus dem Aufzug heraus stürmte. Das blonde Mädchen, das doch nur wegen ihm hier war, knallte kreischend zurück und auch Link, der nicht wusste, wie ihm geschah, landete zu seinen Füßen. Er zwinkerte, schaute dann überrascht zu dem Mädchen, das sich gerade den blonden Schädel rieb. Sie atmete schwer, hechelte, als ob sie um die ganze Welt gerannt wäre und blickte ihn fassungslos an. „Zelda…“, murmelte er benommen, hüpfte sofort auf seine Beine, ging die wenigen Schritte in den Fahrstuhl und bot ihr eine Hand zum Aufstehen an. Sein Blick war aufrichtig, aber auch unsicher. „Entschuldige…“, setzte er hinzu, auch wenn dieser Zusammenstoß nicht allein sein Verschulden war. Sie war sich erst nicht sicher, ob sie sich von ihm helfen lassen sollte, schaute benommen zu der Hand, die er ihr anbot… dieser warmen Hand… dieser helfenden Hand, die sie vermisste… Sie ließ sich dann aufhelfen, spürte das Zittern seiner Hand, seine Nervosität und rückte etwas zur Seite. Sie hatte nun keinen Grund mehr aus dem Lift auszusteigen. Erleichtert, dass sie ihn noch gefunden hatte und abhalten konnte in die Kirche zu gehen, atmete sie tief aus. Sie wand ihm ihren Rücken zu, legte ihre Hände auf die Brust und murmelte ebenfalls ein „Entschuldige…“ vor sich hin. „Wolltest du nicht… aussteigen…“, meinte er stotternd und kratzte sich an der Stirn. Sie schüttelte bloß ihren hübschen Kopf und versuchte sich von seiner angenehmen Stimme loszureißen. Wie hatte sie es nur geschafft sich so lange dagegen zu wehren… gegen seine Nähe… und dieses angenehme Gefühl, wenn er da war. „Was machst du dann hier?“, meinte er, als sich die Türen schlossen und er den Knopf ins Erdgeschoss drückte. Er war sich nicht sicher, ob er nach ihrem Streit im Musikzimmer noch mit ihr reden sollte, aber die Worte waren beinahe aus seinem Mund gehüpft. „Ich wollte…“, fing sie an, drehte sich zu ihm, aber auch er wand ihr den Rücken zu. Es fiel auch ihm schwer mit ihr zu reden. „Ich wollte… Sara hat…“ Sie verdrehte ihre Augen vor Verlegenheit und brach plötzlich in ihren Worten ab. Sie schwankte, spürend, wie es im Aufzugsschacht dröhnte und mit einem Schlag ging das Licht in dem Fahrstuhl aus. Nur noch ein fahles Licht leuchtete und ließ den beiden Insassen etwas Orientierung. Gerade in dem Augenblick hatte der kleine Bengel mit der waldgrünen Tunika und dem heimtückischen Grinsen im Gesicht den Schalter am Sicherungskasten umgelegt und nutzte seine Energien um den Fahrstuhl anzuhalten. Es polterte einmal ruckartig und da wusste er, dass sein Plan funktioniert hatte… und dies mit der Hilfe von Sara. Endlich hatte er Link und Zelda zusammen eingesperrt… Endlich tat er etwas für seine Existenz… Er lachte mit seiner piepsigen, hellen Stimme und verschwand in silbernen Funken. „Scheiße“, rief Link geistesgegenwärtig, als er es Knacken und Poltern hörte, sie beide kurz ins Wanken gebracht wurden und plötzlich war es still. Er blickte Zelda erschrocken an, in deren Augen sich sein eigenes Entsetzen spiegelte. ,Der Fahrstuhl musste steckengeblieben sein‘, dachte er sofort. Er zwinkerte aufgeregt, war noch nie irgendwo mit dem Fahrstuhl stecken geblieben und fand es auf eine Weise fast amüsant, dass er ausgerechnet mit Zelda im Fahrstuhl hockte. „Was… was ist passiert?“, meinte die blonde Lady, trat an die Türe das Aufzugs und spürte noch mehr innere Unruhe und Chaos als vorher. Nicht nur, dass sie hier eingesperrt waren, sie war ausgerechnet mit dem Menschen zusammen, dem sie ausweichen wollte… Wenn dies das Schicksal so wollte, dann würde sie es noch mehr verteufeln als vorher. „Nun ja… es sieht so aus, als sind wir… als hätten wir… ein Problem… aber das haben wir schon die ganze Zeit“, meinte Link widerwillig. Er fuhr sich durch die blonden Haare, atmete tief durch und ließ sich marode zu Boden sinken. „Was meinst du…“ Aufgeregt drückte das Mädchen die Schalter mehrmals, aber es passierte nichts. Der Lift rührte sich keinen Zentimeter. Link lachte amüsiert auf und sagte erheitert: „Wir sind zusammen im Fahrstuhl eingesperrt. Das kann Stunden dauern, bis wir hier heraus kommen.“ Irgendwie mochte er den Gedanken… Sie blickte ihn durch die Dunkelheit irritiert an, schnaubte miesgelaunt und machte keine Anstalten ihm zu glauben. Erneut betätigte sie die Schalter und rief nach draußen. Irgendjemand musste sie hören. „Das hat keinen Sinn… scheinbar ein technischer Defekt. Der Lift ist steckengeblieben… du hast keine andere Wahl als es mit mir hier drin auszuhalten. Wenn das nicht Schicksal ist“, meinte er belustigt. „Ist es nicht fast schon zum Lachen, dass du ausgerechnet mit mir in einem Aufzug feststeckst… mit mir, wo du mir ausweichen und mich damit ständig verletzen wolltest?“ Aber das Lachen über seine eigenen Worte verging ihm wieder, als sie beinah wütend schnaubte. Sie blieb einige Minuten schweigsam stehen, grübelte über eine Möglichkeit dieser Konfrontation auszuweichen und grübelte darüber nach, wie sie beide in dieser Situation gelandet sein konnten. ,Das war kein Schicksal‘, dachte Zelda miesgelaunt. Sie ahnte, dass jemand diese Situation eingefädelt hatte… Seufzend ließ sie sich ebenfalls zu Boden sinken. Sie rieb sich über ihre schweißnasse Stirn und fragte sich bloß, warum es hier drin plötzlich so warm war. Sie zog sich ihre Jacke aus, vermied Blickkontakt zu ihrem einstigen Freund und schaute trübsinnig ins Leere. „Die Wärme… hier drin, liegt am… nun ja…“, begann Link zu erklären und versuchte zumindest mit ihr ins Gespräch zu kommen. „Die Klimaanlage hier drin ist ebenfalls defekt… scheinbar…“ Er suchte eine Bestätigung und musterte ihr trübsinniges Lächeln, selbst in diesem fahlen Licht sah sie wunderschön aus… „Wie auch immer… jetzt kannst du nicht mehr vor mir weglaufen…“, bemerkte er widerwillig und gereizt. Das wochenlange Chaos zwischen ihnen spannte seine Nerven, er wollte es nicht, aber die Ärger deswegen saß tief und wollte raus. Für Zelda jedoch klang es beinah so, als hätte er diese Situation eingefädelt. „Du hast die Situation arrangiert, habe ich Recht?“, zickte sie. „Du wolltest mich die ganze Zeit zur Rede stellen, toll, wirklich toll…“ Auch ihre Nerven lagen blank. Entrüstet sprang Link auf die Beine. „Bist du jetzt total übergeschnappt? So siehst du mich also, als jemanden, der so weit geht Aufzüge zu manipulieren, nur damit ich mit dir zusammen sein kann, ja?“ Seine Stimme war überraschend laut und dröhnte verärgert umher. Enttäuscht funkelten seine tiefblauen Augen in ihre. „Ich habe allen Grund sauer auf dich zu sein, aber ich bin nicht blöd im Kopf… und ich wusste, dass du deine Gründe hast für dein Verhalten…“ Als Zelda nicht darauf antwortete und ihren Kopf senkte, suchte Link nach Argumenten. „Außerdem… wie soll ich das gemacht haben… ich meine, den Fahrstuhl manipulieren, ich konnte nicht wissen, dass du hierher kommst“, sprach er ruhiger. „Was wolltest du hier, wenn du nicht Naranda besuchen wolltest… ist nicht eigentlich gerade Schule?“ Er rieb sich über die Stirn und hoffte, sie würden sich beide etwas beruhigen. Sie waren beide nicht an dieser Misere schuld. ,Vielleicht war es nur wirklich Zufall, dass sie hier feststeckten‘, dachte Link. „Du wolltest in die Kirche, nicht wahr? Du wolltest deinen Mut testen und den Feind dort angreifen…“, sprach Zelda dann zögerlich. Mittlerweile war es egal, ihm Gegenfragen zu stellen, ihre Kommunikation funktionierte ohnehin nicht mehr. „Wer hat dir das erzählt?“, schnauzte er. „Das spielt keine Rolle!“ „Und ob das eine Rolle spielt, weil es so nicht stimmt!“, brüllte Link dann und setzte geschwind ein „Entschuldige“ hinzu. In ihm war so viel Wut wegen ihrem Verhalten, dass es ihm äußerst schwer fiel überhaupt noch vernünftig mit ihr zu reden. „Du wolltest nicht in die Kirche gehen und… kämpfen…?“, murmelte sie, vergrub ihr Gesicht in den Händen und atmete geräuschvoll. Wenn sie noch länger hier feststeckten, hatte sie Angst nicht mehr atmen zu können. Es war so brütend heiß hier drin… Kopfschüttelnd ließ sich Link wieder zu Boden sinken, versuchte sein aufgeregtes Gemüt herunter zu regeln und nahm eine Wasserflasche aus seinem Rucksack. Er trank hastig einige Schlucke. „Ich werde meinen Mut nicht testen. Ines hat mir eigentlich verboten dort hinzugehen…“, sprach er ruhiger, krabbelte über den Boden in ihre Nähe und hielt ihr die Flasche unter die Nase. „Hier…“ Er klang fragend, nicht sicher, ob sie sein Angebot, und hinter dieser Geste steckte mehr als bloß der Versuch ihr etwas zu helfen, annehmen würde. Sie blickte ihn an, als war sie sich nicht sicher vielleicht nur zu träumen. Da war Müdigkeit und Unsicherheit in ihren himmelblauen Augen und die Suche nach dem richtigen Weg… „Danke…“, sprach sie schüchtern und trank hastig von der Flasche. Es tat so gut, ihre Kehle zu befeuchten. Sie gab ihm das Getränk zurück, spürte seine Fingerspitzen, die ihre kurz berührten und reagierte etwas panisch. Sie wich so schnell zurück, dass sie sich ihre Armgelenke an der Fahrstuhltür anschlug. Eine Pause entstand… und annähernd zehn Minuten vergingen, in denen beide sich wie zwei Fremde anschwiegen, obwohl sie sich so viel zu sagen hatten. „Du weißt, wer dort in der Kirche haust, nicht wahr?“, meinte Link leise. „Und du weißt auch, warum scheinbar niemand etwas gegen ihn unternehmen kann… Ist es richtig, dass selbst die Polizei nichts gegen ihn in die Wege leiten kann?“ Er wusste, dass nur er einen Anfang machen konnte. Zelda würde niemals anfangen ihm irgendetwas zu erklären, wenn er nicht etwas mehr Druck ausübte. Sie nickte, wirkte etwas ängstlich und rieb sich den Schweiß von der Stirn. „Und warum… warum scheint es dieser Kerl auf dich abgesehen zu haben? Was will er von dir?“, fragte Link lauter. Die Aufregung von vorhin kochte wieder, auch wenn er sie runter regeln konnte. „Zelda… ich bin mir sicher, dass dieses Biest von neulich… diese Kriegerin, von ihm geschickt wurde, diese…“ Er wollte doch nur ein paar Antworten auf seine Fragen, brach aber plötzlich ab, als Zelda aufsprang und trotz der Hitze und des wenigen Sauerstoffs im Lift auf und ab lief. „Das Thema macht dich nervös, was?“ „Link… bitte, halte dich aus dieser Sache heraus“, sprach sie streng. „Schön, das würde ich ja gerne, aber diese Wahl habe ich nicht.“ Er zog sich aufgeregt das grüne T-Shirt aus, und deutete auf die Brandwunden. „Siehst du das, Zelda. Habe ich mir etwa ausgesucht von ein paar Feueraugen angegriffen zu werden? Schön…“ Nun platzte ihm doch noch der Kragen. „Du redest davon, dass ich mich aus dieser Angelegenheit heraushalten soll, dann sag‘ mir wie!“ Er breitete aufgeregt seine Arme auseinander. „Weißt du, was ich die letzten Wochen durchgemacht habe?“ Er brüllte, trat einschüchternd direkt vor das Mädchen, das ihm Antworten schuldete. „Ich wurde angegriffen!“ Seine sonst so beherrschte, tiefe Stimme schwoll an. Energisch brüllte er weiter. „Ich wurde krankenhausreif geprügelt, habe danach angefangen mit Waffen zu trainieren. Dann habe ich vier Skelettritter mit einem Schwert umgebracht, weil sie mich am liebsten gefoltert und ausgeweitet hätten.“ Verärgert packte er Zelda an den Armen und zog sie auf die Beine. Sie blickte aufgeregt in seine tiefblauen Augen, schien noch verzweifelter als in den letzten Wochen und spürte neben brennenden Tränen in ihren Augen einen gemeinen Druck in ihrer Kehle. „Und du willst, dass ich mich heraushalte! Dann sorg‘ dafür, dass diese Kreaturen mir nicht andauernd den Tag vermiesen, aber nein, die Prinzessin glaubt ja, ich könnte mich heraushalten!“ Auch ihm stiegen beinahe Tränen in die Augen. „Weißt du, wie belastend es ist, gegen etwas zu kämpfen, wovon man nicht einmal eine Ahnung hat. Ich komme mir vor wie der letzte Vollidiot!“ Zelda hatte angesichts seiner Anklage die letzten Wörter in ihrem Mund verloren und das Gefühl, sie konnte die Erdensprache nicht mehr verstehen. „Hast du eine Ahnung, wie belastend es ist zu töten… zu morden… irgendwelche Geschöpfe abzuschlachten… und zu wissen, dass die einzige Person auf der Welt, die das alles verstehen und erklären könnte, nichts mit einem zu tun haben will, weil sie glaubt, sie könnte mich damit beschützen! Ich habe die Schnauze voll von deinen Ausflüchten.“ Er keuchte, weil er beinahe keine Luft mehr bekam. „Was bezweckst du nur damit? Zu tun, als wäre alles in bester Ordnung und so zu tun, als würde dein Verhalten etwas besser machen! Du bist eine verdammte und feige Heuchlerin!“ Mit dem letzten vorwurfsvollen Satz zuckte der junge Held zurück und lehnte sich mit beiden Händen verzweifelt gegen die Fahrstuhlwände. Jetzt hatte er sich den Mund endgültig verbrannt, aber es musste raus… Mit Tränen in ihren himmelblauen Augen stand Zelda hinter dem jungen Mann, dessen gutmütiges Herz sie erneut missbraucht hatte. Sie zitterte, drückte ihre Hände auf die Brust und wusste doch, wie sehr er Recht hatte. Sie war eine Heuchlerin… und feige… weil sie ihm einfach nicht die Wahrheit sagen konnte, weil sie die Illusion hatte, sie könnte ihn retten. Aber niemand konnte das… Er hatte seine Bestimmung und Götter waren es einst, die ihn für den Teufelskreis aus Kampf und Macht auserwählten. Und vielleicht gab es noch weitere Gründe für ihre Abweisung und Distanz… ja, retten konnte sie ihn nicht mehr… Schluchzend ließ sich die blonde Schönheit wieder zu Boden sinken und vergrub ihr verweintes Gesicht in ihren Händen. Was war sie nur für eine verdammte Heulsuse geworden, seit sie auf der Erdenwelt war! „Zelda… es tut mir leid, ich wollte dich nicht so behandeln…“, sprach Link leise. Es war nicht fair, was hier passierte, aber vielleicht notwendig. „Nein, aber… du hast das Recht dazu… ich bin eine feige Heuchlerin…“, entgegnete sie. „Ich würde so vieles verändern, wenn ich nur könnte… Ich möchte nicht, dass du das alles ertragen musst.“ Sie stützte ihren Kopf, spürte einen unangenehmen Kopfschmerz mit dem Feuchtigkeitsverlust in dieser Schwitzkammer. „Dann fang‘ an es mir zu erklären…“ Er rutschte näher und blickte beinah bettelnd in ihre himmelblauen Augen. Er fragte sich, ob er noch das Recht hatte, sie zu berühren und die Tränen wegzuwischen. „Dadurch wird es nicht besser… und nichts wird einfacher…“ Sie blickte mutlos an ihm vorbei. „Womit wir wieder beim Thema wären: Das ist nicht deine Entscheidung dies zu beurteilen.“ „Link… du verstehst dies nicht…“ „Dann erklär‘ es mir…“ „Ich kann aber nicht…“ „Dann versuch‘ es wenigstens.“ Darauf hüpfte sie aufgeregt auf ihre wackelnden Beine. Gab er denn niemals auf? „Ich habe in der Vergangenheit sehr viele Fehler gemacht… auch dir gegenüber… Es tut niemandem gut, wenn er mit mir interagieren muss.“ Ihre Worte rieselten von den Lippen, als hätte sie jene auswendig gelernt oder schon viel zu oft gesagt. Und für den Helden erklang tief versteckt in der Aussage eine kleine Botschaft, die Zelda wohl lieber nicht angedeutet hätte. Er nickte mehrfach, wischte sich mit seinem T-Shirt den Schweiß von der Stirn. „Das ist es also… du wolltest dich selbst bestrafen mit deiner Distanz. Jeder sieht, dass du leidest… Du hast abgenommen… du bist fast nicht mehr du selbst…“ Sie drehte sich zu ihm um und blickte drein, als war jeder Sauerstoff in dem engen Raum aufgebraucht. Sie war fahl, und zitterte noch mehr. „Jeder sieht es… und ich sehe es auch… du hast genug gelitten, Zelda. Was immer du getan hast, irgendwann hat jeder einmal seine Strafe abgesessen…“ Seine Worte waren aufrichtig, sie konnte einen angenehmen Nachhall jener in ihren Gehörgängen, bis hin zu dem Herzen wahrnehmen. „Und wenn ich etwas getan habe, dass selbst Götter nicht gutheißen würden… wenn es Leben gekostet hätte…“, murmelte sie, ballte die Fäuste. „Das hast du nicht…“ Erneut trat er vor sie, musterte sie tiefsinnig, so wie am Anfang ihrer Geschichte, zu dem Zeitpunkt, als sie im Haus der Braverys aufgewacht war. „Woher willst du das wissen?“ „Weil du das niemals tun würdest…“ Link schloss die Augen und lächelte leicht. Selbst wenn sie ein Monster wäre, hatte er sich einst geschworen, selbst dann, würde er ihr helfen wollen. „Du bist ein guter Mensch… warum sonst solltest du dich so bestrafen, wenn es nicht so wäre.“ „Das ist Irrsinn…“, meinte sie schwach. „Ja, ein wunderbarer Irrsinn“, erwiderte er leicht grinsend, dankbar, dass sie sich aussprachen. „Was ist daran wunderbar, dass du mit mir diskutieren musst wie mit einem quengelnden Kind.“ Erneut bestrafte sie sich, indem sie sich selbst beleidigte. „Beim Deku, du bist wirklich ein Sturkopf, Zelda“, murrte er. Er hatte so sehr gehofft, sie würden eine Basis finden, sich aussprechen und verständnisvoll miteinander umgehen und nun beleidigte Zelda sich erneut. Warum war sie nur so verbittert? „Und du bist… du bist… ein stolzer…“, meinte sie leise, sich zurückhaltend. Sie wollte ihn ebenfalls zurechtstutzen, und für einen kurzen Augenblick hatte Link es trotz dieser Umstände geschafft, dass sie beinahe geschmunzelt hätte. „Es würde dir gut tun, wieder etwas zu lachen…“, meinte er. ,Nur ist mir das Lachen mittlerweile ziemlich vergangen…‘, dachte sie trübsinnig. Wie sollte sie noch lachen mit dem, was sie durchgemacht hatte. Es war so einfach für andere darüber zu urteilen, wie sie sich verhalten sollte, aber keiner konnte nachvollziehen, wie es ihr wirklich ging. Sie hatte Hyrules Untergang miterlebt, hatte Erinnerungen an den Zeitkrieg, hatte für die Durchsetzung des Wohls aller jede Menge Menschen enttäuscht und hintergangen. Nein, ihre Schuld war noch lange nicht beglichen… „Zelda… bitte sag‘ es mir… ich ahne es doch ohnehin schon…“ „Was ahnst du?“, sprach sie verleugnend. „Denkst du, ich bin zu dumm um zu begreifen, weshalb ich gegen Skelettritter kämpfen musste?“ Er war dem Reden allmählich müde und fragte sich, warum es so schwer für sie war, es endlich zuzugeben. Da draußen, in der weiten Welt, existierte etwas, dass er sich niemals hätte erträumen lassen. Irgendwo da draußen lebte ein Schicksal, das nur darauf wartete entdeckt zu werden… Gerade da dröhnte es erneut aus dem Fahrzugschacht, die Lichter flackerten auf und eine kühle Brise der Klimaanlage schickte angenehme Luft zum Atmen in den engen Raum. Etwas enttäuscht blickte der junge Held zu den funktionierenden Schaltern des Aufzugs, enttäuscht, weil er sich mit Zelda dennoch nicht aussprechen konnte… und die Wahrheit wusste er immer noch nicht. Es polterte einmal kräftig und der Lift setzte sich wieder in Bewegung. Tiefdurchatmend drehte Zelda ihrem vergessenen Heroen den Rücken zu, dankbar, dass die Diskussion vorerst beendet schien. Link schüttelte ungläubig den Kopf, als sich die Fahrstuhltüren öffneten, einige Leute davor standen und die beiden verdutzt musterten. Zelda hetzte aufgelöst durch die Menschenmassen hindurch, hoffte nur, sie könnte Link weiterhin hinhalten. Sie konnte ihm einfach nicht die Wahrheit erzählen… es tat ihr einfach weh… „Oh, nein, diesmal wirst du mich nicht irgendwo stehen lassen!“, rief Link wütend und sprintete hinter ihr her. Er folgte ihr bis hinaus in den Regen. Am Himmel zogen dunkle Wolken vorüber und Tropfen bedeckten leise knackend die kahlen Teerstraßen, auf denen Passanten vorüber liefen. Er packte sie am Handgelenk, drückte sie gegen eine Wand und blickte sie durchdringend an, während größere Regentropfen auf sie beide fielen. Es war wie als bedauerte selbst der Himmel das Schicksal der beiden Auserwählten. Link konnte nicht mehr sagen, ob Zelda weinte oder es die Regentropfen waren, die ihre schwachrosa Wangen bedeckten. Aber sie sah unglücklich aus, verletzbar und schuldbewusst. „Bitte…“, murmelte er, kniff die Augen zu und wartete auf eine aufrichtige Antwort. „Es ist doch ohnehin schon zu spät, Zelda… Sag‘ es mir…“ Sie biss sich auf die Lippe, während nasskalte Regentropfen an den Spitzen ihres blonden Haares hinab rannen. „Versteck‘ dich nicht länger… nicht vor mir… bitte…“, meinte er beinah wehleidig. Dann sank er auf die Knie und blickte sie von unten herab an. Ritterlich kniete er nieder, hatte eine Hand auf sein Herz gelegt und bat doch nur um eine ehrliche Antwort. Link wusste nicht, dass seine Gestik mehr verursachte, als er erhoffte. Es war ein bekanntes Bild, ein schmerzhaftes Bild… und es erinnerte Zelda an etwas, das noch grausamer war als die Verletzungen der letzten Wochen. Link kniete einst so vor ihr, damals, bevor sie ihn in der Zeit zurückschickte, damals nach der Vernichtung der Bestie, als Blut Hyrule überzog wie eine Seuche… „Nein… tu‘ das nicht… nicht das…“, wimmerte sie, als die Erinnerungen hochkrochen. Und die Erinnerungen an damals zerstörten das bisschen Stärke, das sie versucht hatte in dieser Welt aufrecht zu halten. Seine tiefblauen Augen blitzten mit genau demselben Schwermut zu ihr hinauf wie damals. Für einen Bruchteil von Sekunden war sie in der alternativen Zeit, als seine Tunika besudelt war von seinem eigenen Blut, sein Gesicht voller Schürfwunden. „Ich flehe dich an, Zelda…“ Sie konnte ihn flüstern hören aus der Vergangenheit. ,Ich flehe dich an, lass‘ mich bleiben, ich bin kein Kind mehr.‘ „Bitte, Zelda… sag‘ mir…“ Und von weither murmelte es quälerisch: ,Bitte, Zelda… sag‘ mir, dass du mich brauchst…‘ „Sag‘ mir endlich die Wahrheit“, flüsterte Link aufrichtig, aber er sprach diese Worte in der Realität, nicht inbegriffen in dem Trauma, das die vergessene Prinzessin spürte. Aber seine Worte hatten alles heraufgeholt… Sie schluchzte und sackte dann zurück. Mit dem Rücken zu der Wand rutschte sie auf den klatschnassen Boden. Sie murmelte unverständliche Worte, sprach eine fremde Sprache, die der junge Held kaum verstehen konnte. Sie führte ihre Hände an die Lippen, dann an ihre Ohren und sprach nur ein Wort, das Link durchaus verstehen konnte. Von ihren blassen, kühlen Lippen erklang der Name eines Landes, das sie liebte. „Hyrule…“ In dem Augenblick spürte Link eine schwere Last von seinem Schultern abfallen. Er sackte noch mehr zusammen und rieb sich seine Stirn. ,Natürlich sprach sie von Hyrule… wie sollte sie auch nicht… die ganzen Situationen vorher… die Angriffe und der Dämon in der Kirche… die Legende von Zelda war Wirklichkeit…‘, dachte Link. „Hyrule…“, sprach er benommen. „Es ist also wirklich wahr?“ Link kam torkelnd auf die Beine, drehte sich geschockt um, konnte das, was sie gerade gesagt hatte, dennoch nicht völlig unter einen Hut bringen. „Du hast Hyrule gesagt, nicht, weil es dir einfach so eingefallen ist… habe ich Recht… Es ist dein Land, nicht wahr?“ Er atmete stoßweise, schwankte und packte Zelda dann an ihren Handgelenken. Er zerrte das labile Mädchen auf die Beine und starrte sie so durchdringend an, wie noch nie zuvor. Aber ihre Augen waren leer, belegt mit Schatten, so, als wollte sie sich in den Schlaf zwingen. „Zelda!“ Er rüttelte sie aufgebracht, bis sie zur Besinnung kam. In dem Augenblick wich sie zurück und nickte bloß. „Es ist also wirklich wahr?“, murmelte Link stockend. Schockiert ließ er ihre Handgelenke los und stützte sich an dem erstbesten Baum an der Straße ab. „Und Ines… deine Erziehungsberechtigte… Ines ist Impa, ist es nicht so?“, hauchte er benommen und wünschte sich, sein Leben wäre nur ein Traum. Erneut kam ein verzweifeltes Nicken von Zelda, bis eine Pause entstand, in welcher sich die Regenwolken verdichteten und die kühlen Wassertropfen größer und schwerer wurden. Link spürte den Regen, der leise an seinen Haarsträhnen hinabfiel, aber unternahm keineswegs jetzt den Versuch sich irgendwo unterzustellen. Es war unwichtig… so unwichtig, wenn Worte wie diese all das, was Link für selbstverständlich hielt in Frage stellen konnten. Sein Leben war eine große Lüge… Zelda schluchzte, wollte ihm gerade diese Demütigung und Verletzung ersparen. Durcheinander legte sie eine zitternde Hand auf Links Schulter. Verärgert schlug er die Hand beiseite und wich seiner Seelenverwandten aus. „Jetzt sagst du mir das?“, schnaufte er, zutiefst enttäuscht von dem blonden Mädchen, für dessen Sicherheit er beinahe alles getan hätte. „Warum?“, fauchte er. „Mein gesamtes Leben ist ein Fehler und du fängst jetzt an, mir etwas erklären zu wollen?“ Auch sein Blick verriet den Zorn in seinem Inneren. Zelda schüttelte betrübt mit dem Kopf. „Ich wollte dich heraushalten. Ich wollte dir die Möglichkeit eines ehrlichen Lebens ohne Kampf und das Böse lassen. Niemals wollte ich dich anlügen, Link“, sagte sie verzweifelt. Und auch Links Gemüt beruhigte sich. Langsam verstand er die Tatsache, wer er war, langsam löste sich die spontane Wut auf. Vielleicht lag es daran, dass er es selbst schon lange verstanden hatte, ohne es wahrhaben zu wollen. Er wusste schon lange, dass: ,The Legend of Zelda’ mehr als nur ein Spiel war und nun hatte er dafür die notwendigen, unverwüstlichen Beweise… „Ich weiß“, flüsterte er durch den kristallenen Regen und schaute in die traurigen Augen Zeldas, wo sich immer stärker ein kalter Schatten zeigte. „Ich weiß“, wiederholte er und lief hetzend, ohne einen weiteren Blick zu seiner Prinzessin nach Hause… Sara empfing ihren Bruder durchgeweicht an der Haustür. Etwas Merkwürdiges lag in seinem Blick, als wäre er nicht mehr wirklich, als wäre Link so etwas wie ein Schatten am Rande der Welt. Ein kalter Luftzug streifte sie, als Link ohne ein Wort der Begrüßung hinauf in sein Zimmer trottete. Seine Schritte wurden immer schwerer, als er die wenigen Stufen ins nächste Stockwerk hinaufging, beinahe mühsam schleppte er sich nach oben. Unauffällig schlich Sara hinter ihrem Bruder her, der die Tür zu seinem Zimmer nicht schloss und zielgerichtet auf seine Nintendokonsole zu steuerte. Ohne Vorwarnung erwachte eine zügellose Wut in dem jungen Herzen ihres Bruders. Er riss gnadenlos die Stecker heraus, warf die gesamte Konsole zu Boden und trat mit seinem Fuß einmal kräftig dagegen. Die Klappe sprang auf und die kleine Disc mit dem Ocarina of Time- Spiel purzelte über den Boden, bis sie vor seinen Füßen zur Ruhe kam. Ein fluchte irgendetwas, gefolgt von einem verzweifelten, rauen Aufschrei aus seiner Kehle und ließ sich dann auf den dunkelbraunen Teppichboden sinken, während er mit seinen Hände durch seine klatschnassen Haare fuhr. „Verdammtes Spiel. Du verdammtes, nutzloses Spiel. Du bist und bleibst nur ein Spiel!“, brüllte er und hämmerte wie blöde auf der kleinen Disc herum, aber sie zerbrach nicht. „Nur ein Spiel. Geh’ endlich kaputt. Du sollst…“ Er brach ab und schüttelte seinen Kopf, als ob er wieder zur Besinnung gekommen war. ,Das war es‘, dachte er. Nur ein Spiel… und doch seine eigene, unverwüstliche Vergangenheit, von der er nichts wusste… Ein simples Warum schallte durch seine Gedankengänge, machte die Last auf seinen Schultern aber nur schwerer, unerträglich schwer. ,Ich bin eine einfache Spielfigur’, sagte er in seinen Gedanken, hasste sich dafür, begann sich sogar schon dafür zu schämen. Der Anflug der Verzweiflung mischte sich in seine Venen, immer schwächer fühlte er sich, spürte die Kälte des Regenwassers seiner Kleidung, spürte die Schwere und die Last der durchgeweichten Kleidung. In dem Moment legte Sara ihrem großen Bruder eine Hand auf die Schulter, blickte ihn mitfühlend an und reichte ihm die andere. „Steh’ auf, Link“, sagte sie. Aber er ignorierte die Hand und knurrte nur ein spöttisches: „Was weißt du schon, lass’ mich in Ruhe.“ „Ich habe dir nichts getan, du fieser Blödmann“, murrte sie. „Dann geh’ doch vor die Hunde und mach’ weiter mit deinem nervenden Gejammer. Ich wollte dir nur helfen, Idiot!“ Ihre vorher noch ruhigen Worte sendeten den Anpfiff zurück, den er ihr schickte. Sara schlug die Tür hinter sich zu, und lief verzweifelt in ihr Zimmer. Sofort schnappte sich die Schwester von Link ihre schwarze Regenjacke und hetzte erbost aus dem Haus. „Na warte, Zelda“, sagte sie zu sich. „So einfach mache ich es dir nicht. Du hast lange genug mit Link gespielt!“ Schnellen Schrittes hetzte das fünfzehnjährige, schlaue Mädchen über die klatschnassen Straßen, rannte zu ihrem Zielort, der Villa, wo Zelda wohnte. Nach langen Sturmklingeln, öffnete die einstige Prinzessin Hyrules der miesgelaunten Sara die Tür. „Sara? Was machst du denn hier?“ Die Angesprochene presste ihre Lippen aneinander, um Zelda nicht aus lauter Rasche anzuschreien und packte sie grob an ihrem Unterarm. „Du kommst jetzt sofort mit!“, sagte sie. „Aber Sara, ich kann doch nicht einfach- Ines ist nicht da und…“ Noch ehe Zelda zu Ende gesprochen hatte, schleifte Sara, die wohl plötzlich übermenschliche Kräfte entwickelt hatte, die einstige Prinzessin die Einfahrt zur Straße hinunter. „Was soll’ das?“, murrte Zelda und riss sich los. Sara ballte ihre Fäuste und blieb ihr den Rücken zugewandt stehen. „Seid du da bist, behandelt mich Link manchmal wie Dreck“, murmelte sie. Ihre anfängliche Wut wandelte sich in leichte Verzweiflung und einen Hauch Traurigkeit. „Du trägst die Schuld, dass er so verstimmt ist. Du bist dafür verantwortlich, warum er sich so elend fühlt. Gib ihm zurück, was du ihm genommen hast!“, sagte Sara und drehte sich mit halbherziger Miene zu Zelda um. Die Sonne zeigte sich am wolkenverhangenen Himmel. Zelda schwieg und starrte angesichts dieser Anklage schwermütig zu Boden. „Ich würde ihm… ohne zu Zögern… alles zurückgeben, was er geopfert hat…“ „Wenn du so denkst, dann musst du dich mit ihm aussprechen…“ „Aber…“, begann die blonde Lady, wurde aber sogleich von Sara unterbrochen: „Was ist so verflucht schwer daran, mit ihm zu reden?“ „Nichts…“, sprach sie und biss sich auf die Lippe. Eigentlich stimmte das nicht zwangsläufig… „Dann wo ist das Problem?“ „Er weiß es, Sara… und ich ahne, dass du die Situation im Antiquitätenzentrum arrangiert hast.“ Und da grinste die Schwester des Helden auffällig amüsiert. Ihre Augen funkelten, dann klatschte sie sich in die Hände: „Es hat also wahrlich funktioniert?“ Zelda nickte sprachlos. Sara war wirklich ein Wolf im Schafspelz… „Nimmst du mir das übel, wo es notwendig war?“ Zelda schüttelte banal ihren Kopf. „Also, was ist dann so schwer daran, in aller Ruhe mit ihm zu reden, er ist mit den Nerven runter…“, sagte das fünfzehnjährige Mädchen stur und aufbrausend. Ihre blaugrauen Augen zeigten Entschlossenheit. „Was will er mit meiner Gesellschaft. Ich habe ihm immer nur Probleme bereitet“, flüsterte das blonde Mädchen ihr gegenüber. „Er hat alles Glück dieser Welt verdient, Sara…“ Auch Zelda ballte die Fäuste. „Zu Links Definition von Glück gehörst du aber dazu. Verstehst du das denn nicht? Deine Freundschaft bedeutet ihm zu viel, als dass er diese aus einer solchen Definition ausschließen könnte. Du tust ihm mehr weh, wenn du dich von ihm fernhältst als ihm einen Gefallen tun zu wollen. Wie oft muss ich deiner hohlen Rübe noch klar machen, dass er dich braucht?“ Ein heimtückisches Grinsen formte sich auf Saras zuvor noch ernster Miene. „Und wenn du das nicht endlich verstehen willst, dann ist deine Rübe ja noch hohler als ich dachte.“ Zugegeben, ihre Worte waren gemein. Und doch war Sara überzeugt, dass sie Wirkung zeigten. Zelda runzelte bloß ihre Stirn und starrte Sara beinahe erbost an. Doch Sara gab der sprachlosen, verärgerten Blondine einen starken Klaps an ihren Hinterkopf und packte sie wieder am Handgelenk. „Wenn du jetzt nicht sofort mitkommst, muss ich dich dazu zwingen!“ Erneut schwieg Zelda, einen aussagekräftigen und immer sanfter werdenden Ausdruck auf dem hübschen Gesicht. Aber sie bewegte sich keinen Zentimeter. „Er träumt von dir“, sagte Sara leise. „Und das reicht schon aus, um ihm den Tag zu verderben.“ Seufzend blickte die junge Prinzessin auf und sah in das weitentfernte Himmelszelt. Was sollte sie auch darauf sagen? „Ich weiß ganz genau, warum du willst, dass er sich von dir fern hält. Schließlich bin ich wissend genug.“ Und Zelda verstand die Andeutung der kleinen Schwester von Link nur zu gut. „Dann sag’ mir doch, welche Gründe es sind?“, sagte Zelda bissig. „Du willst ihn nicht bloß vor dir beschützen… du bist feige.“ Zelda lächelte schwermütig und wand der Fünfzehnjährigen den Rücken zu. „Gewiss, deine Absichten sind edel und waren sie wohl immer. Aber deine Handlungsweise in dieser Welt ist einfach nur lächerlich und feige.“ Und Sara verschränkte ausdrucksvoll die Arme. „Es geht nicht darum, ob du ihn in Gefahr bringen würdest oder nicht. Es geht nicht darum, ihn vor sich selbst zu beschützen. Mir kannst du nichts vormachen, Zelda.“ „Ja, wie könnte ich gerade dir etwas vormachen“, sagte sie mit einem Wink. „Wo du von Anfang an wusstest, wo du mehr bist als andere sehen.“ „Genau, du kannst mir nichts vormachen, Prinzessin.“ Damit trat Zelda näher an Sara heran und schaute streng und stur in ihre Augen. „Nun rede endlich! Und sag’ mir, was du verschweigst!“ Allmählich wurde Zelda ein wenig missmutig. „Okay.“ Und Sara hob ihren Zeigefinger und deutete auf Zeldas Nasenspitze. „Du bist hier das einzige Problem. Es ist deine verdammte Sturheit, deine Feigheit ihm zu sagen, wie wichtig er dir ist, der dich handeln lässt, der dich kalt werden lässt.“ Sara machte nur eine kleine Pause und ließ Zelda nicht das rechtfertigende Wort aufnehmen. „Es ist deine verdammte Angst vor seinen Gefühlen, die euch beide irgendwann umbringen wird! Wenn du nicht anfängst mit ihm zu reden, dann tut er etwas, was wir alle irgendwann bedauern werden… Kapierst du das nicht? Er wird sich selbst in Gefahr bringen, wenn du ihm nicht endlich sagst, was es zu sagen gibt. Ich weiß, dass er mehrfach in der Kirche war, dort, wo unser alter Feind lauert. Und Link wird es wieder tun, wenn du ihm nicht endlich erklärst, weshalb er sich dort fern halten sollte. Willst du, dass er leichtsinnig wird? Willst du, dass ihm etwas passiert?“ Zelda schaute traurig zu Boden und schwieg. Sie hatte nie ihre Stimme gegenüber jemandem verloren, der sie zurechtstutzte, aber Sara war da eben von einem ganz besonderen Schlag. „Natürlich will ich nicht, dass ihm etwas zustößt.“ „Was also spricht dagegen mit ihm zu reden. Er wird dir schon nicht beichten, dass er in dich verschossen ist.“ Daraufhin blickte Zelda errötet auf und suchte nach richtigen, erwidernden Worten. Aber da packte Sara sie schon am Arm und murrte: „Los jetzt!“ Und Sara hetzte voran, dicht gefolgt von Zelda, die sich endlich, nach all den langen belastenden Diskussionen überzeugen lassen hatte. Als die beiden Mädchen allerdings in Links Zimmer standen, mussten sie feststellen, dass der Gute nicht da war. Ohne weitere Überlegungen liefen die beiden Mädchen in die alten Mischwälder von Schicksalshort. Nach einer halben Stunde fanden sie Link ausgebreitet auf einer klatschnassen Wiese liegen. Jener kleinen Wiese, die von zwei Armen eines kleinen Flusses umrahmt wurde, jener Ort, wo alles mit dem Auffinden Zeldas begann. In seinem Blick lagen keine Worte, die man für seine Stimmung hätte finden können… So traurig, entmutigt, sah er aus und starrte zu den grauen Wolken, die in Windeseile vorüber zogen, als würden sie vor dem Wind fliehen, immer mit der Gewissheit doch nicht entschwinden zu können. Sara gab Zelda einen so starken Stups, dass sie in Links Richtung stolperte. Sie zwinkerte und verschwand, um die beiden Auserwählten alleine zu lassen. Link wusste, dass Zelda hier war. Er spürte sie, fühlte ihre unvergleichliche Aura, roch den Duft nach Rosen, der sie umhüllte und hörte ihre Halbschuhe, die sich durch das hohe, feuchte Gras bewegten. Doch stur wie Link war, rührte er sich nicht und blickte weiterhin ans Himmelszelt, als ob er gestorben wäre. Verunsichert blieb Zelda vor dem kleinen Flusslauf stehen, starrte melancholisch in das lichte Wasser und hörte freudiges Vogelgezwitscher von weit oben her, stammend von den dichten Baumkronen. Sie kniete nieder, fasste in das kristallene Wasser, welches kühl und frisch ihre Hand umspülte. So lebendig und doch vergänglich… Ein kleiner grüner Laubfrosch hüpfte auf ihre Hand, quakte seine Palette an Tönen herunter, quakte erneut und hüpfte ohne Vorwarnung in Zeldas überraschtes Gesicht. Laut aufkreischend fiel sie rücklings in das nasse Gras und beäugte den Frosch, der beinahe grinsend und laut quakend auf ihrer Nasenspitze saß. Sie hatte einen Hang dazu. Tiere, egal welcher Art, waren ihr schon immer wohlgesonnen gewesen, es sei denn, eine teuflische Macht kontrollierte sie. Und dieser kleine Frosch schien sich aus irgendwelchen Gründen in sie verliebt zu haben. Lag es nun an ihrer natürlichen Ausstrahlung, an ihrem Charisma, der Güte ihres Herzens oder an ihrem Parfum, anscheinend wollte der kleine Laubfrosch nie wieder weg von Zelda. Sachte nahm sie das kleine Geschöpf in ihre Hände, streichelte über dessen labberige Haut, worauf das Wesen erst recht begann mit seiner winzigen Kehle zu röhren. Zeldas Gesicht erhellte sich, erfüllt mit einem gutmütigen Lächeln flüsterte sie: „Du bist sicherlich ein kleiner Prinz, nicht wahr?“ Mit Liebeslaune und bezaubert von der Schönheit eines so kleinen, wenn auch schleimigen Wesens, drückte Zelda einen schwachen Kuss auf dessen grünliches Körperchen. Mit lautem Quak hüpfte der Frosch davon. „Wohl doch kein Prinz“, sagte Zelda leise und blickte hinüber zu Link, der sich bisher noch keinen Millimeter gerührt hatte. Sie stand langsam auf und suchte mit ihren Augen etwas am Rande der rauchigen Wolken, dort wo sich feine Risse für den blauen Himmel zeigten. „Ich habe nie… einen Prinzen gebraucht“, sagte sie gedämpft, sich bewusst, dass Link diese Worte nicht gehört hatte. Und doch stimmte es. Sie hatte nie etwas für irgendeinen dahergelaufenen, eitlen Prinzen übrig gehabt. Niemals… und diese Empfindung würde sich niemals ändern. „Ich gehe lieber…“, sagte sie etwas lauter, wissend um die Abweisung, die er ihr jetzt entgegenbrachte, nach allem, was sie Verletzendes zu ihm gesagt hatte. Seine Gefühle gestohlen hatte sie, geraubt hatte sie diese und bitter enttäuscht. Sie lief einige Schritte, tapste mit Sehnsucht nach nur einem einfachen Blick von Link voran und blieb in dem Augenblick stehen, als Link endlich wieder bewies, dass er keinesfalls eingeschlafen war. Er setzte sich aufrecht und murmelte eine leises: „Nein“, vor sich hin. „Bitte… bleib’“, setzte er hinzu. Seine Stimme klang mitfühlend, ruhig, kein Funken der Wut verratend, die er vor wenigen Stunden empfunden hatte. „Ist das tatsächlich dein Wunsch, Link?“ Sie wählte diese Worte bewusst, sich daran erinnernd, dass sie diese irgendwann bereits zu ihm gesagt hatte. Ein Dialog, als sie noch nicht erwacht war. Einige törichte Worte, gesprochen am Rande dieser Realität, dann als Lichtfunken tanzten. Mit einem Sprung hüpfte Link auf seine Beine, drehte sich in ihre Richtung, aber sah ihr einfach nicht ins Antlitz. Langsam folgte er dem Weg, bis er direkt neben Zelda stand. „Es war immer nur… dieser einzige Wunsch“, sagte er und lief erneut einige Schritte. Er könnte sie berühren, sicherlich, könnte wenigstens nur einmal in ihren kristallblauen Augen träumen, aber besaß er denn nach allem, was geschehen war, noch das Bedürfnis dies zu tun? „Wirst du mir aus dem Weg gehen?“, fragte ihre Stimme schwammig. Sie ließ den Kopf hängen und fuhr stockend fort: „Wirst du mir gegenüber… die gleiche kalte Abweisung zeigen, wie sie dir von mir zuteilwurde?“ Sie brachte das letzte Wort heraus, bevor sie das Gefühl hatte an ihrer Schuld zu ersticken. Eine Träne tropfte, als Link weitere Schritte lief und sich auf einen alten Baumstamm setzte. Betrübt stützte er eine Hand an sein Kinn und blickte zu Zelda, die ihm einmal mehr abweisend den Rücken zuwandte. „Was erwartest du jetzt von mir?“, sagte Link stur und beobachtete den Fluss in seinem Lauf. Als ob Zelda je wieder wagte, etwas von Link zu erwarten. Er hatte ihr so viel gegeben, dass es für Tausende von Leben ausreichen würde, soviel Zuneigung, Schutz… „Nichts“, sagte sie unsicher. „Und was erwartest du von mir?“ Damit wand sie sich in seine Richtung, wirkte verletzlich und angreifbar, indem sie auf den Boden sah. „Vertrauen“, sprach Link schwach, im nächsten Moment sich wünschend, er könnte dieses Wort zurücknehmen. „Aber das brauchst du nicht zu erwarten oder einzufordern. Du hattest mein Vertrauen die ganze Zeit, seit ich hier bin“, sagte sie lauter und fieberte mit ihren Worten. „Nein, Zelda… das hatte ich nur, als du nicht wusstest, als du vergessen hattest, als du…“ Es war nur ein kleiner Satz, aber entscheidend für sie beide, entscheidend, ob ihre Freundschaft es wert war, weiterzubestehen, entscheidend, wenn die Antwort ehrlich sein würde. „… als ich deine Gefühle respektiert habe“, beendete sie für ihn. Er nickte bloß, noch immer nicht bereit in ihre sanftmütigen Augen zusehen. Stattdessen begann er spielerisch mit seinen Beinen zu pendeln und schloss seine Augen, um die richtigen Worte zu ersinnen. Zelda jedoch blickte auf und lief langsam durch das Gras auf ihn zu. Sich nichts mehr sehnlicher wünschend, als ein charmantes Lächeln, als eine stumme Berührung. Aber genügte das? Was war mit den Antworten? Warum blieb Link so ruhig, bemüht ihr Zeit zugeben, obwohl sie deren Recht schon lange verspielt hatte? Nur wenige Meter von ihm entfernt ließ sie sich auf ihre Knie sinken, beachtete nicht die Nässe des grünen Grases, welche sich durch ihre helle Jeans zu ihrer Haut vorarbeitete. Als Stütze stemmte sie ihre Arme in das Gras. „Warum schreist du mich nicht endlich an?“, sagte sie laut. Überrascht öffnete Link seine Augen und sah sie halb vor ihm niederknien. „Mach’ schon, ich habe es verdient.“ Sie ließ ihren Kopf hängen und das blonde lose Haar fiel an den Enden auf die grüne Grasfläche. „Hör’ endlich auf damit, Zelda“, sagte Link halb befehlend und packte sie an ihren Oberarmen. Ruckartig hievte er sie in die Höhe, blickte aber bewusst an ihr vorbei. Nur eine kurze Berührung, die er sofort wieder unterband. „Hör’ gefälligst auf, dich so gehen zulassen, dich selbst als so wertlos hinzustellen und deine Würde auf diese Art wegzuwerfen.“ Aber vielleicht empfand sie es ja genauso, als hätte man sie um ihrer Würde beraubt, oder als hätte sie diese schon damals in Hyrule für ein bisschen Frieden hergegeben. „Ich habe keine Würde mehr.“ Link schüttelte nur mit dem Kopf, verkrampfte sich, ständig damit kämpfend, sie einfach an sich zu drücken. „Wie geht das jetzt weiter mit uns beiden?“, murmelte er. „Stellst du die Frage mir, oder dir selbst?“, sagte sie verletzt und setzte sich nun mit einem Sprung auf den Baumstamm. Aus Nervosität spielte sie mit ihren Händen, ließ ihre Daumen kreisen. „Uns“, entgegnete Link zurückhaltend. „Uns?“, wiederholte sie fragend. „Gab’ es denn jemals ein ,Wir’?“ Schmerz klang aus ihren Worten, erfüllt von der stillen Sehnsucht, ihre Zeit zu einer gemeinsamen Zeit werden zu lassen. In dem Augenblick platzte in Link jeglicher Geduldsfaden. Er hielt den Abstand zwischen ihnen einfach nicht mehr aus, weder begreifend, ob es richtig war, noch darüber nachdenkend, was in der Zukunft lag, marschierte er ohne Umweg auf Zelda zu, die immer noch auf dem abgeholzten Baumstamm saß und trübsinnig auf ihre blassen Hände starrte. Er wagte einen Blick in ihr wunderschönes Gesicht, ein wenig froh, dass sie seinen Blick nicht traf. Sie wirkte blass… blässer als ohnehin schon. Er hatte sogar den Eindruck, dass sie noch mehr abgenommen hatte. Vielleicht drei oder vier Kilo, die sich besonders an ihren Wangen bemerkbar machten. Er konnte beinahe fühlen, wie sehr sie litt, sah den rastlosen Schmerz und die Besorgnis in ihren blauen Augen, auf denen der Schatten immer dichter wurde. Dieser Schatten… Dann fielen ihre Augenlider zu und sie stützte sich mit ihren Händen an dem gesprenkelten Holz ab. Kopfschüttelnd, warum er sie einfach nicht ignorieren konnte, trat Link näher und näher. Wie oft hatte er sich vorgenommen dagegen anzukämpfen, gegen ihre starke Anziehungskraft ihm gegenüber? Doch immer scheiterte er. „Es reicht“, sagte er leise und fand sich im nächsten Moment direkt vor ihr, erwiderte endgültig ihren Blick, als ihre Augenlider aufflatterten und sich ihr Kopf senkte, sodass sie ihn anblicken konnte, da sie sich durch die Höhe des Stammes einige Zentimeter höher befand, als ihr Seelenverwandter. Link konnte den Schmerz beinahe fühlen, so gefährlich war dieser in ihren Augen, er sah die Zweifel und die Angst vor der bitteren Zukunft. Denn auch hier, selbst wenn dies nicht Hyrule war, so konnte sie in ihren Träumen immer wieder die Anwesenheit des Bösen spüren, wurde durch dessen Stürme mitgerissen, sah sich selbst als Opfer alter, unvergessener Dämonen. Seine mitternachtsblauen Augen schwankten hinab zu ihren zitternden Händen, die er ohne Vorwarnung in seine nahm, die von den harten Trainingsstunden mit dem Schwert gekennzeichnet waren. Sie seufzte überrascht auf, ein wenig irritiert, warum er ausgerechnet jetzt ihre Nähe suchte. Aber seine Haut war so warm, und beruhigend. ,Ich habe dein Mitgefühl nicht verdient’, sagte sie in ihren Gedanken. ,Wie kannst du nur so liebevoll sein, nachdem ich dir auf jeder verabscheuungswürdige Art weh getan habe.’ Sie zog aus Hass auf sich selbst ihre Hände weg und drehte ihren Kopf nach rechts. Aber Link gab sich mit dieser Abweisung nicht zufrieden, nicht mehr. ,Es reicht’ hatte er gesagt und Zelda ahnte, dass er gerade die einschüchternde Distanz damit meinte. Feinfühlig wanderten seine Arme um ihre Schultern. Und sie wusste, was folgte. Innerhalb von Sekundenbruchteilen fand sie sich in seiner innigen Umarmung. Ihr Kopf ruhte fast kraftlos auf seiner festen Schulter, mit dem beinahe tränenden Blickfeld auf seinen sonnengebräunten Hals gerichtet. Es tat so gut… ein wohliges Gefühl der Sicherheit… Endgültig schien die Nähe in dem Moment, versiegelt mit einer Umarmung und den Worten die folgten. Beständig jene Freundschaft, gewillt die nächsten Schwierigkeiten zu überstehen. „Ich weiß nur, dass ich nicht ohne dich leben kann“, sagte er gedämpft, nuschelte jene Worte an ihren porzellanfarbigen Hals, sodass sie mit einem Zittern seinen Atem spüren konnte. Sehnsüchtig legte sie ihre Arme um seinen Hals, während Link immer noch, beinahe wie in Trance vor ihr stand. „Aber auch nicht mit mir“, meinte sie schwach. Sie genossen den Moment einiger weiterer kostbarer Minuten, schwiegen und folgten lediglich ungesagten leisen Bedürfnissen, als der Abend kam, als die Nacht und die Dunkelheit hereinbrach. Kapitel 22: Gefängnis der Finsternis ------------------------------------ Die Schulglocke läutete gerade zur Mittagspause und alle Schüler stürmten zufrieden aus einem unsäglich stinkenden Chemieraum. Wie immer ließ sich die einstige Prinzessin Hyrules Zeit und war vielleicht noch die letzte im Raum. Beruhigung lag in ihrem Blick. Ein zaghaftes Lächeln, weil es ihr seit gestern viel besser ging, als wäre ein Stein von ihrem Herzen abgefallen. Wie konnte sie sich Link gegenüber nur so eisig, kalt und gemein verhalten? War es wirklich nur, um ihn aus diesen Kämpfen gegen Ganondorf herauszuhalten, oder steckte vielleicht doch mehr dahinter, als sie selbst zugeben wollte? Ein kurzer Gedanke an die Vergangenheit in Hyrule, an weniger erfreuliche Erlebnisse und viele schmerzhaften Erfahrungen streiften ihre Sinne. Sie wischte sich über ihre Augen und versuchte die Erinnerungen ruhen zu lassen. Alles, was damals war, hatte mit der Zukunft nichts zu tun, Link war nicht mehr derselbe… und auch sie hatte sich verändert. Was also sprach gegen einen Neuanfang für sie beide? Mit einem rupfenden Geräusch zog sie ihren blauen Rucksack zu und wollte gerade von ihrem Platz aufstehen, als sie Links Anwesenheit spürte. Überrascht sah sie auf und schaute in ein fröhliches Grinsen von seiner Seite. „Hast du Lust die Pause draußen zu verbringen?“, meinte er. Sie lächelte mit einem zaghaften Versuch die Erleichterung, dass Link sich ihr gegenüber trotz der Abweisung der letzten Wochen so verständnisvoll verhielt, zu überspielen. „Gerne“, meinte sie leise und folgte ihm aus dem Raum durch die Gänge. In der Aula standen Maron und Rick Händchen haltend und winkten den beiden kurz zu. Link nickte, hatte ein unermessliches Grinsen im Gesicht. Beweis genug, dass es ihm wirklich gut ging. Außerhalb machten die beiden Auserwählten es sich zusammen auf einer Grünfläche abseits gelegen bequem. Link hatte wie immer einen Apfel dabei, von dem er einen herzhaften Bissen nahm, als er Zeldas verwundertes Gesicht bemerkte. „Stimmt etwas nicht?“ Sie schüttelte den Kopf und sagte vorsichtig: „Du bist… einfach genau der Link, den ich damals kannte. Mit allen Vorlieben. Allen Eigenheiten… es ist beschämend, dass mir das jetzt erst richtig klar wird.“ Sie neigte ihr Haupt seitwärts und beobachtete einige Schmetterlinge, die auf den Wiesen tanzten. Link schwieg darauf, denn es war im Moment einfach nicht von Interesse für ihn, was damals war. Er wollte bloß Zeldas Anwesenheit genießen. Wollte bei ihr sein. Wollte die gemeinsame Zeit auskosten und nicht mit Erinnerungen an das vergessene Damals belasten. „Wie kommst du eigentlich klar… ich meine, mit der Schule?“ Ein Versuch, sich an die neue Zeit zu orientieren. „Also…“, meinte sie und überlegte, wie sie es am besten erklären konnte. „Literatur ist okay. Das Englisch geht auch… ich habe die letzten Wochen die Nächte durchgearbeitet. Mit Mathematik habe auch ich keine Schwierigkeiten… In Hyrule…“ Sie brach ab, als sie Links melancholischen Blick begegnete. „Entschuldige…“ Link zuckte mit den Schultern, wusste, warum sie in ihrer Wortwahl stoppte. Jeder Gedanke… jede Kleinigkeit in dieser Welt war von dem abhängig, was Zelda in einem alten Hyrule erlebt und gelernt hatte. „Wir brauchen ein anderes Gesprächsthema…“, murmelte er. Sie nickte bloß und schaute traurig in den Sonnenhimmel. Und worüber sollten sie reden? Sie war und würde immer Zelda, Prinzessin von Hyrule, bleiben. Egal, was sie lernte, egal, welche Erinnerungen sie vergaß. Alles, was sie wusste, wie sie handelte, alles würde von den Idealen Hyrules begleitet sein… „Genau deshalb… kann ich einfach… mit niemandem reden“, flüsterte sie und drehte sich weg. „Mich versteht einfach niemand…“ Gleichzeitig ärgerte sie sich darüber, was sie gerade gesagt hatte. Wo waren ihre Stärke und ihre Zurückhaltung geblieben? Sie wollte Link nicht ihre Gefühle zeigen oder ihm ihr Herz ausschütten… das konnte und durfte sie sich nicht erlauben. Aber Link rutschte näher, legte seine Hände auf ihre Schultern und meinte. „Na und? Du hast doch mich. Ich besitze genug Blödsinn in meinem Kopf. Genug Blödsinn, Verrücktheit und Abenteuersinn, dass du mit mir schon genug zu tun hast.“ Er grinste, als sie sich umdrehte. „Und ich weiß auch etwas, worüber wir reden können.“ „Ja?“, meinte sie erfreut und wartete auf eine entsprechende Antwort. Und das dümmliche Grinsen in seinem Heldengesicht wurde immer unverbesserlicher. Plötzlich packte er sie an den Schultern und riss sie mit ihm zu Boden. „Lass’ uns doch die Wolken deuten.“ Zusammen lagen sie nun da. Nebeneinander auf der Wiese starrten sie in den Himmel mit den vielen weißen Wolkenfleckchen. „Dort haben wir einen Kürbis“, fing Link an. „Jetzt du.“ „Und dort ein alter Mann mit einem langen Bart. Vielleicht ein Zwerg“, meinte sie und versuchte sich von ihren trübsinnigen Gedankengängen abzulenken. „Und dort… ein Drache“, sagte Link, zog dabei eine dümmliche Schnute und setzte mit geschauspielerter Stimme hinzu. „Ein Drache mit einem brennenden Hinterteil. Siehst du und jetzt flippt er aus und dreht sich im Kreis.“ Zelda lächelte sanft und versuchte es ebenso mit etwas Aufheiterndem. „Und dort hüpft der Held Hyrules von dem Drache davon, weil jener seine grüne Mütze angesengt hat.“ Link drehte sich zänkisch zu ihr und grinste: „Du bist hinterhältig, Prinzessin.“ „Und du bist dusslig, Held.“ „Lieber dusslig als hinterhältig“, konterte er. „Warum? Weil man so eine bessere Ausrede für so viel Gedankenlosigkeit besitzt?“ „Nein, weil man sich mit Gedankenlosigkeit viel schönere Dinge erlauben kann, ohne sich für die eigene Unvernunft, Dummheit oder auch Schussligkeit rechtfertigen zu müssen.“ Grinsend beugte sich Link über sie und besah sich die trübsinnigen, sanften Augen Zeldas. „Und was glaubst du, kann man sich dann erlauben?“, führte sie an und wartete auf eine weitere gewiefte Antwort. Aber Links Grinsen wurde breiter und breiter, als könnte er die Antwort nicht über seine Lippen gleiten lassen. Eine Antwort, die nicht nur fies und gedankenlos sein sollte. „Das“, sagte er und drückte einen schmatzenden Kuss auf Zeldas rechte Wange. Noch ehe die Prinzessin etwas tun konnte, hüpfte der gutmütige Kerl auch schon auf seine Beine und floh vor ihr. Aufgeregt rannte sie hinter ihm her und doch wurde sie den lachenden Kerl niemals in die Finger bekommen. Die ganze Pause verbrachten sie damit, einander zu fangen, bis schließlich die Glocke bimmelte. „Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen“, lachte sie und streckte ihren Zeigefinger in sein Gesicht. „Okay. Ich mach’ es wieder gut. Sagen wir heute Nachmittag bei einem Eis. Ich lade dich ein.“ Und diesmal gab es keinen Grund, dass sie seine Einladung nicht annehmen würde. „Du möchtest mit mir Eis essen gehen?“, meinte sie überrascht und blickte verlegen zu Boden. „Ja, sehr gerne.“ „Dann… so… um vier Uhr nachmittags…“, meinte sie leise und beschämt. Doch warum sie so verlegen war, wusste sie selbst nicht einmal genau. „Das wäre toll und dann können wir ins Kino gehen. Impa hat bestimmt nichts dagegen. Immerhin ist heute Freitag und morgen ist keine Schule.“ Zelda nickte und murmelte sich vergewissernd. „Also um vier?“ „Jep. Ich hole dich ab.“ Sie nickte, als Link freudestrahlend zurück in das Schulgebäude hüpfte. Als Rick in der Aula des Gymnasiums einen Blick zu seinem besten Kumpel warf, hob dieser grinsend beide Daumen nach oben, erfreut, endlich wieder Zelda in seinem Freundeskreis zu haben… Als Zelda von der Schule kam, bemerkte die stolze Direktorin erstmals das ungewöhnliche Lächeln auf dem Gesicht der einstigen Königstochter. Seit sie hier war, seit sie sich in dieser Villa eingelebt hatte, war noch nie ein so sanftes, glückliches Lächeln auf ihrem Gesicht gewesen. Eine schwere Last musste von dem Mädchen abgefallen sein. „Lass’ mich raten… du hast dich mit Link versöhnt“, sagte Impa lächelnd und deutete auf die Küche, wo Spaghetti mit Tomatensauce dufteten. Zelda nickte bloß, warf den Rucksack achtlos in eine Ecke und hastete in die Küche. Als Impa eintrat, hatte die junge Schönheit bereits eine volle Portion auf dem Teller und aß so viel, als ob sie die letzen Wochen nachholen müsste. „Es freut mich für dich, dass du dich mit Link aussprechen konntest“, meinte Impa und versuchte beinahe Zeldas Gedankengänge zu lesen. „Ich habe mich schon gefragt…“ Impas scharlachrote Augen sahen interessiert und neugierig in die himmelblauen der Prinzessin. „Ich weiß, dass mehr hinter deinem abweisenden Verhalten steckt als bloß der Versuch Link zu schützen“, sprach Impa belehrend. Sie wusste, dass Zelda es nicht gerne hörte, aber das Thema musste auf den Tisch. Denn es gab Ereignisse in der Vergangenheit, über die Zelda nicht sprechen wollte. „Nun erzähl’ schon… wie sieht es nun aus mit euch beiden“, sagte Impa und nahm Zelda gegenüber Platz, die herzhaft, beinahe leidenschaftlich Spaghetti wegputzte. Verwundert blickte das anmutige Mädchen auf und verstand nicht die versteckten Annahmen in den roten Augen ihrer Ziehmutter. „Ganz gut…“ „Und das heißt im Klartext!“ Erneut schickte Zelda der Direktorin einen verwunderten Blick entgegen. „Ich meine, wie hat Link reagiert?“ Und Zelda aß hastig weiter, murmelte während des Kauens- ganz und gar nicht ihren alten, gepflegten Manieren entsprechend. Aber Impa verstand sie nicht. Zelda legte den Löffel beiseite und erklärte beschämt: „Ich verstehe ihn einfach nicht… er verhält sich so, als ob nichts geschehen wäre… so verständnisvoll…“ Und Impa schwieg darauf. „Er holt mich nachher ab“, sagte die Jugendliche und nahm einen Zug Orangensaft. „Tatsächlich!“, meinte Impa, ein wenig verwundert, wie schnell es plötzlich ging, dass die einstige Prinzessin ihren besten Freund wieder an sich heran ließ. „Woher der plötzliche Sinneswandel?“ „Saria hat mich überzeugt…“, meinte sie leise, was der einstigen Shiekah als Antwort genügte. Innerhalb der nächsten Sekunden schlang Zelda die Nudeln in den Mund und hetzte dann vom Tisch. „Warum hast du es denn so eilig.“ „Ich will mich noch… umziehen… und…“ Zelda brach ab. Was eigentlich? Wollte sie sich hübsch machen? Für Link? Aber Impa lachte bloß, erfreut und mit einer ordentlichen Portion Dreistigkeit, die aus ihren roten Augen stach. „Gib’ dir keine Mühe, Prinzessin, du kannst es einfach nicht lassen, was?“ Zelda zuckte mit den Schultern und trat halb aus der Küchentür, als ihre Ziehmutter noch belustigt hinzusetzte: „Und keine Sorge. Link findet dich auch so wie du jetzt bist wunderschön. Du brauchst dich nicht extra hübsch zu machen.“ Ihre Fäuste ballend fühlte Zelda Ärgernis in sich aufsteigen. „Ach… Halt’ den Mund, Impa.“ Ihre Andeutungen konnte sie nun wirklich unterlassen. Da war nichts zwischen Link und ihr. Und es würde niemals etwas zwischen ihnen sein… weder in der Vergangenheit noch hier… Freundschaft und Seelenpartnerschaft… aber nicht mehr… Damit trat die Prinzessin aus der Küche und hetzte in ihr Zimmer. Trotzallem würde sie jetzt ihr rosa Sommerkleid heraus kramen, würde duschen gehen und Haare waschen… und dann… Sie brach ab mit den Gedanken und ärgerte sich ein wenig, dass Impa vielleicht recht hatte. Sie putzte sich heraus und das vielleicht sogar wirklich wegen Link… Und auch Link kam grinsend nach Hause, ignorierte das fragende Gesicht Saras wegen seiner guten Stimmung und machte sich lustig, weil seine Mutter alles probierte, um herauszufinden, was es war, dass ihn fröhlich machte. ,Aber heute‘, dachte er, würde er alles für sich behalten. Kurz nach drei Uhr hielt er es dann einfach nicht mehr aus… es war zwar noch lange nicht vier Uhr und zu dem Haus von Impa waren es auch nur zehn Minuten. Aber er freute sich so sehr auf den Nachmittag, dass er einfach losstürmte… Gerade zu der Minute drehte die junge Königstochter in ihrem persönlichen Badezimmer summend an dem Duschknopf und ein warmer Wasserstrahl strömte hinab. Sie hatte das schönste Lächeln auf dem Gesicht, das sie aufbringen konnte, und ließ sich ein wenig Zeit bei ihren Handlungen. Ein Duft nach Rosen umhüllte sie, als sie aus der Dusche trat und ihr bestes Dessous an ihrer schönen Figur begutachtete. Dann schlüpfte sie lachend in das süße, teure, altrosa Sommerkleid und schaute in ihr Spiegelbild. ,Ja‘, dachte sie. So konnte man sich in der Öffentlichkeit zeigen… und ein Gedanke an die versnobte, altmodische Kleiderordnung in Hyrule Castle geisterte durch ihren Kopf. Damals solche Kleidung zu tragen hätte ihren armen Vater unmittelbar zum Herzinfarkt gebracht. Denn er wusste, wie Zelda ihren Stand immer verabscheut hatte, auch wenn sie ihn und ihren Titel mit Respekt annehmen musste… Ja, ihr Vater… Zelda schluchzte und versuchte das aufkommende Heimweh zu unterdrücken… Sie griff nach einer Bürste für die gewaschenen, honigblonden Haare und führte diese leicht durch das nasse, seidene Haar, als sie sich plötzlich am Waschbecken abstützen musste. Die Bürste fiel ihr aus der Hand und einige Duschbäder, Gesichtswasser und Öle fielen durch eine unsachte Handbewegung auf die weißen Fließen. Zermürbend rieb sie mit einigen Fingerspitzen über ihre Stirn, versuchte zu verstehen, woher dieser Schwächeanfall rührte, aber sie fand den Grund nicht. Sie drehte sich hastig um die eigene Achse, versuchte irgendwo Halt zu finden, und spürte bloß noch, wie ihre Knie nachgaben und sie mit einem heftigen, schmerzhaften Schlag zu Boden gezwungen wurde. Krampfend und laut keuchend hockte Zelda auf den Fließen, während um sie herum alles trübe wurde, trüber und trüber, bis die Nebel in eine dunkle Farbe übergingen. Sie spürte eine zwingende, machtvolle Kraftlosigkeit und zog sich auf den zitternden Armen über den Boden, brach aber vor der Badetür zusammen. Ihre Augen tränten, während der Angstschweiß an ihrer Stirn aus den Poren schoss. „Impa“, rief sie mit letzter Kraft. Und noch einmal rief sie nach ihrer Ziehmutter, aber niemand hörte sie. „Link…“ Ein Gewächs aus dunklem Gestrüpp mit violettem Schimmer zog sich um ihre Glieder, als sie einen letzten markerschütternden Schrei ausstieß und der Körper sowie die Seele der Prinzessin das alten hylianischen Reiches verschwand. Pfeifend rannte der junge Heroe die Einfahrt zu Ines Villa hinauf, als er plötzlich stehen bleiben musste. Benommenheit und Mattigkeit kamen über ihn, wie ein keiner Schlag ins Gesicht… Noch ein Schlag, dann ein fieser Druck in seinen Adern und eine schwere Last auf den Schultern. Er schüttelte den Kopf und blieb einige Sekunden stehen, versuchte den plötzlichen, unheilvollen Schmerz zu verstehen, aber fand darauf keine Antwort… Nach wenigen Sekunden war das Gefühl der Schwäche passe und der junge Heroe tapste zu der großen, dunkelbraunen Eingangstür. Ein Blick auf die Armbanduhr sagte ihm, dass er über eine halbe Stunde zu früh dran war… aber man würde ihm das sicherlich entschuldigen. Er freute sich so sehr auf den Nachmittag mit Zelda, dass jede weitere Minute, in welcher sie nicht zusammen waren, einfach nur eine Verschwendung von Lebenszeit für ihn darstellte. Aufgeregt und irgendwie ein wenig nervös stand er vor der Haustür und klingelte heftig, um seine kochende Zappeligkeit abzureagieren. Er verbrachte den Nachmittag mit Zelda… er würde so viele Stunden mit ihr zusammen sein… und erst jetzt realisierte er das Glück und die Freude, die daran geknüpft waren. Er würde den ganzen Tag Zeit haben um mit ihr zu reden… Das Grinsen in seinem Gesicht war beneidenswert, auch wenn sich eine komische, lächerliche Nervosität in seinen Augen wiederfand. Während er darauf wartete, dass man ihm die Tür öffnete, phantasierte er weitere schöne Dinge, die Zelda und er zusammen tun könnten. Vielleicht wäre es ja wunderbar zusammen reiten zu gehen. Er würde ihr, wenn sie es nicht konnte, auch helfen mit einem Pferd klar zukommen, obwohl er sich nur spärlich vorstellen konnte, dass die Prinzessin Hyrules noch nie auf einem Pferd gesessen war… Gerade in dem Moment öffnete Impa lächelnd die Tür und bat den jungen Mann heran, der mit roten Wangenbäckchen verlegen an ihrem durchdringenden Blick vorbeischaute. „Zelda wartete schon sehnsüchtig auf dich“, sagte sie mit einem Schmunzeln auf ihrem stolzen Gesicht. „Aber sie ist noch nicht ganz so weit.“ Link kratzte sich mit einer Hand am Hinterkopf und murmelte: „Ähm… kein Problem… ich hab’ ja Zeit.“ „Na, das hoffe ich doch und Zelda wohl noch mehr“, lachte sie. „Hab’ ich nicht gesagt, es kommt alles wieder ins Lot?“ Link nickte und vielleicht war sein plötzliches, sanftmütiges Lächeln noch beneidenswerter als das Grinsen vorher. „Hat sie mit dir über alles geredet?“, meinte Impa und schaute nachdenklich zu dem schweren Kronleuchter am Deckengewölbe. „Nein, aber… das hat Zeit. Ich bin nur hier, damit wir einen ruhigen Nachmittag erleben können, ohne an das Morgen zu denken oder an die Vergangenheit“, meinte er leise. „Wenn Zelda dann irgendwann bereit ist, mir alles zu erzählen, werde ich ihr gerne zu hören.“ „So verständnisvoll wie eh und je“, lachte Impa. „Seid ihr beide jetzt eigentlich zusammen?“ Der junge Heroe schien gerade da den Schock seines Lebens zu bekommen… Sein Mund stand sperrangelweit auf und seine ausdrucksvolle, entsetzte Körperhaltung verriet das Chaos. „Wie bitte?“ „Ach, du hast mich schon verstanden.“ Und plötzlich packte sie den jungen Link unter ihrem Schwitzkasten, rieb mütterlich über seinen blonden Schopf und stieß ihn mit sanfter Gewalt zu den Treppenstufen. „Geh’ schon“, meinte sie, als ein überraschter Heroe rotwerdend in das feixende Gesicht der einstigen Shiekah blickte. Sofort wand er sich um und hetzte wie verflucht die Treppenstufen nach oben. Er klopfte an Zeldas Zimmertür, erneut das neue, nervöse Gefühl in seinen Gliedern und wartete auf eine Bestätigung. Aber es tat sich nichts. Erneut ging ein Klopfen durch den Gang, aber niemand antwortete. Link schüttelte den Kopf und trat einfach ein, in der Annahme, seine Prinzessin würde wahrscheinlich in ihrem Badezimmer sein und sich hübsch machen, so wie Maron das immer tat. Dann fiel ihm die Kleidung auf, die Zelda heute während der Schule noch getragen hatte. Ein schwarzer Pulli mit tiefen V- Ausschnitt und eine helle Stoffhose, die unachtsam und beinahe überflüssig auf dem Boden lagen. Auch das bestätigte seine Annahme, dass sie sich in ihrem Badezimmer aufhalten musste. Und der junge Heroe wusste immer noch nicht, dass etwas nicht stimmte… Der Ausdruck in seinem Gesicht immer sanfter werdend, tapste er hinüber zu dem großen Bett in der Zimmermitte, ließ sich darauf nieder und strich verspielt über die summenden Nylonsaiten der glänzenden Harfe die gleich neben dem Bett stand. Ob Zelda häufig ihr Instrument spielte und dabei genauso die Zeit vergaß wie er mit seiner Okarina? Über eine halbe Stunde verging und Link zählte derweil die Sekunden… Aber in ihrem Badezimmer tat sich einfach nichts. Verwundert näherte sich der Heroe der Tür in den kleinen Raum, legte seine Hände gegen das Holz der Tür und die Stirn ebenfalls dagegen. Zeldas Name entkam seinen Lippen fragend, aber sie antwortete schon wieder nicht. Überprüfend klopfte der Held an die Tür, aber wieder keine Antwort. Konnte es sein, dass es einen bestimmten Grund gab, dass Zelda nicht hörte? Eine leichte Beunruhigung mischte sich in den Tonfall, als er erneut ihren Namen rief, aber wieder kein Zeichen der Erleichterung von seiner geachteten Prinzessin. Link führte einen Zeigefinger an sein Kinn und kramte in seiner Ideenkiste herum. Vielleicht hatte sie Kopfhörer auf ihren Gehörgängen oder man hörte das Radio im Bad von außen nicht… Vielleicht wollte sie ihn gar nicht hören und lediglich überraschen? Er wartete wieder zwei Minuten… Als sich dann erneut nichts tat, wurde die leichte Beunruhigung quälender und Link öffnete zaghaft die Tür in das Bad. Aufgeregt steckte er den Kopf durch den Türspalt und wanderte mit den neugierigen Augen den Innenraum ab. Doch alles schien so zu sein wie immer und niemand befand sich hier. War Zelda etwa doch in einem anderen Raum der Villa? Zur Sicherheit trat der Jugendliche ein und schaute in der Dusche, ob sie sich dort versteckte… Aber das Badezimmer war leer. Eine neue Idee kam ihm in den Sinn. Sicherlich war Zelda in der Wohnstube, wo sie sich gerne aufhielt. Vor dem Kamin… Geschwind sauste er aus dem Zimmer, stürmte den Gang entlang und war wie der Blitz in der gemütlichen Stube angekommen. Aber Zelda war nicht hier. Stattdessen fand er die Direktorin, die am Stubentisch mit einer Lesebrille auf der Nase irgendwelche Leistungskontrollen durchschaute. „Stimmt etwas nicht?“, sagte sie. „Nein, nein… ich dachte nur, Zelda wäre vielleicht hier.“ „Wieso das?“ Impas ernster Blick stach ihm entgegen. „Na ja, sie war nicht in ihrem Zimmer und auch nicht in dem Baderaum.“ Die dunklen Augenbrauen der Direktorin zogen sich beunruhigt nach unten. Sie hetzte auf und ließ den Stift fallen. Während die beiden erneut die Treppe hinaufgingen, sagte Impa nachdrücklich: „Sie muss aber in ihrem Zimmer sein. Sie wollte sich hübsch machen, kurz bevor du geklingelt hast.“ Sie hetzte den Gang entlang, dicht gefolgt von Link, der deutlicher als jemals zuvor, eine lähmende Angst um seine Zelda verspürte. Besorgt traten sie ein und fanden alles so leer vor sich wie vor wenigen Minuten. Link lief derweil nervös auf und ab und machte sich Vorwürfe. Impa untersuchte die Ruhe bewahrend das Badezimmer und fand alles gewöhnlich vor. Die mit Dampf beschlagene Dusche und den Schaum. Alles war gewöhnlich, bis… Sie rief nach Link, als sie die herunter gepurzelten und zerbrochenen Gefäße mit Duschbad und Ölen unter dem Waschbecken entdeckte. Impas besorgter Blick war genug und Link verstand: Zelda war verschwunden… Und vielleicht war erneut etwas Schreckliches mit ihr geschehen. „Nein… nicht heute“, sagte er verzweifelt und schlug mit der Faust gegen die Fließen und trat den kraftvoll gegen die Holztür. „Nicht heute!“, sagte er kräftiger und fühlte sich, als müsste er jemandem ins Gesicht schlagen, weil er sich darauf gefreut hatte mit Zelda einen schönen Nachmittag zu verbringen und das Schicksal ihm nicht einmal das gönnte. Impa trat zu ihm und meinte gedämpft: „Beruhige dich, Link. Noch wissen wir nicht, was passiert ist, vielleicht machen wir uns unnötige Gedanken.“ Ein mutloser Blick kam aus seinen tiefblauen Augen. „Unnötige Gedanken? Warum? Denkst du, Zelda ist einfach so weggelaufen, weil sie keine Lust mehr auf den Tag mit mir hatte? Denkst du, es gibt einen harmlosen Grund dafür, dass die Prinzessin Hyrules urplötzlich verschwunden ist?“ Impa senkte das sonst so stolze Haupt und schüttelte den Kopf. Verzweiflung, Verbitterung und eine siegende Mutlosigkeit kamen über ihn und im nächsten Moment Gefühle der Wut. „Ich werde sie suchen gehen…“, seufzte er wehleidig. „Ich kann nicht einfach herumsitzen, während sie weg ist.“ Seine Stimme verriet ein heftiges Gefühlschaos aus Angst und Zuneigung für Zelda gespeist. „Link. Ich verständige Naranda und einige andere Leute, und werde einen Suchtrupp losschicken.“ Link schluckte den Knoten in seinem Hals hinunter und erwiderte entschlossen: „Ich werde sie finden, Impa, und wenn es das letzte ist, was ich tue.“ „Okay, ich werde mich auch nach ihr auf die Suche begeben“, meinte sie abschließend. Mit einem lauten Seufzen und der Angst im Nacken hastete Link aus dem Raum, lehnte sich einige Sekunden an die Wand in dem Gang, um das Geschehene erst einmal zu begreifen. Was sollte er tun? Wo sollte er suchen? Dann ließ er sich machtlos auf einen kleinen Schemel im Korridor sinken und spürte Verzweiflung, wie auch Wut im nächsten Augenblick in sich aufsteigen. Zelda… wo bist du? Mit einem ungewollten Schrei sprang Link vom Hocker, warf diesen mit einem lauten Schlag um und hetzte aus der Villa und rannte eiligst davon. Zelda war wie vom Erdboden verschluckt. Vor wenigen Minuten noch war sie in ihrem Zimmer gewesen, hatte geduscht, weil sie sich auf den Tag freute, hatte sich sogar hübsch gemacht… „Zelda?“, rief er, wollte wissen, wo sie war. Link bekam Panik bei dem Gedanken, dass sie jetzt wirklich verschwunden sein könnte. Ein gespenstisches Gefühl, als ob etwas Schreckliches geschehen wäre… Aufgeregt rannte Link in der Stadt herum, durchsuchte den Park, die kleinen Gassen, doch Zelda war nirgendwo zu finden… „Zelda!“, brüllte Link, als er auf den Markplatz rannte, begriff nicht, wieso, aber Angst um sie stieg in seinen Venen entlang, Angst, sie könnte vergangen sein und nie wieder zurückkehren. Und es geschah in dem Moment, da ein Bild in seine Erinnerungen zurückkehrte, von dem er nicht wusste, dass es eine Erinnerung darstellte. Ein rufendes Bild von Zelda, als sie verblasste, als Hyrule verblasste. Link fuhr sich ruhelos durch seine blonde Haarsträhnen. Und diesmal war es ernst… diesmal schien Zelda tatsächlich verschwunden zu sein. Link kam an den alten Villen am Rande des Parks vorbei, rief verzweifelt nach ihr und doch kam keine Antwort… Sie war weg… Zelda war verschwunden. Er fühlte sich so leer ohne sie, als ob etwas in ihm gestorben wäre, wenn sie nicht wiederkam… Leise sprach er einen Wunsch, wollte, dass sie wieder bei ihm war… Viele Minuten vergingen, Stunden, inzwischen war es sieben Uhr und Zelda war immer noch weg. Etliche Mal hatte Link Ines angerufen, war ins Stadtzentrum aufgebrochen, befragte Leute, ob sie ein Mädchen gesehen hatten, auf das die Beschreibung passte, durchquerte rennend den Park und fühlte sich immer elender. Das nächste, was ihm einfiel, war Rick, sein bester Freund, und die Tatsache, dass er ihm vielleicht helfen könnte. Niedergebeugt und außer Puste stand Link vor der weißen Tür eines weiteren Einfamilienhauses, in welchem Rick, seine kleine Schwester und Links Tante Lydia lebten. Rick öffnete die Tür und sah nichts anderes als die stumme Angst in Links tiefblauen Augen, etwas, was er noch nie dort gesehen hatte- denn es passte nicht zu Link und seinem natürlichen Erscheinungsbild. „Was ist denn passiert? Du siehst aus, als ginge die Welt unter.“ In gewisser Weise ging sie für Link in dem Moment auch unter… Wortlos und blass im Gesicht trat der sonst so selbstbewusste Jugendliche in die Stube, wo Lydia auf ihrem Laptop herum hämmerte und die kleine Schwester von Rick vergnügt Mariokart spielte. Link riss sich im nächsten Augenblick das Base- Cape von seinem Kopf, ließ sich auf einen Stuhl sinken und stützte seinen vor Wut auf sich selbst stechenden Kopf auf seine Arme. Er murmelte leise: „Zelda… ist weg.“ Rick beugte sich zu ihm über den Tisch und sah ihn irgendwie erbaulich an. „Was sitzt du dann hier?“, sagte Rick laut. „Du musst sie suchen!“ Und er stützte energisch seine Hände auf dem Tisch ab. „Verdammt, ich habe schon in der ganzen Stadt nach ihr gesucht. Ines Schattener sucht ebenfalls nach ihr“, brüllte er laut. Auch Lydia hatte mit halbem Ohr zugehört und mischte sich in das aufgeregte Gespräch ein. „Zelda? Du meinst das Mädchen, welches bei Meira und Eric eine zeitlang gewohnt hat?“ „JA!“, sagten Rick und Link einstimmig, machten Lydia damit mehr als deutlich, dass sie sich nicht in die Angelegenheiten anderer einmischen und dem Beispiel ihrer viel zu aufdringlichen Schwester, die ihre Stupsnase liebend gerne in fremde Sachen steckte, nicht folgen brauchte. „Gibt es denn keinen Ort, an dem sie sein könnte?“ „Nein!“, fauchte Link giftig. Im Moment war er einfach nicht mehr zugenießen und seine Worte und deren Lautstärke drückten dies wohl nur zu deutlich aus. Link sprang auf. „Ich gehe und suche weiterhin nach ihr“, meinte er und wollte gerade aus der Haustür heraus, als Rick ihm mit seiner Jeansjacke hinterher stürmte. „Also, wo soll ich suchen?“ Link lächelte ihn dankend an. „Würdest du die Stadt noch mal abklappern, ich mache mich auf in den Wald. Bis dann.“ Entschlossen rannte Link die Straße hinab. Mit einem winzigen Hoffnungsschimmer lief Link in den Wald, hetzte zu der Stelle, an welcher er Zelda gefunden hatte, dort wie zwei Arme des Baches eine kleine, grüne Lichtung beschützend einrahmten. Aber wieder war sie nicht dort… „Zelda!“, rief Link hinaus in den schattenhaften Wald. Aber keine Stimme antwortete ihm… Er hatte sie im Stich gelassen, er hatte sie alleine gelassen… Mit leeren Gedankengängen brach der junge Heroe nieder auf die Knie, fühlte sich dumm und nutzlos. Dumm, weil er nicht wusste, was der wahre Held der Zeit in einer solchen Situation getan hätte und nutzlos, weil er das, was er über die Maßen beschützen wollte, einfach nicht festhalten konnte… Zeldas traurige Augen huschten an ihm vorbei, in stillen Gedanken ein Bild von ihr, das schmerzte, das rief. Link versuchte nachzudenken, versuchte zu begreifen und er lief innerlich die Geschehnisse des Tages in seiner inneren Welt ab. Nur ein paar heruntergeworfene Duschgele, Öle und Seifen waren alles, was von Zeldas letzten Handlungen zeugte. Und nichts… absolut nichts war ein Hinweis darauf, ob er sie jemals wieder sehen, jemals wieder anlächeln und vielleicht einfach nur in seine Arme nehmen konnte… Er murmelte ihren Namen, sehnsuchtsvoll und verzweifelt und wollte auf der Stelle weinen, weil er der falsche Held war. Weil er nichts von einer starken Heldenpersönlichkeit vorweisen konnte. Wo war seine Hoffnung, sein Mut? Er schlug die Fäuste in das kalte Gras, als sich die Sonne über dem Wald niederließ und der rote, abendliche Schein von den düsteren Farben eines dämmerigen Wald abgelöst wurde. Melancholisch schöpfte der junge Heroe ein wenig Wasser mit einer Hand und sah in das schattenhafte Abbild seines Selbst. Er schrieb Zeldas Namen mit einem Fingerspitzen in das Wasser, wissend, dass nichts in dieser Welt für sie selbstverständlich war, nichts war normal… nichts war okay… Sie hatte gelitten, seit sie in seiner Welt war, hatte alles versucht um ihn aus dem Mysterium Hyrule herauszuhalten… und sie hatte mehr Tränen vergossen als er es ertragen konnte… War Zelda nun wieder heim gekehrt? In das alte Land, welches er noch nie mit seinen jetzigen Augen gesehen hatte? War Zelda jetzt in einer anderen, vielleicht besseren Welt? Er kniff verzweifelt die Augen zu, als sich eine Hand suchend, vielleicht ein wenig zittrig auf seine Schulter legte. Erschrocken wand er sich umher, aber nichts reales, nichts Wirkliches befand sich neben ihm an diesem Ort des Schicksals. Verunsichert bewegte er sich auf die bleischweren Beine und kniff die Augen erneut zusammen. Ein bitterliches Schluchzen entkam seiner Kehle, alles nur, weil man ihm den kostbarsten Freund gestohlen hatte. Als sich seine tiefblauen Augen wieder öffneten, trat weinend und irgendwie geisterhaft eine vertraute Gestalt vor ihm… Da stand sie… das Mädchen aus seinen Träumen… sein geheimes Licht… aber irgendetwas stimmte nicht. Ihr Abbild war verschwommen… beinahe gespenstisch… ihre Umrisse waren verzerrt. Das rosafarbene Kleid zerrissen, ihr Haar aufgewühlt… Er sah sie nicht wirklich, Link spürte, er sah bloß ein kleines Abbild ihrer jetzigen Existenz. „Zelda!“, kreischte er und hastete näher, wollte sie berühren, sie mit den Armen umschließen, aber er fasste nur in die unfühlbare Materie der Luft, fasste nur in den Staub der Vergänglichkeit. Sie registrierte ihn nicht und weinte weiterhin vor sich hin, hatte ihre Hände vor das rotschimmernde, wehleidige Gesicht geschlagen und schluchzte heftig. „Zelda!“ Und wieder konnte sie ihn nicht hören. Aber er wusste, dass sie gerade in diesem Moment an ihn dachte. Er wusste, dass er auf dieser seelischen Verbundenheit einen Weg zu ihr schlagen konnte. Sie wimmerte seinen Namen, immer wieder, erbarmungslos und schmerzhaft. Gefangen weinte sie: „Bitte hilf’ mir… nur noch ein letztes Mal…“ Aufgeregt fasste er in das geisterhafte Abbild, wurde unruhiger und fauchte: „Zelda… ich helfe dir, ich werde dir immer helfen, wenn du mir nur sagst, wo du bist!“ Und doch ahnte Link, dass sie ihn nicht hören konnte. Sie weinte wieder, ein Hinweis, dass sie entweder seelisch oder körperlich litt. „Bitte“, schluchzte sie und wurde immer schattenhafter… wurde lebloser… „Die Nacht… die Dunkelheit… das Böse…“, weinte sie und wurde grauer und grauer. „Das Böse?“ Link versuchte stetig zu ihr durchzudringen, ihre Haut zu berühren, ihren Körper zu fühlen… „Zelda! Bist du in der alten Kirche!“, fauchte er. Ihre Hände lösten sich von dem schmerzverzerrten Gesicht und gaben das verängstigte, schattenhafte Blau ihrer schönen Augen preis. So viel Zweifel und Furcht lagen darin. Dinge, die Link auslöschen wollte, vor denen er sie beschützen wollte. „Es tut weh… meine Seele brennt…“, wimmerte sie und wurde blasser und blasser, als ob die geringe seelische Verbindung abreißen wollte. „Das Böse…“, weinte sie und plötzlich zersprang ihre Gestalt in tausend Scherben und das Bild löste sich auf. Mit starrem Blick stand der junge Heroe da, fühlte seinen Puls hetzten, spürte einen unerträglichen Herzschmerz und rannte schreiend, nicht auf den Weg achtend, aus den Wäldern hinaus. Auf zu dem Ort, den er nicht betreten sollte. Auf in die Stätte seines größten Verhängnisses. Auf zu dem Ort des Todes… Es war bereits dunkel, als Link den verbotenen Ort erreichte. Wie eine Feste der Finsternis lag die alte Kirche vor ihm. Ein Rabe saß auf einem Torbogen und krächzte sein mürrisches, bitteres Lied über das verkümmerte Dach. Der junge Heroe nahm einen tiefen Atemzug, ballte die Fäuste ganz fest und trat zielsicher und mutig ein. Das Tor öffnete sich quietschend, als er jenes einen schmalen Spalt öffnete. Seine dunkelblauen Augen fixierten ruhig den Innenraum, wo zahlreiche Fackeln an den Wänden für ein wenig Sicht sorgten… Aber niemand schien sich hier aufzuhalten, hier an einem finsteren Ort, wo Böses seine Rachepläne schmiedete… Leise schloss Link das hohe Eingangstor, machte mit Blicken jeden dunklen Winkel und jedes kleine Staubkorn ausfindig… Und es dauerte nicht lange, da war sich der junge Heroe sicher, hier alleine zu sein. Am Altar hing immer noch das abscheuliche, schwarze Bild, welches er nicht einmal berühren konnte und schien trotz seiner absurden Oberfläche Augen zu besitzen, die den Schritten des Jugendlichen folgten. Gemächlich blickte er sich um, während er von außerhalb den Raben wieder zanken hörte. Aber nichts hier deutete auf Zeldas Anwesenheit. Sein Blick schweifte zu dem kleinen Holztürchen, von wo aus er vor Tagen den merkwürdigen Hünen belauscht hatte. Die Tür war zerstört worden… In den nächsten Minuten nahm der junge Held jeden Winkel der Kirche unter die Lupe, suchte nach den kleinsten Hinweisen auf Zeldas Verbleib und hatte die Hoffnung schon beinahe aufgegeben, als bloß noch die Krypta in der Tiefe übrig blieb. Mit der Taschenlampe in der Hand trat er die Treppen hinab und gelangte nach wenigen Minuten in ein altes Gewölbe, wo ebenso brennende Fackeln an den Wänden angebracht waren und ihr dämpfendes Licht mit den Schatten spielte. Zuerst schien auch hier kein Hinweis auf Zeldas Verbleib zu sein, und der junge Hero seufzte verzweifelt, kniff die Augen zu und war dabei sich wieder umzudrehen. Doch dann sah er etwas aus den Augenwinkeln, was ihn irgendwie stutzig machte. Ein seltsames hohes Gefäß aus dunklem, trüben Glas… Neugierig folgte er unsichtbaren Wegen in die Richtung des Gefäßes und versuchte durch die zusammengeflickten Scherben zu blicken, die mit dunkelviolettem Material verbunden waren. Er legte seine Hände auf das Glas, berührt von etwas, was er nicht sah… Wie in Trance stand er dort, blickte durchdringend in das dunkle Gefäß hinein, wollte sehen, was er vermisste. Minuten zogen vorüber als sich eine blasse Hand in dem grauen, nebligen Gefängnis regte. Eine zitternde Hand, suchend nach Hoffnung und Licht. „Nein…“, entkam es seinem Mund, als sein Herz und Verstand die Dinge verstehen lernten… Er kannte diese Hände… Mit Furcht und Zweifeln fuhr er die Züge der Hand ab, die zitternd auf dem dicken Glas ruhte- als ein Hinweis auf Leben… „Zelda! Bist du das?“, sagte er hetzend, fühlte den inneren Druck unerträglich werden. „Bitte… gib’ mir einen Hinweis.“ Und plötzlich erhob sich ein leeres, ausdrucksloses Gesicht aus den Nebeln. Tränen standen in mit Schatten belegten blauen Augen, die Link schon sein Leben lang kannte. „Oh mein Gott… Zelda…“, wimmerte er, als er verzweifelt in ihre leblosen Augen blickte. Offen standen sie und doch lag kein Gefühl darin. Ihr sonst so sanftes Gesicht starr und leer. „Warte… ich hole dich hier raus…“, brachte er stockend hervor und schaute sich zwanghaft in dem Gewölbe mit den vielen Säulen um, auf der Suche nach einer Waffe, mit der er dieses verdammte gläserne Gefängnis, diesen Sarg, zerstören konnte. Als er nichts Passendes fand, klopfte er verbissen an die Glasscheiben, trat mit den Füßen dagegen, aber es tat sich nichts… nicht einmal ein Riss… Ihm stiegen unmittelbar Tränen in die Augen, als er einfach keinen Weg mehr wusste, Zelda aus dieser Hölle zu befreien. Er wollte sie festhalten, wärmen… er konnte doch nicht einfach verschwinden und sie alleine lassen… Was, wenn der grausame Schatten in die Kirche zurückkehrte? In dem Augenblick vernahm Link klappernde Schritte. Heftig hastete er hinter eine Säule im hinteren Bereich des Gewölbes und wartete, sich so leise wie möglich verhaltend auf die Gestalten, welche sich die Treppe hinab bewegten. Es dauerte nicht lange und zwei Personen traten vor das gläserne Gefängnis, so viel konnte Link aus seinem Schlupfloch erkennen. Der große Kerl mit den glühenden Teufelsaugen und Mortesk, das elende Häufchen Knochen, unterhielten sich allem Anschein nach. „Sieh’ einer an, da ist sie ja… die kleine hilflose Prinzessinnenseele.“ Und der Hüne fasste mit seinen schäbigen Klauen an das eisige Material. „Na, erinnerst du dich an mich, kleine Hure?“, lachte er und schien sich an Zeldas leblosem Anblick zu erfreuen. „Und diesmal hast du keinen dummen Helden, der dich rettet. Diesmal bist du allein. Verstoßen. Unmenschlich. Eingesperrt in einen Seelenfänger“, donnerte seine kalte Stimme umher, während Link mehr und mehr das Gefühl hatte, er müsste sich auf diesen Widerling stürzen und ihm sofort die Kehle durchschneiden. „Und doch ist sie so schön wie eh und je“, sagte er besteig und zischend, leckte mit seiner Zunge an dem Glas, worauf die Nebel in dem Gefängnis kurz aufglühten, Zelda zurückwich, sie ihr Gesicht schmerzhaft verzog und den Kopf quälerisch nach hinten reckte. Link konnte sie nicht schreien hören, aber er fühlte zunehmend, wie sehr sie litt. Sein gesamter Körper zuckte, eine Schmerzwelle lief über sein Genick hinab zum Rücken. Fühlte er Zeldas Schmerzen? „Was gedenkt Ihr nun zu tun, mein Lord?“ „Sobald ihre Seele die letzte Kraft verloren hat, werde ich das Gefängnis öffnen. Dann kannst du von mir aus ihre Hülle haben und mit ihr machen, was du möchtest!“ „Könntet ihr eine neue Zarna kreieren?“ „Was? Mit dieser körperlosen Hülle? Du weißt, dass sie nicht lebend ist, weil Zarna sie tötete.“ „Ja. Trotzdem.“ Der Fürst des Schreckens wand sich belustigt um. „Nein, Mortesk, dafür ist dieses Weibsbild nun wahrlich zu unschuldig. Aber diese körperlose Hülle könnte sicherlich für die ein oder andere Vergnüglichkeit zu gebrauchen sein.“ Eine immense Erregung und perverse Vorfreude erschufen sich in dem kranken Kopf des Monsters. Seine dreckigen Gedanken waren zu viel für das junge Herz des Helden im Hintergrund. Er wollte am liebsten losstürmen, Zelda befreien und sowohl Mortesk als auch seinen Meister in die ewigen Jagdgründe befördern, allein wegen den unreinen Gedanken, die sie bezüglich Zelda äußerten. „Wenn ich mit ihr fertig bin, kannst du sie gerne haben!“, lachte der Hüne und schritt majestätisch hinaus aus der Gruft, dicht gefolgt von Mortesk. Als sich Link sicher war, dass sie den Weg nach oben eingenommen hatten, trat er wieder mit unerträglichem Herzschmerz an die gläserne Scheibe, schämte sich seiner Prinzessin nicht helfen zu können, verabscheute seine eigene Unfähigkeit. Er schlug mit den Fäusten an die Scheibe und fauchte wehleidig: „Verdammt… was soll’ ich denn nur tun…“ Verzweifelt sackte er vor dem Gefäß zusammen und fand einen letzten Ausweg. Eine neue Idee stieg ihm zu Kopf, aber diese Idee würde sowohl für Zelda, als auch für ihn sehr gefährlich sein. Doch was hinderte ihn daran, sich auf eine Gefahr einzulassen, ein Risiko einzugehen, wenn er Zelda vielleicht nur so befreien konnte? Er trat wenige Meter zurück, vorbereitet und entschlossen. Und egal, ob das Gefäß jetzt mit lautem Schlag zerspringen würde oder nicht und die Kreaturen des Bösen diesen Schlag hören würden. Egal… Zelda wäre frei, wenn er es zumindest versuchte. Mit zusammengekniffenen Augen rannte er los und stürzte sich kreischend auf das Gefängnis der Finsternis… Ein Poltern. Ein nicht zu überhörender Laut und der riesige Glasbehälter fiel aufgrund der Wucht von Links Rempeln um, zerbrach auf dem Boden in tausend, stumpfe Glasscherben, die den Körper der jungen Prinzessin keinen Harm tun würden. Die Scherben klirrten, als Zelda bewusstlos mit einem weiteren Schlag auf dem eisigen Steinboden aufkam. Es war nicht nur ihre Seele, so wie der Teufel annahm, die hier verweilte. Es war ihr ganzes körperliches Abbild… Ohne Zeit zu verlieren und vielleicht eine Spur beruhigter, nahm er sie auf die Arme, drückte sie beschützend an sich und verbarg sich zunächst mit ihr hinter einer Säule, falls der Dämon in der Kirche das Poltern vernommen hatte. Er wartete einige Minuten, tätschelte Zeldas eisige Wangen. Aber sie rührte sich einfach nicht. Dann hörte er plötzlich Schritte, sich sicher, dass er nun keinen Ausweg mehr hatte… Aber von dem Treppengang erschien weder Mortesk, noch der perverse Hüne, den Link aus vielen Gründen verabscheute, als ob es in seiner Seele läge, ihn zu hassen. Ein kleines Kind tänzelte die Stufen hinab und kam genau dann zum stehen, als sie vor Link mit einem Grinsen angekommen war. Es war das Mädchen mit den blonden Zöpfen. Niemand sonst. „Hey, Linky! Du solltest dich echt nicht hier aufhalten.“ „Schön“, klagte er. „Glaubst du, ich habe es mir ausgesucht, hier zu sein.“ Da lag so viel Schmerz in seiner Stimme, dass das blonde Mädchen plötzlich einen bekümmerteren Ausdruck in den grünen Augen hatte. „Ich will doch bloß, dass Zelda in Sicherheit ist.“ Und damit blickte Link trübsinnig auf das ohnmächtige Mädchen in seinen Armen, deren Haare klatschnass waren und das nur ein spärliches Sommerkleid in dieser Kälte trug. „Okay, ich weiß was“, sagte sie und flüsterte dann leiser. „Ich lenke die dort oben ab und du fliehst mit Zelda über die Hintertür.“ Überrascht blickte Link in die giftgrünen Kinderaugen, wusste nicht, wie er diesem Geschöpf im Augenblick danken sollte und brachte vor Sprachlosigkeit bloß ein Nicken zustande. „Kein Sorge, du hast deine Zelda immer gerettet und du wirst sie auch diesmal retten.“ Link nickte erneut und schlich langsam hinter dem Kind her. Er wartete in dem kleinen Treppenaufgang, als das Mädchen urplötzlich bei den Bankreihen der Kirche auftauchte und neckische, herausfordernde Worte in der Kathedrale umher warf. Lediglich der große Teufel war anwesend, was so dachte der junge Heroe, bedeuten musste, dass Mortesk wieder einen anderen Auftrag erledigen musste. Ohne weiteres sprang der Dämon auf die Frechheiten des kleinen Mädchens an und hastete verärgert und fluchend aus der Kirche hinaus. Link verlor keine Zeit, sputete sich und trat aus dem bekannten Kellerraum hinaus, huschte wie ein Schatten durch den kleinen Park mit den alten Linden, und zügelte erst erleichtert sein Tempo, als er mit der bewusstlosen Zelda die Straße hinab lief. Das Haus der Braverys in der Straße der Erinnerung war in vollkommener Dunkelheit gehüllt, was bedeutete, dass weder seine Eltern, noch Links Schwester zugegen sein mussten. Vorsichtig setzte er die eiskalte Zelda ab, öffnete die Haustür, schmiss diese aufgeregt zu und trat ohne den Lichtschalter zu betätigen, in die Wohnstube ein. Gefühlvoll und doch am Ende seiner Nerven ließ er den mitgenommenen Mädchenkörper auf dem Sofa nieder, betätigte eine Schreibtischlampe und begann erst jetzt zu realisieren, was vor wenigen Minuten geschehen war… er hatte Zelda aus einem gläsernen Gefängnis gerettet… Sein müder, trauriger Blick fiel zu dem bewusstlosen Körper eines Menschen, der ihm mehr bedeutete als er jemals verstehen würde. Ihr rosa Sommerkleid, das Kleid, welches sie vor Monaten mit Link in einem Modegeschäft gekauft hatte, war zerrüttet. An dem leichten Stoff liefen Maschen ab und der eine Träger fehlte. Zeldas Gesicht so bleich wie eine kahle Hauswand und ihr Haar nass… „Zelda…“, brachte er stockend hervor, rüttelte ihren eisigen Körper, wollte doch nur, dass sie aufwachte und ihm ein andeutungsvolles Lächeln schenkte, was sagte, dass es ihr gut ging. Aber nichts tat sich. Gequält von anhaltender Sorge um ihr Wohl deckte er sie gleich mit zwei Decken zu, lief von einer Zimmerecke in die andere, nur um zu überlegen, was es jetzt zu tun galt. Er nahm den Telefonhörer in seine eigenen nervösen Hände und wählte eine Nummer, sofort hatte er Ines Schattener an der Leitung. „Ja, ich bin es, Link“, sagte er wehleidig, so untypisch klang seine Stimme im Moment. Und er drehte sich zu Zelda um, die zusammengekauert auf dem Sofa lag. Bewusstlos und leblos. „Ich habe sie gefunden“, sagte er leise. „Den Göttinnen sei Dank“, sagte Ines und wischte sich eine schwache Träne von der Wange. „Wo war sie?“ „In der alten Kirche…“ Impa erschauderte und redete schnell weiter. „Geht es ihr gut?“ „Ich weiß nicht…“, wimmerte er. „Was heißt das?“ Link stützte nachdenklich seine Hand an das Kinn. „Sie… sie hat… sie ist nicht bei Bewusstsein…“ Impa antwortete nicht darauf, sodass Link annahm er müsste erklären. „Ich weiß nicht, was ich tun soll…“, sagte er leise und stockend. Ein unerträgliches Kloßgefühl in seinem Hals. „Sie wacht… einfach nicht auf“, murmelte er schluchzend. „Bewahre die Ruhe. Ich bin sofort bei euch und bringe Dar Gordon mit, okay?“ „Ja…“, murmelte er schwach. „Danke.“ Damit legte er den Hörer auf und schaute erneut zu dem Sofa, aber Zelda, die noch wenige Minuten darauf lag, war verschwunden. Wo war sie denn nun schon wieder? Er durchsuchte das gesamte Haus und hatte schon wieder Schweißausbrüche und Angstzustände, allein verschuldet der Tatsache, dass Zelda weg war. Link bemühte sich Ruhe zu bewahren und ging erfolglos in den Garten. Trübsinnig stand er vor der weißen Hollywoodschaukel, besann sich auf die Tage mit Zelda, die ihm so viel bedeuteten, schwelgte in seinen Erinnerungen. Er ließ sich auf den Boden sinken und rief erneut ihren Namen, wollte sie zurück, wünschte, die Zeit mit ihr wäre länger gewesen. Er wusste genau, dass Zelda kein gewöhnliches Mädchen war, wusste sie lebte aus einem besonderen Grund und hatte sich so gewünscht, sie festhalten zu können, auch mit der Gefahr hin, selbst deswegen zu leiden, oder sich aufzugeben… In dem Moment fiel ihm ein kleiner Stofffetzen ihres Kleides auf, der neben dem kleinen Teich mit den Goldfischen lag. Es handelte sich um ein Stückchen ihres einen Trägers, dachte Link. Er sprang auf, rief noch einmal nach ihr und sah dann aus seinem Augenwinkel etwas Rosafarbenes hinter der weißen Hollywoodschaukel. Seine Augen weiteten sich. Er tapste vorsichtig hinter die Schaukel und sah Zelda dort an den Zaun angelehnt sitzen. Ihr Haar war zerzaust, und sie zitterte. Ihre Arme lagen schützend um ihren Kopf, als wollte sie ihr Gesicht verstecken, sich vor dem Leben verbergen. Link kniete nieder, fassungslos… „Zelda…“, murmelte er schwach. Seine Stimme ein reinstes Gefühlschaos verratend. Vorsichtig zog er die Arme von ihrem Gesicht weg und erkannte Tränen auf ihren Wangen, doch ihre Augen waren geschlossen. „Zelda… was ist nur mit dir…“, sagte Link stockend, wollte wissen, was geschehen war. Doch sie reagierte nicht sofort auf ihn, fing an zu wimmern und zitterte am ganzen Körper. Aber sie war nah an der Schwelle zum Bewusstsein. „Link…“, brachte sie hervor, klammerte sich an einen geschockten jungen Mann, der nichts weiter tat, als sie an sich zu drücken. Ihre Fingernägel, abgebrochen, da sie an das gläserne Material des Gefängnis gekratzt haben musste, bohrten sich in die Haut seines Halses. Ihre heißen Tränen durchdrangen den Stoff seines T-Shirts. Er lehnte sein Kinn an ihre Stirn, wippte sie ein wenig auf und ab in seinen Armen und murmelte gezwungen: „Sch… nicht reden…“ Sie weinte leise, zuckte ein wenig und schien immer noch mit Schmerzen zu kämpfen. Seine rechte Hand wanderte unter ihre Kniekehlen und die andere um ihre Schultern, um sie in die Höhe zu heben. Aber sie wehrte sich dagegen und wimmerte weiter. „Zelda… ich möchte dich nur ins Haus bringen“, sagte er stockend, besorgt wegen der unerträglichen Kälte ihrer Haut. „Lass’ mich dir helfen.“ Sie nickte und schluchzte wieder. Er packte sie sanft und trug sie besorgt durch die Hintertür in das warme Haus hinein. Gerade da ging die Klingel. Schnell ließ er die weinende Prinzessin erneut auf das Sofa sinken, deckte sie zu und gab ihr einen Kuss auf die eiskalte Stirn… Er hetzte zur Tür, nun noch mehr durcheinander als vorher. Ein Blick durch den Türspäher genügte und der Heroe riss schlagartig die Tür auf. Impa starrte besorgt und ein wenig entsetzt in sein blasses Gesicht und in die tiefblauen Augen, die so bewegt schienen. Seit sie Link in dieser Welt kannte, hatte sie ihn noch nie so durcheinander erlebt. Dar Gordon trat als erster ein und ging sofort wortlos mit seiner schweren Arzttasche in die Stube. Link brachte kein Wort hervor, als auch Impa eintrat und ihn besorgt musterte. „Hey? Alles okay mit dir?“ Er schüttelte bloß den Schädel, worauf die Direktorin eine Hand auf seine rechte Schulter legte und meinte: „Nun lass’ doch den Kopf nicht so hängen. Du hast sie gefunden. Das wird schon wieder.“ Er nickte lediglich und folgte der stolzen Frau in die Stube, wo Zelda auf der Couch lag. Dar Gordon wühlte in seiner Tasche herum, während Impa näher stürmte. Sie legte der mittlerweile wieder bewusstlosen Prinzessin die Hand auf die Stirn und sagte eindringlich ihren Namen. Link stand bloß daneben und schaute hilflos zu. „War sie schon einmal wach… seit dem Vorfall?“, meinte Impa. „Ja, vor wenigen Minuten…“, murmelte er. „Hat sie etwas gesagt? Irgendetwas erwähnt, was passiert ist?“ Link schüttelte trübsinnig den Kopf, ging vor dem Sofa auf die Knie und nahm ihre rechte Hand in seine beiden. „Sie war nur kurz bei Bewusstsein… und hat geweint…“ Dar Gordon kramte derweil eine Spritze heraus und ein kleines Pflaster. Er brach die Kappe ab und suchte nach einer Ader an ihrem rechten Arm. „Sie ist so kalt“, meinte Link. „Ja, das macht mir auch ein wenig Sorgen… ihre Körpertemperatur ist viel zu niedrig“, meinte Gordon und verabreichte ihr ein Beruhigungsmittel. „Sie braucht unbedingt Wärme. Habt ihr hier ein paar Heizkissen?“ Link nickte und wollte gerade gehen, als sich ihre Finger in seine Hand krallten. „Zelda?“, meinte er überrascht, hoffend, sie würde aufwachen. Sie wimmerte etwas, schlug den Kopf zur Seite und regte sich dann nicht weiter. „Prinzessin!“, sagte Impa eindringlich und redete in irgendwelchen ungewöhnlichen Worten aus der Shiekahsprache auf sie ein. Aber sie war wieder bewusstlos. „Ich hole die Wärmekissen“, murmelte der Heroe und ging ins nächste Stockwerk. Als er wiederkam, hörte er Dar und Ines leise diskutieren. Neugierig verbarg er sich zunächst neben der Tür, als er seinen Namen aus dem Gespräch hörte. „Du weißt doch ganz genau, wo sie jetzt gerne bleiben würde, nicht?“, sagte Impa leise. „Ich glaube nicht, dass es sinnvoll wäre, sie in ein Krankenhaus zu bringen.“ „Aber ich kann das nicht verantworten- nicht in ihrem Zustand.“ „Darunia… das beste Heilmittel für sie ist wohl Links Anwesenheit und nicht irgendwelche Schwestern und unbekannte Ärzte.“ Darauf lachte der runde, kleine Arzt. „Jaja… die Liebe“, schmunzelte er und Impa lachte. Sie wiederholte eifernd: „Jaja, die Liebe. Damals wie heute.“ Irritiert und verwundert sah Link zu Boden. Liebe? Er und Zelda verliebt? Er trat wortlos in die warme Stube ein, und steckte die Wärmekissen in die Steckdosen. Sein Gesicht war schamrot, aber den Göttinnen sei Dank nicht von Interesse für die beiden älteren Herrschaften. „Wie genau hast du sie eigentlich gefunden?“, sprach Impa. Link holte tief Luft und kniete wieder vor dem Sofa nieder. „Ich habe die gesamte Stadt abgesucht und bin dann in den Wald gelaufen, in der Hoffnung sie wäre dort… sie ist mir dann erschienen…“ Man merkte ihm seine Sorge erneut an, als er nach richtigen Wörtern suchte. „Sie erschien mir… irgendwie geisterhaft und sie sprach vom Bösen. Dann hatte ich die Idee, sie könnte in der Kirche sein.“ „Und deine Vermutung hat sich bestätigt“, stellte Dar fest. „Dem Himmel sei Dank.“ „Ja… und dann bin ich zu der Kirche gelaufen“, erklärte Link und legte drei Wärmekissen über Zeldas mitgenommenen Körper. „Ich fand sie in einem Gefäß… eine Art gläserner Sarg mit violetten Streifen. Und…“ Impa unterbrach ihn dann. „Wie bitte? In einem gläsernen Gefäß?“ „Es waren dicke Scheiben, und die Scherben hatten runde Kanten.“ Sie setzte eine Hand an ihr Kinn und hatte eine Vermutung. „Ein Seelenfänger?“ „Ja“, meinte der Jugendliche aufbrausend. „Genau darüber hatten diese Kreaturen diskutiert, als ich sie belauschte.“ „Dieser verdammte Dreckskerl“, fauchte Impa und ihre Augen leuchteten plötzlich intensiv flammenrot auf. „Gibt der verdammte Dämon denn nie auf!“ Die Direktorin trat an Zelda heran. Ihre ernste Stimme eindringlicher als vorhin. „Hätte ich das nur gleich gewusst. Ein solches Material gab es einst in Hyrule… wir müssen sofort etwas tun, oder Zelda leidet noch mehr.“ „Und was willst du tun?“, sagte Darunia, der nur suchend, aber nicht findend in seinem Koffer herumwühlte. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Mittel dieser Welt gegen einen schwarzen Fluch arbeiten kann.“ „Nein, aber der Schlaf der Schlaflosen könnte ihr helfen“, sagte sie. Damit wand sie sich streng zu Link. Sie umfasste seine Arme und sagte erläuternd: „Link, hör’ genau zu. Ich werde sie in den Schlaf der Schlaflosen versetzen. Dies ist eine Art Heilzauber der Shiekah. Sie wird nicht schlafen, sie wird aber auch nicht wachen. Aber es wird ihre Seele heilen von dem, was vor wenigen Stunden passiert ist.“ Er nickte gefasst. „Ich würde meinen, sie sollte hier bleiben.“ Links Gesicht erhellte sich. „Aber das fordert von dir, dass du die gesamte Nacht wach bleibst, falls irgendetwas geschieht.“ „Kein Thema.“ „Denn in jenem Schlaf könnte sie aktiver und wacher sein, als du denkst. Sie könnte zum Beispiel aufstehen und versuchen aus dem Fenster zu steigen, weil der Schlafende in jenem Zauber anders fühlt, anders erfährt, anders denkt und anders wahrnimmt. Ist das okay für dich auf sie Acht zu geben?“ „Klar“, meinte Link. „Hauptsache, sie kann wieder lachen“, setzte er gedämpft hinzu und schaute verlegen seitwärts. „Okay.“ Nur ein letztes Wort erklang aus Impas Mund und sie setzte einen Zeigefinger auf die Stirn des bewusstlosen Mädchens. Seltsame Formeln erklangen gesprochen von der tiefen Stimme der Shiekah, geführt von Wahrheit und Befreiung… Dann fuhr eine sanfte Brise warme, unsichtbare Magie aus dem Zeigefinger, durchdrang die eisige Haut Zeldas und verschwand in ihrem Inneren. Zelda seufzte, flatterte mit den Augen und drehte sich gen Sofalehne. „So… das wäre erledigt.“ „Ähm… wie lange wird sie denn in diesem Schlaf bleiben?“, meinte Link, als Dar den Arztkoffer zusammenräumte. „So lange wie es nötig ist.“ Link nickte einsichtig. „Soll ich vielleicht noch hier bleiben?“, meinte Impa dann und schaute besorgt zu ihrem Schützling, der schwach und durchgefroren auf der Couch lag. Aber Link schüttelte den Kopf. „Ich schaff’ das schon. Aber gibt es noch etwas, was ich wissen sollte? Ich meine, über diesen Heilzauber.“ Impa lächelte. „Nein, im Grunde ist er ganz harmlos. Zelda könnte bloß nicht ganz sie selbst sein, das ist alles. Deshalb solltest du vielleicht nicht ganz genau hinhören, wenn sie etwas erzählt im Schlaf. Oder du solltest ihre Handlungen nicht so ernst nehmen.“ „Gut. Sonst noch etwas?“ Und die Direktorin schnippte mit den Fingern. Sie verschwand aus der Haustür, wühlte im Kofferraum ihres Wangens und kam mit einer Sporttasche wieder, die sie Link überreichte. „Was ist damit?“ „Einige Klamotten für Zelda. Wenn sie wach ist, wird sie ja wohl nicht in ihrem zerfetzen, sexy Kleidchen herumlaufen wollen.“ Link begaffte die Tasche, während er Impas Worte verarbeiten musste. Sexy Kleidchen? Kein unangenehmer Gedanke… Link schluckte den Knoten in seinem Hals herunter und tat so, als hätte er Nerven aus Stahl, die sich von einem sexy Kleidchen nicht beeindrucken lassen würden. „Stimmt was nicht mit der Tasche?“ „Äh… nein, nein. Immer her damit.“ Und er packte die Tasche und verstaute sie in seinem Zimmer. Ines schmunzelte und dachte still. ,Noch immer der Link, den wir kannten und liebten.’ Nach einer weiteren Stunde, in welcher sie Zeldas Zustand überprüft hatten, verabschiedeten sich Impa und Darunia mit beruhigten Gewissen und überließen alles weitere einem sehr zuverlässigen Link, der jetzt schon einen Plan im Kopf hatte, wie er diese Nacht herumbringen würde. In dem Augenblick schaltete sich ein anderer Teil seines Gedächtnisses ein und ließ ihn sich einen Klaps an die eigene Stirn geben. ,Ich Idiot, habe Rick total vergessen.’ Schnell nahm er den Telefonhörer zur Hand und wählte die Nummer von Rick. Am anderen Ende ertönte die angenehme Stimme Lydias und wenig später die von Rick. „Was neues von Zelda?“, fragte er zuerst ohne Hallo zusagen. „Ja, sie ist wieder hier, Rick“, murmelte Link erfreut. „Ich wollte dir das mitteilen, damit du nicht länger nach ihr suchst.“ „Das ist wunderbar. Geht es ihr gut?“ „Das… sie schläft jetzt“, log Link, obwohl sie schon in gewisser Weise schlief. Ricks erheiterte Stimme am anderen Ende ertönte mit großer Zufriedenheit und Mitgefühl für seinen Lieblingscousin: „Gut. Es freut mich für dich, dass sie wieder bei dir ist. Sie schläft bei dir?“ „Ja, warum nicht?“ „Gut, mein Tipp: Immer schön dran bleiben.“ „Ach, halt die Klappe, Rick. Du denkst ja immer bloß an das eine!“, fauchte Link und wurde erneut schamrot um die Wangenknochen. Aber Rick am anderen Ende lachte bloß. „Gute Nacht, Link. Und bestell’ ihr gute Grüße von mir.“ „Gute Nacht, Rick. Und danke für deine Hilfe.“ „Keine Ursache.“ Link legte den Hörer auf und bereitete in der Küche den Tee vor. Minuten später saß Link auf dem knarrenden, durchgesessenen Sessel der Wohnstube, und der warme Tee floss seine Kehle hinab. Ab und an warf er einen Blick zu Zelda, die friedvoll und ruhig auf dem Sofa lag. Sie hatte sich inzwischen auf den Bauch gedreht und ein Arm fiel vom Sofa herunter. Ein Lächeln bildete sich auf einem ansehnlichen Heroengesicht angesichts ihrer schlafenden Herrlichkeit. Vielleicht sollte er ein Photo mache…. als kleine Erinnerung… Er vergaß den Gedanken und schaltete gelangweilt durch das Programm. Mittlerweile war es zehn Uhr, früh genug um sich irgendeinen gefühlsarmen, harmlosen Horrorfilm zu Gemüte zu führen. Es war ein Vampirfilm, ziemlich brutal… mit allem möglichen wie Prügeleien, interessanten, romantischen Szenen und anderem Zeugs. Vielleicht an manchen Stellen ein wenig pervers, weil es Vampire waren, die hier ihr Unwesen trieben, aber trotz allem zu langweilig für Link. Irgendeine Liebschaft von zwei hässlichen Vampiren erreichte gerade einen Höhepunkt, als das Mädchen neben Link im schlafenden Heilzauber einen eher unfreiwilligen Kommentar zu bieten hatte. Zelda seufzte zunächst, was Links Aufmerksamkeit auf sie zog. Dann drehte sie sich auf den Rücken, schaute mit geschlossenen Augen direkt zu Link und meinte fast unbeteiligt: „Schalt das aus… ist ja grauenhaft schlecht… was guckst du so was Dummes…“ Erstaunt stand Link auf und hüpfte zu der schlafenden Schönen hinüber. Er sagte ihren Namen verwundert und ahnte, dass es wohl dieses Verhalten war, vor welchem Impa ihn warnte. „Liebe geht doch ganz anders“, seufzte sie und ihre Augen flatterten nach oben. „Zelda? Sag’ mir… bist du wach, oder träumst du?“ Aber als er in ihren Augen las, hatte sich diese Frage erübrigt. Das Blau ihrer Augen war leuchtend und doch schattenhaft, wie immer… aber es war der müde, apathische Ausdruck darin, welcher ihm genügte. Zelda träumte… irgendwie… „Mein Held der Zeit… du bist doch auch nicht wach“, meinte sie und schmunzelte. Verwirrt setzte er sich auf einen Hocker ihr gegenüber und fand dieses Spielchen zu interessant, als nicht darauf zu hören. „Warum bin ich denn nicht wach?“ „Weil du mich immer noch mit Samthandschuhen anfasst.“ Und wie war das nun wieder gemeint, dachte er? Meinte sie seinen behutsamen Umgang mit ihr? Meinte sie seine Berührungen oder nur seine Worte? Sie richtete sich auf und tätschelte ihm verspielt beide Wangen. Aber er packte ihre Hände und wollte bloß verhindern, dass sie etwas sehr dummes tat. „Zelda. Du solltest dich wieder hinlegen und…“ Aber sie lachte laut und hysterisch und schaute ihn neckisch an. „Was hast du denn mit mir vor? Was Schönes?“ „Zelda!“ Nun fühlte sich Link doch ein wenig überfordert. „Ich möchte, dass du dich ausruhst. Du hast vor wenigen Stunden die Hölle durchgemacht.“ „Die Hölle?“, murmelte sie und kuschelte sich unter die Decke. „Das ist doch nicht mehr wichtig. Wo ist denn überhaupt deine Freundin, Link?“ „Meine was?“ Geschockt begaffte er ihren blonden Hinterkopf, als sie sich genüsslich umdrehte. „Du weißt schon, dieses Mädchen mit den blonden Haaren und den blauen Augen… das Mädchen, welches du so lieb hast.“ Redete sie jetzt verrücktes Zeugs über sich selbst? Link war zu entsetzt um noch klar zu denken. „Na, deine Freundin eben. Diese Prinzessin.“ Wenn er jetzt weiter nachfragen würde, könnten vielleicht noch größere Misslichkeiten entstehen, also dachte er sich irgendetwas Sinnloses aus. „Ähm… sie ist Einkaufen gegangen“, sagte er, hoffend, es würde nicht zu irgendwelchen Missverständnissen führen, wenn er noch mehr Blödsinn erzählte als sie. Link schüttelte den Kopf und dachte an Impas dummes Grinsen, als sie ging. Hatte sie dieses schaurige Spielchen etwa beabsichtigt? „Weißt du, was ich dir immer schon sagen wollte?“, murmelte sie zwischen Decke und beigen Sofabezug. „Nein, was?“ Er rückte die Wärmekissen auf ihrem Körper zurecht und kam unabsichtlich an ihren Bauch. In dem Moment richtete sie sich auf und schaute sündenlos in seine tiefblauen Augen. Ihr rosa Kleid rutschte dort, wo der Träger fehlte, etwas mehr über ihre Brust, sodass der BH zum Vorschein kam. ,Sehr schick‘, dachte Link. Ein Seidenbüstenhalter. Und Zeldas Brust war auch nicht ohne. Dem jungen Heroen wäre beinahe das Blut aus der Nase geschossen angesichts dieses fruchtbaren Einblicks. Den Göttinnen sei Dank zog Zelda unschuldig die dicke Decke zu sich. „Du hast so einfühlsame Hände, Link“, sagte sie sanft und lächelte ihm erwartungsfroh entgegen. „Also“, stotterte er. Wie viele unberechenbare Dinge würde sie sich in ihrem Zustand denn noch erlauben? Er konnte doch nicht solche schmeichelnden Sätze ignorieren! Und warum redete sie von derartigen Dingen? Noch ein paar mehr Komplimente und der junge Held wäre mit dem nächsten Satz auf dem Mond. Gerade wollte die junge Prinzessin aufstehen, als er dies verhinderte. Er packte sie gefühlvoll an den Oberarmen und drückte sie mit sanfter Gewalt nieder. „Zelda, du solltest jetzt nicht aufstehen. Bitte schlaf’ jetzt.“ Aber sie grinste wie ein kleines Kind und lachte. „Ich muss dir etwas gestehen. Du bist viel zu attraktiv für diese Welt.“ Link schüttelte den Kopf und meinte strenger: „Zelda! Jetzt hör’ doch auf damit.“ Sie lächelte unschuldig, griff mit einer Hand an Links Genick und mit der anderen um seine Taille. Völlig perplex und an der Grenze aller guten Dinge zerrte sie ihn nieder, direkt auf sich und drückte ihr Gesicht gegen seines. „Ich hab’ Angst allein“, murmelte sie in sein Ohr und schien zu einem anderen Zustand überzuwechseln. Von ausgelassener Euphorie zu einer depressiven Traurigkeit. „Bitte halt mich ein bisschen.“ „Gut“, meinte er schüchtern, brachte sein schweres Gewicht von ihr und kuschelte sich neben sie. Es war nicht nur gut, wie Link sich eingestehen musste. Ihr so nahe zu sein, war wunderbar… „Ja… gut“, seufzte sie, drückte sich an ihn und legte ihren Kopf an seine Brust. ,Bezaubernd’, dachte Link angesichts ihrer gewagten Innigkeit. ,Himmlisch.’ Und auch der junge Heroe seufzte. Er schloss die Augen und streichelte der jungen Prinzessin über den halbentblößten Rücken. Er hatte noch nie so gefühlt wie jetzt. Warum war ihm dieses wunderbare Gefühl in Zeldas Nähe nicht schon früher aufgefallen? Sie war so zerbrechlich. Ihre Haut war so weich, das er nicht aufhören konnte, diese Haut unter den Fingerspitzen zu fühlen. „Und morgen kommt Harkenia von Hyrule und vermählt uns.“ Links Augen wurden riesig. Fassungslos sah er sie an und hatte nur noch den Wunsch aus der Verantwortung zu fliehen, Zelda zu beaufsichtigen. Das war ja peinlich, grausam, schockierend und alles andere als witzig, ihr Gefasel mit anzuhören. Konnte er ihr nicht den Mund zu kleben? „Möchtest du Kinder, Schatz?“ Und die nächste Katastrophe war im Gange. „Aber was, wenn deine Freundin vom Einkaufen zurückkommt.“ Und Zelda richtete sich hektisch auf, hüpfte von dem Sofa und blickte paranoide durch die Fensterscheiben des Wohnzimmers. Der junge Mann auf dem Sofa seufzte und schüttelte den Kopf. Da stand sie nun mit ihrem knappen, zerrissenen Sommerkleid vor dem Fenster und tat stupide Dinge, die sich die Prinzessin Hyrules unter keinen Umständen erlaubt hätte. Und dann ihre Sprüche! Nicht zum Aushalten. Ihre merkwürdigen Kommentare. Ihre schaurigen Einfälle. Hätte Impa ihn nicht warnen können, dass ihre geistigen Einfälle nichts für schwache Gemüter waren? Er trat langsam an sie heran, legte eine Decke über ihre Schultern, die sie dankend annahm und meinte: „Ich sollte dich in mein Zimmer bringen, Zelda.“ „Warum? Wegen deiner Freundin, der Prinzessin?“ „Ähm… ja… genau“, sagte er. Eigentlich wollte er bloß nicht, dass Sara, die bei Mike übernachtete, und seine Eltern, die einen Ausflug machten, Zelda so überdreht vorfanden, wenn sie heimkamen. Wer wusste schon, was sie dann denken könnten? Vielleicht nahm Sara noch an, er hätte die arme Zelda unter Drogen gesetzt… Vorsichtig nahm er die schlafende Schönheit auf seine Arme, durchquerte mit ihr leise das Wohnzimmer, trat die knarrenden Treppenstufen hinauf und betrat sein in Dunkelheit gehülltes Zimmer. Aus irgendeinem Grund hatte er das tiefsitzende Bedürfnis sie hier in seinem eigenen Bett liegen zu haben. Der Ausdruck in seinem Gesicht wandelte sich, wurde friedvoller, ruhiger, als Zelda tief einatmend in seinem Bett ruhte und sich ihr eisiger Körper langsam aufwärmte… Er sah ihr einige Minuten zu, fasziniert von ihrer wunderschönen Eigenheit, die ihm vorher nie in diesem Ausmaß aufgefallen war. Er wüsste nicht, was er getan hätte, wenn er sie nicht gefunden und befreit hätte… wenn Impa nicht gewusst hätte, was es zu tun galt… Er beugte sich über sie und drückte einen beruhigenden Kuss auf ihre kühle Stirn. „Zelda… ist dir noch kalt?“ Sie antwortete nicht mit Worten, sondern öffnete die sanften Augen. Während sie ihn musterte, bildete sich ein süßes Lächeln auf ihrem ebenmäßigen Gesicht. Ihr Lächeln war so schön… So liebreizend, dass Link ebenso lächelte oder lächeln musste. Es verzauberte ihn zunehmend. „Machst du das noch mal?“, meinte sie bittend. „Was meinst du?“ Er rutschte näher und streichelte über ihre Wangen. „Einen Kuss, mein Held.“ Als er sie schockiert musterte, lachte sie wieder. Das konnte doch nicht so weiter gehen! Woher nahm sie sich eigentlich das Recht sich auf diese anzügliche Weise zu verhalten? War das nur wegen dem Schlaf der Schlaflosen? Link verengte die Augen und sagte auf eine tückische Weise: „Du tust doch bloß so, oder?“ Aber Zelda runzelte die Stirn. „Ich meine dein sonderbares Verhalten. Du bist bei vollem Bewusstsein, nicht?“ Sie grinste wieder, was ihn nun doch von der Idee abkommen ließ. „Ich fühle mich irgendwie so leicht… ich weiß aber nicht wieso… alles ist so einfach, so sorgenfrei…“ Und Link glaubte ihr. Er erfüllte ihren kleinen Wunsch, wenn auch nicht sicher, warum und ob er sich das nun immerzu erlauben konnte. „Okay, du bekommst deinen Kuss.“ Sie hob den Zeigefinger. „Aber nicht auf die Stirn, mein süßer Link.“ Seine Augen lasen verspielt in ihren und er ließ sich auf das Erlebnis ein: „Auf die linke oder rechte Wange?“ „Nicht auf die Wange.“ Ihre Stimme klang summend, wie die eines kleinen Kindes. Und Link räusperte sich perplex. „An die Augenbraue?“ Sie schüttelte lachend den Kopf. „Auf die Nasenspitze?“ „Auch dort nicht.“ „Wohin… denn dann“, äußerte er nervös. Das war jetzt der Endpunkt eines ausgelassenen Spaßes. Soweit durfte und konnte Link es nicht kommen lassen. Er wuselte aufgebracht in seinen Haaren herum. „Zelda das geht jetzt zu weit.“ Sie lachte und reichte ihm schicklich die Hand. „Auf den Handrücken“, gab sie preis. „Was hast du denn gedacht?“ Er rollte die Augen, gab ihr das ehrerbietende Küsschen auf den Handrücken und lief ans Fenster. ,Die hat echt Nerven… was für eine Powerfrau‘, dachte er. „Ich soll dir schöne Grüße von Rick bestellen“, meinte er, als sich seine Prinzessin aufrichtete und an das Bettende lehnte. „Oh… der Prinz schickt mir Grüße… egal… ich will aber nur Grüße von meinem Heroen… der ist schöner…“ Der angesprochene und umschmeichelnde Heroe aber seufzte nur. Prinz? Rick war ein Prinz für sie? Und er nur der Held? Er wand sich zu ihr, ein Gefühl der Trübsinnigkeit in seinen Augen. Plötzlich wurde er von Zelda mit den Armen umschlossen und beinahe umgehauen. „Sag’ mal“, begann Link und streichelte über ihren blonden Kopf. Es war entzückend, wie vertrauensvoll sie mit ihm umging. So entzückend, dass ihre Annäherungsversuche für Link keine Rolle spielten hinsichtlich das Wieso und der Konsequenzen. Ihre Umarmung war warm, und es fühlte sich einfach richtig an… „Ist soweit alles okay mit dir?“ Er drückte sie noch ein wenig mehr an sich. „Ich hab’ so ein leichtes Druckgefühl überall. Ein kleiner dumpfer Schmerz, aber nicht schlimm.“ Schmerzen? Also hatte sie doch körperlich gelitten, wie der junge Held es vermutet hatte. Er hoffte bloß, dass jene Schmerzen verpufft sein würden, wenn sie aus diesem Schlaf der Schlaflosen erwachte. „Weißt du… als ich dich gefunden habe… da habe ich deine Schmerzen gefühlt, Zelda.“ Sie rieb ihre rechte Wange an seinem grünen Pulli. „… ich habe auch immer deine Schmerzen gefühlt…“, murmelte sie und plötzlich wurde sie schlapp und wäre aus seinen Armen gerutscht, wenn er sie nicht aufgefangen hätte. Leicht beunruhigt, aber einsichtig, dass sie nun eine andere Bewusstseinsstufe erreicht hatte, legte er die schlafende Schönheit wieder in sein Bett und zog die Decken bis zu ihrem Kinn. „Schlaf’ schön, mein Engel“, flüsterte er, schaltete das Licht in dem Zimmer aus und wachte die gesamte Nacht neben dem Bett. Kapitel 23: Held und Prinzessin ------------------------------- Es war früh am Morgen als ein sehr müder und gähnender Link, der die Nacht kein Auge zu getan hatte, vor dem Bett stand und schaute, ob Zelda immer noch schlief. Seit ihrem merkwürdigen Verhalten gestern Abend hatte sie die Augen nicht mehr geöffnet und war seitdem sehr ruhig gewesen, hatte sich nicht einmal im Bett gedreht… das einzige, was ihm auffiel, war ihre zusammengehockte Haltung. Ihre Beine waren angewinkelt, soviel sah er anhand der Konturen über der Decke, und die Arme hatte sie fest an ihren Oberkörper gepresst. Er streichelte leicht über ihre Wangen und dann über die Augenlider. Ihre Haut so geschmeidig und sanft wie eh und je. Und noch etwas beruhigte ihn über die Maßen. Ihre Wangen waren warm… nicht mehr eisigkalt wie gestern… Wieder drückte er einen Kuss auf ihre Stirn, wollte ihr damit bloß mitteilen, dass er für sie da sein würde, wollte sagen, dass er sie beschützen würde. Lächelnd nahm er Stift und Papier und schrieb einige Zeilen darauf, huschte dann mit einem letzten, besorgten Blick aus dem Zimmer und mit Jacke und einer Einkaufstasche geschwind aus dem Haus. Als die junge Prinzessin, seufzend und gähnend die Augen öffnete, wusste sie zunächst nicht, wo sie war und was überhaupt geschehen sein musste. Mit neugierigen Augen, in denen trockener Schlafsand die klare Sicht versperrte, wanderte sie ihre Umgebung ab und konnte nicht allzu viel erkennen. Es musste noch früh am Morgen sein. Aber sie begriff, dass es nicht die Villa von Ines war, in welcher sie sich befand. Nachdenklich sank sie zurück in das weiche Bett mit den knarrenden Matratzen. Sie zupfte ein wenig am Kissen und roch schwach den Geruch ihres Helden daran. Ein Lächeln umspielte ihre rosa Lippen. Ihre Augen öffneten sich wieder und die vertraute Umgebung von Links gemütlicher Stube gab sich ihr preis. ,Sie war bei Link‘, dachte sie. Aber wieso? Und warum lag sie schon wieder in seinem Bett? Überhaupt… wo war Link? Sie schaute sich um und entdecke eine kleine Nachricht in Form eines Zettels vor sich. Links Handschrift darauf brachte ein weiteres Lächeln auf ihr Gesicht und die Worte darauf ließen einen genüsslichen Lacher aus ihrem Munde schallen. ,Na, meine schläfrige Prinzessin?’, hieß es zunächst und kleine Zornesfalten erschufen sich in ihrem Gesicht. Wenn Link doch bloß nicht so viel von seinem Charme in Worte formen könnte. Sie wüsste nicht, was sie mehr vermissen würde, sollte er nicht hier sein. ,Du schläfst so niedlich, deshalb wollte ich dich nicht wecken. Ich bin bloß kurz Brötchen holen. Und etwas Süßes für dich… bis gleich.’ Zelda schüttelte erheitert mit dem Kopf. Woher nahm er bloß den Mut für seine Fürsorglichkeit ihr gegenüber? Sie kuschelte sich noch wenige Minuten zufrieden unter die Decke, träumte in ihren geheimen Sehnsüchten und erinnerte den gestrigen Tag langsam. Als Link wiederkam, mit einer großen Tasche Brötchen und einem Extra für seine geliebte Prinzessin, überprüfte er kurz ihren Zustand und vergewisserte sich, dass sie schlief. Ein nächster Gedanke kam über ihn, um sich noch ein wenig wach zu halten. ,Zeit duschen zu gehen.’ Denn er musste einsehen, dass er noch nie so lange ohne Schlaf zugebracht hatte. Aber er würde erst dann ein Auge zu machen, wenn Zelda wach war und ihm erzählt hatte, wie es ihr ging. Keine Minute eher… Also sprang er mit frischen Klamotten auf dem Arm hinein ins Badezimmer und vergaß mal wieder- so wie fast immer- die Badetür abzuschließen. Doch auch die Eltern im Hause der Bravery waren gerade dabei ihren Haustürschlüssel in das vorgesehene Schloss zu stecken, als Zelda wieder in ihren Schlaf driftete. Mit einer absolut heiteren Stimmung trat die gutgenährte Meira Bravery in ihr Eigentum ein, im Schlepptau der magere Eric. Sofort rief sie nach ihrem ältesten Kind, welches nur blöderweise nicht zugegen war. Sie zuckte mit den Schultern und stellte erst mal ihre Taschen in eine Ecke. Überprüfend ob alles noch an seinem Platz war, und Meira hatte dank ihrem guten Sohnemann schon einige Überraschungen diesbezüglich ertragen müssen, schaute sie in der Küche nach dem Rechten. Sofort fiel ihr ein gedeckter Tisch mit Brötchen, frischer Milch, Kuchen, Sahneschnitten, Waffeln und Plätzchen ins Auge. „Holla die Waldfee. Wie viel Leute will unser Link denn heute ernähren?“, sagte sie staunend, als auch Eric in die Küche trat. „Sara ist doch immer noch bei ihrem Freund, oder?“ Eric nickte bloß. „Es wundert mich schon, dass unser Sohn Brötchen geholt hat. Macht er doch sonst nicht… da ist was im Busch.“ Meira stimmte zu und huschte sofort neugierig und ihre Nase in alles hineinstecken wollend nach oben. Sie steuerte direkt auf Links Zimmer zu. Doch was sie dort fand, war überaus interessant für die Gute. ,Also doch‘, sagte sie zu sich selbst. Der Bengel war also wirklich verliebt. Schon seit Wochen und Tagen hatte sie sein sonderbares Verhalten bemerkt und manchmal seine schlechte Laune, zwar missbilligt, aber hingenommen. Und nun fand sie den erheiternden Grund dafür. Das junge, bildhübsche Mädchen mit Namen Zelda schlief in seinem Bett… ,Hoffentlich hatten die beiden viel Spaß die Nacht‘, dachte Meira. Sie setzte eine Hand an das Kinn. Deshalb auch der gedeckte Tisch für zwei Personen. Ihr Sohnemann wollte wohl Eindruck schinden bei seiner Freundin. Quietschvergnügt stolperte die mütterliche Meira die Treppen wieder hinunter und hörte im Bad die Dusche, als sie in den Flur trat. Aha, dachte sie. Ihr ansehnlicher Sohnemann duschte wohl gerade. Denn es konnte nicht ihr Ehemann sein, der saß in der Küche. Sie zerrte die Badetür auf und trat einfach ein. Link bemerkte sie sofort, entsetzt und genervter von seiner Mutter als jemals zuvor. „Mum, verdammt noch mal, was machst du hier!“, fauchte er, krallte sich ein Badetuch und wickelte es um seine Hüfte. Er glühte rot im Gesicht und sah Meira mit einem bitterbösen Blick an, den sie so noch nie gewürdigt hatte. „Beim Teufel, wer hat dir erlaubt, einfach hier reinzuplatzen!“, giftete er, krallte sich ein Stück Seife und warf es wütend auf seine Mutter. Aber sie kugelte sich bloß vor Lachen. „Was lachst du denn so?“, schimpfte Link und hielte seiner Mutter drohend den Duschkopf entgegen. „Meine Güte, mein großer Junge, deine Mutter hat das, was du so vorbildlich versteckst, nun wahrlich oft genug gesehen.“ Der gutgemeinte Hinweis war zu viel und Link drehte die Dusche auf und zielte wütend auf seine Mutter. „Raus aus dem Bad, Mum!“, drohte er, aber Meira schaute noch durch den Türspalt. „Du hast ja im Übrigen keinen Grund etwas zu verstecken, das sieht deine wunderschöne Prinzessin in deinem Bett wohl genauso.“ Link glotzte nur dümmlich und fühlte sich ertappt, wusste aber nicht wieso. „Hattet ihr beide eine angenehme Nacht?“ „Halt deinen verdammten Schnabel endlich“, brüllte er, riss die Tür gnadenlos zu sich heran und machte das Schloss dicht. Diese böswillige Pute in ihrer Midlifecrisis sollte sich echt ein neues Hobby suchen und nicht ständig ihre Nase in fremde Angelegenheiten stecken. ,Diese boshafte Gewitterziege‘, dachte er, wusch sich die Haare und zog sich ein grünes Muskelshirt und eine dunkelbraune Bermuda an. Als Link in die Küche trat, speisten seine Mutter und sein Vater schon, und grinsten ihn tückisch an. „Guck’ nicht so. Du interpretierst etwas in die Sache, was gar nicht da ist. Du mit deiner krankhaften Paranoia“, sagte er eingeschnappt. „Und was soll man sonst davon halten, wenn ein halbnacktes Mädchen in deinem Bett liegt?“, sagte sie unbeeindruckt und biss von ihrem Marmeladenbrötchen. Link atmete tief ein und schwieg dazu. Er schenkte in eine große Tasse frischen Kakao, nahm ein weiteres Tütchen vom Bäcker und verschwand damit nach oben. Als er mit der Tasse in der Hand und der kleinen Überraschung in sein Zimmer trat, und die ruhende Schönheit ansprach, reagierte sie nicht auf seine einfühlsamen Worte. Zelda schlief immer noch. Sachte stellte er die Tasse auf den Stubentisch und empfand ein unermessliches Bedürfnis, Zelda jetzt einfach in die Arme zu schließen. Er ließ sich langsam auf dem Bett nieder, sodass es leise knarrte, und zog das schlafende Mädchen mitsamt der Decke an sich. Es tat so gut… ein angenehmes Gefühl durchfuhr ihn, ließ das Herz ein paar Takte schneller schlagen, „Ich bin so dankbar… dass du hier bist…“, murmelte er leise, sich nicht bewusst, dass Zelda ihn reden hörte. „Mein… meine Prinzessin.“ Erfüllt von der Wonne eines warmen Lächelns blickte Link in Zeldas blasses Gesicht, so dankbar, dass sie wieder bei ihm war und gleichzeitig besorgt, dass sie irgendwann für immer verschwinden würde. Er streichelte mit seinem Handballen liebevoll über ihre bleichen Wangen, aber sie reagierte nicht auf seine Berührungen. Link flüsterte: „Zelda?“ Doch sie reagierte nicht auf ihn, seufzte kurz im Schlaf, machte nicht die Augen auf. Lächelnd beobachtete Link sie eine Weile und konnte sich an ihrem wunderbaren Erscheinungsbild wohl nicht satt sehen. Sie hatte eine kleine Falte auf der Stirn, als sie schlief, so als dachte sie angestrengt über eine Sache nach… und viele Kleinigkeiten an ihrem Äußeren fielen Link jetzt ins Auge. Dinge wie das zarte Grübchen an ihrem schönen Kinn oder ein kleiner Leberfleck an ihrem reizenden Hals. Ob er sie endlich wecken sollte? Er entschied sich dagegen und hielt die ruhende Schönheit weiterhin in den Armen. Und Link wusste so sicher, in dem Augenblick, dass Zelda ihn niemals verletzen wollte, dass ihre kostbare Freundschaft auch in der Zukunft liegende Kämpfe überstehen konnte. Gerade wollte er Zelda wieder sachte in das Bett sinken lassen, als sie ihren Kopf anhob und ihn ein wenig verlegen musterte. Ihre Augen so sinnlich und schön wie eh und je. „Hey, du bist ja doch wach“, sagte er verdutzt und registrierte in dem Augenblick wie wild sein Herz doch schlug. Sie lächelte nur. Kein Anzeichen von Verwirrung, weswegen sie sich hier und nicht in der Villa befand, oder Empörung, weil er sie einfach umarmt hatte. „Guten Morgen, Link“, sagte sie leise und wich aus der Zärtlichkeit. Sie schaute mit so viel Wissensdurst in seine Augen, dass mehr und mehr das Gefühl gierte, er müsste sofort alles erklären. Er nahm tröstend ihre rechte Hand in seine. Sie waren ein wenig wund an den Fingerkuppen und die Nägel abgerissen. Er führte diese Hände zu seinen Lippen um sie zu küssen. „Fühlst du dich gut?“, meinte er leise. Sie wich ein wenig zurück und zog die Decke über das zerrissene Kleid. Ihr Haupt senkte sich betrübt, aber hoffnungsvoll. „Ein wenig müde… und ein bisschen kränklich, aber sonst ganz gut.“ „Wir reden nachher… ja?“, murmelte er, worauf sie nickte. Er war so froh, dass es ihr so weit gut ging und sie anscheinend keinerlei Schmerzen hatte, die von gestern geblieben waren. „Dort drüben… die Tasche… die ist von Impa“, sagte er, während irgendwie Nervosität keimte. „Und da sind Klamotten für dich drin… vielleicht solltest du ein Bad nehmen… und dann frühstücken.“ Er schaute seitlich, während Zelda sein ungeschicktes Verhalten deutlicher als deutlich ins Auge sprang. Es waren nicht nur die stockenden Worte, die bei ihr Alarmglocken läuten ließen. Es war die Sorge in seinen tiefblauen Augen, die sie stutzig machte. Sie rutschte näher, ungeachtet der Tatsache, dass ihre schönen Rundungen zum Vorschein kamen, als die Decke von ihrem Körper rutschte, und legte eine Hand auf Links Stirn. Erstaunt ging er auf ihren Blick ein. „Du bist unheimlich müde, Link.“ „Ja.“ „Dann schlaf’ ein wenig.“ Er nickte. „Später, dann, wenn wir geredet haben.“ „Okay“, meinte sie. „Du warst Brötchen holen?“, sagte sie um vom Thema ein wenig abzulenken. Sie ahnte, dass gestern so einiges geschehen sein musste, nachdem der Schatten sie in ihrem Badezimmer eingenommen hatte. Denn mehr erinnerte sie nicht. „Jep, und ich habe eine kleine Überraschung für dich.“ Er reichte ihr rotwerdend die Tüte, wo sich ein leckeres Stück Kuchen darin verbarg. „Ich hoffe, du isst Schokoladenkuchen gerne“, meinte er. Zelda aber war so begeistert, dass sie die Tüte sofort an sich nahm und ihre Augen in nie da gewesenem Glanz leuchteten. „Woher… wusstest du das?“ „Was?“ „Ich… liebe Schokoladenkuchen“, sagte sie und schaute verlegen auf das Stück Kuchen. „Schon damals… in Hyrule…“ „Wusste ich das damals?“ Sie nickte. „Siehst du, ich kenne dich eben“, meinte er sanft. Sie hatte ein wunderschönes Lächeln im Gesicht, was Link dazu gebracht hätte, sofort aus dem Fenster zu springen, wäre da nicht die plötzliche Lähmung, die ihre zarte Stimme in seinem Körper hervorrief. Unfähig irgendwas zu sagen oder zu tun, schaute er sich das Lächeln auf Zeldas Gesicht an und wusste nicht, ob er diese schmucke Geste jemals wieder vergessen würde. Verfolgen würde ihn dieses Gesicht bis in seine tiefsten Träume. „Danke“, meinte sie und nahm einen Bissen vom Kuchen. „Der Kakao ist auch für dich.“ Sie nickte und trank einen Schluck. Als Link gehen wollte, hielt sie ihn am Arm zurück. „Ich möchte mich entschuldigen.“ „Wofür?“ „… dass ich nicht mit dir Eis essen gehen konnte… ich wollte so gerne.“ Das konnte sie doch jetzt nicht ernst meinen. Link war am Ende, nicht nur wegen des Schlafmangels, nein, wohl eher, weil Zelda sich für etwas entschuldigte, was nur einer zu verantworten hatte und zwar das dreckige Schwein in der Kirche! Wenn sich einer rechtfertigen müsste, dann bloß dieses Ekel und zwar irgendwann vor einem Richter! Link hob ihr Kinn in seine Richtung und sagte beflissen: „Ich kann nicht glauben, dass du das tust.“ „Was?“ „Dich für etwas entschuldigen, woran du keine Schuld trägst.“ Sie schaute auf ihre Hände, was so viel hieß wie, dann erkläre mir warum nicht. „Vergiss’ das dumme Eis essen… ich bin überglücklich, dass du hier bist… außerdem können wir das heute nachholen.“ Seine Stimme weicher und ruhiger als vorher. Sie nickte erfreut und trank erneut aus ihrer Tasse. Link verschwand aus dem Raum und gesellte sich zu seinen Eltern, die in ihren Morgenzeitungen blätterten. Wenig später kam Zelda mit Stretchtop und Hotpant nach einem Bad in die Küche und begrüßte Meira und Eric ihrer gelernten Manieren entsprechend. „Guten Morgen, Meira. Guten Morgen, Eric“, sagte sie und stellte dann ihre leere Tasse in die Spüle. Meira zog die Augenbrauen andeutungsvoll nach oben, während Link Zeldas sündenvolles Outfit musterte. Beinahe hätte er seinen Gedanken mit Worten Ausdruck verliehen, stattdessen biss er sich auf die Zunge. „Morgen, Zelda. Hast du schön geschlafen?“, meinte Meira. Sie nickte und setzte sich auf einen freien Platz, worauf Meira der Schönen sofort einen Teller unter die Nase schob. „Ja. Danke“, erwiderte sie und beschmierte das Brötchen mit Butter und selbstgemachter Marmelade aller Meira Bravery. „Hattet ihr beide eine lange Nacht?“ Eine nächste Frage aus dem mütterlichen Mund, die Link auf die Palme brachte. Er rollte nur die Augen und schenkte seiner Mutter einen giftigen Blick. Zelda zuckte mit den Schultern, gut gelaunt und ein wenig belustigt. „Wo ist denn überhaupt Sara?“, meinte Link. Der einzige Gedanke, der ihm einfiel um seine Mutter von ihren freudigen Interpretationen abzubringen. „Bei ihrem Freund, mein Schatz“, meinte sie. Erneut etwas, wofür Link ihr an die Gurgel gehen konnte. Sie konnte es nicht unterlassen ihn ihren ,Schatz’ zu nennen. Das war nicht nur mütterlich fies, sondern machte ihn bei Freunden und vor allem bei Zelda zum Gespött, nahm er an. „Sara hat einen Freund?“, meinte Zelda verwundert. „Ja, diesen Mike Kilhagen. Ein Idiot wie er im Buche steht“, meinte Link gelangweilt. Meira aber gab ihrem ,Söhnchen’ dafür sofort einen Klaps auf den Hinterkopf. „Mike ist ein feiner junger Kerl und du solltest ihn nicht hinter seinem Rücken beleidigen.“ „Na und? Er macht das Gleiche mit mir. Außerdem beleidige ich ihn nicht nur hinter seinem Rücken. Das bringt ja nicht viel.“ Meira schnaufte und begab sich beleidigt vom Tisch. Auch Eric Bravery war indes verschwunden. ,Na, endlich‘, dachte Link. Endlich war er mit Zelda allein. Während sie von ihrem Brötchen biss, wanderte ihr Blick nach draußen. Die Sonne stand leuchtend an Himmel, auch wenn Gewitter gemeldet waren. Sie schien zu grübeln und seufzte dann. Als sie ihr Brötchen wieder auf den Teller sinken ließ, tapste sie zu Link hinüber, nahm ihn bei der Hand und führte den überraschten Jugendlichen hinaus in den Garten. „Ich möchte dir gerne eine Geschichte erzählen“, meinte sie leise und deutete auf die strahlende Morgensonne, die ihren Schein über die Welt ergoss. Link, der hinter ihr stand und seine Hände auf ihre Schultern legte, hörte aufmerksam zu. „Eine alte Sage aus Hyrule“, setzte sie im Flüsterton hinzu. „Wenn die Sonne so lachte… wenn kaum Wolken am Himmel vorüberzogen… dann erzählten die Weisen, irgendwo auf der weiten Welt würde sich eine verschwiegene Pforte öffnen, die Wesen voller Wunsch und Suche in ein neues Reich führen würden. Wir nannten es das Reich hinter der Sonne.“ „Du vermisst dein Hyrule“, bemerkte er gedämpft, aber sie antwortete nicht darauf. „Es war immer meine Lieblingsgeschichte und Impa hat sie mir als Kind ständig vorgelesen. Sie hütete so viel Hoffnung auf ein anderes Leben in einer anderen Welt.“ Und ihre Worte wurden leiser und leiser. „Aber das ein neues Leben so fremd sein könnte, hätte selbst ich als siebte Weise niemals… niemals…“ Sie brach ab und verbat sich ihrem besten Freund zu zeigen, wie ihr innerlich zumute war. Sie war schließlich die Prinzessin Hyrules. Sie konnte nicht in ihren Gefühlen einbrechen. Sie konnte nicht schwach sein… Sie wand sich zu Link und lächelte ihm trübsinnig entgegen. „Ich habe noch nicht sehr viel gesehen von dieser Welt, obwohl ich nun schon so lange hier bin.“ „Aber das wirst du. Und irgendwann werden Erinnerungen… Erinnerungen sein und nicht mehr weh tun, Zelda. Ob du es glaubst oder nicht. Diese Welt ist eine schöne Welt und es gibt viele, viele Lichtblicke und Dinge, die es sich lohnt zu sehen.“ Ihre blauen Augen lasen hoffnungsvoll in seinen tiefblauen. Wie gerne würde sie ihm doch glauben! „Und ich helfe dir, diese Welt zu verstehen“, sagte er aufrichtig und legte beide Hände auf ihre Wangen. Es war einer dieser Momente, in welchem die Zeit still hätte stehen können. Einer jener Momente, den man erinnern und im Herzen tragen würde. Eine Berührung… angenehm und voller Wonne, die doch viel mehr im Sinn hatte als beide Auserwählte verstehen konnten. „Magst du Steak? Mit Sahnekartoffeln?“, meinte Link. „Das kocht meine Mum heute.“ Und er nahm seine Prinzessin an der Hand und führte sie wieder hinein in das kühle Haus, abgeschottet von der unerträglichen Sommerhitze. „Gerne“, lachte sie, so dankbar, dass ihr Held sich hier befand. Ihr Held der Zeit… Sie tapsten gerade die Treppen hinauf, als Sara Bravery die Wohnzimmertür öffnete. Ihr Blick wanderte zuerst zu dem selbstverständlichen Händchenhalten der beiden, was in den Augen anderer eine andere Bedeutung einnahm als für Link oder Zelda ersichtlich war. „Oh, hallo ihr Zwei.“ Link trällerte nur kurz angebunden ein ,Guten Morgen’ herunter, während Zelda Sara ein Lächeln schenkte. „Morgen, Sara“, sagte sie. Aber Link zerrte seine Zelda weiter die Treppen hinauf und wollte ihr nun endlich mitteilen, was gestern geschehen war. Zelda schaute nur verschmitzt, während Sara verräterisch und teuflisch grinste. ,Link kriegt das mit Zelda sowieso nie gebacken’, dachte sie. Und sie wusste, dass ihr Bruder - auch wenn er selbst nicht mal einen blassen Dunst davon hatte - sich unsterblich in dieses Mädchen verliebt hatte. Er würde alles für sie tun, das wusste sie. Und in gewisser Weise wusste Sara mehr als sie zugeben durfte… Hundemüde ließ sich Link auf die Bettkante sinken und fiel hintenüber. Zelda schmunzelte nur als er laut gähnte und dann musternd zu ihr hinüber sah. Es schien ihr Outfit zu sein, welches seine Augen ständig bewundern wollten. Kaum lösen konnte er sich davon… das Stretchtop… die blanke Sünde und der Horror für den Verstand eines jungen Mannes wie ihm… Eine merkwürdige Vorstellung, dass dieses bildhübsche Ding jemals in eine konservative, altmodische Prinzessinnenkluft gesteckt wurde. Zelda war so umwerfend, bedachte man ihre schlanken, langen Beine, die schmale Taille und überhaupt ihre Proportionen, dachte der junge Heroe. „Was ist?“, fragte sie unschuldig und trat langsam näher. „Du siehst drein als ob du versteinert wärst.“ Aber Zelda ließ keinen anderen Gedanken für sein Gaffen zu. „Ich bin bloß todmüde“, maulte er und rutschte in die Mitte seines großen Bettes. Zelda rutschte näher zu ihm und beugte sich über die tränenden, müden Augen, in welchem sie so gerne versank. Erneut ein kostbarer Moment. Eine Gelegenheit für mehr als immer erlaubt war. „Du warst die gesamte Nacht wach?“, meinte sie leise und berührte mit einigen Fingerspitzen seine rechte Wange, knapp neben dem Ohr. Link bekam wegen des Herzrasens und dem plötzlichen Fieberanfall angesichts ihrer Nähe nur ein Nicken zustande. „Hier“, sagte sie leise und sie fuhr über eine Hautstelle neben dem Ohr. „Da hattest du früher eine kleine Narbe, damals meine ich.“ Gerade da nahm Link ihre Hand und flüsterte: „Ich hätte dich gestern beinahe verloren.“ Und es schien als realisierte er dieses Leid erst jetzt. „Ich war total durcheinander“, meinte er trübsinnig und schaute an Zelda vorbei. Sie richtete sich auf und setzte sich ihm den Rücken zuwendend an die Bettkante. „Ich erinnere nur so viel. Als ich in meinem Badezimmer stand, umfing mich ein kalter Schatten und dann… weiß ich nichts mehr.“ Sie hüpfte auf die Beine und trat an das offene Fenster. „Was genau ist denn danach geschehen?“ Link überlegte, wie er es am besten erklären sollte, während Zelda ihm weiterhin den Rücken zeigte. Die Sekunden tickten immer langsamer vorbei. Das Schweigen wurde unangenehmer. Trübsinnig lag der junge Held auf seinem Rücken, hatte die Hände hinter den Kopf gesteckt und beobachtete Zelda sinnierend. Seine Gefühle für sie wuchsen… und je länger sie zusammenwaren, den Tag miteinander verbrachten, umso klarer wurden diese Gefühle. ,War da vielleicht mehr‘, fragte er sich. In dem Moment wand sich Zelda zu ihm, platzierte sich neben ihm auf dem Bett und starrte ebenso an die Decke. „Liest du dort oben deine Antworten?“ Er drehte den Schädel zu ihr und wanderte die einzigartigen, schönen Gesichtszüge auf Zeldas Gesicht ab. Ebenmäßig… makellos… „Es hilft mir die richtigen Worte zu finden.“ Sie stützte sich auf dem Ellenbogen ab und musterte ihn grinsend. „Und hast du sie schon gefunden?“ Er schüttelte den Kopf, und wanderte mit dem Zeigefinger zu dem Rosenohrring in Zeldas linkem Ohrläppchen. „Sagen wir es so… es fällt mir nicht leicht.“ Er rückte näher und umarmte sie entgegen ihres Willens. Er streichelte ihr über den Kopf und mit der anderen Hand über den feinen Stoff des Stretchtops. Zelda wurde ein wenig rot um die Nasenspitze und hoffte bloß, dass Sara oder Links Mutter jetzt nicht in das Zimmer treten und aus einer Laus einen Elefanten machen würden. „Ich wollte dir bloß sagen, dass ich dich brauche“, murmelte er. „Und gestern warst du lange verschwunden ohne dass jemand wusste, wo du bist.“ „Ich weiß selbst nicht einmal wo ich war“, erklärte sie. „Ich habe keinerlei Erinnerungen.“ „Ich weiß. Deshalb lass’ mich erklären.“ Er gähnte, aber ließ seine Prinzessin nicht aus der Umarmung. „Ich wollte dich gestern abholen. Aber du warst nirgendwo zu finden. Impa hat einen Suchtrupp losgeschickt.“ „So schlimm“, bemerkte sie und hob den Kopf ein Stückchen an, damit sie in seine Augen eintauchen konnte. „Schlimm genug… du solltest Impa nachher anrufen.“ „Okay.“ Und weiterhin lagen sie zusammengekuschelt auf dem Bett, obwohl es Zelda, die sich einst seine Nähe auf diese Weise gewünscht hatte, nun doch noch zu viel wurde. Noch ehe sie es realisierte, pochte ihr Herz hastig und laut in der Brust. „Schließlich bin ich in die alte Kirche gelaufen und dort… fand ich dich bewusstlos.“ Er verschwieg den Seelenfänger mit Absicht. „In der Kirche?“ Zeldas Augen waren aufgerissen, und der Schrecken stand darin. Sie richtete sich auf und konnte es einfach nicht glauben. In der Kirche… dort, wo ihr alter Feind lauerte. „Du hast die Nacht hier verbracht… und den Rest kennst du“, sagte er leise und gähnte schon wieder. Sie beugte sich wieder näher, drückte ein Küsschen auf seine Wange, nur knapp neben dem Mund und murmelte ein liebgemeintes ,Danke’ vor sich hin. Ein Danke für Gestern und für Heute… „Kann ich heute vielleicht noch…“, Zelda wurde fuchsrot, weil sie ihn darum bat. „… vielleicht noch hier bleiben?“ Link lächelte und nickte. „Aber jetzt brauch’ ich erst mal eine Mütze Schlaf, Zelda.“ „Die kannst du haben“, lachte sie und hüpfte auf die Beine. „Schlaf’ schön, mein Held.“ Damit trat sie aus dem Raum und telefonierte mit ihrer Ziehmutter. Als Link sich ausgeschlafen hatte und breit grinsend die Treppen ins Erdgeschoss hinunterlief, saß Zelda gemeinsam mit seiner Mutter im Wohnzimmer. Eric Bravery arbeitete vermutlich wieder samstags. Sara war erneut mit Mike ausgegangen und funkte zum Glück nicht mehr dazwischen, was Links Freundschaft zu seiner Prinzessin anging… auch wenn der junge Held seiner Schwester unheimlich dankbar dafür war, dass sie beide zu einer Aussprache gezwungen hatte. Er konnte Zelda lachen hören, so wie es sein sollte, hörte, dass sie mit Meira über etwas diskutierte… und ihre freudige, glockenhelle Stimme zu hören, tat irgendwie unglaublich gut. Mit seinen Lieblingsklamotten, grünem T-Shirt und einer khakifarbenen, kurzen Stoffhose, bekleidet kam Link stolpernd ins Wohnzimmer und wusste dann auch, was so erheiternd war: Seine Mutter und Zelda saßen über einem Photoalbum, wo die gute Meira Bravery alle möglichen Bilder eines kindlichen Link eingeklebt hatte. Und da waren einige Bilder, die ihm peinlich waren und für die er sich etwas schämte. Da waren Photos, als er mit fünf Jahren nackt in der Badewanne saß. Bilder, wo er mit Essensresten in seinem Gesicht in der Küche saß, als Kind von sechs Jahren. Und es waren einige Bilder dabei, die ihn daran erinnerten, dass er sich schon immer für das alte Land in seiner Phantasie interessiert hatte. Auf einem Photo war eine Kinderzeichnung von ihm, wo er eine Landschaft mit einem gesichtstragenden Baum, einem Schloss und riesigem Berg gezeichnet hatte… Seine Ohren glühten rot, als die beiden lachenden Damen aufsahen und ihn beäugten. „Hey“, sprach Zelda lächelnd, trat zu ihm, nicht sicher, ob sie eine Umarmung von ihm wünschte. Sie bremste sich dann aber. Nervös erzählte sie: „Ich habe deiner Mutter beim Essen geholfen… ähm… möchtest du etwas essen… wir können das in diesem Gerät, wie hieß das gleich nochmal… Mikrowelle… warm machen.“ Es war in ihrem Gesicht abzulesen, dass nun, da er wusste, wer er war, es sich auch für Zelda schwierig gestaltete, so sorglos wie vorher mit ihm umzugehen… denn dafür war in der Vergangenheit und auch jetzt zu viel passiert. „Ja, doch“, meinte er und blickte dann weniger begeistert in die neugierigen Augen seiner Mutter, die das Verhalten der beiden entzückend fand. „Was macht ihr eigentlich mit den alten Photos?“ „Meira… wollte sie mir einfach zeigen…“, erklärte Zelda entschuldigend. Sie ahnte, dass ihm dies peinlich war. Link verdrehte genervt seine tiefblauen Augen. „Herrgott, Mum, musst du mich eigentlich dauernd überall lächerlich machen?“ „Ich hab‘ dich auch lieb, mein großer Junge“, entgegnete sie schmunzelnd, worauf sich das Verlegenheitsrot des fast erwachsenen Mannes noch weiter vertiefte. Entrüstet kreischte Link: „Mum, das ist gemein!“ Meira klappte das Photoalbum zu und grinste hinterhältig: „Also, bitte, vor deiner Freundin sollte dir das nicht peinlich sein.“ Geschockt stand Link im Wohnzimmer, fühlte sich wie im Schwebefieber. Zelda war nicht seine Freundin, sie war einfach nur eine Freundin. Link wusste nicht wirklich, was er darauf sagen sollte und hoffte, Zelda bekam das nicht in den falschen Hals. Aber es schien sie tatsächlich überhaupt nicht zu kümmern. Mit ihrem sündenvollen Outfit, der kurzen Hotpant und dem eng anliegendem Shirt hüpfte sie in die Küche und bereitete für ihren Heroen die Mahlzeit vor. Seine Mutter ignorierend kratzte sich Link dümmlich an einer hellen Augenbraue. ,War das eigentlich noch normal, was hier passierte. Irgendwie skurril, dass er von der Prinzessin Hyrules bedient wurde. Und noch skurriler klang der Gedanke, dass er mit der Prinzessin Hyrules befreundet war…‘ „Äh… was gibt es eigentlich zu essen?“, murmelte der junge Held, um seine Mutter von ihren Theorien über ihn und Zelda abzulenken, obwohl er doch wusste, was auf dem Speiseplan stand. „Deine Freundin hat mir geholfen dein Lieblingsessen zuzubereiten“, sprach sie grinsend. „Verdammt nochmal, Mum, was ist eigentlich daran so interessant, dass Zelda in meinem Freundeskreis ist!“, fauchte er energiegeladen. Sein Gesicht war mittlerweile kirschrot. „Du tust gerade so, als…“ „… als wäre ich froh, dass du endlich eine Freundin hast?“, beantwortete sie für ihn und redete aufbrausend weiter: „Natürlich bin ich froh, dass dem so ist, ich dachte schon, du bist homosexuell.“ Und das passte nicht in das konservative Weltbild einer Meira Bravery. Sie trat näher, tätschelte zufrieden Links glühend rote Wangen, dem jegliche Spucke im Mund entschwunden war. Er sah aus, als habe er einen Tritt in seine edelsten Teile bekommen. Erst als seine Mutter das Wohnzimmer verlassen hatte, rief Link aufbrausend hinterher: „Selbst wenn es so wäre, hat dich das nicht die Bohne zu interessieren!“ Aber Meira lachte nur und begab sich auf ihre heißgeliebte Hollywoodschaukel im Garten. Seine Augen bedeckend und irgendwie erniedrigt angesichts des Gedanken, er würde Männerärsche mögen, tapste Link in die Küche. Er war ja tolerant in jeglicher Hinsicht, aber er war eigentlich, zumindest dachte er das von sich selbst, durch und durch testosterongesteuert und mochte Frauen. ,Sollte er Zelda leidenschaftlich küssen, damit seine Mutter Ruhe gab?‘, dachte er. Kopfschüttelnd atmete er tief durch und war erst Sekunden nach dem Gedanken irritiert, weshalb er überhaupt darüber nachdachte. Andererseits… Er zwinkerte beschämt… Er musste zugeben, dass seine Prinzessin alles andere als… hässlich und… uninteressant war. Eigentlich war sie… unheimlich sexy… und sie hatte keinen festen Freund… Tatsächlich war Zelda in der Küche sehr bemüht und es gab wirklich sein Lieblingsessen. Man musste dazu sagen, dass Links Lieblingsspeise aus einer riesigen Portion von allen Dingen, die er für sein Leben gern aß, bestand. Dazu zählte eine Pfanne von seinem Lieblingsgemüse, den Rahmkarotten, ein Hirschschnitzel mit Walnusspanade, ein Steak und Hähnchenfleisch, jeweils mit Kräuterbutter, Sahnekartoffeln, frischer Kopfsalat mit selbst gemachtem Dressing und einer Süßspeise als Nachttisch. Zelda hatte inzwischen sogar den Tisch gedeckt, ihm ein Glas Cola hingestellt. Es war so offensichtlich, dass sie ein sehr schlechtes Gewissen und gemeine Schuldgefühle hatte. „Zelda.“ Und endlich konnte er ihre Aufmerksamkeit auf sich lenken. Sie hielt sich verklemmt ihre Hände hinter den Rücken, als sie bemerkte, dass er in die Küche getreten war. „Äh… möchtest du nicht Platz nehmen?“, meinte sie unsicher. Sie spielte mit ihrem langen, blonden Haar, dass sie geflochten am Rücken trug. Er nickte lächelnd. „Du musst dir nicht solche Mühe machen… ich meine, es freut mich, aber… ich habe dir längst verziehen, du musst keine Schuldgefühle mehr haben.“ Sie atmete tief aus und wand sich seitlich: „Also… ehrlich gesagt, wollte ich dir einfach etwas Gutes tun, nachdem gestern so vieles passiert ist. Und außerdem… ich hatte damals kaum die Möglichkeit in einer Küche zu stehen.“ Sie grinste etwas. Er lächelte wieder: „Verstehe… dann ist es ja kein Problem.“ Er nahm Platz und murmelte ein liebgemeintes ,Danke‘ über seine Lippen. Er aß in aller Ruhe, genoss die Unbeschwertheit des Tages und bat bloß darum, dass so etwas Schreckliches wie gestern nicht noch einmal passierte. Außerhalb lachte die Sonne und doch lag eine angenehme kühle Brise in der Luft, ließ den sonnigen Tag nicht zu heiß werden und weckte die Lust ins Freie zu gehen, die Natur zu genießen. Und Link hatte schon eine Idee, wie er den Tag mit seiner Prinzessin gestalten konnte… und vielleicht ergab sich auch die Möglichkeit über die Dinge zu reden, die noch ausstanden… über Hyrule… über das, was damals war, wie es sein konnte, dass Zelda plötzlich hier war, und über das Grauen in der Kirche… Als der Nachmittag anbrach, hatten sich die beiden hylianischen Seelen zu dem Gestüt von Marons Eltern begeben. Link hatte die Idee gehabt, dass sie beide das angenehme, sonnige Wetter für einen Ritt in die Wälder ausnutzen konnten und er hatte auch schon eine Idee, welche Orte er Zelda zeigen konnte. Immerhin hatte sie, obwohl sie nun schon ein halbes Jahr auf dieser Welt war, kaum etwas gesehen. ,Und es würde ihr gut tun‘, entschied der junge Held. Er ahnte, dass einiges vorgefallen sein musste in der Vergangenheit… warum sonst sollte Zelda so verbittert und traurig sein? Als sie das Haus von Maron und ihren Schwestern erreichten, hatte die gute Freundin von Link, bereits zwei Reitpferde gesattelt und alles vorbereitet. Link bedankte sich auffallend und verschwand für einige Sekunden im Stall um Reitstiefel und entsprechende Kleidung für sich und seine Prinzessin zu besorgen. Und es war da, dass Maron die einstige Königstochter unter die Lupe nahm. „Es scheint zwischen euch ja wieder alles bestens zu sein“, meinte sie neugierig. „Ich hab‘ mir schon Sorgen gemacht, dass Link durchdreht.“ „Dazu hätte er auch allen Grund gehabt…“, sprach Zelda widerwillig und biss sich dann auf die Lippe. Erneut kochten ihre Schuldgefühle hoch. „Was du nicht sagst… Ich hoffe nur, du meinst es ernst mit Link.“ Und die schöne Maron strich ihr kastanienbraunes Haar zurück. „Du kannst froh sein, dass er so leicht verzeiht…“ Zelda seufzte, erinnerte sich nicht gerne an die Diskussionen, die sie mit Maron wegen Link gehabt hatte. Normalerweise hätte sie zickig und überlegen auf so eine Aussage reagiert, aber wo Maron Recht hatte, hatte sie einfach Recht… Link hätte allen Grund gehabt, ihr aus dem Weg zu gehen. Aber er handelte immer so unvorhersehbar. „Nun ja, du bist wichtig für ihn, vergiss‘ das nicht. Ich hoffe, du weißt das zu schätzen.“ Erneut schwieg die einstige Königstochter. Ihre himmelblauen, mit Schatten bedeckten Augen blickten betreten zu Boden. Wenn sie etwas zu schätzen wusste, dann die Tatsache, dass Link trotz allem zu ihr hielt. Nur hatte sie immer das Gefühl, dass sie dies nicht verdiente. Gerade da riss Link sie aus ihren Gedanken. Er drückte ihr lächelnd Reitstiefel und Schutzkleidung in die Hände. Sein Lächeln tat so gut… etwas unverschämt, gelassen und tapfer, so wie früher. „Wollen wir dann los?“, fragte er, worauf sie zustimmte. Und es dauerte nicht lange, da waren die beiden unterwegs in den Wäldern, ritten wie Held und Prinzessin auf der Flucht vor ihrem Schicksal und den Pflichten, die Hyrule einst mit sich brachte, davon. Schweigend fanden sie ihren Weg durch das sattgrüne Labyrinth aus märchenhaften Pfaden und altehrwürdigen Baumkreaturen. Erst an der Münzquelle rasteten sie, ließen sich auf der Wiese vor der alten Quelle nieder und ließen die Zeit vorbeistreichen. Es war einiges zu erklären, Worte mussten gesagt werden, die keiner von beiden gerne hörte, und Link wollte vor allem verstehen, warum Zelda erst seit so kurzer Zeit in Schicksalshort war. Und trotzdem schaffte keiner den Anfang… „Hast du dich denn einleben können hier in Schicksalshort? Hast du Kontakte knüpfen können?“, sprach Link und kaute genüsslich an einem Grashalm. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Anhand von Zeldas trübsinniger Miene merkte er sehr schnell, dass dem nicht so war. Wie auch… sie hatte sich zurückgezogen und schützen müssen. Sie seufzte. „Nun ja, es war… etwas schwierig…“ „Sorry, die Frage war blödsinnig…“, erwiderte er und blickte ihr aufmunternd entgegen. Sie scheute seinen Blick, spielte mit ihren Händen an einem Ring, den sie schon trug, als Link sie fand. „Nein, es ist in Ordnung.“ Der junge Mann konnte deutlich hören, dass sie mit ihrer Stimme versuchte ihren Zustand zu überspielen. Sie gab sich alle Mühe sich zusammenzureißen, ein starkes Mädchen zu spielen, und sie war unleugbar stark für das, was sie auf ihren Schultern stemmte, aber konnte sie denn trotz allem nicht ehrlich sein? Vor allem zu ihm? „Kannst du denn nicht einfach mal zugeben, dass es dir nicht gut geht“, sprach Link, zog dann das grüne Bascape über sein Gesicht und bereute die Frage wieder. „Ich würde es dir doch nicht übel nehmen…“, ergänzte er. Unter anderen Umständen hätte die einstige Königstochter zickig darauf reagiert, aber sie wusste einfach nichts darauf zu sagen. Und sie wollte sich nicht erneut mit Link streiten. Es gab genug Konflikte… genug böse Worte… und genug grausame Empfindungen hier in dieser Welt und auch in der Vergangenheit. „Außerdem müssen wir früher oder später darüber reden. Ich will dich nicht drängen, aber wir müssen über Hyrule reden, ich muss das alles erfahren…“, murmelte er und konnte in ihren Gesichtszügen sehen, wie schwer ihr das Thema fiel. Ihre Augen wurden gläsern… „Ich weiß“, meinte sie schwach. Sie rieb sich über die Augen. „Ich… will das nicht vor dir verheimlichen…“ „Aber?“, meinte er leise. „Es gibt kein wirkliches ,Aber‘.“ „Aber…“, wiederholte Link bewusst. Darauf musterte sie ihn traurig, tauchte ein in das tiefe, dunkle Blau seiner Augen. Sie tauchte ein in dieses Gefühl, das seine Seelenspiegel offenbarten und wünschte sich beinahe diese Seele dahinter berühren zu können. „Link… ich kann nicht“, seufzte sie. Dann hüpfte sie auf die Beine, tapste zu der Quelle, wo springbrunnenartig aus einem Felsen frisches Wasser sprudelte und in einem großen Becken aufgefangen wurde. Sie setzte sich auf das Gestein am Rande des Beckens, fühlte sich erbärmlich, dass sie ihm noch immer nicht sagen konnte, was gesagt werden musste. Und je mehr sie sich mit dem wiedergeborenen Link auseinandersetzte, seit der Rückkehr ihrer Erinnerungen, umso klarer wurde ihr, warum sie vor ihm weggelaufen war. Denn er hatte sich mit seiner Wiedergeburt überhaupt nicht verändert. Sein Antlitz war das perfekte Spiegelbild des Helden der Zeit… Ja, es gab da etwas in der Vergangenheit, das niemand wusste außer ihr und dem Heroen… nicht einmal Impa. Und darüber konnte die Prinzessin garantiert nicht reden. Plötzlich spürte sie ein paar Hände auf ihren Schultern, eine mitfühlende Geste. „Zelda… ich werde dich nicht zwingen über irgendetwas zu reden, solange du dich nicht wieder so distanzierst…“ Auch er ließ sich neben ihr an der Quelle nieder. „Nur dachte ich, wir müssen Vorkehrungen treffen wegen diesen Angriffen auf dich und mich. Wir müssen den Feind in der Kirche aufhalten, habe ich Recht? Es ist unsere Aufgabe, schätze ich.“ Sie nickte, spielte erneut etwas nervös an ihrem hübschen Smaragdring. ,Es war in der Tat ein sehr edles Schmuckstück‘, dachte Link. Jemand, der ihr wichtig war, musste ihr diesen Ring geschenkt haben. Der Ring bestand eigentlich aus zwei dünnen Fäden Weißgold, die ineinander verschlungen waren, ein mattes und ein glänzendes. Und an der sichtbaren Seite waren einige Smaragde in Form eines Vogels angebracht, eingebettet in dieses eigenwillige, geflochtene Edelwerk. „Ja… wir sollten ihn aufhalten, aber ich habe noch immer keine Ahnung wie“, erklärte sie deutlicher. „Ich bin mir der Verantwortung bewusst, dass ich eine Lösung finden muss.“ „Das bezweifle ich doch nicht.“ Sie schwieg darauf. „Außerdem bist du nicht alleine dafür verantwortlich… lass‘ dir doch von mir helfen.“ ,Damit zwischen uns alles so schief läuft wie damals…‘, sprach sie in Gedanken. Sie spielte dann so zittrig mit ihrem Ring, dass sie ihn von dem Finger nahm, und an die andere Hand stecken wollte. Doch gerade da fiel ihr das kostbare Schmuckstück purzelnd aus der Hand, fiel in das tiefe Becken der Quelle. Panisch hüpfte das blonde, hübsche Mädchen auf die Beine, wollte den Ring noch fangen, aber erreichte ihn nicht mehr. „Verdammt! Mein Ring!“, rief sie entgeistert, worauf auch Link aufsprang. Hilflos sah sie nach unten in das vielleicht drei Meter tiefe Becken, und sah drein, als war ihr alles zu viel. Sie hielt ihre rechte Hand über die Augen und schüttelte entmutigt ihren Kopf. „Auch das noch.“ Link berührte sie sanft an ihrem Handgelenk, lächelte sie aufmunternd an und zog sich im gleichen Augenblick seine Turnschuhe und das grüne T-Shirt aus. Mit einem Hüpfen, und noch ehe Zelda realisieren konnte, was er tat, war er in der Quelle und tauchte nach dem Ring. Es war etwas schwierig ihn von den vielen Münzen am Grund zu unterscheiden, aber er fand ihn dann doch ziemlich schnell und vielleicht auch, weil er mittlerweile sehr lange tauchen konnte. Mit einem angenehmen Grinsen im Gesicht und sogar etwas begeistert von dem erfrischendem Wasser tauchte Link wieder auf. Er öffnete seine linke Hand und hatte darauf den edlen Ring seiner Prinzessin von Hyrule. Irritiert blickte Zelda auf das Schmuckstück und dann in das nasse Gesicht ihres Heroen. Endlich lächelte sie. „Danke…“, sprach sie, steckte den Ring wieder an ihre Hand und reichte Link beide Hände um ihm ins Trockene zu helfen. Als er im Trockenen stand, sich seine Haare auswrang, wurde er plötzlich von seiner Prinzessin umarmt und das, obwohl er klatschnass war. Er war verblüfft, erwiderte die Umarmung aber dann zaghaft. Machte ihr das nichts aus, dass er völlig durchgeweicht war? „Hey, es ist ja keine Ursache“, sprach er dann und streichelte mit seinen nassen Händen ihren Rücken. Er nahm an, dass Zelda ihm die Umarmung schenkte, weil er ihr dieses wichtige Schmuckstück wiederbrachte. Erst als Zelda zurückwich und ihre Wangen erhitzt und rot waren, ahnte er, dass mehr dahinter steckte. „Erzählst du mir von diesem Ring?“, meinte er neugierig. „Oder…“ Doch da nickte sie. Dann begann sie mit einer kleinen Geschichte: „Es gab in Hyrule viele Legenden und Sagen… ich habe einige Bücher gelesen über die alten Generationen. Einst fand ich ein Buch über die Helden Hyrules… und ich las sehr traurige Geschichten in der Vergangenheit.“ Sie machte eine kleine Pause, wo sie sich beide wieder auf die Decke neben der Quelle begaben und Link sich vom Sonnenlicht trocknen lassen konnte. „Erzähl‘ mir mehr“, bat er inständig. „Es gab alte Geschichten von… von… Helden und Prinzessinnen, auch eine Geschichte von einem Heroen und einer Göttin.“ Ihre Stimme war leise und verhalten. War sie nervös nur wegen einer Geschichte? „Es gab auch sehr traurige Erzählungen, und manche der Geschichten waren emotional und sehr liebevoll erzählt. In einem Buch fand ich die Abbildung eines Rings, dem ein Held seiner Angebeteten geschenkt hatte.“ Sie achtete darauf, ihrem Heroen nicht in die Augen zu schauen und hoffte er nahm deswegen nicht an, dass sie Zuneigungsgeständnisse von ihm erwartete, denn dem war nicht so. „Bis ich herausfand, dass dieser Ring in der königlichen Schatzkammer verborgen war. Ich weiß nicht, warum… aber etwas faszinierte mich an dem Schmuckstück, obwohl ich Schmuck nicht unbedingt mag.“ „Außer meiner Ohrringe, hoffe ich“, sprach er mit großen Augen. „Ja, ich mag deine Ohrringe…“, erwiderte sie, bemüht zu lächeln. Er gab sich so viel Mühe sie von ihrem Trauma abzulenken, und es tat ihr gut. „Jedenfalls erinnert mich dieser Ring immer an Hyrule…“ „Dem Himmel sei Dank, dass es so ist… ich dachte schon, der Ring ist von einem Verlobten…“, verplapperte sich Link und konnte im nächsten Augenblick nicht glauben, dass er das gesagt hatte. Was ging es ihn an, wenn Zelda einen Verlobten hatte? Ihre Augen wurden daraufhin leicht bissig und schlitzartig. Sie war etwas verärgert im ersten Moment, wollte Link aber nicht zurechtstutzen. Er wusste nichts von damals und wusste nicht, dass sie tatsächlich jemandem versprochen wurde. Es war eines der positiven Dinge, die Zelda dieser neuen Welt abgewinnen konnte: die Tatsache, dass sie keinen dahergelaufenen Möchtegernprinzen heiraten musste… „Ich kann immer noch nicht glauben, wer ich bin…“, sprach er nach einer Weile. Verständnisvoll blickte Zelda zu ihm. Er lag ausgebreitet auf der Decke, etwas angespannt. Und einzelne Wassertropfen auf seinem Gesicht und seiner Brust glitzerten im Sonnenlicht. „Ich wusste immer, dass mit meinem Leben etwas nicht stimmte, ich fühlte mich immer wie ein Sonderling, aber zu wissen, dass ich einst in Hyrule lebte und wohl eher ein Schwertfechter bin, ist irgendwie… nicht fassbar. Ich dachte immer: die ,Legende von Zelda‘ wäre nur ein Spiel. Es ist einfach verrückt, so verrückt, dass ich immer noch glaube, ich träume.“ „Ich würde mir sogar wünschen, dass dies alles nur ein Traum ist…“, entgegnete sie. „Mir geht es genau umgekehrt.“ Wieder ein kleiner Hauch der belastenden Erinnerungen, die Zelda preisgab. Aber nur ein Hauch… „Wir können nicht darüber reden, was?“, sprach Link dann, richtete sich auf und zwinkerte ihr entgegen. Es war nicht nur, dass es auch ihm ungeheuer schwerfiel, Zelda genauere Fragen zu stellen, er spürte deutlich, dass sie es nicht konnte. Sie konnte nicht darüber reden… sie konnte nicht… es tat ihr weh… Er streichelte ihr Kinn, erhielt einen überraschten Blick von seiner Prinzessin und hob ihr Kinn sanft in seine Richtung. Mit Schatten belegte himmelblaue Augen musterten ihn. „Zelda… wir schaffen das, egal, was noch auf uns zukommt… Wir schaffen das.“ Seine Worte waren so Mut erfüllt, und es war genau das, was ihn über die Leben hinaus auszeichnete. Über Leben und Welten hinaus blieb sein Herz rein und tapfer. „Du bist ein Schatz… Link…“, sprach sie und schenkte ihm das erste ehrliche Lächeln in diesem kleinen Ausflug. Er grinste, wissend, zwischen ihnen war alles soweit okay. Sie hätte diese Worte niemals ohne Grund gesagt. „Natürlich, ich bin schließlich der Held Hyrules.“ Er lachte und ließ die Worte leise in den Wäldern ausklingen… Es war irgendwann am frühen Morgen des nächsten Tages… Das trübe Morgenlicht, welches träge und fließend in die gemütliche, unaufgeräumte Stube eines jungen Helden glitt, lockte und verführte zum Blinzeln… Himmelblaue Augen öffneten sich forschend für ein wenig Sicherheit und Verständnis für die Ereignisse am Vortage… Es war angenehm hell in jenem Raum, fast beruhigend und verwöhnend, die schillernden Lichtstrahlen hier irgendwo am Rande der Wirklichkeit… Sie wusste nicht, ob sie tatsächlich wachte oder ob ihr Bewusstsein Wege eingeschlagen hatte, die sie über Brücken und Täler jenseits von Schlaf und Wachen führte… Sie blinzelte wieder, umfangen von einer angenehmen Wonne, Zartheit und Geschmeidigkeit, als würde ihre Seele in Blumen baden gehen. Ihre Augen wanderten, fielen in jede Ecke des Zimmers, wo alles an seinem Platz zu sein schien und doch wirkte es fremder als sonst: Die Gardinen zerrauft. Getragene Kleidung über dem Sofa. Und das zerwühlte Bett, in welchem sie genießend ruhte… Sie richtete sich langsam auf. Nur ein paar Schrammen und ein zerrissenes rosa Kleid waren Dinge, die sie bemerkte, bevor ihre himmelblauen Augen in jene Ecke des Raumes fielen, wo er stand. Ihr den Rücken zugewandt. Entseelt und alleingelassen wirkte sein Anblick. Und jegliche seiner Bewegungen schienen in Zeitlupe zu vergehen, als wollte die Göttin der Zeit jenem beobachtenden Mädchen erfahrbar und begreiflich machen, dass auch ein Held das Recht auf Schwäche und einnistende Zweifel hatte. Als wollten die alten Mächte der Welt der einstigen Prinzessin Hyrules zu verstehen geben, dass ihr Held sie brauchte, gerade jetzt, wo er allmählich sich selbst und sein Schicksal kennen lernte. Trübsinnig stand er da… direkt vor der Konsole für die Legende, die eine große Vergangenheit erzählte. Ihre zitternden, schwachen Beine baumelten von der Bettkante, ständig den vertrauten Anblick des Freundes im Blick, der ihr mehr als nur einmal das Leben gerettet hatte… und nie hatte sie etwas vergleichbares geben und schenken können… weder hier noch damals… Er hatte immer beschützt… mit Worten… mit seinen Händen und mit seiner Seele ohne es zu wissen. Sie ertappte sich selbst, als sie taumelnd auf die Beine kam, ergriffen von dem Wunsch, einfach nur zu ihm zu gelangen. Das Wieso und Warum nebensächlich und unnötig. Gefühle von Damals und heimliche sündhafte Wünsche in der Gedankenwelt ihres Hinterkopfes. Es gab so viel, was sie sagen wollte und doch nie konnte. Und vielleicht gewährte dieser Funken Unwirklichkeit am Morgen ihr die Offenheit und den Mut für bisher unausgesprochene Worte und unvollendete Taten. Schwankend fand sie ihren Weg, aber sie fand ihn- zu ihm, zu ihrem Seelenverwandten, der noch immer ihr den Rücken zu gewandt vor ihr stand. Sie neigte den Kopf und legte ihre Hände eingeschlagen auf ihre Brust, nicht sicher, ob er ihre Nähe überhaupt wollte. Sie trat zaghaft, ein wenig zitternd und ängstlich an ihn heran und schlang die Arme um seine Körpermitte. Er sagte nichts und rührte sich nicht. Und viele Gründe konnte es für sein Verhalten geben. Erst als Zelda schutzsuchend ihren Kopf an seinen Rücken presste, entkam ein leichtes Seufzen aus seinem Mund und seine Hände legten sich sanft auf ihre. Seine Fingerkuppen streichelten ungezwungen über die zarte Haut ihrer Hände, als wären sie das kostbarste, was er je hatte berühren dürfen. „Zelda…“ Seine Stimme so warm und voller Anteilnahme. Erst jetzt realisierte sie diesen Ausdruck darin. Zärtlichkeit in der Stimme, die sich drohend und gewaltig über ein Schlachtfeld erheben konnte… „Ist dies Wunsch? Ist es Traum?“ „Beides…“,flüsterte sie. „Und noch mehr.“ „Realität…“ „Auch das“, erwiderte sie, nicht begreifend, warum sie einander im Augenblick so nah waren. „Empfindungen… sind diese Schicksal?“ Und damit wand er sich um, nahm ihre Hände in seine und träumte in den Augen, die er ein Leben lang vermisst hatte. „Unsere?“, murmelte er, als sie nicht darauf antwortete. Doch welche Gefühle und Empfindungen meinte er im Augenblick? Auch wenn Zelda die Antwort nicht kannte, so wuchs in ihr der Wunsch jene Frage zu bejahen. Sie nickte und fühlte sich sofort und ungemein zärtlich in eine wärmende, innige Umarmung gezogen. Sie wusste nicht wieso, sie wusste nicht die Ursache oder ahnte um die Folgen… aber es fühlte sich so richtig an, so unleugbar angenehm. Er wich nur wenige Zentimeter zurück, versank halb in ihren Augen, fixiert auf die himmelblaue Farbe darin und strich einige goldene Strähnen hinter das rechte Ohr seiner Prinzessin. „Bleib’ bei mir…“, flüsterte er und hauchte seinen Atem an ihr Ohr. Ein Zittern… Ein Kribbeln… Ihre Augen begegneten seinen, erzählten von Durst nach Nähe und Wärme, von Sehnsucht nach Wonne und Liebe. „Damals, als ich dich fand… Ich wusste, dass ich dich kannte.“ Er umschloss ihren Körper erneut mit den starken Armen. „Ich wusste, dass wir zusammen gehören.“ Er beugte sich näher zu ihrem anmutigen Gesicht, während sie sprachlos seinen Worten folgte. „Ich werde dich immer beschützen.“ Kurz bevor seine Lippen ihre berühren wollten, wand er sich ab, zeigte Abweisung, wohl, weil er selbst nicht verstand, weshalb er auf eine sicherlich verbotene Weise reagierte. Und erneut stand er mit dem Rücken zu ihr, ein wenig zu unwirklich, um dieses Erlebnis nur ansatzweise für wahr zu erachten. Auch die junge Prinzessin wand sich um, blickte verwundert zu Boden und ließ die schweren Augenlider herabsinken. „Link. Ist das unser Schicksal?“ Zelda trat leise zu dem zerwühlten Bett. Sie kuschelte sich unter die Decke. Sein Blick forderte ein aussagekräftiges Lächeln aus ihrem Gesicht, forderte und forderte. „Zusammen zu sein?“, meinte er und blieb vor dem Bett stehen. „Hier zu sein. Freunde zu sein… mehr zu sein…“ Träumerisch krabbelte er über das Bett zu seiner Prinzessin herüber und beugte sich wieder zu nah, um nicht irgendwann eine zärtlichere Liebkosung zu wagen. „Irgendwann werde ich mir das hier erlauben dürfen“, meinte er. „Irgendwann gibt es auch für uns ein ,Wir’.“ Seine Worte sinnlich und zart. „Irgendwann liebe ich dich.“ Und die Vision verebbte und kein Beteiligter würde sich erinnern. Gegen Mittag des nächsten Tages trat Link leise in sein Zimmer und zog als Erstes die Gardinen zur Seite, gewährte den Sonnenstrahlen das Hereindringen in sein gemütliches Zimmer. Seine Seelenverwandte, und wohl der wertvollste Mensch für ihn selbst, schlief bereits länger als zehn Stunden in seinem Bett, nachdem sie gestern endlich wieder Zeit miteinander verbracht hatten. Zelda war früh schlafen gegangen und immer noch nicht aufgewacht. Er kniete neben dem Bett nieder und zog die Decke, welche sie schützend über ihren Kopf gezogen hatte, ein Stückchen hinab. Und Zelda hatte ihre Augen immer noch geschlossen. Die Sonnenstrahlen beleuchteten sanft ihr wunderschönes Gesicht und brachten ihr ohnehin schimmerndes Haar zum Funkeln in goldenen Farben. Bedachtsam streichelte Link über ihre zu ihm gewandte Wange und säuselte lieblich ihren Namen. Sie drehte sich um und sagte in etwa: „Lass’ mich in Ruhe“, oder so ähnlich und kümmerte sich nicht um ihren Helden, der neben seinem Bett den Kopf schüttelte. Aber er musste Zelda jetzt wecken, denn Impa stand im Wohnzimmer und wartete auf ihr Erscheinen. „Willst du nicht endlich aufstehen? Impa wartet auf dich.“ „Soll’ sie doch warten…“, nuschelte sie in das Kissen, welches sie wie ein Kuscheltier zu sich heranzog. Aber Link hatte keine andere Wahl, als seinen Engel jetzt zum Aufstehen zu zwingen. Er zog die Decke mit einem Ruck von dem Bett herunter und packte Zelda unter ihren Armen, sodass sie aufrecht saß. Er hörte zwar ein verärgertes Schnaufen, aber dann zeigte sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Und schließlich, öffneten sich ihre Augen wieder, auf eine fast wundersame Weise. Überrascht rieb Zelda sich den Schlafsand aus den Augen und fühlte sich mehr als erleichtert, als sie ihre Gedanken ordnete und erinnerte, wie schmerzhaft die letzten Tage waren. „Morgen, Zelda. Wie fühlst du dich heute?“ „Wunderbar.“ Sie lächelte leicht, streckte sich und gähnte. „Ich habe schon lange nicht mehr so gut geschlafen…“ „Ich… hab’ mir Sorgen um dich gemacht“, meinte Link. „Vielleicht solltest du aufhören, dir Sorgen um mich zu machen und selbst versuchen einige Stunden zu schlafen.“ Denn sie sah in seinen Augen, wie lange er neben dem Bett gewacht hatte, um sicherzugehen, dass sie sicher war… Und sie konnte ihm ansehen, wie müde er doch war. Link blickte sie tatsächlich todmüde an und erwiderte: „Vor dir kann ich wohl nichts verbergen, hm?“ „Wahrscheinlich nicht…“, sagte Zelda, blickte weg und faltete ihre Hände auf ihrem Schoß. Und es erschien ihm, als würde sie nicht bereit sein, sofort mit Impa nach Hause zu fahren, es schien ihm, als wartete sie auf etwas. „Ich…“, fing sie an. „Danke für vorgestern… nach allem, was passiert ist und was ich getan habe, hättest du das nicht für mich tun müssen, auch der Tag gestern… war wunderschön…“ Sie wollte mit ihren Entschuldigungen anfangen, sich dafür rechtfertigen, warum sie sich so sehr von ihm ferngehalten hatte, aber es interessierte ihren Helden im Moment einfach nicht. Link schwieg und fand ihr Verhalten so entzückend. Spontan gab er ihr einen Kuss auf die Wange. Zelda wäre vor Überraschung beinahe nach hinten weggekippt und blickte ihn verlegen an. Doch Link sagte nur: „Impa wartet.“ Zelda nickte und verließ das Zimmer. Einige Wochen vergingen. Die Zeit der letzten Schultage war angebrochen. Für Link, Zelda und die anderen waren schließlich stressige, nervenaufreibende Tage mit Klausuren, Kurzkontrollen und mündlichen Leistungskontrollen vorüber. Link saß gerade gelangweilt und nervös zugleich auf seiner Schulbank, während Ines Schattener die Zeugnisse austeilte. Nach der Prozedur stürmten die Schüler frohen Herzens aus dem Raum. Link ging auf Zelda zu, die gerade in ihrer Schultasche herumwühlte. Sie blickte erst auf, als er schon vor ihr stand und sich räusperte: „Ähm… ich wollte dir nur sagen, dass ich morgen, jetzt da Ferien sind, und in letzter Zeit nichts ungewöhnliches mehr geschehen ist, in ein Ferienlager in Irland fahre. Ich werde also nicht hier sein.“ Zelda blickte ein wenig überrascht und im nächsten Augenblick leicht traurig drein. „Oh…“ „Sorry, dass ich es dir nicht früher gesagt habe… ich hab‘ die letzten Tage kaum mehr daran gedacht“, sprach der junge Mann und hatte irgendwie das Gefühl, er müsse sich rechtfertigen. Zelda nickte zögerlich. „Ja… okay, schön, dass du Bescheid gesagt hast.“ Sie spürte den Impuls ihn darum zu bitten, hier in Schicksalshort, bei ihr, zu bleiben, aber sie bremste sich zwingend und schloss die Augen. Link sah aus dem Fenster und wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Er spürte, dass es ihr schwerfiel mit ihm zu reden, vielleicht auch über das, was noch gesagt werden musste. Selbst in den letzten Wochen, wo sie sich ab und an gesehen hatten, verschwieg sie ihm die Vergangenheit. „Ich hoffe, du kannst endlich mal ein wenig abschalten. Es ist viel geschehen…“, murmelte sie unsicher. „Ja, richtig. Und es ist noch nicht vorbei.“ Zelda stand auf und starrte neben ihm aus dem Fenster. „Bist du dir sicher, dass du das jetzt tun möchtest?“ „Ja, ich habe das Gefühl, dass jetzt ein guter Zeitpunkt ist, dass ich mir über alles klar werden kann, jetzt wo die letzten Wochen so ruhig waren und der Dämon in der Kirche scheinbar keine Angriffe mehr startet… und dazu brauche ich etwas Distanz…“ Ein trauriger Ausdruck, gefangen in Schuldgefühlen und Schwermut bildete sich auf ihrem bildhübschen Gesicht. Sie nickte und murmelte leise: „Ich möchte mich bei dir entschuldigen… und würde dir gerne alles erklären.“ „Ich weiß, aber vielleicht ist jetzt noch nicht der richtige Zeitpunkt dafür.“ Es gab so einiges, was Link seit Wochen versuchte zu begreifen: die ganzen seltsamen Geschehnisse, die verflixten Fragen in seinem Kopf bezüglich Zelda und… Hyrule. „Also, pass gut auf dich auf, ja“, meinte Zelda, der Besorgnis im Gesicht geschrieben stand. „Versprochen, und du, sei ebenso vorsichtig und bleib‘ in Ines Nähe, besonders, wenn die Nacht hereinbricht. In zwei, drei Wochen bin ich wieder hier.“ „Mmh, ich wünsche dir… Klarheit über alles und eine angenehme Zeit dort… in Irland…“ Zelda schien es die Stimme genommen zu haben und ihre Augen wurden gläsern. Sie wusste, dass sie ihn schrecklich vermissen würde, dass sie sich um sein Wohlergehen sorgen würde, wollte sich jedoch nichts anmerken lassen. „Gut, dann bis bald“, sagte Link. Damit verschwand er aus dem Raum, auf in die wohlverdienten Ferien. Zelda blieb noch eine Weile in dem Raum stehen, drückte ihre Hände auf ihr Herz und sprach ein schluchzendes: „Gut…“ ,Es war in Ordnung‘, dachte sie, der beste Verlauf der Dinge. Es war gut, wenn Link so weit wie möglich außer der Reichweit des dunklen Lords war… nur so konnte er überleben… Link stand gerade am Bahnhof. Sara und seine Eltern hatten sich bereits von ihm verabschiedet. Er grübelte noch kurz nach, ob er auch nichts vergessen hatte. Schwert und Dolche? Ja, hab’ ich. DS und Link’s Awakening, die Oracle- Serie und A Link to the Past? Spirit Tracks? ,Jep, habe ich alles eingepackt‘, dachte er. Das wichtigste würde er wohl nicht vergessen… Mit einem ächzenden Geräusch fuhr der Zug heran. Link nahm seinen Rucksack auf, schnappte sich seine Reisetasche und stieg in den Zug, ohne zurückzublicken. Er setzte sich in das oberste Abteil und blickte mit einem Seufzen aus dem Fenster. Der Zug fuhr los und Link würde einmal total abschalten in dem Ferienlager, für welches er sich vor nicht allzu langer Zeit angemeldet hatte. Ja, endlich einmal weg von den vertrauten Orten, auf in ein anderes Land, eine andere Welt… Kapitel 24: Ein neues Abenteuer ------------------------------- Teil II Ein neues Abenteuer Umgeben von den herrlichen Bergen Irlands lag ein beschauliches Ferienlager mitten auf einer riesigen, saftig grünen Wiese an einem kleinen, kristallklaren See. Einige einzelne, hochgewachsene Bäume, sowie hier und da ein paar Palmen, wurzelten um ein paar einstöckige Bungalows und um ein größeres Gebäude mit mausgrauem Mauerwerk. Ganz in der Nähe befand sich ein kleineres Fischerdorf und auf einem der vielen, grasigen Hügel ragte ein altes Schloss empor, welches vermutlich bewohnt war. Die Natur hier war rein, der friedvolle Ort lockte jene, die Antworten und Ruhe suchten, hierher. Der junge Held Link lief vergnügt und grinsend auf das große Gebäude im Ferienlager zu, hörte das Rauschen des Meeres aus der Ferne und wollte sich für seinen Aufenthalt hier anmelden. Die Fahrt mit der Fähre und auch die Reise mit dem Bus hierher waren ruhig und ohne Vorfälle über die Bühne gegangen und der junge Held hatte es genossen, abzuschalten, Zeit für sich zu haben, über all‘ die Dinge nachzudenken, die in den letzten Monaten geschehen waren. Entspannt ließ Link seinen Blick nach oben schweifen und beobachtete die weißen Wolkenbällchen, die am Horizont vorüberzogen. ,Endlich frei, endlich Zeit…’ Der junge Held begann zu pfeifen, als er über den spärlich gepflasterten Weg stolperte. Denn schon lange interessierte er sich für fremde Kulturen, wollte einmal weg von Zuhause, wollte neue Leute treffen, andere Gewohnheiten und Mentalitäten kennen lernen und vielleicht in dieser Zeit sich klar werden, was er erreichen wollte, was er in nächster Zeit tun musste und vielleicht auch um herauszufinden, was Zelda für ihn war… Und nach Irland schien es ihn deswegen verschlagen zu haben, da hier die abenteuerlichsten Geschichten über Feen und Kobolde die Gemüter erheiterten. Er blickte sich um und entdeckte eine Tür, auf der ein weißes Papierschild klebte: ,Anmeldung bitte hier‘, in allen möglichen Sprachen notiert. Link trabte darauf zu, bepackt mit seinem schweren Rucksack, anderen Behältnissen mit Krimskrams und der tonnenschweren Tasche, in welcher sich seine Waffen befanden und wollte gerade klopfen, als jemand frech und fröhlich aus der Eingangstür herausgeschossen kam und ihn erbarmungslos über den Haufen rannte. Der junge Mann mit dem grünen Basecape stolperte, fiel nach hinten und die Tasche landete mit einem Krachen auf seinem Bauch. Er ächzte. Als er aufsah, konnte er nicht glauben, dass ein kleiner Wicht ihn buchstäblich umgehauen hatte. Ein Knirps, nicht einmal einenmeterfünfzig groß! Link blickte verärgert drein. „Hallo, kannst du dich wenigstens entschuldigen“, maulte er. Der Knirps meinte mit einer piepsigen Kinderstimme: „Sorry, das wollte ich nicht. Wirklich nicht. Tut mir unheimlich leid.“ Er half Link beim Aufstehen. „Also, ähm, du kannst also meine Sprache? Das ist toll“, sagte der kleine Kerl. Link musterte ihn nun eindringlich. Der kleine Kerl hatte bleierne Augen, besaß braune kurzgeschorene Haare und lugte ungläubig aus einem kleinen Jugendgesicht hervor. „Ähm, mein Name ist Tommy, aber alle nennen mich nur Trolli.“ „Trolli? Eine Anspielung auf deine Tollpatschigkeit vielleicht?“, meinte Link genervt, als er sich den Dreck von seiner blassblauen Jeans wischte. „Sorry noch mal, das war wirklich nicht meine Absicht.“ „Na gut, kannst mit deinen Entschuldigungen wieder aufhören. Link Bravery.“ Und der junge, einstige Hylianer reichte ihm eine begrüßende Hand. „Link? Komischer Name… bist wohl…“ Trolli beendete seinen Satz nicht, als der junge Held ihm einen bitterbösen Blick zu warf. So an sich gefiel ihm sein Name ja, aber er hatte genug durchgemacht, allein der Tatsache verschuldet, dass er nun mal Link war. Link, ein Jugendlicher mit einem außergewöhnlichen Schicksal und einer gigantischen Verantwortung auf den jungen Schultern. „Äh, man sieht sich.“ Dann hüpfte Trolli in Richtung eines Mietwagens, wo eine hochnäsig wirkende Dame mit großer, orangefarbener Brille am Steuer saß. Der einstige Held Hyrules, unbekannt, vielleicht vergessen, aber lebendig, trat dann in das Gebäude und sah eine eigenwillige, rothaarige Frau hinter einem winzigen Räumchen mit Guckloch sitzen. Lässig ging Link mit seinen zwei Reisetaschen direkt auf die junge Frau zu, die sein Kommen nicht bemerkte und mit ihrem Kopf auf und ab wackelte, wohl als Begleitung des Rhythmus’ des Liedes, welches aus ihren Ohrstöpseln dröhnte. ,Und so jemand machte die Anmeldung‘, dachte Link. Jemand, der in seinem Job nichts Besseres zu tun hatte, als Musik zu hören. Link lehnte sich gelangweilt an das Guckloch und blickte die in ihre Gedanken versunkene junge Dame an, sich fragend, wann diese sich endlich aus ihrer selbstherbeigeführten Hypnose reißen lassen würde. Link räusperte sich. Nichts geschah. Erst als Link ein lautes Hallo über seine Lippen brachte, sah die Dame erschrocken auf und fiel beinahe rückwärts von ihrem Stuhl herunter. Sie machte große Augen, als sie den attraktiven Jugendlichen vor sich bewunderte. „Ja, bitte?“, sagte sie tuschelnd und versuchte es mit einem Zwinkern. „Hi, ich wollte mich lediglich anmelden“, sagte Links einprägsame Stimme wie von selbst. Die Dame hinter dem gläsernen Guckloch zog die Augenbrauen nach oben. „Du möchtest ins Camp?“ „Jep, ist das ein Problem?“ „Nein, aber bist du denn nicht ein wenig zu…“ Sie lächelte so, als wollte sie ihn am liebsten gleich verspeisen. „… zu alt dafür?“ Der junge Mann kratzte sich verwirrt am Kopf. „Das Camp ist doch nicht für Kleinkinder“, sagte Link und reichte der merkwürdigen Frau die Kopie seiner Internetanmeldung. Sie sah einsichtig auf die Papiere und schien ein wenig enttäuscht zu sein. „Stimmt was nicht?“, sagte Link und blickte unschuldig grinsend drein. Etwas, was ihn bei vielen jungen Damen in prekäre Situationen brachte und was er lieber lernen sollte zu unterlassen… Sie schmunzelte dann und erwiderte: „Oh, ich hätte dich wohl für älter gehalten“, erwiderte sie mit einem leichten Akzent, der hier in der Grafschaft Kerry üblich war. Sie wies auf eine andere Tür. „Folge der Tür dort“, sagte sie tuschelnd. Schnell setzte Link seine Beine in Bewegung und hörte hinter sich ein schmachtendes Kichern, gemixt mit einem unverbesserlichen: „Schau’ doch mal wieder vorbei…“ Der junge Heroe spürte ihre Blicke in seinem Genick, ließ sich aber nicht auf einen Flirt ein… Gelassen klopfte er an einer weiteren, unauffälligen Holztür. Er wurde hereingebeten und blickte in die Augen eines älteren Herrn, der ernst von seinem Platz aus hervor sah. Er sah Link neugierig an, so als hatte er seine Ankunft erwartet, als wüsste er, wer sich hinter dem markanten, ernsten Gesicht des Jugendlichen verbarg. Derweil blickte sich der gewandte Kämpfer erstaunt in dem kleinen Raum um. An beiden Wänden standen hohe, kastanienbraune Bücherregale und in der Mitte ein kupferbrauner, alter Schreibtisch, hinter dem der Mann auf ein Paar weißen Zetteln herum kritzelte. „Hallo, du musst Link sein.“ „Jawohl, bin ich wahrscheinlich.“ „Nimm’ bitte Platz.“ Und der alte Mann deutete vielversprechend auf den einfachen Holzstuhl vor seinem ungewöhnlich breiten Schreibtisch. Link setzte sich und schaute sich noch einmal genau um. Auf den Regalen standen noch andere Gegenstände als Bücher mit alten Lederumschlägen. Reihenweise alte Artefakte, zum Beispiel ein selbstgebasteltes Schiff in einer Flasche, benutzte Kerzen, zusammengerollte Karten, ein Globus und andere fast mystische Gegenstände. Link fand den Raum hochgradig interessant. Die tiefe, ein wenig kratzige Stimme seines Gegenübers ertönte und Link sah den breitschultrigen, gut gebauten, grauhaarigen Mann genau an. Erst jetzt bemerkte der Jugendliche die seltsame Kleidung, die er trug und die leuchtend blauen Augen, die daraus hervor sahen. Eine schöne Farbe, die ihn an jemanden erinnerte. Eine sehr angenehme Farbe… Der Mann stand auf, lief an das rechte Bücherregal und nahm ein verschmutztes Formular daraus hervor. Er trug einen tiefroten Mantel, welcher ein wenig auf dem Boden schleifte. „Sagen Sie, Mister, wer sind sie eigentlich?“ „Oh… hab’ mich gar nicht vorgestellt, aber egal… meinen Namen merkst du dir doch sowieso nicht. Du bist ja auch gleich fertig. Hier bitte schön.“ Und der Typ reichte ihm einige Papiere. ,Komischer Vogel‘, dachte Link. Dieser Kerl verheimlichte mit Sicherheit einiges, schien die Lösung zu tiefen Rätseln in sich zu tragen und verbarg eine merkwürdige Weisheit in seinem fünfzigjährigen Gesicht. Selbst wenn er sich freundlich gegenüber Link verhielt und in dessen Sprache redete. Irgendetwas Geheimnisumwittertes begleitete jeden Schritt, den der Mann unternahm. Link trat in seine Gedanken versunken aus dem Zimmer heraus und kam ins Grübeln. Diese schöne Augenfarbe war ihm so vertraut und doch konnte er sich im Augenblick keinen Reim daraus machen. Nachdenklich machte sich der Held auf den Weg den Bungalow aufzusuchen, in dem er heute übernachten würde. Die glühende, die Augen gefährlich blendende, Abendsonne ging in langsamem Takt am Horizont unter. Link war fasziniert von der Schönheit der märchenhaften Landschaft, den grünen Anhöhen, der weiten unberührten Natur, und dem warmroten Schein der alten Sonne, welcher über den stillen Hügeln lag. Erinnerung… Melancholie… Ob in Hyrule die Natur genauso wie hier diese faszinierende, lebendige Schönheit besaß? Etwas schwermütig trottete er voran. Ob er in der Lage sein würde das alte Land einmal zu sehen? Ob er in der Lage sein würde, sich irgendwann an sein früheres Leben zu erinnern? Er seufzte abweichend, weil er wusste, dass ihn diese Gedanken nur trübsinnig machen würden. Es brachte ja nichts zu sehr über Hyrule nachzudenken, gerade jetzt, wo er eigentlich Zeit für sich brauchte. Entschlossen sich abzulenken, setzte er sich das Ziel, sobald er seine Sachen in seinem Zimmer verstaut hatte, ein wenig die Gegend erkunden… Der junge Held öffnete eine mit graublauer Farbe bemalte Tür in das kleine einstöckige Haus. Ob seine Zimmergenossen schon hier waren? Link sah sich um, als er in einen kleinen leeren Gang trat, hörte seine Straßenschuhe auf dem steinernen Boden. Der Bungalow hatte rechts ein etwas größeres Zimmer zum Aufenthalt mit zwei breiten Kleiderschränken, einem eckigen Tisch mit abgeschürften Kanten, drei Holzstühlen und einem möglicherweise defekten Fernseher. Links befanden sich ein durchaus geräumiges Bad, mit Dusche, und außerdem noch eine Kochgelegenheit. Am Ende des Ganges war eine weitere Holztür. Link öffnete sie und hätte sie am liebsten gleich wieder zugeschlagen. Der tollpatschige Junge von vorhin schaute belämmert auf, als er seinen mit rosa Blümchen überzogenen blauen Koffer ausräumte und sah ihn scherzhaft lächelnd an. „So sieht man sich wieder, wie war gleich noch mal dein Name? Trolli?“ „Richtig.“ „Na dann, du kannst dich ja gleich noch mal entschuldigen.“ Link grinste. Der kleine Wicht sagte nichts dazu und beäugte den Helden nun genau. Eine seltsame Wirkung schien Link auf die Menschen seiner Umgebung zu haben. Selbst hier in Irland, an einem so unberührten Fleckchen Erde. Auch Tommy spürte sofort etwas Überragendes, etwas beinahe Gefährliches und doch Freundliches, das von Link ausging. Vielleicht war es seine reine Aura oder eben seine Ungewöhnlichkeit. Link stellte seine Tasche und den dunkelgrünen Rucksack auf das Bett ganz links neben dem Fenster. Ein nostalgischer, ernster Blick schweifte hinaus zu den grünen Hügeln. Ein kurzer Gedanke an das alte Hyrule wollte aufkommen. Nur ein kleiner Schatten in seiner Seele, nicht mehr… Und der andere Mitbewohner riss ihn aus seinen Gedanken. „Du kannst auch das Bett hier haben, wenn du willst“, meinte Tommy und deutete auf jenes gleich neben der Tür, wo er seine gesamten Sachen verstreut hatte. „Nein, ist okay. Ich finde das neben dem Fenster sowieso schöner“, sagte Link. „Wie du meinst“, erwiderte der kleine Wicht, der obwohl er eine so winzige Statur hatte und immerhin dreißig Zentimeter kleiner war als Link, dennoch der Oberstufe eines Gymnasiums angehörte. „War denn der andere Mitbewohner schon da?“, murmelte Link und lud ebenso seine Taschen aus, wollte seine Sachen mit einem Mal aus den Behältnissen herausschmeißen, als ihm aber einfiel, dass er ein sehr scharfes Schwert mit sich führte. Nur kurz erinnerte er sich an die Passkontrolle. Bei den Göttinnen, war er dankbar, dass er sich ohne Aufsehen zu erregen durch die Kontrolle durchgemogelt hatte. Niemand hatte das Schwert in seinem Gepäck bemerkt und niemand hatte etwas gesagt. Manchmal, so nahm Link an, hatte er einfach zu viel Glück… Also räumte der grünbemützte Held die Taschen lieber mitsamt Inhalt in den Schrank und ersparte sich das dumme, langweilige Sortieren. „Nöö, kein weiterer Mitbewohner“, meinte Trolli. „Vielleicht kommt auch keiner weiter.“ „Vielleicht“, entgegnete Link und schien schon wieder in seinen Gedanken zu versinken. Er wirkte abwesend, als sich sein Blick gen Fenster und schließlich zu den grünen Hügeln senkte. „Was hat dich eigentlich hierher verschlagen?“, begann der junge Held, pflanzte sich auf sein Bett und streckte sich nach Liebeslaune. Tommy hüpfte zu dem vergessenen Heroen hinüber und steckte seine Hände in ein Paar blaue Hosentaschen. „Ich wollte mal einige Wochen Ruhe vor meiner Mutter“, sagte er. Allein dieser Satz schien zu erahnen, wie herzlich der arme Kerl doch bemuttert wurde. Link sah neugierig auf. „Das kenne ich. Auch ich habe eine sehr fürsorgliche Mutter.“ Der junge Held lachte kurz auf und erinnerte sich an die quetschende Umarmung seiner Mutter, als er sich verabschiedete. „Bist du auch deswegen hier? Ich meine, weil du mal weg von daheim wolltest?“ „Nein… eigentlich bin ich nur hier, um mir einigen Dingen klar zu werden…“ Trollis verwirrter Blick sprach Bände. „Aber das kann man doch auch zuhause“, setzte Trolli hinzu. „Ich meine Nachdenken.“ „Sicher, wenn das Leben noch normal verläuft. Aber bei mir ist das ein wenig anders“, meinte Link und hüpfte auf seine Beine, ignorierte das fragende Gesicht des anderen Jugendlichen und kramte schnell in seinen Taschen herum. Der blonde Schönling, denn Link war mit großer Wahrscheinlichkeit einer, besonders, wenn es um seine Prinzessin ging, durchwühlte dann genervt seinen Rucksack nach einem bestimmten Gegenstand und fand ihn auch. Seine weiße, barocke Okarina hatte er ebenso mitgenommen. Sein Lieblingsinstrument durfte wirklich nicht fehlen. Dann tapste Link aus dem Zimmer, während Trolli große Augen wegen des Instrumentes machte. „Ich gehe noch ein wenig spazieren. Man sieht sich.“ Mit einem Satz war Link auch schon verschwunden, wie als könne er in Windeseile an anderen Orten erscheinen… Gedankenverloren lief Link in Richtung des Sees mit dem kristallklaren Wasser. Ein kleiner alter Weg, teilweise gepflastert, mit einer Steinmauer rechts von ihm, erinnerte ihn an die Wege in seinen Träumen. Er rannte mit einem Mal, genoss den Wind, der ihm ins Gesicht blies und fühlte sich genauso, wie er sich schon immer fühlen wollte: frei… ohne Gedanken an Zwänge und ein zermürbendes Schicksal. Wie schön ruhig es hier war und er konnte das erste Mal seit langem sein Leben wieder auskosten. An dem tiefen Gewässer blieb er stehen, blickte hinab auf den Grund und schien zu träumen. Nur ansatzweise konnte man dunkles Vulkangestein an den Hängen vermuten, welches von sich schäumenden Wasserwogen umspült wurde. Das Licht der alten Burg auf dem Hügel warf seinen Schein besinnlich auf das klare Wasser des Sees. Link hatte recht behalten, in diesem Schloss lebte wahrhaftig jemand. Der Siebzehnjährige setzte sich dann an den Rand des Sees und spiele ein wenig Okarina. Die dumpfen Töne der Flöte schallten leise durch die Luft, über die grünen satten Wiesen weiter bis in vergessene Abgründe… und vielleicht auch in die Vergangenheit… Erinnerung, schallte es durch seinen Kopf. Erinnerung, ein nun so bedeutsames Wort in Links Welt. Erinnerung… Und während er so spielte, bildeten sich kleine Erinnerungsfetzen in seinen Gedankengängen. Geschehnisse und an sie geknüpfte unsterbliche Bilder eines früheren Lebens. Und doch würden jene Bilder nicht in seinem Gedächtnis verweilen. Die Nacht lag über der alten Welt Hyrules. Unbezwingbare, kalte Nacht, so wie sie in den alten Geschichten von dunklen Kreaturen immer lobgepriesen wurde. Eine Geburtsstätte und ein Grab für das Böse, dann, wenn die letzten Lichtstrahlen dennoch die Kraft fanden, das Dunkel zu verscheuchen, zu bezwingen. Der erwachsene Held der Zeit hatte vor wenigen Sekunden den vernichtenden Schlag gegen seinen Erzfeind Ganondorf ausgeführt. Nur ein Moment der Stille folgte, wo die Sieben Weisen unter der Führung Zeldas das Böse in das Reich schickten, wo das herrschte, was das Böse selbst war: in das uralte, die Seele zerfetzende Reich der Hölle. Ganon wurde besiegt von den Händen eines Helden… sein Heer der Finsternis zerstoßen von den letzten tapferen Kriegerin Hyrules. Nur Flüche waren es, die er aussprach. Seine schreienden Worte geführt von Hass und Rache, bis es nur noch ein Flüstern war, welches die Ohren belästigte. Bis das Flüstern endgültig dem Nichts untertänig sein sollte. Blutüberströmt, mit Kratzern, triefenden Schnittwunden, blauen Flecken, aber dennoch erleichtert brach Link auf seine Knie und schien wie verzaubert von den leichten Lichtstrahlen, die eine wunderbare Sonne, ein gigantischer Feuerball am Himmel, zur Erdoberfläche schickte. Sieben Jahre war es her, dass die wärmenden Strahlen der alten Sonne durch die dichte, blutrote Wolkendecke fanden. Sieben lange Jahre einer brutalen Schreckensherrschaft, welche sich jetzt dem Ende zuneigte. Es war vorbei. Endgültig vorbei. Der letzte Kampf gegen den Großmeister des Bösen war entschieden. Die Verseuchung der Welt, und der dunkelrote Vorhang, wurden aufgehoben, als er fiel… Sehnsüchtig blickten Links tiefblaue Augen, die doch die Augen eines elfjährigen Kindes waren, in den himmelblauen Horizont, wo die weißesten Wolken wie seidene Schleier vorüberzogen. Ein kostbarer Moment für Link. Der kostbarste Moment für das gesamte Volk Hyrules. Ein magischer Moment, der in die Geschichte eingehen würde. Links Augen tränten leicht von dem hellen Sonnenlicht, das ihn blendete und als Folge der Schmerzen einer scharfen Teufelsklinge, die sich während des grausamen Kampfes vor wenigen Minuten ständig in seine Haut gesenkt hatte. Und doch war es vorbei. Endgültig vorbei… Schmerzhaft kniff der junge Held seine Augen zu und begann wie ein Kind zu lachen, er lachte, weil er es lange nicht mehr so genossen hatte, seine Stimme auf diese Weise spielen zu lassen. Er lachte, weil es vorher nie einen Grund dazu gab. Und vielleicht lachte er auch ein wenig über sich selbst, da er es geschafft hatte, den Kampf überlebt hatte und lachte als ein Versuch die Schmerzen des größten Kampfes auszumerzen. Er stützte seine Arme auf dem Erdboden ab, während ein kleiner Blutstrom von seiner Stirn über sein Gesicht lief und spürte erstmals, wie fertig sich sein Körper anfühlte. Seine Arme und Beine hörten nicht mehr auf ihn, sie wollten wohl im Moment nichts sehnlicher als ein Bett, in dem sie tagelang schlafen konnten. Doch Links Geist war hellwach. Wie konnte eine Seele auch schlafen bei dem Wunderwerk einer so faszinierenden Sonne am strahlend blauen Himmel? In dem Moment vernahmen seine spitzen Hylianerohren sanfte, unregelmäßige Schritte, die sich ihm annäherten und schließlich stand im Lichte der heiligen Sonne jemand vor ihm, der sich nur geringfügig von dem hellen, blendenden Tageslicht abhob. Link brauchte eine Weile seinen Kopf anzuheben und wusste doch, dass es nur die liebliche Zelda sein konnte, die sich sofort zu ihm auf die beanspruchten Knie sinken ließ. Sie suchte seinen tapferen, grinsenden Blick, lächelte selbst so wie noch nie in den harten Tagen ihres Lebens und musste schließlich ebenso lachen. Neben dem Sonnenlicht war es Zeldas Gestalt, die Link in dem Augenblick wertvoll und unbezahlbar schön erschien. Ihre langen, goldenen Haare waren zerzaust. Das feine, aus edlem Stoff bestehende Gewand um ihre schlanke Gestalt war an einigen Stellen zerrissen. Und doch war seine Prinzessin schön, wunderschön. „Es ist vorbei…“, murmelte sie und wischte sich eine Freudenträne aus den Augenwinkeln. Link nickte bloß und träumte so wie schon lange nicht mehr in den Augen der Prinzessin Hyrules, die ihm so viel sagen wollten. Eine weitere Freudenträne lief über Zeldas rechte verdreckte zartrosa Wange. Es war das erste, was Links tränende, verschwommene Augen wiedererkannten. Etwas Wertvolles. Eine Träne, die jene Prinzessin für ihr geliebtes Land vergoss. Er fing die kleine Träne auf und spürte im selben Augenblick ein Seidentaschentuch an seiner Stirn, welches das halbgetrocknete Blut auffangen wollte. „Du siehst übel aus, mein Held“, sagte sie lachend und wischte sanft über seine aufgeschürfte Stirn. Sofort bewegten sich seine Lippen zu einem tollen, gemeinen Grinsen. „Und du bist total verdreckt, liebe Zelda, ganz und gar nicht standesgemäß.“ Denn er wusste, sie hasste das letzte Wort, auch wenn sie es dauernd in den Mund nehmen musste. Sein kindliches, elfjähriges Herz schien in dem Moment wieder zum Vorschein zu kommen. „Kannst du aufstehen?“, meinte sie und reichte ihm ihre leicht aufgeschürften Hände. Ein Überbleibsel der Flucht aus dem brennenden Teufelsturm. Aber Link hatte jetzt keineswegs die Kraft und Regung dazu und schüttelte banal den Kopf. Er gähnte herzhaft. „Wenn es hier auf der puren grünen Wiese nicht so unbequem wäre, würde ich auf der Stelle einschlafen…“, brachte seine trockene Kehle hervor. Zelda kicherte und legte sich eine Hand vor ihren Mund. „Und wenn ich dir helfe?“ Zelda zwinkerte und ließ sich wieder zu ihm auf die Knie sinken. „Keine Chance“, meinte er und belustigte sich an Zeldas eingeschnappter Miene. Aber Link hatte vergessen, dass er sich mit einer sehr raffinierten, starken Prinzessin, die sich selbst sehr gut wehren konnte, anlegte. Ihre kristallblauen Augen formten sich zu katzenartigen Schlitzen und sie rümpfte ihre Nase beleidigt. Sie trat näher und gab dem ohnehin kränkelnden, mit den Nerven blankliegendem Helden einen gewaltigen Klaps auf den Schädel. Nur dieser eher harmlose Stoß reichte aus und Link lag murrend mit dem Gesicht auf dem grasigen Boden, in dem das Leben langsam zurückkehrte. „Immer ich…“, quakte er durch grüne Grashalme hindurch, während seine Ohren das irrsinnige, ihn verrückt- machende Lachen der Prinzessin vernahmen. Ihr Lachen war so angenehm, so beruhigend… Ohne Vorwarnung fand sich Links Kopf in ihrem Schoß. Überrascht, beschämt, aber auch erfreut über diese liebenswürdige Geste blickten die tiefblauen Augen des Helden in jene der Prinzessin. Doch Zelda sagte nichts, lächelte nur und streichelte beruhigend über sein Gesicht und durch die goldblonden Haarsträhnen, die in seine unwiderstehlichen Augen baumelten. „Ich möchte dir danken… mein Held der Zeit.“ Doch dieser schloss seine Augen und genoss die Nähe seiner Seelenverwandten. „Im Namen des ganzen Volkes, Link“, sagte sie. „Du hast unserem Hyrule den Frieden zurückgegeben. Du hast das vollbracht, was niemand gewagt hätte. Hab’ Dank…“, und ihre Worte wurden immer leiser, denn es gab noch etwas, was sie ihm sagen musste und es wäre alles andere als einfach für sie. „Tja… passiert ist passiert, nicht wahr?“, meinte er schmunzelnd und konnte nicht anders, als jetzt, da es vorüber war, einen Witz aus dem gesamten Chaos und den Hürden der letzten Wochen und Monate zu machen. Zelda grinste ihn tückisch an, als er seine Augen wieder öffnete. „Du bist unverbesserlich, Link. Und ein großer Quacksalber obendrein.“ „Bemerkst du das jetzt erst? Welch’ Schande…“ Leicht erzürnt näherte sich Zelda den Augen des im Moment schwächlichen Helden in ihrem Schoß. „Glaubst du nicht, dass du in deinem Zustand lieber deine gefährliche Klappe halten solltest, du…“ Link sah sie herausfordernd und neugierig an und wartete belustigt auf ein Schimpfwort. „… du Grünschnabel.“ „Ach, Zeldaschatz, fällt dir nichts Besseres ein? Das kann die Prinzessin des Schicksals doch besser, oder?“ „Hornochse!“, murrte sie. „Schon besser. Aber nicht gut genug.“ Zeldas Augen wanderten ans Himmelszelt und dort schien sie endlich eine entsprechende Beleidigung zu finden, welche Link aus dem Konzept bringen würde. „Weiberheld!“ Links Mund klappte entgeistert auf. Gerade damit hatte er nun wahrlich nicht gerechnet. Zelda hatte ihn mundtot gestellt. Etwas, was nur sie schaffte und niemand sonst… Verlegen richtete er sich endlich auf und führte eine Hand an das mit Staub belegte Kinn der einzigartigen Hylianerin ihm gegenüber. „Zelda…“, flüsterte er dann verträumt. Und plötzlich verschwand die lustige Stimmung zwischen ihnen ein wenig. Seine linke Hand ergriff ihre rechte, wo sich genauso wie bei ihm ein Triforcefragment verbarg und des Öfteren zu pulsieren begann. Ihre Hände verhakten sich ineinander und doch ahnte auch Link, dass jener Moment nicht ewig halten würde. ,Genug‘, sagte Links inneres Gefühlschaos der letzten Minuten. Vom empfindungslosen Kampf zur überschäumenden Freude, war er nun an einem Punkt angelangt, wo sich eine ganz andere Seite seines Bewusstseins eröffnete. Zärtlichkeit und Zuneigung nahmen ihn nun ein. Ohne weitere Worte drückte er Zelda an sich, fühlte ihre Wärme als eine unglaubliche Wonne, spürte ihren warmen Atem an seinem Hals und hörte sogar ihren schnellenden Herzschlag. Sie erwiderte die Umarmung und drückte sehnsüchtig ihre Wange an seine. Gerade da merkte Link, wie sich eine silbern schillernde Träne über Zeldas Wange abzeichnete. Er fühlte das warme Wasser an seiner eigenen Wange. Und es sagte ihm, dass der Kampf im Grunde genommen niemals vorbei sein würde und dass mit diesem Kampf mehr als nur ein Krieg enden würde. Einige Minuten später half Zelda ihrem erschöpften Helden doch noch auf die Beine und sie standen stillschweigend nebeneinander, starrten in das märchenhafte, seit sieben Jahren endlich blühende Tal vor ihren Augen. Innerhalb von Sekunden wurde das ausgetrocknete Gras auf Hyrules Steppe wieder lebendig, wurde grün und saftig, begann zu atmen. Und viele Blumen blühten, dort, wo sieben Jahre lang nichts mehr blühen durfte. Vom Osten her zogen viele, viele Punkte gen Norden. Hylianer, Zoras, Goronen, selbst Kokiri, die den Wald nur an diesem Tage einmal verlassen durften. Und es waren viele Lichter, die diesen Tag in Ehren halten würden. Der Tag nach sieben, unheilvollen Jahren, wo die Völker Hyrules im bitterem Zeitkrieg gefangen waren. Jener Tag würde ab heute immer eine Erinnerung wert sein. Feste würde gefeiert werden, um die alten Legenden der Helden Hyrules zu hüten. Ganz Hyrule feierte, tobte sich aus und lobte den Frieden, der endlich wieder in das alte Land eingekehrt war. Nur zwei Seelen beteiligten sich nicht an dem Fest. Diejenigen, deren Taten das Unmögliche vollbracht hatten, den Fürsten des Schreckens zu stürzen. Sie beide standen einfach nur auf einem der grünen Hügel, sahen die Lichter ziehen und wussten doch, dass sie beide nie bekommen würde, was sich ihre sehnenden Herzen wünschten. „Wir haben getan, was wir tun mussten und jetzt“, meinte Link, der seine wunderschöne Prinzessin vor ihm nicht anblicken konnte. Erfüllt mit einem traurigen Blick drehte sie sich zu ihm um und wünschte sich innerlich, das Schicksal wäre nicht so grausam, dass es diesen Moment enden lassen würde. Aber sie musste ihre Pflicht tun. Es gab noch eine Aufgabe, die Prinzessin Zelda erfüllen musste, ob sie nun wollte oder nicht. „… jetzt… ist es an der Zeit…“, zitterte ihre glockenhelle Stimme. Dann wurden ihre Augen kühl und leblos und das vorher verträumte Gefühl darin verschwand. „Ja, wir werden Hyrule wieder aufbauen“, sagte Link zuversichtlich. Denn noch hatte er Zeldas unglückliches Gesicht nicht als das erkannt, was es war. Eine Geste des Abschieds. Anmutig drehte sich Zelda beherrscht und zurückweisend zur Seite und schloss die Augen. „Gib’ mir die Okarina der Zeit, Link.“, sagte sie standhafter, bemüht eine unechte Stärke nach außen aufrecht zu erhalten. Er wich zurück und schien verwirrt, was sie nun vorhatte. Er schritt leise durch das raschelnde Gras auf sie zu und zog ihr Gesicht zu ihm heran, wollte in ihren Augen sehen, was sie dachte, was es war, das sie empfand. Der Moment sprach ungesagte Worte. Ihre Augen logen. „Ich habe eine letzte Pflicht als siebte Weise, Link“, meinte sie und sprach die Worte als wären sie abgedroschen. „Ich muss das Tor zwischen den Zeiten schließen. Das ist meine Pflicht als siebte Weise.“ Link schüttelte den Kopf und wollte das einfach nicht verstehen. Das hitzköpfige Kind in ihm begann zu schreien. Er wollte nicht wahrhaben, was Zelda ihm versuchte mitzuteilen. „Bitte Link. Mach’ es nicht schwerer, als es ist.“ „Nein!“, sagte er stur. „Ich will nicht zurück. Hast du eine Ahnung, was du mir damit antust!“, fauchte er sauer. „Ich kann nicht mehr Kind sein. Ich bin kein Kind mehr!“ Seine tiefblauen Augen blitzten in dem Moment auf, als wären sie blanker Stahl. Zelda schaute trübsinnig zu Boden und eine Träne fiel von ihren kristallblauen Augen. „Glaubst du, das wüsste ich nicht?“ Und Link schwieg. Natürlich wusste sie es. Natürlich wusste er es… seine Zeit in der Zukunft war abgelaufen. Der Betrug der Zeit musste nun wieder rückgängig gemacht werden. Und trotzdem weigerte er sich stur gegen eine Rückkehr in die Vergangenheit. Wie sollte er leben mit all den Ereignissen in der Zukunft? Wie konnte er ein Kind sein mit dem Wissen, mit dem Verlust der unschuldigen Kindheit, mit dem Tod des kindlichen Herzens, welches starb, als er das erste Mal tötete? Wie sollte er weiterleben, wenn sein Herz sich erinnern würde? Er ballte seine Fäuste und sah ablehnend zu Boden. „Bitte gib’ mir die Okarina der Zeit. Und kehre zurück in eine Welt abseits dieser.“ Sie reichte ihm ihre Hand und setzte ruhig hinzu: „Geh zurück in deine Welt, dorthin, wo du sein solltest, als der, als der du aufwuchst.“ „Schön“, sagte er kalt. Und jegliche Wärme in seinen Augen erlosch bei diesem Wort. „Das ist also alles, was ich verdient habe. Schön.“ Er legte die blauschimmernde Okarina in Zeldas Handinnenfläche und sah dann die gesamte Zeit zu Boden, wartete darauf, dass Zelda tat, was ihr bestimmt war. ,Link… es tut mir leid’, meinte sie leise in ihre Gedanken. Denn sie schämte sich dafür jene Worte auszusprechen. Hatten diese denn noch einen Wert? Einige Sekunden verstrichen, in denen Zelda nichts anderes tat, als den Helden der Zeit anzusehen. Auch, wenn jener stur und schweigsam zu Boden blickte. Als eine Wolke sich kurz vor die Sonne schob und Hyrule in einen grauen Schatten hüllte, platzte in Zeldas Innerem endlich der Knoten. Weinend stürmte sie in Links Arme, hielt sich fest und suchte Hoffnung, ihn irgendwann wieder zu sehen. Die Hoffnung, er würde ihr für die Grausamkeit vergeben, dass sie handeln musste, was in der Pflicht des Siebten Weisen stand. Hin und Her gerissen zwischen Wut und Zuneigung stand der junge Held da, fühlte sich unbeholfen und dumm, dass er den Abschied voneinander nicht akzeptieren konnte. „Verzeih’ mir…“, sagte sie leise, drückte einen Kuss auf eine seiner Wangen und löste sich wieder aus seinen Armen. Ein trauriges Lächeln spiegelte sich vor ihr und erneut sah Link sie an, wischte die Wut beiseite. „Ich vergesse dich nicht“, sagte er gedämpft. Das erste Mal, dass er Gefühle für Zelda in Worte formen konnte. Im nächsten Augenblick schallten leise Okarinaklänge über die grünen Hügel und ein blauschimmernder Kristall umhüllte seine Seele langsam, legte sich über die Haut wie eine Schicht aus flüssigem Wachs und trug den Helden der Zeit langsam hinfort. Link schaute zurück zu Zelda, sah sie weinen und doch lächeln. Und es geschah in dem Augenblick, dass er sein Lächeln ebenso wiederfand. Von weit oben, noch bevor der Kristall endgültig in den Schwingen des Zeitgebildes verschwand, rief er erheiternd hinab: „Bis gleich, Zelda.“ Und es dauerte nicht lange, da wurden seine Worte Wirklichkeit. Ein kleiner Knabe mit blondem Haar und grünen Gewändern schlich durch die himmlischen Gärten des Königshauses und war doch nur hier um ein Versprechen zu erfüllen. Eine kindliche Prinzessin stand vor einem Fenster, spürte seine Aura, fühlte sein aufgeregtes Herz und hörte das Stiefelgeklapper. Mit einem begrüßenden Lächeln drehte sie sich um und hatte doch nicht nur einen Freund vor ihr, den sie schätze. Nein, sie hatte einen Seelenverwandten vor sich. Mehr als einen Freund und vielleicht war es sogar Liebe, die sie beide verband. Glücklich rannte sie näher und zog den perplexen Helden in eine kindliche Umarmung. Kinderlachen schallte durch das Schloss. Schrilles Gelächter zweier hylianischer Seelen… Es war eine Erinnerung an altes, unvergessliches Glück. Eine Erinnerung an gestern, nicht mehr. Link schüttelte den Kopf, wusste nicht, was gerade in den letzten Minuten geschehen war, welche wichtigen Ereignisse sich in seinen Kopf bahnten, denn es war nicht bestimmt, dass er sich erinnerte, es sollte einfach nicht sein. Auch wenn es schön war ein wenig zu entspannen, hier zu sein, wo er sich nur mit sich selbst und den quälenden Fragen in seinem Kopf beschäftigen konnte, langsam packten ihn die Sehnsucht und eine einschleichende Sorge um seine Prinzessin. Ob es wirklich richtig gewesen war, den Sommer hier zu verbringen, wo er doch wusste, dass ein Teufel in Schicksalshort hauste? War es richtig gewesen mit der Ausrede Abstand zu brauchen über das Meer zu segeln? Ihm kamen Zweifel, ob er nicht vielleicht doch lieber zu Hause geblieben wäre, um auf Zelda Acht zu geben, sie zu beschützen und vielleicht nachzubohren, was es mit Hyrule auf sich hatte. Ein kurzer Gedanke an Zelda und die alte Welt, nur ein Gedanke, nicht mehr… Mit einem Sprung war Link auf den Beinen und tapste durch die kühle Dunkelheit der Nacht, in Richtung des verworrenen Schlosses, welches ihn nahezu magisch anzog. Er schlich näher, selbst überrascht, was ihn dazu veranlasste hier herumzuschnüffeln. Kurz vor der alten Burg lief er auf Zehenspitzen darum herum, schlich durch den gepflegten Garten, kletterte an einer eisernen Umwallung hinauf und sprang sich umblickend auf der anderen Seite hinunter. Eine große, alte Pforte zog seine Aufmerksamkeit auf sich, denn dahinter konnte er deutlich Stimmen vernehmen, auch wenn nur undeutlich. Tiefe, verärgerte Stimmen. Plötzlich waren da noch andere Geräusche. Link lauschte gespannt in die Nacht. Tap. Tap. Schritte. Die große, dunkle Pforte wurde geöffnet. Schleunigst hechtete der junge Held zur Seite und blickte neugierig durch die Dunkelheit, versteckte sich in dem Schatten, den die Burg hinterließ, verborgen in dem tiefsten Element der Nacht wartete er auf die Preisgabe alter Wahrheiten und unergründlicher Rätsel. Eine Gestalt, in etwas Links Größe, schlank, vermutlich ein junger Bursche, trat aus dem Gebäude, schlug lärmend die Tür hinter sich zu. Die Person lief murrend um das bemerkenswerte Schloss herum und schlich in Richtung eines kleinen, heruntergekommenen Schuppens. Wissbegehr gehörte nun mal zu Links Seele. Also folgte er klammheimlich der Gestalt, fühlte ein neues und doch erinnerndes Gefühl in sich aufsteigen, spürte die Anbahnung wichtiger Ereignisse und Geschehnisse, die er als Held in die richtigen Bahnen lenken würde. Die Augen des jungen Helden glühten ein wenig in der Dunkelheit, als er leise beobachtete, was die Gestalt tat. Flink hetzte jene Person weiter und wurde von der Hütte verschluckt. Einige Sekunden vergingen, in denen knackende Laute aus der Hütte dröhnten. Link überlegte, ob er nicht verschwinden sollte, wissend, er hatte auf diesem fremden Grundstück nichts zu suchen. Und vielleicht war es nicht richtig einem fremden, jungen Kerl hinterher zu spionieren. Mehr und mehr fragte sich Link, ob er den Verstand verloren hatte an diesem Ort herumzulungern. Was, wenn er erwischt wurde? Was, wenn diese Leute ungehalten reagieren würden? Er konnte seiner Mutter nicht schon wieder Ärger mit solchen Geschichten machen… denn das hatte er schon einige Male. Er erinnerte sich, dass er als Knirps von vielleicht sieben Jahren mit einer selbst gebastelten Schleuder Dreck und Steine ins Haus geworfen hatte… Link lachte in sich hinein angesichts des Gedankens und orientierte sich wieder. Bereit diesen Ort schleichend zu verlassen, seinen schnellerwerdenden Herzschlag ignorierend, trat er um seine Achse, als er erneut Geräusche in der Schwärze der Nacht wahrnehmen konnte. Die Person, bei der es sich vermutlich um eine männliche handelte, kam raschelnd zurück aus dem heruntergekommenen Holzschuppen, doch er hatte nun etwas in seinen Händen. Zwei kurze Messer blitzten in der Dunkelheit auf, genial und leidenschaftlich. Wie wild geworden schwang er die Waffen in seinen Händen und Link war beeindruckt von dieser Kampftechnik. Stürmisch, wild… Scharf und irgendwie… vertraut. Interessiert sah er zu, verborgen in der Dunkelheit, sah die Klingen sich im Mondlicht reflektieren. Die Gestalt warf eine der Waffen grob und doch zielgenau in eine der morschen Holzpaletten der Hütte und übte nur mit einer. Er zog heftig Kreise mit dem Kampfmesser in die Luft, schien sich abzureagieren und Link konnte die Klinge sogar die Luft zerschneiden hören. Dann wirbelte er mit dem scharfen Messer herum, machte einen großen Satz nach hinten und drehte elegant einen Rückwärtssalto. ,Ein sehr beweglicher Kerl… unglaublich…‘, dachte Link. Von innerhalb der Burg ertönten dann die Klänge eines leicht misstönenden Cembalos. Die Stimme der kämpfenden Gestalt erklang das erste Mal. „Ah, er spielt schon wieder - unsere nostalgische Hoheit. Wie selbstzerstörerisch…“ Eine eigenartige, flache Stimme, nicht typisch für einen Jungen, aber auch keineswegs zutreffend für ein Mädchen. Die Person schaute nun zielgenau in Links Richtung, fixierte ihn, durchschaute ihn vielleicht sogar. Hatte er ihn etwa wirklich bemerkt? Unmöglich, aber er sah immer noch direkt in Links ernstes Gesicht. Ergriffen von Hast und einer leichten Reue fremdes Grundstück betreten zu haben, drehte sich der Heroe um und ging schnellen Schrittes in Richtung der wenigen Bäume, die hier herum standen. Dann kletterte er über den Zaun, seinen Weg in Richtung des Feriencamps fortsetzend. Als Link gegen zehn Uhr in sein Zimmer trat, wäre er vor Wut über sich selbst beinahe ausgerastet. Er kramte in seinen Taschen herum, durchwühlte seine Fächer. Wutschnaubend trat er gegen einen Schrank, der in sich zusammenfiel. „Verdammt!“ Link konnte es nicht fassen, aber er hatte tatsächlich seine Okarina verloren. Ausgerechnet hier, ausgerechnet jetzt. Zelda würde ihm den Kopf abreißen, wenn sie davon erfuhr. Denn Link konnte sich denken, dass eine Okarina für Zelda so etwas wie einen kleinen Schatz darstellte. Was musste er auch auf dem Grundstück von so seltsamen Leuten herum hampeln? Hatte er, da er doch Hyrules legendärer Held sein sollte, nichts Besseres zu tun, als sich an irgendwelchen, seltsamen Orten herumzutreiben? „Prima, du Held“, sagte er spöttisch dröhnend über seine eigene Person. „Du könntest ja gleich dein Schwert lobpreisen und dir weitere dümmliche Blicke einhandeln.“ Wie blöd musste er auch sein, unbedingt auf diesem alten Grundstück herumzulungern! Bemüht die Ärgernis ruhen zu lassen, knallte sich Link auf das Bett und beobachtete ein Spinnnetz an der Decke, das sich bewegte. Er fuhr sich ruhelos durch die blonden Haarsträhnen, und gähnte herzhaft. Langsam beruhigte er sich, dachte daran, dass er sein Instrument jetzt sowieso nicht wieder finden würde, als er versuchte den verbeulten, unglücklichen Schrank wieder zusammenzubauen. Er nahm sich vor, morgen in aller Ruhe nach der Okarina zu suchen. In dem Augenblick trat eine weitere Gestalt in das Zimmer. Aha, der dritte Mitbewohner war nun endlich eingetroffen. Ein magerer Kerl, etwas größer als Link, mit einem sehr kurzen aschblonden Haaransatz und einer beinahe kugelrunden Nase. „Guten Tag, mein Name ist Pat van der Hohen.“ So wie er auftrat, passte der Name perfekt zu ihm. Eitel und hochnäsig… „Ich hoffe, wir haben eine vergnügliche Zeit hier.“ Pat musterte das Zimmer und dann die drei Betten. „Welches ist jetzt mir zugedacht? Dieses? Aha.“ Mit einer Wenigkeit schossen seine in die Höhlen gedrückten Augäpfel zu dem letzten Bett. Der Jugendliche fand das Bett, einschließlich des spartanischen Zimmers wohl nicht sehr behaglich. „Also, mein Name ist Link Bravery“, und dieser wollte dem Unbekannten die Hand reichen. Pat aber glotzte nur blöde und fixierte ihn mit kühlen, dunkelgrünen Augen. Er ignorierte es, dass Link ihm die Hand geben wollte und schien sich an seinem Namen zu ergötzen. Dann begann er zu grinsen und schließlich lautstark zu lachen. „Haha… wo hast du denn Zelda gelassen? Held der Zeit? Haha…“ Link verzog sein Gesicht, seine Hände waren schwitzend zu Fäusten geballt. Vor Zorn kochend sah er auf den grauen Boden und wünschte sich, es würde etwas geschehen, bevor er dem Typen den Hals umdrehte. „Tut mir leid. Aber ich kenne das Spiel und nun ja, es ist witzig, dass es Leute gibt, die wirklich Link heißen.“ Jetzt war der unerkannte Held beruhigter und seine Hände entkrampften sich wieder. Er hatte schon befürchtet, dass der Kerl zu jenen Kreaturen gehörte, die ihm das Leben zur Hölle machen wollten, aber Pat war sicherlich ein gewöhnlicher Jugendlicher, der das Zeldaspiel kannte. „Soso, du kennst das Spiel“, meinte Link vorsichtig. „Ja, das tue ich. Habe alle Spiele der Zeldaserie, die jemals erschienen sind. Zelda ist eben immer der Hammer.“ Das konnte Link nur zu gut verstehen. Der Besagte grinste dämlich und im nächsten Moment legte sich Wärme und Mitgefühl auf sein ansehnliches Heldengesicht. Zelda war wirklich der Hammer… in zweierlei Hinsicht. Und schon wieder war er mit seinen Gedankengängen bei seiner Prinzessin. Pat stellte seine vollgestopfte, riesige Reisetasche vor das Bett und machte sich darauf breit. Er meinte: „Du kennst das Spiel wohl auch?“ „Jep, besser, als du dir vorstellen kannst.“ „Nun, ich kann mir das schon ganz gut vorstellen“, grinste Patrick und hüpfte ein weiteres Mal vergnügt auf das staubige Bett, welches unerhört knatterte, als ob die Balken in dem Bett auseinander gebrochen waren. „Und was hat dich hierher verschlagen?“, meinte der Grünäugige wissbegierig. Link zuckte kurz mit den Schultern und sagte gedämpft: „Wenn ich es nicht besser wüsste… das Schicksal…“ Er kratzte sich daraufhin an einer hellbraunen Augenbraue. „Und du? Was machst du hier?“ Pat stand dann auf und wisperte auffallend leise, hielt sich vorsorglich noch eine Hand an den Mund. „Ich bin vor einem Mädchen geflohen.“ Link jubelte kollernd und hielt sich vor lauter Lachen die Hände an seinen angespannten Bauch. „Das ist nicht lustig“, meinte Pat beleidigt und hob belehrend einen Zeigefinger in die Höhe. „Du kannst sie gerne haben, wenn du willst“, murrte Patrick, und schien dennoch traurig zu sein. „Ich? Nein danke, ich habe erst mal genug von anstrengender Damenwelt.“ Selbstverständlicherweise war in dieser Definition seine Zelda nicht mit eingeschlossen. „Aber ist sie denn eine solche Xanthippe, dass du vor ihr fliehen musstest?“ Pat klopfte mit einer Hand mehrmals auf Links Schulter. „Glaub’ mir, wenn die hinter dir her wäre, dann würdest du deines Lebens nicht mehr froh sein. Sie ist eine Stalkerin, wenn du verstehst, was ich meine.“ „Dann lass’ uns bloß hoffen, dass sie nicht auf den Dreh kommt, dir hinter herzureisen“, lachte Link. Pat schwieg dazu und packte gemächlich seine Tasche aus, hatte einen eher übertriebenen Wahn seine Sachen ordentlich und ohne jedwede Falte in den Schrank zu sortieren. Geschwind kramte der Heroe einige Sachen aus seiner blauen Reisetasche. Eine Waschtasche und einen waldgrünen Schlafanzug. „Wegen Zelda“, fing Pat an. „Was ist mit ihr?“, meinte Link prompt und blickte ernst und misstrauisch drein. „Na ja, wenn man schon Link heißt, muss man das Spiel wohl einfach kennen, was?“ ,Wieder falscher Alarm‘, dachte der Heroe. „Nicht zwangsläufig. Vielleicht nur dann, wenn man weiß, dass sich hinter diesem Spiel mehr verbirgt als einem lieb ist“, murmelte Link und trat langsam in Richtung Tür. „Was ich noch sagen wollte, Tommy ist irgendwie komisch“, meinte Patrick und hielt Link davon ab, in das Badezimmer zu stolpern. „Wie meinst du das?“ „Na ja, er hat mir vorhin aus uneinleuchtenden Gründen aufgezählt, wovor er Angst hat und… ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Mensch vor so vielen Dingen Angst haben kann.“ „Na und? Das ist noch lange kein Grund jemanden komisch zu finden. Wenn du lästern willst, dann sprichst du mit der falschen Person“, meinte Link gelangweilt. Aufgeregt rechtfertigte sich der weitere Mitbewohner: „Aber das ist ja nicht meine Absicht. Und das mit der Angst war ja noch nicht alles!“ „Nein?“ Und Link runzelte die Stirn. „Was dann?“ „Ich habe ihn vorhin beobachtet… aus Neugier… und festgestellt, dass er mit jemanden geredet hat, aber nicht per Handy oder so, sondern… irgendwie mit sich selbst und dann doch wieder nicht.“ „Und was bindest du das ausgerechnet mir auf den Schnabel?“ Pat zuckte kurz mit den Schultern. „Ich wollte bloß, dass du weißt, mit wem wir hier ein Zimmer teilen, nichts anderes.“ „Und was genau hat Tommy dieser unsichtbaren Person gesagt?“ „Es geht alles seinen Gang.“ Misstrauisch zogen sich Links Augen zu einem entschlossenen Blick zusammen. Was erzählte dieser Pat van der Hohen ihm so einen Müll? Hatte er sich das bloß ausgedacht, um interessant rüberzukommen? „Wie Tommy schon sagte, es wird sicherlich alles seinen Gang gehen“, meinte Link dann und schüttelte mit dem Kopf. ,Dieses Misstrauen war einfach nur ungesund‘, dachte Link. Sollte er etwa jeden Menschen für einen Diener des Bösen halten? Nein, nicht hier und bestimmt nicht diese Menschen… „Aber macht dich das nicht stutzig?“ „Mich? Mich kann echt nichts mehr überraschen“, lachte Link und hinterließ einen beeindruckten weiteren Zimmerkollegen. „Lass’ uns morgen weiterreden. Ich gehe dann schlafen“, sagte der Siebzehnjährige lethargisch, streckte sich und gähnte genüsslich. Dann verschwand er in Richtung Badezimmer. Kapitel 25: Dämonische Wunde ---------------------------- An jenem Abend war Link der letzte, der sich in dem gemütlichen Aufenthaltsraum aufhielt. Noch lange hatte er mit Pat und Trolli diskutiert, hatte sich mit den beiden sehr unterschiedlichen Kerlen angefreundet und einiges über ihre merkwürdigen Persönlichkeiten entlockt. Eine Gabe Links, die er selber nicht als Talent und Seeleneigenschaft bezeichnen würde… aber er ahnte, dass er kaum eine Vorstellung davon besaß, wozu er in der Lage war und welche Talente in ihm schlummerten… Pat van der Hohen zum Beispiel, so dachte Link, war ein sehr raffinierter Zeitgenosse, wusste über jede noch so stumpfsinnige Sache Bescheid und erfreute sich besonders am Zeldaspiel. Toby schien im Grunde genommen aus einem ganz anderen Holz geschnitzt zu sein. Denn er wirkte sehr abhängig von seinen Eltern, hatte nur spärliche Hobbys vorzuweisen und war etwas ängstlich in vielen Hinsichten… ,Wie auch immer‘, dachte Link, eigentlich waren diese zwei Mitbewohner ganz okay und er hoffte, er würde sie nicht in irgendwelche Dinge hineinziehen, die sich nur um Zelda, ihn und Hyrule drehten. Und die Zweifel in seinem Kopf nahmen zu, die heimliche Verwirrung, was dieses Leben ihm bringen sollte, die nervende Unruhe und Furcht, sich irgendwann einem Teufel stellen zu müssen. Warum war er hier? Warum und wieso lebte er nicht in Hyrule? Er hatte den halbdefekten Fernseher eingeschaltet, der ab und an einfach den Geist aufgab und der hin und wieder kleine gefährliche Stromstöße austeilte. Doch der Siebzehnjährige hörte mit keiner Silbe zu. Stattdessen, um sich von sich selbst und den quälenden Fragen abzulenken, las er sorgfältig den Veranstaltungsplan durch. Wanderungen, Radfahren, Tagesfahrt nach Dublin, Reiten und etliche andere Freizeitaktivitäten wurden angeboten. Link nahm sich vor überall einmal hinein zu schnuppern, wenn er schon einmal hier war, musste er das auch ausnutzen. Wenn er schon verflucht war, bestimmt war, sich irgendwann einem Teufel zu stellen, dann musste er und hatte das Recht dazu, das wenige freie Leben ordentlich auszunutzen. Link räumte die Unmengen von Papierstößen zur Seite, schaltete den Fernseher aus und lief ans Fenster. Das alte, seltsame Schloss lag verlassen auf jenem Hügel. Es erschien ihm wie gemalt. Das dumpfe Licht aus einzelnen seiner Fenster spiegelte sich nun noch sanfter als vorhin in dem kristallklaren See. Der Mond schien besinnlich und warf undeutliche, riesige Schatten. In jenem Augenblick gingen auch die Lichter in dem Schloss aus, lediglich der Mond spendete noch ein wenig kühles Licht. Link stand immer noch am Fenster und dachte nach, umwölbt von Zweifeln, gefangen in diesem verdammten Rätsel seiner eigenen Existenz. Zeldas liebliches Gesicht huschte durch seine Gedankengänge wie ein warmer Luftzug. Was sie wohl gerade tat? Saß sie wieder einmal in ihrem Zimmer und schrieb mit einer goldenen Feder und ihrer einzigartigen Handschrift Worte der Weisheit auf ein altes Stück Pergament? Link sah dieses Bild so deutlich vor sich. Zelda in einer samtroten Nachtgewandung, mit goldenen Spangen im Haar. Mit einem Schlag wurde ihm bewusst, dass er dieses Bild, so schön es auch war, niemals zu Gesicht bekommen hatte. Link fuhr sich durch seine blonden Haarsträhnen. Dieses Bild… es gehörte nicht zur Gegenwart… Er schloss langsam die Augen und rief dieses traumhafte Bild erneut in seinen Geist. Es verband so viele angenehme Gefühle und dennoch, es war doch nicht Wirklichkeit. Aber lebte der junge Held denn in einer für andere Menschen fassbaren Wirklichkeit? Wenn man sich so deutlich von anderen unterschied, und die Realität dem Empfinden, Denken und Handeln so wenig versprach wie ihm, dann war diese Frage nicht leicht zu beantworten. Link konnte das Bild in seinem Herzen nicht verstehen. Er wusste nicht, dass es nur zu einem Zeitpunkt geschehen war, einem Zeitpunkt der Vergangenheit… Mit langsamen Schritten ging Link aus dem Raum, lief den Gang entlang, durchquerte den Schlafraum und ließ sich in das morsche, knatternde Bett fallen. Er dachte immer noch an Zelda, konnte einfach nicht stoppen an sie zu denken und wünschte sich heimlich, gerade jetzt bei ihr zu sein, in ihren kristallblauen Augen zu träumen und einfach nur da zu sein, wenn sie ihn brauchte. ,Vielleicht träume ich ja von ihr…‘, dachte er bezaubert. Hoffentlich ein schöner Traum. Dann fielen ihm die Augenlider zu. Aber die Göttin der Träume erfüllte ihm diesen Wunsch nicht, stattdessen kam etwas Gefährliches auf ihn zu. Etwas, das er immer wieder durchzustehen hatte. Kämpfe und Furcht. Und ein Flüstern war es, welches ihn in seinen Schlaf begleitete. Ein Flüstern aus seinem eigenen Mund: „Koste die Wahrheit…“, flüsterte es in die Dunkelheit des Zimmers. „Koste den Schmerz…“ Inmitten auf einer riesigen, hügeligen Fläche wartete Link. Sein Instinkt, sein Bewusstsein noch im Kampf mit sich selbst, vorbereitet dämonisches Blut an seinen Händen zu spüren, bereit lederne Häupter von gierigen, grünen Hälsen zu trennen. Um ihn herum eine kahle Steinlandschaft. Das Gras unter seinen Füßen war vollkommen ausgedörrt und hatte schon lange aufgehört zu atmen. In der Ferne nichts zu erkennen. Überall lagen graue, erstickende Nebelschleier, die ihn mit ihrer Unbezwingbarkeit davon abhielten zu erkennen, wo er sich befand. Kälte kroch über jenes Stück Erde hinweg. Sein Atem verwandelte sich ebenso in weiße Schwaden und verschmolz mit dem Nebel, der sich immer dichter um ihn schlängelte. Erneut das Murmeln, welches sich durch seine Fasern zog, als wollte ihn jemand damit berühren und betasten. „Koste den Schmerz…“, säuselte es. Plötzlich hörte Link grobes Stapfen auf dem kalten, harten Boden aus der Entfernung. Trommeln. Tiefe Stimmen von dummen, kampfsüchtigen, hungrigen Kreaturen. Ihr einziger Lebenswille, gespeist aus Mordlust und Habgier. Link konnte den Boden unter seinen Füßen vibrieren spüren, während das Stapfen todbringender und schneller wurde. Das Blut in seinen Adern hetzte, sein Herz schlug wie ein kaputtes Metronom und pumpte das Blut tosender in seine Adern. Es mussten Dutzende sein- und er stand ganz allein, inmitten von todbringendem Nebel. Link ließ seine linke Hand nach hinten, über seine Schulter wandern, umfasste den rauen Griff seines scharfen Schwertes und zog es geschmeidig hervor. Tapfer hielt er seinen Schild vor sich und blickte angespannt durch den Nebel. Nach wenigen Sekunden sah er die Umrisse seiner Gegner. Der junge Heroe hörte ihre ächzenden, widerwärtigen Stimmen, verstand aber ihre garstige Sprache nicht. Immer noch kamen sie näher, näher und näher. Als der Kämpfer die Umrisse deutlich erkennen konnte, begann er zu zählen - es waren mindestens fünfzig schwerbewaffnete Moblins, die hämisch auf ihn herab glotzten. Moblins aus verschiedenen Dämonengeschlechtern. Einer dümmer als der andere und doch folgten sie einem natürlichen Trieb. Dem lustvollen Töten und erbarmungslosen Morden. Einer rief etwas schnalzend, was Link als eine Art Zeichen deutete. Ein glatthäutiger Moblin, den Link als Anführer erkannte, ließ seinen rechten Arm nach vorne sinken. Mit einem Schlag entfachte die Masse an Abschaumkreaturen eine Welle der viehischen Gewalt, eine Flut aus Vernichtung und Tod. Link blieb vor Schreck stehen und konnte nicht glauben, was hier geschah. Wie sollte er fünfzig bis an die Zehen bewaffnete Moblins besiegen? Er hatte keine Wahl. Kämpfen oder Sterben. Die ersten Moblins waren in seinem Gesichtsfeld und Link schwang sein Schwert, was das Zeug hielt. Er zerschlug Rüstungen, vollführte eine Wirbelattacke nach der anderen, trennte Arme und Köpfe der Unholde ab. Aber es wurden in seinen Augen einfach nicht weniger… Er kämpfte und spürte allmählich seine Kräfte schwinden. ,Verflucht, es waren einfach zu viele‘, dachte er furchtvoll. Hastig schwang er sein Schwert, hörte seinen eigenen pfeifenden Atem immer aufgeregter werden, spürte seinen Herzschlag fast in der Kehle. ,Verdammt, konnte dieser Alptraum nicht ein Ende haben‘, rief er in Gedanken, hoffte er mit jeder Faser seines mutigen Herzens. Und Link kämpfte weiter und wusste inzwischen nicht mehr, wie lange er schon hier war, wie viele Höllengeschöpfe er schon getötet hatte, oder ob er schon am Verlieren war… am Rande zwischen Leben und Tod. „Nun hast du von Schmerz und Wahrheit gekostet…“, erklang es matt. Immer und immer wieder. „Wie schmeckt dir Schmerz und Wahrheit?“ Am Morgen erwachte der Held schweißgebadet. Er blinzelte leicht und erkannte, dass es immer noch dunkel war. Noch immer atmete er nahezu fieberhaft. Es kam ihm vor, als hätte er für viele Minuten die Luft angehalten, als hätte sein Herz viele Schläge ausgesetzt. Link griff sich flüchtig an seine schweißnasse Stirn. Sie glühte. Und erst dann realisierte er. Alles, was er soeben erfahren hatte… der mörderische Kampf in einer anderen Ära… war nur ein Traum… Ein Traum wie jeder andere, den er durchlebte, ein Traum, der von den Göttern doch nur ihm bestimmt war. „Verdammt“, murmelte er frustriert. „Es wird wohl immer schlimmer“ fragte Link leise in die Schwärze des Zimmers. Nur… schlimmer konnte es doch gar nicht mehr werden! Denn als Link versuchte aufzustehen, musste er schmerzhaft feststellen, dass er dazu leider nicht die Kraft hatte. Mit einem wohl etwas zu schnellem Sprung war er auf den Beinen, torkelte zur Seite, kam an den Schrank, welchen er vor wenigen Stunden mehr schlecht als recht zusammen gebaut hatte und… Klatsch… Es polterte herb in dem Zimmer, als der Schrank in sich zusammenfiel… Link ließ sich keuchend auf den Boden sinken, während Pat seine Augen öffnete und sogleich den Lichtschalter betätigte. „Mann, spinnst du denn, es ist fünf Uhr morgens!“ Der Angesprochene versuchte zu grinsen, was gar nicht so einfach war. Überall spürte er einen dumpfen, marternden Schmerz, schlimmer als Muskelkater, schlimmer als jeder blaue Fleck. „Sorry. Das war nur der Schrank“, entschuldigte er sich. Pat schaltete das Licht wieder aus und meinte, während er gähnte: „Egal, bau’ den dämlichen Schrank doch vor dem Frühstück zusammen… gähn…“ Dann war auch Pat wieder eingeschlafen. In dem Augenblick gab Trolli ein Geräusch von sich, welches Link als das Piepsen einer Maus identifiziert hätte, würde er nicht wissen, dass ein Mensch in jenem Bett lag. „Nein, Mami, ich stehe nicht auf. Mami, der Specht klopft wieder ans Fenster.“ Link hätte am liebsten gelacht, wenn ihm wirklich danach zumute gewesen wäre. Wieder versuchte er sich aufzurappeln. Dieses Mal ging es gerade so. Hechelnd schlürfte der Heroe seinen Körper ins Badezimmer. Das Licht blendete wahrhaftig in den Augen, sodass jene tränten. Im Gang blieb der junge Heroe für einige Augenblicke an die Wand gelehnt stehen, erinnerte den Traum, aber verstand den Sinn dahinter einfach nicht. War es sein früheres ich, welches ihm den Weg zeigen wollte? Ihn quälen wollte? War es um ihm seine Pflichten vor Augen zu führen und ihm zu verdeutlichen, dass er etwas unternehmen musste um die Dämonen in Schicksalshort zu vernichten? Seufzend untersuchte er seinen Körper, ob er irgendwelche Kratzer, blaue Flecken oder andere Wunden hatte. Aber glücklicherweise fand er nichts. Mit trüben Augen sah er in sein bleiches Spiegelbild und wunderte sich über die Person, die ihn daraus anblickte. Dunkle, blaue Augen strahlten aus dem Gesicht hervor, in welchem blonde Haarsträhnen hingen. Und dieser jemand im Spiegel konnte unmöglich verstehen, was mächtige Wesen fernab dieser Realität für ihn planten. Er konnte nicht begreifen, mit welchem Recht andere ihn in ein solches Szenario aus Kampf und Brutalität brachten. Er wusste nur, dass er seine ganze Kraft in diesen Kampf gelegt und gelitten hatte, dort in der Welt, die verdammt war… Und auch wenn Link keine Wunden besaß, ein schrecklicher, heimtückischer Muskelkater, unangenehme Gliederschmerzen, beißend und lähmend, breiteten sich langsam über seinem Körper aus, was ihn dazu veranlasste sein Körpergewicht auf dem weißen Waschbecken ein wenig abzustützen. „Verflixt, ausgerechnet heute, wo ich doch meine Okarina suchen wollte“, murrte er. Mit einem Quietschen drehte der junge Kämpfer den Wasserhahn auf und tauchte sein Gesicht in eiskaltes Wasser. Dann schleppte er sich wieder in sein Bett und starrte wie hypnotisiert an die Decke. Als Pat, mit Trolli im Schlepptau, in den Speisesaal trat, saß Link bereits vor einem Berg von Brötchen, bestrichen und belegt mit allem möglichen, Unmengen von Schüsseln mit Cornflakes und Quarkspeisen, mehreren Tassen Tee und vielen anderen Sachen, wie zwei, drei Schüsseln Obstsalat. Seit dem nervenaufreibenden Traum hatte er geradezu Heißhunger bekommen. Pat und Trolli gesellten sich zu ihm und schauten sich den Berg von Köstlichkeiten an, den Link vor sich aufgetafelt hatte. „Morgen, Link. Sag’ mal, was machst du denn heute“, wollte der kleine Kerl mit dem Mäusegesicht wissen. Er wirkte noch etwas ängstlich gegenüber seinen Mitbewohnern und musterte den blonden Schönling nervös. „Ich suche meine Okarina, hab’ sie gestern verloren“, erläuterte Link. Pat mischte sich sofort ein, stützte sich halb über den Tisch und wirkte begeistert. „Was? Du hast eine Okarina? Ist ja fantastisch.“ Seine Stimme überschlug sich vor Aufregung. Link verleierte die tiefblauen Augen. „Ja, hab’ ich. Oder besser gesagt, hatte ich… Sie ist mir gestern abhanden gekommen.“ Er rekapitulierte, wo er am gestrigen Abend spazieren gegangen war, erinnerte die sandigen Pfade, den kristallklaren See, ahnend irgendwo dort hatte er die Okarina verloren. Dann fiel ihm auch das alte, traumhafte Schloss wieder ein. „Sagt’ mal, wer wohnt eigentlich in diesem düsteren, alten Schloss auf dem Hügel?“ Pat lehnte sich grinsend zurück, wusste ohnehin eine entsprechende Antwort, denn er war ein sehr wissender Zeitgenosse, der sich über alles informierte und vorbildlich jeden Morgen Zeitung las. „Über diese Festung erzählt man sich die verrücktesten Schauergeschichten. Da drin wohnt ein etwas älterer Mann, sein Name ist Leon Johnson. Er hatte früher einen Adelstitel. Aber von heute auf Morgen hat er sich diesen aberkannt. Er soll gesagt haben, den habe er nicht verdient…“ Pat beugte sich über den Tisch und flüsterte. „Man erzählt sich Gerüchte, er stamme nicht von dieser Welt.“ Link atmete seufzend und etwas erschrocken aus, hatte ein erstaunliches Feixen in seinen mutigen Augen und fühlte einen angenehmen Schauer bei dem Gedanken, den Patrick äußerte. Sicherlich, er wusste nicht, wer diese Leute waren, aber der Gedanke, dass irgendwo auf der Erde Menschen existierten, die vielleicht ein vergangenes Leben in legendären Welten hatten, ließ ihn ein seltsames Gefühl spüren. Ein Zusammengehörigkeitsgefühl, eine sanfte Brise Hoffnung in seiner alten Seele. „Das klingt irgendwie… genial“, murmelte er, wusste es nicht anders zu beschreiben. Er ließ ein Grinsen über seine ansehnlichen Gesichtszüge huschen und stoppte seine Mahlzeit. „Nun ja, unheimlich würde ich es eher nennen“, äußerte Trolli und blickte dann ängstlich weg. „Ich glaube nicht daran, dass es Leute gibt, die aus anderen Welten hierher kommen können. Das ist doch wissenschaftlich gar nicht belegt und nicht möglich.“ „So einfach ist das aber wohl auch nicht“, erwiderte Patrick. „Es gibt immer noch jede Menge Phänomene auf der Welt, die man sich nicht erklären kann. Was ist mit dem Bermuda – Dreieck? Rückführungen, wo Leute in anderen Sprachen sprechen? Oder denk‘ mal an die Geschichten über Atlantis.“ Etwas zweifelnd blickte Link in die Runde und weitere Fragen schienen an ihm zu nagen. Es war richtig… wenn es andere Welten gab, wenn Wiedergeburt tatsächlich passierte, warum und mit welchem Recht hatten alte Götter ihn auf die Erde geschickt? Erst jetzt schien er die Tragweite der Verantwortung zu begreifen, die mit seinem früheren Leben seiner Seele anvertraut wurde. Erst jetzt begriff er, wie dünn das Eis war, auf dem er sich bewegte. Jeden Schritt, den er ging. Jeder Mensch, den er traf. Und jede Erinnerung, die in ihm pulsierte, hatte eine unvergleichbare Bedeutung. Und er trug Verantwortung… nicht nur für sich, vor allem auch für Zelda, die er beschützen musste… und er war einfach nach Irland geflohen mit einer dummen Ausrede nach etwas Abstand. Er seufzte und spürte einen Hauch Schuldgefühl in sich hochkochen. „Glaubst du wirklich an solche Dinge, Pat?“, murmelte Link leise. „Ich meine, Wiedergeburt…“ Der Angesprochene lachte erheitert. „Ich bin sogar davon überzeugt. Ich weiß zwar nicht warum, aber ich möchte irgendwie nicht an die Möglichkeit denken, dass es nur ein Leben gibt. Es klingt irgendwie beruhigend mehrere Versuche zu haben und sich entwickeln zu können. Wie sollen unsere Seelen reifen ohne Reinkarnation?“ „Wenn es so einfach wäre…“, brummte Link und verschlang das nächste Brötchen. Patricks Worte stimmten ihn nachdenklich. Vielleicht war es tatsächlich ein guter Gedanke zu wissen, dass er mehrere Versuche hatte. Nicht nur im Spiel… sondern auch in der Realität. Er dachte an die vielen Zelda-Spiele, die mittlerweile erschienen waren. An die vielen Geschichten, Charaktere und Welten. Wenn der eine Held, der immer dann, wenn Hyrule von dunklen Klauen bedroht wurde, das Licht der Welt erblickte und dieser eine Held immer die gleichen Ideale trug, zwar auf andere Weise, aber doch mit derselben Seele und derselben Bestimmung… dann bedeutete es, dass selbst wenn er scheiterte, er in einem nächsten Leben wieder eine Chance hatte. Und diese Chance konnte er nutzen… „Jedenfalls sind Leute, die sich angeblich an ihr früheres Leben erinnern können, in der Geschichte oft beschrieben“, meinte der Grünäugige. „Aber vermutlich muss jeder selbst wissen, was er davon hält.“ „Glaubst du denn, dieser Leon Johnson, ist tatsächlich nicht von dieser Welt“, meinte Link neugierig. Und er spielte mittlerweile mit dem Gedanken, diesen Menschen, wenn da wirklich etwas dran war, einmal aufzusuchen. Wesen, die nicht von dieser Welt waren, konnten Link vielleicht auch die Antworten schenken, nach denen er verlangte. Denn auch Zelda war nicht von dieser Welt… und was er nun über sich selbst wusste, war genau dasselbe. Seine Seele war aus einer anderen Welt hierher gestrandet. Und er musste herausfinden warum… Der Siebzehnjährige hatte ein leidenschaftliches, sehnsüchtiges Funkeln in seinen tiefblauen Augen, als der Gedanke an Zelda sich intensiver in seine Gehirnwindungen schlich. Pat sah ein wenig verwundert in Links Antlitz und meinte. „Das, was ich über ihn gelesen habe, ist jedenfalls schon sehr merkwürdig.“ „Das heißt?“ Link hob wissbegierig eine helle Augenbraue und beugte sich leicht über den Tisch. „Seine Frau sei spurlos verschwunden und manche munkeln, er habe sie in eine andere Dimension verschleppt. Und in der Nacht habe man das Flüstern von Geistern aus seinem Schloss hören können… vielleicht ist es die Seele seiner Frau, die noch in dem Schloss herum spukt.“ „Das klingt ja unheimlich“, murmelte Tommy und hielt sich beide Hände an die Ohren. „Was weißt du noch über ihn?“, bohrte Link nach. „Er hat einen Sohn, der sich angeblich wie ein Schatten durch die Gegend bewegen würde. Anwohner wollen ihn sogar schon mit zwei Dolchen bewaffnet durch die Gegend laufen haben sehen.“ ,Wow‘, dachte der gewandte Kämpfer und fand diese Tatsache sehr aufregend. Das war also der Kerl, den er gestern beobachtet hatte, dieser sportliche, kampferfahrene junge Mann, der sich elegant durch die Luft katapultierte. „Mmh…“, murmelte der grünbemützte Jugendliche. Interessiert stützte er seine Hände ans Kinn. Irgendetwas an diesem jungen Mann erschien ihm gespenstisch vertraut, beinahe so, als hatte er mit ihm etwas zu klären. „Also, der Name des Sohnes lautet Sian. Ein komischer Name, meint ihr nicht auch?“ Link nickte, dachte sich aber gleichzeitig albern: ,Komischer als sein eigener Name, war dieser eigentlich nicht…‘ „Angeblich würde L. Johnson etwas in seinem riesigen Schlosskeller bunkern, etwas, dass er vor den Leuten versteckt. Man sollte nicht unter vier Augen mit diesem Kerl sein.“ Der unerkannte Held schmunzelte ein wenig, fühlte aber sofort einen bitteren Beigeschmack an dem Gedanken. Ihm war klar, dass andere vielleicht auch nicht mit ihm ewig unter vier Augen sein sollten, denn seine Seele war dem Bösen bekannt und wenn er nicht aufpasste, es zu spät realisierte, waren mehr Menschen in seiner unmittelbaren Umgebung in einer schlimmeren Gefahr als er es überhaupt abschätzen konnte. Ja, und dieser Gedanke ließ seine markanten Gesichtszüge trübsinnig werden… Dann erhob er sich träge, wollte aus dem Raum trotten und bemerkte einmal mehr seinen höllischen Muskelkater. Er kniff die Augen zusammen und atmete scharf ein. Er überlegte es sich anders und setzte sich wieder. Pat und Trolli sahen ihn argwöhnisch an. „Sag’ mal. Du hast wohl keinen sehr festen Schlaf, oder“, meinte Pat. „Nein, eigentlich nicht.“ „Ich hoffe, du machst nächste Nacht nicht so einen Lärm, Held der Zeit.“ Dann begann Pat wieder zu kichern, was Link überhaupt nicht lustig fand. Wenn der wüsste… „Hör’ gefälligst auf mit diesem Unsinn. Ich weiß auch nicht, was sich meine Eltern bei der Namensgebung gedacht haben.“ „Mann, du verstehst echt keinen Spaß. Aber mal ehrlich: es geht ja schließlich nicht nur um den Namen. Du siehst zufälligerweise noch ziemlich, nein, eigentlich ganz genau so aus wie…“ Pat beendete den Satz nicht. Links Gesicht strahlte unheimlichen Groll aus. „Is‘ ja schon gut, ich sag’ nichts mehr.“ Trolli stattdessen schaufelte sich genüsslich einen Schokopudding nach dem anderen in den Mund und hatte nicht den blassen Dunst davon, worüber sie eigentlich redeten. Als Link und Pat ihn dann aber musterten, und mit dem Kopf schüttelten, da der süße Schokopudding langsam an den Ecken seines Mundes hinab tropfte und sich auf der Tischdecke verteilte, sah er auf und sagte: „Was denn? Solchen Pudding gibt’s nicht jeden Tag!“ Pat verdrehte die Augen. „Mag’ sein. Aber so wie du das Zeug in dich hineinstopft, hat man den Eindruck, du hättest so was noch nie gegessen.“ „Hab’ ich auch nicht. Meine Mutter ist Ernährungswissenschaftlerin und sie verbietet mir diese Leckereien.“ „Oh, na dann. Jetzt aber mal was anderes. Habt ihr nicht Lust auf eine Radtour“, fragte Pat. Link wollte schon einwilligen, aber dann machten sich seine Schmerzen wieder bemerkbar. „Würde ja gerne, aber ich hab’ noch was anderes vor.“ „Stimmt. Der Held der Zeit und im Übrigen, der Held des Windes, Held des Triforce und Held des Zwielichts, muss ja seine teure Okarina von Prinzessin Zelda wiederfinden.“ „Jetzt reicht’s aber!“ Links erboste Stimme schallte durch den Raum. Dieses selbstgerechte Gebrabbel machte ihn nicht nur wahnsinnig, sondern extrem wütend. „Ich find’ das nicht mehr lustig“, giftete er. Jetzt hatte Pat sich die Zunge zum zweiten Mal verbrannt und Link kochte vor Zorn. Seine Augen glühten vor Wut, wohl, weil Zeldas Name gefallen war. Der starke Held beugte sich über den Tisch und packte Pat aufgebracht am Kragen. „Hör’ endlich auf mit deinem stumpfsinnigen Getue, mit deiner verfluchten Gehässigkeit und dem dummen Wahnwitz aus deinen Augen. Urteile nicht über Dinge, die du nicht weißt und halt endlich deinen großen Schnabel.“ Unsicher wich Pat zurück und schluckte den Knoten in seinem Hals hinunter. „Mann, entschuldige, ich hab’ doch nur Spaß gemacht“, erklärte der vorlaute Kerl und mühte sich Link wieder zu beruhigen. Trolli mischte sich ein und hielt Link an seinem starken, sonnengebräunten Arm fest. Der Heroe kam wieder zur Besinnung, und er ließ von Pat ab. „Sorry.“ „Oh Mann, warum bist du deswegen überhaupt so gereizt“, fragte Pat, dessen Stimme ein wenig schwächlich klang. „Ich wäre stolz darauf Link zu heißen.“ ,Ich wäre stolz darauf Link zu heißen’, schallte es dröhnend durch Links Gehörgänge und doch wollte er das eben gesagte nicht verstehen. „Was hast du gerade gesagt?“ „Ich wollte wissen, warum du so affig gereizt bist.“ „Das danach.“ „Na, du kannst doch froh sein, wie der tolle Held aus Hyrule zu heißen.“ Plötzlich schoss Link ein Gedanke durch den Kopf, über den er noch nie nachgedacht hatte. Pat hatte vollkommen Recht. Wenn Link tatsächlich etwas mit Hyrule zu tun hatte…wenn er wirklich der Held aus Hyrule war… dann könne er sicherlich stolz auf das sein, was er möglicherweise in einer anderen Welt und Zeit getan hatte. Er war ein Held, hatte viele selbstlose Taten vollbracht und ein ganzes Königreich mit seinem Mut gerettet. Warum also verachtete er sich selbst und verschmähte seinen Namen? Warum grübelte er noch über das Wenn und Aber, wo er doch handeln musste? Link kniff die Augen zu und lehnte trübsinnig den Kopf auf die Arme. „Du kannst den Namen gerne haben, wenn du möchtest, ich schenke ihn dir.“ Melancholie brach aus seinen Worten, aber sowohl Trolli bei Tisch, als auch Patrick verstanden den Grund seines Schwermuts nicht. Sprachlos sah Pat drein, fühlte eine Art hinterhältiges Misstrauen in sich aufkeimen. Warum nur sagte dieser Jugendliche das? „Du bist nicht gerade begeistert von deinem Namen, was?“, meinte Patrick aufmunternd. „Aber… nun ja, wie gesagt. Link zu sein…“ Und der Zeldafan lächelte. „Link zu sein wäre doch ein unglaublich großartiges Geschenk. Ich meine, der Held Hyrules ist für viele junge Menschen, die das Spiel kennen, ein riesiges Vorbild. Er hat eine legendäre Seele und egal, wie es um Hyrule bestellt ist, immer, wenn er das Licht der Welt erblickt hat, war er in der Lage zu kämpfen und immer dann dort zu bestehen, wo andere fielen. Wenn ich einen Lebenssinn wählen könnte, dann doch nur einen, der mich mit Stolz erfüllt. Ich muss sogar sagen, dass ich unheimlich neidisch bin auf das, was dieser Held erlebt und geleistet hat.“ Link fiel daraufhin die Kinnlade herunter und er zwinkerte nervös. Das waren doch zu viele positive Gedanken auf einmal und zu viele Schmeicheleien. War der Link aus dem Spiel denn wirklich ein so toller und mutiger Mann? War er wirklich so selbstlos? Und der jugendliche Erdenbewohner verstand noch mehr. Konnte er, wo er auf der Erde lebte, denn überhaupt Link, der Hylianer und Held, sein? „Du redest ja gerade so, als wäre dieser Held real“, sprach Trolli und blickte abwechselnd zu Link und Patrick. Patrick steckte seine Hände hinter den Kopf und lachte: „Nun ja, er ist mein Vorbild, wäre cool, wenn er real wäre.“ Mit einem Schmunzeln auf den Lippen richtete sich Link auf und meinte leicht scherzhaft, wissend, irgendwo hatte Patrick Recht mit dem, was er sagte. „Was macht ihr eigentlich heute? Wie gesagt, ich gehe meine Okarina suchen, die ich im Übrigen nicht von Zelda bekommen habe. Wenn ihr Lust habt, könnt ihr doch mitkommen.“ Pat und Trolli nickten zustimmend. Dann stand der einstige Hylianer auf seinen halbtauben Beinen, mit dem schmerzhaften Gefühl des unerträglichen Muskelkaters überall. ,Gemächlich, bloß nicht so große Schritte machen, bloß langsam laufen, dann ginge das schon‘, dachte er. Murrend watschelte der grünbemützte Heroe aus der Halle in Richtung des Bungalows. Während Pat und Trolli noch beim Frühstück saßen, kramte Link in seinen Sachen herum, durchstöberte die große Reisetasche nach seinen Waffen. Er nahm seine Dolche und schnallte sich diese unter seine Jeans an die rechte Wade und den anderen unter sein T-Shirt. Denn irgendwie sprach etwas eine Warnung zu ihm, ein Flüstern und schweres Gefühl, erinnernd, dass er auch hier auf unheimliche Begegnungen vorbereitet und gewappnet sein sollte. Denn aus dem Abenteuerurlaub könnte eine gefährliche Reise werden… Aus seiner großen Reisetasche nahm er das einfache Kampfschwert und setzte sich an den Rand des Bettes. Er nahm das Schwert geschmeidig in seine linke Hand und stütze die lange, scharfe Klinge senkrecht an seiner Stirn ab. „Es wird Zeit sich zu erinnern“, murmelte Link in die Leere des Schlafzimmers. Seine Stimme klang so anders, erwachsener, vorbereiteter auf das grausame Schicksal, welches die Auserwählten Hyrules erwartete. Und doch gab es auch Lichtblicke in diesem Teufelskreis von Kampf und Wiedergeburt. Jede Zeit hatte ihre Lichtblicke und nach jedem Krieg folgte Frieden. „Glaubst du, das war schon alles?“ Eine Frage gleißend und bedrohlich wie die Hinrichtung für sühnende Verbrechen, zog sie sich durch den Raum, gesprochen von Link selber, der jedoch nicht dazu bestimmt war, zu wissen, was ein stärkerer, mutigerer Teil seiner Seele an grausamen Worten erläutern ließ. „Hast du gerne deine Schwäche gewählt? Warum schweigst du, da du reden solltest?’“ Erneutes starkes Anklagen, gesendet an seine eigene Dummheit, nicht an das wahre Ich in seinem Inneren zu glauben. „Wofür kämpfst du, wenn nicht für sie? Denn du kannst nicht für dich kämpfen, das konntest du nie.“ Eine kurze Pause, nicht lange genug, dass der junge Kämpfer dieses Ereignis des Erkennens festhalten oder begreifen konnte. „Kämpfst du für die, die du liebst? Kämpfst du nicht eher für die, die du hasst?“ Träge öffneten sich die tiefblauen Augen des Jugendlichen, schwammen mit Blicken in einem Meer der Unwirklichkeit, und Funken in seinen Seelenspiegeln lösten sich mit Blicken vom gewöhnlichen Weltengeschehen, tanzend vielleicht in einer anderen Ära… Außerhalb stand eine kleine Person am Fenster, die sich geschickt im Schatten der Bäume versteckt hielt und den in Gedanken versunkenen Helden aufmerksam beobachtete. Und jene Gestalt erkannte etwas, vor dem die Helden des Schicksals vielleicht nicht geschützt waren… Plötzlich drangen Geräusche aus dem kahlen Flur. Hastig versteckte Link das Schwert unter der Bettdecke und legte sich unschuldig mit dem Rücken darauf. Pat kam herein gestürmt, wirkte begeistert und in Aufbruchsstimmung. „Na, wo bleibst du denn? Es ist schon nach Mittag.“ „Wie bitte? Aber ich bin doch eben erst in mein Zimmer gegangen.“ Ungläubig starrte Link auf die Zeiger seiner Armbanduhr. Um Himmels Willen, er hatte für drei Stunden einen totalen Blackout! Link wusste nur noch, dass er das Schwert in seinen Händen gehalten hatte und nun. „Oh Mann. Das gibt’s nicht. Mir sind drei Stunden entfallen.“ Ja, er wusste gar nichts mehr. „Tja, bist wohl im Umgang mit der Zeit nicht so geschickt, Held der Zeit? Haha…“ „Sehr witzig.“ Link richtete sich auf und verließ mit Pat das Zimmer. Alsdann liefen die drei Jugendlichen in Richtung des märchenhaften Sees, der am Tag über noch schöner strahlte als in der Nacht. Sonnenstrahlen brachten das kristallklare Wasser zum Funkeln. Link fragte sich, ob in Hyrule die Seen ebenfalls so wunderschön aussahen wie hier. Er seufzte leicht. „Sag’ mal, Link?“ Verwunderlich, dass Pat ihn mit seinem richtigen Namen ansprach. „Ja, was ist?“ „Wie sieht deine Okarina eigentlich aus?“ „Nun, sie ist fast vollständig weiß. Und hat einige mit goldener Farbe gemalte Umrahmungen der Löcher und des Mundstückes.“ „Weiß, na da müssten wir sie eigentlich schnell finden. Und wo hast du sie her?“ „Ähm…“ Mit so einer Frage hatte Link nicht gerechnet. „Von meinen Eltern…“ „Und was machen deine Eltern so?“ „Sie… sie…“ Link blieb stehen. Eigentlich wusste er fast gar nichts über seine wahren Eltern. Er wusste gerade mal, dass er dieses Instrument von ihnen hatte. „Sie leben nicht mehr.“ Pat blieb ebenfalls stehen und machte ein eigenartiges Gesicht. „Ich will ja nicht schadenfroh klingen, aber das wäre wohl typisch für den Helden der Zeit.“ Link zuckte mit den Schultern. „Du hast eine ganz schöne Ähnlichkeit mit ihm!“ „Tja. Spinner gibt es immer wieder“, meinte Link, belog sich nur selbst mit dieser Gleichgültigkeit und lief weiter. Trolli mischte sich ein: „Nun tut mal nicht so heimlich. Könntet ihr mir nicht mal etwas über das Zeldaspiel erzählen? Ich kenne das Spiel wirklich nicht.“ Pat und Link drehten sich fast gleichzeitig zu ihm um. „Na, da hast du aber was verpasst, mein Lieber“, meinte Link. Sodann erzählten sie ihm alles Mögliche über Hyrule, Prinzessin Zelda und ihren grünbemützten Beschützer. „Und wie sieht Zelda eigentlich aus“, fragte Trolli, der mehr und mehr Begeisterung für die Geschichte zeigte, wenn nicht sogar ein übertriebenes, seltsames Interesse daran hegte. „Nun…“ Link wusste ganz genau, wie Zelda aussah und wollte sich keineswegs verplappern. Die Meute lief weiter, einen zugepflasterten Weg entlang, an dessen Seite ein kleiner Holzzaun verlief. Auf der Wiese dahinter standen einige Pferde. Link kletterte, so gut es mit dem Muskelkater ging, daran hinauf und setzte sich. Pat und Trolli taten es ihm gleich. „Na Link, was meinst du, wie Zelda aussieht“, wollte Pat unbedingt wissen. „Zelda… hm?“ Link hatte das Bild seiner Prinzessin im Kopf und wusste eigentlich nicht wirklich, wie er sie beschreiben sollte. Jedes Wort, das ihm einfiel, passte, seiner Meinung nach nicht zu ihrem wunderschönen Antlitz. Für Zeldas einzigartiges Wesen, für ihre kristallblauen Augen, gab es eigentlich keine Worte. Plötzlich trabte eines der Pferde auf sie zu, ein braunes Pferd mit einer weißen Mähne, ein starkes Getier, kraftvoll und muskulös. Das Pferd lief genau auf Link zu, beschnupperte ihn und gab ihm einen Schlecker mit der riesigen, schwammigen Zunge, sodass er vor Schreck vom Zaun fiel. „Mann? Was war das denn“, murrte Link. Er schaute nach oben und sah nur das dämliche Grinsen seiner beiden Zimmerkollegen. Das Pferd allerdings trabte wieder gen Wiese in Richtung zu zwei jungen Mädchen, die den Jugendlichen erfreut zuwinkten. Pat verzog sein Gesicht und wollte nicht schon wieder bei jungen Damen im Rampenlicht stehen. Link allerdings winkte mit seiner unverbesserlichen Naivität, dachte nicht im Traum daran, sich dadurch in der Damenwelt mal wieder überaus beliebt zu machen. Lächelnde, unverbesserliche, zwinkernde Gesichter strahlten den Jugendlichen entgegen. „Bist du hohl, und ich dachte, du hättest genug von der Damenwelt“, murrte Pat. „Sicher habe ich das, aber das heißt doch nicht, dass man unfreundlich sein muss, oder?“, sagte der dusslige Held mit Namen Link, worauf Pat bloß die Augen verdrehte. Link und die seine beiden Mitbewohner machten sich schließlich wieder auf den Weg. „Du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Wie, glaubst du, würde die Prinzessin in Wirklichkeit aussehen?“, sagte Pat. „In Wirklichkeit?“ „Ja, in Wirklichkeit.“ „Sie würde bestimmt aussehen wie ein ganz gewöhnliches Mädchen, auch wenn ein wenig…“ „Was?“ „… trauriger.“ Sie suchten den ganzen Tag nach der Okarina, aber vergebens. Kein Hinweis über ihren Verbleib. So entschlossen sie sich wieder zurück zu der Jugendherberge zu gehen. Pat schwieg die ganze Zeit und dachte über Links Worte nach. Seine Art und Weise über die Prinzessin Hyrules zu reden und der Trübsinn in seinen tiefblauen Augen, als sie darüber redeten. Wenn er es nicht besser wüsste, so dachte er, hatte er tatsächlich den Helden aus Hyrule vor sich… Wenige Tage vergingen. Link suchte sich unter allen möglichen Freizeitaktivitäten lediglich die aus, bei denen er sich nicht zu sehr anstrengen musste. Und tatsächlich in den nächsten Tagen ging es ihm wahrhaft besser. Der Muskelkater verschwand und auch seine Stimmung besserte sich. Er genoss es hier zu sein, auch mit den nagenden Fragen in seinem jugendlichen Schädel. Seine Okarina allerdings hatte er nicht wieder gefunden, was ihn etwas ärgerte. Er hatte lange danach gesucht, aber sie schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Link saß gerade grüblerisch im Schlafzimmer, im Schneidersitz auf seinem zerwühlten Bett, und nahm ein Blatt Papier, sowie einen blauen Kugelschreiber zur Hand. ,Also, wie fange ich am besten an‘, überlegte er. „An Zelda, nein, klingt bescheuert… An einen Engel, nö, das kann ich auf keinen Fall schreiben…“, murmelte Link zu sich selbst. Er hatte tatsächlich vor, seiner wunderschönen Zelda einen aufheiternden Brief zu schreiben. Sie würde sich sicherlich darüber freuen, aber es scheiterte ja bereits am Anfang. „Okay, überleg’ ich später: Also, wie geht’s dir so. Mir geht’s gut.“ Link knüllte das Stück Papier genervt zusammen und warf es wütend in einen Mülleimer. ,Warum krieg’ ich es nicht fertig, ihr einen Brief zu schreiben‘, dachte Link. Kann doch nicht so schwer sein! Und wieder begann er von vorne. „Liebe Zelda, ich hoffe, du verzeihst, wenn der Brief vielleicht nicht der Tollste wird, aber ich wollte dir schon seit meiner Abreise diesen Brief schreiben und deshalb tue ich das jetzt auch. Vielleicht ist es einfacher, entscheidende Worte auf Papier zu bringen, wenn die Gefühle, Ängste, es auf andere Weise nicht zu lassen. Ich wollte mich bei dir entschuldigen, dafür, dass ich vieles hätte ändern sollen und einfach nach Irland abgehauen bin. Ich dachte immer, ich würde alles, was in letzter Zeit passiert ist, irgendwie in meinen Kopf kriegen. Ich bin jedoch einfach weggelaufen und habe die Auseinandersetzung mit dem Thema Hyrule vermieden. Deswegen möchte ich dich bitten, dass wir das in nächster Zeit nachholen, dann, wenn ich wieder zu Hause bin. Wir sollten endlich darüber reden. Über Hyrule. Über uns. Es sind jetzt noch knapp zwei Wochen, die ich hier verbringen werde. Mir sind einige interessante Leute begegnet und ich bin froh, dass ich den Entschluss gefasst habe, in dieses Camp zu fahren. Die Landschaft ist ein Traum, um dich neidisch zu machen. Ja, ich bin mir sicher, es hätte dir hier gefallen. Ehrlich gesagt, wäre es schön gewesen, wenn du mitgekommen wärst… nun ja, ich will den Brief nicht zu langatmig werden lassen und verabschiede mich dann. Zum Abschluss noch drei Dinge. Erstens: Ich bete, dass der Brief noch in deine Hände fällt, bevor ich wieder zu Hause bin. Zweitens: Mach’ dir keine Sorgen um mich, es geht mir hier sehr gut (es hat mich noch niemand angegriffen) und drittens: Ich vermisse dich… Bis bald, dein Link.“ Ja, so müsste das gehen. ,Hoffentlich habe ich nichts geschrieben, das zu weit geht‘, dachte er. ,Ob ich das ,Ich vermisse dich‘ durchstreichen sollte‘, fragte sich Link. Doch dann kam plötzlich der Pat schlaksig in den Raum getrottet und er faltete den Brief augenblicklich zusammen, steckte ihn in den Umschlag und notierte Zeldas Adresse darauf. „Ähm Link, da will dich jemand sprechen. Er sagt, es sei wichtig.“ Der Angesprochene sprang auf, überrascht, dass er dies nach besagtem Traum wieder konnte und lief zur Tür. Ein athletischer Junge, etwa in Links Alter, stand vor der himmelblauen Tür. Einprägend sah der Held sich die Gestalt an und glaubte, sie schon einmal gesehen zu haben. Ein Gefühl der Wahrheit, der Belehrung und der Erinnerung legte sich in das ansehnliche Gesicht des wahren Helden Hyrules. Der junge Mann gegenüber war ungefähr einen halben Kopf kleiner als Link und besaß ein wenig längere, hellblonde Haare. Seine Augen hatten fast die gleiche Farbe wie Ines’. Dasselbe rötliche, rätselhafte Braun. Derselbe mysteriöse Eindruck, den sie hinterließen. „Ja, bitte“, meinte Link und schluckte den aufkommenden Knoten in seinem Hals herunter. „Mein Name ist Sian Johnson. Ich habe etwas gefunden, das dir gehört.“ Und der junge, fremde Mann hielt dem überforderten Helden seine weiße Okarina unter die Nase. Er grinste leicht und blickte den Heroen durchdringend aus seinem braungebrannten Gesicht an. Er war auffällig ansehnlich, hatte eine bemerkenswert reine Haut und edle Gesichtszüge wie ein Elf. Link nahm das Instrument verwirrt an sich, berührte kurz einige Finger des Mannes und fühlte sich irgendwie unpässlich in seiner Gesellschaft. „Oh… meine Okarina…“, sprach er nervös, nicht sicher, was ihn an der Gestalt beunruhigte. „Hast du die Okarina nur verloren oder wolltest du sie verlieren?“ Link zog seine hellen Augenbrauen nieder und mit der Skepsis in seinen tiefblauen Augen erhob sich ein leiser, alter Zorn, ließ sich in seinen ansehnlichen Gesichtszügen ablesen. „Ja, ich habe sie verloren, nicht absichtlich.“ Und die Nervosität von vorhin verschwand mit einem hinterhältigen Gefühl des Verrats, kroch nieder und versank, wie ein Körper im Moor. „Sicher?“, entgegnete der junge Bursche. Seine durchdringenden, roten Augen leuchteten aussaugend. „Manche Dinge verliert man gerne, andere wiederrum sollte man niemals verlieren… so wie Erinnerungen.“ Und mit jenen Worten grinste der junge Mann wissender, spürte die wachsende Unruhe in den Adern seines Gegenübers. Auch Link erschien es, dass Sian Johnson ihn herausfordern wollte, ihn aus der Reserve locken wollte. Etwas war da, vergessen und vertraut, unberechenbar stark. Und dieser junge Athlet wusste davon. Tief einatmend und sich fragend, was diese seltsame Auseinandersetzung bedeuten mochte, trat Link einen Schritt näher auf Sian Johnson zu. „Woher weißt du, dass diese Okarina mir gehört?“, sprach er warnend. Seine Stimme klang entschlossen, so wie vor wenigen Wochen, als er die Skelettritter vernichtete. Aber Sian verzog nicht einen Muskel in seinem einprägsamen Gesicht. Stattdessen spielte er mit einer Hand an seinen sandblonden Haaren, die verspielt über seine Augen fielen. „Nun, Zufall ist mein Wissen wohl nicht“, sprach er amüsiert und pseudoernst. „Ich weiß einiges über dich, Link. Und ich weiß gewiss noch wesentlich mehr über Zelda.“ Überprüfend schaute der Heroe in alle Richtungen und vergewisserte sich, dass niemand ihnen zu hörte. Während der Wind in den Palmen raschelte, flammte der Anflug einer Drohung in Links Augen auf und einschüchternde Worte drangen über seinen Lippen: „Wenn du Zelda Schaden zufügst, oder sonst irgendetwas im Schilde führst, das sie betrifft, bekommst du es mit mir zu tun.“ Sian lachte auf, stemmte seine Hände in die Hüften und grinste. Aber keine Antwort kam über seinen schmalen, blassrosa Mund. Und auch das verunsicherte den jungen Heroen deutlich. Erneut spürte er einen zunehmenden Knoten in seinem Hals und eine Gänsehaut lief ihm über den Rücken. „Ich meine das weder halbherzig noch lustig“, sprach Link, bemüht standhaft in diesem Gespräch zu wirken und ignorierte die Nervosität in Sians Gegenwart. „Bevor der Held in dir weitere Geschütze auffahren muss“, sprach der Jugendliche und schenkte seinem Gegenüber einen weiteren durchdringenden Blick aus tiefroten Augen. „lass mich dir versichern, dass ich deiner Prinzessin niemals schaden könnte.“ Aber Link zweifelte. Etwas an diesem Menschen machte ihn nicht nur nervös, sondern ließ ihn sich irgendwie… schwach fühlen. Und seine Zweifel ließen seine Lippen schweigen. „Das wirst dies bald verstehen“, sprach Sian wissend, reckte seinen Kopf und die Höhe und schien den strahlenden Horizont zu mustern. „Auf jeden Fall stehe ich auf der Seite, die auch du wählst in diesem Irrsinn von Kampf und Wiedergeburt.“ Ungläubig und kaum begreifend wie jener Außenstehen von den Ereignissen um Hyrule wissen konnte, trat Link noch einen Schritt näher, worauf Sian überrascht zurückwich. „Du behauptest einiges…“, sprach der Held skeptisch. „Nein, ich wage zu wissen. Entscheidende Verflechtungen zu wissen, Fügungen zu wissen. Und hier stehe ich vor dir, weil ich dich unterstützen will. Richte dein Misstrauen gegen diejenigen, die es verdient haben. Glaubst du, ich hätte dir die Okarina wieder gebracht, wenn ich verräterisch wäre?“ „Wer weiß. Vielleicht nur eine Taktik, um mich guter Laune zu stimmen oder einzuwickeln“, meinte der Held sarkastisch und blickte ungläubig in Sians Augen. Es roch förmlich nach Verrat. Aber was genau war es nur, was Link beunruhigte, was ihn dazu brachte, dieser Gestalt Misstrauen entgegen zu bringen? „Beeindruckend, dass du wohl allem Anschein nach doch nicht so naiv und gutgläubig bist, wie es schien…“ „Hör’ auf, so zu tun, als wüsstest du, was geschehen ist und als würdest du mich kennen wollen.“ Link spannte die Fäuste und mochte diese widersinnige Unterhaltung nicht. „Niemand kennt einen Menschen ganz genau. Wenn wir unsere Geheimnisse nicht hätten, wäre das Leben erfüllt von der langweiligsten Leier überhaupt“, sagte der Kerl und blickte mit den roten Augen seitwärts. „… du kannst mir vertrauen, Link.“ „Da bin ich mir nicht so sicher“, sagte er und trat an dem Burschen vorbei. „In letzter Zeit muss ich echt vorsorgen und darauf achten, wem ich mein Vertrauen schenke. Also, dann erzähl’ mir deine Geschichte. Woher weißt du so viel?“ „Ich bin nur ein Beobachter…“ „Das klingt feige…“, murmelte Link. „Ein Beobachter mischt sich kaum ein und tut noch weniger als getan werden sollte.“ „Gut gekontert“, sprach Sian Johnson und trat mit einem leichten Lächeln einige Meter weiter. „Aber so einfach ist es auch nicht.“ „Wer sagt schon, dass diese Welt und ihre Geheimnisse einfach sind…“, murmelte Link leise und bereute die Aussage sofort wieder. Sian musterte den Heroen noch einmal tiefgehend. Und seine Gesichtszüge, das sanfte Funkeln in seinen Augen ließ auch Link ein wenig mehr entspannen. Das erste Mal, seit Sian ihn angesprochen hatte, fühlte sich der Grünbemützte ruhiger, und die merkwürdige Nervosität verebbte. Sian warf einen Blick auf seine Armbanduhr, hob eine Hand und entfernte sich allmählich vom Bungalow. „Es war interessant dich kennenzulernen“, sprach er und trat währenddessen weiter in Richtung der Straße. „Wir werden uns wieder sehen. Bis bald!“, rief er noch. Link blickte dem rätselhaften Burschen nach, sah ihn am Horizont verschwunden, bis er nur noch ein kleiner weißblauer Fleck am Horizont war. Mit Verwirrung in seinen tiefblauen Augen sah er Sian in der Ferne verschwinden, konnte das Gefühl nicht begreifen, dass sein Verstand entschlüsselte. Ein Gefühl von Vertrautheit, der Eindruck jenen jungen Kerl in gewisser Weise bereits sehr gut zu kennen… Etwas trübsinnig blickte Link zu Boden und seine tiefblauen Augen schillerten. Sein Blick fiel zu dem Brief, den er für seine Prinzessin geschrieben hatte. Seine Gedanken wanderten auf Reisen, wanderten zu ihr, wissend, es wurde Zeit, dass Zelda ihm alles erzählte, alles über Hyrule, seine Rolle in diesem Wirrwarr und vielleicht auch etwas darüber, was damals zwischen ihnen war… Auch Link ließ den Bungalow hinter sich, trottete in Richtung der nächsten Ortschaft, bis auch er am Horizont verschwand… Der Held trat in eine kleine, gemütliche Ortschaft ein, erstaunt über die vielen, fröhlichen Menschen, die sich hier tummelten. Auf dem mittelalterlich wirkenden, eher winzigen Marktplatz herrschte reges Treiben. Viele kleine Stände waren aufgebaut. Kinder tollten um einen kleinen Springbrunnen auf dem Platz, Tauben flatterten mit ihrem grauen Gefieder in den Lüften umher und ältere Leute tratschten, tauschten sich interessiert ihre Geschichten aus. Links Gedankengänge schweiften ab. Es tat irgendwie unheimlich gut so viele frohe Menschen mit lachenden Gesichtern zu sehen. Der junge Held lief ein wenig durch die Stände, vorbei an aufgestapelten Kisten mit frischem Gemüse, durch Reihen mit Schmuck, Lederarbeiten, Keramikgefäßen und vielerlei anderem Kram. Dieser wohlige Ort schien ihm vertraut, so vertraut wie die Vorstellung von Hyrule und seinen Städten, die phantastischen Bilder einer anderen Welt, die ihn niemals völlig losließen. Den Brief an Zelda hatte er immer noch in der Hand. Mit einem unwiderstehlichen Lächeln blickte er auf den Brief, erfreute sich an der Vorstellung ihres wunderschönen Gesichtes, sollte sie den Brief bekommen, malte sich aus, wie es sein würde, wenn er sie nach ihren Gefühlen fragen würde, sollte sie den Brief lesen. Ob sie ihn denn genauso nach wenigen Tagen schon vermisste wie er sie? In einer kleinen Seitengasse erblickte er einen knallroten Briefkasten und lief gemächlich darauf zu. Der Siebzehnjährige hatte gerade den Brief eingeworfen, als er grob zur Seite geschupst wurde. Ein schmaler Kerl mit Kapuze und rötlichglänzender Tasche in der Hand rannte an ihm vorbei, blickte verachtend unter der Kappe hervor und lachte fast krankhaft. Er hatte ein Gesicht wie ein Geist, leer und ausdruckslos wie der Tod. Der Mann beschleunigte seinen Schritt, hetzte auf mageren Beinen weiter. „Idiot“, fauchte Link hitzköpfig, schüttelte verärgert den Kopf und wollte seinen Weg gerade fortsetzen. Plötzlich aber hörte der grünbemützte Heroe aus der Ferne die Rufe einer verzweifelten Frau. Sie bog in die Seitengasse ein, in welcher Link stand und rief erneut. „A thief. A thief!“, kreischte sie hysterisch. Es war eine schöne Frau mit einem brünetten Kurzhaarschnitt. Ihre Verzweiflung schien ihre natürliche Schönheit wie eine dunkle Wolke den Abendhimmel zu verhüllen. Ohne weiteres Überlegen, zielsicher und flink, spurtete der Held dem Kerl, der ihn beinahe zu Boden gerissen hätte, hinterher. Edelmütig hetzte der Held aus der Seitengasse heraus, war sich sicher den Dieb zu stellen und fand sich in einer weiteren Gasse wieder. Kleine Geschäfte waren wie Puzzleteile dicht aneinandergereiht worden, ließen den jungen Mann sich fühlen wie in einem Märchen. Wenige Menschen liefen in seine Richtung, trotteten über das Pflastergestein. Hastig schaute Link in alle Richtungen, suchte nach Hinweisen. „This way“, dröhnte eine Stimme an Links Ohren. Ein älterer Herr mit Hut und flauschigem Anzug zeigte auf eine weitere unbelebte Straße. Link nickte dem Mann dankbar entgegen, hechtete weiter und konnte den Dieb mit dem staubigen Umhang noch erkennen, bevor er um eine Ecke bog. ,So leicht entkommst du mir nicht‘, dachte der Heroe und seine Mundwinkel zogen sich nach oben. Seine alte Kraft rufend beschleunigte der einstige Hylianer sein Tempo und folgte dem Unbekannten durch ein leeres Labyrinth aus kleinen Häusern und verwinkelten Gassen. Wieder erblickte der Heroe den Dieb vor sich, und kam ihm tatsächlich näher. „Halt!“, rief er, aber die Gestalt lief unverschämt weiter, lief schneller, als sie ihren Verfolger wahrnahm. „Stop! Stop!“, fauchte Link, wissend, der Mann würde vielleicht ewig mit ihm Katz und Maus spielen, wenn er sich nichts einfallen ließ. Und während der Heroe rannte, wuchs in ihm eine Idee, die ihm helfen könnte den Dieb zu stellen und den Gerechtigkeitsfanatiker in sich zu beruhigen. Nur kurz überblickte Link seine Situation, spürte in sich hinein und erschuf in seinen Gehirnwindungen ein dreidimensionales Bild der Stadt, der kleinen Gassen und Geschäfte. Wie von oben herab konnte Link die Szenerie sehen und folgte seinem Gespür, dass der Dieb nur in eine bestimmte Richtung laufen würde. Sich auf seinen strategischen Spürsinn verlassend bog der Grünbemützte früher ab und hoffte, der Kerl würde seinen Weg kreuzen. Link blieb stehen und konzentrierte sich auf die näherkommenden Geräusche unruhiger Schritte. Und je näher das Tapsen kam, umso langsamer wurde es. Ganz vorsichtig spähte Link aus seiner Ecke hervor. Und nur wenige Meter weiter, tapsend und einen schrillen Pfeifton aus seinen Lungen bringend lief der Langfinger genau auf ihn zu… Er hechelte, wischte sich über seine Brust und winselte schließlich wie ein Kind. Tapsend folgte der Mann dem Weg. Seine Kapuze flatterte raschelnd im kühlen Wind, der eine Brise des Meeres näher trug. In dem Augenblick sprang Link aus der Gasse hervor, hechtete blitzartig auf den perplexen Dieb zu, packte ihn am Kragen und drückte ihn gegen die kalte, graue Mauer eines Hauses. „Stop fidgeting“, fauchte Link. „That won’t help you! Give the bag back!“ Der magere Mann antwortete nicht. Dann sah er auf, starrte direkt in einen entschlossenen Blick, und unter der Kapuze leuchteten dunkle Augen bedrohlich hervor. Als Link die Augen seines Gegenübers sah, spürte er ruckartig das Gefühl seine Narben am Bauch würden sich wieder öffnen. „I don’t know who you are but you can’t make me fear you“, erwiderte der einstige Held Hyrules mutig. Link entriss ihm die rote Ledertasche und hüpfte gekonnt außer Reichweite des Mannes und musste das warnende Gefühl in seinen Gliedern begreifen. Und es war dann, dass die Anbahnung der Gefahr, die sich langsam durch die winzigen Gassen schmiegte, und ihr verlockendes Spiel um Macht und Kontrolle Ereignisse verursachten, die Links Wille und seinen Glauben an das Gute forderten. Denn mit einer eleganten Handbewegung entkleidete sich der Langfinger von seinem Mantel, lachte wie ein dummer Teufel, lachte kindlich und doch verrückt. Und nicht nur sein Lachen ließ vermuten, dass mit ihm etwas nicht stimmte, auch sein Äußeres warnte… Er besaß einen dürren, wenn nicht sogar ausgehungerten Körper und seine Haut schien älter zu sein, als der Rest des Körpers. Er besaß keine Haare und seine Nase und Wangen waren eingefallen. Ohne Scheu, lachend und todesmutig, lief er mit einem fiesen, schmierigen Grinsen auf den augenscheinlich unbewaffneten Link zu. Er schwankte, bewegte sich dann rasch und erreichte den Heroen in Sekundenschnelle. Noch bevor Link wusste, was er tat, wanderte seine Hand an seine rechte Seite, wo er einen von Narandas Dolchen versteckte… Und als der Kapuzenträger näher hastete, seine Gelenke knackend und er sich endlich vor Link auftürmte, begann er zu reden, sprach schrill in einer schiefrigen Stimme, verzerrt und jaulte auf wie einer derjenigen, die der Wahnsinn befallen hatte. Genauso kaum Link der Mann mittlerweile vor, wie eine Kreatur, die nicht mehr wusste, was sie tat, kontrolliert und genährt von einem bösen Willen. Jegliche Menschlichkeit schien aus dem Körper des Langfingers gesaugt. „I’ll kill you, Hero of an old world“, kreischte er, schlug um sich. Und dann stürzte er sich näher, fletschte die Zähne wie ein Hund und wirkte erschüttert, als der junge Heroe ihm mit einer eleganten Rolle auswich. Ahnend, dass der Mann ihn nicht umsonst als ,Helden der alten Welt‘ bezeichnete, türmte sich Link hinter dem Dieb auf und sein Kämpferblut wallte. Er war vorbereitet auf einen Kampf… Mutig hielt er seinen Dolch in der Hand, bereute den Entschluss seine Waffen mitgenommen zu haben immer weniger… Erneut griff der Dieb den Heroen an, schlug wild um sich, wollte treten und spucken. Kaum begreifend, dass er auch hier kämpfen musste, dass auch hier im blattgrünen Irland, weit weg von Schicksalshort, Menschen manipuliert wurden und Böses lauerte, ließ sich Link auf den Kampf ein. Und als der Mann erneut attackierte, blitzte Links Dolch auf und vergrub sich in einer Hand des Rivalen. Ein heftiger Schrei brannte in der Luft, worauf wenige Tauben in der Straße die Flucht ergriffen. Weiße und graue Federn flatterten in der Luft und benetzten das trockene Pflastergestein. Und als Link von dem Mann abließ, auch den Dolch mit einem Ruck aus dem rechten Handrücken des Diebes zog, sackte jener zu Boden, krümmte sich. Mit wachsendem Mitgefühl in seinen tiefblauen Augen stand Link einfach nur vor dem Mann, der zu winseln begann. Und plötzlich leuchteten seine Augen nicht mehr. Seine runzlige Haut änderte sich schlagartig, wurde menschlich und glatt, und ein schneller Haarwuchs sorgte unvermittelt für eine kurze, graue Frisur auf dem Haupt des Mannes. Er registrierte den Schmerz auf seiner Hand, wimmerte und blickte orientierungslos um sich. Link wusste, mit dem Schmerz auf der Hand, hatte sich der dunkle Schatten, der über diesem Mann hing, schlichtweg aufgelöst. Er seufzte erleichtert auf, nun, da er sich mit jenem Menschen unterhalten konnte. Der Dieb der roten Handtasche, der sich in eine Kreatur des Wahnsinns verwandelt hatte, hockte nun wie ein Häufchen Elend auf dem Boden. „Where am I? What did I do?“, fragte der in etwa vierzigjährige Kerl mit einer nur mehr normalen Männerstimme. Eine Stimme, noch immer ausdruckslos, aber gewöhnlich, eine Stimme, die zu jedem Mann gehören konnte. Der grünbemützte Jugendliche atmete noch einmal erleichtert auf und reichte dem Mann seine rechte Hand um ihm aufzuhelfen. Link sah die Gestalt eindringlich an, als er auf wackligen Beinen stand. „You can’t remember anything?“, sprach Link klar, aber wusste ohnehin die Antwort auf seine Frage. Der Mann musste besessen gewesen sein, ein Opfer des Bösen, so wie andere vorher… Wie sonst konnten seine Augen glühen und seine gesamte Gestalt sich plötzlich verändern? Und Link verstand noch mehr. Man konnte den scheinbaren Langfinger nicht für etwas büßen lassen, dass er nicht wirklich getan hatte! „No, where am I? Some minutes ago I…“, stotterte er. Der Mann presste seine linke Hand auf die schmerzende Rechte und zitterte wie unter Strom. Link sah dem bemitleidenswerten Menschen aufmunternd entgegen, wollte ihm ersparen noch weiter zu leiden. Wissend, dieser Mann war nicht der einzige, der sich innerhalb von Sekunden verwandelte und später wieder zur Besinnung kam, wissend, Ähnliches war damals mit Maron geschehen, würde Link ihn schützen. Er würde unschuldige Menschen, die rücksichtslos in ihr Verderben gestürzt wurden, nicht in diese Angelegenheiten hineinziehen und tun, was er als pflichtbewusste Wiedergeburt des legendären Helden Hyrules tun konnte. Benommen stand der Mann vor dem jungen Mann, der jenem ruhig die Situation erklärte. Der Typ sah aus, als hätte er den Tod gesehen, nachdem Link wenig später geendet hatte. „Listen, Mister. No one saw you under that cowl. And no one knows about this. If you disappear unseen, then it would look like as if nothing else has happened. I will remain silent and bring the bag back to the lady you did stole it from. I just say that the thief was loosing it and flew. Is that okay with you?“ „Thank you so much, boy. But who are you after all?“ „I… I’m no one…“ Und Link belog sich einmal mehr selbst und sein wahres Gesicht würde ihm irgendwann für diesen Lug und Trug die Karten vorlegen. Der Kerl stand auf und drehte sich um. Mit schweren Schritten lief er auf eine weitere Gasse zu. Link sah bemitleidend, wie der Mann davon schlürfte. Doch dann bemerkte der Held etwas Seltsames auf dem Nacken des Mannes. Link konnte deutlich eine kleine, hässliche und schwarze Wunde in Form eines Dreieckes am Hals erkennen. Er wollte den Kerl schon davon abhalten weiter zu laufen, aber dann war dieser schon um eine Ecke gebogen. Außerdem wollte Link den Mann nicht noch mehr belästigen. Damit drehte sich der junge Held um und lief wieder auf den belebten Marktplatz zu, aber der Gedanke an diese seltsame Verletzung blieb. Eine dreieckige Wunde am Nacken? Sicherlich war diese nicht gewöhnlichen Ursprungs. Hatte etwas Mächtigeres dahinter seine Finger im Spiel, fragte sich Link. Ja, dachte er niedergebeugt und einmal mehr krochen Schuldgefühle und Ungeduld in seinem Herzen umher, machten es schwer. Dieser Mensch mit Familie, mit einer einfachen Vergangenheit, er wurde grausam in Geschehnisse verwickelt, die ihn nichts angingen. Link ahnte, dies war nicht der letzte Mensch, dessen Augen begannen zu glühen, zu lodern, wie das Feuer aus der Hölle, in die man es gesperrt hatte. Es war nicht das letzte grausame Ereignis in seinem Leben solange der Teufel in Schicksalshort sein Nest gebaut hatte. Da war schlichtweg mehr im Hintergrund als der Heroe vermutete und vielleicht mehr als er ertragen konnte. Irgendwo an anderen Ufern der Welt wartete die Antwort und etwas Großes war im Gange, dort, wo die Zeit stillstand. Es war noch nicht vorüber. Denn das Böse kannte seine Zufluchten und es hatte weitreichende Pläne. Und hinter diesem scheinbaren Irrsinn, dass Menschen von einer grausamen Energie befallen wurden, steckte vielleicht mehr als Link und jene, die mit ihm kämpfen wollten, erahnen konnten. Böses nahte und es wurde mit jeder Sekunde, die verging, stärker. Link kam atemlos zum Stehen und starrte mit Melancholie in den blaugemalten Himmel. Noch schien die feurige Sonne am weiten Horizont und malte Licht und Energie in die Herzen der Menschen. Ihr Licht erfüllte die Welt, sie spendete ihre Wärme ohne Reue und ohne Erwartung allen Geschöpfen des Erdenplaneten. Die Frage allerdings war, wie lange sie dies noch konnte… Kapitel 26: Mit Klauen und Fängen --------------------------------- Schlecht gelaunt und mit herunterhängenden Mundwinkeln kam Link auf dem belebten Marktplatz an und erblickte die schöne, brünette Frau, deren rubinrote Umhängetasche er in der Hand hielt. „Ähm, Miss, I’ve got your bag“, sprach er unsicher. Schnell drehte sie sich um und strahlte den Helden an. „Wow, you really got it? Thank you, little Hero”, sagte sie. Sofort riss sie ihm die Tasche aus der Hand, kramte darin herum und lächelte schließlich noch klarer. Sie hatte ein beruhigendes Lächeln, eines einer Frau, die in ihrem Leben schlechten, kummervollen Zeiten kaum begegnet war. Dann sprach sie mehrere Worte sehr lispelnd und schnell, sodass Link diese unmöglich verstehen konnte. Er machte bloß große Augen, bis die Dame verstand. Erstaunlicherweise redete sie dann sehr gut in seiner Sprache, etwas verwaschen, etwas stockend, aber verständlich. „Vielen, lieben Dank, das war richtig selbstlos von dir, kleiner Held. Mein Name ist Anja NiceInn. Komm‘ mit, irgendwas bekommst du natürlich als Lohn für deine Mühen. Den Dieb konntest du aber leider nicht stellen, hm?“ Sie wirkte übereifrig und packte den jungen Burschen am Arm. „Nö, er hat die Tasche fallengelassen und ist dann wie der Blitz weggelaufen. Übrigens, Sie brauchen mir wirklich keine Belohnung…“, begann Link, wollte sich herausreden und nur wieder zurück zum Camp und über den Mann und seine dreieckigen Wunde nachdenken, vielleicht sogar Impa diesbezüglich kontaktieren. „Du kommst jetzt mit“, unterbrach ihn die Dame schroff. „Sei’ doch nicht so bescheiden.“ Sie packte Link noch fester am Arm, der seine Augen verdrehte, und zerrte den hilflosen Burschen mit sich. „Du bist also einer der Touristen von der Jugendherberge am See. Interessant“, sagte die Dame, als sie ihm einen Teller randvoll gefüllt mit irgendwelchen Delikatessen vorsetzte. Link wollte wirklich bescheiden sein, aber so gut wie das Essen aussah und duftete, konnte er nicht wiederstehen und er kostete. Es waren einige Wurstsorten, ein cremiger Käse, frisches Brot und eine kleine Schüssel mit einer Suppe. Der Duft allein verführte Link und er konnte kaum mehr höflich sein und er aß schnell weiter. Es schmeckte vorzüglich… Er befand sich in einer gemütlichen Wohnstube eines kleinen Gasthofs. Anja NiceInn war die Besitzerin und strahlte ihn mit den Augen einer Freundin an. Link musterte die Dame nun noch intensiver, las in ihren Gesichtszügen, las in ihrem Blick. Ihre kurzen braunen Haare wurden von dem Schein des Feuers eines Kamins so beleuchtet, dass es wirkte, als tanzte es. Und auch in ihren blauen Augen sprach das Feuer und fesselte. ,Sie war bestimmt so um die fünfundzwanzig ‘, dachte Link. Dann ging sie lächelnd aus dem Raum, um noch etwas zu holen. Der Siebzehnjährige sah interessiert umher und war nun doch noch froh, dass er eingewilligt hatte mit zu kommen. Es gefiel ihm in dem kleinen Gasthaus, ja sogar richtig gut. Das Zimmer besaß nur ein kleines Fenster, welches einen guten Blick auf den nächtlichen Marktplatz gewährte. Die Sonne war bereits untergegangen. In dem Kamin der kleinen Wohnstube loderte munter das wohlige, wärmende Feuer. Links Blick verlor sich dort, verträumt… melancholisch… alten Zeiten gedenkend… Als Anja wieder hereintrat, mit einer Flasche Saft oder ähnlichem in der Hand, merkte sie, dass Link gedankenversunken in das glühende Feuer starrte. „Wir heizen noch mit Torf. Ich hoffe, du findest das nicht ungewöhnlich“, sprach sie und konnte sich aus dem nachdenklichen Blick des Jugendlichen wohl kaum einen Reim machen. „Was?“, Link der wieder zur Besinnung kam, meinte lediglich. „Nein, ich finde das nicht verwunderlich.“ „Wie ist eigentlich dein Name?“ „Ich bin Link Bravery.“ ,Auch wenn ich wünschte jemand anderes zu sein‘, schallte eine Stimme in seinem Kopf. „Also, ich danke dir noch mal dafür, du weißt schon. Ich hatte schließlich alle meine Papiere in der Tasche.“ „Wirklich keine Ursache. Übrigens, das Essen ist wirklich lecker. Besser als in der Jugendherberge.“ Link rang sich zu einem Lächeln. Sein Gegenüber ebenso. Ein Lächeln, gerade das war es, was so spärlich dem jungen Helden über das Gesicht kam. Ein ehrliches, teures Lächeln, welches beruhigte, welches erfüllte. „Sag‘ mal, Anja, dieser Typ, der auf dem Schloss wohnt. Weißt du etwas über ihn?“ Sie blickte ein wenig verwundert drein und erwiderte: „Du musst ihn doch schon gesehen haben. Ihm gehört schließlich die Jugendherberge. Es ist ein älterer Herr, und er trägt meistens einen roten Mantel.“ Link verstand schlagartig und war noch faszinierter. Das war der ältere Mann aus dem Anmeldungsbüro mit der schönen Augenfarbe. Dieser Mann war Leon Johnson, über den viele seltsame Gerüchte die Runde machten. „Warum interessiert dich das überhaupt?“ „Ach… nur so“, redete sich Link heraus. Vielleicht war es nicht nur das Gerede von Patrick van der Hohen, das seine Neugierde weckte. Link hatte eher das Gefühl, dass er es wirklich wissen musste. Er musste wissen, wer dieser Mann war mit dieser Augenfarbe, die ihn so verzauberte… „Weißt du, Leon kommt hier öfters vorbei- er ist eben ein Liebhaber unseres Essens. Er ist ein sehr netter Mann, auch wenn einige Leute schlecht über ihn reden und die verrücktesten Geschichten über ihn erzählen. Stell’ dir vor. Einige behaupten sogar, er habe seine eigene Frau im Keller vergraben. Das ist dummes Gerede, wenn du mich fragst.“ Link nickte: „Obwohl er doch einen seltsamen Eindruck auf mich gemacht hat. Er hat sich schließlich nicht einmal vorgestellt.“ „Ach nimm’ ihm das nicht übel. Er ist nicht stolz auf seinen Namen. Den Grund dafür kennen aber nicht einmal seine engsten Bekannten.“ Anja blickte auf die Uhr. Seit einigen Minuten war ihr Blick immer wieder auf dem Ziffernblatt gelandet. Doch nun schien sie ein wenig niedergeschlagen und irgendwie besorgt. Link bemerkte dies und meinte: „Wartest du auf jemanden?“ Die freundliche Dame war zunächst überrascht und sagte schließlich. „Du scheinst entweder Gedanken lesen zu können oder du bist ein guter Beobachter. Ja, ich warte tatsächlich auf jemanden.“ „Darf ich fragen auf wen?“ Link grinste ein bisschen und beugte sich leicht über den Tisch. „Auf meinen…Verlobten?“ Es war für Link nicht verwunderlich, dass sie verlobt war. Immerhin war sie ausgesprochen schön und wirkte wie eines jener eher unschuldigen Mädchen vom Lande, die ein Leben nach dem Bilderbuch lebten. „Ach, der kommt sicherlich gleich. Er hat doch keinen Grund eine liebenswürdige Dame wie dich warten zu lassen“, sprach Link und fragte sich, was ihm dieses große Mundwerk bescherte. Anja aber lächelte und wirkte auf Link ein wenig fröhlicher. In dem Augenblick läutete es an der Tür. Anja hetzte aufgeregt von ihrem Platz, wurde etwas rot in ihrem Gesicht und stürmte sogleich aus dem Zimmer. Als sie zusammen mit einer weiteren Person in den gemütlichen Raum trat, hatte Link seinen Teller bereits geleert. „Hallo“, sagte der junge Mann neben der freundlichen Dame. Er besaß kurze, schwarze Haare und im Übrigen einen Haarschnitt, den Link noch nie gesehen hatte und er sich in seinen fantasievollsten Träumen nicht vorstellen konnte. Eingeschmiert mit tonnenweisem Gel standen die dunklen Strähnen in alle Richtungen. „Mein Name ist Kevin McMayor. Du hast also Anjas Tasche wiedergebracht. Danke, auch in meinem Namen. Wer hätte gedacht, dass so etwas in unserer Kleinstadt passieren kann?“ „Es ist schon eigenartig, aber zum Glück war Link Bravery da“, stimmte Anja zu und lächelte dankbar. Link machte ein verlegenes Gesicht und nickte dann wieder. Diese Menschen durften niemals die Wahrheit über dieses Ereignis erfahren und niemals erfahren, dass etwas Übernatürliches seine Hände im Spiel hatte. Er hatte es dem Dieb versprochen und der Held hielt alle seine Versprechen… Nachdenklich und bescheiden richtete sich der unerkannte Held auf und sprach zufrieden: „Ähm… danke für das Essen. Aber ich denke, ich sollte jetzt zum Camp zurückgehen. Es ist immerhin schon dunkel.“ Verwundert ließ Anja ihren Kopf in Richtung einer Schulterseite sinken und sprach verwundert: „Du willst doch nicht etwa zu Fuß dorthin gehen?“ Link zuckte mit den Schultern. Er wusste nicht, dass etwas dagegen sprach, war er in seiner Heimatstadt doch sehr oft spät im Dunkeln unterwegs. „Es ist besser, wenn ich dich dorthin kutschiere. So spät noch auf den Wegen entlang zu wandeln, ist in letzter Zeit gefährlich geworden“, stimmte Kevin ein, legte seiner Verlobten eine Hand auf die zierliche rechte Schulter. Link wunderte sich zunächst, war tief in seinen Gedanken versunken und dachte über Kevins Worte nach. Was der Irländer wohl damit meinte, dass es in letzter Zeit gefährlich war? „Schon gut, ich kann wirklich auf mich aufpassen“, meinte Link, wissend, es gab kaum eine Gefahr, die ihn mittlerweile noch überraschen konnte. Kevin lachte erheitert auf. „Das glaube ich dir, wenn du einem Dieb hinterher jagen kannst.“ Auch Link grinste. „Trotzdem“, sprach der schwarzhaarige, junge Mann. „Ich würde dir diese Fahrgelegenheit gerne anbieten wollen. Sieh‘ es als Dankeschön, was meinst du?“ Erwartungsfroh strahlte das Paar den jungen Heroen an. „Okay, überzeugt.“ ,Wenn die beiden schon so energisch waren, sollte er dieses Angebot doch noch annehmen‘, dachte er. Und eigentlich war es ihm lieber so spät eine Fahrgelegenheit zu haben, als den ganzen mühsamen Weg noch mal entlang zu latschen! Wenig später standen Link, Anja und Kevin außerhalb des Gasthofs in der kühlen Nacht und einer angenehmen Stille, die sich wie ein sanftes Tuch über das beschauliche Dorf legte. Ein glühender, kaltes Licht aussendender Vollmond ragte über ihren Köpfen hinweg, wirkte so nah, als könnte man jenen berühren, wenn man nur eine Leiter hätte. „Bis gleich, Darling“, meinte Kevin und genoss die kühle Nachtluft. Anja gab ihrem Liebsten noch einen kleinen Kuss auf die Wange und sagte mit einer verlockenden Geste. „Beeil’ dich aber, sonst schläfst du auf der Couch.“ Sie grinste und ging ins Haus zurück. Link konnte sich ein Grinsen ebenfalls nicht verkneifen. „Bist du dir sicher, dass du ihr nicht hinterherlaufen willst“, meinte er spaßhaft. „Ähähm…“ Kevin wurde ein wenig rot im Gesicht und ging schleunigst voraus. „Ich… bin früh genug wieder zurück“, setzte er verlegen hinzu. „Ich werde… sie schon nicht warten lassen.“ Der Irländer wirkte etwas nervös, als müsse er sich vor Link rechtfertigen. Und als Link bemerkte, wie arg Kevin stammelte, kratzte er sich unsicher an der Stirn. Vielleicht war er doch etwas zu weit gegangen mit seinen eher aufheiternden Provokationen. Er hatte schließlich nicht das Recht sich in irgendwelche Beziehungen einzumischen. Er fragte sich nur, warum er, seitdem er in Irland war, überhaupt über solche Dinge wie Beziehungen nachdachte. Er hatte sich nie mit so etwas auseinandergesetzt, auch nicht das Interesse an der ersten großen Liebe gehabt. Aber nun kam dieses Thema irgendwie auf. Brauchte er mittlerweile eine Freundin? ,Seine Mutter Meira wäre erleichtert, wenn er mit diesem Thema anfing‘, dachte er schmunzelnd. Er schüttelte seinen Kopf und marschierte seinem Fahrer hinterher. Schließlich saßen der unerkannte Heroe und Kevin in einem kleinen, alten, hellgelben Auto, dessen Marke Link nicht kannte, so alt war es. Einige Kratzer im gelben Lack und alte Reifen machten aus dem Gefährt eine regelrechte Schrottkiste. „Also, Anja meinte, du kommst aus einem kleinen Ort namens Schicksalshort? Mein Großvater kommt eigentlich nicht von hier, war auf der anderen Seite der Meerenge aufgewachsen und leerte mich die dortige Sprache. Auch Anja hat Vorfahren von weit weg der grünen Insel. Deshalb können Anja und ich dich so gut verstehen. Hast du dich deswegen nicht gewundert?“ Link hatte seit dem letzten halben Jahr mit vielen erschreckenden Dingen zu tun gehabt, war mit seinen Gedanken ab und an bei den Kämpfen, die er erfahren und gemeistert hatte und dachte zugegebenermaßen sehr oft an sein Schwert, als sich über viele nebensächliche Dinge noch zu wundern. „Ich habe da kaum drüber nachgedacht oder besser gesagt, es ist mir gar nicht aufgefallen.“ „Mmh. Aber andere Kleinigkeiten fallen dir auf, oder?“ „Wie soll ich das verstehen?“ Der Heroe hob eine skeptisch blonde Augenbraue. „Nicht so wichtig…“, erwiderte der Irländer. „Wir sollten dann losfahren.“ Eine Pause entstand. Kevin drehte den klappernden Zündschlüssel herum und der Wagen gab seltsame Geräusche von sich. Das störrige Knacken des Motors zerstörte die sonst so angenehme Ruhe in dem kleinen Ort. Langsam fuhr Kevin aus dem Ort heraus und die Scheinwerfer warfen ihre breiten Lichter auf die enge Straße, die ab und an von alten Steinmauern umrahmt schien, bis hin auf die weiten, moosgrünen Wiesen. Link ließ seinen Blick schweifen, ließ sich von der Schönheit des hügeligen Gebiets verzaubern. Die nächtliche Landschaft sah unheimlich sinnlich aus, so ruhig und untrüglich, als ob Gefahr hier ein Fremdwort wäre, als ob bezaubernde Feen, pfiffige Kobolde und andere Märchengeschöpfe die Anzeichen von Gefahr und Bedrohung in alle Winde schlagen konnten. Kaum vorzustellen, dass es hier gefährlich sein sollte. „Was hattest du vorhin mit gefährlich gemeint“, wollte der einstige Hylianer wissen, als er seine Aufmerksamkeit wieder auf den jungen Kerl neben sich richtete. „Nun… in letzter Zeit tummeln sich hier ungewöhnliche Gestalten.“ Links Kopf neigte sich verwirrt nach rechts. „Ungewöhnliche Gestalten?“ Meinte der Irländer etwa solche Menschen wie den Dieb, der in einer besessenen Art und Weise Dinge stahl und sich dessen kaum bewusst war? „Ja, ungewöhnliche Gestalten“, murmelte Kevin auskunftsarm, machte deutlich, dass er kein Interesse hatte darüber zu reden. „Und das bedeutet?“, bohrte Link nach. „Was für Gestalten?“ Wenn es um Menschen ging, die von einer dunklen Energie befallen waren, siegte das Pflichtbewusstsein in Link und er würde kaum mehr Ruhe geben bis Kevin es ihm erzählt hatte. „Na eben ungewöhnliche…“, brummte der Schwarzhaarige. Link spielte mit, auch wenn Kevin keine Lust hatte darüber zu reden. Gleich einer inneren Stimme, die in dem Helden brodelte, nagte ein Gefühl über diese Ereignisse und seltsame Wesen Bescheid zu wissen. Link grinste verschlagen: „Ungewöhnlich… meinst du nun im Sinne von gefährlich ungewöhnlich oder doch nur einfach ungewöhnlich?“ Dann hielt Kevin plötzlich ruckartig den Wagen an. Link stutzte: „Was ist denn, Kevin?“ „Na schön, ich erklär’ es dir.“ Kevin schaltete das schummrige Licht seiner Lampen aus und erzählte ruhig: „Etwa seit einem viertel Jahr gibt es immer wieder die haarsträubendsten Geschichten über irgendwelche Vorfälle in unserer Gegend.“ Link lauschte gespannt, während seine tiefblauen Augen selbst in der Dunkelheit leuchteten und Neugier erkennen ließen. „Etwa vor dreizehn Wochen ist hier ein junges Mädchen verschwunden. Sie wohnte in unserem Ort, sozusagen gleich um die Ecke. Sie war etwa zehn Jahre alt und war eine typische Irin. Grüne Augen, rotblonde Haare. Ich sah sie jeden Morgen, kurz bevor ich mich auf den Weg in das Büro meines Vaters gemacht habe.“ Seine Stimme klang ziemlich traurig und verriet dennoch Standfestigkeit. „Was arbeitet dein Vater denn, Kevin?“, meinte der Basecapeträger anteilnehmend. „Er ist der Bürgermeister, auch ich arbeite dort und übernehme manchmal seine Vertretung… jedenfalls nimmt er seinen Job sehr ernst, ein wenig zu ernst“, schmunzelte Kevin. „Auf jeden Fall, sah ich Molly, so hieß das Mädchen, auch an einem Tag, an dem noch keiner wissen konnte, dass sie niemals mehr zurückkehren würde.“ „Sie wurde entführt?“, sprach Link und beobachtete Kevins traurige Mimik in der Düsternis. „Nein, das konnte wohl ausgeschlossen werden… aber mit diesem Tag ihres Verschwindens sind weitere seltsame Dinge passiert…“ Kevin hatte seine Worte kaum ausgesprochen, als in den starren, kühlen Nächten der Welt, dort wo menschliche Augen nicht sehen konnten ein schrilles Pfeifen durch die Nacht zog und die Ursache, die trügerische Herkunft eines solchen abnormen Geräusches, ließ ihre ungewollten Zuhörer aufhorchen. Tiefblaue, entschlossene Augen, die selbst dann wach waren wie die Augen eines wilden Biestes, wenn es keinen Weg mehr gab, selbst wenn alles zu spät sein sollte, wanderten zu den raschelnden Wipfeln der uralten Bäume, die hier wurzelten. „Sag’ mal, sollten wir nicht weiterfahren“, fragte Link, der irgendwie ein seltsames Gefühl im Magen verspürte. Und seine Vorahnungen in Sachen Gefahr, in Sachen bösartiges Gehabe, sollten ihn nicht belügen. Schon in Hyrule, das wusste und fühlte der einstige Hylianer als ein kleines Überbleibsel, nahm er Dämonengerüche, Stapfen und Zischen von Moblins und anderem Abschaum genauer und besser wahr als sonst jemand es konnte. „Okay, du hast Recht.“ Kevin startete wieder den Motor- besser gesagt, er versuchte es. Mehrmals drehte er am Zündschlüssel, vernahm ein kratziges, knarrendes Geräusch und begann zu fluchen. „Auch das noch“, schnaubte der Schwarzhaarige entrüstet. Das Gebrumm eines abgesoffenen Motors und ein schrilles Pfeifen gingen abwechselnd durch die Nacht. Und in Richtung der Wälder zischte es lauter, bedrohlicher und wenn man sich auf seine Ohren verließ, so sagte eine unheilvolle Gewissheit, dass sich das beängstigende Zischen allmählich durch ein beißendes Heulen erneuerte. Mit einer warnenden Gänsehaut, die über seinen Rücken lief, bewegte sich Link in dem unbequemem Sitz des PKWs und starrte aus der dünnen Scheibe neben sich. Etwas unbehaglich, das langsam ansetzende Adrenalin in seinem Körper spürend, sah der Kämpfer hinaus in die tiefe Dunkelheit der Nacht, sah seinen eigenen, warmen Atem an der Scheibe kleben und wischte mit der flachen Hand darüber. Der Mond am Himmel wurde allmählich von düsteren Wolken bedeckt, sein metallisches Glühen erstarb, wagte sich kaum mehr durch eine zunehmende Decke aus vorüberziehenden dunklen Schleiern. Ein weiterer kalter Schauer lief über Links Rücken, belehrte ihn und versetzte ihn in den Zustand, den er brauchte um das zu sein, was das Gute brauchte. Der Held, den diese Zeit brauchte. Der Held, den die Erde brauchte… Und dort in der Düsternis rief es heulend, eine neue Gefahr, ein kleiner Funke, den Link nicht ignorieren sollte. „Probier’ es weiter“, fluchte Link bedrohlich wirkend, beinahe befehlend, wissend, etwas stimmte nicht in der ahnungslosen Nacht hier in Irland. Verwundert blickte der Fahrer in das hochkonzentrierte Gesicht seines Gastes. „Hast du ein Problem?“, murmelte er, machte deutlich, dass er kaum verstand, weshalb sein Begleiter so sonderbar reagierte. Er spürte Gefahr nicht auf die auserwählte Weise wie Link. Er ahnte nicht, dass verborgen hinter den Vorhängen dieses Zeitalters alte Mächte auflebten, und etwas schier Übermächtiges, teuflisch Bösartiges, die Geschicke der Welt zu manipulieren versuchte. „Ich bin mir noch nicht sicher…“, murmelte Link und folgte konzentriert den Bewegungen außerhalb. Er beobachtete die im Wind wippenden Laubbäume, sah das kniehohe Gras auf den Wiesen schwenken und ließ kein Detail außer Acht. Wenn sich da draußen etwas bewegte, würde er es entdecken. „Wir sollten hier schleunigst verschwinden“, sagte Link schließlich aufgeregter, atmete unruhig, atmete hetzend. „Die Dunkelheit… da draußen stimmt etwas nicht“, erklärte er. Daraufhin klang Kevin mehr als amüsiert. „Und du wolltest zum Camp laufen, du Angsthase?“ Er lachte erheitert auf, zog den Zündschlüssel ab, um es erneut zu versuchen. „Wie bitte? Ich? Ein Angsthase?“ Link zwinkerte, vergaß die Gefahr außerhalb auf diese Worte und fühlte sich entehrt. Das war die gemeinste Beleidigung für jemanden, der in einem Damals die ultimative Macht des Mutes in Verwahrung hatte. „Du hast absolut keine Ahnung!“, brummte er und verschränkte die Arme. „Ich bin kein Angsthase, alles, bloß das nicht.“ „Nun ja, du schlägst dich auf jeden Fall nicht sehr wacker in einer Situa…“ Kevins Stimme starb plötzlich ab. Erschrocken und mit bleicher Miene starrte er hinaus in die hinterhältige Dunkelheit, war im Kampf mit seiner eigenen Wahrnehmung und althergebrachten, gruseligen Kindergeschichten. „Sag’ mal, siehst du das?“, meinte Kevin zögerlich, und er deutete auf ein abgelegenes Stück Wald, dort, wo das hervorkriechende Licht des Mondes tanzenden Schatten ein Gesicht verlieh. Links Augen und mit ihnen seine Instinkte wanderten hinaus in das unendliche Schwarz, suchend und erforschend. Er blickte zu den im Wind wehenden Baumkronen, zeichnete die Konturen der altehrwürdigen Baumgeschöpfe ab, spähte in alle Richtungen auf der linken Seite des Weges. Und dort in den Schatten umhüllenden, Vieh verbergenden Wäldern knisterten böse Energien flüchtig, suchend nach edlen Herzen, im Bann, den die Welt nicht verstehen wollte. Dort auf dem Landstrich befreite sich der Mond am rabenschwarzen Himmel kurz von den Klauen der zänkischen Gewitterwolken am Horizont, als der Held einige Schatten sehen konnte, die sich langsam auf den Wagen zu bewegten, schleichend, suchend, als ob sie auf der Jagd nach Beute waren, bereit zu töten und zu zerfleischen. Dann verschwand das helle Licht des Mondes wieder und Link konnte die Umrisse dessen, was auf sie beide zu kam, nicht mehr erkennen. Aber er wusste, das, was dort draußen näher schlich, wüten wollte, war kaum durch menschliche Hände aufzuhalten. Er wusste, dort draußen hauste der Feind… „Hast du eine Ahnung, was das sein könnte?“, murmelte der Irländer verwundert. Wie hypnotisiert verfolgte er wie die an die Dutzend Schatten sich hastend in Richtung des Wagens bewegten. „Mann, du checkst es wirklich nicht, was?“, murrte Link entrüstet. „Was immer da draußen ist, bewegt sich direkt in unsere Richtung. Und so groß wie diese Biester sind und so schnell wie diese sich vorwärts bewegen, sollten wir hier schleunigst verschwinden“, fauchte der Held schließlich. Seine Stimme wurde lauter und bedrohlicher, während er sein Kämpferblut wallen spürte und ahnte, dass der Kampf nahte. „Du glaubst doch nicht, dass…“ Und da, als Kevin einen weiteren Blick aus seinen pechschwarzen Augen nach draußen gleiten ließ, verschwanden für wenige Sekunden die düsteren Wolken am Horizont, ließen das bleierne Mondlicht niedersinken. Erst dann schien er zu begreifen, was hier in der scheinbar unschuldigen Grafschaft von Kerry passierte. „Bring‘ verdammt nochmal endlich den Motor in Schwung!“, brüllte Link. „Ja… ja… ich, versuche es…“, stotterte der Irländer. Er wirkte zappelig, klapperte mit dem Zündschlüssel in seinen zitternden Händen und bewegte diesen unbeholfen in Richtung des Lenkrads. Bevor er jedoch den Versuch unternehmen konnte, sie beide von diesem gespenstischen Ort wegzubringen, ließ er vor Nervosität den Schlüssel aus seiner rechten seiner Hand fallen. Es klapperte verräterisch, als der Schlüssel irgendwo in der Nähe der Pedale fiel. „Verdammt, kannst du nicht aufpassen?“, schrie Link. „Was musstest du den Zündschlüssel auch abziehen! Heb’ ihn wieder auf!“ „Sorry…“, murmelte der Irländer mit bleicher Miene. Er schien mit den Nerven am Ende zu sein, schob seinen Sitz zurück und bückte sich, suchte unbeholfen und ängstlich nach dem Zündschlüssel. „Beeil’ dich.“ Kopfschüttelnd blickte der Held hinaus in die Wildnis, dort wo Wesen einer anderen Zeit beinahe lautlos über die Wiesen zogen und mit ihren barbarischen Willen nach Blut dursteten. Und während der Held die näher rückenden Geschöpfe im Visier hatte, seine tiefblauen Augen etwas wehmütig schillerten, wurde er das Gefühl nicht mehr los, endgültig vom Pech verfolgt zu sein. Erst dieser merkwürdige Mann auf dem Marktplatz mit der dreieckigen Wunde, dann diese verdammten Biester, die sich dem defekten Auto annäherten. Warum ausgerechnet heute, fragte er sich. Warum hier in Irland, wo er gehofft hatte, hier Ruhe und Antworten zu finden. Konnte das Schicksal ihm nicht endlich eine Verschnaufpause gönnen? In seinen tiefblauen Augen spiegelte sich Entsetzen, als die Schatten immer noch näher hetzten, fordernd und auf eine brutale Weise. Und nun, da die Kreaturen nah waren, und einmal mehr das fahle Mondlicht niederknallte, konnte der Kämpfer erkennen, dass es ziemlich große Kreaturen auf vier Beinen waren, muskelbepackt, raubtierartig, kahl, einige mit zotteligem Fell. Und es waren viele… Kevin hatte währenddessen den Schlüssel wieder gefunden, krabbelte schluchzend zurück auf den Sitz und schob den Zündschlüssel ängstlich in dessen Loch. Wieder versuchte er den Wagen zum Laufen zu bringen. Es ratterte und knarrte ohrenbetäubend und zugleich vernichtend. Noch einmal versuchte Kevin den Motor zu starten, aber wieder hatte er Pech. „Mach’ schon, du verdammte Kiste. Komm’ schon!“ Kevins Stimme ließ die Verzweiflung und Angst heraus, die in ihm wütete. Gebannt beobachtete Link weiterhin die Szenerie, fokussierte die Kreaturen außerhalb, die auf der moosgrünen Wiese lautlos näherhetzten und er ließ die Wesen nicht mehr aus seinem Blickfeld. Dämonische Augen streiften seine tiefblauen, als er diesen Alptraum nicht länger leugnen konnte. Er würde erneut kämpfen müssen, sagte eine gewaltvolle Stimme in seinem Inneren. Er würde erneut töten müssen… Mit einem verzweifelten Fluchen, ein fauchendes Räuspern aus seiner Kehle, entschied sich der Held für das, was auf ewig seine Bestimmung und auf ewig sein Lebenssinn sein würde. Links Fäuste ballten sich und seine linke Hand wanderte schließlich zu seiner rechten Wade, wo sich einer seiner Dolche verbarg. Kampfbereit blitzte das scharfe Messer in Links Händen auf, zeugte von Furchtlosigkeit und Kampfbereitschaft. Es klirrte fein und schneidend, und funkelte in der Nacht, bis auch der Irländer den Dolch mit geweiteten Augen erblickte. „Schau‘ nicht so entsetzt, wenn du deinen Wagen nicht bald zum Laufen bringst, bleibt uns nichts anderes übrig als zu kämpfen. Sehr lange wird der Wagen gegen diese Höllenkreaturen nicht bestehen können“, sprach Link. Und seine Worte erklangen todesmutig, ohne Zweifel… Kevins Gesicht wurde immer bleicher. Er zitterte am ganzen Leib bei dem Gedanken an das, was bevorstand. Wieder drehte er am Zündschlüssel, wieder und wieder… Von weither erklang der Klagegesang des Windes, vermischte sich mit einem warnenden Heulen und Jauchzen, das in den Ohren der beiden Menschen, die spät in der Nacht in der irländischen Weite unterwegs waren, nachklang. Ein Jauchzen und Fauchen, verräterisch und bekannt… Erneut warf Link einen Blick nach draußen, nun, da die Geschöpfe der Nacht mit rötlichfunkelnden Augen keine drei Meter vom Wagen entfernt waren. Zähnefletschend liefen die Kreaturen um den PKW herum, erforschten ihre Opfer, rochen mit feinen, nassen Nasen die Furcht in der Luft. Auch der schwarzhaarige Fahrer Kevin McMayor fokussierte die Finsternis außerhalb, wo ein gutes Dutzend vierbeinige Kreaturen das Auto umzingelten. Er zitterte, fröstelte und begann zu schluchzen. Er winselte wie ein kleines Kind, erstarrte, den Alptraum realisierend, in dem er sich befand. Der Wagen startete nicht und unheilvolle Wesen, die kein Erbarmen kannten, Raubtiere mit Mordgier sehnten sich danach sie beide zu zerfetzen. Er wurde panisch, rüttelte an der Autotür und wollte den Wagen verlassen, diesem Schrecken entkommen. „Kevin, verdammt, reiß’ dich zusammen!“, brüllte Link, dröhnend und schlug ihm auf die rechte Hand, mit der er die Wagentür aufreißen wollte. Der Held würde nicht überreagieren, aber er konnte es nicht gebrauchen, dass sich sein Fahrer von seiner Furcht zu unüberlegten Handlungen verleiten ließ. Er packte Kevin am Kragen, rüttelte ihn, bis jener ihn mit Tränen in den Augen anstarrte. „Du musst es weiter probieren!“ „Aber der Motor springt nicht an…“, sprach er weinerlich. „Ich weiß auch warum… hätte ich den Wagen doch bloß letzten Monat zur Durchsicht gebracht…“ „Das hilft uns jetzt nicht, probier‘ es weiter, vielleicht ist der Anlasser defekt, vielleicht aber haben wir noch Glück“, sprach Link ruhesuchend. Kevin schluckte, nickte einsichtig und ließ sich von Link beruhigen. Erneut drehte er den Zündschlüssel herum, lauschte dem eigenwilligen Knacken im Wagen, probierte es weiter und weiter. In dem Moment setzte eines der Raubtiere zum Sprung an und prallte kreischend gegen die Frontscheibe. Heulend knallte die Kreatur zu Boden, knurrte und stürzte sich erneut mit einem Satz auf die Motorhaube, blickte die beiden Insassen des Wagens bedrohlich an. Und da, als der Mond sich erneut vor die Wolken schob, und sein glühendes Licht niedersank, konnte Link endlich erkennen, was da draußen wütete und welchen Raubtieren sie beide entkommen mussten. Wölfe waren es, lebendig und gefährlich in der Vollmondnacht. Wölfe. Riesige, teilweise nackthäutige und teilweise langhaarige Wölfe mit scharfen Krallen, riesigen Zähnen und verderbenbringenden Kräften. Weitere Biester stießen sich ab, prallten an die Scheibe um sie zum Splittern zu bringen. Hungriges Knurren setzte ein. Kläffen und Jaulen, das mit Kevins Verzweiflungsschreien um die Wette eiferte. Erneut setzten einige Kreaturen zum Sprung an. Doch diesmal hielten die Scheiben nicht mehr völlig stand und die ersten Risse bildeten sich. Erneut ein Heulen in der Wildnis, erneut ein Schlag gegen die Frontscheibe und erneut ein Schrei aus der Kehle des jungen Irländers. Link kniff seine Augen zusammen, drückte die Klinge mit der flachen Seite gegen seine Brust und begann zu beten. Er richtete eine Bitte an sein eigenes Schicksal, bat darum diese Nacht zu überstehen, sich gegen Horden von Bestien zu behaupten. In einer Sekunde der Stille blendete er die Gefahr aus, verbannte die Welt aus seinen Sinnen und seine Gedanken erschufen einen Ort der Harmonie und Erinnerung, einen Ort voller Frieden. Für einen scheinbar ewigwährenden Augenblick wanderte seine Seele in eine legendäre Hoffnung, einen Strom, wo das Gute regierte. Und aus diesem Gedanken entstand eine inständige Bitte. Ein aufrichtiger Wunsch, seine Prinzessin nur noch einmal sehen zu dürfen, bevor das Böse seinen jetzigen Körper in tausend Stücke zerriss. Zeldas Name entkam seinen Lippen- leise und beschwörend, schön und sehnsüchtig- aber immer noch so deutlich, dass Kevin es verstehen konnte. Ihr Name klang wie ein vergessener, lichtspendender Zauber, reinigend und stärkend… „Wer ist sie…“, murmelte Kevin wie in Trance. Die Kreaturen aus der finstersten Welt knallten erneut tosend gegen die Scheiben, knurrten und fauchten, aber auch der junge Irländer begann sie zu ignorieren, war verzaubert, fühlte sich befreit. „Ein Licht“, meinte Link und öffnete endlich wieder seine tiefblauen Augen, zuckte ein wenig zusammen, als ihn die Realität wieder holte und die Bestien außerhalb brüllten. „Mein einziges Licht…“ Er lächelte erfüllend und friedvoll. „Ich kann nicht riskieren, sie zu verlieren… und muss sie unbedingt wiedersehen…“ „Dann dürfen wir nicht aufgeben“, sprach Kevin ermutigt und nickte seinem Fahrgast zu. Link nickte ebenfalls, war etwas erstaunt, dass allein der Gedanke an Zelda selbst Kevin half sich aus seiner Verzweiflung zu lösen. Der Irländer wirkte entschlossen und drehte erneut am Zündschlüssel, einmal mehr knatterte es, raschelte, jauchzte schief, kratzig… Der Bürgermeistersohn biss sich auf die Lippen, hörte das eigenwillige Rascheln und da war ein kleiner Funken, den er zunächst nicht glauben wollte. Ein kleiner Funken im Getriebe, ein Rascheln nur, aber ein Laut, der gesunder und stärker klang als vorher. Und plötzlich ratterte es, die Scheinwerfer des Wagens erleuchteten die Szenerie und die unebene Straße vor ihnen und selbst der Radio sprang an, dröhnte mit einer wilden irischen Melodie durch die Nacht. Kevin lachte wie ein Wahnsinniger auf, schlug jubelnd auf das Lenkrad. „Ja, das ist es!“, brüllte er. Und sein zitterndes rechtes Bein trat so kräftig auf das Gaspedal wie er nur konnte. Der Wagen startete zischend, ratterte mit immer größerer Geschwindigkeit vorwärts. Mit einem elenden Jaulen zuckten die Wölfe vor dem grellen Licht der Scheinwerfer zurück, schickte die Schatten, aus denen sie entstanden waren, an ihren Entstehungsort um dort zu verenden, auf das sie niemals wiederkehren mögen. Kevins Fuß ruhte wie ein schwerer Betonklotz auf dem Gaspedal, als der Wagen immer schneller über die dunkelgrünen Hügel der sonst so harmonischen Landschaft sauste. Er traute sich kaum sein Bein zu bewegen und fuhr, fuhr so energisch und schnell wie noch nie, holte das Maximum an Geschwindigkeit aus seinem alten PKW. Mit einem Hauch Erleichterung, hoffend, dass sie den Alptraum überstanden hatten, blickte der junge Held mit seinen scharfen Augen zurück, konnte die Bestien der Finsternis noch immer sehen und realisierte, mit welcher Geschwindigkeit diese Biester sprinten konnten. Wenige der Bestien setzten zum Sprung an, rissen mit scharfen Klauen den gelben Lack von dem Wagen, zerstörten die Rücklichter, verbeulten den Kofferraum. „Wir dürfen nicht langsamer werden!“, rief Link und beobachtete mit Entsetzten, dass die Kreaturen des Bösen noch immer mithalten konnten und das obwohl Kevin schon lange die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf der Landstraße überschritten hatte. Erneut knallten die Wölfe gegen die Scheibe am Kofferraum, bis mit einem zerbröselnden Geräusch das Glas klirrte und teilweise in sich zusammenfiel. Link spürte die frische Nachtluft in den Wagen ziehen, wusste, dass es noch nicht vorbei war. Geschockt sah Link nach hinten. Ein Wolf mit zotteligem Fell, unsauber, klebrig und dreckig, einer, der größer war als die meisten anderen, sprang mit muskelbepackten Beinen knurrend in die Höhe, landete auf dem Dach des Autos, zerbeulte es, riss mit scharfen Klauen das Metall entzwei als wäre es Butter. Kevin begann panisch zu schreien, riss am Lenkrad und versuchte die Bestie auf dem Dach durch wildes Kurvenschlagen abzuschütteln. Ein weiteres Mal nahm er eine Kurve ziemlich scharf, sauste mit schier wahnsinnigem Tempo über die mit Schlaglöchern übersäte Straße, bis er die Bestie auf dem Dach mit einem weiteren Manöver abschütteln konnte. Kreischend landete die Kreatur im Straßengraben, heulte und fauchte, richtete sich schüttelnd auf und sprang erneut hinter dem Wagen her. Erneut klirrte die Scheibe am Heck, ein rupfendes Geräusch, metallisch, als wurde Stahl gespalten, bis Link seinen Schädel nach hinten reckte und für einen Moment erstarrte. Es heulte quälend, als sich der Wolf von vorhin mit seinen Klauen auf der Hutablage festhielt. Mit einem energischen Satz hatte er sich durch die Scheibe gebohrt, bahnte sich durch das Loch in der Scheibe in das Innere des Wagens, winselte und schnitt sich an den Glassplittern, aber sein Vernichtungswille war ungeschlagen. Die Bestie blutete, spuckte violetten, funkelnden Schleim, aber versuchte sich mit aller Gewalt in den Wagen zu zwängen, seine beiden Opfer zu zerreißen. „Scheiße!“, brüllte Link, streifte mit seinen tiefblauen Augen die rötlichfunkelnden der Kreatur. Wie Rubine leuchteten die Augen des Wolfes, barbarisch, gefüttert mit einem bösen, durchtriebenen Willen, bereit zu morden und brennende Reißzähne in menschliches Fleisch zu bohren. Kevin sah erschrocken um sich, begann zu winseln, wurde unkonzentriert und schlitterte mit dem Wagen gegen eine Straßenmauer. Das Gestein der Mauer rieb rüttelnd an der rechten Seite des PKW, bremste, versetzte beide Insassen in erneute Panik, bis Link das Steuer in die andere Richtung riss. „Fahr’ weiter!“, donnerte seine mutige Stimme durch die Nacht. „Ich kümmere mich um das Biest auf der Hutablage. Nur fahr‘, egal, was passiert, gefälligst weiter“, fauchte der Heroe lauter. Kevin nickte fahl, sein Mund stand vor Schreck offen, seine glasigen Augen standen so starr wie diejenigen einer Porzellanfigur, aber er trat feste auf das Gaspedal. Mit einem Seufzer, bereit erneut Klingen zu nutzen um sein Überleben zu sichern, schob Link den Sitz zurück, drückte die Lehne soweit nach hinten wie er konnte und begann mit dem scharfen Dolch in der Hand mutig nach hinten zu klettern. Ein Gestank, beißend und unangenehm, stieg dem Helden in die Nase, als er sich der heulenden Bestie auf der Hutablage näherte. Vorsichtig wagte er sich weiter, bewegte sich nur wenige Zentimeter, ließ das Monster, das sich zappelnd bewegte, nicht aus den Augen. Der von zotteligem Fell bedeckte Hals war mittlerweile blutig gerieben von dem Glas der Scheibe, die unsauberen Krallen der Kreatur bohrten sich kratzend in das Plastikmaterial der Hutablage und als Links Augen diejenigen der Bestie streiften, schnappte es mit dem breiten, gefräßigen Maul. Noch ein Stückchen kroch Link näher, bewegte sich auf allen Vieren und holte schließlich kräftig aus, ließ den Dolch in seiner Hand aufblitzen und stach auf die riesigen Pfoten der Bestie ein. „Verschwinde!“, kreischte Link und ließ den Dolch niederknallen, bereit den Dämon ins Jenseits zu befördern. Das Biest brüllte, schnappte aufgebracht nach Links Gesicht, schlug wild um sich, aber ließ die Hutablage noch immer nicht los. Ein weiteres Mal stieß Link den Dolch vorwärts, verletzte das nackthäutige, grüne Gesicht des Wolfes, hörte ihn winseln, kämpfen. Er zappelte, aber der Schmerz schien ihm nichts auszumachen. Stattdessen stieß sich der Wolf vorwärts, genährt von seinem bösen Willen und einem vernichtenden Hunger nach Fleisch. Der Held hatte die scharfen, schleimigen Zähne der Kreatur direkt vor sich. Knapp wich er den Klauen aus, ließ sich von dem Wolf nicht täuschen, nutzte allen Mut, den er in seinem Herzen spürte, als die Fahrt ins Ungewisse weiterging. Und das holprige Brettern des Wagens schleuderte den gewandten Kämpfer ungewollt zur Seite. Der Wagen ratterte über den Weg, holperte, als Kevin etwas überfuhr… Es knackte im Getriebe, metzelte die Ruhe aus der Landschaft und übertönte das Heulen der Wölfe im Hintergrund. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit nahm der Wagen plötzlich eine Kurve zu schnell. Schreiend riss Kevin am Lenkrad, lehnte sich so geschickt wie er konnte in die Kurve und bretterte mit hackenden Geräuschen weiter durch die Nacht… und Link wurde aufgrund der enormen Kräfte auf dem Rücksitz erbarmungslos hin und her gerissen. Von weitem waren die Lichter des Schlosses von Leon Johnson und auch das glimmende Leuchten der Bungalows, deren Schein sich im See spiegelte, sichtbar, sodass Kevin erneute Hoffnung spürte. Ab und an sah er nach hinten, haderte mit dem Kämpfer auf dem Rücksitz, der versuchte ihre beiden Leben zu retten. Der Wolf, der sich mühsam festhielt, sein langgezogenes Raubtiergesicht durch das Loch im Glas drückte, schnappte erneut nach Link, fauchte und stieß sich außerhalb des Wagens mit seinen Hinterbeinen ab, bohrte sich weiter über die Hutablage, bis dunkler Speichel aus seinem Maul tropfte. „Verdammte Kreatur des Bösen!“, schimpfte Link, holte wieder aus, erwischte das Tier an den Ohren und säbelte ihm ein Stück Fleisch aus der hässlichen Fratze. „Stirb!“ Weitere Stöße ließ Link dem Wolf gelten, stach gewaltvoll zu, brüllte markerschütternd und hoffte, er könnte das Raubtier endlich einschüchtern. Und schließlich mit einer weiteren Attacke, die Klauen des Wolfes verwundet, blutend, winselte er und wich zurück… Erleichtert atmete der Siebzehnjährige auf, spürte seine Hände brennen, spürte Schwielen an der Linken, und schloss kurz die tiefblauen Augen. Doch das Geschöpf mobilisierte noch einmal seine Kräfte und drückte sich erneut mit aller Gewalt durch die Öffnung im Glas und schnappte zu in einer Sekunde, als der Held nicht sofort reagierte. Link erkannte die Situation zu spät, hatte sich in falscher Sicherheit gewogen und so sehnlich gehofft, der Alptraum dieser Nacht wäre zu ende. Er wurde überrascht, als sich der Dämon näherte, sein stinkendes Maul weit geöffnet und bereit war gelbe, scharfe Zähne in menschliches Fleisch zu bohren. Tief biss die Bestie zu, erwischte den jungen Helden an der rechten Schulter, knurrte bedrohlich und biss immer tiefer. Verzweifelt schrie der Heroe auf. Ein gleißender Laut ging durch die Nacht, ein Schrei eines Kriegers, erbarmungslos und dröhnend… Und irgendwo weit entfernt an einem anderen Ort, wachte ein Wesen mit Schmerzen in der rechten Schulter auf. Ein glockenheller Schrei ging durch die Villa von Ines Schattener… Und dort in Irland, weit weg, wo die unschuldige Welt entstellt wurde, kämpften zwei junge Menschen noch immer mit dem Alptraum dämonischer Kreaturen, deren Klauen giftig, deren Leiber bestückt mit Muskelfleisch und deren Wille tödlich waren. Auf der zerrütteten Straße krachten Zweifel nieder, krachte das Unglück nieder, das der eine Held zu seinen Gunsten verändern musste. Fassungslos starrte der Irländer Kevin McMayor nach hinten, blickte zu seinem Beifahrer, der erbarmungslos brüllte, seine Stimme mittlerweile heiser und verbraucht. Der grünbemützte Held kämpfte in dem engen Raum mit der Bestie, die ihre stachligen Zähne in seine Schulter gebohrt hatte, er kämpfte, während die wilde Hetzjagd durch die Nacht immer weiter ging. Panisch versuchte Link die Bestie von sich wegzudrücken, roch den verwesenden Geruch fauligen Fleisches und bohrte den Dolch in seiner linken Hand immer tiefer in den Hals des Wolfes. Er raunte, knurrte, während das Blut des Heroen niedertropfte. Aber er ließ nicht locker, hatte sich im Fleisch des Helden festgebissen, winselte, kämpfte genauso wie es sein Widersacher tat. Mit den höllischen Schmerzen in der rechten Schulter, eine Qual so zermürbend wie damals, als Link von fünf Skelettrittern zusammengeschlagen wurde, erhob er seine Stimme, kreischte so gewaltvoll, wie er nur konnte. „Stirb“, brüllte Link, bewegte sich heftig, stach mit dem Dolch in der Linken ein weiteres Mal in den von violettem Schleim bedeckten Hals des Kreatur, und drückte mit der Rechten gegen die blutige Schnauze des Untiers, versuchte den Dämon mit aller Gewalt wegzudrücken, sich zu befreien. „Ich bring’ dich um, du verdammtes Stück Dreck! Ich bring‘ dich um!“, kreischte er markerschütternd, kniff die Augen zusammen, und fütterte seinen Vernichtungswillen mit Gedanken an alles, was er bisher erlebt hatte. Er hatte Erfahrung gesammelt, trainiert wie ein Besessener und hatte einen Funken in sich entzündet, der ihn daran erinnerte, wer er war und wozu er geboren wurde. Er war der Held Hyrules… er konnte sich von einem dämonischen Wolf nicht besiegen lassen! Erneut schallte Links Schrei durch die Nacht, während Kevin am Steuer winselte, ab und an zurückblickte, den Namen seines Beifahrers in die Nacht posaunte. Und es war dann, dass, als Link wie hypnotisiert in die eisigen Augen seines Gegners starrte, er in sich ein neues Gefühl der Überlegenheit und Macht spürte, er das Gefühl lebendig und erstarken ließ. In einer Sekunde der Stille, schloss er seine tiefblauen Augen, sammelte sich, sammelte seine Kräfte und die legendäre Willenskraft eines vergessenen Helden. Er konnte sie spüren, die alte Macht in seinen Adern, konnte fühlen, wie das Geheimnis in seinem Herzen pulsierte, konnte sie flüstern hören, konnte sie atmen hören. Und als diese Macht in ihm aufflackerte, wie ein glimmender Funke, der ein gigantisches Feuer der Übermacht entzünden konnte, schickte er einen warnenden Blick zu der Kreatur, die er richten würde. Noch einmal holte Link mit dem glühenden Dolch in seiner Hand aus, spürte Feuer, spürte Erbarmungslosigkeit und Macht, als er die Waffe mit voller Wucht erneut tief in das verseuchte Fleisch des Wolfes bohrte. Die Bestie heulte in einem letzten, flehenden Schrei auf, und die niederträchtige Gestalt zersprang in Tausende, rotglühende Splitter, verging wie durch Feuer verbranntes Papier, erlosch in der Gewalt, die Link entfacht hatte… Ungläubig beobachtete der Heroe mit der blutenden Schulter wie Ascheplättchen, glimmend und niederrieselnd, sein Gesicht benetzten und schließlich in winzigen Hitzefeuern verschwanden. Es war vorbei, einmal mehr. Ein weiterer Dämon wurde von den Händen des Helden niedergestreckt und ein weiteres Puzzle zerstört… Einige Minuten der Stille vergingen, selbst das Heulen der Bestien vom Weiten war nicht mehr zu vernehmen. Nur das klägliche Brummen des alten, überhitzten Motors dröhnte in der wolkenverhangenen Nacht. Noch immer hing Kevins rechter Fuß wie ein Bleiklotz auf dem Gaspedal; er traute sich kaum die Geschwindigkeit zu reduzieren aus Angst der Wagen stoppte und aus Angst, die riesigen Wölfe kämen zurück. Link kletterte mit schmerzverzerrter Miene nach vorne, stellte sich etwas unbeholfen dabei an und schaltete das Licht auf seinem Platz ein, um die Wunde zu untersuchen. Sie blutete ganz schön stark, aber so tief, wie er geglaubt hatte, war sie nicht. Und der Schock, die Gefahr und die anstachelnden Hormone in seinem Körper ließen ihn kaum begreifen wie haarscharf die Situation ausgegangen war. „So viel zu ungewöhnlichen Gestalten oder ungewöhnlichen Kreaturen“, sagte Link erschöpft, aber er grinste. Eigentlich wünschte er sich gerade nichts sehnlicher als sein Bett… „Beim lieben Gott im Himmel…“, seufzte Kevin stotternd. Seine Stimme verriet noch immer die panische Angst, die er vor wenigen Minuten erfahren hatte. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so gefürchtet. „Ich kann… ich verstehe das nicht… ich kann kaum glauben, dass wir das überlebt haben…“ Ungläubig musterte er seinen Beifahrer, dessen braungebranntes Gesicht trotz dieses Ereignisses Entschlossenheit und Mut verriet. „Wie…“ Kevins bekam die Worte kaum aus seinem Mund. „Wie konntest du nur so… wie schaffst du das in einer solchen Situation einen klaren Kopf zu bewahren?“ Link lachte erleichtert auf, schüttelte dann aber unsicher seinen Kopf. Mit der linken Hand fuhr er sich durch das durchgeschwitzte, blonde Haar. „Ich bin geübt darin…“, murrte er schmerzerfüllt. Mittlerweile pochte seine Schulter heftig, belehrte ihn über das Risiko ein Held zu sein, belehrte ihn darüber, was es kostete, sich Dämonen zu stellen. Eine weitere Narbe auf seiner Haut… und eine weitere Narbe in seinem Herzen… „Du bist geübt in so etwas?“, sprach Kevin irritiert. „Ja, das umschreibt es wohl am besten“, sprach der Held sachlich. „Heißt das, du hast gelernt Raubtiere abzuschlachten?“, sprach der Irländer verstört. Link grinste: „Ich habe gelernt zu kämpfen.“ Das traf es seiner Meinung nach wohl am besten. Und da konnte er einen Funken Dankbarkeit in den dunkelgrauen Augen des Fahrers entdecken. „Zum Glück… es scheint, als gäbe es nicht nur ungewöhnliche Gestalten und gefährliche Ereignisse, sondern auch ungewöhnliche Menschen, die sich nicht beirren lassen.“ „Jep, so kann man das wohl sagen“, murmelte der junge Held marode. Link grinste ein weiteres Mal und kniff dann schmerzverzerrt ein Auge zu. Er presste seine linke Hand auf die verletzte Schulter. „Dich hat’s aber ganz schön erwischt.“ „Ach, das ist halb so wild, ich hatte schon schlimmere Verletzungen“, endete er, riss sich den linken waldgrünen Ärmel herab und verband die Wunde provisorisch. Nur gut, dass er erst letztens eine Tetanusauffrischung bekommen hatte… Kevin schien sich gefangen zu haben, wirkte beruhigt und zügelte die Geschwindigkeit seines PKW. Noch einmal versicherte sich der Held, dass keine Kreaturen auf den dunkelgrünen Hügeln lauerten, blickte zielsuchend nach hinten, aber nirgendwo konnte er irgendwelche Kreaturen der Finsternis ausmachen. Link atmete tief durch, lehnte sich entspannt zurück und schloss die tiefblauen Augen. „Du bist nicht, was du vorgibst zu sein, oder“, meinte Kevin, dessen Blick von Links Gesicht zu der verletzten Schulter wanderte. Jener schüttelte nur mit dem Kopf, hatte keine Lust seinem neuen Bekannten alles auf die Nase zu binden, ihm irgendwelche Erklärungen zu geben, für die er selbst nicht einmal Erklärungen hatte. Ihm kam der Brief an Zelda in den Sinn, seine Worte, dass es ihm gut ging, und er erinnerte sich daran, dass er eher scherzhaft gemeint hatte, dass ihn noch niemand angegriffen hatte. Was für eine Lüge… Er konnte seinen eigenen Worten nicht einmal mehr trauen. Und egal, wie sehr er auch versuchte die einschneidende, grausame Realität wegzuschieben, egal, wie sehr er auch versuchte ein fröhliches Grinsen aufzusetzen, es änderte nichts an seinem Schicksal und dem vorbestimmten Weg. Egal, wie sehr Link versuchte wieder der sehnsüchtige, aber scheinbar gewöhnliche Jugendliche zu sein, der er vor einem halben Jahr war, er würde endlich akzeptieren müssen, dass er geboren wurde zu kämpfen. Und wenn es bestimmt war, dann wäre er der eine Held, der siegte oder fiel… Er konnte Zelda in seinen Gedanken sehen, beobachten, wie sie in ihrem Zimmer saß, sich zu ihm drehte mit ihren schönen, himmelblauen Augen und in seinen tiefblauen las. Er konnte sie spüren, hoffend, dass es ihr wirklich gut ging und dass er sich nichts vorwerfen musste, nur, weil er nach Irland gereist war. Und er entschied, auch, weil es ihr Sorgen bereiten würde, dass er ihr von dem Angriff der Wölfe nichts erzählen würde… Doch Link unterschätzte die Verbindung zweier lang schon miteinander verbundener Seelen, die sich ein Schicksal teilten. Er unterschätzte maßlos, wie nah Zelda seiner eigenen Seele mit Worten, mit Berührungen und eben auch mit Schmerzen kommen konnte… und er unterschätzte damit, wie viel Zelda wusste… Denn wenn der Held aus Hyrule seinen Lebenszweck erfüllte, tat dies auch die Prinzessin des Schicksals… Kapitel 27: Geschichten von Unheil und Verdammnis ------------------------------------------------- Kevin McMayors verbeulter, gelber PKW fuhr knarrend auf den Hof der Jugendherberge ein, hinterließ ein ächzendes Gekreische wie das eines verendenden Tieres. Der dunkelhaarige Fahrer drehte die Scheinwerfer ab, und gerade in dem Moment schien der Motor vollends den Geist aufzugeben. Es ratterte im Motorraum, bis auch das letzte Geräusch des teilweise zerstörten Wagens erstarb. Link und sein neuer Bekannter stiegen langsam aus der Fahrgelegenheit, wirkten beide ungläubig die Situation überstanden zu haben, lächelten einander verschmitzt entgegen. Gerade da versetzte die blutende Wunde dem jungen Heroen einen weiteren Stich und er stützte sich zähneknirschend kurz an die Wagentür. „Das wird wohl heute nichts mehr mit der Heimfahrt, was“, seufzte der gewandte Kämpfer schmerzverzerrt und versuchte an der aufheiternden Bemerkung ein wenig zu grinsen. „Ich denke, du könntest in dem Bungalow übernachten, wenn du mit einer Couch zufrieden bist.“ „Was anderes wird mir wohl nicht übrig bleiben, jede noch so unbequeme Couch ist besser als im Magen eines Wolfes zu landen“, murrte der Irländer belustigt und seufzte. Er verzog das Gesicht mit dem Gedanken an seine Finanzen. Und ein kaputter Wagen würde sein Konto verhungern lassen. „Ich kann immer noch nicht glauben, was passiert ist. Kneif‘ mich mal…“ „Das ist wohl nicht nötig…“, brummte Link zähneknirschend. Was war er auch so unkonzentriert und ließ sich von einem bescheuerten Wolf beißen. Er hatte bereits schlimmere Monster besiegt. Skelettritter, die dreimal so gefährlich waren, hatte er ausgelöscht und dann versagte er bei einem Wolf? „Und es macht dir und deinen Mitbewohnern nichts aus, dass ich mich im Bungalow breit mache?“ Link schüttelte den Kopf und grinste: „Das wird schon passen. Willst du lieber von dämonischen Wölfen zerfleischt werden?“ Erst nach dem Satz bremste sich der junge Heroe und ahnte, er hätte das Wort ,dämonisch‘ lieber nicht sagen sollen. Nervös zuckte der Irländer mit verschiedenen Gesichtsmuskeln, wirkte neben sich und murmelte: „Aber immerhin haben wir den Alptraum nun hinter uns. Wir sind in Sicherheit, nicht?“ Link nickte stumm, aber seine Mimik verriet, was er wirklich dachte. Und auch Kevin McMayor verstand. Die Menschen wogen sich viel zu oft in einer falschen Sicherheit, die all das versprach, was wir doch nicht behüten, aber gerne für ewig annehmen wollten. Menschen hofften auf Sicherheit in Gestalt ihrer Helden. Eine Sicherheit, die für keine Welt galt… Der Heroe klopfte dem Irländer auf die Schulter. „Kevin“, nuschelte er unter dem hässlichen Brennen der Wunde. „Ich muss mich bei dir bedanken. Wäre ich zu Fuß gegangen, hätte ich wohl Probleme gekriegt.“ „Ja, es ist gefährlich geworden in unserer Gegend…“, sprach er mit Angst in seiner Stimme. „Aber das, was wir erlebt haben. Das kann doch nicht… ich meine, das waren gewöhnliche Wölfe, anders kann das nicht sein!“ Kevin behaarte so sehr auf seinem Glauben an eine gerechte, geordnete Welt, in der diese Dinge nicht geschehen konnten. Es gab mächtige Männer und Frauen in jedem Zeitalter, die sich um solche Grausamkeiten kümmerten. Es gab Gesetze und Ordnung. Wie konnte es sein, dass so etwas nicht unterbunden wurde? Dass keiner davon berichtete und das keiner etwas dagegen unternahm? „Ich werde das meinem Vater, dem Bürgermeister, rückmelden, da muss etwas passieren. Diese Wölfe müssen gejagt werden. Und damit muss das erledigt werden.“ Link nickte zweifelnd. Wie wollten Menschen dämonische Wölfe jagen und vernichten? Dennoch konnte er gut verstehen, dass Kevin verleugnete, was er gesehen hatte. Er verleugnete die Wahrheit aus Angst… Mit einem leichten Jammern, verursacht durch die Schmerzen und einem sehnsüchtigen Gedanken daran, wie schön es wäre nach dieser Horrorgeschichte bei Zelda zu sein, marschierte der Heroe zu dem einzigen der vielen Bungalows, wo noch Licht brannte. Er hielt kurz inne, überlegte, wie er die nervenden Fragen des sehr wissbegierigen Pat van der Hohen umgehen konnte und öffnete dann die himmelblaugemalte Tür ohne entsprechende Lösung. Es brachte ja nichts irgendwelche Ausreden erfinden zu wollen. Es brachte nichts Energie für dumme Lügen zu verschwenden. Und Patrick würde ohnehin herausfinden, was passiert war, würde vielleicht auch sehr bald erkennen, dass Link nicht nur durch einen zufälligen Umstand wie der Held Hyrules aussah und Tapferkeit mit seinem Namen ausstrahlte… Bemüht leise zu sein traten die beiden jungen Kerle in den Flur und schlossen sachte die Eingangstür. Gerade da trat Patrick van der Hohen neugierig um die Ecke, schaltete das Licht im Flur ein und verlor jede Farbe im Gesicht, als er den jungen Helden mit der blutenden Wunde entdeckte. Er zwinkerte und sagte zunächst kein Wort. Auch Tommy bemerkte das Licht im Flur und steckte seinen Kopf zur Hälfte aus der Schlafzimmertür. Er sah verschlafen aus und murmelte etwas vor sich hin, bis auch ihm der Schrecken im Gesicht stand. Nervös zog er die Tür zu sich heran und versteckte sich im Schlafzimmer. „Scheiße, Link, was hast du denn angestellt?“, fragte Pat, dem es die Sprache verschlagen hatte. „Deine Schulter sieht aus, als hätte dich etwas zerfleischen wollen!“ „Das trifft es eigentlich recht gut“, sprach Link ohne es zu wollen, aber grinste. „Lass‘ erst einmal gut sein, Pat“, setzte er hinzu, versuchte eine fröhliche Miene aufzusetzen und tapste in die warme Stube, wo ihm der Duft nach Chips und fettiger Hähnchenbrust entgegenschlug. In einem Schrank hatte er letztens Verbandszeug entdeckt. Sofort fand er die hilfreichen Verbände, das Jodmittel, sowie einige große Pflaster, und verschwand ohne weitere Erklärungen damit im Badezimmer. Nachdem Link sich die nur mehr leicht blutende Schulter verbunden hatte, hastete er schleunigst in das leere Schlafzimmer. Trolli, Pat und Kevin unterhielten sich aufgeregt in der Stube, als Link sein Handy aus der Tasche kramte. Er hatte es eigentlich nur für den Notfall mitgenommen, wollte nicht zu viel telefonieren oder angerufen werden. Aber jetzt nach diesem brutalen Angriff dämonischer Wölfe hatte er den sehnlichsten Wunsch bei Ines Schattener anzurufen und sich zu erkundigen, ob in Schicksalshort und vor allem mit seiner Prinzessin alles in Ordnung war. Er ließ sich mit schmerzender Schulter auf sein Bett sinken, seufzte und atmete tief durch. Schuldgefühle brodelten in ihm bei dem Gedanken, dass er, wo er doch die Verantwortung hatte zu kämpfen und Zelda zu beschützen, nach Irland gereist war. Hätte er nicht lieber zuhause bleiben sollen? War es feige und naiv von ihm zu denken, dass in den drei Wochen, die er hier verbringen wollte, nichts Schlimmes in seiner Heimat geschehen würde? Der junge Heroe fuhr sich durch das wilde, blonde Haar, rieb sich den Nacken um die Anspannung von dem letzten Kampf abzuschütteln und tippte schließlich die Nummer von Ines ins Handy. Es tutete mehrfach, so lange, dass Link nervös wurde und ein ungutes Gefühl hatte bei dem Gedanken, dass keiner hörte. Aber schließlich klackte es im Handy und die vertraute, beherrschte Stimme der Direktorin schallte durch die Leitung. „Ja, hallo, hier bei Schatteners.“ Mit einem leichten Lächeln sank der Heroe tiefer in die Matratze des Bettes. „Ines, ich bin es, Link“, sprach er, als er realisierte, wie spät es mittlerweile war und wie spät es in Schicksalshort war und das sein Anruf um diese Uhrzeit sehr merkwürdig erscheinen musste. „Sorry, dass ich dich geweckt habe“, setzte er rasch hinzu. „Ah, Link“, sprach Impa leicht müde. „Was gibt es zu so später Stunde?“ Die Direktorin klang zufrieden und allein dies ließ den jungen Helden sich beruhigen. Sie würde niemals so ruhig klingen, wenn es Zelda nicht gut ginge. „Äh, folgendes…“, murmelte er und hörte seine eigene Unsicherheit in der Stimme. Erst jetzt realisierte er, wie irritierend es sein musste, dass er so spät anrief. „… ich wollte fragen, ob bei euch alles in Ordnung ist. Ist Zelda okay?“ Er hörte Impas dreistes Lachen am anderen Ende. „Bei den Göttern, Link, und dafür rufst du mitten in der Nacht an? Da hättest du tagsüber ruhig auch dran denken können.“ Obwohl es unhöflich war, dass er sich so spät meldete, klang Impa amüsiert. „Ja, es passt bei uns alles soweit.“ „Es gab keine Angriffe?“ „Nein, zum Glück nicht.“ „Gott sei Dank…“, sprach Link erleichtert und lehnte sich weiter zurück. Irgendwie fiel ihm erst jetzt ein Stein vom Herzen. „Ich schätze, du fragst nicht ohne Grund“, meinte sie sachlich, aber besorgt. „Bist du etwa in Irland angegriffen worden?“ Dass Impa dies sofort erkannte, überraschte ihn weniger. Sie war immer schon sehr scharfsinnig gewesen. Dennoch schwieg er zunächst. „Jedenfalls ist Zelda in Sicherheit, du musst dir keine Sorgen machen. Dar, ich und die anderen vermuten, dass der Dämon in der Kirche gerade mit irgendwelchen Plänen beschäftigt ist. Vielleicht verhält er sich deshalb so still zurzeit, das kann ein gutes, vielleicht aber auch ein schlechtes Zeichen sein. Dennoch… es wäre mir lieber, wenn du nicht zu lange in Irland bleibst. Dar, Naranda, ich und die anderen treffen uns mittlerweile sehr oft mit dem Ziel uns einen Plan zu überlegen und Vorkehrungen gegen den Mistkerl in der Kirche zu treffen, auch da hätte ich dich gerne dabei.“ Link war überrascht, dass Impa dies ansprach und dass sie so bemüht war ihn in die Angelegenheiten einzubeziehen. „Ich… ja, ich werde bald wieder zuhause sein. Impa… und sag‘ Zelda nichts von dem Angriff…“ Er machte eine kurze Pause und überlegte, ob sie Zelda ans Telefon holen sollte. „… wie geht es ihr…“ Er ahnte, dass sein plötzlicher Abschied seine Prinzessin mitgenommen hatte und er ahnte, dass sie sich nach wie vor bloß in ihrem Zimmer aufhielt. „Link…“, meinte die Direktorin, nun weitaus besorgter. Ihre kühle Stimme wurde anteilnehmend. „Wenn ich ehrlich bin, nicht so gut. Aber das weißt du ohnehin…“ „Ja…“, murmelte er trübsinnig. „Sie hat die letzten Tage sehr viel geweint… viel zu viel, wenn du mich fragst, hauptsächlich wegen der Vergangenheit. Ich mache mir Sorgen, dass sie aus diesem Loch nicht herauskommt.“ Für einen Augenblick ließ Link das Handy sinken, blinzelte und sein ansehnliches Gesicht wurde gramerfüllt. „Ich hätte zuhause bleiben sollen…“, flüsterte Link und spürte neben einem unangenehmen Beißen in seiner Kehle Schuldgefühle hochkochen. Warum konnte Zelda nicht mit ihm über das reden, was nicht stimmte? Warum musste sie dauernd alles mit sich selbst ausmachen? Und würde sie sich ihm überhaupt öffnen können, selbst wenn er jetzt in Schicksalshort wäre? Er kannte die Vergangenheit nicht, er kannte nichts von Zeldas Sehnsüchten und ihren damaligen Vorlieben… eigentlich, so begriff er, war er ziemlich ahnungslos… „Nun ja, ein Fehler war es nicht, dass du gegangen bist. Vielleicht gibt es in Irland jemanden, den du treffen musst.“ „Ja, vielleicht…“ Er wollte auf Impas Andeutungen kaum mehr eingehen, wunderte sich auch kaum über ihre Aussage. Alles, was er sich gerade wünschte, war Zelda lächeln zu sehen. „Wenn du Zelda sprechen möchtest, muss ich sie wecken, obwohl ich froh bin, dass sie endlich einmal tief schläft. Dar hat ihr heute Abend etwas zum Schlafen verordnet, sie war etwas durcheinander und hat davon geredet von dämonischen Wölfen angegriffen zu werden, die ihre Schulter zerfetzen…“ „Von Wölfen?“ Links Stimme bekam Risse vor Erstaunen. Das konnte kein Zufall sein. Er war von Wölfen angegriffen worden, hatte eine Verletzung an der Schulter und Zelda träumte davon? „Ja, danach war sie ziemlich neben sich gestanden, weshalb ich Dar angerufen habe. Also, soll ich sie wecken?“ Link schüttelte den Kopf und sprach ein leises: „Nein, es ist okay jetzt. Lass‘ sie schlafen, ich kann mich wann anders melden.“ „Gut, dann noch eine angenehme Nacht, Link.“ „Ja, gute Nacht… Danke, Impa“, sprach er und legte auf. Mit einem Seufzen, verschuldet dem Brennen der Wunde und einer starken Sorge um seine Seelenverwandte, stützte Link den Kopf in die Hände. Hätte er vor seiner Abreise noch mehr nachbohren sollen, wie es ihr ging? Er wusste nicht, dass sie sich wegen Hyrule und all den Dingen, die er nicht wusste, noch immer so sehr quälte… Was war damals nur passiert, sprach er in Gedanken zu sich. Genervt schlug er sich gegen die Stirn. Konnte er sich nicht einfach, genauso wie Impa, an sein früheres Leben erinnern? Das würde die Sache nicht so kompliziert machen… Er wusste mit Sicherheit, dass er der Held Hyrules war, aber welcher dieser Helden? War er die Wiedergeburt des Helden der Zeit? War der Held immer der gleiche? Und in welcher Zeit mochte er gelebt haben? Weitere Fragen wanderten durch seinen Kopf auf der Suche nach einer Antwort, die ihm doch nur Zelda geben konnte. Er fragte sich, ob er damals als Ritter am Hofe bei ihr tätig war, was die Menschen wohl von ihm gehalten hatten und welche anderen Freunde er einst hatte. Seine Gedanken wanderten weiter bis hin zu der Frage, ob er ein Heim und Familie gehabt hatte. Rotwerdend dachte er daran, dass er ja vielleicht sogar verheiratet gewesen war. Oder war er vielleicht nicht Zeldas Held? Er schlug sich noch einmal gegen die Stirn, tadelte sich und untersagte sich noch mehr blödsinnige Dinge zu denken und hüpfte schließlich auf seine Beine. Es war doch alles nicht wichtig, solange er sich charakterlich nicht verändert hatte und das so nahm er an, war sicherlich der Fall… Leicht murrend tapste Link zurück in den Flur, warf einen Blick in die Wohnstube, wo die drei Kerle saßen, sich bereits angefreundet hatten und in dem Augenblick schwiegen, als der Held sie anblickte. Die Stille in dem Raum schien die Übermacht gewonnen zu haben, verursachte ein beklemmendes Gefühl, entzündete Feuer des Verrats. Link hatte, so gut es ging ein frisches T-Shirt angezogen, eine Schmerztablette eingeworfen und hoffte, das Mittel half ihm die schmerzende Wunde zu ignorieren. Sein zerfetztes grünes T-Shirt konnte er gleich in die Mülltonne werfen, so wie er das nach dem Kampf mit den Skelettrittern in den Wäldern Schicksalshorts gemacht hatte. Er fragte sich nur, wie er seiner Mutter Meira Bravery erklären sollte, dass er das nächste T-Shirt ruiniert hatte. ,Naja‘, dachte er albern, ,Ich habe ja noch mehr grüne T-Shirts.‘ Und obwohl Patrick versuchte mit ihm ins Gespräch zu kommen, wendete sich Link ab, hatte dafür gerade keinen Nerv. Er überhörte Patricks Fragen, und trat hinaus, genoss die frische Abendluft und ließ seinen Blick über die weiten Wiesen der grünen Insel schweifen, warf das grüne T-Shirt in die Tonne und blieb in der angenehmen Stille der Nacht stehen. Sinnierend schloss er die Augen, ein Gefühl weitreichender Warnung tobte in seinem Herzen, ließ ihn begreifen, mit welcher Verantwortung er in diese Welt geboren wurde. Ein milder Wind wirbelte das blonde Haar auf, das unbefangen in seine tiefblauen Augen fiel. Sterne funkelten am wolkenlosen Himmel, besänftigten die Welt und auch sein Herz. Er hatte kaum Lust sich in den Bungalow zu begeben, neugierige Fragen von Pat, Trolli oder auch dem Irländer Kevin zu beantworten. Er wollte gerade einfach nur nach Hause oder wie vor einigen Wochen sich faul in den Wald legen, bei Sonnenschein dort verschlafen, so unbedeutend sein wie vorher und sich nicht in dieses Abenteuer begeben. Er war garantiert kein Feigling, er war auch niemand, der sich umdrehte und vor Herausforderungen weglief, er war nicht dumm oder ignorant, aber er sehnte sich nach Ruhe. War er nicht gerade deswegen nach Irland gereist? Um Ruhe zu finden, sich selbst zu finden, Antworten zu finden… Und die einzige Antwort auf die vielen Fragen in seinem Kopf, war der Kampf… Er strich sich über die schmerzende Schulter und wendete sich in Richtung Eingangstür. Melancholisch blickte er ins Leere, bis die Tür von seinem neuen Bekannten Patrick geöffnet wurde. „Hey, Lust auf ein Guinness? Ich schätze, das könntest du gerade vertragen…“, murmelte Pat und musterte den jungen Heroen aufmunternd. „Ja, scheint so“, erwiderte der Heroe und schloss grinsend die Augen. Das Angebot nach der Höllenfahrt war verlockend. „Kevin hat dir schon alles berichtet, was?“ Pat schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich, er meinte bloß, ihr wärt angegriffen worden, und er würde gerne im Bungalow übernachten wollen, korrekt?“ Link nickte und blickte hinüber zu dem verbeulten Wagen. Auch Patrick musterte das Auto und schien erst dann zu begreifen, was dieser Angriff angerichtet hatte. „Verdammt, ist das Kevins Auto?“ Ungläubig hastete er näher, betrachtete sich das Auto von jeder Seite und schluckte beim Anblick von langen Kratzern im Lack, die von gefährlichen Klauen stammen mussten. „Äh… das ist ja schräg. Das sollen bloß ein paar wilde Tiere gewesen sein?“ „Wilde Tiere? Ist das, was Kevin gemeint hat?“ „Ja, er sagte, es wären wilde Tiere gewesen, die euch angegriffen hätten, aber so wie das Auto aussieht…“ „Willst du das denn wirklich wissen, Patrick?“, unterbrach Link den Jugendlichen tonlos, lehnte sich gegen die Hausmauer und verschränkte die Arme. Es gefiel dem Heroen nicht, dass unwissende Menschen, die vielleicht nichts mit der Legende um Hyrule zu tun hatten, in diese Geschehnisse hineingezogen wurden. Patrick durfte nicht herausfinden, dass Link mehr war als ein gewöhnlicher Jugendlicher. Er sollte nicht erbarmungslos in die Geschehnisse hineingezerrt werden. Andererseits… war Link denn derjenige, der das zu entscheiden hatte? Pat sah argwöhnisch drein, strich sich über sein kurzes Haar und trat direkt vor den Helden. „Ich will wirklich keinen Blödsinn reden oder mich einmischen, aber vielleicht solltet ihr das der Polizei melden.“ „Wozu?“, sprach Link gereizt. „Damit sich noch mehr Leute einmischen?“ Sein Tonfall war harsch und mürrisch, vielleicht auch wegen seiner Schulterverletzung, die an seinen Nerven zerrte. „Sorry“, nuschelte er hinterher. „Aber so einfach ist das nicht“, entgegnete er, seine tiefblauen Augen nur ein Spiegel von noch mehr Unverständnis. „Naja“, meinte Pat nervös, blickte um sich und sah weit am Horizont ein einzelnes Auto über die weiten Wiesen fahren. „Ich… hab‘ auch nicht gemeint, dass es so ist, ich dachte nur…“ Dann brach er ab, bemerkte den giftigen Blick von Link und schwieg. „Am besten wir gehen erst mal ins Haus… Du brauchst tatsächlich ein Guinness zum Runterkommen, denke ich.“ Patrick versuchte es mit einem gutmütigen Versuch Links miese Laune zum Schmelzen zu bringen und hatte tatsächlich Glück. Der Held seufzte, aber folgte seinem neuen Bekannten ins Wohnzimmer. Link machte es sich auf dem Sessel bequem, fläzte sich in die Sitzgelegenheit hinein und schlürfte das Bier, das Patrick ihm in die Hand gedrückt hatte, hinunter. Er war kein Freund von Alkohol oder Drogen, aber gerade in dem Augenblick erfüllte das Suchtmittel seinen Zweck. Einmal mehr starrte er ins Leere, aber da war keine Lethargie oder Gleichgültigkeit in seinem Blick. Wut vermischte sich mit Zweifeln in der dunkelblauen Farbe seiner Seelenspiegel. „Also Leute, danke dafür, dass ich hier übernachten kann“, meinte Kevin, brach die Stille und blickte in den Fernseher, der nebenbei lief. „Ich sag‘ dem Vermieter Leon Johnson morgen Bescheid.“ „Es wird schon in Ordnung gehen“, murmelte Patrick. „Es ist ja eine Notsituation… so spät kommt man ja nicht mehr in die Stadt.“ „Nun, ich hätte meine Kumpels anrufen können“, entgegnete der Irländer und strich sich nervös einige dunkle Strähnen aus dem Gesicht. „Aber ehrlich gesagt möchte ich keinem zumuten nachts auf dieser teuflischen Straße entlang zu fahren.“ Er lachte unsicher auf, wurde dann fahl im Gesicht und seine Stimme erstarb nach einem weiteren piepsigen Lacher. „Moment… hast du nicht gemeint, es wären bloß wilde Tiere gewesen, die euch angegriffen haben? Und dann redest du von einer teuflischen Straße?“, unterbrach Pat van der Hohen, der ebenfalls ein Bier schlürfte. „Naja…“, entgegnete der dunkelhaarige Irländer verhalten und ließ sich weiter in seinem Sessel hinein sinken. Link beobachtete den jungen Autofahrer, der sie beide aus der Verfolgungsjagd gerettet hatte und spürte deutlich, dass jener kaum über den Angriff sprechen konnte. Zusammengesunken saß der junge McMayor dort in dem halb zerfransten Sessel, starrte ins Nirgendwo und sah sein sicheres Weltbild zerbröckeln… „Es war kein harmloser Angriff…“, meinte Link, schloss die Augen und erhob sich. Mitgenommen und zugleich traurig tapste er zu dem Fenster. Er hatte sich so sehr gewünscht abseits von Schicksalshort seine Gedanken sortieren zu können, er selbst zu sein, sich vorbereiten zu können, hatte geglaubt in einer anderen Welt über alles nachdenken zu können, seine Bestimmung zu verstehen. Doch einmal mehr waren da Irrtum und Grausamkeit in einem teuflischen Spiel um Macht und Kontrolle. Das Schicksal hatte ihn vollkommen in der Hand, zerquetschte ihn wie eine Fliege… Patrick seufzte und strich sich über seinen Dreitagebart, bewegte sich aufgeregt auf dem Sofa hin und her. „Ich dachte mir, dass es kein einfacher Angriff gewesen sein kann… so wie Kevins gelber Wagen aussieht. Wenn das nur Tiere waren, dann müssen das ja Monster gewesen sein“, sprach er nervös. Er ahnte ja nicht, wie Recht er mit seiner Aussage hatte. „Mach‘ es nicht so spannend, Link.“ Schwankend schaute der junge Held aus dem Fenster und beobachtete die alte Burg auf dem verlassenen, grünen Hügel. Der milde Schein des Mondes verzauberte das alte Bauwerk und ließ es wie ein Mädchenschloss aus einer vergessenen Zeit wirken. Auf eine vertraute Weise stimulierte jener Zauber aus einer anderen Welt sein Herz, beruhigte und flößte ihm ein wenig Mut und Selbstbewusstsein ein. „Es waren auch keine harmlosen Tiere…“, meinte Link. Er kniff seine Augen zusammen und versuchte das Geschehene herunterzuspielen. „Es waren Wölfe…“ Er bemühte sich ein wenig zu grinsen, das Szenario auf der abgelegenen Talstraße zu vergessen. „Aber es ist ja nichts weiter passiert“, endete er. „Nichts weiter passiert?“, stammelte Kevin und erhob sich ebenfalls. Er zitterte, war käseweiß im Gesicht und konnte kaum glauben, was Link über seine Lippen gleiten ließ. Er fixierte ihn mit seinen dunkelbraunen Augen. „Das kannst du nicht ernst meinen!“ Link schnaubte und schaute betreten zu seinen Turnschuhen. Und wie ernst er das meinte! Er konnte jawohl kaum klarstellen, dass er der wiedergeborene Held Hyrules war und dass die Wölfe auf der Straße vielleicht nur wegen ihm den Angriff starteten. Kevins Stimme überschlug sich vor Angst und Erstaunen. „Link, es mag’ sein, dass du mit solchen Viechern Erfahrung hast. Es mag sein, dass du mit diesem Abschaum klar kommst, aber mein Wagen wurde buchstäblich auseinander gelegt. Und wenn du dieses Biest auf der Rückbank nicht auf diese selbstlose Weise kalt gemacht hättest, wir…“ Link trat zu Kevin hinüber und klopfte ihm zögerlich auf die Schulter. „Beruhige dich, Kevin. Es bringt uns nichts panisch zu werden. Die Attacke ist vorbei und zumindest eines dieser Biester ist Geschichte.“ „Bei den Kobolden von Kerry, wie kannst du nur so ruhig bleiben?“, entgegnete der Irländer mit Bewunderung. „Das waren keine gewöhnlichen Wölfe! Das waren dämonische, muskelbepackte Bestien!“ Kevin war den Tränen nahe, fühlte Übelkeit in seinem Magen schlitzen. Und obwohl er ein eher resistenter Mensch war, bereits einige Verluste in seinem Leben bewältigen musste und auch nicht immer ein leichtes Leben gehabt hatte, waren ihm die Situation und ihre Unkontrollierbarkeit zu viel. Kevin mochte ein geregeltes Leben, suchte nach Ordnung in seinem Alltag und war nicht bereit seine heile Welt für den Glauben an Dämonen aufzugeben. „Diese Wölfe… sie sahen mutiert aus, nackthäutig, hatten Klauen, die eine Giraffe auseinandersäbeln könnten und ihre Augen haben geglüht… gefunkelt… wie als kämen sie aus der Hölle! Und du redest davon, dass ich ruhig bleiben soll!“ Kevin und Tommy hörten die gesamte Zeit mit offenen Mündern zu, fühlten sich veralbert und gleichzeitig bedroht. Sie konnten kaum glauben, wovon Link und Kevin sprachen. „Und du stellst dich hierher, redest davon, dass wir dieses Szenario vergessen sollen, tötest diese Ungeheuer als würdest du dein Leben lang nichts anderes tun! Beim lieben Gott im Himmel, wie schaffst du das nur!“ Schnaubend ließ sich Kevin wieder in den Sessel sinken, vergrub das Gesicht in den Händen und wimmerte. Link ballte die Hände zu Fäusten und verstand erneut das Ausmaß seiner Bestimmung. Es gab sicherlich Tausende von mutigen Seelen auf diesem Planeten. Menschen, die in der Lage waren zu kämpfen. Menschen, die in der Lage waren an etwas Gutes zu glauben und dafür einzustehen. Aber von diesen vielen mutigen Seelen gab es vielleicht nur eine Hand voll, die stark genug waren an einer solchen Aufgabe zu bestehen. „Glaubst du, mir macht das Spaß? Denkst du, ich hab‘ mir das ausgesucht?“ Der Irländer schüttelte den Kopf. „Sorry… ich bin nur so durcheinander…“ Link nickte schwach, ließ sich ebenfalls wieder in einen Sessel sinken, sodass er knarrte und ließ das kühle Guinness erneut seine Kehle befeuchten. „Leute… ich kapier‘ das alles nicht“, sprach Tommy, schaute betreten von einem zum anderen. Er zwinkerte mehrfach, zitterte noch mehr als Kevin, obwohl er an dem Angriff nicht beteiligt war. Auch Patrick war durcheinander, hob seine Hände. „Jetzt nochmal von vorn… Ihr wurdet angegriffen… von Wölfen und Link hat…“ Patricks neugierige Augen wanderten zu Link, der mit ernster Miene im Sessel hing. „Link, du hast schon öfter wilde Tiere getötet… oder… Monster? Du hast das schon öfter gemacht?“ Der junge Heroe seufzte, fuhr sich durch das blonde, wilde Haar und ahnte, dass er kaum verhindern konnte sein Geheimnis preiszugeben. Und dämonische Wölfe, die durch das Land streiften auf der Jagd nach mutigem Fleisch, waren vielleicht noch die harmloseste Geschichte. Was sollte der Held tun, wenn plötzlich ein Skelettritter im Bungalow stand? Der Gedanke war gruslig und dumm zugleich für ihn. Aber was sollte er Patrick, Tommy und Kevin dann sagen? Dass sie sich den Skelettritter nur eingebildet hatten? Dass er kein Held war, obwohl er ein Schwert mit sich herumschleppte, das er in einer solchen Situation benutzen musste? Link schlug sich gegen die Stirn und dann mit der Faust auf die Tischplatte. Er entließ einen rauen Schrei, und wusste, er konnte diese Menschen, die mit ihm zusammen waren, kaum vor weiteren Angriffen bewahren, es sei denn, er klärte sie darüber auf, was auf der Welt los war. Niemand war sicher… Das Weltengesetz änderte sich… „Verdammt, was soll‘ ich denn dazu sagen, Pat? Ja, ich habe einen Wolf erledigt. Ja, ich habe sowas schon öfter gemacht! Bist du nun zufrieden?“ Beschämt sah der blonde, lange Bursche zu Boden, konnte dem Helden kaum in die tiefblauen Augen sehen, und genauso wie Kevin wurde ihm die Aufregung zu viel. „Ich verstehe immer noch nicht, was passiert ist… wie das passieren konnte. Ich glaub‘, ich kann nicht schlafen diese Nacht mit dieser Ungewissheit. Ich will mich nicht einmischen oder sensationsgeil wirken, aber ich habe einfach nicht verstanden, was passiert ist…“, murmelte Patrick durcheinander und erhielt Zustimmung auch von Tommy. „Mir wäre es auch lieber, ihr würdet uns erklären, was genau geschehen ist…“, sprach er lispelnd. Link war im Begriff mit dem Kopf zu schüttelnd, als Kevin dem Ganzen zustimmte. Der junge Held verdrehte die Augäpfel. „Was bringt es sowas zu verschweigen, dann sind wir alle wenigstens vorgewarnt“, argumentierte der Irländer, der Links Reaktion bemerkt hatte. „Stell‘ dir vor, Tommy und Patrick laufen abends auf dieser Straße lang und wissen nicht, was dort vor sich geht. Besser sie sind vorbereitet!“ Link seufzte und widmete sich wieder dem Guinness und knabberte Chips, während Kevin die Geschichte ausführlich erzählte. „Wir befanden uns also auf dem Weg zur Jugendherberge, als wir stehen geblieben sind, da ich Link etwas erzählen wollte. Ich weiß schon gar nicht mehr, worum es ging…“ Kevin wartete auf eine Reaktion von Link, die jedoch ausblieb. In seine Gedanken versunken starrte der Held ins Nirgendwo und aß die Chips mit einer Trägheit, die man ihm kaum zutraute. „Auf jeden Fall standen wir auf der engen, unbeleuchteten Straße inmitten der Landschaft. Rechts des Weges lag ein kleines Waldstück… eigentlich ein ruhiger Ort. Von weitem konnte man die Lichter von Leon Johnsons Schloss sehen…“ „Was ist dann passiert?“, sprach Patrick aufgeregt. Er klebte förmlich an Kevins Lippen. „Nach einigen Minuten bemerkte ich das erste Mal, dass etwas nicht passte. Link verhielt sich aufgeregt, deutete an, wir sollten unbedingt weiterfahren. Und es war dann, dass ich verstand, warum er so besorgt war.“ Erneut hoffte der Irländer auf Bestätigung seiner Worte durch den Jugendlichen, der beinahe unbeteiligt in dem einen zerfransten Sessel saß. „Und ihr könnt euch nicht vorstellen, was dann passiert ist… mitten im Nirgendwo hockten wir in dem Auto und dann sprang einfach der Motor nicht an.“ „Argh… das ist übel“, murmelte Patrick. „Und dann habe ich… ich verstand einfach nicht, was los war. Es ging alles so schnell. Link wies mich an, den Motor unbedingt zum Laufen zu bringen. Ich dachte zuerst, er würde völlig überreagieren, aber dann sah ich den Grund warum.“ „Was hast du gesehen“, piepste Trolli, kaute an seinen Fingernägeln und blickte ängstlich um sich. „… die Wölfe…“, entgegnete Kevin und schluckte den angesammelten Speichel in seinem Mund mehrmals hinunter. „Riesig waren sie… Höllenkreaturen und doppelt so schnell wie gewöhnliche Tiere.“ Der dunkelhaarige Bürgermeistersohn verzog das Gesicht, rieb sich die Schläfen. „Der Wagen sprang nicht an und die Bestien umzingelten uns. Sie rissen am Metall des Autos, knallten gegen die Scheiben… als hätten sie es auf uns abgesehen“, winselte er. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich das überlebt habe…“ „Wie ging es weiter?“, sprach Patrick geduldig, schielte zu Link, der dreinsah, als war er am Ende. „Ich versuchte weiterhin den Motor in Schwung zu bringen, bis Link mir dann einen Dolch in die Hand drückte… Beim lieben Gott im Himmel, ich war so froh, dass Link dabei war.“ „Moment mal…“, sagte Patrick entgeistert. Entgeistert hüpfte er von dem Sofa und trat vor den jungen Helden. „Sag’ bloß, du schleppst Waffen mit dir rum?“ Aber der angesprochene Jugendliche antwortete nicht und schloss lethargisch die Augen. „Im letzten Augenblick gelang es mir den Motor zu starten, aber eine Bestie hatte sich bereits in die hintere Scheibe meines Wagens gebohrt. Ohne zu überlegen ist Link nach hinten geklettert, hat es in Kauf genommen erwischt zu werden, aber hat bis zum Ende auf das Vieh eingestochen bis es wie eine Bombe in die Luft geflogen ist…“ Kevin trat schwankend auf seine Beine und legte dem trübsinnigen Helden freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. „Danke noch mal, aber wärst du nicht nach hinten geklettert und hättest du diese Waffen nicht dabei gehabt, wir wären im Magen dieser Kreatur gelandet.“ Link nickte stumm, war dem Reden müde geworden und verstand einmal mehr, wie töricht es war überhaupt hier in Irland zu hocken, wo er doch die Wurzel dieser grauenhaften Ereignisse vernichten musste. Der Dämon in der Kirche Schicksalshorts wartete nur auf ihn… ,Ich bin so ein Dummkopf‘, sagte er in Gedanken zu sich. ,Hatte ich wirklich geglaubt, diese Dämonen wären nur in Schicksalshort. Ich und meine Naivität!‘ Diese Dämonen waren bereits auf der ganzen Welt und breiteten sich aus wie eine Seuche. Etwas Großes war im Gange, etwas, das die Welt verändern würde und Helden herausforderte. Alle Menschen, so wie sie waren, alle guten Wesen dieses Planeten waren in Gefahr. Frustriert schlug der heroische Blondschopf mit der Faust auf den Tisch, sodass dieser wackelte und die Gläser darauf klirrten. Pat sah erschrocken auf und wich zurück, als Link auf seine Beine hüpfte. Mit geballten Fäusten stand er im Raum, ließ eine gefährliche Aura durch den Raum dringen und ein messerscharfer Blick verriet seine Absichten. Seine Körperhaltung war kampfbereit, erfüllt von Zorn und dem Wille zu töten. Er trat mit schweren Schritten in Richtung Tür, versprühte unsichtbare Wogen Kälte. „Ich werde diese Wölfe jagen und aufschlitzen, einem nach dem anderen!“, zischte er. „Äh… wie jetzt?“, brachte Patrick über seine Lippen. Fassungslos lauschten die jungen Burschen Links Worten. „Diese Bestien haben lange genug existiert!“, donnerte seine kraftvolle Stimme durch den Raum. „Aber…“, sprach Kevin vorsichtig. „Ich werde nicht einfach hier herumsitzen und diese Monster Menschen zerfleischen lassen. Ich bring‘ sie um! Alle zusammen!“ Die Gewalt seiner Worte ließ die anderen kaum an Links Vorhaben zweifeln. „Link, bist du lebensmüde… du kannst nicht einfach dort raus spazieren und Wölfe jagen“, meinte Pat und breitete aufgeregt seine Arme auseinander. „Was weißt du schon?“, murrte er. „Du warst nicht dabei! Du hast diese Bestien nicht erlebt. Jemand muss diese Monster aufhalten.“ Der Heroe machte sich kampfbereit, fühlte seine Muskeln vibrieren. Die Unterhaltung hatte einen widerspenstigen Nerv in seinem Inneren getroffen. „Und warum musst du derjenige sein, der kämpft?“, sprach der jugendliche Zeldafan. „Du solltest die Polizei benachrichtigen. Die sind viel besser ausgerüstet für sowas!“ Darauf begann Link zu grinsen, verschränkte die Arme und lachte amüsiert. „Die Polizei?“ Zweifelnd schauten sich Tommy, Kevin und Patrick in die Augen, mussten das Gefühl haben, Link hatte den Verstand verloren. „Als ob nur irgendein Polizist ausgebildet genug ist Dämonen fertig zu machen! Solche Kreaturen tötet man nicht mit modernen Schusswaffen!“ Link trat energisch und laut stapfend vorwärts, bis er vor seinem neuen Bekannten Patrick stand, der die Wohnzimmertür blockierte. „Link, ich meine es ernst. Du bringst dich um, wenn du jetzt dort raus gehst. Sei‘ nicht lebensmüde!“ „Ich kann auf mich aufpassen“, entgegnete er kühl. „Und zwar hiermit!“ Er zog den Dolch, den er an seiner linken Wade versteckte. „Das bezweifle ich gerade… du führst dich auf wie ein übermütiger Dummkopf.“ „Dann bin ich eben übermütig und dumm. Wer soll es sonst machen?“, sprach er raunend. „Dann muss halt eine Spezialeinheit das übernehmen, wir sollten bei einem zuständigen Amt anrufen“, argumentierte Patrick, aber fühlte sich hilflos angesichts der plötzlichen Sturheit, die Link überfallen hatte. „Lass‘ mich vorbei, Pat“, meinte er streng. Aber der angesprochene Jugendliche rührte sich keinen Zentimeter, stand vor Link wie angewurzelt. Ganz zaghaft schüttelte er den Kopf. „Herrgott, Link, jetzt komm‘ wieder runter!“, brüllte Kevin und trat neben Patrick. „Denk‘ doch an deine Zelda!“ Und als der Name der Prinzessin des Schicksals erklang, löste sich der junge Heroe aus dem plötzlichen Wahn, der ihn befallen hatte. Er malte sich Bilder von seiner Seelenverwandten in die Gedanken, erinnerte ihre sanfte Natur und das geheimnisvolle Licht in ihren saphirblauen Augen, malte sich Bilder seiner Prinzessin in sein Herz… Starr stand der junge Heroe dort, ließ den Dolch fallen und rieb sich mit der linken Hand seine Stirn. Seine neuen Freunde ignorierend sackte er in sich zusammen, stemmte sich gegen die Wand und fragte sich, ob er mittlerweile süchtig war nach Herausforderungen und nach dem Kampf. Er war sich sicher, dass er ohne den Gedanken an Zelda wie ein Irrer in die Nacht gestürmt wäre und diese Wölfe abgeschlachtet hätte. Er hätte genauso naiv und übermütig gehandelt wie damals als er nach dem Streit mit seiner Prinzessin auf den Friedhof marschiert war um Drokon herauszufordern. Die Erinnerung an Zelda dämpfte jegliche Wut und auch die Kampfeslust in seinem Inneren, so machtvoll, so sehnsuchtsvoll… „Wie jetzt… deine Zelda?“, murmelte Patrick und musterte Link und den Irländer mit Wahnwitz in den grünen Augen. „Ich meine, wie kommst du auf diesen Namen?“ Kevin zwinkerte verwundert. „Ich weiß nur, dass Link an sie gedacht hat, als wir mit den Wölfen konfrontiert waren, dort in diesem Alptraum…“ Patrick schnaubte. „Das ist ja wohl nicht dein Ernst, Link!“ Der Zeldafan holte tief Luft und sprach belehrend. „Da steht ihr da draußen in dieser Finsternis, werdet von – so wie ihr es formuliert- Höllenkreaturen angegriffen und in dieser schlimmen Stunde hast du nichts Besseres zu tun als an das Zeldaspiel zu denken?“ Als Link nicht darauf antwortete, setzte der grünäugige Jugendliche hinzu: „Ihr wart in Lebensgefahr, und da denkst du an Zelda? Bist du eigentlich noch bei Trost?“ Beschämt ließ sich der junge Heroe erneut in den Sessel sinken, knallte den Dolch auf den Boden und vergrub das Gesicht in den Händen. Er seufzte, fragte sich, was er in diesem Irrsinn überhaupt noch sagen sollte. Er wollte sich nicht rechtfertigen, wofür auch? Aber je mehr er preisgab, je mehr Link sich natürlich verhielt, umso misstrauischer wurde dies in den Augen der anderen. Seine tiefblauen Augen schillerten voller Wärme und Güte. „Zelda ist ein Mensch und keine Spielfigur…“, murmelte er leise. „Natürlich denke ich an sie… aber nicht, weil es um irgendein bescheuertes Spiel geht. Sie ist lebendig, ein wunderbarer Mensch, so sanft und… wunderschön… Sie ist das Beste, was…“ Er brach ab, als er spürte, dass sich diese Worte falsch anhörten. Mit Verlegenheit auf den Lippen seufzte er. Da waren Lügen in seinem Herzen. Hässliche Lügengebilde, die sich nährten von seiner Ungewissheit, sich nährten von allem, was er sich verbot zu fühlen. ,Ist es das wert? Glaubst du, bereit zu sein für die Wahrheit? Das Ich in dir, welches deine jetzige Hoffnung speist, hat dich schon zu lange belogen’, flüsterte es in seinem Kopf. Worte geformt von dem alten, unvergänglichen Sein in sich. ,Dein Lug und Trug ist jämmerlich.’ Versunken in seinen Gedanken lauschte Link der starken und doch düsteren Stimme, die da in seinem Herzen wütete. Er wusste, jene Worte waren ihm nicht fremd. Er wusste, dies waren keine Paranoia und auch kein Versuch vor diesen Herausforderungen wegzulaufen. Diese Worte, gesprochen von einer machtvollen Persönlichkeit, wollten ihn warnen vor allem in Bezug auf seine eigenen Gefühle… „Sorry, Link…“, sprach Patrick betreten, riss den jungen Heroen aus seinen Gedanken, und kam sich dumm vor bei dem Gedanken, dass er einen Menschen, der den Namen Zelda trug, nicht als gewöhnlichen Menschen ansehen konnte. Er war derjenige, der nur noch an ,The Legend of Zelda‘ denken konnte, nicht Link. „Ich wusste nicht, dass du jemanden kennst, der so heißt…“ Der heimliche Heroe nickte, fühlte sich getrieben von der Ungewissheit und den Rätseln, die er nicht lösen konnte. In dem Moment schien Trolli halb zu hyperventilieren, suchte aufgeregt nach seinem Asthmaspray und schien die Nerven zu verlieren. „Gott, euch zuzuhören macht mich nervös“, murmelte er. „Entschuldigt bitte“, sprach er durcheinander und verschwand aufgeregt im Bad. „Tommy ist nicht der einzige, der durch den Wind ist… mir zittern die ganze Zeit die Beine“, gab Patrick zu und atmete ebenfalls tief durch. „Ich hab‘ noch nie sowas erlebt“, gestand er. „Mein Leben ist eigentlich völlig langweilig, besteht aus meinem PC, Partys am Wochenende und Fußball, und meinen Büchern, wenn ich Zeit finde, aber das… vielleicht ist das zu hoch für uns alle.“ „Vielleicht ist es nicht unsere Aufgabe, aber wollen wir das, was geschehen ist, einfach ignorieren?“, entgegnete Kevin. „Mir ist so etwas auch noch nie passiert, aber seit einiger Zeit scheinen seltsame Vorfälle in Irland zu geschehen. Es gab Häufungen von Vermisstenmeldungen und merkwürdige Überfälle… aber bisher hab‘ ich nicht gedacht, dass dahinter vielleicht Monster stecken könnten.“ „Was ich nicht kapiere, ist… warum bringt niemand so etwas auf den Nachrichten? Warum tut niemand etwas dagegen?“, meinte Patrick entrüstet. „Weil es vielleicht bisher nur unwichtige Leute bemerkt haben“, sagte Kevin. „Aber das ergibt keinen Sinn!“, murmelte Patrick. „Doch… es ergibt eigentlich sehr viel Sinn“, sprach Link, schloss seine Augen mit einer weitreichenden Melancholie. Er spürte den Umbruch auf der Welt, die Gefahr, die er in den vielen Leben, die er ertrug, bekämpfen musste. Er hatte es immer gespürt… Dann, wenn die Welt am Abgrund stand, wurden Helden geboren… „Die Ursache, warum keiner hinsehen kann, liegt nur darin, dass wir Menschen manche Dinge einfach nicht sehen wollen. Wer will schon an Märchen glauben, die plötzlich wahr werden und uns spüren lassen wie unkontrollierbar die Welt ist? Und wer will an Ungetüme glauben, die stärker sind als der am besten ausgerüstete Soldat?“ Er vergrub das Gesicht erneut in beiden Händen, seufzte und ließ das Elend in ihm in seine Stimme fließen. „Das ist wie, als würde man die gesamte Welt in Frage stellen, unseren Glauben, und alles, was wir über uns wissen. Es würde heißen, dass das Leben einen vollkommen neuen Sinn erfährt. So viele Dinge müssten sich ändern. Menschen müssten kämpfen, Menschen würden sterben und fallen in erbarmungslosen Schlachten. Und wir Menschen sind einfach nicht für Veränderungen dieser Art bereit“, sprach er trübsinnig, sodass alle Anwesende überfordert zu Boden blickten. „Du glaubst… es wird nicht bei ein paar Wölfen bleiben…“, zitterte Patrick, brachte die Worte kaum über seine schmalen, rosa Lippen. Links Blick streifte seinen, sendete ihm Mitgefühl und eine Hoffnung, dass er sich irrte. „Beim lieben Gott im Himmel… das kann doch nicht Realität sein.“ „Leute, jetzt beruhigt euch… wir wurden von ein paar Wölfen angegriffen, wissen nicht genau, was da dahinter steckt“, unterbrach Kevin. „Meint ihr nicht, wir steigern uns da in etwas hinein? Es wird nicht gleich die Welt untergehen, nur wegen ein paar Wölfen!“ „Ja, vielleicht…“, meinte Patrick erleichtert, dass Kevin es aussprach, und beobachtete Links Verhalten. Der ansehnliche Basecapeträger schien dem Argument von Kevin kaum Beachtung zu schenken. „Und wisst ihr was… ehe wir uns hier noch mehr unsinnige Gedanken machen, sollten wir schlafen gehen“, gähnte Patrick. „Morgen sieht die Welt sicherlich ganz anders aus. Es ist spät, viel passiert und wir brauchen Ruhe, oder“, sprach er und gähnte ein weiteres Mal. „Stimmt. Am besten wir vergessen den heutigen Tag wieder“, murmelte Kevin und ließ sich auf die halb zerflederte Couch sinken. Er nahm sich die Decke, die auf einem kleinen Hocker lag und schüttelte sie aus. „Danke nochmal, dass ich hier übernachten kann.“ „Kein Thema“, meinte Pat, warf noch einen Blick zu Link, der im Sessel saß wie ein Häufchen Elend, aber wollte sich zu seinem Verhalten keine weiteren Gedanken machen. „Gute Nacht“, murmelte er, wartete noch auf eine Reaktion von Link, die jedoch ausblieb und verschwand aus der Stube, um sich schlafen zu legen. Doch als Patrick van der Hohen mit einem nachdenklichen Seufzen in das hellerleuchtete Schlafzimmer eintrat, war Tommy nicht in seinem Bett aufzufinden. Aus irgendwelchen Gründen werkte der kleine Oberstufenschüler hastig in Links Sachen herum, schnüffelte Fächer und auch die große Reisetasche durch. Er bemerkte seinen Mitbewohner nicht, ließ sich in seinem Tun kaum unterbrechen. „Ja, hallo! Was schnüffelst du denn einfach in fremden Sachen herum?“, kreischte Patrick. Seine helle Stimme überschlug sich vor Ärger. Tommy ignorierte den blonden, langen Kerl und nahm mit einem kleinen Auflachen aus seiner Kehle ein langes, scharfes Schwert aus dem Schrank und schien verwirrt und zugleich äußerst froh deswegen zu sein. „Ich wusste es“, stotterte der auffällig ängstliche Gymnasiast, der von Patrick seit dem ersten Tag an sehr misstrauisch behandelt wurde. Patrick hastete näher und starrte genauso gebannt wie Tommy auf die glänzende, blankpolierte, saubere Klinge. Es war ein scharfes Schwert, und hatte Kratzer im Stahl, beinahe so, als wäre es erst vor kurzem benutzt worden. „Ich hab‘ es gewusst“, sagte Tommy und zuckte mit seinen Augen, während Patrick fassungslos die scharfe Klinge betrachtete. „Heilige Scheiße, was schleppt Link denn so eine Waffe mit sich herum?“ Gaffend nahm der blonde Patrick dem Kleineren die Waffe ab und musterte sie. „Mir ist am ersten Tag schon aufgefallen, dass er sich komisch verhält und da wollte ich bloß wissen, was er so verheimlicht“, meinte Tommy. Schulterzuckend platzierte Patrick die Waffe wieder an der Stelle, wo der andere Jugendliche sie entwendet hatte. „Das gibt dir noch lange nicht das Recht in Links Sachen herumzukramen. Was wolltest du wirklich hier?“ „Das habe ich schon gesagt“, maulte Tommy und tapste in seinem ekelhaft gelben Schlafanzug zu seinem zerwühlten Bett. „Du solltest mir danken“, setzte er hinzu. „Nun weißt du endlich, mit wem wir hier ein Zimmer teilen. Einem Verrückten, der denkt, dass er ein Schwert mit sich herumtragen muss, bloß weil sein Name Link lautet.“ Pat schwieg dazu und fühlte das Misstrauen wachsen, jedoch richtete sich jenes weniger gegen den Helden… Nachdenklich hockte Link im Schneidersitz in dem Sessel, hatte sein Kinn an einer Hand abgestützt und fühlte sich irgendwie verloren. Kevin McMayor hatte noch einmal seine Verlobte Anja angerufen, sich ins Bad begeben und kam seufzend in den Aufenthaltsraum zurück. Er hatte Augenringel in seinem leicht kantigen Gesicht und auch sonst hatte der Wolfsangriff herbe Spuren in seinem Gesicht hinterlassen. Der Irländer sah müde aus und erledigt… „Willst du nicht auch endlich schlafen gehen, Link?“, sprach er und streckte sich. „Ich will dich nicht verscheuchen, aber du siehst echt fertig aus.“ Der Heroe grinste ironisch. „Eigentlich bräuchte ich Schlaf, ja…“, murmelte er schwach. „Aber ich werde kaum einschlafen können.“ Es war nicht der Angriff, der ihm Sorgen bereitete, sondern die Stimme in seinem Kopf, die warnend flüsterte. Jene Stimme, die er im Traum vor wenigen Tagen gehört hatte, dann als er allein stand inmitten des Nebels und ihn Dutzende Biester mit Schwertern umzingelten. Es erschien ihm beinahe so, als konnte er den Kampf gegen das Böse nicht alleine gewinnen… „Das kann ich dir nicht verübeln… ich bezweifle auch, dass ich gut schlafen kann“, meinte Kevin und pflanzte sich gemütlich auf die Couch. „Du, sag’ mal, Link…“, redete er unter Gähnen und deckte sich zu. „Ja, was ist?“ „Als du vorhin sagtest, du hast so was schon öfter gemacht… Wie darf ich das verstehen?“ Er öffnete kurz seine Augen, blickte Link abschätzend entgegen und setzte hinzu. „Ich meine, du musst mir das nicht erklären, aber ich bin doch etwas irritiert deswegen…“ Link atmete tief durch, schlürfte ein weiteres Bier seine Kehle hinab und fragte sich, warum er auf einmal Alkohol trank. Vielleicht war es um den ganzen Alptraum zu vergessen. Vielleicht war es aber auch um sich durch derartige Fragen nicht nervös zu fühlen. „In unserer Stadt gab es in den letzten Wochen auch solche Vorgänge“, sprach er, sein Blick verharrend am Fenster, wo man auch die Lichter in Leon Johnson Schloss ausgehen sah. „Ich wurde von derartigen Kreaturen krankenhausreif geprügelt und seitdem bin ich wachsam.“ Kevin starrte an die Decke, wo eine Spinne entlang kroch. „Meiner Stadt ist es nicht sehr viel anders ergangen… Es gab schlimme Vorfälle in der Nachbarschaft.“ Er drehte sich in Links Richtung, schloss die Augen und spürte eine angenehme Müdigkeit über sich hereinbrechen. „Jetzt weiß ich auch wieder, worüber wir auf der Horrorstraße geredet haben. Es ging um die Sache mit Molly…“ Link rieb sich die Schläfen und knabberte einmal mehr von den Chips. „Ja, richtig. Du hattest gemeint, dieses junge Mädchen wurde vermisst, aber ist scheinbar weggelaufen.“ „Willst du jetzt noch weitere Horrorgeschichten erfahren?“, murmelte Kevin und grinste das erste Mal seit dem Vorfall. „Ich kann noch etwas mehr vertragen“, sprach Link sarkastisch. Er ahnte, dass er in den nächsten Monaten noch mehr Tests bestehen müsste, die das Schicksal oder ein mehr oder weniger grausamer Gott an ihn richtete. Und er ahnte, dass er weit mehr verlieren könnte, als er dachte. „Du bist echt irre“, lachte Kevin, worauf auch Link grinste. Nur gut, dass er solche Aussagen als Kompliment auffasste. „Wie auch immer“, murmelte der Heroe. „Was genau ist so außergewöhnlich an dem Verschwinden eines kleinen Kindes? Das passiert immer wieder auf der Welt, weil es irgendein Schwein gibt, das kleine Kinder entführt…“ „Außergewöhnlich an dem Fall war eher, dass Molly eines Tages einfach vor der Haustür stand, mit einem Blut beschmiertem Kleid, völlig fröhlich, aber ohne Verletzung und hat sich zunächst total normal verhalten wie vorher auch“, sprach Kevin. Links Augen verrieten Ungläubigkeit, und er musterte Kevin eindringlich. „Aber ist sowas nicht ein Fall für einen Seelenklempner?“, meinte er sachlich. „Es soll ja beinah normal sein, dass Kinder solche Traumageschichten in ihrer Phantasie verarbeiten. Für uns Außenstehende wirkt das schräg, aber wer weiß schon, wie es in der Seele von diesem Kind ausgesehen hat. Ich verstehe aber immer noch nicht, warum das so ungewöhnlich gewesen sein soll.“ „Das war ja noch nicht alles. Die Eltern waren fassungslos, konnten ihr Glück kaum fassen, hatten sie schließlich ihr Kind wieder.“ „Das wäre ich wohl auch in so einer Situation, ich verstehe immer noch nicht, was du so komisch findest, Kevin.“ „Lass‘ mich ausreden“, sprach er und starrte grübelnd an die Zimmerdecke. „Auch in der Zeit danach schien alles in Ordnung zu sein. Es fing mit Kleinigkeiten an, die kaum jemand bemerkte. Molly wurde manchmal aggressiv und panisch, sie begann mehr zu streiten als früher. Je mehr Zeit verging, umso skurriler wurde es. Sie begann in einer anderen Sprache zu sprechen, wurde gefährlich und schlug um sich. Sie tötete ihren drei Jahre älteren Bruder mit einem Messer, während er schlief, und mischte Gift in das Essen ihrer Eltern. Die ganze Familie kam um und Molly, die ein einfaches Kind gewesen war, verschwand wieder. Seit drei Monaten erzählt man sich in meinem Dorf diese Geschichte und manche wollen Molly in der Nacht durch die Straßen tanzen haben sehen, lachend und blutbeschmiert.“ Je länger er sprach, umso zittriger wurde seine Stimme und umso deutlicher der irische Akzent, den er sich angeeignet hatte. „Krass…“, seufzte Link. „Das ist dann tatsächlich sehr merkwürdig“, stimmte er zu und fragte sich, ob dieses Ereignis tatsächlich etwas mit dem Unhold zu tun hatte, der in seiner Heimatstadt wartete. Vielleicht hatte Mollys Wandel in ein psychopathisches Wesen nichts mit Link und Zelda zu tun? „Ich finde, solche Ereignisse müssen erzählt werden, sei also vorsichtig, wenn du einem Kind helfen willst, welches so aussehen könnte wie Molly, rote, gelockte Haare und grüne Augen hat, es könnte gefährlich sein, ihr zu nahe zu kommen.“ Link erhob sich, bewegte seine leicht steife Schulter, die erneut elend schmerzte. Er knirschte mit den Zähnen und streckte sich. „Aber woran liegt das? Ein einfaches Kind wird nicht mir nichts dir nichts zu einem herzlosen Monster. Da muss etwas passiert sein. Und außerdem, wie hat es ein so kleines Kind geschafft, irgendwo im Nirgendwo zu überleben?“ „Nun, das weiß niemand. Und es wird sogar noch furchteinflößender“, sprach der MyMayorsohn und schloss wieder die Augen. „Lass’ mich raten. Es sind noch mehr Leute verschwunden.“ Kevin nickte bloß, gähnte und hoffte, er bekam diese Nacht keine Alpträume. Mit neuer Unruhe in seinem Herzen trat Link von einer Zimmerecke in die nächste, versuchte das alles in seinen Kopf zu kriegen, versuchte zu begreifen, was er mit diesen Horrorerzählungen anfangen sollte. Ob es wirklich Vorsehung war, dass er ausgerechnet jetzt, wo solche Gruselgeschichten erzählt wurden, nach Irland kam? Und was war mit den anderen Dingen, die scheinbar unbeachtet in der Welt geschahen? Was war mit den Naturkatastrophen, die sich häuften? Was war mit den Unglücken, die in größerer Anzahl stattfanden? Sollte er wirklich noch an Zufall glauben? „Auf der ganzen Welt geschehen merkwürdige Dinge…“, hauchte er betrübt. „Es sind nicht nur solche merkwürdigen Umstände. Es sind auch die Katastrophen, die sich häufen.“ „Du glaubst nicht, dass der Tag des Jüngsten Gerichts bevorsteht, oder?“ Schulterzuckend entgegnete er. „Ich hab‘ nur das Gefühl, dass irgendetwas im Gange ist. Vielleicht war es ein Fehler hierher zu kommen. Eigentlich sollte ich…“ Link brach ab. Seine Gedanken wanderten unwillkürlich nach Schicksalshort, zu seiner Familie, seinen Freunden und zu Zelda. Seine tiefblauen Augen ließen nur einen Funken der Zuneigung zu, die er für seine Seelenverwandte empfand und doch war jener schon genug. „Du denkst wohl an sie…“ „Was?“ „Nun tu’ doch nicht so. Zelda, dein Licht, wovon du gesprochen hast, ist nicht eine Freundin, oder? Sie ist deine Freundin. Etwa nicht?“ Link wurde nervös und ein verräterisches, schamhaftes Rot pflanzte sich in seinem ansehnlichen Heldengesicht fort. Von der Nasenpartie zu den Wangenknochen veränderte sich seine käsige Farbe und schließlich rahmte die tückische Verlegenheitsfarbe ihn ganz ein. „War ja bloß eine Frage“, schmunzelte Kevin. „Deine Freundin?“, wiederholte er und legte die Arme hinter den Kopf. „Nein, ist sie nicht.“ „Aber du wünschst dir, dass es so wäre, was?“, grinste der zugewanderte Irländer. Gereizt und mit großen Augen drehte sich Link zu seinem neuen Bekannten, versuchte etwas Sinnvolles zu sagen, aber er brabbelte nur irgendeinen Blödsinn und ließ sich quietschend in den Sessel zurückfallen. Beim heiligen Deku, warum nur brachte ihn eine solche Frage so dermaßen aus der Fassung, dass er nicht einmal mehr klar denken konnte? Er sehnte sich gerade jetzt nach einer Riesenportion kaltem Eis, in welchem er sein knallrotes Gesicht verstecken könnte. Eis in jeder Sorte, aber vor allem Nuss. Eine seiner Vorlieben, die er noch nie hinterfragt hatte. Auch ein Überbleibsel von seinem früheren Leben, denn im Kokiriwald gab es häufiger Nüsse, Beeren und jegliche andere Früchte des Waldes als andere hylianische Gerichte. „Aber sie bedeutet dir viel?“, meinte Kevin beschwichtigend. „Das sieht man dir an der Nasenspitze an.“ „Ja, das streite ich nicht ab.“ Link war überrascht, dass es so offensichtlich war, wenn er an sie dachte, obwohl Kevin ihn nur kurz kannte und Zelda noch nie gesehen hatte. „Was immer auf der Welt vor sich gehen mag, was könnten wir schon daran ändern? Und vor allem, was sollten wir zum jetzigen Zeitpunkt tun können…“, sprach der Irländer und zog sich die Decke halb über seinen Kopf. „Ich denke, es bringt nichts uns die Köpfe zu zerbrechen. Ich würde dann gerne die Augen zu machen…“ Link nickte. „Ja, du hast Recht. Bis morgen früh…“ Leise schloss der blonde Heroe die Tür ins Wohnzimmer und war auf dem Weg ins Schlafzimmer, als er es sich anders überlegte. Er konnte nach diesem Angriff und den seltsamen Geschichten, die Kevin erzählt hatte, einfach kein Auge zu machen. Er brauchte Ablenkung, und vielleicht ein paar Erklärungen. Da die Nacht eine angenehme, erfrischende Kühle mit sich gebracht hatte, zog er sich eine dunkle Lederjacke über, und trat bewaffnet mit seinen Dolchen hinaus in die Dunkelheit. Er verschloss die Haustür des Bungalows und warf einen Blick auf seine Armbanduhr, es war kurz nach Mitternacht. In den wenigen Häusern hier in der Anlage waren die Lichter aus, selbst die Straßenlampen leuchteten nicht mehr. Kurz überlegte Link sich dennoch in Richtung der wenig befahrenen Straße zu begeben, die Monsterwölfe herauszufordern, ignorierte die Schuldgefühle in diesem Zusammenhang jedoch und verdrängte den Gedanken. Dann kam ihm die Idee vielleicht bei Sian Johnson zu klingeln und den geheimnisvollen Kerl auszufragen, ob dieser Antworten für ihn hatte. Aber es brannte in dem heruntergekommenen Schloss kein Licht mehr. Und auch diesen Gedanken vergaß er so schnell er aufgekommen war wieder. Nur… irgendetwas musste er tun. Er konnte mit dieser Ungeduld in seinem Herzen, den Gewissensbissen und seinem Verantwortungsgefühl kaum schlafen gehen. Er musste jetzt etwas tun, sonst würde er halb wahnsinnig werden… Er entschied an dem pechschwarzen See entlang zu trotten, atmete die erfrischende Nachtluft tief in seine Lungen und bewegte sich gelassen über den kleinen Trampelpfad, der sich in die Felder gebrannt hatte. Nach wenigen Minuten begann der vergessene Heroe zu rennen, powerte den angestaunten Frust heraus, bis er nahe eines kleinen Waldabschnitts stehen blieb, sich auf seine Knie stemmte und nach Atem rang. Seine tiefblauen Augen blitzten unter dem blonden Haar hervor, das in der Dämmerung wie ein dunkler Vorhang über sein Gesicht fiel. Wut brannte in seinen Augen und eine Verzweiflung, die er nicht unterdrücken wollte. Er war der verdammte Held aus einer anderen Welt! Er sollte zu mehr in der Lage sein als einfach bloß ein Schwert zu schwingen mit einer selbsterfundenen Technik, die er sich innerhalb von wenigen Wochen angeeignet hatte! Er konnte ja nicht einmal verhindern, dass unschuldige Menschen in grausame Kämpfe gezerrt worden! Wozu war er überhaupt gut? Er durchwühlte sein Haar, und ließ seinen angestauten Frust mit einem Schrei aus seinem Körper, bis er sein Haupt in Richtung des Mondes richtete. Wie um alles in der Welt sollte er nur verstehen können, warum er auf dieser Welt lebte und warum er eine Vergangenheit hatte, die ein beinahe witziges Vermächtnis als Konsolenspiel in dieser Welt hatte? Er seufzte, fühlte sich seit langer Zeit überfordert und den Tränen nahe und wünschte sich bloß, dass dies alles vorbei war. Die Kämpfe. Dieses grausame Schicksal und die vielen Rätsel… Der grünbemützte Jugendliche schlug sich gegen die Stirn und entschied sich in aller Ruhe zurück zum Camp zu begeben. Was hatte er von seinen verdammten Grübeleien, letztlich konnte nur Zelda ihm von der Vergangenheit berichten. Und nur sie konnte ihm begreiflich machen, was in den nächsten Wochen geschehen musste. Murrend tapste er vorwärts, schlug größere Steine mit seinen Turnschuhen beiseite, bis er im glühenden Schein, den der Mond niederwarf etwas am Waldrand ausmachen konnte. Alarmiert blieb er stehen, duckte sich und ließ seine tiefblauen Augen in Richtung des Waldes wandern, wo er ein unterdrücktes Geräusch vernehmen konnte. Es klapperte, wie als schlug man Holz gegen Holz. Es raschelte und mit dem Rascheln erklang zaghaft eine leise Kinderstimme. Es war ein Gesang, piepsig und kaum verständlich. Es klang, als sang jemand in einer vergessenen Sprache, ein leiser Gesang, der Gefahr verriet. Vorsorglich zog Link das Kampfmesser, das er an seiner rechten Wade versteckte, bis er im Halbschatten eine kleine Gestalt am Waldrand erblicken konnte. Es musste ein kleines Kind sein, vielleicht ein Mädchen, denn soweit sein Auge reichte, konnte er schulterlanges Haar entdecken. Und es wirkte, als tanzte das Kind unter dem hellen Gesang, den es verbreitete. Link unterdrückte seine Atmung, nicht sicher, ob er sofort angreifen sollte. Welches normale Kind spielte mitten in der Nacht am Waldrand? Es konnte nicht anders sein, als dass es sich hier um das irische Mädchen Molly handelte, die einige Menschen getötet hatte. Link bewegte sich unauffällig näher, sein zum Töten bereites Kampfmesser blitzte. Und es war dann, dass jene kleine Gestalt vor ihm den Gesang unterband, stehen blieb und in seine Richtung deutete. Der Held war nur wenige Meter entfernt, als das vermeintliche Mädchen mit beiden Armen Andeutungen machte näher zu treten. Sie winkte ihm zu. Irritiert stoppte Link seinen geplanten Angriff, zwinkerte und sah das tanzende Kind in Richtung der Wälder huschen. „Warte!“, rief Link, gab sich preis, wissend, sie hatte ihn ohnehin bereits bemerkt. Aber sie rannte davon, rannte hinein in die Wälder, fliehend oder ihn herausfordernd. Er wischte sich über die Stirn, und seine Mundwinkel zogen sich nach oben. Was hatte er noch zu verlieren? Wenn er dieser Aufforderung nicht folgte, würde er es ohnehin bereuen. Er würde bereuen seiner Neugierde nicht nachgegeben zu haben. Und ohne einen Gedanken an die mögliche Gefahr war auch der heldenhafte Jugendliche im pechschwarzen Dickicht des Waldes verschwunden… Verräterische Geräusche drangen an Links Ohren, verursacht durch seine Turnschuhe, die auf knirschende Zweige traten. Wölfe, die von weitem heulten und die Stille, die sich unter diese mischte, fühlte sich herausfordernd für den einsamen Streiter an. Zielsicher, das Mädchen zu finden, trat Link vorwärts, orientierte sich an den Bäumen und einem milden Schein, den er zunächst als Licht des Mondes interpretierte. Mehrere Minuten schlich der junge Heroe vorwärts, versuchte sich den Weg einzuprägen und erreichte in der Finsternis einen Trampelpfad. Gemächlich folgte er seinem Weg, war wachsam und bereit für jede Gefahr, die das Dickicht bereit hielt. Sein Weg führte ihn in das Herz des Waldes, bis er die Gefahr völlig ignorierte. Da war Verzauberung in der Dunkelheit, Geheimnisse, die nicht jeder Mensch bereit war zu ergründen und dort war irgendwo eine Antwort. Er erreichte eine kleine Brücke, bewachsen mit Moos und Efeu, trat vorsichtig über das Gestein der Überführung und hörte einen kleinen Bach plätschern. Seine Hände streichelten an Moos und Gestein entlang, berührten Baumrinden, bis er das Gefühl hatte, er konnte hier in der Finsternis alles sehen, was er sehen musste. Mit einer leichten Gänsehaut tastete er sich vorwärts, genoss die Ruhe, die nicht einmal mehr ein Wolfsgeheul an jenen Ort dringen ließ. Und dann am Ende des Weges, noch immer verborgen im Halbschatten, trat erneut eine kleine Gestalt, summte und schien ihm erneut zuzuwinken. Sie kicherte, worauf er stehen blieb, sich fragte, was er hier überhaupt tat und realisierte, dass er sich vielleicht sogar verlaufen hatte. Eine leichte Panik schoss ihm zu Kopf, ließ ihn wahrnehmen und stachelte die Kämpfernatur in seiner Seele an. „Du wolltest, dass ich dir folge, nicht wahr? Du hast mich hierher geführt!“, rief Link in die Düsternis, aber auch diesmal erfolgte keine Antwort. Er hastete vorwärts, trat durch kniehohes Gras zu dem Ende des Weges, dort, wo das Kind noch gerade eben gestanden hatte, aber sie war nicht zu erreichen. Sie spielte Katz und Maus mit ihm, vielleicht um ihn tatsächlich herauszufordern. Link lehnte sich mit dem Rücken an einen Laubbaum, hielt seine Sinne bereit für einen möglichen Angriff, aber kein Angriff kam. Es blieb ruhig in den Wäldern, verträumt und märchenhaft, bis er einmal mehr einen reinen, faszinierenden Gesang vernehmen konnte. Er fühlte sich wie damals, als er Zelda in den Wäldern gefunden hatte, und auch das Gefühl mit einer Gefahr konfrontiert zu werden, verschwand. War es vielleicht gar nicht Molly, die hier auf ihn lauerte? Er orientierte sich weiter, blickte mit seinen scharfen Augen, die sich der Dunkelheit anpassten umher und sah von weitem kleine Lichter funkeln, die ihn beinahe magisch anzogen. Zögerlich verstaute er den Dolch wieder unter seinem Hosenbein, wusste, er würde ihn nicht mehr benötigen, denn die Lichter, die in der Ferne funkelten, erweckten Wärme, Sanftmut und Freude. Mit einem leichten Lächeln trat er weiter, wühlte sich durch Sträucher und an Hecken vorbei und erreichte eine Quelle, die in den seltensten Träumen Platz fand. Es war ein Ort der Magie, ein Ort, wo gelebte Schicksale ihre Vollkommenheit fanden und wo Wesen tanzten, die sich im Glück badeten. Wie hypnotisiert schlich der einsame Wanderer durch die finstere Nacht, strich einige Sträucher beiseite, und als er seine Augen schloss um sie wieder zu öffnen, konnte er kaum glauben, kaum fassen, was er sah. Er fühlte sich wie in einem angenehmen Traum, in einer Zuflucht und vielleicht das erste Mal wirklich Zuhause… Vor ihm lag ein kleiner See, ein Teich, der doch wie ein großes Auffangbecken kristallklares Wasser sammelte, und am Rande dieses großen Beckens, waren drei Statuen mit menschlicher Gestalt angebracht, die mit liebevollen Händen gemeißelt worden waren. Von Händen, die mit einer faszinierenden Kunst Abbilder von Feen und Engeln geschaffen hatten. Und aus den Händen jener lebensgroßen Statuen plätscherte das Wasser. Aber was seine Augen so verwunderte, was er mit seinen Blicken kaum einfangen konnte, waren Lichtkugeln, die wie Glühwürmer leuchteten. Mit geschmeidigen Bewegungen tanzten Wesen voller Magie und Heiligkeit auf der Wasseroberfläche, zischten leise und lebten für den Augenblick einer unsterblichen Geschichte. Link sackte auf die Knie vor Verzauberung, führte beide Hände an seine Lippen und war berauscht, war umschmeichelt von einer alten Wahrheit, jener, dass es ausreichte an Wunder zu glauben, dass es sich lohnte den Funken eines ruhenden Wissens, das in jeder Seele schlummerte, am Leben zu halten. Denn dort, wo seine tiefblauen Augen begannen zu verstehen und begannen zu glauben, wandelten Geschöpfe der Windmagie in den Lüften. Feen tanzten hier, erfüllten den Ort mit Lebendigkeit, spielten mit den Zweigen und Ästen, brachten das kristallene Wasser zum Funkeln. Link wollte etwas sagen, er wollte sein Erstaunen ausdrücken und doch traute er sich nicht seine Stimme zu erheben, hier wo Feen summten, wo die Welt noch rein und wunderschön war, hier, wo ein Geheimnis war, das beschützt werden sollte. Mit der Stimme der Hoffnung in seinem Herzen ließ er sich einnehmen von dem alten Reigen, einer Symphonie von Tausend Wünschen. Die Feen tanzten gemeinsam. Feen in Kleidern aus geflochtenen Gräsern, Gewändern aus gewebtem Blut und Umhängen aus Silberstaub. Einige saßen kichernd auf den Statuen aus glattem Gestein. Einige sprangen wie Grashüpfer über die funkelnde Wasseroberfläche… aber ganz gleich, was sie auch taten, ihnen allen gemein war eine überschäumende, fühlbare Herzlichkeit und Lebensfreude… Als er seine Hand ausstreckte nach jener alten Wärme, nach diesem Gefühl Teil von etwas Großartigem zu sein, kicherten die Feen erneut, lächelten ihm zu und verpufften schließlich klirrend, als war ihre Aufgabe erfüllt. Der Ort wurde leer und ruhig, die Wälder schwiegen; und das Märchen aus einer anderen Welt war nun nicht mehr als eine Erinnerung in der Seele eines Kämpfers ohnegleichen. Ungläubig hockte der junge Heroe auf der Wiese vor jener Quelle, wo nun keine Lichter mehr funkelten. Aber die Magie war nicht verloren, sie war nicht vergessen. Sie war wunderschön und erhaben über alle, die Wunder verleugneten. Link hatte Tränen in den Augen, weil er mit der Begegnung von etwas so Sanften und Reinen einen großen Teil seines Mutes zurückgewinnen konnte. Er war verzaubert… Er erhob sich lächelnd, blickte noch einmal in die Dunkelheit, als er am anderen Ufer des kleinen Teiches einmal mehr ein junges Mädchen erblickten konnte. Aber nun konnte er sie deutlich erkennen, konnte spüren, dass sie keinesfalls das irische Kind Molly war, das auf grausame Weise die eigene Familie getötet hatte. Sie war vertraut, leicht dicklich, aber ein süßes Mädchen mit blonden Zöpfen und Augen, die wie giftige Smaragde durch die Nacht stachen. „Du hast mich hierher geführt… du bist…“, murmelte Link und trat so schnell er konnte durch die eher flache Wasserstelle in ihre Richtung. Seine Hose war bis zu den Knien durchgeweicht, als er sie erreichte und das Kind nun keinesfalls mehr weglief. Erwartend funkelte sie ihn an. „Du bist das Mädchen, das mich besucht hat…“, sprach er und nahm gerade jetzt, da der Zauber endete, auch wieder seine schmerzende Schulter wahr. „Warum hast du mich hierher geführt?“ Er konnte im Licht des Mondes das hinterhältige Grinsen in ihrem von Sommersprossen übersäten Gesicht erkennen und daraus sprach Verzückung und Genugtuung. „Natürlich war ich das. Ohne mich hättest du diesen Ort kaum gefunden.“ Sie kicherte genauso einprägend und herzlich wie die Feen. „Und es hatte einen Grund… nämlich den, deine Augen wieder für das zu öffnen, woran die glauben musst.“ „Ich verstehe nicht…“, entgegnete er und atmete tief durch. „Komm‘ mit mir und ich erkläre es dir.“ Sie reichte ihm eine kindliche Hand, die er ohne zu zögern annahm. Er wusste, er konnte ihr vertrauen, hatte sie ihm schon so oft bewiesen, dass sie auf seiner Seite stand. Er lauschte ihrer Kinderstimme und ließ sich durch die Wälder zurück zu dem Camp führen. Galant folgte sie einem selbsterdachten Pfad, als schwebte sie durch die sternenklare Nacht. Sie lachte. „Du dachtest wahrlich, du müsstest mich mit deinem tollen Dolch angreifen, was?“ „Es war etwas unglücklich mich in der Nacht aufzusuchen, wenn man bedenkt, dass in dieser Gegend ein psychopatisches Kind herum läuft“, erklärte er und ließ sich von der Kleinen Lady weiter führen. „Wie kommt es, dass du nun in Irland bist? Überhaupt… ich verstehe bis jetzt nicht, warum du mir hilfst, wer du bist und was dein Ziel ist…“ Link zwang sie beide zum Stehen, ahnend, sie würde dieser Frage ausweichen. „Das sind ein paar Fragen zu viel für den Anfang, Linky“, lachte sie. „Ich würde sagen, wir fangen mit ein paar kleinen Fischen an. Wir werden uns noch öfter begegnen und dann wird das alles klarer für dich werden.“ „Das klingt spannend“, entgegnete er und verdrehte die Augen. „Wie wäre es, dass du mir endlich sagst, wie du heißt?“ „Das sagte ich bereits“, sprach sie und zerrte den erwachsenen Mann weiter des Weges. Es sah irritierend aus, dass sich ein Jugendlicher wie Link von einem vielleicht sechs Jahre alten Kind durch den Wald zerren ließ… „Du hast gesagt, du hättest keinen Namen in dieser Welt. Bedeutet das, du hast einen Namen aus einer anderen Welt?“ „So in etwa, ja“, maulte sie. „Echt mal, du bist wirklich ein hartnäckiger Brocken und mit nichts zufrieden zu stellen. Kannst du nicht einfach mal froh sein, dass ich dir geholfen habe?“ „Ähm…“ Er kratzte sich im Gesicht. „Und etwas Dankbarkeit zeigen dafür, dass ich dir gezeigt habe, dass Feen sehr wohl noch existieren?“ Sie hielt ihm einen kleinen Zeigefinger in Richtung Nase. „Nun…“ „Du hättest nämlich bald deinen Glauben an das Gute hinterfragt, wenn das mit deinen Grübeleien so weiter gegangen wäre.“ Sprachlos trottete Link erneut auf der Stelle und senkte den Blick zu Boden. Wo sie Recht hatte, hatte sie Recht… Er war in den letzten Tagen unheimlich durcheinander gewesen, und hatte erst jetzt das Ausmaß von Zeldas Erscheinen verstanden. Sein ganzes Weltbild hatte sich verändert. „Du hast die Geschichten von Unheil und Verdammnis erlebt… Ich weiß, dass es schwer für dich ist zu begreifen, was auf der Erde geschieht. Und ich weiß, was du wissen willst, Linky. Du fragst dich, ob dein Gespür, dass auf dieser Welt etwas Katastrophales geschieht, richtig ist…“ „Und ist es das?“ Sie konnte seine tiefblauen Augen leuchten sehen, in einem starken Glanz seines stählernen Willens. Vielleicht hätte er seinen Glauben nicht verloren, aber sie war sich sicher, dass ihm die Feenbegegnung gut getan hatte. „Es tut mir leid, aber ja… die Wölfe waren nur ein Witz im Gegensatz zu dem, was noch kommen wird…“ Link seufzte und ihre Worte schienen ihm bitter aufzustoßen. „Wie schlimm wird es werden?“, murmelte er. „Das weiß ich nicht, Linky, ich kenne die Zukunft nicht, ich kenne bloß die Vergangenheit.“ „Du hast etwas mit Hyrule zu tun, nicht wahr?“ Sie kicherte, tanzte um ihn herum und stupste ihn vorwärts. „Natürlich habe ich etwas mit Hyrule zu tun, alle, die dir begegnen, haben etwas mit Hyrule zu tun, nur manche von diesen Leuten hast du vielleicht nicht einmal in deinem früheren Leben kennengelernt.“ Daraufhin drehte er sich um seine Achse, kniete nieder und packte das Mädchen schroff an den Schultern. „Wenn du die Vergangenheit kennst, kannst du mir dann erzählen, wann ich in Hyrule gelebt habe? Wer war ich und welcher Held!“ Da war so viel Aufrichtigkeit in seinen Augen, dass jene durch die Nacht zu schimmern schien. „Linky…“, murmelte sie anteilnehmend. „Bei Titania, der Feenkönigin, ich wünschte, ich wüsste das.“ Sie legte ihm beide Kinderhände auf die Wangen. „Ich weiß nicht, in welcher Zeit und Welt deine letzte Reinkarnation geschah, aber seh‘ es doch einmal so… es spielt keine Rolle, wer du früher warst. Wir sollen reifen, uns entwickeln in den verschiedenen Leben, deshalb kann nur das Leben, was du gerade führst Früchte tragen. Es macht nichts, wer du früher warst. Wichtig ist, wer du jetzt bist.“ Er lächelte, so viel konnte sie in der Düsternis erkennen. „Das ist einfach stark, weißt du. Ich unterhalte mich mit einem kleinen Mädchen, das erwachsener ist als so manche alten Herrschaften auf dieser Welt.“ Er machte eine kleine Pause und setzte hinzu. „Du bist eigentlich gar kein Kind, habe ich Recht?“ Sie kicherte erneut und zog ihn weiter des Weges. „Die Antwort überlass‘ ich dir.“ Er entgegnete nichts und ließ sich weiter des Weges führen. Nach wenigen Minuten ließen die beiden Wanderer die Wälder hinter sich und vielleicht war jene versteckte Metapher ein Bild für ganz lang vergessene Geschehnisse. Nachdenklich ließ Link seine tiefblauen Augen über die weiten Ebenen des unberührten Landes schwenken, wie als entdeckte er die Welt neu. „Weißt du, Linky, ich kannte einst einen Jungen, der die Welt veränderte…“ Sie riss sich von seiner Hand los und tänzelte über das Gestein, ließ in ihrem Wandeln Lebenslust erkennen. „Es war in einer anderen Welt, wo das Böse die Welt verseuchte mit dunklen Energien, die niedere Geschöpfe erschufen und auch gute Wesen befielen. Es war eine grausame Zeit, aber dieser Junge hat sich niemals brechen lassen, niemals aufgegeben. Und auch du solltest dir deinen Willen bewahren. Füttere ihn, deinen Willen!“ Sie grinste deutlich und ihr Lächeln war entzückend, hier wo das Licht des Mondes hell glühte. „Aber hatte denn dieser Junge, von dem du sprichst, niemals Momente, wo ihm danach war alles hinter sich zu lassen und aufzugeben?“ „Natürlich hatte er diese… jeder hat diese… und es wäre nicht richtig, wenn er diese nicht hätte. Zweifel gehören zu einem großen Schicksal dazu.“ „Auch du hast Zweifel, obwohl du wirkst wie ein Kind, das einen wohltuenden Sinn im Weltengeschehen finden konnte?“ Sie stoppte ihren Tanz und kam vor Links Antlitz zum Stehen. Ihre grünen Augen schimmerten im Licht des hellen Mondscheins. „Wer wären wir ohne Zweifel, ich habe Zweifel gehabt, Schuldgefühle ausgestanden wegen damals… und manche Schuldgefühle kochen noch immer hoch. Weißt du, ich habe meinen besten Freund einfach so verlassen, nachdem er die Hölle durchgemacht hatte. Alles nur, weil höhere Instanzen es so wollten. Ich hätte mich wehren sollen, so wie auch andere sich aufgelehnt haben gegen die Ungerechtigkeit.“ „Aber du hilfst mir… Ist das nicht Zeichen genug, dass du dich nicht allem beugst, was andere Instanzen fordern? Du hast mir geholfen, Zelda zu retten… nicht nur einmal.“ Link erinnerte sich mit einem drückenden Gefühl auf der Brust an den Seelenfänger oder auch an die Nacht, wo Zelda von einem falschen Abbild bedroht wurde. Zu jenem Zeitpunkt war es dieses Mädchen, das ihm aufgetragen hatte nach der Prinzessin zu schauen. „Warum hast du mir geholfen sie zu retten?“ „Weil ich weiß, dass du nicht ohne sie leben kannst“, lachte sie. „Und sie nicht ohne dich. Wie ich bereits sagte, ihr beide seid Seelenverwandte seit Tausenden von Jahren, und ich bewundere dies. Wer möchte nicht eine Seelenverwandtschaft haben, die Ketten der Zeit sprengt, die sich anfühlt wie eine Heimat, beständiger und großartiger als alles andere auf der Welt?“ „Das ist unglaublich schön… ich meine, so wie du das formuliert hast“, murmelte er und schloss lächelnd die Augen. Und es war noch weitaus mehr, was das Mädchen mit ihren Worten verbildlichte. Seit Zelda in seinem Leben war, fühlte er sich endlich vollwertig… „Ich bin eben gut mit Worten“, neckte sie. „Nicht nur das, was?“, lachte Link. „Du weißt unglaublich viel, oder? Du hast mir zum Beispiel geholfen meine Schwertechnik zu finden.“ „Das ist das mindeste, was ich tun kann. Und ich konnte dir zeigen, dass es auf dieser Welt neben den grauenvollen Dingen auch Schönheiten gibt, an die Menschen glauben müssen. Der Glaube erhebt Feen aus der Phantasie, sie können leben, genauso wie die Hoffnung an das Gute…“ Der Heroe nickte, hatte verstanden, was das Mädchen mit den wissenden grünen, Augen ihm auf den Weg mitgeben wollte. Er hatte verstanden, was er tun musste. „Danke, dass ich sowas wie einen Schutzengel habe…“ „Jetzt werd‘ nicht sentimental“, sprach sie und ihre Augen schienen leicht zu schimmern. Sie hatte Tränen in den Augen, vielleicht weil Link ihr wichtiger war als sie zugeben wollte. Er kniete nieder und hatte beinah den Wunsch das Kind zu umarmen. Aus irgendeinem Grund spürte er gerade jetzt eine tiefe Verbundenheit dem Mädchen gegenüber, die er nicht erklären konnte. Da war eine innige Freundschaft, eine Zuneigung, die resultierte aus Vertrauen, das blindlings bis in den Tod führen konnte. Aber diese Zuneigung war anders als Zelda gegenüber. „Danke trotzdem…“, sprach Link und lächelte. „Kein Thema“, entgegnete sie. „Ich muss dann weiter, Linky.“ „Mehr Antworten erhalte ich jetzt noch nicht, huch?“ „Nein, vorerst reicht es.“ Sie hielt ihm ihre Kinderhände hin, die er kurz drückte, bis sie einige Schritte nach hinten trat. Und es waren Sekundenbruchteile später, dass sie umgeben von silbernen Splittern umrahmt wurde. „Bis demnächst, mein Freund“, flüsterte sie und die silbernen Splitter tanzten in den Lüften, bis sie sich mit dem gleißenden Licht des Mondes vermischten… Mit einem leichten Grinsen erreichte Link das Camp, steuerte den Bungalow an, in dem er seine Ferien verbrachte. Er führte gerade seinen Schlüssel in das Schloss der himmelblau gemalten Tür, als ihn jemand mit einer kühlen Hand auf die Schulter tippte. In Sekundenschnelle wirbelte der Heroe herum, drückte eine fremde Gestalt drohend an die Haustür, sodass es herb polterte, und setzte jener Person flink und galant ein Kampfmesser an die Kehle. Die fremde Person war nicht in der Lage so schnell zu reagieren, starrte den jungen Helden dann mit einem unterdrückten Schrei in einem langen Mädchengesicht in die Augen. Sie begann zu wimmern, zitterte unter Links Zugriff, bis er sich die Person betrachtete und ahnte, dass es sich hier keinesfalls um einen Feind handelte. Es war eine außergewöhnlich große Dame, beinahe dürr, mit kurzem, blondem Haarschnitt. Sie musterte Link mit Entsetzen in ihren geweiteten, grauen Augen, bis sie anfing zu winseln. Dann endlich brach ein lautes Mädchengeschrei die nächtliche Stille. Und innerhalb von Sekundenbruchteilen ging in dem Bungalow die Deckenbeleuchtung an. „Bitte… bitte…“, wimmerte sie. „Lass‘ mich los… bitte…“ Augenblicklich trat Link einen Schritt zurück und ließ den Dolch in seiner Hand sinken. Auch er war nun entsetzt, realisierte, dass er mit den Ereignissen in der letzten Zeit oft überreagierte. Er musste nicht alle in seinem Umfeld für Feinde halten… Und dieses Mädchen wirkte alles andere als gefährlich, sprach sogar seine Sprache. Aber was wollte sie? „Was bist du für ein verrückter Kerl, mich gleich anzugreifen!“, sprach sie ängstlich und wich noch einen Schritt zurück. „Was schleichst du dich auch an mich heran!“, rechtfertigte sich Link. In dem Moment platzte ein genervter Patrick van der Hohen in Schlafanzughose aus dem Bungalow, rieb sich den Schlafsand aus den Augen und begaffte die Dame als käme sie vom Mars. Er sah geknickt und unheimlich enttäuscht drein. „Das darf jawohl nicht wahr sein…“, seufzte er. „Hallo Patrick“, murmelte die fremde Dame benommen und blickte noch einmal ängstlich in Links erschöpftes Gesicht. Patrick jedoch bekam sein Mundwerk schon gar nicht mehr zu, trat neben Link und starrte das Mädchen an, das in etwa in Link und Patricks Alter hatte. „Patrizia, was willst du denn hier?“, fauchte er. „Mach’ dich vom Acker, ich brauche keine Stalkerin in dieser Bude.“ Sofort war Link klar, was vor sich ging. Er hob seine Augenbrauen und seine leichten Skrupel, dass er sie angegriffen hatte, verschwanden. Dieses ausgefuchste Mädchen war die Stalkerin, von der Pat gesprochen hatte und sie hatte es doch tatsächlich geschafft, das Camp ausfindig zu machen und den heißblütigen Zeldafan, der eigentlich auf der Flucht vor ihr war, einen Besuch abzustatten. „Ich wollte bloß Hallo sagen, Patrick-Schatz“, sprach sie. „Und das um diese Uhrzeit?“, sprach jener entrüstet. „Merkst du eigentlich, dass das Psychoterror ist, was du hier treibst? Du reist mir hinterher, spionierst mich aus!“ Sie hob einen Zeigefinger und unterbrach ihn. „Stopp! Ich habe einen Onkel hier in der Nähe und zwei Cousinen, die mich freundlicherweise eingeladen haben. Es ist schlichtweg nur Zufall, dass das Camp von Leon Johnson in der Nachbarschaft liegt!“ Sie schien sich mit aller Mühe zu verteidigen. „Das erklärt noch lange nicht, wie du auf die Idee kommst nach Mitternacht hier herum zu schleichen!“ „Ich bin vor einer Stunde erst angekommen, ich habe die Spätfähre genommen!“ „Gott, du bist echt nicht verlegen dir Ausreden auszudenken!“ Der van der Hohen blickte hilflos wirkend in Links Richtung. „Das ist die Stalkerin von der ich dir erzählt habe…“, sprach er an den Helden gerichtet. „Hab‘ ich nicht gesagt, dass sie total irre im Kopf ist!“ Neben dem rasenden Ärger war aber auch Traurigkeit in Patricks Gesichtszügen abzulesen. „Ich bin keine Stalkerin, Patrick! Bitte, ich konnte das alles nicht so stehen lassen… Ich musste dir hinterher reisen, bitte rede mit mir…“, sprach sie bittend. „Schön, ich überleg‘ es mir, aber gewiss nicht um diese Uhrzeit! Verschwinde… es ist spät“, maulte er. Der Zeldafan schien sehr verletzt worden zu sein, wenn er ihr nicht einmal eine Chance geben wollte. Fluchend und grummelnd ging er zurück ins Haus und schlug die Tür hinter sich zu. Patrizia zog die Nase nach oben und brachte ein weiteres Winseln über ihre Lippen. Sie schluchzte leise, sah Link desinteressiert in seine tiefblauen Augen und trat in schnellen Schritten in Richtung der wenigen Häusergruppen, die nahe des Camps standen. ,Da musste einiges schief gelaufen sein‘, dachte der junge Heroe. Auch er hatte Freunde, vor allem aus seiner Zeit im Kinderheim, von denen er nichts mehr gehört hatte, aber bisher hatte er sich mit seinen Freunden immer aussprechen können, bis auf die schwierige Auseinandersetzung mit Zelda, die er lange Zeit nicht lösen konnte. Und nur deshalb, weil sie es nicht zuließ. Ob es bei seinem neuen Freund Patrick van der Hohen ähnlich war? Vielleicht musste er es zulassen mit seiner angeblichen Stalkerin zu reden? Link hatte beinahe das Gefühl, dass diese Patrizia unter der zerbrochenen Freundschaft litt… und sie litt bitterlich… Als der einstige Held den anstrengenden Tag endlich ausklingen ließ, er sich selbst ins Schlafzimmer begab und in diesem Tommy weinerlich schnarchen hörte, sah er Pat van der Hohen hellwach auf seinem Bett sitzen. Und vielleicht sah der junge Held nach dem Gespräch mit seinem kleinen Schutzengel die Menschen um sich herum mit ganz anderen Augen. Patrick hockte auf seinem Bett in einer traurigen Haltung, schien so deprimiert und geknickt, ein Bekenntnis über Gefühle, das Link jenem neunmalklugen Zeldafan nicht zugetraut hatte. War es das, was das Mädchen bei den Feen ihm verdeutlichen wollte? Dass auch Zweifel ihre Berechtigung hatten und Gefühle des Verrats und der Trauer durchaus sinnvoll waren und ihn weiterbringen konnten? „Hey, Link“, murmelte Patrick in der Dunkelheit des Zimmers. „Wurdest du schon einmal von jemandem enttäuscht, den du wie nichts anderes in der Welt gebraucht hast?“ Link begab sich seufzend zu seinem Bett und ließ sich hundemüde in die frischen, weichen Laken sinken. Pats Frage stimmte ihn nachdenklich. „Ja, sicherlich“, meinte er. „Und konntest du diesem Menschen verzeihen?“ Er kuschelte sich unter die Zudecke, genoss es endlich träge und entspannt zu werden nach dem Kampf und der Begegnung mit den Feen Irlands. „In meinem Fall… war es schlichtweg notwendig, dass ich ihr verziehen habe. Ich hab‘ nie darüber nachgedacht, es nicht zu tun… und wenn ich so darüber nachdenke, hätte ich es nicht ertragen sie zu verurteilen oder wegen einem dummen Streit nicht mehr zu sehen…“, murmelte er. Er hätte es niemals übers Herz gebracht mit seiner Prinzessin zu brechen, obwohl sie jede Menge Fehler gemacht hatte. „Ich bin echt baff, wie du das für dich entschieden hast“, flüsterte Patrick. „Hast du ihr denn nach dieser Verletzung überhaupt noch vertrauen können? Vielleicht kommt es auch auf die Art des Streits an.“ „Ja, vielleicht…“, hauchte der Held über seine Lippen, „Und ich vertraue ihr nach wie vor…“ „Sie ist aber nicht deine große Liebe, oder?“, murmelte Patrick erheitert. „Nein, sie ist wohl sowas wie meine beste Freundin, schätze ich.“ Und das würde auch so bleiben, setzte er in Gedanken hinzu. „Gott, ich wünschte, ich könnte Patrizia für den Mist verzeihen, den sie verbockt hat…“, flüsterte er und klopfte sein Kissen zu recht. „Da ist einiges schief gelaufen… schätze ich.“ „Nicht von meiner Seite, Patrizia hat einige üble Dinge angestellt… Mir war sie immer wichtig, seit Kindheitstragen… Sie stammte aus der Nachbarschaft und war immer meine beste Freundin, bis sich alles verändert hat…“ „Was hat sie angestellt?“ „Naja… Sie hat sich ausprobieren müssen, sich neue Freunde gesucht, bis ich nebensächlich wurde… Es ging soweit, dass sie mich gegen andere von meinen Freunden ausgespielt hat. Ich weiß bis jetzt nicht, warum das alles sein musste. Sie hat es nie erklärt, hat absurde Versuche unternommen unsere Freundschaft zu retten, bis sie mir hinterher spioniert hat. Das ganze gipfelte darin, dass sie sich in mein Zimmer geschlichen hat, meine Schränke durchwühlte, meiner Familie Lügen aufgetischt hat…“ „Das ist echt daneben…“, entschied Link und gähnte. „Vielleicht habe auch ich in mancher Hinsicht Mist gebaut“, murmelte der Zeldafan. „Ich war wohl oft etwas… eifersüchtig.“ Betreten zog er sich sein Kissen vor das Gesicht. „Daher weht der Wind, was? Du warst verliebt in sie?“ „Gott, es war… argh, ich weiß es nicht.“ Eine Pause entstand, in der Link, während er langsam in den Schlaf driftete, begann darüber nachzudenken, was wohl wäre, sollte sich Zelda plötzlich in jemanden verlieben. Der Gedanke fühlte sich irgendwie grässlich und furchtbar an. Allein die Vorstellung, dass da jemand war, der das Bett mit seiner Prinzessin teilen würde, ließ ein neues Gefühl in ihm hochkochen. Ein fremdes, eigenartiges Gefühl, bitter und betäubend. Wenn es so käme, dann musste er sich heraushalten, das war klar für ihn. Aber aus irgendeinem Grund wollte er sich das nicht vorstellen. Zelda durfte sich nicht verlieben! Es gab niemandem, dem sie so vertrauen konnte wie ihm! Murrend öffnete der junge Heroe seine Augen wieder und schüttelte den Kopf. „Wie auch immer“, flüsterte er. „Du solltest ein Gespräch mit ihr zulassen, egal, was dann dabei herauskommt.“ „Ja, da hast du vermutlich Recht…“, entgegnete der Zeldafan. „Beim lieben Gott im Himmel, ich denke, es ist endlich Zeit einzuschlafen. Was für ein aufregender Tag.“ Auch Link ließ dann endlich die Augen zufallen, murmelte ein verschlucktes ,Gute Nacht‘ über seine Lippen und schlief mit einer letzten Hoffnung ein. ,Vielleicht träume ich ja heute von Zelda‘, hoffte er im Halbschlaf, lächelte und driftete in seine eigene Märchenwelt, einen Ort, den nur er erschaffen hatte und wo alles das, was in der Realität wartete, nicht hinfand… Kapitel 28: „Hylianisches Blut“ ------------------------------- Am frühen Morgen hingen graue, hässliche Wolkenfetzen über der gemütlichen Jugendherberge, erinnerten mit einem spöttischen Wind an die Ereignisse des Vortages. Ein ächzendes Getöse dröhnte über den Parkplatz vor den Bungalows, als der gelbe, verbeulte PKW von Kevin McMayor auf einen Abschleppwagen geschoben wurde. Mit verschränkten Armen lehnte Link an der schmutzigen Hauswand und ließ seinen Blick zu den wenigen Personen schweifen, die an dem Wagen herum werkten. Es waren größtenteils Freunde und Kumpels von Kevin, aber auch Sian Johnson, der eigenartige, junge Kerl, die geholfen hatten den Wagen zu bewegen. Als die Arbeit getan war, winkte Kevin dem jungen Helden kurz zu, verabschiedete sich mit Gesten, worauf der grünbemützte Jugendliche nickte. Als der Wagen in Richtung des kühlen, fleckigen Sonnenaufgangs die Anlage von Leon Johnson verließ, blickte der Heroe mit einem Seufzen hinterher. Es erschien ihm, als waren die Menschen in seiner Umgebung hilflos ausgeliefert, versuchten das zu retten und geradezubiegen, was möglich war, aber mehr konnten die meisten nicht leisten. Kevin konnte nicht kämpfen, sich dem Bösen stellen, genauso wenig wie Links Mitbewohner Patrick und Tommy. Alle hatten sie furchtbar geschlafen und die Themen von gestern nagten an ihnen… ,Kein Wort bezüglich des gestrigen Abends war gefallen und das war gut so‘, entschied Link. Freudlos kaute er auf einem Kaugummi herum, schloss die tiefblauen Augen sinnierend und als er jene wieder öffnete, trat plötzlich Sian Johnson, der merkwürdige Sohn des Campinhabers, vor ihm, so nah, dass Link automatisch zurückwich und sich den Hinterkopf an der Mauer anschlug. „Argh… bist du noch ganz knusper, verdammt!“, murrte der Heroe und rieb sich tölpelhaft seinen Hinterkopf, zog dabei das Basecape herunter und richtete seine Frisur. Gelassen grinsend trat der rotäugige Bursche vor Link und sah ihn mit seinen geheimnisvollen Seelenspiegeln an. Es war wie, als flackerte ein altes Feuer in seinen Augen, brannte sich durch alle Festungen einer Seele, wie ein Spion wanderte das Gespür in Sian Johnsons Blicken tief hinein in das Herz seines Betrachters. „Du hast es erlebt, nicht wahr?“ Link zwinkerte und verlor sich beinahe in dem rötlichen Leuchten von Sians Augenfarbe. Er öffnete seinen Mund einen schmalen Spalt, nicht sicher, was er darauf erwidern sollte. „Du hast die Verseuchung der Dunkelheit erfahren…“, sprach Sian leise. Seine Stimme bekam Risse, als fürchtete er sich, obwohl Link sich nicht vorstellen konnte, wovor dieser bewegliche und kämpferische Bursche Angst haben musste. „Was meinst du damit?“ Seufzend richtete der Irländer seinen Blick in Richtung des grauen Himmels. „Manchmal sind es Schatten der Nacht, manchmal ein Unheil, das in den Wäldern haust und wenn es niemand erwartet, werden es Menschen sein…“ „Hör‘ auf diesen Mist zu reden und sag‘ mir, was du überhaupt von mir willst!“ Streitsüchtig trat Link vor den jungen Mann und war nur wenige Zentimeter von diesen mysteriösen Augen entfernt. „Du hast gesagt, du wüsstest etwas, hast gesagt, du wüsstest über Zelda und mich Bescheid und nennst dich einen Beobachter. Weißt du etwas über die seltsamen Geschehnisse in Irland?“ „Ich kann es sehen und ertragen…“, murmelte der Jugendliche, wich zurück und steckte die Hände in die Hosentaschen. „Als einer der wenigen kann ich es erkennen…“ Er drehte Link seine Rückseite zu und starrte zu Boden. „Heute fährt ein Bus nach Killarney … Wenn du Antworten willst, nimm‘ diesen Bus.“ Und damit ließ er Link in einem unguten Gefühl zurück. Gegen Mittag ging der Bus, den Link ohne zu zögern nehmen wollte. Killarney war die nächstgrößere Stadt und eine Möglichkeit für Link Reisesouvenirs zu finden. Wenn er also nebenbei Antworten erhalten könnte, würde er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Mit einem Rucksack auf dem Rücken wartete Link auf den roten Bus, den er von Weitem erkennen konnte. Mit gemächlicher Geschwindigkeit bewegte sich jener rote Fleck über die Straßen zwischen den grünen Hügeln. In dem Moment hasteten Patrick und Tommy aus dem Bungalow, knallten die Tür zu und hüpften eiligst an die Bushaltestelle. „Wir fahren mit!“, rief Patrick, während Tommy wie eine Klette an ihm hing. Der grünbemützte Jugendliche seufzte und konnte seinen Mitbewohnern ihr Vorhaben schließlich nicht ausreden, obwohl er sich gewünscht hätte alleine zu fahren. „Hey, Link“, meinte der blonde, lange Kerl und wirkte verändert seit gestern Abend. Link wusste nicht, ob es daran lag, dass er die Ereignisse von gestern verdrängte, oder ob das Erscheinen seines Stalkerin schlimmer war als die grusligen Geschichten über die Wölfe. „Hi, ihr wollt auch nach Killarney fahren?“ „Jap, wir wollen uns die Stadt anschauen, vielleicht was einkaufen.“ „Ja, ich eventuell auch…“, murmelte Link halbherzig. Er hatte andere Ziele, sicherlich. Gerade da fuhr der Bus vor und Link ließ sich im hinteren Bereich auf einen Platz sinken, fläzte sich gelassen in den Sitz und lehnte den blonden Kopf gegen die Fensterscheibe. Er stopfte sich gräuliche Kopfhörer in seine Ohren und starrte trübsinnig in das Blau des Himmels. Pat hatte ihm letztens einen Zelda- Soundtrack ausgeliehen, Klänge aus einem fernen Abenteuer und Melodien von dem Anbeginn Hyrules, wo einst die Ballade der Göttin erklungen war. Die Augen schließend versuchte Link sich gehen zu lassen, wollte entführt werden von beruhigenden Harfe- und Okarinaklängen, von einem Orchester, das die Welten verband… Zelda spukte wieder durch seine Gehirnwindungen und half ihm zurück zu einem kleinen, echten Grinsen. Ihre Augen leuchteten mit diesem geheimen Licht, das er noch immer nicht fassen konnte. Ihre himmelblauen Augen, belegt von einem schwachen Schatten wie eine graue Wolke vor einem sonnigen Gemüt. Sein Herz machte einen Aussetzer, ein kleiner Stich, der ihm etwas verraten wollte über das, was er vergaß. Beinahe qualvoll drängten sich die Bilder der Prinzessin in seinen Gedanken auf, riefen ihn mit stillen Blicken aus wunderschönen, saphirblauen Augen, bis er den Kopf schüttelte, die Kopfhörer aus den Ohren zog und sich die Augen rieb. ,Das war allmählich nicht mehr normal‘, schimpfte er in Gedanken. Er sehnte sich beinahe wahnsinnig nach ihr, sehnte sich nach ihrer Nähe, nach ihrer Stimme. Nur eine Schifffahrt und eine kleine Reise mit dem Zug trennten ihn von ihr. Was war das im Vergleich zu Zeldas Aufenthalt in einer anderen Welt? Sein Blick wanderte dann perplex zu einer weiteren Gestalt, die in den Bus einstieg. Sian Johnson, der merkwürdige Typ mit den roten Augen, trat mit leicht gebückter Haltung und seinem rätselhaften Grinsen vor ihn und fragte, ob der Platz neben ihm noch frei war. Link bejahte, wollte er doch schließlich Antworten, die Sian Johnson, ihm vielleicht geben konnte. Verdutzt spürte Link erneut einen Stich in seinem Herzen, machte ihn nervös und unsicher, während es sich der aschblonde Irländer auf dem Platz neben ihm bequem machte. Eine eigenartige Stimmung lag in der Luft, machte das Schweigen der beiden Kerle unerträglich. Dann startete der Busfahrer den Motor und sie fuhren aus dem Camp heraus. Die Straße war holprig und die Busfahrt nichts für schlichte Gemüter. Mit einem raschen Tempo lenkte der Fahrer den alten Bus durch enge Straßen, die nicht für derartige Fahrzeuge konstruiert worden waren, fuhr nah an der steilen, felsigen Meeresküste entlang, wo keine Absperrung angebracht war. Link wusste nicht, ob der Wolfangriff oder diese Fahrt schlimmer waren… Ab und an wanderten die tiefblauen Augen des Helden neugierig zu seinem Platznachbarn, ab und an starrte Sian mit seinen mysteriösen Augen zurück. Als Link sich auf die Lippe biss, sich nervös durch das dunkelblonde, wilde Haar strich, bemerkte der Irländer, wie schwer es dem Helden fiel ihn anzusprechen, zu sagen, was gesagt werden musste. Krampfhaft schien Link zu überlegen, wie er Sian in ein Gespräch verwickeln konnte, grübelte zwanghaft, wie er beginnen sollte. „Wie gefällt es dir eigentlich im schönen Irland, Link“, fragte Sian dann und riss den Siebzehnjährigen aus seinen Grübeleien. Dankbar musterte der Heroe den durchtrainierten Schönling neben sich. „Sehr gut“, murmelte er. „Also… eigentlich ist das nicht ganz richtig.“ Sian beäugte ihn argwöhnisch. „Eigentlich… gefällt es den meisten Menschen in Irland recht gut… aber das muss nicht auf dich zutreffen.“ Link seufzte und an seinem Ton konnte man deutlich hören, wie unzufrieden er mit dieser Bemerkung war. „Jetzt hör‘ mal, Sian…“, begann er und fand es seltsam den Namen des Burschen auszusprechen. „Du hast mir Antworten versprochen, bitte rede nicht um den heißen Brei.“ Ein weiteres Mal durchbohrte Link mit seinen tiefblauen Augen die des Irländers. „Dann sag‘ mir, was du wissen willst“, erwiderte der Bursche schwach und blickte etwas unsicher zu Links Mitbewohnern, die auf der Bankreihe hinter ihnen saßen. „Wir müssen das Ganze nicht so spannend machen.“ „Also gut“, meinte Link. „Ich finde es einfach seltsam, dass selbst hier in Irland, weit weg von der Kirche Schicksalshorts, merkwürdige Dinge geschehen und, um ehrlich zu sein, macht es mich stutzig, woher du so viel weißt. Ich kenne dich nicht und ich glaube nicht, dass du mich wirklich kennst.“ Er verschränkte die Arme um seinen Missmut auszudrücken. „Ich habe nie behauptet dich zu kennen. Ich sagte lediglich, dass ich einige Dinge über dich und Zelda weiß.“ „Ja… aber woher?“ Gelassen wischte sich Sian seine aschblonden Haare aus dem Gesicht. „Ich denke nicht, dass es gut ist, wenn du das hier erfährst, wo Dutzende Ohren zu hören können.“ Link sah streitsüchtig drein. „Hey, Moment mal, du hast gemeint, du gibst mir Antworten hier im Bus nach Killarney, nur deswegen fahre ich überhaupt mit.“ „Manche Antworten zeigen sich nicht in Gestalt von Worten“, murmelte Sian. Eine stichelnde Bitterkeit drängte sich dem Heroen auf, als der Irländer diese Worte sprach. Wollte Sian ihn irreführen oder für dumm verkaufen? Wozu diese eigensinnige Sprache? „Das war auch keine Antwort für mich…“, seufzte Link. „Glaubst du, ich habe Zeit für solche Spielchen? Es gibt genügend offene Fragen und Dinge, die ich herausfinden muss. Du hältst mich auf mit deinen rätselhaften Worten.“ Sian schloss geheimnistuerisch die rotschillernden Augen, legte den Kopf in den Nacken und lächelte genügsam. „Es ist wohl eher so, dass du dir selbst im Weg stehst, Link. Niemand hat dich gezwungen nach Irland zu reisen und Zelda in Schicksalshort zurückzulassen. Du wolltest etwas hier finden, vielleicht hast du es gespürt, aber konntest es für dich nicht einmal benennen. Und es gibt niemanden, der dich hier festhält, du kannst jederzeit entscheiden zu gehen. Du wirst etwas Geduld haben müssen um zu finden, was du suchst.“ „Das klingt so einfach, wenn du das sagst“, murmelte der Held. „Es könnte so einfach sein, wenn du vor einigen Antworten nicht weglaufen würdest. Es gibt einige Dinge, die dir klar sind, ohne dass du es wahrhaben willst.“ „Was meinst du damit?“ Er durchbohrte die geheimnisvollen Augen seiner neuen Bekanntschaft mit weiteren Zweifeln. Sian wollte gerade den Mund öffnen, als der Bus mit einem zermürbenden Reifenquietschen stoppte. Durch die Wucht des plötzlichen Halts knallten sowohl Sian, als auch Link und seine beiden hinter ihnen sitzenden Mitbewohner nach vorne. Sich den Schädel reibend erhob sich der Heroe kurz und schaute nach dem Grund des plötzlichen Stopps und sah zwei lustige, sommersprossige Mädchen, wie auch Patricks Stalkerin außerhalb auf der engen Straße, hinter dem Bus her stürmend. Sie mussten an der letzten Haltestelle den Bus verpasst haben, stiegen laut diskutierend ein und dankten dem Busfahrer. Die Blicke der beiden irischen Damen fielen zu Link, Sian und den beiden anderen. Auffällig kichernd setzten sie sich in die Nähe der zwei gutaussehenden Kerle. Und schließlich trampelte noch die Stalkerin Patrizia in den Bus und stand erstarrt im Gang, als sie Patrick entdeckte. Zögerlich blickte sie zu Boden, bis sie sich von ihren scheinbaren Cousinen auf einen Sitzplatz zerren ließ. „Kennst du die beiden?“, sagte Link und deutete dümmlich, und verlegen grinsend zu den zwei Irinen, ignorierte aber die dritte im Bunde. „Ja, die wohnen beide in der Nähe der Jugendherberge.“ „Aha“, sagte Link daraufhin. Er erinnerte sich, dass er die beiden Damen an einem der ersten Tage hier in Irland bereits gesehen hatte. „Du hast wohl Lust auf einen Urlaubsflirt?“, lachte der Rotäugige. „Ich?“ Und Link deutete fragend mit einem Zeigefinger auf seine verwunderte Miene. „Ja, wer denn sonst? Rede ich denn sonst noch mit jemandem?“ Link musste mehrfach über die Frage nachdenken, ehe er sie verstand. „Ähm… nein…“, babbelte er. „Also… natürlich habe ich kein Interesse. Ich hab’ bloß gefragt, weil die beiden uns zu gewunken haben.“ „Die eine ist Marla, die andere heißt Mirette. Ich war mit beiden schon zusammen“, meinte Sian abfällig. „Aber es wurde nie etwas Ernstes, ich habe keinen Bock auf längere Beziehungen, zumindest zurzeit nicht.“ „Du lässt ja echt nichts anbrennen, was?“, sagte Link mit großen Augen und legte seine Hände entspannend hinter den Kopf, während Sian mit den Schultern zuckte und lachte. „Was hast du denn erwartet? Ich genieße mein Leben, alles davon, solltest du im Übrigen auch tun…“ „Was willst du damit andeuten?“ Aber der Irländer winkte ab und unterließ es mit einem Grinsen darauf zu antworten. Link pustete einen Luftstrom an seinen Haaransatz und fühlte sich angegriffen durch Sians Worte. Es ärgerte ihn, dass sich dieser junge Bursche so wissend über alles äußerte, was sein Leben auf der Erde betraf. Er hatte zwar behauptet, dass er ihn nicht kannte, aber es wirkte eher so, als ob Sian in dieser Hinsicht nicht aufrichtig war. Ob Sian zu der Vergangenheit Hyrules gehörte? Der Bus fuhr weiter, durchquerte einen kleinen Waldabschnitt mit riesigen Löchern in der kleinen leeren Straße. Mit jedem Meter fragte sich Link, wann die Reifen platzten… Sian schien die Holperfahrt kaum etwas auszumachen. Gelassen saß er auf seinem Platz, hatte die Augen geschlossen und schien zu meditieren. Mehrmals schielte der Heroe in sein Gesicht, überlegte, wie er das Gespräch mit dem merkwürdigen Irländer erneut aufgreifen konnte. „Nun frag‘ mich doch einfach, Link“, sprach er mit seiner monotonen und doch melodischen Stimme. Dann öffnete er eines seiner roten Augen spielerisch. „Was interessiert dich?“ Link zwinkerte und wusste zunächst nicht, was er fragen sollte, als sein Mund schneller war als sein Kopf und die Worte nur so aus ihm heraussprudelten. „Du wohnst in diesem Schloss auf dem Hügel?“ „Ja, das tue ich.“ „Bist du adliger Abstammung? Oder wie kommt das?“ „Ja, bin ich. Aber eigentlich interessiert mich das recht wenig. Mein Vater hat sich seinen Adelstitel bereits aberkannt.“ „Stimmt. Davon habe ich schon gehört. Und warum, ich meine, was ist an einem Titel so falsch, damit man sich diesen aberkennt?“ Sian nickte. „Ich weiß, was du denkst. Es braucht einen Grund, eine Schuld, sich einen Titel wieder abzuerkennen.“ Auch Link nickte. „Ja, vielleicht trifft das auf meinen Vater zu. Wenn man einen Titel nicht verdient hat, sollte man diesen verschmähen, anstatt sich zu Unrecht damit zu kleiden. Ebenso könnte man eine Maske tragen, die etwas wiedergibt, das man niemals gewesen ist, nur um der Wahrheit zu entfliehen.“ Link zwinkerte, biss sich auf die Lippe und fühlte sich peinlich berührt angesichts des Gedankens, dass er Sian bitten sollte verständlicher zu reden… Denn der sonst so kluge und wissbegierige Held hatte nichts verstanden. Der grünbemützte Jugendliche grinste betreten und hatte für einen Moment das Gefühl, dieses verworrene Gerede hätte er irgendwann schon mal gehört. Es kam ihm unheimlich vertraut vor, schlich sich durch seine Gedankengänge wie eine alte Melodie… Als Link den Burschen neben sich irritiert musterte, sprach jener klar: „Er denkt einfach, er hat den Titel nicht verdient.“ „Okay.“ „Was, okay?“ „Ich habe endlich kapiert, was du gesagt hast.“ „Ach so.“ Sian zog eine eingeschnappte Schnute und drehte sich weg. Der junge Held kratzte sich verwundert an einer Augenbraue. ,Irgendwie eine komische Situation‘, dachte er. Es war so vertraut mit Sian zu plaudern, so angenehm und gleichzeitig verwirrend. Der Held seufzte, als sich erneut eine schweigsame Stimmung über die beiden jungen Burschen senkte. Aus seinen Augenwinkeln beobachtete Link seinen neuen Bekannten, der erneut wie in Trance die Augen geschlossen hielt. Sian Johnson war ein hübscher Kerl mit ebenmäßigen, symmetrischen Gesichtszügen und seine tiefroten Augen wirkten wie ein fernes Feuer, geheimnisvoll und herausfordernd. ,Es war kein Wunder, dass er bereits so viele Freundinnen gehabt hatte‘, dachte Link. Er zwinkerte angesichts seiner peinlichen Gedanken, die ihn nervös werden ließen. Aber er musste zugeben, dass, wenn er sich für Männer interessieren würde, er Sian sicherlich attraktiv finden würde… Der Bus bretterte erneut über eine holprige, enge Straße, die gefährlich dicht an einem steilen Ufer entlangging. Im sonnigen Hintergrund schwappte das blaue, riesige Meer an steile Brandungen, verschlang alles, was sich näher wagte. Und während Link den aschblonden Irländer betrachtete, und er Hunderte weitere Fragen auf seiner Zunge hatte, entschied er sich endlich das Thema anzusprechen, was ihn seit langer Zeit quälte. Wenn Sian ein Beobachter war, der ein beinahe hellseherisches Wissen hatte, dann könnte er Details über Zeldas Erscheinen auf der Erde wissen. Link legte ihm eine Hand auf die Schulter, nicht sicher, ob der Bursche schlief. „Sian… ich hab‘ noch mehr Fragen.“ Er grinste hinterhältig. „Es würde mich wundern, wenn es anders wäre.“ Der Held seufzte und in seinen tiefblauen Augen lag eine ergreifende Sehnsucht, die Sian faszinierte. „Es geht um Zelda… eigentlich geht es die ganze Zeit um sie… Ich muss mehr über sie wissen.“ „Weißt du denn noch nicht genug?“ „Was meinst du damit schon wieder?“ Link verdrehte die Augäpfel murrend. „Du weißt, wie wichtig sie für dich ist. Du weißt, dass sie ein unbeschreiblich gutes Herz hat und wunderschön ist. Du weißt, dass sie leidet wegen einer Vergangenheit, die sie nicht loslässt. Was brauchst du noch?“ „Nun rede nicht dauernd alles mit deiner eigenartigen Weise schön. Es ist überhaupt nichts klar und wenn du weißt, dass sie leidet und Angst hat, findest du das etwa richtig?“ Links Tonfall war energischer als er es beabsichtig hatte. Er zügelte sich, als Patrick im Hintergrund grummelte. Sian deutete ebenfalls nach hinten und führte einen Zeigefinger an seine Lippen. „Nicht so laut, Link. Du willst doch nicht, dass Unbeteiligte in alles eingeweiht werden, oder?“ Er schüttelte den Kopf, aber auch mit dieser Antwort war er nicht zufrieden. „Sian, versteh‘ doch, ich muss mehr über die Vergangenheit wissen. Erst dann kann ich Zelda helfen.“ Genervt verschränkte der grünbemützte Jugendliche die Arme. „Du hast keine Vorstellung davon, wie schwer das alles für sie ist…“, murmelte er. Und nun, da er sich bemühte leise zu reden, klangen seine Worte wie ein ersticktes Winseln. „Ich muss wissen, was mit Hyrule ist. Ich muss wissen, warum Zelda in dieser Welt gelandet ist, wo sie vorher scheinbar in Hyrule war und warum ich nicht dort bin!“ Patrick reckte in dem Augenblick seinen Kopf nach vorne, hatte er das Wort des alten Phantasielandes aus dem Gespräch herausgehört und spitzte seine Ohren auffällig. „Redet ihr über das Zeldaspiel? Kann ich mitreden?“, fragte er unverblümt. Link seufzte, lehnte sich frustriert in den Sitz und blickte für viele Minuten aus dem Fenster. Sian schwieg und schüttelte den Kopf, ein Schimmer von tiefem Mitgefühl in seinen feurigen Seelenspiegeln. „Du wirst die Antworten auf deine Fragen sehr bald erhalten und vielleicht ist es sogar möglich, dass du deine Erinnerungen zurückerlangst“, meinte Sian nach einer Weile sehr leise. „Meine Erinnerungen?“, murmelte Link ungläubig. „Bin ich denn wirklich der Held Hyrules?“ „Deine Seele ist die des legendären Heroen… du bist der Held reinkarniert, der in unzähligen Schlachten das Böse in seine Schranken verwiesen hat, auch wenn du nicht immer lebend aus den Schlachten hervorgehen konntest.“ „Das erwarte ich auch nicht…“, meinte Link und war selbst überrascht über seine eigenen Worte. Dass er einen Kampf nicht überleben konnte, darüber hatte er nie wirklich nachgedacht, aber es war dennoch selbstverständlich für ihn. Er hatte niemals erwartet ein glückliches, sorgloses Leben zu führen, auch ohne sein bisheriges Wissen. Ein Teil von ihm wusste, dass er kämpfen musste und ein Teil von ihm war sich einem möglichen Tod in jungen Jahren bewusst. Dann murmelte Sian etwas, das der blauäugige Jugendliche unmöglich verstehen konnte. Er sprach in einer anderen Sprache, ein melodisches, rundes Wortspiel, das ihm irgendwie gefiel und schmeichelte. Ihm wurde irgendwie warm ums Herz bei Sians Worten in einer fernen Sprache, auch wenn es sie nicht verstehen konnte. „Was bedeutet das?“, meinte er neugierig. Sian meinte, noch leiser, als zuvor. „Das bedeutet Link auf Hylianisch.“ Die tiefblauen Augen des Heroen wurden immer größer und er sah freudig erregt drein. „Hylianisch? Wow, du kannst diese Sprache sprechen? Woher?“, sprudelte es aus seinem Mund. „Mein Vater hat mir diese Sprache beigebracht.“ „Hyrule gibt es also wirklich“, sagte der Held, nun mit einem elegischen Ton in seiner Stimme. „Das ist… einfach überwältigend. Wenn es Hyrule wirklich gibt… dann…“ „Link… das ist leider nicht ganz richtig“, unterbrach ihn Sian trübsinnig. „Zelda oder Impa haben dir darüber vielleicht noch nichts erzählt…“ Geschockt durchbohrte der Heroe seinen neuen Bekannten mit seinen schönen tiefblauen Heldenaugen. Er war in seinem Leben vielleicht noch nie so schockiert gewesen. „Wie…“, brachte er über die Lippen. Als er die blutroten Augen von Sian musterte und er darin die scheußliche Wahrheit fand, sah er kopfhängerisch aus dem Fenster und wollte sich am liebsten in dem stürmischen Meer fern der Küste ertränken. Er ahnte, was der Irländer neben ihm erklären wollte. Natürlich gab es einen Grund, dass er und Zelda auf der Erde lebten… natürlich gab es eine Ursache, dass seine Prinzessin so verbittert war… und dieser Grund war grausam. „Hyrule existiert nicht mehr…“, sprach er schwach. „Das wolltest du sagen, nicht wahr?“ Sian nickte mitleiderweckend. „Hyrule ist nicht mehr da…“, wiederholte Link um es zu begreifen. Er legte seine linke Hand auf den Mund und musste den Gedanken erst einmal verdauen. Hyrule existierte nicht mehr… das klang wie ein grausames Urteil, ein Befehl, den nur Götter aussprechen konnten. Und irgendwo in seiner aufrichtigen Seele spürte der vergessene Heroe einen Stich, als er die Wahrheit in seine Gedanken zog. Er sah für Sekundenbruchteile eine Welt, die drohte in gespenstischen Nebeln zu versinken… eine reine, geheiligte Welt, die niemand so kannte wie er, wurde leblos… einsam und stumm… Und in seinem Herzen tat es weh. „Es tut mir leid, Link…“, sprach Sian entschuldigend, als könnten seine Worte irgendetwas retten. „Hyrule gab es einmal, das ist Tatsache, aber heute besteht es nur noch aus Schatten, aus Unsichtbarkeit und Dunkelheit, in welcher sich kein Leben mehr aufhält. Es wäre wohl besser gewesen, du hättest es jetzt noch nicht erfahren.“ „Nein, es ist okay“, sprach er fester und starrte dabei ins Leere. „Es hätte mir schon eher klar sein müssen… warum sonst sollte Zelda bei dem Gedanken an die Vergangenheit so traurig sein. Es ist etwas Schlimmes passiert, schätze ich.“ „Ja… es war…“, stotterte Sian und das erste Mal wirkte er wahrhaft unsicher. „Es kann niemand erklären…“, endete der Irländer. Er nahm eine sonderbare gebückte Haltung ein und duckte sich auf seinem Sitz, als wollte er sich schützen. „War ich daran beteiligt, dass es nicht mehr existiert? Habe ich versagt?“ Link schloss sinnierend die Augen bei jenem abscheulichen Gedanken. „Link…“ „Ist das, was in den Spielen passiert, Realität?“, bohrte er nach. „Das, was in diesem Hyrule Historia steht? Ist das wahr?“ Sian schnaubte entrüstet. „Vergiss‘ die Fragen“, murmelte Link und rieb sich die Stirn. Das alles, was er hier erfuhr, fühlte sich nicht nur bitter an, es betäubte ihn beinahe. In dem Moment bewegte sich Pats Kopf nach vorne, der das Wort Hyrule aus dem Gespräch herausgehört hatte. „Jetzt könnt ihr es nicht mehr leugnen, ihr redet die ganze Zeit über das Zeldaspiel! Habt ihr heiße Infos zu dem neuen Abenteuer in Hyrule?“ Link rieb sich weiterhin die Stirn und wollte seinen Kopf am liebsten gegen die Glasscheibe donnern. Was sollte er zu Patrick Fanatismus auch sagen? Dass es ihn mittlerweile aufregte und es unpassend war? Er konnte ihm jawohl kaum erzählen, dass die ,Legende von Zelda‘ nicht nur erfunden war… „Hey, Link, ich hab‘ sogar das Hyrule Historia mit dabei!“, sprach er erheitert. „Und in der Zeitlinie sind einige Epochen, wo Nintendo nur einen Strich gezeichnet hat. Meinst du, dort werden neue Abenteuer vom legendären Helden eingeordnet?“ „Woher soll ich das wissen, Pat!“, meinte er scharf und drehte seinen roten Kopf zu ihm. Als der Zeldafan die trübsinnigen Augen seines Mitbewohners sah, wich er irritiert zurück. „Entschuldige…“, sprach er benommen und blickte zu Sian, der ebenfalls schlechte Laune zu haben schien. „Tut mir leid, Patrick, ich hab‘ jetzt schlichtweg keine Lust über dieses bescheuerte Spiel zu reden“, entgegnete Link. „Ähm… macht ja nix“, sprach er und steckte seine Nase wieder in den dicken Wälzer vor sich. Erneut legte sich ein unheimliches Schweigen über Sian und Link, obwohl beide so viel zu erzählen hatten. Als der aschblonde Irländer weitere Erklärungen anstimmen wollte, winkte Link ab. Er machte ein Gesicht wie zehn Tage Regenwetter und seufzte leicht. „Ich habe mir immer eingebildet… von dem Tag an, als ich Zelda fand, ich würde das alte Land einmal vor meinen eigenen Augen sehen können. Gott, ich war so dumm…“ Daraufhin meinte Sian mit einem Zwinkern: „Kopf hoch. Es gab immer Hoffnung, und es gibt sie noch. Wer weiß, was die Zukunft bringt.“ Der unerkannte Heroe schloss seine leuchtenden Augen und lächelte schwach. „Ja… wer weiß.“ Der Bus hielt inzwischen in Killarney und der Großteil der Leute verließ die Fahrgelegenheit. Als Link aus dem Bus ausstieg und die Sonne am Horizont glühend funkelte, bedeckte dennoch ein Schatten der Melancholie und Zweifel sein Gesicht und die tiefblauen Augen, wo in selbst ausweglosen Situationen das Licht legendären Mutes leuchtete. Er ignorierte seine Bungalowmitbewohner und sah den seltsamen, jungen Burschen Sian Johnson ohne ein Wort des Abschieds die Straße hinunter laufen, bis er in einer Seitengasse verschwand. Er hatte ihm so viel über Hyrule berichtet und nun machte er sich einfach aus dem Staub? Andererseits, so dachte Link, und steckte die Hände in die Hosentaschen, war er vielleicht genau das, was er vorgegeben hatte zu sein. Ein Beobachter… Und einer, der die Ereignisse nur beobachtete, war nicht daran interessiert sich einzubringen, etwas zu retten oder etwas zu zerstören… Plötzlich wurde Link von den zwei sommersprossigen Irinnen angesprochen, die ebenfalls den Bus verließen und von der kurzhaarigen Patrizia, die mit seinem neuen Bekannten Patrick etwas zu klären hatte, begleitet wurden. Womöglich waren dies die beiden Cousinen, von denen sie gesprochen hatte. Aber… es war dennoch auffällig, dass sie Patrick erneut hinterher lief. „Hello, nice to meet you“, sagte die eine lachshaarige Dame, die hübscheste der drei Cousinen, grinste und reichte Link eine vielversprechende Hand. „I’m Mitrette“, sagte sie interessiert. Es war selbst für den naiven Link eindeutig zu erkennen, woran sie interessiert war. „Ähm… Hi…“, meinte Link verlegen und kratzte sich dusslig am Kopf. Er hatte das Gefühl, dass er, seitdem er Zelda kannte, noch begehrter war in der Damenwelt… oder er konnte es jetzt erst richtig erkennen. „And my name is Marla”, sprach das andere Mädchen, die ebenfalls lachsfarbene Haare besaß, aber gut einen Kopf kleiner war als die andere und etwas kräftiger gebaut. Auch sie schien Interesse an Link zu haben, sah dann grinsend auf und funkelte mit silbergrauen Augen. Sie reichte Link eine Hand, als aber Patrizia eine Phrase in schlecht verständlichem Englisch vor sich hin brabbelte und die beiden vorbei schob. Anscheinend wollte sie nicht nur ihre eigene Haut retten, nicht erneut in einem schlechten Licht vor Patrick dastehen, sondern auch ihre Cousinen belehren. „We must go on…“, murmelte sie. Marla und Mitrette folgten ihr, blickten aber beide zurück zu Link und warfen ihm einen Kussmund zu. Dümmlich sah Link hinterher, verbot sich erneut einen Urlaubsflirt zu wagen und dachte sofort an Zelda… Marla und Mitrette schiene beide ganz nett und zwei lebenslustige Mädchen zu sein, die ihn ablenken konnten. Und eine solche Ablenkung hatte etwas sehr Positives an sich. Allein der Gedanke fühlte sich beschämend und irgendwie falsch an. Link hüstelte und sah den drei Damen noch einmal hinterher. Ohne es zu wollen begann er sie zu vergleichen… Und wenn er jene Mädchen mit seiner Prinzessin verglich, musste er zugeben, dass sie ihr hinsichtlich Anmut, Charme und Rätselhaftigkeit nicht standhalten konnten. Der junge Held verabschiedete sich von seinen Zimmergenossen und hatte das Ziel ein wenig alleine durch die Stadt zu trotten, seinen Kopf frei zu kriegen und überlegte sogar, den Aufenthalt in Irland abzubrechen. Was sollte er hier, wo er die ganze Zeit nur noch an Zelda denken konnte. Nein, er fing sogar schon an sie mit anderen Mädchen zu vergleichen! Konnte er damit nicht aufhören, befahl er sich! ,Das ist falsch‘, summte es in seinem Kopf. Wo sollte das enden, wenn er anfing, seine Prinzessin wie eine Göttin anzuhimmeln?! Und so schlenderte der Heroe ein wenig durch das belebte Städtchen, beobachtete die Welt und versuchte die Schönheit des Alltags wahrzunehmen so wie früher. Er konnte Patrick und Tommy sehen, die in einem Einkaufscenter Blödsinn anstellten, in CDs hinein hörten, in einem Videospielabteil WiiU und Playstation- Spiele zockten. Er konnte die drei Mädchen von vorher in einem Bekleidungsgeschäft sehen, erleben, wie sie lachten, Spaß hatten Kleider zu probieren, die nicht in ihrer Preisklasse lagen, und es wurde ihm klar, dass er Zelda so noch nie gesehen hatte. Sie war niemals ausgegangen, genoss das Leben nicht und jetzt wusste er auch den Grund dafür. Es lag an der Welt, die sie abgöttisch geliebt hatte und scheinbar nicht beschützen konnte… Hyrule war untergegangen und tot… der Gedanke war für Link so schwer zu verdauen… Schließlich suchte der Held ein wenig Ruhe in einem Park, der etwas außerhalb der Stadt lag, lehnte sich an einen knorrigen Laubbaum und starrte gedankenverloren in das Blau des Himmels, das von Farbe und Milde den Augen Zeldas so sehr glich. Und genauso wie ihre Augen, so sah er immer deutlicher, war auch der Horizont von einem leichten Schatten belegt, einer Finsternis, leicht giftig, und besorgniserregend. Er schloss die Augen und sah so ernst aus, gleichzeitig so konzentriert, als würde er meditieren. Sein Gesicht wirkte angespannt aber frisch… und in seinen Gedanken tobte ein Sturm… für kurze Augenblicke konnte er eintauchen in eine andere Zeit. Er sah einen stahlgrauen Turm auf hoher See und das rauschende, mächtige Meer schwappte zerstörerisch an herbes Felsengestein, wo jener Turm errichtet war. Er hörte einen Ruf von Weiten, spürte ein Gefühl der Freiheit mit jenem Bild in seinen Gedanken… und irgendwo dort rief es ihn. ,Link, rief es… Link…‘ Tatsächlich stand gerade in dem Augenblick jemand vor ihm und rief seinen Namen. „Hey, Link, du Schlafmütze“, lachte Patrick van der Hohen, der mit Tommy im Schlepptau einige Burger, Knabbereien und Coladosen gekauft hatte und diese hier auf der gemütlichen Weise verspeisen wollte. „Wir dachten schon, du wärst verloren gegangen“, sagte er und nahm mit Tommy Platz. „Wie spät ist es eigentlich?“ „Kaffeezeit“, meinte Tommy und stopfte sich fettige Hähnchennuggets in den Mund. Link gähnte und streckte sich, zum Glück hatte er nicht wieder den halben Tag verschlafen… „Hey, schau’ her.“ Und Pat schlug eine Zeitschrift auf, die er sich vorher in einem Videospielgeschäft gekauft hatte. „Ist das nicht genial?“ Seine Begeisterung sprach Bände, ließ erahnen, wie sehr er sich auf das neue Zeldaspiel freute. Seit einigen Wochen kursierten wieder einmal Gerüchte in der Videospielszene, dass Nintendo mit der Fertigstellung eines neuen Zeldateils vorangeschritten wäre und nun waren die ersten Artworks des neuen Heroen im grünen Gewand veröffentlicht. „Das ist der neue Link. Sieht echt cool aus, oder?“ Der Held der alten Welt betrachtete sich das Bild genau und erstaunte ebenso. Da war ein Bursche im grünen, stattlichen Gewand, das sehr detailreich erschien. Da waren Besonderheiten an der Tunika, feine Stickereien. Selbst das Leder des Gürtels und der Riemen des Schwertes, in kupferfarbenen Tönen, hatte Muster und hylianische Symbole aufgedruckt. Und das Gesicht des gereiften Heroen war leicht kantig, ebenmäßig, mit meerblauen Augen, die Mut und Erfahrung im Kampf ausdrückten. Sein Gesicht war menschlich, sogar Ansätze eines Bartes konnte man vermuten. Das war nicht mehr die kindische Figur eines grünbemützten Zwerges, dieser Bursche auf dem Artwork war ein Krieger. „Diese Spielfigur wird immer menschlicher. Ja, ich finde auch dass er… cool aussieht“, murmelte Link und hatte einige neue Gedanken in seinem Kopf. Neben einem leicht trotzigen: ,Hey, ich, oder eine andere Reinkarnation von mir, sehen cool aus‘, fragte er sich, welche Grausamkeiten jener Held wohl durchmachen musste. Pat neigte seinen Kopf und erwiderte: „Aber sonderlich glücklich scheinst du nicht zu wirken, dabei dachte ich, du wärst wirklich ein Zeldafan.“ „Ist doch egal, was ich davon halte… das Masterschwert ist das aber nicht, oder?“ Und Link betrachtete sich eine raffiniert gearbeitete, leicht geschwungene Klinge mit Runen und feinen goldenen Mustern. „Weiß nicht… aber es sieht nicht danach aus.“ „Und hast du auch eine Idee, worum es im neuen Spiel geht?“ „Leider nicht… Aber man kann doch Vermutungen anstellen, oder?“ Der blonde Kerl wirkte überrascht und sagte: „Vermutungen?“ Pat packte das Heft wieder weg und machte sich neben dem Helden auf der Wiese breit, während Tommy einen Burger nach dem anderen in sich hineinstopfte. „Nun… ja“, meinte Pat, „Zelda wird doch sicherlich auch im neuen Spiel dabei sein.“ „Zelda… ja“, lächelte Link. „Ein Hyrule ohne sie ist kein Hyrule…“ „Sie ist echt die coolste Videospielprinzessin, meinst du nicht auch?“, schwärmte Patrick. „Ja, es gibt keine Bessere“, stimmte Link zu. „Ich persönlich mag die Twilight-Prinzessin Zelda am meisten, ihr merkt man an, dass sie kämpfen und Entscheidungen treffen kann und sie kapituliert, gibt alles für ihr Volk und geht dafür ins Exil. Sie ist schlichtweg edel.“ ,Gott‘, wie absurd, dachte Link. Er unterhielt sich mit einem Fan einer Videospielserie, der keine Ahnung hatte, dass ,The Legend of Zelda‘ tatsächlich keine Erfindung, kein Märchen, war. „Hey, kann ich vielleicht doch mal in das ,Hyrule Historia‘ schauen?“ Er wollte nicht noch länger über seine Prinzessin nachdenken, der Gedanke machte ihn nicht nur traurig, sondern frustrierte ihn mittlerweile. Er musste sich entscheiden, entweder er blieb hier und lenkte sich ab, so wie es sein Plan war, oder er reiste ab und verbrachte Zeit mit ihr… „Sicher, schau‘ in das Buch, tu‘ dir keinen Zwang an, hätte mich auch gewundert, wenn du nicht interessiert wärst. Ich dachte, du wärst Zeldafan?“ Patrick richtete sich auf und kramte nach dem schweren Buch. „Bin ich ja auch… in gewisser Weise.“ Und er grinste das erste Mal seit dem Gespräch mit Sian. Neugierig schlug Link das ,Hyrule Historia‘ auf und betrachtete sich die Zeitlinie. „Glaubst du, das war schon alles von Hyrules legendärer Geschichte? Ich meine, so wie Nintendo das hier abgebildet hat“, meinte Patrick. „Ich vermute, das ganze revidiert sich wieder, wenn weitere Spiele erscheinen“, setzte er hinzu und beantwortete seine eigene Frage grinsend. „Ja, vielleicht gibt es noch andere Zeitpfade“, meinte Link und empfand eine unangenehme Sorge, als er sich ansah, wo sich die Zeitlinie dreiteilte. Er blätterte weiter, überflog die Seiten und verlor sich ein wenig. „Stell‘ dir mal vor, es gäbe eine moderne Zeit… und der grünbemützte Held kämpft mit modernen Schusswaffen!“ Patricks Begeisterung für das Spiel schien nicht abzubrechen. „Oder stell‘ dir eine Welt vor, in der Link und Zelda verheiratet sind und sie einen Thronfolger zeugen.“ „Äh… was?“ Link hatte nur mit halbem Ohr zugehört, aber dies ging ihm nun doch an die Nieren. Was interessierte einen Menschen, der nichts mit Hyrule zu tun hatte, ob Zelda irgendwelche Thronfolger zeugte! Er bemühte sich nicht auszurasten und steckte seine Nase wieder in die Lektüre. „Ich hab‘ mich auch manchmal gefragt, was direkt nach Windwaker passierte oder direkt nach Skyward Sword? Meinst du die Göttin Hylia und Link wurden zusammen glücklich? Und der Todbringer blieb verbannt?“ „Hey, Pat, ich bin da nicht so… so…“ Er wusste nicht einmal wie er es erklären sollte. Er war nicht interessiert an jede Menge Theorien über die Zukunft von Zelda oder Link. Er musste erst einmal mit sich selbst besser zurechtkommen, wie um Himmels Willen sollte er da an irgendeine Zukunft denken? „Und denk‘ an die ganzen Fanfics! Manchmal frage ich mich, wie Link auf diese ganzen Romanzen mit Shiek, Dark-Link, Zelda oder Malon reagieren würde?“ Plötzlich lachte der Zeldafan befreiend auf. „Stell‘ dir vor, neulich habe ich doch eine Fanfic von Link und Impa entdeckt. Kannst du dir vorstellen, dass die beiden in die Kiste springen?“ Das plötzliche käseweiße, schockierte Gesicht von Link bemerkte nicht nur Patrick, sondern auch Tommy. Link runzelte die Stirn, öffnete schwach seinen Mund und plötzlich verzog sich sein Gesicht vor Ekel. „Kneif‘ mich bitte mal…“, sprach er. „Es gibt Leute, die Impa und… mi… und…“ Er piepste und bedeckte mit einer Hand seine Augen. „Sag‘ mir, dass das nicht wahr ist“, bat er und stützte den Kopf in beide Hände. „Mit dieser…“ Er wollte das Wort ,Horrorbraut‘ benutzen, das Sara für die Bezeichnung von Ines benutzt hatte. Aber dafür mochte er Impa nun doch zu sehr. „Hey, das ist ja noch nicht mal das Schlimmste… es gibt noch weitaus krassere Ideen in der Fangemeinde.“ „Dann sollte der Held doch lieber bei der Prinzessin bleiben“, mischte sich Tommy ein. „Oder nicht?“ Er leckte sich Ketchup von den Fingerspitzen. Innerlich dankte Link dem ahnungslosen Tommy für seinen Einwurf. Noch mehr wollte der heimliche Heroe nicht hören. „Ist wohl noch die plausibelste Möglichkeit, ich meine, die beiden haben doch irgendwas miteinander. Wenn man sich in so vielen Leben immer wieder begegnet, heißt das nicht, man ist füreinander bestimmt?“, meinte auch Pat. Der Gedanke, das musste Link zugeben, war nicht nur irritierend, sondern angsteinflößend. Aber Pat hatte Recht. Wenn er zwei Seelen kennen würde, die sich immer wieder begegnen, um gemeinsam zu kämpfen, um für einander einzustehen, für einander da zu sein, und vielleicht sogar für den anderen zu sterben, würde er auch annehmen, diese beiden gehörten zusammen… „Aber das heißt noch nicht, dass die beiden auch Liebe empfinden… ich meine, diese Art von Liebe… ich meine, Seelenverwandtschaft…“ Er brach nervös ab und wusste nicht mehr, wie er das, was er sagen wollte, formulieren sollte. „… Zelda und dieser Link sind sicherlich Freunde… in den meisten Leben, aber deswegen schlafen sie nicht miteinander.“ Er verschränkte die Arme trotzig und ärgerte sich über den Blödsinn, den er gestammelt hatte. „Nun ja, weißt du“, murmelte Patrick. „Von den ganzen möglichen Pairings, kann ich mir abgesehen von Zelda als seine Traumfrau, das mit Shiek-“ Und er deutete im Hyrule Historia auf eine Seite, auf welcher Shiek abgebildet war. „- noch am ehesten vorstellen. Und weißt du warum?“ Link schüttelte mit dem Kopf und seine tiefblauen Augen blieben bei dem vermummten Shiekah haften. „Weil Shiek Zelda ist!“, betonte er jubelnd. ,Weil Shiek Zelda ist‘, hallte es in Links Gedanken nach, während er sich die Zeichnung betrachtete. Shiek, dieser lange, hübsche Kerl mit den geheimnisvollen, rubinroten Augen, sportlich und agil, rätselhaft in seinen Worten, oftmals trübsinnig wirkend. Und ein weiteres Mal zerbrach das vorgegaukelte Bild einer unechten Welt in Links Herzen. Es war Shiek… Sofort dachte er an Sian Johnson, den Typen, der einiges über Zelda wusste und sich einen Beobachter nannte. ,Beim lieben Gott im Himmel, Sian ist Shiek‘, dachte Link. Sein Herz machte einen Aussetzer, nun, da sich die Wahrheit ein weiteres Mal zeigte. Sian war ein Beobachter, der Informationen übermittelte, genauso wie Shiek im Zeldaspiel. Aber wie war das möglich? Zelda war in Schicksalshort und sie hatte mit dieser Familie Johnson doch garantiert nichts zu tun? Ines würde ihn niemals über Zeldas Aufenthalt in der Villa belügen. Oder war Zelda hierher gereist, um bei ihm zu sein? Link schlug das Buch dröhnend zu, sodass es Patrick und Tommy erschreckte. „Verdammter Mist!“, rief er. „Ich muss unbedingt zurück nach Hause.“ Er sprang auf und verstand die halbe Welt nicht mehr. Konnte es sein, dass er sich es nur einbildete? Vielleicht war Sian doch nicht Shiek! „Wie? Willst du zurück zum Camp?“, meinte Tommy. Link nickte ohne weiteres und nahm seinen Rucksack auf den Rücken. Er fuhr sich durch das wilde, blonde Haar und richtete seine tiefblauen Augen in die Ferne. Auch hier, nahe der gemütlichen Parkanlage, war der Wald nicht weit entfernt. Und dort wo sich die vielen Laubwälder verdichteten, trat ein kleines Mädchen mit himmelblauem Kleid hervor, winkte ihm zu und hüpfte dann in seine Richtung. Es war die Kleine mit der vorwitzigen, quietschenden Kinderstimme, den giftgrünen Augen und den zwei blonden Zöpfen. Das Mädchen, das ihm Feen gezeigt und seine Hoffnung gestärkt hatte. Heiter gestimmt hüpfte sie in seine Richtung und er trat geduldig in ihre. Tommy und Patrick folgten ihm neugierig. „Was machst du hier?“, meinte er und versuchte so wenig wie möglich Aufsehen zu erregen. Er war sehr bedacht in seiner Wortwahl. „Gleich so unfreundlich, du grünbemützter Held. Eine höfliche Begrüßung hätte ich mir gewünscht, dafür, dass ich auf dich und Zelda aufpasse“, quiekte sie und umarmte seine Beine. Er fühlte sich unpässlich und peinlich vor Patrick und Tommy, die sich nur ratlos anblickten. Dann grinste der gedemütigte Heroe, brachte einige schnelle Erklärungen über seine Lippen wie jene, dass er das Mädchen daher kannte, weil er vorhin ihre Katze vom Baum geholt hatte. Er sprang auf und nahm sie leichtfertig unter seinen Arm und schleifte sie einige Meter davon. „Sag’ mal, spinnst du? Willst du, dass die anderen herausfinden, wer ich bin? Verflucht, überleg’ das nächste Mal gefälligst, was du sagst!“ Empört setzte er das kleine Geschöpf auf den Boden. „Also, was willst du?“ Er kniete nieder, sodass er ihre Seelenspiegel mustern konnte. Das Mädchen zog eine Schnute und schien eingeschnappt zu sein. „Ich mach’ mir doch nur Sorgen um dich, Linky. Na gut… tz… tz… dann verschwinde ich wieder und ich sag‘ dir auch nicht, weswegen ich eigentlich hier bin.“ Damit drehte sie sich um und hüpfte einige Meter weiter. „Übrigens… Zelda vermisst dich ganz schön.“ Link war kurzum sprachlos, dass dieser kleine Schutzengel so viel wusste. Und der Gedanke an den wunderschönen, blonden Engel, der in Schicksalshort auf seine Rückkehr wartete, überzeugte ihn zur Genüge. „Okay, okay, ich entschuldige mich, dass ich gleich so aufbrausend war. Und trotzdem kannst du nicht einfach aus dem Nichts hier auftauchen, während meine beiden Zimmerkollegen hier sind und aus dem Nähkästchen plaudern. Wenn die anderen herausfinden, dass ich tatsächlich Link bin, bin ich geliefert.“ „Wäre das so schlimm?“ „Wie?“ „Sag‘ schon, was wäre daran so schlimm, dass zwei Jugendliche wüssten, wer du bist?“ Link zwinkerte und starrte das Mädchen unverhohlen an. Irgendwie hatte er gerade den Faden verloren. Ja… warum eigentlich? „Das Problem ist wohl, dass du selbst nicht daran glaubst, der Held Hyrules zu sein, deshalb traust du es auch keinem anderen zu. Du zweifelst, dass andere an dich glauben würden, wenn du es zugeben müsstest. Du fühlst dich nicht bereit und nicht in der Lage ein Krieger zu sein, der ein Land retten kann.“ Jetzt hatte sie ihn eiskalt erwischt und es tat innerlich weh. Mit wenigen Worten steckte sie ihn in die Tasche und führte ihm seine Fehler vor Augen. Er sackte noch mehr in sich zusammen und wusste darauf nichts zu erwidern. Sie tätschelte sein vergrämtes Gesicht und zwinkerte ihm entgegen. „Es gibt einen Weg, wie du mehr Selbstbewusstsein für das, was du bist, finden kannst.“ „Verflucht! Und was soll das sein?“ „Der Kampf“, sprach sie und ihre roten Wangenbäckchen leuchteten beinahe. „Der Kampf…“ Ungläubig musterte er sie. „Ja… Und dafür solltest du so schnell wie möglich wieder in die Jugendherberge gehen“, sagte sie dann ein wenig leise, während ihre grünen, leuchtenden Augen ihn anstrahlten. „Ich war ohnehin auf dem Weg dorthin, aber das ist meine eigene Entscheidung“, stellte er klar. „Du hast keine Wahl“, sprach sie. Link verleierte die Augen und sah dann ebenso mit Überzeugung in das runde Kindergesicht. „Und was wäre, wenn ich nicht auf dich höre“, meinte er, und verschränkte erneut die Arme trotzig. „Nun…“, sprach sie zuversichtlich und hatte nun eine Spur Hinterhältigkeit in ihrem Blick. „Wenn du nicht auf mich hörst, zwinge ich dich dazu.“ Link grinste und hielt sich den Bauch, als er anfing zu lachen. „Du… du willst mich dazu zwingen? Haha… ich glaube nicht, dass du Mittel und Wege hast, das zu vollbringen.“ Und Link lachte sich halb tot. Doch bevor er begriff, was geschah, hüpfte das kleine Geschöpf heiter und sichtlich gut gelaunt auf Pat und Trolli zu. Links Blick wandelte sich allmählich. Die wollte doch nicht etwa…? Sie stand nun vor seinen Zimmergenossen und plapperte irgendwas munter daher. Der junge Held verzog entsetzt sein Gesicht. Dieser kleine freche Knirps wollte Pat und Trolli doch nicht etwa Geheimnisse auf die Nase binden? Link rannte zu ihnen rüber, und sagte laut: „Ich nehme gleich den ersten Bus ins Camp.“ Mit diesem schlagkräftigen Argument hatte das Geschöpf ihn überzeugt. Grinsend hüpfte sie in Richtung Bäume, winkte Link noch einmal zu und war dann im Dickicht der Wälder verschwunden. „Sag’ mal, Link, findest du nicht, dass das gerade seltsam war“, meinte Pat. „Ach die… ja.“ Krampfhaft suchte der Held nach einer Antwort und räusperte sich verdächtig. „Die… also… na ja, die hat…“ Er machte eine unangenehme Pause und hatte dann die zündende Idee. „Seit ich vorhin ihre Katze vom Baum geholt habe, bin ich wohl sowas wie ihr Idol… oder Held…“ Bei den Göttinnen, hoffentlich kaufte Pat ihm das ab. „Egal, wir gehen auf jeden Fall mit ins Camp“, sagte Patrick dann und schien die merkwürdige Ausrede aufs Erste zu ignorieren. „Okay. Schauen wir mal, wann der Bus fährt?“ Damit liefen sie aus dem Park hinaus, in Richtung Bushaltestelle. Als sie aber vor dem Plan standen, stellten sie fest, dass sie über eine Stunde Zeit hatten. „Na, toll. Und was machen wir jetzt noch“, sagte Trolli, weniger begeistert über die Situation. Links Blick wanderte dann zu einem seltsam wirkenden Laden. In dessen Schaufenster waren alle möglichen zum Teil heruntergekommenen, einer Reparatur würdigen, Gegenstände aufgetürmt. Ein riesiger vergilbter Globus, Mörser und Schälchen, Traumfänger, sogar Kleidungsstücke. „Leute, wir könnten doch noch mal einen Blick darein werfen.“ Und Link deutete auf den Laden, der in den Augen der anderen äußerst unheimlich wirkte. „Was willst du denn da drin?“, sprach Tommy und wirkte sonderbar nervös. „Eigentlich nichts, nur meine Zeit vertrödeln.“ Wenn auch ein wenig wiederwillig, folgten sie dem grünbemützten jungen Kerl, der es mit seinem göttlichen Mut häufig zu genau nahm, in den Laden. Sie öffneten die klapprige Tür und sogleich ertönte der Klang eines hölzernen Glockenspiels. Klang… klang… Die Ladentür fiel knarrend zu und die drei sahen sich in dem Geschäft um. Überall standen dunkelbraune Regale mit den eigentümlichsten Dingen. Uhren, die nervend tickten. Ketten und Lederhüte. Vermutlich ein Second- Hand- Geschäft… Link sah um sich, mit dem Gedanken, dass er ein solches Geschäft irgendwann schon einmal gesehen hatte. Vielleicht in einer Vergangenheit… oder im Traum. Der Raum war erfüllt von stickiger Finsternis, die Luft war abgestanden und verbraucht. Räucherstäbchen brachten ein eigenwilliges Harzaroma, vielleicht Olibanum, in den Raum. An der Kasse stand eine alte Öllampe, die einen aussaugenden Schein in den Raum zimmerte und Staubkörnchen sichtbar machte. Die jungen Kerle betrachteten sich schweigend die merkwürdigen Gegenstände auf den Regalen. Einige alte Schatullen, Kerzen, verzierte Vasen aus Ton, muffelnde Kleidungsstücke… Hinter der Kasse saß eine alte Frau mit langer Nase und einer Katze auf dem Arm. Sie sah Link mit einem tiefgründigen Blick an. Er starrte zurück, vermutete graues Haar unter ihrem dicken, selbst gehäkelten Kopftuch. Derweil hatte Pat etwas entdeckt, was er wohl unbedingt haben wollte. „Ähm, entschuldigen Sie. Was kostet diese Kette?“ Und er deutete auf eine kleine Holzschatulle mit silbernen Einschlägen, in welcher ein kleines goldenes Amulett lag. Ein hübscher runder Anhänger mit einem goldenen, verzierten Triforce in der Mitte. Link betrachtete sich aufgeregt das Schmuckstück und wünschte sich innerlich, er hätte es zuerst entdeckt. Er hatte fast das Gefühl, er hatte dieses Medaillon irgendwie schon einmal gesehen, berührt oder möglicherweise besessen. „Das ist ein unverkäufliches Muster… zu mindestens für dich… hihi“, sprach die alte Frau. Ihre Stimme erklang und unterstrich mit einem kratzigen, hohen und schiefem Ton die unheimliche, hexenartige Wirkung ihrer Gestalt. „Wieso ist sie unverkäuflich? Ist sie so teuer?“ „Nein, das Schmuckstück hat auf seinen wahren Besitzer gewartet… lange… Jahrhunderte, viel zu lange… hihi.“ Damit wanderten ihre Augen zu Link. Sie lächelte ihn verschmitzt an. „Ich kann es dir leider nicht verkaufen, weil es bereits von jemandem bezahlt wurde.“ Pat sah beleidigt drein und meinte: „Schade.“ Jetzt mischte sich Link ein. „Ich hätte trotzdem gerne mal gewusst, was es gekostet hat?“ Sie rutschte näher, sodass die Spitze ihrer langen Nase beinahe in Links Gesicht ragte. „Hylianisches Blut, mein Freund.“ Der unerkannte Held wich erschrocken zurück und spürte eine Schweißperle an seiner Stirn hinab wandern. Tommy mit dem Mäusegesicht war inzwischen aus dem Laden verschwunden und schien aus irgendeinem Grund bei dem Anblick dieser gutmütigen Hexe Angst zu haben. Zaghaft blickte er sich auf der leergefegten Straße um, schaute zurück zu dem Laden und sah die beiden Kerle sich immer noch mit der Frau unterhalten. ,Die Gelegenheit’, dachte Tommy und setzte sich unauffällig auf eine Eisenbank neben zwei, drei alten Bäumen. Er piepste ungewöhnlich leise einige Formeln herunter, die niemand verstehen konnte und plötzlich, so verstand man, wenn man genau hinblickte, dass Tommy nicht mehr alleine auf dieser Bank saß. Ein Beobachter konnte niemanden sehen, aber eine aufmerksame Seele verstand das Unvermeidliche. „Keine Sorge“, sagte die alte Dame in dem Ladengeschäft leise zu Link gewandt. „Dieses Schmuckstück hat keinen Preis, weil es selbst dafür zu wertvoll ist.“ Sie nahm die Schatulle und packte sie in eine kleine Tüte. Link und Pat wunderten sich, was das jetzt sollte. Sie reichte dem unerkannten Heroen die Tüte und lächelte. „Du hast schon einmal etwas von mir gekauft…“ In dem Augenblick fiel es dem Heroen wieder ein. Das war dieselbe Dame, die ihm damals das Zeldaspiel verkauft hatte und dann spurlos verschwunden war. „Du hast dieses Abzeichen mit deiner Seele bezahlt, mein Freund“, sagte sie dann, auffallend ruhig. „Es wird Zeit, dass es wieder in die Hände seiner Besitzer gelangt.“ Pat war nicht nur sprachlos, sondern kam sich unheimlich veralbert vor. Verflucht, was sollte dieses dumme Gerede. Er hatte es zuerst entdeckt. Beleidigt stapfte er von Dannen. „Das darf jawohl nicht wahr sein“, brummte er und schlug die Ladentür hinter sich zu. „Link, ich rate dir… sehr gut darauf aufzupassen. Es tut mir leid, dass dein Freund sich wegen dem Schmuckstück falsche Hoffnungen gemacht hat. Aber jemand sagte mir, ich solle es dir geben, und hat es bezahlt.“ Der grünbemützte Jugendliche blieb wie angewurzelt stehen. „Und wer… hat es bezahlt?“ „Wenn ich dir das sagen würde, würdest du es nicht verstehen… hihi.“ „Und wie hat er es bezahlt?“ „Würdest du denn deinen eigenen Besitz noch einmal bezahlen?“ Link schwieg und wusste sofort, was er mit dem Amulett tun würde. „Ich danke Ihnen“, sagte er und verschwand. Der um ein Amulett bereicherte Jugendliche trat heraus und sah, wie Pat beleidigt mit Trolli auf einer Bank saß und auf den Bus wartete. „Pat… Sorry wegen dem Medaillon. Aber ich kann mir denken, wer das gewesen ist und es bezahlt hat.“ Dann stand Pat van der Hohen auf und sagte frustriert: „Verdammt noch mal, Link. Ich bin nicht verärgert wegen dem Amulett. Ich habe so etwas ähnliches schon zu Hause. Eigentlich habe ich bloß ein komisches Gefühl bei dem, was diese Hexe gesagt hat, von wegen hylianisches Blut, die ist doch total übergeschnappt. Nicht mehr alle Tassen im Schrank, diese Tussi. Was bildet die sich denn eigentlich ein? Ich finde das unmöglich. Die wollte uns bestimmt gewaltig veräppeln. Wer weiß, wie die rausgefunden hat, dass wir Zeldafans sind.“ Und Pat hörte mit seinem Wutausbruch nicht mehr auf, beschimpfte die arme Verkäuferin weiterhin, aber… und das kam Link gerade Recht, machte er ihm keinen Vorwurf, weder wegen der komischen Göre im Park, noch wegen dem Amulett. Aber der junge Heroe sollte nicht ignorieren, dass es Menschen in seiner Umgebung gab, die ebenso die Wahrheit sehen wollten, die sich in der Welt hin und wieder zeigte. Link sollte nicht voreilig über die Fähigkeiten eines einfachen Jugendlichen urteilen, der doch schon lange ahnte, dass mit Link vieles nicht stimmte… Als der Bus heranfuhr, hatte Pat seinen Redeschwall immer noch nicht gestoppt und warf sogar dem Busfahrer ein grimmiges Gesicht zu. Eingeschnappt setzte er sich auf die hinterste Sitzreihe und schaute aus dem Fenster. Trolli setzte sich neben Link und starrte fast schon bekümmert vor sich hin. „Was’ n los?“, meinte Link, da Tommy ein Gesicht wie zehn Tage Regenwetter zog. „Nichts weiter“, meinte er und schüttelte abwinkend den Kopf, was für den Heroen hieß, dass Tommy nicht drüber reden wollte. Der Bus fuhr langsam in Richtung Camp. Doch als drei Jugendliche aus dem knallroten Bus ausstiegen, war hier in dem Camp nichts so wie es sein sollte. Unzählige Leute standen um den See und unterhielten sich aufgeregt, tuschelnd. Link rannte panisch in Richtung Sees, spürte den Anflug von Gefahr in seiner nahen Umgebung. War die Zeit gekommen für einen weiteren wirklichen Kampf gegen ein Wesen aus der Zeit, aus der Welt, die vergessen wurde und nur noch als ein Grab am Rande der Wirklichkeit existierte? Stoßend und schiebend versuchte er sich durch die dicht zusammengedrängten Menschenmassen durchzuzwängen. Entsetzte Gesichter. Bleiche Gesichtszüge… Link verfolgte die entsetzten Blicke der vielen Schaulustigen und wanderte mit den ersten, blauen Augen zu dem Grund des Sees. Doch der See, so schön kristallklar und rein, er einst war, besaß nichts mehr von seiner einstigen Anmut und Schönheit. Vollkommen ausgetrocknet lag der einstige See wie eine hässliche offene Wunde zwischen den grünen Hügeln. Link lauschte dem Gespräch einiger Leute, die sehr beunruhigt schienen. „Das waren sicherlich die Geister, die in letzter Zeit auf der ganzen Welt ihr Unwesen treiben.“ „Jaja. Jetzt geht es uns genauso wie allen Menschen auf der Welt. Wir werden konfrontiert mit den seltsamsten Ereignissen. Erst die Angriffe der Wölfe, jetzt der See. Ich frage mich, was als nächstes kommt.“ Link mischte sich in das Gespräch mit ein: „Ähm. Entschuldigen Sie, was ist denn eigentlich passiert?“ „Wenn wir dir das erzählen, wirst du es uns nicht glauben können.“ „Nun, erzählen Sie schon… kann’ doch nicht so schlimm sein.“ Nur wenn er herausfinden konnte, was geschehen war, könnte er vielleicht handeln. „Doch, das ist es. Einige Jugendliche aus dem Camp sind vor einigen Minuten darin herumgeschwommen. Plötzlich aber tauchten sie alle ab. Zuerst dachte jeder, es sei nur Spaß… Aber sie tauchten nicht wieder auf.“ Link hörte gespannt zu. „Und als dann drei weitere Leute, die nach den Jugendlichen sehen wollten, ebenso nicht mehr auftauchten… wurde es unheimlich. Dann begann rasch der Wasserspiegel zu sinken, bis kein Tropfen mehr im See war.“ „Und was ist mit den Leuten“, fragte Link, innerlich aufgewühlt und besorgt. „Sie sind alle spurlos verschwunden.“ Links ozeanblaue Augen wanderten entsetzt zu den rissigen Steinplatten des Sees. Was ging hier vor sich? Hatte etwa das Böse seine Hände im Spiel? In dem Augenblick kamen auch schon Trolli und Pat angestürmt. „Na, Link. Hast du’s schon gehört?“ „Ja, hab’ ich.“ Verdammt, hatte dieses kleine Mädchen ihm genau das sagen wollen? Hätte er diese Menschen retten können? Link überkam Schuldbewusstsein, das er, genauso wenig, wie den Anflug von Wut darüber, nicht verstehen konnte. Am anderen Ufer stand Sian, der dem Helden einen ernsteren, strengen Blick zu warf und dann nickte. Link hatte verstanden… Er hechtete zum Bungalow, legte seinen Rucksack und die Triforcekette ab, nahm hastig sein Schwert und einige Wurfsterne aus dem Schrank, verstaute diese in einem langen, reißfesten Beutel und ging wieder zum See. In dem Moment kamen auch schon Feuerwehr und Polizei mit lautem Getöse angefahren. Sie sperrten unverzüglich den See ab. Einige Zeit verging und die Schaulustigen verzogen sich allmählich. Link stand wieder wie angewurzelt am See und untersuchte mit seinen scharfen Augen den feuchten Grund. Irgendeinen Hinweis musste es doch geben. Diese Menschen konnten nicht spurlos verschwunden sein. Pat sah den siebzehnjährigen, tollkühnen Menschen mit einem sehr misstrauischen Blick nach, während Trolli über alle Berge verschwunden schien. Plötzlich hatte Link etwas entdeckt und er sprang über die Absperrung, kletterte dann entgegen der Warnungen einiger schimpfender Leute am Hang des Sees hinunter auf den Grund. „Link“, rief Pat, „Läufst du noch rund? Hey, das ist gefährlich. Hast du so wenig Freude an deinem eigenen Leben? Bleib’ stehen!“ Doch jener reagierte nicht auf die warnenden Rufe. „So ein Holzkopf!“, brummte Pat. Der junge Mann mit dem grünen Basecape lief inzwischen gelassen am Grund des Sees entlang, schaute mal nach rechts, dann nach links und wieder nach vorne. Vorhin hatte er doch eine kleine Erhebung entdeckt, in welcher so etwas wie ein Eingang in einen unterirdischen Bereich sein konnte. Sicherlich war hierdurch das Wasser abgelaufen. Link lief noch einige Meter und blickte zurück. Er hatte sich äußerst weit vom Ufer entfernt und sah Pat ihm einen Vogel zeigen… Link schüttelte den Kopf und ließ sich nicht beeindrucken. Erneut sah er um sich. Da, sagte eine Stimme in seinem Kopf und er fand tatsächlich ein kleines Loch im schwarzglänzenden Lavagestein, in das mindestens zwei Leute passten. Also gut. Mit einem letzten Anflug der Vernunft, der erstarb, kniete Link nieder und kroch in die breite Öffnung… Kapitel 29: Alles, was notwendig ist… ------------------------------------- Es war stockfinster, dort in den unterirdischen Gängen wo die Luft salzig und kühl schmeckte. Selbst das wenige beruhigende Tageslicht, welches durch die Öffnung der Höhle drang, und nun weit hinter dem kampfbereiten Jugendlichen lag, wurde von der Dunkelheit verschluckt. Sorgsam blickte sich der Heroe um und dachte an die Worte des kleinen Mädchens mit den grünen leuchtenden Augen. Sie sprach von dem Kampf, von einer Herausforderung, an der er wachsen konnte. Deshalb war er hier, er würde nicht zögern und er würde die Gefahr bezwingen. Er ermutigte sich an seinen unausgesprochenen Worten und trat weiter. Hoffnungsvoll kramte er in seinen Taschen herum, hatte Glück und fand eine kleine Taschenlampe in Form eines Stiftes. Seit dem nervenaufreibenden Tag im Schulkeller, damals, wo seine Bestimmung sich genähert hatte, bemühte er sich so etwas Nützliches immer dabei zu haben. Er hoffte, dass ihr funkelndes, weißes Licht für seine Mission ausreichte. Vorsichtig tastete er sich voran und kroch immer noch auf seiner hellblauen Jeans herum, spürte Pfützen, eine unangenehme Nässe an seiner Haut, und manchmal spürte er weiches Material, vielleicht Moose, Fischlaich oder Dinge, an die er nicht denken wollte, unter seinen Händen. Schließlich wurde die Höhle breiter und höher, sodass sich der einsame Streiter vollständig aufrichten konnte. Dankbar streckte er seine Glieder, leuchtete die glitschigen, kantigen Wände ab, als ihm Zweifel kamen. ,Verdammt, ich werde hier schon das Richtige tun‘, spornte er sich an. Denn das, was er hier tat, tat er freiwillig. Niemand zwang ihn dazu. Und niemand würde für Konsequenzen gerade stehen, die er nicht beabsichtigt hatte. Was war, wenn diese Höhle ins Nirgendwo führte und der See plötzlich wieder geflutet wurde? Link schüttelte den Kopf, schlug sich gegen die kühle Stirn und verließ sich auf sein Glück. Aber… die Situation war dennoch beängstigend. Er tapste in unterirdischen Höhlen entlang, war auf der Jagd nach einem Feind, wollte Menschen retten und sich nützlich machen. Aber war das hier wirklich seine Bestimmung, sein Weg? Erst jetzt beunruhigte ihn die unendliche Finsternis, die schallenden Klänge in unterirdischen Gängen, wo Geräusche aus der Tiefe der Erde wie Klageschreie aus der glühend heißen Hölle klangen. Schon so oft war er in seinen Träumen durch Labyrinthe gewandelt- mit dem Licht einer Fackel oder irgendeiner Lampe, die aus einer Kerze bestand und in Begleitung von nichts mehr als seiner Willenskraft, von der er nicht wusste, woher sie entsprang. Doch die Wirklichkeit übertraf alles Vorherdagewesene. Mut und Furcht rangen in seinem Inneren um die Oberhand und es war für Link ein unbeschreibliches Gefühl in dieser Höhle umherzugehen, sich der Herausforderung einer nahenden Aufgabe zu stellen. Er versuchte die Stimmung zu genießen, wollte Mut und Ehre beweisen, wollte mit dieser Suche seine Gier nach legendären Abenteuern stillen, wollte er selbst sein. Vielleicht klang es nach Wahnsinn oder Idiotie? Vielleicht war dies alles nur Wunschdenken oder ein weiterer seiner Träume? Aber, in der Tat, ein Teil des mutigen Herzens in seiner Brust fühlte sich wohl hier, denn nur hier war alles, was er brauchte um zu reifen und weiterzukommen in allem, was das Sein und seine Hoffnung betraf… Die Furcht in seinem Inneren hatte den Kampf endgültig verloren und Link bewegte sich tollkühn weiter, hörte seinen Herzschlag, der sich beruhigte und sich mit dem Rhythmus von kleinen herab rieselnden Wassertropfen vermischte. Er vernahm seine Schritte, die die Stille in den Gängen zerstörte, und lauschte seinem eigenen Atem, der in kleinen Nebelschwaden vor ihm her tanzte. Auf seinem Gesicht zeigte sich das tapfere Grinsen eines wahren Helden… „Ich tue dies hier, weil es notwendig ist… weil es richtig ist“, flüsterte er sich zu um seine Zweifel zu beschwichtigen, als er in eine Pfütze tapste und das Wasser beinahe magisch klirrte. Er vertraute dem kleinen Mädchen, das ihm die Feen in den Wäldern gezeigt hatte und er wusste, dass sie ihn nicht ohne Grund zurück zum Camp geschickt hatte. Sie musste die Gefahr gespürt haben und sie wusste, dass er der einzige war, der dieses Unheil wieder in Ordnung bringen konnte… und vielleicht wusste sie, dass er bereit war einiges dafür zu opfern, Schmerzen auszuhalten, zu kämpfen… Erneut tapste er in eine Pfütze, die nun bis über seinen rechten Turnschuh reichte. Hier gab es wieder größere Wasseransammlungen. ,Sehr interessant‘, dachte er. ,Vielleicht komme ich der Ursache des Unheils näher.‘ Und der jugendliche Held bewegte sich weiter, bis er vor einer kleinen Kreuzung stehen blieb. „Mist, und was mache ich jetzt?“ Er musste sich zwischen drei Gängen entscheiden. Ihm fiel nichts Besseres ein, als auszuzählen. Andererseits… ganz vorsichtig leuchtete er in jeden der Gänge hinein und nur die Luft das Ganges ganz links schien ihm angenehm. „Hoffentlich verlaufe ich mich nicht“, murmelte er, als er besagten Gang wählte. Erneut untersuchte Link die Wände, fand hier und dort ein paar Algen und sonstige Pflanzen, sogar Tierskelette. ,Jetzt wird es langsam unheimlich‘, dachte er stillschweigend. Bedacht kniete der grünbemützte Recke nieder, schaute sich riesige, teilweise angefressene Skelette an und stellte fest, dass sie mindestens von Kühen oder Pferden stammen mussten. Er berührte die Überreste, an denen eine schmierige Substanz haftete, leuchtete mit dem weißen Taschenlampenlicht an seine Hände und sah eine rötliche Farbe an ihnen. Er roch mehrfach daran und konnte die Masse endlich zuordnen. Die schmierige Substanz der Skelette war Blut, frisches Blut… Aber wie kam dies hierher? Wie konnten Kühe und Pferde in diesem See verenden, ohne dass es jemand bemerkte? Etwas musste diese Tiere in das unterirdische Reich des Sees gezerrt und abgelutscht haben wie einen Lutscher… Die Zweifel an seiner Mission nahmen wieder zu. Etwas, das Tiere verspeisen konnte, würde wohl kaum entführte Menschen so einfach gehen lassen… Link lief weiter, mit seinen Händen zu Fäusten geballt, und seinem wachen Instinkt, der warnend flüsterte. ,Sei' bereit… Sei bereit…‘ Elegant nahm er sein treues Schwert, dem er sein Leben verdankte, aus dem zerknirschten Beutel, warf diesen zur Seite und führte die summende Waffe beinahe magisch angezogen von deren Eleganz aus der Schwertscheide. Er machte sich bereit, spürte die Anwesenheit des puren Bösen und antwortete auf die Herausforderung mit Bestimmtheit und Mut… Seine Schritte wurden fordernder, bestimmter. Er ließ sich nicht beirren, wusste, er war auf dem rechten Weg und bewegte sich immer schneller und sicherer in der unterirdischen Finsternis. Geräusche drangen fortwährend an seine Ohren, klirrten und sangen ein Lied des Elends. Und je weiter er in die Tiefe dieser Höhle vorstieß, umso mehr zweifelte er, ob die hallenden Laute nicht von Menschen stammten. Immer deutlicher erklangen die Fetzen aus Rufen, Stöhnen und Klirren, bis er zwischen dem eigensinnigen Murmeln Worte hören konnte. Und schließlich war er sich sicher… irgendwo in der Finsternis hallten die Stimmen von Menschen umher, aber sie veränderten sich langsam, mit jeder Sekunde, die verging. Ihr anfängliches Rufen wandelte sich in ein Flehen, dann in Schreie, bis die Stimmen schließlich murmelten und flüsterten, wie Poltergeister, die ihren Zorn an Unschuldigen auslassen wollten. Abschreckende Töne fuhren an Links wache Ohren, erzählten schreiend von Folter und Hass, wollten lähmen, Eindringlinge fern halten und Rettung verbieten. Aber Link lief tapfer weiter und folgte den Stimmen, bis er schließlich Lichter sehen konnte. Lichter von Fackeln tanzten wild und ungehemmt an den feuchten Wänden der Höhle, zauberten vergessene Gemälde aus Licht und Schatten… Bedächtig schlich der Heroe näher und versteckte sich auf einem rissigen Vorsprung, von wo aus er einen guten Blick auf die Szenerie werfen konnte. Geduckt krabbelte er vorwärts, versuchte jedes noch so kleine Geräusch zu unterlassen und blickte von seinem geheimen Beobachtungspunkt hinab. Er nahm einen seufzenden Atemzug, versuchte ruhig zu bleiben, nicht über zu reagieren an dem Bild des Wahnsinns, was seine Augen benetzte. In etwa zehn Menschen in Badeanzügen, von jung bis alt, wimmerten in einem riesigen Gewölbe vor sich hin, waren an blutigen Handgelenken angebunden, zusammengedrängt und versklavt. Ein Teil schien vor Angst bewusstlos geworden zu sein, einige froren sich die Seele aus dem Leib und fast alle hatten Schrammen und Kratzer. An den dunklen Seitenwänden waren wenige Fackeln aufgestellt, warfen kühles Licht auf ein grusliges Schauspiel in der Mitte des Raumes. Link musste zweimal hinsehen, ehe er glaubte, was er sah. Überall im Gewölbe verteilt thronten riesige Wachposten auf, starke, ausgesprochen muskulöse Kerle mit Lederschürzen, schimmernden, mit tiefroter Farbe bemalten Beinschonern und Schulterplatten, stachligen Schilden und reißenden Schwertern und schweren Äxten. Sie grunzten abartig, gaben stoßende Laute aus ihren Nüstern und ließen glühend rote Augen den Raum auskundschaften. Der Heroe rieb sich die Augen um zu begreifen, was er sah. Diese großen, starken Gestalten mit kupferbrauner Haut, entstellt, hässlich und grotesk, strahlten eine unbarmherzige Kampfbereitschaft aus, würden ihre Gegner niedermetzeln ohne Gnade. Link kannte diese Kreaturen… nicht nur aus der Hölle eines nächtlichen Traumes, auch von einem Spiel… Die schreckliche Wahrheit wurde ihm erneut bewusst, als er die Kreaturen erblickte. Alles, was er aus dem Zeldaspiel kannte, lebte … selbst das Böse… Hier stapfte eine der mordlüsternsten Rassen der hylianischen Welt mit Klauen besetzten und Stahl gestärkten Füßen in einer Höhle der Menschenwelt herum, als täten sie seit Jahrhunderten nichts anderes. Vor Links Nase befanden sich Moblins, jene Kreaturen, die er im Zeldaspiel zu Hunderten vernichtet hatte! Der gewandte Kämpfer schüttelte benommen den Kopf um sicher zu gehen, dass er es sich auch nicht einbildete. Aber eine solche Grausamkeit konnte er sich wohl kaum einbilden. Sie standen hier mit einem teuflischen Wahnsinn in ihren bedrohlichen Augen… und es waren viele… viel zu viele… Der Heroe zweifelte an sich und seiner Kampfkraft, spürte eine marternde Hilflosigkeit, dass selbst wenn er der beste Schwertkämpfer der ganzen Welt wäre, es riskant und dumm wäre sich in diesen Kampf zu stürzen, sie alle auf einmal herauszufordern. Ruhe suchend wartete er ab und beobachtete weiterhin das Spektakel. Erst dann nahm er eine weitere Gestalt wahr, die sich geschickt im Dunkel dieses unterirdischen Reiches versteckt hatte. Eine kleine Gestalt, die ihm nur deshalb auffiel, da sie quietschende Geräusche produzierte und jene gefangenen Menschen nicht die Moblins, sondern sie ängstlich beobachteten. Link rutschte etwas näher, ließ sich lautlos auf eine kleine Plattform sinken, die sich an seinem Beobachtungspunkt anschloss. Und von dort konnte er eine neue Teufelei endlich entdecken. Auf einem kleinen Schaukelpferd, das hin und her pendelte, und bizarr den Schrecken in diesem unterirdischen Gefängnis steigerte, saß ein kleines Mädchen, vielleicht sechs Jahre alt, mit rotem, gekräuseltem Haar und lachte abartig. Das blutbeschmierte, weiße Leinenkleid an ihrem dürren Körper war zerrissen und voller Dreck. Sie schaukelte hin und her, beherbergte den Wahnsinn tausender Leiden in einem von Falten zerklüfteten Kindergesicht und in unterschiedlichen Augen, die ein fernes scharlachrotes Meer und eine sturmtobende Einöde eingesperrt hielten. „Menschlein, Menschlein, du musst sterben“, sang sie und schaukelte im Rhythmus mit ihrem Schaukelpferd. „Da ist Feuer, da ist Eis… wird das Menschlein knusprig sein!“ Sie verwendete die Melodie eines bekannten Kinderliedes für ihre schaurige Symphonie und wiederholte ihren Gesang mehrfach. Die Gefangenen winselten, rüttelten an ihren schweren Ketten. Ein älterer Mann, grau, mit weißem spitzzulaufendem Bart, rückte nach vorne, soweit wie es für ihn möglich war. „Molly, bitte…“, flehte er. „Lass‘ uns gehen… Siehst du nicht, dass wir leiden, und dass du damit nicht durchkommst! Es werden Rettungskräfte erscheinen. Wir lassen uns von dir nicht länger hier festhalten!“ Da wurde es dem Heroen klar… dieses Mädchen war Molly, die kindliche Irin, die ihre eigene Familie getötet hatte und schließlich verschwunden war. Es war Molly, sie, vor der Kevin ihn gewarnt hatte… und sie war bestialisch. Sie hob ihre klobigen Hände und wedelte mit blutbeschmierten Zeigefingern. „Na… na… Es gibt niemanden, der euch hier finden wird… denn keiner wird sich trauen, Menschlein.“ Sie hüpfte von ihrem Schaukelpferd und schwebte mit wenigen Zentimetern Abstand über den Boden. Sie kam dem grauhaarigen Mann näher, der aufbegehrte, und legte ihre beiden kleinen Hände auf seine Wangen. „Menschlein, Menschlein, du musst sterben“, sang sie in ihrer verrückten Manie, ihrem Durst zu töten. Und während sie ihre Finger auf weiße Haarbüschel seines Bartes legte und sie ihn mit ihren verräterischen Augen anzustarren schien, begann der Mann plötzlich zu wimmern, bis sich sein hässliches Stöhnen in einen erbarmungslosen Schrei wandelte. Und aus ihren Händen erhob sich stinkender Rauch, der nach verbranntem Fleisch roch. Link schluckte, als er verstand: sie hatte die Wangen ihres aufbegehrenden Gefangenen verbrannt, ohne nachzudenken, ohne eine Spur Mitleid, ohne Herz… Mit einer raschen Bewegung stieß sie den vor Schmerzen heulenden Irländer zur Seite, schien sich an seiner Lebenskraft gelabt zu haben und jauchzte wie ein wildes Tier: „Ihr, bösen Menschlein, was glaubt ihr schon zu wissen! Niemand kann euch finden, hier, wo mein Schaukelpferd schwingt und ich tanze.“ Sie drehte sich um ihre Achse und lachte quietschend. „Mein Meister zieht alle Fäden und er ist ein toller Mann. Er hat einen so großen Plan über das Leben in dieser und den anderen Welten und er wird so stark sein, wenn er erst seine wahre Macht besitzt. Und wir, wo wir Diener sind, und auch ihr, kleine Menschlein, werdet alle niederknien oder… er macht Schnips mit seinen Fingern und ihr seid tot… so mausetot“, lachte das kleine Mädchen hysterisch. „Molly…“, wimmerte eine ältere Frau, die vergeblich versuchte sich aus ihren Fesseln zu befreien und die mitleidig zu dem Mann blickte, dessen Wangen blutig waren und der kläglich winselte. „Wenn du uns los lässt, werden wir das alle ganz bestimmt vergessen. Es wird alles gut sein und du kannst zurück zu deiner Mama und zu deinem Papa. Es gibt keinen bösen Meister, man hat dich belogen…“ Sie sprach zögerlich und versuchte über einen anderen Weg ihre Freiheit zu erzwingen. Aber auch dieser Versuch, so ahnte Link, würde nichts nützen. Molly verzog ihr kindliches Gesicht, als würde es wachsen. Für einen Sekundenbruchteil schimmerten Schuppen auf ihrer Haut, belehrten über eine harte Schale und ihre weiteren Worte erzählten von einem bösen Kern. „Schweig! Du dummes Menschlein“, brüllte sie, ließ ihr krankes, verdorbenes Herz sprechen. „Du weißt nichts über meinen Meister… er ist ein Gott und er wird diese Welt schön machen, wunderschön für mich und die anderen.“ Sie huschte zu ihrem Spielzeug und wippte mit dem Schaukelpferd herum, drehte dabei Link auf seinem Vorsprung den Rücken zu. „Und meine Mama und mein Papa waren böse… sehr böse!“, zischte sie. „Rede nicht von meinem Papa und meiner Mama!“ Ihre rotblonden Haare standen zu Kopf, als sie aus ihren Händen plötzlich quellende, krallenförmige Energiebälle sprießen ließ. Hämisch begaffte sie einen rülpsenden Moblin, der grunzend zurückschreckte und sofort das mordlustige Spiel verstand, welches Molly mit ihm spielen wollte. Vor einigen Energiestößen konnte der Dämon noch fliehen, doch einige mehr, abgeschossen von einem vergifteten Kind, trafen ihn schließlich brausend. Der Moblin sank zu Boden, krampfte und ging zu guter Letzt in glühender Asche auf. „Seht ihr, was ich kann! Seht ihr?“ Sie lachte und schaukelte wie eine Verrückte auf ihrem Holzpferdchen. „Wenn ihr unartig seid, mach’ ich mit euch dasselbe… haha.“ Und damit wimmerten die wenige Menschen in dem Gewölbe noch mehr, krümmten sich vor Angst zusammen. Link in seinem gehüteten Versteck, im Zweifel mit allem, was sie sagte, dachte rasend über einen möglichen Plan nach, diese Menschen zu befreien und Molly irgendwie zu bezwingen ohne ihr zu schaden. Sein Verstand wusste, dass ein Kampf manchmal mit Verlusten endete, aber sein Herz wollte dieses leise, rationale Flüstern nicht hören… „Da staunt ihr, was“, sprach Molly selbstherrlich, jubelte innerlich mit der Hoffnung einer von ihres Meisters Händen erschaffenen Belohnung. „Mein Meister hat mir dieses nette Spielzeug vermacht… hihi. Er ist so toll und großartig. Er kann alles Böse dieser Erde auferstehen lassen.“ Das Blut in Links Adern kochte vor Anspannung und Entsetzen. Mollys Worte klangen abartig, hallten mit weitreichender Warnung in seinen Gedanken nach, ließen ihn nervös und zögerlich werden. Und gleichzeitig spürte er, dass er handeln musste, dass er jetzt handeln musste. Er konnte nicht länger mit ansehen, wie Molly sich und diese unschuldigen Menschen ins Verderben stürzte. Link ahnte, dass es eine Falle war, er hatte mittlerweile sehr viel über Dämonen gelernt. Dennoch wuchs in ihm der Drang zu kämpfen, wie schwer und gefahrvoll dieser Kampf auch sein würde. Selbst wenn es zwanzig Moblins sein sollten, die in ihren stachelbesetzten, vergifteten Eisenbeschlägen auf ihn warteten. Diese Menschen brauchten dringend Hilfe und niemand sonst war in der Lage sie zu befreien, Niemand außer ihm… Wenn er jetzt erst wieder nach draußen ginge und Hilfe holen würde, wäre es vielleicht zu spät. Außerdem, und das erkannte der Siebzehnjährige einmal mehr, konnte er andere Menschen in diese Kämpfe nicht hineinziehen. Es war sein Kampf. Sein Schicksal. Vor nicht allzu langer Zeit besiegte er, ganz alleine, vier Skelettritter in den Wäldern, bewies seinen Mut auf eine vorbildliche Weise. Moblins waren halb so wild, so nahm er an, und Link hatte seine Fechtkünste in den letzten Wochen noch erheblich perfektionieren können. Er musste diesen Kampf wagen und sich dieser Gefahr stellen. Er schaute auf das Schwert in seiner Hand und schloss dann sinnierend die tiefblauen Augen, dachte an seine Prinzessin, die ihm in dieser Entscheidung den Rücken stärken würde. Er sah auf und seine Augen blitzten wie hellblauer Stahl. ,Okay…‘, spornte er sich an. Jetzt oder nie. Vorkehrend überschaute Link noch ein letztes Mal seine Lage, hielt sich geschickt im Dunkel und kletterte vorsichtig den Vorsprung hinab. Er schwang sich mühelos von einem Gestein zum nächsten, landete auf seinen Füßen mit einem sehr dumpfen und beinahe geräuschlosen Laut. Niemand bemerkte den heroischen Burschen, der sich in der Finsternis versteckte und Schatten für sich arbeiten ließ. Mit routinierten Bewegungen näherte er sich dem Schlachtfeld, näherte sich den Moblins mit einem zum Töten bereiten Schwert. Das raschelnde Feuer der Fackeln warf unruhige Schatten und verursachte Geräusche, die den heimlichen Helden nützlich waren, bis er sich zögerlich am Kinn zupfte. ,Aber ja‘, dachte er. Die Fackeln… sie wären vielleicht ein Ablenkungsmanöver und er könnte die Finsternis verwenden um Molly und die Moblins zu irritieren. Er war gut darin geworden, selbst in Dunkelheit seiner Sinne Gegner wahrzunehmen. Er würde auch in der Finsternis, ohne das kleinste Lichtchen zuschlagen können… Der junge Heroe tastete sich auf Zehenspitzen vorwärts und näherte sich einer Fackel, biss sich auf die Lippe und betete innerlich nicht bemerkt zu werden. Und siehe da… nicht weit entfernt von der Lichtquelle stand eines der Moblinungetüme abwartend, grunzte und stank nach Moder und gepökeltem, altem Schweinefleisch. Noch ehe der Moblin reagieren konnte, hatte der Held ihm die Schnauze zugehalten und die Kehle erbarmungslos mit der scharfen Klinge durchgeschnitten. Und gerade da, als der schwere Körper der böswilligen Kreatur zu Boden sank, zersplitterte er in einem feinen, grauen Ascheregen. Ohne Aufsehen zu erregen blies der Kämpfer die kleine Fackel aus und seufzte, versuchte seine Anspannung abzuschütteln. ,Immerhin einer weniger‘, dachte der Held und orientierte sich weiterhin. Zögerlich verharrte er in einer weiteren Ecke, ließ seine tiefblauen Augen zu Molly wandern. Sie schaukelte quietschvergnügt auf ihrem Holzpferdchen und hatte seine Anwesenheit noch nicht wahrgenommen. Ob sie auf ihn wartete, ihn unter der Anweisung des Bösen in die Falle locken wollte? „Menschlein, Menschlein, ihr seid so dumm“, sang sie und schaukelte immer schneller. Ihr bösartiger Gesichtsausdruck bohrte sich tiefer hinein in ihre blasse Haut. „Warum seid ihr wohl hier? Warum seid ihr wohl hier?“ Und auch Link horchte auf. „Es ist wie der Meister sagte, jemand würde kommen um entführte Menschen zu retten, aber nur jemand, der unseren Meister nicht mag. Wisst ihr, traurige Menschlein, warum ihr hier seid?“ Als innerhalb weniger Sekunden keiner antwortete, hüpfte sie vom Schaukelpferd und rief in die weiten Katakomben. „Es ist ein Rätsel, aber ich mag Rätsel nicht. Mein Meister hat es gesagt, er hat es gewusst. Denn dort in dem großen Camp des Königs, dort ist er lebendig. Er sollte tot sein, so wie Mama und Papa, und doch lebt er. Er ist dort und er muss sterben.“ „Wer?“, fragte ein junger Mann, der in seinen Armen ein weinendes Kind hielt. „Ein grünbemützter Jugendlicher mit einer riesigen Macht, die unseren Meister ärgert. Er darf nicht leben, sonst ist das Böse in Gefahr. Er sollte doch tot sein, verbrannt, und wir alle haben gehofft, dass er erstickt ist. Er darf nicht leben, nicht hier, noch in einer anderen Welt… es darf keine Welt geben mit der Legende. Alle Welten werden fallen…“ Link zögerte und in seinen tiefblauen Augen vermischte sich dieses neue Unheil mit einer schrecklichen Vorahnung. Er war der einzige, der den Dämon in der Kirche Schicksalshorts aufhalten konnte und vielleicht nicht nur das… Molly sprach von anderen Welten und der Legende. Konnte es sein, dass es Dinge zwischen Himmel und Hölle gab, die nicht einmal die Weisen Hyrules erahnen konnten? Weitere Fragen brannten ihn auf der Seele. Redete Molly wirklich von dem Dämon in Schicksalshort, als sie von dem Meister sprach? Und wieso sollte Link tot sein? Woher wusste das Böse eigentlich, dass er sich im Camp befand, dass er überhaupt hier angereist war, um den Sommer zu genießen? Wo steckte die undichte Stelle, die dem Bösen die Möglichkeit gegeben hatte, diese Fallen zu stellen? „Und mein Meister sagt, er hat zu viel Glück… hier ist das Schicksal auf seiner Seite und auch woanders. Dabei kann er nicht gewinnen, nicht in diesem großartigen Spiel meines Meisters.“ Mollys Gefasel machte Link je länger er zuhörte nervöser, und stachelte jede einzelne kampfbereite Körperzelle in seinem Körper an sich ihrem Meister zu stellen, ihn an seinen finsteren Plänen zu hindern und der rechtschaffene Heroe zu sein, der er für diese Zeit sein musste. Er entschied sich den nächsten Schritt in diesem abgekarteten Spiel zu wagen, wollte sich nun preisgeben und seinen Mut herausfordern. Sein Schwert schenkte ihm die Zuversicht, die er brauchte, um alles das zu tun, was notwendig war. Die nächste Fackel im Visier tapste er näher, klopfte sie aus und wurde erst in dem Augenblick bemerkt, als das Licht schwächelte und ausging. Drei Moblins grunzten in ihrer gehässigen Sprache, stapften brummend in Richtung des Bereichs, wo der tapfere Jugendliche in tiefer Dunkelheit verborgen war. Seine Mundwinkel zogen sich nach oben, denn sein Plan funktionierte. Drei Gegner näherten sich ihm und tappten schwerfällig und grunzend hinein in ihr Verderben. Link sah zwar genauso wenig, wie die Moblins, aber selbst das hatte er trainiert. Er erkannte seine Feinde am Klang der Schritte, an dem bösartigen Rhythmus ihrer Herzen und an ihrem Gestank… Drei Schwertstreiche durch speckige, verlauste Bäuche genügten, und auch diese Gegner wurden von den Händen des Heroen zerfetzt. Mit brüllenden Todesschreien zerfielen die Moblins zu Staub. Aber der Kampf hatte Geräusche produziert, die auch dem verteufelten irischen Mädchen auffielen. Sie hüpfte schreiend von ihrem Schaukelpferd und klatschte in die Hände. „Was ist da? Ist er das? Ist das der Held?“ Aber Link hielt sich weiterhin zurück, wollte seinen Vorteil noch nicht aufgeben. Molly stieß grunzende Laute aus ihrem Mund in Begleitung einer beißenden Rauchwolke. Sie rülpste und winkte weiteren Moblins zu. „Ihr da, geht nachsehen! Und spielt mit dem Eindringling. Es kann nur der Held sein! Wenn ihr abhaut, dann mach‘ ich euch das Licht aus!“ Fünf weitere Gegner mit Eisenrüstungen stapften unter Mollys Befehl in die unbeleuchtete Ecke, wo der tapfere Streiter des Guten seine Klinge zerstörend tanzen ließ. Und in der Dunkelheit des Gewölbes, wo die Fackeln erloschen waren, krachten Schwerter und Äxte aneinander. Funken sprühten aus zerstörtem, bösem Fleisch, leuchtende Splitter brennender Asche verloren sich in der Finsternis. „Er ist da!“, rief Molly euphorisch. „Zeig‘ dich, Vernichter!“ In maßloser Aufregung glühten ihre grauen Lackschuhe und zerschmolzen. Sie entließ Feuerbälle ihren winzigen Händen und traf damit unabsichtlich das Schaukelpferd, das krachend in einem Szenario aus Flammen aufging. Weitere Flammenbälle sprudelten wie eine Fontäne rubinroter Tropfen aus ihren Händen und sie warf jene mit einem wahnsinnigen Frohsinn in jene Ecke, wo der Heroe sich geschickt im Dunkel hielt. Link wich elegant aus, rollte sich mit dem Schwert in der Hand über den Boden und schleuderte die gegnerischen Geschosse mit der Klinge zurück. Erstaunt hüpfte Molly an die Gewölbedecke, zischte wie eine Schlange und ihr Gesicht wurde grimmig und bestialisch, als war da eine Kreatur in ihr, die sie nicht kontrollieren konnte. Wie ein Poltergeist klebte sie an der Decke und ließ sich sanft zurück zu Boden schweben. „Du… bist wahrlich da“, schimpfte das kleine Kind und erleuchtete mit einem kleinen Schnippen ihrer rechten Hand die rauchigen Fackeln erneut. Alarmiert schreckte Link zurück, als die Lichter ihn verrieten. Mit einer von schwarzem Blut verklebten Klinge stand er dort, schnitt mit kühlen Blicken aus seinen mutigen Heldenaugen durch den Raum und grinste aufmüpfig. „Hast du nicht so früh mit mir gerechnet, he“, meinte der Heroe, war sich nicht sicher, ob es ratsam war Molly zu provozieren. Aber dieses Mädchen tat wohl auch ohne sein Einmischen wahnsinnige Dinge und würde ihre Grausamkeiten weiterhin ausleben. „Das ist toll! Mein Meister wird mich belohnen, wenn ich dich grille. Ich habe eine riesige Überraschung für dich! Das wirst du nicht vergessen, deine Reinkarnationen lang!“, zürnte sie und hüpfte kraftvoll nach oben. Erneut klebte sie an der Decke und beobachtete das Geschehen von ihrem Spot, fand das Erscheinen des Helden der alten Welt amüsant und fühlte sich kribbelig. Sie schnippte erneut mit den Fingern und die verbliebenen Moblins, vielleicht sieben oder acht an der Zahl, waren aufgefordert, sollten sich dem Heroen stellen und sollten, vielleicht auch zu Mollys Belustigung, fallen… Sie stapften in ihr Verderben, rannten mit ihrem muskulösen Äußeren in Links Richtung, knirschten mit langen Raubtierzähnen. Tapfer hielt der grünbemützte Jugendliche das Schwert in der Hand und stellte sich in Angriffsposition, erhielt hoffnungsvollen Beifall von den misshandelten Menschen, hörte sie flehend rufen, hörte ihre Herzen mit Angst trommeln. Link handelte instinktiv, vollführte eine doppelte Wirbelattacke, als sich die Gegner näherten. Mit einem Krachen wurden sie zurückgeworfen, grunzten und raunten, ließen ihre Eisenschilde und kratzigen Waffen aneinanderprallen, aber erhoben sich zornig, hatten nicht einen Kratzer abbekommen. Sie klopften sich ihre mit Ringen durchbohrten Brüste wie Affen und machten sich bereit für einen weiteren Angriff. Link wich soweit zurück, dass sein Rücken die Wand berührte. Leichter Angstschweiß tröpfelte von seiner Stirn. ,Toll du Held‘, tadelte er sich. Wenn er der legendäre Held Hyrules war, sollte er solche Situationen nicht besser einschätzen können, sollte er nicht in der Lage sein sich einen scharfsinnigen Plan auszudenken? Stattdessen stand er hier und fragte sich, ob er sich einfach durch die Moblins hindurch kämpfen sollte… Er blieb ruhig, sammelte seine Kräfte und ließ seinen Willen wach und stark werden, berief sich auf den göttlichen Mut in seiner Seele. Seine Augen schwenkten von den flehenden Menschen, die an ihren Ketten rissen zu seinen bis an die Zehen bewaffneten Kontrahenten. Grölend kamen sie näher, erschütterten die unterirdische Welt mit jedem weiteren Schritt, sodass feiner Geröll und Staub vom Deckengewölbe rieselte. Link machte sich bereit für eine weitere Wirbelattacke, eine stärkere, machtvollere. Er wusste nur, dass er diese Kreaturen aufhalten musste, vielleicht mit Opfern, mit Schweiß und auch mit Blut. Und während er seine Kräfte sammelte und dieses Spielchen von unglaublicher Macht erinnerte, nährte sich die Waffe immer mehr von seiner Lebensenergie. Die Zeit floss dahin und verlangsamte ihren Pulsschlag in des Helden Augen. Da war etwas, das ihm heimlich zuflüsterte, eine reine Stimme, die ihn belehrte und gleichzeitig Hoffnung gebar. Wie im Schwebefieber schloss Link die Augen, ließ die Magie einer alten, heiligen Macht sprechen, und veränderte mit einem genießenden Atemzug entscheidend und wissend, seine Situation. Und als er die Augen öffnete, die wie tiefblauer Stahl glänzten, funkelte nicht nur sein Blick, sondern auch das Schwert in seiner Hand. Ungläubig musterte er die vibrierende Waffe, und blickte sich noch ungläubiger in dem riesigen, von Holzbalken gestützten Gewölbe um. Alles, was er anblickte, die Gestalten der Moblins, das wahnsinnige Kind Molly am Deckengewölbe und auch die gefesselten Menschen, schimmerte in silbergrauen Farben, schien verzaubert von einer alten Form der Magie. Und mit der Macht, die sich wie silbernes Wachs auf die Widersacher legte, schien die Zeit sich zu erinnern, dass sie jenem jungen Mann zu Diensten war… Links Mut sprudelte innerlich, er spürte eine Überlegenheit mit dem Schwert, die ihn hitzköpfig werden ließ und ihn zu einer schnellen Attacke verführte. Er spürte Wärme, ja fast Feuer auf seinem linken Handrücken, als er weiterhin dieser Spur, diesem Gefühl der Stärke folgte und sich krampfhaft auf sein Inneres konzentrierte. Irgendetwas wollte man ihm sagen, irgendetwas wollte er sich selbst mitteilen. Dann öffnete er wieder die Augen. Jene, erfüllt von Mut und einer kraftvollen Dominanz, richteten sich auf die gelähmten Moblins. „Kommt nur…“, sprach Link ehrfurchtsvoll, war überwältigt von seinen eigenen Fähigkeiten. „Kommt!“, donnerte seine Stimme dann lauter durch das Gewölbe und es war dann, dass die silbergraue Aura, die die Umgebung in einem fernen Zauber gefangen hielt, zersplitterte und der Held in diesem Moment alles an Kraft in die Waffe legte, die er zur Verfügung hatte. Und wie als folgten die Monster widersinnig seinem Befehl, donnerten sie vorwärts, krachten entsetzlich und tödlich in ihr Verderben. Ein weiteres Mal schwang Link sein Schwert, wendete eine noch gnadenlosere Wirbelattacke an und erst dann schauderten die Gegner. „Es ist Zeit zu sterben, ihr Mistviecher“, rief Link. Und im nächsten Moment als er die geballte Energie auf die Moblins losließ, zuckten sie wie wehrlose Puppen zurück, wurden durch das ganze Gewölbe geschleudert und zersprangen mit markerschütterten Schreien in Asche. Links Schwert sang hell und befreiend, als Aschesplitter es berührten. Die gefesselten Menschen sahen mit Hochachtung zu ihrem Retter, der in eiligen Schritten näher hastete und dabei Molly, die schrill fauchend an der Decke hing, nicht aus den Augen ließ. „Du bist wahrlich edel und stolz wie es mein Herr sagte!“, rief sie von oben herab und rülpste. Erneut drang beißender Rauch aus ihren Lungen, als verbrannte sie innerlich. „Aber du weißt gar nichts!“ Dann begann Molly in schallendes Gelächter auszubrechen und sie spuckte irgendetwas aus. Mit Ekel in seinen ansehnlichen Gesichtszügen sah der junge Heroe einem Schleimfleck hinterher, der aussah, als brannte er. Zischend landete Mollys Spucke am Boden und ging sogleich in hitzigen, rauchenden Feuer auf. Angeekelt blickte Link nach oben, sah das dämonische Wesen weiterhin an der Decke kleben, aber sie schien zu leiden. Sie hustete und lachte abwechselnd, als sich ihre Augenfarben plötzlich wechselten. Das Scharlachrot ihres linken Auges wurde eisblau und das rechte färbte sich entgegengesetzt. Und ihre Pupillen formten sich auf eine verblüffende und doch grausame Weise, sie formten sich zu Schlitzen. Erschrocken wich der Held zurück und warf kurz einen Blick auf die gefesselten Menschen. Er würde die Gelegenheit nutzen und zuerst den Gefangenen helfen, gerade da, als Molly wie als weilte sie in einem psychotischen Zustand an der Decke entlang kroch, hustete und Wortfetzen ausspuckte. Sie begann zu schreien, spuckte vermehrt Schleim aus ihrem Mund und mit jenem sanken blutige Fleischklumpen nieder und gingen ebenfalls in Flammen auf. Entsetzt beobachtete Link das Geschehen, sah das vom Bösen verseuchte Kind winseln, bis ihre Haare ebenfalls in Flammen standen. Es waren die Schreie der Menschen, die ihn zurück in die Realität holten und ihn anbettelten ihnen zu helfen. Hastend ergriff der Jugendliche die Gelegenheit und rannte zu den geschockten Menschen hinüber. Ohne zu zögern zerschlug er einige Fesseln, half den Leuten auf die Beine. Er blickte in die vielen Augen, so schön menschlich und gut waren sie, so dankbar und entschlossen Schutz zu finden. Der ältere Mann mit dem weißen Bart, dessen Wangen abscheulich verbrannt waren, fasste den Heroen zitternd an seinen rechten Arm und weinte vor Glück. Auch er murmelte ein verschlucktes ,Danke‘ über seine Lippen und half den anderen die wenigen Felsvorsprünge hinauf zu klettern. Als sie dort oben standen, wo der Fluchtweg in die Freiheit führte, schauten wenige noch einmal zu Link zurück, hatten Tränen in ihren Augen und eine bittere Lektion in ihren Herzen. „Los, verschwindet hier, schnell“, rief Link und winkte ihnen entgegen. „Wirst du das schaffen?“, rief eine Frau mit grauem, langem Haar, auch sie hatte sich vorher Molly zur Wehr gesetzt. Link nickte entschlossen und rief erneut, diesmal forscher: „Flieht, solange ihr noch könnt.“ Denn irgendetwas sagte ihm, dass die Situation gefährlicher wurde denn je. Sie nickten, und einige nahmen ihre Beine unter die Arme, verschwanden mit Fackeln, die sie von den Wänden stahlen, in der Finsternis der Gänge. Der tapfere Mann mit den herben Verletzungen im Gesicht und auch eine Frau zögerten. „Junge, wer immer du auch bist, wir können dich nicht alleine hier lassen!“, rief der Mann. „Ich werde dies hier zu Ende bringen!“, rief Link und ließ Molly dabei nicht aus den Augen. Sie schien noch völlig in ihrem Wahn zu sein, schaukelte kläglich vorwärts, sank zu Boden und schnellte erneut schreiend an die Gewölbedecke. „Wenn ihr nicht sofort abhaut, wird Molly euch töten, rennt, los verdammt!“ Link verlor die Beherrschung und brüllte nun fast. „Ich bin der einzige, der sie aufhalten kann! Bitte geht!“ Einsichtig schnappten sich die letzten Gefangenen einige Fackeln und verschwanden wimmernd… Als schimmerndes, weites Licht in der Dunkelheit der Gänge versank, stand der heldenhafte Jüngling gelassen mit dem Rücken zu Molly, hörte sie bestialisch brüllen, schnappend atmen und spürte eine leichte Vibration im Untergrund, als ihre Kinderfüße den Erdboden trampelnd berührten. Seine tiefblauen Augen funkelten mit herber Entschlossenheit, als er sich in ihre Richtung drehte. Das Schwert in seiner Hand durstete nach Gerechtigkeit… „Was hast du mit meinen Menschlein gemacht? Wo sind sie hin? Du dummer Kerl!“, rief die kleine Irin panisch, bis sie sich krümmend zu Boden sinken ließ. Ihre unterschiedlichen Augen funkelten bedrohlich in Links Richtung. Sie schrie und stieß eine weitere beißende Rauchwolke aus ihrem kleinen, blassen Mund. „Wo sind die Menschlein!“, schrillte ihre hohe Stimme durch den Untergrund. „Ich wollte sie essen! Mein Meister hat sie mir geschenkt! Ich hätte sie essen können und alles wäre gut! Was hast du getan?“ Erneut wechselte sie ihre Augenfarben und brüllte. Mit dem scharfen Schwert in der Linken trat der Heroe näher und hielt dem Mädchen die Klinge an die entblößte Kehle. Seine Handlung ließ Kaltherzigkeit und Gnadenlosigkeit vermuten, aber in seinen Augen lagen Gefühle der Wärme und Vergebung. „Ich töte keine Kinder“, sprach er fest, ließ Ernst und Zweifel über sein Gesicht fallen. „Genau das wird dir zum Verhängnis, Held der alten Welt“, hauchte sie heiser und griff sich an ihre Kehle. Sie spuckte erneut flammenden Schleim. „Du bist kein Kind mehr…“, murmelte er und empfand Mitleid. „Ich bin besser als jedes Kind!“, zischte sie. Link schüttelte den Kopf und ahnte, dass er mit Molly kaum mehr diskutieren konnte. „Wie hast du das Wasser zum Verschwinden gebracht?“, sprach Link deutlich. „Rede!“ „Wie wohl? Das war meine wirkliche Gestalt, die dich töten wird, noch bis du bis drei zählen kannst.“ Sie lachte und erhob sich auf wackligen Beinen. „Irrtum, deine wahre Gestalt schafft nicht einmal die eins auszusprechen, bevor ihr Kopf am Boden umher rollt“, entgegnete er, auch wenn er nicht ahnte, was das Mädchen mit ihrem Gefasel meinte. Er blieb zögerlich in seiner Haltung, als Molly mehrmals um ihn herum tänzelte. „Was weißt du schon, Held der alten Welt… Die Zeit gehorcht dir nicht. Und das Wesen des Schicksals gehorcht deiner Prinzessin nicht. Mein Meister, und du wirst vor ihm niederknien, hier oder woanders, er zieht sehr bald alle Fäden. Weil du nicht handelst, ist er mit seinen Plänen weit voraus.“ Sie kicherte und hüpfte schlagartig wieder in die Lüfte. Link sprintete ihr hinterher, versuchte sie noch zu fassen, aber erneut hing Molly wie ein Poltergeist an der Decke. „Was soll das heißen? Ich handle nicht?“ Sie kicherte erneut und entließ einen weiteren Schrei, der sich nach Schmerzen anfühlte, tief aus ihrer Kehle, erschütternd… „Mein Meister geht durch die Welten… mein Meister hat Hunderte Helfer und ja, nur wegen seiner Genialität, mussten Götter sich opfern.“ Erneut tobte das rothaarige Mädchen wie verrückt am Deckengewölbe und ihre weiteren Worte erstickten an Rauch und Flammen, die aus ihrem Mund sprudelten. Sie krümmte sich zusammen, brüllte markerschütternd und immer lauter. Fassungslos beobachtete der Held das Schauspiel an dem Deckengewölbe, hatte keine Chance einzugreifen und brutale Geschehnisse zu verhindern. „Molly!“, rief er. „Beende diesen Wahnsinn und komm‘ zu dir!“ Ein Teil in ihm hoffte, sie würde sich beruhigen und er könnte sie aus dieser Höhle mit an das Tageslicht nehmen und vielleicht dafür sorgen, dass sie in gute Verwahrung kam. Aber ein anderer Teil ahnte, dass es dafür schon lange zu spät war. Kein Held hatte Molly retten können, weil kein Held in ihrer dunkelsten Stunde bei ihr war… Und es war dann, dass auch Links Zweifel allmählich vergingen, denn das einst so unschuldige irische Kind zeigte sein wahres Gesicht, ließ den Keim des Bösen an die Oberfläche und ihr kindlicher Körper wurde Opfer einer weitaus stärkeren und düsteren Natur. Sie brüllte erneut aus Leibeskräften, ihr rundes Gesicht war rot und verweint und Blut tropfte aus ihrer Nase und den Ohren. Und erneut ein Schrei, der donnernd durch das Gewölbe dröhnte, bis sich ihre Stimme veränderte. Da wuchs eine Kreatur in ihr heran, reifte und triumphierte über jede Form von Menschlichkeit. Ihr kindliches Kleid verbrannte, aber es war kein Mädchenkörper mehr darunter erkennbar, ihre blasse Haut war einem grünlichen, schuppigen Panzer gewichen. Mit Stacheln besetztes Leder schimmerte im Licht der Fackeln und ihre Hände verwandelten sich in Klauen, kräftig, scharf und todbringend, gruben sie sich hinein in das feste Gestein der Höhle. Und innerhalb weniger Sekunden wuchs der ursprünglich kleine Körper zu einem riesigen Ungetüm heran, immer stärker wurde der Panzer der Bestie, ihre Klauen größer und größer. Die kindlichen Arme änderten ihre Form zu fächerartigen Flügeln, dünne Häute spannten dürre Knochen auf. Und Mollys Kopf zerfetzte durch eine böse Gewalt, die in ihrem Inneren gebrodelt hatte. Und statt ihres Kopfes zogen sich zwei Schädel, schlangenartig aus ihrem Hals heraus, bewegten sich spürend, lebendig und genährt. Es war an der Zeit die Kräfte des Bösen zu aktivieren, zu nutzen für Vernichtung und Schändung, jetzt, da der Held hier war. Die Zeit für einen noch erbarmungsloseren Kampf war gekommen… Mit offenem Mund und Angst in seinen Gesichtszügen, mit Fassungslosigkeit, starrte Link in die Höhe und zweifelte an der Realität. Hier trat er in einem unterirdischen Labyrinth, hielt ein singendes Schwert krampfartig in der Hand, und stellte sich einer Kreatur aus fantastischen Geschichten. Er war weniger hierhergekommen um die gefangenen Menschen zu retten, er war auch nicht hier um ein verstörtes Kind zur Vernunft zu bringen. Er war hier um gegen eine Bestie zu kämpfen, so wie es im Buch Mudora aus Hyrule immer schon festgelegt war. Er war hier für eine Schlacht gegen ein Urzeitmonster. Kein Kind hing mehr an der Decke, es war das Wesen des Bösen, das sich zu bewegen begann und den jungen Kämpfer mit vier katzenartigen Augen fokussierte. Hier vor ihm, tosend mit breiten Flügeln schlagend und mit riesigen Klauen auf ihn niederprasselnd, befand sich ein Drache, gefährlich und todbringend… Ein Geschöpf ohne Angst, eines, das ohne Zweifel morden würde… Link stolperte benommen zurück, begriff diesen Wahnsinn nur schwerlich und spürte die Ketten der Angst, die sich lähmend um seinen Körper zogen. Im letzten Augenblick, als der Drache wütend niederknallte und die gesamte Höhle in bedrohliche Schwingungen versetzte, warf sich Link zur Seite und hockte noch immer ungläubig in der Nähe des Fluchtwegs. In seinen tiefblauen Augen gehrte ein gewaltiges Entsetzen, größer und stärker als seine Furcht vor den Skelettrittern und auch schlimmer als seine Aufregung beim Kampf gegen dämonische Wölfe. „Da bist du nun, Menschlein!“, brüllte es aus dem Inneren der Kreatur, Mollys einstige kindliche Stimme klang schräg, kratzig und tief, wie ein Röcheln aus den Tiefen der Erde. „Erbärmlich hockst du hier, schlotterst vor Angst und beschmutzt dein eigenes Schicksal mit lächerlichen Zweifeln!“ Demonstrativ ließ Molly aus den Nüstern eines langen, grünen Schädels einen Strahl aus intensivem, brennendem Feuer umher sprühen, verschaffte sich Respekt und genoss ihre Macht. Erstarrt blickte Link zu dem feuerspeienden Kopf, spürte seinen Herzschlag bis in der Kehle, spürte brennende, versenkende Hitze im dem Gewölbe zunehmen. Es war eine Sache das Schwert gegen menschengroße Gegner zu erheben, aber wie, bei allen Göttern dieser Welt, sollte er in der Lage sein eine Kreatur zu Fall zu bringen, die zehnmal größer war als er? Galant bewegte sie sich durch den Raum mit ihrem eleganten, feingliedrigen Körper. Sie war schlank, und auf eine gruslige Art und Weise schön… „Nun, du jämmerlicher Held einer alten Welt, die nicht mehr existiert, möchtest du heim zu deiner Mami?“ Sie spottete und stapfte mit ihrem gewichtigen Äußeren näher, immer näher und näher, bis Link sich auf seine zittrigen Beine hob. Er ließ die Bestie nicht aus den Augen, trat sachte weiter zurück, bis er an der Wand lehnte. Seine Augen schwenkten vorsichtig zu dem Fluchtweg. Er wusste, dass es feige war, vor diesem Kampf davon zu laufen, aber wie sollte er einen Drachen in die Knie zwingen? Er war vielleicht die Wiedergeburt eines Helden aus Hyrule. Er war vielleicht jung und stark, und gewandt mit dem Schwert, aber er war kein Gott! Und er hatte kaum Erfahrung im Kampf! „Oha… oh ja… da wir gerade von deiner Mami sprechen“, sprach sie ruhiger und blieb in ihrer Position, startete nach wie vor keinen Angriff, schien den Heroen zu mustern und mit Worten vergiften zu wollen. Ein Held, dessen Seele brach, war leichter zu besiegen… „Hast du dich noch nie gefragt, wieso deine wirklichen Eltern so früh gestorben sind, armer, armer Held der alten Welt?“ Und noch immer hielt sich das Monster zurück, blickte mit den rubinroten Augen des einen Schädels, und den stechendblauen des anderen in das junge, schweißnasse Gesicht des Helden. Unsicher, aber vorbereitet auf jede noch so kleine Andeutung eines Angriffs, unterließ Link die Antwort, spielte das Spielchen mit. „Du willst es wissen, nicht wahr? Es ist ein Rätsel, aber ich mag ja Rätsel nicht. Also verrate ich es dir.“ Sie zürnte, spuckte erneut Flammen aus ihrem mit gebogenen, schwarzen Hörnern bestückten rechten Drachenschädel. „Das Feuer in deinem Elternhaus gehörte zu dem großen Plan des Meisters. Er hatte eigentlich gedacht, du wärst darin umgekommen, wer hätte auch erahnen können, dass diese Emädras, diese verdammte Dienerin der Göttinnen, dich dort rausgeholt hat…“ Erneut wusste Link nichts darauf zusagen. Sein ansehnliches, sonnengebräuntes Gesicht wurde gramerfüllt. „Oh, hätte ich das nicht sagen sollen? Beim ewigen Drachenblut, du wusstest das wirklich nicht?“ Sie brummte tief aus ihren beiden Kehlen, als wollte sie kichern. „Das ist erheiternd!“ Ein neuer Schmerz bohrte sich in die alte Seele des Helden, der mit diesem Aufenthalt in Irland noch weitaus schrecklichere Dinge erfuhr, als er annehmen konnte. Sein Schicksal und sein Erwachen als Held waren bereits mit seiner Geburt in dieser Welt geplant worden. Der Kampf gegen den Dämon in der Kirche hatte nicht mit Zeldas Auftauchen begonnen, so wie Link bisher geglaubt hatte. Das Abenteuer begann in einer anderen Zeit, damals, als der erste Kampf des legendären Heroen stattfand… Und Mollys Worte versetzten ihm einen weiteren Schlag ins Gesicht. Der Plan des Dämons, der in der Kirche Schicksalshort sein Unwesen trieb, musste weitaus größer sein als es sich das Gute vorstellen konnte. Wenn er bereits Einfluss nahm, als Link ein Baby war, was hatte er sonst noch beeinflusst? Und wer oder beziehungsweise was war eine Emädras? „Jahh“, schnurrte sie wie eine Katze und schlug mehrfach mit ihren dünnhäutigen, fleischfarbenen Flügeln. „Ich kann deinen Schmerz fühlen, eine bittere Selbstverachtung, die in dir brodelt, wie meine Säure in mir brodelt. Du trägst die Verantwortung! Du trägst die Schuld!“ „Hör‘ auf damit!“, rief Link, der sich allmählich von seiner Furcht löste. Wut trat an ihre Stelle, ließ sein Blut wallen und erweckte die Kämpfernatur in ihm auf eine schändliche Weise. Er spürte den Zorn wachsen, griff nach seinen verderbenbringenden Kräften. „Aber es ist wahr… Deine Eltern sind nur gestorben, weil du ihr Kind warst, weil in dir die Seele von Hyrules wahrem Helden schlummerte. Man könnte es auch anders sagen, du bist der Mörder deiner wahren Eltern.“ Tosend donnerte Link seine scharfe Klinge nieder, ein Summen drang an Mollys winzige Ohren, die an den Köpfen durch eine rotblonde, und eine eisblaue, fettige Mähne bedeckt wurden. „Nein“, schrie Link bitter, kämpfte innerlich mit seinen Zweifeln und dem Schicksal, gegen das er sich so sehr gewehrt hatte. Er war nicht Schuld an dem Tod seiner Eltern, er konnte nichts dafür! Er war ein kleines Kind gewesen, unschuldig und handlungsunfähig. „Das ist nicht wahr! Du elende Kreatur des Bösen!“ „Hat es dir die Sprache verschlagen. Wie süß, der Held zeigt Schwäche und eine dumme, verräterische Wut…“, lachte sie, aber noch immer hielt sie sich zurück, erfreute sich an ihren manipulierenden Versuchen sein Herz zu brechen. Link stürzte auf seine Knie und griff sich mit der rechten Hand an seine durchgeschwitzte Stirn. Er konnte sich kaum gegen einströmende, erniedrigende Gedanken wehren, spürte eine innere Machtlosigkeit zunehmen. Allmählich begriff er, dass viele Dinge in seinem Leben nur geschehen waren, weil er zu mehr berufen war als einem gewöhnlichen Leben, weil in ihm etwas Vergessenes schlummerte. Nur wegen ihm und der auserwählten Seele eines Kämpfers… Seine teure Seele schien Hunderte Opfer unter sich begraben zu haben… Zelda huschte blitzartig durch sein trauriges Gemüt, flüsterte etwas über ihre schönen, blutroten Lippen und zeigte ein verständnisvolles Lächeln… ihre Augen leuchteten ohne den kalten Schatten, der so oft über dem schönen Himmelblau lag. Innerhalb weniger Sekunden, die hastend vorübergingen und doch erfüllend schienen, nahm sein geheimes Licht, seine Prinzessin, ihm die Zweifel und auch die quälende Hilflosigkeit schwand. Mit Worten und vielleicht mit einer kleinen Geste auf Seelenebene befreite Herzenswärme die Schuld und brachte Zweifel zum Schmelzen… Vielleicht war Links Seele mit Opfern beladen, vielleicht war er nicht immer rechtschaffen… und dennoch tat er nur das, was notwendig war. Der Tod seiner Eltern musste geschehen, war vielleicht notwendig. Und das, was für die Rettung aller notwendig war, sollte womöglich die Vernichtung eines einstigen Kindes sein… Der grünbemützte Jugendliche stützte sich mit der Rechten am Boden ab, spürte eiskaltes Gestein und leichte Nässe an seiner Hand, während er in der anderen das Schwert hielt. ,Nein, es war nicht deine Schuld‘, sagte eine Stimme in seinem Kopf. „Meine Eltern sind durch die Hand des Bösen gestorben, nicht durch meine.“ Link richtete sich seinen Mut wiedergewinnend auf. „Das hättest du mir nicht sagen dürfen.“ Seine Fäuste ballten sich. „Ich bin hier um gegen dich zu kämpfen, Molly“, fauchte er. „Und ich werde es tun!“ Gewandt hob er sein Schwert in die Höhe, und er sah aus wie ein Urteil verkündender Gott, stark, und wütend. Die Angst war aus Links Augen gewichen wie Würmer im Erdboden, als tosender Regen drohte. Mit sicheren Schritten steuerte der Held auf den Drachen zu, war bereit für ein weiteres Opfer, bereit für Wunden und sogar bereit für den Tod… Der Drache grunzte, schien überrascht zu sein und warf den langen raubtierähnlichen Schädel nach hinten, und ein mit heller, weicher Haut überzogener Hals wurde sichtbar. Link beschleunigte sein Tempo, rannte mit einem Schrei in Mollys Richtung und hatte den feuerspeienden Kopf im Visier. Mehrmals spuckte Molly eine Fontäne aus glühendem Feuer in Links Richtung, und immer wieder warf er sich zu Boden, wich schräg zur Seite hin aus und schnellte zurück. Seine Sinne arbeiteten mit Höchstgeschwindigkeit, erahnten das Feuer, schützten den Körper des Heroen mit raffinierten Reflexen. Spielerisch bewegte er sich durch die Flammen hindurch, wuchs mit jedem weiteren Schritt an seinen Fähigkeiten und spürte in sich eine Macht, an die er noch immer nicht glauben konnte… Die Bestie währenddessen schleuderte erbarmungslos weitere Feuergeschosse in seine Richtung, erzürnte innerlich an dem Gedanken, wie elegant er sich durch die Gefahr bewegte. Sie hatte geglaubt, sie könne den Helden mit vernichtenden, schmerzlichen Worten unter Druck setzen, ihm die Selbstachtung und Würde nehmen. Aber das war ein Irrtum. Link schöpfte Kraft und Mut aus einem Triumph über das Böse und war in der Lage seine Zweifel zu besiegen, so wie einst in vergessenen Kämpfen, vielleicht so wie in Hyrule. Er würde seine Eltern rächen, er würde das Sprachrohr des Guten sein und das Böse ausmerzen. Und er würde gleich damit beginnen, koste es, was es wolle. Dies waren seine Ideale, für das Gute einzustehen und gegen die Dunkelheit anzutreten. „Gut bist du, Held, weichst meinem Feuerhagel aus, als hättest du nie etwas anderes gemacht. Aber wie lange wohl willst du das durchhalten? Ich habe genug Feuer für ein riesiges Meer aus Flammen!“ Sie erhob sich, schwebte über dem Boden, als ihre dünnen, knochigen Flügel sich wie Zelte ausspannten und Windfontänen erschufen. Sie lachte markerschütternd, als sie durch das Deckengewölbe tanzte, und ihren Feueratem durch den gesamten Raum schleuderte. Die Luft war nahezu ungenießbar. Es stank nach Schwefel und Säure, Fäulnis, und war anstrengend heiß. An seinem grünen Ärmel wischte sich der Heroe den Schweiß vom Gesicht, und beobachtete den Gegner konzentriert. „Zeig‘ mir ruhig, was du kannst!“, knallte seine Stimme durch die Höhle. „Ich mach‘ dich fertig, verdammte Höllenkreatur!“, brüllte er und schwang erneut das Schwert, nährte sich an seinem Gesang. Und obwohl Link wusste, dass es nicht ratsam war, den Drachen noch weiter zu provozieren, dass sie ihn ohne mit der Wimper zu zucken töten würde, ließ er weitere Drohungen über seine Lippen wandern. „Ich lasse nicht zu, dass das Böse sich in das Leben von anderen, unschuldigen Menschen einmischt! Deine Taten sind die eines wahnsinnigen, trotzigen Kindes! Stell‘ dich mir zum Kampf!“ „Glaubst du dein lächerliches Schwert kann mir etwas anhaben“, lachte sie dröhnend. „Das wird sich anfühlen wie ein Zahnstocher!“ „Dann komm‘ runter und ich beweise es dir!“, rief Link provokant, beobachtete beide Köpfe Mollys interessiert in seine Richtung schnellen. Seine Herausforderung zeigte Wirkung, denn der Drache begann zu schweigen, flog wenige Runden am Deckengewölbe entlang, und ein wildes Flügelschlagen brachte auch das Feuer gleichmäßig zum Verglimmen. Krachend stürzte sie schließlich nieder, erschütterte mit ihrem mehreren Tonnen schweren Gewicht das gesamte unterirdische Reich. Link stürzte schreiend zu Boden, rollte sich geschickt ab, wusste, es würde ihm den Kopf kosten, wenn er sich zu lange an einer Stelle aufhielt. Kaum trat er erneut auf seinen Beinen- orientierte sich mit rupfender Spannung in seinen Muskeln, spürte eine leichte Benommenheit und belastenden Schwindel durch den schwindenden Sauerstoff hier unten- entkam ein lauter Schrei seiner Kehle. Er wollte nur kurz verschnaufen, spürte die Raserei seines aufgehetzten Blutes in sich wallen, und wusste doch, dass jeder kurze, unkonzentrierte Augenblick sein Leben beenden könnte, und dass verschnaufen gerade nicht möglich war. Er hatte Molly herausgefordert und sie beantwortete diese Aufforderung mit peitschenden Angriffen. Link hielt das Schwert in beiden Händen bereit einen Angriff zu blocken und bewegte sich rasend an dem Drachen vorbei, wollte sie irritieren und an ihrem Rückgrat einen ersten Streich versuchen. Dies war seine einzige Hoffnung, die einzige Chance sich diesem Gegner zu stellen. Und Molly zeigte nun, aus welchem bösen Blut sie geboren wurde. Mit ihren vier Augen fixierte sie ihren Gegner, der wie ein Grashüpfer auf sie wirken musste. In dem Augenblick ließ sie einen ihrer gestachelten Köpfe nach vorne schnellen, wollte ihre Gegner mit raschen Bewegungen beeinträchtigen, nutzte geschickt die Schwächen ihres ungeübten Feindes. Link hüpfte erschrocken zur Seite, schnaubte so heftig nach Luft, als hätte er noch nie geatmet, während der Drache seinen stachligen Kopf krachend in die steinernen, kantigen Wände der Höhle rammte. Erneut eine herbe Erschütterung, die das trommelnde Herz des jugendlichen Kämpfers zermürbte. Link kämpfte, so gut er konnte, er wich Mollys Angriffen mit ihren Köpfen und ihrem messerscharfen, wuchtigen Schwanz aus, aber er konnte kaum einen Treffer landen. Dieses Spiel war zermürbend, dieser Kampf für ihn eine Katastrophe… ein Drache war kein Gegner für einen Schwertanfänger wie ihn, er war nicht bereit für dieses Gefecht… Noch ehe Link realisierte, noch ehe er erneut in Schutzdeckung gehen konnte, spuckte der mit rubinroten Augen ausgestattete Kopf des Dämonenwesens eine weitere Brunst aus giftigen, zerschmetternden Flammen. Knackend warf sich der Siebzehnjährige zu Boden, hatte das Gefühl seine Knochen brachen, und spürte die beißenden Flammen gewaltsam über sich hinweg zischen. Hitze und Blutdurst schürten Mollys wahnsinniges Gelächter. „Lange wirst du das nicht durchhalten können. Mit einem Schwert kannst du mich kaum aufhalten, blutiger Anfänger! Und du willst der Held der vergessenen Welt Hyrule sein! Lausig!“ Schwer atmend lag Link auf seinem Bauch, blickte mit tränenden Augen zu seinen mittlerweile aufgeschürften Händen und kam sich vor wie ein Narr! Er war hier in einer Höhle, redete sich ein, ein Heroe zu sein, dem es bestimmt war zu siegen, und bisher konnte er nicht einen Treffer landen. Wenn das so weiterging, würde diese Bestie ihn rösten wie einen Marschmello! Es gab keinen anderen Weg mehr, er musste durchhalten, er musste kämpfen… Erneut erhob er sich zähneknirschend, spürte seinen halben Körper schmerzen, spürte kleine Bandwunden und brennende Schürfer an seinen Knien. Und auch wenn es wahnsinnig war hier zu sein, selbst wenn er sterben musste, er würde nicht weglaufen! Er schluckte trockenen Speichel die Kehle hinab, hob die leuchtende, leicht glühende Klinge in die Höhe und ließ seinen Willen aus den tiefblauen, strahlenden Augen sprechen. Er grinste, als wollte er noch mehr, als verlangte sein Innerstes nach noch mehr Brutalität. „Hast du noch immer nicht genug?“, zischte der Drache und startete erneut herbe Schläge des Wahnsinns und der Verachtung. Sie schleuderte ihre todbringende Feuersbrunst nach dem Heroen und griff mit Klauen und ihrem langen Schwanz an. Link blockte die Attacken so gut es ging, rollte sich durch den Feuerregen und hetzte so schnell wie er konnte zu Mollys Hinterteil. Er hatte sein Ziel bereits im Visier, und hechtete auf den langen Schwanz der Bestie zu, entstieg glimmendem Gestein, kämpfte sich durch Asche. Ein kurzer Gedanke kam auf, der ihn ermutigte. Zumindest im Zeldasspiel waren die Schwachstellen der Gegner häufig an deren Hinterteilen. Ein winziger Strohhalm, an den er sich klammerte, den er hoffte, nutzen zu können. Er rannte so schnell wie er konnte, ließ den feuerspeienden Kopf nicht aus seinem Blickfeld, aber unterschätzte Mollys anderen Schädel. Sie lachte, wusste um Links Ziel und ließ den Helden nicht ansatzweise in die Nähe ihrer Schwachstellen. Ihr anderer bösartiger, schmierig grinsender Schädel hatte ebenso eine spezielle Kraft, eine, die sich durch eisblaue Augen verriet. Noch ehe Link sich versah, warf sie auch diesen Schädel nach hinten, sog die rauchige Luft tief in ihre flatternden Nüstern und spuckte im Element des Winters einen Hagel, der den Raum eisig und rutschig werden ließ. Der junge Held erschrak an jener Gewalt und ihrer magischen Kraft, stolperte heftig, ließ das Schwert los und fiel. Er spürte seinen aufgeregten Herzschlag bis in seiner Kehle, spürte weitere Angstattacken in seinem Herzen entstehen und sah lethargisch nach oben. Mollys beide Schädel wechselten sich ab, wo der eine Kopf Feuer ausstieß, ließ der andere eine Fontäne aus Eis herausbrechen. ,Wie soll ich das nur überstehen‘, fragte er sich… Einmal mehr richtete sich der Held der Legenden auf, ignorierte das Brennen seiner Schürf- und Brandwunden und quälte sich mit der in die Höhe gestreckten Klinge vorwärts. Erneut feuerte Molly Eisgeschosse ab, denen er hektisch und verzweifelt versuchte auszuweichen. Aber seine Erschöpfung nahm zu, seine Konzentration schwächelte… Hastig warf er sich zu Boden, als der Drache einen weiteren Regen aus Eis niederdonnern ließ. Eiszapfen bildeten sich an der Höhlendecke, schockgefrorenes Gestein zerbröckelte mit herben Erschütterungen, die Molly produzierte. Und es wurde so kalt in jenem unterirdischen Reich, das auch Link in den Minusgraden seine Fingerspitzen kaum mehr spürte. Es war wie in einem Alptraum, aus dem es kein Entrinnen gab, ein böser Schatten der Nacht, der gute Seelen bis zu deren Vernichtung gefangen hielt. Mehrfach rollte sich der erschöpfte und frierende Held zu Boden, wich dem Eishagel aus und verzweifelte innerlich. Eine nächste Attacke erwischte ihn herb, knallte ihn unsanft an eine eisige Höhlenwand und Links markerschütternder Schrei ging durch die Höhle. Mit verschwommenem Gesichtsfeld sah er auf, wischte sich über trockenkalte und doch blutige Lippen und nahm zitternd das zuvor aus der Hand gerissene Schwert in seine Linke. Als er jedoch aufstehen wollte, sich weiterhin der Gefahr stellend, sein Kämpferherz nicht beschmutzend mit Demütigungen, musste er mit Entsetzten feststellen, dass er sich kaum vorwärtsbewegen konnte. Ein heftiger, brennender Schmerz zog sich von seinem Fuß an aufwärts bis zu seiner Hüfte, lähmte ihn und belehrte ihn über seine Sterblichkeit. Molly hatte ihn mit ihrem Eisatem erwischt, sein Bein eingefroren wie ein Eis am Stil; und durch diesen Angriff hatte der junge Heroe keine Chance mehr wegzulaufen. „Verdammt“, brüllte er, hörte die frevelhaften Gesänge der Angst in seinen Gedanken stärker werden. Sie riefen ihm zu, wie schwach und ungeübt er war. Sie spotteten mit schiefen Stimmen, wie töricht er war sich einzubilden, eine Chance gegen einen Dämon von Mollys Kaliber zu haben… Verzweifelt begann er auf das Eis einzuschlagen, spürte mit jedem Schlag eine neue schmerzhafte Folter. Sein Bein reagierte auf jeden Schlag, als bohrte sich das kühle Metall seines Schwertes in das Fleisch… Molly grunzte gehässig, ihre beiden Schädel wechselten sich mit einem fahlen Gesang ab, summten an Übermacht und Stolz. Ihre dünnhäutigen Flügel setzten sich in Bewegung, erzeugten starke Winde und Mollys schwerer und doch galanter Körper drehte sich in dem vereisten Gewölbe. Sie schäkerte, ihre schmalen Köpfe zuckten interessiert. „Ich habe noch eine Überraschung für dich“, sprach das zischende Ungeheuer, während Link versuchte sich aus dem Eis zu befreien und hin und her zappelte. Verzweifelt donnerte er die schwere Waffe auf das Bein, hatte für einen kurzen Augenblick den widersinnigen Gedanken sich das Bein abzutrennen… „Weißt du, was der große Plan meines Meisters war? Ich verrate es dir, ja ich verrate es dir. Haha… Einst gab es eine große, wundervolle Welt, die der Lord nicht gewinnen konnte, aber in dieser wundervollen Welt hausten neben den unschuldigen, reinen Wesen auch dämonische Geschöpfe und uralte, machtvolle Wesen wie ich eines bin. Als er uns rief, und wir alle folgten ohne zu zögern, wussten wir, wir würden hier in dieser neuen Welt für seine Rache stehen. Wir würden die finden, die sein Schicksal zerstört hatten und wir würden den Helden finden.“ Sie ließ eine kurze Pause und den anderen feuerspeienden Schädel sprechen. „Du bist in die Falle getappt und nein, dich zu rösten oder zu Tode erfrieren, ist doch viel zu einfach. Und es reicht meinem Meister nicht. Er möchte deinen geschwächten Körper haben, dir mit seinen eigenen Händen das Herz aus der Brust reißen. Das hat er mir verraten! Nur mir! Und deshalb lasse ich den Wasserspiegel wieder ansteigen und wenn du ersoffen bist, dann kommt der Meister hierher und holt dich!“ „Du kranke Ausgeburt des Wahnsinns! Mich kriegst du nicht! Eher ramme ich mir das Schwert ins Herz oder schneide mir ins eigene Fleisch“, kreischte Link und schlug weiterhin verzweifelt mit dem Schwert auf das Eis ein, dass er damit zum Splittern brachte. Molly war dabei erneut Eis zu spucken, wollte ihn bannen, festhalten, sodass er aus diesem unterirdischen Verließ nie wieder entkam, wollte ihren Plan ausfüllen, die Rolle spielen, die ihr in diesem Schicksalskampf zugeordnet schien, aber plötzlich zögerte sie. Sie zuckte zurück, ihre beiden Schädel gifteten sich gegenseitig an. „Er würde sich selbst töten!“, rief der eisspuckende Schädel und die pechschwarze, schuppige Haut des Eiskopfes schimmerte, während sie sprach. „Ja doch, das hat er gesagt!“, donnerte es mit einem Strahl aus zerstörerischen Feuern aus dem langen Maul des anderen Kopfes. „Das hätten wir niemals gemacht! Wir sind feige, aber der Meister wusste das!“ Link wischte sich erneut Schweißperlen und Schmutz aus dem Gesicht und nutzte seine Chance, nutzte die Gunst der Minute, als Molly irritiert schien. Er wusste, das Eis würde kaum mit seiner Willenskraft zerbersten, aber eine neue Idee entstand aus dem verzweifelten Versuch seine Haut zu retten. Seine rechte Hand wanderte zu einer Hosentasche, wo er einen kleinen Gegenstand versteckt hatte. „Aber das interessiert uns nicht. Wir hätten uns töten können… lange vor der Meister uns dieses Spiel lehrte, aber wir waren zu feige!“ Sie sammelte ihren Verstand, sammelte ihre Erinnerung an das, was der Dämon mit ihr gemacht hatte und versuchte gewaltvoll die Erinnerung an das menschliche Herz in ihrem Körper wegzusperren. Mit bösartiger Eleganz warf der Drache seine Köpfe zurück, öffnete die riesigen Mäuler, wo messerscharfe Zähne wie Quecksilber schimmerten, und erneut setzte sie zur Attacke an. Fluchend rüttelte Link kräftig an seinem Bein und schlug weiterhin auf das glitschige, schleimige Eis ein, aber er konnte es keinen Zentimeter bewegen. Er sah gleißende, hellblaue Wogen aus Eis bereits aus dem Maul der Kreatur steigen, als er den Versuch sich noch rechtzeitig zu befreien, aufgab. Einem kleinen Item von seiner zitternden, kalten rechten Hand umschlossen, vertraute er sein verbliebenes Leben an, ließ das Objekt wach und lebendig werden. Er warf das kleine Objekt in die Höhe, es funkelte im herben Eislicht, blitzte, als wollte es dieser Hölle entkommen und tanzte in der kühlen Luft. Es war einer von Narandas Wurfsternen. Ein kleines Objekt der Hoffnung… Jauchzend riss Link das Schwert herum, nutzte jenes wie einen Baseballschläger und pfefferte so präzise wie möglich das kleine tanzende Objekt in Mollys Richtung. Der Wurfstern donnerte zischend durch die eisige Luft in jenem unterirdischen Reich, beschleunigte die Geschwindigkeit als würde er angetrieben von unsichtbaren Händen und drehte sich mehrfach, sodass sich seine Kanten in rasiermesserscharfe Klingen wandelten. Innerhalb von Sekundenbruchteilen bohrte sich das rupfende Metall in eines von Mollys vier Augen, zerriss einen Augapfel und verursachte einen Schmerz, den der Drache kaum aushielt. Panisch schrie Molly auf und diesmal war in dem tiefen Raunen der erbarmungslosen Kreatur das kleine, weinende Kind wieder hörbar. „Nein, was hat der Held getan? Das tut so weh! Das tut weh!“ Der Schmerz vibrierte in ihrem Kopf, und auch er erinnerte an eine verlorengegangene Menschlichkeit. Jaulend warf sich das Biest nach hinten, rammte die glitschigen Wände, sodass die Welt um Link und seinen Gegner herum bebte, und für einige Sekunden schien Molly wie gelähmt. Link nutzte die kurze Zeit und ergriff hastend die Initiative sich vollends aus dem Eis zu befreien. Beinahe brutal senkte er die Klinge in das Eis und konnte es endlich zerstören. Tief durchatmend richtete er sich auf, konnte kaum begreifen, dass er schon wieder Glück hatte und hielt sich tapfer auf den schmerzenden Beinen. Als Molly ihre Gesichtsfelder wieder zu ihm wendete, stand Link schnaufend auf den Beinen und grinste ihr mit einer schmerzbewussten Gelassenheit entgegen, die Molly ein weiteres Mal erschreckte. Da war lebendiger, wenn nicht sogar legendärer Mut in seinen Gesichtszügen, jene Eigenschaft, die Dutzende von ihrer Art vernichtet hatte. „Du verdammter, verdammter Held! Denkst du, das war schon alles? Ich habe Eis um alle Ozeane der Welt erstarren zu lassen. Du wirst mir nicht entkommen!“, brüllte sie und zuckte mit dem verletzten Auge. Schwarzes Blut tröpfelte in Strömen aus einer silberschimmernden Wunde. Als Antwort hob Link sein richtendes Schwert in die Höhe. Seine Bürde war schwer und der Kampf forderte alles an Energie und Mut, was er hatte, aber aufgeben würde er niemals, nicht solange das Herz in seiner Brust tosend schlug. Und er entschied, dass er nun nicht mehr zögern konnte. Egal wie sehr er bedacht war auf seine Deckung, wenn er weiterhin nur weglief, würde sie ihn früher oder später mit ihrem Feuer rösten oder ihrem Eis einfrieren. Er musste ein Risiko eingehen und er hatte nur eine Chance… Er sprach kein weiteres Wort, ließ das Schwert in seiner Hand für ihn sprechen und setzte sich mit der letzten Energie und Hoffnung in seinen Venen in Bewegung. Elegant rannte er sich näher, obwohl Wunden und Prellungen seinen Körper zehrten. Er hetzte in die Klauen seines Feindes, schnellte dahin, als wollte er allem entfliehen, was die Welt ihm auferlegt hatte. Und während er rannte, die raschen, gefährlichen Bewegungen Mollys im Visier, tickte einmal mehr der Puls der Zeit für ihn langsamer. Er sah den Angriff seines Widersachers kommen und gehen, sah jede erdenklichen Ausgänge dieser Schlacht. Silbergraue Fäden spannten sich in dem riesigen Gewölbe aus, zupften und klirrten, als Link auf ihnen entlang tanzte. Er sah die Fäden des Schicksals sich vereinen an einem Punkt, wo er seine einzige Chance erkannte. Da war die Wurzel einer alten Macht, die er abtrennte von dem vorherbestimmten Pfad. Da war das winzige Licht des Sieges, das ihn beflügelte. Er hetzte vorwärts und ein erster, sicherer Kampfschrei entbrach seiner Kehle, ließ Molly für Sekunden unkonzentriert werden. Erneut erschuf sie messerscharfe Wellen aus Eis und einen verheerenden Sturm aus Flammen, aber sie traf den Heroen nicht. Wutentbrannt schnellte sie umher, senkte ihre reißenden Klauen tief in festes Lavagestein und tobte vor Zorn. Der Heroe jedoch wich geschickt ihren Attacken aus, ließ sich führen von mutiger Intuition und von der legendären Hoffnung, die ihn nicht scheitern lassen würde. Mit Schweiß und Blut kämpfte er sich durch magische und physische Angriffe und erreichte mit einem Schnaufen tief aus seiner Lunge den langen, knöchernen Schwanz des majestätischen Drachens. Er verlor keine Zeit und stieß die scharfe, in Blut, Schweiß, Eis und Feuer getaufte Klinge nieder, bohrte das vernichtende Stück Stahl kraftvoll und lähmend in das knöcherne Ende von Molly Rückgrat. Schwarzes Blut spritzte dem jungen Heroen entgegen, spritzte auf sein grünes T-Shirt, verätzte den Stoff, als wäre es hochprozentige Säure. Ein Grölen, als wurde Mutter Natur in tiefster Erde gespalten entkam ihren beiden entstellten Mäulern Mollys und noch ehe Link reagieren konnte, schlug sie wild um sich, ließ ihren verletzten Schwanz wie eine Peitsche hin und her knallen und verpasste dem Helden der Erde einen so kräftigen Hieb, das er mit einem Schrei, der unter Mollys Fauchen unterging, durch die Höhle geschleudert wurde. Gnadenlos wurde der Heroe durch die Luft gewirbelt und landete mit einem unangenehmen, weiteren Knacken an rauer, harter Wand. Er sackte nieder, wimmerte und war kurz davor das Bewusstsein zu verlieren, sah Schwärze vor seinen Augen sich ausbreiten, schmeckte das Blut seiner aufgeplatzten Lippe und rang quälerisch nach Luft. Unter Schmerzen rappelte er sich auf, öffnete seine brennenden Augen und stützte sich atemringend auf das Schwert. „Du hast mich verwundet!“, zürnte Molly und stapfte mit ihren mehreren Tonnen in seine Richtung. „Du spürst die Schärfe des Schwertes wohl doch an deiner Lederhaut, was?“, scherzte Link unter zunehmender Erschöpfung, stemmte sich auf die Beine und grinste wie ein Wahnsinniger zu Molly hinauf. „Meintest du nicht, ein Schwert wie dieses könnte dich nicht verletzen?“ Mit einem zitternden, linken Arm hielt Link die summende Klinge in die Höhe. „Du bist es!“, rief sie. „Es liegt an deiner Hand, die das Schwert führt! Weil du es führst, kann mich der Stahl verwunden! Verteufelt sollst du sein! Ich sag‘ das dem Herrn, ich werde es ihm alles sagen!“ Sie schlängelte sich näher wie eine Schlange, zischte, als ihre knöchernen Häute den Boden entstellten, zischte, als sie ihre riesigen fledermausartigen Flügel flatternd bewegte. Link jedoch hielt inne, biss sich auf seine blutende Lippe, aber grinste fortwährend. Er konnte den Drachen verwunden, was bedeutete, dass er ihn auch besiegen könnte. Er musste nur noch ein wenig durchhalten. Der Gedanke spornte ihn an, schenkte ihm Kraft, die ihn erneut einen Angriff wagen ließ. Er würde kämpfen. Unerschütterlich. Stolz. Gnadenlos… Einmal mehr prallten beide Widersacher aufeinander, einer kämpfte mit Stahl, einer mit Feuer und Eis. Einer war eine erschreckende Übermacht, der andere klein, unscheinbar, aber legendär… Und jener Kampf schien erwählt von den ältesten der Götter, würde entscheiden über das Gute und das Böse… Seine verbliebenen Kräfte mobilisierend wich Link den Attacken Mollys aus, hetzte mit der Waffe durch Feuerfontänen und durchbrach Eismauern, erreichte seinen gigantischen Feind in einem erbarmungslosen Hetzen, in zermürbenden Donnern und riskanten Manövern. Molly stürzte zähnefletschend durch das Gewölbe, zerstörte Säulen aus uraltem Gestein, zerfetzte Steinwände und setzte an sich erneut in die Höhe zu erheben, sich in ihrem Element der Luft zu schlängeln und von dort aus zu vernichten. Ohne weiter zu überlegen, warf sich Link vorwärts, umfasste eine der vielen knöchernen Wucherungen an Molly Schwanz und hielt sich so fest wie er konnte. Leicht benommen beobachtete er die Szenerie, die sich entfernende Bodenplatte aus Lavagestein, übersät mit Geröll und aufwirbelndem Staub, war fasziniert zu fliegen und gleichzeitig erfüllt von Adrenalin dieses wahnsinnigen Kampfes. Molly flog durch ihr Gewächs aus Eis und Feuer, flatterte mit ihren dünnhäutigen und doch zähen Flügeln dahin und flog immer schneller, bohrte ihr Hinterteil in die rissigen Felswände in der Hoffnung den Heroen abzuschütteln. „Das ist gemein! Verdammter Held! Verschwinde!“, brüllte sie mit beiden Mäulern, erzeugte kratzige, schiefe Töne und beschleunigte immer mehr. Mit aller Kraft hielt Link sich fest, bohrte das Schwert tief in Molly schwarzes von silbernen Fäden durchzogenes Fleisch, hörte sie fauchen und brüllen, aber er kämpfte weiter. Beinahe krampfartig hielt er sich an dem Schwert fest, das tief in ihrem Fleisch saß, sie folterte und bestialisch verbrannte. „Hör auf!“, rief sie dröhnend, überschlug sich mit Eis- und Feueratem, ihre Köpfe schnellten in alle Richtungen, trafen sich kurz gegenseitig, und es war dann, dass der riesige, tonnenschwere Drache in einem Moment gespenstischer Stille in den Sturzflug sank. Sie schien wie gelähmt und erreichte mit einem ohrenbetäubenden Knall den Boden, zerberstete das Gestein unter sich und atmete fiebrig. Die Wucht der Attacke hatte auch Link erfasst. An der Grenze zur Ohnmacht lag er wenige Meter weiter, hatte das Schwert aus den Händen verloren und blickte mit einer blutigen Schramme an der Stirn zu Mollys schnaufenden Köpfen. Er war inzwischen völlig erledigt, seine Augen nur halb geöffnet leuchteten mit Hoffnung auf ein Ende dieses Gefechts, das alles überstieg, was er in seinen Träumen erlebt hatte. Für wenige Sekunden fragte er sich, was wohl geschehen würde, wenn er hier versagte, fragte sich, wer seine Freunde rettete und wer dann noch in der Lage war, Zelda zu beschützen… Würde ein weiterer Held kommen und diese Welt retten? Waren irgendwo in den Weiten dieser Welt Helden versteckt, die unsterbliche Ideale in sich trugen und wären sie bereit gegen Skelettritter und Drachen zu kämpfen? Jede einzelne Körperzelle pochte, alles tat ihm weh, aber wenn er nicht sofort aufstand, sich erhob wie der letzte Krieger einer vergessenen Welt, wer sollte Molly aufhalten? Er wimmerte vor Schmerz, kniff die Augen zusammen und spürte salzige Tränen in den Augen, als er sich auf beide Arme stemmte. Ein herzzerreißender Laut entkam seiner Kehle und doch machte jener Laut Mut, erstarkte und erzwang Gerechtigkeit. Er fror und schwitzte zugleich, sah funkelnde Sternchen der Erschöpfung vor seinen Augen, aber bewegte sich taumelnd vorwärts. Molly war betäubt, lag noch immer regungslos wie eine riesige Statue in diesem unterirdischen Labyrinth. Ein leiser, dumpfer Atemzug krachte durch ihren Körper, vibrierte leicht, beinahe unschuldig… Link setzte einen Fuß vor den anderen, schlürfend, beinahe auf eine marionettenhafte Weise, als würde er von fremden Händen gesteuert. Und als Mollys eisspuckender Kopf leicht zuckte, tapste er weiter, ließ sich von den schwachen Bewegungen des Drachens kaum beeinflussen, ließ das Schwert, das noch immer in Molly Schwanz stak nicht aus den Augen. Er bewegte sich auf seine Waffe zu, tapste vorwärts, als der Drache sich erneut zu regen begann. Mühsam erreichte er das abgenutzte, aber zum Töten bereite Schwert, zog die Klinge mit einem Ruck aus dämonischem Fleisch und begann zu klettern. Link kämpfte sich auf den schmalen Rücken der Bestie, spürte ihre unebenen, knöchernen Fortsätze, spürte ihre leichten Bewegungen, als sie sich aus der Ohnmacht reißen wollte, aber auch dies ließ er außer Acht. Er hatte nur ein Ziel und wollte seine Klinge in einen ihrer Köpfe rammen, diesen Wahnsinn beenden und sich beweisen, wozu er fähig war, sich beweisen, dass es notwendig war Kreaturen der Finsternis zu vernichten. Seine Schritte auf ihrem schuppigen Rücken wurden fordernder und fester. Er trat weiter und weiter, seine Augen leuchteten mit Feuern verloren geglaubter Ideale und sie leuchteten durch das Dunkel jenes unterirdischen Reiches. Er erreichte Mollys langen, spröden Rücken, bewegte sich weiter, bis er den Hals von Mollys Eiskopf mit den Beinen umschlang. Und es war dann, dass die Bestie ihre lodernden Augen öffnete, begann ihre Köpfe heftig hin und her zu schlagen, realisierend dass Link nur einen Schritt entfernt war von einem ehrenvollen Sieg über dieses Unheil. Sie fauchte, schlug wild mit ihren überdimensionalen Flügeln, aber Link hielt sich weiterhin fest, und senkte die Waffe in einem Anflug der Verzweiflung so kraftvoll wie er konnte in den eisspeienden Schädel. Es krachte, es knirschte als wurde das härteste Metall gespalten und das Knirschen wurde überstimmt von einem plötzlichen hellen Aufschrei, hoch und markerschütternd. Es war nicht länger der Drache, der schrie, es war ein kleines Kind, das einen Laut des Schmerzes ausstieß, das winselte und wimmerte. Molly bewegte sich plötzlich heftig hin und her, bemüht ihren Gegner zu Fall zu bringen. Schwankend hielte sich der jugendliche Kämpfer an einer hellblauen, pelzigen Mähne fest. Hin und her warf sich das Ungetüm, stieß Hitzewellen und nur mehr winzige Eisstürme aus seinen Mäulern, bis der Schädel, der den Geschmack von glühendem Stahl erfahren hatte, begann zu schweigen. Verzweifelt und wimmernd, ein Laut der die unterirdischen Höhlen in Schwingungen versetzte, erhob sich der Drache erneut, erhob sich flüchtend vor dem Heroen. Der grünbemützte Kämpfer sprang in letzter Sekunde hinab, rollte sich mit dem Schwert in der Hand über den Boden und erwachte aus einer bitteren Trance, die ihn geleitet hatte, die ihn jenen Vernichter hatte sein lassen, der er sein musste. Auch er atmete fiebrig, spürte brennende Schweißperlen über sein Gesicht laufen und blickte mitleidig zu dem einst wundervollen, magischen Geschöpf, das jener Drache war, bevor die Seuche des Bösen ihn eingeholt hatte. Der Eiskopf war geschwächt, eine Ader des Bösen durchtrennt, aber noch war es nicht vorbei. Link stützte sich auf seinem Schwert ab, um für einige Sekunden zu verschnaufen… Mit verängstigen Gesichtern, wimmernd und erschöpft krochen die vermissten Menschen, jene, die der See und eine finstere Gewalt dahinter verschluckt hatte, zurück an das freie Tageslicht. Ein Teil hatte Tränen in den Augen, eine junge Frau brach auf ihre aufgeriebenen Knie. Mit Dankbarkeit in ihren von Dreck und Schweiß beladenen Gesichtern reckten sie ihre Gesichter in Richtung des Himmels und spürten die Wärme der Sonne, als erlebten sie jene zum ersten Mal. Und es war dann, dass Feuerwehrleute, zwei Ärzte und Sanitäter in das leere Bett des Sees sprangen und hektisch zu den Überlebenden rannten. Auch Sian hetzte näher, schien aus dem Nichts aufgetaucht zu sein und erkundigte sich über das Geschehen. Er blickte mit seinen blutroten Augen von einem zum anderen, suchte nach Link und wurde unruhig, als einige der Opfer anfingen zu wimmern. Der ältere Mann mit den verbrannten Wangen schien als einziger sortiert und winkte die Rettungskräfte näher. „Können Sie mir sagen, was vorgefallen ist?“, meinte Sian und umfasste den Oberarm jenes Mannes fest. Der Angesprochene nickte und schielte verängstigt in Richtung des Höhleneingangs. „Gott… beim lieben Gott im Himmel… ich wünschte, ich könnte selbst verstehen, was geschehen ist…“ „Beruhigen Sie sich“, sprach Sian ernüchternd. „Sie sind der Gefahr entkommen, und in wenigen Stunden werden sie zuhause sein und das Geschehen wird allmählich in Vergessenheit geraten, aber jetzt müssen Sie mir sagen, was geschehen ist.“ Er ließ sich zu Boden sinken, als ein Sanitäter ein Blutdruckmessgerät an seinen Arm band. Es schien keinen der Rettungskräfte zu stören, dass Sian Auskunft verlangte, es erschien beinahe so, als bemerkten sie ihn kaum. Eine ältere, unverletzte Frau erhob sich und schüttelte den Kopf, als ein Arzt sie ausfragte. Sie trat näher zu dem blonden Irländer und erklärte: „Keiner von uns kann tatsächlich begreifen, was geschehen ist.“ Sie zog ihre Nase nach oben und nahm dankend eine Decke von einem Feuerwehrgehilfen, da sie fröstelte. „Es war einfach nur schrecklich… es war schrecklich. Die vermisste Molly haust dort unten…“, brachte sie stockend über ihre bleichen Lippen. „Dieses wahnsinnige, dumme Mädchen hat es geschafft uns in diese stinkende Höhle zu zerren, als der Wasserspiegel sank… es fühlte sich an wie ein gewaltiger Strudel. Und als wir in einer Höhle zu Bewusstsein kamen, waren wir alle angekettet, umgeben von Monstern…“ Tränen quollen aus ihren Augen, und der Mann von vorhin legte ihr den Arm um die Schultern. Seine Wangen waren mittlerweile von dem Arzt versorgt. Zwei riesige Pflaster lagen darüber. „Bursche… du würdest uns nicht glauben… diese Geschichte ist nichts für deine Ohren… dies geht Unbeteiligte nichts an. Wir wollen diese Schrecken einfach nur vergessen.“ Die Worte des Mannes stießen Sian bitter auf. „Ich bin nicht unbeteiligt“, erklärte er. „Mein Freund ist dort unten und sie wollen mir weiß machen, dass es mich nicht interessieren soll? Sagen Sie schon, wo ist er, der junge Mann mit dem grünen Basecape, etwa eins achtzig groß, er wollte ihnen allen helfen.“ Neben der Frau und dem weißhaarigen Mann sahen nun auch andere Gerettete auf. „Dieser Junge…“, begann eine junge Dame, die nur mit einem blauen Badeanzug bekleidet war, auch sie kuschelte sich in eine Decke. „Er war unglaublich… er hat gekämpft mit einem Schwert, als gehörte er in eine andere Welt, er sagte, er müsse diese Sache dort unten erledigen. Er hat uns alle gerettet.“ Sian lächelte schwach und blickte zu dem Eingang der Höhle. „Also ist er noch immer dort unten…“ „Ja, er kämpft gegen Molly…“, murmelte ein anderer. „Und er half uns zu entkommen. Er ist ein Held…“ Die Augen der wenigen Menschen leuchteten, erzählten von Menschlichkeit und veränderten Wesen. „Wir hätten nicht einfach weglaufen dürfen… wir hätten ihm helfen müssen“, sprach ein weiterer, ein junger Mann, der sich kaum auf den Beinen halten konnte. Ein Arzt verpasste ihm gerade in dem Augenblick eine Infusion. „Auf keinen Fall“, stellte Sian klar, wirkte kühl und streng. „Es ist sein Kampf, nur seiner allein. Er hasst es, wenn sich andere einmischen.“ „Und wobei hätten wir ihm auch helfen sollen“, sprach die ältere Frau weiterhin. „Er will Molly doch nur zur Vernunft bringen.“ Sian nickte und heftete seine Augen besorgt zu dem Höhleneingang. Auch er überlegte in das Labyrinth zu schlüpfen oder aber dem Helden der alten Welt zu vertrauen. Wie würde sich Link in seinem Stolz verraten fühlen, wenn andere versuchten ihm aus der Patsche zu helfen? In dem Augenblick rannte Pat herbei, während Trolli einmal mehr das Weite gesucht haben musste. Als die Schaulustigen am See mit gaffenden Gesichtern in den ausgetrockneten See starrten, war er verschwunden, hatte sich vielleicht von seiner Angst lähmen lassen. „Wo ist Link“, fragte Patrick van der Hohen entgeistert und trat mitten in die Runde des Geschehens. Er hatte schließlich beobachtet, dass Link, so lebensmüde wie er war, einfach in das unterirdische Reich des Sees eingetreten war, ohne mit den Wimpern zu zucken, als wäre es seine Pflicht. „Ist er noch nicht zurück?“, setzte Pat hinzu. „Nein, er ist noch immer da unten“, sprach Sian trocken und auf die Öffnung der Höhle deutend. „Wie bitte? Was soll das heißen? Was macht er denn dort unten?“ Panisch werdend blickte Patrick einen Geretteten nach dem anderen an und kam sich plötzlich schutzlos vor. „Diese Erklärung muss dir derjenige geben, der diese Menschen gerettet hat“, murmelte Sian und blickte mit seinen scharlachroten Augen in der Runde umher. „Hören Sie mir bitte alle zu“, rief er deutlich, worauf alle mit dem Leben davongekommenen Menschen aufsahen. „Vergessen Sie, was da unten passiert ist. Es darf auf keinem Fall an die Öffentlichkeit gelangen. Also bitte, denken sie sich eine plausible Erklärung für den Vorfall aus und seien sie dankbar, dass ihnen das Leben gerettet wurde.“ Doch die Anwesenden schienen nur Unverständnis zu zeigen. „Denken Sie an ihren Retter! Niemand darf herausfinden, dass er noch lebt. Seien sie dankbar und bedenken Sie, dass andere Unschuldige möglicherweise in ein ähnliches Unglück geschickt werden, wenn sie mit dieser Geschichte, was immer dort unten auch geschehen ist, hausieren gehen. Sie müssen unbedingt Schweigen bewahren, auch im Sinne des Retters. Haben Sie das verstanden!“ Respektvoll nickten fast alle der Menschen und traten langsam zurück, entfernten sich in Richtung Ufer und ließen sich helfen über die Absperrungen zu klettern. Als Sian noch einmal zur Öffnung der Höhle starrte und inständig hoffte, dass Link in Ordnung war, packte Patrick van der Hohen den athletischen, aber durchaus dünnen Kerl fest an der linken Schulter. „Jetzt warte doch mal“, sprach er. „Was willst du?“ „Ich weiß, wir haben nix miteinander zu tun, aber Link ist mein Zimmermitbewohner und ehrlich gesagt, war ich echt froh, dass er da war. Es klingt idiotisch, aber ich habe mich nach diesen ganzen seltsamen Geschichten hier in Irland viel sicherer gefühlt, weil ich wusste, dass er im Bungalow wohnt. Ich will nicht wie ein neugieriger, dummer Junge wirken, aber…“ „Aber?“ Sian verzog sein Gesicht abfällig. Er war nicht gerade offen für Gesellschaften, er mochte auch keinen riesigen Freundeskreis und neue Kontakte passten nicht zu seinem Lebensstyl, er war ein Einzelgänger und nicht gerade daran interessiert fremde Burschen näher kennen zu lernen. Und Patricks Fragen zu beantworten, darauf hatte er nicht gerade Lust. „Gott, ich würde schlichtweg gerne wissen, was überhaupt passiert ist…“ „Wie ich schon sagte“, meinte Sian schnippisch. „Das wird Link dir erklären, wenn er zurück kommt.“ Einsichtig, dass er von Sian wohl keine Auskunft einholen konnte, nickte er lediglich und trat mit weichen Knien aus dem Bett des Sees heraus. Wacker hielt sich der Held in jener Minute auf den erschöpften Beinen und seine tiefblauen Augen funkelten mit dem Entsetzen, das ihn wie ein eisiger Regenschauer einholte. Er konnte noch immer kaum glauben, was er hier tat, fühlte sich wie in einem seiner Alpträume und spürte die erdrückende Last seiner Verantwortung. Er war hier als ein Krieger, der sich die Pflicht auferlegt hatte einen mörderischen Kampf ohne Beistand zu meistern. Er war hier, weil er sich diese Kämpfe auf eine wahnsinnige Art und Weise gewünscht hatte. Aber war dies alles denn wirklich real? Er reckte sein schmerzendes Haupt in die Höhe und erstaunte an dem Schauspiel in diesen finsteren unterirdischen Gefilden, wo sich rotglühendes Fackellicht an den quecksilberfarbenen Schuppen des Drachens, an gefrorenen Eissäulen und verrauchtem Gestein spiegelte. Und direkt über ihm in einer edlen Haltung, krallte sich Molly wie eine Fledermaus an das Deckengewölbe, hing kopfüber, während glühender Schleim aus ihrem entstellten Eiskopf sickerte. Sie winselte, begrub ihre Schädel schützend unter ihren dünnen, lappenartigen Flügeln. „Der Held hat mir weh getan“, wimmerte sie. „Ich will, dass mein Meister mich beschützt… Bitte… ich bin so allein…“ Sie schluchzte mit dem tiefen Grölen, das tief aus ihrem Bauch drang. „Warum lässt mich jeder hier alleine?“ Sie schlug mit ihren Flügeln, erzeugte einen messerscharfen Wind, der den jungen Heroen wenige Schritte zurückdrängte. Link schützte sich, hielt seine Arme vor den Oberkörper und kniff die Augen zusammen. „Ich werde das Wasser rufen!“, rief Molly plötzlich, schlug ein weiteres Mal mit ihren riesigen, skelettartigen Flügeln und blickte mit ihren drei gesunden Augen zu dem letzten Helden Hyrules hinab. „Hörst du!“, schimpfte sie. „Ich schicke das Wasser hierher und dann wird das Wasser wieder den ganzen See ausfüllen“, rief Molly. Sie bewegte sich, kroch am Deckengewölbe entlang, als hatte sie die Schwerkraft der Erde vergessen und zürnte. Und plötzlich summte es von weither. Ein Geräusch drang an Links Ohren, dass er kaum ignorieren konnte. Ein Rauschen hallte in der Ferne, plätscherte dahin, füllte verloren geglaubte Höhlen in diesem unterirdischen Reich. Das Wasser des Sees kehrte zurück, ließ den jungen Krieger unruhig werden. „Na und? Glaubst du, ich lasse mich von ein bisschen Wasser aufschrecken. Bis es diese Höhle ausfüllt, ist noch genug Zeit mit dir abzurechnen, Monster!“, rief Link stur, erhob sich strahlend, als leuchtete die reine Seele in seinem Inneren nach draußen. Und mit seinen Worten fand er Kraft und Tatendrang. „Komm‘ runter, du feige Bestie!“ Molly ließ sich nicht zweimal bitten. Provokant stieß sie sich mit ihren gigantischen Klauen von dem Deckengewölbe ab, sodass die Erde unter Links Füßen bebte und flog in wildem Bogen dahin, zerschmetterte Felswände und ließ ihren Feueratem gewaltvoll durch den Untergrund dröhnen. Im Sturzflug sank sie nieder, blickte verachtungsvoll zu ihrem winzigen Gegner und donnerte mit immer höher werdenden Geschwindigkeit in Links Richtung. Der Dämon, der Mollys Seele besetzt hatte, ging nun aufs Ganze. Sie schlug wild mit ihren Flügeln, flog elegant in seine Richtung, beschleunigte und antwortete auf Links Aufforderung mit ihrer Feuersprache. Ein Strahl aus verbrennendem Licht donnerte in Links Richtung, der begann erneut Kräfte zu mobilisieren. Geschwind hetzte er herum, rannte direkt auf die hinter ihm liegende Wand zu und versuchte ein neues, riskantes Manöver. Nun würde er austesten, wie viel Kraft in seinen Beinen schlummerte. Er rannte mit dem Schwert in der Hand, spürte Molly hinter sich näher rauschen, hörte sie brüllen, hörte sie lachen… Und als der jugendliche Heroe die steinige Felswand erreichte, steuerte er weiterhin direkt darauf zu, beschleunigte noch mehr und lief in einem Spektakel neuer Kräfte einige Schritte die Wand hinauf. Er bewegte sich, die Bewegungen seines Körpers flossen nur so dahin und das obwohl er körperlich und mental geschwächt war. Und als er die Schwerkraft spürte, stieß er sich mit beiden Beinen an der Wand ab, drehte sich in der Luft mit einer Federleichtigkeit, spürte in seinen Körper hinein, fühlte die Kraft des Mutes brodeln. Wie ein Künstler drehte er sich in der Luft, während der Gegner mit der Wucht einer angreifenden Attacke unter ihm dahin schoss. Knackend landete der junge Held ein weiteres Mal auf dem Rücken seines Gegners, bohrte die zerfetzende Stahlklinge tief in Mollys dämonischen Körper, versuchte sich unter Aufbietung aller Kräfte festzuhalten, aber spürte plötzlich den knöchernen Schwanz der Kreatur, der ihn herb erwischte. Mit markerschütterndem Schrei knallte der Heroe zu Boden, lag regungslos und benommen viele Meter weiter. Die blutbefleckte Klinge, die durch seine Hand erst zum Leben erwachte, wirbelte in die andere Richtung des Gewölbes, klirrte und summte, bis der Klang des Kampfes erlosch. Fest stak die Klinge des Retters in einer Seitenwand. „Jetzt ist es aus“, rief Molly siegessicher und stapfte mit ihrem tonnenschweren Gewicht in die nasse Erde. „Ich habe den Helden erwischt!“ Sie jubelte, ließ ihren feuerspeienden Kopf Geschosse aus glühendem Atem durch die Höhle sausen. Und noch immer rührte sich der jugendliche Heroe nicht. Ein dünner Blutstrahl floss von seiner Stirn hinab, und noch immer lag er still. „Mein Lord!“, rief Molly mit rauchiger Stimme, kollernd und tobend. Ihr beschupptes Antlitz erhob sich, richtete sich auf mit hitziger Begeisterung. „Ich habe es getan! Mein Lord!“ Ihre Stimme schwoll an, dröhnte hinauf bis an den Obergrund, dröhnte hinaus um allem Bösen ihren momentanen Sieg zu verkünden. „Ich habe den Heroen besiegt! Er liegt zu Boden!“ Und während sie durch die Höhle tanzte und ihren vermeintlichen Erfolg bewunderte, wurde Link durch ihre Ohren zerfetzenden Rufe aus seiner bitter nötigen Bewusstlosigkeit herausgeworfen, sog die säurehaltige Luft zischend ein und ballte beide Hände vor Schmerzen zu Fäusten. Er brauchte einige Sekunden zu realisieren, wo er war und in welch mörderischer Gefahr er sich befand… und nicht nur er. Er erinnerte sich mit einem Schlitzen in seinem Herzen, dass ganz Irland von Mollys Feuersbrunst in Schutt und Asche gelegt werden könnte. Wenn er sie nicht besiegte, würden Tausende Menschen sterben müssen… Er stieß einen quälerischen Schrei aus seiner Kehle, als er sich auf seine Arme stützte, spürte seine Muskeln aufbegehren. Sein Körper wollte nicht mehr. Seine Muskeln versagten ihm den Dienst. Er warf den Kopf in den Nacken und blickte mit tränenden Augen vorwärts. Sein Blick fiel zu der glimmenden Klinge von Naranda Leader, wusste, dass er wohl keine Chance hatte auch nur in die Nähe der Waffe zu gelangen und stützte sich auf seine brennenden Knie. Schweiß lief ihm über das Gesicht und trockener Schleim brannte in seiner Kehle. Er fühlte sich bitter elend und hatte doch den verrückten Sturkopf in sich, der nicht aufgeben wollte. Und als sich Link auf seine zitternden, erschöpften Beine stemmte, erneut erhob, als wäre sein Wille unzerstörbar, richtete auch Molly ihre beiden Schädel einmal mehr in seine Richtung. Sie zürnte, das kleine, trotzige Kind in ihrem Inneren kreischte, weil Link einem weiteren ihrer Angriffe überstanden hatte. „Kannst du nicht endlich sterben!“, brüllte sie. „Verdammter Held! Verdammter, verdammter Held!“ Link lachte und grinste idiotisch, schmeckte das Blut von seiner Stirn, das träge bis zu seinen Lippen tröpfelte und bot Molly mit geöffneten Armen erneut an sich an seiner Verwundbarkeit zu laben. „Ich bin noch immer hier!“, rief er, gefoltert von energetisierenden Schlägen seines Herzens, das ihm Signale sendete sich fallen zu lassen. Aber er würde diesen Kampf erst zu Ende bringen. Er würde selbst mit gebrochenen Armen und Beinen weitermachen. „Wie lange brauchst du eigentlich um einen Menschen zu töten, lausiger Drache!“, spottete er und lehnte sich schnaufend an die hinter ihm befindliche Felswand. „Ich mach‘ das für meinen Meister“, begann sie zürnend zu erklären. Sie stapfte mit ihren Klauen besetzten Füßen auf den felsigen Untergrund, während dickflüssiges, silbern funkelndes Blut wie Quecksilber aus ihren Wunden tropfte. „Ich hab‘ dir vorhin schon gesagt, dass ich dich nicht töten sollte. Das wollte mein Herr machen. Er wollte es so, und ich höre auf meinen Herren. Er ist ein Gott unter den Menschen!“ „Was für ein lächerlicher Gott, der einen Drachen die Drecksarbeit machen lässt!“, murrte Link und spuckte Blut und Schleim aus seinem Mund. „Dein toller Meister ist ein Feigling, sonst würde er selbst hier her kommen und sich mir stellen! Er ist eine armselige, dumme Kreatur!“ „Nein“, donnerte Molly aus beiden entstellten Mäulern, bewegte sich schlängelnd näher, aber auch sie schien am Ende ihrer Kräfte. Sie versuchte eine Fontäne ihres Feuers tief aus dem Rachen zu spucken, aber nur eine verpuffende Rauchwolke stieß hervor. „Er ist großartig, er hat mich zu dem gemacht, was ich bin!“ Mitleidig biss sich Link auf seine verwundete Lippe. Er wusste, er konnte sein Schwert unmöglich erreichen, es brachte nichts zu kämpfen und sein Körper brauchte eine Verschnaufpause, aber er konnte Molly mit Worten vielleicht beeinflussen, so wie vorher auch. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, überlegte, wie er den Drachen mit einer verwirrenden Diskussion in die Enge treiben konnte, als ihm eine weitere Idee kam. „Und du bist stolz auf das, was dieser angebliche Meister aus dir gemacht hat?“, rief Link und hoffte, er könnte Molly in eine längere Diskussion verwickeln. Sie zischte, flatterte mit ihren Flügeln und stieß mit ihren knöchernen Häuten winzige Steine in die Lüfte. Link sank zu Boden, schützte sein Gesicht mit den Armen, aber ahnte, dass seine Taktik funktionieren würde. „Beantworte mir eine Frage, Molly. Bist du immer schon dieser Dämon gewesen oder warst du tatsächlich einmal ein Mensch? Findest du es gut, was dein Meister getan hat?“ „Argh!“, rief sie panisch, stieß sich in die Lüfte und sank die gesamte Höhle in ein ohrenbetäubendes Donnern versetzend wieder zu Boden. Überall im Gestein bildeten sich Risse, Wasser begann durch die Risse zu wandern, sprudelte weit in der Ferne, kündigte sich mit einem tiefen Grölen an. „Sag‘ das nicht! Sag‘ sowas nicht. Nein, der Held darf mich das nicht fragen!“ „Beantworte mir diese eine Frage… Was hast du zu verlieren?“, sprach Link hustend und fixierte kurz die Waffe, die durch Mollys gewaltvolle Bewegungen, aus der Wand gerissen wurde und griffbereit wenige Meter weiter lag. „Das ist nicht richtig… frag‘ mich das nicht!“ Sie begann sich mehr und mehr zurückzuziehen, bedeckte mit ihren dünnhäutigen Schwingen ihre Köpfe und den stahlharten Körper. „Bitte tu‘ mir nicht weh…“ Das tiefe Grölen des Fluches in ihr wich erneut der kleinen Kinderstimme, die in dem dicken Körper der Bestie eingesperrt war. Seinen geschwächten Körper unter Kontrolle begann sich Link vorwärts zu bewegen. Er setzten einen Fuß vor den anderen, kämpfte mit jedem Atemzug, ließ sich erneut leiten von einer Stimme, die ihn in die Vernichtung führen würde. „Niemand wird dir weh tun, Molly“, sprach er mitfühlend. „Das, was vernichtet werden muss, ist der Drache. Er kann dich nicht beherrschen.“ Piepsig platzten weitere Worte aus dem Inneren der Bestie. Weinend. Kindlich und hilfesuchend. „Ja, ich war ein Mädchen… dort in Irland… ich weiß es noch… er hat mich entführt… ich weiß es noch…“, wimmerte sie, so leise, das Link es kaum verstehen konnte. „Was ist mit deinen Eltern?“, sprach Link und folterte die Menschlichkeit, die noch immer in dem riesigen Ungetüm verwurzelt war. „Hat der Drache sie getötet?“ Erneut zog sich die Kreatur weiter in die Schatten der Höhle, begann die beiden Köpfe in die Seitenwände zu rammen, begann sich selbst zu verletzen. „Hör’ auf damit? Das tut so weh!“ „Du musst es hören, Molly… der Drache muss es hören!“, stieß Link beherzt aus seinen Lungen und trat weiter in Richtung seiner Waffe. „Verflucht, hör’ auf damit!“ Ihre Stimme klang kläglich und in der Wenigkeit eines Augenblicks kam noch deutlicher ihre menschliche Stimme zum Vorschein. „Gib auf, Molly… finde deine Ruhe. Es war der Drache, er hat sie getötet, er hat deinen Bruder getötet… wehre dich gegen den Drachen und dann kannst du ruhen…“ Link hörte nicht auf mit seinen Worten, die sich tief in ihr Herz hineinfraßen. „Er ist zu stark… Der Meister ist zu stark!“, wimmerte sie. „Dann lass‘ ihn uns gemeinsam bekämpfen!“, sprach Link klar. Seine Stimme wirkte wie ein Leuchtfeuer in der Dunkelheit, sendete einen zeichentragenden Schwur in diese verdammte Verderbnis, ließ Güte und Mut aufflackern. „Wir werden ihn vernichten! Ich verspreche es.“ Und mit dem Versprechen, das mit Tapferkeit und Hoffnung besiegelt wurde, erreichte der Heroe seine heilende Klinge, den Stahl, der durch die Hand eines wackeren Helden zum Leben erwacht war und der letztlich töten musste. „Er ist zu mächtig… er hat alle umgebracht… Mama… Papa…“, rief Molly weinerlich und begann sich mehr und mehr selbst zu verletzten. Sie geriet außer Kontrolle, verbündete sich mit der gewaltigen Übermacht in ihrem Inneren gegen ihren Herrn, der sie bisher unter Kontrolle gehalten hatte, stieß ihre Schädel immer wieder in die Wände, senkte die Klauen an ihre knöchernen Schwingen in ihren Körper und kreischte so laut, dass der Nachhall im Camp an der Oberfläche gehört wurde. In dem Augenblick hob Link die leuchtende, schwere Klinge in die Höhe, schnaufte heftig, aber hatte in sich den Willen dieses Gefecht endlich zu Ende zu bringen. „Es mag sein, dass er mächtig ist, aber wir sind das Gute… und wir werden siegen“, murmelte er vor sich hin und verbündete sich mit dem einzig möglichen Weg. Während Molly außer Kontrolle war, ihr eisspuckender Schädel sich tief in den Hals des feuerspuckenden Kopfes biss, trat er vorwärts. In seinen tiefblauen Augen glomm der Mut von Jahrhunderten und das reife Mitgefühl für das Kind, das in die tiefsten Abgründe der Hölle geführt wurde… Mit schweren Schritten tapste der Held weiter, sah die Sekunden sich in die Länge dehnen, lauschte der einzigen Gerechtigkeit, die nun noch erreicht werden konnte. Als gewann er in Sekundenbruchteilen seine Energie zurück, begann er zu rennen, hetzte durch weitere Fontänen aus Feuer und sprang so hoch wie ihn seine Beine brachten. Richtend landete er auf dem Rücken der Kreatur, die wild hin und her schlug. Mit seinem gesamten Körpergewicht stieß er die Klinge in den gepanzerten Rücken seines Feindes, hörte Fasern zerreißen, lauschte dem Knacken von Knochen und hörte die flehenden Schreie eines Kindes in seinen Ohren. Ihre Schreckensschreie, glockenhell und bettelnd, würden noch Monate in seinem Kopf nachhallen… Schwarzes Blut spritzte ihm entgegen und ein wenig getötetes Leben befleckte Links alte Seele… Erschöpft sprang Link zurück auf den Boden, noch immer ein mitleidiger Blick in seinen tiefblauen Augen. Molly bettelte nach dem Tod, flehte nach Beendung ihrer Grausamkeit und begann sich weiter und weiter selbst zu richten. Sie schrie markerschütternd, als sie ihren Feuer erschaffenden Schädel mit einem weiteren Biss vom Rumpf trennte. Entsetzt stürzte sich Link auf sein Schwert, sah zu wie sich diese riesige Bestie selbst erlegte, wünschte sich nur noch sie von ihrem Elend zu befreien. Ihm stiegen Tränen in die Augen, als er ihren Todeskampf beobachtete, ahnend es gab keine Chance mehr für die kleine Molly. Keine Chance auf Abbüßung in diesem Leben. Keine Hoffnung für ihr sterbendes Bewusstsein. Der Drache hatte sie entehrt, ein dunkler Hexer hatte ihre Seele befleckt und sie auf die scheußlichste Weise missbraucht… Link trat vorwärts, mit Zweifeln und der Gewissheit einen verunstalteten Menschen zu töten, ließ sich unter den weichen, bastfarbenen Bauch des Monsters rutschen und stach in das von Übel, Hass und Dämonen zerfressene Herz, spürte, wie das Leben aus ihr hinaus sickerte, spürte die wachsende Schuld auf seinen Schultern. Molly fauchte ein weiteres Mal, versuchte sich in die Lüfte zu erheben und brach kraftlos zur Seite. Es war aus… das Herz des Drachens war verwundet. Der Kampf war entschieden… Hechelnd stützte sich Link auf die Waffe, zitterte am ganzen Leib und sank mit einem wimmernden Schnaufen auf die Knie. Er hatte getan, was notwendig war, er hatte den Drachen getötet, sein Herz aufgespießt, weil es keine andere Wahl gab. Aber er fühlte sich wie ein Mörder… Ein erbarmungsloser Killer steckte in ihm. War dies noch heldenhaft? Ein gespenstisches Röcheln hallte durch die unterirdischen Gefilde. Der Drache hauchte alles Leben aus, was noch in ihm steckte. Ein Gurren aus den Tiefen des einstigen Eisschädels ließ Link aufhorchen. Ein scheußlicher Laut, als kämpfte noch immer ein Wesen in der Brust des gerichteten Dämons. Irritiert schlürfte Link sein Körpergewicht näher, sah den schuppigen Körper des Drachens an vielen Stellen aufbrechen, sah violetten Schleim herausfließen und zu Asche verpuffen, aber da war noch etwas anderes, etwas fleischfarbenes, etwas Menschliches. Tiefdurchatmend ließ der Held das Schwert fallen, riss mit bloßen Händen an dem eisigen, sich ölig anfühlenden Leib des Dämons, versuchte das, was in dieser Hülle stak noch zu befreien. Mehr und mehr Fleischstücke des Dämons schmolzen dahin, verglühten, bis der junge Heroe einen rotblonden Schopf in dem Schleim und Blut erkennen konnte. Mit einem beherzten Schrei riss er die Brust des Drachen auseinander und sah das kleine irische Mädchen, nackt, teilweise entstellt und verbrannt unter der Hülle noch immer atmen. Er nahm das missbrauchte Kind auf seine Arme, legte sie lethargisch auf den kühlen Erdboden und war erneut den Tränen nahe. Sie wirkte so unschuldig, klein und hilflos. Vor ihm lag ein Mädchen mit langem, rotem Haar, nass. Mit Wunden, die sie nicht überleben konnte. Ihre Haut verbrannt. Ihr Fleisch blutend… Sie hechelte, öffnete ihre tränenden Augen. Grün waren sie, eine schöne Farbe, so wie weite, smaragdgrüne Wiesen. Träumerisch und sinnlich. Sie war nicht geschaffen worden für ein solch bemitleidenswertes Schicksal. Sie war zu jung für den Tod… Sie blickte dem Heroen dankbar entgegen, zitterte und weinte. „Held… das ist gut… es ist schön… ich kann das Licht sehen…“, sprach sie, ihre Stimme war klar und vorbereitet. Molly war bereit zu sterben. „Bitte… bitte töte mich… ich will mich nicht wieder verwandeln. Alle sind tot… meine Mama, mein Papa…“ Sie zerrte zögerlich an Links Jeanshose. „Wenn du es tust, bitte, Held der alten Welt, werde ich dir helfen… dann in Hyrule, wenn du im Schnee gefangen bist… bitte…“ Link kniete nieder, fühlte sich innerlich mehr und mehr betäubt, konnte ihre Worte kaum verstehen. Seine Kehle brachte kein weiteres Wort mehr hervor, das Unverständnis dieses Wahnsinns lähmte ihn. Er konnte lediglich nicken, sah ein letztes Lächeln aus Mollys kindlichen Gesichtszügen. Er hielt eine ihrer Hände krampfhaft mit der Rechten, während er mit der Linken den Dolch eine letzte Tat vollbringen ließ. Wie in Trance tat der Heroe, was notwendig war, was in der Pflicht eines Heroen stand und stieß den Dolch auf eine beinahe zärtliche Weise in das befleckte, verdammte Herz des Mädchens. Drachen mussten vernichtet werden… Böses, das außer Kontrolle geriet, verdiente den Tod. Und Befallenes konnte nur gereinigt werden, in dem er es tötete… Er nickte und hielt weiterhin die kleine, kalte Hand der Irin, als sie ihren letzten Atemzug nahm und das Leben ihren Körper verließ. Link sank mitleidig in sich zusammen. Er ahnte dieser Tod würde noch einige Zeit an ihm nagen, fühlte sich scheußlich und unfähig alle die zu retten, die es verdient hatten… aber wer hatte es verdient? Es lag nicht in seiner Macht zu entscheiden, vieles, was den Kampf gegen das Böse anging, lag nicht in seiner Macht… Abschied nehmend, mit ehrlicher Anteilnahme und dem Wunsch nach Trost und Vergebung, fuhr er über Mollys kindliche Stirn. Er spürte unangenehme Gefühle in sich hochkochen, spürte Zorn und Schuld neben einer Wallung von Mitleid. Hass kam in ihm auf, Hass auf denjenigen, der diesem wehrlosen Kind einen Drachen eingepflanzt hatte, der sie auf diese grausame Weise verdorben und zugerichtet hatte. Dieses unschuldige Kind hatte es nicht verdient ein Spielzeug des Bösen zu sein, hatte es nicht verdient geopfert zu werden… Ja, dachte er. Wieder ein Opfer. Ein Opfer des Bösen für bestialische Triebe nach Macht und Kraft… Wenige ehrenvolle Sekunden des Gedenkens zogen vorüber hier in diesem unterirdischen Grab, wo ein schwaches Wesen der Unschuld von dunklen Gelüsten verdorben ein bitteres und trauriges Ende gefunden hatte. Dieser Kampf war vorbei, hatte Opfer in einen machthungrigen Schlund des Wahnsinns gerissen und hinterließ einen Heroen, der sich bekümmert seine blutbesudelten Hände betrachtete. Noch einmal kniete er nieder, während ein hinterhältiges Rauschen in der Ferne die Gewalt des nahenden Wassers verriet. Noch einmal berührten seine Hände das Gesicht der kleinen, leblosen Molly, bis er ihre grünen, gläsernen Augen zudrückte. Alles Leben war dahin… Ein Irrtum des Schicksals war hier begangen worden… Und als er sich erhob, seine tiefblauen Augen mit legendärem Feuer des Mutes leuchteten, zerfiel der kindliche Körper des kleinen irischen Mädchens in Staub. Glühende Ascheplättchen erhoben sich und verpufften leise… Inzwischen standen Links Turnschuhe unter Wasser und erst da schien er zu realisieren, dass die Zeit tickte. Er musste schleunigst aus dem Untergrund herausfinden, oder das Wasser, das langsam anstieg, könnte ihn wie eine heimtückische Flutwelle überrollen. , Zeit, die Beine unter die Arme zu nehmen‘, dachte er und trat mit schweren Schritten in Richtung Ausgang. Link kletterte mühsam die Erhöhung hinauf, dorthin, wo er vorhin die Menschen hatte entkommen sehen. Er fühlte sich schlapp und müde, sehnte sich nach seinem Bett zuhause und grinste unter seinen Schmerzen durch die zunehmende Dunkelheit. Der Wasserspiegel stieg schneller an, als erwartet, er konnte das klare, kristallene Element des Lebens plätschern hören, ahnte, dass es unheimlich knapp werden könnte. Er spornte sich an, dachte an sein geheimes Licht, das er unbedingt noch einmal sehen und berühren wollte und zog sich unter Aufbietung seiner Kräfte vorwärts. Er wischte sich über das Gesicht, als die verbliebenen Fackellichter unter der zunehmenden Wucht des Wassers ausgingen. Er trat vorwärts, ahnte, es war keine Zeit mehr erst noch seine Taschenlampe heraus zu kramen und verließ sich auf sein Gedächtnis. Er lehnte sich kurz an eine raue, eisige Felswand, verschnaufte und spürte mehr und mehr Müdigkeit durch seine Glieder wandern. Er fühlte sich miserabel. Seine Kräfte schwanden immer mehr… ,Beweg‘ dich!’, sagte er innerlich, um sich anzuspornen. ,Reiß‘ dich zusammen.’ Er tapste mit gebückter Haltung vorwärts, ignorierte das Brennen seiner Wunden und rang quälerisch nach Luft. Er hatte das Gefühl jeglicher Sauerstoff war durch Mollys Säureattacken aufgebraucht. Seine Augenlider flatterten zu, während er vorwärts trat, sein Kopf pochte wild. Das Wasser schlängelte sich durch die finsteren, moosigen Höhlengänge, kam näher und näher. Link hörte es plätschern, spürte, wie es die Felswände leise zum Vibrieren brachte. Taumelnd blickte er nach hinten, zog sich unter Aufbietung seiner Kräfte weiter, ließ das Schwert beinahe aus seiner Hand fallen und betete für etwas Tageslicht. Es plätscherte im Untergrund, sprudelte hinter ihm, bis er sich sicher war, dass das kühle, erfrischende Wasser ihn in wenigen Sekunden einholen würde. Ein kräftiger Adrenalinschub tobte durch seine Venen, spornte ihn an weiterzueilen, aber es war verdammt schwer, verdammt hart… Und es war dann, als das Rauschen in seinen Ohren lauter wurde, er gefühlsmäßig einen unglaublich tiefen Atemzug nahm und schließlich spürte, wie das Wasser sich um ihn schlängelte, ihn einholte, als wollte es ihn zerquetschen. Noch einmal rang Link nach Luft, versuchte gegen die heftige Strömung anzukommen, versuchte unter Aufbietung aller Kräfte zu schwimmen, um nicht an die Kanten der Höhle zu stoßen, aber die Gewalt jenes Lebenspendenden Elements war zu gigantisch. Er fühlte den Schmerz der Wunden, das qualvolle Japsen seiner Lunge und wurde gnadenlos von der überwältigenden Kraft des Wassers mit gezerrt. In dem Augenblick rutschte das Heft des Schwertes aus seiner Hand, es sank hinein in den tiefen Abgrund, verschwand so wie Molly in der Dunkelheit verendet war. Er wollte noch nach dem Schwert greifen, aber es versank schnell und leblos, bis es nicht mehr funkelte… Link wurde weiterhin mit gespült und seine Luft knapp. Seine Lunge krampfte fieberig, kämpfte um einen rettenden Atemzug, den er nicht zulassen konnte. Seine Sinne begannen gegen ihn zu arbeiten, seine Augen wollten nichts mehr sehen, obwohl er hoffte, irgendwo weit oben das Licht des Tages oder das wohltuende Sonnenuntergangsglühen zu erblicken. Seine Ohren dröhnten mit fremdartigen Geräuschen, als wären es die erschütternden Glocken eines Willkommensgrußes ins Todesreich. Er durchquerte die Öffnung der Höhle, konnte das Licht weit oben nicht sehen, konnte nicht spüren, dass die Rettung nah war… Link fühlte nur noch, wie eiskaltes Wasser in seine verbrauchten Lungen strömte. Dennoch schwamm er mit seinem starken Willen und einer ungewissen Kraft, von der er nicht wusste, woher sie stammte weiter und hoffte, dass die Oberfläche zum Greifen nahe war. Trübe sah der Heroe nach oben und erkannte das schummrige Licht der Sonne oder das Licht, das ihn in einem anderen Sein Willkommen hieß… Dabei ohnmächtig zu werden, kämpfte sich der Held durch das eiskalte Wasser. Dunkelheit breitete sich immer fordernder über seinen Sinnen aus, aber er bewegte sich nach oben in die Freiheit, kämpfte gegen die Gewalt der Natur, kämpfte um sein Leben. Die Zeit hatte in seinen Augen sich selbst betrogen und ihr Puls schien still zu stehen. Link schwamm immer noch, auch wenn er sich nicht mehr sicher war, ob es lediglich sein Geist war, der sich fortbewegte. Er tauchte auf, fühlte wie Luft beinahe schmerzhaft in seine Lungen strömte und atmete hastig ein. Wie er es Sekunden später ans Ufer geschafft hatte, wusste er nicht mehr. Er krabbelte langsam auf ein Stück Wiese, hustete kläglich und brach mitgenommen auf seinen wackligen Armen zusammen. Sein ganzer Körper erschien ihm wie gelähmt, wie taub. Mühsam drehte er sich und schaute in den rotgefärbten Abendhimmel. Noch nie hatte ein Sonnenuntergang für ihn so wunderbar ausgesehen… ,Ich hab’s geschafft.’ Der einzige Gedanke, der ihm einfiel. ,Ich hab’s geschafft.’ Er schloss seine tiefblauen Augen mit einem idiotischen Grinsen, fragte sich, ob er noch bei Verstand war, ob er auch wirklich am Leben war. Und wie als eine glückliche Bestätigung spürte er auch seine anderen Sinne allmählich wieder zurückkommen. Und er vernahm Stimmen von weitem, die sich ihm annäherten. Er seufzte und versuchte sich gegen seine schweren Augenlider und das Gefühl auf der Stelle einzuschlafen zu wehren. Blinzelnd öffnete er seine Augen und sah in Sians blutrote Augen, die ihn von oben herab fürsorglich anblickten. „Alles in Ordnung“, fragte er und lächelte. Er sah irgendwie erleichtert aus. „Geht so“, murmelte Link sichtlich benommen und hatte plötzlich ein noch idiotischeres Grinsen auf dem Gesicht. „Kannst du aufstehen?“ Sian wirkte außerordentlich besorgt. „Ich kann’s ja mal versuchen“, meinte Link die Zähne zusammenbeißend und richtete sich langsam auf. Jede einzelne Körperzelle tat ihm weh, ließ man die Beulen, Schnitte und Blutergüsse mal außer Acht… Erst jetzt sah er am anderen Ufer unzählige Passanten stehen unter anderem auch Patrick van der Hohen mit entgeistertem Gesicht. Und Link ahnte in dem Augenblick, dass jener die Wahrheit erkannte hatte, wenn auch nur die, die er selbst für wahr erachten wollte. Sian half Link beim Aufstehen und Himmel, ein seltsames Gefühl breitete sich in Links Beinen aus, ein eigenartiges Gefühl wieder zu stehen. Aber es fühlte sich prima an. Der Heroe unterdrückte erneut den Gähnzwang und versuchte sich wach zu halten, in dem er sich den Sand aus den Augen wischte. „Ich brauch’ jetzt erst mal eine ordentliche Mahlzeit“, sagte Link und ließ sich nichts von dem soeben gefochtenen Kampf anmerken. Sian grinste. „Das kannst du haben, komm’ ich lad’ dich ein, wenn du dich noch wach halten kannst.“ „Echt?“ Ungläubig musterte der Held seinen neuen Bekannten, dessen wahre Identität er bereits ahnte. „Ja, bin schließlich neugierig, was in der Höhle vorgefallen ist.“ „Es war… voll der Hammer…“, sprach er unter einem weiteren Gähnen. „Voll der Hammer?“, lachte Sian und verschränkte dabei die Arme. „Ich sag‘ dir, ich komme mir vor wie ein Superheld!“ Er stützte sich kurz auf seine schmerzenden Knie und lachte. „Vielleicht bist du das ja“, erwiderte Sian. Link atmete tief ein, lächelte angenehm an diesem Gedanken und sah Sian vor ihm her marschieren und stimmte innerlich zu, fühlte sich großartig trotz der Erschöpfung. ,Ja… das bin ich vielleicht.‘ Kapitel 30: Überraschende Antworten ----------------------------------- Eine junge Gestalt näherte sich mit wackligen Beinen, und ein wenig schimpfend, einem stürmischen Ufer, wo gewaltvoll Meerschaum an die Brandung schwappte. Er war nicht weit entfernt von der fröhlichen Jugendherberge, wo die Leute alle glücklich waren, dass die verschollenen Menschen lebten, dass es jenen wieder gut ging. Dort, wo der Held erneut gesiegt hatte. Aber der Jugendliche auf seinen dunklen Wegen konnte sich nicht an dem Glück der Menschen erfreuen, denn für sein unsterbliches Ziel, für seinen Wunsch, seine große Bitte, die er an das Böse gerichtet hatte, war gerade der Erfolg von Link, dem großen Helden, hinderlich. Sein Ziel, welches auch nur der Verzweiflung eines vernachlässigten Jungen entsprang, war nun wieder weitentfernt, und das alles nur wegen Link, diesem verdammten Helden… Die Nacht legte sich düster nieder. Graue, gespenstige Wolken tummelten sich am Horizont und wühlten das Meer vor dem Jugendlichen auf. Etwas Unsichtbares, unberechenbar Kaltes, ähnlich einem Geist schlich über die grauen Vulkangesteine, auf denen der Junge Spuren hinterlassen hatte. Und der Schatten, zischend näherte er sich, türmte sich vor dem Jugendlichen auf, vervollständigte sich zu einer großen Gestalt, blieb aber dennoch rauchig. „Du hast versagt“, fauchte es. „Ich weiß“, weinte der Jugendliche und setzte sich trübsinnig nieder, stützte seinen traurigen Schädel auf seine Arme. „Ich weiß, dass ich versagte, was sollte ich denn tun…“ „Deine Aufgabe war es den Helden zu beobachten, ihn auszuspionieren, ihm zuzureden, ihn in die Fallen hinein zu locken und was nun? Alles ist jämmerlich gescheitert! Du unsäglicher, trostloser Tropf“, zischte es erneut. Der Junge brach vor dem geisterhaften Wesen auf die Knie und klagte bitterlich: „Bitte gebt mir noch eine Chance, Lord.“ „Und warum sollte ich das tun?“, fauchte er angewidert. „Bitte“, wimmerte der Jugendliche. „Du bekommst noch eine Chance, versagst du erneut, dann bist du unserer Hilfe nicht würdig.“ Seinen Stolz und seine Selbstachtung hatte der traurige Junge schon lange aufgegeben, doch nun verlor er sogar noch den letzten Funken Menschlichkeit mit der Dummheit, in den Lauf der Dinge eingreifen zu wollen, er verlor sich selbst durch einen ungerechtfertigten Wunsch, den aber nicht einmal das Böse ihm erfüllen würde… Mit Sians hilfreicher Unterstützung trottete Link gähnend und genervt von seinen fiesen Wunden und blauen Flecken zurück zum mit himmelblauer Farbe bemalten Bungalow. Die nässende Beule an seiner Stirn war leicht geschwollen und ein herber langer Kratzer zierte seine rechte Wange. Sian verhielt sich auffallend besorgt und fragte sich, ob Link sich nicht vielleicht von einem Arzt behandeln lassen sollte, aber er ließ sich die heftigen Schmerzen, die er sicherlich hatte, kaum anmerken. Er war erschöpft, das gab er zu, mehr aber auch nicht. Er schwieg, während sie zu dem Bungalow tapsten, und er schwieg auch noch, als sie in das Gebäude eintraten. Seufzend lehnte er sich an die kiesige, graue Wand im schwach beleuchteten Korridor und sah aus wie ein gefoltertes Gespenst. Seine blassblaue Jeanshose war teilweise zerrissen, übersät mit Blutspuren und violettem Schleim von dem Körper des Drachen. Sein grünes T-Shirt sah ebenfalls zum Fürchten aus. Es sah aus, als wäre er in ein Nest von Blutsaugern hineingeraten, war teilweise zerfetzt. Selbst in Links blondem, völlig zerzaustem Haar hing Blut und nach Schwefel stinkender Schleim. „Was für ein Kampf…“, brachte Link über die leicht verwundeten Lippen und begriff nur schwerlich, dass er diese Hölle überlebt hatte. „Du solltest dich etwas ausruhen, deine Wunden versorgen“, meinte Sian sachlich und zauberte aus dem Nirgendwo einen riesigen Verbandskasten. Link grinste schwach. „Du denkst ja wahrlich an alles.“ Er lachte und verstummte sogleich mit einem kurzen Aufschrei. Ein paar Prellungen an seinem Rücken ließen ihn gerade mürbe werden. Gerade da trat Patrick van der Hohen in den gelblich beleuchteten Flur, erstarrte, als er den Heroen erblickte und wusste nicht, was er sagen sollte. Er wirkte hilflos und stotterte unbeholfen vor sich hin. „Beim lieben Gott im Himmel… Link!“ Benommen erblickte Link seinen besorgten, neuen Bekannten, dem just in dem Moment das Entsetzen in die Augen drang. „Was ist passiert?“, sprach er erschüttert. „Das… wurdest du erneut angegriffen?“ Link schüttelte abtuend den Kopf, krallte sich den Verbandskasten von Sian und verschwand ohne weitere Worte im Badezimmer. Der erschöpfte Held brauchte neben einer stärkenden Mahlzeit vermutlich noch drei weitere Dinge: eine Dusche, einen Berg Verbandszeug und frische Kleidung! Mit einem tiefen Seufzer trat er ins Bad ein, riss sich sein T-Shirt vom Körper und quälte sich dabei. Seine Glieder taten ihm allesamt weh, aber mit einem dümmlichen Lacher interpretierte er den Schmerz in den Muskeln als gutes Zeichen noch am Leben zu sein. Er wollte sich duschen, entschied sich dann dagegen und legte sich erschöpft in die Badewanne. Gemächlich floss angenehmes, warmes und heilendes Wasser in die Wanne, spülte Blutreste hinfort, beruhigte brennende Wunden und sorgte für Entspannung. Er schloss lethargisch die schweren Augen und wünschte sich gerade nichts sehnlicher als sich nach diesem mörderischen Kampf anlehnen zu können, jemanden hier zu haben, der sein momentanes Gefühlschaos verstehen könnte und der einfach nur zuhörte. Ob Zelda ihm zuhören würde, wenn er darum bat? Ob er demnächst um ihre Unterstützung bitten konnte? Er hatte gerade den innigen Wunsch, dass sie einfach nur da war und irgendetwas Liebevolles in seine Ohren flüsterte… Über eine halbe Stunde lag er in der Wanne, dachte träumerisch an seine Seelenverwandte und musste sich zusammenreißen nicht in den Schlaf zu sinken. Murrend erhob er sich, unterließ jedoch den notwendigen Schmerzensschrei, der in seiner Kehle gehrte. Vor dem Badezimmerspiegel betrachtete sich der Kämpfer die blauen Flecke an seinem gestählten Oberkörper, fuhr über wenige brennende Kratzer und Schrammen und schüttelte seinen dunkelblonden Kopf. Noch immer konnte er nicht glauben, was in der Höhle geschehen war… ,Ich habe einen Drachen besiegt’, dachte er, begriff das Entsetzen bei diesen Worten. Als wäre der Heroe aus einem langen Traum erwacht, verstand er, was er mit seinen eigenen, menschlichen Händen getan hatte, wie elegant er gekämpft hatte, wie treu er seinen Lebenssinn verfolgt hatte, wie edel sein Herz war… Er hob seine Hände in die Höhe und starrte sie ungläubig an. Mit diesen jungen, menschlichen Händen hatte er das unglaubliche getan, hatte Leben gerettet und dem dunklen Lord in der Kirche Schicksalshorts, der diesen Angriff wohl geplant hatte, ein weiteres Mal gezeigt, dass er ihm und seinen finsteren Plänen standhielt. Er verband die schlimmsten Wunden, fand in dem Verbandskasten außerdem ein rotes Getränk, das er einmal von Dar Gordon erhalten hatte und schüttete es die Kehle hinab. Der fruchtige Geschmack ähnlich wie Erdbeeren war ihm vertraut und er hoffte, es half seinem Körper zu genesen. Link tauchte ein in sein ernstes Spiegelbild, überzeugt, dass dieses ansehnliche Gesicht, unverbesserlich grinsend, nicht sein wahres Ich preisgab. „Komm schon, Link. Du hast es überlebt. Freu’ dich doch ein bisschen“, sagte er zu der Fratze, die ihn aus dem Spiegel anstarrte. „Link, ich rede mit dir!“ Und er selbst zog eine dämliche Schnute, zerrte eine schräge Mimik und hoffte, es half ihm den Alptraum von vorhin zu vergessen. „Schon besser“, meinte er, grinste ein wenig und war zufrieden, dass seine Taktik funktionierte. „Verrückt… jetzt fange ich schon an mit mir selbst zu reden.“ Erfrischend tauchte er sein Gesicht in kaltes Wasser. Er grabschte nach dem Badetuch, erwischte es unbeholfen und steckte sein Gesicht in flauschigen Stoff. Er versuchte die unangenehmen Gedanken, die mit diesem Kampf nachhallten, ruhen zu lassen, aber Mollys Tod und diese gefahrprophetischen Dinge, die sie gesagt hatte, ließen sich nicht abschütteln… Was wohl dieser verdammte Meister im Sinn hatte, von dem sie sprach? Handelte es sich tatsächlich um den Hünen, der in der Kirche Schicksalshorts hauste? Und welche Bedienstete der Göttinnen hatte den Heroen damals vor dem Brand in seinem Elternhaus bewahrt? Erneut betrachtete er benommen sein Spiegelbild, wollte grinsen, dieses Gedankenkarussell vergessen, aber als er die Augen erneut öffnete, konnte er sein leicht gebräuntes, ansehnliches Gesicht, seine Kratzer darauf nicht mehr entdecken. Stattdessen erschien ihm das Gesicht eines kleinen Jungen. Eine verrückte Magie spielte ihm einen Streich, erschuf das Abbild des Burschen, der ihm schon einige Male vorher begegnet war. Ein honigblonder Fratz mit wunderschönen, strahlenden Augen, die ihn aufmerksam und beinahe liebevoll musterten. Er war niedlich und zwinkerte ihm zu. Link rieb sich die brennenden Augen, keuchte und stemmte sich mit beiden Händen auf das Waschbecken. Ob er nicht vielleicht doch eins zu viel abbekommen hatte? „Ich bin echt, du hast keine Halluzinationen“, sprach er erheitert, ließ seine glockenhelle Kinderstimme erklingen und seine Stimme beruhigte Links aufgeregtes Herz. „Da bin ich mir nicht so sicher, ich meine, dass ich nicht doch mittlerweile durchdrehe“, sprach Link brummend und klatschte ein weiteres Mal eiskaltes Wasser in sein Gesicht. Er nahm einen kühlen Lappen und drückte diesen an seine juckende Beule. „Und was möchtest du von mir?“, setzte der Jugendliche hinzu. Er wollte nicht unwirsch klingen, tat ihm die Anwesenheit von diesem Wicht doch irgendwie gut. „Ich wollte nach dir schauen“, sprach er piepsig und wurde schwach rot um die Wangenknochen. Verdattert ließ sich Link auf einen Schemel sinken und blickte tiefsinnig in die wohlwollenden Kinderaugen, die der Spiegel darstellte. Er wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Ein fremdes Bürschchen, das er nicht kannte, machte sich Sorgen um ihn. „Und ich wollte dir sagen, dass du dieses Gefecht sehr gut ausgetragen hast“, meinte er und sendete mit einer zufriedenen Mimik Stolz und Bewunderung an den jugendlichen Heroen. Es war das erste Mal, das Link ein Lob für das bekam, was er geleistet hatte. Das erste Mal, das ihn jemand für das wertschätzte, was er überstanden hatte… für die Wunden auf seiner Haut und in seiner Seele. „Du gibst mir ein Lob… ehrlich?“ Link lächelte leicht und fühlte eine überwältigende Nähe zu diesem Kind, das ihn mehrfach besucht hatte, ihn vor einiger Zeit bereits warnen wollte. „Das war alles, was ich dir sagen wollte“, entgegnete er und lächelte über beide Ohren. „Du hast Mollys Seele erlöst. Sie ist dir dankbar und wird dir sicherlich irgendwann einmal helfen können.“ Link trat vorsichtig auf die Beine, rückte näher an das Spiegelbild, so nah, dass seine spitze Nase an das Glas stieß. „Wie meinst du das? Molly ist erlöst… sie musste sterben in diesem wahnsinnigen Kampf. Wie soll sie mir irgendwann noch einmal helfen können?“ Dann grinste der Knirps genauso hinterhältig und frech wie Link es des Öfteren tat, lachte und sprach abschließend: „Das wirst du schon noch herausfinden.“ Und plötzlich verebbte sein Anblick wie gläserne Wellen, die in der Ferne untergingen und die geheimnisvolle Spiegelmagie verschwand. Plötzlich klopfte jemand an die knarrende Holztür ins Badezimmer und riss den Helden aus seinen Gedanken. „Link, führst du etwa Selbstgespräche? Beeil’ dich, wir wollen noch ins NiceInn“, meinte Sian. Der Angesprochene seufzte, zog sich langsam frische Kleidung über und öffnete die Tür. Als Link mit seiner frischen Kleidung in das Wohnzimmer trat, sah er völlig verändert aus, schien innerhalb von Sekunden zu gesunden, auch wenn die rötlich, braune Beule an seiner Stirn und der tiefe Kratzer an der Wange noch deutlich sichtbar waren. Aber er fühlte sich besser und wollte nur noch seinen Magen füllen und sich dann in seinem warmen, weichen Bett verkriechen. Pat saß erbleicht in der Stube und schienen irgendwie kein Wort mit Link reden zu wollen. Links selbstlose Tat, und das Gefühl, dass dort in der Höhle unter dem See schreckliche Dinge geschehen waren, brachten ihm ein Gefühl von Hilflosigkeit und Verzweiflung. Ein Gefühl, das sein Weltbild auf den Kopf stellte und das ihn darüber belehrte, dass die Zeit, die er auf dieser Welt hatte, nur geliehen war und er sie mit angenehmen Dingen, nicht mit dem Ärger wegen Patrizia, seiner damaligen Freundin, füllen sollte… „Pat…“, begann der junge Heroe, wollte seine Pflicht erfüllen den jungen van der Hohen nicht im Unklaren zu lassen, und erhielt einen fragenden Blick von seinem neuen Bekannten. Link kratzte sich an seinem dunkelblonden Haaransatz und fand schließlich einige Worte um sich zu erklären. „Es ist in letzter Zeit einiges sehr Verrücktes passiert… nicht nur hier in Irland, sondern auch dort, wo ich herkomme.“ Erst nachdem er die Worte gesagt hatte und darüber nachsann, wurde ihm bewusst, dass er nicht mehr genau sagen konnte, wo er herkam. Ja, seine Worte ließen die Möglichkeit offen, dass er von einer anderen Welt stammte. „Ich habe kämpfen müssen…“, setzte er leise fort. „ Das ist ja wohl kaum zu übersehen, und ich weiß, dass du und vielleicht viele andere Leute gerne wüssten, was wirklich geschehen ist. Nur…“ Er holte tief Luft. „Ich kann es nicht zu deinem Gesprächsthema machen, ich sollte dich wohl darum bitten, es einfach hinzunehmen, auch wenn das sicherlich halbherzig klingt…“ Link wollte sich nicht rechtfertigen, aber er musste zumindest einen Weg finden sich und auch andere in dieser Irrfahrt des Bösen zu schützen. Pat brach sorgenvoll sein Schweigen, spürte Links Wunsch es zu erklären. „Es war kein Zufall, dass du von diesen dämonischen Wölfen angegriffen wurdest, was?“ „Scheint so…“, murmelte Link. „Und es war kein Zufall, dass du die Leute aus dem See gerettet hast…“, fragte Patrick ebenfalls. „Nein, auch das war kein Zufall. Es war meine Pflicht.“ Sian stand währenddessen im unbeleuchteten Flur, hatte den Kopf trübsinnig zu Boden gesenkt und lauschte Links melancholischen Worten andächtig. Seine rubinroten Augen schillerten mit Mitgefühl. Ja, der Kampf war Links heldenhafte und bittere Pflicht… „Es gibt noch Helden in dieser Welt, das verstehe ich jetzt… und es macht irgendwie Hoffnung“, meinte Patrick und wendete weiterhin seinen Blick ab. Verunsichert hing er auf dem Sofa, konnte seine eigenen Gedanken nicht verstehen und versuchte die Wahrheit über Links Heldentaten in keinerlei phantastische Theorie einzuordnen, aber dies fiel ihm ungeheuer schwer. Da traf er als vernarrter Zeldafan einen jungen Burschen, der nicht nur so aussah wie der Held der Zelda-Legende, sondern so hieß und schließlich noch mit mittelalterlichen Waffen kämpfte. „Aber diese Geschehnisse stellen dermaßen mein Weltbild auf den Kopf…“ „Ja… meines auch…“, murmelte Link deprimiert. „Aber du bist einer von diesen Helden“, sprach Patrick deutlich. „Du musst nichts beweisen, du solltest dich für nichts rechtfertigen. Du solltest einfach nur tun, was du für richtig hältst.“ Und damit erhob sich der lange, blonde Patrick van der Hohen, lächelte aufheiternd und klopfte Link auf die Schulter. Jener nickte erleichtert und atmete tief durch. „In dieser Höhle unter dem See… sind schlimme Dinge passiert, nicht wahr?“, sprach Pat. „Ja…“ „Mehr sollte ich nicht erfahren, was?“ Und ein Kopfschütteln verriet alles, was Link nicht sagen konnte. „Es ist ausreichend… ich weiß zumindest, dass eine heldenhafte Tat vollbracht wurde. Und das, allein schon dieses Wissen, ist eine gute Sache“, endete er. Abermals nickte Link und ließ einen nachdenklichen Patrick van der Hohen im Bungalow zurück. Sian hatte ein Taxi für die Fahrt zum NiceInn bestellt, welches in jenem Moment hupte. Und es war dann, dass sich Link und Sian in die nächste Ortschaft begaben. Gemeinsam mit Sian saß der junge, erschöpfte Heroe auf dem Rücksitz des Taxis. Der schweigsame, scheinbar uralte Taxifahrer, der aussah wie ein Joggingkleidung tragender Weihnachtsmann, hatte bisher nur einmal seine geschmeidige Stimme erhoben, fuhr gelassen auf den schmalen Straßen Irlands und ließ sich von keinem Geräusch in der Wildnis irritieren. Eine dröhnende, schwungvolle Volksmelodie rauschte aus dem Radio, zu welcher der weißbärtige Fahrer ab und an pfiff. Er schien sich nicht darum zu kümmern, dass zwei junge Kerle in dem Wagen saßen, bretterte dahin und lachte. Die Sonne stand nur noch knapp über den Bergen, erhob sich wie ein rotglühendes, rundes Amulett auf dem rosagefärbten Horizont, als Link einen zaghaften Blick in Richtung des schattenhaften, gefahrvollen Waldes am Wegesrand warf. Er konnte die zürnenden Bestien dort in der verschlingenden Ferne heulen hören, sah für Sekundenbruchteile ihre giftigen Klauen und Reißzähne aufblitzten. Wie eine Flut rollten die Bilder der letzten Kämpfe über ihn hinweg. Die Skelettritter mit ihren mörderischen Waffen. Die nackthäutigen Wölfe mit ihren Klauen aus Stahl. Er schloss die Augen krampfhaft, versuchte die Angstattacken der letzten Wochen wegzuschieben, und doch scheiterte er innerlich. Folternd drangen die besiegten Dämonen in seinen Geist, rissen an ihren tödlichen Ketten, wollten lebendig sein in seiner Erinnerung. Er ballte beide Hände zu Fäusten und spürte plötzlich eine beruhigende Hand auf seiner Brust, die ihm jegliche Anspannung nahm, ihn beruhigte und die Dämonen in seinem Kopf verscheuchte. Sians glühendrote Augen musterten ihn mit Besorgnis, aber auch Wissen und es war wie, als hatte seine kurze Berührung den Helden in die Realität zurückgebracht. „Danke…“, murmelte Link, verstand, dass Sian ganz genau wusste, wie er dem Heroen helfen konnte. Wenn Link es nicht besser wüsste, würde er annehmen der athletische, blonde Irländer war nicht nur ein Kämpfer und Meister im Kampf mit zwei Dolchen, sondern womöglich noch begabt in der Vorsehung und ein Heiler. „Ich wurde von einigen eher unkonventionellen Schamanen ausgebildet und weiß, dass in dieser Welt besiegte Kreaturen sich oftmals noch andere Wege zurück in diese Welt bahnen möchten. Es ist schwer sie immer abzuschmettern.“ Link atmete so tief durch, als begann er mit jedem Luftzug heilende Energie einzusaugen. „Du meinst… es ist völlig normal, dass ich ab und an getötete Feinde in meinem Kopf sehe?“ „Normal sicherlich, aber was ist schon normal… in letzter Zeit sollte sich deine Definition von normal sehr gewandelt haben.“ „Meine Definition von normal ist nicht mehr normal“, grinste er und lehnte sich entspannter in den Sitz. Auch Sian grinste ansatzweise. Es machte seine gesamten jungenhaften Gesichtszüge um Jahre jünger, als legte er eine faltige Maske ab, die er mit seinen weisen Worten heraufbeschwor. „Glaubst du eigentlich, dass es richtig ist hier so spät noch entlang zu fahren“, fragte Link leise, wissend der Taxifahrer interessierte sich kaum für ihre Unterhaltung. Er rieb sich die brennende Stirn und gähnte. „Warum nicht? Hast du ein Problem damit?“ „Nein… nicht wirklich. Aber…“, seufzte er. „Ach so, du meinst die Wölfe“, sagte Sian bestimmt und beäugte Link intensiver. Er zog eine sandgelbe Augenbraue verwundert nach oben. „Du wirst mit diesen Viechern doch locker fertig, wenn du einen Drachen besiegen kannst, oder?“ „Du weißt es…“ Link stutzte, aber dachte gleichzeitig daran, dass er vor Sian wohl nichts verheimlichen konnte. „Und ich bewundere es zutiefst… mit der Vernichtung eines Urzeitmonsters hast du dir wahrlich das Recht verdient ,Held der Erde‘ genannt zu werden. Es war deine Prüfung und du hast jene erfolgreich überstanden.“ „Erfolgreich nenne ich etwas anderes…“, sprach er bitter, aber ging nicht weiter darauf ein. Er hätte seine Tat als Erfolg verbuchen können, wenn Molly überlebt hätte… wenn er sie hätte heilen können von diesem Dämon in ihrem kindlichen Herzen. „Wie auch immer… und was diese Wölfe angeht, ich übernehme keine Haftung für Dutzende Wolfsleichen auf der Straße.“ Erneut bildeten sich Lachfalten im Gesicht Sian Johnsons, die er versuchte zu übertünchen. Er bewunderte Link für seine Tapferkeit und seinen Willen, selbst mit Zweifeln und Sorgen, ein heiteres Gemüt ausdrücken zu können. „Aber da fällt mir ein…“, begann der Heroe und verschränkte die Arme vorsichtig. Seine Muskeln fühlten sich beinahe wie betäubt an. „Die Sache ist die, dass ich mein Schwert verloren habe, als das Wasser mich mitgerissen hat…“ „Was? Das sagst du jetzt erst? Mensch, mein Vater kann dir sicherlich eines geben“, sprach Sian aufgeregt. „Ein Held ohne Schwert kann niemals seine Aufgabe zu Ende führen.“ Mit Überraschung in seinen erschöpften Gesichtszügen drehte Link den Kopf in Sians Richtung. „Dein Vater hat eine Waffenkammer? Dann sind die Gerüchte wohl wahr, dass er irgendetwas in seinem Schlosskeller bunkert.“ „Mmh… ja, in gewisser Weise schon“, sprach Sian abschließend, aber ließ weitere Geheimnisse unenthüllt. Das Taxi erreichte brummend das von wenigen Straßenlampen erhellte Fischerdörfchen, wo lediglich aus dem NiceInn Geräusche drangen. Gelassen traten die beiden Jugendlichen ins NiceInn ein, setzten sie sich in dem prallgefüllten Lokal in eine hinterste Ecke, um sich in aller Ruhe über Hyrule und die zurückliegende Vergangenheit unterhalten zu können, ohne, dass fremde Ohren von Angelegenheiten Wind bekamen, die sie nichts angingen. Die Stimmung war heiter in dem kleinen stickigen, dunklen Pub, wo der Rauch von Pfeifen in der Luft hing. Einige, vor allem ältere Kerle mit runden Bäuchen erzählten vergnügt am Stammtisch über unwichtige Sachen. Touristen, darunter sogar Japaner, saßen an weiteren Tischen und genossen irische Klänge von Geigen, einer Harfe und Flöten einer kleinen Musiktruppe. Anja NiceInn, die hübsche Besitzerin des Pubs, stand an der Bar und kam dann, als sie Link und Sian entdeckte, vorbei. „Na ihr zwei, was darf es sein“, meinte sie mit dem leichten irischen Akzent, den sie sich unbewusst angeeignet hatte. Erst dann musterte sie Link eindringlich mit ihren verständnisvollen, freundlichen Augen und sprach aufgeregt: „Meine Güte, Link, was ist denn mit dir passiert?“ „Äh, das ist eine unheimlich lange Geschichte“, redete er sich heraus und versuchte zu lächeln. „Das sieht echt übel aus“, bemerkte sie. „Brauchst du etwas für die Schrammen?“ Link bedankte sich, aber auch hier schien er weitere Hilfe auszuschlagen und Sian beobachtete sein Verhalten erneut auffallend. Link zeigte keinerlei Verzweiflung, nahm sein Schicksal auf diese tapfere Weise an, die ihn beinahe bestürzte. Wie konnte Link diese Kämpfe und Grausamkeiten einfach so ertragen? Er machte niemandem einen Vorwurf für seine Rolle in den Ereignissen, nicht einmal Zelda gegenüber, was Sian ebenfalls spürte. Aber jeder könnte verstehen, wenn er es täte… Links reife Seele überforderte den eher draufgängerischen, exzentrischen Irländer beinahe… „Und was möchtet Ihr beide bestellen?“, meinte Anja schließlich und hielt einen Zettel für die Bestellung griffbereit. „Einen Tee und die Fischsuppe, bitte“, sagte Sian. „Und du, Link?“ „Ähm, ich glaube ich nehme das vom letzten Mal, als ich her war. Also: Irish Stew, bitte, und eine große Flasche Wasser.“ „Alles klar.“ Sie lächelte mit ihrer herzlichen Art und ging wieder zur Bar zurück. „Du kennst Anja schon“, sprach Sian Johnson, stemmte sein Kinn auf die angewinkelten Arme und lauschte melancholisch der irischen Volksmusik. „Jep, aber es ist überraschend, dass du bei all den Dingen, die du scheinbar weißt, diese Tatsache nicht wusstest.“ Sian grinste, schloss kurz die Augen und schien mit seinen rubinroten Augen in dem Schauspiel der Musikanten zu versinken. „Ich bin kein Allesseher, jedoch ist es erheiternd, was du mir zutraust.“ Auch Link grinste und lehnte sich zurück. „Ich würde dir wohl einiges zutrauen, schätze ich. Und ich bin mir sicher, dass ich dich irgendwo schon einmal gesehen habe.“ Tiefsinnig musterte der junge Heroe seinen neuen Bekannten und fragte sich, ob sein leiser Verdacht, dass es sich bei Sian um Shiek handeln könnte, tatsächlich Wahrheit war. „Das würde uns beide nicht wundern“, sprach Sian amüsiert. „Womöglich…“, murmelte Link, obwohl er nicht wusste, was er mit Sians Aussage anfangen sollte, und begann lauthals zu gähnen. „Sorry, ich könnte auf der Stelle einschlafen.“ „Dann würde ich vorschlagen, du erzählst mir etwas über den Drachenkampf…“, meinte Sian. „Das ist wohl ein Thema, das dich nicht einschlafen lässt.“ Link verzog eine Augenbraue desinteressiert. „Das sollte aber nicht lustig sein, gerade eben, was?“ Sian musterte ihn erneut geheimnistuerisch, aber unterließ es zu antworten. „Willst du wirklich etwas über diesen Kampf wissen?“, sprach der Heroe schließlich, gähnte erneut herzhaft und riss seinen Mund dabei weit auf. Seine Augen tränten vor Erschöpfung. „Na sicher. Es gibt weitaus mehr Menschen, die etwas mit Hyrule zu tun haben, als du glaubst.“ Link stutzte: „Wie darf ich das verstehen?“ Aber noch immer blieb das Geheimnis über Sians wahre Identität unenthüllt. „So wie ich es gesagt habe“, schloss Sian ab. Neugierig verschränkte Sians Gegenüber die Arme. „Das machst du wohl sehr gerne, wie?“ „Was denn?“ „Leute veräppeln.“ „Das tue ich doch gar nicht.“ „Nein?“ Einmal mehr ließ Link seinen herzensbrecherischen Charme spielen. Er grinste auf eine dämliche und doch liebreizende Weise, die selbst den so kühlen und selbstbewussten Sian Johnson verunsicherte. Er räusperte sich und versuchte ein merkwürdiges Schamgefühl abzuschütteln. „Du bist dir nicht bewusst, wie du mit deiner Art auf die Damen in deinem Umfeld wirkst, was?“, meinte Sian konternd und grinste ebenfalls. Link zwinkerte mehrfach und verstand nicht ganz, wie Sian auf dieses Gesprächsthema kam. „Was meinst du denn jetzt schon wieder?“ „Nun ja, du hast schon einige Herzen gebrochen, das von Zelda vielleicht auch.“ Irritiert verzog sich das herzensbrecherische Grinsen in Links Gesicht zu Ärger. Wollte Sian ihn jetzt verbal angreifen? Er hatte Zelda niemals verletzt und ihr Herz gebrochen schon gar nicht! „Jetzt reimst du dir aber einen gewaltigen Quatsch zusammen“, sprach Link bestimmt. Aber Sian schüttelte gemächlich mit dem Kopf. „Du bist dir dessen nicht bewusst, aber ihr beide wart immer gut darin euch gegenseitig zu verletzen. Ich rede nicht von der Gegenwart, sondern von der Vergangenheit.“ Aufgeregt breitete Link die Arme auseinander und sprach lauter als er es wollte. „Ich habe mit der verdammten Vergangenheit nichts zu tun, ich weiß ja nicht einmal, ob ich der Held bin, den Zelda damals gekannt hat!“ Da war Schmerz in Links tiefblauen Augen verborgen, welcher Sian auffallend bestürzte. Ein Schmerz, der ihn sich schuldig fühlen ließ. „Es tut mir leid, Link, dass wir zu einem solchen Gesprächsthema gekommen sind, war nicht meine Absicht.“ Die Augen schließend lehnte sich Link zurück und seufzte. Er wischte sich über seine trockenen Lippen und hatte gerade den Appetit auf das gut duftende Irish-Stew, das in der Küche von Anja vor sich hin schmorte, verloren. Sian ignorierend lauschte er dem lieblichen und doch leidvollen Gesang einer silbernen Flöte, fühlte sich damit noch elender. „Ich würde mir wünschen, wenn ich es könnte… ich würde mir wünschen mich an die Vergangenheit zu erinnern und zu wissen, was damals passiert ist, was ich getan habe und was Zelda getan hat… Verdammt, Sian, glaubst du, ich sehe nicht deutlich, dass etwas mit Zelda nicht stimmt, unabhängig davon, dass sie sich an dieses Leben kaum gewöhnen kann?“ Sian nickte etwas mitleidig, aber aufrichtig. „Manchmal schieße ich über das Ziel hinaus mit dem, was ich sage… ich wollte dich nicht demotivieren.“ „Das hast du nicht“, sprach Link, und neben dem Schmerz erstarkte der Mut, der sich in dem tiefblau so erschreckend spiegelte. „Aber ich möchte nicht von jemandem, der sich geheimnisumwittert gibt und seine Rolle in den Ereignissen verbirgt, über meine Fehler aufgeklärt werden.“ Links Worte mochten hart klingen, aber solche Aussagen wie gerade eben gingen ihm an die Nieren. Er würde niemals Zeldas Herz brechen! Niemals! „Das zwischen mir und Zelda ist eine Sache, die dich nichts angeht.“ „Vielleicht ja doch…“, bemerkte Sian spitz, aber nickte schließlich. „Wie auch immer… Du hast Recht, Link. Es gibt zu viele Dinge, die uns allen nicht klar sind.“ „Ja, es gibt wohl einige Dinge, die offen sind“, murmelte er. „So viele Fragen, die nicht geklärt sind… wie ich sagte, ich weiß nicht, ob ich überhaupt Zeldas Held bin…“ „Das bist du… garantiert.“ Noch ehe Link darauf antworten konnte, brachte die brünette Anja die Getränke an den Tisch, lächelte so freundlich wie immer, aber schien irgendwie abgelenkt. Sie verwechselte die Getränke, schob Link den heißen Tee und Sian das Wasser unter die Nase und hetzte schleunigst zurück zur Theke. War sie mit den vielen Gästen überfordert? Lethargisch schloss der junge Heroe die Augen, stützte den schweren Kopf auf den Armen ab und fühlte sich belästigt von der unangenehmen, schweren Gedankenwelt, die ihn zurück nach Hyrule zog, zurück an einen Ort, der überwältigend schön sein musste, nur hatte er für den Wunsch an diese Welt gebunden zu sein, ein Abenteuer zu erleben, bereits bitter bezahlt… Er rieb sich die Stirn und strich mit den Händen durch sein dickes, blondes Haar, bis er den schweigsamen und schuldbewussten Sian ein weiteres Mal musterte. „Sag‘ mir, Sian, warum wolltest du über diesen Kampf informiert sein?“ „Mmh?“ „Ich verstehe nicht, was es bringen soll, dass ich dir diesen Kampf ausführlich erkläre…“ Der rotäugige Irländer rückte ein wenig näher und sprach beschwichtigend. „Es dient dazu, dass du es selbst für dich wahrnehmen und akzeptieren kannst. Kämpfe müssen erzählt werden, wenn derjenige, der überlebt hat, sie verdauen will.“ Er machte eine kurze Pause und schien Link noch intensiver mit seinen bedrohlichen, feurigen Augen anzustarren. „Der zweite Punkt ist der, dass ich mich darum kümmere, dass die Angelegenheit unter Dach und Fach gerät und nicht in der Presse landet.“ „Ich verstehe nicht… warum sollte das in der Presse…“, begann der Heroe und brach sogleich ab. Die Menschen, die er gerettet hatte, sie würden doch nicht irgendwelchen Reportern berichten, was er getan hatte! Link begann unruhig auf seinem Platz herumzurutschen und sah erledigt und hilflos zugleich drein. Sofort schien er die Menschen in dem Pub zu mustern, versuchte auffällige Blicke aufzuspüren und hatte das Gefühl beobachtet zu werden. „Verdammt… die Menschen, die ich gerettet habe, du glaubst doch nicht, dass jemand von denen alles einem schmierigen Reporter mitteilt?“ Link sah völlig aufgelöst aus, fragte sich in Sekundenschnelle, wie die Menschen in Schicksalshort reagieren würden, wenn er plötzlich in der Klatschpresse landen würde. Was würden seine Freunde dazu sagen? Er sprang aufgelöst von seinem Platz. „Link, beruhige dich, die Menschen, die du gerettet hast, werden Schweigen bewahren. Ich habe mich darum schon gekümmert.“ „Aber wie…“ Ein dankbares Grinsen im Gesicht ließ sich der Held wieder tiefer in den Sessel sinken. „Du hast mit den Leuten gesprochen?“ Sian nickte wohlwissend. „Und du hast sie völlig überzeugt?“ Abermals nickte der Irländer. „Du bist spitze“, murmelte Link und lächelte. Es machte sein Heroengesicht trotz der Schürfer und Kratzer ansehnlich. „Und was ist mit Patrick… meinem Mitbewohner?“ „Ich habe versucht ihn herauszuhalten. Er wird dein Geheimnis aber sicherlich lüften. Immerhin ist er Zeldafan…“ „Wohl oder übel“, meinte der Held. „Aber das gefällt mir nicht.“ Er goss ein ganzes Glas Wasser seine Kehle hinab und stellte das Glas mit einem lauten Klacken auf den Tisch. „Was ist denn so schlimm daran?“, meinte Sian. „Du kannst dein Geheimnis nicht auf ewig bewahren. Sowohl deine Bekannten als auch deine Freunde und deine Familie werden irgendwann Bescheid wissen.“ „Aber genau das kann ich nicht zulassen, Sian.“ Mit starker, fester Stimme erhob er das Wort, sprach wie ein Anführer. Er dachte an seine Familie, an seine wunderbare Schwester Sara, an seine Eltern und seine Freunde. Er konnte nicht zulassen, dass jemand von ihnen sich einmischte oder zu Schaden kam. „Diese Kämpfe betreffen nur uns etwas, diejenigen, die mit Hyrule etwas zu tun haben. Wir können Unschuldige, wie Pat und Trolli, nicht damit hineinziehen.“ Sian nickte bloß, aber machte große Augen. Er war überrascht über Links Weitsicht und Rücksichtnahme. Und obwohl ihm der Held Hyrules von vornherein sympathisch war, und er sich eingebildet hatte, einige Dinge über ihn zu wissen, so erkannte er einen Bruchteil von dieser heroischen Natur, die tatsächlich in dem Grünbemützten steckte. Und da war weitaus mehr als Kampfbereitschaft und Intelligenz. Da waren ein reines Herz und die Fähigkeit Mitgefühl zu zeigen und zu vergeben… „Erzähl‘ es mir, Link…“ Sian ließ erneut nicht locker. Es war wie als wollte er mit seinem Anliegen den Heroen von sich in die Erinnerungen einnistender Dämonen befreien alles nötige tun, um eine Schuld abzugleichen. „Die Last, die du mit dir herumschleppst, wird nicht leichter, wenn du das alles versucht zu vergessen.“ „Zum Teufel, Sian, jetzt rede nicht wie ein stümperhafter Hobby-Psychologe.“ Link ließ seinen müden Kopf erneut auf seine angewinkelten Arme sinken und setzte murrend hinzu: „Sorry… Es ist okay, ich wäre wohl dankbar, wenn ich diesen Mist loswerden kann.“ Der aschblonde Irländer biss sich auf die Lippen und lauschte andächtig. „Und vielleicht kannst du es damit sortieren?“ „Vielleicht…“ Link funkelte Sian eindringlich an, tauchte ein in dieses glühende Feuer seiner Augen, spürend eine wärmende Wonne, die sich über seinen Verstand legte. Und als die Sekunden zu zerschmelzen schienen, begann der Heroe mit seiner Geschichte, realisierend, wie notwendig es war, die Kämpfe zu verstehen. „Als ich… in diese Höhle mitten im See eintauchte… als ich dort herunter kletterte, war ich mir gar nicht sicher, was mich veranlasste hinabzugehen. Es kam mir vor, als träumte ich, als ging ich mit einem anderen Teil von mir in diesen Kampf, einen Kampf, den ich noch immer kaum verstehen kann.“ „Du hattest das Gefühl, irgendjemand leitet dich?“ „Nicht direkt… es ist kompliziert.“ Mit einer abwehrenden Handbewegung ließ sich der junge Held wieder tiefer in den Sessel sinken und schloss die Augen vor Müdigkeit. „Es war einfach nicht real… so als steuerte ich mich von einer anderen Dimension aus, so, als säße ich vor der Wii und steuerte einen Helden. Ich hatte nur dieses eine Ziel: die vermissten Menschen zu finden.“ „Wie gelang es dir sie zu finden?“ „Ich bin weitergelaufen, immer weiter in das unterirdische Reich, bis ich ein großes Gewölbe erreichte. Aber dort erwartete mich mehr als lediglich einige Menschen, die der See verschleppt hatte. Moblins lauerten dort… kannst du dir das vorstellen? Moblins, detailgetreu und unglaublich echt. Keine merkwürdigen Comicfiguren, sondern gefährliche und stinkende Kreaturen mit Rüstungen und scharfen Waffen.“ „Sie sind genauso echt wie alles, was wir über Hyrule wissen, Link.“ „Es kommt mir vor, als verstehe ich erst jetzt das Ausmaß von allem… wie blind war ich nur…“ Er spülte ein weiteres Glas sprudelndes Wasser seine Kehle hinab. „Du warst niemals blind, Link. Du hast dich ohne zu zögern in dieses Abenteuer begeben, du hast immer Verantwortung für deine Taten übernommen. Ohne dich hätten wir mittlerweile die Hölle auf Erden. So blind kannst du also gar nicht sein.“ Er grinste schwach, aber wollte die Worte, die Sian sprach nicht detaillierter ausführen. „Ich bin wirklich die Wiedergeburt des Helden aus Hyrule, so wie ich hier sitze, was?“ „Hundertprozentig. Keine Einbildung.“ „Und ich bin begabt darin mit den unterschiedlichsten Waffen umzugehen, richtig?“ Sian lachte kurz auf und wirkte beinahe menschlicher mit seinem Lachen. Bisher wirkte er eher wie ein Elf. „Dachtest du etwa, du hast dir deine Fähigkeiten nur ausgedacht?“ „So in etwa…“, und auch Link grinste. Das Gespräch mit Sian tat nun doch angenehm gut. Es war hilfreich einige Zweifel klären zu können. „Was ist dann passiert?“ Link seufzte und kam den entscheidenden Dingen, die sich in sein Herz brannten, näher. „Ich konnte die Moblins zu einem großen Teil ohne weiteres Aufsehen zu erregen ausschalten, und erblickte die gefesselten Menschen wie auch ein kleines Kind, das wahnsinnige Reden anstimmte. Es war Molly, das kleine Mädchen, das seit einigen Wochen vermisst wird.“ Sian wirkte das erste Mal, seit Link ihn kannte, wirklich überrascht und zupfte sich an seinem Kinn. „Verstehe… jetzt fügen sich die Puzzleteile zusammen. Sie wurde von einem Dämon besetzt, nicht wahr?“ Link nickte, sah innerlich die kleine Molly vor sich. Sie tanzte mit ihrem irischen Kleidchen über eine Blumenwiese und winkte ihm zu. Sie war erlöst… es ging ihr garantiert gut, aber er hätte sich dennoch gewünscht sie retten zu können. „Sie war so unschuldig und klein… sie war nur ein Kind. Es war grausam, was ihr angetan wurde und was ich schließlich tun musste.“ Er biss sich auf die Lippen, hob den Kopf und war mit den Gedanken erneut im Kampfgeschehen inbegriffen. Er spürte die Eiseskälte, spürte die feurigen Fontänen, und die Schärfe seines eigenen Schwertes. „Sie mutierte… auf eine schrecklich Weise und alles, was ich tun konnte, alles, was ich bereit war zu tun, war sie zu töten. Ich konnte sie nicht von dem Dämon befreien, es war zu spät…“ „Du konntest sie erlösen, das ist alles, was wichtig ist.“ „Es wäre wichtiger gewesen sie zu retten, Sian.“ Doch der Irländer schüttelte beschwichtigend den Kopf. „Bei allem, was du jetzt über die Weltengesetze weißt, Link, und bedenke, du weißt mehr als manch gewöhnlicher Mensch, weißt du doch, dass wir wiedergeboren werden, dass es dort draußen in der weiten Ferne einen viel größeren Plan gibt, als es Menschen sehen können, glaubst du nicht, es war Bestimmung, dass Molly gehen musste?“ „Ich weiß es nicht.“ „Sie hatte ihre Aufgabe… und dort, wo sie jetzt ist in der Vergebung ihrer Ahnen, hat sie es besser als in einer Welt, die noch sehr viel ertragen wird.“ „Es wird noch viel schlimmer, habe ich Recht“, sprach Link trübsinnig. „Das, was mir prophezeit wurde… was die Weisen sehen können… ist entsetzlich…“ Auch Sian wirkte trübsinnig, schien so tief berührt, dass er den Tränen nahe kam. Er war alles andere als ein gewöhnlicher, junger Bursche. Er war in sich völlig ruhend und in der Lage seine Emotionen perfekt auszubalancieren, auch dies erkannte Link nun. „Es stehen Kämpfe an, Reisen an anderen Orte und es geht auch in deiner Geschichte um legendäre Taten“, erklärte er. „Zelda und ich sind legendär, hm?“, meinte Link aufheiternd, fühlte eine Woge des Trostes über sich hinweg schwappen. Es war tröstlich mit Sian zu reden, so ungemein tröstlich… „Es heißt ja, die Legende von Zelda… nicht wahr?“ Link nickte abschließend und beobachtete erneut melancholisch die Musikgruppe, die hochkonzentrierten Gesichter, diese Harmonie in den Klängen und dem Gesang, der Herzen berührte. Irische Musik hatte es bisher stets geschafft ihn hinfort zutragen, ihn gefangen zu nehmen, zum Träumen zu bringen wie auch jetzt. Sein Blick wandelte sich von der Kampfbereitschaft und den Zweifeln zu einer angenehmen Wärme, Sorge, und Bedächtigkeit. „Es ist einfach zu…“ Er suchte nach dem richtigen Wort, das es für all’ die Geschehnisse des letzten halben Jahres nicht gab. „… verrückt. Alles… restlos alles. Ich bin der Held Hyrules, wiedergeboren auf der Erde, als Mensch. Ich habe das wohl tollste Mädchen des Planeten in den Wäldern gefunden… Und habe mir vorher immer ein Abenteuer gewünscht, mir gewünscht etwas Besonderes zu leisten, und nun, da es alles wahr wurde, bin ich mir nicht mehr sicher, den ganzen Dingen gewachsen zu sein. Ich meine, wie kann das alles sein…“ „Link. Ich bin mir sicher, du schaffst es. Egal, was auf dich zukommt. Wer sonst außer dir hätte den Mut gehabt, so zu kämpfen?“ Hoffnungsvoll sahen die tiefblauen Augen Links auf. Himmel, selbst von Sian Lob zu erhalten, tat unglaublich gut. „Nur du kannst verhindern, dass das Böse diese Welt beherrscht. Nur du, denn das Blut des Schicksals gerinnt nicht in den Händen der Zeit…“ „Es ist ja nicht zu fassen, du machst es schon wieder!“, sprach Link amüsiert. „Was denn bitte schön?“ „Du redest schon wieder so geschwollen, dass man dich nicht verstehen kann.“ „Mmh, ein paar Macken hat wohl jeder von uns“, lachte diesmal auch Sian und schüttelte das blonde Haar aus seinem edlen Gesicht. „Das lässt sich nicht abstreiten“, schmunzelte Link. Was wohl Zeldas Macken waren, fragte er sich? Vielleicht diese unscheinbare Armbewegung, wenn sie sich aufregte oder das Glitzern in ihren Augen, wenn sie etwas tief berührte? Beim Deku, er vermisste sie so sehr… „Nun gut, Link, gibt es noch etwas, dass ich dir mitteilen kann?“ Dann schlug Link unerwartet auf den Tisch. „Aber sicher. Das wichtigste haben wir noch nicht besprochen!“ „Und das wäre?“ „Von welchem Bösen sprichst du eigentlich, Sian? Ich meine, ich habe gegen Moblins, Wölfe, Skelettritter und sogar schon gegen einen Drachen gekämpft, aber wer steckt dahinter?“ „Das weißt du nicht?“ „Nein, woher denn?“ „Link… zähl’ doch einfach eins und eins zusammen. Wenn es Zelda gibt, wenn es dich und Impa gibt, folgt daraus nicht die Existenz eines gewissen Schreckensfürsten?“ Link starrte, geschockt über Sians Worte und seine eigene Dummheit, nicht früher daran gedacht zu haben, in die roten Augen seines Gegenübers. Ihm entkam ein simples: „Du meinst Ganondorf?“ „Oder sagen wir die Wiedergeburt des Todbringers? Du kannst dir aussuchen, wie du ihn nennen willst…“ Auch Sian lehnte sich nun zurück und fokussierte mit seinen roten Augen die fleißige Anja NiceInn, die gerade mehrere Teller auf ihren Händen und Armen balancierte. Erschöpft wirkend trat sie in die Richtung der beiden jungen Kerle. „Was macht Ganondorf in dieser Welt?“, bemerkte Link, aber wurde in dem Gesprächsthema von der netten Pub-Besitzerin unterbrochen. Geschwind servierte sie das heiße, deftige Essen. „Guten Appetit wünsche ich euch“, sagte sie schwach, versuchte eine marternde Besorgnis, die in ihrem schönen Gesicht abzulesen war, zu verbergen. „Ist alles okay, Anja?“, sagte Link und gähnte erneut. Doch versunken in ihre Gedanken reagierte die Dame nicht weiter auf ihn, lächelte kurz und nickte bloß. Sie hatte es eilig und verschwand wieder hinter dem Tresen. Gerade da erschien Kevin McMayor, der Verlobte von Anja, ein sehr verärgertes Gesicht ziehend und stapfte mit schweren Stiefeln an den Gästen vorüber. Sein schwärzliches Haar klebte zottelig und ungewaschen an seinem unrasierten Gesicht. Überhaupt sah er aus, als hätte er seitdem sein Auto von den Wölfen verschrottet wurde, nicht mehr geschlafen. Mürrisch tapste er auch an Link vorbei, grüßte weder Sian, noch den Heroen oder die anderen Gäste und verschwand in der Küche. Anja folgte ihm hektisch und blickte hilflos in Links Richtung, bis sie von der Küchentür verschluckt wurde. Link bemerkte sehr wohl, dass etwas im Argen war, aber entschied sich zunächst unauffällig zu verhalten. Mit einem beneidenswerten Grinsen krallte er sich das Besteck und stopfte sich auf eine genüssliche Weise, so als hätte er noch nie etwas im Magen gehabt, das Essen in den Mund. Sian beobachtete ihn mit hochgeschobenen Augenbrauen, aber lachte dann. Wenn Link so zuhauen konnte, würde er sicherlich schnell wieder fit werden und auf die Beine kommen, dachte er. „Sian, ich danke dir für deine vielen Ratschläge und ich weiß, ich kann dir vertrauen… aber ich habe ein Anliegen“, sprach Link mit vollem Mund. „Und das wäre?“ „Jetzt mal ehrlich, was hast du mit Hyrule zu tun?“ Er schluckte einige Bissen herunter und legte kurz das Besteck zur Seite. „Ich weiß ja, dass es mich nicht unbedingt was angeht und mir ist schon klar, dass du dich nicht ohne Grund so geheimnisumwitterst verhältst… aber…“ Sian grinste und unterbrach Link: „Und darum machst du so einen Wind? Du hättest mich ruhig früher fragen können…“ Er machte eine kurze Pause und trank einen Schluck Tee. „Es ist so… Eigentlich… existierte ich in der legendären Welt Hyrule nur für sieben Jahre und ich bin der Sohn einer großartigen Persönlichkeit, die vermutlich neben Zelda die wichtigste Stellung in der alten Welt hatte.“ „Für sieben Jahre? Heißt das, du bist…“ „Ja genau. Verstehst du nun, weshalb ich einiges über dich und Zelda weiß?“ „Shiek? Das gibt’s nicht. Du bist wirklich Shiek? Ich habe es geahnt!“ Links Stimme wurde ein wenig laut, sodass sich einige Leute verwundert nach ihnen umblickten. „Sorry“, flüsterte er, so leise, dass selbst Sian es nicht verstanden hatte. „Ich teilte mit Zelda sozusagen eine Persönlichkeit. Ich war nicht mehr als ein Schatten. Doch nun, habe ich ein ganzes Leben vor mir und dafür bin ich dankbar. Natürlich habe ich keine Erinnerungen, keine wirklichen. Aber mein Vater hat mir alles erzählt, als ich eine Verbindung zu Zelda spüren konnte… Ich weiß im Grunde genommen alles über sie, und ich weiß daher auch, wie emotional gebrochen sie gerade ist. Verstehst du?“ Link nickte und kratzte sich an einer dunkelblonden Augenbraue. „Ich glaube, ich kann es irgendwie verstehen, nun ja inwieweit man das überhaupt verstehen kann.“ Erneut tadelte er sich in Gedanken für die blinde Sichtweise, mit der er an seine Prinzessin und alles, was mit Hyrule zusammenhing, herangetreten war. Er wusste so vieles nicht… und wusste im Grunde genommen noch weniger als das, was er gehofft hatte zu wissen. Er dachte, Zelda könnte sich, wann immer sie wollte in Shiek verwandeln, eventuell auch jetzt. Er hatte sogar geglaubt, sie wäre ihm hinterher gereist und hätte sich als Sian ausgegeben. Er verstand endlich die Zusammenhänge, verstand, wie gefährlich es für sie in dieser Welt war. Sie konnte sich nicht einfach verwandeln und gegen ihren Erzfeind kämpfen, genauso wenig wie im Spiel. Er schüttelte frustriert den Kopf, begreifend, dass er Hyrule immer noch als ein einfaches Spiel ansah… „Zelda hatte wahrlich nur einmal die Chance sich als Shiek auszugeben, durch Impas Hilfe, die selbst ein Shiekah war, damals in der weitzurückliegenden, grausamen Vergangenheit. Irgendwie hat sie diese Hälfte jedoch abgespalten. Sonst würde ich ja gar nicht existieren.“ „Mmh…“, meinte Link und versuchte sein Gedankenwirrwarr abzustellen. Gemächlicher aß er weiter. Die Zeit tickte dahin, hier in dem gemütlichen Pub im Süden Irlands, wo ein salziger Sommerwind wehte. Der kleine, gemütliche Pub war noch immer erfüllt von einem wohligen Aroma rauchender Pfeifen und den Klängen der irischen Band. Wenige Touristen verließen die Kneipe, genossen die Nähe zum kühlen Meer hier zu später Stunde. Gerade da, als sich der Pub langsam leerte, konnte man im Hintergrund aufgebrachte Stimmen vernehmen. Aus der Küche erklang ein Lärm, als zerschmetterte jemand Porzellan und als tobte der Jähzorn in Menschengestalt an diesem Ort. Link und Sians überraschte Blicke trafen sich. Es war vor allem Kevin McMayors Stimme, die herum wütete wie ein wilder Stier. Etwas musste geschehen sein, was Kevins ganze Wut geschürt und zum Ausbruch gebracht hatte. „Der hat einen schlechten Tag, oder?“, murmelte Link irritiert und fragte sich allmählich, ob er einschreiten sollte, aber da kehrte erneute Ruhe ein. Kevins laute Stimme war nicht mehr vernehmbar. Link blickte in Richtung Küche, spürte dennoch ein ungutes Gefühl in sich und hoffte, er bildete sich nicht mittlerweile Gefahren an Orten ein, wo keine waren. Er trank ein weiteres Glas Wasser und rieb sich seinen vollen Magen. Das Essen im Magen fühlte sich wie das beste Essen seines Lebens an. „Sag mal, Sian, weißt du irgendetwas, von den Dingen, die Hyrule zugestoßen sind? Warum sind wir als Reinkarnationen hier? Warum sind Zelda hier, Impa, du und ich? Wie kann das sein?“ „Link, ich weiß, du willst alles so schnell wie möglich wissen, aber sollte nicht vielleicht Zelda dir erzählen, was damals geschehen ist?“ Im ersten Augenblick war der Siebzehnjährige ein wenig enttäuscht, als aber Zeldas Name fiel und er sie mit ihrem sanften Lächeln vor sich sah, war dieses Gefühl wieder verschwunden. „Du hast Recht, Sian.“ Und er lächelte tiefsinnig. „Zelda wird sicherlich mit dir reden… ich weiß nicht, wann sie dazu bereit ist, aber sie braucht dich… und es gibt etwas, worum ich dich bezüglich ihrem Seelenheil bitten muss.“ Der junge Irländer bekräftigte diese Bitte mit einem festen Händedruck. Irritiert blickte Link auf die blasse Hand Sians und schließlich wieder in dessen rubinrote Augen. „Auf Zelda liegt etwas… wie ein dunkler Schatten, den ich nicht beseitigen kann, den ich nicht einmal erklären kann, etwas, das die Vergangenheit ihr mitgegeben hat. Und dieses Übel muss durch irgendetwas aus der Vergangenheit entstanden sein… ich bitte dich, Link, als Freund, und weil ich eine enge Verbindung zu Zelda spüren kann, bring‘ sie dazu sich dir zu öffnen.“ Sians ernste und doch mitreißende Worte schienen dem jungen Heroen beinahe den Atem zu rauben. Er löste sich aus dem festen Händedruck und starrte trübsinnig ins Leere. „Sag‘ mir, wie ich das schaffen soll…“ „Du bist der einzige, den sie nah genug an sich heranlässt.“ „Das ist keine Antwort auf meine Frage.“ Verunsichert erhob er sich, trottete zwei Meter vor dem Tisch auf und ab. Links sonderbares Verhalten schien die wenigen Gäste, die noch geblieben waren, kaum zu interessieren. „Es gibt eine ganz einfache Möglichkeit an Zelda heranzukommen…“ „Und die wäre?“ Sian lehnte sich zurück, holte selbst eine Pfeife aus seiner Hosentasche und zündete sich ein sehr krautig riechendes Gewürz an. Link war nicht annähernd so entsetzt darüber, dass Sian qualmte wie darüber, was er gleich von ihm verlangen würde. Sian nahm einen genüsslichen Zug, wirkte noch lässiger als ohnehin schon und es war wie, als hüllte ihn das seltsame Räucherwerk in eine schattenhafte Gestalt, die weitere Geheimnisse auffraß. Tonlos sprach er: „Schenk‘ ihr Liebe, Link.“ ,Schenk‘ ihr Liebe‘, wiederholte der blonde Schönling in seinen Gedanken um es einigermaßen zu verstehen. Was zum Teufel hatte Sian für eine Vorstellung von einer Art von Beziehung, die er und Zelda führten? Vor lauter Fassungslosigkeit ließ sich der Heroe wieder auf den Sessel sinken und bat den Irländer die Worte zu wiederholen. „Du hast mich verstanden. Zelda kann nur heilen, wenn sie das Gefühl hat geliebt zu werden. Und von wem sollte sie sich das mehr wünschen als von dir?“ Sian rasselte die Worte herunter, als kannte er keinerlei Schamgefühl. „Und…“, stotterte Link und spürte das Blut in seinen Wangen sprießen. „Und… was genau verstehst du darunter: ich soll ihr Liebe schenken?“ Sian antwortete nicht auf diese Frage, sondern zog genüsslich ein weiteres Mal an seiner Pfeife. „Hast du eigentlich den Verstand verloren, Shiek?“, brummte der Heroe, nahm die Pfeife ungeduldig an sich und erhielt überraschend wieder Sians Aufmerksamkeit. „Es ist nicht mein Problem, dass du scheinbar mehr in meine Worte interpretierst als gemeint ist. Ich habe nicht gesagt, du sollst Zelda verführen. Du sollst ihr das Gefühl geben, dass sie geliebt wird, sicher ist.“ Mit großen Augen wich Link zurück, schaute dümmlich an die Decke und ertappte sich bei seinen eigenen detailreichen und verwunderlichen Ideen. Hatte er wahrlich angenommen, mit Zelda schlafen zu müssen um ihr eine Form von Liebe zu schenken. „Äh… dann ist ja gut…“, er brabbelte unbeholfen vor sich hin. „Es ist gut… dass wir das geklärt hätten…“ Sian lachte erheitert auf und grinste. „Das ist nicht lustig…“, sprach Link eingeschnappt, verschränkte die Arme und gähnte. „Ach nein?“ „Nein.“ „Oh doch, es ist lustig, dass du auf die Idee kommst mit Zelda schlafen zu müssen.“ Link schnaubte entrüstet und trank erneut von seinem Wasserglas, diesmal so heftig, dass er sich beinahe verschluckte. Er fragte sich, ob ihm Wasser bei diesem Unsinn, den sie daher redeten, noch reichte. Vielleicht sollte er seinen Frust in Wein ertränken oder in einer anderen Droge, so wie Sian es tat… Um vom Thema abzulenken, suchte Link nach einer weiteren Frage: „Kannst du mir denn sagen, weshalb ich Zelda damals halb durchgefroren in den Wäldern gefunden habe.“ „Ich kann dir darauf keine Antwort geben. Aber ich kenne jemanden, der das vielleicht könnte, Link.“ Der neue und alte Held grinste. „Gut, vergiss aber nicht ihn mir vorzustellen.“ „Wird erledigt.“ Die kleine Musiktruppe beendete ihren Auftritt mit einer wonnevollen und friedvollen Ballade, die wie ein Wiegenlied von der Sehnsucht nach Träumen erzählte. Harfe und Flöte spielten ein Duett, das in Märchen lebendig wurde, verbanden sich beinahe liebevoll in den wenigen melancholischen Tönen. Wie hypnotisiert lauschte Link den Klängen, die ihm von seinem Schicksal erzählten, von Wärme und einer Geborgenheit, die er in einem anderen Leben gefunden hatte. Und mit der wärmenden Melodie, schwermütig und doch hoffnungsvoll schallte sie durch den kleinen Pub, verbanden sich Bilder, die er zunächst in seinem Herzen spürte und dann deutlich mit seinem inneren Auge sehen konnte. Auf grünem Hügel, an einem kleinen Palast, der vollkommen aus Glas bestand und das Licht der Sonne sich in Regenbogen ergoss, wenn es das Glas berührte, saß er einst, spielte die Okarina in Begleitung der zarten Harfe. Er spürte dieses Bild in sich, so deutlich, dass es mehr sein musste als eine Erfindung seines Geistes. Es war wie als ließ die Okarina im Duett mit der Harfe Lichtstrahlen tanzen und als rettete manchmal eine Melodie die Welt… „Es wird Zeit, dass wir aufbrechen, Link…“, meinte Sian und einmal mehr leuchtete Besorgnis in seinen rubinroten Seelenspiegeln. „Es wäre mir lieber, wenn du sobald wie möglich Schlaf findest.“ Und jetzt, wo der Irländer es ansprach, erinnerte sich Link an die vielen Prellungen und Wunden, die noch an seinen Kräften zehrten. Er gähnte und konnte nur zustimmten. Sian telefonierte kurz und bestellte den als Taxifahrer getarnten Weihnachtsmann erneut, erhob sich dann und beglich die Rechnung bei Anja. Sie bedankte sich auffallend, blickte jedoch ängstlich drein, beinahe so, als wollte sie Sian und Link nicht gehen lassen. Träge erhob sich der Heroe ebenfalls, spürte einige schmerzhafte Stiche in seinem Rücken und tapste vorsichtig in Richtung Tresen. Gerade da kam der sonst so hilfsbereite und gut gelaunte Kevin die Treppen herunter gestürzt, fokussierte Anja mit einem bärbeißigen Blick, den Link bei noch keinem Monster gesehen hatte, ignorierte sowohl Sian, als auch Link und fuhr seine Verlobte ohrenbetäubend an: „Anja, was habe ich vor über fünf Minuten gesagt?“ Die hübsche Brünette blickte hilfesuchend zu Link und Sian und schien sich für Kevins Auftritt zu schämen. „Es tut mir leid… du weißt doch, wir haben noch Gäste.“ Und sie blickte zu den wenigen Touristen, die sich daraufhin ebenfalls erhoben. „Und wenn wir fünfhundert Gäste haben, interessiert mich das nicht. Ich habe gesagt, du bringst mir ein Guinness und wenn ich das sage, hast du das auch zu erledigen!“ Sein Tonfall wurde immer harscher und aufbrausender. Er trat direkt vor sie und donnerte ein großes Bierglas auf den Tisch. Anja zuckte zusammen, als er das Glas ein weiteres Mal auf die Theke knallte. „Ich will das Guinness, sofort!“ Anja blickte nervös zur Seite, hatte gläserne Augen und lehnte sich verängstigt an die Wand. Aber selbst diese nervöse Geste schien Kevin McMayor nicht zu beeindrucken. Brummend und stapfend trat er an seine Verlobte heran und hob eine Hand. In dem Augenblick entschied sich Link einzuschreiten und packte den eher dürren Arm des Bürgermeistersohnes mit einem gewaltvollen Ruck. „Reiß‘ dich zusammen, oder wir klären das auf andere Weise!“, brummte Link und fragte sich, ob er eine Schlägerei mit Kevin in seinem bemitleidenswerten Zustand noch durchhalten würde. Er hätte niemals gedacht, dass sich der sympathische und auf den ersten Blick so ehrenwerte Mann auf diese Weise gehen lassen würde. Mit genauso viel Wut, wie er sie Anja NiceInn entgegen schmetterte, blickte er Link entgegen. „Was willst du?“ „Was wohl? Denkst du, ich sehe hier selbstgefällig mit an wie du deine Verlobte niedermachst?“ Kevin grinste lediglich, so als wäre er nicht bei Sinnen und riss sich aus Links Zugriff los. Die restlichen Gäste verschwanden derweil aus dem Lokal, drückten einige Scheine auf den Tresen und verzichteten auf das Wechselgeld. „Du entschuldigst dich auf der Stelle bei ihr!“, betonte der Heroe und blickte zu Anja, die anfing zu weinen. „Sie weint wegen dir, Kevin… Ich würde mich schämen, wenn ich jemanden, der mir so nahe steht, zum Weinen bringen würde“, sprach Link leise und erhielt ein dankbares Lächeln von Anja für sein Einmischen. „Das geht dich nichts an, Idiot. Wegen dir ist mein Wagen futsch. Und dieses Häufchen Elend“, er zeigte mit einem Finger auf Anja, „… macht sich ständig lustig über mich. Es wird Zeit, dass ich ihr beibringe, wie man sich als baldige Ehefrau benimmt.“ Link verlor die Worte, die er gerade noch sagen wollte vor Entsetzen. Entweder Kevin hatte einen bösartigen Zwillingsbruder, der gerade vor ihnen stand, oder er hatte sich innerhalb weniger Tage um Hundertachtzig Grad gedreht. Der sonst so bescheidene und liebeswerte Irländer hatte überhaupt nicht zugehört. Selbst die kristallenen Tränen, die an Anjas roten Wangen hinab tropften, weckten nichts außer Abscheu und dem Wunsch zu demütigen. Er knackte mit den Fäusten, holte kräftig aus, bereit dem jungen Heroen seine Rechte in das Gesicht zu rammen, doch Sian war schneller… Mit einer beneidenswerten Akrobatik packte er Kevin am Kragen, rollte ihn mit einer Federleichtigkeit durch die Lüfte und ließ ihn mit einem schmerzhaften Knacken zu Boden donnern. „Das war Notwehr, richtig?“, grinste Sian und erhielt ein überraschtes Nicken des Heroen. ,Wahnsinn‘, dachte Link. Sian war ein Meister in allen möglichen Kampfsportarten und zusätzlich ein Heiler und das in seinem jungen Alter. Wie hatte er es geschafft sich auf diese Weise und so schnell zu entwickeln? Kevin raunte, krümmte sich am Boden zusammen und hielt sich mit beiden Händen den Nacken. Murrend richtete er sich auf, sah ein wenig orientierungslos drein und ein leichter Schimmer der Zweifel flackerte in seinen pechschwarzen Augen auf. „Bist du wieder bei Sinnen?“, sprach Link herrisch. Seine Stimmte knallte nieder, als befand er sich auf einem Schlachtfeld. „Entschuldige dich sofort bei deiner Verlobten!“ Kevin McMayor schüttelte benommen den Kopf, sodass sein dichtes, schwarzes Haar über sein Gesicht fiel. Und als er sich die vielen zotteligen Strähnen aus dem Gesicht strich und sein Blick zu Anja glitt, war das erste Mal seit Beginn dieses Abends so etwas wie Wärme in seinen Seelenspiegeln zu finden. Er runzelte die Stirn und erhob sich. Sein Blick fiel zu Link und Sian und schließlich erneut zu seiner Verlobten, zu den Tränen und der Angst in ihren Gesichtszügen. Er wollte näher treten, aber da rückte Anja Schnurstraks an ihm vorbei, krallte sich mit einem leisen Wimmern ihre Jacke und die rote Handtasche, die Link vor einigen Tagen zurück gebracht hatte, von der Garderobe und hetzte zur Tür. „Ich bin bei meiner Schwester…“, sprach sie weinerlich, würdigte ihren Verlobten mit keinem Blick und trat hinaus in die Nacht. „Aber Anja…“, rief der Bürgermeistersohn noch, bevor sie die Tür zuknallte. Als verstand er die Welt nicht mehr ließ er sich auf einen Barhocker sinken, starrte auf seine Hände und vermied es weiterhin mit Link und Sian zu reden. Link konnte nicht glauben, was soeben passiert war. Die beiden waren doch so verliebt ineinander gewesen! Wie konnte dies so schnell und auf eine solche extreme Weise umschlagen. Was mochte passiert sein, dass Kevin so ausgetickt war? „Link, ich will nicht drängeln… aber das Taxi wartet. Lass‘ Kevin in Ruhe nachdenken.“ Sian legte dem Heroen eine Hand auf die Schulter, bekräftigte seine Worte mit einem festen Griff. „Es ist nur…“, sprach er leise. „Ich habe irgendwie das Gefühl, ich habe hier noch etwas zu erledigen…“ „Womöglich, aber vielleicht zu einem besseren Zeitpunkt.“ Link nickte schwach und sah ein, dass er in dieser Situation nicht mehr viel retten konnte. Er hatte bereits eine Hand auf den Türengriff gelegt, als Sian ihn noch einmal aufschreckte: „Hey, jetzt wird es interessant. Schau‘ mal auf den Nacken von Kevin.“ Geknickt saß der schwarzhaarige Irländer auf seinem ledernen Barhocker und schien mehr und mehr in sich zusammenzusinken. Er begann zu schluchzen und krallte sich nun doch noch das notwendige Bier. Mit einem Zug goss er das Getränk seine Kehle hinab und gerade als er sich wieder auf den Tresen lehnte, war eine auffällige Stelle an seinem Nacken sichtbar. Kevin besaß an jener Stelle eine kleine, dreieckige Wunde, verräterisch funkelnd wie rostendes Metall gab sie sich preis, machte aufmerksam auf ein Einmischen des Bösen. Es war das gleiche Mal, dass der Dieb trug, den Link mit der Handtasche erwischt hatte. Konnte es sein? Sian nahm Link die Worte aus dem Mund. „Die Menschen mit dieser Wunde werden von einen auf den anderen Tag zu bösartigen Mistkerlen. Ob Kevin vielleicht dasselbe Schicksal zuteilwurde?“ Link senkte den Blick, schien nachdenklich und ballte beide Hände zu Fäusten. Für einen kurzen Moment dachte er an Mollys erschreckende Prophezeiungen. Sie hatte in dem wahnsinnigen Kampf keine Gelegenheit ausgelassen ihn mit Worten zu verunsichern, mit gefahrerzeugenden Aussagen, die ihm auch jetzt noch auf der Seele brannten und die er Sian noch nicht mitgeteilt hatte. Sie redete davon, dass ihr Meister einen viel größeren Plan hatte als es für die Streiter des Guten ersichtlich war. Sie sprach davon, dass weitaus mehr Wesen und Welten an diesem Kampf beteiligt sein könnten… Wie groß wurde dieser Kampf und wie entsetzlich sollten diese Dinge noch werden? „Link, komm‘ schon, es ist genug jetzt… Lass‘ dein Pflichtgefühl ruhen.“ Link seufzte, aber nickte dann. Sian musste den Heroen beinahe aus dem Gasthaus hinaus schleifen. Und auch das Taxi wartete bereits. Und zumindest für wenige Sekunden bewunderten die beiden den leuchtend hellen Vollmond, der den Marktplatz in einen märchenhaften, von silbernen Schimmern belegten Ort verwandelte. „Was genau ist diese Wunde?“, kam über Links leicht trockene Lippen. „Wenn ich das wüsste, hätten wir Kevin sicherlich gleich helfen können.“ „Ich verstehe… wir müssen also warten?“ „Ja, zumindest diese Sache ruhen lassen, bis wir Näheres wissen, Link.“ Der Heroe ließ sich ein weiteres Mal von dem gleißenden, beinahe reinigenden Schimmern des Mondes und der Sterne verzaubern. Es half ihm in sich zu ruhen, sich besser zu fühlen und gegen das ungewisse Gefühl, dass sehr bald eine Katastrophe geschehen könnte. „Sian… danke nochmal für die Einladung. Nach diesem Horrorkampf war der Abend mit dir das Beste, was mir passieren konnte“, gab er ehrlich zu und lächelte. Sian schloss ein wenig verlegen die Augen. „Gern geschehen.“ Mit noch mehr Müdigkeit stiegen die beiden ins Taxi, ließen den Abend ausklingen und marternde Fragen über das Schicksal, über Hyrule und das Böse, zurück… Im himmelblauen Bungalow der Herberge von Leon Johnson flackerte ein schummriges Licht im Wohnzimmer auf, ließ vermuten, dass selbst zu so später Stunde und es war mittlerweile nach zwölf Uhr nachts noch jemand wach war. Mit hängenden Schultern, sichtlich erschöpft und beansprucht von seinen brennenden Wunden, tapste Link in den noch dunklen Flur, dachte kurz darüber nach dem neugierigen Zeldafan Pat van der Hohen irgendwie auszuweichen, und hoffte, sich einfach nur in sein Bett fallen lassen zu können und tagelang nicht mehr aufzustehen. Es war gerade jetzt, dass der junge Heroe den Eindruck hatte, die Schmerzen in seinen Gliedern verdoppelten sich… Er grinste etwas und hängte seine Jacke mühsam an die Garderobe. Was hatte er denn auch erwartet? Dass ein Kampf genauso wie im Spiel ablief? Der Held vernichtete die Bestie ohne weitere Schwierigkeiten und war sofort bereit für die nächsten Monster? Er stemmte sich kurz an die kahle Steinwand des Korridors, hörte Patrick im Wohnzimmer lachen und sah dann Tommy mit der Mülltüte in den Flur treten. Er ließ vor Schreck die Tüte fallen und starrte Link so an, als hätte er nicht erwartet ihn hier vorzufinden. „Oh… du bist… du bist hier?“ Er zwinkerte mehrfach und wirkte nervös. „Wo sollte ich auch sonst sein?“, meinte Link amüsiert und konnte Trollis merkwürdige Sätze kaum ernst nehmen. „Äh… keine Ahnung“, erwiderte er und hetzte mit der Mülltüte in der Hand an Link vorbei. Zumindest schien Tommy kaum auf die Blutergüsse und Kratzer in Links Gesicht zu achten. Schläfrig schritt er in die Stube und sah Pat vor dem Fernseher sitzen. Aber nicht alleine… sollte man korrekterweise sagen. Eng umschlungen hatte Pat wohl im Moment nichts Besseres zu tun, als die angebliche Stalkerin Patrizia wild abzuknutschen. Eng aneinander gekuschelt lagen sie auf dem Sofa, neckten sich und lächelten sich an, bis sie erneut lange Küsse austauschten. Link gaffte die beiden beinahe verschreckt an, da er ja zugegeben ein wenig scheu und ungeschickt war, wenn es um derartige Angelegenheiten ging und blickte verlegen drein. „Ähm… guten Abend, ihr Zwei…“, sprach er leise und schluckte den Knoten in seinem Hals herunter. Unbeholfen lösten sich die beiden voneinander, obwohl man vorher den Eindruck hatte, ihre Lippen wären miteinander verwachsen, da sie sich minutenlang nicht voneinander gelöst hatten. „Hallo“, meinte die angebliche Stalkerin und blickte interessiert zu Link. Sie hatte auffällig errötete Wangen und richtete sich auf. „Hey, Link“, sagte Patrick belustigt und hüpfte schlaksig auf die Beine. Er musterte Link mit verdächtigen Blicken, sah ihn von Kopf bis Fuß an und schien auch die Wunden zu sehen, die er verheimlichte. Der Heroe wendete den Blick ab. „Hattest du nicht gemeint, Patrizia wäre eine Stalkerin und nerve dich?“, flüsterte Link verwundert, „Also.“ Und der grünäugige Blonde schaute nur grinsend zu seiner angeblichen Stalkerin. „Wir haben uns ausgesprochen.“ „Aha, und das angebliche hinterher schnüffeln dieser Stalkerin hat sich als harmloses Interesse an deiner Person herausgestellt, was?“ Patrick nickte zufrieden. „Das war ein Missverständnis, weil eigentlich… hab’ ich Patrizia doch ganz gerne. Wir haben uns endlich ausgesprochen…“ Auch die schlanke, hochgewachsene Patrizia trat auf die Beine, hatte sich auffallend zu Recht gemacht. Sie sah flott aus in einem dunkelblauen, kurzen Kleid und mit dezentem Make-Up in ihrem Gesicht. Sie legte Patrick einen Arm um die Hüfte. „Ich bin mir bewusst, dass ich einige Dinge wieder gut zu machen habe… aber ich halte es nicht ohne ihn aus …“, sprach sie leise und drückte ihm einen kleinen Kuss auf die Wange. Link lächelte breit und freute sich irgendwie für die beiden. Und es gab ihm ein gutes Gefühl zu sehen, dass selbst hinter den gemeinsten Taten und den schlimmsten Aussagen eines Menschen etwas ganz anderes stecken konnte. Patrizia war kein schlechter Mensch… vielleicht hatte sie nur zu viele Fehler gemacht, auch wenn das nichts entschuldigte. „Und Link“, meinte Patrick und trat an ihn heran. „Ich muss mich wohl bei dir bedanken… ich habe begriffen, dass die Zeit auf dieser Welt viel zu kurz ist für Streit und Ärger… ich sollte einfach genießen. Diesen Gedanken hast du mir vermittelt…“ Er lächelte dankbar. Und für Link war es beinahe verrückt, dass er mit seinen Taten Menschen dazu gebracht hatte sich auszusöhnen. Vielleicht hatte er mehr Fähigkeiten als ihm selbst bewusst war und mehr Macht als er es ahnte. Er lachte: „Tja, Missverständnisse sind dazu da, aus dem Weg geräumt zu werden, nicht?“ Auch Patrick nickte, und lächelte seiner wiedergewonnenen Freundin mit einem verführerischen Augenzwinkern zu, als sie im Bad verschwand. „Ähm… im Übrigen… geht es dir denn soweit gut? Bei den Wunden, die du allein schon im Gesicht hast, frage ich mich, wie du hier noch so gelassen stehen kannst.“ Link gähnte und strich sich durch das ungekämmte, blonde Haar. „Ehrlich gesagt bin ich selbst überrascht, dass ich noch durchhalte…“ Er blickte träumerisch zu Boden. „Ich sollte mich endlich ausruhen und schlafen gehen.“ So sehr wie jetzt hatte er sich noch nie auf ein Bett gefreut. „Es tut mir… leid, Link“, murmelte Patrick noch, als Link schon auf den Weg in den Korridor war. „Was und warum?“, fragte er leise. „Weil…“ Der Zeldafan suchte angestrengt nach Worten, die er nicht fassen konnte. „Weil… du diesen Kampf allein bestreiten musstest. Was immer auch dahinter steckt, ich finde, du solltest Unterstützung haben bei dem, was du tust.“ Link unterbrach ihn, bevor das Gespräch zu tief ging. „Pat, bitte, lass‘ gut sein. Du machst dir zu viele Gedanken und vielleicht auch um etwas, was so nicht stimmt.“ Er hielt sich vor Müdigkeit am Türrahmen fest. „Aber die Angriffe… und du hast Menschen gerettet. Du bist ein Held…“, sprach er lauter. „Und wenn man nur einmal etwas weiter denkt, dann…“ Erneut unterbrach Link den jungen Zeldafan, diesmal mit Nachdruck. „Patrick, es ist genug jetzt. Ich erkläre es dir… sobald ich es selbst verstehen kann. Ich kann die Augen kaum mehr aufhalten… ich brauche Schlaf… Gute Nacht dann.“ Er seufzte und trat in den Flur, wo Tommy gerade die Eingangstür verriegelte. „Nur zur Sicherheit“, meinte er und wünschte ebenfalls gute Nacht. Link trottete schließlich ins Schlafzimmer und hatte ein genügsames Lächeln auf den Lippen. Als er sich in sein Bett fallen ließ, fühlte er sich einfach nur selig. Er sprach noch einmal leise, leise und friedvoll: „Ich hab’s tatsächlich geschafft.“ Seine Augen fielen zu und er sank in einen eigensinnigen Schlaf… Dort, wo die Welt in Trauer lag, zog es ihn hin, in Träumen, die sich eine Erinnerung suchten. Die Welt, die verlassen wurde, heilig und unfassbar schön, ruhte still, ruhte bereit ein Zeugnis abzugeben vor ihm, bereit in den Schlaf zu fallen, bereit die Finsternis anzunehmen, die sie so oft besiegte. Weite Wiesen riefen ihn heim, erfüllte den vergessenen Heroen mit lebendigen Erinnerungen an alles, was er mit seinen kräftigen Händen einst berühren durfte. In seinen singenden Träumen war er zuhause, schnupperte den süßlichen Duft vergessener Blüten in allen Farben der Welt. Dort, wo seine Seele immer Willkommen war, herrschte das satte Grün der legendären Wiesen auf alten Tälern wie Tausende Smaragde. Das Grün der Wiesen und das Grün einer unbesiegbaren Hoffnung… Sie war hier, die geheiligte, vermisste Welt, vor seinen inneren Sinnen würde sie auf ewig lebendig sein. Ein vertrautes Tal, umgeben und beschützt von einer Kette niedriger Hügel, rief ihn… es rief mit der Macht der einen Welt, die man Heimat nannte und der Heroe folgte dem Ruf… Er spürte das Pochen des lebendigen Grases unter seinen abgenutzten Stiefeln. Das erste Mal kam ein Gefühl seiner Seele in dieser Existenz wirklich nahe, ein Gefühl der tosenden Hoffnung, die wie Leben erzeugende Hammerschläge durch die Welt donnerte… Er breitete die Arme aus, sog eine wohlschmeckende Luft ein, so rein wie er Luft noch nie in seine Lungen bringen konnte. Ein Lächeln lag in seinem Gesicht, mit stolzer Zuversicht und einem inneren Frieden, das alles überstieg, was er jemals wahrgenommen hatte… Er war hier, wo Abenteuer atmeten, wo Magie in reinster Form spielte und wo heilige Geschöpfe feierten. Weit im Hintergrund türmten drei stolze Berge nach oben, und aus dem Gipfel des mittleren Berges quoll unaufhörlich Lava, sprießend und gefahrprophetisch. Langsamen Schrittes folgte Link einem abgelaufenen Fußweg in Richtung des Tales vor seinen sterblichen Augen, sein Blick immer noch auf den hohen Berg gerichtet, bestaunte einen pulsierenden Feuerring an jenem Gipfel, der sich wie eine Schlinge darum wendete. Die Wolken zogen gemächlich über das Land, wie Wellen aus Zuckerwatte wanderten sie weiter. Er ließ seinen Blick schweifen über diesen wahrhaftigen Ort des Seins… Ein Ort der Erinnerung… Ein Ort der unsterblichen, sehnsuchtsvollen Vergangenheit. Und Schleier der Wolken zogen vorüber wie Wellen aus schmelzendem Eis, fluteten den Himmel und färbten sich allmählich. Tage verschwanden. Die Zeit tickte dahin und so wandelte sich der lebendige Tag in den karminroten Abend. Blutrot und schwarz wurde der Himmel, entblößte die Seele des Horizonts… Link starrte gebannt hinauf, während die dunklen Wolken über das Land fegten, die smaragdfarbene Schönheit der weiten Wiesen mit blutenden Farben überdeckte. Die Wolken tanzten, nahmen an Geschwindigkeit zu… immer und immer schneller, bis die Sonne rasch mit einem glühenden, drohenden Funkeln im Westen aufging. Es war der Tag, den man als das Ende allen Seins erkannte, der Tag, an dem Unsterbliches welkte und die Sonne im Westen aufging… und auch dieser Tag endete… Alles Sein schmolz dahin und erstand neu… Und Link sah wie Tage innerhalb von Sekunden zerronnen. Er sah, wie Stürme über die Welt fegten, wie Jahre innerhalb Sekunden in Vergessenheit gerieten, Wiesen erblühten und verwelkten, Dörfer errichtet wurden und zerfielen, als ob er sich am Rande der Geschehnisse befand, zwischen den Dingen, die nicht sein konnten, innerhalb der Dinge, wie der letzte Geist einer untoten Welt. Die Träume riefen ihn weiter zu sich… Wie der Geist jener untoten Welt wandelte Link mit Gedanken und Erinnerungen, ohne Körperliches, ohne Gefühl… wandelte über die sattgrünen, weiten Wiesen, die er kennen und lieben sollte. Er flog beinahe wie ein mächtiger Adler über die Welt, überquerte tiefe Schluchten, kalkige Berge, verlassene, alte Städte und erkannte weit am Horizont einen Ort der Magie, einen Ort, der noch unwirklicher schien als die Welt zu seinen Füßen. Ein stolzes, riesiges Haus, gestützt durch überdimensionale Säulen hielt es die Grundfesten des gigantischen Eigentums. Schwebend, seine Fingerspitzen ab und an verbunden mit dem kalten Gestein der Feste, schwebend und beinahe tanzend flog er hinauf zu dem schwarzen Turm des Anwesens. Der einzige Turm hier oben. Vielleicht zehntausend Treppenstufen führten ihn hinauf in einen winzigen Raum, wo ein Weinen und Wimmern die Ruhe zerstörte. Auf der Suche nach Wissen, auf der Suche nach Wahrheit schaute der Heroe durch ein kleines Spitzbogenfenster und beobachtete ein magisches Treiben, ein Ritual, geschmiedet mit dem Zauber von Unsterblichen… Ein Baby, vielleicht nur wenige Wochen alt, mit wenigen Strähnen hellblonden Haares, ruhte kreischend auf einem steinernen Altar. Ein Kind des Schicksals. Ein Kind der Hoffnung… Drei Wesen in silbergrauen Gewändern flüsterten in dem Reigen von säuselndem Wind, flackerndem Feuer und beschwörendem Meeresrauschen die Formeln der Hoffnung. Ein Licht, silbern und erhaben, umfing das kleine Wesen, ließ den Körper wachsen, ließ den Verstand altern… bis die Drei zischend, das Ritual beendend, von einer dunklen, nur schemenhaft erkennbaren Gestalt an der Tür besucht wurden… Mit einem brennenden Atemzug, als hätte er Feuer eingeatmet, erwachte der Heroe mitten in der Nacht. Er richtete sich mit einem Stöhnen auf, griff sich mit der kühlen, linken Hand an seine schweißnasse Stirn und konzentrierte sich darauf Ruhe zu finden. Er atmete gleichmäßig und tief, beobachtete die alten Schatten der Nacht in dem Zimmer, bis sich seine Augen an die Finsternis gewöhnt hatten und ließ sich langsam zurück in die kühlen Laken sinken. Er erinnerte den merkwürdigen Traum in allen Einzelheiten, aber versuchte nicht weiter über die Verwirrung nachzudenken, die der Schatten der Nacht hinterlassen hatte. Diese Form von Träumen waren Zeldas Sache… er war nie so gut darin gewesen irgendetwas davon zu interpretieren. Nur spärlich leuchtete das schummrige Licht des einsamen Mondes in das Zimmer, ließ Schatten tanzen. Link wollte sich erheben und kurz im Badezimmer nach seinen Prellungen und Schnitten schauen und richtete sich erneut auf, als er aber Patrick van der Hohen auf der Bettkante gegenüber hocken sah. Hinter seinem Rücken wälzte sich Patrizia schnurrend in dem Bett herum. Patrick jedoch starrte nostalgisch aus dem Fenster, schien verängstigt und sehr nachdenklich. Als er bemerkte, dass Link aufgewacht war, sah er durch die Dunkelheit in seine Richtung. „Du bist wach, huch?“, flüsterte Patrick, seine Stimme klang zögerlich und durcheinander. Als Link nicht darauf antwortete setzte der zeldavernarrte Oberstufenschüler hinzu: „Ich schätze, deine Wunden haben dich aufgeweckt…“ „Es war eher ein merkwürdiger Traum…“, säuselte Links Stimme durch den Raum. „Du träumst echt viel, was…“, sprach Patrick leise, richtete sich so weit auf, dass das Bett knarrte. Im fahlen Mondlicht zeigten sich seine besorgten Gesichtszüge… „Naja… Träume sind manchmal wie eine zweite Realität…“ „… aber genauso erschreckend, was?“ „Pat…“, seufzte Link und ahnte, worauf jener hinauswollte. Er erhoffte sich Antworten über die seltsamen Vorfälle hier in Irland, erhoffte sich eine Wahrheit zu finden, die ihn mit Erstaunen, Faszination und Freude erfüllte. Aber die Wahrheit über Links Schicksal und die Legende um Hyrule war weder erstaunlich, faszinierend oder freudvoll. Hyrules Geschichte war oft genug mit Leid und Toten gepflastert… „Ich habe heute in den Nachrichten gestöbert… ich meine, in den Nachrichten auf der gesamten Welt“, sprach der Zeldafan leise. „Ich wäre sehr blind und naiv, wenn ich nicht genauso wie manch ein anderer merken würde, dass irgendetwas… irgendetwas, das man nicht beschreiben kann, auf unserer Erde nicht mehr stimmt. Es ist irgendwie kaum fassbar und doch spürbar… so ganz unterschwellig.“ Er drehte sich vorsichtig zu seiner Freundin und strich ihr über die Stirn. Erst jetzt fiel ihm auf, wie sehr er sie die letzten Monate über vermisst hatte… der ganze Ärger und die vielen Missverständnisse hatten ihn völlig im Griff. „Es ist etwas in Gange, nicht wahr?“ Erneut kaum nur ein Seufzen von dem jungen Heroen. Was sollte er auch sagen? Sicherlich hatte er in letzter Zeit die Nachrichten mit einem eher unguten Gefühl verfolgt, hatte das Gefühl Mutter Natur war krank… „Überall auf der Welt geschehen Katastrophen in einem wahnsinnigen Ausmaß… mehr als noch vor einigen Monaten… oder bilde ich mir das ein?“, sprach der van der Hohen, diesmal ein wenig lauter, sodass sich Patrizia rührte und in Richtung Wand drehte. Nein, dachte Link. Es war keine Einbildung. Überall auf der Welt häuften sich Naturkatastrophen, die von führenden Wissenschaftlern nicht abgeschätzt werden konnten. Tornados waren an Orten aufgetreten, wo noch nie welche vorgekommen waren. Selbst die Waldbrände hatten ein extremes Ausmaß erreicht. Ob dies alles noch mit der Klimaveränderung erklärbar war, bezweifelte der Heroe stark. Denn selbst Terroranschläge häuften sich und wichtige Leute in der Politik verschwanden spurlos oder wurden ermordet aufgefunden… „Die Nachrichtensprecher sagen, es wird immer schlimmer… es herrscht eine Stimmung auf der Welt, die uns Menschen fragen lassen will, ob wir zu weit gegangen sind… Wir sind schuld daran, nicht irgendein Teufel, oder?“, meinte Pat schluchzend. Link schwieg und spürte mit Patricks Worten eine gänsehautproduzierende Welle der Angst über sich hinweg schwappen. ,Nein‘, dachte er und ballte die Fäuste. Jetzt, da er wusste, wer hinter den Angriffen steckte, war es wohl auch zu befürchten, dass dieser Jemand irgendetwas mit der Veränderung der Welt zu tun hatte… „Ist es wahr“, sagte der Kerl mit den aschblonden Haaren dann und sendete das eigene flaue Gefühl an den Heroen, der in seiner Unwissenheit und seinem falschen Bild einer verlorenen Welt seine Zweifel kaum verdrängen konnte. Es war nichts mehr richtig, nichts mehr okay… die vielen ungeklärten Fragen fraßen ihn regelrecht auf. „Was willst du jetzt von mir hören, Pat?“, flüsterte Link und obwohl er versuchte sich zu beherrschen, war ein Funken Ärger in seinen Worten hörbar. Es ärgerte ihn maßlos, dass der Zeldafan alles nötige tat ihn nun doch auszufragen. „Willst du wissen, ob ich irgendwelche Kreaturen vernichtet habe, oder was?“ Diesmal sprach er so laut, dass sowohl Patrizia, als auch Tommy beinahe aufwachten. Genervt trat Link auf seine schmerzenden Beine und spürte das Brennen der vielen Wunden noch stärker als vor wenigen Stunden. „Was hast du eigentlich davon, zu wissen, dass die Legende von Zelda wahr ist!“, ließ Link deutlich sauer über seine Lippen gleiten. „Und was interessiert es dich, ob ich dort unten in diesem Drecksloch von einem unterirdischen Kerker herum laufe und einen Drachen töte?“ Link biss sich auf die leicht entzündeten Lippen und lehnte sich gegen die Zimmertür. ,Na prima‘, dachte er. ,Dieser peinliche Ausrutscher war jetzt sehr hilfreich, du Held.‘ Er bedeckte mit beiden rauen Händen sein Gesicht, sah das Mondlicht hinter schattenreichen Wolken verschwinden und versuchte Patrick in dem wenigen Licht noch auszumachen. Aber der junge Zeldafan schwieg. Vielleicht hatte er jetzt genau die Antwort, die er brauchte… „Argh… verdammt…“, murmelte Link leise, öffnete die Tür vorsichtig und trat zähneknirschend in den kühlen Flur. Er fühlte sich, als könnte er sich gerade zehnmal ohrfeigen, hatte er sich geschworen keinem Unbeteiligten irgendetwas von seinem Schicksal zu berichten. Er wollte jeden, der dadurch Schaden nehmen könnte heraushalten und was war passiert? Trampelnd trat er ins Badezimmer ein, brummte, als das helle, unechte Licht ihn blendete und erblickte sich im Spiegel. Er sah den jungen, einst so schüchternen und doch mutigen Burschen darin, der er vor einigen Jahren noch gewesen war. Irgendwo dort in den sturmblauen Augen war er verborgen, der nette Junge von damals, der das Abenteuer liebte, von früh bis spät in den Wäldern abgehangen und einem Wunsch nach Magie hinterher gelaufen war. Die Unschuld von damals, stille Bedürfnisse nach einem freudvollen und angenehmen Leben waren dem Wunsch gewichen etwas Besonderes zu sein, dem Wunsch der Held zu werden, der er sein wollte… Aber war es das wert? Melancholisch ließ er die letzten Jahre seines Lebens Revue passieren und sah die Wunden in seinem ansehnlichen Gesicht, als die Erinnerungen ihn wie eine Flutwelle einholten. Die Erinnerung an seine Träume… an die unerklärlichen Ereignisse in Schicksalshort und die Erinnerung an den grausamen Kampf, den er vor wenigen Stunden bestritten hatte… Konnte das nicht endlich aufhören! Mit einem verzweifelten Schnaufen, trat er gegen einen Mülleimer im Bad, knipste das Licht aus, sodass es plötzlich krachte und die Glühbirne durchschmorte, bis er dies ignorierend die Badezimmertür aufriss und wieder zuknallte. Mit einem verzagten Schluchzen betrat er den dunklen Flur und wollte sich in seinem Bett verkriechen, als Patrick van der Hohen mit seinen neugierigen Augen, die in der Finsternis noch wissbegieriger dreinschauten aus dem Schlafzimmer kam. „Bist du in Ordnung, Link…“, meinte der Zeldafan, wirkte anteilnehmend und besorgt. „Es geht schon wieder…“, sprach der heroische Blondschopf träge, fast desinteressiert und ärgerte sich über die Lügen aus seinem eigenen Mund. Da war jemand direkt vor ihm, der Anteil nehmen wollte, der ihn für alles bewunderte, was er auf dieser Welt leistete und alles, was Link fühlen konnte, war nur der klägliche Versuch den neugierigen Burschen Patrick aus der Legende Hyrules herauszuhalten… „Ich hab‘ dich ziemlich verärgert mit meiner nervenden Fragerei, nicht wahr?“ Link seufzte, aber entgegnete nichts. Er wollte nicht noch länger diskutieren, er wollte nur schlafen… Langsam tapste er in Richtung des Schlafzimmers. „Deine Worte vorhin… dass du einen Drachen gesehen hast… du hast das ohnehin nur so daher gesagt, oder?“ „Ja… ich habe das nicht ernst gemeint.“ „Und du musstest auch nicht gegen ihn antreten, oder?“ „Nein, natürlich nicht“, sprach Link, spielte dieses Spielchen mit. Er wusste, dass Patrick die Wahrheit schon lange erkannt hatte. Diese Art der Kommunikation sagte ihm mehr als die Wahrheit… „Warum auch sollte ich einen Drachen vernichtet haben…“, sagte Link schauspielerisch. „Und warum auch solltest du dir bei diesem Kampf solche üblen Verletzungen zugezogen haben…“ „Ja, genau“, stimmte der Grünbemützte mit ein. Es war für ihn angenehm die Wahrheit hinter den Worten zu verschleiern. „Als ob ich irgendetwas mit einem alten Land namens Hyrule zu tun hätte“, meinte er amüsiert. „Es gibt keine Legende von Zelda.“ „Das wäre ja auch völlig unmöglich“, stimmte Patrick mit ein und klang ebenfalls belustigt. „Stell‘ dir das einmal vor! Als würde der Held Hyrules unter uns wandeln und ungesehen von den wichtigen Leuten auf dieser Welt etwas Böses vernichten. Das ist ja wirklich einfach nur lächerlich!“ „Und völlig bescheuert, findest du nicht?“ Link lehnte sich an die Wand und grinste. Beim Deku, sein Leben war so abartig surreal geworden… „Jap, als ob du als einfacher Jugendlicher so mir nichts dir nichts einen Drachen töten könntest. Alles, was in der Legende von Zelda vorkommt, ist schlichtweg nur Phantasie. Du könntest so einen Kampf unmöglich überleben.“ Link wippte mehrfach mit dem Kopf in der Düsternis. „Und dass du so eine komische Sprache im Schlaf redest, das bilde ich mir sicher ein. Als ob du Hylianisch im Schlaf reden könntest.“ Da allerdings musste sich der Heroe noch einmal vergewissern, sich nicht verhört zu haben. Irritiert drehte er seinen Kopf in Patricks Richtung und knipste das Licht an. „Ich rede in einer anderen Sprache im Schlaf?“ Patrick nickte entschieden und mit so viel Ernst in den kleegrünen Augen, dass Link es ohne zu Hinterfragen glaubte. „Das ist ja… das wusste ich noch nicht.“ „Link, es sollte dich nicht wundern. Wir haben doch gerade geklärt, dass wir uns keine Sorgen machen müssen. Es gibt kein Hyrule und du redest garantiert nicht Hylianisch. Ich meine, warum solltest du auch?“ „Ja, warum auch…“, log er ein weiteres Mal, wünschte Gute-Nacht und trat schließlich in das kühle Schlafzimmer ein. Sein unechtes Grinsen war unterlegt mit schwerer Traurigkeit… Kopfhängerisch setzte sich der Heroe auf die raue Fensterbank, öffnete für etwas frische, reine Luft das knarrende Fenster und lehnte sich gegen den Rahmen. So ruhig war die Nacht, so märchenhaft schön. Keinen Funken Gefahr ließ die stille Welt hindurch. Keine Spur von Alptraum, Schicksal oder dem Verhängnis des Bösen… Die Nacht war so rein wie ein dunkelblauer, von Sternen durchzogener Kristall… Ob es gut war, dass Patrick Bescheid wusste, fragte er sich. Aber wie auch hätte er länger seine Geheimnisse kaschieren sollen? Es war gut so, entschied er. Es war unumgänglich… Link hob seinen Kopf leicht, strahlte mit seinen tiefblauen Augen nach draußen und hielt das tiefe Bedürfnis zu schlafen noch ein wenig länger zurück. Er erinnerte sich an Sians Worte, an das furchtbare Geheimnis, das er gelüftet hatte. Der Held wusste nun endlich, dass der abscheuliche Schrecken in der Kathedrale seines Heimatortes Ganondorf war. Sein Widersacher hatte in diese Welt gefunden, terrorisierte und manipulierte diese Welt wie es ihm passte. Es war Ganondorf, dachte Link, die Wiedergeburt eines bestialischen Monsters, eines Dämons, der schier unbesiegbar war… Er seufzte, spürte seinen Herzschlag stocken angesichts des Gedankens, dass es sein Schicksal war sich ihm zu stellen, ihn zu bezwingen oder dabei zu scheitern… Irgendwann käme die Zeit, da er ihm gegenüber stehen würde, mit nichts als einem Schwert in der Hand und seiner Furchtlosigkeit, an der er langsam zweifelte. Selbst wenn er einmal ein exzellenter Kämpfer gewesen war, Ganondorf, der dämonische Fähigkeiten hatte, der vorbereitet war und sich wohl an alles aus der Vergangenheit erinnerte, könnte er niemals besiegen, nicht hier, nicht in Schicksalshort und vielleicht nicht in einmal Hyrule… ,Ich kann diesen Kampf nicht gewinnen’, sagte eine Stimme in Links Kopf. Wie auch, dachte er. Mit den winzigen Fähigkeiten, die der Jugendliche sich angeeignet hatte, sollte er einen Diener des Bösen bezwingen, der Magieattacken und eine lange Geschichte des Kampfes durchschritten hatte? Link stützte trübsinnig eine Hand an seinem schweren Kopf ab. Wie leicht es doch wäre, einfach wegzulaufen, aufzugeben, sich herauszuhalten, alle Verantwortung wegzuschieben! Aber die Wahl diesen Weg zu gehen, hatte er mit dem Wunsch für Zelda da zu sein, sie zu beschützen, lange verschmäht. Gab es überhaupt eine Wahl für Link? Er kniff seine Augen zusammen und seufzte ein weiteres Mal. Wie sollte er diesen Kampf nur schaffen? Wenn er sich doch bloß erinnern könnte! Vielleicht hätte er dann eine Chance gegen Ganon zu bestehen. Er erhob sich träge, schloss das Fenster und warf einen letzten Blick in die wunderschöne Nacht, realisierend, dass es nichts gab, was er hoffen sollte. Es gab keine Prophezeiung, die von seinem Sieg erzählte. Es gab nur den einen Weg sich dem Teufel einer vergessenen Legende zu stellen… ,Gib mir Mut, gib mir Zuversicht und Hoffnung, Farore… Zeig’ mir die Grausamkeit der Erinnerung. Zeig’ mir meine eigenen Schatten’, Bedachte Worte liefen über Links trockene Lippen, glitten beherrscht hinaus in die Nacht, stärkten das gewisse Etwas in Links Seele, das gespeist wurde von seiner starken Persönlichkeit. Er würde nie wieder derselbe sein… Die Welt, in der er lebte, erfüllte ihn nicht mehr… Gerade da tapste Patrick leise in das dämmere Zimmer. Selbst in der Düsternis war sichtbar, dass er sich wunderte, weil Link noch nicht schlief. „Nanu?“, sprach er leise. „Wolltest du dich nicht ausruhen?“ „Schon…“, sprach der Held leise und ließ sich endlich zufrieden in die weichen Laken sinken. „Der Tag war etwas aufregend“, setzte er leicht amüsiert hinzu. Wozu noch länger schlechte Laune haben, dachte er. Er wäre nicht in der Lage Hyrules strahlender Retter zu sein, wenn er depressiv wurde… „Da sagst du was“, lachte Patrick, lauter, als er es wollte und hielt sich beide Hände vor den Mund. Er wollte Patrizia und Tommy nicht aufwecken. „Hey, da fällt mir noch was ein“, meinte er lispelnd. „Und das wäre?“, murmelte Link, kuschelte sich mit einem seligen Grinsen in das Bett und fragte sich, warum er nicht gleich nach dem Kampf in dieses herrliche Bett gekrochen war. „Weißt du eigentlich, was mit Kevin los ist. Ich habe den Typen heute getroffen und er wirkte irgendwie so kalt, gemein und unberechenbar.“ Link zwinkerte unter einem herzhaften Gähnen. „Es ist besser, du gehst ihm aus dem Weg… er… er hat ein paar Probleme, die ihm im Nacken sitzen…“ Das traf es dummerweise genauer als Link es wollte. „Mmh… na dann“, sprach der junge van der Hohen und kuschelte sich ebenfalls ins Bett. „Ach und, Link…“, setzte er leise hinzu, nicht sicher, ob der Held es noch hören konnte, aber er hatte den Wunsch es auszusprechen. „Es ist alles gut…“, flüsterte er anteilnehmend. Link hatte die Worte sehr wohl verstanden, waren sie doch unterlegt mit so viel Güte und Bewunderung, mit so viel Mitgefühl, dass es ihm das Herz wärmte. Vielleicht hatte ein unwissender junger Zeldafan Recht. Vielleicht war wirklich alles gut… Kapitel 31: Seelenverwandtschaft und Liebe ------------------------------------------ Ein neuer Tag brach an. Vögel zwitscherten hier in der sonnigen Jugendherberge und Trolli war es, der als erster seine Augen aufschlug. Sofort blinzelte er hinüber zu dem schlafenden Link, auf dessen Lippen der Name seiner Prinzessin lag. Er seufzte und drehte sich mit einem weiteren unverständlichen Wort gen Wand. Leise und vorsichtig stieg der wache Jugendliche aus dem knarrenden Bett und watschelte benommen zu dem ruhenden Link. Einige Sekunden blieb er davor stehen, füllte seine Zunge mit Hass und Schimpfwörtern, weil der Held der Erfüllung seines Wunsches im Weg stand. „Es ist deine Schuld“, wimmerte Tommy beinahe, wand sich ab, nahm Kleidung unter seinen Arm und hastete aus dem Raum hinaus. Es war wenig später am Frühstückstisch in der Cafeteria. Patrizia erzählte freudig über ihre Cousinen Mitrette und Marla, während Patrick aufmerksam zuhörte. Link, der gefräßige Heroe, schaufelte sich Eierkuchen, Salate, Brötchen und allerlei anderen Kram in den Wanst und hörte nur auf die Stimme seines duftenden Essens. Trolli saß schweigend am anderen Ende der Tafel, hin und hergerissen zwischen der sehnsüchtigen Erfüllung eines Wunsches und dem Opfer eines Mords, welches er bringen sollte. ,Töte und du bist ein Verbrecher’, sagte Trolli zu sich. ,Lässt du den Helden am Leben… ist das Leben deines Vaters verwirkt.’ Ein Wunsch war es, den Trolli antrieb. Eine kleine Bitte, geäußert von einer unschuldigen Seele an die falsche Seite der Macht. Seufzend stand der Jugendliche auf und murmelte: „Möchtet ihr einen Kakao, Leute? Ich gebe eine Runde aus.“ Zufrieden nickten sie alle, auch Link. Unsicher und mit zittrigen Händen überprüfte der Junge den Inhalt seiner rechten Hosentasche, wo sich eingehüllt in einem schwarzes Stofftuch eine violette Perle verbarg, die, so wie man ihm sagte, so viel Abschaum, Gift und Tod in sich trug, um ein ganzes Heer in den Tod zu schicken. Wohlbehütet ruhte die magische Waffe in seiner rechten Hand, während er vier Kakaotassen vom Automaten voll laufen ließ. ,Es würde ganz schnell gehen’, dachte Tommy. Er müsste nur die Perle in eine Kakaotasse gleiten lassen und dafür sorgen, dass Link diese Tasse bekam. Es würde niemand Verdacht schöpfen, weil die Perle sich auflösen und später die Substanz im Körper nicht nachweisbar wäre. Der Heroe würde schnell und schmerzlos sterben und niemand würde sich wundern, denn alles würde so aussehen, als ob er eines natürlichen Todes gestorben wäre. Link wäre tot, und Tommys Vater würde leben… Langsam und doch brühend heiß tropfte das schokoladene Getränk in die einfachen, weißen Tassen. Zwei könnte Trolli in einer Hand tragen und in die ganz linke würde er die Perle sinken lassen. Unauffällig wanderten seine Augen hin und her, bedacht, dass niemand seinem Spiel zusehen konnte. Mit einem Zischen verschwand die violette Todesperle in der Tasse ganz links und nichts deutete daraufhin, dass jenes Getränk vergiftet war. Nervös trat der Oberstufenschüler zurück zu dem Tisch, wo Link gerade lachend dem neckischen Gezanke von Pat und seiner Stalkerin zuhörte. Er würde gleich nicht mehr lachen, so wie Tommy niemals mehr lachen könnte, wenn sein Vater nicht lebte. Mit einem schnellen Herzpochen und einigen nervösen Schweißtropfen reichte Tommy dem Heroen die Tasse, der diese sogar noch grinsend annahm. Es könnte sein letzter Zug sein… sein letzter Augenblick… Zuerst beachtete Link das Getränk in keiner Weise. Mittlerweile war der Kakao erkaltet und Pat und Patrizia hatten ihre Tassen bereits geleert. Nur Tommy hatte seine Tasse noch vollgefüllt vor sich stehen und wartete verbissen darauf, dass Link endlich trank. Aber immer noch ließ er sich Zeit bei seinem Festmahl, hatte zu viel Geduld und lauschte grinsend dem Gespräch des ungleichen Paares am Tisch. Immer unruhiger wurde Tommy, wackelte mit dem Stuhl, rutschte auf dem Stuhl hin und her und war mehr und mehr uneins mit sich selbst. ,Was tust du hier nur?’, dachte er. Rechtfertigte ein Mord einen Wunsch aus einem siebzehnjährigen Herzen? In dem Augenblick geschah es und Link nahm die Tasse am Henkel und meinte an Tommy gerichtet: „Danke für den Kakao. Lass’ uns anstoßen, sagen wir, auf das Leben!“ Gerade als Link die Tasse an seine Lippen setzten wollte, sprang Tommy auf, griff hastig im letzten Moment nach der Tasse, sodass diese zu Boden krachte und der cremige Kakao sich auf dem Boden wiederfand. „Was war das denn?“, sagte Link verwundert und blickte den Jugendlichen irritiert an. Aber Tommy antwortete nicht, ließ den Kopf hängen und hetzte aus dem Raum hinaus. „Habe ich was Falsches gesagt?“ Und Link erinnerte seinen Satz gedankenvoll. Auf das Leben… war das ein Grund für das komische Verhalten des jungen Spundes? Pat schüttelte mit dem Kopf. „Weiß nicht… ich habe keine Ahnung, was in ihn gefahren ist. Aber ich habe ja schon gemeint, dass Tommy komisch ist. Schon die ganze Zeit.“ Link rieb sich nachdenklich über das Kinn und blickte gen Tür, dorthin, wo der Jugendliche wie auf der Flucht hinaus gestolpert war. Als der einstige Hylianer gedankenverloren in den Bungalow trat, war der merkwürdige Jugendliche nicht zugegen. Zufrieden ließ sich Link in der Wohnstube auf dem Sofa nieder, machte kurz die Augen zu und dachte… schon wieder an Zelda. Er wünschte sich beinahe unendlich jetzt ihre Anwesenheit, wünschte sich, sie hätte ihm alles erzählt und würde ihre Geheimnisse bezüglich Hyrule endlich mit ihm teilen. Reden… mehr verlangte er nicht von ihr. Nur reden… Wenige Minuten später war Link auf dem Sofa eingeschlafen. Link wurde schließlich hastig an seinen Schultern gerüttelt, bis ihn jemand ein Glas Wasser ins Gesicht kippte. Er blinzelte und erkannte zunächst Patrick und Patrizia vor sich, die lachten und dann erkannte er leicht verärgert über seine tückische Schlafsucht, dass außerhalb bereits die Straßenlichter brannten. ,Na prima’, dachte er. ,Echt toll, du angeblicher Held. Wenn du schon dabei bist, kannst du ja auch den Rest deines Lebens verschlafen. Trottel…’ Link richtete sich auf und bezeichnete sich als unverbesserlichen Träumer, bis ihm eine grinsende Marla und deren ebenso grinsende Schwester Mitrette auffielen, die neben dem Sofa saßen. Einige Dosen Guinness standen einladend auf dem rissigen Tisch. Zwei Flaschen Wein und einige Chips- Packungen waren aufgetafelt. Und Link verstand. Heute war bei den Jugendlichen wohl Partystimmung angesagt. Seufzend schaute Link in die Runde und auch der merkwürdige Tommy trat von einem Nebenraum hinein. Er hatte sechs Weingläser in der Hand und platzierte diese auf dem Tisch. „Ähm, Tommy, habe ich heute beim Frühstück was falsches gesagt?“, meinte Link. Doch jener schüttelte bloß den Kopf und bediente sich von der Chipspackung. Alsdann feierten die Jugendlichen ihre eigene, kleine Party. Marla und Mitrette zwangen Link immer wieder ein Gespräch auf und saßen immer scheinbar unabsichtlich neben ihm, bis es dem Helden einfach zu viel wurde. Die beiden Damen waren ja eigentlich ganz nett, aber er wollte einfach nichts von ihnen, weil er entweder sich nicht binden konnte, oder wollte… oder weil er sein Herz bereits auf ewig verschenkt hatte… Der junge Held verabschiedete sich frühzeitig von der gemütlichen Runde, schnappte sich seine Okarina und spielte am ruhigen See ein Lied aus seiner Erinnerung, spürte Zeldas Anwesenheit mit dem Musikstück und träumte vor sich hin… Als die dumpfen Okarinaklänge das sehnsuchtsvolle Lied beendeten und Links Augen schillernd zu dem dunklen See wanderten, legte sich erneut ein so angenehmes Gefühl über seine Gedanken, über sein Herz, welches jegliche Gesetzmäßigkeit des Verstandes in den Schatten stellte. Er dachte an Zelda, unentwegt, immer wieder… und er verstand einfach nicht den Grund… Hatte er nicht den Entschluss gefasst in dem Camp abzuschalten, sein Leben zu genießen und einfach mal nicht an Zelda zu denken? Hatte er sich nicht vorgenommen, nur für sich, für Freizeit, nach Irland zu fahren? Und was war der Endeffekt? Link grübelte ständig über das wunderbare Lächeln seiner Prinzessin nach, malte sich aus, wie es sein würde, wenn sie seinen Brief erhielt, träumte davon, sie wiederzusehen und das nach nicht einmal drei Wochen. ,Zum Verrücktwerden‘, dachte er. Nur zwei, drei Wochen. Nur wenige Kilometer trennten ihn von ihr, und was war das erschlagende Resultat? Er wollte einfach nur bei ihr sein. Genervt wuselte er in seinen blonden Haaren herum, trug ausnahmsweise keinen Hut heute und fühlte sich irgendwie… krank… Krank vor Sehnsucht nach Zelda… Plötzlich hörte er Schritte aus der Dunkelheit und Link sah die stolze, eigensinnige Patrizia mit ihren kurzen, schwarzen Haaren wenige Meter hinter ihm stehen. „Der See ist wunderschön, nicht?“, sagte sie. Link nickte und wand sich dann wieder um. „Darf’ ich dir Gesellschaft leisten?“, meinte sie. „Ja, warum nicht?“, entgegnete Link und wusste, dass absolut nichts dabei war. Patrizia tänzelte näher und setzte sich beinbaumelnd neben den Heroen an den See. „Pat und die anderen sind mir ein wenig zu…“ Sie suchte nach dem richtigen Begriff. „… nun ja… durchgedreht“, meinte sie. Link lachte auf. „Ach, du meinst die unnötige Sauforgie, die er, Tommy und die anderen zwei Mädchen durchführen mussten?“ Auch Patrizia lachte dann. „Stimmt genau!“ „Nimm’ es denen doch nicht übel. Man muss im Leben auch mal Spaß haben dürfen“, sagte der Heroe und hatte sofort etwas melancholisches auf seinem Gesicht. „Darf’ ich fragen, wie du das meinst?“ Überrascht blickte Link zu der neugierigen Dame, die nur ratlos drein sah. „Es klingt fast so, als ob du keinen Spaß in deinem Leben hättest.“ Link schüttelte den Kopf. „Das ist es nicht… aber es gibt genug Verpflichtungen, die man eingeht, sobald man in diese Welt geboren wird. Und egal was man tut, vor einigen Verpflichtungen kann man niemals weglaufen. Deshalb ist es wichtig, zu leben, das zu tun, was einem Freude bereitet und eben auch manchmal Dinge zu tun, die andere nicht verstehen würden. Also… lass’ Pat und den anderen doch ihren Spaß.“ Neugierig und ein wenig überfordert angesichts dieser Worte schaute sich Patrizia den jungen Mann neben ihr genauer an. Aber sie konnte sich aus dem, was in seinen Augen lag, einfach keinen Reim machen. Sein Blick war so unfassbar für irgendjemanden. Und vielleicht verstand nicht einmal jene, der dieser Blick galt, den Sinn dahinter. „Du bist verliebt“, stellte die junge Dame fest und grinste dann. Ihr Grinsen wurde ausgefeilter, als Link entsetzt und verwirrt die Augenbrauen hochzog, blinzelte und sein Mund sprachlos offen stand. „Wie bitte?“, sagte er. Patrizia fuchtelte abtuend mit den Händen. „Ich habe bloß geraten, denn dein Blick ist so… verständnisvoll… so verträumt. Das kann bloß die Liebe sein, habe ich gedacht.“ „So ist das aber nicht“, rechtfertigte sich der junge Held und kratzte sich am Pony. „Du meinst, so einfach ist das nicht“, entgegnete sie. Und ihre Korrektur hatte keine zweite Prüfung nötig. Link schwieg, während er das Gefühl hatte, er müsste seine Schamesröte in dem See ertränken. Patrizia aber zog ihre Beine zu sich heran und erzählte: „Weißt du, in Sachen Liebe habe ich einen großen Fehler gemacht. Ich habe nie die Wahrheit gesagt, wann ich sie hätte sagen müssen. Und dann irgendwann kamen Missverständnisse zwischen mir und Patrick auf. Durch diese dummen Ereignisse, an denen ich schuld war, ist zuerst unsere Freundschaft zerbrochen und dann habe ich endgültig sein Vertrauen enttäuscht.“ „Bis zu dem Tag, wo du ihm nachgereist bist und ihr beide euch ausgesprochen habt, nicht wahr?“ „Stimmt genau. Was ich damit sagen will, ist dass du deine Gefühle nicht verstecken solltest. Denn irgendwann kommt dann vielleicht der Tag, an dem alles zu spät ist.“ Link wand seinen mittlerweile sehr ernsten Blick zu dem See und seufzte. „Aber ich bin nicht verliebt“, bestritt er und fragte sich, warum er mit einer fremden Person wie Patrizia über dieses Thema redete. Sie aber lachte feixend auf. „Sicher? Dabei verhältst du dich so, als wärst du in den wunderbarsten Menschen deiner Welt verliebt.“ Wiederrum kratzte sich der Held am Kopf. „Und wie zum Teufel kommst du darauf?“ „Das ist ganz einfach.“ Sie zuckte mit den Schultern: „Man sieht das an deinem Blick!“ „Aber daran kann man doch so eine Behauptung gar nicht festmachen!“, argumentierte Link, der sich unter allen Umständen verbat für Zelda Gefühle der Liebe zu entwickeln. Sie waren Freunde, nicht mehr und nicht weniger. ,Nun gut‘, dachte Link. Immerhin waren sie Seelenverwandte und sie teilten sich ein Schicksal. Ein großes Schicksal. Da waren Gefühle der Zuneigung ganz natürlich, oder nicht? „Dann sag’ mir doch mal, worüber du vorhin nachgedacht hast. Natürlich nur, wenn du es mir erzählen möchtest.“ „Vorhin, das ist ganz einfach, ich habe an…“ Ertappt… Link rollte mit den Augen. Patrizia lachte erheitert und rechthaberisch auf. „Du bist echt aufgeschmissen.“ „Das war Zufall, dass ich an sie gedacht habe.“ „Okay, der zweite Versuch. Gibt es irgendetwas, was du nicht bereit bist für sie zu tun?“ „Was soll’ diese Frage denn?“ „Sag’ schon. Würdest du für sie durch die Hölle gehen?“ Link wurde nervös und er schluckte den Knoten in seinem Hals herunter. Ja, verdammt, er würde für Zelda durch die Hölle gehen. Er würde für sie Hunderte Ozeane überqueren, wenn es sein müsste. Er würde… sogar… für sie… sterben… „Na und? Ja, ich würde für sie durch die tiefste aller Höllen gehen. Aber doch nur, weil sie… und ich…“ Link brach ab und verstand langsam. Redete er sich aus Selbstschutz vielleicht nur ein, dass seine Gefühle einer einfachen Seelenverwandtschaft folgten? War da tatsächlich mehr, was er wollte, begehrte? „Du bist verliebt, akzeptiere es oder nicht“, sagte Patrizia und stand auf. „Du solltest sie auf deine Gefühle ansprechen.“ Link schüttelte den Kopf und schwor sich den Rest des Urlaubs nicht an Zelda zu denken, um sich und vielleicht auch dieser Patrizia zu beweisen, dass seine Gefühle nicht Ausdruck von Liebe sein konnten und durften. Er konnte sich nicht in die Prinzessin Hyrules verlieben! Irgendetwas war da, was ihm ein Verbot aussprach. Es konnte aber auch nur eine Spur Angst vor der Vergangenheit sein, die er nicht erinnerte, oder aber die Angst vor der Wahrheit zwischen Zelda und ihm… Als die Jugendlichen, Link eingeschlossen, in dem dunklen Zimmer lagen, gab es dennoch einen, der nach der erheiterten Feier keinen Funken gute Laune ausstrahlte. Sein Herz und seine Gedanken waren zerfressen von dem Hass des Bösen, welches seinen Gegenspieler ausmerzen musste. Und jener Jugendliche war nun der Arm des Bösen, weil er einen tiefen Wunsch in seinem Herzen trug, den ihm die gewöhnliche Welt mit ihrem Fortschritt, ihrer Modernität und Neugierde nicht erfüllen konnte. Das Böse aber, welches verführte und Seelen raubte, es konnte jene Wünsche erfüllen… Wieder rang Tommy mit diesem Wunsch und auf der anderen Seite der Tatsache, einen Menschen töten zu müssen. Sich die Augen reibend, stand der Junge auf, holte einen giftigen Dolch mit smaragdgrünen, dunklen Ledergriff unter seinem Bett hervor. Zielsicher und mit gezückter Klinge stand ein richtender Tommy vor dem Bett. „Dein Leben für das meines Vaters“, murmelte er. Überraschend drehte sich Link im Schlaf auf seinen Bauch und ein zufriedenes: ,Zelda“, entkam seinem Mund. Aber der Jugendliche hatte sein Ziel nun gefasst. Heute und hier, würde er nicht weglaufen. Er würde diese Sache zu Ende bringen und den Helden ermorden. Damit sein Vater leben konnte. Vor dem Schicksal würde er nichts ungerechtes tun, er würde ein Leben retten und eines zerstören. Im Endeffekt würden die Waagschalen gleich stehen. Ein gerettetes und ein getötetes Leben. Die Klinge blitzte im Mondlicht auf, als Zeldas Name ein weiteres Mal den Lippen Links entkam. Sogar in seinen Träumen konnte er nicht aufhören an sie zu denken… ,Aber ihr Name würde ihm im Augenblick auch nichts nützen‘, dachte Tommy. Denn in wenigen Minuten wäre der Held aus Hyrule Geschichte. Zitternd umfasste der Junge die scharfe Waffe, kniff die kindlichen Augen zu und hoffte auf das Wunder. Als sich die Klinge bereits auf dem Weg befand, das junge, verliebte Herz des Heroen zu durchstoßen, klirrte die Scheibe an seinem Fenster und eine schattenhafte Gestalt hechtete mit zwei gezückten Dolchen auf Tommy zu. Lautes Gekreische brach los. Patrick und Patrizia wachten aus ihrem Schlummer und Licht breitete sich in dem Zimmer aus. Auch Link hetzte auf und erstarrte beinahe, als Sian mit feindlichem Blick und geschärften Waffen einen winselnden Tommy bedrohte. „Sag’ mal, tickst du noch ganz richtig?“, murrte Patrick, der zuerst die Stille brach. „Sian?“, drohte Link. „Was soll das?“ Der Rotäugige wand sich unbeeindruckt zu dem Helden und ließ die Waffen sinken. „Du schussliger Held solltest lieber darauf achten, mit wem du hier ein Zimmer teilst. Dieser Zwerg dort hatte gerade nichts anderes vor, als dich zum Schweigen für immer zu bringen.“ Entsetzt blickte Link zu Tommy, der schmollend zu Boden sah. „Ist das wahr?“, fauchte Link und sah dann als Beweis eine Klinge mit giftgrünem Griff in der Hand des angeblich ängstlichen Tommy. Wütend trat der Heroe auf die Waffe, welche sich immer noch in der Hand des Jungen befand. „Was, beim Triforce, habe ich dir getan?“, brüllte Link, der noch gar nicht fassen konnte, dass er sein Vertrauen an jemanden verschenkt hatte, der ihn umbringen wollte. Doch Tommy schmollte weiterhin. Link packte den Knirps an seinen Oberarmen und sah dann ein paar Tränen in seinen Augen. „Ich kann mir denken, warum“, meinte Sian dann und trat näher. „Es gibt einen Grund, etwas, was nur das Böse ihm erfüllen könnte und daher versucht er nun alles, um dich zum Schweigen zu bringen.“ Kopfschüttelnd rüttelte Link an den Armen des Winzlings. „Ist dir klar, was du damit anstellst? Wie dumm bist du, um dem Bösen zu vertrauen! Schau’ mich endlich an, Tommy!“ Links Stimme dröhnte wie ein Sturmgewitter durch den Raum. Patrick und Patrizia standen nur sprachlos im Raum, besonders Pat, der die Sätze um das Böse… nicht begreifen wollte. Link und Sian redeten vom Bösen? Und was hatte Tommy damit zu tun? „Wer hat dich beauftragt mich umzubringen? Ganondorf?“, fauchte der Heroe und war außer sich vor Zorn. Patrick stand ergriffen daneben und hatte das Gefühl seine Beine würden plötzlich zu Butter zerschmelzen… „JA!“, brüllte Tommy. Und endlich sagte er etwas zu den Anklagen im Raum. „Warum?“, sagte Sian mit Nachdruck. „Ich hatte einen Handel“, wimmerte er. „Das Leben meines Vaters für deines.“ Link wich zurück, wand den Rücken zu Tommy, der aufstand und weinend erklärte: „Mein Vater ist unheilbar krank. Und wenn ich dich aus dem Weg räume, dann hat man mir versprochen, meinen Vater mit Magie zu heilen.“ Nicht mehr in der Lage seine maßlose Wut zu schüren, hastete Link zu Tommy, stieß ihn kraftvoll zurück, sodass jener an der harten Wand aufschlug: „Und du bist so dumm, das zu glauben? Das Böse erfüllt keine Wünsche ohne Bedingung. Dein Vater würde niemals wieder derselbe sein, wenn man ihn von schwarzer Magie ernähren oder ihn damit heilen würde. Und für so etwas billiges, versuchst du einen Menschen umzubringen!“ Lauter und lauter wurde Links Stimme, der das Kämpferblut in sich nicht mehr unter Kontrolle brachte. „Du bist der mieseste Feigling, der mir jemals begegnet ist, pack’ deine Sachen, oder ich vergesse mich!“ Damit hetzte Link in die Schwärze der Nacht und trainierte mit den Dolchen seinen ungehaltenen Groll ab. Sian stand kopfschüttelnd vor Tommy und konnte seine Handlung dennoch in gewisser Weise sehr gut nachvollziehen. „Es ist besser du reist sofort ab, Tommy“, meinte Sian, packte seine eigenen Waffen und erkundigte sich nach dem Befinden Links. In den nächsten Stunden packte Tommy, dessen Handel mit dem Bösen nun ausgehandelt schien, seine Taschen. Als er aus dem Bungalow trat, warf er Link einen mitleidigen, traurigen Blick zu und marschierte dann wortlos zu dem Anmeldungsbüro. Keine Entschuldigung kam über seine Lippen an Link gerichtet. Kein Bedauern. Denn Tommy wusste, dass er in selber Weise wieder gehandelt hätte… um seinen Vater zu retten… Als Link deprimiert und genervt zurück in den Bungalow trat, schliefen Patrick und Patrizia immer noch eng umschlungen, obwohl es bereits früh morgens war. Genervt krabbelte der Held in das kalte Bett, konnte immer noch nicht fassen, was die letzten Minuten geschehen war und würde in Zukunft mehr darauf achten, wer sich in seiner Gegenwart aufhielt… Link befand sich wieder in dem Land seiner Träume, doch nun stand er auf dem Marmorbalkon eines geheimnisvollen Schlossgemachs. Eine sternenklare Nacht umhüllte das Schloss seiner Träume, und einige Kerzen und ein Kamin warfen Licht in seine Richtung, Licht und Wärme durch Feuer, welches seine Schatten in dem Zimmer tanzen ließ. Er trat über eine gläserne Balkontür ein, wusste er war hier willkommen, wusste, hier waren seine Sehnsucht und das, was ihm über Schmerzen und grausame Geschehnisse half. Nur hier… denn hier fühlte er sich Zuhause… Und als er sich umblickte, er sich irgendwo in verschlossenen Kammern seines Herzens erinnerte, wusste er auch, wo er war. Dies war Zeldas Gemach, zumindest ein Teil davon, ihr Schlafzimmer. Und dann konnte er den Grund entdecken, der ihn hierher führte, verstand den Ruf seines Herzens. Denn jemand saß im Schein der Kerzen an einer kleinen Kommode, blickte in den großen verzierten goldenen Spiegel, der darauf stand, und kämmte sich die langen, seidigen Haare. „Du musst diesen Weg nicht gehen, Link. Noch ist Zeit zum Umkehren“, sagte sie mit gedämpfter Stimme. Er bewegte sich auf sie zu, als würde er allein von ihrer Anmut und Grazie gesteuert. Langsam legte er seine vom Kampf gezeichneten Hände auf ihre entblößten Schultern und sah im Spiegel ihre saphirblauen Augen. Selbst wenn das nur ein Traum war, Link fühlte deutlich die Wärme ihrer sanften, weichen Haut unter seinen Händen. Und er mochte dieses Gefühl… „Du irrst dich, Zelda. Ein Umkehren hat es nie gegeben und wird es auch in Zukunft nicht geben. Ich will diesen Weg gehen.“ „Aber es könnte deinen Tod bedeuten“, meinte sie leise und drehte sich zu ihm um. So viel schwere Traurigkeit stand in ihrem Blick. „Keine Sorge. Ich werde diesen Kampf überstehen. Vertrau’ mir einfach.“ Link lächelte leicht, worauf die wunderschöne Adlige nickte. War dies denn wirklich noch ein Traum, fragte er sich. Link hatte das Gefühl, man spielte ihm einen Streich. War vielleicht seine Realität nur Einbildung und eigentlich befand er sich in Hyrule? Zelda erhob sich auf ihre würdevolle Weise und setzte sich an den dunkelbraunen Tisch, sie mischte die Karten eines sonderbaren Spiels darauf. Link setzte sich ebenso und sah auf das Spielfeld: eine runde Platte, mit sieben Farben - mit jeweils drei Steinen. Was war das für ein Spiel? „Dieses Spiel können wir steuern, das Schicksal leider nicht“, sagte Zelda leise, als sie ihm einen Stapel Karten reichte. „Ich wünschte, ich könnte dir irgendwie helfen, den Kampf gegen Ganondorf zu bestehen, Link.“ Er legte eine warme Hand auf ihre. „Zelda, das tust du bereits. Glaubst du denn nicht an mich?“ „Doch…“ Ihre himmelblauen Augen leuchteten unsagbar schön. „Na also. Mehr brauche ich nicht. Ich schaffe das.“ „Aber du bist nicht mehr, was du einmal glaubtest zu sein. Deine Erinnerungen…“ Er unterbrach sie. „Stimmt. Ich weiß nichts von damals, aber wenn du damit beginnst mir dieses Spiel zu erklären, kommt zumindest ein Teil davon zurück und wer weiß… möglicherweise erinnere ich mich an mehr als das.“ „Wir sind nicht mehr dieselben, das sind wir nie… Genauso wie Hyrule niemals dasselbe ist, genauso sind unsere Reinkarnationen nicht dieselben. Wir werden immer unsere Aufgabe haben und über das Schicksal verbunden sein… in jedem Spiel.“ Zelda wich seinem Blick aus und stellte die Spielfiguren auf die runde Platte. Link betrachtete sich das Spielfeld nun genau. Irgendwie wirkte es magisch. Am Rande war eine verschnörkelte Uhr angebracht, Ziffern mit einer eigenwilligen Faszination. Und in der Mitte zeigten sich viele kleine Felder mit den Farben, die die Steine hatten. „Man nennt es das Spiel der Sieben Weisen. Es ist lediglich für zwei Spieler gedacht. Suche dir drei Farben aus.“ „Bin schon dabei. Egal welche?“ „Ja, ist völlig egal.“ Link entschied sich demnach für grün, rot und gelb. Zelda nahm drei der übrigen: orange, blau und violett. Sie erklärte: „Der farblose Stein bleibt übrig. Er stellt den siebten Weisen dar. Wenn die Hälfte der Zeit um ist, gelangt er in die Hände desjenigen, der am weitesten ist.“ „Und was ist nun das Ziel des Spiels“, meinte Link mit einem sanften Blick in seinen Augen. „Jede Farbe besitzt drei Steine. Du musst diese Steine zusammenbringen, wenn sie auf dem Spielfeld verteilt sind. Pro Zug kannst du einen Schritt machen. Jedoch kannst du nur die gebrochenen Steine bewegen, hast du den Weisen einmal komplettiert, gibt es kein Zurück.“ „Aha, das klingt doch sehr einfach.“ Zelda lächelte und Link konnte ihrem Blick deutlich entnehmen, dass sie etwas verbarg. „Zusätzlich hast du noch die Karten, mit deren Hilfe du gelegentlich Vorteile hast. Du musst sie nur geschickt einsetzten.“ Zelda stand auf, vorsichtig und doch so edel wie immer, holte zwei Gläser und eine Flasche Wein oder ähnliches von einer kleinen Bar. Link folgte mit seinen Augen jeden ihrer Schritte. Erst jetzt fiel ihm auf, wie wunderschön sie doch aussah, gekleidet in samtenen dunkelrot. Ihre honigblonden Haare trug sie offen, ohne Spangen, ohne ihre Krone und jedwedes königliches Abzeichen. Link fragte sich, ob ihr nicht kalt war in ihrer ärmellosen Nachtgewandung und ob er sie nicht wärmen sollte… Sie stelle die Gläser auf den Tisch und rieb sich die Hände. Ihre Haltung, etwas zitternd und doch herausfordernd, sendete ihm eindeutige Signale, was sie von ihm erwartete. „Soll ich den Kamin anzünden? Auch wenn ich mich nicht erinnern kann, das schaffe ich bestimmt.“ Er grinste und schien Zelda ihre Wünsche von den Lippen abzulesen. Er suchte Streichhölzer, brach einige Holzreste auseinander und ließ leises Feuer lebendig werden. Als etwas Holz zu glühen und dann heftig zu brennen anfing, legte Link einige weitere Holzscheitel und Kohlen auf das Feuer. Und es dauerte nicht lange, schickte das wärmende Feuer Ruhe und ein Gefühl der Sicherheit in den Raum und ließ die beiden Hylianer entspannter werden. Einige Minuten vergingen. Für Link war dieser Traum schöner als alles andere. Sein Zeitgefühl allerdings hatte er längst verloren. Als sie wieder am Tisch saßen, sagte Zelda leicht lächelnd: „Ach, ehe ich es vergesse. Die Zeit am Rande der Platte läuft während wir spielen, das heißt, das Spiel wird nicht ewig gehen. Und die farbigen Felder ändern sich mit jedem zweiten Zug.“ „So einfach wie ich anfangs dachte, ist das Spiel wohl doch nicht.“ Sie grinste angesichts seiner nachdenklichen, verwirrten Miene. Er betrachtete sich die roten Karten in seiner Hand. Sie hatten goldene Verzierungen und verschiedene hylianische Schriftzeichen mit einer Farbe, die Link noch nie gesehen hatte, so schön sahen sie aus. Das verrückteste war jedoch, dass er sie lesen konnte… Zelda schenkte in der Zwischenzeit die Gläser ein. „Was ist das eigentlich für ein Zeug“ Und Link deutete auf die Flasche. „Bester hylianischer Herzbeerenwein aus dem Schlosskeller. Mein Vater fragt sich schon, wo die ganzen Flaschen hin sind.“ Wiederrum lächelte sie. Link sah sie mit fragendem Blick an. „Link, gelegentlich, wenn du mich besuchen kamst, haben wir eine Flasche davon geöffnet.“ „Oh Mann. Und das erzählst du mir? Das hätte ich lieber nicht wissen dürfen.“ „Wieso denn nicht?“ „Ach, nur so.“ Er grinste und hatte ein paar peinliche Gedanken. Wenn er sie so oft besucht hatte und sie dann immer zusammen Wein tranken, dann hoffte er bloß, sie stellten keine Dinge an, die sie später bereuten… Sein pubertierender Verstand erschuf erotische Szenen in seinem Bewusstsein, die er mit aller Macht versuchte wegzuschieben, aber es gab einige Reize, die dies kaum möglich machten. Da wären zum Beispiel das riesige, gemütliche Bett und dann Zeldas himmlisch erotische Nachtgewandung. Er fragte sich, ob sie unter diesem dünnen Stoff überhaupt etwas trug… Weitere Bilder drängten sich ihm auf. Szenen, von denen er nicht wusste, wie er sie sich überhaupt so echt und detailgetreu vorstellen konnte. Er sah sich selbst und Zelda für einen kurzen Augenblick, nackt, Arm in Arm auf dem Bett hockend, leidenschaftlich aneinander gepresst, trunken vor Liebe und so nah wie er noch keinem Menschen war. Links ansehnliches Gesicht wurde augenblicklich so rot wie der Herzbeerenwein und er versuchte die Vorstellung Zelda und er könnten sich küssen oder sogar verführen zu ignorieren. Warum dachte er überhaupt darüber nach? „Link, du siehst so… durcheinander aus.“ „Es ist alles bestens“, prustete er aus seinen Lungen und wirkte ausgesprochen piepsig, als er sprach. Er atmete tief aus und blickte schräg an Zelda vorbei. „Sicher, dass alles in Ordnung ist…“ Sie spürte, dass er log, aber diese Situationen kannte sie von damals. Sie hatten einander in Hyrule niemals über ihre Gefühle die Wahrheit gesagt. Link probierte den Wein um sich abzulenken, überrascht über den fruchtigen Geschmack und die Tatsache, dass er im Traum die Süße eines Weines wahrnehmen konnte. „Das schmeckt echt lecker.“ Zelda schloss ihre Augen und lächelte. „Es ist verrückt, dass wir gemeinsam hier sind, oder… Ich meine, zusammen in diesem Traum“, sagte sie und wirkte verlegen. Sie legte einige Fingerspitzen über ihre blutroten Lippen. „Mmh… echt verrückt und doch…“, aber Link brach ab, bevor er etwas Falsches sagte. Ja, er wollte sagen, dass es wunderschön war, dass es angenehm war, nur war dies vielleicht nicht richtig. Sie ahnte, was er sagen wollte und blickte nervös zur Seite. Sie begannen schließlich zu spielen. Für Link waren diese Minuten die schönsten seit langem, ebenso für Zelda. ,Wäre ich doch nur daheim geblieben‘, sagte Link zu sich. Da er Zelda so lebendig vor sich sah, ihr wunderschönes Gesicht, ihr langes, weiches Haar und ihren attraktiven Körper, packte ihn einfach nur die Sehnsucht, eine Sehnsucht, die er noch immer nicht verstehen wollte. Sie war nun am Zug und Link blickte wie hypnotisiert in ihre saphirblauen Augen, die konzentriert auf dem Spielfeld ruhten. Diese sanften Augen, wo der Schatten sich in diesen Sekunden zurückzog. „Zelda…“, murmelte er, verzaubert von ihrem Wesen. „Darf ich dir eine Frage stellen?“ Überrascht sah sie auf. „Natürlich, worum geht’s?“ „Wer hat damals bei diesem Spiel eigentlich öfter gewonnen, du oder ich?“ „Keiner von uns beiden“, hauchte sie trübsinnig. Ihre Stimme bekam Risse. „Was?“ „Das Schicksal hat immer gewonnen. Wir haben beide immer verloren, bevor wir das Spiel beenden konnten, da die Zeit ablief.“ Sie erhob sich träge, lief in ihrer Anmut zu dem Balkon und lehnte sich an die gläserne Tür. Ihre Fingerspitzen spielten mit dem kühlen Glas der Scheiben. „Heißt das für uns beide, dass wir, egal, was wir auch vollbringen, niemals gewinnen werden?“ Sie antwortete nicht und drehte sich mit traurigem Blick um. Die Art und Weise, wie sie ihn nun ansah, machte ihm einmal mehr deutlich, dass diese Stunden mit ihr, keineswegs mehr als ein schöner Traum waren. „Wenn wir den Ausgang des Spieles kennen, warum spielen wir dann überhaupt noch“, meinte Link mit geschlossenen Augen und freudloser Stimme. „Vielleicht, weil wir daran glauben, dass wir beide irgendwann einmal gewinnen werden“, sprach sie scheinbar aufmunternd. Aber ihre Hoffnung war immer eine Falsche… Link erhob sich ebenfalls und begriff erst jetzt, dass er keine moderne Kleidung trug. Eine blassblaue Tunika und dunkler Anzug umhüllte seinen athletischen Körper. Und diese Kleidung war ihm so vertraut gewesen, dass er sie nicht einmal als wunderlich bemerkt hatte. Mit einem aufheiternden Lächeln trat er vor seine Prinzessin, hegte den Wunsch sie trotzallem zu berühren. „Wollen wir das Spiel trotzdem für heute beenden und…“ „… die Zeit mit anderen Dingen verbringen.“ „Ja… wir könnten…“ Sie suchten in den Augen des anderen nach einer anderen Beschäftigungsmöglichkeit. „Wir könnten uns einfach nur unterhalten, Zelda.“ Ohne Antwort trat sie auf den Tisch zu, nahm ihr Weinglas und nippte kurz daran. „Ich vermisse Hyrule“, meinte sie sachte und drückte dann ihre rechte Hand auf ihre Lippen. Sie wollte es Link nicht sagen, es sei denn, er fragte danach. Sie wollte in seiner Gegenwart nicht jammern oder schwach wirken. Das konnte sie sich nicht leisten und nicht erlauben. Link hielt sehr viel von ihrer Stärke und sie konnte nicht darin einbrechen mit dem Wunsch nach Schutz und Sicherheit. Sie seufzte, bereute ihren Satz immer mehr. Link sollte nicht wissen, wie es ihr wirklich ging. Er hatte immer auf ihre Stärke vertraut… Doch in Links Gedanken kreiste Zeldas Aussage umher, bohrte sich in sein Herz und ein Teil von ihm spürte, wie schlecht es ihr ging. Er überlegte krampfhaft, was er darauf sagen sollte, wie er reagieren sollte, wie er ihr helfen konnte, aber ihm fiel einfach nichts ein. Er wollte sie aufheitern, sie sollte jetzt nicht trübsinnig der Vergangenheit hinterher sehen. Dann sagte sie lauter: „Wir sollten dennoch weiterspielen. Vielleicht ist heute der Tag, an dem wir beide gewinnen werden“, und wischte ihre Zerrissenheit augenscheinlich mit einer einfachen Handbewegung fort. Aber Link wusste es besser. Sie fühlte sich kläglich, auch wenn sie es überspielen konnte. Link stand mit dem Rücken zu ihr und hob eine Hand, wollte sie berühren, doch dann… abermals versagte der Mut, sie einfach nur zu berühren und in seine Arme zu nehmen. Sie erschien ihm fern, wie als wäre eine dicke Mauer zwischen ihnen, oder ein großer See, den sie nicht überqueren konnten. Seine Hand sank wieder zurück und er setzte sich. Sie spielten erneut. Die Hälfte der Zeit war um und Link befand sich im Rückstand. Zelda hatte einen Weisen komplettiert, Link keinen, was bedeutete, dass sie den farblosen zusätzlichen Stein erhielt. Zelda hatte damit ebenso viele Steine zu vervollständigen wie Link und die Zeit rannte unaufhörlich weiter. Sie spielten und spielten, obwohl in ihrem Leben doch nichts einem Spiel entsprach… Bei beiden Spielern war ein einzelner Stein übrig. Und die letzte Minute auf der Uhr des Schicksals brach an. Zelda gab auf, auch dieses Spiel würden sie beide verlieren… Und irgendwo war dies für sie eine Bestätigung für etwas, was sie immer schon wusste. Es gab kein ,Wir‘ für sie und den Helden der Zeit. Es gab keine gemeinsame Zukunft, es gab nur Schmerz… Link war am Zug und es sollte sein letzter sein. In seiner Hand besaß er immer noch eine Karte. Er sah auf das Spielfeld, sah wie sich die Farben wandelten und es keinen Weg seines letzten Steins zu den anderen seiner Sorte gab. Ebenso blickte er zu Zeldas farblosem Stein, der übrig geblieben war. Dennoch, irgendetwas an seinem Blick machte Zelda stutzig. Er grinste, lächelte einfach nur hinterhältig und unverschämt. „Zelda, ich habe eine Überraschung für dich“, sagte er und schaute auf die Karte in seiner linken Hand. Er legte sie mitten auf das Spielfeld. Verwundert sah Zelda die Karte an. „Das ist ja…“ „Mmh. Die Karte des gemeinsamen Schicksals. Wird sie ausgespielt, heißt das, beide Spieler haben die Möglichkeit einen Stein zu den anderen hinzuzufügen, egal, wo sich die drei Teile befinden. Das bedeutet: Wir haben beide gewonnen.“ Zelda beobachtete ungläubig, wie sich die Steine zusammensetzten, bevor die Zeit ablief. Sie konnte es kaum begreifen, konnte kaum glauben, dass es einmal diesen anderen Ausgang gab. Sie zwinkerte kurz, wirkte so wunderschön mit diesem sanften Lächeln, und Link sah eine Träne an ihrer rechten Wange entlang laufen, eine Freudenträne. „Danke“, sagte sie leise. Es bedeutete ihr viel, einmal, auch wenn nur im Traum ein anderes Schicksal prophezeit zu bekommen. Sie wischte die Träne von ihrer Wange, hoffte, Link hatte jene nicht bemerkt und versuchte ihm auszuweichen. „Entschuldige, Link. Ich bin wirklich ein kleiner Jammerlappen“, flüsterte sie. Schluchzend ließ sie sich auf einen weißen Pelz vor ihrem Kamin sinken, blickte in das wonnevolle, reißende Feuer und hoffte, die Wärme würde die Tränen in ihren Augen verbrennen. Aber ihr Schmerz über den Abschied, ihr Schmerz über Hyrules Untergang war seit dem letzten halben Jahr noch immer derselbe. Noch war die Trauer kaum zerflossen… Sie strich sich über ihre Oberarme, zwang sich ihre Standhaftigkeit zurückzufordern und hoffte so sehnlichst, dass Link ihre Verzweiflung nicht falsch deutete. Aber der junge Held reagierte auf eine Weise, die sie kaum erwartet hätte. Auch er trat vor das glimmende Feuer. Ein Funkeln tiefer Gefühle in seinen tiefblauen Augen. Und noch ehe Zelda es wahrhaft realisierte, noch ehe sie sich abwenden konnte, setzte sich der Held zu ihr, blickte ihr mit einer Hoffnung entgegen, die sie nie hatte sehen wollen. Er öffnete schwach seinen Mund, wollte etwas sagen, aber entschied sich dagegen und ließ lieber Taten für sich sprechen. Er rückte näher, sein rechtschaffener Blick erzählte von dem Wunsch sie zu trösten. Mit einem überraschten Seufzer fand sich die Prinzessin in seiner Umarmung. Fest zog er sie an sich, so wie einst damals, liebevoll und tröstend… so wie sie es brauchte um ihr Herz heilen zu lassen. Verlegen schloss sie ihre saphirblauen Augen und legte den Kopf zögerlich an seine Schulter. Es war so vertraut und doch so neu, so real und doch kaum wirklich, so angenehm und doch machte es sie nervös. War es so schwer, zuzugeben, dass sie ihn brauchte? „Link“, murmelte sie fragend. Ihre Stimme zitterte in seiner Umarmung. „Ich… das ist…“, begann sie, wollte sich rechtfertigen und kämpfte damit diesen Augenblick einfach nur zu genießen. „Du musst das nicht tun… ich…“ Doch der junge Held wollte keine Worte, er wollte nur ihre Nähe und bat sie um das Schweigen. Er entgegnete mit einem leisen: „Pst“, und streichelte mit einer Hand über ihren Rücken, verwundert darüber, dass er ihre Haut durch den dünnen, roten Stoff beinahe spüren konnte. Sie schwiegen für eine Weile und beobachteten das unruhige Feuer im Kamin gemeinsam, beobachteten wie die Macht der Zerstörung in dem Feuer wütete. „Solange ich noch träume, möchte ich einfach nur bei dir sein“, sagte Link gefühlvoll, „Die Realität holt uns früh genug wieder ein.“ Zelda richtete sich auf, schaute in seine tiefblauen Augen, blieb aber in seiner Umarmung. Noch immer zierten Tränen ihr Gesicht. Er streichelte ihre schwachrosa Wangen und wischte die kristallenen Wassertropfen weg. „Ich will keine Tränen mehr sehen, mein kleiner Jammerlappen“, sagte er leise. Sie lächelte schwach auf seine Bemerkung hin. Er sah sie immer noch an, dabei zu realisieren, dass sie sich in seinen Armen befand. Selbst wenn nur im Traum, das Gefühl war unbeschreiblich. Links Empfindungen für Zelda überwältigten ihn in diesem Augenblick. Er näherte sich ihr, sodass er ihren Atem in seinem Gesicht fühlen konnte, spürte ihre Angst und Unsicherheit, spürte ihre Zweifel. Immer noch las er in ihre Augen, berührte mit seiner Hand ihre Wangen, dann ihre blutroten Lippen. „Link… wir…“ „Sch… sch…“, murmelte er und streichelte weiterhin über ihre sanfte Haut. „Bitte sag’ es nicht…“, ergänzte er, wissend, dass sie das, was dabei war zu geschehen, nicht zulassen konnten. Seine Fingerspitzen wanderten über ihr Kinn und dann wieder liebevoll über ihre Lippen. Er schloss seine Augen langsam, näherte sich ihrem Gesicht, wollte verwöhnen, wollte so nah wie noch nie bei ihr sein. Sanft begann er mit seinen Lippen die ihren zu liebkosen. Eine Empfindung ohnegleichen, als wäre diese Berührung schon einmal vor langer Zeit geschehen, und doch vergänglich. Ein erster Kuss und vielleicht der letzte. Zelda wich im ersten Augenblick leicht zurück, erwiderte aber dann hingerissen und entzückt, schlang streichelnd ihre Arme um seinen Hals. Link ließ seine Hände fordernder über ihren Rücken wandern, legte alles in die Liebkosung, schenkte ihr Vertrauen und zügellose Leidenschaft. Der Kuss nahm an Tiefe zu, wurde inniger, zärtlicher. Doch sie konnten den Kuss nicht beenden… Link wachte auf und befand sich in dem Bungalow des Camps. Benommen schreckte er hoch, gähnte und kam sich vor, als wäre sein Körper zu Stein erstarrt. Er konnte sich kaum bewegen und es fiel ihm schwer zu begreifen, wo er sich befand. Er rieb sich die Augen und erkannte, dass es spät am Nachmittag sein musste. Denn die Sonne stand weit am Horizont und tauchte das Zimmer in rote Farben. Er wollte aufstehen, seine schlafenden Glieder endlich in Schwung bringen, entschied sich im selben Augenblick aber, es zu unterlassen. Er dachte an seinen Traum, lächelte verzaubert, und erinnerte sich an jede Einzelheit. An das wunderbare Spiel, Zeldas Nähe, ihren Geruch… und ihre weichen Lippen. Schmachtend fuhr sich der junge Held mit einer Hand über die eigenen Lippen und hatte sogar noch Zeldas Geschmack im Mund… süß wie Honig… Ob sie tatsächlich denselben Traum hatte und genauso intensiv geträumt hatte wie er? Wenn ja, wusste Link nicht, wie er ihr begegnen sollte, wie er ihr bei den Göttern Hyrules in die Augen sehen sollte, wenn er wieder zuhause war… „Das war schöner, als ich mir es jemals vorgestellt hätte“, murmelte der Verliebte, dabei, seine Augen wieder zuschließen. „Verdammt, ich will zurück.“ Er drehte sich in Richtung Wand und dachte fortwährend an Zelda. Hatte sich der dusslige Held nicht eingeredet, er könnte die nächsten Tage sich selbst das Verbot aussprechen, an sie zu denken? Hatte er nicht immer wieder betont, dass seine Gefühle nichts mit Liebe zu tun hatten? Und nun lag er da… schwelgte in den Gedankensphären der Wolke Sieben, wünschte sich bei seiner Prinzessin zu sein, sie festzuhalten, sie zu wärmen, bis hin zu dem Wunsch neben ihr einzuschlafen… In dem Moment wurde die Tür knarrend aufgeschoben und da war jemand, der sich vorsichtig in das Zimmer schlich. Link tat weiterhin so, als würde er schlafen, drückte die Augenlider zu und versuchte den Gedanken an seine Prinzessin wegzuschieben. Wenn er nicht aufhörte an sie zu denken, würde das noch sehr peinlich für ihn enden… Er spürte bereits die Konsequenzen der Vorstellung von Zelda und ihm in weiteren Träumen, konnte sich kaum losreißen von der Vorstellung, was sie getan hätten, wäre der Traum nicht erloschen… Gerade da, als er sich versuchte zusammenzureißen, erkannte er zwei flüsternde Stimmen. Es waren Pat und Sian. Sie versuchten leise zu sein, aber Link konnte sie trotzallem verstehen. „Er schläft jetzt schon seit fast zwei Tagen und ich weiß einfach nicht, wie ich ihn wecken soll. Das ist doch nicht normal“, meinte Pat und wirkte beinahe besorgt. „Das klingt sehr eigenartig, andererseits… Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir uns Sorgen machen müssten. Es gibt tiefe Träume, die alles in Frage stellen, was wir glauben zu wissen“, sagte Sian. Patrick zuckte ratlos mit den Schultern, wollte die Worte von Sian nicht verstehen und murmelte: „Ich habe einige Male versucht ihn zu wecken. Aber er fauchte dann mit geschlossenen Augen so etwas wie: ,Verdammt, lasst mich schlafen’ und deshalb habe ich aufgegeben.“ Er seufzte frustriert. „Ich hab’ gleich gedacht, als ich Link das erste Mal gesehen habe, mit dem stimmt was nicht. Aber dass er so ein merkwürdiger Kerl ist, hätte ich nicht gedacht. Der Held der Zeit hat wahrscheinlich eine kleine Macke.“ Sian grinste leicht. „Vielleicht solltest du nicht schlecht über ihn reden, sonst wacht er noch auf.“ Aber Pat ließ sich nicht mehr zügeln. „Soll er doch aufwachen. Spinner bleibt Spinner. Er hat doch tatsächlich behauptet gegen einen Drachen gekämpft zu haben. Hat er dir davon erzählt?“ Warum er Sian diese Frage gestellt hat, wird wohl ewig ein Rätsel bleiben, denn er plapperte munter weiter. „In die Irrenanstalt gehört der, so wie der drauf ist. Und seine Zelda, von der er nachts immer redet, die kann er gleich mitnehmen.“ Doch diese Beleidigung gefiel dem Heroen nicht. Er öffnete blinzelnd seine tiefblauen Augen, rappelte sich müde auf und trat wackelig auf seine Beine. Er sah aus, als wäre er von seinem Grab aufgestanden. Sein blondes Haar hatte sich aus seinem Zopf gelöst und fiel teilweise über seine nackten Schultern. Seine Wangen waren leicht errötet, aber der Rest seines Gesichts war käseweiß. Und da er seit zwei Tagen nichts gegessen hatte, knurrte plötzlich sein Magen. „Na, wer sagt’s denn! Wenn man schlecht über Zelda redet, ist er plötzlich wach“, meinte Pat dreist. Er klopfte dem Helden auf die Schulter und wirkte irgendwie erleichtert und froh, dass er aus dem Schlaf erwacht war. „Morgen Link“, sagte Sian mit ernster Miene. „Alles in Ordnung bei dir, wir dachten schon, du wachst gar nicht mehr auf.“ „Ich fühle mich gut… ich habe nur… geträumt“, sagte er leise und schaute aus dem Fenster. „Du bist lustig, hast nur geträumt. Wir dachten, du wärst ins Koma gefallen“, murrte Pat. Link atmete tief aus und seufzte: „Ich habe einfach nur einen schönen Traum gehabt, das ist alles.“ Seufzend ging der Heroe aus dem Raum, dachte weiterhin an seinen Traum, fühlte sich fast ein wenig beschämt und gleichzeitig so unhaltbar glücklich… Beinahe auf seinen Füßen schwebend wandelte der einstige Held der Zeit aus dem Schlafzimmer… Kapitel 32: Bruchstücke der Verderbnis -------------------------------------- Und so flog in Irland die Zeit dahin, ließ dem vom Schicksal erwählten Helden der Erde eine Verschnaufpause nach dem erbarmungslosen Drachenangriff und ließ seine Verletzungen heilen. Seine Wunden waren kaum mehr sichtbar, selbst in seinem sonnengebräunten Gesicht schienen die Blessuren abzuklingen. Gut gelaunt tapste er über eine der riesigen, saftig grünen Wiesen mit Koppel hier in dem Ferienort von Leon Johnson, verscheuchte ein leises Gefühl von Heimweh und versuchte die Sehnsucht nach seiner Familie, seinen Freunden und nach Zelda wegzuschieben. Er hatte noch eine volle Woche, hier in dieser blattgrünen Idylle, hoffte, es würde zu keinen seltsamen Vorfällen mehr kommen und hoffte, er könne für sich noch einige Fragen klären. Er trug ein paar Reiterstiefel, hatte Lederhandschuhe über die Hände gezogen und ein Helm bedeckte seinen Kopf. Schon zu Beginn seiner Reise hatte er sich vorgenommen hier in Irland reiten zu gehen, vielleicht sogar am Strand entlang zu schweben und etwas die Seele baumeln zu lassen. Bereits hier konnte er das pulsierende Rauschen des Meeres hören und das Salz in der Luft schmecken. Im Anmeldungsbüro hatte er von Sian alles ausgeliehen bekommen, was er für einen Ausritt brauchte, und lief mit bester Laune in Richtung Stall, um sich die Pferde anzusehen. Das sanfte Wiehern der edlen Tiere klang in seinen Ohren nach, erinnerte ihn an etwas, das er nur bruchstückhaft wahrnehmen konnte. Für einen winzigen Augenblick sah er sich in grünschimmernder Rüstung im Sattel eines muskulösen Pferdes über strahlend leuchtende Hänge reiten, sah sich als einen Krieger, der nach Freiheit strebte. Er versuchte das Bild festzuhalten, wurde aber dann jäh aus seinen Gedanken gerissen, als er in den Stall trat, wo sich eine Reitlehrerin mit Kindern versammelt hatte. Gekleidet in schwarzem Leder und dunklen Reiterstiefeln musste der junge Held zweimal hinsehen, bis er erkannte, dass er diese junge Dame bereits einmal gesehen hatte. Es war jene Person, die in Leon Johnsons Büro die Anmeldungen übernommen hatte. Erst jetzt fiel Link auf, dass sie kaum viel älter als er selbst sein konnte. Sie winkte ihm zu, ließ ein verspieltes Lächeln aus ihrem runden Gesicht leuchten. „Ich hoffe, dass du mich nicht verfolgst“, lachte sie und trat zu ihm hinüber. Ihre pechschwarzen Augen funkelten mit einem verbotenen Ehrgeiz, einer Begierde, die den jungen Heroen erneut irritierte. Sie nahm ihren Reiterhelm vom Kopf und ihre buntgefärbten Locken fielen verspielt hinab. „Und“, sprach sie. „Hattest du einen schönen Aufenthalt in der Jugendherberge?“ „Ja, mein Aufenthalt war bisher sehr schön“, erwiderte er und blickte an der jungen Dame vorbei. Link wollte nicht unhöflich sein, aber er hegte keinerlei Interesse daran sich mit ihr zu unterhalten. „Mmh“, entgegnete sie und ließ ihre langen, dünnen Finger durch einige rotgefärbte Strähnen ihres Haares gleiten. Sie lachte und auch ihr Blick heftete sich an einen leeren Punkt im Raum. „Ich bin nicht so langweilig, wie du vielleicht glaubst“, setzte sie hinzu und grinste auf eine freundliche, zugleich aber schräge Weise. Sie ließ sich durch Links Desinteresse überhaupt nicht beeindrucken. Entschuldigend wedelte Link mit den Händen und lächelte schief. „Sorry, ich wollte nicht rabiat erscheinen.“ „Aber ich mag Leute, die rabiat sind“, schmunzelte sie. Link jedoch wusste nicht, ob sie dies als Scherz oder tatsächlich ernst meinte. Sie steckte die Hände hinter den Kopf und lachte gehässig. „Du magst vielleicht nur ein Jugendlicher sein, der in Leon Johnsons Jugendherberge gelandet ist, aber etwas an dir ist irgendwie interessant.“ Sie machte deutlich, dass Verlegenheit und Scham für sie Fremdwörter waren. Sie trat näher zu ihm heran, so nah, dass Link es als unangenehm empfand in ihre pechschwarzen Augen zu blicken. „Du hast eine ausgesprochen alte Seele in dir“, meinte sie und lächelte erneut eindringlich. Etwas nervös wand sich Link um seine Achse und tat so, als würde er sich für eines der Pferde interessieren. Jedoch empfand er ein nahezu unheimliches Zittern in sich, eine Unruhe, die jene junge Dame ausgelöst hatte. War es für Menschen in seinem Umkreis so einfach in seine Seele zu blicken? Gerade da erschien Sian auf seine gelassene Art in den Stallungen, hatte seine Hände lässig in die Hosentasche seiner dunkelgrauen Jeans gesteckt. Grinsend trat Sian in seine Richtung und auch er hatte sich für einen Ausritt bereit gemacht. „Sag’ mal, kannst du dich teleportieren? Oder wie machst du das“, meinte Link verwundert, denn vor wenigen Minuten war Sian doch noch im Anmeldungsbüro und regelte irgendeinen Papierkram. „Tja, das wird wohl ewig mein Geheimnis bleiben.“ Er grinste obenauf, steckte die blonden Strähnen zur Seite, die normalerweise in seine wie Rubine schillernden Seelenspiegel fielen, und Link wusste, der Irländer würde ihm diesen Trick gewiss nicht mitteilen. Leicht eingeschnappt, da sie nicht beachtet wurde, und mit einem lauten Murren trat die unverfrorene Reitlehrerin zurück in den Kreis ihrer Schulkinder und warf Sian Johnson einen hässlichen Blick zu. „Na hoppla…“, meinte Link und rieb sich das Kinn. Sian schüttelte überlegen seinen Kopf. „Sie hat doch nicht etwas versucht dich mit ihren esoterischen Spielchen einzulullen?“ Sian schien auch bereits unangenehme Erfahrungen mit jener Dame gemacht zu haben. Nickend bestätigte Link Sians Verdacht. „Wer ist sie?“ „Vor einigen Wochen hat sie meinen Vater zwecks eines Jobs angehimmelt, seitdem arbeitet sie als Reitlehrerin, Haushälterin und im Anmeldungsbüro. Sie macht keinen schlechten Job, aber sie hat so ihre eigene seltsame, fast schon schräge Weise, die nicht jeder ertragen kann“, schloss Sian ab. Noch einmal warf Link einen Blick zu der seltsamen jungen Dame, sah ihre stechenden schwarzen Augen funkeln und für einen kurzen Augenblick, kaum an der Grenze zur Realität, spürte der junge Held das Bild von vorhin, als er in stattlicher smaragdgrüner Rüstung über eine legendäre Steppe galoppierte, erneut in sich… Sian wies ihn an ihm zu folgen, und trottete zufrieden durch die Stallungen. Er zeigte dem Heroen schließlich der Reihe nach die Pferde, als auch die Reitlehrerin mit den Schulkindern den Ort verließ. „Und die gehören wirklich alle deinem Vater“, meinte der Held begeistert, beobachtete Pferde aller möglichen Rassen, blickte von Edelbluthaflingern, Arabern, zu Ponys und einigen ihm unbekannten Warmblütern. Edel waren sie allesamt, wunderschöne Reitpferde, und unglaublich wertvoll. „Ganz genau, die gehören alle den Johnsons. Wir sind ziemlich wohlhabend, auch wenn das Schloss nicht danach aussieht und irgendwie heruntergekommen wirkt“, bemerkte Sian. „Ist ja klasse. Kann ich mir irgendein Pferd aussuchen?“, freute sich Link. „Sicherlich. Bin schon gespannt, welches du auswählst.“ Link schaute durch die Reihen mit den schönen, prächtigen Pferden, entdeckte eine starke hellbraune Stute, eine Edelbluthaflingerdame, die ihn mit großen dunklen Augen wundersam anstrahlte. Sie wieherte aufgeregt, zeigte sich von ihrer besten Seite und trabte gemächlich in der Stallung umher. Im Sonnenlicht, das flackernd in das Gemäuer fiel, glänzte ihr gebürstetes Fell wie goldbraune Seide. Ja, Link erinnerte sich. Dieses Pferd hatte ihn an einem der ersten Tage regelrecht abgeschleckt. Schmunzelnd trat er näher, legte beide Hände auf den schlanken, muskulösen Hals der starken, edlen Stute und spürte ein sonderbares Wohlgefallen. Sian huschte ein ausgemachtes Grinsen über das Milchreisbübchengesicht: „Ich wusste, dass du unsere edelste der Stuten mögen würdest. Dreimal darfst du raten, wie sie heißt!“ „Keine Ahnung, woher soll’ ich das denn…“ Doch da arbeitete Verwunderung in seinem Gesicht. „Du meinst doch nicht etwa…“ „Oh doch.“ Und Sian begann zu lachen. „Wir nannten sie Epona. Und sie ähnelt dem Pferd, dass du in Hyrule dein Eigen nennen durftest.“ „Ich bin eben nicht schlecht, was? Und das, obwohl ich keinerlei Erinnerungen habe.“ Der Heroe nahm die ganze Aktion gelassen hin, lächelte Mut erfüllt. Inzwischen konnte ihn wirklich nichts mehr überraschen, oder die Laune verderben. Er schloss schmunzelnd die Augen, klopfte dem schönen Reittier noch einmal auf den Hals und fragte mit einem Blick nach Zustimmung, die er sofort in Gestalt eines freudigen Wieherns erhielt. Mit einem Ruck schwang er sich in den Sattel, umfasste die Zügel, trabte aus der Stallung hinaus und blickte über die weitreichenden, blühenden Hügel Irlands. Er hob den linken Arm in die Höhe, fühlte sich frei und ausgelassen. Auch Sian schwang sich in den Sattel eines schwarzen Hengstes und folgte dem Heroen. „Auf geht’s“, rief Link ins Tal, begann mit sanften Bewegungen das Pferd zu lenken, spürte die Kraft und Lebendigkeit der Stute, das gemächliche Holpern, das sich alsbald in einen stürmischen Trab wandelte. Und es war wie, als folgten Sian und Link ihrem Schicksal, als folgten sie wie einst in Hyrule einem vorbestimmten Weg in die Freiheit… Einige Minuten später waren Link und Sian auf den weiten saftiggrünen Wiesen Irlands. Ein herrliches Gefühl durchströmte den jungen Kämpfer, der es genoss einfach nur die Seele baumeln und sich durch die Weiten des Landes tragen zu lassen. Ein bekanntes, angenehmes Gefühl packte den diesmal mit Helm bekleideten Burschen einschneidend, überwältigte ihn mit der Lust nach noch mehr Abenteuern, dem Drang nach atemraubender, gefährlicher Freiheit… Die beiden Jugendlichen lieferten sich alsbald ein Match und stürmten mit ihren Pferden in Richtung Strand, stürmten in Richtung der kraftvollen, rauschenden Wellen, erlebten Freiheit als ein bekanntes Gefühl. Erfrischt durch die salzige Kühle des Windes, der von dem weiten Ozean gespeist wurde, stiegen die Auserwählten von ihren Pferden und trotteten am weißen Strand entlang. Rauschend, beinah wehrlos verschlingend riss das dunkle Meer Sand, kleines Getier und Muscheln mit sich und forderte zurück, was es aus den Tiefen der Welt hervorgebracht hatte. „Sian, hast du eigentlich wegen Kevins Ausraster von vor wenigen Tagen irgendwas herausbekommen?“, sprach Link, sammelte wenige glitzernde Steine aus dem Sand und warf jene einzeln zurück ins Meer. Er dachte an den sympathischen Irländer Kevin McMayor und seinen bedauernswerten Zustand, dachte an die merkwürdige Wunde, die womöglich etwas mit seinem sonderbaren, herzlosen Verhalten zu tun hatte. Wie nur konnte es sein, dass er den wichtigsten Menschen seines Lebens, sprich Anja NiceInn, so abwertend behandelte? War dies alles nur wegen der dreieckigen Wunde im Nacken? Oder war Kevin schon immer ein brutaler Sonderling gewesen? „Ja, ich habe durchaus eine Antwort darauf… nur, wird dir die Antwort nicht gerade gefallen…“, entgegnete er. Erstaunt sah Link auf und warf dem Irländer zögerliche Blicke zu. „Was hast du herausgefunden?“, sprach er leise und schwenkte seine tiefblauen Augen in Richtung des Horizonts, wo das Meer den Himmel berührte. „Ich konnte mit meinem Vater darüber diskutieren, er hat sich sehr besorgt gezeigt und etwas nachgeforscht.“ „Dein Vater hat aber auch auf alles eine Antwort, wie?“, sprach Link amüsiert. „Nun, das kannst du so oder so sehen“, entgegnete Sian geheimnisvoll. „Aber es ist, wie wir vermutet haben. Kevins eigenartiges Verhalten hat tatsächlich etwas mit der Wunde zu tun.“ Link seufzte und stieß einen größeren Stein mit seinen Turnschuhen weg. Er wusste nicht, ob ihn die Information freuen oder entmutigen sollte. Kopfschüttelnd tapste er näher an die sachten Wellen des Meeres, die siegend an den Strand strömten. Er kniete nieder und schöpfte mit seiner linken Hand ein wenig salziges, kühles Wasser, spürte eine alte Energie in dem gleichmäßigen Wellengang, eine Kraft, die ihn tief berührte. Und mit einem Ruck gab er einem inneren Bedürfnis nach, ließ sich brummend in den kühlen, weichen Sand fallen und atmete genießend durch. „Es ist einfach nur… verrückt… so unglaublich verrückt.“ Er sah dem gleitenden Vorüberziehen der märchenhaften Wolken zu, erinnerte sich an einen Tag vor vielen Monaten, bevor sein Abenteuer begann, wo er sich über so viele Dinge in seinem Leben beklagt hatte. Und nun erschien ihm dies alles wie ein lächerlicher, kindischer Traum. Es gab so viel mehr… hier in dieser Welt… und irgendwo weit dort oben, versteckt am Horizont, lauerten wundervolle Geheimnisse, die es zu entdecken galt. Wenn er von Anfang an völlig darauf vertraut hätte, so hätte er sich manch depressiven Gedanken erspart… „Vor einigen Wochen“, begann er leise und steckte die Arme hinter den Kopf, „lebte ich noch in meiner kleinen Scheinwelt, wünschte mir ein Abenteuer… mein ganzes Leben ist mir tierisch auf den Wecker gegangen.“ Er erklärte seinen Standpunkt mit einer Güte und Milde in der Stimme, die Sian erneut über das Herz in Links Brust nachgrübeln ließ. Er besaß ein großes Herz… aber es war auch sehr verzweigt. „Ich habe über stupide Dinge nachgedacht, angefangen mich selbst zu hassen. Ich war echt verzweifelt…“ Er schloss die Augen lethargisch. „Und dann… mit einem Schlag, noch ehe ich es realisieren konnte… wie ein riesiger Knall änderte sich alles… Ich habe mich jetzt irgendwie mit meinem Schicksal abgefunden und ich klage auch nicht mehr darüber. Vielleicht habe ich endlich verstanden, dass ich das bin, was ich immer sein wollte.“ Er endete seine Worte mit einem seufzenden Lacher. „Das braucht echt Zeit um es zu kapieren… Ich bin Hyrules Held. Und ich habe heldenhafte Pflichten.“ Eine kurze Pause entstand und jene gab Sian das Gefühl, etwas zu Links Worten sagen zu müssen, eine Bestätigung, eine Hoffnung vielleicht… „Es wäre wohl verwunderlich, wenn dieses Wissen keine Zweifel mit sich bringen würde, Link. Sicherlich ist es schwer, zu verstehen, wer du bist. Aber du bist ja nicht der einzige, dem es so geht und nicht der einzige, der Pflichten bezüglich der Rettung Unschuldiger hat.“ „Ich weiß… und ich muss sagen zum Glück bin ich nicht alleine mit allem…“ Sian ließ sich ebenso in den Sand sinken, setzte sich in seinen geliebten Schneidersitz und holte zwei Rüben aus seinem Rucksack. „Hier, gib’ Epona eine davon.“ „Thanks.“ Link erhob sich mit einer Federleichtigkeit, tätschelte den Hals der goldbraunen Stute und lächelte. Er lächelte so charmant, dass selbst der sonst so kühle Sian sich verlegen fühlte und wegblickte. Auch Epona schien mit ihrer riesigen Schnauze zu lächeln, verschlang die Rübe mit einem Zug und schien zufrieden. „Da wir gerade von heldenhaften Pflichten reden, dann möchte ich herausfinden, was mit Kevin los ist. Konntest du eine Antwort finden?“ Erneut ließ sich der junge Held in den Sand sinken und genoss die kühle Brise des Meeres. „Ich meine, was ist mit dieser seltsamen Wunde an seinem Nacken?“ „Es geht genauer gesagt nicht nur um diese seltsame Wunde, sondern um etwas, was in ihr verborgen ist“, erwiderte Sian. Link runzelte die Stirn. „Wie darf ich das nun schon wieder deuten?“ Sian seufzte: „Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Erinnerst du dich an das falsche Abbild von Zelda?“ Vor Schreck richtete Link sich wieder auf. Er wurde ein wenig blass im Gesicht, als die Erinnerungen an jene düstere Nacht ihn wiedereinholten, als eine Kriegerin namens Zarna sich Zutritt zu Ines Schatteners Haus verschafft hatte und als seine Prinzessin an der Schwelle des Todes war. „Woher weißt du denn davon, Sian?“ „Mein Vater-“ Link unterbrach ihn mit Bestürzung in seinen Gesichtszügen: „- Moment mal, ich verstehe das nicht… dein Vater weiß auch davon, Sian?“ Der Irländer nickte, ein Hauch Aufrichtigkeit lag auf seinen Gesichtszügen. „Ja, mein Vater weiß einiges, aber nicht alles… und auch ich habe einige dieser Ereignisse in meinen Träumen gesehen.“ „Ich verstehe…“, ließ Link schwermütig über seine Lippen gleiten. Ein leises Schamgefühl huschte in sein Gemüt angesichts des Gedankens, wie er damals gehandelt hatte. Er wusste, dass es richtig war, sich für Zelda einzusetzen, aber sich beinahe zu opfern zeugte weder von Ehre noch von Mut… Es war feige. „Nur wissen mein Vater und ich mehr über das, was du nicht erlebt hast“, erklärte Sian. „Wir wissen, was mit Ganondorfs Kriegerin Zarna geschehen ist, als du sie schwer verwundest hast.“ Link schloss die tiefblauen Augen nachdenklich und versuchte die unangenehmen Gefühle wegzuschieben. „Was genau ist passiert?“, sprach er leise. Sian erhob sich mit seiner perfektscheinenden Gelassenheit, streifte sich die Turnschuhe von den Füßen und trat barfuß durch den weichen Sand, ließ das kühle salzige Meerwasser seine Füße benetzen. „Als du damals Zarna schwer verwundet hattest, konntest du sie nicht ganz töten… Zeldas Leben hing am seidenen Faden, du musstest die Kriegerin ziehen lassen.“ Link nickte. Ein weiterer Schwall der Erinnerungen zog an ihm vorüber. Die grausame, von Mordlust erfüllte Nacht, in der der Himmel weinte. Die explodierenden, belastenden Gefühle der Rettung und Vernichtung. Und die Schuld des unsichtbaren Blutes an seinen kampfgezeichneten Händen… „Sie verschwand zurück zu ihrem Meister, zurück zu ihrem peinigenden Untergang, zurück zu dem Monster, das sie ins Leben gerufen hatte“, erzählte Sian. „Er erschuf sie nach Zeldas Abbild, mit einer dämonischen Besessenheit, mit dem Bedürfnis Zeldas Platz durch seine Kriegerin zu ersetzen. Er erschuf sie aus Ton und doch nahm Zarna einige von Zeldas Eigenheiten an, ihr Temperament und ihren Widerwillen… Zarna gehorchte ihm nicht.“ „Ganondorf hat demnach einige Kreaturen des Bösen gezüchtet, korrekt?“, warf der Heroe ein, beobachtete den leichtfüßigen Sian durch Meerschaum, matschigen Sand und kühles Wasser schlendern. Mehr und mehr setzten sich für den Helden der Erde die Puzzlesteine zusammen. Er erinnerte sich an den seltsamen Priester namens Drokon, der auf dem Friedhof Kreaturen des Bösen aus Ton erschaffen wollte, aber welche wieder in sich zerfielen. Ganondorf musste eine Möglichkeit gefunden haben diesen Tongestalten Leben einzuhauchen. „Gibt es noch mehr von diesen Tongeschöpfen?“ „Darüber weiß ich nichts… möglicherweise hat das Böse diesen Plan fallen lassen, als klar wurde, dass die Tonkreaturen nicht Folge leisten“, entgegnete Sian. „Es war unter Umständen sehr hilfreich, dass Zarna sich ihrem Meister widersetzte…“ „Ja, womöglich…“, seufzte Link leise. „Du bist mit deinen Gedanken bei Zelda, hm…“, murmelte der Irländer. Der Heroe konnte es nicht abstreiten, aber er wollte seinem neuen Kumpel nicht die Möglichkeit geben ihn damit aufzuziehen. Er schwieg. „Glücklicherweise wusste Zarna nicht, dass du Zelda zu dem Zeitpunkt wiederbeleben konntest und sie konnte Ganondorf darüber keinen Bericht erstatten. Er ahnt bis heute nicht, dass deine Prinzessin lebt.“ Erneut benetzten keine Worte Links Lippen. Er schwieg bewusst, wissend, er wollte über die Möglichkeit, dass Zelda in jener Nacht ihr Leben hätte lassen müssen, kaum nachdenken. Er war dankbar, dass sein heimlicher Schutzengel in Gestalt des Mädchens mit den giftgrünen Augen ihn gewarnt hatte, war dankbar, dass er Zelda retten konnte. Wenn sie in jener Nacht ihr Leben ausgehaucht hätte, wenn sie in seinen Armen gestorben wäre, er hätte etwas getan, was weder ihm noch dieser Welt genutzt hätte. Er hätte aufgegeben… Link biss sich auf die Lippen, erschrak an seinen eigenen grausamen Gedanken. Ja, er hätte aufgegeben. Das war die Wahrheit über seine Motivation, seinen Willen. Denn das einzige, wozu er noch in der Lage gewesen wäre, wenn er seine Seelenverwandte verloren hätte, wäre mörderische, abscheuliche Rache. Wenn Zelda etwas zugestoßen wäre, dann hätte der einstige Held Hyrules an sich selbst versagt… Sian bemerkte den zerstreuten Schimmer auf Links Gesicht, der ein unglaubliches, verständnisvolles Funkeln in den tiefblauen Augen hatte. Der Rotäugige wollte gerade etwas sagen, ihn ausfragen, woran er dachte, als Link aber äußerte: „Zarna hat Ganondorf zwar keinen Bericht erstatten können, aber Zeldas Geist hat er dennoch versucht einzusperren.“ Link seufzte ein weiteres Mal, heftete die Augen an den weiten, glitzernden Horizont, an die vielen Farbbänder des Himmels und den Reichtum dieser Welt. Es war eines der ersten Male, das Link den einstigen Shiekah überrascht dreinschauen sah. „Wie meinst du das?“, sprach er. „Es war ein erschreckender Vorfall vor einigen Wochen. Irgendwie hat Ganondorf Zelda in ein sonderbares Gefängnis eingesperrt. Ich weiß auch nicht genau, wie das passiert ist.“ Mehr wollte der junge Held dazu nicht äußern. „Ich verstehe… ich sollte meinen Vater dazu befragen“, setzte er hinzu. „Sian, lass‘ gut sein. Ich konnte den Vorfall klären!“ Link sprach seine Worte bestimmend: „Ich möchte nicht alles wieder aufrollen… ich hoffe, die Sache mit dem Seelenfänger ist erledigt.“ Seine Worte aber entsprachen nicht der vollen Wahrheit. Es war nicht nur die Hoffnung, dass Ganondorf nicht noch einmal ein derartiges Attentat plante, Link wollte sich schlichtweg nicht an diesen Alptraum erinnern. Manchmal, so erschien es ihm, erstarkte etwas in seinem Inneren, etwas Unkontrollierbares, Tapferes und gleichzeitig Grausames an Gedanken, die sich durch Ereignisse wie jene speisten. In letzter Zeit, und besonders dann, wenn Zelda in Gefahr schwebte, hatte er das Gefühl zum Alptraum seiner Selbst zu werden… Um sich selbst zu beruhigen, suchte der junge Held einmal mehr die Nähe zu dem schönen Reittier Epona, klopfte ihr sanft auf den muskulösen Hals, lehnte den Kopf an ihre Seite und spürte die sonderbare Ruhe des Tieres auf sich übergehen. Seine bedrohlichen Gedanken schmolzen Stück für Stück dahin. „Sag‘ mir, Sian, was hat Kevins Wunde mit Zarna zu tun… Warum holst du soweit aus?“ Sian seufzte und blickte in Richtung glutroter Abendsonne. „Zarna kehrte zu ihrem Herrn zurück, aber er war alles andere als gnädig mit ihr… Ganondorf hat Zarna jedoch nicht einfach nur getötet. Sie war eine Kreatur erschaffen aus Ton, zerfressen von niederen Bedürfnissen wie Hass, Neid und Missgunst, ein fluchbeladenes Material, bestialisch und grausam, sie zu töten hätte dem Fürst des Schreckens kaum Genugtuung gebracht. In allem, was er tut, steckt der Wahnsinn noch mehr Unheil zu sehen.“ Entsetzt lauschte Link den Worten des vergessenen Shiekahkriegers, lauschte und spürte mehr und mehr Handlungsbedürfnis. „Er zerschmetterte ihren Körper in Tausende Splitter, zerstückelte den Wahnsinn von Zarnas Existenz… und ließ jene Splitter die Welt erobern. Diese Ableger des Bösen stecken nun in unzähligen Menschen auf der Welt, verursachen dunkle Gelüste, verwandeln Menschen in Monster und reichern die Welt mit schwarzer Energie an. Wenn ich richtig liege, ist die hässliche, dreieckige Wunde am Nacken von Kevin ein Überbleibsel dieses Fluchs.“ Link sprang voller Tatendrang direkt vor Sians Füße. „Worauf warten wir dann noch? Wir müssen diesen Splitter aus Kevins Körper holen.“ Überrascht über Links Bereitschaft zu helfen, stand Sian auf und sie kletterten auf ihre Pferde. In höchster Eile ritten sie gemeinsam in die nächstgelegene Ortschaft. Nachdem Sian und Link ihre Pferde zurück in die Stallungen gebracht hatten, erreichten sie zu Fuß die Ortschaft nahe des Johnson-Anwesens, als sich bereits Dunkelheit über Irland legte. Nebel zog auf leisen Pfoten durch die grauen Straßen. Dichte weiße Schleier, wie der dunstige Rauch auf einem erbarmungslosen Schlachtfeld, schlängelten sich über das Kopfsteinpflaster und abgenutzte Teerstraßen. Es war außergewöhnlich still, hier, wo die Sonne den Horizont verließ und das Nachtgewand die Welt schlafen legte, zu still, obwohl es noch nicht allzu spät war. Keine jungen Leute befanden sich auf den kleinen Straßen, wo selbst Pubs und Cocktailbars bereits geschlossen waren. „Sian“, meinte Link, während sie beide durch die mittelalterlichen, engen Gassen der Kleinstadt schlenderten, „wenn du viele Dinge weißt, wenn du von vielen Ereignissen in letzter Zeit geträumt hast, dann kannst du mir vielleicht helfen noch eine Frage für mich zu klären.“ Nachdenklich blickte der Held zu seinen Füßen. „Worum geht’s?“, meinte Sian bestimmend und orientierte sich. Gleich um der nächsten Häuserecke lag das Gasthaus von Anja NiceInn. „Ich wurde vor über einem halben Jahr verwundet, verwundet in einer Situation, die mir auch heute noch unerklärlich erscheint. Ich spielte das Spiel `The Legend of Zelda‘, als mich eine unbekannte Kraft überfiel… es war als träumte ich“, erklärte Link und griff sich an seinen Bauch, wo er die Narben des damaligen Vorfalls trug. „Weißt du etwas darüber?“ Sian kratzte sich an seinem unbehaarten Kinn. Seine rubinroten Augen schillerten gefährlich durch die anbrechende Nacht. „Mmh… neben der Tatsache, dass du nicht mehr spielen solltest, stelle ich mir in diesem Zusammenhang nur eine Frage.“ Irritiert blieb Link stehen. Ja, er hatte zwar seine komplette Sammlung an Zeldaspielen mit dabei, aber nicht einen Gedanken daran verschwendet zu spielen. Und er hatte eigentlich keine Gegenfrage erhofft, sondern darauf vertraut, dass Sian auch zu diesem Thema eine Antwort haben könnte. „Ist es nicht beinahe Schicksal, dass die Wiedergeburt eines Helden sich genau in jenes Spiel verliebt, das seine eigene Geschichte verkörpert, selbst wenn er sich nicht erinnern kann.“ Link grinste und in seinen Gesichtszügen stand schelmischer Stolz. „Womöglich, worauf willst du hinaus?“ „Vielleicht weiß das Böse um diesen Zusammenhang… Es könnte sein, dass nur Menschen, die einen Bezug zu jenen fantastischen Geschichten finden, die das Bedürfnis nach einem Abenteuer wie jenes in sich spüren, die Fantasygeschichten mögen, das Vergnügen suchen solche Spiele zu spielen. Und anhand dieser Wünsche könnten, erschaffen aus einfachen Gedanken, reale Ereignisse gebildet werden, reale Feinde. Dämonen aus Erinnerungen…“ „Mit anderen Worten: Du glaubst meine Erinnerungen werden lebendig?“ Link schüttelte mit dem Kopf. „Das ist unglaublich… Wie kann so etwas funktionieren“, murmelte er. „Darauf habe ich keine Antwort… ich könnte mir vorstellen, dass das Spiel wie eine Pforte arbeitet und jemand diese Tür nutzt um dich zu erreichen oder es ist ein Fluch, der Seelen aus Hyrule trifft.“ Sian klopfte Link auf die Schulter. „Du darfst nicht vergessen, dass die Geschöpfe, die in Hyrule lebten ein völlig anderes Verständnis von Magie, Seele, Göttern und der Welt um sich herum besaßen als du es auf dieser Welt kennengelernt hast. Das Leben in Hyrule war ein völlig anderes, der Zugang der Lebewesen zur Magie, zu dem Erkennen und Spüren von Energie war ein anderes… Alles, was du hier auf der Erde für selbstverständlich hältst, würde in Hyrule belächelt oder mit Irritation betrachtet werden.“ „Und alles, was in Hyrule selbstverständlich war, kann ich heute nicht verstehen…“, beendete Link für den Irländer. Erneut rüttelten Sians Worte an seinem gesamten Weltbild. Magie existierte, selbst auf der Erde und das Böse wusste dies. Ganondorf war ihm meilenweit voraus mit dem, dass er die Magie um sich herum wahrnehmen konnte, mit dem, dass er und seine Lakaien Energien manipulieren konnten… Link atmete die kühle Abendluft tief ein, richtete sein Haupt in Richtung des weißlich glühenden Mondes. „Ich kann verstehen, warum Ganondorf mich finden will, warum er selbst vor den niedersten Grausamkeiten nicht zurückschreckt, aber ich habe nie verstanden, warum er an Zelda so viel Interesse hegt. Warum will er sie lebend? Ich dachte immer, er wollte sie…“ Link brachte seinen Satz mit dem Gedanken daran Zelda könnte verletzt werden kaum zu Ende. „Wenn du denkst, dass Ganondorf an Zeldas Tod interessiert wäre, dann irrst du dich. Mein Vater meinte, er bräuchte sie lebend. Wieso das so ist, weiß ich nicht. Möglicherweise-“ „Was soll das heißen, er braucht sie lebend?“, unterbrach Link den rotäugigen Burschen. Sian schmunzelte, hörte er einen Unterton in Links verräterischen Worten, die seine Vermutungen über dessen Motive bestätigten. „Ganondorf hegte immer Interesse, nein, eine nahezu wahnsinnige Besessenheit, was die Prinzessin des Schicksals anging… Ich schätze, dass nicht nur der Wunsch nach Zeldas magischer Begabung dahinter steckt.“ Link bekam immer größere Augen. „Wahnsinnige Besessenheit?“ „Ja, das trifft es wohl am besten… selbst Dämonen wie er es sind, unterliegen einer Schönheit wie Zelda eine ist.“ „Er will sie doch nicht ehelichen, oder so!“, platzte es zügellos aus dem Mund des liebestollen Heroen. „Nie und nimmer werde ich das zulassen!“ Unbewusst ballte der heroische Bursche die Hände zu Fäusten und knirschte mit den Zähnen. Sian lachte gehässig. Es war das erste Mal, dass Link seinen neuen Kumpel so laut und durchdringend lachen hörte. „Link, jetzt flippe mal nicht aus“, meinte der vergessene Shiekah. „Ich glaube nicht, dass das der Grund ist. Du bist ja verflucht eifersüchtig, was?“ Links Kopf glühte in roten Farben, die Bücher hätten voll schreiben können. Gott sei Dank war es Nacht. „Sorry“, sagte er leise und trat voran. Er steckte die Hände hinter den Kopf und atmete die frische Abendluft tief ein. Der Gedanke, Ganondorf würde ein buhlerisches Interesse an Zelda hegen, fühlte sich unheimlich bitter für Link an. Ob selbst in Hyrule noch mehr passiert war, wovon er nichts wissen konnte? Was war geschehen in der alternativen Zeit, als der Fürst des Schreckens Zelda gefangen hielt? Wenig später erreichten Sian und Link den Gasthof NiceInn, und klopften sogleich an der Eingangstür. Die Rollläden waren hinab geschoben, nicht ein Licht leuchtete innen. Erneut klopften die beiden, aber vergeblich, niemand öffnete die Tür. „Ob es so eine gute Idee ist Anja NiceInn zu belästigen?“, murmelte Link in die Stille der Nacht. Gleichzeitig hielt er den Gedanken nicht aus die Angelegenheit mit Kevin ruhen zu lassen. „Es kann schon sein, dass sie nicht gestört werden will, falls sie überhaupt im Gasthof ist.“ „Verdammt, irgendetwas müssen wir doch tun können“, meinte Link und blickte sich um. Sein rechtschaffener Blick wanderte von den dicht aneinander gedrängten, oftmals schiefen Häuschen die Straße hinab. In der Stille des Abends wirkte es beinahe so, als kam die einzige Lebendigkeit dieses Ortes von den Häusergruppen, die winzige Kopfsteinpflasterstraßen umschlossen. „Da fällt mir ein, Anja meinte neulich, sie würde bei ihrer Schwester sein. Wohnt diese nicht irgendwo hier?“, meinte Link. „Ja, das ist eine gute Idee“, entgegnete Sian und schnippte mit den Fingern. „Soweit ich weiß, wohnt Susan NiceInn gleich da vorne.“ Auch dort klingelten die beiden Jugendlichen einige Male, sahen sich ratlos an, bis schließlich die Tür geöffnet wurde und statt eines erwarteten fremden Gesichts verunsicherte hellblaue Augen von innen hinausblickten. Es war Anja NiceInn, die hübsche, freundliche Gastgeberin des nahegelegenen Pubs, die sich jedoch sehr zögerlich verhielt. „Hallo. Was kann ich für euch beide tun“, fragte sie leise und blickte verstört zu Boden. Sie traute sich nicht einmal über die Türschwelle. „Die Frage ist eigentlich, was wir für dich tun können, Anja“, sagte Link und versuchte Hoffnung zu machen, die Dame aufzuheitern. Es musste noch mehr vorgefallen sein, was weder Sian noch der Held der Erde ahnten. „Ich… ich weiß nicht, wovon ihr beide redet. Bitte geht zurück zu der Jugendherberge, und passt auf euch auf.“ Ein wenig stockend kamen leise Worte über ihre Lippen. Link fasste sich ein Herz und drückte die Tür ein wenig auf und erst da erkannte er, in welch miserablem Zustand Anja NiceInn war. Sie war nicht nur gebrochen durch die Abweisung ihres Liebsten, sie war nicht nur traurig. Sie trug einen hässlichen Bluterguss an ihrer rechten Augenpartie, versuchte diesen mit Makeup zu kaschieren. „Anja…“ Links Anteilnahme, ein milder Klang des Mitgefühls in seiner angenehmen Stimme, bewegte tief. „War das Kevin?“ Sie nickte und schluchzte. „Wenn ihr ihn sucht… ich habe ihn seit einigen Tagen nicht mehr gesehen. Ich frage mich nur, was in ihn gefahren ist, er war sonst immer ein so… liebevoller Mensch. Ich weiß einfach nicht, was das zu bedeuten hat.“ Tränen funkelten in ihren Augen, Tränen, die fortwährende Vergebung und Liebe versprachen. Daraufhin betonte Sian entschlossen: „Hör zu, Anja, Link und ich können etwas tun, etwas um Kevin McMayor zu helfen. Es ist schwierig zu verstehen, es ist auch nicht so, dass wir das, was er getan hat, schön reden könnten. Aber er ist in etwas hineingeraten, etwas, das ihn völlig in seinem Seelengleichgewicht entstellt hat. Wir werden ihn da rausholen, wenn du uns einen Tipp geben kannst, wo er sein könnte.“ „Ich weiß es nicht“, schniefte sie unter Tränen und schien das eben Gesagte nicht wirklich aufzunehmen. „Ich habe einfach keine Ahnung.“ „Denk‘ nach, Anja! Gibt es einen Ort, an dem er sich öfters aufhält“, meinte Link verbissen. „Nein… das heißt, probiert es doch mal in den Wäldern in der Nähe. Er hat in den letzten Tagen davon geredet… seitdem er so seltsam ist.“ Sie drehte sich um und schluchzte leise. „Ich… mehr weiß ich nicht…“ „Anja. Wir schaffen das, okay“, sagte Link und wollte sie ermutigen. „Kevin ist schneller wieder bei dir, als du es für möglich hältst, und ich meine den alten Kevin!“ „Den alten Kevin…“, hauchte sie trübsinnig über ihre Lippen. Aber ein Funke Hoffnung hatte sich den Weg gebahnt, ein Funke Hoffnung aus Links Worten. „Ja, ich meine den Kevin, der er wirklich ist.“ Anja nickte zögerlich. „Link hat Recht. Überlass’ uns die Sache einfach“, stimmte Sian zu. „Ich kann zwar nicht verstehen, was geschehen ist und was ihr im Begriff seid zu tun, aber ich habe das Gefühl, es fügt sich schon irgendwie…“ Sie wischte sich die restlichen Tränen aus den Augen und schlug die Hände aneinander. „Wir kriegen das hin“, meinte Link und legte der hübschen Dame eine Hand auf die Schulter. „Ich verspreche es dir. Wir bringen Kevin zurück aus diesem Alptraum.“ „Danke.“ Sie versuchte es mit einem Lächeln und seufzte. „Wenn ihr in die Wälder gehen solltet, seid bitte vorsichtig.“ Link und Sian grinsten, traten geschwind und entschlossen die Straße hinab, winkten Anja noch einmal zu und machten sich bereit für einen Streifzug in schattigen Wald mit verschlungenen Pfaden und labyrinthisch anmutenden Gewächsen aus Holz. Auf in den tiefen Wald, dem ältesten Ort auf der Welt und vielleicht auch dem gefährlichsten… Im versenkenden Feuerlicht, ein letztes Glimmen, das die dichten Wälder nahe Leon Johnsons Jugendherberge durchdrang, traten Sian und Link mit entschlossenen Schritten vorwärts. Rauchiger Dampf wanderte über den erwärmten Teerstraßen in die Höhe, kündigte die Ankunft geisterhafter Gestalten an, die flüchtig und beweglich wie durchschimmernde bleierne Tücher, sich bis an den Rand des Unterholzes wagten. Nebulöse Dunkelheit zimmerte eine tempelartige Erscheinung mit verschlingenden, abgenutzten Trampelpfaden in die rufenden Wälder, wo Wolfsgeheul in der Ferne wie eine Warnung neugierige Wanderer aufschreckte. Als betraten Sian und Link eine Pforte in eine andere, verzweigte Realität wurden sie von dem Zusammenspiel riesiger Laubgeschöpfe verschluckt, bis nur noch ihre beiden funkelnden Taschenlampen von ihrer Anwesenheit zeugten. In der nebligen Finsternis, unterwandert von fremden Begierden, trat Link als erster vorwärts, kämpfte sich durch feuchte, näher kriechende Nebelschleier und lauschte den Geräuschen der tiefsten Finsternis, hier an einem Ort, der Rätsel und gruslige Kreaturen versprach. Entschlossen trat er vorwärts, störte sich nicht an dem Raschelgeräuschen seiner Turnschuhe, aber bemühte sich keinen unnötigen Krach zu verursachen. Um sich abzulenken, sich von bahnender Angst nicht beeinflussen zu lassen, erklang seine tiefe Stimme besonnen, und doch ruhig: „Ist es für dich okay, wenn wir uns leise unterhalten?“ „Es soll unser Schaden nicht sein“, sprach Sian verhalten. „Kreaturen des Bösen, sollten sie hier hausen, bemerken das Gute nicht nur an etwaigen Geräuschen, es reicht schon unser Geruch und sie finden uns.“ Der Mützenträger suchte in der Schwärze der Nacht nach seinem Freund und war verwundert darüber in welch irritierender und nahezu unheimlicher Weise dessen rubinrote Augen durch die Finsternis stachen… beinahe gefährlich wie ein Raubtier. „Nur gut, dass mich vieles nicht mehr erschrecken kann…“, nörgelte Link. Sian hätte beinahe angefangen zu lachen, bremste sich jedoch und suchte mit seinen nachtbegabten Augen nach Hinweisen für das Ziel, das sie beide hierher geführt hatte. „Es gibt da etwas, das mich seit einiger Zeit interessiert, Sian“, begann Link, lauschte in die Finsternis und strich einige Zweige mit seinen Händen zur Seite. „Noch mehr Fragen, was?“, meinte Sian erheitert. „Link, mir ist bewusst, wie sehr dir die ungeklärten Dinge deiner Vergangenheit auf der Seele lasten, aber hab‘ noch ein wenig Geduld, es wird sich bald alles fügen. Zelda wird dir alles über Hyrule erzählen.“ „Das ist es eigentlich nicht“, entgegnete der Heroe, beobachtete selbst während des Gesprächs sehr genau die düstere Umgebung. „Es geht nicht um die Vergangenheit an sich, es geht auch nicht um die Prinzessin. Es ist wohl ein Anliegen, auf das Zelda keine Antwort geben kann.“ „Was genau?“ Link stoppte seinen zügigen Schritt, lauschte dem Zirpen von Grillen und dem vibrierenden Summen verschiedener Insekten. „Wenn es also Hyrule wirklich gab, es ein Land war, eine Welt wie viele andere, was ist aus dem Triforce geworden?“ „Mmh… Das wird wohl ewig ein Rätsel bleiben.“ Sian machte den Eindruck kaum darüber reden zu wollen. Je mehr er erzählte, umso mehr Geheimnisse blieben zurück. Da wurzelte etwas Unerbittliches, nahezu Verbotenes in seinen Gedanken, das er lieber unter Verschluss hielt. Ja, auch der Sohn von Leon Johnson hatte trotz seiner Reife einen blinden Fleck. „Die Macht des Triforce sollte niemals wieder entschlüsselt werden.“ Seine Stimme war rau, unterlegt mit Anspannung. „Es reicht schon, dass einige Wesen dieser Welt sich an eine göttliche Macht erinnern und schon die Erinnerung erschafft ihrer eigenen Dämonen. Das Triforce sollte dort bleiben, wo es ist, unsichtbar, nicht zugänglich.“ Link schluckte angesichts des ernstes Tonfalls seines neuen Bekannten. Ein Sturm tobte in dem mysteriösen Sian, der wusste, wie erbarmungslos eine gigantische Macht wie das Triforce Welten entstellen konnte. „Man erzählte sich in Hyrule, die auserwählten Träger machtvoller Eigenschaften würden auf ewig verdammt sein wie ein Magnet für das goldene Dreieck zu wirken.“ Erneut stachen Sians scharlachrote Augen auf der Suche nach Antworten durch die sich an Dunkelheit nährende Nacht. „Und es ist eine Frage, aber mit Bedacht und Vorsicht sollte jene gestellt werden… eine Frage nach dem, was du spürst, dann in erschreckenden, gefahrvollen Momenten.“ Sian rückte näher an Links Gesicht, als suchte er etwas Verbotenes in seinen kampflüsternen Blicken. „Beobachte dich, Held, dann, wenn du kämpfst, nimm‘ wahr, was zu dir gehört und was nicht, beobachte, ob eine alte Macht in deinen Venen brüllt.“ „Wie meinst du das?“ Link versuchte Sian in der zunehmenden Finsternis zu mustern, die Gefahr in seinen Worten zu verstehen und die leise Besorgnis, wie gefährlich für Links Seelenheil der Gebrauch einer Macht wie das Triforce war. Sian schwieg, aber Link forderte ihn heraus. „Du machst dir Sorgen, dass ich… dass ich kämpfe ohne nachzudenken und dass, wenn sich die Gelegenheit ergäbe, das Triforce zu nutzen, ich dies tun würde, richtig?“ Benommen lehnte sich Link gegen den wuchtigen Stamm eines Baumes. „Das nicht, ich will dich aber warnen, dass es sein könnte, dass das Triforce, und es ist niemandes Feind und niemandes Freund, einen Einfluss auf dich ausüben könnte, wenn es denn noch irgendwo lauert.“ „Ich verstehe…“, murmelte Link trübsinnig. Vielleicht war in all den Ereignissen in letzter Zeit noch mehr der Wurm drin als er dachte. „Eigentlich ist da tatsächlich etwas. Manchmal…“ Er stoppte seine Worte und machte deutlich nicht darüber reden zu können. In Wahrheit fürchtete er sich beinahe vor seinen Gedanken. Wenn er wirklich ehrlich zu sich selbst war, dann wusste er, dass seine Begabungen im Kampf nicht nur aus seinem Wunsch zu kämpfen resultierten. Da herrschte mehr in dem einst so träumerischen Oberstufenschüler Link als er wahrhaben wollte. Ja, gelegentlich fühlte er eine eigenartige Kraft in sich, die er nicht zuordnen konnte, die ihn erfüllte und bedrängte, eine Energie besonders in seiner linken Hand, wie vor einigen Tagen, als dieser Wolf in Kevins Wagen wie eine Bombe zerplatzte. Hyrule brachte nicht nur Hoffnung auf Neubeginn mit sich, so verstand Link, in Hyrule warteten grausame Fügungen, Märchen mit düsterem Ausgang und manipulative Mächte… Sian zügelte seine Schritte und hielt Link an der Schulter zurück. Gerade da raschelte es verräterisch im Unterholz, ein schaurig schöner Laut beflügelte die Finsternis, verlieh ihr Ohren und zeugte von Kreaturen, die mit scharfen Sinnen das Einmischen der beiden heroischen Menschen beobachteten. Der Wind raschelte weiter, ein verräterischer Wind sauste durch undurchdringliches Blätterdach. „Wir kommen unserem Bestimmungsort näher…“, flüsterte der tizianblonde Irländer. Er drängte Link weiter vorwärts, spürte die Gefahr zunehmen wie ein die Kehle zuschnürendes Gift. In einem Moment der Stille wirbelte Sian um seine Achse, hörte sein Herz tosend pulsieren und fühlte sich überschüttet von fremdem Wahrnehmungen. Überall in diesem Wald hockte unvermeidliche Finsternis, lockte mit Stimmen, und ließ Zweige und Äste sich in überwältigende Fangarme verwandeln. Sians Sinne arbeiteten vermessen, und sie erkannten die Grenze zwischen dieser Welt und dem Reich hinter den Schatten sich verflüchtigen. Der silberne Faden, der Realität und eine gespenstische, kosmische Welt voneinander trennte, wurde hier in der Stunde der Geister, verschwindend dünn… Im nächsten Augenblick zerriss Wolfsgeheul aus weiter Ferne die verräterische Ruhe in den Wäldern. Dämonische Besessenheit knatterte durch das Unterholz, kündigte auf vielen rupfenden Krallen die Ankunft von einem Rudel Wölfe an. „Beeilen wir uns, dass wir Kevin finden und dann schnell weg von hier“, sprach Link, spürte deutlich, dass die näher rückenden, wilden Tiere keine harmlosen waren. Sian nickte und lief vorneweg. Durch raschelnde Sträucher, über weiche Moose und süßlich duftenden Waldboden rannten sie, suchten nach Hinweisen um Kevin zu finden. „Wenn wir nur mehr als diesen lächerlichen Anhaltspunkt hätten“, murmelte Link. „Zeit zum Jammern hast du später noch, Held“, lachte Sian und stoppte plötzlich sein Schritttempo. Ruckartig duckte er sich und packte Link energisch an seinem rechten Arm. Beobachtend hockten die beiden im Unterholz der gefahrträchtigen Wälder, erkannten nicht weit von ihnen entfernt sich bewegende Lichter, Lichter, die aus Feuer geboren waren, die geschickt angeordnet waren um eine kleine Lichtung zu erhellen. Dutzende Laternen hingen in den Kronen von Laubbäumen, knackten leise in Begleitung des Rauschens des Windes. Link nickte seinem Begleiter entgegen, zog seinen Dolch und schlich wie ein Schatten näher zu dem verräterischen Funkeln in der Ferne. In Reichweite des Lichtes kletterte der Heroe geschickt, gefolgt von Sian, auf einen der Bäume und versuchte eine gute Sicht zu erhaschen. Zuerst konnte Link in der Düsternis und dem wenigen Licht der Fackeln nicht viel erkennen, spähte die Szenerie aus, achtete auf jede kleine Bewegung im dichten, unruhigen Laub. Link hatte kaum mehr gehofft, den von einem manipulierenden Grauen befallenen Kevin McMayor zu finden, als er in dem schattigen, gefahrvollen Wald besagten Burschen umgeben von den seltsamen Laternen erblicken konnte. Link deutete mit einem Zeigefinger in die Richtung, wo er Kevin zusammengehockt vor einer der Laternen hocken sah. Wie ein verängstigtes Kind wippte er hin und her, redete wirres Zeug und vermischte die verschiedenen Sprachen, die er während seines Lebens gelernt hatte. Und auch, wenn sich Sian und Link mehrere Meter entfernt befanden, so konnten sie erkennen, in welch miserablem Zustand er war. Er musste seit Tagen nichts gegessen haben, wirkte deutlich abgemagert. Sein schulterlanges, dunkles Haar fiel fettig nieder und manche Stellen auf seiner Kopfhaut waren kahl. Seine Kleidung war übersät mit Dreck, Blut und war zerrissen. Kevin hatte mit einer dämonischen Besessenheit bereits die Grenze zu der Mutation in eine Alptraumkreatur überschritten, denn selbst von Weitem war in seinen Augen das Glühen bestialischer Triebe zu erkennen. Ein Glühen des Bösen herrschte in seinen einst so freundlichen Seelenspiegeln… „So, gefunden haben wir ihn und was jetzt?“, murmelte Link. Die Sache gestaltete sich schwieriger als er anfangs geglaubt hatte. Kevin McMayor war dabei seinen letzten Rest Menschlichkeit auszuhauchen, so wie es das irische Mädchen Molly getan hatte. Der Held spannte beide Hände zu Fäusten, rief die belastenden Bilder von Mollys Tod erneut in seinen Geist und betete darum diesmal einen Beitrag zur Rettung eines Menschen leisten zu können. „Wir müssen uns gut überlegen einzuschreiten. Wenn wir voreilig handeln sollten und Kevin flieht, haben wir die einzige Chance auf Rettung seiner Seele verspielt. Denn noch einmal wird das Schicksal uns nicht gnädig sein ihn aufzuspüren“, flüsterte Sian träge. Seine hypnotisierende Stimme summte andächtig und beruhigend durch die Nacht. „Sian“, sprach Link bestimmend. „Das mag durchaus sein, wenn wir jedoch ewig darauf warten einen Angriff zu starten, verschwindet Kevin völlig. Wir haben nicht viel Zeit.“ Mit Verwunderung begegneten die scharlachroten Augen des Irländers den tiefblauen Links. „Ich schätze, wir sollten wohl auf die Intuition eines Heroen vertrauen“, flüsterte Sian und begann vorsichtig von dem großen Ast zu klettern, während der junge Held in sich hinein grinste. Auch er sprang von seinem Versteck in den Bäumen und schlich im Schutze der Dunkelheit weiter in Kevins Richtung. Doch da begann der vom Fluch des Bösen heimgesuchte Bürgermeistersohn in einer äußerst kläglichen, fast verzweifelten Stimme zu singen, sang von der Grausamkeit, die eine Welt entstellen konnte, sang die Symphonie des uralten Bösen genauso wie Links gute Freundin Maron vor einigen Wochen, als auch sie von einem kalten Schatten besetzt war. „Das Böse kommt und geht… bis kein Wind mehr weht… Das Böse verschlingt die Welt… bis keine Hoffnung mehr zählt… Das Böse ist nah… Das Böse ist da… Es wird euch alle verschlingen… es wird euch nicht gelingen… Das Böse vernichtet das Leben… es wird keine Menschen mehr geben…“ Mit noch mehr Enthusiasmus und fordernden Schritten trat der junge Held vorwärts. Selbst, wenn dies eine Falle sein sollte, und Sian mochte womöglich Recht damit haben Vorsicht walten zu lassen, er konnte den erbärmlichen Zustand von Kevin McMayor nicht aushalten. Nicht dieser hilfsbereite junge Mann, der ihm in der Nacht des Wolfsangriffs geholfen hatte. Dieses teuflische Spiel von Ganondorf musste enden und Link entschied sich sogleich damit zu beginnen! Er hastete näher, erreichte die feuererleuchtete Lichtung und trat selbstbewusst vor den Bürgermeistersohn, der wie erstarrt in einer Embryonalhaltung am moosigen Boden hockte. „Kevin!“, sprach Link deutlich und kniete ebenfalls nieder. „Komm zu dir, Kevin“, setzte der grünbemützte Kämpfer hinzu und hoffte auf eine Reaktion des Irländers, die sich in Form eines beginnenden Wimmerns zeigte. Kevin McMayor zitterte, wiederholte seinen klagenden Gesang und reagierte gleichzeitig teilnahmslos auf Links Anwesenheit. Schräg blickte der mitgenommene junge Mann an ihm vorbei, fixierte mit blutunterlaufenen, violett glühenden Augen einen Punkt im Unterholz, sah Gestalten einer anderen Dimension sich nähern, hörte sie kratzen und rufen, konnte ihren fauligen, schwefligen Gestank riechen… Kevin war dabei hinüber zugleiten in die Welt des Bösen, war dabei seine Menschlichkeit auszuhauchen. Weitere undeutliche Worte erklangen von seinen blutleeren Lippen, er würgte mit verwaschenen Lauten einer Erdensprache seine letzte Herzenswärme heraus… Erneut sprach Link den Irländer bestimmend an, begann ihn schließlich zu rütteln und hoffte auf ein vernunftgesteuertes Signal aus Kevins Kopf. Aber als der McMayor endlich einen Blick erwiderte, spürte Link, dass er ihn nicht auf diese Weise erreichen konnte. Da lag ein Wahnwitz in seinem Blick, einschüchternd und überheblich, glimmend wie ein schwarzer Stern funkelte der Hochmut des Bösen in seinen Augen. „Kevin ist nicht mehr da, kleine Made…“, zischte die nur mehr leblose Hülle des Bürgermeistersohns, stieß Link weg und erhob sich marionettenhaft. Und in dem Augenblick, als Link am Boden hockte und seine Hände krampfend in die Erde grub, diese verdammte Stimme von vorigen Situationen wiedererkannte, spürte er in der Kürze eines Augenblicks, beinahe aufflackernd und leise, einen ziependen Schmerz auf dem linken Handrücken. Ein Schmerz, der sich durchaus verstärkte, der lähmen wollte, der erinnern wollte… Er zuckte geschockt zurück und umgriff mit seiner anderen Hand die schmerzende Linke. Keuchend lehnte sich der junge Held gegen einen Baum, während der vom Bösen besessene Kevin McMayor in seine Richtung trat, tapsig und schlürfend bewegte er sich, wahnhafte Zuckungen seiner Glieder begleiteten ein eigenwilliges Schrittmuster. „Glaubst du, dass du sie alle retten kannst…“, kreischte er, seine Stimme vibrierte auf unnatürliche Weise, zornig und bettelnd. „Wir sind überall auf der Welt, entstehen in einem Wimpernschlag, entstehen aus verbranntem Fleisch und können mehr sein als unser Fürst von uns verlangt. Hunderte Kreaturen des Bösen lauern bereits im Untergrund, weil das Gute nicht handelt, weil ihr-“, und er deutete mit seinem Zeigefinger in Links Richtung, „-weil ihr nicht kämpft und euch lieber mit dürftigen Fragen und Zweifeln auseinandersetzt. Es ist zu spät, wir sind in dieser Welt, wir sind hier!“ Seine Stimme schwoll an, wurde lauter und lauter, sodass ängstliche, kleine Tiere raschelnd aus den Wäldern flohen. Link schwitzte angesichts des Schmerzes, der wie Säure unter seiner Haut brannte. Etwas atmete dort, beginnend in der Hand, nahm ihm die Luft und bemächtigte sich seiner Sinne immer stärker. Mit jedem teuflischen Wort, das über Kevins Lippen glitt, mit jedem Ruf, den er als Sklave des Bösen ausstieß, erwachte etwas in Link, das Kontrolle forderte. Der innere Antreiber überwältigte ihn mit weiteren brennenden Schmerzen und einer begleitenden Stärke, die aus dem unangenehmen Gefühl resultierte. Es war als kämpfte jemand in ihm, der sich im Schmerz badete und mit jedem weiteren Schmerzschrei lebendig wurde. ,Koste von Schmerz und Wahrheit‘, summte es in seinen Gedanken, verwirrend und doch auf eine erschreckende Weise tröstlich. ,Ich bin noch immer hier…‘ Der junge Held sah Kevin näher treten, seine Gesichtszüge formten sich zu einem schmierigen Grinsen und er ließ hetzende Worte über seine Lippen rollen, dröhnte mit einer barbarisch anmutenden Stimme durch die Nacht und dennoch… konnte Link seinen Klang nicht mehr vernehmen, seine Augen brannten, sodass er diese zukniff. Er war völlig eingenommen von seinem erinnernden Schmerz… Irgendwo in den Wäldern, die in den zukünftigen Nächten, zu einem Hort des Bösen werden würden, trat Link einem einst guten Mann gegenüber, sah ihn sich verwandeln in eine der gezüchteten Kreaturen seines Erzfeindes. Und doch fühlte er sich wie gelähmt, stürzte auf seine Knie und nahm nicht wahr, wie sich in der rechten Hand seines vertrauten Kontrahenten durch dunkle Energie eine gezackte Klinge erschuf und jene Klinge wie bleiernes Wasser das Feuer der Laternen reflektierte. „Wusstest du, Held“, zischte Kevin und spuckte violetten Schleim aus seinem Mund. „… warum der Fürst des Bösen sich ausgerechnet diese Welt aussuchte für seinen Regententhron, für seinen Palast über das Schicksal?“ Link wich einige Zentimeter zurück, als Kevin die Klinge spielen ließ und jene an den Hals des Recken setzte. Der Heroe schluckte vor Aufregung und hatte mehr denn je das Gefühl, der Schmerz in seiner Hand würde ihn vollkommen auffressen, ihn zerstören… „Ihm gefiel die Einfältigkeit der vielen Staatssysteme und der vorgegaukelte Schein einer gerechten Welt. Ihm gefiel das menschliche Denken, das sich streckt von einem prekären Idealismus bis hin zu verräterischer Ignoranz und belangloser Hybris. Er ergötzte sich an der Leere der Magie… und der Ahnungslosigkeit moderner Zeiten. Er lachte und er wird lachen am Grab dieser Welt… einer Welt, wo wahre Helden fehlen…“ Und beinahe genüsslich ließ er die gezackte Waffe an Links sonnengebräunter Haut entlang wandern. „Und du bist der letzte Held, der fällt…“ Und als er bereit war die Klinge in den Hals das vergessenen Helden zu rammen, verfinsterte sich hinter Kevin die Szenerie und Sian erhob sich dort wie ein legendärer Schatten. „Schluss mit diesem Stuss“, sprach er finster und zog dem Besessenen mit dem Knauf seines Kunai einen so harten Schlag über, dass dieser ohne weiteres Zucken in sich zusammenfiel. „Leichtsinnig wie immer“, sagte Sian kopfschüttelnd und reichte dem erleichterten Link die Hand. Schuldbewusst ließ sich der Heroe aufhelfen, spürte ein unangenehmes Schamgefühl in sich bei der soeben geschehenen Demonstration seiner eigenen Schwäche. Link hauchte ein dumpfes ,Sorry‘ über seine Lippen, während er wacklig auf seinen Beinen stand. Er fühlte sich innerlich noch immer angespannt, auch wenn der Schmerz auf seiner Hand allmählich abklang. Die warnende Stimme, die sich in dem einstigen Hylianer erhob, schwieg erneut. Sian beäugte den jungen Heroen aufmerksam: „Ich schätze, was du vorhin gemeint hast, ist genau dieses Gefühl, dem du gerade unterlegen warst?“ Link nickte trübsinnig und atmete tief durch. Er konnte es kaum abstreiten, und erst recht nicht vor Sian. „Deshalb deine vielen Fragen und Zweifel, die durchaus berechtigt sind.“ Link stimmte zu, kniete zu dem bewusstlosen Kevin nieder, überprüfte seinen Puls, der kräftig und normal schlug. Auch Sian ließ sich zu Boden sinken, musterte den jungen Heroen bis dieser seinen Blick erwiderte. „Link, ich kann mir durchaus vorstellen, wie schwierig all die ungeklärten Geschehnisse für dich sein mögen“, sprach der kampferfahrene Sian Johnson. „Aber ich kann dir zumindest meine Sicht der Dinge schildern.“ „Und was genau ist deine Sicht?“ Gemeinsam drehten die beiden den ohnmächtigen und abgemagerten Kevin McMayor auf den Bauch, sodass sie einen Blick auf seinen Nacken werfen konnten. „Nun, ich würde vermuten, alles, was du spürst, hat unweigerlich etwas mit dem Bösen zu tun, Link. Möglicherweise spürst du dessen Anwesenheit mit Schmerzen gerade dort, wo einst das Triforce in deinem Körper ruhte, weil hier tatsächlich ein Zusammenhang besteht. Vielleicht lässt sich schlussfolgern, dass das Triforce irgendwie einen Einfluss hat, in dieser Welt, in dieser Zeit, auf dich.“ Link zwinkerte. „Ich bin mir nicht so sicher, was ich davon halten kann, solltest du Recht behalten.“ Die Vorstellung, er könnte tatsächlich auf eine legendäre Macht wie das Triforcefragment des Mutes zugreifen, sich entwickeln an einer uralten Macht, überforderte die Seele des grünen Base-Cape-Trägers. Wie es wohl sein mochte von einer solchen heiligen Kraft durchflutet zu werden? „Auch wenn das nicht alle Fragen klärt“, bemerkte Sian und holte Link zurück auf den Boden der Tatsachen. „Bei weitem nicht“, sagte der Held. „Wenn ich nur eine Idee hätte, wie ich diese vielen Fragen ansatzweise für mich lösen könnte.“ „Mmh“, und Sian grinste verschlagen. „Eigentlich hätte ich sogar eine Idee, aber diese ist nichts für schlichte Gemüter.“ Und schließlich stellte sich ein außerordentliches Feixen in den Gesichtszügen des Johnson-Sohnes ein. „Sian“, sprach Link warnend. „Du hast keine absurden Ideen, oder?“ „Mmh, ich finde, wir sollten dich unter Drogen setzen“, meinte er trocken und meinte seine Worte genauso wie er sie gesagt hatte. „Du veralberst mich“, schlussfolgerte der grünbemützte Kämpfer und lächelte schief. „Nein, keineswegs. Du weißt schon, dass sich dein Bewusstsein damit erweitern könnte.“ „Moment, du meinst das wirklich ernst?“ Links anfängliche Unsicherheit wandelte sich in Hilflosigkeit. Verwundert hob Sian eine Augenbraue und starrte so lange in Links tiefblaue Augen, bis jener von der Ernstlichkeit in Sians Vorhaben überzeugt war. Link lachte peinlich berührt auf und zwinkerte. „Im Ernst jetzt?“ Aber Sian grinste nur schelmisch und unterließ es darauf zu antworten. „Komm‘, schauen wir uns seine Wunde genauer an“, sagte der Irländer. „Es wird Zeit, dass wir diese Angelegenheit in Ordnung bringen.“ Einige Zeit später lag Kevin mit dem Gesicht auf dem Boden direkt am Lagerfeuer. Link und Sian sahen sich seine dreieckige, schwarze Wunde auf dem Nacken ganz genau an, untersuchten den ockerfarbenen Splitter mit Engelsgeduld und entdeckten im rosafarbenen Fleisch von Kevins Nacken winzige violett schillernde Fäden, die sich vom Splitter aus in die tieferliegenden Gefäße bohrten. Kleine Verästelungen wuchsen aus dem Splitter als wäre er eine Pflanze, beeinflussten jede Zelle im Organismus von Kevin. Nicht auszudenken war, wie der teuflische Prozess jenes Keimes einen menschlichen Körper mittels dieser schwarzen Magie in eine Alptraumkreatur verwandeln konnte. Und Kevin McMayor war nur ein einzelnes Opfer. Wie sollte es dem Guten gelingen diese Splitter aus den Körpern unzähliger Erdenbewohner zu reißen? „Das sieht einfach nur teuflisch aus…“, flüsterte Link fasziniert und fragte sich heimlich, wie ein solches präzises Werk erschaffen werden konnte. Welche Grausamkeit musste jemand im Herzen tragen, der diese psychopathischen Dinge entwickelte? Sian fackelte nicht lange, nahm eines seiner scharfen Kampfmesser zur Hand und löste mit der Spitze der Klinge die feinen, dunklen Fäden von dem reinen Fleisch des Bürgermeistersohnes. Es floss jede Menge Blut und ein säureartiges Zischen entkam dem manipulierenden Splitter. Ein furchtbarer Gestank machte sich breit. Und auch wenn Sian bemüht war eine präzise Arbeit zu leisten, so fragte sich Link, ob dieser Vorgang in Ordnung war. „Sag’ mal, du weißt, was du tust? Das sieht jedenfalls sehr kompliziert aus“, sagte Link und hielt sich die Nase zu. „Ja, keine Sorge, ich besuche derzeit eine medizinische Fakultät.“ Gespannt und doch angeekelt sah der Held weiterhin zu, und fragte sich, wie viele Talente Sian noch zu verzeichnen hatte. Seine Persönlichkeit war so umfangreich und vielschichtig, dass Link den Eindruck hatte nicht mithalten zu können. Im düsteren Schein silbernen Nebels, der die rauschenden Wälder ummantelte, setzten Link und Sian ihre Rettungsmission fort. Und während Sian seine Arbeit leistete, den bösartigen Splitter aus Kevins Wunde holte, hielt sich der grünbemützte Recke bewaffnet mit einem Dolch kampfbereit. Untermauert von dem gefahrvollen Glühen der nächtlichen Nebelschwaden konnte er sie kratzen hören, die Dämonen, die dann, wenn das Licht fehlte, ihre langen Zungen benutzten und ihre Reißzähne mit dickem Blut bemalten. Draußen in der Ferne lauerten die nackthäutigen Bestien, scharten mit ihren Krallen Verwestes aus dem weichen Waldboden. Link tiefblaue Augen blitzten wie blanker Stahl durch die Düsternis und er spürte die Wesen der Finsternis sich formieren. „Wir sollten uns beeilen.“ Seine tiefe Stimme schallte als Warnung durch die dichten Laubwälder. „Ich hab‘ es gleich“, sprach Sian mit Engelsgeduld und entfernte just in dem Augenblick den Splitter aus erdigem Ton. Blutbefleckt ruhte das Teufelsinstrument in Sians Handinnenfläche, erzeugte Gefühle der Bedrängnis und glomm in violettem, düsteren Schein, schickte Hunderte kleine Blitze wie Nadelstiche in einen Radius von einem Meter. „Unvorstellbar wie diese Ingenieurskunst in dem Körper eines Menschen wüten kann. Die gigantische, dämonische Energie, die in diesem Splitter haust, übertrifft meine schlimmsten Befürchtungen.“ Sorgsam verstaute Sian den Splitter in einem Röhrchen aus funkelndem Glas. „Willst du dieses widerwärtige Teufelsinstrument nicht zerstören?“, entgegnete Link verwundert und betrachtete sich Ekelgefühle verspürend den vibrierenden Splitter in dem Röhrchen. Sian erhob sich und verstaute das gefahrvolle Objekt in seiner Gürteltasche. „Zunächst war dies mein Vorhaben, ja“, erklärte er. „Aber ich schätze, ich sollte es untersuchen um nähere Informationen über Ganondorfs Magie zu gewinnen.“ Der Held nickte, hielt den Einfall des klugen Burschen ihm gegenüber für brillant. „Dabei wollte ich mir gerade ausmalen, wie es sein würde dieses Miststück zu zertreten“, lachte Link, hielt sich jedoch weiterhin kampfbereit. „Du kannst früher oder später noch genug böse Kreaturen erledigen“, meinte Sian mit einem Wink und grinste. „Jetzt wird es aber Zeit, dass wir hier verschwinden.“ Und es war dann, dass die beiden auserwählten Helden dieser Stunde den gefahrträchtigen Wald mit einem gereinigten Kevin McMayor auf den Schultern verließen. Mit entschlossenen Blicken traten Sian und Link im anbrechenden Tageslicht in die kleine gemütliche Ortschaft nahe Leon Johnsons Schloss ein. Und für einen umfassenden Augenblick, als der feurige Schein der aufgehenden Morgensonne beschützend über die beiden Retter fiel, pochte die Hoffnung persönlich in der Wahrnehmung von leidenschaftlichen guten Absichten. Vereinzelte Menschen blickten verwundert aus den wenigen Häusergruppen, ließen die Blicke auf die beiden Jugendlichen schweifen, die sich mit festen Schritten vorwärts bewegten. Und gerade als sich die Sonne bekennend am Horizont, berührt von grasigen Hügeln erhob, öffnete auch Anja NiceInn das Fenster im ersten Stock des kleinen, schmalen Hauses ihrer Schwester. Die Rollläden klapperten lärmend, verrieten ihre Nervosität und die schlaflose Nacht, die sie hatte. Ihre freundlichen, warmen Augen trafen jene des einen Helden, der Kevin auf seinem Rücken trug. Link lächelte, war berührt von dem Versprechen, das er halten konnte. Und als Anja NiceInn die Erscheinung der beiden Retter nicht mehr nur für eine Halluzination oder einen Wunschtraum halten konnte, liefen Tränen über ihre Wangen. Sie schluchzte und war in Windeseile von dem Fenster verschwunden, nur um noch beinahe im selben Augenblick die Haustür energisch aufzureißen. Sie legte ihre Hände an die Lippen, strahlte Link und Sian entgegen, aber verharrte in ihrer Haltung. Gerade da quälte sich Kevin McMayor aus seiner Bewusstlosigkeit, stöhnte und zitterte, bis er seine blutunterlaufenen dunkelgrauen Augen öffnete. Er zappelte so lange bis Link ihn zu Boden sinken ließ. Orientierungslos hockte der Bürgermeistersohn auf der Straße, wimmerte und warf schließlich den Kopf in den Nacken. Er richtete den Blick auf die aufgehende Morgensonne, die glasig in seinen Augen schimmerte. Aber kein Sonnenaufgang hatte ihn je so tief erfüllt wie dieser, kein Sonnenaufgang hatte ihm je brennende Tränen wie dieser in die Augen getrieben. Er richtete sich auf, ein zitternder Ausdruck der Menschlichkeit auf seinen Gesichtszügen. Und da verstanden Sian und Link, dass die Seele in Kevins Körper, zwar geschwächt und missbraucht von fremden Zwängen des Bösen, sich heilte. Der abgemagerte, erschöpfte Irländer legte dankend eine Hand auf Links Schulter. Aber er wusste nicht, was er sagen konnte, selbst das Danke, das tief in seiner Brust steckte, erreichte seine Lippen nicht. Zu schwer war die Bürde des Schmerzes, den er verursacht hatte. Kevin ließ den Kopf hängen, schluchzte und rieb sich mit beiden Händen das Gesicht. Und noch immer schwiegen Sian und Link, konnten beide kaum in Worte fassen, was gesagt werden musste. „Ich kann mich an fast alles erinnern…“, murmelte Kevin und brach damit das Schweigen. „Es war wie, als war ich gefangen in einem Teil meines Körpers…“ Angewidert blickte er auf seine verdreckten Hände und suchte nach Antworten in den tiefblauen Augen des Heroen. „Was hab‘ ich nur getan?“, winselte er. Link seufzte. „Du weißt, dass du nicht du selbst warst.“ Der Irländer nickte gequält. Er war so schwach, dass es ihm schwerfiel sich auf den Beinen zu halten. Sein Blick glitt in Richtung Anja NiceInn, die zögerlich vor der Haustür wartete. „Dennoch… schäme ich mich für alles, was ich tat. Wie soll ich ihr jetzt noch unter die Augen treten“, meinte Kevin und musterte seine Verlobte auf eine unsichere, zurückhaltende Weise. Links Lippen verließen aufmunternde Worte. „Nun geh’ schon zu ihr. Sie wartet auf dich.“ „Link hat Recht. Sie wird dir vergeben, Kevin“, meinte Sian und lächelte aufheiternd. Und es war dann, dass Anja zögerlich in seine Richtung tapste, ihrem Verlobten aber kaum mit Blicken begegnen konnte. „Kevin“, sagte sie leise, sichtlich bemüht ihre Tränen zu unterdrücken. Link gab ihm einen Schups, sodass er in ihre Richtung stolperte. Gebrandmarkt stand er vor ihr und getraute sich nicht irgendetwas zu sagen. Er begegnete ihrem Blick, hob eine Hand, vor der Anja NiceInn zunächst zurückzuckte, aber schließlich ließ sie es zu berührt zu werden. Ohne Worte streichelte der Bürgermeistersohn die zarte Haut an ihrem rechten Auge, wo sich ein hässlicher Bluterguss zeigte. Aber noch immer konnte Kevin ihr nicht in die Augen sehen. Er fühlte sich mies, schämte sich für sein Auftreten, sein abscheuliches Verhalten, obwohl er keine Schuld an den Erlebnissen des letzten Tages trug. „Anja, ich…“, hauchte er über die Lippen. Sie wischte sich ihre Tränen aus den Augen und umarmte ihn dann, zunächst vorsichtig, dann bestimmend. „Weißt du, als erstes nimmst du ein Bad, ziehst dir frische Klamotten an und isst etwas.“ „Ja… das mache ich…“, entgegnete er. Mit einem letzten Blick zu den beiden Helden der Stunde verschwanden sie Hand in Hand in dem Gebäude. Die jugendlichen Retter schmunzelten leicht, besonders Link. „Ach, das ist ja so schön. Endlich hat sie ihn wieder.“ Und einmal mehr wusste Link, warum er die Aufgaben und Pflichten des legendären Helden annehmen wollte: Weil es ein Glücksgefühl war, ein tiefes, nicht zu verleugnendes Glücksgefühl, erfahrbar und doch märchenhaft, anderen Freude zu bringen. Und weil unter der schweren Verantwortung jeder Heldenpflicht auch so etwas wie Liebe wartete. Sian klopfte Link daraufhin mehrfach auf die Schulter und lachte durchdringend. Das bewegende Lachen des Johnsons machte jenen menschlicher als er oftmals wirkte. „Es wird Zeit, dass du nach Hause kommst, Link“, sprach er. „Was soll das denn jetzt?“, beschwerte sich der Held und verschränkte die Arme. „Ach, der Held hat mich schon verstanden.“ Sian grinste und lachte erneut herzlich. Erst dann verstand Link die Andeutung, und seine Wangenbäckchen schienen sich leicht rosa zu färben… Kapitel 33: Was von anderen Welten bleibt… ------------------------------------------ Durch goldene Welten, durch klirrende Ewigkeit echot sein Seelenglanz… Verbunden mit Tapferkeit, Hoffnung und Licht schallt sein unendlicher Herzensname… Erwählt durch ätherische Gesetze der ältesten Zeit einst und diesseits… Wo immer das Böse sich erhebt und die Welt nach einem Licht ruft, wird er geboren…. Aus Blut. Schleim. Und Asche… Der Eine, dessen Mut wie gleißender Stahl aus seinem Herzen leuchtet. Der Eine… Auf ewig ist nur der Eine, Held über Zeit, Licht und Schicksal. Hier an Jahrtausende alten Ufern, wo weißer Sand von salzigem Nass bedeckt wurde und glitzernde Muscheln im Sonnenlicht funkelten, summte das Echo des Meeres ewiglich in seinem Rhythmus und trug zu einer wohlvertrauten Melancholie eines auserwählten jungen Mannes bei. Seine Hände wurden umschmeichelt von warmem, feuchtem Sand. Salziger Wind strich durch sein wildes, dunkelblondes Haar. Und die Melodie seines Schicksals, tief verankert in dem Rauschen des Meeres, rief ihn, lockte mit einer tiefen Sinnfindung und erinnerte ihn an jenes überwältigende Gefühl der Sehnsucht, das er so oft in sich gespürt hatte. Er war nicht traurig, Trübsinn überschattete ihn nicht, aber irgendwo in stillen Kämmerchen seines Herzens spürte er diese unnachahmliche Sehnsucht, die er einfach nicht fassen konnte. Manchmal, so erschien es ihm, erinnerte sich ein Teil von ihm, seine streng gehütete eigene Energie, an Augenblicke der Bedeutsamkeit. Augenblicke, die er in vergessenen Welten zu einer Erinnerung werden ließ. Augenblicke, die nicht nur ihn bestimmten, sondern eine ganze Welt veränderten. Und der berührende, genießende Augenblick hier in der märchenhaften Natur, wo die Wildheit des Meeres schäumte, erinnerte ihn ebenfalls an die vielen Bilder, die er ab und an in sich sah. Bilder einer anderen Welt, Bilder voller Schönheit und Bilder der Seelen, die er traf in diesem Leben oder vielleicht in einem anderen. Ja, er wusste, tief in sich wusste er, dass jedes Leben doch nur ein Zwischenschritt war, eine Lektion für etwas viel Wertvolleres, das er nicht anzweifeln wollte. Für etwas so unsagbar Wichtiges und Erfüllendes, sodass er sich schämte, es vergessen zu haben… Mit seinem Erwachen als Held in dieser vergänglich scheinenden Welt, der Erde, entfachten sich die Feuer seines Schicksals einmal mehr, und alles, was er hier tat, alles, was er begehrte, liebte und auch hasste, fügte sich diesem Feuer. Selbst Drachen wüteten hier, folgten dem Ruf des Bösen, eroberten Lebendigkeit. Und mehr von jenen zerstörerischen Bestien würden kommen, würden foltern… Und wenn Dämonen lebten, so war nur ein Gedanke, der noch folgte… Wenn Drachen begannen zu wüten, wann kam die Schlacht, die alles entscheiden würde? Er war hier, er war der eine Heroe, das sagte ihm sein Verstand. Er war der eine Held, der das Böse vernichten würde, sagten so viele Stimmen in dieser Welt. Aber sein Herz war nur erfüllt von dieser unsagbar grausamen Melancholie, die sich nährte aus der Unwissenheit seines früheren Lebens, und dem Wunsch, dass der Wahnsinn der Wiedergeburt endete… „Blickst du über die Wellen in Erwartung der Zukunft… oder bist du in deinen eigenen unerreichbaren Gedanken, wo Zeit keine Rolle spielt?“, murmelte es plötzlich, eine tiefe, und doch ernüchternde Stimme riss den jungen Heroen aus dem Schwermut, den er so überwältigend in sich spürte. Link blickte sorgenvoll auf und sah Sian mit einem aufheiternden Gesichtsausdruck vor ihm stehen. „Vielleicht ein bisschen was von beidem“, erwiderte er und legte seinen Kopf auf die angewinkelten Beine. Der talentierte Johnson-Sohn sah heute unheimlich lässig aus, gekleidet in knielanger weißer Hose und einem schwarzen Muskelshirt verdrehte er den Damen den Kopf. Auch er ließ sich in den Sand sinken, genoss die angenehme, salzige Brise der kühlenden Meeresluft. „Ich bin etwas überrascht dich hier zu finden, Link…“, sprach der Irländer. Ein geheimnisvolles Lächeln ruhte auf seinen perfekten Lippen, sein Blick glitt voller Erwartung über die sanften Wellen, weiter über die schäumende See bis zu einer blaugrünen Inselgruppe, die von riesigen Findlingen beschützt und doch nicht zu weit entfernt schien. Für sowohl Link als auch Sian wäre es ein Kinderspiel dort hinüber zu schwimmen. „Warum so überrascht, Sian?“, murmelte Link, aber wollte sich nicht erklären müssen. „Du hast scheinbar einen guten Zugang zu allem, was deine Seele ausmacht… denn hier, wo das Wasser seicht und nicht zu stürmisch ist, hier, wo es mich oft hinzog, ist der Zugang zu spirituellen Themen erleichtert. Hier scheint der Vorhang zu einer anderen Welt sehr dünn. Ich vermute hier, wo wir uns gerade befinden, ruht ein besonderer Kraftplatz.“ Und der junge Johnson-Sohn erhob sich träge, hüpfte aus seinen weißen Turnschuhen und trat barfuß in das prickelnde, kühle Nass, trat immer weiter in Richtung der einladenden Inselgruppe, die den Eindruck machte, als wartete sie auf einen Gast. „Hier habe ich gelernt mich zu erinnern, Link“, erklärte Sian und lächelte. Ausgelassen hüpfte er durch das erfrischende Nass, genoss die Lebendigkeit seines Körpers auf eine verspielte Weise, genoss alles, was er besaß. „Du hast hier deine Erinnerungen an Hyrule wieder gefunden?“, murmelte Link wiederholend. Und zum ersten Mal konnte der junge Heroe einen Blick in die mysteriöse Seele des vergessenen Shieks erhaschen. Sian, der einst als legendärer Schatten wandelte, war nicht einfach nur ein Produkt des Schutzes Zeldas, er war eine unglaublich breit gefächerte Persönlichkeit und er fand eine Sinnhaftigkeit in allem, was er tat, dass es beneidenswert war. „Es war ein Anfang, ja“, erwiderte Sian. Link lachte. „Wer hätte das gedacht?“ Er wusste nicht, warum es ihn amüsierte. Es war wohl eher eine verlegene Reaktion auf dieses ernste Thema. „Irgendetwas an diesem Platz ließ mich erkennen, dass ich mehr bin als ein Jugendlicher mit einem großen Repertoire an Talenten, ich fand zu meinen nächtlichen Träumen, begann sie zu verstehen, indem ich sie mir hier am Ufer notierte. Ich erinnerte mich an eine Welt mit einer Fülle magischer Wesen, bis ich ein atemberaubendes Licht in meinem Wesen finden konnte, und ich fand dieses Licht in der Gestalt Zeldas…“, sprach Sian ehrfurchtsvoll. „Zelda…“, seufzte der junge Heroe. Er neigte sein Gesicht, spürte seine Gesichtsmuskeln leicht zucken, spürte, wie sich sein überspielendes Lächeln mit Hoffnung füllte. Ob sie wohl tatsächlich, wenn sie völlig gesund war und nicht so gebrochen wie derzeit, auf diese reine Weise strahlen konnte? „Ja, deine Prinzessin rief mich einst ins Leben, schenkte mir auf wundersame Weise die Existenz, die ich jetzt beheimate. Und sie lehrte mich alles zu genießen, was ich habe, alles zu lernen, was es gibt und alles an Herausforderungen anzunehmen, was sich zeigen würde.“ Er trat weiter durch das mittlerweile kniehohe, angenehme Salzwasser, das in der Ebbe untergehen würde. Himmel, Sian spiegelte eine ehrfurchtsvolle Reife, die jeder in seinem Leben erreichen sollte. Er schüttelte Lebenserfahrung und geprüfte Einstellungen seiner mächtigen Seele wie aus dem Ärmel, dachte Link. „Sie konnte selbst einmal den Genuss des Lebens spüren, nicht wahr?“, sprach Link trübsinnig. Er wünschte sich zu hoffen, dass Zelda das erfüllende, gute Gefühl von Hoffnung, das Sian so ehrfürchtig beschrieb, noch einmal erreichen konnte. Es tat ihm einfach so weh sie immer wieder mit diesem furchtbaren Schmerz zu erleben, diesem zerstörerischen Schatten auf dem Blau ihrer Augen, diesem festgebrannten Leid… und zu wissen, dass er ihr diesen nicht nehmen konnte, fraß ihn regelrecht auf. Link biss sich auf seine Lippen, bemühte sich Sian seine Gefühle nicht zu zeigen… „Ja, wenn sie wirklich sie selbst ist, dann ist Zelda ein unglaublich sanftes, wärmendes Licht und sie ist voller Hoffnung. Wenn sie frei ist von den Schatten, die sich ihrer gerade bemächtigen, wirst du sie glücklich erleben, voller Zuversicht und reiner Stärke und so machtvoll wie ein Göttin…“ Link gewann den inneren Kampf mit einem wärmenden Lächeln und erinnerte sich stillschweigend an den Moment, als seine Prinzessin vor über einem halben Jahr in seinem Zimmer das erste Mal voller Verwunderung die Augen öffnete… Er erinnerte sich, dass es sein erster Eindruck war, als er in ihre Seelenspiegel blicken durfte. Sein erster Gedanke war ihre Göttlichkeit. „Und nicht nur Zelda ist von ihrem Lichtweg abgewichen, auch du musst für dich erneut erkennen.“ Sian lachte und winkte dem jungen Helden entgegen. „Folge mir und du wirst Antworten finden.“ „Wenn du es so formulierst, habe ich keine andere Wahl…“, und der Grünbemützte grinste. Er erhob sich, ließ sich von Sians Worten einnehmen und seine Melancholie, geboren aus einem Wunsch sich selbst und seine Erinnerungen zu begreifen, versank symbolisch in der milden, schäumenden See. Auch er trat barfuß durch matschigen Sand, spürte das lebendige Pochen der Erde unter seinen Füßen und genoss die salzige Frische des Meeres um seine Knöchel tanzen. Die Ebbe nahm dem Ozean mehr und mehr das aufbauschende Gesicht wilder Wassergefälle, ließ hier am Ufer noch mehr versunkene Schätze auftauchen, als der Heroe Sian durch kniehohes Salzwasser folgte. Es war beinahe so, als folgten beide Jugendliche einem schicksalhaften Pfad, der sich nur durch reine Gedanken und Wünsche preisgab, ein Weg, der sie in den Schutz jenes Kraftplatzes zog, ohne, dass sie es wahrnehmen konnten. Und als die Sonne am Horizont zu verglühen begann, rief das Schicksal den Helden in eine Heimat, die er selbst kaum als Heimat verstehen konnte… Hier an diesem uralten Kraftplatz erhoben sich Stimmen aus altehrwürdiger Zeit, wo sich erste Menschen ihrer Seelenenergie noch bewusst waren und wo jene ersten atmenden Wesen Grenzen der Zeit ausloteten. Und diese Stimmen sangen ein ewiges Lied der Regentschaft von Tapferkeit, Stolz und Mut, riefen sie doch nach dem einen Helden, der auf ewig sein würde… Und durch von Menschen erdachte Zeiten hinweg wanderte Link hier an diesem Kraftplatz, wurde erfasst von einer schier göttlichen Allmacht, die das Ziel hatte ihm seine Unsterblichkeit bewusst zu machen, ihm zu zeigen, dass all dies, was er tat einem Plan des Guten folgte. Und diese Allmacht führte ihn über Orte der Wärme und Liebe, auch durch Leben der Traurigkeit und einen von dunklen Wesen erschaffenen Wahnsinn. Link wusste nicht mehr, wo sich sein eigenes Ich von dem Geschehen trennte, er wusste nicht mehr, wer er war. Für reinigende Momente sank er in die Tiefsten seiner Seele, wo alles, was er in Hunderten Leben vorher erfahren hatte, noch atmete. Er sah sich selbst, konnte sein jetziges Ich von dem, was er in einer anderen Dimension und Zeit gespürt hatte, kaum mehr trennen, spürte in einen fremden und doch eigenen Körper hinein, war nicht bei Bewusstsein und doch so wach wie noch nie im Leben. Standhaft thronte er in stählerner Rüstung vor den zertrümmerten Ruinen einer riesigen Burg, sah das Ende der Welt als ein letzter Mensch auf Erden und richtete seinen Blick in die Höhe, wo im schwindenden Licht einer beschützenden Gottheit das verbliebene Leben in den Himmel geführt wurde. Er spürte seine Wunden, seinen zerklüfteten Körper und sein heißes Blut in den Erdboden sickern. Er schwand dahin, reiste durch die Leben in einem Wimpernschlag, sah sich als ein herzloses Monster in einer blutenden Welt zahllose Köpfe abschlagen und einen silberhaarigen Prinzen mit Zeldas Gesichtszügen auf einem erkauften Thron hocken. In einem anderen Moment kauerte er in einer Zelle als alter, gebrochener Mann, rieb sich faltige Hände und erschrak an der tiefen blauen Farbe seiner eigenen Augen, die auf ewig durch Mut leben würden. In einer neuen Welt war er ein Held, der die Meere erkundete und mit einem vielleicht dämlichen Grinsen eine blonde, wunderschöne Piratin ärgerte. Je mehr Link sein Bewusstsein spürte, das Leben in seinem Körper pulsieren spürte, umso deutlicher und schauriger wühlten gefräßige Bilder in seinem Kopf, die ihn daran zweifeln ließen, ob er träumte, lebte oder keines von beiden tat. Da waren zerstückelte Bilder aus allen Epochen der Welt in seinem hämmernden Schädel, erzählten von Hunderten Aufgaben, von Sinnhaftigkeit, jedoch nicht immer von Schönheit… Und je mehr Geschehnisse vor seinen inneren Augen blitzten, umso mehr tat es weh. Es begann innerlich zu brennen, so schmerzhaft, als arbeitete Gift in dem tiefsten Kern seines Seins und wurde immer qualvoller. Er begann zu schreien, wenngleich er seine Stimme nicht hörte. Er begann sich zu schütteln, bewegte sich, wenngleich er keine Muskeln in Bewegung setzen konnte. Das Blitzen in seinem Inneren wurde so zermürbend und fordernd, bis Link es nicht mehr aushielt. Er kämpfte gegen sich selbst, ahnte einen rauchigen Schatten einer feurigen Droge in seinem Körper und stemmte alle Energie, die er besaß, gegen sich, zwang sich in die Realität, zwang sich zu erwachen. Und in einer Sekunde, die sich anfühlte wie eine grausame Ewigkeit, riss er seine von brennendem Schlafsand verklebten Augen auf, hockte krampfhaft auf steinernem, mausgrauem Boden und drückte seine Finger wie Raubtierklauen in den Untergrund. Er atmete keuchend, nahm ein Schlitzen in seinem Magen war, das ihm sagte, er wolle sich übergeben und sein Herz schickte Stromstöße in seinen zitternden Körper, als hatte es vergessen zu schlagen. Erst Minuten später wurde sein Blickfeld klarer und sein Körper gewann die Stärke zurück, die er beheimatete. Und erst dann schaltete sich die Logik in Links Verstand wieder ein und seine Erinnerungen an sein jetziges Ich wurden präsent. Er war Link Bravery, er war Oberstufenschüler, hatte durch eine schicksalhafte Fügung die Prinzessin Hyrules erreicht und erfahren, dass er auserwählt wurde das Böse eines modernen Erdzeitalters aufzuhalten. Er war nach Irland gereist um sich selbst zu finden und Zweifel über seine Bestimmung zu zerschlagen und vielleicht auch um herauszufinden, was einst in Hyrule geschehen war, was zu dessen Untergang führte. Er zwinkerte mehrfach, als er realisierte, dass er vorhin mit dem wiedergeborenen Shiek am Strand saß, nicht weit entfernt von einer Landschaft mit sonnigen grünen Hügeln und der Untergrund, auf dem er gerade jetzt hockte, sich nicht wie Sand und auch nicht wie salziger Meerschaum anfühlte. Sein Blick wanderte verwundert von hartem mit bunten Steinen angereichertem Boden nach vorn, wo eine breite gepflasterte Straße an einem beinahe gigantischen Abgrund über das Land führte. Vor seinen beeindruckten Augen lag eine ihm völlig fremde Welt, die mit atemberaubenden Landschaftsformationen seine Vorstellungskraft sprengte und die er kaum beschreiben konnte. Ein goldener Himmel mit Dutzenden Erdinseln und Wolkenformationen, die die Geschichte der Welt mit Symbolen, die in jene eingebrannt waren, abbildeten, hing über hohen, spitzzulaufenden Bergen, tiefen Schluchten mit in das bunte Mauerwerk gehauenen grotesken Köpfen, Unterkünften, Treppen und Säulen. Der beinahe kupferfarbene Schein eines glühenden Himmels, der mit pastellfarbenen Tönen wie gemalt aussah, verlor sich erweckend mildtätig auf den dunklen, und schillernden Ufern, wo Link von Weitem Dörfer und Städte erblicken konnte, jedoch gleichzeitig überwältigt war von einer ausgefeilten architektonischen Kunst. Die Bauingenieure dieser Welt hatten Hallen aus edlen Metallen mit Magie erschaffen, gestalteten eine uralte Welt mit allen Energien, die im Universum existierten. Und die Straße, auf der er mit seiner modernen Alltagskleidung saß, war bewacht von Straßenlaternen aus Kupfer, graviert mit fremdländischen Symbolen. Link erhob sich auf zitternden Beinen, bestaunte riesige Vögel, die in dem goldenen Himmel in schwindelerregenden Höhen tanzten, bestaunte in Richtung Westen einen riesigen Strom aus silberblauem Wasser solcher Reinheit, der mit gewaltvoller Stärke Gestein und Getier mit sich riss. Und die Straße, auf der er stand, führte viele Meilen weiter über eine silberne, im sternenreichen Nirgendwo errichtete Brücke, zu einer riesigen goldenen Stadt. Und diese Welt, die er vielleicht einst in Träumen erblickt hatte, lag fühlbar und echt vor ihm, war reich an Kristallen, Tieren und Pflanzen. Gewächse mit Blüten aller Farben, riesig und duftend nach allem, was er in seinem Leben je an Düften gerochen hatte, ragten neben der Straße auf. Bäume mit silbernen Blättern und schwarzer Rinde ebneten den Weg. Link führte seine schwitzenden Hände vor Entsetzen zu seinem Gesicht, überprüfte die Lebendigkeit seines Körpers und kam aus dem Erstaunen nicht mehr heraus. Er setzte einen zögerlichen Fuß vor den anderen, nahm einen tiefen Atemzug an einer Luft, die sich anfühlte wie Knisterbrause in seinen Lungen. Wo nur, bei allen guten Geistern, war er und wie war er hierher gelangt? Sein Blick verlor sich in der faszinierenden Ferne, den riesigen Ufern und eigenwilligen, grotesken Formationen der Welt, wie Titanen erhoben sich gigantische Felsen und Inselgruppen, und beinahe hypnotisiert von dem Anblick nahm er nur undeutlich leise Holpergeräusche hinter sich wahr. Und als er sich umblickte, näherte sich in gemütlicher Geschwindigkeit eine mit Masken ausstaffierte Kutsche auf goldenen Rädern, wo selbst die beiden vorangespannten muskulösen Pferde Masken trugen. Ein verhutzeltes Männchen saß auf und hatte die Zügel in der Hand. Ein Mann mittleren Alters mit buntem Mantel aller Farben und einem aalglatten Grinsen, das seine schmierige Frisur noch verstärkte, grinste ihm spöttisch entgegen und trabte gemächlich an ihm vorbei. Er lachte und unter seinem faltenreichen Lachen war ein eigenwilliger Gesang hörbar, den Link von seiner Jugendzeit her kannte. Eine Melodie, die sich in Seelen bohrte, summend schmerzhaft und doch unschuldig melancholisch. Innerhalb Sekunden war der eigenwillige Kutscher wieder verschwunden, verblasste in der ewigscheinenden Ferne. Link stutzte und versuchte die Verwirrung über sein Erscheinen an diesem Ort beiseite zu schieben und stattdessen eine Möglichkeit zu finden sich irgendwie Hilfe zu holen. Er dachte an den seltsamen Kutscher und schlug sich die Idee diesem hinterher zu eilen gleich wieder aus dem Kopf. Er brauchte einen seriösen Menschen in dieser Notlage und war beinahe dankbar, dass der scheinbare Maskenliebhaber von dannen gezogen war. Allerdings zweifelte er immer mehr, dass er in dieser märchenhaften Welt eine seriöse Person finden würde… Der junge Heroe rieb sich das Kinn und trat gemächlich die Straße entlang, spürte eine erweckende Aufregung, aber auch marternde Ungeduld zunehmen. Er setzte einen Fuß vor den anderen, nicht sicher, ob der erwählte Weg ein sicherer war, nicht sicher, ob es ratsam war sich auf dieser Straße zu halten. ,Es musste eine logische Erklärung geben für sein Erscheinen an diesem Ort‘, dachte der Held. ,Oder bildete er sich diese Welt nur ein? War dies hier ein Traum?‘ Mit dem Gedanken, dass er kaum ewiglich hier voran marschieren konnte, zwangen ihn immer mehr Zweifel in die Knie. Irgendwann würde er es vor Durst kaum mehr aushalten. Irgendwann würde er vor Müdigkeit zusammenbrechen. Und mit seinen furchtvollen Gedanken wurden seine Schritte schneller, während seine tiefblauen Augen stumm den gemalten Horizont verfolgten… Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte der junge Held eine Kreuzung der gepflasterten Straße, und hier an dieser Kreuzung, wo riesige Straßenlaternen mit buntem Licht den Weg erhellten, pfiff ein unruhiger Wind, ließ den Oberstufenschüler mit seiner knielangen Hose und dem luftigen T-Shirt ein Frösteln wahrnehmen. Und mit der zunehmenden Frische, die durch seinen Körper jagte, gierte in ihm ein weiterer Verzweiflungsschub. Er ließ sich am Straßenrand auf die Knie sinken, biss sich auf die Lippen und dachte mit aller Gewalt an seine Seelenverwandte, hoffte auf eine widersinnige Weise, die Verbindung zu ihr könnte ausreichen, dass sie ihn hörte… Er durchwühlte seine Taschen, erst jetzt kam er auf die Idee, sein Smartphone heraus zu kramen, aber in seinen Hosentaschen war es nicht und die Erinnerung, dass er jenes irgendwo verlegt haben könnte, verblasste genauso intensiv wie das Gefühl die Zeit, die hier anders tickte, kaum mehr spüren zu können. Link wühlte ein weiteres Mal durch seine Hosentaschen, als ihm auffiel, dass er dennoch einen Gegenstand mit sich trug, einen Gegenstand, von dem er nicht wusste, wie dieser in seine Hände gelangt war. Und in seiner Handinnenfläche fand sich ein kleines Glasfläschchen, das mit einem Korken verstopft war und darin wiederum glühte ein bestialischer Splitter, geschmiedet aus der Teufelswerkstatt Ganondorfs, und sendete eine unheimliche Botschaft in diese fernen Welten. Irritiert betrachtete sich der heldenhafte Bursche das Artefakt, aber verstaute es zunächst wieder in seiner Hosentasche. Vielleicht handelte es sich nur um einen Zufall, dass jener Splitter in seiner Obhut verweilte. Der Name seiner Prinzessin verließ schließlich seine Lippen, erst säuselnd leise, dann beinahe rufend. Er hoffte mit einem verrückten Gedanken, dass in dieser seltsamen Welt ihr Name etwas bewirkte, das ihm vielleicht helfen würde… so wie er sie einst in seinen Träumen rief. „Zelda…“, sprach er und reckte sein Haupt erneut in die Höhe, ging mit seinen tiefblauen Augen auf Wanderschaft und beobachtete den gemalten Himmel sich stetig verändern, als rührte jemand in einer Farbpalette alle möglichen Farben zusammen. „Zelda“, rief er nun kräftiger und fordernder und beobachtete die galanten Greifvögel in der atmosphärischen Höhe einmal mehr, blickte soweit hinauf wie seine Sehkraft es erlaubte und erschrak im selben Augenblick an einem gespenstischen Gedanken. Die riesigen Vögel in der Höhe, die in kräftigen Farben leuchteten und wie riesige Wachen den Himmel beschützten erinnerten ihn an eine Gegebenheit, die er aus einem der Zeldaspiele kannte. Sein Puls verdoppelte sich erneut, als es ihm wie Schuppen von den Augen fiel. Befand er sich in einem Zeldaspiel? Ein weiteres Mal brüllte er den Namen seiner Seelenverwandten in die Welt hinaus, diesmal so laut, dass jener in den tiefsten Schluchten weiterhallte und vielleicht Vergessenes aus den Tiefen jener Dimension erweckte… Mit einem Gefühl des Aufgebens schluckte Link den Knoten in seinem Hals herunter, ballte die Fäuste und schluchzte, als eine unmelodische, leicht piepsige Stimme hinter ihm erklang und mit solcher Wucht ertönte, dass er kurz zusammenzuckte. „Du musst nicht so laut schreien, ich bin mir sicher, es gibt irgendjemanden in dieser Welt, der nicht halb taub ist.“ Link wand sich so schnell um seine Achse, dass ihm beinahe schwindlig wurde und erstaunte angesichts der seltsamen Kreatur, die er vor sich sah. Und erst da wurde ihm bewusst, dass diese Realität, die er durchlebte, vielleicht tatsächlich nur eine Vorstellung von ihm war. Ihm wurde bewusst, dass hier an diesem Ort Magie atmen musste. Denn vor seinen Augen flatterten getragen von Geisterhand Hunderte schwarze Schleier, die sich wie ein Papierfalter zu einem flügelbestückten Wesen ergänzten. Und in diesem schwarzen Flechtwerk glühte ein Augenpaar abwechselnd in grün, rot und blau… Einmal mehr sank Link zu Boden, spürte seine Knie zittern. Er hatte bereits einige Alptraumkreaturen erblickt, diese sogar bezwungen, aber er spürte ehrfurchtsvoll, dass dieses Wesen aus einem ganz anderen Kaliber gemacht wurde. „Wer bist du oder sollte ich fragen, was du bist?“, meinte er zögerlich und konzentrierte sich durch die schwebenden Schleier hindurchzusehen. „Und ich dachte schon, du wolltest mir sagen, dass meine schwarzen Gewänder absolut wunderschön sind“, sprach es kratzig aus der von glänzender Seide umhüllten Kreatur. Etwas nervös wischte sich der Heroe über seine trockenen Lippen. „Wo bin ich hier?“, fragte der Held hartnäckig und ahnte, dass er auch darauf keine sinnvolle Antwort erhalten würde. Denn das Wesen vor ihm, voller Geheimnisse, ließ sich von einem Menschen nicht entdecken. Sie, die ihre eigenen Vorteile in nahezu jedem Missgeschick und Krieg erkannte, gab sich unter keinen Umständen preis. Denn sie war ein Geschöpf, das niemandem Zeugnis ablegte, ein Geschöpf, das nur sich selbst am nächsten stand und sich nur allzu gern in die Geschäfte anderer einmischte. Sie war eine widerspenstige Wesenheit, und auch das sollte Link in einer seiner vielen Zukünfte erfahren, die gerne spielte, ob mit dem eigenen Verstand oder dem anderer war eine viel zu komplizierte Geschichte. Sie spielte gern und schloss im Sinne eines Spiels beinahe süchtig Wetten ab… „Du kannst fragen wo du bist, kannst fragen wann du bist oder wer du bist, auf keine dieser Fragen weiß ich die Antwort und auch sonst niemand weiß eine“, lachte sie und im Zuge jener verwirrenden Worte, schwoll ihre bohrende Stimme zu noch mehr Ironie an. Und weil Link sich gerade nicht anders zu helfen wusste, vielleicht weil er sich nicht sicher war, ob er sich wütend oder verzweifelt fühlen sollte, stellte er eine weitere Frage: „Ist das hier real?“ „Mmh, wer weiß“, entgegnete sie genauso geheimnistuerisch wie vorher. Link verstummte, lenkte sein Blickfeld erneut in den märchenhaften Horizont, dessen goldene Farben beinahe mitfühlend auf ihn herab schienen. Er wusste, dass er auch dieser Kreatur nicht trauen konnte, und hoffte noch immer, dass er in einem Wimpernschlag aus diesem Alptraum erwachte. „Vielleicht gibt es auf fast alle Fragen des Weltenstrudels keine Antwort für dich“, sprach jene Gestalt schließlich, „aber… eine Antwort auf das Warum kann ich wohl geben.“ Und sie flatterte näher, schien in Links Nähe etwas einzusaugen, das er kaum verstand. Es war beinahe so, als wollten ihre pechschwarzen Schleier an ihm schnuppern. „Oh…“, sprach sie einmal mehr. „Da ist der Geruch eines würzigen Krautes… beheimatet auf der Erde, das durch deine Venen strömt.“ Und schließlich kicherte sie. „Du hast eine vorzügliche Droge in deinem Körper, vielleicht bist du deshalb hier.“ Link zuckte verwundert zurück, ein schattenhafter Ausdruck des Erstaunens donnerte in sein Gesicht. „Du veralberst mich!“, raunte er. Nie und nimmer würde er sich und seinem Geist etwas dergleichen zumuten und sich irgendeine Droge rein pfeifen. „Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, kleiner Held. Aber dein Körper ist benebelt von einem Gewächs stammend von der Erde, ein Kraut, dass es dir erlaubt dich zu transformieren, und dir erlaubt deine eigenen Grenzen zu überwinden.“ „Aber ich kann mich nicht mehr erinnern…“, rechtfertigte sich der Oberstufenschüler. „Das brauchst du jawohl auch nicht.“ „Oh doch“, argumentierte Link lauter. „Ich weiß nämlich nicht, wo ich hier bin, und ich weiß nicht, was ich tun kann, um hier wieder zu verschwinden!“ Erneut überkam ihn Wut und Verzweiflung. Hatte vielleicht das Böse seine Hände im Spiel, schickte ihn hierher, damit er sich verlief, damit er wahnsinnig wurde und seine Pflicht als ,Held der Erde‘ kaum mehr erfüllen konnte? Und plötzlich standen die flatternden seidigen Gewänder still und die Augen, die sich vom Inneren des merkwürdigen Gewächses zeigten, nahmen eine milde blaue Farbe an wie das türkisfarbene Wasser flachen Meeres an einem sonnigen Tag. „Du willst so schnell wie möglich hier wieder weg?“, schallte es kratzend. Link nickte und spürte seinen Hals immer mehr austrocknen. Er spürte wie ihm der letzte Rest Geduld entwich… „Dabei kann ich vielleicht behilflich sein“, meinte das Wesen. „Auch wenn es hier doch wunderschön ist und keiner versteht, warum du wieder weg willst.“ Link trat mit fordernden Schritten näher, ließ sich von der Kreatur nicht beeindrucken und starrte in jene verwunschenen Augen mit solcher Intensität, dass sich diese schlossen. „Sag‘ mir, wie ich hier entkommen kann!“ „Nun ja… Es kommt nicht oft vor, dass Menschen hier stranden und die meisten können nicht überleben in diesen Gefilden… weil es einen göttlichen Fluch für Eindringlinge gibt, du musst etwas Besonderes sein und die Gnade eines Gottes besitzen. Du wurdest hergeführt, weil Fragen in deinem Herzen beantwortet werden müssen.“ Sie lachte. „Wie wäre es mit einem Deal?“ Schweißperlen standen auf Links Stirn, der nach Alternativen suchte, konnte er diesem Wesen wohl kaum ein Geschäft anbieten und was auch immer ein möglicher Deal verlangte, er würde eine schier göttliche Kreatur wie jener kaum glauben, dass ein solcher nicht mit Fallen gespickt war. Ein Pakt mit einer dämonischen Gestalt wie jener konnte nicht gut ausgehen… „Ich habe wohl keine Wahl, schätze ich“, sprach der junge Held zynisch. „Das hast du richtig erkannt“, erwiderte sie höhnend. „Was ist das für ein Deal?“ Und Link ballte die Hände zu Fäusten, nahm einen nährenden Atemzug und senkte den Blick mit Bestimmtheit in Richtung der merkwürdigen Kreatur. Einmal mehr schnitt der Mut in seinen tiefblauen Augen wie leuchtender Stahl nieder und versetzte den geheimnisverbergenden Gesprächspartner in Schwingungen. „Ich sehe und spüre, du bist bereit, so höre denn meine Worte“, rief sie und während ihre kraklige Stimme über die Ebenen der majestätischen Welt bis hinab in tiefste Gefilde schallte, erschuf sich aus der feinen schwarzen Seide ein langer, dürrer Arm mit einer Hand, die sich in Links Richtung streckte. „Es war, dass der Gott des Krieges mit mir wetteiferte. Er sprach in seinem Hohn, dass ich keine sterbliche Gestalt in dieser Welt finden möge, die in der Lage sei gegen ihn zu bestehen. Wenn du für mich kämpfst, mit Ehre und Leidenschaft, so wie es das Schicksal eines Helden sein soll, dann werde ich dich dorthin schicken, wo dein Schicksal wartet.“ „Nochmal zum Mitschreiben, du würdest mich nach Hause bringen, wenn ich für dich kämpfe?“ „Wenn du es so formulieren willst, aber ja, das könnte ich durchaus. Und das muss man mich nicht fragen, ich bin schlichtweg sehr machtvoll, wenn es um die zahllosen Welten geht.“ „Zahllose Welten?“ Sie lachte markerschütternd. „Du lebst ja wahrlich in einer kleinen Scheinwelt.“ Link senkte den Blick zu Boden, biss sich auf die Unterlippe und grübelte. Er hatte womöglich keine Alternative als sich auf ihren Handel einzulassen, und egal, wie seltsam diese Kreatur war, wie jene von ihr geforderten Kämpfe auch aussehen mochten, niemand sonst würde sich ihm in dieser seltsamen Welt zeigen und vielleicht besaß niemand sonst die Möglichkeit ihn von hier wegzubringen, geschweige denn den Willen ihm zu helfen… „In Ordnung, ich tu’s.“ Seine Stimme schallte zielsicher über die strahlenden Hügel. Sie kicherte mit unterlegter Zufriedenheit und Würze. „Oh, und ehe ich es vergesse, für einen solchen Deal benötige ich etwas von dir.“ Der Held seufzte misstrauisch. Er hatte erwartet, dass dieser Deal Fallen besaß. „Keine Sorge, es ist nicht weiter schlimm“, entgegnete das mysteriöse Gewächs aus Schleiern. „Aber wir wollen ja nicht, dass dein Leben wegen einem kleinen falschen Tritt oder Hieb vergeudet wird, oder dass dein Körper Schaden nimmt, nicht wahr?“ Link schwieg, aber sendete Blicke des Widerwillens. „Ich brauche nur dein Herz“, sprach sie. Der blonde, junge Mann konnte ihre Aufwartung kaum ernst nehmen und zögerte deswegen auch nicht. Verwundert beobachtete er die wohl seelenlose Erscheinung, sah sie mit ihren Schleiern, die just wie Quecksilber verpufften, sich näher winden und noch ehe er es völlig verstehen konnte, legte sie jene Schleier auf seine gesunde Brust, saugte an dem Bereich der Haut, wo sein Herz in gesundem Takt pochte und kicherte erneut. Link spürte einen winzigen Stich, das Gefühl, als hatte er zu lange gejoggt, ein Gefühl, als pumpte das Adrenalin in seinem Körper heftiger und plötzlich, so eigenartig und unmöglich es auch sein konnte, lauschte er dem Schlagen seines Herzens nicht mehr, obwohl er noch immer lebte. Er konnte in dem Geflecht aus Schleiern nichts erkennen, wusste, auf seiner Haut war keine Wunde. Sie hatte ihm sein Herz nicht auf natürlichem Wege entrissen, aber irgendetwas hatte sie ihm entrissen. „Und so nebenbei… wenn du meinen Handel brichst, erhältst du dein Herz nicht wieder… und glaube mir, du wirst schon noch merken, dass du es brauchst.“ Link schluckte und spürte trotz der Unruhe und Sorge in sich kaum eine Reaktion in seinem Körper. Da war kein Schweißtropfen, der die Stirn hinab rieselte. Da war auch kein Hämmern in seiner Brust… und da war keine Wärme, wie er sie sonst in sich spürte. Er ballte die Fäuste. „Also gut… dann lass‘ uns beginnen“, sprach er und ließ sich von dem seltsamen Geflecht hinfort tragen… Und vielleicht nicht allzu fern von Link thronte auf einer Terrasse eine, die sehen würde, erhob sich in einem strahlenden, umspielenden Kleid aus elfenbeinweißer Seide. Eine, die alte Gesetze herausgefordert hatte und eine, die einschreiten musste. Erhaben blickte sie über das Land der ältesten Wesen hylianischer Geschichte und ihre wissenden Augen, stechend und voller Silber, sahen durch Dimensionen. „Er wird hierher finden, um sich zu finden… es soll nur einer sein, auf den das Schicksal wartet und doch wird er verfolgt von einem neuen Helden…“ Und in einer bittersüßen Anmut summte jene Gestalt eine Melodie aus alter Zeit und tanzte, als sie ihre Augen schloss auf ihrer gläsernen Terrasse. Nach vielen Minuten, die kaum tickten, war Link nach wie vor in Gesellschaft mit dem Geflecht aus schwarzglänzender Seide und blickte sich mit noch mehr Neugier um, als ihm selbst bewusst war. Die Unruhe und Sorge hier in einer völlig fremden Welt zu sein schien wie weggeblasen, alles, was er noch wahrnahm war eine grandiose Aufregung, die er jedoch körperlich kaum spüren konnte. Gemeinsam mit der seltsamen Kreatur befand er sich in einer riesigen altertümlichen Stadt, die ihn an die aufblühende Gesellschaft vergangener Epochen erinnerte. Da waren winzige Gassen und verzweigte Straßen, die in das Zentrum führten, Fortifikationsbauten, Stoen, Torbauten, riesige Villen mit stützenden und verzierten Säulen, gläserne Tempel und sehr viel Grün, das jene Stadt als ein Kunstwerk der Natur beließ. Und überall waren Gestalten in seidenen Gewändern, erwachsene Personen und Kinder. In seinen tiefblauen Augen glomm ein neuer Zauber der Begeisterung für das rege Treiben einer anderen Welt, für ein faszinierendes System eines wohl zufriedenen Volkes, angeführt von magischen und göttlichen Wesenheiten. Und wo die riesigen majestätischen Hallen seine Blicke eingefangen hatten, so sah er mit weiterem Erstaunen Geschöpfe, die er in keiner Welt erwartet hatte. Aus den Gebäuden, die Straßen hinab wandern, sich an Ständen des Markplatzes bedienend, kamen Wesen mit spitzen Ohren, Gestalten, die er in dieser Form nur von einer Spielwelt kannte. Eine blaugeschuppte Frau, rundlich, kreuzte seinen Weg, besaß sie an den Unterarmen Flossen und trug einen Korb mit rosenkohlartigem Gemüse auf ihrer breiten Schädeldecke. Schwarze, schillernde Augen blickten ihn desinteressiert an. Ein langgewachsener Mann mit spitzen Ohren und kahler Schädeldecke führte ein Einhorn an einer Leine, wirkte etwas gehetzt und grummelte, als er vorüber ging. Drei Kinder, die aussahen wie pelzige Steine, donnerten mit ihrem schweren Gewicht an ihm vorbei, rempelten ihn an und blickten mit breitem Grinsen in seine verwunderten Gesichtszüge. „Ich bin in einer Welt der unsterblichen Geschöpfe gelandet, habe ich Recht?“, murmelte er benommen, richtete seinen Blick an die strahlenden Bauten, wo riesige Efeuranken wuchsen und Knospen in allen Farben leuchteten und beobachtete die Wesen, die sich komplett von Menschen unterschieden. Er grinste mit überwältigender Begeisterung, als er verstand, dass er gerade Zoras und Goronen begegnet war… echten Zoras und echten Goronen. „Du hast sehr wohl erfasst, dass du nicht auf der Erde bist und jetzt quatsche nicht zu viel, folge mir!“, sprach das Wesen, das ihm nicht seine wahre Gestalt verraten wollte. Fassungslos folgte der junge Heroe dem Weg durch die schmalen Gassen und Gärten, ließ seine Augen von dem Wunderwerk dieser alten Welt gefangen nehmen und wusste doch nicht, wie ihm geschah… Es dauerte nicht lange und sie erreichten am Rande der riesigen Stadt eine goldene Halle, welche geschmückt wurde von Bannern aus allen Farben der Welt. Wappen von scheinbaren Adelshäusern waren auf Flacken aufgestickt und im Hintergrund summte der Klang von zerberstendem Metall im Rhythmus von Schlachtrufen und Kämpferehre. „Wir sind nun in der Trainingshalle angelangt. Du wirst dich von Meister Demion einweisen und ausrüsten lassen. Ich weiß, du hast Erfahrung im Schwertkampf“, sprach die Gestalt im schwarzen Schleier unbeeindruckt. Link nickte fahl, war zu berauscht von der Umgebung als zu verstehen, dass er sich in einer mehr als gefährlichen Situation befand. Es war nicht nur, dass er einen waghalsigen Deal geschlossen, seine Verletzlichkeit verloren und in einer fremden Wirklichkeit gefangen war, vielmehr musste er realisieren, dass er gegen Schwertfechter antreten würde, die ihm wohl kaum unterlegen waren. Er trat mit schwindelerregender Aufregung in das ehrenvolle Gebäude ein, hörte ein lautes Dröhnen des Tores hinter sich, das sich unvermittelt schloss und die Gestalt mit ihren schwarzen Schleiern schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Der junge Held zuckte zusammen, erblickte vor sich einen finsteren Gang, in welchem Holschnitzereien und Jagdtrophäen an den Wänden angebracht waren. Ausdrucklose Hirschköpfe mit riesigem Geweih starrten ihn nieder, als wollten sie ihm die Lebensenergie entziehen. Mit hungrigem Magen stolperte Link vorwärts, ging dem Klang von zerberstendem Metall nach und erreichte am Ende des Ganges eine große Halle mit Holzauskleidung, wobei jenes beinahe überall im Raum abgewetzt war. Ein kahlköpfiger Hüne von einem Mann mit Hörnern und nur schwach bekleidet mit lederner Hose lehrte Krieger in den unterschiedlichsten Rüstungen. Er schwang eine rotglühende Axt, als hielt er sie alle paar Minuten in versenkendes Feuer. Er schnippte mit den Fingern, worauf die Krieger in den unterschiedlichsten Rüstungen in Rauch verpufften und nur noch Link und jener Meister des Kampfes von einer unangenehmen Stille eingenommen wurden. Der junge Held traute sich kaum vorwärts, fühlte seine Füße mit dem Boden verschmelzen und fragte sich noch mehr, wie er diesen Horror überleben sollte. Seine Seele schrie innerlich und doch steuerte ihn eine geheime Marionette, die seiner Seele das Herz entrissen hatte. „Krieger der Göttinnentochter“, raunte es. „Was ist dein Begehr?“ „Ich soll mich einweisen und ausrüsten lassen“, erwiderte Link wie unter fremder Steuerung. Irgendwo ahnte er, dass dieser Lehrmeister kaum an einer Interaktion mit ihm interessiert war. „Du hast keinen Wunsch an einen Meister des Kampfes?“ Und erst da erkannte er eine versteckte Menschlichkeit in der grollenden Stimme des Hünen. Verwundert hob Link den Kopf, als sich der Krieger noch mehr brüstete und wie ein riesiger Schatten vor ihm thronte. Und da konnte der Erdenbewohner dem Krieger in die Augen blicken. Augen, die ihm sonderbar vertraut erschienen. Augen mit rotglühendem Feuer und einem gelben, wahnsinnigen Stich dämonischer Ursprünge. Irritiert wich Link zurück und erkannte in den Gesichtszügen des Mannes eine Ähnlichkeit mit Ganondorf, die ihm eine neue Form von Furcht lehren sollte. „Du bist…“, stammelte er und hatte das Gefühl den letzten Boden unter den Füßen zu verlieren. „Du glaubst etwas über meinen Stamm zu wissen aus deinem kleinen Niemandsland!“, sprach er ruhig und doch unterlegt mit einem gefährlichen Nachhall. „Was du zu wissen glaubst, lass‘ es ruhen. Dein Feind, der sich einer seelenfressenden Macht bediente, war einst vor Ewigkeiten eine sich selbst erhebende Geißel meines Volkes. Aber dies ist nicht das Wissen, das du hier erlangen solltest. Sag‘ erneut, welchen Begehr du hast.“ „Ein Wesen aus schwarzen Gewändern führte mich hierher… ich suche nach einem Weg zurück in meine Welt und habe mich entschlossen für sie zu kämpfen.“ Die Worte sprudelten aus seinem Mund, als habe er sie auswendig gelernt. „Das ist noch törichter als dein Glaube, dein Feind sei nur ein Dämon ohne Geschichte.“ Link verstummte und blickte zu Boden. „Was ist dein Wunsch?“ „Ich will zurück in meine Welt!“, sagte Link fordernder. „Sag‘ erneut, was ist dein Wunsch!“ Die dröhnende Stimme des Kriegers wurde noch ungeduldiger. „Ich verstehe nicht, was du meinst!“ „Ich glaube aber, dass du mich verstehst“, sprach der scheinbare Dämon verbittert. „Du hast unzählige Wünsche, und es gibt einen, der für einen Krieger heraussticht. Ich sehe keine Angst, denn du beschäftigst dich mit dieser. Ich sehe keine unausgesprochene Sehnsucht nach Liebe, denn du liebst jemanden mit dem Herzen, das von der Göttinnentochter gehütet wird. Aber ich sehe eine Begierde, die du streng gehütet hast… einen vergifteten Kern, der meinem Kriegervolk wohl gefällt. Eine starke, uralte Sehnsucht nach blutendem Stahl.“ Er stützte sich auf seine rotglühende Axt, die just in dem Augenblick verglühte und lächelte auf eine soziopathische, vergiftete Weise. Erst jetzt bemerkte Link die riesigen Narben auf der breiten, nackten Brust, auf den Armen und dem nackten Rücken des Mannes. „Dein Wunsch und deine Hemmung gleichzeitig ist der Trieb zu töten.“ Link schluckte und wusste nicht, ob das leichtfertige Aussprechen von so viel Widerwertigkeit oder sein tatsächliches Gefühl von verlierender Aufrichtigkeit sich selbst gegenüber ihm mehr zusetzte. Der Wunsch seine Klinge tanzen zu lassen, das Schwert versenken zu sehen, erfüllte ihn tatsächlich… und doch spürte er die bitteren, moralischen Gefühle in sich brodeln, das Blut an seinen Händen klebte. „Du solltest erkennen, das auch in dem Erbe deiner Seele und früherer Generationen unaufrichtige Wünsch stecken, Bedürfnisse eines Helden, Blut, das nicht immer nur edel sein kann. So wie in meinem Volk… das einen Mann hervorbrachte, der es würdig zu sein scheint dich als Gegner zu spüren. Dich und Ganondorf verbindet mehr als du denkst.“ Und es war dann, dass dem oftmals so unschuldig wirkenden Jugendlichen diese Reise und die Dinge, die er hier erfahren würde, so bewusst wurden wie kein Wissen vorher. Es gab tiefe Gründe für seine Rolle in den Kämpfen um Macht und Rettung. Ein dünner Faden des Schicksals verband ihn nicht nur mit Zelda, sondern auch mit Ganondorf. Und vor dieser Erkenntnis würde er gerne flüchten… Erneut schnippte der Meister mit den kräftigen Fingern und noch ehe Link wusste, wie ihm geschah, umhüllte ihn eine smaragdgrüne, eher leichte Rüstung mit dunkelgrauen Bein- und Armschonern. „Du bist bereit Schmerz zu erfahren, wärst auch bereit zu sterben. Zu mehr kann ein Mann nicht bereit sein und wenn dem so ist, kann ich dich nichts lehren. Gehe, Kämpfer. Ich wünsche dir einen herausragenden Tod.“ Und dort auf seinem Rücken trug er ein silbernes Schwert mit schlichtem Griff, das im Licht dieser heiligen, alten Welt im tiefen Grün der Wälder und der Hoffnung strahlen konnte. Eine Waffe, so unwirklich wie Link sich gerade fühlte, so tödlich wie auch magisch und dem Masterschwert beinahe ebenwürdig. Dann wurde es vor Links Gesichtsfeld dunkel, als sich ein Helm mit Wolfsmaske auf seinen Kopf senkte und das Bild eines von scharfkantiger Rüstung geschützten, erbarmungslosen Kriegers erstarkte. Es war beinahe so, als konnte Link schweben. Die nächste Stunde fühlte sich für den jungen Kämpfer an, als würde die Zeit hier in dieser Dimension in einem Wimpernschlag vorbeiziehen, flüchten und doch kaum Gehör finden. Zeit, die einzige Macht über welche Link in seiner Vergangenheit verfügen konnte, besaß hier keine Berechtigung und keine Realität. Und als er seine Augen erneut öffnete, trat er unbeeindruckt, so, als handelte sein Körper nur noch instinktiv, vorwärts, lauschte einem stapfenden Knacken von Hundert Füßen, spürte sein Blut vibrieren angesichts flüsterndem Stahl und klappernder Rüstungen. Ein Geruch nach Verwesung und Schlachtfeld, Rauch und Säure, hing in der Luft, in Katakomben mit Dutzenden Zellen. Und doch spürte der junge Krieger kaum die Angst, die er sich so geschickt zu Nutze gemacht hatte. Er spürte nicht den unentrinnbaren Ehrgeiz und die Düsternis, die Gefahr mit sich bringen konnte. Hier in jenen Katakomben hausten sie, versklavte Krieger jeder Herkunft, jeder Statur, einer mit Muskeln so hart wie Stahl, einer mit Magie im Blut, selbst Wesen, die Link nicht mehr menschlich nennen konnte oder lebendig. Ein Wesen trug Bandagen um den Körper gewickelt, die teilweise glühten, vielleicht ein Flammengibdo aus alter Zeit. Ein weiteres knöchernes Wesen lebte mit seinem tödlichen Willen ohne Fleisch, klapperte, raschelte und erinnerte Link an seinen Kampf gegen die Skelettritter in den Wäldern seines Heimatortes. Wenn sein Gegner ein Skelettritter wäre, dann würde er diesen Kampf sicherlich gut überstehen, dachte er. Andererseits, und da war ein gefährlicher Gedanke, der sich in seinem Kopf entwickelte, pochte er auf die Herausforderung eines brennenden Kampfes, durstete nach der Erfahrung gegen eine neue Kreatur zu kämpfen, den Stahl schmettern und Knochen bersten zu hören, dem leidvollen Gesang zerstückelten Lebens zu lauschen… Und im nächsten Moment wiederum erschrak er an seinen eigenen Gedanken. Er griff sich an seine von Stahl geschützte Stirn, wollte fühlen, ob er vielleicht doch nur träumte. Was ging, bei Farore, in seinem Kopf vor sich? Durstete es ihm tatsächlich nach einem Kampf gegen düstere Kreaturen? Und was war überhaupt mit dieser Rüstung? Wunderte es ihn denn gar nicht eine solch schwere Rüstung zu tragen? Er orientierte sich einmal mehr hier in diesen elenden, stinkenden Kerker und bemerkte in einer Ecke, wo das Fackellicht kaum hinfand, eine schweigsame Gestalt hocken. Ein breitschultriger Kämpfer saß dort wie ein Assassine, sich selbst versteckend in einem bleichen Umhang aus glattem Leder mit einer sehr breit geschnittenen Kapuze, die er sich über das gesamte Gesicht gezogen hatte. Link hatte jene Gestalt angesichts der vielen Eindrücke kaum wahrgenommen, oder versagten hier in dieser erschreckenden Form der Realität seine Sinne und Fähigkeiten? Was war, wenn die schleierhafte Gestalt von vorhin ihm seine Talente geraubt hatte? Noch immer starrte Link gebannt zu der Gestalt, die wohl deutlich spürte beobachtet zu werden. Und gerade da neigte jener Kämpfer seinen Kopf ein wenig zurück, sodass weißleuchtende Augen sichtbar wurden. Link konnte in der Düsternis keine Gesichtszüge erkennen, er sah nur diese durchdringenden weißen Augen wie grelle Sterne funkeln. Und auf eine unheimliche Weise spürte Link eine neue, beinahe legendäre Gefahr von dem verhüllten Krieger ausgehen. In dem Moment ertönte ein ohrenbetäubendes Horn, jäh schickte es eine alptraumhafte Melodie in die unheilvollen Kerker, ließ die Wände vibrieren, sodass winzige Steinchen vom Mauerwerk rieselten. Links wache Augen wanderten durch die finsteren Gänge, beobachteten die vielen versklavten Wesen und sahen in den vielen Gesichtszügen den Anflug von Angst und Schauer. Das mächtige Horn musste das Signal für den beginnenden Kampf sein. Der Kampf, der darüber entscheiden würde, ob Link zurück nach Hause fand… Erneut warf Link einen Blick zu dem verhüllten Krieger, der jedoch ganz plötzlich verschwunden war, so als hätte er sich in Luft aufgelöst. Aber Link dachte mit einem stillen Grinsen unter seinem Helm, dass jener wohl nicht das erste Wesen, das ihm über den Weg lief, war, das sich in Luft auflösen konnte. Und in den Kerkern, wo die Krieger in ihren Rüstungen schwitzten, herrschte mehr und mehr Aufregung. Ein lautes Gedränge nahm zu, und ein Strom bildete sich. Die Kämpfer zog es strudelartig vorwärts und auch Link schloss sich an. Es war wohl soweit, dachte er. Außerhalb dieser Katakomben würde eine Arena warten, mit Hunderten Zuschauern, die nur darauf warteten Blut fließen zu sehen. Aber auch diesmal berührte ihn der Gedanke kaum. Beinahe lethargisch ließ der vergessene Heroe die Geschehnisse ablaufen, stapfte in eigenartiger Erwartung vorwärts, roch den tierischen Schweiß der unzähligen Kämpfer, hörte die quietschenden und grölenden Stimmen einer tobenden Menge immer deutlicher. Und je weiter er in seiner Rüstung vorwärts trat, umso mehr konnte er den pastellenen Schein der Welt außerhalb in die finsteren Gänge strahlen sehen. Ein Schein, der beinahe beruhigend durch das seltsame grüne Metall seiner Rüstung strahlen konnte und eine wundersame Wärme schenkte. Es war beinahe so, als konnte dieser milde Schein ihn berühren, so als wollte es ihn trösten… Als Link mit den anderen Kriegern, die allesamt in unheimlicher Weise verstummten, heraustrat, bestätigte sich seine Vermutung. Vor ihm lag eine riesige Arena mit Tausenden Geschöpfen auf Hunderten Rängen. Und inmitten des runden Bauwerks auf einem nackten, riesigen Felsen versammelten sich die Kreaturen, die zu sterben bereit waren. Ein vielleicht Hundert Meter tiefer Abgrund trennte die Kämpfer von den Zuschauern und ließ den Kämpfern keine Möglichkeit zur Flucht. Einige der Krieger schlotterten mit den Knien. Einige wirkten unruhig, verängstigt, so als wussten sie, dass sie sterben würden. Nur Link blieb gelassen, zuckte nicht einmal mit der Wimper. Je mehr Zeit dahinschwand, umso mehr schien sich das, was die verschleierte Gestalt ihm entrissen hatte, zu manifestieren. Dieses ganze Geschehen kam ihm so unwirklich vor. Selbst wenn er sterben würde, wovor sollte er sich noch fürchten? Die Menge bestehend aus Wesen aller möglichen Völker begann zu toben. Humanoide Lebensformen mit riesigen Schnäbeln im Gesicht erhoben sich neben Zoras, Steinfressern und Gestalten aus Holz mit maskenähnlichen Gesichtern. Sogar Menschen mit spitzen Ohren, vermutlich Hyrulianer, tobten und klatschten, ergötzten sich an dem makabren, mittelalterlichen Schauspiel, das folgen sollte. Und auf einer Tribüne thronte ein riesiger Moblin, der das mächtige Horn von vorhin ein weiteres Mal blies. Übersät mit Narben auf dunkelroter Haut trug er lediglich einen Rock aus braunem Pelz. Link erstaunte ein wenig, hatte er doch noch nie einen so riesigen Moblin, nicht einmal im Zeldaspiel, erblickt. Er musste etwa drei Meter groß sein und besaß eine Schnauze, die ein Kaninchen mit einem Happen herunterwürgen konnte. Er war derjenige, der vermutlich über die Arena bestimmte. Denn die Menge blickte gebannt auf ihn. Erst jetzt fiel dem Heroen auf, dass sich diese Wesen allesamt in einer fremdländischen Sprache unterhielten. Die anderen Krieger, mit denen er nun hier auf diesem riesigen Felsen stand, warfen vereinzelt Worte umher, die Link nicht kannte. Auch die Menge brüllte Worte, die sich dem Wissen Links entzogen. Wie sollte er hier überleben, wenn er nicht einmal verstand, worum es ging? Wie aber konnte er die verschleierte Person verstehen, die ihn erst in diesen Wahnsinn getrieben hatte und wie hatte er es geschafft den dämonischen Hünen zu verstehen, der ihn ausgerüstet hatte? Konnte es sein, dass sein Verstand, je länger er hier verweilte, immer mehr verrücktspielte? Und plötzlich ertönte das gigantische Horn ein weiteres Mal, sodass Link abrupt aus seinen Gedanken gerissen wurde. Er hatte den Eindruck, dass sich alle Krieger bereit machten. Doch bereit wofür? Wenn sie kämpfen sollten, gegen wen? Link konnte beobachten wie die Versklavten begannen ihre Waffen bereit zu machen. Das Klirren von gewetztem Metall summte in seinen Ohren nach und doch ließ es nicht sein Blut wallen. Noch immer spürte er diese Unempfindlichkeit, diese seltsame Form von Leere, die ihn völlig klar und ohne Angst sehen ließ. Link spürte, dass er immer weniger getrübt war von Sorgen und Zweifeln, im Moment sah er diesem Kampf mit erschreckender Gelassenheit entgegen. Hatte er sich vorhin Sorgen gemacht, dass er diese fremde Sprache nicht verstand? Was sollte schon geschehen, dachte er. Hier auf dem Schlachtfeld gab es ohnehin nur die Sprache der Schwerter. Und kaum war jener Gedanke erloschen, geschah etwas, was sich dem Auge Links zunächst entzog. Irgendetwas schlich umher, hier wo die verängstigten Kämpfer auf Erlösung oder Tod warteten, vielleicht war dies ohnehin für viele dasselbe. Etwas schlich umher und es begann mit stiller Verwunderung. Einige spürten, dass hier auf dem Plateau der Kampf begann, einige jedoch warteten noch immer, hefteten ihre Blicke auf den Schiedsrichter und fielen innerhalb von schwindenden Sekunden. Leise zog der Schrecken des Krieges über die Arena und die erste Gewissheit für Link, dass eine neue Gefahr beinahe unsichtbar tobte, wuchs, als ein eher schwächlicher, kleiner Bokblin, der keine zehn Meter weiter stand, plötzlich zu Boden fiel, still, leblos mit zerfetzter Kehle. In Sekundenbruchteilen wurde ihm das Leben genommen und in Sekundenbruchteilen fielen weitere Versklavte. ,So war das also‘, dachte der Heroe. Es ging gar nicht darum, dass hier mehrere Kämpfe stattfanden. Und es ging auch nicht darum, dass hier irgendwer lebend herauskam. Dieses Schauspiel diente vermutlich nur dem einen Krieger, der hier scheinbar wahllos die Versklavten abschlachtete. Weitere Wesen fielen. Einer nach dem anderen sank auf die Knie, einmal mit zerfetzter Kehle, einmal mit einem Stich im Herzen oder zerstückeltem Unterleib. Beinahe lautlos starben die Versklavten, während hoch oben auf den Tribünen die Geschöpfe dieser unsterblichen, magischen Welt jubelten und begannen zu applaudieren. ,Welcher Wahnsinn herrschte hier‘, fragte sich Link. Wie sollte er von einem solchen Ort aus nur wieder sicher nach Hause gelangen? Wachsam beobachtete er die Szenerie, bereit sich mit allem zu verteidigen, was er an Stärke und Mut aufbringen konnte. Aber der beinahe unsichtbare Krieger, der die Wesen abschlachtete, konnte womöglich nicht von einem einfachen Erdenjüngling aufgehalten werden. Immer weniger Kreaturen auf dem Schlachtfeld blieben übrig und noch hatte der unheilvolle Schatten Link nicht berührt, was ihn allmählich verwunderte. Warum griff der scheinbar Unsichtbare Krieger jeden hier an, nur nicht ihn? Und je mehr Kreaturen fielen, umso mehr bestätigte sich seine Vermutung. Irgendetwas hier war noch fauler als sein Auftauchen in diesen legendären Gefilden. Was war es, dass das Wesen in den schwarzen Schleiern von ihm wollte? Dass er gegen den Gott des Krieges bestehen sollte? Dass Link in der Lage war eine Wette zugewinnen, die von vornherein verdammt war? Und als der junge Erdenbewohner einen tiefen, vorbereiteten Atemzug nahm, war er tatsächlich der letzte Kämpfer, der noch auf seinen Beinen stand, unberührt, noch immer wachsam und von furchtlosem Erstaunen erfüllt. Die Arena glich einem Massenvernichtungslager. Ausgebreitet und blutend lagen überall Körper von denen, die verurteilt waren zu fallen. Sie alle wussten von ihrem Schicksal die Mordlust einer weitaus gefährlicheren Bestie zu befriedigen. Wer immer auch der Richter war, er wusste um dieses vom Wahnsinn besessene Spielchen und kannte keine Gnade mit den Kreaturen, die sich dem ein oder anderen Verbrechen in dieser Welt schuldig gemacht hatten. Aber welches Verbrechen hatte Link begangen, dass er hier stand? Der Deal, den er geschlossen hatte, um erneut auf die Erde zu gelangen… war dies eine Falle? Obwohl ihm die verhüllte Gestalt mit ihren undurchdringbaren Schleiern nicht sympathisch erschien, so hatte er dennoch auf einen Funken Ehrgefühl vertraut. Und was war mit dem Gefühl der Verletzbarkeit, seinem Herzen, das sie ihm angeblich entrissen hatte? Plötzlich herrschte in der gesamten Arena eine gespenstische Stille. Die Zuschauer auf den Rängen schwiegen, beobachteten und waren womöglich irritiert, weshalb ein einzelnes Wesen wie Link es war, ohne Harm auf dem Schlachtfeld stand. Oder sie ahnten und wussten, was folgte. Vielleicht war er auch hier auserwählt für eine spezielle Vorführung? Link überblickte das Schlachtfeld und wunderte sich immer mehr… überall lagen die Sterbenden, aber wo war das namenlose Grauen, das über das Feld gezogen war wie ein Giftgas? Er bewegte sich langsam vorwärts, seine scharfen Augen ließen nichts außer Acht und gerade da, keine zehn Meter vor sich, erhob sich ein Mann in einer grauen Rüstung, glänzendes Leder war es, mit Stahlplatten versehen. Es war genau jener Krieger, der aussehend wie ein Assassine, in Links Zelle gehockt war, ihn beobachtet hatte. Seine lange Kapuze ließ erneut keinen Blick zu. Link spürte kein Angstgefühl in sich, aber das Gefühl, dass ihm die Kehle zugeschnürt sein sollte, war dennoch vorhanden. Erst recht, als der brutale Kerl, der hier Hunderte Kreaturen abgeschlachtet hatte, mit gemächlichen und lautlosen Schritten auf ihn zusteuerte. Link hatte den Eindruck die Sekunden gefroren, als begann sich selbst die Zeit vor jenem Krieger zu fürchten. Und als er näher trat, zog der Mann eine Waffe, die dem jungen Heroen gespenstisch vertraut erschien. Vertraut nicht nur hier… sondern vertraut aus einem Videospiel… Ein Schwert tanzte in der Luft, das sich aus zwei schlangenartig geformten Klingen zusammensetzte. Eine eigenartige Waffe, sehr lang und erhaben, und nur die Waffe eines unheimlich mächtigen Wesens. Eine weitere Gewissheit tat sich dem Heroen auf, als nun endlich die graue, riesige Kapuze von dem Kopf des Mannes fiel… darunter waren seine vertrauten Wesenszüge. Darunter waren weißleuchtende Augen, die darüber belehrten, dass hier keine Sterblichkeit vorhanden war. Darunter war dieses markante Gesicht, bleich, und ohne Mitgefühl und Lebendigkeit, mit einer Kriegerbemalung versehen Ein Krieger, der so unsterblich, doch nur in dieser Welt leben konnte. Und er war mehr als ein Krieger, er war ein Gott… Link sank auf seine Knie. War das wirklich möglich? Vor ihm stand die Grimmige Gottheit! Und jener Kämpfer trat weiterhin so gemächlich und unbeeindruckt in Links Richtung, bis er seine stählerne Waffe in den Boden rammte und sich mit einem amüsierten Ausdruck in seinen schönen Gesichtszügen auf die Klinge stützte. „Ich hätte mehr erwartet“, sprach er mit einem lächerlichen Unterton in den Worten. Er besaß eine scharfe, schneidende Stimme, nicht so tief wie Link erwartet hatte. „Du wusstest, dass du hier stehst, umgeben von dämonischer Brut, von jenen Geschöpfen, die du in Hunderten Leben gejagt hast. Nicht eine Kreatur hast du hier auf dem Schlachtfeld zu Boden gebracht!“ Irritiert zog Link den wolfskopfähnlichen Helm von seinem Kopf. Das Wort Aber blieb ihm in der Kehle stecken. Dieser Ort war ohnehin makaber für ihn, aber dass er hier scheinbar versagt hatte, weil er nicht getötet hatte, ließ ihn sich noch mehr Ekelgefühle entwickeln. „Du hast versagt… erneut, nicht wahr?“, sprach der grimmige Gott belustigt. „Moment mal“, sprach Link endlich. „Ich wusste nicht, dass ich… diese Wesen um mich herum…“ „… Ja?“ „… töten sollte…“ „Warum musstest du das wissen? Du hättest deinen Instinkten lauschen müssen, so wie andere Helden vor dir und Helden nach dir!“, sagte der Krieger mürrischer. „Heißt das, ich habe die Wette verloren?“ Daraufhin begann sein Gegenüber einfach nur zu lachen. Und er lachte mehr als gehässig. „Du hättest gegen mich bestehen müssen, gewiss. Aber anders als du dachtest. Du hättest mehr Abschaum töten müssen als ich. Stattdessen standst du gelähmt hier und wusstest nicht, was du tun solltest.“ „Gegen den Gott des Krieges bestehen…“, murmelte Link. „Ich wurde reingelegt, ich dachte, ich hätte gegen dich kämpfen müssen… “ „Gegen mich kämpfen“, lachte der Mann. „Du hättest nicht den Hauch einer Chance.“ Link blickte gedemütigt zu Boden. Ja, das wusste er selber auch. „Nun gut, damit das Volk zufrieden ist, muss ich dich dennoch zu Boden bringen.“ Und ehe Link wusste wie ihm geschah, spürte er das Heft der legendären Götterklinge auf seinem Schädel und sank zu Boden wie ein nasser Sack. „Du bist selbst dran schuld, was nimmst du auch deinen Helm ab“, lachte der Krieger und dann wurde es schwarz vor Links Sinnen… Der junge Held, ummantelt von dem seltsamsten Schlaf, den er in seinem kurzen Erdenleben jemals haben würde, hier in dieser ewigen, malerischen Dimension, bemerkte nicht, dass sein bewusstloser Körper an den sichersten Ort überhaupt gebracht wurde, hoch in den silbernen Palast im pastellfarbenen Himmel. Er spürte nicht die göttlichen Hände, die ihn wonnevoll berührten, hier in einer anderen Zeit und Welt. Und er blickte auch noch nicht in diese leuchtenden, unfassbar anmutigen Augen, die ihn mit blühender Verzückung betrachteten. Eine heilige Entität wachte nun über ihn, besänftigte und löschte die Verwirrung in seinen Gedanken und beruhigte die alte, mutige Seele in ihm. Eine Seele, die sie immer wieder in verwirrendes Erstaunen brachte, die ältesten, stärksten Gefühle empfinden ließ und sie beinahe sterblich machte. Sie würde sterben für ein menschliches, starkes Herz, dass es verstand legendären Mut in allen Facetten zu verinnerlichen. Ja, sein Schlaf würde seltsam sein, ein Schlaf im Traum und ein Traum ohne Schlaf, kaum real genug für bleibende Erinnerungen. Sein tiefer Schlaf hier an diesem Ort der Sagen würde heilsam und voller Wunder sein. Denn sie war hier, flüsterte Formeln alter Magie in seine Ohren, erinnerte ihn an seine Ideale und alles, was er war. „Du bist mein… für alle Zeit. Es gibt dich in vielen Gestalten und doch gibt es nur einen wahren Heroen des Schicksals. Ich schenke dir einen Hauch der kämpfenden und bittersten Erinnerungen… ich schenke dir die Kraft in jenen Momenten nicht zu zagen und dich selbst zu vergessen um das zu schützen, was du brauchst und liebst.“ Sie, als eine der Alten, hatte alles gesehen, hatte seine Zweifel erkannt und seine Verletzlichkeit. Und sie wusste um den Pfad, der noch vor ihm lag. Sie lenkte noch immer das Schicksal, so wie einst, so nun auch heute. „Du wirst dich erheben, mein Krieger!“, flüsterte sie über ihre vollen, blutroten Lippen, die sich zu einem Lächeln bewegten, in ihrem ebenmäßigen Gesicht. Sie strich sich göttliches, sonnenlichtgefärbtes Haar hinter spitze Ohren, als sie seine ruhende Form auf die Stirn küsste. Es war nicht so, dass Link durch den süßen Kuss aufgewacht wäre, aber ein leichtes Zucken seiner Augenlider verriet die Entrückung, die er womöglich empfand. „Meine Schwester hat dir nur deine Verletzlichkeit entrissen, dein Herz kann sie dir niemals stehlen. Ich jedoch schenke dir die kämpfende, wühlende Erinnerung. Du hast deine grausame Natur bereits gespürt, aber von nun an, ist sie erwacht, lebt in Momenten der Gefahr und nährt sich von deinen Zweifeln. Es ist an der Zeit wieder Herr über die Zeit zu sein… Zeit war und wird immer dein Element sein.“ Sie erhob sich in ihrer vollen Pracht, tanzte im Licht ihres weißen, schimmernden Gewandes und ließ hier in dieser Welt der pastellfarbenen Abenddämmerung ihre Göttlichkeit spielen. Sie begann zu summen, ein Lied so rein und unerreichbar wie Götter es in ihrer Allmacht sein sollten. Und es war diese legendäre Weise, die dem jungen Mann, einen Seufzer des Aufwachens entlockte. Seine Hände stemmten sich in flauschiges, samtenes Material wie Federn, als er sich aufrichtete, seine Ohren gekitzelt von einer alten Weise, die er irgendwo tief in sich verankert hatte. Jemand summte Zeldas Wiegenlied… Seine tiefblauen Augen schillerten, wurden geblendet von der reinen Welt, die in Anwesenheit jener Entität, entstand. Noch ehe Link realisierte, sich an diesen Ort erinnerte, erblickte er sie in ihren prächtigen, heiligen Farben. Sie strahlte… ja, sie strahlte in einem warmen, goldenen Licht. Und für einen schwachen Moment sah Link nicht die Göttin, diese ehrwürdige Schutzheilige eines alten Landes, nein, für Sekunden, gefroren unter diesem Zauber lang vergessener Welten, sah er nur das anmutige Mädchen aus seinen verlorenen Erinnerungen. Das Licht seiner Seele… sein Licht, für das er immer wieder bereit war zu sterben. Seine schwachrosa Lippen öffneten sich einen Spalt um einen tiefen Atemzug nehmen zu können, der doch stockend schien. Und mehr noch überkam ihn eine pochende Anspannung in seinen jugendlichen Gliedern, entsetzlich und schmerzend. Sein Herz begann zu trommeln, so wild, dass er Sorge hatte, es pochte ihm aus dem Brustkorb. Sein Verstand begriff allmählich, dass jene märchenhafte Gestalt getaucht in Pastell nicht seine Zelda war, sein Körper versuchte ihn forscher die Bedeutung und Tragweite dieses Geschehnisses bewusst zu machen, versuchte ihn zu belehren, dass er einer sehr alten Reinkarnation gegenüberstand. Er seufzte und riss seine tiefblauen Augen immer weiter auf, als dieses leibgewordene Märchen in einem weißen Kleid, gewebt mit silbernen Federn und durchsichtiger Seide, in seine Richtung trat, nein… sie schien eher zu schweben. Er versuchte das überfällige ,Wo bin ich‘ aus seinem Mund gleiten zu lassen und erschrak an der stockenden Bedeutungslosigkeit seiner Worte. Alles in Nähe dieser Entität war bedeutungslos… „Du weißt, wer ich bin…“, sprach sie leise und trat in ihrer Gewandtheit immer näher. Sie lächelte wissend, als sich ihr goldener Schleier verflüchtigte. Und erst jetzt realisierte Link die feine Zierlichkeit stärker ausgeprägt als er es bei Zelda kannte. Er beobachtete die grazile Art sich zu bewegen mit diesem schlanken Körper, der reifer war als er es kannte. Hochgewachsen war sie, diese Göttin, fesselnde, reife Weiblichkeit verriet ihr Gewand… und dieses strahlende Licht in ihren lächelnden Gesichtszügen… Link wusste es anhand der Milde, Geruhsamkeit und tiefen Selbstsicherheit, mehr noch… zufriedener Seelenruhe, dass sie frei war von menschlichen Versagensängsten wie die Zelda der Erde sie teilte. Er traute sich kaum zu antworten, obwohl er doch der Herr des Mutes sein sollte. Er traute sich ja nicht einmal mehr sie länger zu betrachten. Wie, um Himmels willen, verhielt man sich gegenüber einer Göttin? Besaß er überhaupt das Recht sie zu betrachten, etwas so Reines, Edles? „Hylia…“, sprach er endlich, leise, über eine trockene Zunge gleitend und doch melodisch. Er sinnierte über diesen Namen, blickte zu seinen menschlichen Händen. Er wollte sich aus diesem mit weißen Federn bedeckten Bett erheben, gleichzeitig schwirrte der unsinnige Gedanke durch seinen Kopf, dass er ohnehin nicht wusste, wohin er gehen sollte. Erst jetzt bemerkte er einen mittelstarken Schmerz ausstrahlend von seinem Hinterkopf, und die Erinnerungen der letzten Ereignisse kamen zurück. Der unsinnige Kampf in der Arena. Das Götterreich. Die grimmige Gottheit. Der unnötige Schlag auf den Kopf… „Er brachte dich zu mir… Du hast nicht versagt, wie solltest du auch?“, beantwortete sie seine Fragen für ihn. Und es war dann, dass ihre verlockend sinnlichen Augen solcher Klarheit in seine blickten, eine ferne Sehnsucht und doch so viele Zweifel entdeckten. In Hylias Anwesenheit schien jedes Element des Lebens zu gefrieren, denn der junge Heroe hatte nicht wahrgenommen wie sie plötzlich am Randes des Bettes sitzen konnte. In dieser erschreckenden Vertrautheit. Dieser gespenstischen Intimität… Umständlich hob sich sein Adamsapfel in der trockenen Kehle, als hätte er vergessen wie er schlucken konnte. Links sonst so geschulte, sichere Bewegungen seines agilen, jugendlichen Körpers schienen erloschen, völlig hilflos in der Nähe Hylias. Er vergaß, dass er sich auch in Zeldas Nähe oftmals zerbrechlich fühlte, und gleichzeitig stolz und stark… Wie nur konnte sie hier sein? Wie nur war es überhaupt möglich, dass er sie traf. Hatte sie sich nicht für die Versiegelung des Todbringers geopfert? War aus ihrem Opfer nicht auch Zelda hervorgegangen? War Zeldas Seele nicht diejenige Hylias? Nur langsam nahm er seine Umgebung wahr, während er sie an seiner Seite sitzen sah. Er in ihrem Heim, ein Palast aus schillerndem Glas in den Farben Tausender Regenbögen. Der Raum hier in den Höhen dieser Welt wirkte tiefer und größer als er vielleicht war mit hellen Wänden aus sich spiegelndem Kristall, mit einem Brunnen, der sich aus Tiefen mit heilendem Wasser speiste und bewacht schien von nach Lebendigkeit trachtenden Vogelstatuen. Er in ihrem Bett, rund und gemütlich, beinahe unordentlich mit zerwühlten Decken, echten, langen Federn und kuscheligen Kissen… wie ein Nest. Noch im gleichen Moment errötete Link und versuchte jeglichen Gedanken an die Peinlichkeit, die in ihm arbeitete, wegzusperren. Und etwas anderes wurde ihm bewusst… er war wieder er selbst mit allen Empfindungen, seiner Verletzlichkeit und seinem Herzen. Etwas zögerlich spürte er mit seinen Händen dem starken Herzschlag hinterher, berührte seine Brust. „Habt Ihr…“, murmelte er, noch immer benommen. Ja, was eigentlich? Ihm sein gestohlenes Herz zurückgegeben? Hatte sie den Deal mit diesem merkwürdigen Wesen unterbunden? „Sie hat dir dein Herz nicht geraubt, nur deine Verletzlichkeit“, sprach sie, leise lächelnd und hielt sich eine Hand an ihre Lippen. Ihre Stimme war dieses unglaubliche Wunderwerk für ihn. Die schier endlose Reinheit und ihr süßer Klang schickte leichte Stiche in sein Herz. Ihre Stimme war von derjenigen Zeldas nicht zu unterscheiden… Link schluckte einmal mehr vor Nervosität umständlich und hielt den Atem an ohne zu wissen warum. Aber vielleicht wusste er auch warum… Wenn Hylia so viel wusste, so viele Sinne besaß und diese schier unglaubliche Macht und Einsichtsfähigkeit einer Göttin… dann wusste sie ja auch, was er gerade empfand. Sie wusste um seine Gefühle für Zelda. Erneut besiegte ihn die Schamesröte und Link verlor die Worte in seinem Mund. „Du fragst dich wie dies alles hier sein kann, wo doch deine Prinzessin lebt und atmet.“ Sie lachte plötzlich bis Link verstand, dass sie gerade einen sehr unnötigen seiner Gedanken gelesen hatte. Sie besaß ein wunderschönes Lachen, so energisch, ansteckend, wohltuend. Auch war es beinahe magisch ihre Gesichtszüge dabei zu beobachten. Die kleinen Fältchen um ihre Lippen, das unscheinbare Wackeln ihrer zierlichen Nase und das Heben ihrer hellen, schmalen Augenbrauen. „Nein, Heroe, du bist nicht tot, nur ein anderer, in einer anderen Zeit und Welt, einem anderen Ausgang der Ereignisse. Ich und mein Heroe sind nur hier aus diesem Grund, weil Zeiten und Welten einer Veränderung unterliegen… noch ist nicht entschieden ob zum Guten oder Bösen.“ Nur schwerlich konnte der Held der Erde ihren Worten folgen, verstand aber langsam, dass der grimmige Gott vermutlich ihr Heroe war. Und er verstand, dass große Weltengesetze, zu denen er kaum Einsicht besaß, verändert wurden. Nur deshalb gab es das Götterreich, nur deshalb gab es Hylia in dieser Gestalt. Aber… und da waren viele Abers… Wenn Hylia einen Heroen besaß, der dazu noch der grimmige Gott war, wer war dann überhaupt Link, der auf der Erde geboren wurde und mit Hyrule vielleicht gar nichts zu tun hatte? Weitere Zweifel brachen in seinem Kopf nieder wie Dutzende Donnerschläge. Hatten er und Zelda denn überhaupt eine gemeinsame Vergangenheit? Die Bitterkeit seiner Gedanken ließ ihn sich anbahnende Herzschmerzen entwickeln, kleine, dumpfe Wunden, die ihn darüber belehrten wie trostlos sein Leben wäre, würde Zelda und alles, was er über sich zu wissen glaubte, plötzlich verschwinden, untergehen in Nebeln des Vergessens, als würde er verblassen… Verblassen… das war es… Ein tiefer Schmerz lebte durch jenen Gedanken… Verblassen… ,Ich bin vielleicht gar nicht meiner Zelda Link‘, schallte es bitter in seinem Kopf, ein matter Klang, der in seinen Ohren nachhallte. ,War ich denn überhaupt vorher in einem Hyrule lebendig. Gibt es für mich Reinkarnation so wie für Impa oder Shiek?‘ Links immer so mutige Züge in diesem jugendlichen, frischen Gesicht schienen überwältigt von Zweifeln und anbahnender Trauer. Seine weißen Zähne blitzten je fordernder jene Zweifel über ihn hereinbrachen. „Du bist ihr Link…“, riss die einstige Beschützerin Hyrules ihn aus dieser nebulösen Leere, aus dem nebligen Gift eines alten Schmerzes, mit dieser glockenhellen Stimme, die jegliche Düsternis ausräumte. Ihre sinnlichen, himmelblauen Augen und diese tiefen Blicke, die sie ihm zuwarf, ließen die Worte nur noch durchdringender werden. „Und du wirst es immer sein. Verzage nicht… denn tief in deinem Herzen weißt du, es gibt nur einen Helden Hyrules, der auf ewig ist.“ Link erstaunte, denn so eindringlich und felsenfest konnte nur eine Göttin reden. „Sie ist meine Zelda?“, vergewisserte er sich, worauf Hylia ihm ein wohliges Lächeln schickte. „Wirklich…“, murmelte er und in seinen tiefblauen Augen erstrahlte ein lang vergessener Funke des Glücks. Er lächelte charmant… lächelte so tiefsinnig und strahlend, dass es selbst einer kühlen Göttin wie Hylia Freudentränen in die Augen drückte. „Und sie wird immer… für alle Zeit deine Zelda bleiben…“, sprach sie klar. Auch sie empfand Freude dabei es noch einmal auszudrücken. „Sie ist meine Zelda“, rief er glücklich. Und jegliches unbeholfene Ehrgefühl und Schamgefühl hier in Hylias Gemächern zu hocken, verflüchtigte sich. Link konnte nicht über Peinlichkeiten nachdenken, wenn er glücklich war… Pures Glück machte sein Lächeln unwiderstehlich. „Sie ist meine Zelda!“, rief er noch einmal, lauter. Und diesmal hüpfte er auf seine durchtrainierten Beine, atmete frei und gelassen, genoss seine innere Stärke im Einklang mit seinen Gefühlen. „Ich danke Euch, Hylia.“ Link wusste nur nicht, wie er sich bei Hylia für dieses Wissen bedanken sollte. Entzückt erhob sie sich ebenfalls und war doch tatsächlich einen Kopf größer als er, was ihn erstaunte. „Ich… kann ich Euch denn irgendwie… danken?“, sprach er schüchtern, seine linke Hand wanderte hinter seinen Kopf. „Nicht nur dafür, dass ich hier in Eurer Obhut bin“, sprach Link, bemühte diese förmliche Anrede, die er nicht gewohnt war, einzuhalten. „Sondern auch für Eure Worte… ich wollte immer glauben, dass Zelda meine Prinzessin ist…“ Sein Blick glitt zu Boden, vielleicht weil er es als ungehörig empfand eine Göttin zulange zu mustern. „Aber ich habe es einfach nicht wissen können… da waren immer Zweifel. Auch jetzt… zweifle ich über vieles.“ Er atmete tief aus, erneut tat ihm der Brustkorb weh, weil er vergessen hatte, normal zu atmen. „Zweifel gehören zu dem Helden der Legende wie sein Schwert“, sprach sie fest. Sie hob ihre lange, weiße Rechte, die beinahe unter einem elfenbeinweißem Trommelärmel verborgen war und berührte abwechselnd beide seiner Wangen. Wie erstarrt ließ Link die Berührung geschehen, nicht sicher, was diese bedeuten sollte. Konnte es sein, dass Hylia ihn einfach gerne berührte? Erneut kroch himbeerfarbenes Verlegenheitsrot über seine perfekte Nasenspitze. Wie kam er überhaupt auf einen solchen Gedanken? Plötzlich kicherte Hylia, sie kicherte so wie Zelda einst in der ersten Woche in Schicksalshort, die sie mit Link verbracht hatte. Frei und ausgelassen, etwas schrill, etwas piepsig, aber auch entzückend. „Es tut mir leid“, kicherte sie, plötzlich so nah, so… irgendwie… menschlich… ganz und gar nicht wie eine übermächtige Gottheit. „Weißt du, mein Held sah einst fast genauso aus wie du… ich kann ihn in deinen Gesichtszügen sehen. Und auch wenn er und ich untrennbar verbunden sind, ich ihn jederzeit berühren kann, ihn jederzeit lieben kann, so sehne ich mich manchmal nach der Zeit, bevor wir unser Schicksal heraufbeschworen haben.“ Das half dem Heroen als Erklärung gegen seine Schamesröte nur leider nicht. Er fühlte sich nervös und versuchte mit aller Gewalt seine Gedanken zum Schweigen zu bringen. Jedes Wort, das Hylia sprach über Unzertrennlichkeit, über Liebe und Berühren, brachte erotische Bilder in seinem Inneren zum Entstehen, Bilder über Zelda und ihn, Bilder, die sein verliebtes Gemüt ekstatisch in Wallung brachten. Zunächst versuchte er sich durch einen Blick zu Hylia abzulenken, was durch deren Ähnlichkeit mit Zelda keine gute Idee war. Link versuchte seine Blicke nicht zu lange in ihrem Gesicht haften zu lassen, was bloß dazu führte, dass seine Blicke hinabwanderten, zu der Halspartie mit dieser porzellanweißen Haut, dem geschmeidigen Schlüsselbein, wo er seine Fingerspitzen entlang wandern sah, zu diesem perfekten Dekolleté, wo seine Lippen… gar nicht gut. Ja, das war gerade gar nicht gut… Hatte er das eben wirklich gedacht? Und das vor Hylia! Bei den Göttinnen… Seine Augen zuckten, schlossen sich, zuckten erneut, schlossen sich, bis er zwinkerte und es einfach nicht unterlassen konnte. Er brauchte eine neue Ablenkung, ja, genau… Seine Augen hetzten unruhig durch den Raum, nach Möglichkeiten sich hier abzulenken, bis seine tiefblauen, verlegenen Augen auf dem Bett haften blieben. Link hatte das Gefühl sein Körper erstarrte… Er erstarrte und alles, was blieb war tosendes Blut, das sein Herz mit schäumenden Glücksgefühlen füllte. Verdammt, dachte er, es war nicht gut an ein Bett zu denken, wenn Hylia von Berührungen und Liebe sprach… „Ja, Link“, summte sie unter erneutem leisen Lachen. Oh ja, sie hatte erneut seine Gedanken gelesen, aber das musste sie auch gar nicht. Sein gestenreicher Anblick verriet alles über seine intimen Problematiken. „Es gibt etwas, womit du mir danken kannst.“ Er pustete einen Luftstrom aus seinen Lungen, und versuchte seine Nervosität abzuschütteln. Weg mit diesen Peinlichkeiten, tadelte er sich. Beim lieben Himmel, dachte er… „Es ist Ewigkeiten her“, begann sie, nun mit einer erschreckenden Veränderung in ihrem Wesen. Gerade noch war da eine heitere Ausgelassenheit, die sich auf alles in ihrer Gegenwart übertragen konnte, aber jetzt überwog eine erschreckende Gnadenlosigkeit in ihren Blicken, die frostig zu werden schienen. Funkelten ihre Augen gerade wie Silber, fragte sich Link? „Einst besaß ich Töchter und Söhne… siebenundsiebzig waren es. Wunderschöne Wesen und heilig, rein, gesegnet mit Flügeln und Magie.“ Sie trat vorwärts, nein, schwebte… bis sie unter dem kristallenen Rundbogen ihres Balkons stehen blieb. Ihr Blick heftete sich in die Weite jener Welt der Abenddämmerung, verlor sich in dem unechten Schein und Funkeln der Ferne. „Ich weiß, was ein Mutterherz ist und wie dieses lieben kann, genauso wie ich erfuhr, dass ich hassen kann.“ Etwas an Hylias Worten ließ Link eine Gänsehaut spüren und seine Nackenhaare stellten sich auf. Er spürte, dass sie ihm etwas sehr Trauriges erzählen wollte. Sein Herz spannte sich auf eine Weise, die ihm vertraut war. Dieses haltlose Gefühl, wenn die Welt sich mit ihren Entscheidungen gegen dich stellt und du nur wehrlos und hilflos zuschauen kannst. Dieses erschreckende, traurige Gefühl, wenn alles zerbricht, woran du glaubst und wofür du stehst. Warum tat ihm Hylias Schmerz nur so verdammt weh? Link torkelte ein wenig benommen zwei Schritte rückwärts und ahnte, dass Hylias Empfindungen so machtvoll waren, dass sich jene auf das Seelenleben Sterblicher auswirken konnte. Und wie er in ihrer Gegenwart mit seiner Stimmung Achterbahn fuhr… „Und Mütter… ich weiß, dass Mütter ihre Kinder ziehen lassen müssen, ich tat es, genauso wie jede gute Mutter. Mit Sorge. Mit Angst, aber auch starker Hoffnung. Nur…“ Und Hylia, die doch dort in diesem schneeweißen Gewand stand, ließ kaum zu ihre Empfindungen zu verschleiern. Ihre heilige Macht brodelte, während sie sprach. Ein Wind des Zorns begann sie einzunehmen, der Sturm peitschte unsichtbar um ihre göttliche Erscheinung und ließ ihr Haar aufwallen. „… hätte ich gewusst, dass meine Kinder eins nach dem anderen, so beinahe unsterblich sie auch waren, gejagt, gefoltert, entstellt… und letztlich getötet werden würden, hätte ich sie niemals ziehen lassen.“ Und plötzlich verebbte der schwere Zorn ihrer Erscheinung, Hylias Gestalt schien beinahe einzusinken und ihre Trauer wurde fühlbar. Sie neigte das Haupt, ihr langes Haar, das bis unter ihre Hüfte reichte, sank geradlinig hinab, dieses kostbare, wunderschöne Haar. Augenblicklich hatte Link den Wunsch sie irgendwie zu trösten. Eine Welle der Anteilnahme schwappte über ihn drüber, ließ ihn sich langsam auf sie zu bewegen. Und auch jetzt war er Hylias Macht schlichtweg ausgeliefert, völlig ergeben, wehrlos… ja wahrhaft schwach. Er konnte tun, was er wollte, sein Körper gehorchte ihm nicht, tapste zu ihrer Gestalt wie eine Marionette und wollte Trost und Beistand schenken. Diese Trauer war so übermächtig… Hylias Verlust betäubte sein Herz. Link wusste nicht, was er tat, als er seine Hände auf ihre Schultern legte… Wie nur kam er darauf eine Göttin berühren zu dürfen? Er folgte ihrem Blick in die weite, dämmernde Ferne, fühlte diese Verbundenheit ihr gegenüber, fühlte diese Ergebenheit. Ob Hylia auf alle sterblichen Wesen eine solche Wirkung hatte? Oder reagierte Links Seele auf sie? Ein winziger, unbeholfener Splitter, der sich an seine früheren Leben erinnerte. Er nahm einen hetzenden Atemzug, zwang sich unter Aufbietung seines Willens seine Hände da wegzunehmen! Ja, genau, seine groben Menschenhände, die an wenigen Stellen ihre zarte, geschmeidige Haut streicheln durften. Ja, verdammt! Link riss sich los, gewann endlich diesen inneren, beinahe aussichtslosen Kampf und erhielt überraschend ein genügsames, fast triumphierendes Lächeln der weißen Göttin. Sie wirkte zufrieden, überhaupt nicht verärgert oder entehrt. Stattdessen fuhr sie fort, als wäre nichts gewesen. „Ich kann kaum mehr in die Zukunft blicken… denn diese Realität, in der ich lebe und mein Heroe atmen kann, ist nicht unser Ursprung. Deshalb weiß ich nicht… ich weiß nicht, wer verantwortlich ist. Und ich sehe niemanden, der schuldig ist… meine Fähigkeiten unterliegen seit langem einem Bann, den ich nicht erklären kann.“ So viele Rätsel, so viele Verwundbarkeiten um Hylias Geschichte. Link fragte sich, ob hier wirklich alles noch mit rechten Dingen zuging. War er deshalb hier im Götterreich gestrandet? Weil er um diese Geschehnisse wissen musste. Hatte Ganondorf auch hier seine Hände im Spiel? „Aber überall da, wo Unverständnis und Hoffnungslosigkeit ist, überall dort, gibt es auch Chancen, überall können wir blühen und uns erinnern.“ Sie sprach in Rätseln, vielleicht weil sie ihre Trauer nicht anders bewältigen konnte. „Siebenundsiebzig weiße Kinder besaß ich… eines getötet nach dem anderen, aber eins fühlte ich dennoch… und fühle ich auch jetzt. Eines meiner Kinder lebt, atmet mit ihrer Reinheit, Liebe und ihren Fähigkeiten auch jetzt. Die letzte ihrer Art…“ Hylias Stimme wurde leidender als noch zuvor, weil sie Mutter war und ihr Kind vermisste. So leidend, dass Link silbernes Wasser in ihren Augen glitzern sah. So leidend und schwer wie auch Zeldas Stimme in den letzten Wochen war. Beim Deku, er konnte Hylia und Zelda irgendwie kaum trennen, sie waren sich so ähnlich. Diese Mimik, diese Gestik, ihr vergessener Zauber, diese Allmacht, mit der sie ihn anzog. „Nur… ich weiß nicht, wo mein Fleisch und Blut ist. Ich erreiche sie nicht. Wird dein Spross sich ihrer annehmen… sie suchen… sie finden?“ Link zwinkerte auf diese Worte und hatte das erste Mal seit er hier bei Hylia war das Gefühl aus diesem Zauber herausgerissen zu werden, nicht aus Angst, sondern aus purem Schamgefühl. Was meinte Hylia mit ,sein Spross‘? Trotz allem empfand er Hylias Bitte als so notwendig, so nicht zu hinterfragen, dass er kaum nein sagen konnte. Wie sollte er auch einer Göttin begreiflich machen, dass er sie nicht verstand. „Du wirst es sehr bald verstehen, Link“, beruhigte sie ihn. „Ich muss dich darum bitten, auch wenn meine Einsichten in das Rad des Schicksals bruchstückhaft sind. Ich muss dich darum bitten, dass meine Tochter von deinem Blut gefunden wird.“ Hylias flehendes und doch anmutiges Lächeln brachte ihn wahrlich um… er spürte es, dieses unendlich, machtvolle Gefühl, dass sich in jede seiner Körperzelle einschlich, ihn so verteufelt schwach machte. „Sie ist irgendwo in den Welten… und sie braucht Schutz, bitte.“ Link schluckte erneut umständlich, fühlte ein Betäubt sein nicht nur in seinen Muskeln, sondern überall. Himmel, flehte er in Gedanken, er hielt diese pulsierende Energie in ihrer Nähe nicht mehr aus, dieses stetige, stärker werdende Kribbeln, für das es keine Neutralisation gab. Hylia hatte schlichtweg Macht über ihn. Schwerfällig nickte Link und bemerkte erst jetzt, dass er nicht mehr in der eisernen, smaragdgrünen Rüstung steckte, sondern wieder Jeans und T-Shirt trug. Auch das noch, dachte er. Wie war das eigentlich passiert? „Es kann durchaus sein, dass mein Blut in Hyrule gestrandet ist, irgendeinem Hyrule…“, sprach sie. „Aber ich lebe nun mal… leider nicht in Hyrule“, begann Link sich zu entschuldigen. Auch das war etwas, was er alleine mit sich herum schleppte, das Gefühl irgendwie nicht zu Hyrule zu gehören, warum sonst sollte er dann auf der Erde inkarniert sein? „Mmh, leider nicht, was?“, sprach sie geheimnisvoll. Das Glitzern in ihren göttlichen Augen jedoch erweckte einen Funken Schelm, der Link in ihren Worten Großes sehen ließ. Große Hoffnung. Große Begierden und große Abenteuer. Es klang beinahe so, als machte sich Hylia darüber lustig. Wusste sie etwas, dass sie ihm nicht erzählen konnte? „Was Hyrule angeht… weiß ich im Moment nicht genug“, rechtfertigte sich Link erneut. Wie sollte er auch nicht? Er trat hier in seinen menschlichen Ansichten vor eine Göttin, wie nur konnte er überhaupt auf gleicher Augenhöhe mit ihr sprechen? „Mmh, vielleicht kann ich auch hierbei behilflich sein, dir zeigen, was mit Hyrule geschah, dass du vielleicht einst kanntest. Ob du dies spüren möchtest, ist deine eigene unumkehrbare Entscheidung, bedenke, es könnte sehr traurig sein, beinahe zerstörerisch…“ Link hatte die gesamte Zeit seine Augen starr auf ihren wunderschönen, begierigen Mund fixieren lassen und doch hatte er von diesem Angebot überhaupt nichts verstanden. Sein Kopf schien wortleer, gedankenleer. „Link?“, sprach sie langsam, als ließ sie seinen Namen auf ihrer lieblichen Zunge zergehen. Die süße Betonung seines Namens ließ sein junges Herz erneut stolpern… Wenn nur Zelda seinen Namen auf diese verlangende, bedürfnisvolle Weise säuseln würde… Der wonnevolle Klang verriet so viel Hingabe, vor allem aber das eine übermächtige Gefühl, das Gefühl selbst gebraucht zu werden, von seiner Prinzessin gebraucht zu werden. Erneut summte sie seinen Namen mit dieser weichen, zerrinnenden Tiefe. „Link“, bis er aufsah. „Ich kann dir helfen zu wissen“, sprach sie und brachte ihn erneut mit dem Streicheln seiner Wangen durcheinander. „Okay“, murmelte er und musste sich innerlich an diesem Wort festhalten. Der Heroe hatte vielleicht nur eine Ahnung von dem verstanden, was sie ihm angeboten hatte. Dennoch ließ er sich darauf ein, benebelt von Hylias Lieblichkeit, verzückt von ihrer wohlklingenden Stimme. Als gefror für ihn die Zeit erneut, streichelten ihre Lippen seine Stirn, als sein Herz leidvoll pochte… Es pochte dahin, als er seine Augen schloss und er allmählich verstand, dass ihre Berührung ihm eine Lektion aus lebendigen Bildern schicken würde… Es war dieses überwältigende Gefühl eines Traumes, wie ein lebendiges Tuch gewebt aus fernen Gedanken, das sich in einer scheinbar auserwählten Nacht über das vorhandene Ich legen konnte und sich zunächst willkommen anfühlte mit dieser aufregenden Erinnerung an eine pulsierende Welt hinter den nächtlichen Schatten, die Welt, wie sie in einer größeren Wahrheit sich immer wieder neu entzündete. Ja, wie kleine, tanzende Funken, bildeten sie die jetzige, erfahrbare Realität hinter einem Schleier des Bewusstseins… und doch… und doch war ein Traum so oft zu schnell entronnen, die Realität in diesem Traum zu kurz fühlbar um noch einmal hinter den Schleier zu blicken, sich dort auf der anderen Seite entgegen zu treten, sich zu erinnern, dass es doch mehr gab als das jetzige Sein mit dürftigen Problemen. Spürbar und doch irgendwie verloren, weil er es nicht greifen konnte… Link spürte die tiefe Sehnsucht mit jedem Schatten der Nacht, mit jedem Traum, von dem er nicht wusste, ob es ein Traum war, einer dieser alten, vergänglichen Bilder, die sich dennoch so zermürbend in das jetzige Ich brennen konnten. Ja, er spürte es… immer wieder, gerade dann wenn es sich so anfühlte wie eben jetzt… verräterisch, reißend, traurig… unhaltbar traurig. Eine so unerklärbare Eigenschaft seiner Träume, so machtvoll, dass er glaubte sein jetziges Ich darin zu vergessen. Sobald er die Augen für die Nacht schloss, zerstückelte die Welt sein jetziges Ich, nur um ihn an seine Heldenseele zu erinnern. Jede Nacht tanzten die Feuer seiner Reinkarnationen, jede Nacht entriss ihm sein jetziges, menschliches Herz, nur um es neu zusammenzusetzen. Und vielleicht, weil er das Gefühl schon kannte, ließ sich Link auf diesen bekannten Schmerz ein, auf das Gefühl, als folterte ein Traum sein jetziges Ich, das blanke Entsetzen die Welt brennen zu sehen… in grausamen rot violetten Flammen… immer und immer wieder, nur geboren dann, wenn die Welt blutete. In ihm tobte ein Traum, so nahm er an, denn es fühlte sich genauso undurchdringlich an. So wie damals, als er von schreienden Horden der Bestien verfolgt auf entstellten, herbgrünen Wiesen eine makabre Festung der Dunkelheit im Blick hatte. So wie damals, als er durch Pfützen voller Blut hetzte, eine flüsternde, gleißend scheinende Klinge in der Hand… ja, so wie damals, als er kämpfte mit allen legendären Eigenschaften der Welt, hier am Ende der Gezeiten… Und doch war es kein Nachtschatten, es war die einschneidende Realität, die doch hinter der Verwirrung und Entstellung seiner Traumwelt Lebendigkeit und Trauer erfuhr. Er konnte sich selbst nicht fassen, sich körperlich kaum begreifen, sich nicht fühlen und wahrnehmen. Aber etwas anderes Erschreckendes tanzte hier am Ende einer Welt, die sich in Tausenden Flammen aufzulösen drohte immer und immer wieder. Etwas Unerklärliches zog über das alte Land der Göttinnen, wo seine Seele zuhause war. Wie ein Gemälde lag Hyrule vor ihm, entzückte jede Faser seines Herzens mit vollkommende Freude, als er die silbernen Flüsse sah, die sich durch das satte Grün ewigwährender Täler zogen, diese majestätischen Gipfel, die sich danach sehnten den Himmel anzulachen, dieser süßliche Waldgeruch nach Freiheit und Abenteuer, der seine Nase kitzelte… Ja, friedvoll könnte diese Welt sein, die sich hinter dem Vorhang seiner Seele preisgab… wäre da nicht ein einnistendes, fauliges Überbleibsel seiner Erinnerungen. Ein hässlicher Irrtum des Schicksals vielleicht… eine stinkender Nebel, unvollkommen, unnatürlich, der sich an die alte Welt heranpirschte wie ein todbringender Jäger. Leise kroch er dahin, zunächst kaum sichtbar, zog seine Kreise und nahm der gewöhnlichen Existenz der Dinge das Antlitz, eine modrige Gefahr wie eine Schlinge um den Hals, die sich fester zog… und fester… und fester… Link fühlte sich nirgendwo hier und gleichzeitig überall an diesen einst so magischen Orten und überall nahm etwas Verdammtes dieser geheiligten Welt das so atemberaubende Gesicht, das im Lichte glitzernder Sonnenstrahlen so viele Wunder hütete. Wie ein Geschwür eiterten die Fehler in Hyrules Geschichte, überdeckten alles mit Unvollkommenheit, mit Blässe… Und das Gemälde, welches Link so bewunderte von diesem hohen Punkt aus, verblasste… Nach und nach vergingen die magischen Orte Hyrules unter der Last der verblassenden Macht. Reißende Ströme, die Hyrule mit Wasser versorgten, wo anmutige Zoras geschmeidig tauchten, verfielen dem Nebel… Der rotglühende, höchste Berg Hyrules, wo die stolzen Goronen liedersingend um Feuer tanzten, verfiel dem Nebel… selbst die Steppe mit ihren Dörfern und Städten der Hylianer, jenem herrschenden Volk, das nach dem Vorbild Hylias erschaffen wurde, verfiel dem Nebel… jede Magie wich aus der alten Welt mit diesem gierigen, verschlingenden Dunst der Nichtexistenz. Hyrule verging und verblasste… Es war nicht zu stoppen, hier war kein Kampf zu gewinnen und vielleicht war kein Dämon schuld, den man bezwingen musste. Der Weltenstrom hatte Hyrule aufgegeben, so wie jeder es aufgegeben und verlassen hatte, bis auf ein einzelnes, goldenes Licht, dass auf den Weiten der einst so blühenden Steppe pulsierte und leuchtete. Sie leuchtete für ihr Land mit einer tosenden Stärke, die Link innerlich auf die Knie zwang. Ihre unsterbliche, sture Hoffnung für alle Zeit ihrem Land zu dienen, schickte Link in bedrängendes Entsetzen. Die Prinzessin des Schicksals war die letzte Wächterin der alten Welt, schwebte über verblassende Wiesen mit einem weinroten Kleid verziert mit goldenen Stickereien… Ein Gewand, das er an ihr gesehen hatte am Anfang ihrer Erdengeschichte… Dieses starke, überwältigend schöne Mädchen wandelte allein auf den verblassenden Weiten ihrer märchenhaften Welt Hyrule. Sie, sein geheimes Licht, seine wunderschöne Prinzessin, wandelte wie der letzte Geist einer toten Welt durch ihr einstiges Königreich, vergessen und einsam. Ohne die wärmende Wonne einer tröstenden Berührung. Ohne die mitfühlende Stärke einer schützenden Umarmung und ohne die liebevolle Nähe eines Seelenverwandten. Ihr beispielloses Opfer erschreckte ihn in der endlosen Tiefe seines Seins. Zelda war allein in dieser alten, leeren Welt… So mutig, so ohne Irrtum mutig… und doch allein. Und er war nicht da… Er war untergegangen in dem Meer der Wiedergeburt so wie alle anderen. Er war nicht an ihrer Seite geblieben… er, von allen, die Zelda näher waren, er, von allen, die kämpfen konnten, hatte sie allein gelassen, hatte sie im Stich gelassen. Wie nur sollte er jemals in Worte fassen können, was Zelda bereit war für Hyrule zu tun? Wie nur sollte er ihr jemals beistehen, bei dem, was sie erlebt hatte… und wie sollte er ihr jemals Trost für diesen Schmerz spenden, den sie fühlte? „Ich habe… versagt…“ Ein reines, menschliches Gefühl entlockte ihm diese Vision mit den ersten wirklichen Tränen seiner Erdengeschichte. „Ich habe… versagt“, wiederholte er, beinahe selbstquälerisch. Voller Trauer zeigten sich seine unvergesslichen, schönen Heldenaugen, wo das tiefblaue Meer wartete. „Ich habe versagt sie zu beschützen…“, sprach er mit all der Liebe, die er für seine Prinzessin empfand und dem Wunsch sein Versagen ungeschehen zu machen. Seine und Zeldas Geschichte, die auf der Erde auflebte, ging viel tiefer als er dachte. Und ein Teil in ihm ahnte um die Grausamkeit, derer sie beide immer wieder ausgeliefert waren. Er und Zelda hatten einander, vielleicht um sich zu stärken, vielleicht sogar um sich zu lieben… aber auch um den Schmerz ihrer Aufgaben und Prüfungen, den Schmerz des Unverständnis, sogar den fühlbaren, menschlichen Hass, aneinander auszulassen… Zeldas Verhalten ihm gegenüber, als sie ihre Erinnerungen wiedergewann, kam ihm in den Sinn, der leidvolle Ärger ihrer Fluch beladenen Erinnerungen, ihre folternde Abweisung… und ein übermächtiges Gefühl schlich sich in sein Herz. Hatte er ihre Abweisung vielleicht tatsächlich verdient? War er Schuld an dem eisigen Schatten in ihren himmelblauen Augen? Wie schlimm musste diese neue Welt für seine Prinzessin sein, wenn sie ihre eigene Welt sterben sah, wenn es niemanden gab, der sie in dieser schlimmsten Stunde ihres Seins hielt? Wie stark musste dieser traumatische Schmerz sein… und wie stark war Zelda um dies auszuhalten? Link wusste, dass es für seine Prinzessin ungeheuer schwer war hier auf der Erde zu sein, aber erst jetzt realisierte er das Ausmaß… Ein Teil der Seele Zeldas war mit Hyrule gestorben… Innerlich spürte der Heroe das erste Mal, seit er in dieser Welt sein Bewusstsein fand, ein so düsteres Brodeln seiner Bestimmung, dass es ihm schwer fiel, sich auf den Beinen zu halten. Er nahm einen schnappenden Atemzug und versuchte den Schmerz, der sich fressgierig in seinem Herzen sättigte, zu verdrängen. Wie nur konnte er so dermaßen blind sein? Zelda litt mehr als er es hätte erahnen können. Er führte eine zitternde Hand an seine beiden Augenwinkel, wo sich Tränen gezeigt hatten und versuchte sich, so wie immer, an Mut und Hoffnung zu stärken… aber gerade in jener Sekunde ging es kaum. „Link“, riss Hylia ihn aus der einnehmenden Düsternis. Mit einem Zucken blickte er sie an, versuchte den Schmerz mit mehreren Zwinkern wegzuspülen. Er war käseweiß, und hatte an dem überfordernden Schmerz seine gesamte innere Stärke eingebüßt. „Du kannst nicht gegen alles ankämpfen“, sprach sie ruhig und drückte den überforderten Jugendlichen in eine heilsame Umarmung, so wie nur eine Göttin umarmen konnte, vorsichtig, rein, beinahe behütend. „Wohingegen du Zelda noch immer beschützen kannst.“ Sie drückte seinen blonden Kopf sanft an ihre feste Schulter, an das seidene Gewand, wo Links rechte Wange von dem hellblonden Haar gekitzelt wurde, wo seine Nasenspitze einen leicht herben, erfrischenden Duft einsaugen konnte. Ja, irgendwie roch es nach Federn… Er spürte ihre Hände streichelnd an seinem Hinterkopf und die seltsame Unruhe von vorhin, das kribbelnde Gefühl in ihrer Nähe verschwand, stattdessen fühlte er sich beinahe mütterlich behütet… „Du kannst Zelda immer noch beschützen“, wiederholte sie. Er nickte, versuchte sich an dem Gedanken stark zu machen. Er trat einen Schritt zurück und blickte mit Schwermut zu Boden und für einen Bruchteil flimmerte diese andere Realität vor seinen Augen, als schwankte plötzlich dieses kristallene Gemach Hylias unter einer Erschütterung des Himmels. „Was war das?“ „Das Zeichen, Held. Du musst dich nun bald auf den Weg machen“, murmelte sie schließlich. „Doch vorher…“ Und in ihrer Hand balancierte sie das kleine Gläschen mit dem so bestialischen Artefakt Ganondorfs, das auch hier zischende Vibrationen aussendete. Wie hatte sie dieses eigentlich aus seiner Hosentasche entwenden können, fragte er sich. Sie antwortete, in dem sie lediglich grinste. Und da verstand Link mit fahlem Ausdruck, dass Hylia sich viel schneller zwischen den Sekunden bewegen konnte als Sterbliche. Hatte sie etwa weitere Dinge erfahren und getan, die sich dem Verständnis Links entzogen? Und plötzlich, auch dies hatte Link nicht wahrgenommen, verlor der Splitter Zarnas sein bestialisches Glimmen, stattdessen leuchtete er weiß und pulsierend, angenehm wie eine aufgehende Sonne. „Ich habe den Splitter gereinigt. Nun wirst du ihn zu einem neuen Nutzen führen.“ Behutsam legte sie den gereinigten Splitter in seine Hände. „Von ihm geht nun keine Gefahr mehr aus… vielleicht kann dieser einzelne Splitter Großes bewirken“, meinte sie und sprach in Rätseln, aber genauso gewandt wie Zelda es manchmal tat. „Ihr seid meiner Zelda so ähnlich…“, sagte er bedeutungsvoll und begann in den Worten seinen Abschied anzuklingen. Sie lächelte einmal mehr geheimnisvoll. „Es ist nur ein Spiel, nicht wahr?“ „Und doch mehr als das… zumindest für mich“, sprach er und erneut flimmerte für eine Sekunde diese alte Welt vor seinen Sinnen. Er ahnte, dass er hinwegdriften würde, ahnte, dass er ohne jede Schwierigkeit zurück nach Hause finden würde, zurück aus diesem irrsinnigen Abenteuer. „Ich danke den Erfindern unserer Legende aus deiner Welt… ohne sie und all die Wesen, die unsere Welt beschreiben, unsere Welt lebendig und erfahrbar machen, ohne sie hätte ich meinen Lebenssinn nicht, hätte ich meinen Heroen nicht“, murmelte Hylia hingebungsvoll. Wie ein Gebet flogen die Worte über ihre schön geschwungenen Lippen, und einmal mehr flimmerte es vor Links Sinnen. „Und ich hätte ohne sie meine Prinzessin nicht…“, antwortete er mit umschmeichelnder Wärme, die seine Ideale aus seinem inneren Wesen herausfunkeln ließ. Er schwor sich, nicht noch einmal zu versagen, beständig bei ihr zu bleiben… Niemals wieder würde er sie verlassen, egal, welche Mächte er bekämpfen musste. Auch wenn er gegen Zeldas Sturschädel antreten musste… Und alles, was ihm aus dieser Realität noch blieb, war das sanftmütige, erhabene Lächeln einer Göttin mit goldenem Haar und unermesslicher Liebe, die sogar ihm zuteil wurde. Erneut flimmerte es vor ihm, als würden sich Dimensionen überlagern und neu zusammensetzen. Und als er diesmal seine Augen aufschlug, atmete mit aller Kraft um seine Lebensenergie anzufeuern, blendete ihn das Sonnenlicht der Erde und ein salziger Wind erinnerte ihn an das weite Meer. Er war in Irland, erneut… Er war ohne Mühe heim gekehrt… oder war er vielleicht niemals hier zuhause gewesen? Etwas orientierungslos sah Link drein und ließ sich geschwächt einfach zu Boden sinken, wo sich das seichte Meer über den Sandstrand ergoss. Er stützte seine Arme auf die Knie und vergrub seinen mit Zweifeln gefütterten Schädel im Schoß. Das warme Meer um seine Fußknöchel schwappte beruhigend dahin… Er war nach Irland gereist um Abstand von allem zu finden und was fand er stattdessen? Weitere teuflische Fragen, weitere brennende, zweifelhafte Antworten… Link war so mit sich selbst beschäftigt, so verloren in seinen überwältigenden Erlebnissen aus dem Götterreich, dass er sein Hiersein in Irland kaum einordnen konnte und auch Sian, der neben ihm hockte und ihn ohne Anhalt anstarrte, kaum registrierte. „Link! Wo, in Hylias Namen, warst du?“ Müde und das Hiersein auf der Erde noch nicht begreifend, fiel es Link sogar zu schwer seinen Kopf zu heben. Warum fühlte sich hier auf der Welt, die doch sein Zuhause war, jede Körperbewegung, jede Regung, so verdammt schwer an. „Link, hast du völlig vergessen, warum wir hierhergekommen sind? Ich habe dir den Vorschlag gemacht in Trance zu gehen…“, tobte Sian und trat nervös hin und her, der immer so kühle, gefasste Sian, den doch eigentlich nichts überraschen konnte. Aber diesmal hatte Link den Spieß umgedreht. „Nur warst du für einige Minuten völlig weg“, aufgebracht ließ sich Sian ins seichte Wasser sinken, sodass Link einige Wasserspritzer abbekam. Und es tat ihm gut diese zu spüren, diese bekannte Empfindung zu spüren, zu wissen, dass er hier war, lebendig. „Was heißt völlig weg?“, murmelte Link endlich und sah aus müden Augen in die rubinroten des einstigen Schatten. „Nun ja, körperlich weg!“, sprach Sian aufgebracht. „Du hast mir einem verdammten Schrecken eingejagt.“ Er war also wirklich im Götterreich gewesen, auch wenn sich der Aufenthalt dort für ihn über Stunden gezogen hatte. Er hatte sich sein Abenteuer nicht eingebildet und all die Erfahrungen dort entsprachen einer alptraumhaften Realität. Hylia war echt… die grimmige Gottheit war echt… Zeldas Trauer… war real… Und dass er tatsächlich weit weg war, an einem Ort voller Mysterien, bewies eine unzweifelhafte Tatsache. Link kramte in seiner Hosentasche nach dem verruchten Splitter der Dämonenkriegerin, öffnete die winzige Phiole und hielt Sian das gereinigte Element unter die Nase. „Wie hast du…?“ Noch immer stand Sian unter Schock. Link rieb sich über die Augen und seufzte. Er konnte es dem blonden Schönling im Moment nicht erklären, selbst wenn er wollte. Er konnte einfach nicht… alles, woran er gerade nur denken konnte, was sein Herz mit schweren Steinen füllte, war sein Versagen an der Prinzessin des Schicksals. Der wiedergeborene Shiek bemerkte den heftigen Schmerz in Links tiefblauen Augen, welcher beinahe aus seinen Blicken heraus zu pochen schien und begann sich selbst beruhigend dem Helden eine mitfühlende Hand auf die Schulter zu legen. „Das Kraut hat also tatsächlich etwas bewirkt?“ Irritiert sah Link nun doch auf und erblickte in Sians anderer Hand zwei angezündete, handgedrehte Zigaretten. „Ich habe eingewilligt dieses Zeug zu rauchen? Was ist das?“ Auch das noch beschmutzte Links Gefühle im Augenblick. Irgendwie fühlte er sich kaum mehr wohl in seiner Haut. Sian bemerkte auch diese Gefühlswallung in Link, aber ließ ihn sich nicht weiter quälen. Was immer auch geschehen war, gerade Link hatte es nicht nötig sich in irgendeiner Weise so gehen zu lassen. „Komm‘, die Ebbe ist wieder da, lass‘ uns zurückkehren.“ Sian erhob sich blitzschnell und hoffte, er beförderte Link aus seinen Zweifeln. „Willst du gar nicht wissen, was ich erlebt habe…“, sprach der Heroe leise, beinahe so, als hoffte er es damit ungeschehen machen zu können. „Nein, dies ist deine Antwort, deine allein. Ich hoffe jedoch, du hast gefunden, wonach du gesucht hast.“ Und als Sian seine Worte beendet hatte, erlag er dem einnehmenden und quälerischen Zauber von Links schmerzbeladenen Gesichtszügen. Der junge Held hatte seine Antworten gefunden, vor allem jene, die ihm am stärksten auf der Seele lag. Das stille und tiefe Wissen, dass es sein Schicksal war das Mädchen mit dem Namen Zelda zu finden, mit ihr gegen das zu kämpfen, was auf sie beide wartete… verbunden zu sein über stille Freude und altes Leid. Und vielleicht war es auch sein Schicksal, dass er sie liebte… Als sie beide durch das seichte Wasser tapsten, blickte Link noch einmal melancholisch zurück… für einen Sekundenbruchteil war er sich sicher Hylia in ihrer bittersüßen Anmut auf einem der Felsen sitzen zu sehen, sie summte ihr Lied und spielte die Harfe… ewiglich und unvergesslich. Und irgendwo in einer unerreichbaren Dimension, wo Zeit ein anderes Gesicht trug, da saß Hylia tatsächlich auf einem Felsen, dort wo das Meer mit goldenen Wellen aufschäumte… und sie spielte und sie sang… ewiglich und unvergesslich. Kapitel 34: Leon Johnson ------------------------ Schwer atmend, sein agiler, drahtiger Körper berauscht von stoßweiser, kräftigender und so verdammt anstachelnder Ausschüttung von purem Adrenalin, trat Link im fleckigen Lichte misstrauischer Dämmerung auf einst so geweihtem, süßlich duftendem Waldboden. Herbe Pilze, bedeckt von abendlicher, feuchter Luft, die salzige Meerbrise in der Ferne und wenige duftende Gräser vermischten sich zu einer feinen Note der Natur, bewirkten vielleicht sogar, dass der junge Heroe sich sammeln konnte, einen ungehaltenen Zorn in dieser Wildnis begraben konnte. Einmal mehr atmete er stoßweise, ließ seine beiden blutbefleckten Dolche mit einem Wimmern zu Boden krachen und stützte sich auf seine Knie. Einige Schweißperlen rieselten von seiner Stirn an abwärts, sickerten dahin in den weichen Waldboden… sickerten genauso wie das schwarze Blut dahin, das aus tiefen Wunden zahlreicher Wolfskreaturen triefte. Stetig sickerte das böse Blut dahin, tropfte beinahe plätschernd und doch so böswillig… Entstellt, tödlich verwundet, lagen sie in dem Umkreis ihres Vernichters, zwölf vom Bösen zerfressene Geschöpfe, gejagt und doch nur aufgeschlitzt zur Befriedigung düsterer Bedürfnisse eines jungen Mannes, der die Welt nicht mehr verstand… Erst vor wenigen Stunden war Link aufgebrochen in eine andere Welt, hatte für wenige Minuten ein Abenteuer in einer Realität fern abseits erlebt, fühlte sich durch jene Geschehnisse wachgerüttelt auf eine Weise als hätte man ihm in einem schlafenden Zustand eine heftige Ohrfeige verpasst. Es war nicht nur, dass er sich durch die Demütigung durch den grimmigen Gott in der Arena der Schande irgendwie schwach fühlte, oder schlichtweg konfrontiert mit Versagensgefühlen, weil Zelda Hunderte von Jahren in einem verblassenden Hyrule wandelte… allein und ohne ihn. Nein… Winselnd stützte er sich gegen einen alten Laubbaum, spürte morsche Rinde unter seinen Fingern und grub seine Nägel in das Holz. Nein, murmelte er in Gedanken. Es war dieses teuflische, hinterhältige und hoffnungslose Gefühl, dass er, seit er denken konnte, sein Leben in die falschen Bahnen gelenkt hatte. Dass er von Anfang an mit mehr Ehrgeiz und Mut an sich und seinen Idealen gearbeitet, für seinen Glauben hätte einstehen müssen. Stattdessen war er wie ein Gespenst seinen Wunschträumen hinterher gelaufen, hatte sich in Tagträumereien verloren und wertvolle Lebenszeit ungenutzt gelassen. Vielleicht hatte er nicht alles falsch gemacht, er war kein Idiot. Aber… und schon wieder waren da diese zweifelhaften Abers… Er hatte zu viele Fehler gemacht… Von Anfang an waren da so viele Chancen sich selbst zu finden, zu verstehen, wer er war und vielleicht über dieses Wissen Pläne zu schmieden Zelda zu retten und Ganondorf aufzuhalten. Und stattdessen hatte er ein unbefriedigendes Leben gelebt, sich hingehockt um auf einem Bildschirm sich immer wieder mit Bildern eines möglichen früheren Lebens zu belasten anstatt sich an Impa zu wenden und die weltweite Gefahr zu bannen… Und es war verdammt nochmal zu spät, dachte Link und grub seine Fäuste beide in die Rinde eines Laubbaumes, spürte den Schmerz nur kurz aufflackern angesichts des Stromes an Adrenalin, das noch immer durch seinen Körper tobte. Es war zu spät für so viele fatale Entscheidungen, für alles, was er hätte anders machen müssen. Die Welt stand an einem unentrinnbaren Abgrund und er hatte nichts getan! Genauso wie er nichts getan hatte Zelda aus dieser Hölle eines leeren, verblassenden Hyrule heraus zu holen! Wie nur konnte er so unglaublich unreif sein mit allem, was in den letzten Monaten geschehen war. Er war ein dummes, ungeduldiges und naives Kind… Ja, er musste sich geschlagen geben, erkennen, dass die jüngsten Ereignisse ihm irgendwie den Rest gegeben hatten. Ja, vor allem nach den Erlebnissen im Götterreich war Link irgendwie am Ende… am Ende seiner Fragen, am Ende seiner Selbstsicherheit… Mit einem quälenden Schluchzen aus seinem Mund sank er zu Boden, lehnte sich den Kopf unter den Armen vergrabend an den alten Baum und wusste, dass es niemanden gab, der ihn diesmal aus den Zweifeln herausbefördern konnte. Nicht sein heimlicher Schutzengel, nicht Sian, nicht einmal Zelda… Diese verdammten Gewissensbisse musste er selber aus dem Weg räumen. Das Gefühl untätig gewesen zu sein, während die Welt blutete, musste er selber aushalten… Nur deshalb war er in die Wälder gelaufen, nur um sich irgendwie nützlich zu fühlen, hatte er die dämonischen Wölfe gejagt, aber es war nicht einmal ansatzweise genug… Seine tiefblauen Augen schillerten in einem verlorenen Glanz ungestillter Erwartungen, während er aufblickte und schattenhafte Ausläufer der Nacht über den geheimnisvollen irischen Wald zogen. Ob Ines, Dar und Richard Raunhold, genauso wie Naranda Leader, die doch um die Bedrohung durch Ganondorf wussten, Pläne geschmiedet hatten? Waren sie, obwohl sie sich scheinbar an ein früheres Dasein erinnern konnten, genauso untätig gewesen wie er? Und was war mit Sian und seinem Vater? Link grub seine vom Kampf gezeichneten, rissigen Hände in das wilde, heublonde Haar, und fragte sich, wie es in nächster Zeit weitergehen würde. Kämen weitere von Ganondorf gesandte Höllenkreaturen so wie der Drache, die er vernichten musste? Hatte Ganondorf Pläne bezüglich dem Umgestalten der gesamten Weltordnung? Verlangte er vielleicht so etwas wie eine Regentschaft? Wie nur würden die nächsten Wochen verlaufen… und wann kam der unausweichliche, große Kampf? Link erhob sich träge, spürte den befriedigenden Nachhall des Kampfes, das Abklingen der anfeuernden Stresshormone und seufzte, mitleidig auf die gefallenen Kreaturen blickend. Was auch immer sein alter Feind beabsichtigte, ein gruseliger Gedanke zog gänsehautproduzierend an Link vorüber, Ganondorf würde nicht dieselben Fehler von damals wiederholen. Es würde nicht bei dämonischen Kreaturen bleiben… Er hatte Milliarden Menschen, die er versklaven und benutzen konnte. Links kräftiges, gesundes Herz trommelte mit einnistenden Entsetzen. Es gab keine Siegelkraft, die ihn bannen konnte. Kein heiliges Reich, in das er gesperrt werden konnte… und vielleicht nur einen einzelnen, schwachen Helden, der ihm noch nicht gewachsen war. Die Erde musste ein riesiges Paradies für diesen alten, kranken Mann sein… Etwas trockener Speichel hing dem Heroen in der Kehle, als er seine schmierig nassen Dolche vom Boden hob. Er versuchte mit dem Speichel alle unerwünschten Gedanken und Zweifel hinunter zu schlucken und richtete seinen Körper in die Höhe, ließ seine Brust anschwellen und ließ einen Hauch seiner alten Natur an die Oberfläche… Verwegen erhob er sich, als die Zweifel in seiner tiefen Seele untergingen, seine leuchtend blauen Augen schnitten durch die zunehmende Dunkelheit wie geeister Stahl… Zum Trotz, entschied der junge Held. Es gab keinen Zweifel, der ihn davon abhalten würde seine Pflicht zu erfüllen. Es gab keine Pflicht, vor der er zurückweichen würde. Und es gab keinen Kampf, vor dem er weglaufen würde. Er erhob sich auf eine Weise, die sein tosendes Lebenslicht leuchten ließ. Selbst mit der geringsten Chance auf den Sieg würde sich Link seinem Schicksal stellen, würde sich Ganondorf stellen. Und selbst ohne jegliche Erinnerung an sich und seine einstige Persönlichkeit erblühte die Kämpferehre in ihm und sein reinstes Ideal Zelda auf ewig zu beschützen. Und es war dann, dass er auf seinen flinken, starken Beine durch die Wälder hetzte, einem alten Ruf folgte und weitere Kreaturen der Finsternis jagte. Er war nicht untätig, nicht mehr… und es war in den nächsten Tagen seines Irlandaufenthalts, dass er nur mehr die Einsamkeit suchte, seine Bestimmung mit allem füllte, was ihn auszeichnete, sich selbst endlich als Krieger spürte… Link ging aufs Ganze, schwamm bis zur Erschöpfung in den Fluten des Meeres, durchforstete die gesamte Nacht die angrenzenden Ortschaften nach Menschen, die einen teuflischen Splitter Ganondorfs in sich trugen und befreite diese davon. Wie besessen von einem neuen Kämpferwahnsinn vermied der junge Held den Schlaf, nutzte jede Sekunde, als würde er tatsächlich die Zeit manipulieren. Er vermied den Kontakt zu seinen neuen Bekannten und lauschte einer alten, beinahe gefährlichen Stimme in sich, die ihm strikte Anweisungen gab. ,Kämpfe endlich! Geh‘ an deine Grenzen, prüfe dich.‘ Und Link folgte... Link ahnte es nicht, aber es waren diese Momente voller Zweifel, die Momente, in denen er diese ausräumte, seinen inneren Schatten bekämpfte, und neue Stärke erklomm wie ein Bergsteiger den höchsten Gipfel. Link ahnte nicht im Geringsten wie ungeheuer mutig und mächtig diese Prüfungen ihn werden lassen würden. Und er ahnte nichts von seiner wahren Natur, die in ihm aufbegehrte mit jedem Schwertstreich, mit jedem besiegten Monster und mit jedem überwindbaren, zweifelhaften Hindernis. Er hatte keine Wahl als seinen Körper und Geist mit dieser scheinbar nutzlosen Tat zu fordern. Er tat, was er immer tat… tapfer die Hürden annehmen und bewältigen. Mit etwas mehr Zufriedenheit, die sich Link in den letzten Tagen durch seine Taten erarbeitet hatte, saß er in der Schlafstube des Bungalows und packte seine Taschen. Morgen wäre der Tag, um abzureisen, vielleicht auch um zurückzukehren in die kleine Scheinwelt Schicksalshort, die ihm wie eine Stadt unter einer Glasglocke vorkam. Der junge Mann erinnerte sich träge, dass er doch eigentlich seine Heimatstadt kaum verlassen hatte, obwohl er schon sehr lange die Sehnsucht spürte andere Länder zu bereisen. Noch ein unerwünschter Gedanke, der in ihm brannte. Warum hatte er sich diese Welt bisher kaum angeschaut… Mit einem Seufzen ließ sich Link auf das Bett sinken und vergrub seine Hände in den wilden, heublonden Strähnen seines vollen Haares. Ob er sich die letzten Tage nicht doch übernommen hatte? Es war nicht so, dass er sich müde oder erschlagen fühlte, nein, eher im Gegenteil. Das erste Mal seit längerer Zeit fühlte er sich voller Ehrgeiz, Tatendrang, beinahe nützlich und hoffte, dass sein Versuch Menschen von der dunklen Energie Ganons zu befreien irgendetwas bewirkte. Ob sein alter Feind dadurch angestachelt wurde erneute Alptraumkreaturen auf ihn zu hetzen, fragte er sich und blickte nachdenklich aus dem Fenster. Die grauenerfüllte Vision vom Verblassen Hyrules weilte kaum mehr in seinen Gedanken, wie alles, was vom Götterreich geblieben war. Es erschien ihm als war da eine göttliche Hand, die ihn davor bewahren wollte seinen Verstand angesichts der traurigen Bilder und des Schmerzes, zu verlieren. Er wusste, was er erlebt hatte, konnte es jedoch nicht mehr mit dieser Intensität der folternden Bilder spüren, wofür er dankbar war. Dennoch… als sich seine tiefblauen Augen beherrscht und eine Mildtätigkeit spiegelnd auf den schattigen, grünen Hügeln Irlands verloren, kam er nicht umher dieses Land der Erde mit dem winzigen Bruchteil einer verblassenden Erinnerung an das Land seiner Seele zu vergleichen. Hyrule war wunderschön und voller Abenteuer, sodass es eine Seele kaum mehr losließ. Wie nur sollte Zelda es jemals loslassen können? Sie war mit Hyrule untrennbar verwoben. Sie war von Hylias Blut… Link erhob sich, seine kampfbereite Statur ein unbegreifliches Zeichen des Mutes, als er der Verwirbelung Hunderter Gedanken kaum Struktur abgewinnen konnte. Noch waren so viele Fragen nicht für ihn geklärt worden, noch hingen zweifelhafte Ableger über ihm wie kleine Gewitterwolken, auch wenn er durch seine neuerlichen Taten reinigendes Licht auf diese scheinen lassen konnte, so und nicht anders, entschied Link. Genauso würde er auch den restlichen Fragen auf den Grund gehen, und für sich beantworten. Fragen wie jene nach dem Ursprung Hyrules auf der Erde, das animierte Wunder legendärer Spielmacher und eine unumstößliche Dankbarkeit, die daraus erwuchs. Und die Frage nach Zeldas magischem Erwachen auf der Erde. Wie nur hatte sie es geschafft als geisterhafte Figur in dieser Realität zu stranden in einer vom Nebel erstickter Nacht, und ausgerechnet von Link gefunden zu werden, einem depressiven Jugendlichen mit dem Wunsch der Erde zu entrinnen? Wie hypnotisiert verloren sich Links tiefblaue Augen am geweihten Horizont der modernen Welt, geblendet von einem stürmischen Sonnenuntergang, mit rasendem Tempo schien der sich nähernde Sturm riesige Wolkenfetzen hinter sich her zu ziehen, schleuderte gefahrprophetisch dunkle Flecken Wolkenmasse über die abendliche Welt… Mit alten Wünschen auf den Lippen krabbelte der junge Held über das Bett und stützte sich auf die Fensterbank. Es war vielleicht das erste Mal in seinem Leben, dass er das Bedürfnis verspürte beten zu müssen. Seine Augenlider fielen hinab, sein konzentriertes Gesicht ein Spiegel seiner Aufrichtigkeit und Treue für seine Ideale. Er faltete die Hände, ein bisschen eigenwillig vielleicht, nicht in einer Haltung, die auf der Erde üblich war, und doch ebenso bedeutungsvoll und rein. Er betete für einen guten Ausgang der Ereignisse, für die Sicherheit der erfahrbaren Welt, betete für ein wenig Hoffnung und ein kleines Wunder. Er betete zu Hylia, die einzige Göttin, die ihm in diesem tiefgehenden, edlen Wunsch beistehen konnte… Welcher Gott sollte seinen Zwiespalt jemals mit diesem Verständnis und anteilnehmender, mitfühlender Herzensgüte begegnen außer Hylia? Und je mehr er betete, andächtig, hoffnungsvoll, umso schwerer fühlte sich sein Herz an, beladen mit uralten Gedanken an grausame Fügungen, sodass er einen kratzigen Laut aus seiner Kehle rollen ließ… Gerade da bemerkte er seinen Mitbewohner Patrick, den Link seit einer Woche vermieden hatte zu sehen. Nach dem Drachenkampf und den halboffenen, und umso merkwürdigeren Gesprächen, die sie beide geführt hatten, war Link nicht sehr erpicht gewesen, noch weitere Details seiner Legende aus seinem vorlauten Mund erklingen zu lassen. Außerdem… er wollte den neugierigen Zeldafan nicht mehr als nötig in die weiteren Geschehnisse hineinziehen, auch er gehörte zu den Menschen, die beschützt werden mussten. Patrick van der Hohen blickte überprüfend zu Link, vielleicht um sicher zu gehen, dass er sich ihn nicht eingebildet hatte oder vielleicht auch nur um sich von seinem körperlichen Zustand zu überzeugen. Er würde es Link nicht auf die Nase binden, aber… aber er gab gerne zu, dass er sich irgendwie als Zeldafan Sorgen um den Helden aus Hyrule machte und nicht nur das. Er nahm wirklich Anteil an dem Schrecken, den Link durchmachte, nahm Anteil an allen Schicksalsschlägen und würde sein Bestes geben, um Link zumindest ein Unterstützer zu sein. Aber im Augenblick fiel es ihm wahrhaft schwer den heroischen Blondschopf überhaupt anzusprechen, immerhin war es fünf Tage her, dass er ihn zuletzt gesehen hatte… „Ich war nicht sicher… ob du noch hier in Irland bist“, begann Patrick zaghaft. Er hatte eine jungenhafte Stimme, klar und sortiert, keine raue Begleitung. „Wie… wie geht es dir?“, setzte er unsicher hinzu. Oh ja, er war verdammt unsicher, und auch Link hörte dies mit seinem sechsten Sinn, einem leichten Zittern in der Stimme. Aber Pats Besorgnis überraschte ihn dennoch, sodass sich Link vom Fenster abwand und mit glasigen Blicken den unsicheren des Jugendlichen begegnete. „Ich glaube, ganz gut soweit…“, entgegnete Link, noch immer irritiert, weshalb Patrick sich wirklich um ihn sorgte… so wie er hier auftrat, den Kopf beflissen geneigt, ein ,Breath of the Wild‘- T-Shirt an seinem dürren Oberkörper. Doch da setzten sich Links Gedankengänge fort, entwarfen ein verzweigtes Puzzle, das ihn beinahe in Erstaunen versetzte. Patrick war einer der vielleicht größten Zeldafans, er war ein konsolenliebender Narr mit beneidenswerter Phantasie und himmelte eine Geschichte an, die nur oberflächlich ein wunderschönes Märchen war. Unter der Oberfläche lag eine Jahrtausende alte Geschichte über dämonische Abgründe, fallende und siegende Helden und Verzweiflung edler Regenten. War er wirklich um Links Wohlergehen bemüht? Ahnte er um den dunklen Vorhang, der sehr bald über die Welt fallen würde? „Morgen geht’s endlich wieder heim“, sprach er leise und schien dem Helden nicht in die Augen blicken zu können. Leichte Röte zog sich in Patricks Gesicht, vermischt mit kantigen Stillhalten in seinen straffen Gesichtszügen. Konnte es sein, dass er mit aller Gewalt versuchte jede Regung zu unterdrücken. Fürchtete er sich vielleicht vor dem, was Link in seinen Zügen entdecken könnte? „Freust du dich denn nicht auf zuhause“, fragte Pat, beinahe starr und schluckte. Da wurde Link bewusst, dass Patrick nervös war. War er nervös wegen ihm? Weil er der Held Hyrules war? Der leibhaftige Link. Der, der wirklich atmete und keine Einbildung. Wie musste sich der van der Hohen fühlen, als er verstand, dass sein Lieblingsspiel real war? „Doch schon“ und damit brach Link weiterhin die Stille, seine Stimme klang kratziger und verwaschener als er es wollte. „Es ist nur, dass ich…“ Er wusste nicht einmal, wie er aussprechen sollte, was auf ihn wartete. Dass er noch viel vor sich hatte? Dass er vielleicht nicht mehr lange leben würde? Noch immer hing der Zeldafan wie eine erstarrte Marionette im Raum, traute sich kaum aufzublicken. „Es ist… wie es ist, was?“, murmelte dieser. „Du musst nichts erklären“, setzte Patrick hinzu. Eine gute Antwort, wie Link fand. Eine beruhigende Antwort… Wie auch sollte der einstige grüne Mützenträger irgendetwas erklären? Patrick van der Hohen wusste, dass Link auf die ein oder andere Weise die Wiedergeburt des Helden der Zeit, Helden des Windes, Helden der Wildnis, des Triforce, von Hyrule oder was auch immer war, er wusste, dass der Blondschopf Dolche und ein Schwert mit sich herum geschleppt hatte, dass er in der Lage war einen Drachen zu töten. Er hatte ja sogar mit bekommen, dass Link im Schlaf eine merkwürdige Sprache sprach oder den Namen seiner Prinzessin auf den Lippen hatte. Überhaupt wäre es ein sehr verdächtiger Zufall, wenn ein Jugendlicher Link hieße und ohne schicksalhafte Fügung eine Dame kennen würde, die Zelda als Namen trug. Wie viele Beweise sollte er noch benötigen? Und an den Anschlag auf sein Leben ausgeführt durch Tommy, von dem nichts mehr gehört wurde, wollte Link nicht einmal denken. „Hyrule… die Legende von Zelda… weißt du“, sprach Patrick leise. „Sie hütet so viele Elemente alter Geschichten der Erde. Es ist eigentlich… wenn man länger darüber nachdenkt, gar nicht so verwunderlich, dass sie real sein könnte… natürlich nur, wenn man an Wunder glaubt.“ Patrick ließ sich ebenfalls auf sein eigenes Bett sinken und atmete tief ein und aus, faltete seine Hände im Schoß. „Die Legende von Zelda entspringt mehr als nur einem Spiel… allein das Konzept von Seelenverwandtschaft und Wiedergeburt ist so verdammt schön verarbeitet. Dann die Geschehnisse um das Schwert der Legende wie in der alten Artussage zieht der Held das Schwert aus dem Stein. Und natürlich die Vorstellung des Bösen…“ Da aber brach Patrick ab, ihm stockte leicht der Atem, wohl, weil er doch zu viel gesagt hatte. Erneut mit Nervosität gefüttert, biss er sich auf die Unterlippe. „Entschuldige“, murmelte er. „Ich hoffe, ich habe damit nicht…“ Doch auch Link unterbrach Patrick mit einem Seufzen und einer ablenkenden Handbewegung. Er erhob sich, genauso sicher und felsenfest wie er sich nach dem Drachenkampf gefühlt hatte. „Das Böse existiert…“, sprach er leiser und schwächer, als er es beabsichtigt hatte. Seine Stimme war unterlegt mit einer leisen Ahnung von Trübsinn und Traurigkeit. Patrick krümmte sich etwas auf dem Bett und schloss die Augen. „Deshalb verfluchst du Ganondorf in deinen Träumen, nicht wahr?“ Diese Information allerdings ließ Link dann doch die Augen aufreißen. „Wann…“, sprach er durchdringend. Link blickte betreten zur Seite, er hatte nicht gewusst, dass er Ganondorf in seinen Träumen verfluchte. „Du wusstest das nicht?“ Banal schüttelte der Heroe den Kopf, sodass seine wilden Haarsträhnen baumelten. „Ich habe es einige Nächte mitbekommen… du redest nicht nur von Zelda oder in deiner eigenen Sprache.“ Der junge Held fuhr sich ungeduldig durch sein mittlerweile viel zu langes blondes Haar und schnaubte. „Na prima“, sprach er entrüstet. Dann grinste er halbherzig. „Es gibt immer noch Dinge, die mich überraschen.“ Kopfschüttelnd trat er in die Mitte des Raumes, auch er fühlte sich nun etwas unpässlich und versuchte sein unruhiges Gemüt durch Bewegung zu beruhigen. Dass er Ganondorf in seinen Träumen verfluchte, war ein absurder Gedanke für ihn. Er hatte ja bis vor kurzem nicht einmal daran gedacht, dass er wirklich gegen diesen uralten, personifizierten Dämon antreten müsste. Link wusste nicht warum, aber diese simple und doch so logische Schlussfolgerung hatte seine Gehirnwindungen einfach nicht erreicht. Nicht, dass er es verdrängt hätte aus Furchtgefühlen, nein, aus einem nebulösen Grund heraus, war ihm dieser Gedanke beinahe fremd. Dabei hatte er den leibgewordenen Dämon sogar schon beobachtet… „Ist er… hier… auf der Welt?“, hauchte Patrick über seine Lippen. Es war so deutlich in seinen gebrochenen, stockenden Worten zu spüren, dass er die Antwort darauf schon ahnte und sich ängstigte. Wenn Link ihm dies mitteilen würde, hätte er nicht mehr die Chance sein jugendliches, unbeschwertes Leben fortzuführen. „Bei Hylia“, murmelte der Heroe. „Was willst du denn jetzt von mir hören?“ „Das war eine blöde Frage, hm?“, entgegnete der Jugendliche. „Es tut mir leid, Link, es steht mir nicht zu.“ Doch diese Aussage machte den jungen Helden beinahe rasend. Natürlich stand es Patrick zu ihn zu fragen, jeder Mensch auf dieser Welt hatte das Recht zu wissen, was los war und zu wissen, dass ein wahnsinniger, von Hass und Missgunst zerfressener Dämon auf der Erde dieser Dimension seine Pläne schmiedete und absolut niemand ihm Einhalt bot… weil diese Welt zu groß, zu fortschrittlich und vielleicht auch zu anonym war… „Doch… du hast ein Recht es zu wissen, genauso wie alle anderen Menschen auf der Welt…“ Seufzend ließ sich Link wieder auf das knarrende Bett sinken. „Es ist nur alles so verdammt… unheimlich…“ Link kniff die Augen zusammen und suchte nach den richtigen Worten irgendwo in seiner Seele. Er konnte Patrick nicht in alles einweihen, oder doch? War er jemand, der ihm vielleicht in Hyrule begegnet war? Hatte Sian nicht gemeint, dass jeder, den er hier auf der Erde kennenlernte etwas mit Hyrule zu tun hatte? Was war mit Maron, der wunderschönen Farmertochter und was war mit Rick, diesem treuen Freund, den er hatte? „Bist du auf der Erde geboren worden? Ich meine… wenn du der Held aus Hyrule bist, warum bist du dann hier?“, meinte der Oberstufenschüler, der sich so unsterblich in das Zeldaspiel verliebt hatte. „Darauf kenne ich keine Antwort… aber ja, ich bin ein Mensch dieser Welt nur mit einem gewissen Extra“, Link lachte über seine eigenen Worte. Es war beinahe so, als brachen diese Worte das Eis und Patrick atmete seine Unsicherheit und Sorgen hinaus und entspannte sich. „Mit einem gewissen Extra also“, lachte auch er. „Himmelherrgott, wer hätte gedacht, dass ausgerechnet ich dich in Irland treffe. Du hast mein gesamtes Weltbild auf den Kopf gestellt…“ Link kratzte sich verlegen am Kinn daraufhin. „Aber nicht nur jetzt… schon seit ich das Zeldaspiel das erste Mal in der Hand hielt…“ „Es ist nur… dass die Dinge nicht so einfach sind wie im Spiel…“, murmelte Link und lehnte sich an die Wand neben dem Fenster. Es war ihm so egal ob er mit seinen Straßenschuhen auf dem Bett saß, und er tat es. „Eine Spielfigur hat mehrere Anläufe. Wenn eine Spielfigur stirbt, ist das vollkommen belanglos, man kann ja wieder von vorne beginnen. Eine Spielfigur hat eine Wahl. Der Spieler steuert sie… irgendwohin. Er weiß genau, was er tut. In der Realität jedoch liegen die Dinge anders. Ich habe keine Dutzenden Anläufe, um irgendeine Alptraumkreatur zu besiegen, ich habe keine Wahl, die hatte ich nie, vorausgesetzt wir sind keine Spielfiguren…“ Das war vielleicht ein gruseliger Gedanken, über den er noch nie nachgedacht hatte. Was war, wenn diese Erde, auf der er lebte, auch nur ein gigantisches Spiel war? Link stand auf und kramte seine Dolche hervor, er schwang sie einige Male, ließ den Dolch in der Hand kreisen, als ob er jahrelange Erfahrung damit hatte. „Eigentlich…“, sprach Patrick schwach. „Ist das alles total irre, was du mir hier erzählst.“ Aber er war nicht auf Beleidigungen aus, in seinen grünlich schillernden Augen stand Aufrichtigkeit und Anteilnahme. „Ich meine, du bist Link, der reale, leibhaftige Link aus einem Spiel. Du kennst Zelda, die Prinzessin aus Hyrule. Und jeder Gedanke, der sich fortsetzt führt zu mehr und mehr Verwirrung. Denn es bedeutet, dass die Welt um mich herum sehr viel komplexer ist als ich mir vorstellen konnte… und dass es…“ Einmal mehr brach er in den Worten ab, als er den Trübsinn in Links Gesichtszügen sah. Patrick schüttelte den Kopf angesichts seiner unnötigen Gedanken. Er wollte nicht wie ein überdrehter Fan klingen, aber was sollte er auch tun? Ja, er himmelte das Zeldaspiel einfach an. Link war für ihn niemals nur eine stumpfsinnige Spielfigur gewesen. „Link“, meinte er, und wie merkwürdig es doch war diesen Namen über die Lippen gleiten zu lassen. „Ein Spiel ist und bleibt nur ein Spiel... aber du bist real. Du bist ein wirklich anständiger, netter Kerl.“ Link grinste daraufhin, beobachtete in den Gesichtszügen von Pat wie schwer es ihm fiel diese Worte zu sagen. „Du bist keine Spielfigur…“ Da war so viel Aufrichtigkeit von dem Zeldafan, dass es Link das Herz wärmte. Der Heroe nickte daraufhin, fühlte sich irgendwie erleichtert, dass der van der Hohen es so formulierte. Natürlich war er keine Spielfigur, aber vermutlich musste es erst einmal jemand aussprechen, damit es sich für den Helden auch so anfühlte. Bei allen Zweifeln in der letzten Zeit tat es gut diesen Zeldafan vor sich sitzen zu haben, der es schaffte ihn mit seiner Bewunderung einzunehmen. Vor allem mit dem Wissen, dass er noch sehr viel vor sich hatte, was niemand sonst tun konnte. Niemand sonst war in die Ereignisse um Ganondorf so verwoben wie er. Und Link musste erst verstehen lernen, dass bei all den Kämpfern und Kriegern, die es vielleicht in anderen Ländern auf dieser Erde gab, es doch nur einen Kämpfer preiste, der die Macht des Mutes so verinnerlichte wie Link es tat. „Du hast Zweifel über dich und deine Kräfte, was?“, sprach Patrick schließlich. Überrascht sah Link auf. Mit einem Zwinkern ließ er Patricks Worte in seine Gedankenwelt sinken. Entschuldigend hob dieser im gleichen Moment seine langen, schmalen Hände und nutzte seine Mimik zur Verdeutlichung seiner Grenzüberschreitung. „Sorry, ich sollte nicht mutmaßen.“ „Hast du nicht… natürlich habe ich Zweifel…“, bemerkte Link widerwillig. „Es ist ja nichts Falsches dran diese zu haben.“ Aber auch ihm selbst musste dies erst klar werden. „Es war ein langer Weg um endlich zu verstehen wer ich bin… akzeptiert habe ich es noch lange nicht.“ Link schloss sinnierend die schönen, tiefblauen Heldenaugen. „Hast du… naja… hast du Hilfe, ich meine, Unterstützer?“ Die Frage überraschte den jungen Heroen ebenfalls. Je mehr er mit Patrick über sein Heldendasein sprach, umso erschreckender kamen ihm die Selbstverständlichkeiten vor, über die sich sein Zimmermitbewohner informieren wollte. Es erschien dem jungen Helden fast so, als würde er nach und nach aus einem düsteren Traum aufwachen, als hätte er vorher über diese ganzen Optionen nicht nachgedacht. Warum hatte Link das Gefühl, er müsse alle Zweifel und anstehenden Kämpfe alleine meistern? Der Heroe schlug sich auf die Stirn, als er an eine mögliche Vergangenheit dachte. War die Ursache seines Eigenbrötlertums in der Vergangenheit zu suchen? Link hob seinen Blick in Richtung seines neuen Bekannten und fixierte ihn mit nachdenklichen Blicken. Es war kein Zufall, Patrick zu treffen, ebenso wenig wie es Zufall war Sian zu begegnen oder Tommy… Patricks Worte machten verdammt viel Sinn. Ob sich Link bezüglich der Bedrohung durch Ganondorf nicht vielleicht doch an Polizei, FBI oder generell an Menschen mit Einfluss wenden sollte? Es wurde Zeit sich nicht länger vom Schicksal tragen zu lassen, sondern ernsthaft zu kämpfen und die Geschehnisse in die Hände des Guten zu legen. Dutzende Chancen taten sich für den jungen Helden gerade auf, ermutigende Möglichkeiten dem Bösen Einhalt zu gebieten. Er musste die Leute antreffen und informieren, die entscheidende Weichen für die Zukunft stellen konnten und Link hatte schon eine Idee, wo er anfangen musste. „Du hast Recht… ich brauche Unterstützer, vielleicht habe ich im Moment noch zu wenige davon“, sprach Link. Wie unfähig naiv war er gewesen keine dieser Wege zu beschreiten? Beinahe… kindisch… Musste er tatsächlich erst ins Götterreich reisen um wach gerüttelt zu werden? „Und was du vorhin gesagt hast… über das Böse…“, sprach Patrick und schüttelte sich dann, nicht nur innerlich. „Es existiert hier… in unserer Welt…“ Es war beinahe so, als erhoffte sich Pat noch einmal eine Bestätigung, die Link ihm mit einem lapidaren Kopfnicken gab. „Das Böse… du meinst Ganon?“ Eine Gänsehaut fuhr dem Zeldafan über seinen Rücken bis hinab zu seinen Zehenspitzen. Er dachte an die Zerstörungsgewalt der Monster in der Zukunft von ,Ocarina of Time‘, dachte an die Horden von Wächtermaschienen, die gesteuert von Ganons Willen über die Welt tobten in ,Breath of the Wild‘. Was würde Ganon auf dem Planeten Erde anrichten? „Es ist nicht Ganon… sondern seine menschliche Manifestation“, erklärte Link, nicht sicher, was schlimmer war. Ein Dämon, der eine Gestalt besaß, die ihn vielleicht unauffällig in dieser Zeit und Welt wirken ließ oder ein Dämon, der wie ein machtbesessener Riese über die Welt stapfte und sich nicht zurückhielt. Patrick verstummte, als eine schattenhafte Furcht über sein Gesicht lief. Er senkte den Kopf und verlor sich mit seinen Augen am staubigen Boden. In dem Jugendlichen zerbrach alle Sicherheit, die er in seinem Leben gespürt hatte. Jede Langeweile, die er im Leben verflucht hatte, fühlte sich nun an wie ein rettendes Ufer… „Ich weiß sogar… wo er sich aufhält… eigentlich müsste ich schon lange zurück nach Hause reisen“, murmelte Link und rieb sich die Augen. Wie viel Mut doch in ihm steckte überhaupt darüber zu reden, mit einer Selbstverständlichkeit nahm er seine Bestimmung Ganondorf zu begegnen an. „Ich bin nur hier, weil ich das Bedürfnis spürte einige Fragen für mich klären zu müssen. Es war richtig hierher zu kommen, bedeutsame Menschen zu treffen und auch zu verstehen, dass sich Ganondorfs Pläne nicht nur auf meine Heimatstadt beschränkt haben.“ Link seufzte und biss leicht seine Zähne aneinander. Wie eine Dampfwalze überrollten ihn alle neuen Erkenntnisse, alle neuen Gedanken und Einsichten. „Das ist ja alles nur noch gruselig…“, schimpfte Patrick und lief zügig von einer Ecke zur nächsten. „Und bist du dir sicher, dass er nicht noch andere Verstecke hat.“ Link zwinkerte, öffnete seinen Mund einen Spalt und hob seinen linken Zeigefinger in die Höhe. Auch diesen Gedanken musste er erst einmal verdauen. Aber ja! Was für ein dummer Irrtum steckte in allem, was der jugendliche Retter Hyrules in letzter Zeit getan hatte. Und was für ein absurder Gedanke! Vielleicht besaß Ganondorf mehrere Aufenthaltsorte, genauso wie sich seine Pläne über die gesamte Erde streckten. Link trat an Patrick heran und klopfe ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Danke…“, sprach er. „Du hast mir gerade geholfen einige Fragen zu klären. Und das war bitter nötig. Vermutlich hat Ganondorf überall auf der Welt Orte, die er ausgekundschaftet hat. Möglicherweise verweilt er nur in meiner Heimatstadt, weil er weiß, dass ich dort aufgewachsen bin…“ Link hatte das Gefühl, er bewegte sich nun auf purem Glatteis und die Hoffnung, die er doch so versucht hatte am Leben zu halten, hing nur noch an einem seidenen Faden. Wenn Ganondorf tatsächlich mehrere Hauptquartiere besaß, wie nur sollte Link ihn aufhalten? Seine Pläne zunichte machen. „Er weiß zum Glück nicht… dass Zelda lebt. Sie ist sicher… direkt vor seiner Nase“, sprach Link und versuchte sich anhand des Gedankens zu stärken. Zumindest in dieser einen Sache war das Gute ihm voraus. Link würde nicht zulassen, dass die Prinzessin des Schicksals in seine Fänge geriet, dieses Mal nicht, schwor er sich. „Du wirst dich ihm stellen, nicht wahr?“, sprach Pat und Link war sich nicht sicher, was er auf den Gesichtszügen des langen, aschblonden Kerls vor ihm sah. Gramerfüllt verengten sich seine Augen, sodass sich kleine Sorgenfältchen in seinem Gesicht zeigten. War es Mitgefühl und Angst? Link unterließ es zu antworten, ja, vielleicht war gar keine Antwort nötig. Patrick wusste ohnehin, dass der Held Hyrules seiner Pflicht nachging, eine Wahl hatte er nicht. Vielleicht war jene Frage nur aus Sorge um Link erklungen… und er schätzte dies. „Patrick“, sprach der Heroe langsam und erfüllt mit Dankbarkeit. „Es ist in Ordnung. Niemand ist an meinem Schicksal schuld. Es ist meine Lebensaufgabe, Seelenaufgabe, wie immer ich es auch nennen kann. Ich bin vorbereitet alles anzunehmen, was auf mich wartet.“ Mit tiefen, beinahe ruhigen Blicken in den malerischen Sonnenuntergang thronte Link neben ihm, lächelte schwermütig und doch entschlossen. „Alles hat seinen Sinn… und ich freue mich darauf noch mehr zu lernen, zu kämpfen und die nächsten Hürden zu meistern. Ich spüre es mit jedem Atemzug, mit jeder Faser meines Herzens. Wenn der große Kampf beginnt, werde ich alles tun, was ich kann, auch wenn es bedeutet, dass ich den Frieden nach dem Kampf nicht erleben werde.“ Und der jugendliche Zeldafan wusste, so konnte nur der Held Hyrules sprechen, mit diesem unentrinnbaren Edelmut, dieser verinnerlichen Hoffnung und starkem Glaube an die Vorsehung. Seine Worte ließen den van der Hohen, der doch immer so viel redete, sprachlos werden. Reiner Stolz und die stärkste Form von Selbstsicherheit brachten Patrick zum Staunen. Er war ein Fan von Link, aber auf diese Weise hatte er den Heroen noch nie erlebt. Seine Worte sanken tief in Herzen und hinterließen nichts als Ehrfurcht… Er verstummte, lächelte leicht, aber traute sich nicht diesen bedeutsamen Moment mit Worten zu zerstreuen… Eine Pause entstand, in welcher beide Jugendliche ihre Koffer mit den restlichen Habseligkeiten füllten. Ein aufhetzendes, abendliches Glühen drang von dem uralten Feuergott in das Zimmer, bescherte eine Stimmung, die nach Ruhe, Schlaf und dem Ende des Tages verlangte. Link schloss gerade seine Reisetasche und stopfte seine Zeldaspielesammlung in den Rucksack, als ihm erstmals auffiel, wie lange es doch her war, dass er überhaupt an den Konsolen saß. Warum sollte er auch noch spielen? Für das Gefühl Link zu sein? Um die Prinzessin zu sehen? Der junge Heroe wollte gerade den Raum verlassen, als Patrick ihn davon abhielt. „Kann ich dich noch etwas fragen… etwas nun ja, Prekäres… bevor du gehst?“ Da war ein sichtbares Schamgefühl in den Gesichtszügen des van der Hohen. Seine rundliche Nase wackelte mit einer Spur Röte darüber. Link lächelte zaghaft. „Zelda ist die coolste Videospielprinzessin für mich, aber ich frage mich schon sehr lange. Was ist das eigentlich zwischen ihr und dir…“ Link wich irritiert nach hinten, ahnend, in welche Richtung Patricks Frage ging. Der Gedanke an seine Prinzessin füllte sein Herz mit lieblicher Wärme und sonderbarer Ruhe. „Vor allem ,Skyward Sword‘ und ,Breath of the Wild‘ erzählen von eurer Verbindung. Ich weiß ja, es geht mich nichts an, nur… eure Form von Seelenverwandtschaft hat mich irgendwie von Anfang mitgerissen.“ Link hatte Tausende Worte auf seinen Lippen und wusste doch nicht ob eines davon jemals ausdrücken könnte, was er dachte. Ja, natürlich waren Zelda und er verbunden auf ewig… über ein unsterbliches Band, das sich nicht einmal die Götter erklären konnten. Aber wie sollte Link ohne seine Erinnerungen an Hyrule Pats Frage ehrlich und aufrichtig beantworten? „Das Problem ist… ich kann mich an nichts erinnern. Ich wurde auf dieser Welt geboren, ich weiß, dass ich der Held aus Hyrule bin, aber ich kann nichts von Hyrule erinnern. Du siehst, es ist komplizierter als du ahnst. Und Zelda…“ Mit unerfüllter Sehnsucht gelangte ihr teurer Name über seine spröden Heldenlippen „… Es geht ihr nicht gut, oder?“ Link schwieg dazu und ließ eine Spur Schmerz an die Oberfläche seiner Gedanken, dort an die sichtbaren Eigenheiten seines Gesichts. „Ich habe es schon geahnt… erinnerst du dich, als du letztens davon gesprochen hast, dass sie vielleicht trauriger ist als ein normales Mädchen…“ Link schluckte und versuchte dem aufkommenden Schmerz, den diese Worte herausforderten, standzuhalten. „Du liebst sie, nicht wahr?“ Der Ernst in Pats Worten ließ Link erst gar keine Schamgefühle angesichts dieser Frage entwickeln… und wie sehr er sie liebte… Er wusste nicht einmal mehr wie er die tiefe Liebe für seine Prinzessin jemals in Worte fassen konnte. Und wie sollte er es ihr jemals begreiflich machen? Es gab nur sie für ihn und das schon seit einer halben Ewigkeit. Er würde tun, was immer auch nötig war, um das Ausmaß seiner Loyalität, seines Vertrauens und seiner Liebe für sie zu behüten. „Sagst du ihr, dass sie Fans hat.“ Link lachte daraufhin, ein ehrliches, befreiendes Lachen, tief aus der Kehle. „Hey, ich meine das ernst. Wie gesagt, sie ist für mich die coolste Videospielprinzessin, egal, welches Spiel… naja, obwohl ich Tetra blöd finde.“ Und da lachte Patrick über seine eigenen Worte, während Link ebenfalls sein Lachen nicht unterbinden konnte. Ehrlich, dachte er, er wusste nicht einmal, was überhaupt so lustig war, aber dieses Lachen wirkte gerade wie Seelenmedizin. „Ja, Pat, ich werde es ihr sagen, ich verspreche es.“ Daraufhin hatte der van der Hohen etwas Feuchtigkeit in den Augen, die er sich wegwischte. Es bedeutete ihm so viel diese Worte an Link, sein Vorbild, seinen Kindheitsheld, zu richten. „Patrick… ich danke dir“, murmelte Link. „Es hat mir gut getan mit dir zu reden. Du bist mir ein guter Freund geworden.“ Etwas sprachlos nickte der Zeldafan und drehte sich zu seinem Koffer. „Ich muss noch etwas klären diese Nacht“, informierte Link den Zeldafan. „Aber ich wäre froh, wenn ich mich morgen in aller Frühe von dir und Patrizia verabschieden kann.“ „Wir sehen uns morgen“, meinte Patrick und grinste. Und schließlich, mit einem Grinsen so mutig und linktypisch, hetzte der Heroe aus dem Raum… Als Link aus der mit hellblauer Farbe bemalten Tür des Bungalows heraustrat, war er sich völlig im Klaren, dass er auch in dieser Nacht kaum den Schlaf finden würde, den er seit einer Woche vermied. Er hatte ein weiteres, klares Ziel vor Augen und würde diesbezüglich der Sturheit in seinem jugendlichen Heldenkopf Folge leisten. Er hatte auch Sian seit einer Woche nicht mehr gesehen, obwohl Link vielleicht sogar ein wenig darauf gehofft hatte, dass der einstige Shiek sich an seiner Hetzjagd Dämonen zu zerstören, beteiligte. Aber Sian Johnson verhielt sich genauso wie man es sich von dem Schattenvolk Hyrules erwartete. Wenn er kämpfte, dann nur im Schatten, unsichtbar, von der Dunkelheit aus zog er seine Fäden… Link heftete seinen klaren Blick in Richtung des geheimnisvollen Schlosses auf dem Hügel und marschierte zielstrebig darauf los. Einerseits wollte er Shiek noch einmal antreffen, zumal er morgen in aller Frühe abreisen würde… und zum anderen… Sian hatte immer wieder von seinem Vater erzählt, der Geheimnisse über Hyrule hütete wie einen zerbrechlichen Schatz. Und Link spürte den widerspenstigen Hauch von Verrat in dem Namen Leon Johnson, er spürte, dass dieser alte Mann nicht der war, für den er sich ausgab. Dieser jemand hatte etwas Entscheidendes mit Hyrule zu tun… und es war genauso wie Patrick es verdeutlicht hatte. Link brauchte mehr Informationen und Unterstützer. Und egal was es auch war, was Leon Johnson verheimlichte, Link würde dem auf den Grund gehen. Er würde Druck ausüben und nicht eher aus Irland verschwinden bis dieser Mann mit ihm geredet hatte! Er war von so vielen Seiten im Unklaren gelassen, und damit war jetzt Schluss. Schnurstraks trat Link in der versenkenden Abendröte vorwärts, gezähmte Wut rang in seinem Bauch nach Gehör, legendärer Mut brannte in seinen schimmernden, blauen Augen, Hoffnung breitete Schwingen in seinen Gedanken… Und so lief Link so schnell ihn seine Beine tragen konnten, lief den schicksalhaften Weg weiter, hinein in seine Bestimmung. Je weiter er dem Schloss kam, umso unebener wurde die geteerte Straße und der bemitleidenswerte Zustand des reichlich vorhandenen Gartens vor dem Residenzhaus sprang dem Heroen ins Auge. Rosenhecken wuchsen wild, kreuz und quer, die wenigen Laubbäume, die wie alte Zeitzeugen in dem Garten aufragten, waren übersät mit Efeu, wirkten grotesk und beinahe lebendig. Allein die Mauer, die den Garten vor Eindringlingen schützen sollte, war an vielen Stellen zerrüttet. Waren die Johnsons nicht eigentlich wohlhabend? Warum ließ Leon sein Hab und Gut so zugrunde gehen? Selbst das Schloss erweckte den Anschein eines leerstehenden Gebäudes… ohne sichtbare Vorhänge, ohne einladende Farben… leer und einsam… als hausten tatsächlich nur Gespenster im Inneren. Leon Johnsons Schloss war kein Märchenpalast, eher klein, drei Stockwerke, ein einzelner Ostturm bescherte einen verzweifelten Blick zur See in der Ferne. Link überlegte, ob er diesmal wieder über die Mauer springen sollte, als aber eine alte Weise, melancholisch und mächtig, an seine gesunden Ohren drang. Der Wind trug sie näher, eine Melodie, so süß und unsterblich vernebelte sie den Verstand. Schwermütig und gigantisch erklangen Töne eines Klaviers, deutlich und mit jeder Note entsetzlicher… Eine Melodie, die sich anfühlte wie eine warme Hand auf der Schulter und gleichzeitig so kalt wie ein gewaltiges Meer, das Welten verschlang. Gefangen in der Schwere des Musikstücks trottete der junge Held nun doch zum Eingangsbereich, wo er ein altes Gitter mit einem Quietschen zur Seite schob und eine Schwelle zu mehr Verstehen und Wissen übertrat, einfach und ohne sich bewusst, wen er in diesen andächtigen Stunden sprechen würde. Sein Blick verlor sich einmal mehr am Horizont, wo die abendliche Stimmung angefochten durch jene beinahe majestätische Melodie scheiterte und sich durch einen sich nähernden Sturm verlor. Ein hämmernder Sturm, der alles einsog und doch die Hoffnung auf Reinigung und Abwaschen des Alten spendete… Mit sturen, fordernden Schritten trat Link vorwärts, lauschte seinen raschelnden Schritten, während er durch hohes Gras zu einer hohen Eingangspforte trat. Ein wenig erinnerte ihn der Eingangsbereich mit zwei Löwenkopfstatuen aufragend an wenigen Treppenstufen an die Villa von Ines Schattener, wenngleich Impa ihre Behausung in einem gepflegten Zustand hielt. Selbst die zehn steinernen Treppenstufen hinauf zur Eingangstür waren teilweise zerrüttet, beladen mit altem Laub. Der unsinnige Gedanke streifte ihn, ob dieses Schloss vielleicht eher in einer anderen Wirklichkeit zuhause war. Träge hob der junge Held seinen Schwertarm um eine große Glocke, ebenfalls in Form eines Löwenkopfs, zu betätigen, spürte gerade das verrostete Metall, als er ein Augenpaar in seinem Nacken wahrnahm und noch im gleichen Augenblick herum wirbelte, alle zehn Treppenstufen auf einmal nahm und mit vorbereiteten, kühlen Blicken die Szenerie beleuchtete. Er wusste, dass hier jemand war, sich geschickt versteckt hielt, beinahe mit den Schatten der Nacht verschmolz… Links Sinne malten Bilder in die durchtriebene Nacht und je mehr er sich konzentrierte umso gespenstischer und gefahrprophetischer summte das alte Laub der knorrigen Bäume, peitschte das viel zu hohe Gras unter Links Füßen, und umso langsamer schien der sich nähernde Sturm die Wolken voranzutreiben. Link war schon einige Male dieser erstaunlichen Wahrnehmung erlegen, dem unbeirrbaren Zerrinnen von Zeit in seinem Empfinden, er konnte es für sich nicht einmal beschreiben und doch war es da… ein heimliches melodisches Tick Tack, das sich dehnte und dehnte… immer weiter dehnte bis es das Gesicht der Zeit spaltete… Ja, er erinnerte sich. Seit er denken konnte, war diese Wahrnehmung ein Teil seines Weltbildes. Seit er denken, konnte verlangsamte sich gelegentlich die Zeit für ihn… Er erinnerte sich außerdem mit einem leichten Grinsen, das um seine Lippen spielte, dass er deshalb in der Schule bei Prüfungen und auch seiner Mutter gegenüber manchmal einen unfairen Vorteil besaß. Und auch jetzt machte er sich dies zunutze, erspähte mit seinen Augen durchforstend das tanzende Gebüsch und das raunende Wurzelwerk bis er eine Gestalt entdeckte, die sich wie ein Assassine auf einem der morschen Bäume versteckte. Anhand der Umrisse erkannte Link den schlanken, sportlichen Mann durchaus, selbst seine rubinroten Seelenspiegel sah der Heroe leuchten… „Habe ich dich erschreckt, Held“, sprach es raschelnd und mit einem dumpfen Ploppen hüpfte Sian Johnson von seinem Versteck in dem raschelnden Mantel der Bäume. Link begrüßte Sian flach und schüttelte den Kopf. Er wusste, dass er kaum mehr von jemandem heimlich beobachtet werden würde. „Ich bin beeindruckt von deiner Wachsamkeit“, bemerkte der Irländer und trat näher. Nicht nur sein Verhalten glich das eines Kriegers der Schatten. Sein schwarzes Muskelshirt und eine dunkle Lederhose wand sich sehnig um seine vitale Figur. Und da bemerkte Link, warum er den reichen Johnson-Sohn so spät wahrgenommen hatte… er war barfuß, bemüht nicht ein Geräusch zu hinterlassen. „Deine Anwesenheit ist mir nicht entgangen, aber… sagen wir beinahe“, meinte Link und genoss das angenehme, vertraute Gefühl in Sians Nähe. Irgendwie würde er ihn vermissen, dann wenn er morgen zurück nach Hause fahren würde. Der Schattenkämpfer wirkte, als ob er Links Gedanken gelesen hatte, etwas verlegen wanderten seine Blicke nach oben in Richtung des einzelnen Schlossturmes, wo auch die schwere Klaviermelodie nostalgisch flackerndes Kerzenlicht begleitete. „Ich hoffe, du hast die letzte Woche so nutzen können wie es für dich notwendig erschien.“ Als kannte Sian die Wahrheit über Links Distanz funkelten seine rubinroten Augen wie Leuchtfeuer in der zunehmenden Schwärze der Nacht. Der leichte Sarkasmus in jenen Worten ließ Link dennoch aufhorchen, gerade Sian, der immer sehr beherrscht in seinen Reaktionen und Interaktionen mit anderen Menschen agierte, hatte einen tiefen Grund für Gefühle von Ärger oder auch Traurigkeit. „Du reist morgen schon ab…“, sprach er dann, nun mit Bedauern und Aufrichtigkeit. Und da ahnte Link, was das eigentliche Problem war. Konnte es sein, dass Sian ihn ebenfalls als einen wertvollen Kumpanen realisierte und Links Abreise eine trübsinnige Stimmung über ihn hereinbrechen ließ. Und eine weitere Erkenntnis kam über ihn… der einstige Shiek war Zelda in seiner Persönlichkeit vielleicht ähnlicher als es zunächst den Anschein nahm. Link nickte lethargisch und ließ sich auf eine der rissigen Treppenstufen sinken. Er wusste nicht, wie er auf Sians Stimmung reagieren sollte und biss sich auf die Unterlippe. „Sian…“, murmelte Link und nahm in dem Klang seiner Stimme Anteil an dem Gemütszustand seines Freundes. „Du weißt, ich wäre nicht gefahren ohne mich zu verabschieden.“ Auch Sian ließ sich auf die Treppenstufe sinken, während der Wind über das Grundstück peitschte und die knorrigen Bäume wie Schaukeln klappern ließ. „Es ist gut, dass du hier bist, ich vermute, du hast noch etwas anderes vor, nicht wahr?“ Sians Blicke waren stechend, selbst in dieser düsteren Nacht, analytisch bohrte er sich einen Weg in Links Gedankenwelt. „Du willst meinen Vater sprechen, habe ich Recht?“ Schwungvoll kam Link auf die Beine und ballte die Hände zu Fäusten. „Das ist richtig.“ Insistierend kamen die Worte über seine rosa Lippen. „Und ich werde nicht eher gehen, als dass ich die Antworten erhalten habe, die ich benötige.“ Überraschenderweise grinste Sian daraufhin mit Wohlgefallen und Zustimmung. „Mein Vater hat wohl gehofft, er könnte das Gespräch mit dir vermeiden, aber mir soll es recht sein. Du hast mehr als seine Antworten verdient und mehr als seinen Respekt, es wird Zeit, dass er sich mit dir auseinandersetzt.“ So formuliert klang es beinahe bedrohlich, was Sian sich erhoffte. War da ein alter Groll des Sohnes gegen den Vater. „Sian, es steht mir vermutlich nicht zu… aber was ist los mit deinem Vater?“ „Deine Entschlossenheit ehrt dich, aber Link, du kannst dir denken, dass mein Vater, wenn er aus Hyrule stammt und sich erinnert, eine sehr bittere Zeit mit vielen Lektionen hier auf der Erde erfahren hat. Seit ich mich erinnern kann, und seit ich Zeldas Kummer spüre, ist das Leben für ihn noch erbarmungsloser geworden.“ Sian seufzte. „Und seine Herangehensweise an die heutigen Probleme… seine Mutlosigkeit erzürnt mich.“ „Wie kann ich helfen?“ Doch da lachte Sian hell und rein, lachte dankbar. Nur Link konnte in einer solchen Situation sofort seine Hilfe anbieten. „Hab‘ ich was Falsches gesagt?“ Sian schmunzelte schäkernd, gluckste beinahe. „Nein, nein“ und er strich sich sein hellblondes Haar, das selbst in der Nacht zu glänzen schien, von der Stirn. „Es ist nur deine Persönlichkeit, dein Eifer den Menschen um dich herum Freude und Schutz zu bieten, der mich lachen lässt. Du bist genau der Link, den ich aus Hyrule erinnern kann… Held der Zeit.“ Erstaunt, aber auch umschmeichelt von diesen Worten öffnete Link seine Lippen einen Spalt, nur um nicht zu wissen, was er sagen sollte. Er schwieg, konnte Sian nicht begreiflich machen wie viel ihm diese Worte bedeuteten. „Also gut“, meinte Sian. „Ich möchte dich gerne zum Abendessen einladen. Lass‘ uns herausfinden, was mein Vater bereit ist zu erzählen.“ „Danke“, sprach Link, mit jedem Gefühl der Ehrfurcht, das er aufbringen konnte. Er dankte Sian für sein Verständnis in den letzten Wochen, für all die wertvollen Worte und Hoffnung. Nur wegen Sian war Link in das Götterreich gelangt und hatte Entscheidendes über sich selbst erfahren. Entscheidendes über seine Ideale und seine Zuversicht… Sian klopfte derweil an das Tor mit seinen seltsamen Löwenköpfen, ließ einen dumpfen Schlag durch das Gemäuer dröhnen. Der einstige Shiekah wählte mit Bedacht die Glocke, wo er doch hier zuhause war. Er wollte das Zeichen senden für einen Gast und seinem Vater dies mitteilen, denn schlagartig verstummte das Klavier. Die junge Haushälterin mit dem pechschwarzen Haar, in das sie rote, grüne und blaue Strähnen eingearbeitet hatte, öffnete rasch die Pforte, hieß Sian willkommen und lächelte dem jungen Heroen mit einem bedeutungsschwangeren Zwinkern zu. Ja, erinnerte sich Link. Dies war die Dame vom Anmeldungsbüro, die aber auch als Reitlehrerin tätig war. Es überraschte Link nur, dass sie um diese späte Uhrzeit tatsächlich noch als Haushälterin bei den Johnsons arbeitete. Sie hatte ihr wildes Haar in die Höhe gesteckt und bezirzte mit einem kurzen Schwarzen mit Spitze und Tüllrock. Entgegen ihrer verschrobenen Persönlichkeit versah sie sich gerade mit edlem Geschmack, galant und bemüht um Etikette. Ein wissender Ausdruck in ihren schwarzen Augen erschreckte den Heroen beinahe, als er sie musterte. Obwohl er ihr nicht zugetan war, so umhüllte sie gerade eine eigensinnige Präsenz und Attraktivität. „Willkommen Sian, dein Vater wartet bereits auf dich“, sagte sie mit einer bewusst tiefen, ernsten Stimme. Sie ließ ihren Charme spielen und machte eine einladende Geste. Ihre rechte Hand winkte Link in den Innenraum. Mit leichter Verwirrung musterte er die Dame, die sich in das Leben der Johnsons geschlichen hatte. Das verruchte Leuchten in ihren umbrafarbenen Augen erzählte von einem Wesen, das er an einem anderen Ort angetroffen hatte. Mit einer Spur Misstrauen spannten sich Links hellbraune Augenbrauen und ein aporetischer Blick war das, was folgte. „Wird dieser junge Mann mit deinem Vater und dir speisen?“ Sie zwinkerte dem Heroen zu, als nur er ihrem Blick verfolgen konnte. Skeptisch begegnete Link dem Blick, stur und stark, bis die seltsame Dame blinzeln musste. Er nahm sich die Oberhand über diese Blickgefechte, und ahnte nicht im Geringsten, warum er überhaupt auf diese Frau reagierte. „Ja, Dinafa, mach‘ dir keine Umstände“, bemerkte Sian flach. Es war so deutlich zu spüren, dass Sian eine Abneigung gegen jene Dame entwickelt hatte. Und es überraschte Link nicht sonderlich. Dinafa, hieß sie also… ein Name, der mit einer seltsamen Vorahnung über Links Lippen hing und doch sprach er jenen nicht aus. Es irritierte ihn ein wenig, dass, obwohl er sie nun das dritte Mal antraf, er bisher noch nicht ihren Namen wusste. Sein Blick wanderte verstohlen an ein reichlich verziertes Deckengemälde mit Drachen hoch über den Köpfen der drei Personen, hier in einem geschmackvoll eingerichteten, in kupferroten Farben gehaltenen Empfangssaal. Keine weiteren Worte an die junge Haushälterin richtend, lief der frühere Shiek zielstrebig an ihr vorbei und nahm die riesige Treppe im Erdgeschoss nach oben. Link trat mit aufzuckendem Erstaunen in den hallenden Empfangssaal ein, noch immer auf das beeindruckende Deckengemälde starrend. Drei Drachen, ineinander verwoben, durch die Lüfte marschierend, mächtig und gefährlich… wie als pochten ihre kraftvollen Schwingen aus dem Gemälde heraus… Links Blick verlor sich mehr und mehr, bis er ahnte, dass jene drei göttlichen Wesen eine erschütternde, und doch märchenhafte Erinnerung aus Hyrule verbargen… ein blauer, roter und gelber Drache… Symbole für drei ultimative Kräfte… dezent gestalteten sie sich, gemalt mit zarten pastellfarbenen Tönen… eine Atmosphäre transportierten sie wie sie jene im Reich der Götter war… als lebte hier in dieser Festung jemand, der neben Hyrule auch dieses Reich im Vergessen erfahren hatte. Links Blick glitt weiter, zu dem riesigen, kupferfarbenen Kronleuchter an der Decke, der ganz unterschwellig zitterte, wackelte wie angestupst von Geisterwesen, die seit Jahrhunderten hier in diesem Schloss spukten. Der Gedanke, er könnte sich von seinen Ankerrungen lösen, ließ Link in Richtung Treppe laufen. Nach einigen Stufen blickte er zurück, fühlte sich von der transzendenten Stimmung des Saals eingesogen. Überwältigend hingen obskure Porträts von Orten jenseits menschlicher Vorstellungskraft und Schwerter an den Wänden, sowie alte, überdimensionale Kerzenständer ragten wie Statuen auf, lichteten alle Geheimnisse dieses Gemäuers. Alte Ritterrüstungen standen wie versteinerte Wachposten an fast jeder Tür, die aus der Halle herausführten. Phantastische Schränke unermesslichem Wertes, auf denen Gegenstände wie Vasen und Öllampen aufgetürmt waren. Und alles war entgegen dem äußeren Schein des Schlosses blitzblank poliert. Link sputete sich um Sian in das erste Stockwerk zu folgen, von wo aus man über einen Wandelgang eine gute Sicht auf das Erdgeschoss hatte. Dort angekommen, staunte der Heroe über die ganzen Türen, die in andere Bereiche des Schlosses führten. Von außen wirkte dieses Residenzhaus beinahe winzig und nun befand er sich in einem Labyrinth. „Sag’ mal, wie schaffst du es eigentlich, dich hier nicht zu verlaufen“, meinte Link belustigt. Der heimliche Krieger der Schatten schwieg, aber grinste mit seinen kirschroten Augen ein fröhliches Gefühl verbergend in sich hinein, Link wusste nicht, ob es daran lag, dass er ein Gespräch mit seinen Vater durchgesetzt hatte und Sian dies mit stillem Sarkasmus genoss oder ob er ein Geheimnis bezüglich dieser gigantischen Behausung hütete. Er durchquerte eine große, verzierte Holztür, über einen langen Gang in den Ostflügel des Schlosses, dorthin wo der einzige Turm aufragte und das schummrige Licht nach draußen drang. Gespenstisch still war es hier in den Gängen, wo selbst das Fallen winziger Staubkörner raschelte. Dort folgten sie beide einer hölzernen Wendeltreppe erneut ins Erdgeschoss. Selbst hier standen überall wertvolle Kunstobjekte wahllos aus allen Epochen und Erdteilen zusammengewürfelt, chinesisches Geschirr, Wandteppiche aus dem Orient, handgefertigte Puppen, ausgestopfte seltene Tiere, Schmuck und Kristalle, Karten… Dieses Schloss war ein Paradies für Kunsträuber, dachte Link. Etwas benommen von dem unermesslichen Wert dieses riesigen Haufens an Museumsinhalten, verlangsamte er seine Schritte, sodass plötzlich die Haushälterin an ihm vorüber trat. Als gehörte sie zum nebensächlichen Inventar hatte Link sie völlig ignoriert, genauso wie vor wenigen Tagen am Strand. Etwas an ihrer Persönlichkeit ließ sie beinahe unsichtbar werden… „Nun, Link“, sprach sie, „gibt es etwas, das du gerne trinken würdest?“ In ihren Worten verbarg sich eine leichte Gereiztheit, kaum wahrnehmbar. Ob sie bezüglich ihrer Begegnung am Gestüt nachtragend ihm gegenüber war, immerhin hatte er ihr einfach keine Beachtung geschenkt. Es war für Link jedoch sehr ungewöhnlich, normalerweise schenkte er jedem Menschen, den er traf Respekt und Beachtung. Selbst Ilena, und Link erinnerte viele unangenehme Situationen mit ihr, hatte er nie ignoriert, sich in jugendlicher Unreife hinreißen lassen sie zu verspotten und zu beleidigen, aber niemals ignoriert… „Ähm, entschuldige, ja…“, meinte er und suchte nach einer Reaktion in den dunklen Augen dieser Dame. Wie nur hatte sie es geschafft sich bei Leon Johnson einzuschmeicheln, so dass sie diese Arbeiten verrichtete. „Wie wäre es, wenn du uns einfach eine Auswahl zusammenstellst, und bitte bring‘ den speziellen Rotwein meines Vaters zum Tisch“, sprach Sian streng. „Wie du wünschst“, entgegnete sie, genauso gereizt wie vorher auch. Damit trat sie an Sian vorüber, öffnete eine weitere, riesige Tür, die versehen war mit Malereien. Schwungvoll riss sie die Tür auf, quietschend, und gab damit den Blick zu einem beinahe gemütlichen Speisesaal wieder. In der Mitte ragte eine lange Tafel auf, wo zehn Personen Platz fanden. Karminrote Vorhänge verzierten riesige Fenster mit kunstvoll gefertigten Eisenbeschlägen. Unheimlich beruhigend, einschläfernd, war die Stimmung in dem Speiseraum, wo etliche Kerzen brannten. Dinafa verschwand mit einem hämmernden Rhythmus teurer Absätze in einem Nebenraum und kam beinahe im selben Augenblick mit einem gedeckten Tablett zurück, nach und nach brachte sie Köstlichkeiten zum Tisch, die ebenfalls irgendwie… zusammengewürfelt wirkten. Da war Cheddar aus Irland, direkt vom Bauern, teurer Prosciutto, indische Linsensuppe mit Chilli, der die Luft leicht verstörend färbte, duftende Brötchen, noch warmes Bauernbrot, Steaks mit Pfeffersauce, knusprige Hähnchenschenkel und Thunfischsalat. Einmal mehr verschwand sie und kümmerte sich um die Getränke. „Eure Haushälterin ist wirklich etwas… unheimlich, was?“ Link versuchte etwas Heiterkeit in die festgefahrene, ernste Stimmung zu bringen. Diese festliche Räumlichkeit, obwohl der Speisesaal mit Gemütlichkeit und Charme bestach, brachte nun doch etwas Anspannung in Links frische, jugendliche Gestalt. Es war so untypisch für ihn in solchen Räumlichkeiten zu speisen, so untypisch in einem Schloss als Gast auf die Antwort alter Rätsel zu hoffen… Ein Teil in Link jedoch ahnte nun immer mehr, weshalb er Leon Johnson treffen musste… und wer sich hinter dem Vater des einstigen Shiek verbarg… „Ach, Dinafa tut doch nur so“, beschwichtigte Sian. Es war in seinen gelangweilten Gesichtszügen abzulesen, dass er sich mit dieser Dame nicht beschäftigen wollte und es wohl auch nicht hatte. Wer nur war diese mysteriöse Person? „Nimm‘ bitte Platz, Link, mein Vater erscheint sicherlich gleich.“ Sian und Link setzten sich am Ende der Tafel gegenüber, ließen die Spitze frei. Link schnupperte an dem Essen, genoss die Düfte in seiner spitzen, neugierigen Nase, als Dinafa eine feine Auswahl alkoholischer Getränke brachte. Ein dunkler, dicker Wein in einer vertrauten, rundhalsigen Flasche zog Links gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Er konnte die Erinnerung sehen, spüren, und in seinem Herzen brennen angesichts einer fatalen Gewissheit. Zarte, schmale Hände, die eine solche Flasche ohne jedwede Aufschrift in den Händen gehalten hatten. Zarte, schmale Hände, so weich und geschmeidig, die er berührte, als er diese Flasche in seine Hände nahm. Ein Wein, vollmundig und süß, gewebt aus einer Frucht, die Leben spendete. Ja, er erinnerte sich mit ein wenig Druck auf dem Herzen. In dem Traum, als er Zelda besuchte, in diesem heimischen Schlossgemach, ihre Lippen das erste Mal auf seinen spürte, hatte er genau diesen Wein mit ihr getrunken… Herzbeerenwein aus Hyrule. Der Geschmack ruhte jetzt gerade auf seiner Zunge, als ihn die Erinnerung überfuhr. Erschrocken heftete sich Links Blick auf die ungewöhnliche Flasche, worauf Dinafa ihm sofort und wortlos ein Glas davon reichte. Link kostete mit Irritation und fühlte sich zurückversetzt in den wundervollen Traum mit seiner Prinzessin. Wie kam dieser Wein, und er schmeckte eben nicht nach Trauben, nur hierher? Gerade da schwenkte Links Blick in Richtung der großen Pforte, denn an seine Ohren drangen dumpfe Schritte, wackelig, humpelnd, so spürbar willenlos. Link seufzte mit gespannter Erwartung und verwundert, wie viel ihm doch ein paar Schritte sagen konnten. Aus dem Gang erhob sich der Schatten Leon Johnsons, und vielleicht war er tatsächlich nur der Schatten seiner selbst. Sein grau gesträhntes Haar hing verwaschen, klebrig über seinen breiten Schultern, als er seinen Schädel durch den Türspalt steckte und mit einer seiner großen Hände die Tür ein Stückchen weiter aufschob. Er war schlicht gekleidet, zumindest die Kleidung wirkte sortiert und gut gewählt, eine blaue Jeans und ein dunkles Hemd, lediglich der rote Mantel, der Leons Gestalt schützte, wirkte unpassend, deplatziert und angesichts der warmen Sommertemperaturen unnötig. Erneut funkelten diese eindringlichen Augen, diese zarte, himmelblaue Farbe drang wunscherfüllt in Links Geist… schockierten ihn. Wie nur konnte es sein, dass er mit diesen Blicken so eine Macht über Link ausübte? Leon wirkte nicht verwundert, dass Link und Sian an der Tafel saßen, etwas in seinem Blick machte deutlich, dass er den Heroen erwartet hatte… dass er es ertragen würde sich auseinanderzusetzen, es ertragen würde, alte Wunden zu spüren. Gemächlich und tatsächlich wackelig auf den Beinen schwankte er zu der Spitze der Tafel, vermied Links Blick aufs erste und ließ seine breite Gestalt in den abgenutzten Sessel sinken. „Sei willkommen, Link“, sprach er dann endlich, mit deutlichem Gespür für Höflichkeit, aber seine lebenserfahrenen Augen ruhten im Nirgendwo. Quälende Erinnerungen schienen an ihm vorüber zu ziehen, versunken in dieser himmelblauen, angenehmen Augenfarbe. Er nahm sein Weinglas, nippte daran und auch er schien eine Vorliebe für Herzbeerenwein zu haben. „Nun, Link, hattest du einen aufregenden Aufenthalt im herrlichen Irland“, fragte Leon mit Hunderten Wahrheiten in der rauen, tiefen Stimme, was den Heroen darauf aufmerksam machte, dass Leon seine Schritte genaustens verfolgt hatte. Er wusste ganz genau, dass Link morgen bereits nach Schicksalshort zurückkehrte. „Hier in Irland zu sein, war sehr…“ Link suchte nach dem richtigen Wort. „… aufschlussreich.“ Ja, das war es in der Tat, setzte er in Gedanken hinzu. Er wollte nicht sarkastisch klingen, aber ein leichtes, unterschwelliges Gefühl von Zorn nahm ihn ein. Er war nicht ohne Grund hier erschienen, er war nicht hier um sich den Bauch voll zu schlagen. Er musste das tun, was er seit einer Woche tat, an einem Weg arbeiten Ganondorf aufzuhalten! „Aber ehrlich gesagt, sehne ich mich nach zuhause, obwohl dort ein Dämon aus Hyrule auf mich wartet.“ Dezent klingen war wirklich nicht seine Stärke, dachte Link und ärgerte sich über seine eigenen Worte. Es war albern das Gespräch mit Leon Johnson so zu beginnen, sollte er nicht einfach die Wahrheit über sein Erscheinen hier darlegen? „Nun, das ist… verständlich“, Leon klang genauso vielschichtig wie er selber und hielt ihm einen ärgerlichen Spiegel vor die Nase. Link seufzte nachdenklich, betreten in Sians fahles Gesicht blickend. Der schweigsame, junge Kerl, erstarrte beinahe und sah im rinnenden Kerzenlicht aus als trug er eine kahle Maske. „Bitte bediene dich, Link“, sprach Leon schließlich, sein Blick ein gewichtiges Buch der Rätsel. Er war bemüht dem Heroen mit Achtung zu begegnen, aber zu schwer lag das Gewicht eigener Verantwortung auf seinen angeschlagenen Schultern… vielleicht trug er deshalb diesen schweren, roten Mantel. Um sich an eine alte Last zu erinnern, an sein eigenes schulterbrechendes Versagen… Je mehr er den alten, gebrochenen Mann in seinem eigenen Schmerz beobachtete, umso mehr tat es Link leid mit seinen sturen Zielen hier erschienen zu sein. Er konnte nicht nach Antworten bohren, während ihn diese betroffenen Blicke aus Leons Augen musterten. Da war so viel reuevoller Schmerz, beinahe Selbstmitleid, dass es dem Heroen schwer fiel überhaupt Worte an den Hausherren zu richten. Währenddessen huschte Dinafa noch einmal um die Tafel, überprüfte ihre Arbeit sorgfältig und wurde dann von Sian für den heutigen Abend entlassen… aus gutem Grund. Es war unumgänglich über Hyrule zu reden, Link einzuweihen und dabei musste keine neugierige Haushälterin anwesend sein. Der Heroe begann seinen Teller mit den duftenden Köstlichkeiten zu beladen. Er wusste nicht mehr, wo er beginnen sollte das Gespräch mit Leon einzufädeln. Er war so entschlossen gewesen schlafende Hunde mit seinem Wunsch nach Antworten zu wecken, und nun hing er über ein paar Steaks, leckerem Brot und nippte schuldbewusst an dem verwirrenden Herzbeerenwein. Leon Johnson, zusammengesunken saß er in seinem beinahe hoheitlichen Sessel, schien Links Sorgen wahrzunehmen, seufzte und begegnete dem leise anklagenden Blick seines eigenen Sohnes. Sian war niemals vor den Wahrheiten weggelaufen, Sian war der bessere Teil Leons, den er weggeschlossen hatte. Und es war Sians Erwartung und Hoffnung eines Sohnes, der Leon das Eis brechen ließ. Schnaufend legte Leon sein Besteck beiseite, stützte sich auf seine grauen, faltigen Hände und suchte nach einem Beginn des Gesprächs in Links tiefblauen Augen. Auch der Heroe legte das Besteck beiseite und hatte angesichts der unangenehmen, tristen Stimmung, die mit Leon Johnson in diesen gemütlichen Speisesaal gekrochen war, seinen Appetit verloren. „Link“, sprach der ältere Herr nach einer ewigscheinenden Pause. „es ehrt dich deine sture Unnachgiebigkeit das Gespräch mit mir zu suchen.“ Seine leicht kratzige Stimme verriet Milde und eine Güte, die der junge Held vorher kaum wahrgenommen hatte. „Es ist unumgänglich, dass wir über das verblasste Land Hyrule reden und über die weltweite Bedrohung.“ „Wenn es so notwendig ist, warum so spät?“, sprach Link schneller als er es beabsichtigt hatte. Natürlich lag Groll in seinen Worten, natürlich konnte er den Ärger über solche Geheimnistuerei nicht im Zaum halten. „Ich reise morgen schon ab.“ „Deine Fragen sind berechtigt, ich stehe zu meinem Wort, diese zu klären“, entgegnete der Mann mit Ruhe in den Worten und es war das erste Mal, das Leon lächelte, zaghaft, aber bestimmend. Das Lächeln in seinem faltigen Gesicht ließ ihn eine bekümmerte Weisheit ausstrahlen. „Du hast dich nicht verändert… noch immer schlägst du dich mit allen Hürden so wacker, bist neugierig und entschlossen.“ Link wusste, was er meinte. Natürlich kannte Leon ihn aus Hyrule, natürlich… Der Schlossherr lächelte aus seinem Gesicht hervor… nein, er mühte sich zu lächeln. Da waren an die fünfzig Falten, die sich durch Grübeleien in seine vom Leben ausgehungerte Haut gefressen hatten. Der Heroe wollte die Geste erwidern, Leon auf diese Weise willkommen heißen, aber der innere Groll war einfach da, und er wuchs mit jeder Sekunde. „Wenn Sie wirklich den Wunsch haben mit mir zu reden, warum… haben Sie mich das nicht wissen lassen? Müssen erst drei Wochen vergehen, muss erst ein Drachenangriff geschehen, unzählige Menschen von dämonischen Splittern befallen werden und dämonische Wölfe über das Land hetzen, ehe…“ Und da bremste Link seine überschäumende Anklage, sah die verwirrende Hilflosigkeit in kristallblauen Augen seines Gegenübers, als ihn eine weitere Erinnerung heimsuchte. Er kannte diesen Blick voller düsterer Zweifel… er kannte diese wunderschöne Augenfarbe… „Es tut mir leid…“, murmelte Link und verschränkte die Arme abweisend. Reuevoll blickten jene kristallblauen Augen drein, dort in den Seelenspiegeln lagen verkaufte Wünsche und sterbende Hoffnungen. „Nein, Link, das muss es nicht“, sprach Leon sicherer und es wirkte als erhob er sich innerlich von seinem Platz aus, als beflügelte ein tiefer Atemzug die alte Stärke seiner selbst. „Dein Ärger ist berechtigt, nur, kann ich dir zumindest versichern, dass ich bezüglich der Bedrohung durch Ganon nicht untätig war… auch wenn ich wohl in mancher Hinsicht Fehler gemacht habe.“ Link seufzte und wusste nach wie vor nicht, wie er diesem inneren Zorn Luft machen sollte. Irgendetwas an Leon enttäuschte ihn maßlos, als hätte der alte Irländer ein Vorbild sein müssen, als hätte er sein Leben auf der Erde einem höheren Zweck opfern müssen. Und er hatte nur zugesehen, als Ganondorf seine Pläne schmiedete, hatte zugesehen als Zelda in diese Welt kam… aus Feigheit! Oder war etwas im Gange, in das Link nach wie vor nicht eingeweiht war? Weiterer Ärger loderte in Link… natürlich war er nicht eingeweiht, einmal mehr! „Sag‘ mir, Link“, murmelte Leon schließlich, erhob sich und trat an eines der langen Rundbogenfenster. Er wollte den Blick des Heroen vermeiden, zu anklagend waren seine tiefblauen, mutigen Augen… vielleicht konnte der alte Mann diese Entschlossenheit und Tapferkeit nicht ertragen, diese unermüdliche Energie eines wahren Helden. „Warum bist du nach Irland gereist? Ausgerechnet hierher, wo Sian und ich leben?“ Die Spiegelung Leons lebensmüden Gesichts im Fensterglas ließ Link den Atem stocken… nur diese himmelblauen Augen leuchteten mit einer Erinnerung an vergessene Stärke. Irritiert sah Link erneut auf seinen Teller. „Das ist ein Umstand… über den ich mir noch keine Gedanken gemacht habe. Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht… ich hatte schlichtweg dieses Gefühl, dass Irlands grüne Hügel… und die Weitläufigkeit des Landes… der richtige Platz sind um…“, und Leon wand sich um seine eigene Achse, fixierte den Jugendlichen, nagelte ihn mit Ungläubigkeit fest. „Es war kein Zufall… wer oder was hat dich ausgerechnet hierher in diese Jugendherberge verschlagen?“ Auch Link kam der Gedanke mit einem Mal zum Frösteln vor. Hatte jemand dies eingefädelt? Etwa Ganondorf, der Link von Schicksalshort fernhalten wollte? Betroffen musterte Link auch die Verwirrung in Sians bildschönen Gesichtszügen. Selbst der einstige Shiekahkrieger fühlte Beklemmung. „Erinnerst du dich, wo du von dieser Herberge gelesen hattest?“, fragte Sian. Der blonde Heroe grübelte, erinnerte schließlich einen Flyer, der vor einer Weile in der Schule auslag. Es war ein Flyer, den er in die Hände bekam, lange bevor Zelda überhaupt nach Schicksalshort fand, lange vor dem Brodeln von Links Bestimmung, lange bevor er überhaupt ahnte, wer er war. „So oder so“, sprach Leon standhaft. „wir leben in einem riesigen Spinnennetz, wo jede Fügung zu einer anderen Abzweigung führt. Wir haben nicht den Einblick in die größeren Wahrheiten und können nur hoffen, dass wir nicht scheitern… gerade wegen dieser schicksalshaften Verkettungen kann auch ich mich nicht in alle Geschehnisse einmischen.“ Leon versuchte zu erklären, warum er sich in den Schatten hielt und zog dies mit einer argumentativen Brillanz an Links eigenen Wegen auf. Aber für ihn klang es mehr und mehr nach einer üblen Ausrede. „Ist das also der Grund, weshalb Sie glauben, wir können nichts gegen die Abläufe auf dem Planeten Erde tun? Ist das ihre Entschuldigung dafür sich nicht einzumischen und bei all dem, was an Katastrophen auf der Welt geschieht, lieber Däumchen zu drehen?“ Vor Ärger und Anspannung klopfte Links Herz ihm bis in seine Kehle hinauf, eine dicke Blutader an seinem Hals pochte heftig, verriet den stürmischen Rhythmus seines gesunden Herzens. „Link, bitte beruhige dich“, nun erschien Sian die Situation doch zu aufgewühlt und ohne Ziel. Es half niemanden, wenn Leon Johnson und der heimliche Heroe dieser Welt aneinander gerieten. „Wir wissen, dass durch Zarnas Splitter die Welt mit dunkler Energie, Ganons Energie, überflutet wird, wir sind nicht untätig“, erklärte Sian. „Die zunehmenden Anschläge… und selbst die Naturkatastrophen sind also wirklich Ganondorfs abscheuliches Werk?“, sprach Link. „Wie ist das überhaupt möglich?“ Damit begegnete Leon erneut dem anklagenden Blick des Helden und schritt mit hängenden Schultern zurück zu seinem Platz. Er hatte noch nicht einen Bissen gegessen… „Als es in Hyrule geschah… nannten wir es seine Verseuchung… weil er die Welt mit dunklen Energien überflutet hatte. Selbst magische Wesen wie Drachen unterlagen damals seiner blutroten, von Rache und Hass gesteuerten Energie, sie wurden befallen wie von einer ansteckenden Krankheit. Einfaches Volk, Soldaten, sogar ehrbare Ritter… sie alle fielen der Verseuchung zum Opfer, verwandelten sich in niedere Kreaturen mit bösartigem Willen. Es war ein Sturm des Elends, der damals über Hyrule zog, ließ die Sonne kaum mehr durch die Wolkendecke dringen, ließ die letzten Angehörigen der Völker in Angst und Schrecken leben. Die alternative Zeit… war das grausamste Martyrium, das sich Menschen vorstellen können… Genauso wie die Weisen und Zelda haben ich noch eine Erinnerung daran…“ Leon erklärte mit schwacher Stimme, in seinen himmelblauen Augen blitzte der namenlose Schrecken von Damals auf, als wurde er lebendig. Allein die von Leon beschriebene Vorstellung der alternativen Zeit löste bei Link Magendrücken aus. Plante Ganondorf das gleiche Grauen über die Welt hereinbrechen zu lassen wie damals in Hyrule? Link erhob sich und stützte seine flachen Hände auf dem Tisch ab. „Aber wenn wir das wissen“, mutig blitzten seine tiefblauen Augen auf. „warum tun wir nichts gegen Ganons dunkle Energie, wie können wir dagegen arbeiten?“ Darauf ließen sowohl Sian als auch Leon ihre Blicke zu Boden sinken. Erst jetzt realisierte Link die Ähnlichkeit der beiden in den Gesichtszügen und im Verhalten… beide verhielten sich auf ihre Weise so vorsichtig in Ausdrücken und in Bewegungen. Beide wirkten edel, geheimnisumwittert und wie aus einer anderen Welt… Sie konnten ihre Herkunft aus Hyrule genauso wenig ablegen wie Zelda… Diese klagenden Schimmer aus Hyrule. Eine weitere Erinnerung kroch umher und sank hinein in des Heroen Herz. Ein festlicher Saal… ein Thron… verziert mit Symbolen aus Hyrule, gegossen aus Gold…Armlehnen gepolstert mit royalem Blau. „Link“, murmelte Sian, beinahe hingebungsvoll, sodass es jenem Burschen eine Gänsehaut über den Rücken jagte. „Wir haben jeden Tag nach einer Lösung gesucht, wir haben jedoch noch nichts gefunden, was gegen diesen Fluch arbeiten könnte. Wir haben nach einer Lösung gesucht, aber wir konnten keine Neutralisation finden… es ist uns kaum möglich gegen Ganondorfs Pläne zu arbeiten.“ Schuldbewusst wiederholte er sich mehrfach, bekräftigte seine Worte mit Nachdruck und lauter werdender Stimme. „Das stimmt nicht ganz“, sprach Leon endlich und erzeugte weiteres Schuldbewusstsein in Sians Gesichtszügen. Konnte es sein, dass auch Sian nicht in alles eingeweiht war? „Schon vor deiner Geburt“, begann der Schlossherr und blickte seinem Sohn mit einer schmerzenden Aufrichtigkeit entgegen, „habe ich nach Impa gesucht, erfreut dass ich unsere älteste Vertraute tatsächlich finden konnte. Dann, als ich mich erinnerte und Hyrules Geschichte auf mich einstürzte wie eine Lawine…“ Ein leichtes Lächeln in seinem Gesicht verriet, dass er große Stücke und eine unermessliche Dankbarkeit gegenüber Impa empfand. „Auch Darunia und Rauru zu begegnen war tröstlich. Und ja“, Leon fixierte Link schließlich mit seinen kristallblauen, klaren Augen, dieser beinahe unwirklichen Augenfarbe, „ja… wir haben uns damals schon Gedanken gemacht eine Bedrohung durch Ganon hier auf dieser fortschrittlichen Erdenwelt, einer Erde von so vielen, aufzuhalten.“ Leon erinnerte sich, als wäre es gestern gewesen, als die junge Miss Schattener vor seinem Schloss hier in Irland stand, so hochgewachsen und kriegerisch wie sie immer war. Er erinnerte sich an ihre muterfüllten Augen, in denen Pflichtgefühl und Hoffnung sich vermischten. Und ab da begannen sie und die anderen inkarnierten Weisen nach und nach sich in den Verlauf der politischen Geschehnisse der Welt einzumischen, Kontakte zu knüpfen, immer aus den Schatten heraus zu interagieren. Und als andere Weisen wie Naranda Leader ebenfalls das Licht dieser Welt erblickten, wurden auch sie eingeweiht. Wachsam hielten sie die Augen offen, beobachteten die Geschicke der Welt, hofften und bangten in so vielen Angelegenheiten. Natürlich hatten die Weisen ihr Pflichtgefühl in den Dienst dieser Welt gestellt. Wie damals agierten sie im Untergrund um Ganondorfs Pläne zu vereiteln. Was sie jedoch nicht versuchten, war einen Weg zu finden Hyrule aus seiner verblassenden Gefangenschaft zu befreien… „Moment… Darunia und Rauru sind ebenfalls… hier inkarniert?“ Link fiel vor Erstaunen die Kinnlade herunter. „Wusstest du das nicht, Link?“, meinte Sian und zupfte sich am Kinn. „Ich sehe schon, du bist mehr im Unklaren als ich dachte… ich verstehe nun, warum du so verärgert bist, Link.“ Leons Milde und Verständnis beruhigten den Heroen ein wenig. „Du kennst die beiden sogar. Richard Raunhold und Dr. Dar Gordon. Gemeinsam mit Ines haben wir bereits einige von Ganondorfs inszenierten Attentaten verhindert…“ Link klopfte sich frustriert gegen die Stirn. Aber ja, von Anfang an hatten die beiden sich seltsam verhalten, angefangen bei dem merkwürdigen Gespräch, dass Raunhold mit Direktorin Schattener geführt hatte. Nach und nach setzten sich alle Puzzleteile zusammen, nach und nach wurde alles so klar und verständlich. Nicht nur für seinen Weg ins Götterreich war er nach Irland gereist, erst jetzt erkannte er diese entsetzliche Notwendigkeit alles in seinem Leben neu zu bedenken und neu zu bewerten. Dann sah er nachdenklich zur Seite, edel, melancholisch. Sein Blick, der fern abseits der Welten lag, hüllte seine Silhouette in pure Schönheit. Der Heroe seufzte. „Ich weiß einfach nicht, wie das alles sein kann. Hyrule war Wirklichkeit… erschreckende, so absolut heftige Wirklichkeit. Ich glaube, das werde ich nie wirklich in meinen Kopf kriegen…“ Er fuhr sich mit beiden Händen durch das wilde, heublonde Haar. „Doch, Link, das wirst du“, sagte Leon, diesmal erhaben und stark. Es war das erste Mal, dass Link den Eindruck gewann eine wahrhaft mächtige Persönlichkeit verbarg sich hinter dem alten Schlossherren. Je mehr dieser Abend voranschritt, umso deutlicher legte Leon seine Maskerade ab, zeigte das stolze Gesicht eines Mannes der Tat. Verwundert blitzten Links tiefblaue Augen auf. „Du hast alle Hürden gemeistert… immer“, sprach er, diesmal mit noch mehr Standhaftigkeit als vorher… mehr noch, in seinen faltigen Gesichtszügen ruhte ein Lächeln der Bewunderung. War das gerade wirklich ein Kompliment, das Leon über seine so ernsten Lippen brachte… mit seiner aufrichtigen, festen Stimme? „Egal, welche Prüfung das Leben dir auferlegt hat, du hast dich immer dem Guten verpflichtet und alles gegeben für Hyrule, für die Königsfamilie… du hast alles gegeben, sogar dein Leben.“ Und eine weitere Stimmung atmend in seinen Worten empfing Link mit seinen Antennen. Schuldgefühle… erneute Schuldgefühle und sogar etwas Neid. Denn gerade Leon hatte niemals jene Opferbereitschaft und jenen Heldenstolz erklimmen können, den doch der einzig wahre Träger des Masterschwerts erreicht hatte. Ja, dachte der Heroe, Leon musste eine bedeutende Stellung in Hyrule eingenommen haben, und doch war er angesichts des Helden von Hyrule an seinen eigenen Prüfungen gescheitert… nur das Abbild eines Mannes, der alles verloren hatte. Alles… sogar seine Tochter. Link ahnte es. Er sah diese wunderschönen himmelblauen Augen, die ihn über Zweifel und Grausamkeit belehrten… diese unentrinnbare Augenfarbe, die ihn in den Tiefen seiner Seele erreichte. Je mehr Leon an alten Wahrheiten über seine Lippen gleiten ließ, seien es Komplimente dem Heroen Hyrules gegenüber, oder Eingeständnisse seiner eigenen Fehler, seien es Versuche über politische Kontakte das Geschick der Welt zu verändern, umso mehr verriet er sich. Link ahnte nun sehr deutlich, wer Leon Johnson war und warum er sich so versteckt hielt. „Hast du denn gar keinen Hunger mehr“, meinte Sian schließlich an den heroischen Blondschopf gerichtet. Er spürte die erstarrende Unbeugsamkeit dieser Konversation, die sich kaum verflüchtigte. Link schüttelte nur mit dem Kopf. Es war wohl das erste Mal, dass dem Helden der Appetit vergangen war. Er schwieg, verkrampfte sich beinahe an seinem Platz, die Hände auf den Tisch gelegt und schwieg… Es war ja schön und gut, dass Leon ihn bewunderte… aber wofür? Es war nicht so, dass er in seinem jetzigen Leben auf der Erde irgendetwas Bedeutendes getan hätte. Es war nicht so, dass er auf dieser Welt in der Lage wäre der eine Held zu sein. Leon übertrieb mit seiner Bewunderung, mit seiner Hoffnung… und beinahe schürte es weiteren Ärger in Links Gemüt. Es war so viel einfacher die Verantwortung abzuschieben als selbst mit Ehrgeiz an der eigenen Reife zu arbeiten. Wie verteufelt das alles für Link war. Hier saß ein Mann wie ein König an seiner Tafel, erzählte von weit zurückliegenden Taten eines Helden ohne zu realisieren, dass dieser Held nichts getan hatte um an diesem Kampf mitzuwirken! Was waren schon seine billigen Versuche Dämonen auszuschalten, wo Hunderte nachkommen würden? Und was waren schon seine Bemühungen ein paar Dorfbewohner von bestialischen Splittern zu befreien? Selbst diese irrwitzige Fahrt in das Götterreich erschien dem Helden als so sinnlos, albern und unnötig. Was hatte es gebracht außer der Demütigung von Fierce Deity? Das Götterreich… Doch da schoss dem Heroen ein Geistesblitz durch den Kopf. „Was ist mit dem gereinigten Splitter?“, sprach er laut und eindringlich. Erneut erhob er sich, seine linke Hand zur Faust geballt. Leon stutzte und verzog das Gesicht mit Unverständnis, es machte sein Lächeln breit und unsicher. Sian hatte ihm also davon nichts berichtet, was Link beruhigte. Sian war absolut, in jeder Hinsicht vertrauenswürdig. „Er muss einen Nutzen in dieser Situation erfüllen, das war es, was mir Hylia gesagt hat.“ Daraufhin ließ sich Leon geräuschvoll in seinen Sessel sinken und starrte Link auf eine Weise an, die er sich bisher nicht getraut hatte. Tiefsinnig, auf der Suche nach Hoffnung. Und Sian wirkte genauso schockiert wie zu dem Zeitpunkt, als Link von der Götterwelt zurückgekommen war. Daraufhin begann Link die Situation in knappen Worten zu erläutern und erzählte in wenigen Minuten von seinem Abenteuer in der anderen Welt. Leon und Sian waren fasziniert, dass Link der einstigen Schutzgöttin Hylia begegnet war, vielleicht vor allem weil es beiden das Gefühl schenkte, dass ein Kampf gegen Ganondorf doch noch möglich war, dass niemand aufgeben musste, auch in dieser ausweglosen Situation nicht. „Ob wir diesen Splitter irgendwie vervielfältigen können?“, bemerkte der Schlossherr spitzfindig und zupfte sich an seinem grauen Bart. Seine Gesichtszüge wirkten plötzlich um zehn Jahre jünger, jetzt, wo er den mächtigen Arm von Glaube und Zuversicht spürte. „Ich kenne einen Alchemisten“, sprach Sian laut. Mit seinen feuerroten Augen, die gerade auf eine besorgniserregende, euphorische Weise zu leuchten begannen, schien er nahezu zu explodieren. Endlich ein neues Ziel, auf das er zu arbeiten konnte. „Einen Alchemisten?“, wiederholte Link, nur um sicher zu gehen, dass er sich nicht verhört hatte. „Jemanden, der ebenfalls aus Hyrule stammt?“ Sian nickte, eher beiläufig als interessiert und schien in seinen labyrinthischen, weitverzweigten Gedankensphären zu versinken. Er arbeitete an einem Plan, gerade in diesen wenigen Sekunden, verschalteten sich alle Neurone in seinem Kopf zu einer brillanten Idee. „Dieser jemand ist mir noch einen riesigen Gefallen schuldig, er wird diese Aufgabe für uns erfüllen.“ Sian sprach wie immer in seinen Rätseln und ließ Link bewusst nicht daran teilhaben. „Schön und gut, aber was passiert dann, wenn wir diesen Splitter vervielfältigt haben?“, meinte Link. Hylia hatte nichts davon erzählt, wie man diesen Splitter in irgendeiner Form verwenden konnte. „Wenn Hylia persönlich Zarnas Splitter umgeformt hat in etwas Reines, dann müssten diese Splitter in der Lage sein, die dunkle Energie Ganons aufzuheben“, erklärte Sian, ebenfalls eher nebensächlich und war bereits mit der Suche nach seinen Kontakten am Smartphone beschäftigt. Er erhob sich schließlich in Windeseile, machte deutlich, dass er nun einer wichtigen Aufgabe nachgehen würde. „Link, wir werden uns morgen früh sicherlich noch begegnen. Aber jetzt ziehe ich mich zurück, es ist dringend“, sprach er und lächelte. Und wie er plötzlich lächeln konnte. Als hätte er ein überschäumendes Glücksgefühl erfahren, hüpfte er aus dem Raum und ging seiner Aufgabe nach… Auch Link lächelte. Das war es also, Sian fühlte sich nur vollständig, wenn er gegen Ganondorfs üble Pläne vorgehen konnte. Er fühlte sich absolut glücklich, wenn er seinen Lebenszweck erfüllen konnte. Aber plötzlich war die Atmosphäre hier im Raum nun doch etwas sonderbar… mit Leon Johnson alleine im Speisesaal zu sitzen, erschien dem Heroen irgendwie… merkwürdig. Auch der Schlossherr schien dies zu bemerken, räusperte sich und läutete eine kleine goldene Glocke, worauf in Windeseile die Haushälterin erschien. Dinafa war also immer noch hier im Haus, dachte Link. Schon immer fand er es befremdlich, wenn Menschen ihre gesamte Zeit in den Dienst eines anderen stellten… obwohl… hatte er dies nicht auch in der ein oder anderen Form gemacht? Wenn er wirklich am Hofe Hyrules gelebt hatte, dann hatte er seine gesamte Lebenszeit der Königsfamilie geopfert. Der Gedanke war unausweichlich. Ob er selbst damit glücklich gewesen war? „Darf es noch etwas sein?“, sprach sie. „Nein, ich bitte dich nun abzudecken, danke Dinafa“, murmelte Leon zufrieden. Und einmal mehr erkannte Link die Persönlichkeit, die vor ihm saß in allen Zügen. Ja, Leon wurde gerne bedient, vielleicht hatte er Dinafa deshalb eingestellt. Er mochte es seine wichtige Stellung mit Untergebenen zu spüren, sich hoheitlich zu fühlen… Dinafa ignorierte nun auch Links Anwesenheit, bedachte ihn mit keinem Blick, was ihn nicht sonderlich beschäftigte und begann den Tisch abzuräumen. Link trank sein Weinglas leer und erhob sich, fühlte sich nun etwas unwillkommen und fragte sich, ob er nicht gehen sollte. War nicht alles… irgendwie… geklärt? Dennoch… da brannten noch Dutzende Fragen auf Links Herzen. Ob Leon ihm etwas mehr darüber berichten konnte, wie sich die Vergangenheit für ihn gestaltete? Wenn er wirklich der Held der Zeit gewesen war, was hatte er nach den Ereignissen um Majoras Maske getan? Und wie war seine Stellung in Hyrule? Hatte er einen Platz am Königshof… bei Zelda? „Link, es liegt mir fern, dich jetzt fortzuschicken“, betonte Leon, etwas zu sachlich. „Ich stehe zu meinem Wort von vorhin dich in alles einzuweihen.“ Der junge Held entließ einen entspannten Atemzug und bewegte lösend seine angespannten Schultern. Ja, er war tatsächlich angespannt in Leons Nähe, was ihn zu dem Verdacht brachte, dass es sich auch in seinem früheren Leben so verhielt. Steif, in starrer Haltung dem Regenten gegenüber, wie es die Regeln des Adels vorschrieben… Gerade da zuckte ein Blitz über den Himmel, ließ Leon aufhorchen, sodass er in Richtung Tür trat. Ein Sturm näherte sich gefahrprophetisch, ein tosendes Unwetter, das unreine Absichten wegwaschen würde. Link hatte den Sturm vorhin schon in der Luft gerochen, salzig, neu und frisch… „Folge mir, Link“, sprach Leon und der junge Mann folgte ihm, sich sicher, dass er damit ein Bündnis einging. Symbolisch trat er hinter ihm her, während der Himmel sich über ihnen entlud und große Regentropfen an die riesigen Fensterscheiben schwappten. Stumm folgte Link dem älteren Herren, dessen dunkelroter Mantel am Boden schleifte. Er folgte ohne Widerworte durch eine weitere riesige Metalltür, lief eine Wendeltreppe immer weiter hinab und beobachtete stetig den Menschen vor sich und konnte sich trotz seiner Ahnung, wer er war, irgendwie keinen Reim aus ihm machen. Wenn er wirklich Hyrules Herrscher gewesen war, Zeldas Vater… ja, Zeldas Verwandter! Warum hatte Link nicht schon früher etwas von ihm gehört, dann als Zelda sich erinnerte und sie sich versöhnt hatten? Warum hatte seine Prinzessin kein Wort über Leon verloren? Das passte für Link nicht ins Bild. Da musste etwas sehr Dunkles oder Schmerzhaftes vorgefallen sein, dachte er. Leon riss ihn plötzlich mit seiner kratzigen Stimme aus den Überlegungen. „Sian erzählte mir, du hast dein Schwert verloren.“ „Ja, das ist richtig“, sprach Link erklärend. „Es ist mir nach dem Drachenangriff... abhanden gekommen.“ Sie traten den Turm hinab, wo groteske Holzschnitzereien an den Mauern den Zugang zu den Kerkern bewachten. Unheimlich war es hier, dachte Link, dunkel, und außen heulte der Sturm wie ein klagender Geist. „Was ist schon ein Held ohne Schwert?“, meinte Leon und Link konnte anhand seiner sachlichen Stimme nicht erkennen, ob dies mit Sarkasmus oder Bemühen Link gegenüber über seinen Mund gelangte. „Ich möchte dir gerne das Angebot machen“, erklärte der Mann weiterhin, „dich von unserer Waffenkammer zu bedienen.“ Link grinste über beide Ohren, denn der Verlust seines Schwertes hatte ihm schon beträchtlich zu schaffen gemacht… für ihn war es mittlerweile ein bedeutender Teil seines Daseins, er brauchte das Gefühl einer kraftvollen Klinge in der Hand um sich als Held zu bestätigen. „Sie leihen mir wirklich ein neues Schwert, wirklich?“ Link grinste nicht nur, er strahlte! „Nein, ich schenke es dir sogar“, sprach der Mann und trat ohne jedweden Blick weiter. „Und bitte Link, du bist wirklich der letzte Mann, der mich so höflich ansprechen sollte…“ Link verstummte einmal mehr angesichts der vielschichtigen Melancholie in Leons Stimme. Wenn er ein König war, sollte er es nicht genießen mit Achtung und Würde, ja sogar einer höfischen Anrede angesprochen zu werden? Auch das passte für den jungen Helden nicht ins Bild. Da waren Momente an diesem Abend, die Link mit nahezu hundert prozentiger Sicherheit die Identität Leons bestätigten und dann wiederum zeigten sich so viele Zweifel… Zweifel, die Leons Lebenskraft wie Blutegel aussaugten. Vor den Türen zu den Verliesen, Waffenkammern und Vorratskellern blieben sie stehen. Leon öffnete die großen dunklen Tore knarrend, sodass ein Schwall hässlicher Staub aufgewirbelt wurde und Links spitze Nase kitzelte. Es musste eine Weile her sein, dass jemand sich hier aufhielt. Leon entzündete eine Fackel und schritt vorwärts, als floh er mit dem lichten Feuer durch ewigscheinende Katakomben… eine weitere Erinnerung brannte in dem Heroen, entzündete Aufregung und ein pochendes Gefühl in seiner Kehle. Eine Erinnerung an Hunderte Träume, wo Fackellicht ihn begleitete… ein bisschen Wärme in den dunkelsten Ecken der Welt. In der stillen Waffenkammer angekommen konnte Link seine Augen von den ganzen Waffen nicht mehr abwenden. Äxte, Bögen, Dolche und Unmengen von Schwertern… sogar Schilde… aufgetürmt in staubigen Vitrinen, an den Wänden hängend, sodass kaum Mauerwerk sichtbar war. „Sagenhaft“, murmelte Link. „Ich habe noch nie so viele Waffen auf einem Haufen gesehen.“ Er war überwältigt von der Waffenkammer, fragte sich aber sogleich wozu Leon überhaupt eine besaß. So wie die Waffen hier verwahrt waren, musste der Schlossherr sogar schon vor Sians Geburt begonnen haben diese zu sammeln. Als ob Leon die Gedanken des jungen Mannes gelesen hatte, sprach er: „Tatsächlich habe ich mich sehr früh auf eine Wiederkehr Ganons vorbereiten wollen…“ „Sie… ich meine, du hast dich schon sehr früh an Hyrule erinnern können?“, meinte Link leise, als ob ihn die Ehrfurcht vor so viel Stahl erblassen und verstummen ließ. Seine tiefblauen Augen wanderten fasziniert umher, beinahe ruckartig las er die Realität. Er hatte vielleicht zu spät realisiert, wie bedeutend die Frage für sie beide war. „Seit ich denken konnte…“, Leons Stimmte zitterte angesichts dieser Frage. Der Kummer, den er immer versuchte zu verbergen, trat mit jener Frage an die Oberfläche. „Link, wenn du dir ein Schwert ausgesucht hast, musst du mir noch zu einem weiteren Raum folgen“, sprach er benommen, etwas geheimnisvoll, sodass der Held ihn musterte. „Ich möchte, dass du auch für… Zelda einige Waffen aussuchst. Sei bitte nicht sparsam und nimm‘, was dir wichtig erscheint.“ Allmählich kam dem Helden dieser alte Herr wie ein reiner Verschwender vor, wie jemand, der genug Geld hatte, sodass es beinahe keinen Wert mehr besaß… Jemand, der gelernt hatte den Wert der Welt nicht mit materiellen Dingen zu füllen… Jemand, der erst alles verlieren musste um zu dieser Form von Lebenserfahrung zu gelangen. Jemand, für den Link gerade jetzt nur ein trostloses Gefühl hatte. Mitleid… unermessliches Mitleid. Der Kummer in Leon kristallblauen Augen erzählte von seiner eigenen Verdammnis und einer fehlerbeladenen Bürde, von einem Wahren seines hoheitlichen Gesichts und Stellen von Erwartung über Erwartung an alle Wesen in seiner Umgebung, wo kaum Platz war für Bedürfnisse von ehrlicher Zuneigung, wonnevoller Wärme und tröstender Gesellschaft. Die Zwänge seines eigenen Hofes hatten ein leeres Gefäß aus ihm gemacht… Und noch etwas fiel dem Heroen auf… legte sich wie ein Schatten nieder in seine Gedanken… die verstockte Art und Weise wie er den Namen der Prinzessin des Schicksals aussprach. Beinahe mit Bedauern… beklemmend und furchtsam. Zelda… Link suchte in seinen Gedanken nach dem schönsten Bild von ihr und konnte doch nicht anders als nur an den märchenhaften Traum zu denken, den er vor wenigen Tagen träumte. Zelda, ihre seidenen Haare im kupfernen Feuerschein hochgesteckt, mit ihrem samtroten Nachtgewand… Sorgfältig überlegte der Heroe welche Waffen für seine Prinzessin von Vorteil wären. Mit welchen Waffen konnte sie umgehen? Link entschied sich schließlich für einen hochwertigen Bogen, beinahe wie ein Elfenbogen geschmiedet mit Geduld und Hingabe, kunstvoll, vielleicht unnötig verziert. Und endlich betrachtete Link die Schwerter in den Vitrinen, bis eine Waffe ihm unvermittelt ins Auge sprang. Silberner Griff, eher schlicht gehalten, ein royalblaues Emblem der Königsfamilie Hyrules war in die Klinge eingefasst. Ein wunderbarer Einhänder. Link konnte förmlich riechen wie edel der Stahl war. „Nimm‘ es, Link“, sprach Leon. „Es ist das beste Schwert in meiner Sammlung, ein Schwert, das ich als Nachbildung für mein eigenes aus Hyrule schmieden ließ… perfekt ausbalanciert, noch nicht einmal benutzt… aber ich garantiere dir, es strotzt vor Willen und Kraft. Die perfekte Waffe für einen Helden.“ „Das kann ich nicht annehmen“, sprach der Beschenkte. Ungläubig blickte er in die vor Staub triefende Vitrine. Die Waffe schimmerte durch den Sand der Zeit, als bettelte sie benutzt zu werden. „Doch Link, du musst. Mehr kann ich dir nicht bieten… und ich wünschte, ich könnte es. Du hast keine Ahnung davon, wie sehr ich in deiner Schuld stehe.“ Nein, das wusste Link nicht, all‘ diese Einsichten lagen in einer fernen Vergangenheit verschüttet. Und genau diese Fehlbarkeit drückte grausam an Links reinem Herzen… Er schluckte und verbat sich tiefer nachzubohren. Oder sollte er Leon Johnson, nein, den König von Hyrule, wirklich nach der Vergangenheit fragen? Link rang mit sich, aber wusste, er konnte dabei kaum sachlich bleiben, da war so viel Unverständnis und Zorn in ihm, dass er dem einstigen Regenten sicherlich Vorwürfe machen würde. Wortlos öffnete der junge Heroe den Glasbehälter und nahm die edle Klinge an sich, irritiert über die angenehme Schwere der Waffe und etwas verwundert wie gut sie in seiner linken Hand lag. Hatte Leon dieses Schwert tatsächlich für sich selbst hergestellt? Der Schlossherr lächelte, ein heimlicher Triumph flackerte in seinen Gesichtszügen auf wie blaues Feuer. Er war äußerst zufrieden Link diese Waffe zu überlassen und verschleierte seine Gedanken nicht. Er winkte dem Heroen zu, der sich angesichts der Geschmeidigkeit und Schönheit der Klinge kaum davon losreißen konnte und schritt aus dem Raum. Link folgte mit einem hinterhältigen, gutmütigen Grinsen. Schließlich betraten sie ein weiteres großes Gewölbe, riesig, uralt und abgestützt mit teilweise zerborstenen Holzpfeilern, düster und leer, als Lichtquelle nichts außer einigen Fackeln an den Wänden, die auf seltsame Weise ewig zu brennen schienen. Nur ein hoher Spiegel in Form eines Dreiecks ruhte wie ein alter Zeuge in der Mitte des Raumes. Das Gewölbe wirkte wie ein Endgegenerraum, dachte Link, als hätte eine fremde Macht einen jener Räume in diese Wirklichkeit transportiert, vollkommen kahl, gigantisch für nur einen Spiegel, der jedoch mehr als ungewöhnlich war. Ein hoher Standspiegel, auf dessen Oberfläche Unmengen von Staub lag, und er besaß in die Höhe zulaufend drei Flächen, pyramidenartig… Als Link näher trat, stellte er jedoch fest, dass es sich nicht um Staub handelte, sondern, dass das Spiegelglas so neblig und rau war, undurchdringlich an jeder der Seiten. Und obwohl der grünbemützte Erdenbewohner sich selbst nicht erblicken konnte, der Spiegel nichts wiedergab, das real war, so spürte er eine beinahe magnetische Anziehungskraft, die ihn forderte und verhinderte, dass er sich dem Blick in den Spiegel entzog. Da waren die dichtesten, breitesten Nebelschleier, die auf dem Glas vorüberzogen, als würde man auf dunkelgrauen Gewitterwolken schweben und durch sie hindurch sehen wollen, um die Erde zu erblicken, um zu erkennen, dass der Nebel schmolz… Argwöhnisch trafen Links tiefblaue Augen jene des vergessenen Herrschers, der an der Eingangstüre trat, zu ängstlich, was der Spiegel doch wiedergab, zu wissend, was dort als zermürbende Erinnerung ruhte. Leon hütete so viele Geheimnisse, so vieles, dass er kaum preisgeben wollte und vielleicht war es ihm schwergefallen dem einstigen Helden Hyrules diese Gegebenheit zu erklären, beinahe so, als würde er sich schämen… Link legte eine Hand auf das raue Glas und konnte nicht definieren, was geschah, konnte kaum begreifen, welcher Mechanismus diese Arbeit ermöglichte und welcher Macht diese Ingenieurskunst zugrunde lag. Link sah nur fremdländische Symbole an der Fassung des Spiegels, dumpfes, bläuliches Leuchten, das ihn an etwas erinnerte. Aber ja, dachte er, Symbole der Shiekah fügten dieses Meisterwerk eines Spiegels zusammen. Und als Link wusste, dass dieser Spiegel vielleicht mehr wie ein Computer funktionierte, wusste er auch, woher er stammte. Die Shiekah hatten ihn konstruiert, er stammte aus Hyrule, ebenso wie einige Gegenstände, die der Fürst des Schreckens für seinen Plan verwendet hatte. Link grübelte innerlich weiter, und ahnte, dass es irgendwo auf der Welt einen verborgenen Zugang nach Hyrule geben musste. Wie sonst kamen diese Gegenstände hierher? „Leon, warum zeigst du mir das?“ Und Link ließ seine Hände vom Glas sinken. „Sieh‘ hinein, Link, solange du nur standhalten kannst.“ Link folgte der Aufforderung ohne wenn und Aber, aber vor allem wohl deshalb, weil Leons Sätze nach Risiko klangen. Oh ja, er konnte standhalten. Leon forderte ihn heraus mit verbotenem Ehrgeiz, und wusste wohl genau, das Link darauf anspringen würde. Und als der junge Heroe erneut den Blick in dieses milchig weiße Glas sinken ließ, und auch beide Hände mit Nachdruck spüren wollten, welches Rätsel dieser Gegenstand hütete, war da eine neue Anziehung, magnetisch, als versuchte der Spiegel den Helden mit aller Gewalt an sich zu binden, drückend, reißend. Und Link hielt stand, blickte hinein, immer weiter und weiter durch die verschlingenden Nebel bis er diesen als unersättlichen, fauligen Alptraum erkannte… Und genau da zerbrach für ihn das raue Glas, eine Barriere irgendwo in seinem Kopf, die Schleier verpufften wie Dekubomben und sichtbar wurde eine vielschichtige Landschaft der grünen Hügel, Gebirgsketten und weiten Wiesen. Verstört wich Link zurück, aber das Bild blieb, auch als er seine Hände vom Glas löste, auch als er mehrere Schritte zurücktrat. Selbst dann als er kurz zu Leons trübsinnigem Gesicht blickte. Link kannte die Antwort längst, brauchte nicht einmal seine Stimme zu erheben, als der vergessene Regent es bereits bestätigte. „Hyrule“, sagte er leise. Es fiel ihm schwer, den Namen jenen Landes auszusprechen, ungeheuer schwer. Seine verbrauchte, kratzige Stimme zitterte, beklemmend wie zu dem Zeitpunkt, als er Zeldas Namen über seine vernarbten Lippen gleiten ließ. Link sah die Verbitterung, die kaum enden wollende Traurigkeit in seinen schönen Augen, dieser saphirblauen Farbe, die ihn immer wieder mit so viel Hoffnung erfüllen konnte. Diese Farbe, in der er so gerne versank… Es konnte keinen Zweifel mehr geben, dies war Zeldas Vater, definitiv, dachte Link. Leon lief auf den Spiegel zu, mit schweren Schritten leise und standhaft zugleich hauchend: „Es war mir immer möglich das alte Land zu beobachten, Link. Das, was von Hyrule noch geblieben ist… Genauso, wie ich Zeldas Antlitz manchmal erblicken konnte, Zelda… der Juwel Hyrules… wie ein Gespenst in den Gefilden des vergessenen Reiches ist sie umhergewandelt. Ich habe viele Jahre mit angesehen, wie sie sich selbst mit Einsamkeit bestrafte, mit diesem herben, dummen Glücksentzug, da sie davon überzeugt gewesen ist, die Schuld am Untergang Hyrules zu tragen. Aber es war nie ihre Schuld.“ Damit wand sich Leon um seine Achse und blickte direkt in Links tiefblaue, ernste Augen, Scheu und Scham sprachen aus seiner Mimik, so viele Schuldeingeständnisse, dass es Link die eigenen Augen verschließen ließ. Es schmerzte wie Leon über Zelda sprach, diese tiefe Zuneigung überschattet mit Hilflosigkeit. „Ich konnte nicht länger mit ansehen, wie sie litt…“ Er schwankte nun ein wenig, und erst da bemerkte Link trotz dieses muskulösen, breiten Körpers den schwachen Zustand des Mannes. Die Erinnerung an Hyrule musste an ihm gezehrt haben wie ein Hirnsauger, einer ekelhaften Monsterart in Hyrule, die nur an den dreckigsten Orten zuhause war. „Deshalb bat ich die Götter der alten Welt um einen letzten Gefallen. Ich habe gebetet, sie mögen Zeldas Seele endlich erlösen und sie zu guter Letzt ihr Glück finden lassen. Ich konnte nicht länger ertragen, wie sie sich selbst zerstörte. Vor einem halben Jahr geschah schließlich etwas, womit ich nicht mehr gerechnet hatte. Zeldas Seele gelangte in diese Welt und ihrer Reinkarnation wurde ein neuer Anfang gewährt.“ Links tiefblaue Augen füllten sich mit all den aufrichtigen Empfindungen seiner Prinzessin gegenüber, und sanken zu Boden. Leon war sich nicht sicher, ob der Heroe für seine Prinzessin tatsächlich Tränen vergießen zuließ. Aber der tapfere Jüngling schwieg, sein Herz beladen mit Schmerz und Kummer. Die reuevolle Empfindung Zelda im Stich gelassen zu haben brannte wie im Götterreich… Leon sprach weiter, als sich das Spiegelglas stabilisierte und der Spiegel seinen Einblick beendete. „Dennoch… dass die Prinzessin ausgerechnet von dir gefunden wurde, war wohl eine Fügung des Schicksals. Nicht einmal die Weisen hätten ahnen können, dass du es schließlich warst, der Zeldas Rufe hören würde.“ Dann zeigte sich ein stolzes Lächeln auf Leons Gesicht, und mit jenem Lächeln zeigte sich das erste Mal eine beinahe väterliche Seite des gefallenen Regenten. Ja, er respektierte Link, achtete ihn und vertraute ihm wie einem Sohn. „Und es war nicht Zelda oder mein Gebet allein, das ihre Rückkehr in Gang setzte. Ich vermute, du warst es… du hast sie zu dir gewünscht, auf eine faszinierende, aufrichtige und tapfere Weise, es war deine starke Seele… weil du sie brauchst… Du hast einen Wunsch ausgesprochen, der ein so machtvolles Relikt wie das Triforce nicht benötigt hat. Das lässt uns zweifeln, ob wir in unseren Herzen nicht noch größere Mächte tragen…“ Und erneut lächelte Leon ergeben, als wollte er vor Link auf die Knie sinken. Dies war einer der Gründe, warum er in Links Schuld stand, soviel verstand der junge Mann. Zelda war vielleicht nur wegen Link in diese Welt gelangt… aber war das wirklich das, was die Prinzessin des Schicksals wollte? Entgegen des dankbaren Lächelns, das Link in Leons alten Falten entstehen und blühen sah, verspürte er trotz allem nur Härte und eine weitere Kette an Vorwürfen, die in ihm hochkochten. Dass Leon im Endeffekt nur auf Links Einmischen gewartet hatte, machte ihn traurig und wütend. Er hatte jahrelang zugesehen wie Zeldas Gleichgewicht an ihrem unnötigen Halten an Hyrule zerbrochen ist. Er hatte einfach nur zugesehen und erst dann etwas getan, als Link bereits siebzehn Jahre auf dieser Welt gelebt hatte? Ein simples Warum schallte durch Links Gedanken… ein weiteres Warum, diesmal unverständlicher, zorniger… und noch eins. Warum! Bis das Warum so laut in ihm brüllte, dass er es nicht mehr aushielt! Warum habt ihr alle versagt! Er erhob das Wort wie ein Gott, stur und grimmig, beinahe so wie der Tonfall des Kriegergotts in dem Götterreich gewesen war. „Warum hat keiner von euch versucht sie früher dort rauszuholen?“ Erbarmungslos krachte seine Stimme in dem düsteren, kargen Gewölbe nieder, so laut, dass es dieses Gemäuer verließ. „Zelda ist gebrochen… Sie ist innerlich völlig zerstört, traurig und ohne jedwede Hoffnung. Selbst als sie sich nicht erinnern konnte, hing er schon über ihr, dieser krankhafte Schatten und nicht einmal ich habe es verstanden, als sie in diese Welt kam…“ Link erschrak er an der Gewalt seiner eigenen Worte, aber die Vorwürfe platzten aus ihm heraus wie vergessene Magie. „Zelda leidet, sie leidet mehr als wir alle erahnen können… Und niemals würde sie es zugeben, sie würde immer ihre Fassade aufsetzen, schauspielern. Und du stehst hier um mir zu danken für deine Unfähigkeit deine eigene Tochter aus der Hölle eines verblassenden Hyrules herauszuholen. Du thronst hier und schmeichelst mir für etwas, das weder Dank noch Lob erfordert…“ Aufgeregt brachte Link sich kaum unter Kontrolle, fühlte seine Lunge angesichts der tosenden Stärke seiner Stimme dampfen. „Du weißt nichts darüber, was sie seit dem Wiederfinden ihrer Erinnerung mit sich herumschleppt. Du weißt nichts darüber, wie schlecht es ihr geht. Und ich habe mit meinem dummen Verhalten alles noch schlimmer gemacht… weil auch ich es nicht verstehen konnte. Sie konnte nicht ehrlich sein, nicht sagen, dass sie Angst hat, dass sie sich einsam fühlt, auch mir gegenüber nicht, weil man ihr mit königlichen Absichten scheinbar aberzogen hat, dass es in Ordnung ist, auch einmal schwach zu sein und Angst zu haben…“ Der Held schnappte nach Luft und konnte nicht fassen, dass er so die Kontrolle verloren hatte. Er war nicht der Typ für Gefühlsausbrüche oder anklagende Reden und nun… „Es tut mir leid…“, sprach er dann, benommen, fasste sich schuldbewusst an die Stirn und trat in Richtung Ausgang. Tief atmend lehnte sich der junge Held an die eisige Kerkertür. ,Toll gemacht, du Held‘, tadelte er sich in Gedanken. Er konnte nicht vor Hyrules König so in Wut und Zweifel versinken… das war schlichtweg unnötig und keine Hilfe für irgendwen. Mit Milde und einer Form von gruseliger Unerschrockenheit trat Leon hinter Link und er wirkte nicht verärgert noch verzweifelt. Er legte dem Heroen eine mitfühlende Hand auf die Schulter. Ja, er hatte Links emotionalen Ausbruch und Zorn kommen sehen, natürlich hatte er das… Er wusste um seine Fehler und würde dem Helden für diese Worte eher danken als ihn zurechtstutzen. „Nein, mir tut es leid… und es ist richtig, Link. Ich habe an mir selbst versagt…“, sprach er. Die unerschütterliche Ruhe, die Leon ausstrahlte, beruhigte den Helden und seine Wut flaute ab… verschwand nicht, aber flaute etwas ab. „Deswegen musste ich trotzdem nicht so ausrasten…“, entschuldigte sich der Heroe zähneknirschend. „Ich ahnte, dass sie dir nichts erzählt hat…“, murmelte Leon noch. „Nein… und ehrlich gesagt, ich war… einfach naiv…“ Link ballte seine Fäuste. „Wenn ich zuhause bin, werde ich Zelda darauf ansprechen. Ich werde versuchen mit ihr zu reden… vielleicht…“ Er sprach nicht weiter und ließ die Worte im Raum stehen. Er hoffte auf dieses Vielleicht… vielleicht konnte sich Zelda ihm öffnen und anvertrauen. „Tu’ das, Link. Ich würde sie gerne sehen“, gestand Leon und noch immer kein Anzeichen von Verärgerung in seinem Gemüt. Auch er hatte wohl die Zwänge des Hoflebens lernen müssen, hatte gelernt eigene Sorgen zu verbergen. „Das wirst du. Irgendwann werde ich euch mit ihr besuchen kommen.“ Leon lächelte aus seinem alten Gesicht hervor, während Links Stimme hoffnungsvoll erklang. „Zelda wird ihren Vater sicher ebenso gerne sehen wollen.“ „Du hast mich ziemlich schnell durchschaut, nicht wahr?“ Link nickte. „Ja… es war deine Augenfarbe, die Zelda geerbt hat…“ Leon seufzte. Es irritierte ihn, dass es so offensichtlich für den Heroen war. Mehr und mehr erkannte der vergessene Regent den jungen Helden aus der Vergangenheit wieder. Und vielleicht erschreckte es ihn sogar, stachelte einen Hauch Neidgefühl an. Denn Link war seiner Tochter emotional immer näher als er es als Vater sein konnte. Sogar jetzt. Ob Leon Johnson wusste, dass der Heroe seine Prinzessin vergötterte? Wusste er es in der Vergangenheit? „Warum hast du dich bei Zelda nicht gemeldet, oder… habt ihr bereits Kontakt?“ Leon schüttelte den Kopf, während er mit der Fackel in der Hand zurück in die Gänge trat. Er überlegte die Antwort sorgfältig. „Nein, wir haben noch keinen Kontakt, Link… Du bist da schon richtig informiert“, erklärte er. Schwermütig trottete er weiter durch die finsteren Gänge. „Ich wollte ihr damit Zeit lassen“, sprach er weiterhin und richtete ferner sehr ehrliche, aufrichtige Worte an Link. „Unser Verhältnis war in Hyrule nicht das Beste. Sie hat in ihrer Situation, mit all dem Kummer weder mich noch sonst jemanden gebraucht. Sie brauchte nur dich…“ Die Worte schickten eine bedrängende Gänsehaut über Links Rücken. „Wie auch nicht… Ich weiß schließlich, dass eure beiden Seelen verdammt wurden immer dann, wenn Hyrule in Gefahr schwebt, wiedergeboren zu werden. Dieses Schicksal bindet euch aneinander, egal, ob es euch gefällt oder nicht.“ Link schluckte auf diese Aussage. Was sollte er damit anfangen? Waren er und Zelda in der Vergangenheit mit Desinteresse aneinander in die Kämpfe gegen Ganon gegangen? „Aber… ich kann dir versichern, dass ihr euch mochtet.“ Link nahm einen tiefen Atemzug. Das war zumindest ein beruhigender Gedanke. „Du weißt es, ich meine… dass ich die Wiedergeburt des Helden der Zeit bin?“, murmelte Link und folgte dem festen, langsamen Schritt des einstigen Herrschers irgendwie andächtig. Bemüht genauso langsam vorwärts zu schreiten, tapste er hinter ihm her. „Allerdings. Und so wie du auftrittst, irre ich mich dahingegen nicht. Schon damals warst du so neugierig wie jetzt und kaum mit einer einfachen Antwort zufrieden. Dreist und schweigsam warst du damals gelegentlich… Ich erinnere mich daran, als du dich heimlich ins Schloss von Hyrule gestohlen hast, um Zelda zu sehen. Ich habe dich einige Male beobachtet, habe dich aber nicht daran gehindert.“ Ein Grinsen spielte um Links Lippen. Er hatte sich ins Schloss gestohlen… wie hinterhältig musste er gewesen sein! „Nein? Wieso? Ich glaube nicht, dass ich das Recht dazu hatte.“ „Die Befugnis hattest du bei Weitem nicht, aber meine Tochter hat sich immer auf deine Besuche gefreut. Das konnte ich ihr nicht verbieten, da sie zu mal so wenig von ihrem Leben hatte.“ Sie schwiegen für eine Weile, während außerhalb der Sturm mit peitschendem Regen und Hagel über die Grafschaft hinwegdonnerte. Es hatte abgekühlt und war äußerst ungemütlich geworden. „Habe ich Zelda oft besucht?“ Wenn Leon schon etwas über das Leben in Hyrule berichtete, würde Link weiter nachbohren. Er konnte sich nicht erinnern, also stand es ihm nur zu nachzufragen. „Du warst ihr bester Freund, ja, das hast du.“ Link strahlte innerlich. Verdammt, dachte er, es tat so gut etwas über die Vergangenheit zu erfahren, zu wissen, wie er war… zu wissen, dass er für seine Prinzessin da war. „Außerdem, hast du schon damals Anteilnahme und die Bereitschaft zu helfen für jeden Menschen gezeigt, ohne etwas dafür zu verlangen… wie auch heute.“ Sollte das ein Kompliment sein? „Ich bin nicht so gut wie alle denken… ich kämpfe andauernd innerlich mit meinen Zweifeln“, erklärte er. „Das macht dich ja auch aus, was?“ Link wusste, wovon der Schlossherr sprach. Jeder hatte seine Zweifel, bedeutsam war es, zu den eigenen Entscheidungen zu stehen und sich immer treu zu bleiben, der Held zu bleiben, der er sein wollte. Das machte Link aus und machte ihn stark. Er besaß seine Ideale, die er niemals hintergehen würde. „Dennoch… wenn ich ehrlich bin“, gestand er. „… habe ich viele Hürden und Kämpfe… doch nur für Zelda gemeistert.“ Etwas Scham kroch über seine Wangen hinweg, machte seine Gesichtszüge unschuldig und gutmütig. „Und“, lachte Leon, überwältigt von so viel Aufrichtigkeit und Treue. „ist das ein Problem?“ Zwinkernd sah Link auf. Ja, dachte er, Leon wusste es. Leon wusste, dass er Zelda begehrte. War es etwa für Leon Johnson in Ordnung? Der Gedanke ging genauso wie ein Donnerschlag außerhalb in Links Gedanken nieder und erschreckte ihn. Wusste der König von Hyrule etwas über Link und Zeldas Beziehung oder wie auch immer der junge Held ihre Verbindung bezeichnen konnte? „Ich glaube nicht…“, sprach Link fragend. „… dass es da ein Problem gibt.“ Und Leon lachte nur, so befreiend mit seiner rauen Stimme, dass es Link das Schamgefühl aus dem Körper entweichen ließ. Wenn es lustig war, war es sicherlich kein Problem… „Link, du kannst dir sicher sein, dass ich nur dir mit weitem Abstand meine Tochter Zelda anvertrauen würde, vor allem, wenn es darum geht sie zu schützen“, sprach Leon und erneut spielte ein geheimnisvolles Lächeln um seine Lippen. Ein Lächeln, das tiefere Gefühle verbarg als Link erahnen konnte. Was mochte diese Aussage bedeuten? In welchen Belangen sonst noch würde der König Hyrules nur ihm seine Tochter anvertrauen? Unschlüssig folgte Link dem älteren Herren zurück in das Erdgeschoss und obwohl ihm noch viele weitere Fragen auf der Seele lagen, so stellte er sie nicht. Es war ohnehin schon so spät, weit nach Mitternacht. Der Abend war lang genug gewesen und Link musste noch ein paar Stunden Schlaf finden ehe er Irland morgen verließ. Link begann leicht zu gähnen, streckte sich und Worte des Abschieds lagen auf seinen erneut geschlossenen Lippen. Alles, was er gerade noch spürte war Dankbarkeit und Hoffnung. Trotz seines von Anklagen geplagten Gemüts fühlte er sich… irgendwie erleichtert. Es hatte gut getan Leon Johnson kennenzulernen und dessen Sichtweise über alles zu erfahren. Außerdem beruhigte es Link, dass die einstigen Weisen Hyrules tatsächlich gegen Ganondorfs finstere Pläne arbeiteten… „Ich sehe schon, es ist reichlich spät. Willst du denn hier übernachten, Link?“, sprach Leon. Link wollte zunächst ablehnen, aber warf dann einen Blick hinaus in die vom Sturm beherrschte Welt. Es war mehr als ungemütlich draußen. „Ähm, das wäre toll, wenn es nicht zu viele Umstände macht“, sprach er… irgendwie tollpatschig. „Aber nicht doch“, entgegnete Leon, rief erneut seine Haushälterin, worauf jene dem Heroen eines der Gästezimmer zuwies. Mit einem Gutenachtgruß entfernte sich Leon Johnson und verschwand in der Bibliothek. Nachdenklich tapste Link der schweigenden Haushälterin hinterher und versuchte sich alle Details des Gesprächs erneut in Erinnerung zu rufen. Ja, irgendwie fühlte sich der junge Held nach der letzten, anstrengenden Woche hier in Irland, erschlagen… nicht wegen des wenigen Schlafs der letzten Tage, sondern eher, weil ihn das Wissen über Hyrule mehr belastete als er dachte… Natürlich war ihm wohl dabei, endlich zu wissen, was vor einem halben Jahr geschehen war. Es half ihm die aus Unverständnis geborene Wut abzulegen. Und dennoch… zu verstehen, sich zu erkennen, war aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Und dann erdrückte ihn die Last seines eigenen Pflichtgefühls. Egal wie viel er aus Hyrules Geschichte erfuhr, es änderte nichts daran, dass er sich eines Tages Ganondorf entgegen stellen musste. Es änderte nichts daran, dass sein Schicksal erfüllt werden musste… Link seufzte, als er begann sich in dem geschmackvollen Gästezimmer umzublicken. Er war so in seine Gedanken versunken, dass er die merkwürdige Haushälterin Dinafa erneut nicht wahrgenommen hatte. Still trottete sie hinter ihm her, aufgetakelt, kaum als Dienstmädchen erkennbar, wäre da nicht der Stapel frischer Bettwäsche auf ihren Armen. Auch sie hatte bisher kein Wort verloren und huschte in dem Gemach umher um dieses seit Ewigkeiten nicht mehr benutzte Quartier als vorzeigbar darzustellen. Sie entzündete einige Kerzen, denn Strom gab es hier in diesem Bereich des Schlosses nicht. Sie überzog das Bett, putzte mit einigen Handgriffen das Badezimmer, das sich angrenzend befand. Spärlich war der Raum eingerichtet und doch gemütlich mit diesem altehrwürdigen Himmelbett, antiken Möbelstücken, Wappen und Schilden an den Wänden… erneut diese weinroten Farben, warm, besinnlich, verführerisch. Das dämmrige Licht trug ebenfalls zu dieser sehnsuchtsvollen Stimmung bei, ließ Link träumen… Genauso still wie sie erschienen war, aber mit einem starren Blick in seine tiefblauen Augen, stechend, als ob für sie die Zeit stoppte, verließ sie den jungen Mann. Und kurz bevor sie ging, war da ein erinnerndes Funkeln in dunklen Augen, zu kurz als jenes als real zu definieren. Link zwinkerte und konnte nicht sagen, ob er sich diesen Schein gerade eingebildet hatte. Er schüttelte sich, gähnte erneut und kam sich albern vor. Diese Dame war eine Irländerin, warum sollte er gerade ein übernatürliches Glühen in ihren Blicken wahrgenommen haben. Link tapste gähnend ins Badezimmer und der Gedanke an Dinafa, die Haushälterin, erlosch. Nachdenklich tauchte er sein Gesicht in kühles Wasser und kam nicht umher, sich zu wünschen, sie wäre jetzt bei ihm, sie… sein warmes Licht, welches ihn immer wieder anzog. Leicht genervt tupfte er sich das Wasser mit einem weichen Handtuch vom Gesicht und hatte nur ein Wort in seinen Gedanken. Sehnsucht… Sehnsucht nach gestern. Sehnsucht nach der Wahrheit und eine übertriebene Sehnsucht nach Zelda… Und schon wieder dachte er an sie, obwohl er sich geschworen hatte, den Rest des Urlaubs nicht an sie zu denken, obwohl… Aber war Sehnsucht denn gerade jetzt der richtige Begriff für dieses rufende Gefühl, bei ihr zu sein? Abrupt blieb Link stehen, starrte ins Nichts und doch kamen ungewollt Worte über seine Lippen, die ein vergessener Teil seiner Seele erschuf. ,Ist das deine Wahrheit? Ist das alles, wonach du gesucht hast? Kann dir eine Prinzessin geben, was deine Seele braucht?’ Der Heroe kniff die Augen zusammen, als er gesteuert von seinem alten Ich weiterredete. ,Ist das alles? Mehr zeichnet deine Hoffnung nicht aus? Du bist nur das Überbleibsel einer stärkeren Persönlichkeit.’ Link schüttelte verwirrt den Schädel und trat wieder in das kleine Gemach ein, warf sich zufrieden in das knarrende, bequeme Himmelbett und schloss die Augen mit Zelda in seinen Gedanken. ,Sie soll nicht mehr traurig sein’, dachte der junge Mann und wünschte sich gleichzeitig, sie hätte ihr Gedächtnis niemals wieder erlangt. Sie könnte leben, loslassen, sie könnte endlich sie selbst sein. Seine Gedanken setzten sich unfreiwillig fort… Wenn Link ihr Anker in diese Welt gewesen war, dann bedeutete es, dass er Schuld war, dass sie sich hier so gefangen und verloren fühlte. Wenn Link sie zu sich gewünscht hatte, dann hatte er entgegen ihres Wunsches gehandelt. Aber durfte er in dieser einen Hinsicht denn nicht egoistisch sein? Egoistisch… ein einziges Mal! Er warf sich von der einen Seite des knarrenden Bettes zur anderen. Er liebte sie, mit jeder Faser seines Herzens. Er respektierte und achtete sie, wünschte sich auf so aufrichtige Weise ihr Glück. Hatte er nicht das Recht sie zu sich zu wünschen? Ein absurd egoistischer Gedanke... Link zog das Kissen über sein verliebtes Gemüt, roch die alten Federn darin und ließ auch seine letzten Erinnerungen an das Götterreich Revue passieren. Er war Zeldas Held, er war für sie verantwortlich, und vielleicht war es auch okay, auch einmal, nach all den Kämpfen etwas dafür zu verlangen… zumal… Link gähnte erneut, sich fragend, warum er nicht schlafen konnte, obwohl er vor Müdigkeit nicht mehr klar denken konnte. Alles an ihm schrie vor lauter Sehnsucht. Wenn Zelda doch nur hier wäre, dachte er. Hier in diesem gemütlichen Schlossgemach, hier in seinen beschützenden Armen, während draußen die Stürme über die Welt zogen. Sie ging ihm nicht aus dem Kopf… Ihr Lächeln, so bezaubernd. Ihre Augen, so sanft. Und ihre Lippen, so… sinnlich… warm… weich… verführerisch… liebkosend… Genervt öffnete Link die Augen wieder und drehte sich auf die andere Seite, wünschte sich dieses verliebte, dusslige Gemüt würde sich nicht verselbstständigen und Dinge tun, die er nicht mehr kontrollieren konnte. Zelda hier… Zelda da… mehr gab es im Moment in seinem Kopf nicht mehr. Zelda lächelnd… und einmal trübsinnig. Und doch war jeder Seite von ihr so wunderbar für ihn. Sie war einfach… so… Ihm fielen die Augenlieder wieder zu und er driftete ab in eine Welt jenseits von Schmerz, Trauer und Angst, träumte von Zelda wie schon einmal und vergaß den wohl schönsten Traum mit ihr wieder… einen sinnlichen, unsterblichen Traum, der schon viele lange Jahre in seinem Gedächtnis verankert war. Doch es würde die Zeit kommen, wann er jenen Traum erinnern würde. Und jener Tag brächte Tränen und Leid hervor… Am frühen Morgen verabschiedete sich der Held von Leon und Sian und versprach so bald wie möglich mit Zelda zu Besuch zu kommen. Zufrieden und gewappnet für die kommenden Erlebnisse in Schicksalshort schnappte er sich seine mit etlichen Waffen vollgepackten Taschen und ging mit Pat und Patrizia zum Bus. Nach einem komischen Gesicht, welches der Busfahrer machte, als er Links tonnenschwere Taschen in dem Reisebus verstaute, stiegen sie ein. ,Ich werde Kevin und Anja sobald es geht einen Brief schreiben‘, überlegte er, ,und Sian anrufen, wenn ich daheim bin.‘ Link kramte das kleine Medaillon hervor, welches er sich umgehängt hatte, während der Bus über die holprige Straße fuhr und sein Irlandaufenthalt endete. Mit etwas Melancholie betrachtete Link sich nun intensiv das alte Medaillon, das er als Andenken und Geschenk für Zelda besaß. So genau hatte er es sich noch gar nicht angesehen und war neugierig auf dessen Geheimnisse. Der Anhänger war ungefähr so groß wie die Innenfläche einer Hand und rund. Es bestand aus purem Gold, dachte Link irrtümlich, ein so reines Metall, dass man sich selbst darin erblicken konnte. Auf der runden Fläche befand sich ein exaktes gleichseitiges Dreieck, welches in weitere vier gleichseitige Dreiecke aufgespalten war, das Triforce… Link drehte das Schmuckstück von einer auf die andere Seite, etwas irritiert, warum ihm nicht vorher aufgefallen war, welche Dicke das Schmuckstück doch besaß, und plötzlich… Klick. Es hatte sich geöffnet. Überrascht sah sich der einstige Hylianer das Innere an. Er hatte gar nicht gewusst, dass man es öffnen konnte und fand das Innere des Medaillons schlichtweg überwältigend… magisch… irgendwie unwirklich. Im Innenraum befand sich eine seltsame Uhr, mit merkwürdig verschnörkelten Ziffern, die er zwar lesen konnte und von eins bis zwölf gingen, aber aus einer fremden und doch vertrauten Sprache herrührten. Erneut Shiekahtechnologie, fragte er sich? In der Mitte war ein Baum dargestellt, der allmählich gelbe, rote und braune Blätter trug und ab und zu einige zu Boden fielen. Moment… da musste ein Stromkreis fließen, oder wie konnte es sein, dass da tatsächlich Bewegung in dem Bild passierte. In einem nächsten Ring befand sich das normale Ziffernblatt einer Uhr und schließlich im äußersten Ring liefen ein Mond und eine Sonne ihre Kreisbahn. Das Medaillon musste uralt und unheimlich wertvoll sein, aber es gab nicht die aktuelle Zeit wieder, dachte er. Und Link konnte nicht erkennen, dass er das Gehäuse öffnen konnte. Auch war nirgendwo ein Hebel um die Uhrzeit einzustellen. Link fragte sich, ob es nicht vielleicht sogar magisch war und aus Hyrule stammte… Es dauerte einige Stunden und sie überquerten mit der Fähre den Ozean. Link verabschiedete sich schließlich von seinen neuen Freunden Pat und Patrizia. „Es tut mir leid, dass ich so eine Nervensäge war… Ich möchte dir Glück wünschen, Link, für alles, was noch auf dich wartet“, sprach Patrick und schien Tränen in den Augen zu haben. „Hau‘ dem Bösen so ordentlich eins auf die Schnauze!“ „Das werde ich“, sprach der Heroe. Und vielleicht waren dies die letzten Worte, die er an Patrick und Patrizia richten konnte. „Und grüße die Prinzessin von uns.“ Patrick und Patrizia stiegen bereits in den Zug, der sie zurück nach Hause brachte, als Link ihnen mit ganzem Herzen hinterher winkte. Ob die beiden nicht vielleicht doch zu seiner Vergangenheit in Hyrule gehörten? Ja, wer wusste das schon… Am Abend des nächsten Tages kam der Held, nach einigen ungemütlichen Stunden Schlaf in einem Sitz des Zuges, in Schicksalshort am Bahnhof an. Er hatte noch nicht zuhause angerufen und wollte seine Eltern, ebenso wie Sara überraschen. Er nahm seine Taschen, worauf er seinen Entschluss schon wieder bereute und lief in Richtung seines Elternhauses. Dort angekommen blieb er schnaufend vor der Haustür stehen und warf genervt die Taschen ab. Unglaublich erschien es ihm, damals in Hyrule ein gewichtiges Schild und ein Schwert mit sich herumgeschleppt zu haben… Link kramte gerade nach seinem Haustürschlüssel, fand ihn aber weder in der Hosentasche, noch im Rucksack, und erinnerte sich daran, dass er sich vermutlich in den Tiefen der riesigen Reisetasche befand, als plötzlich die Tür geöffnet wurde. Sara kam herausgesprungen und fiel schwungvoll in seine Arme. „Hallo, Bruderherz, ich hab’ dich furchtbar vermisst“, rief sie euphorisch. Link erwiderte die herzliche Begrüßung und freute sich wahnsinnig wieder zuhause zu sein. Kapitel 35: Die Heilerin ------------------------ Der beinahe glasige Abendhimmel wurde von der glühenden Sonne in warme rotorange Farben getaucht, als auch der Mond seine unausweichlichen, vertrauten Bahnen drehte. Sein kühles, gleißendes Licht erzeugte Risse am Firmament, bereit die alte Sonne in den Schlaf zu wiegen. Im Hause der Braverys war wieder alles beim Alten, so nahm es den Anschein. Der junge Heroe Link war von seiner abenteuerlichen Reise zurückgekehrt und nach einem langen, aber durchaus unvollständigen Bericht an Sara und seine Eltern in seinem Zimmer verschwunden, genoss die Gemütlichkeit seines eigenen, kleinen Reiches, entspannte hier in seiner eigenen, kleinen Zuflucht und lehnte sich für wenige Minuten im Dunkeln an seine Tür. Wie unwirklich dieses Zimmer mittlerweile für ihn war, wie absurd… Ein Teil von ihm spürte, dass er in seinen früheren Leben die Wildnis bevorzugt hatte… Die geheimnisvollen, zirpenden Geräusche in der Nacht. Die alten Winde der Welt, die seine Ohren gekitzelt hatten. Und der Geruch der Freiheit… Er ließ sich schließlich erschöpft in sein Bett fallen und realisierte mit einem halbherzigen Grinsen, dass es gut tat wieder zu Hause zu sein, aber sein Zuhause niemals mehr so erfüllend, sicher und sorglos sein würde wie es einmal war. Alles hatte sich gewandelt auf eine beinahe zerstörerische Weise und Link spürte diesen gemeinen Zwang in seinem Herzen, dass seine einstige Unschuld mit der Reife seines Heldendaseins schwand. Gähnend dachte er an die Ereignisse, die er in Irland erlebt hatte, an jene wertvollen Menschen, die er kennen gelernt hatte, und die unverzichtbaren Dinge, die er über sich selbst erfahren hatte… selbst an die Schattenseite der Kämpfe, die Trauer, die Vernichtungswut. Je mehr Wochen vorüber zogen, und es schien nur eine Frage der Zeit, lernte er ein wenig mehr über sich selbst, sein früheres Ich, sein Schicksal und er würde die Dinge - so schmerzhaft und leiderfüllt sie auch waren – annehmen mit aller Stärke, die er besaß. Link musste sich nun endgültig erkennen, sich verstehen, sogar daran glauben, dass die Seele in ihm für den einen Kampf geboren wurde, geboren wurde, immer dann, wenn sich das Böse wie ein schwarzer Schleier über die Welt zu legen drohte… Und schließlich, so dachte er mit einem leichten, ehrlichen Lächeln auf dem Gesicht, hatte er endlich verstanden, warum er sich zu Zelda so hingezogen fühlte. Warum alles an ihr ihn in ein schier überwältigendes Erstaunen versetzte, warum er nur in ihrer Nähe sich als er selbst und vollständig begreifen konnte und warum er für sie sterben würde… Verliebt dachte er einmal mehr an den Traum in Irland, als sie so nah war und hoffte sehnlichst, dass es nicht mehr war als nur ein Traum, weil er sonst nicht wüsste, wie er sich ihr gegenüber in nächster Zeit verhalten sollte. Aber andererseits… Mit ihrem Namen auf seinen Lippen zog er sich die Kleidung vom durchtrainierten Körper, krabbelte in der schwülen Sommernacht nur bekleidet mit Boxershort auf die kühlen Laken und genoss seine eigene Nacktheit… Ja, andererseits war allein der Gedanke, er könnte Zelda noch einmal küssen, hier in der Realität, überwältigend schön… nur noch einmal ihre weichen, sinnlichen Lippen spüren… mehr verlangte er doch nicht… mehr traute er sich nicht zu verlangen… Diese Zartheit ihrer pochenden Lippen… Ekstase und Hunderte heimliche Vibrationen, wenn er das Pochen ihres Blutes an seinen Lippen spürte… Und obwohl er sich nicht traute Zelda in irgendeiner Weise zu bedrängen, war da dieser Strom lustvoller Empfindungen, der ihr süßer, leidenschaftlicher Kuss ausgelöst hatte. Link musste sich eingestehen, dass ihm ein Kuss nicht reichte. Und es war für ihn das erste Mal, dass er diesem Verlangen erlag. Natürlich war er nicht auf den Kopf gefallen, er hatte genauso seine Bedürfnisse wie andere Menschen, aber ihn hatte bisher nicht dieser pulsierende Strom an Empfindungen, die sich in seine Körpermitte bohrten, verfolgt… und es gab nichts außer Zeldas Nähe, das dieses Bedürfnis befriedigte. Link gähnte erneut, überschwemmt mit Endorphinen und nicht enden wollenden inneren Bildern von Zeldas erweckender, betäubender und so süßer Weiblichkeit, und schloss langsam die tiefblauen Augen… und ertrank innerlich an seiner Sehnsucht. Er war so verdammt müde, wollte eigentlich nur schlafen, denn der Tag war anstrengend genug. Er drehte sich auf seinen Bauch, seufzte verlangend mit einer erregten Stimme, aber wollte doch eigentlich nur schlafen… Er legte seine Arme über seinen Hinterkopf, spürte durchgeschwitztes Haar und seufzte erneut. Der Gedanke an Zelda und ihre weiblichen Reize, ja… diese langen Beine, diese einladende Hüfte, ihr sexy Po… würde ihn noch umbringen… Einmal mehr seufzte er und schlief mit siegender Erschöpfung und Tausenden Schmetterlingen im Bauch ein. Nach einigen Minuten befand er sich in einer Welt fern von dieser. Die Sonne hatte inzwischen vom Tag Abschied genommen und der Mond die Herrschaft über die Welt an sich gerissen, als die Tür in Links Zimmer leise geöffnet wurde. Vorsichtig trat eine schlanke Gestalt in das dunkle Zimmer hinein, bemüht das Knarren der Tür zu unterbinden. Einige Sekunden vergingen, in denen sich das zierliche Wesen nicht rührte. Sie wartete vermutlich, dass sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, dass sie sich orientieren und Link in seinem Schlummer erblickten konnte. Außerhalb fuhr ein Lastwagen auf der Straße vorbei. Das Licht seiner Scheinwerfer erhellte kurzzeitig das Zimmer, hetzend, aufflackernd, wie eine Warnung. Und in dem gleißenden, kurzen Flackern konnte ein Beobachter erkennen, dass ein anmutiges Mädchen in dem Zimmer stand. Ein Mädchen, das in dieser einschneidenden Realität niemals finden konnte, was ihr Herz begehrte. Ein Mädchen mit einer alten, verwundeten Seele… Mit sanften Schritten tapste sie in Richtung des zerwühlten Bettes, ließ sich an dessen Rand auf ihre nackten Knie sinken, sodass sich ihr Gesicht in etwa auf gleicher Höhe wie das des schlafenden Link befand. Sie blickte ihn verträumt an und ihr huschte ein zierliches Lächeln über das edle Gesicht, als er irgendetwas Unverständliches murmelte und sich langsam in Richtung Wand drehte. Sie flüsterte in einer lieblichen Stimme seinen Namen, leise, fast ungewollt, mit ein wenig ungestillter Sehnsucht, die ihre Stimme verriet. Aber er reagierte nicht, war gefangen in seinen Träumen, den schicksalhaften Träumen eines Helden… Sie blieb noch ein wenig am Rande des Bettes auf dem Boden sitzen und lehnte sich gegen dessen Kante, und stützte ihren schweren Kopf auf ihren wohlgeformten Armen ab, die sie auf die weiche Matratze des Bettes gelegt hatte. Sie seufzte, ignorierte ein wohlvertrautes Zittern über ihre Haut hinwegdriften. Sie war hier, in einer intimen Nähe ihres Heroen, realisierend welche Grenze sie damit überschritt… Das Licht des Mondes schien nun durch das große Fenster in das kühle Zimmer und verlor sich mitfühlend auf den beiden auserwählten Menschen, die sich hier befanden. Es war, als hätte er Mitleid mit den alten Seelen, die zueinander finden und doch nur kämpfen mussten… Link drehte sich wieder zu seinem Gast, ruhend, genüsslich schlafend, und hätte ihr, wenn er wach gewesen wäre, direkt ins wunderschöne Antlitz gesehen. Er flüsterte irgendetwas in die Dunkelheit, dass sie gerne verstanden hätte, aber es war nur ein undeutliches Murmeln, das Link von sich gab. Er träumte vermutlich, träumte einen angenehmen Schatten der Nacht und verlor sich in seinen Wünschen und Hoffnungen… Auch wenn sie sich nicht wirklich sicher war, sie bildete sich ein, ihren Namen aus seinem Murmeln herausgehört zu haben, wünschte es sich, verzerrte sich danach ihren Namen über seine Lippen gleiten zu spüren… immer und immer wieder… begehrlich… sehnte sich nach dem tiefgehenden Klang seiner Stimme, die sich über Welten hinweg nicht verändert hatte. Link wusste es nicht, aber dies war eines der unsagbar romantischen Dinge, die Zelda erinnerte. Der Klang seiner Stimme, die sie niemals vergessen hatte… genauso sein Gesicht. Auch dieses besaß die gleichen Eigenheiten wie damals, die gleiche Schönheit, seine markanten Züge… Und sie realisierte, dass sie ihm stundenlang hätte zu schauen können. Er wirkte so unschuldig, wenn er schlief. Niemand würde ahnen, welche Kraft, welcher tosende Mut, sich hinter seinem Erscheinungsbild verbarg, nein, unmöglich. Nicht eine Spur der gefährlichen Kämpfermaskerade, die er in der alternativen Zeit besaß, war erkennbar. Süß, wie er schlief, so friedlich, als würde nichts auf seinen Schultern lasten, wirkte es, als wäre er ein ganz normaler Jugendlicher. Sie reckte ihren Kopf in die Höhe und blickte an das hellerleuchtete Ziffernblatt des Radioweckers und dachte erfreut über die kaum fortgeschrittene Zeit nach. Kurz nach elf, und die Nacht war noch jung, hier in der Nähe des Helden, der einst mit der Zeit tanzte, schienen die Sekunden langsamer zu ticken. Ja, sie konnte noch ein wenig bleiben, noch ein wenig träumen… Im Grunde genommen, war seine Nähe der einzige Ort, an dem sie sich geborgen fühlte, sicher fühlte. Und egal, was zwischen ihnen passierte, Link würde sie immer verstehen und ihr Glauben schenken, egal wie dumm das, was sie sagte, klang, egal, welche Fehler sie machte… Sie wusste immer, dass sie seine großzügige, edle Seele in ihrer Gegenwart kaum verdient hatte. Auch deshalb war sie oftmals so abweisend, so innerlich kalt, dass sie sich schämte. Ihr kamen bewegende Bilder aus der düsteren Vergangenheit in den Sinn, als sie ihn durch die Dunkelheit der Nacht beobachtete, so viele Überbleibsel alter Geschehnisse, von denen jenes Mädchen nicht mehr wusste, ob sie tatsächlich geschehen waren. Es lag alles so weit zurück, Äonen für sie… geradeso als wäre es nie geschehen und alles, was von dieser Zeit noch blieb, wurde lediglich durch verblassende Erinnerungen preisgegeben… Und immer tat es weh… Jedes Verblassen tat weh, vergessen alter Leben tat einfach nur weh. Links Hand bewegte sich plötzlich, landete neben seinem Gesicht auf ihrem Arm und ruhte dort und noch immer träumte er in wonnevollen nächtlichen Schatten seine Bedürfnisse. Seine Haut war so warm, zärtlich und streichelnd… und diese warme Hand auf ihrer Haut beschwor eine seltsam angenehme Empfindung herauf. Eine Empfindung voller Mitgefühl und heilsam, erinnerte sie an etwas, gegen das sich das hochwohlgeborene Mädchen immer wieder gewehrt hatte. Gekämpft hatte sie gegen ihre Gefühle, unerbittlich und grausam wie in der dunklen Zeit gegen Heere des Bösen… Mit gläsernen Augen legte sie ihren Kopf ebenfalls auf die Matratze und ruhte ein wenig, träumte und erinnerte, ließ sich in etwas fallen, das ihr Verstand verbot. Sie schloss ihre saphirblauen Augen, traurig lächelnd, wissend, dass in der Vergangenheit viele Fehler gemacht wurden, vor allem von ihr… Und die Grausamkeit ihrer Fehler richtete sich gegen denjenigen, den sie doch brauchte und so sehr begehrte, gegen den Helden der Zeit. Sie spürte überraschend und aufgeregt, wie Links starke Hand ihren Arm ein wenig fester umfasste, so als wollte er sie nicht mehr gehen lassen, und als wollte er sie in ihren düsteren Visionen auffangen… und er tat dies, obwohl er nicht wirklich wusste, dass sie hier war. Die Schönheit öffnete ihre Augen wieder, bewegte sich aber nicht. ,Mein Held‘, dachte sie und streichelte sein blondes Haar von der Stirn. Er war ein wenig durchgeschwitzt, spürte sie Schweißtropfen unter ihren Fingerspitzen. Eine Empfindung ohne gleichen, die sie sich so oft verboten hatte. Warum nur, fragte sie sich, musste es soweit kommen? Sie lebten beide nun in einer anderen Welt, sollten beginnen ein völlig neues Leben zu führen und doch… hatten sich ihre Wunden, die sie aus Hyrule davon trug, nicht geschlossen. Und da war einiges, was ihr Gleichgewicht zerstört hatte. Zelda fühlte sich nicht als Opfer, das hatte sie niemals getan, aber es war unleugbar schwer für sie weiterzukommen, zu realisieren, dass ihre Bedürfnisse in Ordnung waren und dass sie sogar einen Anspruch auf Glück hatte. Nur hatte Glück für sie bisher kaum ein Gesicht getragen. ,Es war grausam‘, so dachte sie, da sie kaum erfahren hatte, was Glück überhaupt war. Und ihre Seele ging auf eine Reise, einen Pfad zurück zu ihren Erinnerungen, das Damals, dass sie sich am liebsten aus der Brust reißen würde… Denn in der alten Welt hatte sie sich immer gegen Gefühle gewehrt, hatte stets Wert darauf gelegt, von niemandem, nicht einmal von Impa, berührt zu werden. Immer wieder hatte sie geglaubt, sie würde Schwäche zeigen, wenn sie sich auf ihre inneren Bedürfnisse einließ, hatte geglaubt zu leiden, würde sie wahre Gefühle der Liebe zulassen. Sie hatte sich damals gewehrt jemanden zu lieben, verhindert, dass ihr jemand zu nahe kam, denn sie glaubte, es würde nicht ewig währen. Irgendwann käme der Tag, an dem man ihr wegnehmen würde, was sie für kostbar und wichtig ansah. Irgendwann kam immer jener Tag, das wusste sie. Mit der schweren Last der Verantwortung für ein ganzes blühendes Land auf den Schultern, hatte sie stets geleugnet, dass auch sie sich nach Liebe und Zuneigung sehnte. Wie oft hatte sie sich am Abend selbst deswegen angeklagt, sich selbst und ihr eisiges Herz beschuldigt, nicht würdig zu sein, über das Königreich von Hyrule zu herrschen. Sie wünschte sich immer ein anderes Schicksal, beneidete ihre einfältigen Zimmermädchen, die jeden Morgen fröhlich in ihr königliches Gemach gestürmt waren - wohlwissend, dass sie eine Prinzessin vor sich hatten, wissend, dass sie nicht wie gewöhnliche Mädchen mit ihr reden durften. Manchmal an den Abenden hatte die einsame Königstochter die Zeit verloren und immer häufiger wusste sie am Morgen nicht mehr, wer sie war, brauchte nach dem Aufwachen viele Minuten, um zu begreifen, sich ihrer scheußlichen Bürde zu besinnen. Als Link dann, auf der Suche nach neuen Abenteuern in fremde Länder zog, war auch dieser Lichtpunkt in ihrem Leben verschwunden. Als er ihr damals Lebewohl sagte, hätte sie sich am liebsten vor ihm niedergekniet, bettelnd, er würde bleiben, nur weil sie es nicht ertrug alleine zu sein, nicht aushielt, die Verantwortung alleine zu tragen. Aber sie ließ ihn gehen - blieb kalt, zeigte keine Emotionen - widersprach einmal mehr ihren Gefühlen und Wünschen… Sie verkrampfte sich an der Bettkante, schluchzte ohne es zu wollen und konnte ihre Tränen kaum zurückhalten. Aber sie versuchte es mit aller Gewalt, das hatte sie immer. Sie zitterte an dem Gedanken, dass sie unfähig war auf Links Sehnsüchte zu antworten, obwohl sie es gerne täte. Und sie fühlte sich unfähig ihn einfach nur zu lieben… ihm ihre Gefühle zu zeigen… ,Warum nur, bin ich so unfähig, einen Menschen zu lieben‘, dachte sie. ‚Warum, bin ich zu dumm dafür, Gefühle zu zeigen.‘ In dem Augenblick bewegte sich Links andere Hand auf Zeldas makelloses Gesicht zu und er berührte sachte ihre samtige Wange. Sie öffnete wieder überrascht ihre Augen. Zugleich strömte ein wohliges Gefühl von Wärme durch ihren Körper, die Links liebevolle Berührung hervorrief, so unfassbar wärmend, erfüllend, diese Wärme zwang ihr eisiges Herz zum Schmelzen… Aber noch immer hatte er seine Augen geschlossenen, träumte in seiner Unschuld, träumte von seinem eigenen Licht der Stärke… Und wahrhaft unbewusst hatte er ihr mit einer simplen Berührung geschenkt, was sie so dringend brauchte. Ein kleines Ufer, ein Halt, wo sie sich festklammern konnte. Sie war ihm dankbar, dass er sie aus ihren Zweifeln gerissen hatte, und das nur mit einer einfachen Berührung. Es lohnte sich nicht wirklich hier über die grausame Vergangenheit nachzudenken. ,Vergangenheit…‘, flüsterte es. ,Lass’ sie endlich ruhen… lass‘ Hyrule endlich ruhen…‘ Das Mädchen rutschte sehnend nach Zuneigung und Sicherheit ein wenig näher und berührte eine seiner warmen, zärtlichen Hände mit ihrer rechten. Erst jetzt fiel ihr auf, dass ihre eigenen Hände eiskalt waren. Eiskalt, so unnahbar wie ihr Herz… Link flüsterte nun Worte, die sie sehr deutlich verstehen konnte. Er flüsterte ihren Namen- so ruhig - so zärtlich und feinfühlig wie ein weiches Gewand auf ihrer Haut, das vor dem Sturm schützte. Noch immer beschützte er sie, ohne irgendetwas zu verlangen, noch immer war er da, bereit für sie zu kämpfen… und er lächelte im Schlaf, als sein Flüstern leiser wurde. Er musste einen schönen Traum haben - entgegen dem, was ihr die Göttin der Träume meistens bescherte… Nichts war schön und einfach in der alten Welt, nichts war rein und friedvoll in dem Land, das zerstört vor ihren Füßen lag. Wenn die vergessene Prinzessin träumte, dann doch nur von dem Zeitkrieg, von Wunden und Feuer… von dem Verblassen ihrer Bestimmung… dem Verblassen ihrer Heimat… Die einstige Königstochter war an dem Punkt angekommen, wo sie sich entschied, nicht mehr nach Hause zu gehen, zumindest nicht in den nächsten Stunden. Impa ahnte ohnehin, wo sie war und sie wusste alles über sie und ihren Helden, sie hatte schon damals mehr gesehen, als es ihr Recht war. Und das Mädchen, das sich hier in der Dunkelheit versteckte, brauchte seine Nähe, seine Aura und seine tröstenden Berührungen, sie brauchte ihn, nun noch mehr als früher. Einige Minuten der Stille vergingen und sie blickte erneut auf die Uhr. Und es war vielleicht das Geheimnis, wie man den Zeitbegriff dehnen konnte. Denn wenn sie bei ihm war, ihrem einzigen Freund, schien die Zeit nicht voranzuschreiten, als wäre sie stehen geblieben. Sie gönnte es ihnen. Ja, die Göttin der Zeit empfand Mildtätigkeit gegenüber diesen Kindern des Schicksals, gegenüber diesen Seelenverwandten und gegenüber der Grausamkeit, die auf sie wartete… Ob Link vielleicht doch noch aufwachen würde, fragte sie sich, damit sie ihn begrüßen konnte, sich für seinen Brief bedanken konnte. Oder sollte sie ihn vielleicht wecken? Grinsend sah sie ihn wieder an, und vergaß den Gedanken mit einem unterdrückten Schmunzeln. Jemanden, der so entspannt und schön aussah, beinahe niedlich, wenn er schlief, konnte sie auf keinem Fall aus den Träumen reißen. Seine markanten Gesichtszüge, die sich in Momenten der Gefahr zu so viel Zorn verhärten konnten… Seine dunkelblonden Augenbrauen, die das entscheidende, männliche Detail in seinem bübischen Gesicht waren. Selbst hier auf der Erde war alles an ihm so perfekt… Sie bewegte sich nun noch ein wenig näher an sein ansehnliches Gesicht heran, welches sich im dumpfen Licht des Mondes spiegelte, und lächelte leicht. Etwas verlegen, fragte sie sich, ob sie etwas wagen sollte, das sie doch niemals durfte. Sie wurde ein wenig nervös, als sie ihn beobachtete, seine ruhenden Gesichtsmuskeln, die Zufriedenheit und Schönheit, die darin verankert schien. Er war so ansehnlich wie damals, das perfekte Ebenbild des Helden der Zeit und das war es wohl, was ihr ein flaues Gefühl in den Magen schickte… der Gedanke daran, wer er war, der Gedanke daran, was er damals tat, besonders in einigen beinahe gefährlichen Augenblicken am letzten Tag Hyrules, bevor es verblasste. Eine heftige Aufgeregtheit und Anspannung begann in ihrem Herzen zu arbeiten, erinnernd, sehnsüchtig, und diese Empfindungen waren stärker als alles, was die Prinzessin einst an Macht besaß. Sie konnte kaum dagegen ankämpfen, sich kaum wehren… und mittlerweile wollte sie es auch nicht mehr. Ihr Herz pumpte quälend. Eine wohltuende Gänsehaut lief über ihren Rücken, streichelte ihre Erwartung. Mit jeder Sekunde, die vorüber strich, mit jedem weiterem bebendem Atemzug war ihr klar, was sie brauchte, was sie wollte, begehrte. Eine wunderbare Hitze schwappte flatterhaft über sie hinweg, ließ sie sich frei und aufgeregt fühlen, erinnerte sie an alte Bedürfnisse, immer unter Verschluss gehalten und nun so zwanghaft, dass sie sich fühlte, als würde sie innerlich zerspringen… Zunächst zögerlich, dann etwas mutiger bewegte sie sich, geleitet von einem inneren Verlangen, auf ihren schlafenden Helden zu, strich ihr eigenes Haar zurück, dass es nicht auf sein Gesicht fiel und ihn weckte. Sie wollte ihn nicht wecken, sondern zu einem Traum beitragen, ihn in einem Traum erfüllen, so, wie ein sanfter, warmer Regen das Land bedeckte und streichelte. Und es war dann, dass sie ihre saphirblauen Augen schloss, und die Welt um sie herum versank in dem, was sie geschehen ließ. Es gab kein Richtig oder Falsch, dort wo Liebe hinfand, es gab keine Rechtfertigungen oder Urteile dort, wo Liebe lebte… Und ohne einen aufsaugenden Gedanken der Traurigkeit, ohne Scham und Zögern, ohne zu ahnen, wo dies hinführen würde, berührte sie zärtlich mit ihren blutroten Lippen die seinen, schmolz dahin, spürte ihre Seele tanzen vor Freude und Hingabe. Endlich… endlich… und vielleicht das erste Mal ließ sie ihre Gefühle zu, legte nicht in Fesseln, was sie fühlte. Sie küsste ihn mit einer Sanftheit, mit einer Milde und Geduld, die kaum zu ertragen war. Aber dies alles geschah so wunscherfüllt, so vorsichtig um den Heroen nicht aus seinen Träumen zu reißen. Sie küsste ihn noch einmal und ein weiteres Mal, lieblich und zart, mit der Wonne, die sie erwählte und mit einem so träumerischem Begehr… Schließlich endete die süße Berührung und die jugendliche Schönheit ließ von ihm ab, war nun noch zittriger, spürte ein Verlangen in sich brodeln, das ihr befehlen wollte mehr zu wagen, das ihr sagte: ,Weck‘ ihn, zeig‘ ihm, was du brauchst…‘ Aber dies, so ahnte sie, war nur einer jener Schatten der Nacht, die nicht blieben. Ihnen beiden war es nicht bestimmt zu lieben, miteinander glücklich zu werden, das war es nie… Mit einem leisen Hauchen, seinen Namen murmelnd, legte sie ihren Kopf neben seinen und schloss die glasigen, blauen Augen. Das wohlige Gefühl hielt an und würde es für immer tun, auch, wenn sie wusste, dass es zwischen ihnen kaum gesagt werden konnte. Sie umklammerte liebevoll seine Hände und blieb bis zum frühen Morgen… Ganz leise schob die einstige Prinzessin Hyrules in der kühlenden Frische des Morgens ihren Haustürschlüssel an der großen Pforte zu Ines Villa ins Schloss, versuchte sich so leise wie möglich zu verhalten, sich ungesehen in ihr Zimmer zu stehlen, als aber ihre Erziehungsberechtigte bereits mit tadelndem Blick in der Eingangshalle stand. Gekleidet in ihrem Karateanzug hatte Impa einen Kochlöffel in der Hand und verzog ihr stolzes, schmales Gesicht missbilligend. „Entschuldige, Impa“, sprach Zelda zögerlich und bekam rote Wangenbäckchen bei dem Gedanken ihrer einstigen Hofdame erklären zu müssen, wo sie war. Sie rechnete mit einer Belehrung, die jedoch ausblieb. Die selbstbewusste Ines Schattener begann lediglich mütterlich zu lächeln. „Ich hoffe, du warst bei Link, für etwas anderes hätte ich kein Verständnis.“ Verträumt blickte Zelda zu Boden, nickte und schlich an ihrer Ziehmutter vorbei. „Denk‘ daran, Prinzessin, nach wie müssen wir uns unauffällig verhalten“, sprach Ines belehrend. „Ich hoffe, es hat dich kein Vasall Ganondorfs gesehen.“ Erneut kam nur eine kopfschüttelnde Gestik von der schönen Königstochter. „Du bist wahrlich gesprächig heute“, murmelte Ines missmutig und legte der Adligen eine Hand auf die Schulter. „Zelda, vergiss‘ nicht, du hast nachher noch einen Termin.“ Doch darauf gähnte die Prinzessin nur und nickte abermals. Noch immer schien sie zu träumen. „Leg‘ dich zumindest zwei Stunden schlafen, ich wecke dich nachher.“ Und ohne eine weitere Bemerkung hüpfte Zelda die Treppenstufen hinauf. Mit einem stillen Lächeln, geheimnisvoll und voller Magie, lehnte sich Zelda gegen ihre geschlossene Zimmertür, legte beide Hände an ihr Herz und schien noch immer zu träumen. Es war eines der wenigen Male, da der graue Schatten in ihren kristallblauen Augen schmolz und er schmolz an Liebe… Noch am gleichen Morgen fuhr Ines Schattener mit Zelda auf dem Beifahrersitz ihres perlschwarzen Cabriolets aus dem Städtchen Schicksalshort hinaus, überquerte eine alte Eisenbahnbrücke und fuhr träge über eine holprige Straße inmitten sattgrüner, bergiger Landschaft. Gelangweilt hockte Zelda neben Ines, hatte eine Sonnenbrille auf der hübschen Nase und fragte sich, warum sie eingewilligt hatte, Ines zu begleiten. Die einstige Shiekah hatte eine sonderbare Idee, um ein Problem zu lösen, das wohl nur sie als Problem ansah, Zelda jedoch verstand Ines‘ Besorgnis nicht. Diese missfiel ihr sogar… „Sag‘ mir, Impa, warum noch mal bist du der Meinung, wir sollten zu dieser Heilerin fahren?“ Lethargisch hing die vergessene Prinzessin in dem schwarzen Beifahrersessel und seufzte. „Du weißt genau warum“, erwiderte die stolze Direktorin dem Thema überdrüssig. Ein weiteres Mal seufzte Zelda und ignorierte die Besorgnis in Impas Worten. „Ich bin nicht daran interessiert.“ Und als Reaktion darauf trat Impa so kräftig auf das Bremspedal, dass Zelda beinahe vom Sitz geflogen wäre. „Natürlich nicht“, zischte Impa. „So wie du an dieser ganzen Welt nicht interessiert bist, so wie du für überhaupt nichts mehr Interesse hast. Mir gefällt dein Verhalten nicht, und ich glaube nicht, dass irgendjemand anderes es gut findet, dass du dich so abkapselst. Das ist nicht mehr normal und ich habe kein Verständnis und auch keine Geduld mehr dafür.“ Zelda seufzte und verschränkte trotzig die Arme. „Niemand erwartet Geduld von dir!“, fauchte sie. Sie konnte gefährlich klingen, und besonders dann, wenn sich jemand in ihr Seelenleben einmischte. Sie war immer sehr gut mit ihren bisherigen Strategien gefahren und sie war nicht das kleine hilfsbedürftige Mädchen, das viele in ihr sahen. „Oh doch, Zelda!“ Wütend hielt Impa ihren Wagen mitten im Nirgendwo, mitten auf der Landstraße. „Ich bin für dich verantwortlich, ich bin hier, um auf dich aufzupassen. Und ja, das erfordert ein sehr großes Maß an Geduld!“ „Dann sei von deiner Pflicht befreit!“, zürnte Zelda, riss sich die Sonnenbrille von der kleinen Nase und zerrte die Wagentür auf. Impas Standpauke war überfällig und die Prinzessin wusste, wie sehr sie ihre damalige Hofdame verletzte. Aber Zelda spürte immer mehr, dass sie kaum aus ihrer Haut konnte. Ja, ein Teil von ihr gab Impa Recht mit ihrer Besorgnis und ein Teil wusste, dass es richtig war zu der Heilerin zu fahren, aber ein anderer Teil wollte sich mit dem Schmerz, der in ihrer Seele schlummerte, mit dem Schmerz aus der Vergangenheit, nicht auseinandersetzen. Auch Impa stieg aus dem Cabriolet, spürte die brennende Hitze niederdonnern und trat hinüber zu ihrem Schützling. „Ich mache mir verdammt nochmal Sorgen um dich.“ Verzweifelt starrte Impa in Zeldas Antlitz, in ihre mit Schatten unterlegten Augen, wo eine unerfüllte Sehnsucht ruhte. „Erinnere dich an die alte Zeit, an das, was dir wichtig war, als du Freude finden konntest.“ Zelda ballte die Hände zu Fäusten und schluchzte. „Die alte Zeit ist nicht mehr…“ Noch immer bemüht der Prinzessin Mitgefühl zu schenken, hob Ines Schattener Zeldas Kinn nach oben. „Nein, sie ist nicht mehr, aber das bedeutet nicht, dass du dein restliches Leben mit diesem Schmerz zubringen musst.“ „Du hast leicht reden…“ „Vielleicht habe ich das“, meinte sie. „Aber wer hat das nicht… Niemand sonst hat erlebt, was du ertragen musstest. Du unterschätzt dich wie immer… denn niemand hätte den Zeitkrieg und den Untergang Hyrules ausgehalten.“ Und die einstige Hofdame versuchte es mit der Erinnerung an Zeldas uralte Stärke, an ihre wahre Macht. Warum nur konnte Zelda nicht erkennen, dass sie unglaublich stark war… Melancholisch ließ die junge Adlige ihren Blick über die weiten Wiesen schweifen, verstummte angesichts der Schönheit der Natur, verstummte angesichts der zarten grünen Hügel, die wie smaragdgrüne Wellen die Landschaft formten. Wie lange hatte sie die Welt um sich herum nicht mehr wahrgenommen, die Zartheit der sattgrünen Gräser, die sich summend in Richtung des Sonnenlicht streckten, des Funkeln der gleißenden Lichtstrahlen, die der riesige Feuergott niederschickte, und den Geruch frischen Windes, genährt von Blumen aller Farben… Tränen verankerten sich in dem einst so hoffnungsvollen saphirblau von Zeldas Augen, Tränen mit der Gewissheit, dass sie das erste Mal seit sie hier auf der Erde war, etwas sah, das verglichen mit Hyrule gar nicht so leer war. Der Planet Erde hatte wundervolle Mysterien und magische Orte, genauso wie Hyrule jene besaß. Erst jetzt konnte sie ihre Augen für die Welt öffnen, entdecken, erkennen, selbst wenn der Schmerz erneut siegte. „Jeder hat leicht reden, der in diese Welt geboren wurde…“ Und dort in der Ferne der vielen Hügel, wo sich Gerstengräser im Sonnenlicht badeten, stürzten sich edle Raubtiere mit scharfen Schnäbeln und stolzem Gefieder nieder, tanzten in den Lüften und genossen. Majestätische Falken erhoben sich über den grünen Hügeln, lebten im Einklang mit der Welt, genauso wie einst in Hyrule. „Für euch alle gibt es eine Wahl…“ „Auch für dich, Zelda“, sprach Impa und beobachtete ebenfalls die Falken in den Lüften kreisen. „Auch für dich…“, wiederholte sie. „Nein!“, sprach die Prinzessin stur. „Ich werde nicht ewig hier leben, mich verbiegen für ein Leben mit blinden Augen, für ein Leben jenseits der Heimat in meinem Herzen. Ich werde diesen Zustand nicht akzeptieren. Hyrule ist immer noch da!“ „Aber ich habe das Leben auf der Erde akzeptieren können, nur deshalb kann ich es gestalten. Und dies wünsche ich mir auch für dich.“ Die Direktorin nahm an Zeldas Ausblick teil, bewunderte die strahlende Welt um sich herum, die Lichtstrahlen, die sowohl ihren Schützling als auch sie selbst erreichten. Eine angenehme Wonne, tröstend und hoffnungsvoll, erreichte sie beide. „Wach‘ auf, Zelda, und lebe…“ Ein überfälliges Schluchzen entwich ihrem Mund. Leben und genießen… ohne Hyrule… Über sattgrüne Wiesen streifen, den rufenden Wind spüren, glücklich werden und ein gemütliches Heim gründen. Wie sollte dies ohne Hyrule funktionieren? „Okay, fahren wir weiter…“, sprach Zelda gelangweilt, hüpfte ins Auto und hatte nur im Sinn Impa zu beschwichtigen. Diese Diskussion führte zu nichts, und ein großer Teil in ihr war zu verletzt als den Gedanken zu ertragen das Leben in dieser modernen Zeit zu akzeptieren… Sie würde sich den Quatsch der Heilerin zu Gemüte führen, sie würde mitspielen, aber die Hoffnung auf ein Aufleben ihrer Heimat würde niemals erlöschen. Impa seufzte aussagekräftig und startete den Motor. Eine halbe Stunde später parkte Impa ihr Cabrio auf einem abgelegenen Trampelpfad, der tief hinein in dichten, naturbelassenen Laubwald führte. Auch hier atmete die göttliche Schönheit der Erde, eine alte Magie raschelte mit warmen Wind in dürren Zweigen, und glitzerndes Licht kitzelte durchscheinende, hellgrüne Blätter… Zelda hob ihre schlanke Gestalt mit weiterer Verwunderung aus dem Fahrzeug und hielt eine schützende Hand über ihre Augen. Warum führte der Weg zu dieser Heilerin an einen so ruhigen, beinahe märchenhaften Ort? Impas durchdringende Blicke sendeten der vergessenen Prinzessin eine stille Aufforderung ihr zu folgen. Die Shiekahseele machte deutlich, dass sie an keinem weiteren Wortaustausch interessiert war. Verständlich, dachte Zelda… natürlich war es nicht fair sich wegen Impas Fürsorge zu streiten, natürlich war es ein kaum zu ertragender Zustand. Aber Zelda konnte gerade einfach nicht aus ihrer Haut, sie schaffte es kaum sich zu zügeln und ihre Verzweiflung zu bremsen. Beinahe lachte sie über sich selbst, lachte sich selbst aus für ihren Frust und ihre beschämende Haltung. Wann nur war ihr so unglaublich egal geworden, wie sie auf andere wirkte? Wann nur hatte sie vergessen sich mit Würde und Stolz einem eitlen Vorbildidol anzupassen? Wann nur hatte sie vergessen sich zu verstellen? Schweigend tapste die Prinzessin ihrer Hofdame hinterher, lauschte der überwältigenden Ruhe und den glücklichen Naturgeräuschen, beobachtete auch hier eine Magie, die sie noch gar nicht wahrgenommen hatte. Die Wälder der Erde, zumindest dieser hier, an diesem unbekannten Ort, waren genauso idyllisch, verspielt, urtümlich wie sie es in Hyrule waren… Link liebte die Wälder, nicht nur in der Vergangenheit, jetzt verstand sie, warum es ihn auch in seiner jetzigen Reinkarnation dahin zog. Sie liefen nur wenige Meter in die abgeschiedene Welt am Rande der Gegenwart hinein, als inmitten einer Lichtung ein sonderbares Zirkuszeltchen auf sie wartete. Bunt, mit Girlanden, Luftballons, verspielten Lichtern und in grellen Farben leuchtenden Laternen. Die Besinnlichkeit der Wälder schien sich an diesem abstrakten Kunstwerk der Farben zu beißen. Niemand hätte sich eine solche Behausung hier an diesem andächtigen Ort vorstellen können. „Die Heilerin wartet bereits auf dich“, sprach Impa um Strenge und gleichzeitige Anteilnahme bemüht. Zelda nickte, nahm ihre Sonnenbrille von der Nase und versuchte Müdigkeit und Erschöpfung aus ihrem Körper zu wischen, indem sie ihr brünett gefärbtes Haar zurückband. Mit einem Seufzer, der nach Langeweile und Desinteresse klang, trat Zelda in das bunte Häuschen ein, verschwand mit dem aufrichtigen Wunsch Impa nicht länger mit ihrem Kummer belasten zu müssen… Der Innenraum konnte kaum sonderbarer sein als es das bunte Zirkuszeltchen von außen vermuten ließ. Es war nicht die Praxis, die zu erwarten wäre, wenn man an eine Heilerin dachte. Der Raum wirkte teilweise gespenstisch und wie eine Zurschaustellung eines absurden Geschmacks mit grotesken schamanischen Instrumenten, Holzschnitzereien, Masken der Maia und ausgestopften kleineren Tieren wie Tauben und Falken. Nur eine bunte Lavalampe auf einem einzelnen runden Tisch beleuchtete das Geschehen, diesen obskuren Ort, den Zelda eher mit einer Wahrsagerin in Verbindung gebracht hätte. Sogar ein Stapel Karten ruhte dort auf dem Tisch. Und ganz nebensächlich, beinahe unsichtbar, hockte eine junge Frau, selbstbewusst und zweifellos in einer unbeleuchteten Ecke, grinste und sog an einer Pfeife. Ein übelriechendes Kraut erfüllte die Luft mit einem fauligen Gestank, bitter, erinnernd an alte Mandeln… „Seid gegrüßt, Prinzessin der hylianischen Lande“, murmelte die Frau, erhob sich und eine langgezogene Gestalt wurde sichtbar. Zelda versuchte ihre eigene Überraschung zu verbergen und überprüfte sorgfältig, wie viel Gefahr von der angeblichen Heilerin ausgehen könnte. Nicht, ob tatsächlich Gefahr von ihr ausging, aber ob Zelda mit diesem Ausmaß an Gefahr umgehen konnte. „Oh ja, ich weiß ganz genau, wer Ihr seid“, sagte sie und trat in den Schein der Lampe. Sie war nicht das, was Zelda erwartet hatte, zu jung für diesen merkwürdig exzentrischen Geschmack zusammengewürfelter Dinge, gerade eine erwachsene Frau vom Äußeren her. Aber der Blick in kohlrabenschwarze Augen belehrte durchaus über ein vielschichtiges und altes Wesen. Schwarzes Haar fiel geflochten an ihrem Rücken bis zur Hüfte. Da waren wenige Sommersprossen in ihrem schmalen, kantigen Gesicht, das sie verspielt wirken ließ. Und noch etwas passte so gar nicht ins Bild einer Frau dieses modernen Zeitalters. Diese Frau umhüllte sich mit einem Gewand aus schwarzer Seide, ein spirituelles Gewand, gewebt für alte zeremonielle Anlässe, die eine Prinzessin Hyrules nur zu gut kannte. Es war die Nachbildung eines Gewandes, das nur eine Göttin tragen konnte, die Nachbildung von Hylias Gewand… Offene Schultern, lang bis zum Boden reichend, Trommelärmel… einzig diese düstere Farbe wie gewebtes Pech irritierte. „Und ich vermute, auch Ihr habt mich erkannt“, entgegnete sie, eine schiefe Stimme, unecht und unwirklich, unpassend für diese Gestalt. Reserviert erhob Zelda ihre glockenhelle Stimme. „Ihr seid ein Wesen, nicht von der Erde…“ Vorsichtig ging sie mit ihren saphirblauen Augen in den Gesichtszügen der Heilerin auf Wanderschaft. „Ich kann es erkennen, eine Aura, nicht vergleichbar mit derjenigen von Erdenwesen. Wer seid Ihr?“ „Oh ich bitte Euch, ist das denn wirklich von Belang?“ Zelda verengte ihre Augen zu Schlitzen und versuchte es mit einem kritischen Blick. Natürlich war es von Belang! Wie sollte die Prinzessin Hyrules Vertrauen zu einer Gestalt aufbauen, die über Heilfähigkeiten verfügte, wenn sie sich auf diese Weise kaschierte? Unschlüssig, was sie von der Begegnung mit jenem Wesen halten sollte, schwieg die einstige Königstochter zunächst, versuchte sich auf diese Person einzulassen. Hatte Impa diese Entität tatsächlich nicht erkannt, als sie den Termin arrangierte? Jene Heilerin besaß eine Aura, die nicht nur darüber berichtete, dass sie kein Erdenwesen war, nein, sie umhüllte ein uralter Glanz, den Zelda von mächtigeren Entitäten kannte… ein silbernes Geschick… ein Wurzelwerk gigantischer Lebenszeit… „Oh, ich versichere Euch, Eure treue Hofdame hat mich erkannt. Aber ich habe ihr einen Vorschlag gemacht, den sie nicht ablehnen konnte.“ Der Schock in Zeldas Augen hätte nicht größer sein können. Wenn Impa mit dem Wissen eine undurchschaubare, geheimnisvolle, vielleicht sogar gefährliche Kreatur vor sich zu haben dennoch davon überzeugt war, Zelda würde hier Hilfe finden, dann grenzte dies an Verrat. „Prinzessin… gerade Euer Misstrauen in alles und jeden ist vielleicht ein Teil des Problems.“ Und da verstand Zelda, dass jene Gestalt, die sich mit den dunklen Gewändern schmückte, sehr viele versteckte Fähigkeiten besaß und sogar Telepathie benutzte. „Eure Vertraute, die Shiekah, die so sehr bemüht ist, Euch zu Eurem Glück zu verhelfen, hatte tatsächlich keine Wahl als Euch hierher zu schicken. Ihr dürft es Ihr nicht übel nehmen.“ Ablehnend verschränkte die einstige Königstochter ihre Arme. „Erklärt es mir, was habt Ihr Impa versprochen?“ Zeldas Stimme ertönte mit Entschlossenheit, und dennoch unleugbar kränklich. Sie hatte Mühe in ihrem erschöpften Zustand das Wort zu halten und sich auf diese Kreatur zu konzentrieren. Mittlerweile erschreckte es die vergessene Prinzessin, dass die Zeit, als sie sich gemeinsam mit Link gegen Ganon und seine riesige Anhängerschaft behauptet hatte, nicht nur eine Geschichte waren. Es erschreckte sie die festgefahrene Realität jenes Alptraums, in welcher sie im Vollbesitz ihrer Stärke gewesen war… und nun war davon vielleicht nur ein kleiner Tropfen übrig. Ja, sie wusste es ohnehin, sie war schwach geworden. Sie spürte es überall… in jedem Knochen, jeder Sehne, in jeder Hautzelle. Etwas namenloses saugte parasitisch an ihrer Energie. „Ich versprach ihr etwas, worauf ich keinen Zugriff habe, etwas, das aber auch nicht nötig ist“, sie lachte angeberisch. Ihre pechschwarzen Augen funkelten spöttisch und verschlagen. Sie drehte sich um ihre eigene Achse… und auf eine verbotene, fast verdorbene Weise wirkte ihre dürre, lange Gestalt in dem schwarzen Kostüm von Gottheiten gesegnet und urtümlich. „Stoppt Eure Heimlichtuerei“, zischte Zelda und verlor mehr und mehr die Geduld. Sie klapperte mit den Schuhen. Sie empfand es als ungehörig, befremdend und veralbernd mit diesem Flechtwerk an verworrenen Aussagen zugeschnürt zu werden. „Nun seid doch nicht so abwehrend, Blut Hylias.“ Das Blut Hylias. Ihre Erbin. Ihr Vermächtnis. Dieser Titel fühlte sich noch mehr wie ein Angriff an…. Wie ein abartiger Schlag in die Magengrube. Zelda hatte das Erbe Hylias nie verstehen wollen, natürlich besaß sie einst deren Macht, dennoch… Es erforderte so viel Pflichtgefühl zusätzlich, eine Bürde, größer noch als jene zu regieren. So viel erschreckende Verdammnis, auch diesen Teil zu all den verlorenen Gefühlen und Hoffnungen in sich zu verschließen, das Zelda gelernt hatte es von sich zu spalten. Was nur sollte diese Begegnung und dieser Wahnwitz hier in diesem Zelt? Es konnte nicht in Impas Sinne sein, dass Zelda hier kaum eine sinnvolle Antwort erhielt. „Wenn es Euer Begehr ist mich zu verunsichern, dann schätze ich, sollten wir dieses Gespräch beenden“, meinte Zelda gefasst und hob ihr Haupt in die Höhe. So wie damals zierte sie ihr Stand, so wie damals in einer starren Haltung geboren aus den Sitten und Erwartungen am Königshof. „Das ist schade, denn dabei haben wir ja das Ziel unserer Unterredung erreicht“, sprach die Heilerin. „Heilung geschieht nicht nur mit irgendwelchen Tränken, Rezepten… sondern auch mit einsichtsvollen Momenten. Und Euch ist es nicht klar, wie wichtig Ihr Eure Verbindung zu Hylias Erbe in den Mörser geben müsst.“ Schließlich nahm die Dame Platz und deutete auf den zweiten klapprigen Holzsessel am Tisch. Etwas widerwillig, aber interessiert nahm die Prinzessin Platz. „Ich hoffe, Ihr könnt mir beweisen, dass das Gespräch mit Euch nicht nur Zeitverschwendung ist.“ Stur blickte Zelda mit ihren schönen, himmelblauen Augen in die ihres Gegenübers, sah eine glasige Spiegelung ihres Selbst, eine rhythmische, sich bewegende Realität und Einsicht. „Ich muss tatsächlich weiter ausholen, damit Ihr versteht. Es gibt da eine wirklich unglückliche Korrelation…“, und die Gestalt lachte, einmal mehr kichernd, spöttisch, kindisch. „Ein unleugbares und doch eher nutzloses Band einer alten Welt und seiner verloren gegangenen Schutzgöttin…“ Zelda versuchte an den Lippen der Heilerin zu hängen und spürte erneut einen Schwall heftiger Müdigkeit über sich hereinbrechen. Konnte es sein, dass der eigenwillige Duft hier in diesem Zelt, so betörend, schwammig, besitzergreifend, sie ebenfalls auslaugte? „Stirbt Hyrule, stirbt auch jenes altes Blut der Göttin… Wenn man es so will, lebt ein Teil von Hyrule nur wegen Euch, Prinzessin. Deshalb ist es verblasst, aber nicht tot.“ Diese Worte überrannten Zelda wie eine Schar Moblins reitend auf riesigen, gefräßigen Wildschweinen. Was bedeutete das? Hyrules Untergang… Hyrules Verblassen war an Zeldas Lebenswillen geknüpft? Bei Hylia selbst. Dieses Wissen schockierte selbst sie, obwohl es sehr viel Sinn machte. Natürlich war Zelda in Hyrule geblieben, einige Hunderte von Jahren, weil sie die Verknüpfung ihrer eigenen Kraft mit der Seele des Landes gespürt hatte. Das bedeutete für Zelda aber gerade auch, dass es womöglich für Hyrule wirklich noch eine Chance gab. Ein kurzer übernatürlicher Funke erhob sich trotzig in Zeldas Seelenspiegeln. Eine Chance… Hyrule hatte eine Chance, weil sie, Zelda, Prinzessin von Hyrule, es noch immer nährte? „Und es wird noch besser“, schäkerte die Heilerin. „Deshalb braucht Ihr etwas sehr Machtvolles um Kraft und Erholung zu finden, etwas, dass vielleicht sogar die Macht des Triforce in den Schatten stellt.“ Etwas, das stärker war als das Triforce selbst? Wo sollte es so etwas überhaupt geben? Und wie sollte Zelda so etwas jemals finden können? Die alten Gelehrten in Hyrule hatten im Buch Mudora immer wieder betont, dass es keine Macht mit der des Triforce aufnehmen könnte. Sogar die alten Götter und urältesten Dämonen waren niemals nur ansatzweise so machtvoll wie die legendäre goldene Macht. „Eine solche Macht gibt es nicht“, erwiderte Zelda spitz. Sie war vollkommen überwältigt von den Aussagen der verschrobenen Gestalt ihr gegenüber. Sie sprach Hoffnungen an, eröffnete neue Wege und bestärkte einen Glauben an etwas, das für Zelda kaum mehr real war. Wo nur sollte dieses Gespräch hinführen? „Das ist eben die Frage… Und es führt mich zu dem, was ich Impa versprach…“ Ein neuer Schelm blitzte in dem rabenschwarzen Machtwerk ihrer listigen Augen. „Ich versprach ihr einen Funken Leidenschaft, der in Euch zu wachsen beginnt mit jedem weiteren Wort, das ich Euch berichte. Ich versprach ihr Hoffnung, mehr war es nicht. Hoffnung…“ Mit einem Seufzen erhob sich die vergessene Prinzessin, die sich womöglich selbst vergessen hatte. Natürlich war es das… jeder sprach unentwegt von der alten legendären Hoffnung. Ob es für Zelda eine Möglichkeit war den Schatten, der über ihr hing, mit der reinen Hoffnung auf ein Aufblühen ihrer Heimat, zu bekämpfen? Sie drehte sich um ihre Achse, während ihre Gedanken wie wild arbeiteten. Sie neigte ihr Haupt seitlich, schloss dabei sinnierend die Augen. „Wenn Hyrule eine Chance hat… wenn es leben kann durch mich. Und ihr eine unsterbliche, göttliche Kreatur seid, dann habt Ihr wohl sicherlich auch die Möglichkeit mich zurück nach Hyrule zu bringen, nicht wahr?“ Daraufhin fiel der obskuren, etwas verrückten Heilerin allerdings die Kinnlade herunter. Sie wusste, dass Zelda opferbereit war, aber sie hätte nicht mit dieser Frage gerechnet. „Oh ja, natürlich könnte ich das.“ Zelda spannte die Fäuste und ließ endlich einen Funken ihrer alten Stärke vermuten, königlich richtete sie sich auf. „Aber ich werde dies nicht tun“, sprach die Entität und versuchte der Prinzessin den Wind aus den Segeln zu nehmen. „Warum nicht?“, entgegnete Zelda forsch. Natürlich hatte auch sie damit gerechnet nicht sofort ihr Ziel erreichen zu können. „Zunächst müsst Ihr erst einmal Eure Stärke in einer neuen Macht finden, Euch volltanken mit Energie, Kraft finden. Und dann… gibt es eine Hürde… Ihr würdet alles zurücklassen, ohne mit der Wimper zu zucken für Hyrule. Ihr würdet Eure Familie, Freunde erbarmungslos zurücklassen?“ Zelda blickte kühl in die pechschwarzen Augen der Heilerin, beinahe starr, sie blinzelte nicht. Es war ihr Pflichtgefühl und ihre Liebe für Hyrule, die sie alles Erforderliche tun lassen würde. Sie würde den Schmerz aushalten wie vorher auch, den Schmerz allein zu sein… zu lange allein zu sein. „Ihr würdet…“ Die Dame holte kräftig Luft. „…sogar Euren Heroen zurücklassen…“ Selbst für die Heilerin fühlte es sich erbarmungslos und betäubend an diese Worte zu sagen. „Und deshalb kann ich Euch nicht zurück nach Hyrule bringen.“ Zelda schluckte und verkrampfte sich… es musste ihr jemand erst sagen, ja, es musste erst jemand die Worte aussprechen, ehe sie es innerlich zuließ. Sie würde Link zurücklassen müssen, wenn sie nach Hyrule ging… einmal mehr würde sie ihn wegschicken. Einmal mehr würde sie an dem Lebewohl zerbrechen. Link… Und doch war es anders als all die Male vorher. Ihre Gefühle für Link waren mit dem Erwachen auf der Erdenwelt noch intensiver geworden, so heftig, dass sie das erste Mal ein Zögern empfand. Ein kleines, heimliches Zögern, diesmal dem Pflichtgefühl Hyrule gegenüber zu entsagen. Und auch, was Links Inneres betraf, den jungen, heroischen Burschen, der sie vor gefühlten Ewigkeiten einst in den Schlossgärten besuchte, auch er hatte sich verändert. Er hatte sie auf dieser Welt auf eine Weise gerettet, die ihm nicht bewusst war. Sie überflog in Gedanken die letzten Monate bis hin zu der innigen, fast schon intimen Zeit, die sie miteinander verbringen konnten. Sie dachte an die stillen Begegnungen in ihrer beiden Blicken, so entsetzlich nah, dass sie seine Seele beinahe tasten konnte. Sie dachte an die Himbeerpuddingschlacht und die Ausgelassenheit, die sie in Hyrule niemals empfunden hatte… sie dachte daran, dass er sie, obwohl es beinahe bedrohlich unkeusch wirken musste, in der einen Nacht ihrer Zweifel, ohne Scham oder irgendwelche Hintergedanken, einfach gehalten hatte… die gesamte Nacht… Link… der Zauber seines Namens grub sich mit jeder Sekunde tiefer in ihr Herz. Link… allein seinen Namen zu denken, überschwemmte sie mit unendlichen Glücksgefühlen und süßer Erinnerung an etwas Uraltes, das seit Jahrmillionen existierte. Die älteste Kraft des Lebens… Sie konnte ihn nicht mehr verlassen, egal, was noch kam oder auf sie wartete. Selbst wenn sie nach Hyrule ging, dann nur mit ihm. Entgegen der Erwartung der Heilerin, bildete sich um Zeldas Mundwinkel ein leichtes Lächeln, zaghaft, kaum wirklich, aber es war da. Zelda wusste, dass sie nicht bereit war, ihm ihre Gefühle zu beichten oder darauf zu hoffen, dass er irgendetwas von ihrer Sehnsucht erwidern würde. Sie wusste auch nicht, ob die Nähe, die er ihr geschenkt hatte, sowohl damals als auch heute, mit dem Wunsch geboren war, tatsächlich mit ihr zusammen zu sein, sie zu lieben. Selbst der Kuss in jenem magischen Traum… Zelda wusste nicht, ob dies geschah aus tiefer Zuneigung oder ob er schlichtweg von der Stimmung verzaubert war. Sie traute sich nicht darüber nachzudenken oder es zu hoffen. Aber… aber… Liebte Link sie? Alles an Zelda schrie in dem Augenblick es wissen zu wollen… und doch… war sie, was ihre Gefühle für Link betraf, immer schon reserviert und irgendwie… feige. „Ich kann und darf euch nicht entzweien“, erklärte die göttliche Kreatur und riss Zelda aus ihrer Herzenssehnsucht. „Dich und den Heroen. Ihr ahnt es ohnehin, Prinzessin. Der große Kampf naht. Und für diesen Kampf müssen die Kinder des Schicksals bereit sein und gemeinsam kämpfen.“ Zelda hatte der Heilerin nur teilweise in ihren Worten folgen können, zu laut war das Trommeln in ihrem Herzen, als sie an Link dachte… Bemüht um Aufmerksamkeit forschte sie nach weiteren Antworten in den pechschwarzen Augen der Gottheit. „Aber wenn Ihr weitere Antworten wünscht, dann kann ich Euch die Karten legen.“ Einmal mehr war da ein gefährlicher Funke Schelm in ihren düsteren Spiegeln der Seele, ließen einen Blick in ein dunkles Universum zu, eine verruchte Wahrnehmung energetischer, transzendenter Stürme fernab der jetzigen Zivilisation. Sie kicherte schließlich wie ein kleines Kind. Und auch diesmal wirkte sie irgendwie… schräg. Diese Gestalt strahlte Macht und Wissen aus, gleichzeitig stellte sie sich auf eine kindliche, unreife Ebene… „Verratet mir zunächst eine Sache“, sprach Zelda und sammelte sich immer mehr, bemühte sich ihr verliebtes Herz zu beruhigen. „Was habt Ihr eigentlich davon Euch in diese Geschehnisse einzumischen? Was kümmert Euch der Lauf dieser modernen Welt, wo Ihr doch eine Gottheit seid, die aus dem hylianischen Glaubenssystem herrührt?“ „Ihr habt mich sehr gut beobachtet“, sprach die Entität und mischte bereits den Stapel ihrer Tarotkarten. Und in diesem bedeutungsträchtigen Augenblick funkelten die dunklen Augen jener Göttin abwechselnd in flammendroten, waldgrünen, ozeanblauen Farben, so hell und gewaltig, kaum übersehbar. Und es war diese verruchte Wahrnehmung, die Zelda ahnen ließ, wer vor ihr saß. Zelda hatte ein beinahe gigantisches Wissen über Götter und das Glaubenssystem in Hyrule, verschuldet der Tatsache, dass sie einen strengen Unterricht in Schloss Hyrule erdulden musste… und Bücher wälzen war auch eines der wenigen Dinge, die ein wenig Genuss im Königsschloss bedeuteten. Und dieses Wissen machte sich gerade bezahlt. Es gab schließlich nicht nur Hylia in der alten Welt, das wusste Zelda anhand der Erzählungen. Auch gab es diverse Geschichten über eine Tochter der drei Göttinnen, eine, die von jeder Gottheit Züge und Kräfte verinnerlichte. „Ihr versucht meinen Fragen auszuweichen“, betonte Zelda deutlich. „Dennoch erhoffe ich mir eine Antwort.“ „Nun gut, ich habe, was meine Absichten angeht, nichts zu verbergen, wenn es Euch zufrieden stellt“, schäkerte sie. Und einmal mehr kicherte die Göttin. „Du und der Heroe… ihr beide tragt Essenzen, die es gilt zu beschützen. Diese Essenzen in Kombination könnten etwas wirklich Grandioses erschaffen. Darum geht es mir…“ Sie sprach in ihrer eigenen Welt der Eigenheiten und Abartigkeiten. Sie sprach über menschliche Wesen als wären sie ihre Versuchskaninchen. Ja, es wunderte Zelda nicht. Manche Götter waren durchaus experimentierfreudig und unethisch, was ihre Kreationen betraf. Götter aus Hyrule kannten die moralischen Grundsätze der Erdenbürger schließlich nicht und würden sie wohl kaum achten. „Das ist also der Grund, weshalb Ihr versucht mir zu helfen, wegen einer Lebensessenz?“ Der Gedanke erschien Zelda eher unwichtig. Was sollte an einem Zellhaufen von ihr und Link besonders sein? „Nicht nur irgendeiner Lebensessenz“, berichtigte die vermeintliche Heilerin. „Mehr kann ich Euch hierzu nicht gestatten zu erfahren.“ Zelda schnaubte, aber gab sich damit zufrieden. Egal, welche Absichten die Gottheit vor ihr damit verfolgte, egal, welcher Plan zum Guten oder Bösen dahinter steckte, Zelda konnte wohl kaum dieses Rätsel für sich lösen oder sich mit einer Göttin anlegen. Aber, und das unterschätzte die Kreatur wohl immens, würde Zelda sich dieses Wissen auf eine Weise einverleiben, das ebenfalls Pläne vorsah. Zelda besaß ihre eigene Schläue, strategisch und ausgefuchst, und würde diese Sätze in Erinnerung behalten. Allerdings ahnte Zelda nicht im Geringsten, und der Gedanke würde niemals Zutritt in ihre eigene Welt der Sehnsüchte finden, dass eine Kombination ihrer und Links Lebensessenz durchaus die Möglichkeit bedeutete, dass sie einander näher kamen… „Gut“, sprach die vergessene Prinzessin und atmete tief durch. Das Kraut der Pfeife verlor allmählich seinen beißenden Geruch, ein wenig Sauerstoff schien durch die wenigen Öffnungen des Zeltes in den Innenraum zu gelangen und ließ auch Zelda endlich wieder besser atmen. „Ihr hattet noch angeboten mir die Karten zu legen.“ Zelda hielt zwar nicht viel von Wahrsagerei, aber ein Teil von ihr war dieser Kreatur dennoch dankbar. Sie hatte ein wenig Hoffnung geschöpft, ein wenig an ihrem zerrütteten Glauben rütteln können. Und vielleicht keimte in Zelda ein wenig Zuversicht, dass der Kampf gegen Ganondorf hier auf der Erdenwelt doch zugewinnen war. Mit Schrecken und Opfern, so wie immer… aber zugewinnen. Warum sonst sollte diese Entität davon erzählen, dass sie die Kinder des Schicksals, sprich den Helden und die Prinzessin, nicht trennen konnte? Der große Kampf wartete und er würde so wie in früheren Leben Gerechtigkeit finden… Erneut blitzte Schelm in den rabenschwarzen Augen der Dame auf, Arglist und eine gewisse Verdorbenheit, die Zelda frösteln ließ. Es war ein Leichtes die Göttin hier in diesem Zelt zu unterschätzen, zumal sie sich mit so viel unnötigen Kram umgab und sie immer wieder verspielt wirkte. Diese mächtige Kreatur kämpfte nur mit Verschlagenheit und Arglist… Zunächst wortlos mischte sie ihre Karten, langsam und andächtig, als gefroren die Sekunden, bis sie drei Karten auf dem Tisch platzierte. Verwundert betrachtete sich Zelda die Motive und die althylianischen Symbole, die in den Rand der Karten eingeritzt waren. Da war ein Wanderstab auf der einen Karte, dann eine blutende Krone, und zwei Elfen, die sich küssten auf dem dritten Bild. „Das ist sehr spannend“, sprach die Entität und klatschte dreimal in die Hände. „Die Reise. Das Opfer. Die Liebe.“ Selbst in den Augen der Gottheit funkelte Überraschung. Und es war das erste Mal, das Zelda ein Lächeln in den glatten, fahlen Gesichtszügen ihres Gegenübers entdecken konnte. Es ließ sie jünger wirken… nicht kindlich, aber fast jugendlich. „Was bedeutet das, warum ist es spannend?“ „Tja, wer weiß.“ Sie schäkerte einmal mehr und hüpfte dann auf ihre Beine. „Wenn es diese Karten sind, dann steht eine Reise an und vielleicht…“ „Vielleicht was?“ Ungeduldig betrachtete Zelda die Tarotkarten erneut. Die Opferkarte machte sie nervös… Opfer waren niemals fair und ihr Herz spürte Beklemmung bei dem angstvollen Gedanken, das es erneut Link war, der Opfer brachte. Zelda zitterte innerlich vor Angst… herber, fesselnder Verlustangst… „Vielleicht kann erst dann Liebe entstehen, wenn Opfer gebracht werden.“ Die Aussage der Heilerin verstärkte Zeldas innere Befürchtungen ohne Unterhalt. „Sorgt Euch nicht, Prinzessin, das sind nur Karten“, die Heilerin lachte erneut glucksend. Aber der Königstochter war alles andere als zum Lachen. Sie konnte nicht zulassen, dass Link Opfer brachte… und das alles wieder nur wegen Hyrule oder wegen ihr. Vielleicht war auch der Wunsch ihm das bestmöglichste Leben zu lassen der Grund, warum Zelda niemals ihre Gefühle ihm gegenüber erzählt hatte. Sie wollte ihn nicht verunsichern, an sich binden oder ihm noch mehr Bürden auferlegen. Was hatte er davon zu wissen, dass die Prinzessin Hyrules unsterblich in ihn verliebt war? Es würde ihn zu Entscheidungen bewegen, die er womöglich nicht für sich selbst traf… „Prinzessin Zelda…“, sprach die Heilerin und legte ihre beiden langen, schmalen Hände auf diejenigen der Jugendlichen. Hatte Zelda vorhin bereits ein Frösteln in Gegenwart dieser mächtigen Frau verspürt, so verstärkten ihre eisigen Finger dies mit Nachdruck. Sie wollte ihre Hände aus dem Griff lösen. Aber die sture Gewalt in den Händen der Heilerin war einfach nur überwältigend, heftig, fest und lähmend. „Auch Ihr seid eine Heldin, nicht nur der Heroe bringt Opfer. Auch Ihr könnt dies tun, habt es getan, unzählige Male. Manchmal geht es doch um einen selber.“ Und erst nach diesen Sätzen löste sich Zelda ruckartig aus den Händen der Göttin. Und was war das nun wieder? Bedeutete es für Zelda, dass sie diejenige war, die ein Opfer für ihre Liebe bringen musste? Mit einem Mal hetzte die Heilerin durch den Raum, durchwühlte eine alte Kiste, die vollgestopft war mit Gerümpel, bis sie die Geduld verlor, mit den Fingern schnipste und das erste Mal ihre Macht zur Schau stellte. Die Kiste implodierte und alles, was übrig blieb, war ein kleines Parfümgläschen. Noch ehe Zelda wusste, wie ihr geschah, spritzte die Dame den Duft in ihre Richtung, befeuchtete ihr Gesicht und Dekolleté damit. Zelda hüpfte ebenfalls erschrocken auf ihre Beine, zwinkerte, aber roch absolut nichts. War das bloß Wasser? „Was habt Ihr getan?“, rief sie erbost, aber konnte wohl kaum einer Göttin drohen. „Es soll Euer Schaden nicht sein“, erklärte sie. „Das ist mein erstes und letztes Geschenk an Euch, Prinzessin der hylianischen Lande. Dämonen hausen überall, Prinzessin, vor allem in den Erinnerungen… in allem, was Ihr mit Hyrule verbindet und auch, was Euer Held mit Hyrule verbindet… Seid vorsichtig, was Ihr sucht und vorsichtig, was Ihr erschafft… Dieser Duft kann Energien umlenken.“ Einmal sprach sie in Rätseln. Etwas in dem Blick der Heilerin sagte Zelda aber, dass sie diese Worte nicht erklären würde und dass das Gespräch nun das Ziel erreicht hatte. Ein seltsames Unterfangen war es hier bei der Heilerin. Ein wahrhaft seltsames Gespräch… und die seltsamste Göttin hatte sich der Prinzessin offenbart. Zelda dankte der Gottheit innerlich, auch wenn sie ahnte, dass die Absichten dieser Entität nicht so edel waren, wie sie es hier darstellte. Sie tat alles mit einer besonderen Absicht, Götter taten dies immer… Zelda atmete tief durch, betete innerlich für einen guten Ausgang der Ereignisse und war sich noch nicht sicher, ob sie dieser Frau ein weiteres Mal begegnen wollte. Jene groteske Gottheit hatte mehrfach gezeigt und argumentiert wie viel höher sie stand als Zelda mit ihrem Blute Hylias. Es war Zelda nicht entgangen, dass jene Kreatur Belustigung an der menschlichen Verzweiflung der Prinzessin empfand. Nur stoppte sich Zelda zu viel über ihre eigenen Geheimnisse während des Gesprächs nachzudenken. Die Prinzessin dankte, nickte und ging in schweren Schritten in Richtung Ausgang. „Ach, und Prinzeschen… Eine Welt aufgeben und ein neues Leben zu akzeptieren sind zwei Paar Schuhe, das weißt du doch, nicht?“ Diese letzte, entehrende Aussage war nicht nur wegen der plötzlichen, persönlichen Anrede, merkwürdig. Und vielleicht, weil Zelda eben doch ihre edle Herkunft als Erbin Hylias spürte, nahm sie sich das letzte Wort. „Eine Welt aufgeben und ein neues Leben akzeptieren fließt dennoch ineinander, Tochter von Din, Nayru und Farore. Ich danke Euch, Göttin Dinafa…“ Zielstrebig und ohne einen weiteren Blick zurück, trat die vergessene Prinzessin aus dem Zelt… Kapitel 36: Vergessen ist nicht möglich... ------------------------------------------ Als der junge Kerl namens Link gegen Mittag erwachte, stand seine verschlagene Schwester Sara mit einem unverschämt frechen Grinsen vor dem Bett. Sie klapperte mit ihrem Schuhen und stemmte die Hände in die Hüften. „Will der Herr, der immer keinen Wert auf die Zeit legt, nun endlich aufstehen?“ Link jedoch drehte sich gähnend zur mit Holzpaletten befestigen Wand und machte seine Augen wieder zu. „Brüderchen, es ist bereits Mittag“, sagte Sara etwas laut. Der Held aber reagierte schon wieder nicht wirklich, brummte und säuselte unverständliche Worte. „Na, warte!“ Aufgeregt stolzierte seine kleine Schwester aus dem Zimmer und kam sogleich mit einer Schüssel herrlich kaltem Wasser heran. „Du hast noch fünf Sekunden, Bruderherz.“ Link murmelte irgendetwas von wegen Schlaf wäre wichtig und begann zu schnarchen. „Ich habe dich gewarnt, du Witzbold.“ Sara hob die Schüssel bereits an. „Drei, zwei, eins.“ Extrem langsam zählte sie die wenigen Zahlen herunter. Link drehte sich um, öffnete schläfrig die Augen und fragte noch. „Was ist?“ Doch es war bereits zu spät. „Null.“ Und platsch. Sara hatte die ganze Schüssel frisches Wasser über seinem müden Kopf ausgeleert. Doch der aus seinem Schlummer gerissene Heroe hatte nicht einmal die Möglichkeit entsetzt drein zu schauen. Mit schockiertem Blick saß er in seinem durchnässten Bett und sah aus als hätte ihn ein Gorone überrollt. Link fluchte und hatte erstaunlicherweise seine Augen endlich weit genug geöffnet, um zu erkennen, in welcher erbarmungswürdigen Situation er sich befand. „Du… das wirst du mir büßen“, rief er ihr hinterher, als sie lachend aus dem Zimmer stürmte. Link erhob sich und fühlte sich trotz der eisigen Morgendusche wie neu geboren und schüttelte das Wasser von seinen Haaren. Schon verrückt, es schien ihm, als wäre etwas unheimlich Schönes geschehen, von dem er leider nicht wusste, was es war. Etwas wundervolles, etwas, mit dem er nie gerechnet hatte. Sommerliche Klamotten auf seinem Arm, trat er ans Fenster und lächelte. Die Sonne schien, nicht eine Wolke am blauen Himmel. Dies würde ein herrlicher Tag werden und er wusste auch schon, wie er den Tag nutzen würde… Er trottete aus seinem Zimmer, in Richtung Bad, duschte sich, wie immer am frühen Morgen und putzte seine Zähne. Dann fiel sein Blick zu der dunklen Reisetasche. Er hatte gestern seine Tasche einfach dorthin gestellt und ganz vergessen, dass sich unter anderem Schwert und Dolche noch darin befanden… außerdem noch das wichtige, schöne Medaillon, das er Zelda überreichen wollte. Er durchwühlte die Tasche, schnappte sich jene Gegenstände und verstaute diese allesamt heimlich wieder im Zimmer. Die anderen saßen glücklicherweise im Esszimmer und bemerkten davon nichts. Link betrachtete kurz die golden schimmernde Triforcekette, fragte sich, wer etwas so schönes, was vielleicht nach Hyrule gehörte, konstruiert haben könnte. Und er wusste, dass dieses Medaillon nur für Zelda bestimmt war. Er ließ die Kette ein wenig in der Luft pendeln, legte sie sich dann um und versteckte diese unter seinem T-Shirt. Damit lief der Heroe ins Esszimmer. „Morgen“, sagte der junge Kerl und warf Sara ein grimmiges Gesicht zu. „Da ich endlich wach bin und auf solch wunderbare Weise aus meinen Träumen gerissen wurde, möchte ich euch alle herzlich begrüßen.“ Link pflanzte sich auf seinen Platz und füllte seinen Teller mit Kartoffelsalat aller Meira Bravery, riss gleich zwei megagroße Schnitzel an sich und bedeckte den spärlichen Rest des marineblauen Tellers mit einer großen Portion Gemüse jeder Art. „Irgendwas neues“, wollte er wissen. Aber es gab nichts Neues. Nach einigen Minuten meinte Sara: „Sag’ mal, Link. Was ist los? Du siehst irgendwie so verändert aus und das schon, bevor du ins Esszimmer gekommen bist.“ „Ich weiß nicht, ich fühle mich einfach nur gut.“ „Hat das was mit Zelda zu tun?“ „Wie kommst du denn darauf?“ Etwas errötet sah er auf. Sara schaute dann ein wenig irritiert drein. „Na, sie war doch gestern Abend noch bei dir.“ Link wäre vor Schreck beinahe vom Stuhl gefallen und linste verwirrt, sich von dem Essen lösend, nach oben. „Wie bitte? Wann denn?“ Er kam ein wenig in Panik, spürte sein Herz rasen. „So ungefähr um elf“, meinte Sara. „Wieso das denn? Wie… woher wusste sie denn, dass ich zurück war.“ „Ach… ich hab’ sie angerufen.“ „Du hast was?“ Link war geschockt und schaute drein wie ein Gespenst. Zelda war bei ihm gewesen, weil Sara sie angerufen hatte? „Du hast mich schon verstanden. Sie ist dann gleich vorbeigekommen und ich sagte ihr, du würdest in deinem Zimmer sein. Ich konnte ja nicht wissen, dass du schon geschlafen hast?“ Links Gesicht erwärmte sich allmählich und er zwinkerte mehrfach, versuchte das hinterhältige Grinsen von Sara und das seiner Mutter, die interessiert zuhörte, zu ignorieren. „Ich dachte, ihr beide hättet euch noch unterhalten, weil Zelda ziemlich lange in deinem Zimmer geblieben ist. Als ich ins Bett gegangen bin, das war etwa um zwei, war sie immer noch bei dir.“ Links Kopf begann zu glühen. Jetzt sehnte er sich nach einer Schüssel mit kaltem Wasser! ,Soso, dann hatte Zelda mich wohl die ganze Zeit beobachtet‘, dachte er. Link entleerte seinen verstopften Hals unkomfortabel und sagte schließlich: „Ähähm… dann sollte ich sie wohl gleich mal aufsuchen.“ Er leerte hastig seinen Teller, torkelte tollpatschig vom Tisch und verschwand aufgeregt in Richtung Haustür. Der junge Heroe schnappte sich noch die eine Reisetasche mit den ganzen Waffen für Zelda und ging aus dem Haus. Es war ein angenehmer Tag, wärmend und besinnlich flutete das heiße Sommerlicht die kleine Stadt Schicksalshort im Herzen der modernen Welt. Es war einer jener Tage, die ohne Schrecken blieben, so erhofften es sich die Bewohner der Welt. Ein Tag, an dem scheinbar nichts Großartiges geschehen würde. Ein Tag, gewöhnlich, unvollkommen und unbedeutend, wie viele andere. Mit einem Grinsen auf dem Gesicht lief Link durch die mit Menschen überfüllte Stadt, streckte seine Arme auseinander, weil er sich endlich selbst akzeptiert hatte, weil er sich gut fühlte. Er rannte vorbei an fröhlichen Gesichtern, lachte, fühlte sich frei und irgendwie selbstbewusst und sicher, spürend, heute war soweit alles in Ordnung. Die schicksalhaften Ereignisse in dem letzten halben Jahr hatten sein Leben völlig auf den Kopf gestellt, er hatte Kämpfen gelernt, sogar einen Drachen besiegt, erfahren, welchen Sinn sein Leben hatte, und von all den Dingen etwas erfahren, das ihm mehr bedeutete als er je verstehen konnte. Er hatte den Menschen gefunden, der seiner Seele am nächsten war… Mit einem ansehnlichen Lächeln auf seinem leicht gebräunten Gesicht rannte er durch den Park, genoss den frischen Wiesenduft, den Duft nach Heimat und lauschte dem Gelächter von jungen und alten Menschen, die sich im Park aufhielten. Die meisten Menschen hatten Urlaub, genossen ihre Zeit im Freien, genossen das Leben, und tauschten in erheiternden Gesprächen Lebenslust und Interessen aus. Da waren viele, die picknickten, andere spielten Federball, manche studierten Bücher, aber ihnen allen war gemeinsam wie friedvoll sie den einfachen Dingen der Welt nachgingen. Auch Maron und Rick saßen verliebt im Park, lachten, neckten sich. Die hübsche Schülerin mit dem langen kastanienbraunen Haar fütterte ihren Freund verspielt mit Eiscreme, küsste ihn dann, bis sie beide in Links Richtung blickten. Grinsend winkte der Held ihnen zu und sie erwiderten die Begrüßung. „Hey, Waldmensch, endlich wieder im Land?“, freute sich Rick, hüpfte auf die Beine und begrüßte seinen Cousin erfreut. Link grinste verschlagen, dachte an seine Erlebnisse und war ziemlich froh darüber, dass er diese Frage bejahen konnte. Es war schließlich nicht selbstverständlich, dass er den Kampf gegen übernatürliche Wölfe, gegen einen Drachen, den Ausflug ins Götterreich und die Angriffe von Tommy überlebt hatte. „Ja, es war klasse, und auch aufregend in Irland, aber ich bin froh endlich wieder zuhause zu sein.“ Auch Maron kam zu Link geeilt und umarmte ihn freundschaftlich. Link war mit so viel Zuneigung etwas überrascht und schaute dümmlich zu seinen Schuhen. „Ich bin auch froh, dass du wieder hier bist. Ohne unseren Lebensretter und Helden Link ist Schicksalshort langweilig.“ Sie lächelte ihm erfreut entgegen. „Jetzt übertreibst du aber“, meinte Link ruhig, obwohl er ein wenig Hochmut und Stolz in sich spürte angesichts des Gedanken. Ja, in der Tat, er hatte auch in Schicksalshort schon einige Kämpfe überstanden und damit Leben gerettet. Maron boxte ihn an den rechten Arm. „Das tue ich überhaupt nicht. Du hast mir vor einigen Wochen das Leben gerettet, Link. Du hast keine Ahnung, wie dankbar ich dir bin.“ Link nickte zögerlich, aber auch beschämt. Das war es, was Leon Johnson meinte, als er mit ihm gesprochen hatte. Leon hatte ihm klar gemacht, wie edel seine Absichten waren. Und dass er stolz auf das sein konnte, was er mit seinen Kämpferhänden angepackt hatte und wohl noch leisten würde. Der Kampf gegen Ganondorf war noch nicht zu Ende. Und es gab einige Vorkehrungen, die Link mit den Weisen und seiner Prinzessin treffen musste. Es galt nun herauszufinden, wo Ganondorfs Schwachstellen waren und wie man ihn aufhalten konnte. Aber heute, so entschied Link, wollte er nur eines… seine Prinzessin besuchen… „Zelda ist seit Wochen nicht aus dem Haus gekommen… Ich hab‘ mir schon Sorgen gemacht. Wir haben letztens Handynummer ausgetauscht und ausgemacht, demnächst etwas gemeinsam zu unternehmen, aber sie hat sich schlichtweg seit Anbeginn der Ferien nicht gemeldet“, bemerkte Maron. „Wenn du schon hier bist, kannst du vielleicht einmal nach ihr schauen?“ Sie schien es ernst zu meinen, hatte sich scheinbar mit Zelda angefreundet. Etwas verlegen und deutlich besorgt bekam Link zunächst nur ein Nicken zustande. War irgendetwas vorgefallen? „Ich wollte ohnehin zu ihr…“, sprach Link schüchtern. „Aber es überrascht mich irgendwie, dass ihr beide nun doch befreundet seid.“ „Mmh… vielleicht, aber ich habe mich letztens mit ihr sehr gut unterhalten können. Ich hab‘ fast das Gefühl, dass ich von ihr einiges lernen kann, so blöd das auch klingt.“ Marons schönes Gesicht legte sich in Zweifel. Etwas kindlich, um ihre Unsicherheit zu verbergen, spielte sie mit ihren schulterlangen Haaren. „Das klingt nicht blöd… ich verstehe, was du meinst…“, murmelte der blonde Heroe und blickte etwas sehnsüchtig in Richtung des grünen Hügels, wo Impas Villa von weitem erkennbar war. „Und sie ist ein faszinierender Mensch, das ist mir jetzt bewusst.“ Das schöne Mädchen legte ihren Arm um Ricks Hüfte und küsste ihn auf die Wange. „Ich würde sie gerne in meinem Freundeskreis haben, entgegen der anfänglichen Schwierigkeiten.“ „Hattest du nicht ursprünglich eine Abneigung gegen Zelda?“, meinte Rick dann und drückte das schlanke Mädchen näher an sich. „Ja, aber auch nur, weil sie mit Link so mies umgegangen ist“, erklärte sie. „Nur… steht es mir nicht zu darüber zu urteilen… ich weiß ja eventuell nur einen Bruchteil von alledem.“ Der jugendliche Heroe biss sich daraufhin auf die Lippe und versuchte die unschönen Erinnerungen, die ihn im kochten, wegzuschieben. Ja, es war richtig. Er hatte Zelda verziehen für das, was sie gesagt hatte, für ihre Abweisung und Distanz, aber er konnte diese Erinnerungen kaum löschen. Und auch andere hatten die Streitereien von ihm und seiner Prinzessin bemerkt. Ob Sian, der Träume von Zeldas Leben hatte, auch davon wusste? Der Gedanke ließ ihn sich irgendwie unwohl fühlen. Was Sian wohl davon hielt, dass sich seine alternative Persönlichkeit so unsagbar verletzend verhalten hatte? „Nun ja, sorry Leute, aber ich möchte sie jetzt endlich sehen…“, meinte Link leise und versuchte mit einem auffälligen Schlucken seine Nervosität unter Kontrolle zu bringen. „Wir sehen uns demnächst, ja?“, setzte er hinzu und stürmte dann in Richtung des grünen Hügels, wo das Anwesen von Ines Schattener stand. Als Link außer Reichweite war, murmelte Maron entzückt: „Du hattest Recht, mein Prinz.“ Sie kicherte und grinste ihren Freund an. „Link ist verliebt in Zelda.“ „Das hab‘ ich schon die ganze Zeit gesagt“, bemerkte er und zog sie innig in seine Arme. Er vergrub sein Gesicht in ihrem duftenden Haar und grinste. „Die Frage ist bloß, ob die beiden das jemals auf die Reihe kriegen.“ Maron zog sich verspielt zurück und konnte sich in seinen rehbraunen Augen erblicken. „Hey, du brauchst gar nicht so zu tun, als wären wir beide besser. Es hat Ewigkeiten gedauert, bis du mich endlich geküsst hast.“ Rick lächelte und versiegelte ihre Lippen verspielt mit seinen. „Besser zu spät als nie.“ „Du bist furchtbar“, lachte sie und zwickte ihn in die Wange. Genießend verbrachten die beiden ihren Tag im Park… Und der junge Held, der erholt und frisch aussah, rannte grinsend in Richtung der Villa, ließ das Zuhause von Zelda und Impa nicht aus den Augen und lief immer schneller mit seinen Turnschuhen vorwärts. Er lachte, spürte eine immense, aber durchaus erfreuliche Ungeduld, weil er seine Prinzessin, sein Licht, das ihn selbst in Irland begleitet hatte, sehen würde und er würde es genießen bei ihr zu sein, würde vielleicht auch den Mut fassen mit ihr über die Vergangenheit zu reden. Und während der Held zielsicher dem Weg folgte, wurde die glühendheiße Sommersonne plötzlich von rauchigen Wolken bedeckt, die mit rasanter Geschwindigkeit den Horizont einnahmen. Innerhalb von wenigen Sekunden schienen Wettergeister an ihrem Sonnenrad zu drehen, beschworen den Regen, beschworen Sturm und Donner. Ein forderndes Gewitter, jauchzend und befreiend, würde sich wie ein graues, nasses Gewand über die märchenhafte Stadt Schicksalshort legen und vielleicht würde es mit klarem Wasser alte Gifte aus der Kleinstadt spülen… Link sputete sich umso mehr, befürchtete von den ersten Regentropfen erwischt zu werden, aber noch schien das Auge des Sturms ihn zu verschonen. Innerhalb weniger Sekunden rannte er lächelnd den Kiesweg zu Ines Villa hinauf, dachte mit jeder Faser seines Herzens an seine Prinzessin, wollte bei ihr sein, in ihren Augen träumen, und sogar sich erneut irgendwie tollpatschig und auf angenehme Weise nervös in ihrer Gegenwart fühlen, erfahren, ob sie ihn genauso vermisst hatte wie er sie… und zumindest für einige Stunden wollte Link vergessen, dass Ganondorf in der Kirche auf ihn wartete… In dem Augenblick sah der Heroe eine unangenehme Gestalt den Hügel herauflaufen. Nur wenige Meter vor ihm trottete ein Kerl mit ledernem, schwarzen Outfit, pechschwarzen Haaren, einer Sonnenbrille auf der spitzen Nase und einer Zigarette im blassen Mund voran. Er hatte seine Hände in die Hosentaschen gesteckt, ließ sich von der brütenden Hitze in Schicksalshort kaum beeindrucken, wirkte cool und lässig. Verwundert beobachtete Link den jungen Mann vor sich, der mit Zelda und ihm in einige Kurse ging und welcher umjubelter Mädchenschwarm war. Preston war sein Name und er war dafür bekannt, dass er sich niemandem gegenüber wirklich freundlich verhielt. Schon immer hatte Preston eigensinnige Motive, mogelte sich mit unfairen Mitteln durch das Leben und zu oft trugen andere für seine Entscheidungen die Konsequenzen. Preston war niemandes Freund und auch niemandes Feind. Er schlich Vorbildern wie ein Schatten hinterher und rückte erst dann in den Mittelpunkt, wenn es nichts mehr zu tun gab. Link hatte mit ihm einige Auseinandersetzungen gehabt, während des Kindergartens und auch während der Schulzeit, aber zu einer Prügelei war es glücklicherweise nie gekommen. Leger lag Prestons schwarzes Metal- T- Shirt und eine lederne Hose an seinem durchtrainierten Körper. Er hatte ein selbstbewusstes Grinsen im blassen Gesicht und zog genüsslich an seinem Glimmstängel. Der Rauch, duftend nach Vanille und Teer, zog bis an Links spitze Nase. Vorsorglich, auch weil der vergessene Heroe Preston unauffällig beobachten wollte, versteckte er sich flott hinter einem Baum sich fragend, was jener Bursche hier zu suchen hatte. Preston war normalerweise nie hinter irgendjemandem her, es war eher so, dass die Mädchen ihm hinterher liefen, hypnotisiert von seinen dunklen Augen, der blassen Haut und seinem athletischen Körper schienen. Mit seinen dunklen Haaren, seiner Abneigung gegen Sonnenlicht, wirkte Preston wie ein Vampir… Auch Ilena, die Link oft angehimmelt hatte, war einmal mit ihm ausgegangen… Er klingelte und das laute Summen der Glocke dröhnte durch die Luft. Er klingelte ein weiteres Mal, aber niemand öffnete ihm. Dann sah er sich um, blickte auch in Links Richtung, der sich geschickt und etwas unsicher hinter einem Kastanienbaum verbarg. Und schließlich schlich der dunkelhaarige Schüler um das Haus, vielleicht in Richtung Hintereingang. Link tapste mit einem unguten Gefühl in seinem Magen auf die Haustür zu, unterließ es dann aber zu klingeln und spionierte dem Kerl hinterher. Er konnte sich kaum vorstellen, dass Preston hier etwas zu suchen hatte, aber er wirkte äußerst interessiert, musterte die Fenster im Erdgeschoss und rüttelte an der Tür am Hintereingang. Aber diese war verschlossen, sodass er sein Glück mit den großen Fenstern versuchte. Als der junge Bursche mit den rabenschwarzen Haaren versuchte in eines der Fenster einzusteigen, verlor Link die Geduld. Er hastete näher, ein alter Zorn auf seinen edlen Gesichtszügen. Forsch packte er den jungen Mann am Kragen und zog ihn vom Fensterrahmen herunter, sodass er hart auf dem Boden landete. Er kreischte überrascht auf, zwinkerte verwundert und rieb sich die Augen, als müsste er überprüfen, ob Link tatsächlich vor ihm stand. „Was willst du hier“, verhörte Link ihn. „Und wer gibt dir das Recht, in eines der Fenster einzusteigen?“ Preston musterte ihn mit scharfen braunen Augen, die beinahe schwarz waren. „Das geht dich gar nichts an!“, maulte er. Er wischte sich mit einer Hand über seine Lippen und hüpfte auf seine sportlichen Beine, grinste den blonden jungen Mann verschlagen an. Er steckte die Hände wieder in seine Hosentaschen. „Und ob mich das etwas angeht. Du hast nicht die Befugnis hier herum zu lungern.“ Bedrohlich funkelten Links tiefblaue Augen, ließen eine alte Wut an die Oberfläche, geboren aus seinem innigen Wunsch zu beschützen. Sein Herz pochte ihm bis in die Kehle bei dem Gedanken, dass Preston seine Prinzessin besuchen wollte. Seine Fäuste ballten sich bei einem weiteren unvermeidbaren, schweren Gedanken, dass der schwarzhaarige Schüler sein Vorhaben ins Haus zu gelangen, beinahe geschafft hatte. „Also, was willst du hier?“, sprach Link warnend, drängte sein Gegenüber weiter zurück. „Ich hoffe, du hast einen plausiblen Grund hier herum zu schleichen und in das Gebäude zu wollen!“ „Ich will meine Puppe besuchen, Trottel, und jetzt geh’ aus dem Weg. Ich könnte dich genauso fragen, was du hier willst“, murrte Preston, schien keinesfalls verlegen, wirkte nicht unsicher und betonte seine Worte mit einer sachlichen Ernsthaftigkeit und mit Nachdruck. Link brauchte eine halbe Ewigkeit um die Worte zu verstehen und blickte etwas hilflos drein, bis er seine tiefblauen Augen zu Boden senkte. Er wollte kaum begreifen, was Preston andeutete. „Deine Puppe?“, sprach Link halb versteinert. „Jap, meine supersexy Puppe, das hübsche Ding mit dem langen blonden Haar.“ Preston zeigte mit dem Daumen überheblich auf seinen eigenen Oberkörper, schien mit jedem weiteren Wort zu strahlen. „Sie ist Extraklasse, kein Wunder, dass sie auf mich steht.“ „Du meinst Zelda?“, vergewisserte sich Link und bekam vor lauter Verblüffung seinen Mund nicht mehr zu. „Natürlich meine ich Zelda, die ganze Schule redet darüber, wie scharf sie ist. Ist dir das noch nicht aufgefallen?“ Und auch diese Aussage machte Link schlichtweg nervös. Ja, er hatte schließlich Augen im Kopf und Zelda war wunderschön, bezaubernd, das schönste Mädchen der Schule. Natürlich überraschte es ihn nicht sonderlich, dass sie mit ihrer Eleganz, ihrer grazilen Art und Weise zu gehen, mit ihrem sinnlichen, unergründlichen Lächeln, ihren geheimnisvollen Augen die Jungs in Schicksalshort beeindruckte, wenn nicht gar verrückt machte. Aber musste Preston ihm das unter die Nase reiben? Und wie kam es, dass jener Schüler überzeugt war die Prinzessin Hyrules als Freundin zu haben? Das konnte er doch nicht ernst meinen! Hatte sich Zelda auf ihn eingelassen? Hatte sie vielleicht einfach nur einen Freund gebraucht, weil Link nach Irland abgehauen war? Wie festgemauert stand der Held Hyrules vor dem schwarzhaarigen Preston und konnte kaum glauben, was er da hörte. Weitere bunte Schlussfolgerungen entwarf sein Kopf mit leisen Schuldgefühlen, seiner Unwissenheit und einer aufschäumenden Eifersucht wegen seiner Prinzessin. Suchte Zelda nach jemanden, der… der ihr vielleicht in manch anderer Hinsicht mehr geben konnte als Link zum jetzigen Zeitpunkt? Jemand, der etwas mutiger war, was Beziehungen anging? Denn Preston, wenn Zelda wirklich etwas von ihm wollte, war ein ziemlicher Draufgänger, wechselte Mädchen wie seine Metal-T-Shirts und suchte, so war sein Ruf an der Schule, nur nach einem Abenteuer, das darin bestand Mädchen, vielleicht auch mehrere auf einmal, flachzulegen. Was wollte Zelda von einem solchen Narzissten und Macho, der nur seinen Spaß mit ihr haben wollte? „Wie auch immer, die Schöne wartet auf mich, du kannst dann wieder gehen, Link“, sprach Preston grinsend und zog ein weiteres Mal an seiner Zigarette, bis er diese ausdrückte und wegwarf. Link ballte die Hände zu Fäusten, spürte eine keimende Eifersucht seine Venen entlang schießen. „Zelda ist nicht deine Freundin und deine Puppe schon gar nicht. Du bist derjenige, der hier verschwinden sollte“, raunte der einstige Held der Zeit. „Ach’, sag’ bloß, du hast auch schon dein Glück bei ihr versucht? Hat sie dich denn nicht rangelassen?“ Preston steckte die Hände in die Hosentaschen und lachte jubelnd auf. „Du bist einfach nur ekelhaft… ich sage es kein drittes Mal: Verschwinde von diesem Grundstück, Preston.“ Link bemühte sich ruhig und sachlich zu bleiben, sich nicht provozieren zu lassen, aber der Gedanke, dass Preston seine schmierigen Lippen auf die zarten seiner Prinzessin drückte, machte ihn närrisch und ließ sein Blut wallen. „Ich dulde nicht, dass du dich noch länger hier herum schleichst“, sprach Link deutlich. „Was immer du dir einbildest, und egal, welche Signale von Zelda du falsch deutest, sie würde sich kaum auf jemanden wie dich einlassen.“ „Ach, und du bist dir sicher, dass das so ist?“ Preston schien sich kaum aus der Ruhe bringen zu lassen, lächelte schalkhaft. „Du bist nicht ihr Lover, soviel hab‘ ich selbst herausbekommen. Solange du nichts bei ihr versuchst, steht auch mir ihre Tür offen.“ Link schluckte auf diese Worte. Was sollte er auch davon halten? Hätte er etwa viel früher Annäherungsversuche starten sollen? „Und außerdem…“ Preston grinste erneut hinterhältig. „Für kleine Unschuldslämmer wie dich hat sie sicherlich nichts übrig. Was diese Puppe braucht, ist jemanden, der ihr zeigt wo’s langgeht. Zelda ist stark und stolz, eine richtige Powerfrau, sie braucht jemanden, der das übertrumpfen kann, der sie weiterbringt, was sollte sie mit einem liebenswerten, naiven Kerl wie dir anfangen?“ „Halt dein giftiges, dummes Maul…“, sprach Link warnend. Inzwischen war er nicht mehr in der Lage noch vernünftig mit Preston zu diskutieren. Dieses entehrende Geschwätz stachelte jeden Nerv in seinem Körper an. Er wusste nicht, was es war. Er wusste nicht, warum er gerade innerlich kochte und über reagierte. Er spürte nur eine Form von Eifersucht, ein Feuer der Missgunst, des Neids, das ihn kaum mehr klar denken ließ. „Und außerdem… Zelda ist so heiß, die braucht jemanden zum Abkühlen, der sie richtig rannimmt.“ Preston leckte sich über seine Lippen und grinste, sich nicht bewusst, dass ihm das Grinsen im nächsten Moment vergehen würde. „Zelda ist schon eine geile Schnitte“, kicherte er, und bevor er weiterreden konnte, blitzte ein gefährlicher Funke in Links tiefblauen Augen auf, wie eine hellleuchtende Klinge funkelte etwas in seinem Blick. Mit einer flinken, eleganten Bewegung trat Link an den schwarzhaarigen Jungen heran, knackte ohne weitere Worte mit der linken Faust und verpasste dem Burschen mit dem Feuer der Eifersucht einen Kinnhaken, der sein Gegenüber aus den Latschen katapultierte. Preston kreischte schmerzverzerrt auf, landete benommen wenige Meter weiter auf dem Rücken, sodass Staub aufgewirbelt wurde und musterte seinen Angreifer verdutzt. Er sah drein, als konnte er kaum begreifen, was gerade passiert war, und wischte sich über eine aufgeplatzte Unterlippe. „Rede nicht so über Zelda. Sie ist kein billiges Flittchen wie deine vorherigen Freundinnen. Sie ist kein Spielzeug“, sprach Link warnend. „Sieh‘ einer an… so unschuldig und liebenswürdig wie der Ruf, der dir vorauseilt, bist du wohl doch nicht“, murmelte der Schüler benommen und kam schlaksig auf die Beine. „Wer hätte gedacht, dass du so zuschlagen kannst.“ Preston grinste noch immer, sendete einen überheblichen Ausdruck aus bedrohlich funkelnden, schwarzen Augen, auch wenn Link deutlich ängstliche Muskelzuckungen in seinem blassen Gesicht wahrnehmen konnte. Preston schüttelte den Kopf und drehte sich um seine Achse, bis er langsam den Hügel hinab lief. „Wir werden ja sehen, was diese Puppe bevorzugt, einen ordentlichen Kerl oder ein Unschuldslamm wie dich.“ Dann begann er gekünstelt zu lachen und verschwand. Link seufzte, stand wie angewurzelt im Bereich der Hintertür, senkte den melancholischen Blick zu Boden und schien zu träumen. Es schockierte ihn, dass er gerade so aggressiv geworden war, und dass Zelda Interesse an anderen Männern haben könnte. Andererseits… warum auch nicht? Es war nicht so, dass sie beide ein Paar waren. Es war nicht so, dass sie jemals darüber geredet hätten, was überhaupt zwischen ihnen war. Und es war nicht so, dass Link abgesehen von seinen Taten in einem Traum, von dem er nicht wusste, ob Zelda ihn auch geträumt hatte, jemals einen Versuch unternommen hätte ihr näher zu sein… Sicherlich hatte er immer geglaubt, dass dieses starke Band, das zwischen ihnen war, diese vollkommene Zuneigung, die er spürte, vielleicht mehr war als nur Freundschaft. Aber wirklich klar, dass da mehr war, dass er sie brauchte, nicht nur als gute Freundin, war es für ihn erst mit dem Aufenthalt in Irland geworden. Er hatte sich in Zelda verliebt… und er war scheinbar nicht der einzige. Es gab wohl einige Burschen an der Schule, die sich in Zelda verguckt hatten. Nun ja, sie war einfach faszinierend. Seit Link sie gefunden hatte, war er von ihr schlichtweg verzaubert… Mit einem leichten unguten Gefühl, vielleicht nicht erwünscht zu sein, ein leises Flüstern wieder zu gehen, stand Link wie festgemauert in Nähe der Hintertür, spürte eine innere Unruhe zunehmen. Doch da rief jemand seinen Namen. Ein lieblicher Ruf von einem der oberen Stockwerke. Er blickte nach oben und sah seine wunderschöne Zelda aus einem der hohen, teuren Fenster schauen. Sekunden schienen sich in Minuten zu verwandeln, dehnten sich in die Länge, als er sie erblickte, das wunderschöne Mädchen, von dem er geträumt hatte. Ihre himmelblauen Augen leuchteten mit einer Freude, die ihn die Zweifel, ausgelöst durch Prestons Aussagen, vergessen ließen. Aber Zelda wirkte sehr verändert. Ihre Haare waren gefärbt und nicht mehr blond, sondern gingen in Richtung goldbraun bis schwarz. Und durch die dunkle Farbe schienen ihre Augen noch mehr zu strahlen als vorher… „Link, nimm’ den Hintereingang“, rief sie. Dann war sie hastig vom Fenster verschwunden. Okay. Okay… Er sputete zu der Tür am hinteren Bereich der Villa und wartete mit rasendem Herzen und zittrigen Knien… Zelda empfing ihn, öffnete die Tür vorsichtig und fast etwas tollpatschig, und nachdem er eingetreten war, schloss sie diese sogleich wieder und drehte den stahlgrauen Schlüssel um. Sie wand sich zu ihrem verlegenen Helden, strich sich zitternd einige Haarsträhnen hinter die Ohren, sah ihm aber nicht direkt in seine unwiderstehlichen Augen. „Hallo“, meinte sie leise und versteckte ihre Hände hinter dem Rücken. „Hallo“, erwiderte Link, nicht sicher, was er jetzt sagen oder tun sollte. Er blickte sie einfach nur an… mit butterweichen Blicken… seine Gefühle ein offenes Buch. „Lust auf einen Kaffee? Ähm… bescheuert von mir, es ist ja noch nicht Kaffeezeit.“ ,Din, bin ich blöd‘, dachte sie. Mit allen Mitteln versuchte sie Links sehnsuchtsvollen Blicken auszuweichen. „Willst du vielleicht Cola, oder eine Limo. Wir haben auch Mineralwasser“, stotterte sie. Die Göttinnen machten es Zelda hinsichtlich ihrer Nervosität nicht leicht… Sie traute sich ja nicht einmal ihren Heroen zu mustern, aus Sorge er durchschaute ihre Unsicherheit und sah die tiefen Gefühle in ihrem Blick. „Cola“, sagte Link, bemüht die irrsinnige Freude sie wiederzusehen im Zaum zu halten. Nein, nicht nur wiedersehen… wiederhaben, dachte er. Zelda ging voraus, hektischer als es notwendig war und fühlte Links durchdringenden Blicke an ihrem braunen Hinterkopf, sie spürte die Magie dahinter, die alten Sehnsüchte und verkrampfte sich mehr und mehr. Es war beinahe unangenehm seine Augen in ihrem Nacken zu spüren. Schweigend erreichten sie die große Küche, in dessen Mitte ein gläserner Tisch stand, mit vier Stühlen darum. Zelda kramte im Kühlschrank herum, spürend, dass Link nach wie vor jeden ihrer Schritte folgte. Aus irgendeinem Grund konnte und wollte er seine Augen nicht von ihr lassen, besah sich das enge weiße Top, welches seine Prinzessin trug und die helle, knappe Hotpants. Sie holte eine eisgekühlte Cola hervor, nahm zwei Gläser aus dem Schrank und schenkte sie ein. Sie verschüttete eine Menge der Cola, von dem Zittern ihrer Hand verursacht und der Tatsache, dass ihre Augen überall ruhten nur nicht auf den Gläsern. „Wie war es denn in Irland?“ Sie versuchte es mit einem sachlichen Anfang, bemüht Ruhe darin zu finden. „Sehr schön und aufschlussreich.“ Belangloser wusste der Heroe es nicht zu umschreiben. Ihn interessierte nicht diese unnötige Fragerei, er wollte einfach nur genießen seine Prinzessin hier zu haben… Link stand auf, lief in Zeldas Richtung und nahm ihr eines der Gläser ab. Ihre Hände berührten sich kurz, worauf Zelda ihre Hand schnell wegzog und verlegen dreinblickte. „Hast du meinen Brief bekommen?“, fragte Link leise und schenkte ihr ein tiefes Lächeln. „Ja.“ Zelda war kurz davor ihm zu sagen, dass dies der schönste Brief war, den sie jemals bekommen hatte. „Du hast dir die Haare gefärbt“, sagte er, hob eine Hand und wollte nur einmal dieses seidige Haar berühren. Zelda jedoch reagierte fast panisch, drehte sich so schnell wie der Wind um und setzte sich auf einen der mit blauen Bezügen gepolsterten Stühle. „Ich habe mein Aussehen verändert, sodass ich von seinen Ablegern und von… ihm… nicht so leicht erkannt werde, auch wenn er wohl annimmt, ich sei nicht mehr am Leben, muss ich vorsichtig sein…“ Sie meinte Ganondorf, getraute sich aber nicht seinen Namen auszusprechen. Link stellte das Glas auf dem Tisch ab und kniete vor ihr nieder. „Das war eine sehr gute Idee.“ Er lächelte erneut, ignorierte ihre Unsicherheit, aber Zelda schaffte es einfach nicht ihn anzusehen, obwohl sie unheimlich gerne in seine blauen, ernsten Augen gesehen, sich darin verloren und geträumt hätte. Sie erhob sich mit geschlossenen Augen und wich ihm wieder aus. Sie lief in Richtung Fenster, ihr Herz pochte so heftig, dass sie dachte es würde sich nie wieder beruhigen. „Es ist schön, dass du wieder hier bist“, sagte sie leise, äußerst leise. Das war zumindest ein Anfang. „Ich finde es auch schön, dass ich hier bin. Außerdem finde ich es schön, dass du hier bist.“ Er machte eine kurze Pause und brabbelte weiter. „Und ich hoffe doch, du findest es auch schön, dass wir zusammen hier sind.“ „Ja, schön…“ „Mmh. Sehr schön.“ „Schön…“ „Genau, schön…“ ,Ganz ehrlich, aber noch dämlicher kann ich mich kaum anstellen‘, dachte Link. Er spielte mit dem Gedanken sie zu umarmen, sie einfach an sich zu drücken, zu spüren, dass sie hier war und lebte. Sollte er nicht den ersten Schritt machen? Wenige Minuten vergingen tickend, in denen beide krampfhaft überlegten, was sie sagen sollten, was sie einander geben wollten… War es denn so schwer, sich ordentlich willkommen zu heißen, fragte sich der Heroe. Er würde Zelda am liebsten in die Arme ziehen und einige Minuten lang lachend durch die Lüfte heben, ihr ein Lächeln entlocken und ihr Lachen hören… aber sie entzog sich ihm die gesamte Zeit. Da entschied sich der junge Mann mit etwas Sachlichem um seine eigene Nervosität und vielleicht auch diejenige von Zelda abzuschütteln. „Ich muss unbedingt mit dir und Impa reden, Zelda. Du wirst nicht glauben, wer mir in Irland über den Weg gelaufen ist. Aber viel wichtiger, was wollte eigentlich dieser schmierige Kerl Preston von dir?“ Ja, dachte Link, das war doch ein guter Gedanke um sie in ein Gespräch zu verwickeln. Die nun brünette Schönheit seufzte, während ihre Augen den grauen Wolkenschleiern am Himmel folgten. „Er verfolgt mich jetzt schon seit Tagen… Ich weiß genau, was er von mir will. Maron hat mich vor ihm schon gewarnt, aber ich weiß einfach nicht, wie ich ihn loswerden soll.“ Zelda brachte sehr deutlich ihre Abneigung Preston gegenüber zum Ausdruck und verzog das hübsche Gesicht. Aha, Zelda war nicht seine Freundin, was Link auch sehr gewundert hätte. „Du hast also nicht darum gebeten, dass er dich besuchen kommt?“ „Heilige Nayru, natürlich hab’ ich das nicht, ich habe ihm mehrfach klar gemacht, dass ich ihn in meiner Gegenwart nicht dulde“, sprach sie leicht bissig. Ihre Augen kreuzten für einen kurzen Moment seine, aber eben nur für wenige Millisekunden. Aufgeregt und doch anmutig in ihren sommerlichen Klamotten trat sie aus der Küche, durchquerte den Saal, folgte den Stufen nach oben und ging in ihr lichtes Zimmer. Ob die Frage sie verärgert hatte? Link stand wie unter Hypnose und folgte ihr wie ein Schoßhündchen. Er wäre ihr überall hin gefolgt. „Hast du mich eigentlich… vermisst“, wollte er wissen, bereute seine Frage aber gleich wieder. „Vergiss’ die Frage.“ ,Das war dumm, du Held‘, ohrfeigte er sich in Gedanken und konnte seine Augen weiterhin nicht von Zeldas weiblichen Reizen lösen und er wollte es eigentlich auch nicht. Er wurde rot um die Wangenknochen, begreifend, dass er die gesamte Zeit, wo er ihr hinterher trottete, nur auf ihren sexy Po schauen konnte. Und wie sich dieser durch die Stretchjeans abzeichnete. So… stramm und diese Herzform. Ein hitziger Impuls der Leidenschaft wanderte zu seinen Lenden. ,Das war nicht gut‘, tadelte er sich. Oh… ja… wunderbar… und trotzdem gar nicht gut… Als sie in Zeldas Zimmer angelangt waren, schwiegen sie eine lange Zeit. Langsam, beinahe auf etwas wartend, setzte sie sich auf die Kante ihres Bettes und lächelte ihn ein wenig verlegen an, mied im nächsten Augenblick aber seinen Blick. Link hatte eigentlich eine etwas herzlichere Begrüßung erwartet, hatte sogar gehofft, sie würde sich in seine Arme werfen, ihn spüren lassen, wie wichtig er ihr war. Aber Zelda blieb distanziert und kühl. Als er sie tiefsinnig musterte, mit seinen tiefblauen Augen in Zeldas sanften Gesichtszügen auf eine Reise ging und er in ihre himmelblauen Augen eintauchte, wurde ihm bewusst, wie sehr er sie eigentlich vermisst hatte… beinahe verzehrt hatte er sich nach ihr. Sie mied immer noch beschämt seinen Blick, verkrampfte sich und krallte ihre schmalen, kleinen Hände in das Betttuch. Sie wirkte scheu, biss sich auf ihre Lippen und schien darauf zu warten, dass Link irgendwie reagierte. Ja, so entschied er. Sie wartete darauf, dass er den ersten Schritt tat. Und in dem Augenblick, wo sie sich leicht über ihre Augen strich, erkannte er die Müdigkeit in ihren kristallblauen Augen. Ja, Zelda sah unheimlich erschöpft aus. Der Heroe überlegte nicht mehr lange, hatte eine Idee ihr endlich näher zu sein, setzte sich verträumt hinter sie und legte seine warmen Hände auf ihre angespannten Schultern. Sie war sehr verkrampft, zitterte unter seinen einfühlsamen Händen… die weiche, sanfte Haut Zeldas zu berühren war wundervoll… Und ohne ein Wort, auch zu Zeldas Beruhigung, dass er nichts anderes wagte, begann er sie zu massieren. Zelda war im ersten Augenblick unheimlich überrascht, ließ es sich aber dann gefallen, spürte den feinen Druck seiner Hände und entspannte sich. Ihre sanften Augen schlossen sich genießend. Einige Minuten verstrichen, in denen sie schweigend auf dem Bett saßen, ihre unausgesprochenen Gefühle hingen knisternd in der Luft… „Das hast du schon früher manchmal getan“, meinte Zelda leise und brach endlich die Stille. „Wirklich? Du meinst, damals?“ „Mmh…“, schnurrte sie und wollte darum bitten, dass er mit diesem sanften Berühren nicht aufhörte. Plötzlich aber geschah etwas, was der junge Held sich in dem weitentfernten Damals unter den wenigsten Umständen erlaubt hätte. Streichelnd wanderten Links leicht raue Hände an ihren Armen hinab, zu ihrem Bauch und er umarmte sie innig. Zelda schnappte aufgeregt nach Luft, war völlig perplex, wollte schon aufspringen, aber ihr Held hielt sie einfach nur fest, liebevoll und sehr angenehm… Er zog sie näher an sich und legte sein Kinn auf ihre nur halb verdeckte Schulter. „Weißt du, Sara meinte, ich wäre irgendwie verwandelt…“ Zelda sagte nichts, war zu überwältigt von dem, was er tat. Eine kribbelnde Unsicherheit kam über sie, erinnerte sie an Geschehnisse in Hyrule. Ja, sie erinnerte sich mit einem überwältigenden Druck auf ihrem Herzen, dass sie einander damals auch gelegentlich zu nah waren… „Sie hat Recht, ich fühle mich tatsächlich wie neu geboren, seit gestern Abend.“ Link spürte, dass Zeldas Puls raste, spürte das Pochen ihrer Lebendigkeit, genoss es beinahe… Sie war völlig aufgeregt, konnte sich kaum beruhigen. Etwa wegen ihm? „Außerdem, sagte Sara, du wärst gestern noch bei uns gewesen.“ Zelda schwieg weiterhin. Indes lief eine leichte Gänsehaut ihren Rücken herunter, eine Gänsehaut, die sie kaum beeinflussen konnte. Feine unsichtbare Härchen auf ihrer Haut streckten sich voller Wohlgefallen. „Du hättest mich wecken können… weil…“, meinte Link in einem so gefühlvollen Ton, dass Zelda sich daraufhin ein wenig mehr an ihn lehnte und ihren Kopf zur Seite neigte. Ihre leicht glasigen Augen begegneten seinen, erzählten von innigen Wünschen und vergessenen Hoffnungen. „Ich“, hauchte Zelda, fast unscheinbar, nicht sicher, was er erwartete und nicht sicher, was sie wollte… In dem Augenblick klopfte Ines an Zeldas Zimmertür. Mit einem Satz sprang die einstige Prinzessin auf und löste sich hektisch aus seinen beschützenden Armen. Der grünbemützte junge Mann sprang ebenso auf und drehte sein verlegenes Gesicht dem Fenster zu. Ines trat schließlich einfach herein, riss ihre Augen erfreut auf und lächelte stolz. „Link!“, freute sie sich. „Wunderbar, dass du endlich wieder hier bist. Zelda hat dich ganz schön vermisst, mein Lieber.“ Nun wurde Links Frage von vorhin doch noch beantwortet. Ines stolzierte barfuß näher und musterte sie beide mit einem genügsamen Lächeln. Sie wirkte so kraftprotzend, als sie in einer Art Karateanzug in Zeldas Zimmer trat. Sie kam wohl frisch von ihrem Training. „Hi, Ines.“ „Bist du gut in Schicksalshort angekommen?“ Ihre scharlachroten Augen wollten in Links Blick alles ablesen. „Ja, es gab keine Probleme. Aber Ines, wir müssen unbedingt etwas gegen Preston unternehmen. Mir ist gar nicht wohl dabei, wenn er Zelda ständig auflauert.“ „Mir auch nicht“, sagte sie. „ Sag’ bloß, er war schon wieder hier?“ „Jep, war er leider.“ Ines blickte Zelda besorgt an. Sie nickte nur zustimmend. Sie gingen in die Wohnstube und tranken nun doch noch Kaffee. Link redete über seine gesamten Erlebnisse in Irland, über die Wölfe, den Drachen, seine neuen Bekannten, seinen Ausflug ins Götterreich sowie über Leon und Sian. Zelda wirkte abwesend. Es schmerzte wohl ein wenig, daran zu denken, dass ihr Vater sich ebenso auf der Erde befand und dass sie dies bisher nicht wusste. Dann rollte eine Träne über ihre zarte, rechte Wange, die sie sich gleich wieder wegwischte. Sie hetzte schluchzend auf und ging trübsinnig auf ihr Zimmer. Ines und Link wussten, dass sie ein wenig Zeit brauchte. „Ich bin froh, dass du uns das alles gleich mitgeteilt hast“, sagte Impa und wirkte erleichtert. „Welchen Nutzen hätte es gehabt, es zu verschweigen. Ich denke, das war die beste Lösung. Und du musst dich dringend mit Sian und Leon verständigen.“ In dem schönen tiefblau seiner Augen blitzte ein neuer mutiger Funke auf, geboren aus sturer Hoffnung. „Wenn Sian es schafft den gereinigten Splitter zu vervielfältigen, haben wir in dieser Schlacht schon sehr viel gewonnen. Denn dann werden wir alle Splitter Zarnas auf der Erde neutralisieren.“ Impa ließ sich von Links überschwänglichem Tatendrang nur allzu gerne anstecken. „Das werden wir!“, sprach sie mit Nachdruck. Sie boxte den Heroen erneut an seine rechte Schulter und lachte. „Es wird so viel gewonnen sein, wenn wir es schaffen Ganondorfs Verseuchung aufzuhalten. Du schenkst auch mir wieder neuen Mut, ich danke dir, Link. “ Er rieb sich verlegen den Hinterkopf. „Dein Urlaub hatte es in sich, so wie ich das sehe. Nicht nur, dass du Zeldas Vater und Shiek kennen gelernt hast, du hast einfach mal so einen Abstecher in das Götterreich gemacht. Ist dir eigentlich klar, dass ich bisher noch von keinem Heroen in Hyrules Geschichte gelesen habe, der das erreicht hat?“ Da war so viel Bewunderung in ihren Worten, das es Link warm ums Herz wurde. „Ich hoffe du begreifst, dass du stärker bist als du ahnst.“ Er lächelte dankbar, versuchte sich an dem Gedanken hochzuziehen. Impa schien genau zu spüren, dass er ein ganzes Arsenal an Zweifeln auf seinem Rücken herumschleppte. „Du hast es verdient die nächsten Tage mal ein wenig die Beine hochzulegen“, sprach sie. „Apropos… Link, es gibt da noch etwas um dass ich dich dringend bitten muss.“ „Und das wäre?“ „Ich bin heute Abend und Morgen verhindert. Könntest du Zelda nicht mit zu dir nehmen? Sie würde sich freuen, denke ich zumindest.“ „Klar!“ Seine Worte erklangen mit mehr Freude und Euphorie, als er es beabsichtigt hatte. „Es ist mir lieber, wenn sie nicht alleine ist. Aber ich sehe schon, dass es dir gut in den Kram passt, was?“ Sie lachte schelmisch. „Vielleicht tut es euch beiden gut ein wenig abzuschalten.“ Link freute sich riesig, fast wie ein kleines Kind und versteckte diesen Ausdruck auch nicht. Er sprang einmal jubelnd in die Höhe und lachte. Es war lange her, dass Zelda bei ihnen eingeladen war und es war lange her, dass sie etwas Zeit miteinander verbringen konnten und irgendwie… brauchte der junge Held das jetzt. Er wollte wissen, dass sie hier war, dass sie lebte… und vielleicht war auch die Gelegenheit für mehr… Dann erinnerte sich Link an seine Reisetasche, die noch irgendwo im Flur stand. „In der Reisetasche, die ich mitgebracht habe, sind einige Waffen für Zelda… für den Notfall. Leon meinte, ich solle vorsorgen.“ „Das ist brillant. Du denkst aber auch an alles.“ Impa hätte Link umarmen können, so überwältigt war sie von den Gedanken, die er sich um Zelda machte. „Also gut, vielleicht siehst du mal nach Zelda.“ Impa zwinkerte kurz und schupste ihn energisch aus der Stube in Richtung Treppe. „Na, los doch.“ Dann drängte sie Link die ersten Treppen nach oben. „Ich geh’ ja schon“, quengelte er, nicht sicher, warum Impa so sehr darauf drängte. Link kratzte sich an einer Augenbraue bei dem Gedanken, dass die Direktorin schon immer wollte, dass Zelda und er Zeit miteinander verbrachten. Steckte da tatsächlich nur der Gedanke dahinter, dass Zelda und er Freunde waren? Mit einem roten Kopf versuchte er die Idee wegzuschieben, dass die einstige Hofdame ihn und seine Prinzessin verkuppeln wollte… Zum zweiten Mal ging Link heute ins erste Stockwerk und stand unsicher vor Zeldas Zimmer. Er fragte sich, ob es richtig wäre, sie jetzt einfach so zu stören, wo sie vielleicht alleine sein wollte. Link hob eine Hand und wollte klopfen, unterließ es aber. Stattdessen lehnte er sich an die Tür, stirngerichtet, mit halb geöffneten Augen, die sanft schillerten und wartete. „Sie soll nicht mehr traurig sein… und endlich vergessen…“, sprach er sinnierend und doch schien sich diese Hoffnung in seinem Herzen nicht zu erfüllen. Er wünschte es sich für sie, wünschte sich, sie könnte die Vergangenheit endlich loslassen, sie selbst sein, aber Link spürte auch, dass seine Prinzessin noch nicht dazu bereit war. Ihr Herz hing noch immer in dem verblassten, toten Hyrule… und dieser Gedanke tat selbst ihm weh. Er hatte Angst um sie, sein heimliches Licht, seine Prinzessin. Denn eines Tages würde sich bemerkbar machen, wie sehr die Angst, der Gram, der Hass von damals an ihren Kräften zehrte. Sie versuchte stark zu sein, das wusste Link. Aber es war einfach nicht genug… Zarte Harfenklänge spielten ein Lied so voller Sehnsucht und Melancholie. Zelda spielte, sie spielte die gleiche Melodie wie Leon auf seinem Klavier zu spielen vermochte und doch klang jene Melodie von ihren sanften Händen, auf ihrem Instrument gespielt, noch trauriger. Link ließ sich nachdenklich zu Boden sinken und stützte mit einem Gesicht wie zehn Tage Regenwetter seinen Kopf in die Hände. Dann sprang er wieder auf. Er klopfte. Keine Reaktion. Er klopfte erneut. Dann sagte er einfühlsam ihren Namen, mehrmals und bittend. Er sagte ihren Namen noch einmal, diesmal mit mehr Nachdruck. Doch sie reagierte nicht. ,Zum Teufel damit!‘, murrte der junge Mann in Gedanken und hielt es nicht länger aus. Er legte seine linke Hand auf den Türengriff und öffnete. Er trat in das saubere, mit weißen und warmen Farben ausgestattete Zimmer ein und schloss soeben die Tür. Seine Prinzessin stand auf ihrem Balkon und schaute abwesend hinaus in den Himmel. Link überlegte krampfhaft, was er sagen sollte, aber jeden Gedanken hielt er für stumpfsinnig. ,Ach Zelda’, wollte von seinen Lippen entkommen, aber er unterband es. Er lief ebenso auf den Balkon und stellte sich direkt neben sie. Auch er schaute nachdenklich hinaus zu dem Horizont, wo einige graue Wolken vorbeizogen. „Hey… woran denkst du“, sagte er leise, aber er erwartete keine Antwort. „Eigentlich an nichts.“ „Das stimmt nur leider nicht“, murmelte er. Prüfend blickte er sie seitwärts an und sah nichts anderes als Kummer in ihren kristallblauen Augen. Zelda hatte einen traurigen Ausdruck auf ihrem Gesicht, der Link beunruhigte. „Hast du deine Sachen schon gepackt?“ „Wofür?“ Sie drehte sich zu ihm und verstand nicht. „Hat Ines dir denn noch nichts gesagt?“ Link erkannte die Ratlosigkeit an Zeldas Miene. „Sie wird morgen nicht da sein und bat mich dich einzuladen. Natürlich nur, wenn du willst.“ Und mit einem Schlag verschwand ein Teil ihrer Kümmernis. „Gerne. Wollen wir gleich los?“ Sie hastete davon und wollte eigentlich ihre Sachen packen, aber Link nahm sie an ihrer rechten Hand und murmelte bestimmend: „Zelda?“ „Ja, was ist denn?“ „Du brauchst in meiner Gegenwart nicht zu schauspielern.“ Sie antwortete nicht und blickte an ihm vorbei. Ja, er spürte deutlich, dass sie darauf nicht antworten wollte. Link suchte dennoch nach Hinweisen in Zeldas kristallblauen Augen, er suchte nach etwas in ihrem Blick, was er unbedingt finden wollte, aber sich nicht sicher war, ob es da war. Er wollte unbedingt in Erfahrung bringen, ob sie vor einigen Wochen denselben Traum von Nähe, Innigkeit und diesem Kuss hatte, aber er getraute sich nicht zu fragen. Zelda verstand und murmelte leise: „Ich bin eben trotzdem ein kleiner Jammerlappen. Vergessen ist kaum möglich.“ Und dies war dem heldenhaften Jugendlichen Antwort genug… Kapitel 37: Ganondorfs Plan --------------------------- Nach einem einfachen Tschüss zu Impa traten die beiden hylianischen Seelen aus der Haustür heraus und liefen in Richtung der leerwerdenden Stadt. Wenige Menschen hetzten zerstreut über das Pflastergestein, einige mit ihren letzten Einkäufen unter den Armen. Mit Schwermut in den himmelblauen Augen ließ sich die einstige Prinzessin eines untergegangenen Reiches von den Blicken ihres besten Freundes ein wenig auffangen. Er nickte bloß, auch wenn er sich nicht sicher war, wofür sie gerade eine Geste brauchte… „Es hat sich wohl in den drei Wochen gar nichts verändert, was“, meinte Link um sie in ein Gespräch zu verwickeln, als sie am Marktplatz vorbeigingen. „Nein… aber ich habe das schreckliche Gefühl, es wird sich bald einiges ändern. Nicht nur in unserer Kleinstadt, sondern auf der ganzen Welt“, meinte Zelda leise. Der junge Held spürte, dass sie zweifelte, an dem, was sie hier taten, an diesem Leben und dem, was noch geschehen könnte. Sie bemühten sich beide ein völlig normales Leben zu führen, bemühten sich, nicht zu oft über Hyrule oder Ganondorf zu reden, aber sollten sie nicht Vorkehrungen treffen? Waren sie beide nicht verpflichtet gerade jetzt gegen die Machenschaften eines alten Dämons zu tun? Link wusste, dass es nicht fair war, was immer auch bald geschehen würde… nur… War es dann nicht okay, gerade weil sie gegen Ganondorf kämpfen mussten, sich ein paar gemeinsame Stunden zu gönnen? Inzwischen war es draußen wahrhaft düster geworden. Das brennende, erdrückende Sonnenlicht am Himmel malte die Farben eines riesigen Meeres aus Feuer und dreckig gelbem Licht. Und zwischendrin zogen bleifarbene Gewitterwolken auf. Auf dem sonst so menschenüberfüllten Markplatz herrschte Totenstille, aber der Wind wehte heftiger als noch vor einigen Minuten. Die ersten bunten Herbstblätter fielen von den kahlwerdenden Bäumen. Nostalgisch blickte Zelda in die näherkommenden Gewitterwolken. ,Es war wie damals‘, dachte sie. Sie hatte es im Gefühl, spürte es mit jeder Faser ihres Körpers. Sehr bald würde sich der Himmel blutrot färben, dann, wenn rotglühende Teufelsaugen am Himmel standen. Die Nachrichten, die Unglücke auf der ganzen Welt, waren Vorboten für die Dinge, die sich ereignen würden. Böses würde die Welt überziehen. Böses würde suchen, was es begehrt und sein Drang nach Macht konnte nicht gestillt werden. Böses, wie es kein Mensch kennt, wollte sie alle zu Untertanen machen… Und wer sollte es verhindern? Es gab kaum Propheten für schicksalhafte Ereignisse in einer Welt, die mit dem Bösen aus vergangenen Epochen und vergessener Welten zusammenhingen. Sie konnte sich nicht vor die Menschen dieser Welt stellen, erzählen, dass sie die Prinzessin des Schicksals sei und hoffen, dass man ihr glauben und Ganondorf mit modernen Waffen vernichtete… wie auch? Die modernen Waffen einer fortschrittlichen Welt konnten gegen einen in schwarzer Magie bewanderten Hexer kaum etwas ausrichten… Damals war es auf eine übertriebene Weise einfach einen Plan zu haben, den Großmeister des Bösen mit Magie und der Kraft der Weisen zu bannen und ihn in der alternativen Zeit zu exekutieren. Aber hier in dieser Welt, hier, wo alles neu war, hatte die Prinzessin des Schicksals schlichtweg keine Möglichkeiten ihre Kräfte der Vorsehung spielen zu lassen. Sie hatte keine Träume, die ihr den Weg wiesen. Sie hatte keinen Plan davon diese Welt zu retten… und weder die Weisen noch Link wussten, was in den nächsten Wochen auf der Welt passierte… „Zelda… du weißt, ich will dich nicht drängen, aber es ist langsam an der Zeit, dass ich einige Dinge erfahre. Leon Johnson, dein Vater, hat mir schon einiges berichtet, aber trotz allem sehr zögerlich“, sprach er leise und verständnisvoll. Dennoch riss er sie damit aus ihren Gedanken und überforderte sie. „Ich muss endlich wissen, was damals war, genaue Zusammenhänge, wie wir in diese Welt geboren werden konnten, was Ganondorf angeht, und was mit… dir… und… mir…“ Link brach ab und schnaubte, biss sich auf seine Lippen und schloss die schönen Heldenaugen. Und da wusste auch Zelda anhand seiner Mimik und der aufkommenden Verlegenheit, dass er von ihnen beiden sprach. Es war sicherlich nicht fair ihm so wichtige Dinge aus der Vergangenheit vorzuenthalten, aber sie wusste nicht, wie der jetzige Link, der auf der Erde aufgewachsen war und keine Erinnerungen an Hyrule in seinem Herzen trug, auf ihre schweren Worte reagieren würde. Eigentlich hatte sie gehofft, sie könnte es ihm ersparen, denn die Vergangenheit war grausam genug für sie beide gewesen… da waren so viele Fehler passiert… und es waren fiese Worte gefallen… Zelda warf ihrem Helden einen leicht flehenden Gesichtsausdruck zu und ihre Augen wurden gläsern. Sie drückte ihre Hände auf die Brust und murmelte benommen: „Ich… ich werde es dir erzählen“, meinte sie und musste sich halb verkrampfen um die Worte herauszubringen, vor allem, weil sie es sich selbst einreden musste. „Ich… vielleicht heute Abend…“, sprach sie nervös. Link nickte dankbar. Sie überquerten den Marktplatz trübsinnig, als der grünbemützte Heroe bemerkte, dass sie von jemandem verfolgt wurden. Noch ehe er es realisierte, hatte er Zelda an ihrem rechten Handgelenk gepackt, forderte sie unbewusst auf, sich in seiner Nähe aufzuhalten. Wenn alles in der Welt verloren war, wollte er zumindest nicht bereuen müssen in dem einen zu versagen, was er sich fest geschworen hatte. Er wollte das Mädchen aus seinen Erinnerungen beschützen… mit allen Mitteln, die dazu notwendig waren. Ein Schatten kam aus einer kleinen Seitengasse näher, dunkel gekleidet. Ein kleines Glühen verriet, dass er eine Zigarette in seinem Mund hatte. Das vertraute, schmale Gesicht Prestons gab sich preis, ein langgezogenes Gesicht wie ein Esel. „Hi, Schätzchen“, sagte er und ging unverblümt auf das Heldenpaar zu. „Ich hab‘ dich schon vermisst, seit Tagen versteckst du dich in deiner feinen Villa“, eiferte er und heftete seine Augen auf die brünette Schönheit. Zelda verkrampfte ihre Hände, aber ließ sich zu keinem bissigen Kommentar hinreißen. „Preston, du machst dir falsche Hoffnungen, ich will nichts mit dir zu tun haben“, sprach sie sachlich, aber der schwarzhaarige Bursche grinste auf diese Worte. Er trat noch einige Schritte weiter in Zeldas Richtung, sog genüsslich an seinem Glimmstängel und leckte sich über seine Lippen. Schließlich war er der Prinzessin etwas zu nah, keine dreißig Zentimeter trennten sein Gesicht von ihrem, er war so nah, dass es Link zu viel wurde. Er fühlte sein Blut wallen und mischte sich aufbrausend ein: „Halte dich von ihr fern“, drohte er und stellte sich vor den schwarzhaarigen Schüler, der genüsslich an seiner Zigarette zog, sich durch das geölte, schwarze Haar strich. „Brauchst du noch eine Tracht Prügel?“ „Noch eine Tracht Prügel?“, meinte die Prinzessin verwundert und blickte ihren Helden nervös in die Augen. „Ja, dein feiner, blonder Schönling hat mir vorhin auf üble Weise klar gemacht, dass ich nicht auf deinem Grundstück herum laufen darf“, lachte er. „Und es war notwendig!“, murrte Link und trat weiterhin schützend vor seiner Prinzessin. Preston wich feixend zurück, nahm sich ein ungewöhnliches, taschenmesserartiges Feuerzeug und spielte damit. Mit einem Schnappen ließ er immer wieder Funken sprühen. „Nun hab‘ doch nicht gleich so eine miese Laune“, meinte er schleimend. „Wir wollen doch das hübsche Gesicht von Zelda nicht verärgern. Es ist ohnehin schlechtes Wetter, um hier herumzulaufen. Du gestattest, Link, ich werde Zelda nach Hause bringen“, sagte er und war sich seiner Sache sicher. Er fasste das anmutige Gesicht der Brünetten mit seinem schmierigen Grinsen ins Auge. „Wir wissen beide, dass du mich scharf findest, und ich hätte Lust mich zu amüsieren, Schätzchen.“ Zelda sah ihn mit einem Blick an, den Link bei ihr noch nie gesehen hatte. Ihre Augen wirkten wie die einer gefährlichen Wildkatze, die gleich angreifen würde. Der junge Held konnte ihre Wut fühlen, so gewaltig war deren Anflug. Genervt packte Link seine Zelda am Arm und schob sie vorwärts. Er wollte sich nicht erneut auf eine lächerliche Prügelei einlassen. „Komm’, wir haben keine Zeit für so ein krankes Hirn. Lass’ uns gehen“, sprach er angewidert. Zelda nickte zustimmend und sie wanden dem dunkelhaarigen Metal-Fan beide ihre Rücken zu und marschierten vorwärts. „Du bist einfach eine geile Schnecke, Zelda!“, murrte Preston, zerdrückte seine Zigarette und warf sie zu Boden. Er war sichtlich unzufrieden und verzog sein Gesicht. Er würde sich nicht so einfach abstempeln und ignorieren lassen. „Wie oft magst du dich unter deiner Dusche befummeln und an mich denken! Und nun stellst du dich an wie eine eitle, unerfahrene Klosterschülerin?“ Link biss sich bloß auf die Lippen und versuchte Prestons Kommentar als ein sehr geschmackloses Produkt seines armseligen Verstandes zu interpretieren, und blickte ein wenig beschämt zu seiner Prinzessin. Und Zelda hatte einen roten Kopf bekommen, den er bei ihr noch nie gesehen hatte. Ein neuer Zorn erstarkte in den feinen Gesichtszügen. Und noch ehe Link sie daran hindern konnte wie eine Furie in Prestons Richtung zu stürmen, war es bereits geschehen. Sie wollte ihm zunächst eine Ohrfeige verpassen, aber Preston fing ihre Hand spielerisch ab und grinste. „Jetzt hab‘ ich dich, wo ich dich haben will!“, lachte er und zog die Königstochter an sich heran. Aber so, wie er sich unanständige Angelegenheiten zwischen ihm und ihr herbeisehnte, so unwirklich war auch die Tatsache, dass Zelda sich nicht wehren würde. Er wusste ja nicht, wen er vor sich hatte und ahnte nicht, dass sie einst von einer Dame im Nahkampf ausgebildet wurde, die Ninjakampftechniken besaß. Mitleidlos und alles andere als harmlos riss sich Zelda flink aus seinem Zugriff, verpasste dem wollüstigen Schüler eine krachende Ohrfeige und schließlich einen kräftigen Tritt in seine Magengegend. „Deine schmutzigen Kommentare kannst du verdammt nochmal stecken lassen. Und hör‘ endlich auf mich anzubackern, du Mistkerl!“ Sie kochte nun vor respektwürdigem Wut und Link, im Übrigen geschockt, da er nicht wusste, wie gut sie sich selbst verteidigen konnte, hatte das Gefühl, es würde sofort ein Unglück geschehen. Preston ließ sich auf seine Knie sinken und krümmte sich vor Schmerzen. „Wenn du es noch einmal wagst, mich anzufassen, verpass’ ich dir noch einen Tritt an andere Stellen, die wesentlich empfindlicher sind, du dreckiger, verlauster und sexbesessener Schwachkopf.“ Link schluckte nur und hätte nicht damit gerechnet, dass seine wohlerzogene Prinzessin sich getraute derartige Wörter in den Mund zu nehmen. Dass sie es schaffte das Wort ,sexbesessen‘ zu verwenden, erstaunte ihn gerade immens… Sie schenkte ihrem wahren Helden ein aussagekräftiges Lächeln, das er erwiderte, und trat zufrieden zu ihm heran. „Dem hast du wirklich Saures gegeben…“, meinte er nervös und war gleichzeitig begeistert, dass sie sich nicht einschüchtern ließ. Andererseits, so dachte der Grünbemützte, würde sich eine Prinzessin, die einst das Böse Hyrule verwüsten sehen hatte, wohl kaum das Wort verbieten lassen. Link wusste, dass sie eine Kämpferin war und das mochte er sehr an ihr… Gemeinsam liefen sie weiter, achteten nicht mehr auf den schwarzhaarigen Burschen, der gedemütigt dreinsah, brüllte und sich nicht einschüchtern lassen wollte. Wackelnd kam er auf die Beine, stolperte hinter den beiden Auserwählten her und hatte plötzlich einen scharfen Dolch in der Hand. Preston dachte nicht mehr nach, war erfüllt von einem wütenden Gedanken, der ihn alles tun lassen würde, nur um seine Bedürfnisse zu erfüllen. Da schlug die Ausgeburt eines Hasses in seiner Brust, eine menschliche und verderbenbringende Teufelei, die er immer versuchte hatte zu verbergen. Zeldas Worte waren wie ein Funke, der die Feuer seiner Grausamkeit entzündet hatte. Mit einem Schrei rannte Preston näher, hatte den scharfen Dolch gezückt und näherte sich dem jungen Helden, der sich genau wie Zelda in jenem Moment um seine Achse drehte. Noch ehe er begriff, dass Preston ihn mit der Waffe attackieren wollte, streckte seine starke und eigenwillige Zelda ihre rechte Hand in Prestons Richtung, murmelte wenige unverständliche Worte über ihre tiefroten Lippen und plötzlich summte der Wind eine schräge Melodie. Die wenigen Laubblätter in Zeldas Nähe wurden tosend aufgewirbelt, ein Plastikbeutel in Stücke gerissen und ein gewaltvoller Wind brauste über sie beide hernieder, und eine unsichtbare magische Kraft wurde frei. Ein gewaltvoller Energiestoß traf den schreienden Preston, zersplitterte den Dolch in seiner Hand in Tausende Stücke und erteilte dem Draufgänger eine Lektion, die er sein Leben niemals mehr vergessen würde. Die Wucht der Attacke traf Preston mit einem gewaltigen Krachen. Er wurde meterweit nach hinten geschleudert und blieb zunächst reglos am Boden liegen. Das blonde Mädchen sackte benommen auf ihre Knie und schnappte Luft. Erst dann schien sie zur Besinnung zu kommen, realisierte, was sie gerade getan hatte. Ihre schönen, himmelblauen Augen waren voller Panik und Schock und sie presste die Hände auf die Lippen. „Nein… ich habe… Nayru…“, brachte sie durcheinander über ihre Lippen. Die Wut in ihrem Innern hatte sie gänzlich unter eine fremde Kontrolle gebracht, hatte sie ausrasten lassen und sie hätte beinahe getötet. Fassungslos starrte sie auf ihre Hände und schließlich zu dem sich krümmenden und winselnden Preston. Er stöhnte vor Schmerzen und hielt sich den Magen, schaute angstverzerrt in Zeldas Augen und zuckte nervös mit seinen Gesichtsmuskeln. Er richtete sich auf und hatte das erste Mal einen ehrlichen Ausdruck von brechender Menschlichkeit in den rabenschwarzen Seelenspiegeln. Er humpelte, öffnete seinen blassen Mund um noch etwas zu sagen und starrte der Prinzessin reumütig in die Augen. Er sah aus, als wollte er sich nun doch für seine fiesen Worte entschuldigen, aber lief zögerlich in eine Seitengasse. „Heilige… Nayru… ich habe…“, stammelte Zelda und starrte weiterhin auf ihre Hände. Vielleicht war sie noch entsetzter als Preston, dass sie magische Attacken einsetzen konnte. „Ich wollte ihm nicht weh tun… was hab’ ich nur getan… wie konnte ich…“ Link half ihr auf die Beine und hielt sie an beiden Armen fest. Er nahm sie an der Hand und meinte leise, als er ihre Hand zu seinem Gesicht führte. „Es ist okay. Du hast ihn nicht ernsthaft verletzt, Zelda, und außerdem, hat er nicht das Recht gehabt, dich zu berühren… Hab’ ich denn das Recht dazu?“ Er wollte sie lediglich beruhigen, streichelte ihre rechte Hand und führte diese zu seinem Mund. Er gab ihr einen unschuldigen Kuss, war verzaubert von der Sanftheit ihrer Haut, sodass er das Ereignis von gerade eben beinahe vergaß. „Das… du…“, stammelte sie und lächelte verlegen. „Ich…“ Er bemerkte ihre Nervosität und ließ sie los. Er steckte die Hände in die Hosentaschen und blickte seitwärts. „Link…“, murmelte sie und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Sie war rot um die Wangenknochen, aber nickte dann. „Ja… das hast du.“ Er fühlte sich irgendwie erleichtert und lächelte durcheinander. „Ähm… nun ja… aber was anderes. Was genau hast du eigentlich gerade getan?“ Er schaute zweifelnd zu den Fenstern der Häuser. „Du hast Preston eine Lektion erteilt, die sich gewaschen hat und das mit… äh Magie?“ Er war sich nicht sicher, ob er es so nennen sollte. „Ich hoffe, dass niemand gesehen hat, über welche magischen Waffen du verfügst“, setzte er hinzu. Er umfasst ihr rechtes Handgelenk fest und bog schleunigst mit ihr in eine kleine, abgelegene Straße ab. „Das war wirklich Magie, oder?“, sprach Link leise, aber konnte es immer noch nicht glauben. Bedeutete dies, wenn Zelda solche Attacken beherrschte, dass das, was er in den Kämpfen bisher angewendet hatte, ebenfalls Magie war? Er erinnerte sich kurz an den Kampf gegen Molly, den feuer- und eisspeienden Drache in Irland, und auch an die Wölfe, bei beiden Gegnern hatte der Held einige seltsame Magieangriffe gestartet. Zelda nickte und setzte ihre Rechte ans Kinn. „Es ist verwunderlich, aber ja… es ist genau die Magie, die ich damals in Hyrule beherrscht habe…“ Sie blickte trübsinnig zu Boden und vielleicht fühlte sich diese Erinnerung zu bitter an. „Aber wie kommt es, dass du solche Magieattacken hier auf der Erde beherrscht?“, sprach Link um sie sofort abzulenken. Was brachte es ihr erneut an ihr verlorenes Land zu denken? „Ich habe keine Ahnung. Ein Überbleibsel aus Hyrule? Was anderes kommt mir nicht in den Sinn“, erklärte sie. „Ein Überbleibsel… War das denn nicht das erste Mal, das dir derartiges passiert ist?“ Zelda blieb stehen und schaute erneut in den wolkenverhangenen Himmel. „Ich habe schon einige Male zuvor, diese Energie gespürt, jene Macht, die damals das Triforcefragment der Weisheit mit sich brachte. Aber ich besitze in dieser Welt kein Abzeichen der drei Göttinnen mehr. Das kann einfach nicht sein.“ Sie wand sich um ihre eigene Achse und versuchte alles zu leugnen, was mit Hyrule und ihrem damaligen Ich in Verbindung stehen könnte. Und noch etwas füllte ihre Gedanken. Sie war bereits seit einer Weile hier auf der Erde und hatte bisher diese Kräfte nicht aktiviert. Musste erst Link in Gefahr sein, dass sie dies erreichte? Link legte beide Hände auf ihre Schultern und drückte ihre Haut ganz vorsichtig: „Ich will dir nichts vormachen. Mir geht es ähnlich… Bitte rede mit mir darüber, Zelda.“ Sie nickte schwach, aber er konnte ihren Widerwillen spüren. „Was hast du gespürt… und wann?“, meinte sie dann und trat mit ihm weiter. „Es gab verschiedene Situationen“, erklärte er und fixierte mit leichter Beunruhigung die sich nähernden und immer finsterer werdenden Gewitterwolken. „In den ersten Tagen in Irland wurde ich von Wölfen attackiert…“ „Darüber hast du noch nichts erzählt“, entgegnete sie entsetzt. Der scharfe, gereizte Ton in Zeldas Stimme war neu und untypisch für sie. „Weil ich dich damit nicht belasten wollte…“, rechtfertigte er sich und schaute zu seinen Füßen. „Aber warum…“, sprach sie streng und als er aufblickte, sah er den merkwürdigen Schatten erneut über dem sanften Blau ihrer saphirblauen Augen. „Glaubst du, ich halte das nicht aus?“ Sie wirkte verletzt und argumentierte mit ihm auf eine Weise, die er so nicht von ihr kannte. Und die leichte Aggressivität in ihre Stimme fühlte sich betäubend für ihn an. „Zelda, ich bitte dich… warum ist das jetzt ein Problem?“ „Es ist kein Problem“, beschwichtigte sie und versuchte sich zu beruhigen. Sie verkrampfte ihre Hände und da ahnte Link, dass es dennoch ein Problem gab… Etwas, was er so nicht lösen konnte, worüber Zelda vielleicht niemals reden würde. Sie war wahnsinnig besorgt um ihn, warum sonst sollte sie magische Kräfte einsetzen, wenn es um Links Sicherheit ging. „Entschuldige bitte“, sprach sie dumpf und bedeckte mit einer Hand ihre Augen. Der junge Heroe nahm sie an der Hand und erklärte wohlwollend. „Ich hab‘ es dir nicht mit Absicht verschwiegen… wir haben uns jetzt erst seit einigen Stunden wiedergesehen, ich habe schlichtweg nicht daran gedacht, okay?“ Er lächelte ein wenig verschmitzt und wollte sie aufheitern. Sie nickte betreten. „Es war in den ersten Tagen meines Irlandaufenthalts, als ein Rudel von dämonischen Wölfen attackiert hat. Es war eine Situation, die ich im Endeffekt gut meistern konnte“, und ein leichter Stolz über den gewonnenen Kampf legte sich in sein Gesicht. „Ich wurde an der Schulter erwischt und bin in dem Moment irgendwie neben mir gestanden…“ „Du wurdest an der Schulter erwischt?“, unterbrach sie verdutzt. Und da fiel es auch Link ein. Ihrer beider Verbindung ging vermutlich noch tiefer als sie beide dachten. Denn Zelda hatte genau in jener Nacht, als er angegriffen wurde, einen Traum, in welchem sie von Wölfen attackiert und an der Schulter verletzt wurde. „Ich weiß, was dir durch den Kopf geht…“, sprach er sanft, wonach sie überrascht aufsah. „Ich weiß jedoch nicht… was ich von deinem Traum halten soll…“, murmelte er und verriet sich ohne nachzudenken. „Impa hat es dir erzählt, nicht wahr?“, murmelte sie und versuchte nicht erneut gereizt zu reagieren. Er nickte bloß. „Ich weiß auch nicht, was das bedeutet… aber… Es ist nicht schlimm, Zelda, vielleicht verstehen wir uns einfach so gut“, entgegnete er. „Vielleicht ist es so etwas wie Empathie…“ Sie nickte widerwillig, obwohl ihr dieser Gedanke alles andere als logisch erschien. Sie ahnte, dass es an dem Band lag, mit dem die Kinder des Schicksals auf ewig verbunden sein würden. „Jedenfalls… als ich den Wolf vernichtete, ist er wie eine Bombe in die Luft geflogen… und ich habe eine gigantische Macht gespürt…“ Zelda blickte ihn sanft an. „Das klingt nach Dins Magie…“ „Dins Magie?“ Ungläubig musterte Link seine Seelenverwandte. „Das ist ja genial…“ Zelda lächelte verschmitzt und folgte ihm dem Weg durch den Park. Einige Jugendliche hielten sich dort noch auf und räumten ihre Decken, Radios und andere Gegenstände weg, da es vermutlich binnen Sekunden regnen würde. „Aber wie sollst du an diese Macht gekommen sein?“ „Sian, also Shiek, erzählte mir, das die alten Mächte, sprich das Triforce, auf irgendeine Art und Weise einen Einfluss auf uns beide haben könnten.“ „Das ist interessant, außerordentlich interessant.“ Zelda schmunzelte. „Ich bin froh, dass ich mich auf diese Art und Weise selbst verteidigen kann.“ „Ich auch.“ Link müsste sich somit nicht ständig Sorgen um sie machen. Dieses Mädchen war stärker, als er geglaubt hatte. Und selbst wenn sie keine magischen Fertigkeiten besäße, mit Fäusten konnte sie sich auch gut selbst beschützen. Das war seine Zelda… Link schenkte ihr ein vielsagendes Grinsen und sie rannten schließlich in Richtung seines Elternhauses, um den ersten Regentropfen zu entgehen. Im hämmernden Rhythmus des Regens, der aufschreckend und gewaltvoll auf das baufällige Kirchdach peitschte, sang die Orgel der Finsternis ihr Lied, bohrte sich mit verführerisch wahnsinnigen Lauten in die Köpfe der wenigen Menschen, die sich hier in dem von Dunkelheit umwanderten Gotteshaus zur Anbetung ihres Glaubens versammelt hatten. Wie eine Wiedergeburt von Magie und Aberglauben hauchte die Orgelmelodie grotesken Figuren und vergilbten Gemälden Leben ein, ließ eine Stimmung der Geister wachsen, hier in der Kirche Schicksalshorts, ließ einen unsichtbaren, manipulativen Faden, der feuriges Licht von Kerzen zum Flackern brachte weben, schickte die Menschen in einen Rausch bizarrer Trancezustände… Die Welt träumte in dem alten Steingemäuer, das schon viele Abschiede, Eheschließungen und Taufen bezeugt hatte… Wie ein Gott werkte der Herr dieser Zuflucht an seiner Orgel, erschuf tosende Melodien, die sich in Seelen festbrannten… Eine infernalische Abfolge von hohen und tiefen Tönen, dumpf und aufhetzend, brennend und schrill, erfüllte das steinerne, denkwürdige Bauwerk und sympathisierte mit dem herzlosen Regen… Leidenschaftlich bewegte sich der Fürst der Finsternis im pulsierenden Rhythmus seiner Melodie, missbrauchte die Orgel für sein Kunstwerk der Manipulation. Unter einer pechschwarzen, ledernen Kapuze schimmerte sein feuerrotes und doch mit wenigen weißen Strähnen durchzogenes Haar hervor, schimmerte wie flüssiges, rotes Wachs im schwachen Licht der fliehenden Kerzen. Er erhob sich, so riesig und kräftig wie er war, warf sein Antlitz einen majestätischen Schatten über das benutzte Instrument, verschlang es regelrecht. Die Arme in die Höhe gehoben, seiner Symphonie nachspürend, wand er sich in Richtung des Kirchengewölbes, wo sein monströser Schatten hohnartig auf die Gruppe von betenden Menschen fiel. Alle Menschen waren unscheinbar gekleidet, bis auf eine junge Dame, die mit einem kobaltblauen Regenmantel in der hintersten Reihe der Kirche saß, nicht sichtbar war für den Magier, der diese Menschen mit einem düsteren Ehrgeiz zu umhüllen suchte. Sie hielt ihren Kopf leicht nach vorne gebeugt, lugte jedoch mit neugierigen und sehr wissenden Blicken nach vorne. Auf ihren Lippen lagen unbestimmte Worte, leise flüsternd gingen jene in dem hallenden Gebäude unter. Sie sprach über ein Spy-Headset im Ohr mit einer Kontaktperson außerhalb dieses Gebäudes, beobachtete scharfsinnig die Szenerie und spürte mit Sinnen aus einem früheren Leben die Gefahr, spürte die hypnotische Schwingung in der Luft, die von dunkler Magie produziert wurde. „Warte noch, Dar…“, sprach sie mit einer Stimme, die wie stilles Wasser klang, beinahe geräuschlos. Es war Rutara von Wasserstein, die junge Frau, die in einer nahen Großstadt ihre Eisläuferkarriere durchzog und ab und an mit Ines Schattener, Naranda Leader, Richard Raunhold und Dar Gordon in Verbindung trat. Sie war diejenige, der es am ehesten gelingen konnte sich unauffällig zu geben, da sie mit ihrer jetzigen Reinkarnation keinen Hinweis auf ihre frühere Persönlichkeit bot. Sie war für den Fürsten des Schreckens nur ein einfacher Mensch, den er so wie die anderen Erdenbewohner unterschätzte. „Rutara, riskiere nicht zu viel… dein Schutzzauber wirkt nicht ewig“, raschelte es in ihrem Ohr. Sie ignorierte die besorgte Stimme des Arztes Dar Gordon, der gemeinsam mit der ehemaligen Schülerin von Ines Schattener hier einen Auftrag erledigen wollte. „Ich weiß… aber wir brauchen mehr Informationen“, flüsterte sie und beobachtete aufmerksam den Innenraum, versuchte auszuspähen, was hier vor sich ging. Seit einigen Wochen schmiedete die kleine Gruppe wissender Leute, die ihre Vergangenheit in Hyrule nicht vergessen hatten, Pläne, versuchte mit allen Mitteln Informationen über Ganondorf zu verschaffen, der diese Welt von seinem Standort in Schicksalshort sehr genau ausspionierte. Immer wieder hatte der geheime Bund um Ines schlimmere Dinge abgewendet, Dinge, von denen weder Link noch Zelda Notiz genommen hatten, und waren doch so unsichtbar geblieben, dass das Böse nichts von ihrer Existenz ahnte. Auch heute versuchten die ehemaligen Beschützer des Reiches Hyrule, das vor Tausenden von Jahren in die Schatten fiel, ihre Pflicht zu erfüllen, Informationen zu beschaffen und herauszufinden, welche Ziele Ganondorf sonst noch verfolgte. Und Rutara, wie sie hier in der eisigen Kirche spionierte, sich so sonderbar still und beeinflusst verhielt wie die anderen Besucher, beobachtete mit ihren übermenschlichen Sinnen; sie sagten ihr, dass sie noch ein wenig länger bleiben musste, dass sie mehr erfahren musste… Und ihr Gespür hatte nicht gelogen… Nur Sekunden später schlich eine weitere Gestalt aus einer verdeckten Seitentür, die vermutlich in die Krypta führte. Kein Anwesender nahm Notiz von ihm, als handelte es sich um einen verflüchtigenden Schatten, eine Kreatur, die zwischen den Welten segelte. Und keiner der Anwesenden, wo sie eingehüllt waren in ein Netz gewebt von den Melodien des Dunklen Lords, konnte reagieren. Gemächlich schleichend bewegte sich ein kräftiger Krieger, bekleidet mit einer mattsilbernen, mit schwarzem Leder gefütterten Rüstung, durch die Reihen. Sein Gesicht war entstellt, an einigen Kanten und Ecken hingen schuppige Hautfetzen, als fürchtete sich das Fleisch vor seiner wahren Natur. Ein purpurrotes Funkeln in rabenschwarzen Augen verriet die wahre grausame Natur des Mannes, begraben in der Finsternis glühte Mordlust und ein wahnsinniger Trieb der Vernichtung. In der Welt des Bösen gab es Tausende Soldaten, deren Verlangen sich daran stillte, Fleisch aufzuschlitzen… und Rutara von Wasserstein kannte dieses bestialische Glühen todgeweihter Augen, erlebte jenes in einer düsteren Vergangenheit, die ihr eigenes Kämpferherz geformt hatte. Er grinste, hob sein bleiches Haupt in die Höhe, sodass er seinem Meister huldigen konnte, wie er vor der Orgel thronte, seinem Diener auffordernde Handbewegungen sendete und in einem Spektakel winziger Blitze, die aus seinem Körper sprudelten, in der Luft zu schweben begann, unbegreiflich, und doch majestätisch. Sein Gelächter erfüllte das alte denkwürdige, einst so heilige Gotteshaus, zischte in die Ohren der hypnotisierten Menschen, vergewaltigte mit wenigen Lauten, zischend und tödlich. Und als trugen ihn die Windgeister ließ er sich in der großen Halle der Kirche nieder, landete leichtfüßig vor seinem Lakaien. Niemand reagierte auf den Einsatz seiner Magie. Keine Seele, die hier hauste, wunderte sich über die Macht des Fürsten… denn keiner der Menschen hatte noch Zugang zu Vernunft und Wissen. Niemand außer Rutara… Sie spürte das Fiebern ihrer beginnenden Angst in ihrem Blut, spürte die Auswirkung der knisternden Teleportationsblitze, die der Herrscher der Finsteren versprühte und sie versuchte sich so still und bedacht wie möglich zu verhalten. Ganondorf, wenn er sie erkennen könnte, würde nicht mit der Wimper zucken sie aufzuspießen. Sie tankte Kraft an ihrem Schutzschild und horchte als heimlicher Lauscher eine Konversation, die über den Fortgang der Welt entscheiden konnte… In einem Schwall dunkler Gelüste kniete der durchtrainierte Krieger vor seinem Herrn. Seine vernarbten Lippen hauchten rachedurstigen Wünschen Leben ein: „Der Held der alten Welt hat jeden Angriff in Irland von Euren Untertanen überstanden, vernichtete Eure Kreaturen wie Würmer, auf denen er herum getrampelt ist.“ Der Lakai erhob sich, funkelte mit bitterem Blick in die hasserfüllten seines Meisters. Beinahe unbeeindruckt schritt der Lord des Bösen vorwärts. Sein blutroter Mantel flatterte, als er mit seinen gepanzerten Stiefeln in Richtung Altar stapfte. Er schnalzte mit der Zunge, als er sprach: „Und was soll mir das sagen, Mortesk?“ „Er wird stärker, zu stark“, sprach jener beflissen. Ganondorf lachte herablassend. „Soll mir das sagen, du Narr, hast Angst vor einem halben Kind!“ Mortesk hatte sich niemals gegen das Wort seines Meisters behauptet, niemals, bis auf dieses eine Mal. „Ihr solltet Angst haben, Lord…“, sprach er vorsichtig. „Ihr habt ihn nicht erlebt. Innerhalb kürzester Zeit hat er sich eine Stärke angeeignet, die er nicht einmal in der wiedergewonnenen Zeit des einstigen Hyrule besessen hat.“ Nach wie vor stand der Herr der dunklen Kreaturen mit dem Rücken zu seinem Diener. „Und weiter?“ „Ich erinnere mich an die Zeit, bevor das alte Königreich verblasste, ich weiß es noch, denn ich trat gegen ihn an, als er sich unbewaffnet als das Schutzschild der Prinzessin behauptete. So unscheinbar wie einst, ist er in dieser Welt nicht…“ Mortesk schien nervös, als die Erinnerung an die Vergangenheit seine verrosteten Sinne streifte. Er war ein Dämon, der einst den Schwur der fleischlosen Gestalt einging. Er konnte nur sehr selten Gefühle wahrnehmen, weder angenehme, noch bösartige… seit Zarnas Tod aber war er von Hass und Rache zerfressen und erinnerte sich zudem an eine Zeit, die lange ausgelöscht war. Ganondorf seufzte und schien sich zu langweilen. Mortesks zweifelhafte Panik machte ihn mürbe. Er kratzte sich mit seinen reißzahnartigen Fingernägeln den Belag von den Zähnen und leckte sich über die Lippen. Wortlos balancierte er einen Kelch gefüllt mit Wein in seiner rechten Hand. Mortesks kratzte sich vor Nervosität am Hals und streifte unabsichtlich einige Hautfetzen ab. Er wusste, dass es Ganondorf nicht gefiel, wenn man seine Autorität mit unüberlegten Worten in Frage stellte. Vielleicht waren seine Zweifel unberechtigt… vielleicht hatte das Böse tatsächlich alles im Blick… „Was ist mein Ziel, Mortesk?“, sprach der wiedergeborene Dämon und Herr über das Dunkle mit Wahnwitz in seiner dissonanten, tiefen Stimme. „Einen Plan zu verwirklichen, der sich über Jahrtausende streckt…“, murmelte der Lakai benommen, ließ das Haupt etwas gebeugt hängen. „Und welche Rolle schreibst du in diesem Plan einem Menschen zu, der auf dieser armseligen Welt geboren wurde? Eine Welt, die sich selbst auffrisst an grausamen Bedürfnissen, an Machtgier und Hunger nach ungenügenden Dingen? Eine Welt, die jegliche Wahrheiten über den Kreislauf des Weltenstrudels, über das Wissen, das tief in dem Universum schlummert, vergessen ließ?“ Der alte Dämon drehte sich tanzend um seine Achse, sein rubinroter Umhang schwang wie feuriger Wind mit ihm. „Sie fressen sich gegenseitig auf“, rief er donnernd. Seine röhrende Stimme ließ das Kirchenschiff vibrieren. „Erbarmungslos verletzten sie einander, erschaffen sich eingebildete Ideale, gaukeln einander Respekt vor und beschmutzen sich immer wieder mit ihrem Drang der Selbstzerstörung versteckt hinter dem Wort Wirtschaftlichkeit!“ Mortesk trat wenige Schritte zurück, sank immer mehr in sich zusammen. Selbst die heimliche Beobachterin Rutara von Wasserstein spürte die Wogen des Bösen, die so gigantisch waren, als hätte sich Ganondorfs Hass auf das Gute über die Jahrtausende angestaut, hatte gekocht und war am Explodieren wie ein Vulkan. „Der Held der Erde ist ein Nichts! Geboren in dieses Elend wird er sich niemals an das wahre Gesicht des Mutes erinnern, ist befleckt und geschunden von einer einfältigen Welt, die sich auch ohne mein Zutun zerstört!“ „Verzeiht mir, Milord…“, und demütig warf sich der vergessene Skelettritter zu den Füßen seines Meisters. „Wie töricht war ich… nicht zu verstehen…“ Die Worte seines Lords schenkten ihm die Zuversicht den Heroen bezwingen zu können. Er brauchte die Worte seines Herrn wie eine Droge, nährte sich an diesen, spürte Lebendigkeit in diesen und den Trieb des Bösen. Ganondorf streckte seine rechte Hand nach seinem Diener aus, eine graue Hand, übersät mit Altersflecken, aber ein goldener Schein pulsierte dort, leuchtete legendär und erinnernd an eine Macht, die dem Sein entsprang. Mortesk schwere Lippen legten sich ehrerbietend auf die dargebotene Hand, bezeugte seine Unterwürfigkeit. „Und bedenke, Mortesk, die Seele der einzigen Hoffnung, die der Held über Jahrtausende begehrte, diese Seele ist nicht mehr an einen sterblichen Körper gebunden. Das Licht seiner Prinzessin ist erloschen. Das Menschsein kann ihm kaum bescheren, was Prinzessin Zelda ihm einst gab an Hoffnung und Bedeutsamkeit. Er kann niemals erstarken ohne sie… Ohne sie ist sein Gefäß leer und ohne sie kann er die alte Macht des Mutes nicht erforschen. Sein Herz muss zerfressen sein von dem Wunsch sie zu rächen… Zeldas Tod muss ihn gespalten haben und auch dies mag ihn hindern zu entfalten, was er braucht um mich zu bezwingen…“ Er schritt wie ein König in Richtung Altar und schaute mit kalten Augen zu den zwei leeren Flecken, wo einst schwarze Bilder hingen. Weder er noch seine Abgesandten hatten in Erfahrung bringen können, wo die beiden Relikte abgeblieben waren. Aber es war auch so, dass die beiden von ihm erschaffenen Gemälde, in welche heilige Macht eingesperrt war, nicht länger von Belang für ihn waren. Er hatte sie einst geformt aus verfluchtem Fleisch gefolterter Unsterblicher, einst in einer anderen Zeit und dann doch wieder erst vor wenigen Stunden… Zeit hatte in seinen Augen keine Bedeutung mehr. Zeit und Bewusstsein, Materie und Energie… er hatte alle Geheimnisse des Weltenstrudels für sich lüften können. „Verzeiht mir, Meister“, sprach Mortesk, erhob sich erneut und schaute ungeduldig zu den wenigen Menschen, die scheinbar in eisiger Starre gefangen schienen. „… dass ich zweifelte… der Held kann nicht erstarken durch die göttliche Prinzessin, aber heute beobachtete ich, wie er mit einem Mädchen durch den Park lief…“ Und jene Information ließ Rutara kurz zusammenzucken, hoffend, die beiden dunklen Wesen durchschauten diesen Irrsinn nicht. Wenn sie nur etwas genauer hinsahen, hätten sie Zelda schon lange erkannt, herausgefunden, dass sie noch lebte und würden alles daran setzen sie aufzuspüren und zu vernichten. Ganondorf lachte amüsiert: „Wenn der Held Augen für andere Frauen hat, so scheint Zelda für ihn nicht die Rolle zu spielen, die sie doch eigentlich sollte. Und dabei sollten die Kinder des Schicksals in den Kämpfen vereint sein, ein Band besitzen, das unsterblich ist, sich vielleicht sogar lieben… Nur aus Liebe schöpft das Gute Kraft und Mut… Wenn er dieses Band nicht erschaffen kann, nicht für Zelda, dann ist sie in dieser Welt so nebensächlich wie von Anfang an… Es kann kein Zufall sein, dass er nach ihrem Tod nichts Besseres zu tun hatte als nach Irland zu flüchten… Es scheint, als beginnt sich das Schicksal bereits zu verformen…“ Er erinnerte sich an viele seiner Schandtaten in der alten Welt, an die Grausamkeiten, die sein Gewissen ganz stetig, Stück für Stück verzehrt hatten, die ihn zu einem Wesen gemacht hatten, das Mitgefühl und Leid verachtete… Er hatte seine wahre Natur gespürt, schon als er sein Bewusstsein entwickelte, hatte diesen Dämon in sich gespürt, der die Welt verändern wollte, der die Welt besitzen wollte und ewiglich… wie einen alten Fluch fühlte er diesen Drang nach Rache… Gestillt hatte er seine Bedürfnisse, in dem er Seelen missbraucht hatte, Blut spritzen ließ, Köpfe rollen ließ. Reine Herzen löschte er aus mit diesem inneren Drang nach Entseelung, raubte Kräfte, wo er nur konnte. Er schlachtete Gegner ab wie Vieh, schändete sein Gewissen immer mehr und mehr… bis es ihn in den Abgrund trieb. Hylianer, Kokiris, Zoras, Goronen, er hatte sie alle auf dem Gewissen. Sogar Feen hatte er um ihre Kräfte beraubt und Götter gebrandmarkt! Selbst Götter! Göttliche Macht hatte er sich angeeignet und mit jener Zeit und Schicksal am Schopfe gepackt! Sein abartiges, krankes Gelächter schallte durch die Halle, bei den Erinnerungen an seinen Mordtrieb, die sich wie pures Vergnügen für ihn anfühlten. Alles, was er noch konnte, war sich in der verlorenen Grausamkeit seiner dämonischen Zustände zu wälzen, immer weiter zu machen, bis nichts mehr blühte, immer weiter zu vernichten, bis er seine Rache gestillt hatte… Und dafür hatte er einen weitreichenden Plan… „Mortesk, es wird Zeit für mich, so wie ich sie jetzt definieren kann. Zeit, dass ich mich in den Strudel zurückziehe, finde und begehre, verändere und lehre… Es gibt noch viele Geschehnisse zu beeinflussen…“, sprach er beflissen und summte mit seiner rauen, starken Stimme die Melodie, die er erst vorhin auf seine Orgel gehämmert hatte. „Und es ist bereits vollbracht, der Anfang wurde geschaffen, Welten verändert… irgendwo und irgendwann in einer Zeit und Welt werde ich den Heroen zerquetschen wie eine Fliege… einen letzten Heroen, sodass er nicht mehr wiederkehren kann…“ Rutara atmete fiebrig, als Ganondorfs letzte Worte fielen. Ihre Augen öffneten sich mit Entsetzen, ihre Sinne arbeiteten auf Hochtouren, und innerlich flammte in ihr der Wunsch diesen Ort auf der Stelle zu verlassen. Wenn die Wiedergeburt des Todbringers diese Worte mit Ehrlichkeit sprach, wenn diese Worte wahr wären, dann war er nicht mehr zu besiegen. Wenn es stimmte, dass er den Fluss der Welten, den Fluss der Zeiten, beeinflusste, dann könnte er an jedem beliebigen Ort Unheil säen, Umstände verändern und dafür sorgen, dass Legenden erst gar nicht entstanden. Sie zuckte verängstigt zusammen, verkrampfte sich und suchte Halt in dem Schutzzauber, der sie noch immer umgab. „Berichtet mir… mein Herr…“, sprach Mortesk zischend. „Berichtet mir, bevor Ihr geht!“ Der Meister des Bösen berührte mit seinen alten Händen das selbsterschaffene Gemälde, das nur er berühren konnte. Er hatte einige Untergebene geopfert bei dem Versuch es noch stärker zu machen und es genossen, das niemand sonst es anfassen konnte. Beinahe zärtlich streichelte er das mit Öl gemalte Material. „Was habt Ihr zuletzt getan?“, murmelte der Skelettritter neugierig. Erneut sank er auf die Knie und zeigte Unterwerfung. „Hast du jemals von den legendären Geschöpfen gehört, die gezeugt wurden von der beschützenden Göttin und dem Gott des Weißen Adlers…“, sprach der Fürst der Finsternis und spannte beide Hände zu Fäusten. „Den engelsgleichen Wesen atemberaubender Schönheit?“ „Aber ja, Milord“, und Mortesk erhob sich, schlich näher, schien innerlich vor Aufregung zu brodeln. „Emädras werden sie genannt, sollen magische Fertigkeiten besitzen, unsterblich sein und doch sehr schüchtern, beinahe scheu wie junge Vögel. Es heißt, es gibt nur siebenundsiebzig von ihnen…“ Ganondorf grunzte gehässig. „Nun, das ist nicht ganz richtig.“ Seine Mundwinkel bebten vor Freude. „Es gab einst siebenundsiebzig von ihnen… nun jedoch ist nur noch eine von ihnen übrig.“ „Aber, Herr…“ Mortesk verschluckte sich beinahe an seinen erstaunten Worten. „Ihr habt diese heiligen Wesen vernichtet?“ Ganondorf knackte mit den Gelenken, ließ seinen rubinroten Umhang flattern wie die Flügel eines Drachens und schien einmal mehr zu schweben. „Sie waren hinderlich für unsere Pläne, Mortesk… und so oft es die Chance gibt Gutes zu vernichten, sollten wir jene ergreifen. Und irgendwann… irgendwann werden alle Beschützer des Guten gefallen sein, selbst die Emädras. Und nicht ein Wesen des Weltenstrudels sieht die Gefahr… Sie alle haben absolut keine Vorstellung von meiner Macht!“ „Ihr glaubt die Beschützer dieser Welt haben nach wie vor keine Ahnung von Euren Plänen… und keine Ahnung von der Verseuchung“, bemerkte der Skelettritter vorsichtig, aber trat einige Schritte zurück. „Nein, natürlich nicht… Wie sollten sie auch?“ Erneut erhob er sich wie ein Gott, tanzte in der Luft und lachte markerschütternd. „Ich werde das Schicksal Hyrules Stück für Stück verändern… und es ist einfacher als ich dachte. Kein Held in diesen vielen Zeiten und Welten weiß etwas von meinen Absichten… Sie sind alle verwurzelt in ihren einfältigen Denkweisen, abhängig von ihren eigenen Kämpfen, sie können nicht über den Tellerrand ihrer eigenen Zeit und Welt hinausschauen… sie haben nicht die Chance so zu lernen wie ich!“ Und auf seiner rechten Hand, glühend und die Welt verändernd, funkelte ein legendäres, altes Stück beseeltes Gold, belehrte und erinnerte an Gesetze, die lange in Vergessenheit geraten waren. Es funkelte wie das schönste und traurigste Licht von Milliarden Geschichten, schimmerte durch Welten wie sterbende Sterne… „Bewach‘ dieses Gebäude mit so vielen Kreaturen der Nacht wie du es für notwendig hältst, und Mortesk, nutze die Energie dieser armseligen Gottesanbeter hier für den einen Tag, der das Ende sein wird… Wie nennen die Menschen dieses Glaubenssystems den Untergang der Welt?“ Lässig sank Ganondorf nieder, berührte noch einmal das magische Bildgefäß, bis sich dort in dem Gemälde eine Pforte zu öffnen schien. „Ihr meint den Tag des Jüngsten Gerichts?“ Ganondorf grunzte, aber schwieg auf die Aussage seines Lakaien. Menschliche Begriffe waren ihm letztlich doch nicht wichtig genug um sie zu erinnern. „Es gibt diese eine Welt, eine göttliche Welt, in der Menschen keine Sprache hören können, in der Menschen zermalmt werden wie junge Pflanzen unter Eisenstiefeln, in der Menschen aus den Ohren bluten und ihre Köpfe verrückt werden. Dort gibt es keinen Tag des Jüngsten Gerichts. Das heilige Götterreich, wo die Wälder silbern funkeln, der Himmel in allen Farben leuchtet und Städte aus Gold errichtet sind, besteht ewig.“ „Ist dies die Welt, in die Ihr eintauchen werdet, mein Lord?“ Ganondorf lachte. „Das Götterreich ist schon lange infiltriert, lange bevor es irgendein Gott ahnen konnte. Das ist nicht die Welt, nach der es mich verlangt. Wie auch immer, es wird Zeit eine neue Welt zu ergründen“, sprach er lachend. „Es wird mir die Nacht in der Ferne versüßen…“ Und dann, in einem magischen Wimpernschlag, wurde Ganondorf von dem Gemälde verschluckt, verschwand in eine ferne Zeit und Welt, versuchte im Erfüllen seiner grausamen Bedürfnisse alles zu verändern, was Hyrule einst zusammenhielt… Für mehrere Minuten schwieg Mortesk, der dunkle, kräftige Krieger richtete sein geschundenes Haupt in die Höhe. Seine Skelettritternatur war nun endgültig erkennbar, denn das Fleisch hatte sich fast vollständig von seinem Gesicht gelöst. Ein böses Verlangen brodelte in seinen dichten Augenhöhlen. „Lord Ganondorf… nach wie vor unterschätzt Ihr den Heroen des Schicksals… unterschätzt ihn so wie immer. Auch lange vergessene Dämonen haben Pläne und eine Überraschung für den Helden, der irgendwo in einem Zuhause hockt, sich damit vergnügt das Spiel seines Schicksals zu spielen und wenn er diesmal spielen wird, dann soll nichts mehr so sein wie vorher…“ Er schnippte mit den Fingern, ruhte wie eine Statue am Altar. Das dumpfe Licht in seinen Augenhöhlen flackerte. Und während er dort stand, voller Ruhe und Gelassenheit, richtete Rutara ihre Sinne auf die wenigen wehrlosen Menschen. Wie Batterien, denen der Saft abgezogen wurde, saßen sie auf den Holzbänken, wussten nichts von der Ausbeutung ihrer Lebenskraft und noch konnten die einstigen Wächter Hyrules jenen Menschen nicht helfen. Auch Mortesk entfernte sich, zog sich zurück in die Krypta und lachte gehässiger als sein Meister… Aber Rutara wusste, was sie mit den Informationen, die sie hier erhalten hatte, anfangen konnte. Sie sprach bestimmend zu Dar, während ihr Schutzzauber flackerte und sie wusste, dass sie sich von diesem Ort entfernen musste: „Wir brauchen eine Versammlung, und das rasch!“ Kapitel 38: Der Fluch eines Spiels ---------------------------------- Link und Zelda erreichten, mittlerweile stark durchnässt, das Haus der Braverys. Kichernd, da sie beide vom warmen Sommerregen durchgeweicht waren, rannten sie die vom Regen überflutete Straße hinab. Ausgelassen genossen sie das kühle Nass, fingen sich lachend und waren dankbar Zeit miteinander verbringen zu können. Schutzsuchend traten sie unter den Vorbau von Links Elternhaus und lächelten einander verschmitzt entgegen. Der junge Heroe triefte vor Wasser. Seine dunkelblonden Haare lagen klatschnass auf seinen Schultern. Das grüne ärmellose T-Shirt lag eng auf seiner Haut und betonte alle Muskeln, die er so verbissen trainiert hatte. Auch Zelda fühlte sich mittlerweile etwas unpässlich und verschränkte die Arme vor der Brust. Das weiße Top schien durch die Nässe durchsichtig geworden zu sein und ließ ihren rosafarbenen BH durchschimmern. Sie hoffte, Link beeilte sich etwas… Jener kramte nach seinem Haustürschlüssel und öffnete dann rasch die Tür, als sie ein wildes Kichern aus dem Gebäude vernehmen konnten. Link blickte seiner Prinzessin verdutzt entgegen und ließ Zelda in den dunklen Korridor treten. Beide erkannten sie die Stimmen als jene von Links Cousin Rick, seiner Schwester Sara, Maron und Mike, die sich allem Anschein nach in der Wohnstube befanden, Super-Smash-Brothers spielten und lautstark diskutierten. Etwas irritiert stolperte Link in Richtung Badezimmer und schleifte Zelda hinter sich her. Was machten die alle zusammen hier? ,Wollten sie Party machen‘, dachte er genervt. Er hatte eigentlich gehofft mit Zelda allein sein zu können… Schweigend traten die beiden ins Badezimmer ein. „Sieht so aus, als wären meine Eltern zusammen ausgeflogen“, meinte er und verriet mit einem Kopfschütteln wie wenig es ihm gerade Freude bereitete. „Du weißt ja, meine Eltern machen so etwas öfter… Sara hat wohl die anderen drei eingeladen.“ Link nahm aus einem hellbraunen Schrank ein grünes und ein blaues Badetuch und reichte Zelda eines davon. „Hier. Du bist ja total durchgeweicht. Brauchst du einen Fön für deine Haare?“ „Es geht. Danke.“ Als sie beide zusammen vor dem Spiegel standen, war da erneut eine seltsame Atmosphäre von Scham und unausgesprochenen Gefühlen. Der junge Held spürte Nervosität in sich hochkochen, als er Zelda dabei beobachtete, wie sie das blaue Handtuch sanft über ihr Gesicht und Dekolleté führte. Sie hatte wohl keinerlei Ahnung, wie erotisch sie damit wirkte… erst recht mit diesen langen, nassen Haaren und dem fast durchsichtigen Top… Link schluckte an einer heißblütigen Vorstellung, sie einfach an die Wand zu drücken und leidenschaftlich zu küssen… Auch Zelda bemerkte die angenehme, wenn auch aufregende Stimmung und drehte sich verlegen seitwärts, während Link sie einfach nur anblickte. Gedankenlos berührte der junge Held einige Strähnen ihres nassen Haares und sagte sanft: „Weißt du, die Farbe steht dir…“ Aber an Zelda würde er wohl jede Farbe schön finden. „Wirklich?“ „Ja… sehr gut sogar…“ „Dann…“ „Ja… nun…“ Links Hände wanderte zu ihrem Gesicht und streichelten die zartrosa Wangen. Es erschien ihm alles wie ein schöner Traum, einmal mehr so unwirklich mit Zelda hier zu sein. Sie schloss ihre Augen und war sich nicht sicher, wie sie reagieren sollte. Ungeduldig drehte sie sich weg, legte das Handtuch über ihre Schultern um das weiße Top zu bedecken und tapste schnell aus dem Zimmer heraus. Mit einem enttäuschten Seufzen stemmte der Heroe seine linke Faust gegen die Badezimmerfließen, röhrte das ungestillte Verlangen Zelda inniger zu berühren mit einem weiteren rauen Laut aus seiner Kehle und folgte ihr dann schließlich in die Stube. Es würde sich zwischen ihnen wohl niemals etwas ändern… In der Wohnstube saßen Rick, Maron, Sara und zu allem Überfluss, was Link überhaupt nicht toll fand: Mike… das Grinsegesicht mit den lachsfarbenen Haaren. Musste Sara mit ihrer Partystimmung, und sie war oftmals eine verrückte Partymaus, denn nun wieder übertreiben? Rick und Maron waren ja in Ordnung, aber musste sie ihren Mike ebenfalls einladen? Die beiden hylianischen Seelen begrüßten die anderen und setzten zwangsfreundliche Gesichter auf. Der Heroe führte seine Prinzessin zu dem kleinen beigen Zweisitzersofa und machte es sich dort mit ihr bequem. Es war vielleicht das erste Mal, das ihm Gesellschaft von seinen Freunden auf die Nerven ging… andererseits- und er blickte die neben ihm sitzende Prinzessin Hyrules tiefsinnig an- hatte er ja einen guten Grund genervt zu sein. Er wollte mit Zelda schlichtweg alleine sein so wie vor einem halben Jahr, als alles noch in Ordnung war, er wollte ihr noch einige Fragen stellen über die Vergangenheit, über ihre Beziehung, was immer diese auch war und er wünschte sich, ihr den Triforceanhänger aus Irland zu überreichen. „So, was macht ihr eigentlich alle hier“, murmelte der Held, obwohl er die Antwort ohnehin kannte. „Sara hat uns eingeladen. Wir haben Lust zu zocken und anschließend Fantasyfilme zu schauen“, meinte Rick und blickte die koboldhafte Schwester von Link vielsagend an. „So ist es“, meinte jene zustimmend, „Unsere Eltern, mein liebes Brüderchen, sind mal wieder-“ „- ausgeflogen. Das konnte ich mir irgendwie schon denken. Aber was macht eigentlich Mike hier?“ Und Link fasste den Angesprochenen dabei in die grünen Augen. „Also, ich wollte, dass er herkommt“, sagte Sara, ein wenig verlegen. Link verstand die Situation zwar, konnte dennoch nicht verstehen, dass Sara so viel von ihrem Mike hielt, aber er musste es wohl auch nicht. Er wusste nur, dass seine neugierige und gewitzte Schwester schon seit dem Kindergarten mit Mike Kilhagen befreundet war und sie hatte trotz der Reibereien von Link und ihm zu beiden gehalten. Nachdenklich lehnte sich Zelda immer weiter in das Sofa, schien sich fast zu verkrampfen und fixierte mit leicht zuckenden Augenmuskeln den riesigen Flachbildschirm, wo Maron, Sara, Mike und Rick in Teams gegeneinander kämpften. Zelda wirkte nervös, beinahe so, als fühlte sie sich nicht wohl, rieb sich die wunderschönen Augen und blickte bewusst auf den gemusterten Teppichboden, bis Link den Grund für ihr Verhalten erahnen konnte. Mike hatte sich die Figur von Ganondorf zum Bestreiten des Wettstreits ausgewählt, während Rick den Helden der Zeit spielte. Link schüttelte entnervt den Kopf angesichts des Gedankens, wie absurd diese Situation war. Zelda musste sich völlig veralbert und scheußlich fühlen ihren Erzfeind auf einem Bildschirm zu sehen… und vielleicht erinnerte sein Erscheinungsbild sie an Grausamkeiten, die sich der auf der Erde geborene Link nicht vorstellen konnte… Der heroische Jugendliche, der seinen Freunden kaum von seiner und Zeldas wahren Identitäten erzählen konnte, fasst sich ein Herz, atmete noch einmal tief durch und legte dann seinen linken Arm fest um Zeldas Schultern. Verdutzt blickte sie ihm entgegen, aber war gleichzeitig dankbar dafür, dass er ihr Problem ohne Worte angenommen hatte. Sie warfen sich geheime Blicke zu, die erfüllt waren von verborgenen, nur ihnen beiden zugänglichen Gefühlen, tiefer Verbundenheit und bedingungslosem Vertrauen… Sie versanken beinahe in gegenseitigen Blicken, bis der Wettstreit unter Maron, Rick, Sara und Mike ausgefochten war. „Alles okay…“, flüsterte Link und erhielt ein unsicheres Lächeln seiner heimlichen Prinzessin. Sie nickte schwach, nahm seine linke Hand in ihre beiden, streichelte darüber und zeigte ihm ein weiteres Mal ohne Worte, wie sehr sie seine Anwesenheit wertschätzte und wie sehr sie ihn brauchte… In dem Augenblick stürmte Maron auf, schaltete die Nintendokonsole aus und nahm beinahe gierig den Telefonhörer zur Hand. „Was haltet ihr davon, Pizza zu bestellen?“, sagte sie, erhielt sofort Zustimmung von den anderen und sammelte die Essenswünsche ihrer Freunde. „Du kennst Pizza schon, oder…“, sprach Link leise und hielt der nachdenklichen Zelda, die bisher kaum mit den anderen gesprochen hatte, die Bestellliste unter die Nase. Sie schüttelte zaghaft den Kopf, hatte sie sich in den letzten Monaten schließlich nicht nur von Link abgekapselt, sondern auch von der gesamten Welt um sich herum… und manchmal erschien es ihr frevelhaft und falsch sich an modernen Genüssen zu erfreuen, wo ihr einstiges, geliebtes Land nicht mehr atmen konnte… „Was hältst du von Salami, oder Schinken, oder nur Gemüse? Vielleicht Thunfisch?“ „Würdest du mir einfach eine mit bestellen?“, brachte sie leise über ihre blutroten Lippen, blickte ihn bittend an, worauf er bloß nickte. Aber das Zelda keinerlei Wünsche äußerte, machte ihm irgendwie Sorgen. Es ging nicht nur um eine stupide Pizzabestellung. Ihm war schon vor Wochen aufgefallen wie wenig das trübsinnige Mädchen, das vor einem halben Jahr nach ihm gerufen hatte, für sich einforderte. Zelda war andauernd mit allem zufrieden, aß, was man ihr hinstellte, schien zu tun, was Impa von ihr verlangte, aber band sich in diese Welt überhaupt nicht ein. Ob sie sich jemals an das Leben auf der Erde gewöhnen würde? „Ich hole uns allen was zu trinken aus dem Keller“, murmelte Link seufzend, hüpfte vom Sofa und war aus dem Raum verschwunden. Sara, Rick und Mike verschwanden in der Küche um den Tisch zu decken. Die junge Prinzessin zog die schlanken Beine auf das Sofa und beobachtete die heitere Maron dabei, wie sie eine Nummer in die Tasten hämmerte und rasch ihre Bestellung und die der anderen weitergab. Es wirkte so einfach, wenn die hübsche Erbin des größten Gestüts im Umkreis von Schicksalshort alltägliche Handlungen ausführte. Es wirkte so einfach, wie Maron lebte, wie sie genießen konnte. Und obwohl ihr vor einem halben Jahr durch dämonische Besetzung eine herbe Grausamkeit angetan wurde, so genoss sie ihr Leben in vollen Zügen, lachte, dachte kaum mehr an das Böse in der Welt. Sie war in diese Zeit geboren worden, trug keine Verantwortung für das Leben auf der Erde, warum auch sollte sie sich mit Sorgen und Ängsten quälen? Sie war weder eine Prinzessin, noch trug sie Verantwortung für eine zerstörte Welt… und sie war mit allem, was sie ausdrückte lebendig… Diese Schönheit, Einfachheit und das Existieren für einen vorüberziehenden und doch lebenswerten Moment hatte sich Zelda für ihr Dasein so oft gewünscht. Doch mit allen Pflichten in ihrer alten Welt, als ein Geist, der Jahrhunderte durch die Welt gewandelt war, ohne Hoffnung, so verstand sie, hatte sie beinahe vergessen wie es war zu genießen, sich an einem Augenblick zu erfreuen, einfach nur zu leben… Sie hatte vergessen, wie es war ein Mensch zu sein… und sie hatte vergessen, wie sehr sie sich wünschte zu lieben… „Hey, Zelda, ich finde es schön, dass du mit hier bist“, riss Maron sie aus ihren Gedanken und pflanzte sich mit einem Sprung neben sie. „Ich war etwas überrascht, dass du dich bisher nicht gemeldet hast.“ Die heimliche Prinzessin öffnete schwach ihren Mund, war überrascht über Marons Aussagen und musste zunächst begreifen, was sie überhaupt von ihr wollte. „Ah ja… es sind einige Dinge dazwischen gekommen…“, redete sie sich heraus. Sie erinnerte sich daran, dass sich Maron in den Ferien mit ihr treffen wollte und Zelda hatte sich eigentlich darauf gefreut. Nur war sie mit Links Abreise und ihren Ängsten, oder wie Impa es mittlerweile zu sagen pflegte: mit ihrer Depression, nicht einmal vor die Tür gegangen. Und sie hatte sich einen üblen Infekt eingefangen, der mit einem Nervenzusammenbruch geendet hatte. „Es tut mir leid, Maron“, sprach sie dann. „Ich hatte mir eine Sommergrippe eingefangen…“ „Echt, wie hast du denn das geschafft?“ Maron lächelte zufrieden und spürte, dass es Zelda ehrlich meinte. Die blonde Schönheit zuckte mit den Schultern und versuchte ebenfalls fröhlich dreinzublicken. „Aber… ich fände es schön, wenn wir uns demnächst dann doch mal treffen können…“, fasste sich Zelda ein Herz und hörte in ihren Gedanken Belehrungen von Impa, die da lauteten: Wehe, du schlägst Einladungen von anderen aus! „Gerne!“, erklang es enthusiastisch aus Marons hübschem Mund. Sie wirbelte mit einer Hand durch ihre kastanienbraunen Locken, so wie immer, wenn ihr etwas zusagte. „Ich fände es cool, wenn wir Shoppen gehen würden wie zwei richtige Ladys!“ Zelda nickte bloß, hoffend, die fröhliche, unbeschwerte Maron würde ihr helfen, sich noch weiter in dieses Leben einzubinden und das nachzuholen, was sie immer wollte. Vielleicht hatte sie doch mehr die Möglichkeit ein normales Mädchen zu sein als sie von Anfang an dachte. Vielleicht war es so wie Link vor einiger Zeit gesagt hatte… vielleicht bildete sie sich nur ein kein gewöhnliches Mädchen sein und kein gewöhnliches Leben genießen zu können… Gerade da kam Rick grinsend zurück ins Wohnzimmer. Er wirkte so lässig und charmant mit seiner pechschwarzen kurzen Hose und dem roten Muskelshirt. Er hatte drei Gläser in der rechten Hand und in der anderen einen süßen, dicken, blutroten Wein in einer dunkelgrünen ovalen Flasche. „Voilà, die Damen, das gute Zeug hier hat Link im Keller gefunden. Ich schätze, wir sollten anstoßen auf einen unvergesslichen Abend.“ Begeistert sprang Maron auf und hüpfte halb in Ricks Arme. „Wie zuvorkommend, mein Prinz“, lachte sie. Auch Zelda lächelte auf die Bemerkung und dachte leise, wir Recht Maron doch hatte. Rick war ein Prinz, mehr als es die anderen ahnten. Und Maron war ein heiteres Farmermädchen, mehr als sie es selbst wusste… Es dauerte nicht lange und die Pizza kam. Bepackt mit einem riesigen Stapel an leckerem belegtem italienischem Hefeteig trottete Link in die Stube und war so voll beladen, dass man sein Gesicht nicht sehen konnte. Er lachte, als er den Stapel von duftenden Pizzen belegt mit Schinken, Käse, Thunfisch, Hackfleischsauce, Mais, Spinat und Tomaten, auf den bereits gedeckten Küchentisch stellte und war irgendwie nun doch froh in der Gesellschaft seiner Freunde zu sein. Es würde Zelda und ihn ein wenig von der massiven Verantwortung ablenken, die wie ein ekelhafter Schatten über ihren Köpfen hing und es würde ihn daran erinnern, dass er auch ein Mensch dieser Welt war, nicht nur inbegriffen in Grausamkeiten aus der Vergangenheit sein Leben fristete. Heiter gestimmt machte es sich die Jugendlichen am Esstisch bequem, tranken Wein und Cola, aßen von den riesigen Pizzen und lachten angesichts des Gedankens, dass sie zu sechst die riesige Menge niemals schaffen konnten. Link lächelte durch die Runde, wurde sich gewahr wie wertvoll allein diese Minuten waren, wie wertvoll es war seinen besten Freund Rick verliebt in die fröhliche Maron zu wissen, seine Schwester Sara zu erleben, wie sie ihrem Freund Mike die Leviten las und Zelda neben sich zu beobachten, wie sie mit ihrem stillen, geheimnisvollen Lächeln alles ganz genau beobachtete und auf ihre vorsichtige Weise aß. Beinahe unsicher verwendete sie das Besteck, bis sie ihren Heroen mit einem verlegenen Lächeln musterte. Trotzig knallte sie Messer und Gabel zur Seite und nahm ihr Pizzastück in die Hände. Es war vielleicht das erste Mal, dass sie ihre Manieren über Bord warf. „Schmeckt es dir? Oder willst du etwas von meiner Thunfischpizza?“, sprach Link und gewann sofort die Aufmerksamkeit seiner Prinzessin. Sie lächelte zaghaft, schüttelte dann beinahe schüchtern den Kopf. Sie war ungemein dankbar für diesen ruhigen Abend, den ihr Held ermöglichte. Sie war vollkommen dankbar für seine kleinen Gesten, die ihr alles bedeuteten. Er war immer zuvorkommend, immer rücksichtsvoll… Manchmal jedoch wünschte sie sich, er würde sie nur einmal zurechtstutzen und sagen, sie sollte sich endlich zusammenreißen… „Hey, Link, du hast uns noch gar nichts weiter von deinem Irlandtrip berichtet“, meinte Maron neugierig, während sie ein Pizzastück nach dem anderen verschlang. Ihre Wangen waren rot gefärbt, vielleicht von den zwei Gläsern Wein, die sie bereits getrunken hatte. „Was hast du so erlebt?“, bohrte sie schmatzend nach. Link zwinkerte verdattert, hatte mit einer so direkten Frage nicht gerechnet und verkrampfte sich unbewusst auf seinem Sitzplatz. „Nun ja, der Aufenthalt war… äh… spannender als ich anfangs dachte.“ Ja, entschied er, diese Wortwahl traf es wohl am besten. „Irland muss doch ein Traum sein… so abenteuerlich und gleichzeitig irgendwie romantisch“, setzte Rick hinzu und grinste. „Maron, was hältst du davon, dass wir demnächst mal einen Trip dorthin wagen?“ Er legte einen Arm um ihre Schulter und drückte sie leicht an seine Seite. Neben ihm sah Maron beinahe zerbrechlich aus. Rick war sicherlich kein Muskelprotz, aber doch um einiges stärker als seine Freundin. Sie lachte, vielleicht eher, weil der Alkohol ihr zu Kopf gestiegen war. „Oah… Wie wundervoll!“ Sie klatschte in die Hände. „Etwas von dieser Romantik hätte ich auch gerne heute Nacht.“ Sie verplapperte sich auffallend, bis sie sich von selbst die Hände vor den Mund hielt. Erst dann schienen die anderen bei Tisch ihre Andeutung verarbeitet zu haben und blickten verlegen seitwärts. Maron bekam einen roten Kopf, sank schuldbewusst nieder und blickte hilfesuchend in Ricks rehbraune Augen. Auch er hatte kirschrote Wangen und vergrub sein Gesicht in beiden Händen. „Gut, dass wir das geklärt haben“, stimmte Sara mit ein, die ein Meister darin war unglückliche Situationen aufzufrischen und vielleicht noch interessanter zu machen. Sie grinste makaber und klopfte ihrem Bruder, der zu ihrer Linken saß, auf die Schulter. „Hey, Brüderchen, wie hast du es überhaupt so lange ohne Zelda in Irland ausgehalten?“ Eine weitere peinliche Frage, die den Raum erhellte. Und auch mit dieser Frage hatte der heimliche Heroe nicht gerechnet. Er funkelte seine koboldhafte Schwester bitterböse an, dankte ihr mit einem verstörenden Blick aus seinen tiefblauen Augen für diesen wunderbaren Einwand und fragte sich, wie er der Frage ausweichen konnte. Auch Zelda schien auf diese Frage hin nervös zu werden, hörte auf zu essen und vergrub ihre Hände im Schoß. Gerade da fing Sara herzhaft an zu lachen. Auch sie schien ein Glas Wein zu viel konsumiert zu haben. „Meine Güte, seid ihr doch alle einfach in die Schamesröte zu bringen“, lachte sie und blickte abwechselnd von Maron und Rick, dann zu Link und Zelda. „Lasst uns doch einfach ein wenig Spaß haben und feiern! Und lasst uns anstoßen!“ Und damit hob Sara ihr Weinglas an und deutete gerade Link und Zelda an mitzumachen, die Zeit hier fließen zu lassen, einfach das zu tun, was junge Menschen taten, Spaß haben und lachen. Und sie hatte verdammt Recht damit… „Stoßen wir an?“, murmelte Link und hielt sein Weinglas in Zeldas Richtung. „Wenn… wenn du magst…“ Es steckte eine größere Geste dahinter als es der einstigen Prinzessin zunächst bewusst war. Link wollte nicht einfach nur so mit ihr anstoßen, er wollte ihr auch zeigen, dass er sich erinnerte. An den Zeitpunkt, wo sie beide ebenfalls Wein getrunken hatten, wo sie in einem Traum verbunden waren… Auch hier nickte sie eher unsicher, blickte zurückhaltend drein, aber erwiderte die Geste. „Hey, Zelda…“, sprach Maron interessiert. Ein begieriges Funkeln in ihren veilchenblauen Augen verriet Neugierde. „Ich will dich wirklich nicht ausfragen, aber da wir gerade so gemütlich zusammensitzen… Erzähl‘ uns doch etwas über deine Zeit bevor du nach Schicksalshort gekommen bist.“ Erwartungsfroh funkelten weitere Blicke und hefteten sich auf die einstige Prinzessin Hyrules, der das Pizzastück daraufhin aus den Händen fiel. Sie nahm einen stockenden Atemzug und lehnte sich zurück. Sie schien durcheinander, worauf Link das Wort ergriff: „Wisst ihr, Zelda war schon einmal vor einer Ewigkeit in Schicksalshort“, begann er und versuchte eine plausible Notlüge zu erfinden. Verwundert, aber zugleich dankbar über seinen Versuch mit einer erfundenen Geschichte aus der Patsche zu helfen, nickte sie zustimmend. „Ach ja?“, stutzte Sara und stupste Link an seinen Oberarm. „JA!“, sprach er lautstark und versuchte so aufrichtig und echt zu klingen wie möglich. „Ich habe fast das Gefühl Zelda und ich verstehen uns deshalb so gut, weil wir uns schon einmal über den Weg gelaufen sind… vor über zehn Jahren.“ Und so wie er wirkte, keinerlei Schamgefühl zeigte, würde auch Zelda die Geschichte glauben. Sie nickte und warf ihm ein erleichtertes Lächeln zu. „Das ist ja aufregend“, meinte Maron und stopfte sich fleißig Salamipizza in den Mund, während sie sprach. „Und warum warst du hier, und wie kam es, dass du wegziehen musstest und noch wichtiger, wohin eigentlich?“ Zelda schloss ihre Augen und log ohne Hemmungen: „Mein Vater musste geschäftlich nach Irland reisen. Meine Patentante Im… Ines Schattener hatte jedoch hier ihr Zuhause. Ich bin vor über einem halben Jahr…“ Sie stoppte kurz und spielte mit einer Modekette, die um ihren Hals baumelte. „… ich habe mich mit meinem Vater gestritten und bin abgehauen.“ Link zwinkerte mehrfach und war überrascht über Zeldas überzeugende Lügenparade. Sie war überraschend schnell darin diese Lügen weiterzuspinnen. Maron stemmte sich halb über den Tisch: „Das ist ja unglaublich. Du bist Tausende Kilometer gereist, nur um nach Schicksalshort zu kommen?“ Zelda lächelte schwach. Nicht eine Spur Verlegenheit bezüglich dieser erfundenen Geschichte huschte über ihr anmutiges Gesicht. Sie hatte gelernt zu lügen, war darauf getrimmt worden Reden vor Hunderten Menschen zu halten und dabei standhaft und kühl zu wirken. Es war ihre Aufgabe nur das zu sagen, was es zu sagen galt… „Nun… ich habe meine Ziehmutter vermisst“, sprach sie und grinste heimtückisch. „… und ich wollte meinem Vater eines auswischen, das muss ich ehrlich zugeben.“ Link saß nur sprachlos daneben und hätte, wenn er die Wahrheit nicht kannte, ihre Geschichte ohne zu zögern geglaubt. Gab es noch mehr Dinge, über welche Zelda nicht die Wahrheit gesagt hatte? Gab es etwas, worüber sie vielleicht die gesamte Zeit über gelogen hatte? Link kratzte sich an seiner rechten Wange, fühlte sich irgendwie unwohl und unsicher, und spürte zusätzlich die kritischen Blicke von Sara neben sich. „Äh… ich hätte nicht gedacht, dass sich hinter deinem engelsgleichen Gesicht so viel Protest und Schelm verbergen. Das hätte ich dir echt nicht zugetraut“, sprach Maron. „Ich dir auch nicht…“, murmelte Link nervös und fragte sich, was er davon halten sollte. War er die gesamte Zeit über so blind gewesen, dass er Zeldas Schattenseiten völlig ignoriert hatte? Leon Johnsons Andeutung, dass er und Zelda nicht das beste Verhältnis in der Vergangenheit hatten, kam ihm wieder in den Sinn. Die blonde Lady verschränkte die Arme vor der Brust, aber ließ ihren kühlen Blick von einem zum anderen wandern. „Hat nicht jeder von euch schon einmal eine Dummheit begangen?“ Sie fragte in die Runde, meinte aber eher den neben ihr sitzenden Heroen, dessen tiefblaue Augen sich abwendeten. „Ja, sicherlich…“, meinte er abtuend. „Hey, Link, erinnerst du dich, als du damals in das Gespensterhaus in der Nähe der Porzellanfabrik eingestiegen bist?“, sprach Rick und riss sowohl Zelda als auch Link aus den Gedanken. Er hatte die merkwürdige Stimmung zwischen den beiden beinahe gerochen. „Das war eines der dümmsten Dinge, die du getan hast.“ „Das war echt der Brüller“, grinste er und erinnerte den Vorfall mit einem Kichern. Er war nicht einfach nur in das Haus eingestiegen, er hatte mit einigen Spraydosen Verletzungen vorgetäuscht und seiner Familie ein Alptraumszenario vorgespielt. „Was ist mit dir, Maron, was war deine dümmste Idee?“ Daraufhin bekam die Farmertochter einen hochroten Kopf, blickte in Ricks gutmütige rehbraune Augen, der daraufhin ebenfalls Verlegenheitsfieber versprühte. „Ehrlich gesagt, haben wir beide einen dummen Irrsinn begangen…“, gluckste er herum und kicherte dann. Alle Gesichter senkten sich, ahnten um das peinliche Thema, lediglich Zelda sah irritiert drein und sprach verwundert: „Was meint ihr beide damit?“ „Das ist eigentlich… nicht so interessant“, redete sich Rick heraus. Aber das Thema war durchaus interessant… „Aber warum macht ihr dann so ein Geheimnis daraus?“ „Weil es schlichtweg… peinlich ist…“, sagte Maron und strich sich durch das lange kastanienbraune Haar. „Wir haben beide einen Fehler gemacht und Glück gehabt, dass nichts weiter passiert ist“, sprach sie frustriert. Sie war glücklich, dass keine Schwangerschaft aus ihrem ersten Mal mit Rick geworden war… Aber noch immer schien Zelda es nicht zu verstehen. Sie hatte mit dem Thema Liebe und Sex nicht gerade viele Erfahrungen sammeln können. Eigentlich wusste sie so gut wie nichts über Leidenschaft und körperliche Nähe… Sie zwinkerte und ahnte, dass ihre Unwissenheit auf die anderen durchaus merkwürdig wirken musste. „Du hast absolut keine Ahnung, wovon wir reden, oder?“, murmelte Rick. „Zum Glück… ist auch besser so…“ Ratlos musterte Zelda ihren ewigen Heroen, der sich eine Hand vor das Gesicht hielt. „Mensch, Zelda, du wirkst immer noch so, als kämest du aus einer anderen Welt“, lachte Rick erheitert. „Vielleicht kommt sie ja wirklich aus einer anderen Welt, wer weiß?“, hakte Sara ein und grinste nahezu bösartig. „Ich meine, wenn sie nicht kapiert, dass Rick und Maron ohne Kondome miteinander geschlafen haben.“ Eine plötzliche betretene Stille herrschte am Küchentisch und jeder hörte auf zu essen. Sara hatte das peinliche Thema am Schopf gepackt, aber nicht erwartet, dass alle anderen, einschließlich ihres Freunds Mike, begannen verlegen an die Decke zu schauen, alle außer Zelda, die sich nur fragte, was Kondome waren… „Ähm, ich würde meinen, wir räumen dann mal den Tisch ab“, meinte Link, erhob sich zappelig und verstand nicht, warum ihn das Thema gerade so nervös machte. Es war ja absolut nichts dabei… ganz im Gegenteil… es war sogar sehr spannend. Und es war noch spannender für ihn sich vorzustellen eine Nacht mit Zelda zu verbringen. Mit hochrotem Kopf räumte er Geschirr in die Spülmaschine und schluckte die pubertierenden Phantasien hinunter. Er konnte jetzt nicht anfangen darüber nachzudenken, seine Prinzessin diese Nacht zu verführen, oder doch? Er klapperte mit dem Geschirr, befahl seinen Gedanken mit der Erschaffung erotischer Szenen aufzuhören. „Welchen Film wollt ihr eigentlich schauen“, fragte Link um sich abzulenken, versuchte die zum Teil kritischen Blicke der anderen zu ignorieren. Warum nur konnte er bei diesem Thema nicht einfach ruhig bleiben! Immer wurde er nervös! Immer begann er herumzudrucksen und immer wieder stellte er sich an wie ein Vollidiot! Rick kramte daraufhin drei DVDs hervor und hielt sie stolz von sich, keine anderen als Herr der Ringe Teil1, Teil2 und natürlich Teil3. Viele Stunden geballte Fantasy warteten auf die sechs Jugendlichen, verzauberten die Gemüter und erinnerten an vergessene Ideale. In der Welt von Mittelerde, dem strahlenden Land von Elfen, Menschen, Zwergen und widerwärtigen Kreaturen kämpfen Streiter des Guten für die eine gerechte Sache. Ein Film, der den grünbemützten Helden schon immer begeistert hatte… und nun verstand er auch den Grund dafür. Tolkiens Epos erinnerte mit einem milden Hauch an etwas, das tief verborgen in seiner Seele schlummerte… „Die habe ich heute im Sonderangebot gekauft. Das wird ein langer Abend.“ Rick schien völlig zufrieden und steckte schließlich die Pizzapappschachteln in den Müll. „Ach ja, übrigens, Link, Maron und meine Wenigkeit werden heute hier übernachten. Ich hoffe, das macht dir nichts aus? Wir wollen so spät nicht erst noch heimlaufen. In letzter Zeit ist es nachts gefährlich geworden“, setzte er hinzu. „Äh, du meinst, ihr übernachtet im Gästezimmer?“ „Ja, natürlich, wo denn sonst?“, meinte Rick. Etwas nervös schluckte Link einen Knoten in seinem Hals herunter, war sich nicht sicher, ob ihn der Gedanken freuen oder lähmen sollte. „Aber Zelda kann heute auch nicht mehr heim. Wo soll sie denn übernachten?“ Auch seine liebliche Prinzessin hörte nun zu, aber schien keineswegs beeindruckt. Sie hatte bisher immer irgendwo einen Schlafplatz gefunden und wenn nötig könnte sie ohnehin zurück in die Villa gehen… „Mensch Link, in deinem Zimmer steht doch jetzt eine ausklappbare Couch, es ist also kein Problem, dass Zelda bei dir übernachten kann“, sagte Sara mit einem verräterischen Zwinkern. Sie beugte sich zu ihrem unwissenden, naiven Bruder und flüsterte in sein Ohr, so dass nur er es hören konnte. „Das wäre doch die Gelegenheit… Jeder Depp sieht wie sehr du sie willst.“ Dann kicherte sie, kicherte wegen der verzweifelten, kirschroten Miene ihres Bruders und kicherte über ihre eigene Gehässigkeit. Link schüttelte nervös den Kopf. Diese kleine Koboldin… Die sechs Jugendlichen saßen gemütlich in der Stube, als die Sonne am Horizont versank und die Welt sich Schlafen legte. Wo die Finsternis heraufzog, lief der erste Teil von Herr der Ringe auf dem riesigen LED-Fernseher, bestach durch geniale Farben und Kontraste und erzeugte eine Echtheit des Fantasy-Epos, als wollte die Geschichte um Mittelerde die wenigen Zuschauer verschlingen. Bilder grausamer Schlachten und Ereignisse erzeugten sich, bohrten sich mit verführerischem Wahnwitz, einem Suchen nach Besonderheit, in die Köpfe der Jugendlichen… Nur Link und Zelda konnten kaum mehr realisieren, dass Phantasie doch nur Phantasie blieb und dass Geschichten wie jene zumeist mit einem Lächeln enden konnten. Die Realität wuchs an anderen Erfahrungen. Die Realität blieb. Und das einstige Märchen um Hyrule, der phantastische Glaube an Wunder und Legenden, war einer erschreckenden Realität gewichen. Links Welt war zerbrochen… und eine Phantasiegeschichte, die in Mittelerde spielte, konnte ihn kaum mehr so erfreuen wie früher. Alles, was darin geschah, die Gefahr, der Kampf mit Schwertern, die Kreaturen des Bösen, alles erinnerte ihn an seine eigene Bestimmung. Er konnte sich kaum auf den Film konzentrieren und überlegte, sich in sein Zimmer zurückzuziehen. Und er war nicht der einzige, dem es so ging. Die neben ihm auf dem Sofa hockende Zelda hielt die Stimmung des Films schon lange nicht mehr aus, bis sie schließlich ohne ein Wort von der Couch hüpfte und aus dem Raum stürmte. Alle Augen gingen überrascht hinter ihr her. Link folgte ihr sofort und fand sie im Korridor, wo sie ihre Reisetasche ergriff. „Wo willst du denn hin, Zelda“, meinte er. „Also… ich…“ Besorgt schauten tiefblaue Augen in die ihren. „Der Film hat mich an etwas erinnert… an so viel und das ist so lange vorbei und manchmal so, als wäre es gerade erst passiert…“ Ihre Stimme wurde leiser, eine Hand wanderte an ihre schweißgebadete Stirn und ihr Atem stockte ein wenig. „Du meinst… an…“ Aber dann brach Link ab, beobachtete diesen merkwürdigen Schatten in ihren Augen, der sich gerade wieder verdichtete. „Es ist… nichts weiter…“, seufzte sie und drehte sich weg. „Ich… ich sollte gehen.“ Sie lehnte sich an die raue Putzwand und schloss ihre saphirblauen Augen. „Zelda, sei nicht albern. Impa ist nicht da und ich soll auf dich Acht geben. Du kannst jetzt nicht gehen. Wenn du allein sein willst, dann geh’ doch in mein Zimmer, hm?“ Er stützte eine Hand neben ihrem Gesicht an der Wand ab, worauf sie überrascht aufsah. „Willst du mit mir darüber reden?“ Die einstige Prinzessin schüttelte nur den Kopf und drehte sich in Richtung Tür. Sie schob Links Hand einfach beiseite. „Außerdem“, sagte der Held dann ruhig, ohne sie anzusehen. „Ich… hab’ Angst um dich.“ Zelda drehte sich wieder zu ihm, schwieg erneut, aber in ihrem Inneren explodierten Hunderte Ketten, die sie sich als Strafe für ihre Bedürfnisse, umgelegt hatte. Link hatte absolut keine Ahnung wie er mit diesen wonnevollen Äußerungen sich Zutritt zu ihren geheimsten Gedanken verschaffte und ihr Herz schneller schlagen ließ… „Du musst diesen Film nicht sehen, wenn er dich an Hyrule erinnert. Soll’ ich uns vielleicht einen Tee machen?“ Sofort nahm er ihr die Reisetasche wieder ab, nahm sie fest und bestimmend an der Hand und zog sie, während weitere Augenpaare sie beide neugierig musterten, in die duftende Küche. „Also, was darf’s sein“, sprach er wenig später, als er in einem Schrank herumwühlte. „Wir haben: Himbeere, Hagebutte, Pfefferminze, Vanille, Winter- Tee und…“ Zelda unterbrach ihn. „Link, bitte… Ich habe keine Ahnung… Nimm‘ irgendwas… Ich…“ Er musterte sie besorgt, worauf sie tief durchatmete, versuchte ihr Gemüt unter Kontrolle zu bringen und sich einmal mehr die Augen rieb. „Entschuldige, ich bin etwas… durcheinander.“ „Das war kaum zu übersehen…“, sprach er misslaunig. „Du weißt, dass du mit mir reden kannst, ich würde dich mit den Pflichten und den Ereignissen aus der Vergangenheit niemals alleine lassen.“ Aber wie konnte er selbst dies verlangen? Wie konnte er dies behaupten? Link biss sich auf die Lippen, bis es schmerzte… es schmerzte jedoch noch viel mehr innerlich. Sein früheres Ich hatte sie allein gelassen, hatte sie in einem untergehenden Hyrule allein gelassen… Sie wand ihm den Rücken zu, spielte nervös mit den Händen, bis sie sich auf die Eckbank sinken ließ. Links Worte drangen wunscherfüllt in ihren Geist, ja, sie hatte sich diese Unterstützung immer von ihm erhofft, und doch war es ihr gerade zu viel. Er erwartete dieses bedingungslose Vertrauen von ihr, was sie ihm nicht schenken konnte, wo sie doch wusste, wer sie war… „Nun… es wäre jedenfalls einfach schön, wenn du mit mir redest…“, setzte er leiser hinzu, nahm‘ den Vanilletee mit Kircharoma aus dem Schrank, jenen Tee, den er Zelda an ihrem ersten Tag auf dieser Erdenwelt unter die Nase gehalten hatte. Es schien ihm ein guter Wink für ein sicheres, beständiges Gespräch, in dem er sich wünschte, Zelda könnte sich einfach fallen lassen, sich ihm öffnen und über Hyrule sprechen. Sie seufzte erneut, schnupperte das süße Aroma des Tees in der Luft, als Link die Teebeutel in heißes Wasser sinken ließ. Eine Welle der Entspannung kam über sie, die sie sich kaum erklären konnte. Sie lehnte sich zurück, spürte ihre Glieder locker werden, spürte Schwere und Entspannung, auch wenn diese nicht anhielt. Link war gerissen in der Hinsicht genau zu wissen, was er tat, dachte sie… „Das Spiel… und dieser Film“, begann sie zögerlich und hörte aus dem Wohnzimmer Jubellaute von Sara und Mike, die eine humorvolle Szene bestaunten. „Sie haben mich an Schlachten… Kriege, Feuer und Blut erinnert… Nichts ist so düster und qualvoll… kalt und unberechenbar wie die alternative Zeit.“ Ihre Stimme sprach die Worte mit Ernüchterung, beinahe tonlos, als war Zelda selbst durchzogen von einer gewaltigen Kälte, immer dann, wenn ihre Erinnerungen sie einholten. Links tiefblaue Augen schimmerten mit Mitgefühl, als er seine Aufmerksamkeit auf seine Seelenverwandte richtete. „Der Schrecken bleibt… das geschundene Blut lässt sich aus den Gräsern nicht mehr wegwaschen… wie ein Fluch haftet es im Erdboden, erzeugt Leid ohne Ende…“ Zelda versank mehr und mehr in ihren Erinnerungen, und mit jedem Bild wurde der rauchige Schatten über dem Edelsteinblau ihrer Augen dichter. „Die alternative Zeit… aber… das ist schon so lange vorbei…“, meinte Link. „Es ist Jahrtausende her.“ „Für mich nicht…“ Sie schloss die Augen, verlor jeden Hauch eines Lächelns an den Gedanken, der Erinnerungen lebendig hielt. „Meinst du, es wird jemals… besser…“ Er trat noch einen Schritt näher an sie heran, hoffend, er erhielt ihre volle Aufmerksamkeit, wünschte sich, sie würde sich mit ihren geheimnisvollen Blicken in seinen verlieren, wollte sie erreichen und von ihrer grausamen Bürde befreien… Sie blickte ihn einfach nur an, schwermütig und dankbar zugleich, mit ihren kristallenen, blauen Augen, diesen wunderschönen, sanften Augen. Wie ein milder Regen fühlte sich ihr Blick für ihn an, traurig, aber wunderschön… „Ich träume… permanent… aber ich kann diese Träume nicht verstehen…“, sprach sie zittrig. Sie verhielt sich gerade so auffällig durcheinander und nervös, dass Link Sorge hatte sie würde zusammenbrechen. Einmal mehr realisierte er, dass nichts okay war, und dass selbst der Abend unter normalen Jugendlichen Zelda kaum von ihrer Pflicht und Verantwortung ablenken konnte. „Sind es Träume von der Vergangenheit?“, murmelte er. Ein zögerliches Kopfschütteln machte ihm deutlich, dass Träume von der Vergangenheit sogar harmloser waren als das, was sie derzeit innerlich erlebte. „Es ist viel umfangreicher… bedeutsamer und entsetzlicher, so dass ich es kaum beschreiben kann. Es ist, als würde ich durch Tausende Welten reisen und überall erlebe ich die Legende Hyrules neu, als leben wir und das Böse in jeder möglichen Dimension fort… Es ist zu viel für meinen Kopf.“ Sie atmete tief durch und rieb sich dann die Augen mit beiden zarten Händen. „Letzte Nacht… Ich sah eine Welt regiert von der Feigheit der Hylianer… glühend war sie… verborgen in einer anderen Ebene, weil dunkle Kreaturen Hyrule bevölkern wie Millionen Aasgeier und keiner von ihnen hat den Mut die Welt, die sie einst Heimat nannten, zurückzuerobern… nicht eine tapfere Seele. Sie haben sogar ihre Königin vergessen und verdammt, die einzige, die in der Lage wäre ein Heer aufzustellen, das bereit wäre das goldene Land zu reinigen. Aber sie sind feige… voller Feigheit… die den Lord der Finsteren ergötzt, die sich anfühlt wie pures Vergnügen auf seiner Haut… Eine kranke Zeit… aber heilend für das Böse… Eine Zeit, da sie ihrem Helden das Herz aus der Brust gerissen haben… entstanden aus niederen Bedürfnissen und nicht eine Seele weiß es… Und ich habe das Gefühl, es ist bloß eine Zeit von Hunderten, eine wahllose Zeit, die bereits dem Bösen gehört!“ Plötzlich spürte sie einen Zeigefinger auf ihren Lippen, zwinkerte, und wurde mit Links Geste aus ihrem endlosen Gedankenstrudel herausgerissen. Beschämt zuckte sie zurück, hatte sich für Sekunden völlig in ihren Träumen verloren, hatte diese Realität auf so erschreckende Weise verlassen, dass sie es kaum ertragen konnte. Ihre Seele war so schwach und verletzt, dass sie Angst hatte an ihrem Trauma zu zerbrechen oder verrückt zu werden. „Zelda… bleib‘ mit deiner Seele hier… bleib‘ hier“, sprach er aufrichtig. „Zelda… meine Zelda…“ Tiefsinnig blickte er sie an, suchte etwas Verborgenes in ihren saphirblauen Augen, suchte ihre Seele darin. Sie fuhr sich mit beiden Händen durch das lange, brünette Haar, und seufzte. „Entschuldige, ich war gerade…“ Sie stützte den Kopf auf dem Tisch ab, zitterte, obwohl es unheimlich warm in der Küche war. „Ich habe mich in einem Traum verloren… Es war nur ein Traum.“ „So wie unsere Legende nur ein Spiel ist?“, sprach er leise, aber trübsinnig. „Vielleicht auf genau diese Weise…“, erwiderte sie und blickte schräg seitwärts. Sie wussten beide, dass die Träume der Prinzessin des Schicksals immer, selbst in einer magieleeren Welt, mit Sinnhaftigkeit und erschreckender Bedeutsamkeit angereichert waren. Ihre Träume würden verborgene Wahrheiten lehren, würden niemals nur einfach Schatten der Nacht sein. Und nur sehr selten ergab das, was sie in den Träumen sah, einen Sinn, es war selten, dass ihre Träume klar und strukturiert waren. „Wenn ich dir irgendwie helfen kann…“ Er machte es sich ebenfalls auf der Eckbank bequem, berührte ihre rechte Wange liebevoll, sendete Zuneigung und Verständnis in einem hoffnungsvollen Lächeln. „Sag‘ es mir…“ Und die Distanz zwischen seinem Lächeln und ihrem schwermütigen Blick schwand immer weiter… ermutigend und doch vorsichtig. „Bitte…“, flüsterte sie. „Bitte lenk‘ mich einfach ab…“ Er lächelte ermutigend, so wie immer in ihren bedeutsamsten Momenten, charmant und doch bubenhaft. „Das klingt nach einer sehr interessanten Einladung“, bemerkte er spitz. Sie zwinkerte, aber lächelte dann rotwerdend. „Was soll das denn heißen?“, sprach sie stockend. Er lachte laut auf. „Es wäre wohl sehr fies, wenn ich sagen würde, ich bin offen für alles.“ „Es wäre nicht gerade höflich und anständig“, sprach Zelda tückisch und begann hinterhältig zu grinsen. „Egal, was das auch heißen mag…“, setzte sie hinzu. „Sicherlich, wir haben beide keine unanständigen Gedanken“, lachte Link und grinste triumphierend: „Aber ich bin beeindruckt von meinen Fähigkeiten, Zeldaschatz, ich habe dich schneller aus deinem Trübsinn gebracht, als ich dachte.“ Sie nickte und berührte leicht unsicher, aber sehnsuchtsvoll seine Hände. „Also bleibst du hier?“, sprach er sanft. Abermals nickte sie und ließ sich ohne Scheu in seine Arme ziehen. Sie seufzte in der Umarmung, fühlte sich plötzlich sicher und stärker. „Okay… Danke… Ich danke Dir…“ Sie löste sich wieder sehr schnell aus der Umarmung und trat auf die Beine. „Möchtest du dich in mein Zimmer zurückziehen?“ Die einstige Königstochter nickte und lief aus der Küche. Link warf ihr jedoch noch hinterher: „Aber wehe, du verschwindest, während ich den Tee koche. Wenn ja, renne ich dir nach und du bist schneller wieder hier, als dir lieb ist.“ Sie lächelte daraufhin und verschwand in seinem Zimmer. Außer Puste erreichten Rutara von Wasserstein und Dar Gordon die Villa von Ines. Ihre Mission in der Kirche Schicksalshorts an wichtige Informationen zu gelangen war gefruchtet. Allerdings beunruhigten jene Neuigkeiten die sonst so starken und vernunftbegabten Gemüter von Dar und Rutara auffallend. Schleunigst und ohne weitere Worte hasteten sie ins barocke Gebäude, nutzten wenige knarrende Treppenstufen in ein aufwendig gestaltetes Untergeschoss, verschlossen von einer riesigen Stahltür, voll möbliert mit mehreren Schlafmöglichkeiten, angereichert durch gefüllte Regalen mit Proviant, und wurden bereits von Ines Schattener, Richard Raunhold und Naranda Leader erwartet. Nachdenklich saßen jene drei Personen an einer mit Papierstapeln, alten Büchern, seltsamen Objekten wie merkwürdigen Flaschen, bunten Kristallen, blütenweißen Federn, Kräutern und kleinen Metallbrocken bedeckten runden Tafel aus pechschwarzem Holz. Aufgebracht warf Rutara ihren kobaltblauen Regenmantel ab, pflanzte sich schnaufend an den Tisch und goss einen herben Whiskey in ein Limonadenglas. Mit einem Zug, und ihre schönen, straffen Gesichtszüge verziehend, spülte sie das Getränk hinunter. „Beim Wüstenwurm…“, sprach Naranda und beugte sich mit aufmerksamen, goldenen Augen halb über den Tisch. Sie musterte ihre Freundin Rutara besorgt. „Wenn du so viel trinkst, dann wohl mit sehr schlechten Neuigkeiten…“ Auch Dar ließ sich brummend auf einen Sessel sinken und sah sich die vergessenen Beschützer des alten Reiches Hyrule an. Ines mit ihrer ernsten, überbehütenden Mimik und ihrem mütterlichen, manchmal doch eiskalten Blick aus scharlachroten Augen. Raunhold, der zurückhaltende Professor mit den buschigen Augenbrauen, die sich beinahe mit seinem grauen Haar verbanden. Die attraktive, braungebrannte Naranda Leader, in der sich eine leidenschaftliche Kriegerin versteckte. Und die kokette Rutara, die wie kein anderer die Kraft des Wassers für sich nutzen konnte und die sich bestimmte höfische Verhaltensweisen nicht abgewöhnen konnte. Wie lange sie wohl noch auf diese ruhige Weise zusammensitzen konnten? „Wenn ich es so sagen kann, Ganondorf hat mir ein bisschen den Abend versaut… nun ja, wohl mehr als ein bisschen“, murrte Rutara und strich sich durch ihr nasses fast schwarzes Haar. Sie war eine elegante, wunderschöne Frau und niemand würde in ihrem Erscheinungsbild die Seele einer Kreatur vermuten, die einst die Gewässer Hyrules behauste. Impa erhob sich und stemmte sich auf den Tisch. „Was ist es diesmal?“, fragte sie. „Welches Attentat plant Ganondorf und was können wir dagegen unternehmen?“ Dar beschwichtigte: „Gemach… gemach… Diesmal… sind uns offensichtlich die Hände gebunden.“ Naranda kratzte sich am Kopf. „Wie das?“ Sie verschränkte daraufhin ihre Arme und lehnte sich zurück. „Es ist kein Attentat auf diese Welt“, erklärte Rutara und rieb sich ihr Gesicht. „Ich weiß endlich, warum er hier ist…“ Und ihr schmales Gesicht wurde gramerfüllt. Sie erhob sich und lief einige Schritte auf und ab. „Jahrtausende sind vorbeigezogen… immer wieder erhob sich die alte Legende um das Triforce in Hyrule. Jahrhunderte sind vergangen und immer wieder wartete das Böse auf den Helden, stellte sich ihm entgegen, um dann letztlich zu fallen oder, und auch das ist in den vielen Zeiten geschehen, um zu siegen. Und nie hat sich irgendein Weiser gefragt, ob Ganondorf sich erinnert, ob Ganondorf lernt, ob selbst seine Wiedergeburt, auch die, die jetzt auf unserem Planeten herumläuft, dazu gelernt hat. Wie konnten wir nur alle so dermaßen blind sein!“ Sie sprach lauter und stieß einen unartikulierten Laut des Ärgers aus. Irritiert musterten die anderen Rutaras Geste. Noch nie hatte sie sich so geäußert und noch nie war sie so verzweifelt gewesen. Rutara zeichnete sich in ihrer Persönlichkeit gewöhnlich durch ein sehr intelligentes, strukturiertes und oftmals kühles Wesen aus. „Ich brauch‘ noch einen Whiskey!“, sprach sie drohend und pflanzte sich geräuschvoll auf ihren Platz. „Willst du damit sagen, dass Ganondorf ein ganz anderes Ziel verfolgt und sein Einmischen in unsere Welt, sprich seine geplante Verseuchung unserer Welt mit schwarzer Energie, nur ein Ablenkungsmanöver sind?“, meinte Naranda und zündete sich eine Zigarette an. Ein zimtiges, rauchiges Aroma zog in die Runde. Gelassen saß sie im Schneidersitz auf einem Hocker, trug ihr feuerrotes Haar offen, das verspielt auf ihre nackten Schultern fiel. „Was ist schon seine lächerliche Verseuchung“, sprach Rutara mit ihrer klirrenden Stimme. „Wenn wir ehrlich sind, hat uns ohnehin gewundert, weshalb er das gleiche wie damals erneut versucht.“ „Ich würde nicht sagen, dass seine Verseuchung, die dem Verändern von Naturgesetzen, dem Ermorden wichtiger Persönlichkeiten und dem Zerstören unserer Weltenordnung entspricht, lächerlich ist!“, widersprach Ines. „Wozu kämpfen wir dann überhaupt noch, wenn das so lächerlich ist!“ Ihr gefiel es nicht, dass sich Rutara so hängen ließ. Egal, welche Dinge das Böse in der Kirche diskutiert hatte, der Beitrag, den sie alle gemeinsam hier leisteten, Unschuldige zu schützen und dafür zu sorgen, dass die bösen Energien das Gleichgewicht der Welt nicht völlig zerstörten, war alles andere als lächerlich. Rutaras mutlose Augen trafen Ines wie ein Blitzschlag. „Oh doch, Impa…“, sagte sie und ihre Stimmte wurde plätschernd zögerlich wie ein kleiner Bach. „Alles, was wir unternommen haben, auch das Schützen unserer Identitäten, ist einfach nur lächerlich…“ „Woher diese erschreckende Mutlosigkeit, Rutara?“, mischte sich Naranda ein. „Wir haben noch immer unsere Fäuste, wir kämpfen auch diesmal, bis zum letzten Atemzug.“ Sie zog genüsslich von ihrer Zigarette und drückte diese in den Aschenbecher. „Dar, erklär‘ du es ihnen“, brummte Rutara und nippte erneut von ihrem alkoholischen Getränk. Alle Augen ruhten auf dem gutmütigen, sonnengebräunten und dicklichen Arzt, dem der Schweiß im Gesicht stand. Er war schon länger auf dieser Welt als Rutara oder Naranda, und manchmal hatte er das Gefühl, je länger er auf diesem Planeten lebte, sein Alltagsleben fristete, umso deutlicher kamen seine Persönlichkeitszüge von damals an die Oberfläche. Er sang öfters als früher, tanzte so wie einst in der Gemeinschaft seiner Schwestern und Brüder in Hyrule, hatte manchmal sogar die Neigung Dinge zu essen, die sein jetziger Körper nicht brauchte. „Wir konnten nicht herausfinden wie, aber es scheint, als reist Ganondorf auf irgendeine Weise durch die Welten…“, erklärte er sachlich. „Durch die Welten? Du machst Witze!“, unterbrach Ines entsetzt. „Das glaubst du jawohl selbst nicht“, bestätigte auch Naranda. „Wie sollte Ganondorf an eine solche Macht gekommen sein!“ „Ist das nicht völlig unwichtig!“, zickte Rutara scharf. „Wir sollten uns lieber damit auseinandersetzen, was er in diesen Welten treibt, wenn er tatsächlich dort umher reisen kann!“ „Das kann einfach nicht sein!“, meinte Ines erneut und erhielt weitere dröhnende Worte von ihrer ehemaligen Schülerin Rutara. Ein lautes mit undeutlichen Wörtern erfülltes Sturmgewitter brach an dem Tisch los. Alle redeten durcheinander, wurden immer lauter, äußerten sich mit Verwirrung und Verzweiflung. Dann endlich erhob Richard Raunhold das Wort. Seine Stimme röhrte wie ein tiefer Glockenklang durch den Kellerraum, betäubte alle anderen, bis die Stille zurückkehrte. „Wir tragen die Verantwortung uns um Ganondorfs niederträchtige Pläne zu kümmern und ihr Weisen habt nichts Besseres zu tun als euch gegenseitig die Köpfe einzuhacken!“, schimpfte er. Betreten schauten Rutara, Ines, Dar und Naranda zu Boden. „Ich bitte euch darum sachlich und ruhig zu bleiben. Rutara, bitte wiederhole deine Informationen“, sprach Richard besonnen. „Ich konnte verborgen unter einem Schutzzauber einem Gespräch von ihm und einem seiner Lakaien folgen… Er sprach davon, dass er Welten und Zeiten so beeinflussen will, dass Hyrule sich völlig entstellt, Legenden sterben und Helden vergehen… Er sprach von den Emädras, einen mythischen Volk, das irgendwann in Hyrules Geschichte lebte, auch hier hat er bereits sein Werk getan und jenes Volk ausgelöscht. Die Verseuchung, die er für unsere Welt plant, ist nur ein Puzzlestein von einem gigantischen komplexen Plan“, erklärte sie. „Versteht ihr nicht? Er beeinflusst den Weltenstrom!“ Der Weltenstrom… er war ein gigantisches Uhrwerk nach dem sich die Welten, Dimensionen und selbst Götter im Universum drehten. Der Reihe nach sackten die vernunftbegabten Menschen an der Tafel in sich zusammen. Die Wahrheit legte sich wie eine unsichtbare Fessel an die Handlungsbereitschaft der einstigen Hyrulianer, lähmte wie ein verstörendes Gift. Wissen konnte manchmal unsagbar weh tun… und am schlimmsten für das Gute hier in diesem Kellerraum war die Gewissheit nichts mehr tun zu können, nichts, was den Lauf der Dinge in diesem großen Kampf gegen das Böse noch irgendwie verändern könnte. Das Gute besaß nicht die Macht durch Zeiten und Welten zu reisen, um das Schicksal zu verändern. Die Reise durch Zeiten und Welten war gebunden an eine legendäre Magie, die für jene Beschützer nur in Hyrule lebendig war. Nur in Hyrule hauste die Macht der alten Legende. Nur in Hyrule… Naranda schlug mit der blanken Faust auf den Tisch. „Ganondorf, du verdammter Hurensohn!“, zischte sie. „Hat er nicht endlich genug, diese verdammte Ausgeburt des Wahnsinns.“ Sie erhob sich und goss sich ebenfalls einen Whiskey ein. „Beruhige dich, Naranda, trotz allem sollten wir ruhig und sachlich bleiben. Es muss auch diesmal eine Möglichkeit geben irgendetwas zu unternehmen“, sprach Raunhold, auch wenn er den Anschein machte, seinen eigenen Worten kaum glauben zu können. „Richard…“, murmelte Ines. „Es ist vorbei… Wie sollen wir die Macht der Weisen von damals reaktivieren, sodass Link die Möglichkeit hat in andere Welten zu reisen, das ist nicht machbar!“ Sie sprach jene Worte aus, die alle anderen bereits mit erschreckender Gewissheit dachten. „Noch sind wir hier“, meinte Dar und strich sich über seinen kugelrunden Bauch. Erst vorhin hatte er sich alle möglichen Sandwichs in den Bauch gehauen. „Selbst wenn Ganondorf durch Welten und Zeiten reisen kann, wir sind noch immer hier, was bedeutet, dass er auch uns unterschätzt. Wir sind noch immer hier und lebendig, er weiß nichts von uns oder unserem Einmischen in seine Pläne.“ „Das mag stimmen“, erwiderte sie. „Trotzallem sind uns die Hände gebunden… Wir haben gerade mal einen Bruchteil unserer einstigen Magie…“ „Donnerwetter hoch dreizehn“, grölte Dar, holte die Worte brummend aus seinem Bauch. „Da sind uns halt zu einem großen Grad die Hände gebunden, na und? Das heißt noch lange nicht, dass wir aufgeben müssen!“ Ines seufzte. „Ich habe nie behauptet aufzugeben… nur klingen Ganondorfs Pläne mehr und mehr wie ein riesiger Alptraum für mich.“ Sie stemmte die Hände auf den Tisch und zog sich auf die Beine. „Seien wir doch einmal realistisch.“ Alle Augenpaare musterten die stolze Ines Schattener in ihrem Karateanzug. „Wir haben eine Prinzessin, die sich in Depressionen verloren hat anstatt zu kämpfen. Wir haben einen Helden, der nichts weiß von seiner wahren Natur. Und wir haben einen Haufen ehemaliger Krieger aus Hyrule, die kaum Magie besitzen.“ „Und die es trotz allem geschafft haben unerkannt zu bleiben, die gerissen sind, die Ganondorfs Pläne, was die Erde betrifft sehr gut im Blickfeld haben, ist das etwa nichts?“, meinte Dar. „Wir sollten nicht damit beginnen an uns zu zweifeln.“ Ines pflanzte sich mit einem Schnauben auf ihren Holzstuhl und atmete tief durch. Hatte sie sich mittlerweile von Zeldas Mutlosigkeit anstecken lassen, fragte sie sich. „Und was für ein Haufen verrückter Leute wir sind“, stimmte Naranda mit ein. „Wir agieren im Untergrund, können unsere alten Persönlichkeiten kaum ablegen.“ Sie lachte mit einem Mal, lachte laut und befreiend. Auch Rutara grinste daraufhin und fasste wieder mehr Mut. „Wir sind schon ein schräger Haufen…“, „Ein unglaublich dummer Haufen“, meinte Ines und lachte ebenfalls. Selbst wenn die Lage hoffnungslos erschien, aufgeben hatte es für sie alle niemals gegeben. Wenn noch ein Bruchteil der wahren Natur der einstigen Beschützer Hyrules in ihnen steckte, dann würden sie alle dieser Hoffnung folgen. Aufgeben würden sie niemals. „Ich bin froh, dass wir hier sitzen können und dass ihr mir den Kopf wascht.“ „Gern geschehen“, grinste Naranda und zwinkerte. Sie hatten einander immer Beistand geleistet, gerade in Zeiten wie diesen. Sie hatten sich gegenseitig aus dem Sumpf der Mutlosigkeit herausgezogen. Keiner blieb zurück. „Was ist eigentlich mit Link und Zelda? Warum sind sie nicht mit dabei? Es wäre mir lieber, wenn Link von uns über diese Themen informiert werden würde.“ „Ach, ich bitte dich, die beiden haben sich erst jetzt wieder gefunden… lass‘ ihnen ein paar Stunden…“, sprach Ines zögernd. „Aaaahaaaa…“, entgegnete die rothaarige Schönheit mit langgezogenen Vokalen. „Nicht das, was du denkst, Naranda“, murrte Ines, bewegte ihre lange Nase, die plötzlich kitzelte und blinzelte mehrfach. Naranda grinste immer wilder. „Ach ja? Du solltest lieber vorsichtig sein. Sie sind beide im besten Alter… Unterschätze Link mal lieber nicht. Hast du Zelda über moderne Verhütungsmethoden aufgeklärt?“ Impa räusperte sich und blickte schräg seitwärts. Sie hatte dieses Thema bei ihren beiden Schützlingen nicht so rasch in Erwägung gezogen. „Und wenn schon, das geht uns nichts an. Ich wäre froh, wenn Zelda mal etwas auftauen würde… sie braucht das jetzt… nachdem in der Vergangenheit so viel schief gelaufen ist.“ „Aber Link ist vielleicht nicht ihr Link…“, mischte sich Rutara ein. Sie hatte auffällige rote Wangenbäckchen. „Doch, ich bin mir eigentlich sicher, dass er es ist“, widersprach die Kriegerin, die einst die Wüste beheimatet hatte. „Warum?“ Rutara strich sich ihre nassen, dunklen Haarsträhnen verstört aus dem Gesicht. „Weil er sie vergöttert… Das ist mir schon aufgefallen, als Zelda bei den Braverys gewohnt hat.“ „Wie du meinst… dann halt ein bisschen wie ihr Link.“ Rutara verschränkte die Arme trotzig. „Du bist eifersüchtig, Rutara“, meinte Naranda mit einem Zwinkern. „Wer sagt denn sowas! Link ist mir viel zu jung.“ „Das hätte dich damals auch nicht gestört“, lachte die rothaarige Schönheit. „Dich hat damals nicht einmal gestört, dass ihr überhaupt nicht kompatibel wart.“ Rutara ballte die Hände zu Fäusten und blickte streitsüchtig drein. „Leute, könnt ihr bitte wieder zum Thema zurückkommen“, nörgelte Raunhold und schüttelte genervt den alten, klugen Kopf auf seinen schmalen Schultern. „Ihr benehmt euch wie pubertierende Jugendliche.“ „Entschuldigung“, sprach Rutara und Naranda gleichzeitig und nippten dazu beide noch von ihren Schnapsgläsern. „Apropos, Link“, meinte Rutara besorgt. Sie strich sich ihre schwarzen Strähnen aus dem feuchten Gesicht. „Ganondorfs Lakai erwähnte etwas davon, dass er eine Überraschung für den Heroen hätte, wenn er das nächste Mal ein Konsolenspiel spielt… dass man ihn an seiner Energiesignatur erkennen würde. Was könnte er damit gemeint haben?“ Daraufhin blickte Dar entschuldigend drein. Er verriet sich durch seine roten Wangen in seinem kugelrunden Gesicht, grinste und räusperte sich. Mit verschränkten Armen trat Impa innerhalb Sekundenbruchteile direkt hinter seinen Sitzplatz, hatte ihre Augen geschlossen und schüttelte ihren schmalen Kopf. „Dar, hast du uns irgendetwas mitzuteilen?“ Der gutmütige Arzt kratzte sich an seinem grauen Haaransatz und strich sich mit der anderen Hand über seinen kugelrunden Bauch. „Es gibt da wohl etwas, das ich vergaß zu erwähnen.“ Impa schüttelte noch immer missbilligend den Kopf, ließ einen Hauch ihrer Shiekahpersönlichkeit durch ihre Gesichtszüge und rubinroten Augen schillern. Manchmal, wenn sie ihre wahre Natur an die Oberfläche ließ, war ein Schatten in den Räumen spürbar, zeugte von einer geheimnisvollen Stärke und von gnadenlosem Willen. Shiekah hatten nicht umsonst den Ruf eines Volkes, das alte, gefährliche Riten vollzog, die Schmerzen kaum kannten und die sich wie Schatten verstecken konnten. „Dar!“ Diesmal klang Impas Stimme aufbrausend und energisch. „Ist ja schon gut…“, brummte Dar. Und alle Augenpaare wanderten neugierig zu einem beschämten Dar, der seine wahren Motive darüber, weshalb er niemandem von Links damaliger seltsamer Verletzung erzählte, für sich behalten wollte. „Ja, als Zelda in diese Welt kam, war der junge Held bereits auf unerklärlichem Wege verwundet. Ich habe mich um die Wunde gekümmert und auch darum Zelda mit ihrem Gedächtnisverlust zu begutachten.“ „Warum hast du uns nicht eher etwas davon gesagt?“, meinte Richard Raunhold. Seine alten, weisen Augen erzählten leichten Zorn. „Damals, als Link verwundet war, erschien es mir richtig, dass Zelda und er zusammen sind.“ „Das heißt, du wusstest viel länger, dass Zelda bei ihm ist?“, brüllte Ines aufgeregt. „Beim Triforce, Darunia!“ Er zuckte nur mit den Schultern und schlürfte sein Bier herunter. „Und hat es irgendwem geschadet?“, sprach er, überraschend sortiert und ruhig. Natürlich ließ sich Dar kaum aus der Ruhe bringen. Er war einst ein Steine liebender Gorone, der sich von niemandem durch die Gegend scheuchen lassen würde. Goronen konnten über die Maßen gemütlich und dickköpfig sein. „Es war der beste Weg… ohne unser Einmischen.“ Impa seufzte, aber verstand langsam. Der einstige Darunia hatte für seinen Bruder Link eine wohlwollende Entscheidung getroffen. Er hatte ihm und Zelda Zeit verschafft, die sie beide mit etwas Lebensnotwendigem füllen konnten. Mit nichts anderem als glücklichen Momenten, die sie in Hyrule so spärlich für sich beanspruchen konnten. Der gut genährte Arzt lehnte sich zurück, grinste nach wie vor. „Tja, was soll ich sagen. Ich würde es wieder tun.“ Impa schüttelte missbilligend den Kopf, aber begann ebenfalls ein Grinsen um ihre Gesichtszüge aufzubauen. Wie auch sollte man dem gutmütigen Weisen des Feuers für diese herzensgute Tat etwas nachtragen? „Wie auch immer, Dar, es geht schließlich auch darum Link zu schützen. Wir können nicht riskieren, dass er in eine von Ganondorfs Fallen hinein tapst und das aus blanker Unwissenheit.“ Mütterlich und doch streng kamen die Worte über Impas schneidige Lippen. Dar nickte bestätigend, auch wenn er seine Handlungsweise nicht bereute. Warum auch? Vielleicht war es Zelda und Links notwendige Verbindung, welche ebenfalls ein Puzzleteil im Kampf gegen die Wiedergeburt des Todbringers darstellte. „Wenn er sich beim Konsolenspielen verletzt hat, dann müssen wir ihn dringend warnen. Er darf das Zeldaspiel nicht einmal anrühren!“ Impa bewegte ihre durchtrainierte Gestalt energisch und nervös durch den Raum. „Ich werde sofort bei den Braverys anrufen!“, murmelte Rutara. „Ich möchte mir sicher sein, dass alles okay ist. Sara ist bestimmt zuhause.“ Und mit diesen Worten hetzte Rutara aus dem geheimen Schutzbunker hinaus in eines der höheren Stockwerke, um eine Verbindung in ihrem Smartphone zu nutzen. Die Worte des Bösen, erklungen mit dem alten Schrecken in einer der Gotteshäuser der Erde, klangen noch immer in ihren Gedanken nach. Auch ihr lag Links Schicksal am Herzen, noch immer… selbst nach Jahrhunderten. Rutara beeilte sich, hoffend wie immer. „Erinnerst du dich an den Tag, an dem ich dich gefunden habe. Ich habe dir genauso wie jetzt eine Tasse Tee gereicht“, sagte Link, als er in seinem gemütlichen Zimmer vor seiner Prinzessin stand. Etwas nachdenklich saß sie auf seiner waldgrünen Ledercouch und ließ den Blick nach draußen schweifen. Das große Fenster in Links Stube war geöffnet, brachte frische Luft und wenige Regentropfen herein, und tat gut. „Ja. Genauso war es damals“, murmelte sie, ohne seine Frage wahrgenommen zu haben. Sie nahm ihm die Tasse ab und richtete ihren Blick auf das unschuldige Heldengesicht. Alles an ihm hatte sie vom ersten Tag an fasziniert, damals schon, in Hyrule. Sie wusste nicht, ob er die direkte Wiedergeburt ihres Heroen war, aber alles an ihm erinnerte sie an den Helden der Zeit. „Link, darf’ ich dir eine… Frage stellen?“ Er kniete vor ihr nieder und sagte charmant: „Tausende.“ Sie versuchte es mit einem leisen Lächeln als bestätigende Reaktion auf diesen Charme. Er war so gut darin Menschen aufzuheitern. „Ich… ehrlich gesagt, sind es wohl Tausende Fragen in meinem Kopf.“ „Dann frag‘ mich doch einfach der Reihe nach“, schmunzelte er und nahm ebenfalls auf dem Sofa Platz. Sie wand sich zu ihm, sah ihm direkt in die Augen, auf eine ernste und bestimmende Weise, so wie sie es sich selten traute. „Jetzt, wo du weißt, wer du bist und dass irgendwann ein großer Kampf ansteht…“, begann sie, worauf er das Grinsen im Gesicht verlor. Sein Blick ging zu Boden. „Wirst du den anderen mitteilen, wer du bist?“ Er seufzte, wirkte bedrückt und überrascht zugleich. Vielleicht ein winziger Teil in ihm hatte geglaubt, er könne sein Leben so weiterführen wie bisher und dieses Wissen seiner Familie ersparen. „Wirst du deinen Freunden und deiner Familie erklären, dass es noch größere Gegebenheiten gibt?“, sprach sie vorsichtig. Erneut unterließ er es zu antworten. „Sara…“, murmelte Zelda. „Sara weiß mehr als du denkst, Link.“ Er erhob sich, schloss das Fenster und verhielt sich auffällig abwehrend. Er stemmte seine Arme auf die Fensterbank, sah sein Gesicht, das sich im glänzenden Scheibenglas spiegelte und sah seinen eigenen Ärger darin. „Ich weiß, dass ich gesagt habe, ich beantworte dir deine Fragen, aber muss dieses Thema jetzt sein?“ „Link… wir wollten reden, das hast du selbst gesagt…“, sprach sie vorsichtig. Ihre Stimme bekam Risse. Verwundert wand er sich zu ihr, sah eine Unsicherheit in ihren Gesichtszügen und in ihrer Gestik, die ihm bisher nicht aufgefallen war. Es schien ihm, als fürchtete sie sich vor seiner Reaktion. „Verdammt nochmal, Zelda, ich wollte einen angenehmen Abend mit dir verbringen. Ja, ich wollte reden, aber nicht darüber wie ich meiner Familie unser Schicksal erklären soll!“ Er breitete enttäuscht seine Arme auseinander. Musste seitdem er aus dem Urlaub zurückgekehrt war, alles so kompliziert zwischen Zelda und ihm sein? Sie trat zu der Nintendokonsole, streichelte mit ihren beiden Händen darüber. „Kann es sein, dass du da alles hier… bereust?“, meinte sie und biss sich sofort auf die Lippen. „Dass ich was bereue?“ „Den Tag, als du mich gefunden hast. Die Erkenntnis der Held Hyrules zu sein. Die vielen ungeklärten Fragen und Kämpfe…“, meinte sie betrübt. „Ist das jetzt dein Ernst?“, sprach er lauter. Unverständnis zeigte sich in seinen tiefblauen Augen, gemischt mit noch mehr Ärgernis. „Du fragst mich wirklich, ob ich es bereue, dass ich dich gefunden habe“, meinte Link entrüstet. „Verdammt, Zelda, warum sollte ich?“ „Weil ich dich einmal mehr in die Geschehnisse hineingezogen habe…“, seufzte sie. „Und? Denkst du etwa, das liegt an dir?“ Seine mit Gram erfüllten Blicke trafen ihre. „Es war meine eigene Entscheidung, dich in den Wäldern zu suchen und ich bin mir sicher, dass es auch damals meine Entscheidung gewesen ist, dir zu helfen. Zelda, ich brauche meine Erinnerungen nicht, ich brauche mein Gedächtnis nicht, um dich zu…“ Sie rissen beide die Augen auf, nur um trübsinnig zu Boden zu blicken. ,So viel zu einem angenehmen Abend‘, dachte der Held. Er hatte sich wahrhaft gewünscht, er könnte mit seiner Prinzessin reden, bewirken, dass sie beide entspannen konnten, loslassen konnten. Er hatte sich so sehr gewünscht, ihr näher zu kommen. „Wie auch immer. Vielleicht gehe ich wieder zu den anderen oder ich gehe eine Runde nach draußen…“ Es war nicht wirklich das, was er gerade wollte, aber die Stimmung zwischen ihm und seiner Prinzessin schien seit vorhin nicht besser zu werden. Vielleicht lag es daran, dass er mittlerweile frustriert war… weil er nicht mit ihr allein sein konnte und weil sie irgendwie… abblockte… Beim lieben Deku, war es denn wirklich zu viel verlangt ihr nahe zu sein… Sein Herz stolperte bei dem Gedanken, stolperte auf diese sehnsuchtsvolle Weise… erst jetzt schien er wahrlich zu realisieren, was er gerade brauchte. Er wollte einen Kuss… nicht wegen dem Stillen seines Verlangens, sondern weil er irgendwie… etwas Trost und Zuneigung brauchte… „Warte“, murmelte sie. „Ich möchte noch etwas wissen…“ „Ja?“, sprach er genervt. Aber er war wohl eher genervt von sich selbst. Er wusste nicht, weshalb er so viel Wut im Bauch spürte. „Also… Hast du an dem Tag, als ich in diese Welt kam, eigentlich schon gewusst, wer ich bin, weil du dich mir gegenüber so verständnisvoll verhalten hast? Ich meine, es war nicht normal, dass wir so vertraut miteinander umgegangen sind.“ Sie spielte nervös mit ihren Händen und erst da fiel dem Heroen auf, dass sie den wunderschönen Falkensmaragdring aus Weißgold nicht mehr trug. Ob dies eine tiefere Bedeutung hatte? „Vielleicht war es nicht normal, dass wir… dass wir uns irgendwie nah waren. Ich kann mich bis heute an nichts erinnern und im Nachhinein kommen mir die ersten Tage mit dir einfach nur vor wie ein schöner Traum, als wäre nichts dergleichen wirklich passiert… Und trotzdem, ich habe es genossen, bei dir zu sein.“ Seine Stimme verblasste und er ging betreten aus dem Zimmer, zurück blieb eine verdutzte Zelda. Sie war durcheinander, wusste nicht mehr, wie sie sich Link gegenüber verhalten sollte, wo sie letztlich über die wichtigen Dinge nicht gesprochen hatten. Aber seine Worte, und der tiefgehende Klang seiner Stimme brachten ein echtes Lächeln in ihre traurige Mimik. Sie dachte ungewollt an Links Charme und seine herzliche Art, an alles, was sie an ihm liebte. Wie wenig er sich doch durch seine Wiedergeburt verändert hatte… Auch wenn er so viele Zweifel erlebte, sie spürte in allem, was er tat den einen Heroen, den sie brauchte um durchzuhalten, genauso wie damals… Zelda entschied ein wenig Ruhe zu suchen, kuschelte sich ohne nachzudenken in Links Bett und ignorierte die intime Grenze, die sie damit überschritt. Sie drückte ihr Gesicht in sein Kissen, sog so viel von seinem Geruch ein, wie sie nur konnte und verfiel in leichte Tagträumereien… Zelda schloss die saphirblauen Augen, spürte mehr und mehr Müdigkeit über sich hereinbrechen, vielleicht, weil sie die Nacht über genau hier an Links Bettkante gewacht hatte. Das Gefühl einer bleiernen Schwere glitt über ihren Körper hinweg mit der Gewalt von gefühlten Tonnen. Sie konnte sich kaum mehr wach halten, fühlte sich mit jeder Sekunde umso erschlagener. Sie versuchte sich aufzurichten, bis sie den Eindruck hatte, dass sie kaum dagegen ankam. War das wirklich nur ihre Müdigkeit, die sie gerade aufsaugte? Doch die Prinzessin ahnte nicht, dass in dem Augenblick etwas anderes in Links Zimmer nicht mehr stimmte. Sie ahnte nicht, dass eine neue Gefahr aus einer geheimen Zwischenwelt auf sie zusteuerte und dass eine Pforte geöffnet wurde. Zeldas Körper wurde schlapp, ihr Augenlicht funkelte durch einen winzigen Spalt an ihren Wimpern, so, dass sie gerade noch ein Glühen ausgehend von der Spielkonsole in Links Zimmer erkennen konnte. Ein heißes Lodern und doch funkelnd wie ein Eiszauber werkte vor ihr, saugte an ihrer Energie, bis sie ohnmächtig wurde… Gerade als Link die wenigen Treppenstufen nach unten trat, läutete das Telefon mit einer fröhlichen bekannten Schlagermelodie. Immer wieder stellte seine Mutter Meira diese ohrenbetäubende Melodie ein, vielleicht weil sie wusste, dass irgendjemand im Haushalt dann endlich abheben würde. Der grünbemützte Bursche war von den anderen noch nicht bemerkt worden, wohl, weil er geknickt durch das schief gelaufene Gespräch mit Zelda sich unscheinbar und leise verhalten hatte. Er trat in den schwach beleuchteten Korridor, wo das Telefon stand und sah seine kleine Schwester bereits an der Leitung. Plötzlich hörte er seinen Namen aus dem Gespräch, das Sara mit einer aufgeregten Stimme führte, die er erst nach langem Überlegen als die von Rutara von Wasserstein erkannte. Unauffällig platzierte er sich neben der Tür, verfolgte neugierig, was Sara wohl mit jener ehemaligen Schülerin zu besprechen hatte. „Nein, nein, Zelda und Link sind wohlauf. Warum machst du dir solche Sorgen?“, sprach sie, in ihrer aufgeheiterten, leicht schwammigen Stimme war der mundige Wein von vorhin noch zu erahnen. „Was sagst du da?“, meinte sie. Sara stutze plötzlich, ließ für einen langen Augenblick den Hörer aus ihren Händen sinken und sackte auf einem kleinen Hocker neben dem Telefon zusammen. „Aber wie…“, hauchte sie ängstlich über ihre schmalen Lippen. Seine kleine, immer so gewitzte und gut gelaunte Schwester, zeigte eine Verzweiflung, die er nicht von ihr kannte. Gerade da trat Mike von dem Badezimmer in den Gang, beobachtete mit ebenso besorgter Mimik Saras Verhalten und legte ihr schließlich die Hände auf die Schultern. „Er beeinflusst so vieles? Wie kann das sein?“, sprach sie nervös. Sie hielt eine von Mikes Händen fest umklammert, ihre blaugrauen Augen glasig und voller Besorgnis. Sie nickte bestätigend, während sich das Gespräch immer mehr in die Länge zog. „Auch das noch? Aber das könnte Links Bauchwunde von damals erklären“, flüsterte sie. „Ich verstehe, sie nutzten Links Energiesignatur, um ihn zu finden und zu verletzen und beeinflussten diese Welt von einer anderen Dimension aus.“ Link, der im Halbdunkel des Korridors, wartete, lauschte und mit jedem beinahe verräterischen Wort, das sich in seine ohnehin düsteren Gedanken grub, mehr und mehr den Kopf sinken ließ, spannte die Fäuste, hörte es knarren in seinen Handinnenflächen. So war das also, dachte er, Sara wusste etwas, wusste mehr als sie zugab. Zelda hatte ihm vorhin versucht dies mitzuteilen, und doch… war er, was seine Schwester anging, vielleicht zu blind. Blind vor Besorgnis mit diesem Wunsch zumindest für seine Familie eine heile Welt aufrechtzuerhalten. Link war das, was man einen beschützenden, großen Bruder nennen würde. Und er hatte, eher unbewusst und doch beständig dahingehend Sorge getragen, sie zu behüten. Sie war seine kleine Schwester, seine kleine, witzige, lebensfrohe Schwester, die den Ernst des Lebens doch nicht kannte. Seine kleine, unschuldige, liebenswerte Schwester, die nichts von der Grausamkeit seines Schicksals ahnte. Es war das, was er versucht hatte sich vorzugaukeln, einzureden, zu hoffen. Wenn nicht einmal Sara vor den Ereignissen um Hyrule sicher war, wer war es dann überhaupt noch? Links Fäuste glühten innerlich, weil in ihm auch der letzte Rest seiner heilen Welt zerbrach, als er sich aus dem Halbdunkel preisgab und vor Sara und Mike trat. Und als er den Blick hob, seine tiefblauen Augen ein Spektakel von Zerrissenheit und Wut, erschrak Sara daran und legte blitzschnell den Hörer auf. „Link…“, murmelte sie erzwungen und verletzlich, und in Links Augen so anders… so erwachsen. „Sara… wer hat denn gerade angerufen?“ Er sprach langsam und vorsichtig. Der Zorn in seinem Bauch ließ seine Gesichtszüge erstarren. Da war jene Härte auf seiner Haut, die Sara nur in seltenen Momenten gesehen hatte. Momenten der Gefahr… alptraumhaften Momenten. „Ich habe… ein paar Brocken von dem Gespräch mitbekommen…“, erklärte er mühevoll. Seine Stimme kühl und tief, dämmernd, als senkte sich eine ungewollte Finsternis darüber. „Link, bitte, ich erkläre dir das nachher in Ruhe…“, versuchte sie zu beschwichtigen. Aber der Heroe erkannte die Intention sofort und spannte erneut die Fäuste. Er war so unheimlich enttäuscht, dass er explodieren könnte. „Sara, sag‘ mir, verdammt nochmal, was das hier zu bedeuten hat!“, brüllte er. „Bitte Link, lass‘ uns in Ruhe darüber reden, aber jetzt… geht es um etwas viel Wichtigeres. Hast du das Zeldaspiel angeschaltet?“ Sara Bravery führte die Hände aneinander wie ein kleines Kind. „Einen Teufel werde ich tun!“, fauchte Link, so energisch, dass seine Stimme beinahe klang wie im Spiel. Erschrocken von sich selbst wirbelte er zurück. Und auch Mike reagierte auf Links wütenden Ton. Beinahe beschützend trat Mike vor Sara, in einer Haltung und mit einer Mimik, die Link seinem einstigen Feind nicht zugetraut hatte. Mikes wiesengrüne Augen starrten den jungen Heroen vorwurfsvoll an, starrten ihn nieder. „Zügle deinen Ton, Link.“ „Was mischst du dich eigentlich ein, wenn ich etwas mit meiner Schwester zu klären habe!“, pfefferte Link zurück und fühlte sich irgendwie auf der Anklagebank. „Sara, du weißt alles?“ „Es ist okay, Mike“, beschwichtigte sie und legte ihrem Freund den Arm um die Schultern. Sie blickte ihrem Bruder aufrichtig in seine tiefblauen Augen, sah die vielen ungewissen Fragen und eine ansteckende Verzweiflung in den sonst so Mut erfüllten Augen. „Link, bitte hör‘ mir jetzt genau zu. Du darfst das Zelda-Spiel nicht mehr anrühren. Ist deine Konsole angeschaltet?“ „Nicht, dass ich wüsste…“, seufzte er. Er war gerade so enttäuscht von Sara… Wie nur konnte sie ihm ihr Wissen verschweigen und sogar Mike einweihen? „Das Böse hat es geschafft dich an deiner Energiesignatur aufzuspüren, ich weiß allerdings nicht, welche Kreatur es schaffte dich damals durch das Spiel zu verletzen. Es ist jedenfalls klar, dass Ganondorfs Diener das Spiel wie eine Pforte nutzt… sie haben es die gesamte Zeit genutzt um dich hier in dieser Welt zu finden.“ Sara sagte dies mit einer Selbstverständlichkeit, dass es ihm schlecht wurde. Hatte er wirklich nicht gemerkt, dass sie die gesamte Zeit über ein Teil dieses absurden Kreislaufs war? „Wann hast du das letzte Mal Zelda gespielt?“ „Seit Zelda hier ist… kaum mehr… ich weiß nicht mehr, wann genau.“ Seine Stimme klang verletzlich weich, unterlegt mit einem raunenden Hilferuf. Sara atmete erleichtert auf. „Es wäre besser, wenn wir die Zeldaspiele zerstören. Ich bin auch nicht mehr so begeistert davon überhaupt eine Konsole in diesem Haus anzuschalten.“ Link nickte schwermütig und ahnte eine nahende Gefahr. War das nicht zu spät? Erst vorhin hatten die Jugendlichen Smash Brothers gespielt. „Brüderchen… ich wollte seit einiger Zeit mit dir reden. Das soll keine Ausrede sein, aber ich hatte das Gefühl, ich finde keinen passenden Zeitpunkt.“ Sara versuchte es mit einem entschuldigenden Lächeln, aber Link schwieg. Was sollte er auch sagen? Er fühlte einmal mehr eine hinterhältige Überflüssigkeit, ein Zurückgelassen werden in seinen Fragen, so wie zu jenem Zeitpunkt, als Zelda sich von ihm distanziert hatte. Eine scheußliche Bürde legte sich über seine viel zu jungen Schultern, als er die Erinnerung an seinen uralten Lebenszweck riechen und hören könnte… Er trug die Bürde alles anzunehmen, was man ihm auferlegte. Er trug die Bürde anderer Erwartungen zu erfüllen und der eine Held zu sein, der das Unmögliche erdulde. Selbst wenn es um Verrat ging, wenn es um Verbote ging, wenn es um Versagen ging. Er erduldete… „Was ist mit Rick und Maron, wissen sie es auch?“, fragte er dann, drehte seiner Schwester den Rücken zu. „Nein…“, murmelte Sara und ahnte gleichzeitig, was nun kam. „Wissen Mum und Dad irgendetwas?“ „Link, ich bitte dich…“, sprach sie, aber er unterbrach sie forsch. „Weiß es sonst jemand?“ Seine tiefblauen Auen blitzten mit Enttäuschung, ungerechter, hinterhältiger und stechender Enttäuschung. Es war nicht nur, dass sein Weltbild zerbrochen war, zerstückelt mit einer wahnsinnigen Klinge der Erinnerung an ein uraltes Dasein. Es war diese absolute Entehrung und Unvernunft hinter diesem Teufelskreis. Link hatte sich niemals beschwert, in vielleicht keinem Leben vorher. Er war dankbar gewesen für den erfüllenden Heldenstolz, den freiwilligen Glauben an seine Daseinsberechtigung. Aber… war es denn wirklich so verdammt selbstverständlich, dass er kämpfte? Er war niemals vor einem Kampf weggelaufen, er hatte auch wichtige Entscheidungen nicht vermieden, aber gerade jetzt, brauchte er irgendwie Abstand. Nicht nur, weil er sich von Sara hintergangen fühlte, auch weil am heutigen Tag einiges nicht so lief wie er es sich vorgestellt hatte. Link seufzte, schloss die trübsinnigen Augen und brachte etwas notwendige Entspannung in sein aufgebrachtes Gemüt. Er schüttelte den Kopf mehrfach. „Ich muss etwas frische Luft schnappen“, sprach er und trat mit geballten Fäusten zur Hintertür hinaus, versuchte sich im Garten in der verhüllenden Dunkelheit ein wenig herunter zu regeln. Noch immer zog der Sturm über Schicksalshort, verdeckte das brausende Sternenlicht und den einsamen, liebevollen Schein des Mondes. Aber der Regen hatte aufgehört, hatte eine angenehme Frische mit sich gebracht. Mit dem Versuch seinen Kopf zu leeren, ließ sich Link von der nassen Hollywoodschaukel wiegen… Sara sackte indes mit einem Akt der Verzweiflung auf den Hocker neben dem Telefon nieder und rieb sich das müde Gesicht. Diese ganze Situation war so unfair und absurd. Link hatte jeden erdenklichen Grund wütend auf sie zu sein, aber er kannte noch nicht die gesamte Wahrheit. Sie seufzte und blickte hilfesuchend in die Augen ihres Freundes Mike. Wie nur sollte sie ihrem Bruder beibringen, dass sie ein Teil seiner Vergangenheit war… In dem Augenblick dröhnte ein Geräusch von Links Zimmer ausgehend durch das Einfamilienhaus der Braverys und ließ alle, auch Maron und Rick im Gästezimmer zusammenzucken. Es war ein Röhren, übernatürlich, als ertönte ein Horn, das die Geister von Riesen befehligte. Entsetzlich und ohrenbetäubend… und noch im selben Augenblick riss Zelda die Tür zu Links Zimmer auf und kam humpelnd heraus. Sie hielt mit der einen Hand ihren anderen Arm fest umklammert, wirkte müde und erschlagen, aber ein angriffsbereiter Schimmer auf ihrem Gesicht ließ Sara aufhorchen. Stur trat die einstige Prinzessin die Stufen hinab, fixierte Sara mit einem Ausdruck, der Gewaltbereitschaft verriet. „Wo ist er?“, rief sie, unterlegt mit Panik. „Wo ist Link?“ Erneut knallte ihre Stimme beinahe befehlsgewaltig nieder. Sara versuchte sich zu sortieren, zu beruhigen, ahnend, dass etwas vorgefallen war, dem sie alle nicht entkommen konnten. „Bitte beruhige dich, Zelda. Was ist passiert?“ Gerade da kamen Maron und Rick mit herber Verwunderung auf den Gesichtszügen herbei geeilt und bemerkten sofort Zeldas Panik. Sie zitterte und zeigte deutliche Spuren von Verzweiflung auf ihrem schönen Gesicht… auch ihr Haar war zerzaust, was nicht zu ihrem Erscheinungsbild passte. Sie suchte mit durchdringenden Blicken nach ihrem Heroen, blickte nervös umher. Sie konnte kaum Maron und Rick in diese Angelegenheit mit hineinziehen, aber sie spürte, dass ihr Held in Gefahr war. „Sara“, sprach sie. „Es ist das Spiel!“ „Wie meinst du?“ „Ihr habt vorhin gespielt, ihr habt vorhin… den Zugang geöffnet“, sprach sie verzweifelt und schlug die Hände ins Gesicht. „Wo ist Link?“ Fiebrig rot schimmerte ihre beißende Verlustangst, lähmte ihre schönen Züge. „Er ging nach draußen… um den Kopf frei zu kriegen“, sprach Mike, seine eher helle Stimme wirkte benommen und schuldbewusst. „Leute, was ist hier eigentlich los?“, forschte Maron nach, während Ricks rehbraune Augen kaum Überraschung zeigten. Er kannte seinen besten Freund schon seit der Kindheit. Er war immer mit involviert gewesen in Links merkwürdige Abenteuer. Er war immer Zeuge der seltsamsten Erlebnisse in seiner Gegenwart. Und es war sehr oft, dass Rick versucht hatte ihm zu helfen und der beste Freund zu sein, der er sein konnte. Immer… treu und loyal. „Wir müssen Link sofort finden! Sofort!“, tobte die vergessene Prinzessin. Mit einem tiefen Atemzug marschierte sie in Richtung Hintertür und lief in den Garten. Sie war panisch und konnte sich kaum beruhigen, ihr Herz schlug ihr bis zur Kehle vor nagender Angst. Während Zelda im Garten der Braverys herumirrte und Link scheinbar wie vom Erdboden verschluckt war, hetzte Sara gemeinsam mit Mike in Links Zimmer, um die Antwort auf Zeldas besorgtes, ängstliches Verhalten zu finden. Und tatsächlich erkannte Sara endlich Zeldas Befürchtung als real. Die Spielkonsole war auf eine seltsame Weise verbrannt und vereist zugleich, zeugte davon, dass etwas übernatürliches hier am Werk gewesen war. Auch ein Teil von Links Bettlaken waren verbrannt und vereist, so als hätte eine magische Kraft sich von der Konsole durch das Zimmer bewegt. Sofort traten Schuldgefühle in Saras Bewusstsein. „Es ist zu spät… Rutara hat mich noch gewarnt und nun ist es zu spät!“, rief sie und schlug sich die Hände ins Gesicht. Mike verstand ebenfalls und rannte hinter Sara her, die schluchzend in den Garten stürmte. Link war in massiver Gefahr, genauso wie damals, als er sich Wunden beim Zeldaspielen zugefügt hatte. Aus irgendeinem Grund hatte das Böse, ausgerechnet heute, erneut agiert und Flüche gegen den Heroen ausgesprochen… und alles nur, weil Sara und die anderen vorhin in seiner und Zeldas Gegenwart sich mit der Wii- Konsole verknüpft hatten? Ahnungslos traten Rick und Maron ins Wohnzimmer, nicht sicher, was sie gerade tun sollten und was überhaupt los war, als plötzlich wie von Geisterhand der riesige Flachbildschirm im Wohnzimmer der Braverys ansprang, genauso wie die Wii-Konsole, die neben der Playstation im Wohnzimmer stand. Etwas irritiert blickten die beiden Jugendlichen auf den Bildschirm, sahen immer genauer hin, bis sich Rick erhob und sich blinzelnd direkt vor den Fernseher stellte. Ein merkwürdiges Bild gab er wieder, weder das weiße Rauschen, noch ein normales Programm… Da war ein silberner Schimmer, rundlich, wie eine riesige Seifenblase, etwas, das er noch nie gesehen hatte. Und Rick wusste, dass dies einen übernatürlichen Ursprung haben musste, eine seltsame Anziehungskraft werkte in dem Bild, saugte, vibrierte sodass sich seine Nackenhaare aufstellten. Er spürte Maron, die ihn an seinen Schultern packte und ängstlich zurückzog. Auch sie wusste es, warum auch nicht? Sie hatte vor einem halben Jahr erfahren wie es war von einer namenlosen Bestie kontrolliert zu werden. Sie spürte genauso wie Rick die gruselige Wahrheit, dass auf der Welt etwas nicht mehr stimmte. Und als Maron und Rick fassungslos wenige Schritte zurückwichen, der Strudel im Bildschirm tosender, dröhnender und stärker wurde, hetzten auch Sara, Mike und die vergessene Prinzessin herbei. „Zelda, hast du so etwas schon einmal gesehen?“, fragte Sara, während sie mit ihrer Rechten Mikes rechte Hand fest umklammerte. Maron und Rick wichen derweil immer weiter nach hinten, Maron stolperte und zitterte. Das blanke Entsetzten stand in ihren weichen Gesichtszügen, dieser verlorenen Unschuld, dem gestohlenem Heileweltglauben… „Ja, es ist eine Pforte… die Frage ist nur, wer hindurch kommt“, murmelte die brünette Prinzessin leise und verkrampft. Alles, woran sie denken konnte, war ihr Heroe. Es schien, als wäre er seit vorhin spurlos verschwunden… Und da stieß ein greller Schein durch das seltsame Tor in jene verzauberte, fluchbeladene Zwischenwelt, ein gleißendes Licht, energisch und unaufhaltsam und mit jenem Glimmen donnerte es wie ein Sturm der Gezeiten in Begleitung einer vertrauten Stimme… Eine tiefgehende Stimme, die alle Anwesenden beflügelte und auf ewig beschützen würde. Noch einmal ertönte sie, eine tapfere Stimme der Zuversicht… und jener Klang zeichnete den Kampf, den ein Held irgendwo in dieser Zwischenwelt führte. Und im nächsten Augenblick, beinahe unverhofft, rannte jemand im tiefen Dunst jenes Wirbels vorwärts. Eine jugendliche Gestalt rannte durch den strudelartigen Sog der Pforte in Richtung seines Zuhauses, wirkte verschwommen und winzig in der Ferne. Aber seine Augen leuchteten in der verschlingenden Dunkelheit dieses Alptraums wie blaue Regentropfen in einer grauen Welt des Wahnsinns. Mit Hoffnung und gleichzeitigem Entsetzen sank die Königstochter auf ihre nackten Knie, erkannte ihren Helden in Sekundenbruchteilen und betete, dass er den Weg zurückfand. Er hetzte in ihre Richtung, als konnte er sie von seinem Punkt aus erkennen, als sah er Zeldas heimliches Licht leuchten. Wenn es etwas gab, dass ihn zurück in die Realität der Erde führen konnte, dann doch nur seine Prinzessin. Und seine Gestalt näherte sich, während Zelda ihre Hände aneinander führte und unverständliche Worte säuselte. Sie sprach hylianische Worte wie ein magisches Wehen in der Ferne, wie einen alten Zauberspruch nutzte sie das unzerstörbare Band der Kinder des Schicksals, leuchtete ihm den Weg zurück nach Hause… Und in Sekundenbruchteilen schien Links kriegerische Gestalt größer und größer zu werden, bis er dem Strudel dieses Wahnsinns entkommen konnte. Mit einem gewagten Sprung, elegant und auch unwirklich hüpfte der Held aus dem Flachbildschirm hinein in die jetzige, erfahrbare Realität, atmete das Abenteuer von gerade eben aus seinem durchgeschwitzten Körper. Hier vor dem Bildschirm erhob er sich mit einer silbernen Klinge in der Hand, sein drahtiger Körper in kampfbereiter Stellung, seine tiefblauen Augen erfüllt von legendärer Tapferkeit. Der eine stählerne Held, der Mutbringer Hyrules… Link atmete beinahe fiebrig. Das Feuer in seinen Augen zeugte von der Aufregung und Kampflust, die er spürte, die in jeder Zelle seines Körpers loderte. Er warf einen verstohlenen, beruhigten Blick zu Zelda, ließ sie wissen, dass er unverletzt war, bis er sich in seiner Beschützerrolle vor seine Freunde stellte. „Flieht!“, war alles was er sagte. Ohne jedwede Erklärung, ohne Zögern… ohne Zweifel. Erneut das donnernde: „Flieht!“ mit einer spürbaren Brutalität brach es über seine spröden Lippen, und er deutete den Anwesenden, dass es um Leben und Tod ging. Beherzt und lächelnd ergriff er Zeldas rechte Hand, zog sie ruckartig und beinahe befehlend auf die zittrigen Beine. Und erst da schwappte die Erleichterung, dass es wirklich Link war, der hier vor ihr stand, über sie hinweg. Er war hier, unverwundet, aber der kampfbereite, zornige Ausdruck auf seinen sonst so spielerischen Gesichtszügen belehrte sie darüber, dass nun keine Zeit blieb für Empfindungen und Gefühle. In dem Augenblick hatte der Held nur eine Erwartung an seine Prinzessin. Link wusste, dass Zelda kämpfen konnte. Und sie musste! „Zelda, renn‘ auf den Dachboden, dort hängt ein Jagdbogen meines Vaters, sowie einige scharfe Pfeile! Lauf!“ Und erst da schienen auch die anderen zu verstehen, wie bedrohlich die Lage war. Wenn der Held den Weg aus der Zwischenwelt gefunden hatte, würde es Ganondorfs Diener ebenfalls tun… und er kam. Sie kamen! Zelda nickte und hetzte aus dem Raum, während auch Maron, Rick und Mike Richtung Ausgang stürmten. Sara schenkte ihrem Bruder einen Blick voller Zuversicht und versteckter Bewunderung. Da war Vertrauen auf ihren oftmals verschlagenen Gesichtszügen, ansteckendes Vertrauen. „Brüderchen…“, murmelte sie, während Link beinahe bestürzt die nach wie vor geöffnete Pforte fixierte. Er mied ihren Blick, konnte sich, jetzt, da ein Kampf anstand, kaum auf Gefühle von Verzeihen und Vergeben einlassen, er brauchte alle Konzentration, die er aufbringen konnte. „Geh‘!“, ordnete er an, worauf Sara einsichtig nickte und ebenfalls aus dem Raum hetzte. Bewachend und so legendär, in kampfbereiter Stellung mit aufmerksamen, wachen Blicken thronte Link wie ein mächtiger Wachposten vor dem Strudel in eine andere Dimension, sortierte sich mit höchster Konzentration, verbissen und grimmig… Seine eisernen Gesichtszüge erzählten von der heldenhaften Pflicht und der unwiderruflichen Bereitschaft das Schwert in seiner Hand zu benutzen. Der Stahl summte leidvoll, Leon Johnsons Klinge würde heute das erste Mal Blut schmecken. Er wusste, was hinter dem Strudel auf ihn wartete, er wusste, dass zwei Wesen der Zauberei ihn schon so lange ausspionierten. Erst vor wenigen Minuten war er aufgeschreckt durch einen heftigen Knall ins Wohnzimmer gerannt und völlig wehrlos durch jene Pforte gezogen worden. Was er in der Zwischenwelt fand, war eine abartige Dunkelheit, erstickende, nach Verwesung und Schwefel stinkende Dunkelheit… Er konnte kaum die Hände vor seinen Augen sehen, aber spürte die Anwesenheit zweier Feinde. Und endlich war der finale Moment gekommen diesen beiden Geschöpfen der Finsternis gegenüber zu treten. Endlich konnte sich Link für die Narben am Bauch revanchieren. Endlich… Kapitel 39: Alte Feinde ----------------------- So kampfbereit wie noch nie bäumte sich der Heroe auf, hier vor der Pforte in eine gespenstische Dimension und ahnte nicht, wie hell sein Lebenslicht in gerade jenem Moment leuchtete, jenem bedeutungsvollen Moment, wo er nichts anderes tat als seine Bestimmung als der Träger göttlichen Mutes zu erfüllen. Er wartete zielsicher, ließ die magische Pforte nicht aus seinem Aufmerksamkeitsfokus, wagte nicht einmal zu blinzeln. Auch Zelda, die in dem Augenblick mit dem Bogen in der Hand und Pfeilen in einem Köcher, den sie sich umgehängt hatte, wiederkam, sah die Veränderung in ihrem Heroen, diesen Funken Ehrlichkeit mit sich selbst, dass es vielleicht gerade Kämpfe waren, die ihn zu seinem wahren Ich formen konnten. Dieser beinahe beißende Ehrgeiz in seiner kampfbereiten Haltung schickte Zelda eine Gänsehaut über ihren Rücken, erinnerte es sie mehr als sonst an den Helden aus der verlorenen Zeit. Link war nicht einfach nur vorbereitet für den Krieg, er lebte darin auf, verkörperte den legendären Mut, sodass es sie fröstelte. Zelda nahm einen schnappenden Atemzug und wurde das Gefühl einer herben Ahnungslosigkeit nicht los. War irgendetwas in ihm geschehen, als er in das Götterreich eintrat? Hatte ihn diese Erfahrung mental verändert? Er registrierte seine Prinzessin, nickte, aber widmete sich ununterbrochen dem Tor in eine verkohlte Welt der Dämonen. Gerade deshalb sah er wohl nicht die neue Form von Verwirrung und Besorgnis in ihren edlen Gesichtszügen. Sie versuchte sich von seiner kriegerischen Form loszureißen, und spürte eine bewundernde Anziehungskraft sich überall in ihren Venen einnisten, erinnerte sie an Momente der Vergangenheit… ihrer und Links Vergangenheit… an Augenblicke, die nur ihnen beiden gehörten… „Zelda, bleib‘ zurück!“, entkam seinen Lippen mit einer Gewalt und einem düsteren Klang, der sie erschreckte. Sie trat zögerlich rückwärts, spürte ihr Herz stolpern. „Link… ich…“, benommen schlichen undeutliche Worte aus ihrem Mund. Zeldas Herz trommelte quälerisch vor Angst und Hilflosigkeit. „Du hast diesen Bogen zur Verteidigung, nicht mehr!“, rief Link und erwartete bedingungslose Folgebereitschaft. Natürlich wusste sie das. Es war sein Kampf, seiner allein, das war es, was er für sich erwartete. Ein Teil in ihm hatte auf den Feind gewartet, seit er die Verletzungen beim Zocken erduldet hatte. „Wirst du mir helfen die anderen zu beschützen…“, sprach er dann ruhiger und schenkte ihr ein kurzes, leises Lächeln, zu kurz als es zu erinnern, aber die kampfbereite blonde Schönheit neben ihm nickte. Sie wünschte, sie hätte ihn berühren können, bevor der Feind sie erreichte, aber sie verstand auch, dass es ihn gerade massiv ablenken würde. Sie seufzte, formte Worte der Zuneigung in ihren Gedanken, die sie doch nicht sagen konnte und sprach stattdessen: „Bitte sei vorsichtig…“ „Immer“, erwiderte er und deutete ihr an, diesen Ort zu verlassen. Und Zelda rannte mit zusammengekniffenen Augen aus dem Haus, hetzte in den Garten, wo ihre Freunde warteten. Und gerade da erloschen überall in der alten Straße der Erinnerung die Lichter, das schwindende Licht belegte die stürmische Nacht mit einem Fluch von Dunkelheit und Pech. Irgendwo ging ein Knall nieder, lärmte mit schrillem Getöse durch den peitschenden Regen und stank nach verbrannten Leitungen, nach Qualm und Schwefel. Weitere Blitze zuckten über den Himmel, ließen das große Wohnzimmer in dem Haus der Braverys aufflackern, und das gleißende kurze Licht benetzte auch Links tiefblaue Augen, diese herben blauen Augen, die wie jene einer Bestie zu leuchten schienen. Einmal mehr machte sich der Heroe kampfbereit, als der magische Strudel sich verformte, in die Länge zu dehnen schien und irgendwo in den Tiefen der Vibrationen sah er sie, zwei Gestalten, die sich in langsamen, fauligen Schritten in seine Richtung bewegten. Ein winziger Teil in seinem Inneren hatte gehofft, dass sich die Pforte vielleicht noch schloss, dass die Stabilität in die andere Dimension zerbrach, aber dies war ein Wunschtraum. Ein neuer Kampf stand an, den er mit allen notwendigen Mitteln bestreiten musste und der ihn für das, was noch folgen würde, formte. Er sah die beiden schemenhaften Wesen sich nähern, klein und verhutzelt waren ihre Gestalten, alt und knorrig… und je näher sie kamen, umso deutlicher war der Irrsinn der Existenz zweier dämonischer Kreaturen, die Eis und Feuer beherrschten. Erneut wiederholte sich ein alptraumhafter Kampf im Bann zweier gegensätzlicher Elemente. War es Fügung oder nur ein unerklärlicher Zufall, dachte Link. So wie in Irland kämpfte er nun gegen Feuer und Eis… Sie schritten näher, zwei Bräute der Finsternis und Ziehmütter des Bösen. Niemand wusste um ihre Herkunft, denn sie waren Meisterinnen der Verschleierung. Niemand würde sie erinnern, denn sie waren auch Meisterinnen der ältesten Form der Hexerei, einer grausamen und menschenfeindlichen Praxis. Ihre Häupter waren nun erkennbar, bleich und doch alt wie verdorrte Baumrinde, weißes, dünnes Haar hing in Fetzen über schmalen, alten Köpfen… Altersflecken und Warzen in großer Zahl entstellten die vermeintliche Herkunft jener Wesen aus einem alten Stamm der Gerudos. Denn Gerudofrauen waren beinahe entsetzlich schön, immer eine Augenweide, attraktiv und begehrenswert mit trainierten Körpern, vollen Hüften und straffen Brüsten, selbst im Alter waren jene begnadeten Frauen wunderschön und hoch angesehen… jenen Respekt und Achtung unter allen Völkern Hyrules hatten die beiden Fratzen, die Link hämisch in ihre Aufmerksamkeit zogen, lange verspielt. Schleichend, beinahe humpelnd, traten die beiden durch die Pforte, in langen Leinengewändern mit Mustern und Symbolen der Gerudo. Zauberwerke aus Metall schmiedeten versteckte Waffen an dürren Armen und Beinen, Hexenwerk in Gestalt von mit Edelsteinen besetzten Ohrringen hingen an langgezerrten Ohrläppchen. Ihre Körper waren alt und verbraucht, kaum ernst zunehmen als Gegner eines jungen agilen Helden wie Link es war… wäre da nicht ein verschmähter Durst nach Rache in böswilligen Blicken aus goldenen Augenpaaren… und wäre da nicht ein mordlüsterner Funke in beiden Gesichtern. Sie zischten, als sie ihren Kontrahenten entdeckten, Laute wie sterbende Eulen gepfählt von Jägern. Link trat einen Schritt zurück, wusste die Gefahr nicht zu unterschätzen und wartete auf seine Chance, würde niemals so leichtsinnig sein sich mit brüllendem Getöse in diese Schlacht zu werfen. Diese beiden Feinde waren mächtiger als es den Anschein nahm, mächtiger und erbarmungsloser als so mancher Alptraum. Denn er wusste ganz genau, wer vor ihm stand. Ihre Welt als Mütter des Bösen wurde einst durch einen Helden zum Einsturz gebracht. Und sie kannten nur eine Sprache… die Sprache der Rache. Vor Link traten Kotake und Koume, zwei uralte Kreaturen der Finsternis, genährt von den Schatten dunkler Gelüste, uneins mit der eigenen Existenz hatten Kotake und Koume jegliche Freude und Zufriedenheit ihrer gerudoianischen Wurzeln verleugnet. Und sie waren hier, in dieser Wirklichkeit, und beide besaßen einen alten knorrigen Besen, der über ihre Rücken geschnallt war. Trotz der Dunkelheit in dem Wohnzimmer schienen ihre Körper zu glühen. Sie zischten morbide, so laut und schrill, dass das Glas des Wohnzimmermobiliars klirrte und vibrierte, sie riefen, richteten ihre Gestalten in die Höhe, streckten sich. Verschlagen richteten sie dunkle Blicke aus ihren faltigen Gesichtern in Links Richtung. „Wir haben sie gesehen!“, zischten sie gleichzeitig, als wären sie nur eine einzelne Gestalt, wohlwissend, welche Sprache der Erde Link verstehen konnte, wohlwissend, wie sie ihn beeinflussen konnten. „Sie lebt!“ Und da endlich realisierte Link, wovon sie sprachen. Ihn traf das Entsetzen mit voller Wucht. Sie sprachen von Zelda, hatten sie genauso wie ihn über ein Fenster in die finstere Zwischenwelt beobachtet. „Das Blut Hylias ist noch am Leben und unser Lord wird bereichert sein!“ Ihre schrillen, kratzigen Stimmen zerfetzten die letzte eingebildete Sicherheit für Zeldas Leben in Links Gemüt. Er zog das Schwert vertikal hinab, sodass es den Boden krachend berührte, das Feuer legendären Mutes entzündete sich einmal mehr in seinen Adern. Er war bereit zu kämpfen und bereit seine Prinzessin bis zum Blut zu verteidigen. „Niemals wird Ganondorf erfahren, dass sie am Leben ist. Niemals werde ich zulassen, dass ihr entkommen könnt!“, fauchte er entschlossen. „Kämpft, ihr alten Hexenweiber!“ Sie zischten und kicherten, schnippten in Sekundenbruchteilen mit ihren langen, dürren Fingern und glitten geschmeidig näher, ihre verbogenen, nackten Füße berührten den Boden nicht, was Link verdeutlichte, dass sie ihre Besen kaum benötigten. Dies waren alte, gruselige Hexen, barbarisch, schändlich, so wie die düsteren, kinderhassenden Weiber in berühmten Märchen. Und sie kannten keine Furcht. Schwarze Magie erfüllte ihre entweihten Leiber bis in die letzte Zelle, selbst der Tod war für sie nur eine Illusion, und Link war nicht der erste Held, der sie ins Jenseits geschickt hatte. Unentwegt säten sie Chaos, erfüllten düstere Prophezeiungen und vergifteten Wesen in ihrem Einflussgebiet. Hämisch grinsend schwebten sie näher, umkreisten den Heroen gemächlich, tänzelten hier in der sturmbeladenen Nacht über Schicksalshort, wo Blitze niederkrachten. Doch Link rührte sich keinen Zentimeter, seine leuchtenden Augen beobachteten seine Kontrahenten wie als zerrannen die Sekunden in einem verlangsamten Modus. Link blieb kühl und konzentriert, ließ sich zu keiner unbedachten Bewegung verführen. Die Hexen kicherten einmal mehr. „Wer sagt, dass du gegen uns kämpfen musst“, sprach die Hexe, deren Gewandung eisblaue Töne verriet. „Und wer sagt, dass wir gegen dich kämpfen müssen“, sprach die andere, jene Hexe, deren Ohrringe eine feuerrote Farbe trugen, ein kleines Brodeln in der Dunkelheit, wie winzige Kerzen. „Was wollt ihr?“, sprach Link besonnen, während die Hexen sich schwebend um ihn wanden und erneut kicherten. Ihre Stimmen glichen wie ein Ei dem anderen, unmelodisch, schief, aber kaum zu unterscheiden. „Wir können dich verschonen und auch deine Freunde“, geiferten sie, während sie sich im Kreis um den Heroen bewegten. Lautlos und tanzend. „Gib uns nur das Blut Hylias! Und ihr alle seid verschont!“ Link war so entsetzt über dieses Angebot eines Handels, dass er kurz blinzelte und seine kampfbereite Stellung aufgab. Wussten diese Weiber eigentlich, wer vor ihnen stand? Er war die Wiedergeburt des Helden der Zeit, er trug ein Gesicht von Mut, Loyalität und Gerechtigkeit. Es würde eher der Weltenstrom zusammenbrechen, als dass Link jemals die Prinzessin Hyrules verraten oder hintergehen würde. Er zuckte mit den Gesichtsmuskeln angesichts jenes ekelerregenden Gedankens. „Wie wäre es, Held. Nur ein kleines Opfer und schon bist du frei.“ Link schluckte, vielleicht weil sie es so formulierten. Dachten sie wirklich, er würde sich in Zeldas Gesellschaft wie im Gefängnis fühlen? Das Leben, das er wählen musste, ob früher oder auch heute, und all die Verpflichtungen, Grausamkeiten und Bedrohungen, waren nicht Zeldas Schuld oder Zeldas Fluch. Es war die unabdingbare Erkenntnis, dass es in Hyrules Geschichte den einen Helden geben musste um das Böse zu bannen. Weder hatte Zelda, noch ihre einstige Göttlichkeit als Hylia den irrsinnigen Kampf gegen Ganon zu verantworten. Sie waren beide darin verstrickt, das Gute und das Böse. Freiheit gab es in diesem Schicksalsrad nicht, nicht für die einzige Seele Hyrules, die das Bannschwert führen konnte. „Was seid ihr für verdorbene Kreaturen… beinahe lächerlich“, sprach Link, weder zornig laut, noch ruhesuchend. Seine Stimme war fest und entschlossen, verriet den Ehrgeiz diesen Kampf zu führen. „Was glaubt Ihr, wer ich bin“, sprach er und machte sich für den Angriff bereit. „Eher sterbe ich als meine Prinzessin zu verraten.“ Link sprach die Worte mit so viel Vertrauen, dass die Hexen augenblicklich ihren Reigen beendeten, vor ihm zurückwichen und seine heroische Erscheinung mehr und mehr realisierten. Ja, vielleicht nahmen sie ihn tatsächlich nicht ernst genug. Ein Held mit T-Shirt und kurzer Hose, nichts weiter als ein Schwert in der Hand, war sicherlich nicht der Gegner, den sie gewohnt waren. „Den Tod kannst du haben, Bursche!“, schimpften sie, so schrill, dass dieses Mal alle Glasscheiben im Raum zerborsten und Link durch eine lärmende Druckwelle, die beide Wesen aufbauten, zurück geschleudert wurde. Er hatte Mühe sein Schwert in der Hand zu halten und sich einigermaßen abzufangen, als er an der hintersten Wohnzimmerwand aufschlug, kurz zu Boden sank und gerade noch erkennen konnte wie die Dienerinnen der Finsternis auf ihre Besen stiegen. Link erhob sich keuchend und hechtete hinter den Hexen her, die schrill und fluchend, beinahe gackernd wie Hühner auf ihren Besen ritten. Sie schufen sich ihren Weg aus Eis und Feuer und hoben die Hintertür aus den Angeln. Link hetzte hinter ihnen her, rannte ohne Zweifel mit seinem Schwert in der Hand aus dem Haus in die vom Regen erfüllte Dunkelheit, welche über der Kleinstadt hing, folgte stur dem Kampf, folgte seiner unaufhaltsamen Bestimmung. Lärmend schwebten die Hexen in den Garten seines Elternhauses, jubelten über ihre neu gewonnene Freiheit, schwebten mehrfach im Kreis in den Lüften, genossen die feuchte, kühle Luft, den prasselnden Regen und das reinigende Gewitter über ihren alten Köpfen. Kichernd donnerten sie über Hecken und Sträucher hinweg, flogen über Äste und über die Wiesen, die hinter dem Haus der Braverys lagen. Schnellen Schrittes rannte Link mit seinen durchgeweichten Turnschuhen durch das hohe Gras hinter seinen Feinden her, während Tausende Gedanken durch seinen Kopf schossen. Wie sollte er Kotake und Koume besiegen? Wie sollte er sie überhaupt auf den Boden befördern, da sie sich immer höher in die Luft begaben? Wussten sie, wo sie sich befanden und dass die verlassene Kirche, wo Ganondorf hauste, nur wenige Kilometer weit weg lag? Link spürte den kühlen Regen sich an seinen nassen Haaren entlang seilen, während er weiterrannte und in der Hitze dieses beginnenden Kampfes die kühlen Temperaturen kaum bemerkte. Der Schatten einer frostigen Erinnerung hing über ihm, während er das Gras unter den Schuhen knirschen hörte… So fein wie trockenes Steppengras, das unter seinen Stiefeln raschelte… wie oft war er über das alte Gras von Hyrules Steppe gehetzt, das Schwert blutig und benutzt… dann, als die Welt für ihn ohne Lichter war… Und während Link seinen Feinden folgte, suchten seine Augen messerscharf die Umgebung ab. Denn er wusste, dass sich Zelda und seine Freunde irgendwo hier versteckten. Er betete innerlich zu Hylia, dass die Hexen jene nicht finden würden. Geschmeidig vollführten Kotake und Koume ihre alten rituellen Zaubertänze hoch in der regenüberströmten Luft, als ein greller Blitz niederzuckte und beide den Donner verhöhnten. Sie lachten überdreht, schienen sich an der energetisch geladenen Nacht zu erfreuen, bejubelten die stürmische, nebeltrunkene Finsternis. Und sie stimmten in die alte Urgewalt des Donners mit ein, ließen in einem Anflug von eigener Verherrlichung ihre Magie werkeln. Kotake ließ den Regen gefrieren, sodass er wie winzige Pfähle aus Eis zu Boden krachte. Link wich gekonnt aus, rollte sich über den matschigen Boden, und erblickte hoch oben Koume, die ein kleines Inferno aus Flammen aus den Fingerspitzen ihrer rechten Hand brodeln ließ, sodass es den Regen verdampfte. Sie lachten und erfreuten sich an ihrer uralten Magie der Gezeiten… Link wusste aus einem inneren Gefühl heraus, dass diese beiden Wesen zu weitaus mehr Chaos imstande waren als er es in einem Konsolenspiel erlebt hatte. Link spürte es mit seinen Heldensinnen und ahnte, dass Koume Vulkane entzünden konnte, während Kotake eine Welt aus Eis erschaffen würde, wenn man sie nicht davon abhielt. Der Drache in Irland war eine Ameise im Vergleich zu diesen beiden dämonischen Kreaturen… Der Drache in Irland war nur gezüchtet, Kotake und Koume hatten an die vier Hundert Jahre Erfahrung in ihrer niederträchtigen Magie… Und wie sie sich mit ihren Besenstielen in die Luft bohrten, die Winde hoch oben ihnen Untertan zu werden schienen, da ahnte Link auch, dass die Welt nicht vor ihnen sicher war. Wenn er die Hexen nicht hier und jetzt stoppte, würden sie der gesamten Welt verkünden, wer sie waren und sie würden kaum Halt davor machen ihre schier grenzenlose Magie aus Feuer und Eis an Unschuldigen auszulassen. Sie schienen in ihren Bewegungen nun den Waldrand anzusteuern, wofür Link dankbar war. Wenn sie dort ihre Verwüstung anrichteten, gab es nicht viele Beobachter und vielleicht nur wenige Verluste… Nach Atem ringend, die nasse Kälte in seinen Lungen schlitzend, hetzte Link hinter seinen Feinden her und sah plötzlich in der nahezu undurchdringbaren Finsternis und dem verschwommenen Schatten der Bäume einige Gestalten, die sich ebenfalls hektisch bewegten. Sein Herz machte einen nervösen Satz, als er begriff, dass Zelda, seine Schwester und seine Freunde ausgerechnet dort versuchten Schutz vor dem Bösen zu finden. Links Füße bewegten sich schneller, als er die Hexen in ihrem perversen, die Dunkelheit huldigenden Reigen beobachtete. Kotake und Koume durften niemals in die Nähe von Zelda und seiner Freunde gelangen! Quälende Sorgen schlängelten sich Links Venen hinauf, veranlassten Nerven und Muskulatur sich fiebrig anzuspannen. Er wollte nach Zelda und den anderen rufen, wollte sie warnen, aber ahnte auch, dass er sie damit in noch größere Gefahr brachte. Die Geduld verlierend und atemlos begann Link nach den dämonischen Weibern, die den Himmel auszulachen schienen, zu rufen. Er brüllte die Namen seiner Feinde in die Nacht, forderte sie auf sich ihm endlich zu stellen und nicht nur Katz und Maus zu spielen. „Ihr seid Feiglinge!“, donnerte Links Stimme durch den Regen… mit dem prasselnden Reigen erklang seine Stimme beinahe metallisch. „Stellt euch mir zum Kampf, ihr feigen Hexenweiber, anstatt auf euren kläglichen Besen zu flüchten.“ Link versuchte sie zu provozieren, hoffte, sie durchschauten seine Ziele nicht. Er hob das Schwert vertikal in die Höhe, leuchtend wie die Hoffnung, als weitere Blitze über Schicksalshort niedergingen und die vielen Häuserreihen erhellten. Die Klinge summte durch den Regen, zerschnitt den Sturm, als flohen die Gesetze der Erde vor ihr… Langgestreckt hielt er das Schwert immer ausdauernder in die Höhe und für wenige Sekunden war es als fürchteten sich die Tränen des Himmels vor der glimmenden Waffe, vor dem richtenden Stahl… „Es braucht mehr als deine unverblümte Herausforderung in den Genuss unseres Spektakels zu gelangen, Held“, zischte Koume und ließ drei Ringe aus Feuer in Richtung des Waldrandes schlittern. Innerhalb von einem zerrinnenden Augenblick knallten die Feuerringe nieder, vernichteten brennend und zugleich zu Asche verkohlend drei junge Laubbäume. „Es braucht mehr als deine unverblümten Worte für einen Kampf gegen uns“, folgte auch Kotake und feuerte drei Speere aus Eis, ebenfalls in Richtung des Waldes, wo Links wertvollsten Freunde warteten, die Menschen, die ihm so nah am Herzen lagen, dass er es zerreißen spüren würde, sollte ihnen etwas zustoßen. Auch die Speere aus Eis zerrissen drei Bäume, hoben jene aus den Wurzeln und zersprengten Holz, Blattgrün, Knospen… Ob die Ziehmütter des Bösen die Anwesenheit von Zelda und den anderen bereits spürten? Warum sonst sollten sie den Waldrand mit ihrer Magie überfluten? Als der Regen noch heftiger niederging, ein eisiger Luftzug sein durchgeweichtes grünes T-Shirt erfasste, schnellte Link nun ebenfalls in Richtung des Waldes… die kalte Luft, erfüllt von schwefelsauren Ablagerungen der zerberstenden Magie der Hexen, schlitzte in seinen Lungen… Es machte keinen Sinn, Kotake und Koume hatten schlichtweg kein Interesse ihn zu vernichten, polterten auf ihren Besenstielen durch die Finsternis als war für sie ihre Existenz nur ein Tanz durch die Lüfte. Sie genossen ihre Macht und Überheblichkeit und alles, was für sie von Bedeutung war, schien Rache, Verletzung und Verwüstung zu verbreiten, dennoch verboten sie sich die Vernichtung des einen Helden… Link realisierte dies. Kotake und Koume waren Ganondorf hörig bis ins Blut, den verteufelten Genuss den einen Helden zu töten, würden sie ihrem Meister niemals entreißen. Ihn quälen, seine Seele brechen… aber sie würden ihn nicht töten. Als die Sekunden zerrannen und die Welt von dem Sturm gepeinigt wurde, hetzte Link vorwärts wie ein letzter Krieger in der Leere und Trostlosigkeit verzweifelter Endzeit. In Sekundenbruchteilen machte er die Menschen aus, die er mit allen Mitteln beschützen würde, entdeckte Maron und Rick sich unter einem breiten, gefallenen Baumstamm versteckend, beobachtete Sara und Mike, die in einer Kuhle im Erdreich hockten, frierend, wimmernd… und Link spürte seine Prinzessin wachsam, mit dem zum Schuss bereiten Bogen in der Hand sich vor den anderen erhebend, als wollte sie jene beschützen. Bewunderung für Zeldas Opferbereitschaft und eine marternde Sorge um sie rangen in seinem Inneren… Verteidigte sie tatsächlich die anderen? War sie wirklich so mutig und opferbereit? Noch nie hatte der grünbemützte Jugendliche sie so erlebt, noch nie hatte sie diesen tosenden Stolz in ihm entfacht. Zelda war einfach überwältigend… eine tadellose Kämpferin, so leidenschaftlich und ehrgeizig, dass ihn der wärmende Gedanke an ihre Tapferkeit den Regen kaum spüren ließ. Verdammt, dachte Link, wie nur sollte sie jemals verstehen, wie sehr er sie wertschätzte, für alles, was sie war, selbst in ihrer Verzweiflung bewunderte er sie… Link wusste nicht, ob die anderen ihn bemerkt hatten, sehr wohl jedoch beobachteten seine Freunde die Hexen in ihrem magischen Treiben, fürchteten sich davor von jenen Kreaturen entdeckt zu werden. Und der Heroe verstand, dass Zelda den Bogen benutzen musste, um sich und die anderen zu verteidigen, auch wenn das bedeutete, dass sie sich preisgab. Kotakes und Koumes magische Geschosse knallten unentwegt nieder, vernichteten das Unterholz mit zerreißenden, sterbenden Lauten, erzeugten faulige Gerüche in der schweren Luft, verpufften den Regen, sodass die Szenerie mit hässlichen Dampfwolken überflutet wurde… und für Zelda gab es kein Zurück, egal, in welchem Tempo Link versuchen würde sie vor den Zugriff der Hexen zu bewahren. Die alten Ziehmütter Ganondorfs würden sie entdecken! Mit zappelnder Aufruhr in seinem Herzen rannte Link in den Waldverschlag hinein, spürte stechende Zweige von Tannennadeln in seinem Gesicht schlitzen, als er über umgefallene Baumstämme sprang, ein Schrei seiner Kämpferstimme glitt über das Schlachtfeld… Seine Stimme musste auch in Zelda endgültig den Mut entfacht haben das Schicksal dieser Nacht mit zu bestimmen. Denn sie hielt den Bogen nun noch zielsicherer, versuchte unter Aufbietung ihrer gesamten Konzentration Ruhe in sich zu sammeln, alle unsicheren Faktoren dieser Umgebung, des Sturmes, ihrer Nervosität von dem Bogen fernzuhalten… Sie spürte Links Zorn im Angesicht des Sturmes, seinen Groll angesichts der feigen Hexen, die nichts weiter taten als sich in die Lüfte zu erheben und in ihrer unfairen Übermacht das Kampfgeschehen belächelten. Und diesen Irrsinn duldete die vergessene Prinzessin nicht, sie hatte keine Wahl als sich einzumischen, auch wenn Link dies nicht gutheißen würde. Sie spannte den Bogen mit aller Kraft, überlegte sorgfältig, während auch sie den kühlen Regen niedertrommeln hörte. Ein Tropfen rann über ihre Nasenspitze als sie abwog, welche der Hexen mehr Schaden anrichtete… welche der Hexen von ihrer Position aus einfach zu treffen wäre. Und tatsächlich flog die feuergiftende Koume um einiges niedriger als ihre eisbeschwörende Schwester und sauste auf ihrem Besen immer näher. Es würde ihrem Heroen nicht gefallen, das wusste Zelda… es war eine einfältige Option… und vielleicht das Dümmste, was sie in ihrem kurzen Dasein auf dem Planeten Erde je getan hatte. Aber wer sollte es sonst tun? Link hatte keine Chance diese Hexen in den Lüften anzugreifen. Es war an ihr das Kampfgeschehen zu lenken… Und mit einer naiven Hoffnung, ließ die kampfbereite Prinzessin den Pfeil durch die Lüfte tanzen. Der Pfeil verfehlte nur knapp das Ziel. Zugleich spannte sie den nächsten, dachte an keine Konsequenzen, ignorierte die plötzliche Erschrockenheit der feuermächtigen Hexe, die noch nicht verstanden hatte, was hier geschah. Zelda nutzte den Moment der Überraschung, ignorierte auch das Entsetzen eines schreienden Heroen, der sich unvermittelt in ihre Richtung begab. Mit aller Zuversicht, die sie aufbringen konnte, sauste der nächste Pfeil durch die Luft, bohrte sich überraschend durch die immer kälter werdende Nacht und zerfetzte wuchtig das alte morsche Holz, auf dem Koume ritt… Die Hexe schien leblos niederzufallen, kam knackend zu Boden und blieb zunächst reglos im nassen Gras liegen. Links Herzschlag trommelte ihm bis zur Kehle, als er sich sortierte, seine Prinzessin dort in der Dunkelheit erblickte und sich verbot über die Situation nachzudenken. Er musste diese Situation nutzen, den Kampf fortführen… und so legte er alle Kraft, die er besaß in seine flinken Beine, rannte, sodass schleimiger Matsch bis zu seiner Hüfte spritzte. Mit pfeifenden Atemzügen und dem singenden Stahl in der Hand trat der Held vor Koume, sah sie sich lallend erheben und fixierte ihn mit einer neuen Form von belächelnder Verachtung. Sie kicherte, klopfte sich die Nässe von ihrem Gewand, warf schmieriges, graues Haar zurück, als die sturmbesudelte Nacht von mehreren Blitzen erhellt wurde. „Worauf wartest du, Held?“, kreischte sie, wollte sich an der Klinge laben, und den Heroen in einem weiteren Spektakel verhöhnen, während Kotake hoch in den Lüften Kreise drehte, unbeeindruckt, teilnahmslos. Giftig sah die Hexe ihm entgegen, lachte immer lauter und wartete auf einen Schwertstreich ihres Vernichters. Beinahe mitleidig sah Link auf die Kreatur hinab, die beschmiert mit Matsch am Boden kroch, sich knackend aufrichtete und doch nur durch eine brutale, böswillige Energie am Leben war. Koume war so alt, das ihre Gelenke mit jeder Bewegung zerborsten, ihr Herz mit jedem Schlag zerriss… Und für eine Sekunde sah Link, was diese Kreatur wirklich war. Ein von bösen Energien genährter Knochenhaufen mit alter, faltiger Haut. Da war keine Seele mehr, kein Blut. „Tu‘ es endlich, Held!“, schimpfte sie, griff mit dieser morschen Hand an die neue Klinge, die er von Leon Johnson erhalten hatte. „Richte mich“, zischte sie, als sehnte sie sich nach dem Tod. Aber Link erkannte auch den schelmischen Wahnwitz in ihren goldenen Augen, sah Trotz und Hass so deutlich blitzen, obwohl die Nacht über der Welt lag. Und doch hatte auch Link keine Wahl, er hatte nur diese eine Chance. Er hob die silbern schimmernde Waffe in die Höhe. Wie eine Sternschnuppe funkelte sie in dieser durchtriebenen, gespenstischen Nacht, als er den jungen Stahl mit einem Schrei, der alle Zweifel verdeckte, in den kratzigen, knorrigen Leib der Hexe stieß. Er war ihrem alten Gesicht so nah, dass er ihren schwefligen Atem riechen konnte, erwartete, dass er den böswilligen Lebenswillen in ihren goldenen Augen erlöschen sehen würde. Aber da war keine Veränderung. Kein Leben, das dem Tod verfiel. Kein Tod, der über Koume kam. Stattdessen brachte sie ihre staubtrockene Kehle zum Schwingen, schickte einen röhrenden Laut durch die Nacht, der Tiere aus dem Unterholz scheuchte… eine Schar großer Vögel, krächzend, entkam den Wipfeln, zehn Rehe oder Hirsche hetzten aus dem Wald über die matschigen, grünen Wiesen. Und Koume lachte, griff mit beiden Händen an das Schwert und hielt es mit einer übermächtigen Kraft, die den Heroen erschreckte. Ihre dürren, langen Finger wanden sich wie knorrige Zweige um den scharfen Stahl, saugten sich fest wie Zecken. „Wir sind nicht lebendig genug um getötet zu werden, du junger Narr!“, sie spuckte, während sie sprach und spuckte winzige glühende Körnchen in Links Gesicht, sodass er augenblicklich zurückwich. Er konnte kaum seine Waffe zurückfordern, als er die Eishexe auf ihrem Besen im Sturzflug näherrauschen spürte. Sie zog gehässige Bahnen in Richtung Erdboden, sodass Link mit einem Rückwärtssalto ausweichen musste. Link brannte innerlich vor Entsetzen und Demütigung. Wie sollte er die Hexen ausschalten, wenn sie sich mit dem Schwert kaum bezwingen ließen? Sie zischten mit ihren fauligen, kratzigen Stimmen, hielten sich nun beide erneut am Boden auf. Koume zog das Schwert jauchzend aus ihrem Leib und ließ es achtlos in den Matsch fallen… Vielleicht aus Sympathie für den Verlust des Besen ihrer Schwester, stieg auch Kotake hinab… Sie waren übermächtig, warum auch sollten sie sich noch in die Lüfte erheben, wo ihre Opfer keine Waffen besaßen sie aufzuhalten. Mit Tausenden Gedanken in seinem jugendlichen Kopf wog Link seine Optionen ab, hörte sein aufgeregtes Blut rauschen. Der Rhythmus in seinen Venen glich dem Schlagen des Donners… mit jedem Schritt über den durchgeweichten Boden, schoss ihm ein weiterer Zweifel in den Kopf. Eine erneute Idee, erneuter Zweifel… Jede Option, die ihm einfiel diese Kreaturen zu bezwingen, verlief ins Leere. Er kniff die Augen zusammen und tat das einzige, was er noch konnte. Sich zu den anderen begeben, sich wie ein Schutzschild vor seine Freunde erheben und innerlich zu Hylia beten für ein Licht in dieser scheußlichen Dunkelheit… Er erreichte Zelda mit einem schwachen, erleichterten Seufzen, griff nach ihrer Hand, aber wohl kaum aus Zuneigung, eher, weil er ihr mit einer schnellen Bewegung den Bogen und die Pfeile abnahm. Er ließ die Feinde, die auf dem Feld wenige Meter weiter tänzelten und erneut mit magischen Geschossen spielten als wären es Seifenblasen, nicht außer Acht. „Warum hast du dich eingemischt… ich will, dass du dich zurückhältst, wenn ich dies von dir verlange!“, raunte er. Er wusste, es war nicht fair seinen Ärger über diesen kaum zu gewinnenden Kampf an ihr auszulassen. Aber er konnte ihr Einmischen nicht gut heißen, auch wenn er es verstand. Das kleine „Ich…“ kam stockend aus Zeldas Mund, aber sie nickte in der Schwärze. „Selbst wenn ich falle, ich erdulde nicht, dass du…“, und plötzlich sah er die hervorquellenden Tränen in Zeldas Augen in den niedergehenden Blitzen schimmern, die ihn bestürzten und erneut über seine Worte nachdenken ließen. Wie nur konnte er dies von ihr verlangen… Sollte sie etwa zusehen, wie er am Boden zusammenbrach, sein Körper zersplittert… „Entschuldige…“, murmelte Link dann träge. Es war nicht die Zeit sich gegenseitig in Vorwürfe hinein zu reden, nicht jetzt. Zelda blieb sprachlos, als Maron, Rick, Sara und Mike in dem Unterholz näherhetzten, ermüdet und ausgelaugt voller Angst und Zweifel. Sie zitterten, warfen Link in der Dunkelheit unsichere Blicke zu. Auch ihre Welt musste in dem Augenblick, als die Hexen diese Realität befleckten, zerbrochen sein. „Beim Deku“, sprach Sara. „Was machen wir jetzt nur…“ Sie versuchte sich zu sortieren, und obwohl sie über Links Schicksal mehr wusste als sie bisher verraten hatte, so wurde sie gerade von Angst und Mutlosigkeit bezwungen. Sie hatte nicht mit einem Angriff gerechnet, nicht auf diese Weise. Mike blieb sprachlos, während Marons beginnendes Wimmern durch den Wald echote. Rick versuchte sie zu trösten, drückte das weinende Mädchen an sich und murmelte beruhigende Worte in ihre Ohren. „Link, hast du irgendeine Idee, wie wir hier heil herauskommen können?“, meinte Sara gefasst. Link seufzte und versuchte seine eigene Anspannung mit Atemzügen herunter zu regeln. Es war etwas anderes lediglich seine Prinzessin beschützen zu müssen. Jetzt in dieser Situation Angst um seine Freunde und seine Schwester zusätzlich zu spüren, ließ ihn zornig werden. Er würde diese Hexen niemals auch nur in die Nähe seiner Freunde lassen! Er konnte kaum antworten und versuchte seine Unruhe abzuschütteln. „Link“, sprach Zelda dann, versuchte ebenfalls Ruhe zu finden. „Es gibt nur eine Option…“ Und es war die Art und Weise, wie sie es sprach, gefasst, sicher und deutlich, dass er genau ahnte, was sie vorhatte. Ihre Stimme unterband jegliches Gefühl für eigene Ängste und Sorgen. In dieser Tonlage erklang seine Prinzessin kühl und gebieterisch, und sie würde stur ihrem Weg folgen. „Ich werde mich ihnen noch einmal zu erkennen geben“, sprach sie. „Den Teufel wirst du“, zischte Link. Seine Stimme donnerte beinahe bedrohlich nieder. „Ich werde nicht zulassen, dass du dich ihnen auslieferst.“ „Link hat Recht“, sprach Sara überraschend. „Du bist unser einziger Vorteil, wenn sie Ganondorf berichten, dass du noch am Leben bist, haben wir schon verloren.“ „Ich habe nie behauptet mich ihnen auszuliefern, aber ich könnte sie ablenken, soweit, dass ihr fliehen könnt.“ „Und dann?“, sprach Link ungeduldig. Es war nicht nur Zeldas Einmischen oder die Sorge um seine Freunde, weshalb er nur noch gereizt auf ihre Worte reagieren konnte… Er realisierte es… den versteckten Groll sich selbst gegenüber. Das Gefühl, er würde sie erneut im Stich lassen, so wie er es in einem alten Leben getan hatte. Schließlich war es Rick, der das Wort erhob und seinem besten Kumpel beipflichtete. „Ich stimme mit Link überein, das ist eine dumme Idee. Wir werden eine weitere Möglichkeit in Betracht ziehen“, und plötzlich schienen alle Anwesenden sich von Ricks ruhigen Worten anstecken zu lassen. Er redete mit einer Selbstsicherheit, die auch den vergessenen Heroen verwunderte, als wäre Rick ein Befehlshaber, der genau wusste wie man Schlachten plante. „Wir werden uns aufteilen und alle in unterschiedliche Richtungen fliehen. Erinnert ihr euch an das Zeldaspiel?“ Er ließ nur eine kurze Pause und erklärte weiter. „Sollten wir Kotake und Koume sich nicht einfach gegenseitig attackieren lassen?“ Das war absurd, dachte der Heroe. Sollten sie tatsächlich vor den Hexen auf und ab laufen, sodass jene wild um sich herumschossen in der Hoffnung sie würden sich versehentlich gegenseitig vernichten. Das funktionierte nicht in der Realität! „Und wenn nicht, können wir sie zumindest verwirren“, ergänzte Rick, während er der verängstigten Maron über den Rücken strich. Seine Stimme war so ungemein stark und besonnen, fast so, als war er sich der Gefahr kaum bewusst oder war es gerade deswegen? „Nein…“, sprach Link, der sich an einen der alten Bäume gelehnt hatte und mit wachen, scharfen Blicken die Hexen beobachtete. Ricks Option war vielleicht die beste, wenn so viele von ihnen am Leben bleiben sollten wie nur möglich, aber das kam für Link nicht in Frage. Er würde diesen Kampfschauplatz erst dann verlassen, wenn seine Freunde alle, ausnahmslos, in Sicherheit waren. Marionettenhaft hockten Kotake und Koume in der Finsternis, schwebten schließlich gemächlich näher. „Ich werde nicht riskieren, dass einer von euch von ihnen erwischt wird“, setzte er mit Nachdruck hinzu. Da war Vorwurf in seinem standhaften Blick, so unübersehbar leuchteten seine Heldenaugen wie blaue Flammen in der Nacht. „Ich werde die Hexen mit dem Bogen in Schach halten, während ihr euch noch tiefer in den Wald begebt und von hier verschwindet. Ich folge euch so schnell ich kann.“ Da war dieser eisige Zorn in Links Augen, selbst in der Finsternis war jener erkennbar, sodass niemand an ihm zweifeln konnte. „Und du bist dir wirklich sicher, Brüderchen?“ Sara zitterte in der zunehmenden Kälte, ihre Stimme nur noch heißer. Sie vertraute ihm, sie vertraute auf seine legendären Fähigkeiten. Link nickte, umklammerte den Bogen und die wenige Pfeile. „Geht!“, ordnete er an. Seine Freunde verabschiedeten sich mit stillen Blicken, leisen Schluchzen und Seufzen. Nervös trotteten sie vorwärts, als Kotake und Koume im Hintergrund immer lauter zürnten, verruchte Worte einer alten Hexensprache in die Nacht brüllten… und da ahnte Link auch, warum sie sich die letzten Minuten sonderbar still verhalten hatten. Sie sammelten ihre Kräfte für noch gigantischere Attacken. Ob sie in der Lage waren tatsächlich ein riesiges Meer aus vernichtenden Flammen und Eis über Schicksalshort zu entfachen? Sara und die anderen stapften ängstlich vorwärts, nur Zelda bewegte sich keinen Zentimeter. Sie rührte sich nicht, schien erstarrt mit Unwillen. „Zelda, bitte, bitte geh‘!“, flehte er beinahe. Er konnte sich nicht erneut mit ihr streiten, nicht schon wieder. Wenn dies seine letzten Minuten mit ihr waren, wollte er sie nicht mit kränkenden Worten vergeuden. „Ich kann nicht…“, sprach sie. „Link, ich kann es einfach nicht!“ Ihr Blick ging zu Boden, als ein trübsinniger Schatten in ihren Gesichtszügen auch Link traf. Er spürte Zeldas Besorgnis, ihren Wunsch ihm beizustehen. Er sah Gefühle in ihrem Blick, Gefühle der Zuneigung, die ihn beinahe verwirrten. Sie machte keinen Schritt zur Annäherung, dafür verbot sie sich ihre eigene Gefühle auf eine zu strenge Weise. Aber sie würde Link seinem Schicksal nicht überlassen, nicht in jener verhängnisvollen Nacht, nicht nachdem die Heilerin Dinafa vor wenigen Stunden düstere Prophezeiungen über Opfer und Liebe ausgesprochen hatte. „Der Kampf gegen das Böse ist auch meiner“, erklärte sie leise… es entsprach zwar der Wahrheit, war aber nicht der Grund, warum Zelda sich weigerte zu gehen. Link durchschaute sie vielleicht sogar… zumindest akzeptierte er, dass sie ihn jetzt nicht zurücklassen würde. Egal, was Link auch tat… er könnte zürnen, er könnte durchdrehen, sie würde ihn in diesem Kampf nicht alleine lassen. Und vielleicht war es ohnehin zu spät… Kotakes und Koumes Schrecken wuchs mit jeder weiteren Sekunde. Beißend wurde die Luft um Zelda und Link, der Regen verdampfte, noch bevor er weiterhin auf die feuchten Wiesengräser trommeln konnte. Die Ansammlung einer magischen Attacke ließ unsichtbare Teilchen in den Lüften vibrieren, schwingen… Die Äste und Zweige der sonst so stummen Bäume raschelten als wollten die alten Seelen der Laubgeschöpfe gehört werden. „Wir müssen etwas unternehmen“, sprach Zelda entschlossen. „Sie werden versuchen ein Flammen- und ein Eismeer anzurichten. Wenn sie ihre magischen Kräfte sammeln, bleibt von ganz Schicksalshort nichts mehr übrig!“ Link hielt in seiner einer Hand den Bogen fest umschlossen, mit der anderen ergriff er die Hand seiner Prinzessin, beinahe zärtlich. „Was geht dir durch den Kopf?“, murmelte er, fühlte sich ruhiger als war eine Welle der Sanftheit über seine angespannten Schultern geschwappt. „Auch wir verfügen über magische Attacken, Link.“ Mit Ehrgeiz und Vertrauen gelangten die Worte über Zeldas blutrote, trockene Lippen. Das konnte Zelda nicht wirklich mit in die Waagschale bringen, oder? „Aber wir können diese nicht kontrollieren!“, entgegnete er. „Wir haben keine andere Wahl.“ „Wie wahr…“, stutzte der Held und rang sich zu einem dämlichen Grinsen. Wenn sie beide diese Nacht untergingen, dann mit allem, was sie an Würde besaßen! „Gut.“ „Gut!“ Hand in Hand rannten Zelda und Link vorwärts, hinein in den Kampf, geboren für diesen unendlichen Widersinn ihrer Existenzen hetzten sie hinein in die magischen Böen, die über die Felder wehten, zogen wie zwei letzte Krieger in diesen verhängnisvollen Alptraum, mutig und irgendwie befreit. Link konnte kaum begreifen, wie er sich fühlte. Alles, was er spürte, war diese Unentrinnbarkeit, ein Einssein mit seinem Schicksal ohne Zweifel. Er war verdammt… er war hoffnungslos verdammt, hier wo das Böse wartete und das Schicksal auf Messers Schneide stand. Er war gemeinsam mit Zelda verdammt… und doch fühlte es sich gut an. Sie an seiner Seite zu wissen. Das Brodeln seiner Bestimmung zu spüren. Die nahende Vernichtung und den möglichen Sieg… Einmal mehr flackerte der Puls der Zeit für den einen Heroen und einmal mehr verlangsamte sich die Welt um ihn herum, hier, wo die Schwere der durchgeweichten Kleidung über seinem Körper juckte, er Dutzende feine Rinnsale schmutzigen, schweißdurchtränkten Wassers hinabtropfen spürte. Zeldas Hand in seiner… wohlig und wärmend, das einzige warme Gefühl in dieser wahnsinnigen Nacht prophezeiter Fügungen. Sein Blick verlor sich auf ihrem kämpfenden Erscheinungsbild… ihr nasses, gefärbtes Haar, das in der schmelzenden Luft wirbelte. Ihre saphirblauen, ernsten Augen, mit besorgten Blicken suchte sie den Mut in seinen. Ihre zierlichen, besorgten Gesichtszüge, vom Regen befeuchtet… und doch so unendlich schön… Ein leuchtender Stern in tausenden Erinnerungen… Und diese schönen Züge in ihrem Gesicht bewegten sich zu einem ausdrucksstarken Lächeln, einem, das Link kannte und in so vielen Erinnerungen Lebendigkeit erfuhr. Ein Lächeln der Ergebenheit mit eigenen Fehlern und Ängsten, bereit und wunderschön. Zelda lächelte immer so versteckt und geheimnisvoll, wenn sie sich ihrem Schicksal ergab… dann, als sie sich entschied in Hyrule zu bleiben für Tausende Jahre, war dieses stille Lächeln das letzte, was Link von ihr gesehen hatte. Er wusste nichts von dieser Erinnerung… er spürte nur einen schmerzhaften Stich, als Zelda seine Hand losließ und ihre Schritte leicht nach Westen führte. Sie hetzte immer schneller weiter, als Link ihre Absicht erkannte. Sie wollte ihm eine neue Chance geben als Held aus diesem überfälligen Kampf hervorzugehen, und spielte nun doch den Lockvogel, präsentierte sich als Zielscheibe im fallenden Gewand des stinkenden Regens. Mit schneidendem Lachen erhoben sich beide Hexen, beendeten ihre instinktiven Beschwörungsformeln und schwebten über dem Boden. Vielleicht war es, weil sie den Helden tatsächlich unterschätzten, vielleicht auch nur, weil sie sich für ihn tatsächlich kaum interessierten, oder weil sie sich danach sehnten an der legendären, machtvollen siebten Weisen Rache zu nehmen, Kotake und Koume konzentrierten sich nur mehr auf die Prinzessin des Schicksals, die tapfer und leise lächelnd ihr Tempo drosselte, einfach nur da stand, wo der Himmel weinte. Zelda warf einen stillen Blick zu ihrem Helden, der endlich die Pfeile durch die Luft zischen ließ, betend, er könnte jene mit seiner eigenen Magie füttern, auch wenn er nicht wusste wie. Tatsächlich durchbohrten die wenige Pfeile die Hexen mit knackendem, Gewebe zerfetzendem Reigen, aber Kotake und Koume blieben unbeeindruckt. Die Pfeile zerstießen die Herzen beider Hexenweiber, aber auch dies zeigte keine Wirkung… Der Lebenswillen der dämonischen Brut war ungebrochen… ihr Vernichtungswille ungebremst… Erneut versagte er in dem, was er doch tun musste. Er versagte darin die Magie zu nutzen, die er schon in Irland eingesetzt hatte! Wütend knallte Link den Jagdbogen seines Vaters in den stinkenden Matsch, widerstand dem Wunsch seine Fäuste in den Erdboden zu rammen und hetzte so schnell ihn seine Beine tragen konnten in Richtung seiner Prinzessin. Erhaben thronte sie dort… hob ihre Hände spielerisch in die Höhe, konzentrierte sich auf die Stimme ihrer eigenen, tosenden Macht. Sie spürte sie… spürte, wie sich der Zauber vergessener Reiche durch ihre Venen schlängelte, verlockend und neu war es… die Magie in ihrem Inneren war so jung auf dieser Erdenwelt, dass sie sich wie ein Neugeborenes vor der Welt ängstigte. Zelda spürte die Macht in sich wachsen und doch brach sie nicht hervor… Es kitzelte in ihren Händen, goldene Flocken einer uralten Kraft, flüsternd, singend. Zelda schloss die Augen, als Kotake und Koume beide ihre verschlingenden Strudel erbarmungsloser Energie in ihre Richtung schickten. Alles, was nun noch über die Wiesen dröhnte, war das Rauschen von Feuerringen und Eisspeeren… Link rannte, er rannte so schnell wie noch nie in seinem Leben, hörte für kurze Augenblicke das Erstarren der Zeit, hörte einen leidvollen Gesang in dem alten Wesen, mit dem er auf ewig verbunden war… und unterlegt zuckte ein kleiner Herzschlag, hetzend neben seinem. Zu kurz um die Wahrnehmung zu realisieren, zu groß war die Gefahr hier wo die kalte Nässe ihn und seine Prinzessin lähmte. Und je weiter er hetzte, umso vernichtender wurde die Erkenntnis, dass er verloren hatte. Er würde Zelda nicht mehr erreichen. Er würde das Licht in seinem Leben nicht vor diesem Wahnsinn beschützen können… Versagen… einmal mehr schlitzte das Wort in seinem schmerzenden Kopf. Versagen… und mit dem grausamen Versagen platzte ein dünner Faden des Gleichgewichts in ihm, erinnerte ihn an eine Zeit, die verblasste… Bilder eines hylianischen Heeres über gestorbene, grüne Wiesen ritten sie dahin, erfüllten Links Geist mit noch mehr roher Gewalt… Schwerter zersplitterten, Schilde zerbrachen unter dem Alptraum riesiger Monsterheere… feurige Tornados gruben sich fressgierig in das alte Land, während riesige Hagelkörner das Leben unter sich begruben. Versagen… Die Sekunden schlichen dahin als fürchteten sie sich vor dem Herren des Mutes, erstarrten beinahe, als die Geschehnisse der letzten Monate wie ein vergessenes Leben vor Links Innerem Gestalt annahm und sich mit Bildern eines vergessenen Daseins vermischten. Er sah Zelda verblassend vor sich, die Prinzessin aus seinen verlorenen Träumen, das Mädchen, das ihn mit diesen geheimnisvollen Blicken aus himmelblauen Augen verehrte. Dieses begehrenswerte Lächeln, traurig… aber irgendwo auch heilsam. Sein Schrei hallte durch die Luft, als ein Spektakel aus rotglimmenden und eisblauen Farben über die Wiese schoss, eine donnernde, sich vereinigende Attacke dieses wunderschöne Mädchen erfasste, und sich strudelartig um jene einsame Prinzessin des Schicksals band… immer tosender, heftiger, brutaler. Link spürte die Wucht der Attacke, wurde gewaltvoll nach oben befördert und landete einige Meter weiter im eisigen Matsch. Er erhob sich mit einem Rinnsal Blut, der über sein Gesicht lief, als er Zelda schreien hörte. Er ignorierte mögliche Wunden und rannte erneut in Zeldas Nähe, kämpfte gegen die magische Böe aus Eis und Feuer, warf sich mit seinem gesamte Körper vorwärts. Die glühende Attacke erhellte die Wiesen vor der Kleinstadt, als ging bereits die Sonne auf… Und als er ihre so schöne glockenhelle Stimme, deren süßen Klang er sich in Zweisamkeit so herbeigesehnt hatte, sich in diesen flehenden Schrei verwandeln hörte, zerriss es den letzten Funken Konzentration, Ausdauer und Anstand in ihm. Zeldas schriller Schrei zerriss das letzte bisschen jenes verträumten Jugendlichen, der Link noch vor einem halben Jahr gewesen war. Seine Seele brach… nur um sich zu einem kriegerischen Ich zusammenzusetzen. Denn dieses Ereignis durfte nicht sein. Wie oft musste er noch an sein Versagen erinnert werden? Wie oft besudelte er mit diesem Versagen sein wohl ältestes Ideal, das ihm gebot Zelda auf ewig zu beschützen? Wie oft musste er die Grausamkeit peinigender Wahrheiten noch ertragen… diesen Irrsinn seiner Welt, die er als Spiel erlebt hatte… oder war dies alles doch nur ein Spiel? Und das war vielleicht der letzte Gedanke, der sich zweifelnd durch Links Seele schlich… der letzte Gedanke, bis sich der Schrecken der erbarmungswürdigen Finsternis in dieser Nacht wegwaschen würde so wie der Regen den Unrat der Welt mit seinen Ergüssen ertränkte. Denn in seinen tiefblauen Augen, wo der kämpferische Sturm tobte, entschwand eben jener heraus. Und noch etwas entschwand, alles, was ihn ausmachte an Zärtlichkeit, Unschuld und Menschlichkeit. Er rief Zeldas Namen als floh seine Stimme vor der Erkenntnis zu spät zu sein und doch hörte er den Klang seiner Worte nur von weitem. Link hetzte über den eiskalten Untergrund, wo noch immer Kotakes Eisspeere zarte Gräser zerstückelten, und doch war jeder seiner Schritte leergefegt von Emotionen… „Zelda!“, brüllte er durch den von Eismagie und Feuerfontänen beherrschten Regen, sodass auch seine Freunde, die den Weg durch den Wald suchten, in ihren Bewegungen stoppten und den Rückweg einschlugen. Der Name der Prinzessin des Schicksals entkam seinen Lippen wie eine machtvolle Beschwörungsformel, immer und immer wieder. Und als sich die weitreichende Energieattacke auflöste, die Überbleibsel jener Kraft eine riesige Schneise über die Felder gezogen hatten, war das Ausmaß von Kotakes und Koumes verheerender Magie zu erahnen… Glimmend und glitzernd verpufften die letzten Reste der Flut aus Eis und Feuer, als Zelda, inmitten von glühender Asche und klirrendem Eis, zusammenbrach… Als er sie erreichte, nur mehr still, kaum ein Gefühl auf seinen aufgeplatzten Lippen, kaum ein Gefühl in seiner Seele, die sich wie ein winselndes Kind in seinem Inneren verschlossen hatte, ließ er sich einfach auf seine nackten Knie sinken, ignorierte den Matsch und die schlitzenden Reste der vernichtenden Magie auf seiner Haut. Sorgsam drehte er Zeldas wunderschönes Antlitz zu sich, dann als sein Bewusstsein immer mehr zu schwinden schien. Wie in Trance strich er braungefärbte, eisnasse Haarsträhnen aus einem blassen, bezaubernden Gesicht ohne jeglichen Harm, streichelte über ihre geschlossenen Augenlider. Beinahe gnädig war das Schicksal nun, da es Zelda in eine besitzergreifende Ohnmacht geschickt hatte. Jetzt, da sie ihre Kraft wie ein Pulverfass entladen hatte um sich selbst vor den Attacken der Hexen zu schützen. Zelda war ohne Harm… sicher… behütet. Sie würde, nun da sie ihre verlorene Magie aus Hyrule erneut einsetzen konnte, niemals wieder schwach und hilflos sein. Lange Augenblicke zogen an Link vorüber, in diesem glücklichen Umstand, dass Zelda ausgerechnet heute in der unnötigen Auseinandersetzung mit Preston ihre vergessene Magie heraufbeschworen hatte… Augenblicke voller Trance, die sich über seine Sinne erhoben… Zelda lebte… und gerade deshalb war ihm egal, dass Kotake und Koume noch immer im Hintergrund ihre schaurigen Lieder sangen. Er nahm das bewusstlose Mädchen auf seine Arme, nun noch deutlicher mit einem leeren Blick in seinen tiefblauen Augen… Er stapfte mit schweren Schritten vorwärts, ignorierte die beiden Hexen… Er trug seine Prinzessin weiter durch den strömenden Regen, als Dolche aus Eis und Bälle aus Feuer niedergingen… Aber aus irgendeinem Grund trafen sie den Heroen nicht, der mit leerem Blick und andächtig seine bewusstlose Zelda auf den starken Armen balancierend weiter trat. Sie wetterten ihre böswilligen Zaubersprüche durch die Nacht, zischten, aber es schien, als hörte Link sie nicht. Sein Bewusstsein war besiegt von seinen eigenen Dämonen, so als hätte er einen Fuß in die Abgründe seiner eigenen Seele gesetzt. Und in der stoischen Leere seiner tiefblauen Augen tanzte gnädig und reif nur ein einziges, noch junges Bedürfnis… wuchs mit jeder Sekunde, auch dann als Link seine bewusstlose Prinzessin ohne Worte in die Obhut seiner Freunde entließ. Er erreichte sie in dem eisigen Nebel über den Feldern, doch sie erreichten Link im Gegenzug nicht mental. Er war in einer Welt fern abseits, in einem Zauber gnadenloser Kriege entschwunden um das zu beschützen, das seine Seele zusammenhielt. Sara versuchte auf ihn einzureden, aber er blickte wie durch sie hindurch. Rick packte seinen besten Freund an den Oberarmen, und doch konnte er ihn damit nicht erreichen. Link war nicht mehr der verträumte, junge Kerl mit der sanftmütigen Erscheinung, er folgte nur noch still dem einen Bedürfnis in sich aus diesem Kampf hervorzugehen, stärker, mutiger, heroischer. Er folgte der einen unaussprechlichen Wahrheit in sich… Er war für den Kampf gemacht. Ein Werkzeug des Krieges und des Stahls… Mit sicheren Schritten, drohend, schwer, trat Link zurück in das Auge des Gefechtes, geradewegs hinein in die Böen aus eisträchtiger und feuerbrünstiger Magie. Weil er es musste… und weil er es wollte. Dieser Kampf war nur eine weitere Prüfung… Zielstrebig lief er hinein in die Gefahr, todesmutig, augenscheinlich leichtsinnig… wäre da nicht der winzige Funken einer gewaltvollen Aura, die mit jedem weiteren von Links Schritten in seinem Dasein niederschlug und wäre da nicht eine Bereitschaft in seinen Augen, die erschreckte. Die Bereitschaft zu töten, ein haltloses Beben von Hass und Zorn, kriegerisch, verboten. Er trat zu seinem Schwert in den triefenden Matsch, ergriff die Klinge, eine Waffe, die mehr als jede andere Waffe vorher mit ihm verbunden war. Er hob sie in die Höhe als ein leidenschaftliches Symbol seiner heroischen Anklage. Seine tiefblauen Augen funkelten wie ein gnadenloser Richter in der Nacht der Stürme… Er blinzelte nicht, als er seine Klinge ein weiteres Mal in die Höhe streckte, das Herz des Stahls leidvoll summte. Es knackte, als um Link herum die Blitze zuckten und der Donner der Welt grollte… doch diesmal war da jene Magie, die über den Verlauf des Kampfes entscheiden würde. Das silberne Schwert in Links Hand sang, begann zu leuchten wie eine gleißende Sonne im jungen Erdzeitalter. Und da endlich stoppten die alten Hexen in ihrem Reigen, zischten nun in noch schrägeren Tönen, erkannten eine Qualität in ihrem Vernichter, den sie außer Acht gelassen hatten. „Wer bist du, Bursche?“, brüllten sie. „Wer hat dich erschaffen?“ Kotake und Koume stoppten in ihren Bewegungen, fielen schwächelnd nieder. Sie erkannten innerhalb von Sekundenbruchteilen, dass die Anklage in Links scheinbar leeren Blicken nur die gelassene Übermacht einer starken Persönlichkeit war. Sie erkannten ihn nun, den einen Helden Hyrules, zischten und doch bewegten sie sich kaum. Der Heroe klagte sie an, erschuf ein Netz der Starre, beendete den Wahnsinn dieser Nacht mit einer unheimlichen Natur. Und als Kotake und Koume begriffen, dass sie sich nicht mehr wehren konnten, zankten sie nur noch lauter, grölten krächzende Laute in die versteckte Welt der Sterne über dem Sturm. Eine vergessene Magie schuf sich ihren Weg in diese Welt und Link war die Brücke. Er klagte die Hexen an, ohne dass er redete. Er lähmte sie, sodass sie weder ihre Magie einsetzen noch irgendwohin flüchten konnten. Mit dem Angriff auf Hylias Blut hatten sie ihr Schicksal besiegelt… Und das allererste Mal in der Geschichte von Kotake und Koume, in dieser entstellten, sinnlosen Existenz, in dem von bösen Essenzen genährten, leblosen Fratzen war da ein Ausdruck von Angst vor der Hölle. Das allererste Mal wussten sie, dass sie nach der Vernichtung auf dieser so unscheinbaren Erdenwelt nicht mehr zurückkommen würden. Sie schrien wie hysterische Kinder, brüllten Formeln alter Magie in die Welt und doch war jeder böswillige Keim erloschen, erstickt von der lähmenden Macht des Guten. „Nein, das darf nicht sein! Lord Ganondorf“, röchelten sie, als der junge Heroe gemächlich nähertrat, sein Gesicht nur ein Schatten von Beherrschtheit und befehlender Kapitulation. Es war vorbei, der Alptraum dieser Nacht fiel nieder durch die Hand des einen Helden. Mit einem richtenden Schwertstreich, scharf und erfüllend, zog er beide Köpfe der Hexen von den Körpern, durchtrennte das böse Leben, tötete die dunkelsten Gelüste. Unwirklich fielen die Häupter der Hexen in den eisigen Matsch, zerfielen zu Asche in Sekundenbruchteilen, erst dann folgten die fallenden Körper, vermischten sich in ihrem glühenden Zerschmelzen mit frischem, stinkendem Schlamm. Und als von Kotake und Koume kein Härchen mehr übrig war, ließ Link das Schwert fallen und stand einfach nur da. Eine ungewöhnliche Aura ging von ihm aus, die seine Freunde spüren konnten. Und diese vom Kampf durchtränkte Aura war stark, ehrfürchtig und unheimlich stark… Der junge Held blickte in den Himmel, wo jener sein verheißendes Ergießen, seine stürmische Wut abflauen ließ, so wie der Zorn einer alten kriegerischen Entität aus Links Bewusstsein flüchtete… Und als in Schicksalshort endlich wieder Lichter leuchteten, von irgendwoher der Notstrom rauschte und die Straßenlampen den Ort erhellten, ja, in dem Augenblick ließ sich Link knackend auf den Boden sinken und atmete schwer. Er zitterte, fühlte sich überall unsagbar kalt, so durchgefroren wie noch nie in seinem Leben. Als wäre das Leben aus seinen Gliedern gewichen und kämpfte nun verbittert in jede einzelne Zelle zurückzufinden, spürte er einen stechenden Schmerz überall, riss ihn nur noch weiter zu Boden. Mühevoll stemmte er seine Hände in den kalten Matsch, war dankbar für zumindest diese Empfindung und versuchte jenen krampfartigen Schmerz mit seiner Atmung zu beherrschen. Er wusste nicht, was er getan hatte, verstand die Welt nicht mehr, als er um sich blickte und das Gewitter sich entladen hatte und sogar erlaubte die Sterne am Himmel leuchten zu sehen. Nur schwerlich kroch die erschütternde Erinnerung zurück in seine Gedankenwelt. Seine Freunde und er waren geflüchtet… vor Kotake und Koume! Der einprägsame Name seiner Prinzessin entkam seinen rauen, leicht aufgerissenen Lippen, als er seinen Körper mit Schwindelgefühlen in die Höhe brachte. Sein Kopf schmerzte wie wild und sein Puls raste so schnell, das seine Adern schmerzten, sein Herz pumpte qualvoll und ermüdend. Dann rief er nach ihr, nach seiner Seelenverwandten mit aller Zärtlichkeit und einer wiedergewonnenen Verträumtheit, die ihn doch auszeichnete, ihn zu sich selbst führte. Plötzlich riss ihn eine bekannte Stimme aus seinen Gedanken und er fühlte eine warme Hand auf der Schulter, eine beruhigende Hand, die den zermürbenden Schmerz in jeder Faser seines Körpers heilte. Sara sah ihn aufmunternd an, berührte sein schweißnasses Gesicht mit ihrer anderen Hand, nahm Anteil an der Verzweiflung, die Link überrannte. Er wusste nichts von dem, was er gerade getan hatte, aber er fühlte sich scheußlich, innerlich überfordert… und irgendwie… tot. Seine Schwester zog ihn in eine wärmende Umarmung. Wie nur konnte sie so warm sein inmitten der Nässe und der Grausamkeit dieses Schlachtfeldes? Mit einem Schluchzen sank Link in sich zusammen, ließ den Kopf auf Saras Schulter ruhen und konnte sich nicht vorstellen jemals wütend auf sie gewesen zu sein. Er erinnerte sich an die Einzelheiten des Abends, daran, dass Sara so viele Dinge vor ihm verschwiegen hatte. Doch jetzt, nach dem Kampf, war dies alles so belanglos… und unwichtig. Das Leben war zu kostbar um seiner kleinen Schwester dies nachzuhängen. „Es gibt wohl einige Dinge, die du uns erklären musst“, murmelte Rick, der sich ebenfalls annäherte und es war die Art und Weise, wie er es sprach, erhellend und anteilnehmend, dass Link etwas Kraft finden konnte sich von dem eben Erlebten zu distanzieren. Er löste sich aus Saras Umarmung, dankend. „Wo ist Zelda“, war das erste, was er sagte. Er konnte kaum realisieren, dass Zelda bei Maron und Mike im Schatten der Bäume auf ihn wartete. Es erschien ihm, als arbeiteten seine Sinne nur noch verlangsamt, als erfuhr er die Welt in einem angetrunkenen Zustand. „Sie ist unverletzt, Link, aber noch bewusstlos, hinten am Waldrand bei Maron und Mike“, erklärte Sara wissend. Ja, sie wusste alles… „Kein Wunder, sie hat ihre Kräfte, die sie noch nicht verstehen kann, wie ein explodierendes Pulverfass wüten lassen. Es hat sie schlichtweg überfordert, sie braucht nur etwas Schlaf.“ Link nickte, als das Mondlicht über die Felder wanderte und die Nacht sich von der Gewitterbrunst erholte. „Die Hexen…?“, murmelte Link, noch immer benommen. Etwas sprachlos blickten Rick und Sara zu Boden. „Kotake und Koume sind vernichtet, Link. Du warst es“, erklärte Sara und versuchte es mit einem aufmunternden Lächeln. „Du kannst dich nicht erinnern?“ Er seufzte und wischte sich dünne Blutflecke von den Lippen, dann sah er auf, mit diesem durchdringenden Blick aus seinen tiefblauen Augen. Etwas melancholisch wanderte sein Blick gen Horizont. „Ich weiß noch, dass Zelda von der Hexenmagie erfasst wurde, dann… dann ist da nichts mehr.“ Er erhob sich, spürte eine aufkommende Übelkeit über sich hereinbrechen und einen hetzenden Puls, der seine Adern pochen ließ. Etwas in ihm hatte ihn überschwappt wie eine Flutwelle ein wehrloses Boot auf offener See. Etwas hatte ihn kontrolliert, gefangen genommen und zu einem Krieger gemacht, der nur dem Summen des Stahls folgte und die Schärfe und Grausamkeit erbarmungsloser Verwüstung kannte. Erneut eine ungewollte Herausforderung, dachte er. Erneut ein Problem… Hatte er nicht gerade genügend offene Fragen zu lösen? Ein neuer Trübsinn folgte ihm wie ein kleiner Keim im Schatten des leuchtenden Mondes, während Link so untypisch in beinahe humpelnden Schritten zum Waldrand steuerte. Matsch und trockenes Wiesengras hing überall an seinem Körper, sodass er erschreckend mitgenommen aussah, und dann erreichte er Maron, Mike und seine bewusstlose Prinzessin. „Ist es vorbei?“, sprach Mike leise, während Maron, die einst so fröhliche Farmertochter, leise wimmerte. „Ist es…“, antwortete Link und tat nichts anderes als Zelda auf seine zitternden Arme zu nehmen. Selbst in ihrer Ohnmacht war sie so wunderschön… Sie hatte nicht einmal Schmutz im Gesicht, die porzellanweiße Haut ihrer Arme und Beine schien im Mondlicht zu schimmern. Und als Link sie hielt, spürte er mehr Wärme von ihrem Körper ausgehen als von sich. Sie fror nicht, war völlig gesund und im Einklang mit ihrer Physis, während der Heroe sich kaum standhaft halten konnte… wohin nur war seine Kraft? Und auch der Gedanke, dass er heute Abend versagt hatte sie vor dunklen Kreaturen zu bewahren, wandelte sich in Bitterkeit und Schmerz. Wenn nicht die grausame Natur in ihm Oberhand gewonnen hätte, wäre dieser Abend vielleicht mit den schlimmsten Verlusten überhaupt für Link ausgegangen. Er fühlte sich schwach und ausgelaugt, aber er würde seine Prinzessin mit seiner verbliebenen Sturheit zurück in sein Elternhaus tragen, über die nasse Wiese… durch die sich erhellende Nacht. Der Sonnenaufgang war über den Wipfeln der Bäume fast schon zu erahnen mit zarten pastellenen Farben, die den Mond zur Rückkehr zwangen. Trotzig trat Link vorwärts, mit stoßweisen Atemzügen einen Schritt vor den anderen. Rick half der verzweifelten Maron beim Aufstehen und führte sie mit tröstenden Worten zum Haus zurück. Auch Sara und Mike folgten, sortiert und gefasst. Beide hatten vermutlich schon sehr viel länger mit übernatürlichen Gegebenheiten zu tun, folgten schweigend, als erste Strahlen der Morgensonne über die Welt fielen. Sie waren reinigend, und so wohltuend warm wie das Licht wenn die Dunkelheit fiel… Zurück im Haus der Braverys brachte Link seine noch immer schlafende Prinzessin in sein Bett und sank einige Augenblicke an der Bettkante nieder. Er schloss die Augen mit immer brutaler werdenden Kopfschmerzen und suchte etwas Halt in Zeldas Nähe, nicht ahnend, dass gerade sie vor wenigen Stunden auf diese Weise bei ihm saß. Er überprüfte ihren Zustand sorgfältig, ihren Puls, suchte nach Verletzungen, die er nicht fand. Obwohl er mit allen Sinnen spüren konnte, dass es ihr gut ging, drückte er Zeldas zarte Hände gegen seine Lippen und murmelte ehrfürchtige, aber irgendwo auch unsinnige Worte des Verzeihens in das von grauen Schatten erfüllte Zimmer. Erneut rüttelte ein altes Bewusstsein an mentalen Ketten. „Ich… bitte dich um Vergebung… Prinzessin… meine Prinzessin… ich habe dich im Stich gelassen… ich habe versagt…“ Seine Stimme ging in der leichten Düsternis seines kühlen Zimmers unter, ließ auch diese Worte nur mehr verschwommen hallen… Als erste erweckende Lichtstrahlen in Links Zimmer fielen, trat er mit noch immer pochendem Schädelweh hinab zu seinen Freunden, die sich leise im Esszimmer unterhielten. Sie waren zum Teil fassungslos, ausgelaugt oder durcheinander. Link erzählte ihnen schließlich alles, restlos alles über seine und Zeldas Geschichte, alles, was in seinem Wissensbereich lag. Er saß hier, entblößt in allen Zweifeln und Unsicherheiten, mit Scham und Schuldgefühlen vor den einzigen Menschen, die es verstehen konnten, vor seinen Freunden. Sie hörten verständnisvoll zu, versuchten zu begreifen wie schwer die Bürde sein musste, die Link trug. Es machte keinen Sinn mehr zu schweigen, über sein Schicksal, über das Böse, die heile Welt hatte sich vor den Jugendlichen in dieser Nacht mit dem Sturm aufgelöst. Auch Sara berichtete im Gegenzug, dass sie insgeheim nach dem unerklärlichen Angriff auf Links Leben durch Skelettritter nachgeforscht hatte und dass sie sich an Ines Schattener bezüglich ihrer Fragen gewandt hatte. „Link, es tut mir leid“, sprach Sara schließlich, den Kopf gesenkt und voller Reue, aber auch Mitgefühl. Auch sie wirkte verschmutzt, übermüdet mit lila Augenringeln. Genauso wie die anderen hatte sie, nachdem sie in das Haus zurückgekehrt waren, sich hier ins Wohnzimmer begeben und einfach nur hingesetzt. „Ich kann so gut verstehen, dass dich mein Schweigen sehr wütend gemacht hat“, setzte sie hinzu. Sie drückte ihre Hände in den Schoß, suchte dort nach dem Stoff ihrer Hose um eine Beschäftigung für ihre nervösen Finger zu haben. „Irgendwann wusste ich bei all den schlimmen Geschehnissen nicht mehr, wie ich dir sagen sollte, was ich herausgefunden hatte… und als du dich mit Zelda versöhnt hast, ich wollte euch einfach nicht…“ Der junge Heroe saß erschöpft und lethargisch auf dem Sofa, beschmiert mit Matsch und ein paar Kratzern im Gesicht, Prellungen an den Armen und Beinen, sah er beinahe unheimlich aus, während Sara ihren Standpunkt erklärte. Er war dem ganzen Wirrwarr um das, was war und sein sollte, schlichtweg müde. Er war auch zu müde um noch länger wütend zu sein, er war einfach überfordert, weil er nichts von dem entscheidenden Kampf gegen Kotake und Koume wusste, nichts, absolut gar nichts. Er blickte seiner kleinen Schwester mit einem versteckten Grinsen entgegen, es war halbherzig, aber anders wusste er gerade nicht mit diesen Schuldgefühlen Saras umzugehen. „Ich bin nicht mehr wütend, Sara“, sprach er nachdenklich, aber gelassen. „Ich bin einfach nur… überfragt. Ich kann dir nicht so lange böse sein“, setzte er hinzu, schloss dabei die Augen und wurde von einer von ihrem Platz hüpfenden Sara in die Arme gezogen. „Du bist mein großer Bruder, egal, wer du einmal warst. Du bist mein bester Freund, warst es immer. Ich werde immer für dich da sein!“, sprach sie fest und sicher, sie umarmte Link beinahe behütend. Er seufzte in der Umarmung, dankbar nickte er. Es tat so gut zu wissen, dass er mit diesen ganzen Zweifeln nicht mehr alleine war. Warum nur hatte er die letzten Monate sich alles alleine aufbürden müssen? Er streichelte Saras braunen Hinterkopf und blickte sie durchdringend an. „Aber eines hätte ich gerne gewusst…“ Und Links tiefblaue Augen musterten Mike, der auf der Eckbank am Tisch saß, eindringlich. „Warum hast du dich entschieden Mike einzuweihen… ich verstehe ja, er ist dein Freund, und es hat auch nichts mit dem Streit zu tun, den ich und Mike einmal hatten.“ Doch da erklärte jener diesen Umstand eher abtuend. „Sagen wir es so, ich habe es eher unabsichtlich herausgefunden.“ Mike hatte einen langen Kratzer in seinem Gesicht, wo seine lachsfarbenen Haare zum Teil über seine Sommersprossen fielen. Mike wirkte gerade nicht so unscheinbar und irgendwie auch unwichtig, wie Link ihn in all der Zeit gesehen hatte, nun ja, er hatte ihn wohl eher vermieden. Seine Besorgnis und sein Bemühen um Sara, auch dass er sich ihr gegenüber unglaublich loyal verhalten haben musste, beeindruckte Link in dem Augenblick. Er hatte sie sogar verteidigt. Mike verschränkte die Arme, es war ihm anzusehen, dass er nicht die falschen Worte sagen wollte. „Das ist richtig“, sprach Sara. „Eigentlich wollte ich genauso wie du nicht, dass andere Menschen eingeweiht werden.“ Link gab sich nicht völlig mit der Erklärung zufrieden und ahnte, dass Sara mit noch weiteren Zweifeln zu kämpfen hatte, aber er spürte auch, dass es nichts mit ihm zu tun hatte, dass es okay war und dass es für ihn keinen Grund gab für Misstrauen oder Sorgen… nicht in jener Hinsicht. Link erhob sich, spürte immer mehr, wie die Erschöpfung in Gestalt von vielleicht Hundert unsichtbaren Gewichten über seinen Schultern drückte, zumindest fühlte es sich so an. Er reichte Mike Kilhagen die Hand, eine lange schon überfällige Geste, endlich konnte Link mit ihm auf Augenhöhe die Streitereien in der Kindheit ausräumen. Eigentlich wussten beide nicht einmal, warum sie überhaupt so aneinander geraten waren… wegen Sara? „Ich danke dir, dass du für Sara da warst“, murmelte Link. Es war so ritterlich und beinahe weise, dass der junge Heroe auf seinen alten Feind aus Kindergartentagen zuging. Mikes Gesicht wurde rot wie Kirschen. Er hatte nicht mit einem Friedensangebot gerechnet. Verlegen schüttelte er die starke Hand des Heroen. „Das hab‘ ich gern gemacht“, meinte Mike, seine beinahe bübische Jungenstimme stockte ein wenig. „Es war trotzdem nicht selbstverständlich“, murmelte Link. „Ich hoffe, wir können die kindische Feindschaft von damals endlich ruhen lassen.“ Mike nickte erfreut, das erste Mal traten die beiden in Augenhöhe voreinander. Wie seltsam doch die Welt war… Sie mussten erst einen Kampf gegen übermächtige Gegner ausfechten, um den Wert von zwischenmenschlichen Begegnungen anzuerkennen und alte Feindschaften zu begraben… Gerade da kam Rick zurück in den Raum, er hatte, nachdem Link ihnen im Schnelldurchlauf die Geschehnisse des halben Jahres berichtet hatte, eine erschöpfte und verängstigte Maron in das Gästezimmer gebracht. „Wie geht es ihr?“, murmelte Link und kam nicht umher sich trotzdem schuldig zu fühlen. Erneut war Maron in die Kämpfe verwickelt worden, und sie war nicht darauf vorbereitet, sie war für Verwicklungen mit übernatürlichen Dingen zu gutmütig, und vielleicht auch zu schwach und unschuldig. „Es geht schon wieder, sie ist innerhalb weniger Minuten eingeschlafen“, meinte Rick und atmete tief durch. „Was für ein verdammter Abend!" In Ricks rehbraunen Augen stand noch immer eine herbe Verzweiflung. Sicherlich wusste er seit geraumer Zeit über Links Träume und seine merkwürdigen Erlebnisse Bescheid, aber sich in einer vom Bösen bedrohte Welt zu wissen, verlangte ihm alles ab. Auch Rick sah furchtbar mitgenommen aus, seine Kleidung teilweise zerfetzt, sein Haar mit Schlamm besudelt. Er ließ sich am Esstisch nieder und trank mit einem Zug ein Glas von dem Rotwein, der noch übrig war. Er war kein Freund davon seinen Kummer mit Alkohol zu bezwingen, aber gerade jetzt, brauchte er es. „Ich bin… so verdammt froh, dass du diese Hexen besiegen konntest“, sprach er, müde und ausgelaugt. „Ich weiß, du hörst das sicherlich nicht gerne… aber du bist einfach der Held, den diese Welt braucht… der eine Held…“ Rick drückte seine Lippen aneinander, erzeugte damit ein teilweise unsicheres Lächeln. Dennoch… in seinen Augen blitzte Bewunderung und Stolz ein Freund des Heroen aus Hyrule zu sein. Link schüttelte innerlich den Kopf, erinnerte sein Pflichtgefühl mit herber Frustration. „Wenn ich nur wüsste… was mit mir passiert ist.“ Ja, er war der Held aus Hyrule, er sollte ein Bezwinger des Bösen sein, geboren aus Rechtschaffenheit, dem Guten verpflichtet. Dass er auf eine grausame Weise gewütet hatte, Kotake und Koume einfach die Köpfe vom Leib gesäbelt hatte, hing wie ein kalter Schatten über ihm. „Egal, was es war, wir müssen alle dankbar dafür sein“, entgegnete Rick. „Dein Blackout, ich nenne es einfach mal so, war notwendig.“ „Du meinst, ich muss dankbar sein für diese Düsternis in mir?“ „So würde ich es nicht bezeichnen, Link. Du weißt noch nicht, was das war. Wichtig ist nur, es hat uns alle beschützt!“, sprach Sara und versuchte beinahe zwanghaft der Situation etwas Gutes abzugewinnen. Natürlich war es gut, dass sie alle wohlauf waren, natürlich war der Ausgang irgendwo gut… aber es hatte auch einen sehr üblen Preis. „Ich weiß nur nicht, ob es etwas Gutes ist, wenn ich die Kontrolle dabei verliere…“ Link seufzte und schien immer mehr in sich zusammenzusinken. Einmal mehr schwappte eine Welle der Müdigkeit über ihn hinweg, ließ ihn beinahe einnicken. „Wie auch immer…“ Rick grinste dann. Er versuchte die Situation runter zu schaukeln. „Wir sollten endlich etwas Ruhe finden, wir sind alle fix und fertig.“ Alle Anwesenden seufzten auf diese Worte und nickten zustimmend, beinahe erleichtert. Musste Rick es erst ansprechen, dass jeder der Freunde die Erlaubnis verspürte endlich schlafen gehen zu dürfen. Einmal mehr blickte Link durch die Runde, sah diese vertrauten Gesichter mit wohlwollenden, erleichterten Gesichtszügen, mit dieser riesigen Unterstützung ihm und Zelda gegenüber, dachte daran, wie glücklich der Umstand doch eigentlich war, dass sie alle diese Nacht überlebt hatten… alle unverletzt… alle ohne weitere Schrecken. Auch wenn es ihm schwer zu schaffen machte, dass eine unbekannte Stimme in ihm, genährt durch alptraumhafte Düsternis die Kontrolle an sich gerissen hatte, so war Link erneut unheimlich dankbar. Denn einfach so hätte er die Hexen kaum bezwingen können… und an die Konsequenzen, wenn jene entkommen wären, wollte Link nicht einmal denken. Ein zaghaftes Lächeln trat auf sein erschöpftes Gesicht, ließ den tapferen jungen Mann durchschimmern, der er doch war und der selbst im Gefängnis seiner selbst eine stetige Rechtschaffenheit behalten würde. Es war fünf Uhr in der Früh. Rick und Link bauten so gut es ging die Tür wieder zusammen, während Sara und Mike das Wohnzimmer säuberten. Es war so viel passiert, dass die erschöpfte Meute einfach kein Auge zu machen konnte, auch wenn sie versucht hatten in den Schlaf zu finden. Der trübsinnige Held hatte gerade einen Schraubenzieher in der Hand, als seine Prinzessin die Treppen hinunter gestolpert kam. Augenblicklich trat er zu ihr hinüber, drückte sie so innig an sich, dass Zelda nach Luft schnappte. Sie war noch zu müde um eine solche Attacke der Zuneigung zu verarbeiten und zu müde, als dass sie ihre sonst so selbstverständliche Mauer gegen tiefe Empfindungen aufbauen konnte. Sie umarmte ihren Heroen ebenfalls, drückte ihre zarten Hände an seinen durchgeschwitzten Nacken und seinen von Schlamm bedeckten Hinterkopf, was ihn überraschte. Sie streichelte ihn… seufzte erneut. „Dass du mir nur immer so viele Sorgen bereiten musst, du Dummerchen...“, sagte Link leise und lächelte schwach. Es tat so gut Zeldas Trost zu spüren. „Dass du dich nur immer in solche Gefahren bringen musst, du leichtsinniger Taugenichts...“, erwiderte sie, versuchte das Verlegenheitsrot in ihrem Gesicht zu unterdrücken. Erst dann löste sie sich aus der Umarmung, schob ihre Hände vor die Brust und blickte nervös zu Rick, worauf Link meinte, als würde er ihre Gedanken lesen: „Sie wissen Bescheid, Zelda, über alles...“ „Wirklich alles?“ „Ja, alles und jede Einzelheit...“ Links erleichterter Blick sagte ihr, dass es für ihn okay war, dass sie die Geheimnisse nun wussten. Dennoch… da war ein Funken Bitterkeit in ihm, in seiner starren Haltung, in dem Zucken seiner Augenbrauen und in diesem schönen Tiefblau seiner Augen. Zelda kannte ihn zu lange als dass sie seine wahren Bedürfnisse und Einstellungen zu diesem Thema übersehen könnte. Sie spürte es, er war nicht im Reinen mit sich selbst… „Zumindest alles… was ich über unsere Vergangenheit weiß… und es ist genug.“ „Ich verstehe…“, sprach sie und beobachtete Rick, der ihr ein wohlwollendes Grinsen schenkte, sah Sara und Mike verstohlen entgegen, die ebenfalls nickten. „Wo ist Maron?“ „Sie ist eingeschlafen…“, erklärte Rick. „Zum Glück… der Angriff, die Flucht, es hat sie überfordert. Sie muss das alles erst verarbeiten.“ Zeldas Gesichtszüge entspannten sich, als sie verstand und den Ausgang dieser Schlacht erahnte. Sie sah es in den Gesichtern der anderen, an Links Gestik und Mimik, dass er bereit gewesen war Kotake und Koume zu töten. „Ist mit dir alles in Ordnung? Du siehst erschöpft aus“, sprach Zelda an ihren Heroen gerichtet. „Ich bin okay“, sagte Link und wendete sich ab. Er wollte ihr nicht erzählen, zu welcher Kampfmaschine er mutiert war, als er glaubte, ihr wäre etwas zugestoßen. Er hätte es sich niemals mehr verzeihen können, wären Zelda oder seine Freunde verletzt worden. „Als ich sah, dass die Hexen mich treffen wollten, habe ich meine Kräfte genutzt. Du brauchst dir wegen mir keine Sorgen mehr zu machen, Link.“ Sie versuchte ihm eine Last von der Seele zu nehmen, aber spürte deutlich, dass ihn noch weitaus mehr als der Angriff von Kotake und Koume bedrückte. „Link?“ „Ich werde mir immer Sorgen um dich machen“, murmelte er und half dann Rick wieder bei der Tür. Zelda wusste, dass er etwas Abstand brauchte, nun ja, eigentlich Ablenkung brauchte, um sich selbst in diesem Chaos wieder zu finden. Sie nickte schwach und half Sara und Mike beim Aufräumen. Kapitel 40: Eine lange Nacht ---------------------------- Als die Sonne allmählich aufging, trat die vergessene Prinzessin einmal mehr die Stufen vom Obergeschoss im Haus der Baverys hinab… gemächliche Schritte, suchend, ein leises bestimmtes Klacken, welches Müdigkeit begleitete. Seit vorhin, als Link, Rick, Sara und Mike einen großen Teil der Verwüstung im Wohnzimmer beseitigt hatten, Scherben aufgelesen, Brandflecke abgedeckt, die ausgehängte Tür wieder befestigt, vielleicht um Meira zumindest einige Sorgen zu ersparen, hatte sie ihren Heroen noch nicht wieder erblickt. Link war dem Reden überdrüssig gewesen, sendete erwartungsvolle Zeichen mit seinen herben, schönen blauen Augen. Er erwartete Verständnis, etwas, das er mehr als sonst jemand verdient hatte. Mit dem Versuch ihm etwas Abstand zu geben, hatte sie den anderen bei diversen Tätigkeiten im Haus geholfen, was sie ebenfalls abgelenkt hatte. Sie gähnte, spürte eine quälende Müdigkeit über sich hereinbrechen, die sich anfühlte wie eine Lähmung… ein ziependes Betäubt Sein ihres Körpers. Sie konnte sich nicht erinnern jemals so lange ohne notwendigen Schlaf zugebracht zu haben, bedachte man die Tatsache, dass sie auch die Nacht zuvor wach geblieben war. Sie fühlte sich beinahe wie im Schwebefieber, nicht in der Lage die Realität so gestochen scharf wahrzunehmen wie sie eigentlich war, fühlte sich nicht in der Lage Konsequenzen so einzuschätzen wie sie sollte und befürchtete in diesem schlaftrunkenen Zustand Dinge zu tun, die sie später bereuen sollte. Sie fand keinen ihrer Freunde mehr wach vor, alle hatten sich in kuschlige Betten zurückgezogen… alle außer Sara, die nachdenklich im Wohnzimmer saß… in einem kurzen, olivgrünen Pyjama, die Beine am Sofa angewinkelt. Sie sah gerade irgendwie zerbrechlich für Zelda aus… da war dieses junge Mädchen, voller Mitgefühl und Geheimnisse, zu jung um sich an ein Dasein als unsterbliches Geschöpf aus Hyrule zu erinnern. Zu großherzig… zu menschlich… „Wie geht es dir, Sara…“, sprach Zelda, versuchte ein Gespräch zu beginnen, auch um sich noch etwas wach zu halten. Erschrocken fuhr die jüngere Schwester von Link in die Höhe, als hätte sie mit offenen Augen geschlafen. „Boah, hast du mich gerade böse erwischt“, sprach sie und hüpfte ein weiteres Mal in die Höhe, schüttelte ihren Schlafsand aus den Augen. „Aber danke der Nachfrage… bin total zerknirscht, ehrlich gesagt, ich habe deswegen etwas meditiert.“ Sara lachte dann, in ihren blaugrauen Augen blitzte Schelm und Weitsicht. „Wenn du deinen Helden suchst, er ist gerade in der Badewanne, hat der Gute bitter nötig.“ Natürlich hatte Zelda diesen Umstand gewusst. Sie würde ihn in den nächsten Stunden nicht mehr aus den Augen lassen. Die panische Verlustangst, die sie vorhin verspürt hatte, rüttelte noch immer an ihrem Gleichgewicht und ihrer Stärke. „Sara…“, und es war eine ernste Betonung in Zeldas Stimme, die das junge Mädchen aufhorchen ließ. „Du musst ihm sagen, wer du bist…“ Das Mädchen mit dem kurzen, braunen Haar sank erneut auf dem Sofa nieder, stützte den Kopf in die Hände. „Das weiß ich, Zelda… ich weiß nur nicht, wie ich anfangen soll.“ „Es ist alles einfach zu kompliziert, huch…“, sprach Zelda mit Verständnis und leistete Sara Gesellschaft auf dem Sofa. „Es ist heuchlerisch von mir, dass ich von dir eine Wahrheit verlange, die ich Link gegenüber auch niemals zustande bringen würde…“ „Sei nicht so hart zu dir, Prinzessin“, versuchte Sara sie aufzuheitern. „Wir suchen uns unsere Ängste ja nicht aus…“ Sara zwinkerte und mit einem gütigen Strahlen in ihren klugen Augen wirkte sie einmal mehr wie ein Abkömmling einer anderen Zeit. Obwohl sie so jung und irgendwie zerbrechlich aussah, leuchtete der Schimmer einer alten Existenz aus ihren Seelenspiegeln. „Vielleicht nicht… aber ich bin an meinen Ängsten seit Jahrhunderten gescheitert… seit Jahrhunderten…“, betonte sie. Zelda streichelte ihre Oberarme als wäre ihr kalt, dann schloss sie die Augen und verzog ihr Gesicht. Sie war so verdammt müde, dass Sara ihr wohl gerade alles aus der Nase ziehen könnte… sogar ihre immer verschwiegenen Gefühle für Link. „Umso notwendiger ist es wohl, dass du mit Link redest, Zelda“, schmunzelte die Fünfzehnjährige und grinste wieder. Wie nur hatte Sara so ein frohes Gemüt und eine solche Offenheit, Gelassenheit und Verwegenheit wenn es um Gefühle und Liebesdinge ging entwickeln können, fragte sich die Prinzessin. War das ein Nebenprodukt ihres Lebens auf der Erde? Wenn Zelda an ihre Bedürfnisse nach Innigkeit und an die Süße von dem ersten Verliebtsein dachte, trug sie in sich doch immer nur Verbote… Verbote, was Nähe und Berührungen anging. Verbote, was verliebte Gedanken anging… selbst sehnsuchtsvolle Blicke hatte sie unter Verschluss gehalten. Es ziemte sich nicht für die Prinzessin Hyrules über solche Dinge nachzudenken. Saras Gesichtszüge änderten die Stimmung plötzlich um Hundert achtzig Grad, als sie sich wie eine zänkische Gans aufplusterte. Oh, Sara, dachte Zelda, auch sie war zu müde um noch ein normales, sachliches Gespräch zu führen. „Prinzessin Zelda“, sprach sie pseudoernst und unterdrückte den Gähnzwang. „Ich erwarte, dass du die Zeit mit meinem Bruder genießt, hast du das verstanden!“ Zelda verlor die Worte, die sie gerade noch sagen wollte. „Ich will, dass du versuchst auf ihn zuzugehen. Tu mir den Gefallen und sorg‘ dafür, dass es ihm besser geht.“ Es war nicht nur ein heftiges Schamgefühl in Begleitung irrsinnigen Herzklopfens, das Zelda plötzlich verspürte, es war ein dummes Pflichtbewusstsein, das begann in ihr zu arbeiten. Ja, natürlich hatte Link nach diesem Horrorabend Ablenkung, Ruhe und genau das verdient, was er sich wünschte. Aber ob Zelda in dieser Hinsicht wirklich eine Rolle spielte? „Du kapierst es einfach nicht, was?“, murrte Sara. „Wer sollte besser dafür geeignet sein Link glücklich zu machen als du?“ Zelda bekam große Augen und hüpfte hektisch vom Sofa. Hatte Sara überhaupt einen Dunst einer Ahnung in welche prekären Zustände sie das arme Mädchen aus einer anderen Epoche damit brachte? Konnte sich Sara denn nur zu einem Bruchteil in die Prinzessin Hyrules hineinfühlen, die niemals auch nur die Gelegenheit hatte Erfahrungen zu dem Thema Zweisamkeit zu sammeln, ganz zu schweigen von ihrer Schüchternheit? „Beim Deku, ich bin so müde… ich gehe jetzt schlafen…“, sprach Sara und schien von Zeldas innerem Gefühlschaos überhaupt nichts zu bemerken. „Schaust du mal nach Link? Er ist ja schon auffallend lange in der Badewanne.“ Sara rieb sich die Augen, erhob sich und legte der Prinzessin eine Hand auf die Schulter. „Wir müssen auch noch über die weitaus wichtigeren Dinge reden… über Ganondorf und seine Pläne… aber das muss ruhen bis morgen.“ Zelda tat nichts anderes als zustimmend zu nicken. Mit einem unguten Gefühl in den Venen beobachtete sie die schlaftrunkene Sara sich aus dem Raum entfernen, hörte im Wohnzimmer noch die Treppe knarren. Sicherlich mussten sie sich um Ganondorfs Pläne Gedanken machen, mehr noch, sie mussten gegen seine Ziele arbeiten, so wie Impa dies bereits in einigen Belangen zusammen mit den wiedergeborenen Weisen getan hatte. Aber Zelda zweifelte immer mehr daran, dass sie es in ihrer derzeitigen mentalen Verfassung konnte. Es war nicht nur so, dass sie für sich selber in dieser modernen Welt keinen großen Wert sah, es war wohl auch, dass Zelda deutlich erkannte wie mental gebrochen sie doch eigentlich war… Die vergessene Prinzessin sah ihre eigene Stärke nicht, verleugnete ihre eigene Bedeutung in diesem großen Gefecht. Sie wusste es auch ohne dass sie die Heilerin in den Wäldern hatte besuchen müssen. Sie wusste, dass ein Teil ihrer Seele mit Hyrule untergegangen war… Etwas besorgt klopfte Zelda an die Badezimmertür, aber erhielt tatsächlich keine Antwort von ihrem Heroen. Falls er sich in der Wanne befand, dann war die Stille im Badezimmer wirklich sehr merkwürdig, zumal Link selbst aus dem Schlaf auf ihre Stimme und ihr Klopfen reagieren würde. Unvermittelt trat sie in den feuchtnassen Raum ein, im verschwommenen, silbrigen Halbdunkel, wo die Strahlen der aufgehenden Morgensonne in den Raum drangen. Als sie ihren Helden lässig in der Wanne liegen sah, die tiefblauen Augen geschlossen, geräuschvoll atmend und in seiner kaum vom restlichen Schaum kaschierten Entblößung wich Zelda die letzte Farbe aus dem Gesicht und ihre Knie zitterten. Sich noch einmal unsterblich in Link verlieben… ob das möglich war… gerade jedenfalls empfand Zelda die heftigsten Schmetterlinge in ihrem Bauch, spürte sie flattern, immer stärker flattern und flattern… noch nie hatte sie ihn so unschuldig und verwundbar erlebt… so verletzlich. Nackt und weich… Diese Qualität von ihm zu erleben, ängstigte sie einmal mehr… ängstigte sie vor ihren eigenen Gefühlen und Sehnsüchten. Ihn in seiner atemberaubenden Menschlichkeit zu erkennen, schlafend, umspült von lauwarmen Wasser, entspannt in herber Frische, sein goldblondes Haar verwirbelt, wild, feucht… Dieses weiche Haar, das ihr befehlen wollte die Hände darin zu versenken. Seine sonnengebräunte Haut schien ihr zu befehlen ihm kleine Wassertropfen wegzustreichen… Zelda erstarrte innerlich für viele Sekunden, ihre saphirblauen Augen verloren sich auf seiner männlichen Schönheit… athletisch… heiß… diese sehnigen Konturen über seiner Brust… seinem Bauch… Egal, in welchen Momenten sie ihn beobachtete… immer wieder spürte Zelda ihr Herz vor unerfüllter Sehnsucht zerspringen… egal, in welchen Momenten sie ihn berühren durfte, immer höher klomm ihr Puls… und doch war diese Welt, wo es eine Zukunft für sie mit ihren Heroen gab, schlichtweg unerreichbar… Sie berührte den Lichtschalter, versuchte das heimliche Feuerwerk in ihrem Körper zu löschen, nachzudenken. Als das Licht ansprang, trat sie in den Schein an Links Seite, berührte seine Schultern und blickte betreten an die Zimmerdecke. Links Haut war so kalt, dass Zelda sich nun doch sorgte… Doch da zuckte er plötzlich in sich zusammen, griff nach Zeldas warmen Händen und blickte sie sofort schockiert an. „Entschuldige… du hast dich nicht wecken lassen.“ Ihre stockende Stimme erzählte mehr als sie wollte. „Bin ich in der Wanne eingeschlafen?“ Seine Augen wurden immer größer, auch, weil er nun endlich die prekäre Situation verstand. Mit beginnender Röte in seinem Gesicht bat er um ein Badetuch. Zelda hüpfte schlagartig um ihre Achse und reichte ihm das notwendige Objekt zur Verhüllung seiner selbst, und flüchtete sofort aus dem Raum. Alles, was Link gerade noch dachte war ein albernes ,Komm‘ zu mir in die Wanne…‘ Er wünschte sich, er hätte es wirklich gesagt, als Zelda noch im Raum war… wünschte sich, er hätte so schnell reagiert um sie vielleicht doch dazu zubringen sich ihm anzunähern. Denn diese ganze Situation erinnerte ihn so tiefgehend an die erste Woche mit Zelda auf der Erde, dass er glaubte, er könnte die Zeit bis dahin zurückdrehen und einiges anders gestalten… Wenn er die Zeit tatsächlich manipulieren könnte, wenn seine Prinzessin sich ihm öffnen würde… ob sie beide vielleicht doch ein Paar waren? Mit einem Seufzen erhob er sich endlich, realisierend wie kalt das Wasser doch war. Wie lange war er hier drinnen geblieben? Er schüttelte den Kopf, wirbelte das Wasser von den Haaren und war erstaunt über die fortgeschrittene Zeit. Er trocknete sich gemächlich, Dutzende Seufzer über diese frustrierende Nacht begleiteten ihn… Als der Heroe mit seinem grasgrünen, kurzen Pyjama in sein Zimmer trat, hockte seine Prinzessin melancholisch auf dem Sofa, hier, wo nur die leise morgendliche Ahnung eines sonnigen Tages in den Raum fiel… Zeldas saphirblaue Seelenspiegel, voller Anteilnahme, aber auch Schwermut, suchten nach den ungestillten Hoffnungen in seinen, wollten ermutigen, ihm die verlorene Zuversicht schenken… Sie spürte seit vorhin, dass Link gerade innerlich so voller Sorgen und Zweifel war, dass es sie ebenfalls bedrückte. Dieses tiefe Band zwischen ihnen, das Gedanken und Gefühle, ja sogar Schmerzen weiterleitete, arbeitete so intensiv wie lange nicht. Aber der junge Held wand sich ab, schweigsam, verriet mit seinem Schweigen jedoch noch deutlicher sein gesamtes zermürbendes Gefühlschaos. Erneut war der Strom in Schicksalshort ausgefallen, erneut zog das Chaos von Kotakes und Koumes Ankunft in diese Welt ihre Bahnen. Stumm kramte der junge Mann nach einigen Kerzen in dem von grauer Düsternis erfüllten Zimmer, fand diese und erhellte die Atmosphäre mit den wenigen Kerzen, die er auf den Boden stellte. In ihrem flackernden Licht tanzten Schatten umher, den Raum voll einnehmend, bezeugten die stummen Sehnsüchte… Link spürte, dass Zelda jeden seiner Schritte beobachtete, ihre müden Augen, glasig, leicht gerötet, suchten vergangene Geheimnisse in seinen… Erschöpft saß sie auf einem Kissen, hielt sich ihren Bauch als hatte sie Schmerzen. Ihr noch immer feuchtes Haar hing halb über ihren Schultern. Sie sah so mitgenommen aus, dass es ihm weh tat… sie hatte es zeitlich noch immer nicht geschafft duschen zu gehen, obwohl sie Wärme so dringend nötig hatte. Das seidene, ärmellose Nachthemd, das sie trug, konnte ihr kaum die Wärme spenden, die sie brauchte… Endlich war er mit ihr allein… und doch spürte er angesichts der letzten Erlebnisse seine Bedürfnisse kaum mehr, jetzt, wo die Nacht beinahe vorüber war und er für diese Nacht kaum erreicht hatte, was er wollte. Es fühlte sich so bitter an, dass er nicht die Zeit gefunden hatte mit dem einzigen Menschen auf dem Planeten zu reden, der seine Zweifel verstehen konnte. Es war so verdammt bitter, dass er sich stattdessen in einem grausamen Kampf verloren hatte, seine Feinde niedergemetzelt ohne Gnade. Diese Nacht erinnerte ihn an seine Fehler… Und die Nacht war fast vorbei… Sie brauchten beide Schlaf, er konnte jetzt nicht mit seinen Wünschen an sie herantreten, oder doch? Leicht entmutigt schwankte der einstige Held der Zeit an das Fenster, sinnierte über die sterbende Nacht, versuchte das Chaos in seinem jungen Kopf zu ordnen, seine Gedanken pochten durcheinander. Sara und die anderen wussten Bescheid, und er versuchte sich einzureden, dass es gut so war. Wozu auch hätte er ihnen seine unechte, heile Welt vorspielen sollen… seine Gedanken rasten von den blutigen Schlachten in Irland bis hin zu den Erlebnissen im Götterreich, Hylias bedeutungsträchtigen Worten… und schließlich zu seinem Erzfeind, einem Monster mit Hunderten Gesichtern, einem Dämon aus der uralten Zeit Hyrules, der es schaffte Hass und Rache zu personifizieren… Ein Schwall unangenehmer Gefühle zusammen mit gestaltvollen Ängsten knallte in ihm nieder. Ängsten vor Ganondorf, die er unterdrückt hatte, Angst vor sich selbst, da er nicht wusste, wozu er fähig war. Er stützte verzweifelt seine Hände auf der Fensterbank ab und versuchte wieder einen klaren Kopf zu gewinnen, sich selbst wieder zu finden… Als er auf der Fensterbank hing, immer mehr in sich zusammenstürzte vor Müdigkeit und Sorgen, stand Zelda plötzlich hinter ihm, berührte ihn vorsichtig an den festen Schultern, so warm und doch angespannt. Sie trat etwas näher, schnupperte den Duft eines männlichen, zitronigen Duschgels an ihm. Vermischt mit seinem eigenen Körpergeruch wollte sie nicht anderes tun als ihr Gesicht in seinen Pyjama zu drücken… Auch sie war schlaftrunken, so müde, dass es ihr schwerfiel sich auf den Beinen zu halten. Vielleicht war auch das der Grund, warum sie sich traute ihn zu berühren. Sie war so müde, dass sie nicht über ihre Hemmschwellen und ihre höfische, sittsame Erziehung nachdenken konnte… „Es ist soweit, Link“, sagte sie, nicht einmal selbst im Klaren, was sie damit sagen wollte. Nur für ihn klang es nach dem unausweichlichen Pfad, der vor ihm lag. Nach dem letzten Gefecht, das immer näher rückte, entmutigend, bedrohlich, grausam. Er schwieg. Was sollte er dazu sagen? Die Pflichten, ungelösten Fragen, stürzten gerade wie ein Hochhaus über seinem Kopf zusammen… „Vielleicht sollten wir jetzt schlafen gehen, hm“, murmelte Zelda wieder, nur um sich noch wach zu halten, sich bei Verstand zu halten und auch, weil sie die Macht des Schlafes, nicht mehr bekämpfen konnte. Sie war kurz davor sich an ihren Heroen zu schmeißen, wollte ihn bitten sie zu umarmen, so fest und innig, dass selbst der letzte Rest ihrer klaren Gedanken zerfloss… „Ich kann nicht… schlafen gehen… nicht jetzt“, murmelte er. Sie jedoch seufzte ungeduldig, spürte den Schlaf in jeden Muskel schlüpfen, so betäubend, als hätte sie zwei Flaschen Herzbeerenwein ausgetrunken. „Link…“, murmelte sie schließlich, so melodisch, dass er sich verwundert zu ihr umdrehte. Er sah nichts anderes als erhitzte Wangen in diesem wunderschönen, porzellanfarbigen Gesicht und sinnliche Blicke aus leuchtenden blauen Augen, aussaugend, übermannt von Müdigkeit… Es erschreckte ihn beinahe, wie liebevoll sie ihn musterte… so, als verlangte sie seine Nähe, etwas, das er so gern glauben wollte. Gerade da hob sie ihre Hände, begann wilde Kreis damit in der Luft zu formen und drehte sich hektisch in Richtung des Schlafsofas. „… ja, aber ja… ja, wir… es ist gerade zu viel passiert.“ Zeldas Herz schlug ihr bis zur Kehle, eine alte Sehnsucht und folternde Bedürfnisse nach Nähe eines jungen Mädchens schossen in ihren Kopf, drohten jede Grenze des Anstands zu zersprengen. „Die letzten Ereignisse… auch die Abenteuer in Irland… es war wirklich viel…“, stimmte er zu, sah das Mädchen aus seinen Träumen in diesem flackernden, unruhigen Kerzenlicht, ihm den Rücken zugewandt, beinahe unwirklich… Er erinnerte sich an einen ähnlichen Moment, als wäre es gerade erst passiert, dass Zelda in diese Welt gekommen war… damals im matten Licht der Küche, als sie Gemüsesuppe gegessen hatte. Damals wirkte sie genauso transzendent auf ihn wie jetzt… Die gleiche Beklemmung… spürbare Verlustangst. Link war so schnell hinter ihrem Rücken und drückte sie an sich, dass weder er noch seine Prinzessin darüber nachdenken konnten. „Bitte…“, hauchte er, seine Arme fanden sich auf ihrem zierlichen Bauch, sodass sie nach Luft schnappte. Sie wusste nicht anders zu reagieren als einfach nur zu zittern, überschwemmt mit Glücksgefühlen und alten Ängsten. „Zelda… ich möchte dich um Verzeihung bitten… um Vergebung…“, sprach er. Sie spürte die feuchten Spitzen seines goldblonden, offenen Haares auf ihrer rechten Schulter. Jene kitzelnde Empfindung setzte Reaktionen ihres Körpers in Gang, die sie so verteufelt begehrte… eine unerträgliche Gänsehaut über ihren Schultern… überschwemmende Vibrationen hinab bis zu ihrer Hüfte. Wenn Link nur eine Ahnung davon hätte, was er ihr antat… Hinzukam ihre unaufhaltsame Müdigkeit, die ihre Aufmerksamkeit auffraß wie ein Raubtier. Es war so schwer seinen Worten zu folgen, wenn sie sich nur auf diese Berührungen konzentrieren wollte. „Zum einen…“, und noch immer hielt er sie einfach fest. „Weil ich vorhin, als du dich in den Kampf begeben hast, so grantig war…“ Und je mehr er Worte mit dieser weichen, vertrauten Stimme sprach, umso lauter wurde das Herzklopfen in ihrer Brust… so laut und unkontrollierbar… Dodom… Dodom… „Zum anderen… weil…“ Er machte eine lange Pause, und auch er schien nicht sicher, ob diese Umarmung in jenem Moment, wo er sein Versagen so darlegte, die richtige Geste war. Ein Versagen, das nur er so sah. Ein Versagen seiner Rolle als Beschützer und Heroe. „Weil ich dich im Stich gelassen habe…“, klagte er. Er riss sich los, brummte etwas vor sich hin und ließ eine verwirrte Zelda in atemberaubenden Zuständen zurück. „Was meinst du damit?“ Sie musste zweimal über die Worte nachdenken, um zu verstehen. Und als sie ihn verlegen musterte, verstand sie, dass sein Annähern keinesfalls romantisch gedacht war. Er war uneins mit sich selbst, innerlich beladen mit Reue und Schuld, weil er annahm, er hätte sie im Stich gelassen? „Link“, sprach sie erneut, fester. „Wie kommst du darauf mich im Stich gelassen zu haben?“ Zerknirscht sah er auf, blickte mit so bergeversetzender Loyalität und Wärme in ihre Augen. Er presste die Zähne aneinander, als machte er sich bereit für den Kampf und schmiss sich auf sein Bett, als half es ihm vor der Antwort zu fliehen. Er wollte sie schon die gesamte Zeit um Vergebung bitten, dass er sie in einem früheren Leben einfach in dem verblassenden Hyrule zurückgelassen hatte und nun, wo es darauf ankam, fühlte es sich so bitter an, dass er kaum darüber reden konnte. „Link“, ihre glockenhelle Stimme ging mit leichtem Entsetzen in dem Raum unter, ließ ihn sich sachte aufrichten. Da war Verzweiflung in dem melodischen Klang. „Du hast mich seit wir uns begegnet sind, niemals im Stich gelassen… nicht für eine Sekunde.“ Sie drückte die Hände auf ihre Brust und war erschrocken über ihre eigenen Worte. Dann spürte sie einen marternden Gähnzwang. Sie war so müde, dass sie wohl gerade alles zu ihm sagen konnte, sich alles traute. „Du warst der einzige Mensch, auf den ich mich immer… immer… verlassen konnte.“ „Und was war damals, als Hyrule verblasst ist, warum bin ich nicht bei dir geblieben!“ Scharf wie gewetzter Stahl schnitten seine Worte durch die Luft, zogen der Prinzessin den Boden unter ihren Füßen weg, den letzten Ausweg sich in den Schlaf zu flüchten. Mit großen Augen erkannte Zelda die vielen Sorgen in seinen tiefblauen Augen, allen voran sogar Tränen, die er vergossen hatte in dem möglichen Versagen seiner selbst. „Sag‘ es mir“, bat er, seine Augen zusammengekniffen. „Warum habe ich dich allein gelassen…“ Er wusste nichts von damals und doch konnte er sich für die Möglichkeit an seinen Idealen gescheitert zu sein, kaum vergeben. „Ich habe dir keine Wahl gelassen…“, sprach sie tonlos, sie versuchte ihre innere Kälte zu erwecken, die Gefühllosigkeit, die sie sich vor langer Zeit angeeignet hatte. Ein Betäubt Sein, das sie immer dann aktivierte, wenn ihr die Worte emotional zu tief gingen, sie drohten zu zerbrechen. „Du durftest nicht für meine Fehler gerade stehen. Denn ich habe dich weggeschickt… immer… und immer wieder… Ich war es, die dich im Stich gelassen hat.“ Beinahe eisig kalt gelangten die Sätze über Zeldas blutrote Lippen, so, als hätte sie jene auswendig gelernt. Und es war dann, dass Link verstand… er sah den grauen Schatten über ihren Augen sich verdichten, erkannte diesen scheußlichen Fluch in ihrer Seele, der sich eingenistet haben musste, als Hyrule in das Verblassen fiel… Er sah sie leiden, dieses starke, wunderschöne Mädchen, spürte ihren tiefen Schmerz, den er kaum auflösen konnte. Gerade deswegen hatte Zelda im gesamten halben Jahr ihrer Anwesenheit auf der Erde nicht über Hyrule und das alte Leben dort erzählen können… Jede Erinnerung schlitzte ihre seelische Wunde ins unermessliche. „Wenn ich nach Hyrule gelangen würde“, sprach sie, so tonlos wie vorher auch und belog sich selbst. „… ich würde ohne zu zögern durch das Tor treten.“ Ja, dachte der Heroe, er ahnte es und wusste es. Irgendwo war Zelda noch immer der letzte Geist ihrer geheiligten, toten Welt. Irgendwo wandelte ihre Seele noch immer über die letzten sattgrünen Wiesen, genoss den uralten Wind der Magie, spürte Hyrule in all seiner Faszination. Wie nur sollte er sie jemals erreichen können? Wie nur sollte er sie jemals festhalten können? Es gab nur ein einziges Opfer, das er noch bringen konnte… „Es ist nicht schwer… sich in Hyrule zu verlieben“, sprach er, besonnen, ruhig und trat an sie heran, er griff nach ihrer rechten Hand, ließ sich auf ein Knie sinken. Er kniete vor ihr, so wie er es tun musste. Nein, es war nicht schwer sich in Hyrule zu verlieben, wenn alles, was er wirklich brauchte, in Hyrule zu finden war und wenn das Licht seiner Seele dort atmete… „Und deshalb… würde ich ohne zu zögern mit dir gehen.“ Ritterlich sah er zu ihr auf, sah ihre Ängste und Verzweiflung aufflackern, aber auch eine neue Hoffnung. Ihr Gesicht wurde mild, ihr Lächeln so geheimnisvoll wie sonst auch, bis sie ebenfalls auf die Knie sank. Sie berührte sein Gesicht in dieser verheerenden Müdigkeit, die dafür sorgte, dass sie sich sogar Berührungen traute. „Du weißt, ich könnte das nicht zulassen… dass du dein Leben hier auf der Erde aufgibst.“ „Aber hier… auf der Erde bin ich… nicht ich selbst.“ Das war Fakt, dachte er. Er hatte seit Anbeginn seines Lebens hier unerreichbare Sehnsüchte gespürt, die er nicht zuordnen konnte, die ihn sogar depressiv gemacht hatten. Und eigentlich, seine tiefblauen Augen schillerten, eigentlich… war er ohne Zelda hier auf der Erde ziemlich einsam. Zelda nickte, ja, natürlich wusste sie, dass er sich selbst in seiner Entwicklung fehlgeleitet hatte. Er war sich dessen nicht unbedingt bewusst, aber, wann immer Gefahr durch Ganondorf drohte, war da ein Funken in ihm, ohne Zweifel, ein Funken, der dafür sorgte, dass er endlich er selbst war, mit allen Makeln, mit allen Eigenheiten und Begabungen. Ja, auch er konnte es kaum abstreiten. Es war gerade in den Momenten der Gefahr, dass er endlich das Gefühl hatte frei atmen zu können… er selbst zu sein. Es war unheimlich, fast abartig… aber Link gestand sich ein: Er kämpfte gerne… Er liebte das Schwert… Er hatte sich nur so sehr gegen dieses anrüchige Bedürfnis in sich gewehrt. „Also, was tun wir, Prinzessin Zelda?“, sprach er frech und fand endlich ein hinterhältiges Grinsen wieder. Endlich redeten sie miteinander, endlich hatte er das Gefühl seine Sehnsüchte und Bedürfnisse ein wenig zu stillen und die Fragen zu klären, die in ihm wühlten wie Messerstiche. Sie lachte: „Wie wäre es mit Schlafen gehen, Held der Legenden?“ Link hatte keine Vorstellung davon wie hundemüde sie doch war. Oder… verstand er den Umstand, dass Zelda so müde war um sich gegen ihre langverschwiegenen Bedürfnisse zu wehren? War er darauf aus, dass sie sich ihm öffnete? Sie kam kopfschüttelnd auf ihre Beine und rieb sich die kühlen Oberarme. Link ignorierte ihren Wunsch schlafen zu gehen, stattdessen drehte er sich um und klappte die sattgrüne Couch aus. „Du brauchst dringend Wärme, Zelda“, murmelte er. Aus dem Bettkasten holte er einige Kissen und eine dicke, kuschelige Decke. Zelda wollte sich gerade auf die Schlafcouch setzen, als Link mit dem Kopf schüttelte und meinte: „Nichts da, du schläfst in dem Bett. Ich nehme die Couch. Du bist schließlich mein Gast.“ Sein ehrliches, zufriedenes Grinsen tat so gut, eine entspannte Schönheit funkelte auf seinen Gesichtszügen… so rein und hell. Sie war verblüfft wie der junge Heroe plötzlich so zufrieden sein konnte, so klar in seinen Zügen. „Link, ich bin wirklich zufrieden mit der Couch, okay?“ Auch in seinem Bett zu schlafen bedeutete das Überschreiten einer sicheren Grenze für sie. Es war sein Bett, sein intimes Reich, sein Geruch war überall in dem Bezug. Sie würde, wenn sie darin schlief, gerade jetzt, wo ihre Sehnsüchte ihm gegenüber so stark Überhand nahmen, nicht mehr aufstehen wollen. „Darf ich dir etwas verraten?“ Seine warme Stimme riss sie aus den Gedanken. Er setzte sich neben sie und grinste dann. Seine Fröhlichkeit ging ein wenig auf sie über, sodass sie lächeln musste bevor er etwas sagte. Oh ja, sie kannte den Schelm in seinen Seelenspiegeln, sie wusste, wann immer er zu Scherzen aufgelegt war. „Was denn?“ Sie wollte unschuldig klingen, ihre Stimme piepsig und neugierig. „Das Bett ist mir zu weich.“ Er schauspielerte und hob einen Zeigefinger, während er sprach. „Wie?“ „Ja, Eure Hoheit, Ihr habt richtig gehört“, er lachte so selig, so glücklich… und dieses Gefühl schwappte sofort in Zeldas Gemüt, wenn er glücklich war, dann war sie es auch… „Euer Heroe, Prinzessin, schläft wohl lieber in der Wildnis.“ Sie schmunzelte und hielt sich eine Hand vor den Mund. Er drehte sich zu ihr und konnte nicht anders, als sie einfach nur anzusehen, mit butterweichen Blicken… seine Augen nicht abwendend, so, als wollte seine Seele sich in ihren Augen verlieren. „Ich bin wohl ein Schlafwandler… na ja… manchmal zumindest und am Morgen wache ich dann meistens auf dem Fußboden auf.“ Zelda grinste und lachte lauter. „Ich weiß“, spaßte sie. Es tat auch ihm gut sie lachen zu hören. Verlegen strich er eine verwirbelte brünette Strähne, die über ihr Gesicht gefallen war, zurück. „Du hast keine Vorstellung davon wie froh ich bin, dass du da bist, oder?“ Verlegen hüpfte er mit diesen Worten auf seine Beine und ignorierte Zeldas beschämte Reaktion… Ja, er wollte viele Dinge sagen und doch…war es so schwer. Er wollte ihr sagen, wie wunderschön sie war, wie stark und mutig, wollte ihr deutlich machen, dass er sie begehrte, aber sie war Trotz allem die einstige Prinzessin Hyrules. Da war eine Stimme in seinem Kopf, die ihn darüber belehrte. Sie war die Prinzessin und er nur ein wandernder Held. Er wäre niemals gut genug für sie… Mit einem Sprung war Link an seinem Bett und nahm seine Decke und sein Kopfkissen. „Du bekommst die andere Decke, die ist dicker.“ Er übertrieb mal wieder mit seiner Fürsorge um sie, aber er wollte es so. Er konnte nur dann ruhig schlafen, wenn er wusste, dass sie es bequem hatte. Er wollte gerade die Kerzen ausblasen, als Zelda ihn davon abhielt. Verlegen berührte sie seine Hände und nahm ihm eine der Kerzen ab. Eine rote, größere Kerze, glühend heiß. Geschmolzenes Wachs lief bereits über die Kanten. „Kannst du eine Kerze anlassen, nur eine. Das Licht einer Kerze hat immer so etwas warmes…“ Natürlich verstand er es, die Dunkelheit ohne das kleinste Licht konnte erschreckend sein, vor allem in dieser stürmischen Nacht. „Aber sicher können wir das, wenn es dich beim Einschlafen nicht stört?“ „Nein, damals…“ Sie bremste sich weiter zu reden, es war so deutlich, dass sie dieses Thema kaum aufwerfen wollte. Ja, damals… was war nur damals? „Du hast damals die Abende mit Kerzenlicht verbracht…“, schlussfolgerte Link, versuchte das unsichere Zucken um Zeldas Augenlider zu deuten. War sie allein… an diesen Abenden in Hyrule, schwülen Abenden, wo nur Kerzenlicht ihr Begleiter war, was hatte sie getan? Saß sie in der Bibliothek, las Bücher, praktizierte Magie? War sie in Gesellschaft des Hochadels von Hyrule gewesen? Link nahm ihr die Kerze schließlich wieder aus den Händen, bemerkte das Zittern ihrer Hände, ihres gesamten Körpers. Er konnte sie nicht noch länger von ihrem notwendigen Schlaf abhalten. Etwas schuldig deswegen ließ er seinen Kopf auf eine Schulterseite sinken. „Deine Hände sind kalt, frierst du?“ Sie nickte scheu, unter anderen Umständen hätte auch diese Aussage ein romantischer Annäherungsversuch sein können. „Besser wir schlafen jetzt.“ Link konnte es nicht deutlicher sagen. Die Sonne erhob sich am Firmament, wenn sie jetzt keinen Schlaf fanden, dann wäre die Nacht ohnehin vorbei. Zelda krabbelte zufrieden und wahnsinnig erschöpft unter die flauschige Decke des Bettes, während Link es sich auf der Couch bequem machte. Mittlerweile war ihr auch egal, dass sie sich in sein Bett kuschelte, sie konnte einfach nicht mehr… „Gute Nacht, mein Held“, sagte Zelda sanft. Ihre Glieder gehorchten ihr nicht mehr, sodass sie sich kaum mehr regen konnte. Es war beinahe schmerzhaft. Ihr fielen die Augenlider unvermittelt zu und sie wurde sich nicht mehr gewahr dessen, was sie, schon halb in ihrer Traumwelt wandelnd, murmelte, welche Dinge sie preisgab… „Gute Nacht, Zelda und träume süß.“ Er lächelte in sich hinein, als er dies sagte. Ob eine Prinzessin Hyrules sich jemals süße Träume erlaubte? „Ja, von dir…“, murmelte sie. Binnen von Sekunden stand Link auf seiner Couch, versuchte zu begreifen, ob er sich ihre Worte auch nicht eingebildet hatte. Zelda… hatte sie gerade zugegeben, dass sie durchaus von ihm träumen wollte. Und der vernebelnde, liebliche Klang ihrer Stimme, als sie die Worte sagte, bohrte sich in seinen Magen, endete als sehnsuchtsvolles Glühen und drang in jede Zelle… Sein Herzschlag verdoppelte sich, als seine Gefühle ihr gegenüber die Kontrolle über alle körperlichen Empfindungen übernahm… Dodom… Dodom… Sein Herz pumpte so laut, dass er Angst hatte, sie hörte es… „Zelda… Zeldaschatz…“, murmelte er, so wonnevoll. Er versuchte in der Düsternis, die doch nur von der kleinen Kerze durchleuchtet wurde ihre ruhende Form zu erkennen. Sie lag seitlich, ein nacktes Bein hatte sie über die dicke Decke geschlungen… Bei Hylia, dieses erotische nackte Bein… Link bekam beinahe einen Herzkasper an dem Gedanken mit seinen Händen über diese zarte Haut zu streicheln… an der Innenseite ihres betörenden Schenkels entlang zu fahren… diese weiche, unschuldige Haut… „Was denn, mein Held?“, murmelte Zelda schlafsüchtig. „Mein… Heroe…“ Sie murmelte weiter, sprach Worte, die er kaum verstehen konnte, bis er ahnte, dass es Hylianisch war. „Ach nichts weiter… gar nichts…“ Wie nur war er auf die Idee gekommen, dass es gut war Zelda bei sich übernachten zu lassen? Er fürchtete, sich nicht mehr unter Kontrolle zu haben… Er wollte sie, verdammt, er wollte sie… Er ließ sich seufzend zurück in die Federkissen sinken, verscheuchte seine himmlischen Wallungen, seine Schweißausbrüche resultierend durch gedankliches Liebesgeflüster, und grübelte über die Geschehnisse der letzten Zeit nach, bemühte sich um Ablenkung, bemühte sich sein Herz ertrunken in dieser Sehnsucht einzudämmen. Dann beobachtete er das Wachs, welches an den Hängen der Kerze entlang floss, hoffte, es half ihm endlich in den Schlaf zu gleiten, aber aus irgendeinem Grund ging es nicht. Nicht schon wieder, dachte er. Obwohl er sich vor lauter Erschöpfung kaum mehr auf den Beinen halten konnte, fand er nicht in die Traumwelt… Gähnend erhob sich der Heroe, raschelte mit den Decken, und entschied sich nach dem goldenen Anhänger für die unergründliche Schönheit zu suchen, die leise atmend in seinem Bett ruhte. Noch immer hatte er nicht den Mut gefasst, es ihr zugeben… Schließlich fiel ihm ein, dass er es im Bad abgelegt hatte. Tapsend ging der junge Kerl aus dem Zimmer hinaus, so leise wie möglich bewegten sich seine nackten Füße, bis er den dunklen Korridor durchquerte und folgte der Treppe nach unten. Plötzlich hatte er das Gefühl beobachtet zu werden und hielt inne. Trotz der unaufhaltsamen Müdigkeit arbeiteten seine Heldensinne mit Präzision. Link wand lediglich sein Gesicht nach hinten, folgte aufmerksam seinen Instinkten und erblickte im düsteren Gang, umgeben von silbernem Glanz eine kleine Gestalt. Alarmiert drehte sich der kampfbereite junge Mann in Richtung eines kleinen Kindes, vielleicht vier Jahre alt, das mit gefalteten Händen und scheuem Blick vor ihm stand. „Wie…“, brachte Link über seine überraschten Lippen und musterte einen niedlichen Jungen mit blonden Haaren und hellblauen, leuchtenden Augen. Er grinste ihn an, als wollte er ihm etwas Erfreuliches mitteilen und verhielt sich dennoch unfassbar scheu in seiner Körperhaltung. Und als der kleine Kerl ihn mit einem weiteren Grinsen einfing, fiel es dem Heroen wie Schuppen von den Augen. Link erkannte diesen Wicht, so süß mit seinen hellblonden Locken und strahlenden Augen. Einige Male zuvor war er ihm begegnet und erinnerte eine sonderbare Form der Verbundenheit… Erst in den Träumen, dann auf Bildern, sogar im Spiel und nun in der Wirklichkeit. „Du bist… echt?“ Gemächlich trat Link näher, sank auf seine Knie und musterte den kleinen Bengel neugierig, eine wohlwollende Wärme drang über Links Gesichtszüge. Er spürte, dass von dem Jungen niemals eine Gefahr für ihn oder seine Freunde ausgehen würde. Immerhin trug er eine grasgrüne Tunika… Link zwinkerte betreten, als er diesen Umstand ein weiteres Mal in sein Gedächtnis rief. Eine grasgrüne Tunika, gehalten von einem fein verarbeiteten, weißen Gürtel. Ein kleiner Dolch mit blauschimmerndem Heft war an seine rechte Seite geschnallt, was einen weiteren Umstand verriet. Der Junge war Linkshänder… Warum war ihm das nicht früher bewusst geworden? Dieser Junge war gekleidet in den Farben des einen Helden und zudem sah er auch noch genauso aus wie Link als Kind. War dies hier einer der Helden aus Hyrule? Der Junge blickte betreten an Link vorbei. „Ja, ich bin endlich echt“, murmelte er. „Und wer bist du?“ Link bemühte sich ruhig zu bleiben, gleichzeitig aber auch wach zu bleiben. Er unterdrückte den Gähnzwang. „Weiß nicht so genau…“ Link sah an den beschämten Gesichtszügen des Jungen, dass er es tatsächlich nicht wusste. Aber was der Heroe sehen konnte, war eine eigenartige Verbundenheit… diese lieblichen Augen in dem Kindergesicht erzählten ihm von Nähe und Geborgenheit, von innigsten Wünschen… Etwas war da, was diesen Jungen mit ihm verband… beinahe erschreckend. „Und was hat dich hierher geführt?“ „Weiß nicht so genau…“ Das schien sein Standardsatz für alle Antworten zu sein, die er nicht kannte, oder nicht preisgeben wollte. „Aber… ich will Existenz“, setzte er dann hinzu. Link konnte nicht anders als zu grinsen, alles an diesem Kind war goldig und interessant. „Ich weiß… dass du nichts Bedrohliches im Schilde führst, aber verrate mir doch mal wie ich dir dabei helfen soll Existenz zu finden.“ Der Knirps in der wiesengrünen Tunika grinste plötzlich verschlagen, wollte vielleicht sogar antworten, als eine weitere Gestalt in der Dunkelheit auftauchte. Ein leises Tapsen verriet die Anwesenheit von Prinzessin Zelda. Selbst ihre nackten Füße auf dem Boden waren für Link deutlich wahrnehmbar. „Link? Bist du hier“, sagte eine liebliche Stimme, so süß, dass der Angesprochene innerlich schmolz. Gerade da verschwand die Gestalt des kleinen Bengels, als verblasste er… aber kurz davor zeigte er mit einem unverbesserlichen Ausdruck in schelmischen Gesichtszügen, dass er bereit war wiederzukehren. „Link?“ Zelda kam im Schein der roten Kerze zu ihm gestolpert und blickte ihren Helden lächelnd an. Ja, auch er versank in ihren Blicken, mit einem wahrhaft verliebten Ausdruck in den Augen. Im schwachen Licht jener Kerze sah sie überwältigend schön sah. Dieses weiße, seidene Nachtgewand verriet mit seiner Optik zu viel über ihre weiblichen Rundungen, lag eng wie eine zweite Haut auf ihrer und zog erotische Konturen an empfindlichen Bereichen wie ihrer straffen Brust, ihrem glatten Bauch… Und als sich Links Blicke in ihrem Gesicht verloren, sah er dort eine sonderbare Form von verlegener, zartrosa Aufregung… Zelda sah irgendwie… erhitzt aus… „Entschuldige… habe ich dich irgendwie in deinem Schlaf gestört?“ War sie vorhin nicht völlig erschöpft in den Schlaf gefallen… wie eine Betrunkene? „Vor einigen Augenblicken hörte ich Stimmen… nicht nur deine…“, erklärte sie, immer noch mit einer nervösen Aufregung, die sich in ihrer hastigen Stimme äußerte. „Hast du mit jemandem gesprochen?“ Zelda zitterte… sie zitterte so stark, dass die rote Kerze in ihrer Hand wilde Schatten über den Gang warf. „Nein… nein“, betonte er. „Da war niemand…“ Der junge Heroe war so durcheinander, was den jungen Burschen anging, dass er ihn aus irgendeinem Grund geheim halten wollte. Link hob eine verlegene Hand hinter seinen Kopf und streichelte durch sein offenes Haar. Vor lauter Müdigkeit und Erschöpfung sah sein Haar völlig verwüstet aus, hing wild über seinen Schultern. Zelda sah ihn argwöhnisch an, so, als durchschaute sie ihn, als kannte sie die verräterische Mimik von ihm, wenn er log. Es war ihr vertraut, dass sie einander Dinge verschwiegen. Es war ihr vertraut, dass sie einander zu oft belogen hatten… Sie seufzte: „Wie auch immer… ich bin müde.“ „Warum bist du dann wieder aufgestanden?“ „Weil… du nicht im Zimmer warst.“ Sie ließ die Kerze beinahe aus ihrer Hand fallen, so nervös war sie. Link entging ihre Aufregung nicht. Diese glühenden Wangen… ihre glasigen, schönen Blicke… Sie biss sich auf ihre Unterlippe und wand ihm schließlich den Rücken zu. Und doch konnte Link sich aus ihrem Verhalten keinen Reim machen… „Zelda… was bedeutet das? Wenn du schläfst… woher…“ Er ballte die Fäuste, Zeldas Nervosität, was immer auch der Ursprung war, schien sich auch seines Gemütes zu bemächtigen. Sein Herz pochte… unerträglich… mit einem schnellendem Dodom… belästigend. „Hast du nur… so getan, als würdest du schlafen?“, murmelte er. „Nein“, meinte sie und blickte betreten zur Seite. Ihr weiches Haar war so verwirbelt, dass er sich wünschte es zurecht zu streichen. „Was ist es dann?“ „Ich fühle deine Anwesenheit, auch wenn ich schlafe…“ Es war Zelda anzusehen wie schwer ihr die Worte fielen… „Oh…“, seufzte Link. „Oh…“, einmal mehr, unberührte Sehnsüchte folterten ihn. Der Rhythmus seines Herzens schwoll an, er spürte diesen sehnigen, starken Muskel so heftig arbeiten, dass er keine Ahnung hatte es zu unterbinden. Dodom… dodom… „Und deswegen…“ Zeldas Knie wurden weich, als sie ihn durch das schwache Licht der Kerze erneut ansah und diesem liebevollen Ausdruck in seinen Augen nicht mehr widerstehen konnte. Warum sah er sie so… so… intensiv an? Bohrend mit seinen stechend blauen Augen in der morgendlichen Düsternis. Einmal mehr versanken sie in gegenseitigen Blicken, suchten das Band zwischen ihnen, unsterblich und legendär hatte es jeden Sturm in all den vergänglichen Leben überstanden… Unsterblich wartete es auf die eine Prüfung, die eine Prinzessin aus Hyrule und ihr Heroe noch nicht gemeistert hatten, wartete auf eine neue Stärke… Sie verloren sich ineinander, in der Seele des anderen, wissend, keine andere Seele war der einen jemals so verbunden, so vertraut… Verstandslose Hingabe und ein seelisches Berühren in einem Moment, der sich anfühlte wie die Ewigkeit… hier war der Ort, wo es nur Heilung und Geborgenheit gab. Hier war die Heimat… Als die Sekunden gefroren drehte sich die Prinzessin verlegen seitlich, mit Herzrasen und dem Gefühl sich selbst zu verraten… Sie rang mit sich und dem Wunsch diese sterbende Nacht für etwas Nähe und Geborgenheit zu nutzen oder einmal mehr das Opfer alter Abweisungen und ihrer eigenen Dämonen zu sein. Ein verräterischer Schluchzer entkam ihren Lippen, als sie zurück ins Zimmer tapste. Auch Link seufzte, überwältigt von diesem nahen Moment, dem Überschreiten einer intimen Grenze, als er in Zeldas saphirblauen Augen versank und der doch spürbaren Ablehnung brennender Sehnsüchte. Erneut wich Zelda ihm aus, ängstigte sich vor ihren Gefühlen… Wie nur sollte er es schaffen, dass sie sich ihm jemals öffnen konnte? Frustriert trottete er ins Badezimmer und fand das eigenartige Medaillon unberührt vor. Natürlich hatte es keiner entwendet, alle waren in diesem Haus zu müde um sich darüber zu wundern… Als Link mit sonderbarer Wachheit zurück in sein Zimmer trat, fiel sein Blick zu der sanften Schönheit, die in ihrem weißen, schlichten Nachtkleid mit der weißen Okarina auf dem Sofa saß und zarte, Ohren schmeichelnde Töne erschuf. Sie sah aus wie ein junges Vögelchen. Die Okarina war tatsächlich ein magisches Instrument, dachte er… verzauberte seine Prinzessin in eine Märchenfigur. Als er die Melodien im Zeldaspiel das erste Mal vernahm, konnte er sich keinen schöneren Klang vorstellen. Vorsichtig ließ sich Link ebenfalls auf das Sofa sinken und legte das Medaillon schnell und unauffällig unter ein Kopfkissen, genoss den Anblick von Zelda und ihren geschlossenen Augen, bis sie ihn musterte. Etwas verlegen, etwas unsicher. Und noch immer war da ein rötlicher Schimmer von Scham auf ihren Wangen… „Du findest wohl jetzt auch keinen Schlaf mehr, was“, wollte der junge Mann wissen, obgleich er doch sehen konnte, dass Zelda keine Anstalten machte einzuschlafen. „Spielst du ein wenig Okarina?“ Leise, ungewollt kamen die Worte über ihre Lippen, zeugten von ihrer Unsicherheit ihn danach zu fragen. Obwohl… Es war mehr eine Bitte, als eine Frage. „Ich tue alles für dich…“, säuselte er mit einem tiefsinnigen Wink, aber sie ging nicht darauf ein, konnte es nicht… Link nahm das Instrument an sich, mit beiden Händen, sodass er die Finger ihrer rechten Hand berühren konnte. Oh, bei Hylia, er verzehrte sich nach Berührungen von diesen sanften Händen… Lächelnd führte er die Okarina an seine Lippen. Er spielte eine traurige Melodie, die sich vor ewigen Zeiten in seinem Herzen festgebrannt hatte. Eine Melodie der Vergangenheit, lebendig in einer anderen Ära. „Das ist… ich kenne dieses Lied… die Ballade der Göttin“, sagte sie leise und genoss die Töne. Sie kuschelte sich in die samtigen Kissen, zog die Beine an sich und legte den Kopf auf die Knie, aber beobachtete Link, während er spielte… spielte mit geschlossenen Augen wie einst in Hyrule… wie einst so wunderschön und irgendwo nicht von der sterblichen Welt… Nicht von der sterblichen Welt… das war einer der ersten Gedanken, die sie hatte, als ihr der Junge im grünen Gewand begegnete. Sein Erscheinungsbild geprägt von dieser Unschuld, seine mutigen, ernsten Augen waren ein göttliches Leuchtfeuer in der Düsternis, Beschwerlichkeit und Strenge des Schlosses von Hyrule. Die wenigen Stunden mit ihm hatten der kindlichen Zelda damals eine völlig andere Welt gezeigt, eine Hoffnung, die sie nur als göttliche Fügung erkennen konnte… Einiges war wie damals, dachte sie… Link besaß das gleiche gottgegebene Talent einen Raum mit Licht zu fluten, wenn er sich darin befand. Seine Seele… nicht von dieser Welt. Und doch war vieles so neu. Er besaß immer noch seinen Charme, aber er war viel offener, vermittelte ihr seine Gedanken, Gefühle… zeigte ihr viel mehr von seinen Sorgen und Ängsten. Er hatte sich entwickelt… Link lehnte sich zurück und spielte weiter, sanft, Gänsehauterweckend. Er spielte und spielte, so leidenschaftlich… Die einstige Prinzessin beobachtete ihn, sehnsuchtsvoll, sich wünschend, der Moment würde niemals enden. Denn sie hatte ihn noch nie so lange Okarina spielen sehen, ihn noch nie so lange mustern können. Seine dunkelblonden Wimpern, die schwach zuckten. Seine perfekten, männlichen Kanten der Gesichtsform. Seine eher spitze Nase, schwachrosa Lippen. Das Fehlen von Leberflecken auf seiner sonnengebräunten Haut. Zelda seufzte, voller Lethargie und Erschöpfung, erhob sich schließlich zitternd und kuschelte sich erneut in das weiche Bett, versuchte sich mit dem Okarinaspiel in den Schlaf zu lullen. Sie wusste, dass sie in Schloss Hyrule sehr gerne bei diesen Melodien eingeschlafen war… nur warum half ihr dies gerade nicht. Sie begann an die Zimmerdecke zu starren, beobachtete die tanzenden Schatten, die sich vor dem Kerzenlicht zu fürchten schienen… die Minuten zerronnen wie das tropfende Wachs der Kerzen, und doch… Selbst Link, der sein geschicktes Spiel beendete, und versuchte den die Traumwelt zu gleiten, wurde das Gefühl nicht los, dass diese Nacht verflucht sein musste. Er begann sich hin und her zu wälzen, und sah anhand den Bewegungen von Zelda, dass auch sie noch wach war. „Oh Mann, ich glaube das wird heute nichts mit dem Schlaf“, sagte er und setzte sich genervt aufrecht. „Gib es zu, du bist auch noch wach.“ „Ja, bin ich…“, sagte sie zerstreut und beinahe so, als freute sie der Umstand. Link bemerkte einen komischen Unterton in ihren Worten, eine Belustigung, die ihn verwunderte. Wenn Zelda es lustig fand, dass sie beide noch wach waren, dann… Er grinste, ein neuer hinterhältiger Gedanke formte sich in seinen Gehirnwindungen. Zelda war doch immer sehr angetan von seiner kindlichen Frechheit gewesen, zumindest in der ersten Woche, die sie in Schicksalshort verbracht hatten. Und sie war beinahe glücklich gewesen… Ob es sie also vielleicht erfreuen würde, wenn er jetzt… Jetzt einfach… Seine Lachfalten waren unbezahlbar, auch Zelda sah diese um seine Mundwinkel entstehen. Wenn er jetzt einfach, dachte er, und ohne sich etwas dabei zu denken, einfach… aber wohl dennoch mit absolut klarer Absicht… ein dümmlicher Lacher entkam seiner Kehle… Jawohl, sprach sein pubertierender Verstand, er würde auf ihre Bettdecke hüpfen, beginnen sie zu necken und das tun, was normale Jugendliche, die sich so sehr mochten, in einer solchen Nacht tun würden… Er verlor keine weiteren Sekunden und setzte seine Gedanken in die Tat um. Mit einem lauten Ploppen, ein heftiges Knarren der Matratze, hatte sich der junge Held auf das Bett geschmissen. Der Quiekser aus Zeldas hübschem Mund war ebenfalls unbezahlbar und so dröhnend, dass es die anderen Jugendlichen im Haus gehört haben mussten. Erschrocken erblickte sie den jungen Mann über sich… Aber sie war nicht erschrocken über seinen Versuch sie zu necken, sondern über das, was seine Augen verrieten. Er wirkte gerade so… so glücklich… Sie strampelte, kochend vor Scham senkte sie ihre Hände ins Gesicht, bis der junge Held begann sie noch intensiver zu necken, suchte nach den empfindlichen Bereichen unter Zeldas Armen und begann sie zu kitzeln. Sie lachte energisch, hektisch, grinste schließlich über beide Ohren. „Bitte Link“, brachte sie unter stetigen Lachanfällen heraus und versuchte sich gegen seinen Zugriff zu wehren, aber er war einfach zu stark. „So… schlafe ich nie wieder ein…“, lachte sie. Und auch er lachte. „Das tut mir nicht gerade leid, Prinzessin“, piepste er und zog sie schließlich an ihren Händen in eine aufrechte Position. Er grinste, genoss diesen Moment, der ihn an die unbeschwerte Zeit mit seiner Prinzessin erinnerte. Warum nur konnte es nicht immer so sein? „Bitte, Link, hast du mal auf die Uhr geschaut… wir ticken nicht ganz richtig, wenn wir nicht versuchen zumindest für drei Stunden die Augen zuzumachen…“, sprach sie, ernster, aber gleichzeitig dankbar. „Also… ehrlich gesagt, ticke ich in einem exakten, wohlgeordneten, wunderbaren Takt.“ Der Schelm in seinen Augen unschlagbar. Ein knisternder Funke in dem puren Tiefblau… „Ach ja?“, meinte Zelda pseudoernst. „Ach ja!“ Link grinste und lehnte sich an die Wand. „Ich habe zwar gelegentlich Blackouts und kein Gefühl mehr für die Zeit, aber ticken tue ich trotzdem noch ganz gut.“ Zelda schlang die Decke um sich. Sie gähnte und lächelte zugleich: „Ich bezweifle, dass wir beide noch richtig ticken.“ Verdutzt sah Link in ihre sanften Augen, die sich schnell wieder abwendeten. „Wenn wir normal wären, ich meine, wenn wir ganz normale Jugendliche wären… was glaubst du, würden wir jetzt tun?“ Link sah mit roten Wangenbäckchen an die Zimmerdecke, versuchte ihre Worte schleunigst zu vergessen. Er wollte gar nicht so genau darüber nachdenken, was sie beide jetzt tun könnten, wenn sie normale Jugendliche wären. Aber ein pubertierender Anteil in seinem Gehirn hatte bereits sehr genaue Vorstellungen, dachte darüber nach Zelda in seine Arme zu heben, sie an die Wand zu pressen, ihr das Stücken Nachthemd von dem Körper zu reißen… Er hüstelte, fühlte sich ertappt, als könnte sie seine Gedanken lesen und sah betreten drein. Seine Bedürfnisse nahmen Überhand… sein Wunsch Zelda nahe zu sein lagerte sich gerade über jedes andere Bedürfnis, pochte wie wahnsinnig in ihm und zersprengte seine Zurückhaltung. Oh, verdammt, dachte er, es war heiß… nicht schon wieder… aber ja, sie war heiß… ,Ich bin echt schlimm dran‘, sprach eine warnende Stimme in seinem Kopf. ,Wieso nur macht sie mich so wahnsinnig?‘ „Hörst du mir überhaupt zu?“ „Ja, doch…“, stotterte er. Sein Blick heftete sich an die Zimmerdecke. „Was meinst du? Welche Ziele hätten wir? Es gibt unendlich viele Möglichkeiten in dieser Welt, etwas Sinnvolles zu tun, zu leben. Aber…“ Zelda blickte zur Seite und schloss ihre Augen. Link kannte diese anmutige Art, wenn sie dabei war, etwas preiszugeben. Dieses eine Wesen in ihr konnte sie nicht ablegen… „… so zu leben wie andere, ist wohl niemals möglich. Schau’ dir doch Maron an, oder Rick, Sara und Mike. Wir werden immer anders sein als die anderen…“ Link rutschte zu ihr und suchte nach ihrem Blick. Sie wich ihm wieder aus, sodass er ihre beiden Hände packte, bis sie seine Blicke traf. Sein Griff war fest und bestimmend, ein leidenschaftlicher Funken sprang aus seinen Augen und verlangte Eintritt in Zeldas eigene Erwartungen. „Und? Hält uns das etwa davon ab, ein normales Leben zu leben. Wir müssen doch gar nicht normal sein, um ein solches Leben zu führen… Wir können einfach Zelda und Link sein… einfach Prinzessin und Held… einfach du und ich…“ Die blonde Schönheit verlor die Worte, die sie gerade sagen wollte, war einfach nur verzaubert von seiner Wortwahl… Hatte er eine Ahnung wie schön das gerade für sie klang, für eine verängstigte, mit Makeln beladene Prinzessin, die nur unter Zwängen lebte? Und einmal mehr hatte Link nicht die Spur einer Ahnung, was er ihr mit einfachen Worten gegeben hatte. Sicherheit, ein unermesslicher Halt in einer fremden Welt. Sie wünschte sich ihn zu umarmen, für seine Worte zu danken, und doch… Zappelig wand sie sich aus seinem Griff und hüpfte auf die Beine. Sie zitterte und ballte die Fäuste. Sie trat mit dem Rücken zu ihm. „Warum weichst du mir aus…“, flüsterte Link und blickte mit plötzlichem Trübsinn hinaus aus dem Fenster. Sie seufzte, brachte aber kein Wort hervor. Dodom… Einmal mehr raste ihr Herz, so stark, dass es weh tat. Es gab mehr als eine Antwort zu der Frage, um nicht zu lügen, Tausende… aus vielleicht Tausenden Leben zuvor. „Zelda?“ Seine starke, feste Stimme so bittend… Sie wusste nicht anders auszuweichen, als Unsinn zu stammeln. „Ähm… nichts…“ „Nichts?“ Ein Hauch Verletzbarkeit in seiner Stimme ließ sie sich nur noch unsicherer und schuldig fühlen. „Ja… genau…“, antwortete sie und stellte sich vor aus dem Raum zu fliehen. „Nichts also…“ Nun klang Link enttäuscht… Sie fürchtete sich beinahe einen alten Schmerz in seinem Blick zu erkennen. „Nichts…“, wiederholte er. Oh ja, da war absolut nichts zwischen ihnen. Nichts äußerte sich darin, dass sie sich immer wieder fanden in jedem Leben. Nichts äußerte sich außerdem darin, dass sie es ohne ihren Seelenverwandten kaum aushielten. Und nichts äußerte sich ferner darin, dass sie einander so stark brauchten, dass sie selbst vor ihren tiefsten Gefühlen zurückschreckten, nur um das Band der Auserwählten zu erhalten… „Wenn da absolut nichts ist“, begann Link. „Bleibe ich solange hier auf dem Bett sitzen, bist du das Nichts entkräftest.“ Er versuchte es mit ein bisschen erpresserischem Humor in der irrsinnigen Hoffnung, dass sie einander doch noch etwas Zuneigung schenken könnten. „Pah, da nehme ich eben einfach die Couch.“ Link zog eine verspielte, jungenhafte Schnute und rollte mit den Augen. Das war seine sture Zelda, wenn sie etwas nicht wollte, dann war das auch so. Zelda ließ sich indes auf die Couch fallen und rückte die Kissen zurecht. „Nanu… was ist das denn?“ Als sie unter das Kopfkissen griff, um es in ihre Richtung zu zerren, bemerkte sie einen klappernden, vertrauten Gegenstand. Mit dem größten Entsetzen, wild, fast düster, starrte sie in den verwirrten Ausdruck auf dem Gesicht ihres Heroen. Ihre müden, glasigen Augen kämpften mit hervorbrechenden Tränen. Zumindest sah sie ihn tiefsinnig an… Auch, wenn da eine neue Verzweiflung in ihr wuchs. „Wo hast du das her“, seufzte sie. Ihre Stimme verriet Verwirrung und Traurigkeit. Sie sank immer mehr in sich zusammen, berührte das Medaillon mit beiden Händen und drückte es sich ans Herz. Link kniete vor ihr nieder, unterwürdig, symbolisierend alles zu geben, was er geben konnte. „Es tut mir leid, Zelda“, sprach er rau, aufrichtig. „Ich wollte dir das Medaillon schon die ganze Zeit geben, aber ich habe mich einfach nicht getraut…“ Vielleicht war auch das eine kleine Ausrede… Eigentlich hatte er auf den perfekten Moment gewartet. Er nahm es ihr aus den Händen, diesen kühlen, zitternden Händen. Eine besorgniserregende Schwäche stülpte sich über seine Prinzessin, sie versuchte sich in den Schlaf zu zwingen, ihre saphirblauen Augen ließen einmal mehr einen Schatten zunehmen. Link öffnete den Verschluss der Kette, beinahe träge, und mit einem kleinen Knacken legte er es ihr um den schönen Hals. Seine starken Hände ruhten auf ihren Schultern, begannen zu streicheln. Zelda aber lehnte sich zurück, löste sich unheimlich schnell von ihm, als wäre seine Umarmung Gift. Ihre Augen waren gläsern. Er seufzte, einmal mehr mit der vertrauten Enttäuschung. Er verschränkte die Arme und ließ sich rücklings auf das Sofa sinken. Ausgebreitet lag Link da, das Pyjamaoberteil rutschte über seinem Bauch nach oben, sodass sein vernarbter Bauch sichtbar war. „Du kennst dieses Schmuckstück. Erzähl’ mir davon“, meinte er, ohne ihren Blick zu treffen. Er spürte, dass sie gerade jetzt etwas Abstand brauchte. Da war eine Traurigkeit in ihr, die er nicht erwartet hätte… dabei wollte er ihr ein Geschenk machen, stattdessen hatte sich erneut das Schicksal eingemischt und sie beide mit Erinnerungen aus Hyrule beladen. Nach vielen Sekunden der Stille begann Zelda ihm die ganze Geschichte zu erklären. „Ja, ich kenne es. Man nennt es das Medaillon der Mächtigen…“ Sie nahm einen tiefen Atemzug, fuhr mit den Händen fast liebevoll über das goldene Material, streichelte über die Triforceabbildung und öffnete es. Zelda war nun noch angespannter, als säße sie auf glühenden Kohlen. Wie nur kam dieses Schmuckstück hierher? Begutachtend fuhr sie auch über das Glas, welches die komplizierte Anordnung einer ungewöhnlichen Uhr beschützte… Ihre Augen funkelten, als sie den Lebensbaum in der Mitte betrachtete. „Es ist aus Hyrule, nicht wahr?“, sprach der junge Mann, seine Stimme andächtig. Zelda nickte unvermittelt. „Aber wie kann es dann hier sein?“, setzte Link hinzu. Nur wozu stellte er ihr diese Frage? Wie sollte Zelda eine Antwort darauf haben? „Mmh… das ist in der Tat sehr rätselhaft…“, sprach sie leise. Sie drehte sich zu ihm, sah aber gleich wieder weg. Es musste erotisch wirken, wie Link ausgebreitet, lässig mit seinem Pyjama auf dem Sofa lag… „Und ist es sehr alt?“, sprach er neugierig. „Ja, allerdings“, erklärte sie. „Aber es war kein Erbstück der königlichen Familie. Ich habe in alten Schriftrollen immer davon gelesen. Diesen zufolge besäße es eine außergewöhnliche Macht, die wir aber damals nicht entdeckt haben.“ „Wir?“ Link richtete sich auf, suchte nach alten Wahrheiten in ihren Gesichtszügen. ,Wir‘ klang nach einer Nähe zwischen ihnen, von der Zelda nicht erzählt hatte. „Ich erzählte dir davon… du konntest es nicht lassen und hast dich in ganz Hyrule danach auf die Suche begeben. Es war damals, als wir in Hyrule ein Fest zu Ehren des langjährigen Friedens feierten. Wer weiß, was du wieder beweisen musstest.“ Sie grinste angesichts ihrer Erinnerungen, obwohl ihre Worte irgendwie… verletzend wirkten. ,Wer weiß, was ich wieder beweisen wollte…’ Das war irgendwie… hart für Link. Es hörte sich beinahe danach an, als wäre er ein übertriebener Angeber gewesen, ein Held, der Achtung und Respekt, ja Bewunderung von anderen erwartete… Bewunderung und Lobpreisung. Hatte er es nötig gehabt sich beweisen zu müssen? Aber Zelda schien dies kaum so zu empfinden, noch immer lächelte sie, als die Erinnerungen vor ihren Augen lebendig wurden. „Nach einigen Monaten kamst du wieder, mit einem frechen Gesichtsausdruck, und hast es mir vor die Nase gehalten.“ Zelda schmunzelte. Ja, es gab auch schöne Augenblicke in der alten Welt… „Du hast es mir geschenkt und gesagt: ,In einem anderen Leben werde ich es dir wieder bringen.’“ Sie rieb sich die Augen und drückte das Medaillon an ihre rechte Wange, vernahm ein leises TickTack… wie ein schlagendes, gesundes Herz. „Und nun hast du es mir gebracht, ohne dass du es wissen konntest.“ Sie stoppte in ihren Worten, nur um ihren Heroen zu mustern, der ihren Blick einfing. „Du hast es mir gebracht, genau dann, als ich es am wenigsten erwartet hätte…“ Link berührte ihre Hände, die noch immer fest auf dem Schmuckstück ruhten, seine schillernden, tiefblauen Augen wollten sich erneut Zutritt in den Spiegeln ihrer Seele erlauben. Er lächelte… charmant ohne Frage. „… ohne dass du mir sagen könntest, was du damals beweisen wolltest, ohne dass du…“ Sie wand ihr Gesichtsfeld zu ihm und Link, der lange brauchte, um zu begreifen, was sie gesagt hatte und noch länger brauchte, um zu registrieren, dass Zelda ihn voller Entzückung und Intensität musterte, stotterte schließlich vor sich hin: „Das… habe ich… gerne getan…“ Er schloss die Augen um seinen hetzenden Puls zu beruhigen. „Ich würde es wieder tun… immer wieder…“, schloss er ab, schluckte seine Aufregung hinunter und rückte ein Stückchen näher. „Zelda… und wenn dieses Medaillon in der Tiefsten aller Höllen wäre… ich würde es wieder für dich holen.“ Der Moment war perfekt, dachte Link. Er musste nichts weiter tun, als Zelda an sich drücken und… ihre Lippen mit seinen zu einem Kuss versiegeln. Wenn nicht jetzt, wann dann? Eine Welle aus mutigen, anspornenden Worten formte sich in seinen Gedanken… Er berührte ihre Schultern, sanft, streichelnd, deutete mit Berührungen an, was er sich wünschte. Er öffnete seine Lippen einen Spalt, als wollte er etwas sagen, unterließ es schließlich aus Angst dieser intensive Moment könnte daran zerbrechen. Die Fingerspitzen seiner linken Hand, rau und doch liebevoll, wanderten über ihren Hals zu ihren Lippen, streichelten über diese blutrote Weichheit, sogen die Empfindlichkeit auf. Er war so verzaubert von Zeldas samtiger Erscheinung… von ihrem Duft… Plötzlich schoss Zelda in die Höhe und hüpfte vom Sofa, wich ihm einmal mehr aus. Link schrie innerlich und saß verwundbar und irgendwie zerknüllt auf den weichen Kissen, sich fragend, was hier eigentlich passierte. Warum nur war sie so abweisend? Hatte er sich die Gefühle, die aus ihren Augen pochten, nur eingebildet? Empfand Zelda, obwohl sie sich in einem Traum so leidenschaftlich geküsst hatten, einfach nicht dasselbe? Link seufzte laut und zerknirscht. Frustration war mit einem rauen Ton aus seiner Kehle so deutlich hörbar. Inzwischen hatte sich die Sonne am Horizont erhoben und Link gähnte. Zelda stand schweigend in der Zimmermitte und betrachtete sich zitternd das Geschenk. Ihr Blick wanderte zu Link, der irgendwo ins Leere starrte, ein Blick, so entschieden, so vertieft und irgendwie melancholisch… „Warum weichst du mir aus…“, sagte er, nun eine Spur trübsinniger als vorhin. Noch immer verlief sein Blick ins Leere, er klang so enttäuscht. Sie brachte es nicht fertig darauf zu antworten, wusste ohnehin nicht, was sie darauf sagen sollte. Natürlich wich sie ihm aus… natürlich war es für sie schwer überhaupt ihre Gefühle zu zeigen… ihm deutlich zu machen, wie sehr sie ihn brauchte. Nur wusste sie einfach nicht wie. Auch wenn Link alles tat um mitfühlend, geduldig, so ungemein zärtlich ihr gegenüber zu sein, es änderte nichts an Zeldas panischen Verlustängsten, ihrem Eingesperrtsein in alte Zwänge. „Ich…“, murmelte sie schwach, bis sie schluchzte und die Nase hochzog. Hilflos trat sie in der Mitte des Zimmers, spürte ihr Blut wallen und suchte krampfhaft nach einer Ausrede. „Ich mache dich nervös… habe ich Recht?“, sprach Link dann, spürend, wie unangenehm ihr diese Situation wurde. „Es tut mir leid, Zelda, ich wollte nicht, dass du dich irgendwie unter Druck gesetzt fühlst.“ Damit wand sie sich in seine Richtung, sah zu Boden mit feuerroten Wangen, als waren sie in Blut getränkt. „Jetzt fühle ich mich irgendwie ein wenig schuldig“, meinte er, aber versuchte es mit einem dümmlichen Grinsen. „Sorry…“, hauchte er, eine neue Form von Müdigkeit kam über ihn, zwang ihn zu gähnen. Sie schüttelte den Kopf. „Es ist nicht… so… einfach.“ „Das ist es nie…“ „… ja… das ist es nie… zwischen uns…“ Link erhob sich, war ungemein zufrieden mit der Aussage, denn jene machte ihm deutlich, dass Zelda ihn vielleicht gar nicht abweisen wollte. Noch immer kämpfte sie mit ihrer Vergangenheit und ihren Dämonen und vielleicht war heute nicht der richtige Zeitpunkt, dachte er. Er lächelte, trat an Zelda vorüber und kramte in einem Schrank nach einer Idee, die durch seinen schlauen Kopf schlich. Er holte einen alten, unmodernen CD- Spieler hervor, der von Batterien gespeist wurde. „Weißt du… wenn ich nervös bin… dann spiele ich manchmal Okarina.“ Link hob verlegen eine Hand hinter den Kopf. „Oder… ich hocke mich mit epischer Musik in den Wald…“, erklärte er. „Es hat mich beruhigt, meine Fantasie beflügelt… Früher waren die Wälder immer meine Zuflucht, vielleicht weil ich dort noch Schätze finden konnte… oder einfach nur, weil die Wälder so wild und urtümlich sind…“ Zeldas Augen funkelten angesichts seiner wunderschönen Zugeständnisse. Es tat so gut ihn auf diese Weise zu erleben… mit dieser Tiefe kennenzulernen… Link hätte so etwas früher in Hyrule niemals preisgegeben. „Und ich hoffe… vielleicht beruhigt dich die epische Musik hier drin auch…“, sprach er sanft und lächelte. Er lächelte so erwartungsvoll. „Bist du wegen mir auch nervös?“, platzte es endlich aus Zeldas Mund. Irgendwann riss selbst innerhalb ihrer Ängste der Faden. Vor Schreck legte sie sich ihre Hände über den Mund „Du gibst also zu, dass du wegen mir nervös bist?“ Er konnte nicht anders als ihr diese Gegenfrage zu stellen, grinste dabei so gutmütig. Der gewandte Kämpfer konnte außerdem nicht abstreiten, wie froh er war zu hören, dass er sie im Gegenzug wohl auch hinsichtlich ihres Blutdruckpegels beeinflusste. Denn das war genau das, was er wollte. Ihre wunderschönen Reaktionen sehen… egal ob Zelda peinlich berührt, traurig, zufrieden oder wütend war. Jede ihrer Ausdrücke gefielen ihm… bis ihm plötzlich klar wurde, dass er sie… noch niemals strahlend glücklich erlebt hatte. Auch jetzt nicht. Seine Prinzessin sank einmal mehr auf das Sofa, worauf er neben ihr Platz nahm. Sie war nicht wütend, auch nicht unbedingt durcheinander. Es schien eher so, als versuchte sie sich in ihr Innerstes zurückzuziehen. „Zelda… wenn ich dir das sagen darf“, sprach er aufrichtig. „Ja, ich bin sehr nervös in deiner Nähe…“ Er lächelte, etwas erleichtert es gesagt zu haben und reichte ihr die Kopfhörer. ,Oh…‘ schallte es mehrfach durch Zeldas Gedanken und sie wusste nicht so recht, was sie mit Links Aussage anfangen sollte. Ja, sie waren beste Freunde… und es gab das ein oder andere Ereignis, auch in Hyrule, über das sie nicht reden konnte und lieber verdrängte. Sie hatte sich einst… als sie so verloren war… seine Zuneigung gewünscht, aber auch realisiert, dass so etwas wie eine Beziehung für sie beide nicht möglich war… Sie war Hylias Blut mit der Verantwortung für Welten auf ihren Schultern. Er war derjenige mit der Seele des einen wahren Helden, dessen Pfad einsam und verlustreich war. Sie konnten beide einander nicht im Wege stehen mit zweitrangigen, menschlichen Bedürfnissen… Aber es war einfach nicht fair! Zelda schüttelte den Kopf, wohl auch um nicht an diese Themen zu denken und beschwichtigte ihn und vielleicht auch sich selbst: „Wir können uns die Musik doch zusammen anhören?“ Link nickte und lächelte charmant. Damit setzten sie sich auf die Couch, jeder einen Ohrstöpsel und sie lauschten, lächelten mit geschlossenen Augen, ließen die Ohren verwöhnen von keltisch-epischen Klängen, als Sonnenstrahlen in Links Zimmer fielen… Trübsinnig, aber auch neugierig, wie Link reagieren würde, musterte sie ihn schließlich sehr eindringlich, als die Klänge sie beide nur noch schläfriger werden ließen. Sie musterte sein ansehnliches Gesicht, sein Grinsen und die geschlossenen Augenlider. Er sah so wonnevoll aus, schien in einem Zustand tiefster Entspannung zu schweben und genoss die instrumentale Musik. Wie oft hatte sie sich gewünscht, dass sie die Gelegenheit hatte ihn einfach nur anzuschauen, ihren Heroen, ihren besten Freund und ihre Hoffnung. Sie hatte nie die Gelegenheit dazu gehabt, kaum die Möglichkeit gehabt länger mit ihm alleine zu sein. Vielleicht war es ihre Zuneigung oder der Wunsch nach Normalität oder vielleicht auch die Angst davor, keine Zeit mehr zu haben, aber endlich gewährte sie sich einen heimlichen Wunsch. Zelda wusste nicht so recht, was sie tat, aber sie wollte jetzt in der Nähe ihres Helden sein und näherte sich ihm. Sie überwand jene nervtötende Hemmschwelle, die sie ihm gegenüber viel zu oft hatte, und ließ ihren Gefühlen freien Lauf… vielleicht ein erstes und letztes Mal… Der junge Mann ließ den CD- Spieler fallen, spürte eine blitzartige Attacke grauenvoller Scham, als seine Göttin plötzlich in seinen Armen lag. Ihre Augen geschlossen, tief atmend. Innig, haltsuchend drückte sie sich an ihn, ließ eine Hand über seine feste Brust wandern, lauschte mit zaghaften, tränenden Augen seinem tosenden Herzschlag, der immer mehr anstieg… hetzte… „Zelda?“, flüsterte Link, aber sie reagierte nicht, war gefangen in ihren alten Sehnsüchten, hoffte so sehr, der Moment würde nicht enden. Auch Link zweifelte, ob dies nicht ein Traum war… Er wollte sich nicht bewegen, da er dieses Engelsgesicht sonst aufwecken würde, legte vorsichtig, teilweise unsicher seine starken Arme auf ihren schmalen Rücken, auf dieses seidene, dünne Nachtkleid, wo ihre Haut so warm und fühlbar war und wartete einige Minuten, während die Kerze knackend herunterbrannte. Geschah das gerade wirklich, fragte er in sich hinein. Hatte Zelda gerade den ersten Schritt gemacht… jetzt, wo sie beide die Nähe des anderen so sehr brauchten? Er senkte sein Kinn in ihr weiches Haar, schnupperte daran, bis seine linke Hand mit einigen brünetten Strähnen spielte. Er wollte ihre Nähe auskosten, betete zu Hylia für mehr Zeit… Ausgerechnet jetzt, wo sie in seinen Armen lag, waren sie beide so müde, dass sie sich kaum mehr halten konnten… „Es tut mir leid…“, hauchte Zelda sanft, als sie sich aufrichtete, drückte sich in die Höhe um aufzustehen. Hatte sie eigentlich ihren Verstand verloren? Was erlaubte sie sich diese notwendige Grenze zu überschreiten? Sie hatte sich an Link herangeschmissen wie ein liebestolles Weibsbild, eine unanständige Dame… Sie hatte sich gerade gegen alle Erziehungsriten der Vergangenheit gestellt. Vielleicht sollte sie sich öfter so lange wachhalten… wenn es bewirkte, dass sie ihre inneren Verbote so leichtfertig besiegen konnte… Sie vermied Links schläfrige, aber verliebte Blicke, wischte sich Schlafsand gemischt mit Tränen einer alten Verzweiflung aus dem Gesicht. Als sie zum Bett stolpern wollte, um die Nähe zu ihrem Helden zu unterbrechen und alles zu leugnen, was sie brauchte, seine Wärme zu leugnen, sein Licht, hielt er sie zurück, packte sie mit beiden Armen. „Es tut mir… leid“, wimmerte sie schließlich, völlig neben sich stehend, verzweifelt… Link fragte nicht nach dem Grund ihres Bedauerns, er wusste nur, dass er sie trösten und beschützen wollte, so wie immer. Vielleicht entschuldigte sie sich dafür, dass sie ihn so überrumpelt hatte. Vielleicht entschuldigte sie sich für ein Grauen aus der Vergangenheit… Vielleicht… Zum Teufel damit! Es war egal, schlichtweg egal! Link zog sie einfach wieder an sich, fest und wunscherfüllt, spürte das Zittern ihres Körpers, das leise Schluchzen aus ihrem Mund. Er würde es nicht aushalten, wenn Zelda jetzt nicht bei ihm war. „Bleib‘ bei mir…“, hauchte er leise. Und als der Tag erwachte, die ersten Vögel lebendig zirpten, legte Link die dicke Federdecke wärmend über sich und Zelda, die wie ein hilfloses Lamm in seinen Armen ruhte. Er schloss endlich die Augen, würde jetzt bestimmt einschlafen können, während er seine Prinzessin in den Armen hielt und ihre Wärme fühlte, jene Wärme, nach der er sich so lange gesehnt hatte… Kapitel 41: Der Alptraum beginnt -------------------------------- Als der Tag in Schicksalshort erwachte, hing eine unerwartete, sonderbare Düsternis über den schattigen Landstrichen, sattgrünen Mischwäldern und den vielen Einfamilienhäusern der kleinen Stadt, ein leiser Vorbote eines dunklen Nebels schlich durch die Straßen, vermischte sich mit der zunehmenden, schwülen Hitze des Sommers… Da war eine kleine Ahnung mächtiger Wesen, das ein Zustand über die Welt kam, der das Gleichgewicht allen Seins bedrohen könnte. Eine kleine Ahnung, die auch Zelda, die junge Prinzessin in ihren verwirrenden Träumen spüren konnte… Sie zuckte ab und an, beschützt von den Armen ihres Heroen, der ebenfalls schlief… und seine Nase in ihr weiches Haar gedrückt hielt. Link und Zelda schliefen unruhig, als die Zeichen des Himmels von der Unverkennbarkeit, Grausamkeit einer brutalen Attacke des Bösen berichteten… Magische Zeichen, die einige wenige Wesen auf dem Planeten Erde deuten konnten… Ines Schattener saß mit einem Glas Whiskey in ihrer Küche, während sie einen Flachbildschirm mit trübsinnigen Blicken anstarrte. Natürlich war sie nicht außer Haus, natürlich hatte sie, was ihren Schützling Zelda anging und ihr Übernachten auswärts gelogen und gehofft, dass Links Nähe ihr helfen würde ihre Verzweiflung in den Griff zu kriegen… aber Impa war mittlerweile noch aus anderen Gründen beruhigt, dass Zelda bei ihrem Heroen war. Die einstige Shiekah war kein Freund davon ihren Kummer in Alkohol zu ertränken, aber gerade fühlte sie sich irgendwie… erschreckend machtlos. Nach der Versammlung mit den Weisen erschienen Ganondorfs Pläne kaum mehr aufzuhalten. Wenn es stimmte, und er durch die Welten segeln konnte, und an wichtigen Eckpfeilern der Geschichte Chaos säte, dann waren den einstigen Weisen die Hände noch mehr gebunden als ohnehin schon… Und eine weitere Schreckensnachricht erfüllte den wachen, starken Geist der stattlichen Frau. Sie verfolgte die Nachrichten, Berichte über eine Bandbreite unerwarteter Katastrophen in dieser Nacht, die signifikant die Handschrift des Bösen trugen. Am anderen Ende der Welt war ein wichtiger Gipfel von Staatsoberhäuptern vernichtend in die Luft geflogen… und alle Regenten tot. Es konnte kaum ein Zufall sein, dass jetzt, wo Ganondorfs Pläne reiften, ein solcher Gipfel fiel… Sich machtlos fühlend hockte Impa in ihrer Küche, aber beraumte eine weitere Versammlung der Weisen Hyrules ein… Im Haus der Braverys war die einstige Prinzessin die erste, die ihre Augen aufschlug. Sie hatte trotz der innigen Umarmungen ihres Helden nicht gut geschlafen… einige düstere Fetzen der nächtlichen Bilder drängten sich in ihren Geist und waren wohl der unausweichliche Grund, weshalb sie versuchte auf ihre Beine zu kommen… Nur… Nur hielt sie Link einfach fest… mit diesen starken Armen über ihrem Rücken an sich gepresst… so unglaublich fest und fürsorglich… Benommen wanderten Zeldas schläfrige Blicke in sein angespanntes Gesicht, wo wenige Kratzer als Zeichen des Kampfes von gestern geblieben waren. Sie beobachtete seine Anspannung und ahnte, dass auch er von den Illusionen ihres Schicksals heimgesucht wurde. Sie widerstand dem Wunsch mit ihren Händen über seine Wangen zu streicheln, widerstand dem Wunsch ihn in seinen düsteren Träumen Beistand zu leisten und richtete sich unbemerkt auf… Sie biss sich auf die Unterlippe, als sie sich endlich fing, realisierte, was diese Nacht geschehen war. Diese verbotene Nähe und die heimlichen Zugeständnisse, die sie ihm gemacht hatte. Jetzt, da sich die Prinzessin sortierte, jetzt, da ihr Pflichtgefühl und ihre alten Ängste sie mit verheerenden Alpträumen von einem erbarmungslosen Ende der Welt beluden, erinnerte sie sich daran, warum sie beide niemals ein Paar waren. Ein dummer Alptraum, von dem ein paar Fetzen und ein scheußliches Gefühl geblieben waren, erinnerte sie daran, wer sie war und daran, dass sie Link immer mit edlen Intentionen abgewiesen hatte… immer Herzschmerz erduldet hatte… Sie erinnerte sich an ihre scheußliche Pflicht als siebte Weise und Prinzessin des Schicksals… Mit ein paar Tränen der Vergangenheit tapste sie aus dem Raum, versuchte Bilder eines blutroten Himmels über Schicksalshort und Horden von Monstern, die es überrannten, in sich zu verschließen… Als Zelda frisch geduscht aus dem Badezimmer trat, fand sie Sara und Mike in der Küche den Tisch decken. Beide sahen sie mit lila Augenringeln so an, als wollten sie auf der Stelle im Stehen einschlafen, beide bewegten sich verlangsamt und marionettenhaft. „Guten Morgen, Prinzessin“, sprach Mike, etwas unbeholfen. Jetzt, da er sein Wissen nicht mehr geheim halten musste, war der Umgang mit ihm und den anderen etwas sonderbar. Auch Sara begrüßte Zelda und seufzte. „So gut ist der Morgen nur… leider nicht“, meinte Sara und konnte aus den saphirblauen Augen der brünetten Schönheit ein paar sichtbare Antworten lesen. „Du hattest auch keine guten Träume, was?“ Zelda nickte mit Zweifeln, einem verräterischen Zucken ihrer Augenlider. Verkrampft hockte sie sich auf die Eckbank. „Wir haben… keine Zeit mehr“, sprach Zelda trübsinnig, weil sie es ahnte, nein, vielmehr, weil sie wusste, dass Ganondorfs Schrecken über die Welt fiel. Sie wusste nicht wann, sie wusste nicht, was er plante, aber es war nur eine Frage der Zeit. Und trotz der Bemühungen der Weisen war es nicht abwendbar… das war es nie. Selbst in der Geschichte Hyrules. Wie oft hatte sich das Volk auf die Wiederkehr des Bösen vorbereitet, um letztlich doch nur machtlos zerschmettert zu werden? „Link schläft noch?“, murmelte Sara. Abermals nickte Zelda bloß, wollte nicht auf Saras Neugier reagieren. Natürlich hatte diese Verkupplerin vom Dienst gehofft, zwischen den beiden Auserwählten hätte sich diese Nacht etwas Romantisches entwickelt. Zelda fragte sich nur… warum war Sara so erpicht darauf? Was hatte sie davon? Ihren Bruder glücklich zu sehen? „Er braucht dringend Schlaf“, sprach Zelda kühler, einmal mehr versuchte sie die brutalen Bilder der Nacht in sich zu verschließen, als Sara ihr einen heißen Kaffee unter die Nase hielt. „Mike, lässt du uns kurz allein?“ Der Angesprochene verschwand ohne ein Wort, folgsam, beinahe brav wie ein Schoßhündchen. Trübsinnig schaute Sara ihrem Freund hinterher, ließ ein weiteres Geheimnis an die Oberfläche. „Du weißt… dass Mikes Seele auch aus Hyrule stammt?“, sprach Sara und seufzte. Der Morgen fühlte sich schwer und unberechenbar an, wie ein Geschwür für sie. Zelda nickte und stemmte ihren Kopf auf die Arme, sog den Geruch des Kaffees ein. „Ich traue mich nur nicht… es ihm zu erzählen“, murmelte Links kleine Schwester weiterhin und schlürfte ihren Kaffee. „genauso wenig traue ich mich ihm zu berichten, dass…“ Sie verzog ihr Gesicht und das erste Mal überhaupt sah Zelda die Ängste des jungen Mädchens aufflackern. Sara war immer so lebensfroh, so bemüht um Stabilität, ja, sie war so unglaublich gefestigt, geerdet und vermittelte auch anderen dieses Gefühl. Nur gerade in ihrer Müdigkeit, an diesem prophezeienden, verändernden Tag ließ Sara endlich ein paar Tränen ihrer eigenen Verzweiflung tropfen. „Damals sah ich das Ende Hyrules von Weitem… und es war schlimm genug. Ich habe Angst… es ein weiteres Mal zu erleben…“ Zelda legte ihr mitfühlend eine Hand auf die ihrige. „Noch wissen wir nicht, was geschieht, es ist noch nichts in Stein gemeißelt…“, sprach die vergessene Prinzessin, versuchte sich selbst etwas Glauben einzureden. „Wir müssen Vertrauen haben, meinst du?“, entgegnete Sara verwundert. „Das hat dir doch Link beigebracht“, setzte sie hinzu, lachte unter ihrer Verzweiflung. Auch Zelda rang sich zu einem Lächeln, das ihre Müdigkeit noch weiter zum Schmelzen brachte. „Hattest du… Visionen, Prinzessin, so wie damals?“ Die unerschrockene Neugier in Saras Gemüt verunsicherte die brünette Schönheit nun doch etwas. Sie wollte den Kopf schütteln, als sie ein weiteres Mal darüber nachdachte. Sie hatte in den letzten Wochen durchaus apokalyptische Träume durchgestanden, aber Visionen von dem Ende der Erde eigentlich nicht. Sie wusste nur nicht, ob es vielleicht daran lag, dass sie doch eigentlich nicht auf dieser Welt zuhause war und vielleicht daran lag, dass sie keine gewöhnliche Entwicklung erfahren hatte. „Nein… Visionen eher nicht, aber…“ Zelda biss lethargisch und verlangsamt von einer Toastbrotscheibe. „… es muss einen tieferen Grund geben, warum ich hier bin… Hyrule noch immer irgendwo da draußen ist… und auch Ganondorf hier ist. Warum sollte er diese Welt auch begehren? Hier gibt es kein Triforce. Ich habe mich schon die gesamte Zeit gefragt, warum er hier ist.“ Das raschelnde Geräusch von Zeldas angeknabberter Toastscheibe hörte sich für die schlaftrunkene Sara wie eine Dampfwalze an. „Ich habe eine… düstere Befürchtung“, setzte Zelda klarer hinzu und umarmte sich selbst. „Wie gesagt, ich hatte keine Visionen, aber ich hatte Träume von anderen Welten… immer sah ich Hyrule, immer sah ich Welten fern abseits, immer sah ich Helden, die kämpften, gewannen oder fielen… und dies brachte mich zu einer entsetzlichen Wahrheit.“ Ein aufrichtiger Blick voller Demut traf Saras graublaue Augen, suchte dort das alte Wissen einer weisen Gestalt. „Ganondorf will nicht die Erde… er will Hyrules Geschichte verändern.“ „Du glaubst, er beeinflusst den Weltenstrom? Das ist allerdings ein grusliger Gedanke…“, sprach Sara und rieb sich die Augen. „Er wird mit der Erde nicht zufrieden sein… das ist es, was mir meine Träume in den letzten Wochen berichtet haben. Es ist, als wächst das Böse in Hunderten Welten… verändert Welten… lässt sie bluten, untergehen, verblassen…“ Sara erschauderte nach außen wie auch Zelda innerlich zusammen zuckte. Es war eine Sache grausame Fügungen in sich zu tragen, aber diese auszusprechen eine völlig andere. „Und wenn wir den Gedanken fortsetzen, um Himmels Willen, Zelda…“ Sara riss die Augen auf, übermannt von einem euphorischen Gedanken und einer Hoffnung, die sie zu beflügeln schien. „Du denkst, Hyrules Verblassen hatte letztlich auch mit Ganondorf zu tun?“ Die Ruhe in Zeldas sanften Gesichtszügen erschreckte Sara… mehr noch: Zeldas ungebändigter Glaube ihre alte Heimat könnte auferstehen, sich erheben wie eine verlorene Zivilisation aus dem Nichts. Die Thronerbin der vergessenen Welt hatte niemals aufgegeben an die Wiedergeburt ihrer Welt zu glauben. Sie tat es mit all ihrer Würde, ihrer Kraft und ihrer Liebe für Hyrule… alles nur für Hyrule. Zelda war immer sehr reserviert und distanziert gewesen, auch Sara gegenüber, aber gerade jetzt schimmerte selbst für Links kleine Schwester ein Funke der Persönlichkeit der Schicksalsprinzessin durch ihre perfekten Gesichtszüge. Endlich konnte Sara einen Bruchteil dieses komplexen Wesens erkennen und es erstaunte sie. Wenn es etwas gab, was die Prinzessin für ihr vergessenes Reich tun konnte, dann würde sie es auch. Zeldas Opferbereitschaft, ihr haltloser Ehrgeiz an ihrem Ziel festzuhalten, diese Sturheit niemals aufzugeben… das war prägnant für sie und eine Eigenschaft, in die sich Link verliebt hatte… „Du denkst noch immer daran, dass du nach Hyrule zurückkehren wirst, nicht wahr?“ Zelda sendete der Jugendlichen einen eisernen Blick, eine Treue für ihre sterbende Welt ohne Zweifel. Natürlich dachte sie das, nein, natürlich wusste sie das. „Du beeindruckst mich immer wieder, Prinzessin“, und damit glitt ein erhellendes Lächeln über Saras müde Gesichtszüge. „Vielleicht kann auch ich daran glauben, dass es irgendwann ein neues Hyrule geben wird…“ Sie senkte den Blick beschämt. „Ich habe es viel zu lange nicht mehr getan.“ „Wir brauchen Hoffnung, Sara, mehr denn je, auch… ich muss das noch lernen“, sprach sie und trat gähnend an das Fenster. Sie hatte einmal mehr den Appetit verloren und sinnierte weiter. Die Worte der ambivalenten Göttin Dinafa hallten erneut in ihren Ohren wieder. ,Eine unglückliche Korrelation ist das… dieses Band einer Schutzgöttin verknüpft mit ihren Land.‘ Zelda musste herausfinden, ob sie Hyrule mit ihrer eigenen magischen Kraft auferstehen lassen konnte, koste es, was es wollte. Und vielleicht konnte sie mit dieser Tat sogar Ganondorfs Pläne, die sich auf die Erde bezogen, beeinflussen. „Impa hat eine erneute Versammlung einberufen… für heute Abend“, sagte Sara dann. „Weißt du bereits davon?“ Zelda schüttelte irritiert den Kopf. Impa hatte Zelda diesbezüglich völlig im Unklaren gelassen. Und das aus gutem Grund. Mit Zeldas aktueller seelischer Verfassung wäre es kaum sinnvoll gewesen sie in diesen geheimen Rat einzuweihen. „Heute Abend neunzehn Uhr in der Villa, Link soll auch mit anwesend sein“, meinte sie. Zelda fühlte sich zu müde um dieses Wissen in Frage zu stellen oder kritisch zu sein und nickte erneut, während sie die Welt außerhalb beobachtete. Ein plötzlicher, neuer Hunger nach den verblüffenden, wunderschönen Reizen der Erdenwelt kam über sie, als sie die Gänseblümchen auf der Wiese im Garten der Braverys im Wind tanzen sah. Oder als dass Gras, langstielig, sich dem Sonnenlicht entgegenreckte, auf der Suche nach Licht und Wärme… oder auch da, als zarte Jungvögel über das Gras hüpften, ausgelassen, lebensfroh, natürlich… Mit einem Schlag drang der heimliche Zauber dieser Erde in Zeldas trauriges Gemüt, erinnerte sie an frische Gerüche, an summende Weisen der Tiere, an süße Geschmäcker wie Honig über ihrer Zunge… alles in allem an einen Reichtum, für den es sich lohnte zu kämpfen. Zelda verließ die Unterredung mit der erschöpften Sara und stolperte hinaus in den Garten, als hätte sie vergessen das Farbenmeer der Welt zu erblicken, als hätte sie alles vergessen, was Leben ausmachte. Ihre himmelblauen Augen begegneten den Märchen am Himmel, die sich in Gestalt weißer Himmelsschwaden zeigten, dort hoch oben, wo Menschen sich das Paradies erträumten. Unbezahlbar in ihrem ewigen, wundervollen Rhythmus zogen die Wolken vorüber, ein irrsinniges Unterfangen, so unbedeutend und doch jetzt in diesen Sekunden eben vollkommen, rein und eben… unbezahlbar. Für Zelda waren gerade jetzt die Selbstverständlichkeiten, wie der Sonnenaufgang, das Wachsen der grünen Gräser, das Spielen der Tiere, der Atem des Lebens überhaupt nicht mehr selbstverständlich… Wie schön diese Welt doch war, so unglaublich wertvoll und beschützenswert. Gefangen in unsterblichen Momenten genoss die Prinzessin des Schicksals den Morgen, genoss die kleinen Dinge des Lebens und spürte die Veränderung des Weltenstroms mit dem heutigen Tage zunehmen… „Tuut! Tuut!“ Ein alter, quietschender Wecker dröhnte mit seinem ächzenden Geräusch an Links Ohren, der noch halb verschlafen die Augen öffnete. Er lag auf dem Bauch zwischen den weichen Kissen, fuhr mit seinen Händen suchend über das Schlafsofa… Wütend warf er ein Kissen gegen den Radiowecker, der vom Schrank fiel, aber sein nervtötendes Geräusch nicht unterließ. Link machte sich nicht die Mühe aufzustehen und warf noch etwas in Richtung des kläglichen Tones, nämlich den erstbesten Gegenstand, den er ergreifen konnte. Es handelte sich um ein dickes Buch, welches er, übrigens noch mit geschlossenen Augen, auf den Wecker schmetterte. Jetzt gab er kein Geräusch mehr von sich, lediglich ein kurzes Brummen, das erstarb. Zum Nachteil Links verschwand aber auch die Uhranzeige, was unweigerlich bedeuten musste, dass der Wecker endgültig seinen Geist aufgegeben haben musste… Er brummte, kuschelte sich in die samtigen Kissen, noch immer suchte er mit seinen Händen nach einer Erinnerung an letzte Nacht… forschte nach einer Wärme, die nicht ihm gehörte, forschte nach einem weiteren Wesen, nach lieblicher Haut, nach weichem Haar, aber er fand es nicht. Träge hoben sich seine Augenlider, nur um festzustellen, dass er auf dem Schlafsofa alleine war… Er blinzelte voller Irritation, versuchte sich zu sammeln und spürte heiße Sonnenstrahlen in sein Zimmer dringen. Hatte er sich nur eingebildet, dass Zelda in seinen Armen eingeschlafen war? War es nur eine seiner Phantasien, dass sie die ganze Nacht in ein und demselben Bett verbracht hatten? Er blinzelte ein weiteres Mal und entdeckte eine braune lange Haarsträhne direkt auf dem Kissen neben sich. Es war eine von Zeldas gefärbten langen Haarsträhnen… eine Strähne, die sie irgendwann in der Nacht verloren haben musste. Hier auf dem gemütlichen Sofa, wo sie beide innig aneinander gebunden eingeschlafen waren. Also doch keine Einbildung. Aber warum war sie ohne ihn zu wecken aufgestanden? Und wo war sie überhaupt? Sich streckend und laut gähnend stand der Held auf und fühlte sich wie gerädert. Aus irgendeinem Grund tat ihm alles weh und auch über ihm hing ein ungutes Gefühl in diesen neuen Tag zu starten. Etwas war anders gewesen, auch in seinen Träumen, in gewaltvollen Fetzen, die sich ihm in dieser Nacht aufgetan hatten. Erneut hatte er von jener Festung hoch über den Wolken geträumt, wo Babygeschrei herum dröhnte. Und drei Wesen sprachen Formeln in einer anderen Sprache vor sich hin, aber nicht nur das… Er hatte von einem blutroten Vollmond geträumt, ein purpurrot, dunkel und giftig, sodass er beinahe spüren konnte wie verdorben jenes blutrot die Welt erstrahlen ließ… Link seufzte, eine düstere Ahnung begleitete ihn. Es war soweit, dachte er. Etwas in ihm ließ ihn spüren, dass sich sein Schicksal näherte, dass er es erfüllen musste, so wie immer… Er stolperte aus dem Zimmer, der Trübsinn in seinem Gemüt ließ ihn sofort in Richtung Bad verschwinden, während aus der Küche die Stimmen seiner Freunde schallten. Er brauchte etwas Zeit für sich, musterte sich im Spiegel auf eine beinahe lethargische Art und Weise, versuchte den Mann darin zu erkennen, der der eine Held war, versuchte den legendären Mut zu erblicken, aber erkannte einmal mehr nur ein Kind der Zweifel. Er brauchte eine halbe Ewigkeit in dem Badezimmer, duschte sich gemächlich und genoss das warme Wasser über sein Haar rieseln, wollte es auskosten mit dem Gefühl dies vielleicht nicht mehr so lange spüren zu können und zog sich seine Lieblingsklamotten an. Ein waldgrünes, ärmelloses T-Shirt und eine dunkelbraune, kurze Hose. Dann trampelte er schlaftrunken in die Küche, wo Zelda, Sara und die anderen am Tisch saßen und Pfannkuchen aßen. Nachdenklich trat er an der Tür, beobachtete seine Freunde mit einem schweren, gespenstischen Gefühl, es könnte das letzte Mal sein. Seine kleine, gewitzte Schwester, die ihn immer an eine Koboldin erinnert hatte. Sein einstiger Feind Mike, der unter anderem Umständen vielleicht einer seiner besten Freunde geworden wäre. Seine wunderschöne Freundin Maron, die ihn so einigen Unsinn ausgeredet und verziehen hatte. Sein treuer Freund Rick, der so ein edles Gemüt hatte, so aufrichtig, dass er sicherlich der perfekte Märchenprinz für das Farmermädchen Maron war… und Zelda, seine Zelda… seine Seelenverwandte, sein Licht. Er realisierte gerade da, dass er alles besaß, was ein Mensch brauchte. Wenn diese Menschen auf der Welt waren, dann war das Leben doch eigentlich perfekt. Zelda war die erste, die ihn bemerkte. Ein zögerliches Lächeln bildete sich auf ihrer porzellanfarbenen Haut, wo ihre Wangen rötlich schimmerten. „Guten Morgen, Link“, meinte Zelda verlegen, vermied den durchdringenden Blick in seine Augen, leugnete ihre Sehnsucht einmal mehr. „Morgen“, erwiderte er und sah sie ziemlich lange an, so lange, bis sie wieder aufblickte. Sie schenkte ihm ein verlegenes Lächeln und trug zu seinem eigenen bei. Dann wuchs die Scham in ihrem Gesicht weiter, bis sie ihr Besteck zur Seite legte und die Hände verkrampfte. Er lächelte noch einmal, schüttelte dann den Kopf, spürend mit welcher großen Unsicherheit die letzte Nacht an seiner Prinzessin vorüber gezogen war. Sie hatte sich seine Nähe getraut, hatte ihren Wünschen nachgegeben, sich gegen ihre Ängste gestellt und schenkte dem Heroen damit eine ungemeine Zuversicht, was ihre gegenseitigen Gefühle betraf. Und natürlich fragte sich der Heroe heimlich, ob sich das von letzter Nacht irgendwann wiederholen und intensivieren würde… Auch die anderen sahen mit verschlafenen Blicken auf, lächelten verschmitzt und irgendwie… ja, Link spürte, dass die anderen nun doch etwas unbeholfen waren darin sich normal Zelda und ihm gegenüber zu verhalten. Jetzt, da die Wahrheit ausgesprochen war, fühlte sich der Umgang miteinander etwas tollpatschig an. „Hey, Waldmensch…“, begann Rick und bremste sich sofort wieder. Himmel, selbst dieser verständliche Kosename war nun etwas schräg. „Hey“, bestätigte der Heroe, lief zur Spüle und nahm sich ein Glas Leitungswasser. Er versuchte es schließlich mit einem Grinsen, aber es war in der Tat halbherzig. Seine schönen Gesichtszüge konnten vielleicht eine eiserne, unerschrockene Fassade aufbauen, aber Rick kannte ihn einfach zu gut und sah die Zweifel darin. Es war beinahe so, als wäre Link plötzlich ein halber Gott, jemand, den man bewundern musste, der über ihnen stand, der aber gleichzeitig nicht mehr dazugehörte. Eine erdrückende Stimmung schlich sich in das Haus der Braverys nun da die Wahrheit ausgesprochen war… „Wie hast du geschlafen?“, meinte Rick ferner und half mit einem besorgten Grinsen die seltsame Atmosphäre aufzulösen. Es war so unnötig und verdammt anstrengend darüber nachzudenken, dass Link der Held aus Hyrule war. „Nicht so… gut, wie ich gehofft hatte…“, sprach er ehrlich und belud Zelda mit einem trübsinnigen Ausdruck, der um seine Lippen spielte. Warum nur war sie ohne ihn zu wecken aufgestanden? Er hätte… ja, er hätte sie gebraucht, vor allem vorhin, als er sich von düsteren Alpträumen und der Last des Schicksals erdrückt fühlte. „Argh, blöde Frage von mir“, meinte Rick und deutete auf den freien Platz neben Zelda. Link trottete zu dem einzig freien Platz am Tisch, etwas schwankend, schwerfällig, aber ohne Laut. Eine unangenehme Pause entstand am Tisch, hörbar waren nur die vielsagenden Schmatzgeräusche der sechs Mäuler, die nach und nach einen Berg Pfannkuchen verschlangen, bis plötzlich Maron das Besteck beiseite legte. „Also, ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber…“ Alle sahen gespannt auf, lauschten mit Verwunderung. „… aber ich für meinen Teil finde es einfach großartig zu wissen, dass Link unser persönlicher Held aus Hyrule genau hier am Tisch sitzt.“ Maron lächelte wohltuend, fasste Link mit herzerwärmenden Lieblichkeit in ihren Blick. Unschuldig und doch beständig und sicher. „Für mich hat sich nichts verändert“, meinte sie weiterhin und lächelte auch Zelda entgegen. Sara lachte plötzlich. „Ehrlich mal, Leute, dass Link und Zelda beide etwas Besonderes sind, wissen wir doch schon lange, oder nicht?“ Sie stimmte mit ein, verscheuchte die Befangenheit von vorhin mit erheiternden Worten. „Auch für mich ist alles beim Alten.“ Link seufzte, einmal mehr kroch ein verwegenes Gefühl von Abschied und Melancholie über seine Gesichtszüge, aber auch Dankbarkeit, tiefe, unendliche tiefe Dankbarkeit. Wie nur hatte er so gute Menschen in seinem Leben verdient? „Gut, das wir das geklärt haben“, sagte Rick abschließend. „Hey, Zelda, reich‘ mir doch bitte mal den Obstsalat.“ Die Aussage des jungen Mannes ließ eine weitere, entscheidende Normalität in den Raum zurückkehren. Zelda verstand Ricks Absicht, schlaue, ja, beinahe weise Absicht, und reichte ihm die Schüssel mit den Früchten. „Aber eine Sache noch…“, sprach Link und konnte sich einen blödsinnigen Kommentar nicht verkneifen. „Wer immer auch den dämlichen Wecker gestellt hat, das war fies.“ Er lachte, während er sprach, wie immer sein Vorwurf auch klang, er meinte ihn nicht verärgert. Sara klopfte ihrem Bruder auf die Schultern. „Tja, wer zum Kuckuck wird das wohl gewesen sein?“ Sie grinste und verriet sich sofort. „Ja, aber wann hast du eigentlich… den Wecker… gestellt…“ Links noch vorhandene Fröhlichkeit versank rasch hinter einer auffälligen Schamesröte. Wann immer Sara den Wecker gestellt hatte, musste sie gesehen haben, dass er mit seiner Prinzessin gekuschelt hatte… nun ja, vielleicht war das Wort Kuscheln nicht der richtige Begriff dafür, wenn man haltsuchend aneinander klebte als gäbe es nichts anderes auf der Welt, das man festhalten wollte… Mehr noch… hatten alle bei Tisch ihn und seine Prinzessin etwa dabei erwischt? Links tiefblaue Augen wanderten in die Höhe, suchten seine Antworten an der mit Holz beschlagenen Küchendecke, bis er den Staub auf dem Lampenschirm beobachtete. Wieso sollte er diesen Zustand eigentlich so nennen? Es war ja nicht so, dass er und Zelda bei etwas erwischt worden wären wie zwei unartige Kinder. Seufzend suchte er erneut Nähe und Wärme in Zeldas glasigen, erschöpften Blick, aber einmal mehr wand sie sich ab… Link war sich nicht sicher, ob aus Verlegenheit oder ob nicht doch etwas anderes mit hineinspielte. War es der Wunsch nach Abstand? Er seufzte noch einmal mit vermehrter Irritation. Zelda aß zögerlich und langsam, eine Falte über ihrer Stirn verriet Nachdenklichkeit und Trägheit. Sie sah ohnehin so aus als fiel sie vor Erschöpfung beinahe vom Sessel, aber dass sie ihn nicht musterte beunruhigte ihn. Schämte sie sich wegen gestern Abend so sehr? Oder war dies ihr kläglicher Versuch einmal mehr den Wunsch nach seiner Nähe zu leugnen? „Zelda…“, sprach er, während die anderen bei Tisch ebenfalls in Gespräche vertieft waren. Sie blickte nur knapp auf. „Möchtest du… Schokoladensauce über deine Pfannkuchen?“ Oh verdammt, Link hatte seine Methoden. Wie nur konnte er so raffiniert in ihren Wunsch nach Melancholie eindringen und mit so viel Charme und Unschuld eine schlechte Laune zunichte machen? Die Prinzessin konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen, nickte scheu und blickte ihm mit Verwunderung in diese schönen Gesichtszüge. Sofort reichte er ihr die Sauce und brach mit einem weiteren Lächeln, tiefgehend, auf der Suche nach ihren Gefühlen, das Eis. „Wir müssen über nichts reden, was dir unangenehm ist, okay?“ „Das ist es nicht…“, sprach sie leise. Einmal mehr zitterte sie. „Was ist es dann…“, wollte er wissen, berührte ihre rechte Hand mit seiner linken. Sofort, beinahe panisch, zog sie ihre Hand weg, was sich für den jungen Heroen wie ein Tritt in seine Magengrube anfühlte. „Zelda?“ Er sprach ihren Namen lauter und mit noch mehr Verwirrung als während ihres Streits. Warum nur war sie jetzt so abweisend? Einmal mehr? Aber… kannte er dieses Verhalten denn nicht? Wusste er denn nicht, dass sie sich zu oft einfach nicht auf Bedürfnisse dieser Art einlassen konnte. Als Zelda sich schließlich erhob, ihm einen glasigen, hilflosen Blick zuwarf voller Sorge und Schmerz, verstand er durchaus das Problem… Er erhob sich ebenfalls, als seine Freunde sie beide verwundert musterten. Mit dem Wunsch nach etwas Zeit, trat die Prinzessin aus dem Raum, hinterließ Link in dem nur allzu bekannten Gefühl der Beklemmung. „Was ist denn los?“, meinte Maron. „Ich… bin nicht sicher…“, erwiderte Link und blickte seiner Prinzessin hinterher. Gerade da traf ihn die Gewissheit wie ein Schlag. Sie hatte es auch gespürt… Sie zog sich nicht zurück, weil sie ihn abweisen wollte, sie zog sich zurück aus Angst vor dem unausweichlichen Krieg, der bevorstand. Sie hatte das Ende der Erde gespürt, genauso wie er… „Aber ich vermute…“, versuchte er die anderen zu beruhigen. Einmal mehr setzte er ein halbherziges Grinsen auf. „Es war gestern einfach ein verdammt harter Tag für sie… und auch für mich.“ Sara hüpfte auf die Beine und schenkte ihrem Bruder sofort eine sanfte Umarmung. „Link, lass‘ ihr Zeit, du kennst sie ja…“, tröstete sie ihn. Sie ahnte, was das Problem war. „Und vielleicht brauchst auch du etwas Zeit für dich, hm?“ Er nickte lediglich und strich sich durch sein blondes, wildes Haar. „Mum und Dad kommen bald zurück, ich kann ihnen gerne sagen, dass du mal wieder unterwegs bist.“ Sara lachte und ihr Lachen schallte mit einer entwaffnenden Fröhlichkeit durch die Küche, verscheuchte die unangenehmen, bitteren Gefühle, die wallten wie Hefekuchen. „Ist es nicht so?“, sprach sie. „Möchtest du vielleicht so wie früher einfach ein bisschen durch die Wälder bummeln?“ Link dachte mehrmals über den Vorschlag nach, aber die Idee war wunderbar. Seine Gesichtszüge entspannten sich einmal mehr, wirkten frisch und frei. Sara kannte ihn einfach zu gut und wusste, was ihm gerade gut tun würde. Der Gedanke etwas Abstand in den Wäldern zu finden, dort in der Wildnis die Seele baumeln zu lassen, Tiere zu beobachten und sein Herz atmen zu spüren, fühlte sich ungemein richtig an. Außerdem konnte er ein wenig trainieren, Leon Johnsons Waffe austesten… Er grinste linktypisch, und es sagte Sara, dass sie auf der richtigen Spur war um ihm ein wenig Beistand zu schenken für das, was geschehen war und auch für das, was noch kam. Link verabschiedete sich von seinen Freunden und trat in zügigen Schritten hinauf in sein Zimmer, wo sich Zelda aufhielt. Sie umarmte sich selbst, während sie tatsächlich in Links Bett eingeschlafen war. Das goldene Sonnenlicht verlor sich in ihrem Haar, das durch das offene Fenster drang und ließ die brünetten Strähnen funkeln. Der leise Schimmer dieses Lichts ließ ihre transzendente Natur hervorleuchten… Sie lag wie Dornröschen auf dem Bett, wie eine Märchenfigur hüllte der Schlaf sie in einen fernen Zauber. „Zelda…“, murmelte Link hingebungsvoll, mehr noch als am Abend vorher. Sie hätte ihm doch sagen können, dass sie schlichtweg mit den Nerven runter war und dass sie Ruhe brauchte. Er lächelte ein wenig, berührte ihr seidenes Haar und versuchte einfach zu verstehen… Zu verstehen, was mit ihr los war, zu verstehen, warum sie oftmals so abweisend war. Er ließ sich kurz an der Bettkante nieder. „Du hast keine Ahnung… wie viel du mir bedeutest, meine Zelda… Ich brauche dich…“ Die Worte kamen mit mehr Aufregung und Zittern in seiner Stimme hervor als er wollte. Aber er hatte den Wunsch ihr dies mitzuteilen und vielleicht war ihr schlafender Zustand die beste Option Worte wie diese an sie zu richten, wo sie diese ansonsten kaum an sich heran lassen konnte. „Du wirst immer… meine Zelda sein“, sprach er, wiederholte Hylias Worte aus dem Götterreich, weil es das Wärmste, Tröstende und Glücklichste war, dass er in letzter Zeit gehört hatte. Aber Zelda reagierte nicht, sie war in der Tat so erschöpft, dass sie einfach in den Schlaf gefallen war. Link lächelte und berührte mit seinen Lippen ihre Stirn, küsste ihre sanfte Haut mit einem leichten Kribbeln, das sich seiner so vollkommen bemächtigte. Er wollte sich nur vergewissern, ob sie echt war… so wunderschön wie sie hier lag… und vielleicht war ein solcher unschuldiger Kuss das einzige, was sie einander in der Düsternis, die über die Welt fallen würde, geben konnten… Er küsste sie noch einmal, diesmal auf ihre zu ihm gewandte Wange und verließ schließlich das Haus, marschierte mit seinen Waffen zielstrebig in die sattgrünen Wälder und ließ sich von seiner Bestimmung leiten… Es war bereits Nachmittag, als Links Eltern zurückkehrten. Sie wirkten frisch und munter. Der Heroe allerdings war noch immer weg. Vermutlich lag er mit geschlossenen Augen friedvoll in den Wäldern, träumte in seinem klapprigen Baumhaus, und holte ein wenig Schlaf nach. Sara, Maron und Zelda hatten entschieden endlich das nachzuholen, was sie sich seit einer Weile vorgenommen hatten und bummelten vergnügt durch die Stadt, vorbei am Park, vorbei am Marktplatz, bis sie in Lydias riesigem Modegeschäft angekommen waren und sich alle möglichen Kleidungstücke betrachteten. Auch Zelda gegenüber hatten sich Sara und Maron nicht verändert. Ganz im Gegenteil. Obwohl sie wussten, dass sie eine Prinzessin vor sich hatten, legten sie ein derartig künstliches Verhalten, welches die Königstochter von damals nur zu gut kannte, nicht an den Tag. Niemand nannte sie mit einem Titel, um den sie nie gebeten hatte. Niemand zeigte ihr eine aufgezwungene Freundlichkeit und niemand ignorierte ihre wahren Bedürfnisse. „Weißt du Zelda? Ich muss dir etwas gestehen“, sagte Maron, während sie sich ein teures, schwarzglänzendes Abendkleid an ihren Körper hielt, welches sie sich sowieso nicht leisten konnte. Aber schauen kostete ja nichts… „Was ist es?“ „Wir Mädchen sind wohl alle ein wenig neidisch auf dich.“ Sie zwinkerte ihr zu. „Wieso?“ Dann hielt Maron Zelda das Kleid hin. „Zieh’ das Kleid an und ich verrate es dir.“ Zelda zuckte mit den Schultern und verschwand in der Umkleidekabine. Als sie heraustrat, elegant und vornehm wirkend, mit dem schwarzen, dünnen Tüllstoff um ihre Figur und ihren geflochtenen goldbraunen Haaren, sahen einige weitere Kunden sie verwundert an. Die einstige Prinzessin lächelte leicht und schaute dann schüchtern zu Boden. Sie war es zwar gewohnt im Mittelpunkt von Veranstaltungen zu stehen, war es gewohnt betrachtet zu werden, aber es auf dieser Welt, wo sie eine Unbekannte war, ebenfalls wahrzunehmen, fühlte sich fast ein wenig unvorteilhaft an. „Weißt du, was ich meine? Kein Wunder, dass Link sich so schnell in dich verliebt hat. Du hast eben Klasse.“ Zelda stand der Mund offen. Wie kam sie darauf, dass Link… Maron begann zu erklären, als sie Zeldas verdutzten Gesichtsausdruck deutete. „Seit der siebten Schulklasse habe ich mich für Link interessiert. Du kannst dir gar nicht vorstellen wie beliebt er war. Aber er hat mich, genauso wie alle anderen Mädchen, die etwas von ihm wollten, einfach abserviert. Link war nie unfreundlich, aber eben einfach nicht interessiert. Er hat nie jemanden vor den Kopf gestoßen, aber auch nie deutlich gemacht, weshalb er so ein Einzelgänger war. Jetzt aber weiß ich warum…“ Zelda biss sich auf die Lippe und blickte beinahe etwas böse funkelnd in Marons neugierige Augen. Maron und Sara grinsten wie zwei verrückte Gaukler auf dem belebten Marktplatz vor den Schlosstoren Hyrules, die von ihren Einrädern fielen und deren bunte Bälle auf ihren Köpfen landeten. Sie lachten angesichts der Hilflosigkeit in Zeldas Seelenspiegeln. „Jetzt sag‘ uns nicht, dass das für dich abwegig ist?“, murrte Sara und warf Zeldas eigenen verwirrten Blick zurück. „Der einzige Grund, warum Link sich nie auf eine Beziehung eingelassen hat, bist du, was sollte sonst die Erklärung sein?“ Sara klang nicht vorwurfsvoll, aber für die einstige Königstochter klang diese Aussage dennoch bitter. War sie auch noch daran Schuld, dass Link auf dieser Erdenwelt sein Glück nicht hatte finden wollen? Einmal mehr schien Zelda nur das zu hören, was sie hören wollte. „Ich meine“ und Saras versteckter Schelm ließ Zelda sich sammeln und von ihren Schuldgefühlen Abstand nehmen. „Wenn eine Prinzessin auf einen wartet, dann wartet man eben gerne auch einmal Jahrhunderte, was?“ Sara war unglaublich, jetzt spielte sie sogar noch auf die uralten Geschichten von Helden und Prinzessinnen in Hyrule an. An jene, die schon vor Jahrtausenden den Todbringer bekämpften. „Sara“, der plötzliche Ernst in Zeldas Stimme ließ die junge Schwester von Link beinahe zusammenzucken. „Es ist nicht so, wie du dir das vielleicht vorstellst oder erhofft. Link und ich waren beste Freunde in Hyrule… Die letzten Tage vor Hyrules Verblassen waren nicht so einfach, ja, wenn ich ehrlich bin, waren sie geprägt von Zweifeln, Kummer und unglaublich hart. Aber Link und ich… wir haben beide unseren Pfad zu gehen, sind gebunden an unser Schicksal. Das bedeutet auch sich gegenseitig zu schützen, selbst wenn es heißt dafür einen bitteren Preis zu zahlen. Es war nie Links und meines Schicksal ein Paar zu sein oder miteinander glücklich zu werden.“ Sara zwinkerte und es war vielleicht das erste Mal, dass sie sich mundtot fühlte. Wie nur konnte die vergessene Prinzessin so voller Bitterkeit und Zweifel sein? Sara realisierte… die mentale Krankheit der Schicksalsprinzessin war tatsächlich so beunruhigend wie Ines Schattener dies angedeutet hatte. „Das klingt hart…“, meinte Maron, selbst für die verdutzte Sara. Auch für Maron, die ihren Märchenprinzen gefunden hatte, erschuf die Bitterkeit in Zeldas Worten ein beklemmendes Gefühl unerfüllter Sehnsüchte. „Ich vermute… dass Link sich niemals auf eine Beziehung eingelassen hat, liegt eher daran, weil er spürt, dass seine Aufgabe der Kampf ist. Und ich weiß… dass er anderen den damit einhergehenden Kummer ersparen will. Keine Frau möchte an dem Totenbett des Mannes sitzen, der auf dem Schlachtfeld fällt…“, erklärte Zelda kühl, ballte die Fäuste und neigte ihr Gesicht seitwärts. Die einstige Hylianerin spürte an ihren eigenen Worten eine unergründliche Wahrheit… Link hatte dieses traurige Schicksal nicht irgendeiner Frau ersparen wollen, sondern ihr. „Tja, sieh‘ es wie du willst, Prinzessin“, sprach Sara, einmal mehr mit Schelm. Zeldas Worte waren trübsinnig genug, warum sollte sie auch auf diesen Unsinn einsteigen. „Ich habe jedenfalls ein Beweisfoto.“ Sie kicherte und lachte schließlich fast unkontrollierbar. ,Meine liebe Zelda‘, dachte Sara. ,Ihr beide, du und dein Heroe, seid vielleicht offiziell kein Paar, aber ihr habt so viele Momente, in denen ihr eure Gefühle auslebt. Es reicht ein Blick und ihr tauscht in diesem alle Zärtlichkeiten aus, die ihr braucht… wahrer und stärker kann Liebe nicht sein.‘ „Beweisfoto?“ „Das werde ich Link zu gegebener Zeit in die Hand drücken“, versprach Sara. Eine üble Ärgernis Sara gegenüber trat über Zeldas sanfte Gesichtszüge, mit jener Wut unter der Oberfläche wirkte sie beinahe angriffslustig. Sie schnaubte, unterließ aber weitere Kommentare zu dem Thema. Vielleicht war doch mehr Wahrheit in allem, was Sara sagte als Zelda zugeben wollte… Die Prinzessin warf einen Blick hinaus über riesige Glasfenster, schweifte mit sorgenvollen Blicken über die Dächer Schicksalshorts zu dem schattigen Bauwerk der Kirche und auch zu den angrenzenden Wäldern. Der Horizont wurde überflutet von kohlrabenschwarzen Wolken, dunstig, beinahe erinnernd. Zelda faltete die Hände für ein kleines Gebet, hylianische Worte entkamen ihren Lippen, so ungewollt, aber hoffnungsvoll. Sie betete für Hoffnung und mehr Zeit, betete, dass sich ihre leise Vorahnung über eine zunehmende Erfüllung alter Prophezeiungen nicht bewahrheitete. Sie lenkte sich ab und betrachtete sich weiterhin einige Kleidungsstücke, als in den kohlenschwarzen Wolken winzige Bruchstücke der Verderbnis splitterten, saugten und wühlten. Unscheinbar und abstrakt, gefräßig wie Tausende Heuschrecken spalteten sie die natürliche Ordnung, zerlegten Materie, unterwarfen Geist und Bewusstsein… Es war soweit. Unvorstellbar… mit aller Gewalt und todbringend… unwirklich… Eine apokalyptische Symphonie in einem Meer aus Leichen, Feuer und Eis werkelte in den kleinsten Atomen. Und wenn es kam, das eine Ende, gab es nur die eine Option… zu bezeugen im Angesicht des Untergangs, zu erstarren und sich unglaublich machtlos und unterwürfig zu fühlen. Zelda erinnerte ihre ersten Erlebnissen dort in den düsteren, prophezeienden Träumen, erinnerte alle Details jedes apokalyptischen Traumes. Und es war immer… immer zuverlässig. Entsetzlich zuverlässig. Wenn das Ende kam, dann prägnant, bestrafend und unaufhaltsam. Es war so hässlich, eine Gewalt aus schimmerndem, giftigem und fauligem Qualm und doch kristallin, unzerstörbar wie purpurrote Diamanten, die wie Regen über die Welt fielen. Der Geist der dunkelsten Apokalypse zerstückelte ihre Seele immer und immer wieder als hoffte er sie könnte einen dunklen Bann von Zerstören und Erschaffen beenden… Aber niemand konnte das. Wir alle gehen mit einem ersten Atemzug dieses Geschäft ein, ertragen unsere Prüfungen und Zwänge, dulden und erstarken, siegen und fallen… selbst die Mächtigen dieser Welt mussten in dem Rad des Schicksals ihre Machtlosigkeit anerkennen, anerkennen, dass sie in jedem Fall scheitern würden. Denn wenn sie kam, die Göttin der Apokalypse war weder Stellung, noch Intelligenz, Herkunft oder Glaube ein rettender Anker… Und sie würde fallen als dunkler Vorhang über das jetzige Sein in Gestalt des Bösen oder als unausweichliche Konsequenz… Es war soweit… Link lag währenddessen lässig, dösend in seinem Baumhaus, aber er fand nicht in den Schlaf, obwohl er sich nach etwas Erholung gesehnt hatte. Mit wachen Augen schaute er aus dem einzigen Fenster des hölzernen Hauses, lauschte den Klängen der Natur, feinem Zirpen in dieser wunderschönen Wildnis. Worüber er nachdachte, konnte er kaum definieren, was sich stumpfsinnig anhören mochte. Aber es war schlichtweg nicht fassbar für ihn, was sich gerade in seine Gedanken brannte. Jedes Mal, wenn er versuchte zu begreifen, was gerade in seiner Gedankenwelt passierte, wenn er versuchte Ordnung zu finden, sprudelten die wildesten Bilder in ihm wie eine Fontäne an die Oberfläche seines Bewusstseins. Bilder aus seinen bisherigen Kämpfen, Bilder von Zelda, die ihn innerlich so tief berührten und zermürbten und manchmal waren da Bilder, die er nicht zu ordnen konnte… Orte, die er in diesem Leben nicht besucht hatte… Wesen, die er in diesem Leben nicht angetroffen hatte. Wie kleine Explosionen in seinem Kopf donnerten Erlebnisse dieses und auch anderer Leben hernieder, prügelten ihn beinahe. Er schnaubte, streckte sich, sodass ein paar Gelenke knackten. Er hatte nur eine Idee, warum er sich gerade so durcheinander fühlte… Schon heute beim Aufwachen war diese Empfindung so unglaublich präsent. Es war die Wiederkehr seiner Bestimmung, das Unausweichliche, das bevorstand. Ja, er hatte versucht etwas Ruhe und Abstand hier im Wald zu finden, so wie früher, aber es erreichte ihn die Entspannung einfach nicht. Er spürte, dass seine Heldensinne auf Alarmbereitschaft gepolt waren, er spürte, dass Ganondorfs eiserner Vorhang sehr bald über die Welt fallen würde… und alles, was er tun konnte, war hier zu stehen und einfach nur zu ertragen? Einmal mehr fragte er sich, ob er nicht gerade jetzt in die Kirche spazieren sollte, ausgerüstet mit nichts als seinem Schwert und diesen Wahnsinn beenden sollte. Aber was hielt ihn davon ab? Seine eigenen Zweifel, dass er nicht würdig war? Noch nicht würdig war? Seine Familie und Freunde, die in heftige Trauer verfielen, sollte er den Kampf verlieren? Er sprang genervt vom Baumhaus, hetzte mit seiner Waffe über die Wiese und übte einige neue Schwerttechniken wie seine Wirbelklingentechnik, die er immer noch verfeinern wollte. Er trainierte wie in Trance, trainierte das Unverständnis und einen alten Zorn über seine Fehler aus sich heraus. Gerade da, als er zu einer weiteren Wirbelklinge ansetzte, hörte er hinter sich wieder ein Klatschen. Das begeisterte Zujubeln eines kleinen Kindes, das ihn schon einige Male besucht hatte. Umdrehen war nicht nötig, er wusste genau, wer hinter ihm stand. Es war das Mädchen mit den blauen Zöpfen im Haar, das ihn angewiesen und unterrichtet hatte. Und auch heute suchte sie seine Gesellschaft, dieses kleine, weise Geistwesen. Aber in ihren giftgrünen Augen lag die Bewunderung, die er erwartet hatte nicht. In ihren giftgrünen Augen lag eine ferne Traurigkeit, wie raschelnde grüne Blätter, die zu Boden fielen nur um zu vergehen. Link trat zu ihr hinüber und ließ sich auf seine Knie sinken. „Hallo, kleiner Schutzengel“, sprach er. Sie erwiderte einen Blick voller Demut, Traurigkeit, aber auch Dankbarkeit. „Du…“, Link wusste nicht genau, wie er beginnen sollte und atmete geräuschvoll aus. „Du weißt es ebenfalls, richtig?“ Er ließ seine angespannten Schultern sinken, als er die richtigen Worte in Gedanken suchte. Ahnte auch sie, dass die Apokalypse kam? Sie nickte bloß und schniefte ein wenig. „Jedes begabte Geschöpf spürt es… Die Welt befindet sich auf Messers Schneide.“ Ihre sonst so fröhliche, klare Kinderstimme rief in dem Heroen erneut einen unfassbaren, fast schon folternden Zweifel heraus, beschwor Trübsinn und Hilflosigkeit. Link erhob sich wieder und schnaubte voller Frustration. Stählern trat er mit seinem Schwert in der Hand auf der Lichtung, als der Wind sein Haar aufwirbelte. „Und ich stehe hier… weiß nicht, was ich tun kann, weiß nicht… wie ich es verhindern kann.“ Das kleine übernatürliche Wesen hüpfte näher, so wie ein Kind augenscheinlich. Sie umfasste Links rechte Hand und lächelte ihm mit Verständnis entgegen. „Du kannst es nicht aufhalten, nicht verhindern, keiner von euch… weil es Schicksal ist und schon lange in der Vorsehung abgespeichert. Die Welt muss ihr Grab finden, um gestärkt aufzuerstehen.“ Link schloss die Augen, löste seine Hand aus ihrer und rieb sich über seine gramerfüllten Gesichtszüge. Warum nur tat der Gedanke an seine eigene Machtlosigkeit so sehr weh? Es schmerzte zu wissen, dass er als Held nicht in der Lage war Ganondorfs Machtübernahme zu verhindern. „Und woher soll ich wissen, dass es genauso geschehen muss? Wie soll ich Vertrauen haben darin, dass ich noch nicht soweit bin? Wer sagt mir, dass ich nicht gerade jetzt, weil ich nicht handle, einfach nur ein dummer Versager bin?“ Links plötzliches Eingeständnis über seinen Kummer ließ das kleine Geistwesen sich nur noch beständiger fühlen. Sie war hier, ein übernatürliches Wesen, das ihm schon einmal seine Zweifel genommen hatte, nun würde sie es wieder tun. Sie trat vor ihn, tänzelnd, ihre goldenen Löckchen tanzten ebenfalls im Wind. „Aber deine Zeit wird kommen, Link, es wird, so wie immer Hoffnung geben… Setz‘ dich zu mir.“ Er seufzte und sie ließen sich gemeinsam auf das trockene grüne Gras sinken. „Du weißt, dass du Ganondorf nicht besiegen kannst?“ Er nickte schwermütig. Seine tiefblauen Augen schillerten mit diesem ehrbaren Schuldeingeständnis. „Nein, das kannst du in deiner jetzigen Form nicht…“, korrigierte sie. Sie lächelte dann mit hoher Erwartung und Link sah ein neues Gefühl in ihren grünen Kinderaugen. Zuversicht? War da etwas, worauf sie anspielen wollte? „Ich bin kein menschliches Wesen, Linky, natürlich habe ich andere Zugänge zu dem, was noch kommt als du…“ „Deshalb erzählst du mir das?“ Link grinste erhellt, seine markanten Gesichtszüge strahlten förmlich. „Zuversicht steht dir viel besser, mein Freund. Und ja, deshalb erzähle ich dir das. Ich ahne, dass deine Geschichte erst begonnen hat.“ Link stutzte, wischte sich einige Schweißtropfen von der Stirn und legte seinen schweren, müden Kopf auf die Arme. Das kleine Mädchen tätschelte ihm den blonden Schopf und spielte an dem unordentlich verbundenen Zopf. „Lass‘ mich das mal richten“, sagte sie, öffnete den Zopf und strich ihm die wilden Strähnen zurecht. Link fühlte sich etwas unwohl dabei, nun ja, es war vielleicht ein ungewohntes Bild. Ein kleines Mädchen band ihm die Haare… „Linky, erinnere dich, das Gute hat im Moment einige entscheidende Vorteile“, sprach sie weiterhin und band seine Haare sauber zusammen. In ihren giftgrünen Augen fand sich die Gewissheit, die Link gerade so sehr brauchte. War es, weil sie eine kindliche Gestalt besaß, dass sie dieses Vertrauen über den Sieg des Guten, tragen konnte? War da wirklich eine Reife in ihr, die Link immer hatte sehen wollen, wo sie doch gleichzeitig so verspielt wie eine Fee wirken konnte? Link schwieg und lauschte ihren Worten. „Ganondorf weiß nichts über Zeldas Existenz, noch immer glaubt er, sie sei verstorben. Dann haben wir einige großartige Persönlichkeiten mit exzellenten Fähigkeiten, die an dem Kampf teilhaben. Und dann haben wir dich, den einzig wahren Helden. Und was glaubst du, was Ganondorf von dir hält?“ Sie trat direkt vor ihn und stemmte ihre kleinen Kinderhände in die Hüften. Das ungewöhnliche Kleidchen, welches sie trug, wie ein Puppenkleid, verziert mit echten Blättern, flatterte im Wind. Link sah auf, ernst und erfüllt von seinen Zielen strahlte seine Seele nach außen. „Du bist ihm scheinbar völlig gleichgültig, was heißt, dass Ganondorf einmal mehr denselben Fehler macht wie immer. Er unterschätzt dich maßlos. Wenn Ganondorf fällt, dann verschuldet an seiner Ignoranz und seinem falschen Stolz.“ Link grinste halbherzig, als der Schatten der hohen Bäume über sein Gesicht fiel. Er sah etwas blass aus, noch immer hing der Schlafmangel über ihm. „Es ist dumm von mir, aber ich hätte es wohl lieber, dass Ganondorf mich als Gegner wahrnimmt…“ Link flüsterte beinahe, aber das Mädchen hatte es vernommen. Ihr fiel die Kinnlade herunter, als sie dies hörte und gab sich selbst eine Ohrfeige. Link riss die Augen auf und beobachtete dieses kindische Verhalten. Er blinzelte und schmunzelte, während sie etwas Unverständliches vor sich her grummelte. „Ich blöde Kuh, das war nicht hilfreich!“, schimpfte sie und brachte Link erst Recht zum Lachen. Irgendetwas an ihrem Verhalten ließ ihn sich plötzlich besser fühlen. Da war dieses kleine Mädchen mit blonden Zöpfen, dass sich wie eine Irre im Kreis drehte, mit einer entfachten und hysterischen Wut das Gras unter ihren nackten Füßen zertrampelte und sich aufführte wie ein kleiner Stier. „Wieso, ihr Götter, wieso ihr Götter, bei Titania, der Feenkönigin!“, fluchte sie. Dann fixierte sie mit ihren giftgrünen Augen den wiedergeborenen Helden und schenkte ihm ein vorwurfsvolles Glühen aus ihren Augen. Jetzt strahlten ihre Augen wie neonfarbene Glühwürmchen. „Wieso bist du nur so ein stolzer, fairer, gerechter, loyaler, liebenswerter und selbstloser Holzkopf!“, wetterte sie. Link brachte ein verwundertes „Äh“, aus seinem Mund, als sie einen Stock nahm und damit auf ihn losging. Sie konnte ihn mit ihren kleinen Füßchen niemals einholen, aber das Schauspiel belustigte ihn. Und es war dann, dass ihn sein heimlicher Schutzgeist tatsächlich aus der Patsche geholfen hatte. Wer immer sie auch war, und sie machte gerne ein Mysterium aus ihrer Person, so war sie in der Tat hilfreich. Etwas lästig, aber hilfreich… Als der Abend mit einer sonderbaren grauen Düsternis näher rückte, verließ Link die geheime Zuflucht, seine verlassene Lichtung und sein Baumhaus und hatte sich auch von der kleinen Dame verabschiedet, die sein Gemüt in einen tapferen Zustand gebracht hatte. Er fühlte sich bereit, bereit für das, was kam, wissend, wo seine Grenzen lagen und entschied sich den Wunsch nach einer Prüfung seiner selbst zunächst ruhen zu lassen. Lautlos trottete er über die vertrauten Trampelpfade der Wälder, erreichte den magischen Ort, wo er einst Zelda gefunden hatte und verabschiedete sich innerlich von der Schönheit jener Orte, spürend und wissend, dass die Zeit gekommen war. Er begann zu rennen mit dem Schwert in der Hand, genoss das Brodeln seiner Bestimmung, rannte, mit einem klappernden Bogen auf den Rücken gespannt. Er rannte mit dem goldenen Licht in seiner Hand vorwärts, zielstrebig, in seinem Schatten folgten legendäre Eigenschaften. Handlungsbereitschaft, Mut und Zuversicht… wie vergessene Ritter folgten sie ihm hinein in den Kampf… In der Geschichte der Menschheit wurden bereits Tausende Erzählungen geschrieben, die uns Menschen mit einer der größten Urängste konfrontierten, belehrten und uns die eigene Vergänglichkeit bewusst machten. Denn dies war wohl einer der erbarmungslosesten Gedanken eines gewöhnlichen Menschen… jener, dass das eigene Dasein in einem Wimpernschlag ausgelöscht werden könnte. Die Urangst vor der Sinnlosigkeit unseres Seins, die Urangst vor dem brutalsten und gewaltvollsten Untergang des Lebens. Sie verfolgte das Leben, als wäre sie in unseren Genen festgebrannt, als hätten wir die Welt bereits sterben sehen… Doch keine Vorstellung kam dem gleich, wie eine von Dämonen gezüchtete Apokalypse das Sonnenlicht gefrieren ließ, den Willen des Lebens brach, die Ordnung der physikalischen Gesetze vernichtete… Eine Finsternis wie der Fürst des Schreckens sie über die Welt bringen konnte, war nirgendwo geschrieben, war beinahe unmöglich überhaupt zu beschreiben. Wie das teuflischste Gewächs aus Hyrules Überlieferungen die Welt brach, war kaum in irgendeiner Weise bildhaft darzustellen… es war zu morbide, zu grausam und zu entseelt. Es war der Abgrund jedes Gedankens… Und doch hatte Hyrules Seele das Ende, erzeugt von Ganons Verderbnis, schon so oft ertragen, geblutet bis in den tiefsten Kern. Und er hatte es erzeugt wie einen Nachkommen, er, der erste und einzige Großmeister des Bösen wie er sich so selbst verherrlichend nannte. Sein Zorn, der in purpurroten Farben über die Welt knallte, war für ihn ein Meisterwerk teuflischer Künste… Dunkelrote Verderbnis soweit das Auge reichte. Ein Meer aus flüssigem Hass, galligem Schleim, der alles und jeden verzehrte… Es war nicht einfach nur dunkle Magie, es war eine verruchte Wissenschaft, ein Kunstwerk… und er hatte experimentiert. Er hatte in Welten fern abseits experimentiert. Zarnas Splitter, die überall auf der Welt verteilt waren, den Planeten wie ein Geschwür von innen vereiterten, waren ein überragendes Ergebnis zahlloser Versuche. Und er war beeindruckt mit welchem Glanzstück er es geschafft hatte seine dunklen Gelüste in Kristalle einzusperren. Angereichert mit Zarnas Essenz, die mit Zeldas Blut veredelt war, hatte er die entscheidende Verbindung erschaffen, den Wahnsinn genährt mit der Macht einer Gottheit, die er fangen und foltern konnte. Ganondorfs eigene zu Diensten geführte Schutzgöttin wurde von seinem Wahnsinn befallen, willenlos vermehrte sie seine Energie, zerfiel, verblasste… In der alten Kirche spielte einmal mehr die Orgel, und ihr Klang, reißend, schief, manipulierend war nur eine Begleitung für den Wahnsinn, der da kam, war doch nur ein leiser Rhythmus für den fauligen Schleim des Hasses, der sich durch die Splitter Zarnas in der Welt nährte. Es begann unsichtbar, ein heißer Dampf drang von dem verlassenen Gotteshaus in die Welt, bis eine purpurrote Substanz in Abflussrohre tropfte, stetig, lächerlich, aber zielstrebig… Die Brut des Bösen sammelte sich, befiel das Wasser, befiel die Luft, langsam, träge, aber stetig… Und zwischen dem Reigen der schiefen Orgel hörte man das irre Gelächter Ganondorfs, hörte seinen Triumph… denn sein Alptraum begann. Er hatte die Karten neu gemischt. Und er wartete, bis alle Figuren des Guten fielen… Es war soweit… Der Alptraum begann… Geräuschlos kroch die Verheerung über die Welt, befiel alle Elemente. Sie war so unglaublich real und doch unwirklich, während die Menschen überall in Schicksalshort ihren alltäglichen Geschäften nachgingen, Kinderlachen über den Park glitt und die Vögel zwitscherten. Niemand sah sie kommen, und doch gab es vereinzelte Menschen, beginnend in Schicksalshort, den Ort, wo das neue Schicksal für die Erde geschrieben wurde, welche dem finsteren Zauber verfielen. Vereinzelte Menschen beendeten ihre Tätigkeiten, blieben stehen und beobachteten in starrer Haltung den Horizont, und hier und da gab es Menschen, die die Straßen verließen, sich zurückzogen. Und nicht nur die Bevölkerung spürte den Umbruch… Ganons Hass befleckte vor allem auch das Tierreich. Und es begann schaurig, mit einer sich ausbreitenden Stille, die den Park, wo vorher noch Vögel zwitscherten, einnahm. Wie ein leises Giftgemisch legte sich die Verheerung missbrauchend über das Tierreich. Hier und da winselten Hunde, die vorher noch lebendig durch den Park hüpften. Hier und da hörte man Katzen jammern, kläglich und beängstigend. Und unter der Veränderung, die im Tierreich vorging, war noch etwas anderes, das auch Zelda, die mit leichten Kopfschmerzen in Lydias Modegeschäft stand, bemerkte. Ein leises Kratzen war überall hörbar wie unsichtbare Hunde der Hölle schufen sich Klauen aus einer anderen Zeit ihren Weg in diese Welt… Und plötzlich blieben auf den Straßen von Schicksalshort die Menschen stehen, atmeten mit einer namenlosen Angst immer wieder den dämonischen Hass Ganons in ihre Lungen… und nicht nur in Schicksalshort, auch in Nachbarstädten, Nachbarländern, auf der ganzen Welt. Stückchenweise wühlte Ganondorfs Verseuchung auf dem Planeten, kaum zu stoppen. Seine dunkle Seele entweihte heilige Orte auf diesem Planeten so wie das Gotteshaus, wo er noch immer seine dunkle Symphonie spielte. Gebetshäuser verschiedener menschlicher Religionen fielen unter seinem Hass… Paläste, Tempel, Regierungshäuser fielen unter seinem Hass. Die gesamte Welt… brannte in seinem Hass… Und wie lange schon hatte sich die Seele der Erde gegen seine Dunkelheit gewehrt… wie lange schon hatte Mutter Natur Zeichen gesendet mit grausamen Vulkanausbrüchen und Hitzewellen, Überflutungen und Tornados… die Welt hatte so verbittert gegen ihn gekämpft, wo die Menschen jener Erdendimension es nicht konnten. Zitternd, mit geweihten Augen, trat Zelda vor einem riesigen Glasfenster des Modegeschäfts und verlor sich mit all ihren Befürchtungen in der drohenden Undenkbarkeit eines so gespenstisch vertrauten Martyriums… es war zu spät, dachte sie, es war einmal mehr zu spät… In ihrer selbstverschuldeten Unfähigkeit und Hilflosigkeit hatte die Schicksalsprinzessin erneut die falschen Entscheidungen getroffen und einmal mehr fiel die Welt der Verheerung des Bösen zum Opfer. Zelda erkannte es in den winzigen Teilchen am Himmel, die wie Asche herabregneten. Wie damals, als Hyrule Regierungssitz fiel, genauso wie damals waren ihre Sinne so verwundet als sie die Veränderung von Materie und Geist bezeugte. Und es begann am weiten Horizont… Sie erinnerte sich… Damals in Hyrule, als sie wusste, dass Ganondorfs teuflischer Wahnsinn Blut, Feuer und Krieg über die Welt brachte, begann es zuerst am Himmel… Der himmelblaue Horizont war ein Spiegel in die Seele einer Welt. Wenn er blutete, dann war die Welt gefallen… und genau deshalb sah sie es… in winzigen Teilchen am Himmel, die sich einem grässlichen purpurrot nicht entziehen konnten. Genauso wie damals stand sie vor einem Fenster aus Glas, war zunächst noch verwundert, bis sich ihre überraschten Augen dem Entsetzen eines erdrückenden Alptraums hingeben mussten. Ganondorfs Alptraum, weil er es liebte die Welt zu quälen, weil er es als sein Recht ansah, eine Weltenordnung zu entzweien und weil er Genuss daran fand den Himmel, ein Zeichen des Guten und des Gerechten, mit dreckigen Farben zu entstellen. Funkelnde Tränen tropften über Zeldas Wangen, als der weite, so strahlende blaue Horizont sich stückchenweise verfärbte, so wie damals, so wie in jedem Krieg gegen den Fürsten des Schreckens. Sie spürte das alte Salz der Tränenflüssigkeit über ihre Lippen rieseln, ballte die Fäuste, sodass sich ihre Fingernägel in die Handinnenflächen gruben und starrte hinein in diesen Wahnsinn. Von hier aus konnte sie über Schicksalshort blicken, über die Wälder, wo Link in Sicherheit war und eben hinauf in die zunehmende Düsternis. Die Welt fiel… sie fiel in Ganondorfs Hände… Zeldas klarer Blick ging hinauf in den Horizont, purpurrote Flecken brannten sich hinein in das einst so strahlende Blau und das Gesicht der Welt wurde dunkel. Und als der Himmel in die Hände des Bösen fiel, erklangen überall auf dem Planeten klagende Gesänge, tosende Schreie von Mensch und Tier, die Natur entstellte sich immer weiter in der Apokalypse des Bösen… Aus der Ferne knallten Stürme über das Land, von weitem hörte man die Erde sich zerreißen mit gewaltigen Beben, von weitem rauschten Fluten… Innerhalb von Sekunden war die halbe Menschheit und die Hälfte des Tierreichs ausgelöscht… Und Zelda, umhüllt von der zunehmenden Düsternis, trat sie allein in dem Gebäude und sah das Ende der Welt… Gebete lagen über ihren blutroten Lippen, formten sich gewandt. Sie betete mit all ihrer Kraft, sendete ein Stoßgebet an die alten Mütter Hyrules für Hoffnung und Gnade. Sie betete, als Wesen aus Hyrules dunkelster Vorzeit sich Zugang verschafften und jene Dämonen hungrig über die Welt donnerten. Und während sie betete, war da das letzte, schwachgoldene Licht des Guten, das in ihrer Aura brannte. Sie war noch da und sie würde genauso wie Link hier sein um zu retten, zu beschützen. Hier im Alptraum des Bösen… Das Schicksal der Welt lag nun in den Händen der letzten Prinzessin Hyrules und des wiedergeborenen Helden… Die Schlacht um die Erde hatte begonnen… Kapitel 42: Im Angesicht der Apokalypse --------------------------------------- Als die vertrauten Lichter auf der Welt verschwanden, eine purpurrote Dunkelheit sich dem ahnungslosen Himmel bemächtigte, trat die vergessene Prinzessin Hyrules wachsam durch das riesige Modegeschäft, unauffällig, schleichend. Sie versuchte sich zu sammeln, nicht panisch zu werden und stärkte sich an den schwersten Erinnerungen der alternativen Zeit. Damals… als sie ein anderes, kriegerisches Gesicht trug… damals, als sie sich als todbringender Schatten in der gefallenen Welt bewegte. Sie erinnerte sich an jenes Leben, obwohl sie diese Zelda doch eigentlich nicht war… Ihre Atemzüge schwelten unruhig in ihren Lungen, flach unterdrückte sie den Sog, ahnend, dass Ganons Gift überall war, selbst in der stehenden Luft. Weitere Schritte führten sie vorwärts, als sich unwilliges Zittern und kratzige Schweißtropfen mit weiterer Unruhe vermischten… Einmal mehr fiel die Erschöpfung der letzten Tage über sie hernieder und forderte Tribut. Kurz wurde ihr schwarz vor den Augen, in dieser gespenstischen Szenerie mit leblosen Schaufensterpuppen, auf denen sich der glühende Schein des gefallenen Himmels verlor. Sie hielt sich an der rauen Metallstange eines Kleiderständers fest, als die unschuldigen Gedanken an die letzten Augenblicke dieser Welt an ihr nagten… zerflossen wie dunkle Tinte auf zerrissenem Pergament. Alles war zerflossen… Einige Fetzen leerer Gedanken streiften ihr Gemüt, wühlten mit Scham und Verachtung, so gefräßig… Die fehlende Zeit belehrte sie darüber, was sie nicht genutzt hatte, was sie nicht vollbracht hatte und was sie nicht zugelassen hatte. Wie konnte es nur soweit kommen… das Gesicht der Welt geschändet und zerstückelt von Dämonen einer anderen Welt, einem Spiel! Von überall her donnerten vernichtend vertraute Laute der Welt an ihre uneinsichtig menschlichen Ohren, die eisernen Trommelschläge, die mordlüsternen Schritte der Kreaturen… die gebogenen Hörner der Dunklen und die Schreie der zermürbten Geister, die von den Schlachtfeldern nicht mehr loskamen. Zelda hörte sie in der Ferne, die Gefallenen, lauschte auf einer vergessenen, intuitiven, medialen Ebene dem alten Klagegesang Tausender Wesen, die dieser Welt gewaltvoll und brutal entrissen wurden… und jedes Gemetzel in ihrem Verstand raubte ihr weitere Fassung und Kraft. Mit einem unterdrückten Wimmern stemmte sie sich auf ihre Arme, rieb sich die Oberarme in der zunehmenden Kälte und befahl sich aufzustehen. Sie war geboren worden um zu kämpfen, Apokalypsen wie diese auszuhalten, und doch schlitzte Ganons Macht an dem bisschen Stärke in ihr, das Link so ungebändigt versucht hatte am Leben zu halten… an dem bisschen Selbstwert, das Link in all den letzten Wochen so kampfbereit versucht hatte zu beschützen… Link… Ein neues Gefühl durchbrach diesen gespenstischen Ort hier inmitten der Verdammnis in Zeldas Innerem, schnürte sich zusammen zu einem Spektakel aus Zorn und Ungeduld. Sie hatte aufzustehen, sie hatte sich zusammen zu reißen! Sie war es ihm schuldig aufzustehen und zu kämpfen. Sie war es ihrem Heroen schuldig ihm in diesem Alptraum beizustehen. Mit einer erzwungenen Wachheit in ihren schönen Seelenspiegeln, die das glühende Rot des Untergangs in diese entseelte Nacht zurückwarfen, erhob sie sich. Die letzte Prinzessin Hyrules trat vorwärts, marschierend und doch allein hier in dem Modegeschäft, wo Sara und Maron nicht mehr weilten. Das Chaos hatte die Menschen entzweit… und es gab für sie nur eine Chance… sie musste jene finden, die zusammengehörten… An einem anderen Platz der Welt hetzten Sian und Leon Johnson mit dem Notwendigsten in einen klapprigen Oldtimer. Als der dämonische Vorhang strafend über die Welt fiel, strotzten beide Krieger, jung und alt, vor Kampfbereitschaft und fütterten ihre Ziele mit dem Willen gegen die bestialische Widerwertigkeit der entstellten Welt vorzugehen. Bepackt mit Waffen und einer Tasche, die vielleicht den wertvollsten Inhalt in dieser düsteren Zeit darstellte, nämlich gezüchteten Kristallen Hylias, sauste der Oldtimer dahin. Sian hatte mithilfe seines bekannten Alchemisten einige der Heilung versprechenden Objekte duplizieren können und hoffte auf eine Möglichkeit mit Zeldas einstiger magischer Begabung diese Kristalle über die Welt regnen zu lassen. Es würde Stunden dauern, aber ihre Hoffnung keimte mit einem klaren Bestimmungsort vor Augen. Sie bretterten über enge Straßen in Richtung des Meeres, um am anderen Ende der Welt Schicksalsort zu erreichen. Unter Zwang schlürfte Zelda weiter, lauschte grässlichen, schiefen Schreien aus allen Himmelsrichtungen, ein rupfendes Empfinden riss sich durch ihre Sehnen und produzierte eine betäubende Gänsehaut, ein hässliches Gefühl, das sie nicht zuordnen konnte. Ihre Atemzüge kamen unregelmäßig, erinnerten sie an etwas Bestialisches, das sich durch die Luft brannte… säureartig. Leise Ascheplättchen in stehender, drückender und schwerer Luft, hier in dem einst so blühenden Modegeschäft von Links Tante. Breite, gleißende Deckenlampen flimmerten und von irgendwoher hämmerte ein schwitziges Piepsen, vermischte sich mit weiteren dumpfen Lauten… Zelda spürte, als sie mit vorsichtigen Schritten die stehengebliebene Rolltreppe hinunterlief, sie spürte außerhalb den Wahnsinn Ganons auf den heißen Teerstraßen… Die Menschen waren da draußen entseelt und angstverzerrt, hetzten umher wie verlorenes, gepeitschtes Vieh, gefoltert von unsichtbaren Händen, beladen mit der Angst vor dem näher rückenden blutroten Horizont, als fiel der Himmel auf die Erde. Menschen, sogar Kinder entschlüpften der einst so menschlichen Gestalten, verwandelten sich in Bestien aus der alten Zeit, begierig beinahe, todbringend, ohne Gegenwehr, Zarnas Splitter ebneten den Weg einer neuen Form der Besetzung von Ganons Hass… Dämonen, egal, welchen Geschlechts und welcher Generation, sie kamen in diese Welt, nicht länger unsichtbar, sondern schälten sich in menschliche Wesen… ein abartiges Gesindel, genährt von Missgunst, niederen Trieben, erzeugt von der Göttin der finsterten Nacht, drangen auf die Welt, überfielen alles, was einst rein und unschuldig war… Monster… soweit das Auge reichte… Monster aus Hyrules dunkelstem Zeitalter… Sie hatten auf ihren Herren gewartet, hatten ihren Durst aufgespart. Jetzt waren sie hier, in ihrem neuen Paradies und rissen die Welt an sich… Mit Schweiß über der Stirn, kroch Zelda zitternd die Rolltreppe hinab, bemüht um Standfestigkeit, bemüht ihr drittes Auge, das in jenen Momenten schrie, zu ignorieren… Aber die alte Kraft der Göttin in ihr ließ sich nicht ignorieren. Zelda sah die blutende Welt in ihren Gedanken, folternd, sich aufdrängend, sah eine Schlacht nach der anderen, wo Menschen unter rupfenden Klauen und giftigen Fängen fielen… Das Ende der Welt blitzte in ihrem sechsten Sinn und knallte mit roher Gewalt nieder. Sie musste es sehen, so wie einst, traumatisch, sich von der Brutalität der Apokalypse beflecken lassen nur um gestärkt daraus hervorzugehen. Sie sank am unteren Bereich der Rolltreppe zu Boden, wimmernd, bettelnd. Hylianische Beschwörungsformeln über ihren trockenen Lippen. Nayrus Gebet, eine alte Weise, die sie seit ihren Kindertagen auswendig kannte, drang beschwörend dahin, vermischten sich mit dem unheilvollen Schimmer glühendem Rot, das sich vom Himmel niederbrannte, ein fahriges, stechendes Geräusch produzierte, als fielen Engel vom Himmel. Erneut sank Zelda auf ihre nackten Knie, fröstelte ein wenig in ihrer kuren Jeanshose und dem ärmellosen Top, dennoch kroch sie vorwärts in diesem zum Scheitern verurteiltem Versuch ein Ziel zu finden, sich zu sammeln, hier in diesem Alptraum zu bestehen. Da waren zu viele Bilder anderer Zeiten, Halluzinationen und von ihren alten Göttern gesendete Bilder, die wie Geister durch ihre innere Welt tobten, als dass Zelda ihren klaren Verstand finden konnte. Über ihrem fiebrig schimmerndem Gesicht tröpfelte der Angstschweiß, in ihren Gelenken tobte die Kälte unschmelzbaren Eises… Sie wimmerte erneut, bemühte sich um Fassung und darum sich selbst zu schützen. Und unter dem Sturm der Fähigkeit des Sehens, das Zelda schon so lange in sich versucht hatte zu verschließen, diese unsäglich irrende Fähigkeit der Schicksalsprinzessin, fieberte ein neuer Wahnsinn durch ihre Adern, stachelte und triggerte einen neuen Schmerz, den sie bisher noch nicht erfahren hatte… In dem glühenden, hassbeseelten Meer der Apokalypse rief eine alte Macht in ihr mit der einzigen Kommunikation, die möglich war um Hilfe, ihr rechter Handrücken schmerzte barbarisch, gerade da, wo sich einst ihr Abzeichen der Göttinnen verbarg… Ein Schmerz so erpresserisch, erbarmungslos, der ihr Tränen in die roten, brennenden Augen trieb… Hastig, aber tollpatschig und ungelenkig krabbelte sie unter einen breiten Kleiderständer und hockte sich wie ein Kind darunter zusammen. Sie bibberte, konzentrierte sich auf die Sensation des Schmerzes, beinahe gefährlich heilsam, weil es sie von ihren Visionen und den Bildern von dem Ende der Welt abrücken ließ… Zeldas Blick, ein Gemisch aus Starre und Trauer verlor sich im Nirgendwo… In der dreckigen Düsternis, die über den Wäldern hing, hetzte der junge Heroe mit zusammengepresstem Kiefer vorwärts… immer vorwärts und hinein in das Entsetzen, das seinen Verstand mit Angst und Zweifeln überlagerte, hinein in den Alptraum eines schwindenden Pulses des Lebens auf dem gesamten Planeten. Er hatte den Waldrand erreicht und konnte beinahe seine Hände vor Schwärze nicht erkennen… Das benutzte Schwert in seiner Hand glühte, war ein sicheres Leuchtfeuer in der Finsternis, hatte dunkles Blut geschmeckt auf seinem Weg zurück in die Stadt. Links gesamte Konzentration war auf sein Ziel gerichtet, so schnell wie möglich seine Familie, seine Freunde und allen voran seine Prinzessin zu finden… Eine pragmatische Härte ergriff von ihm Besitz, gerade jetzt, wo er auf seinem Weg einige Köpfe gespalten hatte… Und diese Härte verwandelte ihn für diese Minuten in den würdigen Krieger, den die Welt brauchte. Zeit für Zweifel und Sorgen würde noch kommen, doch jetzt brauchte ihn das letzte Licht, das auf der Welt noch leuchten konnte. Er wurde gebraucht als der eine Held. Stürmisch hetzte er weiter, das goldene Haar flatterte im Wind und seine muterfüllten Augen leuchteten wie blaues Feuer, durchbrachen die faulige Dunkelheit mit einem kraftvollen Beben des Guten. Heimgesucht von zermürbenden Visionen hockte Zelda noch immer leise wimmernd unter dem Kleiderständer, spürte alberne, künstliche Pelze über ihren brünetten Schopf schleifen und hielt sich die schweißnassen Hände an die Ohren… Von überall drangen schrille Schreie, die sie nicht zuordnen konnte, bemächtigend, wühlend wie staubige Würmer in ihrem Kopf. Schreie von Menschen, vermischt mit Klagegesängen und Rufen unsterblicher Wesen. Rupfender und folternder rissen Bilder der Apokalypse an ihren mentalen Barrieren, gewillt ihre Seele zu brechen. Mit einem hämmernden Rhythmus verborgen hinter ihrer Stirn, sank Zelda in sich zusammen, ihre Fäuste gruben sich unaufhörlich in steinernen Erdboden. Sie fühlte es… während in dem Modegeschäft Deckenlampen zuckten und ein gehässiges Licht auf sie herab flimmerte. Sie fühlte es… Ganons Augen waren überall. Er war überall! In jedem Atom hauste seine dunkle Energie… Glühend weilten seine dreckigen Gelüste am getöteten Horizont, während die letzten Menschen der Welt über zerstörte Straßen und gefallene Monumente der Welt rannten, verfolgt von Kreaturen der Finsternis, die selbst einst Menschen waren… Und sie, das Blut Hylias, verbrannte innerlich, als sich ihre Fähigkeit des Sehens gegen sie stellte und einen Teil ihrer alten Seele in Schutt und Asche legte… Sie presste ihre Hände an die Ohren, schlug in einem Anfall suchenden Erbarmens gegen ihre Ohren, schlagend gierte sie danach sich die Trommelfelle entzwei zu stückeln, sich durch erneute schmerzende Sinne geerdet und lebendig zu fühlen. Und unter dem betäubten Gefühl ihrer Sinne, war da ein neues Geräusch, das sie wie ein Katapult packte und zurück in die Realität warf, sodass sie sich beinahe sammeln konnte. Ein dumpfes Echo hallte nach in ihren Ohren in dem kläglichen Versuch sich von den Visionen abzulenken, es echote leise, bis Zelda sich vorsichtig aufrichtete und dann das Geräusch von irgendwo in dem Modegeschäft einmal mehr vernahm… etwas raschelte, klapperte durch die purpurrote Finsternis, zischte und schlürfte an metallischen Ketten… Ihre himmelblauen Augen blitzten forschend durch die Düsternis, blinzelten mehrfach um die entsetzliche Gewalt irgendwelcher Schlafhormone wegzuwaschen. Was war sie nur für ein verdammter Schwächling geworden, schimpfte sie in ihren Gedanken… ,Hör auf‘, sprach sie in Gedanken. ,Reiß dich zusammen!‘, zürnte sie. Sie hielt angesichts ihrer Erschöpfung nicht einmal mehr diese vertrauten Visionen aus… Wie sollte sie jemals eine Kraft finden, die ihr half an Hyrules Untergang zu rütteln? Und erneut ein leises Klappern, kratziges Zischen und ein schlürfendes Geräusch, das ihre Gedanken durchbrach wie ein über Nervenbahnen und Synapsen vibrierendes, buntes Signal, das Warnung in Form von brennenden Schweißtropfen über ihre Haut schickte. Das Zischen wurde lauter, belustigter, regelmäßiger… stapfende Klauen… ein dreckiges Schwert schleifend am Boden. Die versunkene Kriegerin in Zeldas Seele wusste nun, dass sie in dem unheimlichen Modegeschäft nicht mehr alleine war. Etwas war hier, roch Zeldas Schweiß und schmeckte ihre Ängste in der stehenden, vergifteten Luft. Aber sie würde sich keinen Zentimeter bewegen, egal, was hier hauste… Sie war nicht töricht und vielleicht nicht mutig genug um ihr Schicksal herauszufordern. Um sich von ihrer Starre zu lösen, sich zu beherrschen, vergrub sie ihre Fingernägel in der Haut ihrer Arme und schloss die tränenden Augen. Die Zeit tickte unmerklich dahin, ein verflüssigender Rhythmus, beinahe leer, bedeutungslos. Das Wesen der Zeit lag in einem trümmerhaften Schlaf, nun, da die Welt gefallen war. Im Schlund ihrer Visionen hatte Zelda ohnehin das Zeitgefühl verloren… Sie wusste nicht mehr, wie lange sie hier hockte, überhaupt waren ihre Gedanken schwer und überlagert von Ganons fiebriger Hasssubstanz… Zelda nahm einen rasselnden Atemzug, noch einen… noch einen… und fürchtete, dass jeder neue Atemzug einer ihres eigenen Fallens in die Dunkelheit sein könnte. Sie spürte Ganons Energie, jedes noch so kleine physikalische Teilchen durchdrungen von seiner Pest… säuerlich, bitter, schimmlig… Vorsichtig bewegte sie sich ein Stückchen und blickte leicht neben den schweren, nach künstlichen Stoffen muffelnden Pelze hindurch, erkannte in der zunehmenden Dunkelheit kaum die Umrisse des Mobiliars und der vielen Schaufensterpuppen. Und als sie einmal mehr stechende, bittere Luft in ihre Lungen sog, war da erneut ein Klappern… klapp… klapp… wie das Schlagen von Metall gegen Metall, trommelnder, forschender… Da war eine Kreatur, die sich Geräusche zunutze machte, die wusste, welche Reaktionen diese in der nahen Umgebung widerspiegeln würden… eine intelligente Kreatur mit Reflexen eines Raubtiers, erbarmungslos und schnell… ein neues Geräusch vermischte sich mit dem Klappern… Zisch… zisch… verriet eine lange Schnauze mit giftigen Zähnen… eine lange Zunge, über die jene Zischgeräusche flossen… ein wässriges, flüssiges Geräusch. Eine Kreatur, die gerne im Wasser hauste. Zelda bewegte sich ein Stück nach vorne, schob einen kratzigen Pelz langsam zur Seite und beobachtete ihre eigene zitternde Hand währenddessen. Dann huschten ihre Augen umher, bis sie einen menschengroßen, mageren Schatten an einer hinteren Ecke des Ladengeschäftes erkannte… Außer Atem erreichte der junge Heroe die Stadt im Angesicht einer fallenden, verlorenen Welt… Glühende Ascheteilchen hingen in der Luft, bezeugten etwas, das bereits in eine andere Zuflucht gefallen war, stumm, ohne Zeugen womöglich. In dem glühenden Schein des vernichteten Himmels fokussierten Links wache, sturmblaue Augen jeden Winkel der Gebäude und Straßen, lauschte jedem noch so winzigen Geräusch in der düsteren Ferne. Wie oft hatte der heimliche Held Hyrules vom Untergang, vom Ende seiner Welt geträumt… wie oft hatte er die warnenden Alpträume ignoriert, in die Flucht geschlagen und als Produkt seines depressiven Verstandes interpretiert… und nun war er hier, felsenfest und sicher bahnte er sich seinen Weg durch diese Hölle, das Schwert als scharfkantiger Beweis seiner Tapferkeit… Er hatte lange überlegt, auf welchem Weg er in diese vom bösen verseuchte Stadt eindringen sollte, sich bildhaft die Gassen der Altstadt vorgestellt, auch überlegt, ob er den Weg in Richtung der alten Kirche vermeiden sollte. Schließlich war er einfach seinen Instinkten gefolgt, immer der Nase nach und entschied die einst belebte Innenstadt mit ihren Cafés, Restaurants, Shops und allerlei Geschäften unter die Lupe zu nehmen, hoffend, er fand dort jemanden, den er kannte… hoffend, er fand dort seine Freunde und Familie… und betend, er erreichte irgendwo in diesem vom Bösen befallenen Alptraum seine Zelda. Wie ein Schatten schlich Link an Häuserecken vorbei, versteckte sich sorgfältig in den dunkelsten Möglichkeiten, hier wo die Hauptstraße entlang führte, Autos stehen geblieben waren, Haustüren offen standen, Straßenlaternen unruhig flackerten… kein Lichtstrahl ging mehr durch die Wolkendecke… überhaupt wirkte der Himmel wie geronnenes Blut, als hätte Ganondorf die Seele der Welt zerfleischt. Link sammelte eine sonderbare Form der Ruhe in sich, während er vorüber schlich und in der hässlich dämmernden Ferne Stimmen hörte, Klageschreie, die sich mit dem sterbenden Himmelszelt zu verbünden schienen. Link rieb sich einige Sorgenfalten von der Stirn, fasste sich mit der rechten über seinen Brustkorb, um das schlagende Herz darunter zu spüren… selbst sein Herz schlug ruhevoll, bestimmend… und obwohl der Anblick dieses Alptraumes des Schreckens ihn völlig zermürben sollte, tat dieser es nicht. Link hatte nur eine Erklärung dafür, er hatte nicht ohne Grund das Götterreich besucht und er hatte nicht ohne Grund Hunderte düsterer Alpträume in seiner persönlichen Welt der Nacht überstanden… all dies war nur Teil seines Lernens, Teil seiner Prüfung um stärker zu werden… In einem Schaufenster lief noch ein Fachbildschirm, zeugte von dem verheerenden Sturm, der über die Welt gezogen war. Link lief wachsam daran vorüber, als sich im glutroten Schein seine Gesichtszüge im Fensterglas spiegelten. Das erste Mal seit langer Zeit erkannte er sich in seiner Spiegelung mit allen Wahrheiten und einem verteufelt irren Erkennen. Er war für dieses Ende der Welt erschaffen worden, oder nicht? Er war nur hier, weil der Kreislauf aus Hass sich durch den Fluch des Todbringers fortsetzte. Und doch war diese herbe, bittere Erkenntnis nichts für das er sich in irgendeiner Weise schämte. Es war Schicksal, sein Schicksal hier zu sein, der eine Held zu sein… Seine tiefblauen Augen schillerten, als die letzten Meldungen auf dem Fernsehen erschienen, voller Wahnsinn, Angst und Zweifel berichteten wenige mutige Menschen von den Ereignissen auf der Welt… eine Nachrichtensprecherin mit stockender Stimme erschien live, bevor selbst die Fernsehstudios dem Erdboden gleich gemacht wurden. Sie war jung und schön, aufrichtig erzählten ihre trockenen, ängstlichen Lippen von dem Zustand der Welt, mit einer gebrochenen Stimme. Ein Sinnbild für den Zustand der Menschen auf dem Planeten Erde, erbarmungswürdig, unwissend und voller Angst… Gerade da fiel die Liveübertragung aus, was auch Link die Augen zusammenkneifen ließ. Er atmete keuchend und versuchte die in ihm wühlenden Schreckensbilder des sterbenden Planeten in sich zu verdrängen. Der blutige Schein der Welt glomm als Palette aus Tod und Pest, pulsierend, aussaugend, als der Heroe sich in der scheinbar leergefegten Stadt seinen Weg bahnte. Es hetzte vorwärts, immer auf der Hut, mit dem Schwert fest in der Hand, rannte immer schneller mit gestärkter Intuition und einer leuchtenden Hoffnung im Herzen. Er bewegte sein Licht des Guten immer näher an den Kern des Unheils, sein Ziel war das Stadtzentrum, wo leise Klageschreie in seine Richtung hallten. Die Menschen dieser Stadt mussten irgendwo sein, spornte er sich an und lief noch ein wenig schneller. Es war das einzige, was er jetzt tun konnte, die Menschen, die ihm begegneten zu beschützen und Monster Ganons zu Fall zu bringen. Und obwohl Link so schnell rannte, so war er vollkommen lautlos und bewegte sich in der versenkenden Hitze dieses Wahnsinns sicher und elegant. Auch Link spürte die Energie des Bösen in jedem noch so winzigen Teilchen der uralten Schöpfung, spürte die Düsternis wallen und reißen, aber er würde diesem scheußlichen, roten Dreck niemals gestatten sich seiner selbst zu bemächtigen und länger als nötig auf dieser Welt zu toben. Der legendäre Mut begleitete ihn, während er schnell und zielsicher weiter hastete, sein Körper bewegte sich galant durch die Verwüstung hindurch… In seinen tiefblauen Augen aber keimte eine vertraute Sorge, beinahe zärtlich funkelte sein Blick mit einem Gedanken an seine Prinzessin. Wenn es niemanden mehr gab auf dieser Welt, so wollte er zumindest Zelda in Sicherheit wissen… ,Wo bist du nur’, murmelte eine fürsorgliche, liebevolle Seite in dem mutigen Kopf. ,Wo bist du nur?’ Er kniff seine Augen zusammen, erzeugte das Bild seiner Prinzessin in Gedanken mit aller Sehnsucht, die er gerade zulassen konnte und hetzte die leergefegte Straße hinab. Währenddessen befanden sich eine vor Ruhe und Strenge strotzende Naranda Leader und Ines Schattener in einem Kampfkostüm in der Polizeistation von Schicksalshort. Impa wurde von den wenigen Menschen, die sich zusammen mit ihnen dort verbarrikadiert hatten mit geweiteten Augen betrachtet, mit Entsetzen, nicht sicher, ob aus Angst oder Erleichterung. Denn die einstige Shiekahkriegerin strotzte in ihrem Gewand vor brutaler Handlungsbereitschaft. Sie wirkte mit einem Brustpanzer und Kriegerinnenrock, als wäre sie aus einer anderen Epoche in dieses Weltenende gestrandet. Ihr grau gesträhntes Haar hatte sie unwirsch am Hinterkopf verbunden, ein Katana auf dem Rücken und ein Kunai an ihrer rechten Seite. Sie war eine der legendären Weisen Hyrules und würde niemals zurückweichen vor ihrer Pflichterfüllung. Es war schließlich ihre Erfahrung im Kampf, von der Zelda sich einige Scheiben abschneiden konnte. Aber auch Naranda schien von einem anderen Planeten zu stammen. Sie trug ein tapferes Grinsen spazieren, während die wenigen Menschen hier wimmernd auf dem Boden hockten. Einige wippten vor Verzweiflung auf und ab, einige Menschen hetzten durch die Räume, verfolgten letzte Meldungen, telefonierten eifrig, um noch Anweisungen zu erhalten. Auch Links Onkel Jonas Carter war unter den wenigen Menschen und ging seinen Beschäftigungen nach um diesen Alptraum zu verstehen, ja, Verständnis zu finden für das, was gerade auf der Welt passierte. „Jonas“, sprach Impa dann. „Du ahnst, dass es nichts bringt sich hier zu verstecken, nimm‘ diese Menschen mit dir und flieh‘ in die nächste größere Ortschaft.“ Ricks Vater nickte bloß, er war so blass wie die graue Betonwand des Polizeigebäudes. Er hatte seinen Aufenthalt hier so lange wie möglich hinaus gezögert, auf seine Freunde und seine Familie gewartet. Aber weder sein Sohn Rick, noch seine eigene Frau Lydia oder deren Schwester Meira Bravery mit Sara, Eric und Link waren aufgetaucht. Er wusste ohnehin, dass er nicht noch länger warten konnte. Er wusste nur, dass von oben Anweisungen kamen die Überlebenden in eine nahe Quarantänestation zu bringen, dort, wo Hilfe, ärztliche Versorgung und Erklärungen warteten. „Was ist mit euch beiden?“, fragte er leise und stockend. Er schien sichtlich um Ruhe und Besonnenheit bemüht, vielleicht weil er in seiner Stellung in diesem beobachtenden Apparat seit geraumer Zeit merkwürdige Erlebnisse bezeugt hatte. „Naranda und ich werden ebenfalls aufbrechen…“, sprach Impa, ihre rubinroten Augen funkelten mit fernem Entsetzen, ein Blick, der sogar Naranda einen Schauer den Rücken hinabjagte. Impa war nicht nur kampfbereit, es schien als lebte sie auf wie eine glühende Flamme, die endlich Sauerstoff bekam. „Wir haben einen Plan…“ Jonas Carter nickte beflissen, aber mit Skepsis. „Ihr wisst beide mehr als wir alle, nicht wahr?“ Seit Zeldas merkwürdigem Auftauchen hier in Schicksalsort hatte der Forensiker in ihm Alarm geschlagen. Impa nickte bloß und deutete dem Polizisten an zu gehen. Als er sich bereit machte und die wenigen Menschen gemeinsam mit ihm das Gebäude verließen um in einen Kleintransporter zu steigen, legte die rothaarige Schönheit Naranda ihrer Freundin eine Hand auf die Schulter. „Es ist gut so… wir können nicht Unwissende in diese Kämpfe hineinziehen. Es ist besser, wenn Schicksalsort leer und verlassen ist… besser wir riskieren nichts.“ Sie deutete an, dass sie in den letzten Stunden eine weitere wichtige Sache in die Wege geleitet hatten. Ein großzügiger Radius um die alte Kirche Schicksalshort, das Hauptquartier des Bösen, musste leer sein um weitere Verluste zu vermeiden. Gerade deshalb war es gespenstisch leer in der Stadt, da Impa und Naranda Leader heimlich dies veranlasst hatten. „Zelda ist bei Link, ja?“, meinte die vergessene Kriegerin der Wüste. Ihre goldenen Augen funkelten mit neuem Ehrgeiz. „Du bist zum Glück durchtriebener als du aussiehst“, setzte sie hinzu. „Du hast gestern schon gespürt, dass es besser ist Zelda zu ihm zu schicken, was?“ Ines Schattener unterließ es darauf zu antworten, zog ihre Augenbrauen nach oben als sie weitere Schreckensmeldungen im Internet verfolgte. Ihr Tablett gab den Horror wieder, den sie damals in Hyrule erlebt hatte… auch für sie war es ein Martyrium den Schrecken erneut zu bezeugen. Naranda erhob sich, seufzte und verschränkte die Arme. „Ich hätte niemals gedacht, dass es soweit kommt…“ Ihr Blick ging hinaus, über die riesigen Glasfenster, zu dem verdunkelten Horizont, diesem Meer aus Säure und geschmolzenen Atomen… Ab und an zuckte ein roter Blitz in der Suppe aus Galle und Schleim, versprühte Aschefunken und Elend. „Das hat niemand von uns“, bestätigte Impa sorgenvoll. Sie las noch einige letzte Meldungen aus dem Internet. Entsetzt schüttelte sie mit dem Kopf. Was zu viel war, war zu viel. Das Böse hatte damals schon Unmengen von Unheil angerichtet, aber was er diesmal aus der Welt machte, übertraf sogar ihre Befürchtungen… Die Brut des Bösen in Gestalt der dunkelsten Kreaturen überfielen die Welt in Begleitung von Stürmen, Hitzefeuern, Säureregen und flammenden Tornados. Es war wie, als genoss Ganon es diesen Planeten als Spielball seines Hasses in lodernde Flammen zu stürzen, er genoss es, weil er damals nicht bekommen hatte, was er wollte. Gerade wollte sie weiterlesen, als das Internet den Geist aufgab. „Wir können nicht länger untätig herumsitzen, Naranda. Ich würde vorschlagen wir kontaktieren die anderen.“ „Ja, aber…“ „Telepathisch. Wir können das!“ Damit kramte sie ihre Autoschlüssel heraus und lief ungeduldig zum Ausgang. Auch für die einstigen Weisen Hyrules war es an der Zeit einen düsteren Pfad zu beschreiten, zu kämpfen mit allem, was sie besaßen. Und im Angesicht der Apokalypse zu siegen oder unterzugehen. Naranda folgte ihr mit dem kampfbereiten Herzen einer Wüstenkriegerin… Mit stiller Aufregung erreichte der junge Heroe den leergefegten Marktplatz mitten in der Altstadt Schicksalshorts. Die vor ihm liegenden Kämpfen und mit ihnen eine spürbare Bereitschaft zu töten trommelten nervös und hektisch in seinen Gedanken, und doch war sein Körper ruhig und gefasst, folgte präzise dem Weg eines Kämpfers. Beinahe wie ein Shiekahkrieger schlich Link vorwärts in der Düsternis, in der blutroten Suppe seines Erzfeindes, wo die Brut der Nacht jedes Tageslicht verbannt hatte. Link wusste, dass es vielleicht fünf Uhr nachmittags war, eine Zeit in welcher hier im Sommer die Orte von Licht und Hitze geflutet waren und nun hing ein trockener, kalter Staub in der Luft, als kam eine baldige Eiszeit über die Welt… Link war fortwährend gerannt, sodass er sich endlich eine verdiente Verschnaufpause gönnte. Nirgendwo war ein Mensch zusehen, nirgendwo eine Taube, die sonst immer so zahlreich auf dem Marktplatz herum turtelten, kein Lebewesen weilte hier… Link stützte sich schwer atmend auf seine Knie, beobachtete das unnatürliche Glühen des Himmels, welches die Welt in ein dunkles Gewand hüllte: das holprige Pflastergestein, die urigen Fachwerkhäuser, selbst das Wasser des gefleckte Brunnens auf dem Marktplatz… Ein trübsinniger Gedanke streifte seine Sinne, als selbst sein blondes Haar von diesem glühenden Schein eingenommen wurde. Wofür und für wen sollte er kämpfen, wenn hier niemand mehr war… Seine Augen schillerten, und selbst dort verlor sich der blutrote Schein. Für wen sollte er das Schwert in die Höhe heben, wenn alle Menschen Ganons Wahnsinn zum Opfer gefallen waren? Selbst wenn er in der Ferne noch immer Stimmen hörte, so zweifelte er allmählich daran, ob dies die Stimmen der Überlebenden waren oder ob er die klagenden Rufe der Gefallenen vernahm, die in ihrem Schmerz als Geister ein trostloses Dasein führten… Beladen mit einer düsteren Palette aller möglicher Gedanken hockte sich Link am steinernen Rande des Brunnens zusammen, seine rechte Hand tauchte er in das von fleckigen Linien glühenden Rots durchzogene Wasser, bis er spürte, dass sich selbst jenes Element beinahe glasig, und irgendwie beengend anfühlte. Er schöpfte ein wenig der einst so kristallenen Flüssigkeit, sah es an seiner Haut hinabrieseln, abperlen und schwammig im Auffangbecken niedersinken, sodass sich Bläschen bildeten wie bei Seife… Was war mit dem Wasser? Hatte Ganons Seuche selbst dieses Element infiziert? Link schüttelte das Wasser von seiner Hand, erhob sich, lauschte weiter in die vom Himmel gefallene Düsternis. Wo sollte er nur anfangen diese Welt zu retten, wenn er absolut nicht wusste, was er gegen diese apokalyptischen Wahnsinn tun konnte… es war keine Verzweiflung, die gerade über Link kam, es war ein unverständlicher Zorn… einfach nur Zorn und irgendwo auch Wut… Wut darüber, dass er niemanden finden konnte, absolut niemanden, der in diesem Alptraum kämpfte. Wut darüber, dass da nichts war, was er beschützen konnte… Und irgendwo auch Wut darüber, dass er Ganondorf in der alten Kirche nicht herausfordern konnte… Es war nicht nur dieser äußere Alptraum auf der Welt, der alles in dieses scheußliche Verderben stürzte, es war auch der innere Schandfleck der unsicheren Gefühle. Es gab für Link keinen Weg, keine Option sich so schnell wie möglich eine ausreichende Kraft anzueignen um ein würdiger Gegner für den Fürsten des Schreckens darzustellen. Und er ahnte, dass es diese Hoffnung auch in naher Zukunft nicht gab? Also was war, wenn er doch nur hier geboren war um zu fallen, genauso wie die Held in dem düsteren Zeitpfad, wo das Licht des Guten nicht mehr durch Link selber leuchten konnte? Aus seinen Gedanken gerissen hetzte der junge Heroe in die Höhe und zog sogleich die schneidige Klinge von Leon Johnson und wirbelte in Richtung der schmalen Gassen. Da waren Geräusche, kaum vernehmbar, mit einer erschreckenden Ausdruckslosigkeit und schlürfenden Leere, Schritte zu gleichmäßig, als dass sie von einem Menschen stammen konnten. Klappernd bewegten sich magere Gestalten in seine Richtung, erschienen in Begleitung des schattigen Samtes, das in den dunklen Gassen vorherrschte. Wacklig krochen sie vorwärts, schlürfend, untot und entseelt, bereit den jungen Heroen zu umzingeln. In Sekundenbruchteilen studierte Link jene Gegner der Verderbnis, fleischlos umhüllte sie ein bleicher Schein, fehlende Kleidung ließ jene menschengroßen Wesen kaum mehr wie intelligente Spezies aussehen… Haut, mumifiziert, Gesichter ohne jeden Ausdruck, spärlich mit grauen Fleischfasern durchzogen, dunkelgrüne Hautfalten um leere Augen wie schwarze Löcher… Kreisförmig umzingelten sie ihn, ein wahnsinniger Tanz entzündete sich in von Trieben gesteuerten Maskeraden, genährt durch Ganons Willen… Das war es, was er niemals vergessen würde… Die Funken des Wahnsinns, pulsierend rot wie Blut, glommen sie in toten Augen, gerade dann, wenn das Schwert ihres Vernichters durch ihre Leiber wühlte wie die Gerechtigkeit persönlich. Link würde niemals vergessen, wie es sich anfühlte… Eine Erinnerung aus Tausenden Leben würde dieses Gefühl genauso transportieren wie er es gerade empfand. Es ging ihm unter die Haut, brannte mit Bildern, die er kaum zu einem alten Leben zuordnen konnte. Bilder von brennenden Körpern, aufgeschlitzt zum Wohle des Guten… diese mumifizierten Bastarde, die sich in gefallenen Städten an toten Körpern vergingen. Er sah sie lebendig in seinen Erinnerungen, Bildern ohne Sinn, lebendig schlürften sie genauso wie hier über verlassene Ortschaften, und dann… wenn sie ihre Stimmen erhoben, gefror selbst das dreckigste Wasser. Wie auf Kommando zischten sie, eine Qual, die Ohren zerstieß, sie zischten so schrill mit dem Verlangen das Blut fließen zu sehen, spritzen zu sehen… Link sah die Bilder folternder, stürzte auf die Knie. Menschen, die aus ihren Ohren bluteten, unterjocht von gefräßigen Mumien… Und dann knallten sie nieder, ohrenbetäubende, gefrierende Schreie, saugten jede Kraft aus den Körpern unbefleckter Menschen. Krampfhaft begann Link sich die Ohren zuzuhalten, presste und zwang seine Hörsinne zur Stille. Er wusste, dass der Sieg dieser Höllenkreaturen mit ihren Schreien begann, Link wusste, sie konnten mit diesen schrillen Stimmen betäuben und Sinne zerstückeln. „Hört auf, ihr Viecher. Hört auf“, brüllte er, als abscheuliche Laute hinein in seinen Kopf drangen, sich an den wehrlosen Bahnen und Synapsen zu schaffen machten. Wie Hunderte vergiftete Nadeln, die in seinen Ohren wühlten und rissen. Und der junge Heroe brüllte, seine raue Kämpferstimme hallte über den Marktplatz mit allem, was er an Kraft in seinen Lungen hatte um diese Brut des Bösen in ihren entsetzlichen Lauten zu übertönen. Fester und stärker umfasste der Heroe das Heft seines Schwertes, suchte den reinen Klang des Stahls, sammelte sich darin, lauschte einer verwegen Melodie in der Waffe, um den entstellenden Wahnsinn der Zombiekreaturen zu verschließen. Mit einer Verzweiflungstat sprang er auf, brüllte so laut er konnte, wirbelte das Schwert durch die Lüfte als begann es zu atmen. Wie ein Richter zerschnitt er die Leiber der Zombiekreaturen, diese entseelten Gestalten, die sich wie Unkraut durch ihre morbiden Laute vermehrten, Lebensenergie saugten. Und als alle Dämonen zu seinen Füßen lagen, das Ende, das jenen Kreaturen zustand, kam ein vertrauter Schrecken über den Heroen, der versuchte weitere Bilder einer alten Zeit in sich zu bannen… Zisch… Zisch… ein surrendes Klacken… ein Schwall tauben, süßen Atems… Wispernde Laute und faulige Gerüche durchdrungen von bösem Willen… Ganons Verseuchung werkelte auf allen Sinneskanälen in der rohen, fleischlosen Atmosphäre hier in Schicksalshort und hielt Einzug in das größte Modegeschäft der Stadt… ein rötlichschimmernder Nebel schlich vorwärts, in Bodennähe schlummernd, wirbelte um Zeldas Fußknöchel, die schmerzten von der hockenden Haltung unter den Pelzen. Zelda wusste, dass in dem Verkaufscenter Lydias ein Dämon hauste, dass er ihre Furcht in der stockenden Luft riechen konnte, dass die Nase der Kreatur feucht war vor Entzücken, dass herber Speichel tropfte von rissigen, steinernen Reißzähnen mit einem füllenden Hunger nach Blut und zartem, rosa Fleisch. Blutrote Motten flimmerten in Begleitung kühler Funken von zerberstenden Deckenlampen hier in dem von menschlichen Trieben erfüllten Haus der Gewänder und Stoffe. Zelda zitterte, über sich eine rauschende, defekte Klimaanlage, die Kälteschauer produzierte. Und während dem heftigen Frösteln ihrer Glieder, strömten die trostlosesten Gedanken auf sie ein, raubten ihr die Vernunft mit jedem schmerzhaften Stich in ihrer rechten Hand… Sie versuchte das Schlitzen der Verzweiflung in ihrem Kopf zum Schweigen zu bringen, spürte rupfende Vibrationen einer sturen Gewalt marternder Gedanken. Sie hämmerten in ihrem Kopf wie Tausende Pfeilspitzen… Ein Gedanke, mitfühlend ergoss er sich angesichts des Leids der Welt, ließ Zelda Tränen des Kummers vergießen… Dann ein Gedanke an die gefallenen Menschen, aufgespießt, missbraucht von niederem Dämonenvieh… Auch Hyrule floss in ihre gedankliche Welt, in dem letzten, verblassenden Zustand… bis ein Bild ihres Heroen, eines, das sie schon vor langer Zeit in sich verschlossen hatte, an die Oberfläche ihrer mentalen Welt rüttelte… auch dieses trieb ihr Tränen über die Wangen… Ihr Heroe… der vor langer Zeit, als Hyrule noch nicht verblasste vor ihr stand. In ihren Gemächern, ein wohliges, aber ungewöhnliches Abendessen gemeinsam bei flackerndem Kerzenlicht, ein einziges Mal, das ihr dies gewährt wurde, dann, als ihr entweder niemals jemand Gesellschaft leistete oder sie genötigt war an einer langen Tafel den ermüdenden Gesprächen des Adels beizupflichten. Ein einziges Mal hatte sie ihren Willen durchgesetzt mit Link zu speisen, damals… Und es war trotz aller Merkwürdigkeiten und eines beschämenden Gefühls, das den Abend begleitete, eine der wenigen zärtlichen Erinnerungen an die alte Welt. Weil Link bei ihr war, in einem alltäglichen und doch bedeutungsvollen Moment der Wünsche. Und es war der intensive, liebevolle Ausdruck in seinen tiefblauen Augen, der sie mit einer erschreckenden Macht über ihr streng beschnittenes Gefühlsleben, musterte. Es war eines der wenigen Male, da Zelda ihr Zuhause im Schloss Hyrule tatsächlich als einen Ort der Wonne empfand… damals, als Link gezwungenermaßen viele Wochen im Schloss weilte. Eine blassblaue Tunika umhüllte ihn, ein edler Stoff mit feiner Verarbeitung und leichten Goldstickereien. Sein wildes heublondes Haar schien das einzige, was ihn davor bewahrt hatte als Kind des Adels von Hyrule wahrgenommen zu werden… seine Gestalt trug die Kleidung des Hofadels mit einer faszinierenden Geschmeidigkeit und Präsenz, als hatte er nie etwas anderes an seine stramme Haut gelegt. Dieses Bild, als er mit liebevoll besorgtem Lächeln vor ihr saß, in ihrem eigenen Reich, als ob er genau da hin gehörte, erfüllte Zelda mit ihren süßesten und begierigsten Hoffnungen, ließ Zeldas himmlische Mädchenträumereien lebendig werden. Sie hatte sich seine Nähe gewünscht, unschuldige Gesten, sanftes Lächeln, gewünscht seine Stimme zu hören in sinnlosen Gesprächen über alles Wissenswerte in Hyrule… Ihn bei sich zu spüren, zu wissen, dass er da war, mehr brauchte sie nicht, um sich stärker und sicherer zu fühlen… Stärker und sicherer… Ihre himmelblauen Augen öffneten sich mit einem gequälten und doch genervten Ausdruck ihrer eigenen Sturheit. Der Gedanke an ihren Helden festigte nicht nur ihre mentalen Barrieren, den mutigen Ausdruck in seinen Gesichtszügen zu visualisieren, half ihr sich an ihre eigene Kampfkraft zu erinnern. Sie hörte seine vertraute Stimme in ihren verletzten Gedanken brüllen, rau, mit Befehlsgewalt: ,Steh‘ auf, meine Prinzessin. Erhebe dich, kämpfe!‘ Sie wimmerte, warf ihren müden Kopf von einer Schulter auf die andere, Links Ehrgeiz rüttelte an ihr, befahl ihr endlich sie selbst zu sein. Und sie brauchte es. Sie brauchte seinen zornigsten Ton, um gegen diese vergiftende Erschöpfung anzukämpfen. ,Zelda‘, rief er irgendwo dort draußen… und für einen wunscherfüllten Moment hoffte sie ihn tatsächlich zu hören. Einmal mehr knallte diese Stimme als rettender Anker durch ihre Sinne. ,Zelda, ich bin hier, steh‘ auf!‘ Sie rieb sich ihre mit dem fernen Schatten belegten blauen Augen, stülpte jeden Funken Lebenswillen gegen das Gefühl innerlich zu zerbrechen, innerlich zu verdampfen und befahl ihrem Körper zu arbeiten. Link rief nach ihr, er suchte sie… je mehr sie daran glaubte, umso mehr Lebenssaft schien in ihren müden Zellen zu blubbern. Sie versuchte ihren Heroen innerlich zu erreichen mit Tausenden Bildern seines Lächelns, seines entschlossenen, tapferen Lächelns, rief ihn innerlich und betete. Und dann endlich kam der erste Kraftakt, herausgepresst aus ihren Lungen wehrte sie sich gegen Ganons Gift in der Luft. Sie schnappte nach Sauerstoff, stemmte ihren Körper in die Höhe und überflog den Innenraum nach etwas, mit dem sie kämpfen konnte. Link war da, rief nach ihr, stand ihr bei, und es war sein Licht, das warm in ihrem Herzen glühte. Sie spürte seine Nähe, diese Vertrautheit zahlloser Leben und das Gefühl, als packte seine Hand sie fest und bestimmend am Arm, zerrte sie auf die Beine und befahl ihr sich endlich zusammenzureißen. Sie seufzte, als sie ihren zitternden Körper in die Höhe brachte, atmete die Angst aus sich heraus, langsam, stetig. Sie war hier und sie würde diesen Alptraum hinter sich bringen, genauso wie damals. Sie setzte einen Fuß nach den anderen, entkam ihrer eigenen Erbärmlichkeit mit gefasstem Blick. Einmal mehr überflog sie den Raum nach ihren Möglichkeiten, sah überall Kleiderbügel herumliegen, Stofffetzen, kaputte Ablagen, zerstörte Schaufensterpuppen… Auf der Suche nach einem Gegenstand, der als Waffe dienen könnte, ein Befreiungsschlag in die Welt hinaus, die blutende Welt unter dem Vorhang, verwarf ihr Kopf eine Idee nach der anderen. In einer weiteren Ecke des Geschäftes stand ein Ständer mit Regenschirmen. Ob sie es bis dahin schaffen könnte, eine Frage, die sie nicht stellen würde… ein Regenschirm mit Spitze wäre vielleicht als Waffe brauchbar und ihre einzige Option fliehen zu können. Und gerade in dem Moment belehrte sie das Schicksal darüber, dass sie keine Zeit hatte für unnötiges Gedankenkreisen und Abwägen irgendwelcher Optionen. Sie musste aufstehen und handeln, sofort. Denn nicht weit von ihr entfernt zerschlug die Bestie, die sich geschickt in den rötlichen Schatten verbarg einen der Kleiderständer mit einem metallischen Getöse. Noch ein Schlag und noch einer dröhnte durch die Halle und ließ Zelda heftig zusammenzucken. Die Kreatur der Nacht spielte mit ihr, spielte ein mörderisches Spiel der Angst… Weitere Kleiderständer fielen krachend zu Boden, ein vibrierendes Surren schnitt durch die Luft, keimte in den Ohren nach. Und Zelda wusste, dass Ganons Diener nicht mehr spielen wollte. Er wollte töten. Er wollte fressen… Noch einmal warf Zelda einen Blick zu den Regenschirmen, flehte nach ihrem Heroen, sprach den Namen des Helden der Zeit immer wieder unbewusst in ihrer Gedankenwelt. ,Link… finde mich…’, schrie sie innerlich. Sie fröstelte einmal mehr in der feuchten, klimagekühlten Luft und unterband ihre rasselnde Atmung, als sie im Hintergrund, mit dem Mauerwerk verschmolzen, geschickt getarnt, den stachligen Rücken eines Ungetüms entdeckte, das sie in unterirdischen Labyrinthen zuhauf angetroffen hatte. In etwa zweimal so groß wie ein gewöhnlicher Mensch, muskulös und unersättlich in Kraft und Ausdauer. Grüne, schleimige Haut, die in dem flackernden, unruhigen Licht verräterisch schimmerte. An seinem Hals, wie auch an den Beinen und Armen befanden sich schwere, mit Stacheln versehene Eisenringe. Es trug ein Schild und ein gezacktes Schwert in der Hand. Zelda erkannte das Geschöpf nun als riesige mutierte Echse: ein Echsodorus. Naranda und Impa fuhren inzwischen auf der leeren Hauptstraße in Richtung Innenstadt. Die Scheinwerfer des Wagens knisterten, zischten, als sich das helle Licht seinen Weg durch die von Verderbnis durchtränkte Luft brannte. Ein Paar goldene und ein paar kirschrote Augen stachen durch die Finsternis, mitleidig bezeugten sie den Schrecken am gefallenen Firmament, wo hoch oben die Schatten fliegender Dämonen weilten. „Wir haben uns vorbereitet… für den Ernstfall alle Fäden gezogen, die wir konnten und doch…“, Naranda trug melancholische Worte vor sich her. „… und doch kann ich die Verwüstung der Erde doch nur mit Schuldgefühlen ertragen…“ Impa wusste, wovon die Antiquitätenbesitzerin sprach. Es war unumgänglich den Faden weiterzuspinnen und sich eine entscheidende Frage zu stellen. Wenn sie alle, einschließlich Link, niemals auf der Erde, einer Dimension von unzähligen, inkarniert wären, wäre dieser Planet vielleicht sicher? Was hatte die Welt schon mit Ganondorf zu tun? „Uns bleibt nicht viel“, murmelte Impa. „Uns Kämpfenden in diesem Wahnsinn blieb niemals viel als nur unsere sturen Ideale… und Gewissensbisse über mögliche Fehler… Aber weißt du…“ Impas Mundwinkel zogen sich in die Breite. „Was soll’s.“ Sie lachte in der von klirrenden Gesängen und Entsetzensschreien durchdrungenen Armut der Welt. Sie hatte nie ihre Verzweiflung gezeigt, niemals gewagt in ihrer Stärke einzubrechen. Und egal, was noch kam, sie würde standhalten auch auf dem Planeten Erde. „Wir werden von unserem Vorhaben nicht abweichen“, bekräftigte sie. Denn auch die Weisen Hyrules hatten einen Plan, Pläne schmieden war der einzige Weg zum Erfolg in diesem Krieg. „Wir werden uns in der Villa verbarrikadieren, so wie es im Ernstfall angedacht war. Dann die anderen telepathisch kontaktieren.“ Naranda Leader nickte beflissen, ihr Kiefer zuckte, als sie sich über ihre trockenen, großen Lippen leckte. „Und du hältst es immer noch für klug hier in Schicksalshort zu bleiben?“ Impa stoppte plötzlich ruckartig den Wagen, die Antwort ließ sie in ihrer Kehle stecken und fokussierte mit scharfen, aufmerksamen Blicken einen Punkt in der Ferne. Einige Hundert Meter entfernt bretterte eine Horde von Moblins der unterschiedlichsten Stämme dahin, brüllte Laute ihrer alten Ursprachen dirigierend in die stehende, erdrückende Luft und trommelte Risse in wehrlosen Erdboden. Sie stapften lärmend dahin, Schimpfwörter auf ihren vernarbten Lippen. Das wenige Metall, das sie als Schmuck in ihre Gesichter gerammt hatten, klapperte mit schiefen Tönen. Die verdreckten Felle um ihre breiten Hüften stanken nach dem Tod. „Naranda, siehst du das?“ Das Bild musste angesichts der modernen Gebäude ringsherum obskur und irritierend wirken. Eine Meute dickgesichtiger, kurzbeiniger Dämonen mit mittelalterlichen Waffen donnerte über Teerstraßen, an Schaufenstern mit flackernden Flachbildschirmen vorbei. Und noch etwas entdeckten Impas scharfe Shiekahaugen, es waren nicht nur Moblins, die dahinfegten. Sie verfolgten etwas, einen kleinen grünen Punkt… eine Gestalt rannte vor den Dämonen her, als würde sie sie durch die Stadt führen. Angestachelt hetzten die Finsteren hinter einem jungen Mädchen her, das sich durchaus flink bewegte. Flink, aber dennoch panisch… „Beim Wüstenwurm, das ist Sara! Fahr‘ schneller!“ Naranda ergriff sofort die Initiative, öffnete im Fahren die Autotür und erhob sich geschickt mit einer feuerbereiten Armbrust in der Hand. Sie klemmte ihre pralle, weibliche Figur akrobatisch zwischen Autotür und Sitz, als ihr feuerrotes Haar in der Finsternis flatterte und zu leuchten schien. Einmal mehr kam die Kampfkraft und Einsatzbereitschaft ihrer Herkunft zum Vorschein. Mit wenigen Griffen schickte die Kriegerin, die einst bei den ungemütlichsten Bedingungen in der Wüste ausgebildet wurde, einige dicke Pfeile in Richtung der Horde dämonischer Brut. Mit einigen Schnittwunden an den Armen und Beinen wie auch Tränen in müden Augen hetzte die jüngere Schwester in Richtung des Autos, fühlte ihre Kehle zu trocken und taub als nach Impa und Naboru zu rufen und rannte nur noch schneller, bis sie plötzlich stürzte. Sara warf ihren Kopf zurück, ein Schwall Tränen rann über ihre rotgeschwitzten Wangen, als Impa verstand. Mit einem Akt der Verzweiflung riss die Shiekahkriegerin das Steuer herum, brachte den Wagen krachend zum Stehen und schnellte noch im selben Augenblick mit ihrem Katana in den Händen vorwärts. Sie bewegte sich so scharf wie aufwirbelnde Windböen, die den Gesang alter Elemente feierten. Innerhalb von Sekundenbruchteilen umhüllte die einstige Direktorin das legendäre Kriegerfeuer des untergegangenen Assassinnenvolkes Hyrules. Sie marschierte und schlich wie ein Schatten… tauchte auf und ab wie ein Schatten… Innerhalb von Sekundenbruchteilen zerrte Ines Schattener die verzweifelte Sara Bravery auf ihre schweren, zitternden Beine. „Du musste weiter!“, brüllte sie, ihre tiefe Stimme schallte befehlsgewaltig durch die verseuchte Luft. Aber Sara hatte alle Mühe sich überhaupt auf den Beinen zu halten und stürzte erneut. Sie blickte verstört drein, starr… traumatisiert… Sara war keine Kriegerin, sie war nur eine Jugendliche, die ihr Zuhause in Hyrule erinnerte. Sie war nur ein kleines Licht, das die eigene Kraft und Magie vergessen hatte. Und obwohl Sara entschlossen war und auch tapfer die Probleme anzupacken, so fand sie ihre Stärke gerade nicht. Die Apokalypse überforderte sie… sehnte sie sich doch nur nach einer stillen Ruhe, wo Leben zirpte, Leben tanzte und Leben lachte… „Sara, steh’ auf!“ Impas tiefe Stimme schallte durch die Luft. Aber die Jugendliche rührte sich nicht. Entsetzt blickte sie zu den Moblins, die sie schmierig anstarrten, wie eine erste Mahlzeit. Als der erste Moblin zum Schlag ausholen wollte, trat Impa in den Kampf ein. Innerhalb von Sekunden hatte sie den Moblin überwältigt, weitere Moblins fielen… ein Gemetzel der berstenden Gliedmaßen folgte. Grob wurde Sara schließlich von Naboru auf ihre Beine gezerrt, ein Griff um ihren Arm so fest, dass er bluten musste… und plötzlich saß Sara im Wagen. Naranda war inzwischen am Steuer und fuhr los, sammelte Impa ein, die sich leichtfüßig durch die Luft katapultierte und auf das Dach des Wagens sprang. Sara saß erstarrt und geschockt auf dem Rücksitz, Sekunden und Minuten entfielen ihr, Augenblicke dieses Kampfes, als wären sie niemals passiert. „Sara? Bist du okay“, meinte Ines von oben herab, irgendwo verständnisvoll, aber auch deutlich. Aber die Schülerin reagierte kaum, begann zu schluchzen. Dann liefen Tränen über Saras Wangen. Ja, sie hatte die Vorboten der Apokalypse bereits gestern gespürt. Ja, sie hatte es kommen sehen und doch… und doch war dieser Dämonen gemachte Wahnsinn zu viel. Es war ihr einfach zu viel… Tausende sorgenvolle Gedanken strömten auf sie ein, sie dachte an ihren Bruder und ihre Eltern, an ihre Freunde und Mike… Innerhalb von wenigen Minuten hatte sich das Gesicht der Welt schlafen gelegt und in einem Meer der Alpträume verloren, aus dem es kein Entrinnen gab. Wie nur sollte hier an diesem dreckig düsteren Ort jemals wieder die Sonne scheinen? Saras Gedanken füllten sich mit einer bleiernen Schwere, ließen mehr und mehr Bruchstücke ihrer alten Persönlichkeit hindurchschimmern. Ihr wahres Ich riss an ihr, deutete ihr den Mut und die Kraft zu finden, die tief in ihrer unsterblichen Würde und Weisheit schlummerte. Ihre graublauen Augen verloren sich mit stillen, bangen Blicken in dem glühend roten Horizont, als gleißende Blitze niederknallten… Das letzte Glimmen der Scheinwerfer von Impas Wagen erhellte kurzzeitig in Begleitung eines Funken sprühenden Gewitters das stolze Anwesen der Schatteners auf dem einsamen grünen Hügel, hier am Stadtrand Schicksalshort. Hier, wenige Minuten später. Sara hatte die gesamte Zeit geschwiegen, versuchte das Geschehene zu verarbeiten, sich selbst in diesem düsteren Alptraum zu erkennen, sich an ihre eigene Bürde aus Hyrule zu erinnern. Sie hatte während der Fahrt hierher nur Wortfetzen von Ines und Naranda mitbekommen und doch nicht in ihr gedankliches Reich schwappen lassen. Noch immer zitterte sie, erinnerte die nach Schwefel stinkenden Mäuler der Moblins, die Mordlust in den Augen jener Anhänger des Bösen. Wie nur kamen diese Kreaturen auf die Erde? Waren sie alle durch Zarnas Splitter gezüchtet? Handelte es sich bei diesen tatsächlich um Menschen? Entseelte, vernichtete Menschen? „Es scheint hier rein zu sein…“, sprach Naranda, so stimmgewaltig, dass Sara aus ihren Gedanken gerissen wurde. „Los beeilen wir uns!“ Sara hatte noch nicht einmal richtig wahrgenommen, wo sie sich aufhielten, als die beiden Kriegerinnen aus dem Wagen sprangen, Sara mit einer forschen Gewalt aus dem Wagen zogen und sofort ins Haus hetzten. Impa verriegelte ohne zu zögern Türen und Fenster, überhaupt hatte sie alle Umbauten und Besorgungen in die Wege geleitet… vor Wochen weder Kosten noch Mühe gescheut um diese Villa in eine letzte Festung des Guten zu verwandeln. Ein paar schnelle Handgriffe und die Öffnungen schlossen sich mit Stahlverkleidungen, ein unterirdisches Belüftungssystem würde Sauerstoff für viele Wochen garantieren. Einige Räume im Keller waren mit Waffen, Konserven, Getränken und Medikamenten vollgestopft. „Sara. Geht es dir gut?“, meinte Impa, als sie zu dritt in die Kellerräume, ein versteckter und gesicherter Bereich, eintraten. Links kleine Schwester hatte sich inzwischen von einem ersten Schock erholt, fand Ruhe und Sicherheit in der Gesellschaft der Direktorin und der Antiquitätensammlerin. „Ja, ich bin in Ordnung…“, murmelte die Jugendliche, nicht sicher, ob diese Aussage wirklich zutraf. Saras gesamte Welt war zerbrochen, nichts war in Ordnung. „Es wird Zeit, dass wir dir einige weitere Dinge erklären. Wir brauchen deine Hilfe.“ Sie nickte zur Verwunderung von Impa und schien zu verstehen. In ihren Gesichtszügen lag eisernes Vertrauen. „Ich ebenso eure…“, sagte sie leise und verschwand mit Impa und Naranda hinter einer dicken Stahltür, bereit für eine lang geplante Mission. Bereit die in Trümmern gestoßene Welt zu erneuern… Gelähmt trat Zelda inmitten von Kleiderständern und Ablagen, fokussierte furchtsam die Bestie im hinteren Bereich des Geschäftes… Wie ein Relikt aus der uralten Zeit hauste es hier, zischte und sendete kratzige Laute gewetzter Krallen durch die stechende Luft. Die letzte Prinzessin Hyrules hatte so gefleht diese Kreaturen nie wieder anzutreffen, nie wieder die beißende Luft in Gegenwart dieser Monster zu spüren. Zeldas Blick verfolgte die Kreatur in geschmeidigen Bewegungen, versuchte ihre eigene Atmung zu unterbinden, aber sie ahnte auch, dass der Echsodorus sie schon lange ausgemacht hatte, ihren genauen Standort kannte. Seine schlitzförmigen, glühenden Pupillen weiteten sich verräterisch, seine lange Zunge leckte schmatzend über ein langgezogenes Maul. Zelda nahm allen Mut zusammen, den sie in sich spürte und trat einen kleinen Schritt vorwärts, eine Bewegung, so gut wie lautlos und doch war jene für den Echsodorus deutlich zu vernehmen. Sein von knochigen Strukturen durchzogener, fleischiger Schwanz wirbelte kraftvoll herum und zerstieß einen weiteren Kleiderständer, sodass Kleider und Stofffetzen wie Motten niedergingen und der metallische Lärm sich in Vibrationen bis hinein in die Gehörknöchelchen fortsetzte. Weitere kratzige Laute folgten… gnadenloses Schaben eiserner Raubtierkrallen… Zeldas Atem kam nun stoßweise, bemüht das viehische Wesen zu verwirren, sie bettelte darum, dass er ihre Richtung vermied. Erstaunlicherweise blieb das Wesen ruhig, verharrte wie versteinert in seiner Position, wartend, begierig wartend, um sich mit einem schnellen, triumphierenden Sprung, auf seine Beute zu stürzen, mit dem Gewicht des Aufpralls Knochen zu zerbersten und dass Leben heraussickern zu riechen. Die letzte Prinzessin Hyrules zitterte noch immer durch die Kälte der Klimaanlage, zog den nächsten, feuchten Atemzug lang durch ihre Nase, während noch immer ein Schmerz auf ihrem Handrücken pochte, der sie in Begleitung ihrer Angst lähmte. Ein Schmerz, so stark, als grub sich ein Dolch immer wieder brennend in ihre Hand, ein Schmerz, als riss jemand ihre Hand auseinander… ein Schmerz, der sie daran hinderte magische Fertigkeiten einzusetzen. Einmal mehr verlor sich ihr Blick auf dem Behältnis mit den vielen, farbigen Regenschirmen. Sie zögerte, biss sich auf ihre trockenen Lippen. War sie schnell genug? Würde sie es schaffen, oder würde die Höllenbestie sie, noch ehe sie zum Sprung ansetzte, zerfleischt haben? Zeldas Gedanken erklärten die unausweichliche Not, schickten die einzig sinnvollen Signale nach Rettung durch ihre müden Glieder. Natürlich würde sie nicht schnell genug sein, vor allem dann, wenn sie weiterhin zögerte! Ein Impuls der Angst krachte durch ihre Sehnen, zog sich wie eine Schlinge fester in ihr Fleisch, als der Echsodorus vorwärtspreschte wie eine Kreatur des jungen Planeten, beinahe wie eines der ersten Raubtiere der Geschichte… Kratzend schleiften seine Waffen und Metallringe über den steinernen Boden, stachelten weitere Ängste, die sich impulsartig in Zeldas Magen krampften, sodass ihr in Begleitung von kaltem Schweiß übel wurde. Die Kreaturen besaßen zwar keinerlei Verstand, aber peinigen konnten sie ihre Opfer auf die grausamste Weise- eines der einzigen Dinge, die sie instinktiv in ihren Raubtiergehirnen spürten. Zeldas rechte Hand zitterte immer stärker. Der Schmerz brannte immer deutlicher, als surrte er, als schrie er in ihren Zellen, getränkt durch magisches Blut… Immer weiter preschte der Dämon vorwärts, zischte, donnerte, lärmte, bis er die glasige, robuste Schaufensterscheibe mit seinem gewichtigen Echsenschwanz zerstörte. Zelda stieß den panischen Angstschrei aus, den sie die gesamte Zeit versucht hatte in ihrer Kehle zu betäuben. Schrill donnerte ihre Stimme nieder, ihre verräterische Kleinmädchenstimme, eine, die sie immer versucht hatte abzulegen. Dutzende Verbote zürnten in ihren Gedanken, Verbote und Beschimpfungen ihrer eigenen Unfähigkeit. Sie hatte schon wieder Fehler gemacht… Schon wieder brachte sie sich selbst in Gefahr. Noch ehe Zelda sich zitternd rückwärts bewegen konnte, hatte die Kreatur sie im Visier, hüpfte auf muskulösen Raubtierbeinen näher. Und es war dann, dass auch Zelda begann zu rennen, einmal mehr so panisch wie damals. Sie fühlte sich wie das hilflose Prinzeschen, das so viele in ihr gesehen hatte, wie das kleine königliche und doch eigensinnige Anhängsel im Schloss ihres Vaters… und sie hatte für diese angsterfüllten Augenblicke in dieser ihr trostlos erscheinenden Welt ihre gesamte Stärke und Kampfkraft vergessen… Sie stürzte, fühlte ihre Beine zittern und ihrem Willen nicht länger gehorchen, bis sie wimmernd unter die Ladenkasse krabbelte. Erneut ein Wimmern aus ihrem trockenen Mund, erneut das kleine ängstliche Mädchen, das um Hilfe bat, das sich fühlte, als wäre sie niemand… Das Monster raunte, stieß dröhnende Laute aus begleitet von dem schürenden Taptap von silbrigen Krallen. Es schnupperte den Geruch von Angst in der Luft, erfreute sich daran, schöpfte Mordtrieb und Wahnsinn daraus. Es zerschmetterte weitere Gegenstände mit kraftvollen Hieben, zischte häufiger, wütender. Zelda umarmte sich selbst, grub ihre Fingernägel in die Haut ihrer Oberarme und befahl ihrer Seele zu kämpfen. Sie wimmerte einmal mehr, atmete tief und zwang sich Ruhe zu finden. Erst dann blickte sie über die Tischkante, um sich zu vergewissern, wie viel Abstand sie zu dem Vieh noch hatte. Sie rappelte sich auf, ihr Herz trommelte die Panik in den Körper, die sie vielleicht sogar brauchte um sich endlich zu verteidigen. Und als die schlitzartigen Augen des Echsodorus blitzten, es einmal mehr mit der Zunge schnalzte und seinen gesamte Hungertrieb auf das brünette Mädchen richtete, begann Zelda zu rennen. Sie sprang mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte in Richtung der Regenschirme, Zelda hetzte, ergriff den Stiel eines Regenschirmes, aber… Was war das? Sie ließen sich aus dem Behältnis nicht herausziehen. Sie steckten fest! Vom Donner gerührt rüttelte sie an den Regenschirmen, als die Bestie sie höhnend dabei beobachtete, vielleicht sogar lachte. Entmutigt und ihre letzten Kräfte aushauchend, sank Zelda schließlich in sich zusammen, erblickte die Kreatur mit nur einem Satz in ihre Richtung sausen, bereit für die letzte Attacke. Zeldas himmelblaue Augen standen starr, ihre letzten Gedanken kreisten um ihr Versagen an sich selbst und dem Versagen an Link… Sie hatte sich selbst aufgegeben… Sie hatte ihre gesamte Stärke und Hoffnung in Hyrules Grab fallen lassen… Sie blickte noch einmal auf, mit der letzten Würde einer gefallenen Prinzessin des hylianischen Geblüts, war bereit dieses Schicksal anzunehmen… Und sie realisierte das erste Mal seit langer Zeit ein Stückchen Frieden an dem Gedanken endlich schlafen zu können. Ihre himmelblauen Augen, mit unheilvoller Lethargie, eisige Schatten benetzt von erkalteten Tränen schimmerten mit einer letzten Sehnsucht nach ihrem Heroen, bis sie jene schloss… und noch immer verdampfte die alte Magie in ihr in einem tiefen Schmerz… unfähig… beladen mit Zweifeln und Zwängen… Gerade in dem Augenblick setzte die Bestie zum finalen Schlag an… und Zelda machte sich bereit für ihr Scheitern. Plötzlich zuckte die Bestie zusammen, ein hässlicher Laut in Begleitung violetten Speichels entkam dem langgezogenen Schlangenmaul. Klappernd knallte die schwere Eisenwaffe nieder, als Zelda die Spitze eines hellen Schwertes, welches durch das Herz der Bestie gestoßen wurde, endlich erkannte. Der Echsodorus fiel, er fiel durch die Hand des Guten. Und erst dann hörte die junge Lady eine kraftvolle Stimme, eine gewaltige, vertraute Kämpferstimme, die ein Schwert aus weißem Stahl aus dem Leib der Kreatur zog. Bettelnd löste sich der Echsodorus in Asche auf, glühende Ascheplättchen verpufften in der erdrückenden Luft und erst dann sah sie ihn. Umgeben von den glimmenden Teilchen wirkte sein kampferprobtes Erscheinungsbild unwirklich, wie ein letzter Kriegergott, der sein Licht in den Dienst dieser Welt gestellt hatte. Sie sah ihn vor sich in allen Facetten, gerade in dem Augenblick des Kampfes und der Schuld. Seine warmherzige, vertraute Gestalt mit den ausdrucksstarken, tapferen Augen… seine Gestalt verbunden mit dem Gesang des Schwertes, bereit zu Töten… Er war hier… Er hatte in ihren Gedanken gesprochen, hatte versprochen sie zu finden… Link war gekommen um ihr in dieser grausamsten Nacht auf Erden beizustehen… Zelda atmete schluchzend aus, Tränen stiegen ihr in die müden, glasigen Augen, als sie ihn vor sich sah, bereit sein Schicksal anzunehmen, und völlig tapfer hielt er das Schwert in der Hand. Er selbst schnappte nach Luft und musste wohl die ganze Strecke ohne Pause gerannt sein. Er reichte ihr die Hand. Diese starke Hand… Zelda sah ihn ungläubig an, erinnerte diesen mutigen, loyalen Ausdruck in seinen tiefblauen Augen, seine Ergebenheit und Treue… Ein Schluchzen drang aus ihrem Mund in der wagen Hoffnung, dass dies Realität war und nicht bloß ein Wunschtraum oder eine Halluzination um ihr den schmerzhaften Tod erträglicher zu machen… Anstatt ihm ihre Hand zu geben, schloss sie die Augen und neigte ihren Kopf zur Seite. Alles, was sie fühlte war erdrückende Scham, hinterhältige Scham über ihr Scheitern auch in diesem Kampf… Sie schämte sich für ihre Schwäche und Erbärmlichkeit. „Zelda?“ Seine Stimme rauschte in ihren Ohren von Weitem, diese liebevolle Stimme, die jede Düsternis ausräumen konnte. Er war wirklich hier… Diese Stimme… so zärtlich… Er kniete nieder, steckte das Schwert zurück in die Scheide und nahm ihr Gesicht in beide Hände, streichelte sorgsam über ihre Wangen, nicht nur um sich von ihrem Zustand zu überzeugen, sondern vor allem um sie zu trösten. „Zelda…“, er sprach ruhiger… so einfühlsam und zwang sie seinem Blick zu begegnen. „Ich weiß, ich bin spät…“, murmelte er. Link hatte unbewusst die besten und sichersten Wunderworte gewählt um Zelda zurück in die Realität zu holen… und es zeigte Wirkung. Sie blinzelte mehrfach unter einem weiteren Schluchzen, brachte aber dennoch kein Wort der Begrüßung heraus. „Wir müssen sofort weg von hier. Kannst du aufstehen?“ Seine Stimme schwoll an zu Erwartung und Strenge. Sie spürte den leisen Zorn darin, die notwendige Schärfe und Unbeugsamkeit, die ihm eigen war. Sie nickte endlich, fassungslos darüber von ihm gerettet worden zu sein und fassungslos, dass sie aufgegeben hätte. Der unerklärliche Schmerz auf ihrer rechten Hand flaute allmählich ab, ließ sie zweifeln, ob ihre eigene Schwäche an der lähmenden Empfindung schuld war. Mit einem Schwung packte Link sie schließlich am Handgelenk und zerrte sie etwas ruppig auf die Beine. Und sie brauchte es, diesen wütenden Ton von ihm, sie brauchte diese Derbheit um sich zu sammeln. Tapfer nahm er sein Schwert wieder in die linke, und leuchtete mit seinen scharfen Augen die nahe Umgebung ab. Ein weiterer Blick aus seinen wachen Augen forderte von Zelda Gefasstheit und den Willen zu kämpfen. „Schnell, wir haben keine…“, begann er unduldsam, aber wurde dann von einer geschockten Prinzessin innig in die Arme gezogen. Ja, er hatte keine Zeit seinen Satz zu beenden. Zelda legte ihre Arme innig und fest um seinen Hals und drückte ihn an sich. Sie brauchte diese Nähe um sich von Links Echtheit zu überzeugen. Er spürte ihre stockenden Atemzüge an seinem rechten Ohr, fühlte ihre Aufregung und Angst. Sie murmelte leise und wimmernd: „Danke, Link. Ich danke dir… so sehr…“ Er wusste nicht, dass sich Zelda eher dafür bedankte, dass er sie vor ihrem eigenen Aufgeben bewahrt hatte, dass er sie vor der dunkelsten Erbärmlichkeit in ihrem Herzen gerettet hatte. „Gern geschehen“, murmelte er und erwiderte kurz die begrüßende Umarmung. „Aber dank mir lieber nachher. Komm’!“ Er nahm sie sicher an der Hand und rannte mit ihr aus dem zertrümmerten Ladengeschäft. Er war unglaublich schnell und sicher auf seinen Beinen, gewandt, strotzend vor Energie, und für die kommenden Minuten vergaß Zelda ihre eigene Erschöpfung… Beständig und so ermutigend war allein Links Anwesenheit. Hand in Hand folgten sie dem vorgeschrieben Pfad ihrer beiden Schicksale, Hand in Hand führte sie ein neuer Weg vorwärts, als im Hintergrund der Welt murmelnde Stimmen, zischend, kollernd und auch winselnd erklangen… Hoch über dem blutbefleckten Horizont leuchtete ein kleiner Lichtstreif der Hoffnung. Denn die Kinder des Schicksals hatten sich inmitten der Götterdämmerung gefunden. So wie es in der alten Welt seit Generationen prophezeit wurde. Die Legende Hyrules lebte… Kapitel 43: Von Prophezeiungen und Hoffnung ------------------------------------------- Als sich der gespenstisch vertraute Blutmond am Himmel erhob, hier sichtbar über alten Fachwerkhäusern in der kleinen Stadt Schicksalshort, wo Trümmer von Gebäuden und menschlichen Errungenschaften als Zeuge der weltweiten Zerstörung in einem unbedeutenden Krach niederfielen, beobachteten die Kinder des Schicksals das Ausmaß der Verheerung des uralten Bösen. Noch immer Hand und Hand traten Link und Zelda auf einem Hügel, überblickten die düstere Ferne und das verräterische, böse Glimmen, das vom Himmel herab drang. Zweifel und Hoffnung vermischten sich in den tiefgründigen Blicken der beiden hylianischen Heldengestalten, Worte voller Unverständnis zogen durch ihre Köpfe, als sie die Welt in der Ferne fallen und leiden sahen, weit im Hintergrund, wo gleißende, violett schimmernde Blitze vom Blut durchtränkten Himmel krachten wie Drachen, die zerstört auf die Erde donnerten… Wie nur konnte es soweit kommen, fragten sie sich beide, entschieden sich in diesem grausamen Moment des Untergangs zu schweigen, einander mit stummen Gesten zu trösten. War es wirklich Schicksal einmal mehr in brutale Kämpfe gegen das Böse verwickelt zu werden, unterzugehen, aufzustehen und die Last des Schicksals auf jugendliche Schultern zu stemmen? Links Blick begegnete ihren und sie wusste nicht, was sie darin sah… da war ein Gefühlschaos in seinem wunderschönen Tiefblau, das sie selten erlebt hatte. Als sie versuchte die Sorge darin zu verstehen, schloss er die Augen, ließ jene in einem gramerfüllten Gesichtsausdruck untergehen und drückte ihre rechte Hand in seiner linken fester. „Ich habe niemanden gefunden… meine Familie, meine Freunde…“, sprach Link leise. „Es ist niemand mehr da…“ Sie lauschte seinen Worten, der schnürenden Traurigkeit darin. Link wusste, dass jetzt nicht die Zeit war zu trauern, aber für einige Augenblicke erlaubte er sich seine Sorgen wahrzunehmen. „Überall hausen Ganondorfs Kreaturen… die finstersten, die ich mir vorstellen kann“, sprach er und suchte endlich ihren Blick. „Und trotzdem…“ Beinahe liebevoll und zärtlich drang er in ihre Gedankenwelt vor, mit diesem sicheren, beständigen Blick, dieser unentrinnbaren Tiefe. „Und trotzdem habe ich dich gefunden…“ Er berührte Zeldas Kinn und für einen Moment stand für sie die Welt still. „Du bist hier…“, sprach er standhaft und lächelte in der Verzweiflung, die sie beide einnahm mit der leuchtenden Hoffnung eines Retters. „Wenn ich dich erreichen konnte, mit dieser winzigen Chance…“ Und da ahnte Zelda, worauf er hinauswollte. Sie spürte die lodernde Wärme des Guten in seiner Zuversicht, in seiner von Tapferkeit geprägten Stimme. „Hier in Schicksalshort, wo ich keinen Menschen sehen konnte, fand ich trotzdem dich…“ Sie schloss die Augen und verkniff sich eine kristallene Träne. „Das ist die Macht des Guten, die Macht unserer Bestimmung“, sprach er und richtete in dieser düsteren Verheerung sein blondes Haupt in die Höhe, strahlte mit diesem berge versetzenden Mut direkt in Richtung des violett schimmernden Mondes. „Ich habe Vertrauen in uns…“, sprach er. „Wir finden einen Weg.“ Noch immer schweigsam lauschte die Prinzessin seinen verwegenen Worten, traute sich nicht diese mit ihren Zweifeln zu beladen. „Lass‘ uns kämpfen, Zelda“, sprach Link sicher und gefasst. Und sie spürte deutlich, warum er seine Hoffnung in die Zukunft auf diese wiederholende Weise betonte, immer und immer wieder betonte. Er sprach es aus um der verlorenen Prinzessin die Zuversicht zu schenken, die sie lange Zeit nicht mehr haben konnte. Er sprach mit sturer Tapferkeit, direkt und eindringlich, machte ihr deutlich, dass er kein Wenn und Aber von ihr hören wollte. Und sie würde folgen, sie würde ihm folgen, bis in den Tod… Sie tauschten einige weitere Blicke der Zuversicht und Zuneigung aus, suchten einmal mehr die Hand des anderen in diesem apokalyptischen Wahnsinn und steuerten den Hügel hinab, rannten einmal mehr hinein in den Alptraum ihrer Seelen. Sie hetzten vorwärts und suchten einen Weg durch die Dunkelheit, hier wo immer mehr Kreaturen aus Hyrules schlimmsten Zeiten an die Oberfläche traten… Beiden Auserwählten erschien es als wären sie bereits seit Stunden durch die von Dämonen und Ganons Seuche beherrschte Stadt gehetzt, stets wachsam und bereit für ein neues Gefecht hatten sie sich in schmalen Gassen versteckt, hatten einige Finsterlinge mit Schwert und magischer Kraft niedergerungen in der Hoffnung doch noch ein Lebenszeichen zu finden… aber die Stadt war nur noch von Monstern bevölkert, menschenleer… Zelda fand endlich ihr Selbstvertrauen wieder und bewegte sich mit ihrer eigenen göttlichen Stärke vorwärts, immer vorwärts an der Hand ihres Heroen, der das weißleuchtende Schwert von Leon Johnson in die Höhe streckte. Und für einen Moment leuchtete nicht nur das Schwert durch die Nacht, sondern die Erinnerung an zahllose Leben vorher. Sie waren immer wieder durch die Hölle gegangen, Hand in Hand, immer wieder… und sie würden es wieder tun. Sie würden standhalten, selbst wenn sie die letzten Kämpfer des Planeten waren… Als sie den Stadtkern verließen, nicht weit weg von einer Neubausiedlung, wo wiederum auch die Villa von Ines sich emporhob als letzte Bastion des Guten hier in Schicksalshort, atmeten beide Heldenseelen fiebrig in einer notwendigen Verschnaufpause und sanken für einige Minuten auf die Knie. Es war der Wahnsinn, dachte Link, das alles hier, sich mit Zelda durch diese gefallene Stadt zu kämpfen. Und seine Prinzessin dabei zu beobachten wie sie magische Geschosse abfeuerte und so wacker kämpfte. Das erste Mal seit er sie kannte, und vielleicht war es auch nur für diese sterbenden Minuten, das erste Mal sah er die Qualität der Schicksalsprinzessin, ihre Macht und Vollkommenheit. Die Erbin Hylias… Endlich schob sie ihre Verbitterung beiseite und tat, was sie konnte um ihm beizustehen. Es imponierte ihm, dachte er, wie gruselig war es doch, dass erst die Welt untergehen musste, ehe Zelda ihre Kämpfernatur zeigte… Und wie sie diese zeigte. Unglaublich sicher und anmutig bewegte sie sich vorwärts in dieser Kälte, obwohl sie nur ihr Spaghettitop und ihre Hotpants trug. Ihre himmelblauen Augen leuchteten mit Tatendrang und Hoffnung, so stark… so unglaublich tapfer. Er stützte sich noch einmal auf seine Knie, sog einen tiefen Atemzug mit quälendem Wunsch nach Sauerstoff in seine Lungen und stemmte sich wieder in die Höhe, als er den Boden schwanken spürte, ein Trommeln, das wie ein Erdbeben durch die Stadt raunte. Und innerhalb von Sekunden erblickte Link am unteren Ende der Hauptstraße eine Horde von Monstern aller Rassen, aus allen möglichen Stämmen. Eine Horde von mindestens fünfzig Gegnern, stapfend, brüllend und unersättlich. Auch Zelda folgte seinem Blick und wich schreckhaft zurück. Link stattdessen reagierte sofort und packte seine Prinzessin bestimmend an der Hand, aber er hetzte nicht davon, sondern blieb in seiner Position, fokussierte die Monster und sondierte ihre Lage. „Link, was ist? Du willst dich ihnen doch nicht etwa stellen. Es sind zu viele“, sagte Zelda unter heftigen Atemzügen, schwitzend und ein wenig verunsichert, dass er sie am Weglaufen hinderte. Die gesamte Zeit hatten sie sich lediglich mit liebevollen Blicken in diesem Wahnsinn verständigt. Es war das erste Mal seit Beginn ihrer Flucht, dass sie die Stimme erhob. Beinahe unwirklich erfüllte ihr glockenreiner Klang die verseuchte Luft. „Nein, ich habe eine bessere Idee.“ Es lag ein ungewöhnlicher Wahnwitz in seiner Stimme und seine Mundwinkel zogen sich nach oben. Zelda kannte diesen Schelm in ihm, sie hatte nur nicht erwartet jenen in dieser Schreckensstunde vorzufinden. Link schleifte seine Prinzessin schließlich zu einem Auto, welches zwar ein eingeschlagenes Fenster hatte, wo aber noch ein Zündschlüssel steckte. Er setzte sich ans Steuer und grinste einmal mehr. „Los, Zelda. Steig’ ein!“ Nur unwillig stieg sie ein und hackte nach: „Aber du kannst doch gar nicht fahren!“ „Das werden wir sehen“, sprach er stur und funkelte mit seinen tiefblauen Augen in jene Richtung, wo die Horde Dämonen immer näher stürmte. „Tu das nicht, Link.“ Erst als ihre gereizten Worte ausgesprochen waren, biss sie sich auf die Lippe und dachte darüber nach. „Sag mir nicht, was ich zu tun habe“, meinte er ein wenig lauter. Zelda schwieg plötzlich und blickte aus dem Fenster zu ihrer rechten Seite. Hatte sie eigentlich ihren Verstand verloren Link nun Befehle zu erteilen, hier inmitten dem Ende der Welt, wo es keine Regeln mehr gab? Sie sank ein bisschen weiter in den Sitz, sich anzulehnen hieß sie gerade willkommen… Hoffend zündete Link den Motor und hatte Glück. Er vergewisserte sich noch der Tankanzeige, und auch dieses Glück war ihnen hold. Sie kämen weit voran mit einem halbvollen Tank. Er fuhr langsam los, lauschte dem kratzigen Motorgeräusch dieses alten PKWs und war erstaunt über sich selbst. Mit einem rumpelnden Schlottern startete der PKW und fuhr auf die offene Straße. Während sie sich immer weiter vom Stadtkern entfernten, prüfte Link schweigsam die sich entfernenden Dämonen und das erschöpfte Mädchen neben sich, warf immer wieder einen Blick zu ihr, aber seine Prinzessin ließ ihr Haupt sinken und versank in ihrer eigenen Gefühlswelt. Als Zelda immer noch nichts sagte, entschuldigte er sich: „Sorry… ich wollte dich nicht anschreien.“ „Schon gut. Ich habe einfach nur die Nerven verloren“, sagte sie leise und suchte seinen Blick. Selbst in der glühend roten Dunkelheit leuchteten ihre himmelblauen Augen wunderschön und voller Güte. Und sofort verflog auch Links Anspannung. Wenn ihn Zelda so musterte, konnte er kaum verärgert sein. „Ich wohl auch“, erwiderte er und suchte mit seiner rechten ihre Hand. Seine Berührung tröstete sie ein wenig. Sie entfernten sich allmählich vom Stadtzentrum und steuerten das Auto etwas holprig, und ziellos irgendwelche Straßen entlang, um so weit wie möglich Abstand zu den Bestien zu gewinnen. An einer Kreuzung hielt Link den Wagen an. Er brauchte einfach nur ein paar Minuten Ruhe, außerdem konnte man von hier einen guten Blick auf die Umgebung werfen. Er lehnte sich zurück und machte kurz die Augen zu. „Ich bin unendlich froh und dankbar, dass ich dich gefunden habe, Zelda, und dass dir nichts passiert ist.“ Er lächelte durch die Finsternis, beinahe schien sein Lächeln zu leuchten, wie nur konnte er so strahlen, obwohl hier die Verseuchung Ganons am Werk war? „Kann ich dir jetzt danken“, sagte Zelda leise und versuchte ebenfalls ein wenig Zuversicht zu finden. Sie begriff jetzt erst, was sie in den letzten Minuten gemeinsam mit Link erreicht hatte. Sie hatten gekämpft wie damals, voller Mut und Tapferkeit. Ein Lächeln entschwand ihr angesichts des Gedankens. „Wie hast du mich denn überhaupt gefunden?“ „Ich habe dich schreien hören.“ Aber war dies wirklich die Wahrheit? Zelda erschien es eher so, als hatte sie ihn telepathisch gerufen, so wie einige Male zuvor. Eine Pause entstand, in welcher Zelda überlegte diesen Punkt zu einem Gesprächsstoff zu machen, schließlich verwarf sie den Gedanken wieder. Erst einmal galt es einen sicheren Unterschlupf zu finden und sich einen Plan zu überlegen. Außerdem brauchten sie beide eine Mahlzeit, ein paar Stunden Schlaf… „Ich würde… dich überall finden…“, setzte er leiser werdend hinzu. Das war eines der Dinge, die den jungen Helden über Welten hinweg auszeichneten. Er würde seine Versprechen machen, er würde sie geschickt formulieren und auf ewig halten. Ja, wenn es etwas gab, derer sich die letzte Prinzessin Hyrules sicher sein konnte, dann Links entwaffnender Treue und Ergebenheit. „Ich dich auch…“, murmelte sie, so benommen, dass es beinahe nicht zu verstehen war. Aber ihre Worte klangen echt und liebevoll, scheu vielleicht, aber aufrichtig. Es war ein großes Stück, das sie dies über ihre sonst so verschwiegenen Lippen brachte. Und Link wusste es nicht, aber er war vielleicht der einzige Mensch, dem sie dies sagen konnte… Link startete schließlich erneut den Motor, hoffte, es schreckte keine weiteren Dämonen im Umfeld auf und fuhr langsam weiter. Das Motorengeräusch war das einzige Surren, das nun noch in Schicksalshort zu hören war. „Ich wusste gar nicht, dass du fahren kannst.“ Sie grinste und versuchte es mit ein wenig Humor, etwas, das sie von ihrem Helden gelernt hatte. Erst jetzt verstand sie, warum er es tat, es war irgendwie heilsam für die Seele. „Ich auch nicht“, sagte er prompt und schenkte ihr ein belustigtes Lächeln. Wie irrsinnig diese Situation doch war, am Ende der Welt hatten die beiden einstigen Hylianer nichts anderes zu tun als sich gegenseitig mit ein paar schelmischen Worten zu necken. In diesem düsteren Alptraum, wo nichts mehr war, das lebte, wo nichts mehr funktionierte… die Welt ein Grab des Wahnsinns und zahlloser Sünden war, wo Zarnas Splitter Ganons Hass wie Eitergeschwüre keimen ließ und die Seele der Erde zerstückelte, unterhielten sich Link und Zelda über die belanglosesten Dinge, die ihnen gerade zu Kopfe stiegen. Ausgerechnet jetzt und hier… im gespenstischen Alptraum gefallenen Lebens überkam die beiden ein Gefühl von Alltag, das sich vertraut anfühlte… „Wir sollten zu Impas Villa fahren“, sagte Zelda nach einer Weile. „Ich habe so ein Gefühl, dass dort Hoffnung auf uns wartet.“ Und ihr Blick heftete sich nach Norden, dort wo jene Villa wie eine Festung auf dem Hügel lag, eher unscheinbar, ohne Lichter, so wie nirgendwo mehr Lichter leuchteten. „In Ordnung“, erwiderte der Kämpfer des mutigen Herzens. Mit konzentriertem Blick, die Welt außerhalb beobachtend, Ausschau haltend, brachte Link seine Prinzessin und sich in dem klapprigen Fahrzeug durch die finsterste Nacht. Er fuhr ungemein vorsichtig und sachte, während über den Köpfen der beiden die ersten Drachen weit oben am Himmel kreisten… Link fuhr leise in die Einfahrt zu Ines Grundstück hinein, verwundert darüber, dass das massive Eisentor einfach offen stand, aber zumindest unversehrt war. Es erweckte eine neue Zuversicht in seinem Herzen, dass keine Monster die Villa unterjocht hatten. Und auch sonst schien der gepflegte Garten mit den Apfelbäumen und Linden unberührt, nur der gruselige rote Schimmer des Himmels lag auf den Blättern und Zweigen, ansonsten war alles irgendwie… sicher. Ob Impa und die anderen Schutzzauber an diesem Ort platziert hatten? Oder vielleicht einen Unsichtbarkeitszauber, der jenen vor Monsteraugen verschleierte. Zelda spürte eine vertraute Magie am Werk und spürte den Gedanken sich fortsetzen. Sicherheit… Schutz… Sie wusste, gerade dann wie eine Eingebung, als sie ihre Füße auf den Kiesweg setzte, dass dieser Ort für die Schlacht gegen Ganondorf die wichtigste Festung des Guten darstellen würde. Mit einer Geste der Zuversicht schlichen die Kinder des Schicksals schließlich zum Eingang. Zelda umgriff mit zitternder Hand den Türgriff, aber sie war abgeschlossen. Auch ihr Blick in die Höhe, dort wo Fenster von grauen Mauern geschlossen waren, bestätigten ihre Vermutung. Impa hatte dieses Haus bereits abgesichert. „Was tue ich jetzt nur“, fragte sie eher sich selbst als ihren Helden. Sie griff sich mit nervösen Händen an ihre Wangen und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. „Ich schlage vor, du… lässt mich das entscheiden“, meinte Link fest, der ihre zitternde Hand bemerkt hatte und sie besorgt musterte. Gerade jetzt, wo sie endlich an einem Ort angekommen waren, wo etwas mehr Hoffnung wartete und Zelda etwas herunterkommen konnte, kam ihre Verzweiflung und Erschöpfung zum Vorschein. Sie hatte die letzte Stunde alles gegeben, gekämpft wie schon lange nicht mehr und nicht realisiert, dass sie einer herben Verausgabung nahe war. Sie fühlte sich beinahe schwindelig. „Zelda…“, sprach er noch einmal, warnend. Er warnte sie davor ihre letzten Energiereserven anzuknabbern. Noch ehe sie mit ihm darüber diskutieren konnte, zog er sie ein Stückchen näher, packte sie an ihren Schultern und musterte ihre blutunterlegten Augen. „Überlass‘ die nächsten Entscheidungen mir, okay…“ Sie war verwundert über seine Fähigkeit genau zu wissen, was in ihr vorging, dass es ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Kannte Link ihr Seelenleben besser als sie ahnte? Wusste er von ihrer Unfähigkeit eigene Bedürfnisse zuzulassen? Und wusste er noch viel tiefere, emotional verschwiegene Verfehlungen von der Prinzessin? „Du hast so tapfer gekämpft… du weißt gar nicht, wie beeindruckt ich von dir bin.“ Er lächelte dann mit etwas Verlegenheit unter seiner muterfüllten, sicheren und strengen Heldenpersönlichkeit. „Aber jetzt bin ich dran…“ Gerade da fielen Zeldas Schultern aus einer verhärteten Haltung, sie spürte regelrecht eine Ladung Steine, die sich anfühlte wie ein ausgewachsener Gorone, von ihren Knochen schwinden. „Und dann, versuchen wir es mit dem Hintereingang. Was hältst du davon?“ Seine rauen Hände waren so warm und guttuend auf ihren nackten Schultern. So… sicher… Er ließ jene noch eine Weile dort, streichelte ihre kühle Haut und lächelte noch einmal ermutigend. Sie nickte stumm und kämpfte gegen den nächsten Wimmerlaut, der in ihrer Kehle hochkochte. Sie wüsste nicht, wo sie jetzt war, wenn Link niemals in ihr Leben getreten war. Sie wüsste nicht, ob sie überhaupt ansatzweise an die aufrichtigen Qualitäten heranreichen könnte, die sie in sich spürte. Wäre sie eine Puppe des Hochadels aus Hyrule geworden? Eine oberflächliche und höfische Vorteile genießende, unbedeutende Puppe in einem teuren Prinzessinnenkleid mit Tonnen an Schmuck und Plunder, mit einer hübschen, von Diamanten beladenen Tiara, umgeben von geschmacklosen, unreifen und eitlen Rittern und Prinzen… Gerade in dem Augenblick empfand Zelda tiefe Dankbarkeit überhaupt mit ihm gegen das Böse in die Schlacht ziehen zu dürfen… Link zog seine Prinzessin schließlich bestimmend in Richtung Hintertür, aber auch hier schützte eine dicke Stahlmauer vor Eindringlingen. Link klopfte aufgeregt an die Tür, obwohl er wusste, dass es nichts brachte. Diese Mauer ließ nicht einmal ein Geräusch durch. Dann fiel ihm die Regenabflussrinne auf. „Bist du schon mal bei der Prinzessin Hyrules eingebrochen, Zelda?“ Ein beinahe göttliches Grinsen formte sich auf seinem Gesicht, als sein Blick an der Rinne auf und ab lief, dessen Stabilität überprüfte. „Was? Nein, natürlich nicht.“ Zelda zuckte mit einer Augenbraue, mehrfach, aber lächelte dann. Und erneut legte sich Links Schelm mit Entzückung über seine Worte. Sie konnte seine Dreistigkeit in jedem Wort spüren, seinen unwiderstehlichen Charme, der ihr eigenes Gefühlsleben mit Endorphinen überschwemmte. „Dann ist das heute die perfekte Gelegenheit es auszuprobieren“, meinte Link und zeigte mit seinem linken Arm auf das Balkonfenster, das zu Zeldas Zimmer führte. Er grinste, vielleicht weil er hoffte, dies in der Vergangenheit getan zu haben. „Die Regenrinne sieht stabil aus, wird uns schon aushalten. Also komm’! Du gehst zuerst.“ Zelda war dabei mit dem Kopf zu schütteln, als ihr strahlender und manchmal zu überdrehter Held sie unter ihren Armen packte und die verblüffte Prinzessin entgegen ihres Willens der Regenrinne entgegen hievte. Zelda umgriff die Abflussrinne und begann zu klettern. Die Situation wurde bizarrer als ohnehin schon in diesem apokalyptischen Wahnsinn. Nicht nur, dass sie beide tatsächlich noch am Leben waren inmitten dieser von Monstern beherrschten Stadt. Sie waren so überdreht, dass sie nicht anders konnten als ihre Verzweiflung in einem hitzigen Humor auszuleben. Wann brach man schon in sein eigenes Haus ein? „Nebenbei…“, murmelte er erheitert. „Vielleicht muss ich für später üben.“ Er lachte dann, denn selbst in der Finsternis sah Link die beschämte Entzückung in ihren Gesichtszügen. Link folgte ihr mit einem Sprung, kletterte mit einer Leichtigkeit, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan und innerhalb von Sekunden standen sie beide auf dem sicheren Boden des Balkons. Und tatsächlich befand sich ausgerechnet hier keine Stahlmauer, die den Innenraum schützte. Ob dies Zufall war? Mit einem Seufzen blickte Zelda über das Geländer. „Sei froh, dass du so viel Glück hast. Wenn wir gefallen wären, hätte die Landung mehr gebracht, als nur einen Beinbruch…“ Sie lächelte unter dem scheinschwangeren Versuch ihn für seine frechen Einfälle zurechtzustutzen. „Wer wagt, gewinnt“, war Links unverblümte Antwort, auf eine Frage, die er von Seiten Zeldas sowieso schon erwartet hatte. Er verbeugte sich schauspielerisch und kicherte. „Aber sieh’ es doch mal positiv. Wären wir gefallen, würde ich als erster auf dem Boden landen, als dein ritterlicher Held, und du hättest eine weiche Polsterung, auf der du landest.“ „Das hättest du wohl gerne gehabt, was?“ „Tja, wäre süß, wenn du auf mir landest…“ Dieser Schelm! Dieser Wicht, dachte Zelda. Und Link wusste angesichts ihres aufgebrachten Kopfschüttelns, dass er wieder einmal das letzte Wort behielt. Eine Welle der Entspannung glitt über beide Heldengestalten, als seine Worte in der Düsternis hallten. Es tat für Sekunden unbeschreiblich gut hier im Alptraum des Seins, wo die schlimmsten Gedanken regierten, einander zu haben um selbst mit solchen unsinnigen Wortgefechten zu bestehen. Zelda schmiegte sich ein wenig an seine Seite, als Link mit dem Ellenbogen die Scheibe zerschlug. Sie traten in den Raum ein, wo die junge Prinzessin ihre längste Zeit seit ihrer Ankunft auf der Erde verbracht hatte. Ein Seufzen der Erleichterung kam über sie, als sie in ihr persönliches, kleines Reich, der Ansatz eines Zuhauses, eintrat. Sie spürte, dass es ihrem Körper einen Hauch Erleichterung von der Anspannung brachte, hier zu sein, obwohl selbst hier die Dunkelheit in Gestalt Zarnas gewütet hatte. Zelda erinnerte sich mit leichten Bauchschmerzen daran… Bis jetzt hatten Link und sie ausgerechnet über diese emotionale Nacht nicht reden können, obwohl es so nötig wäre. Die brünette Schönheit kramte nach einer Taschenlampe in ihrem Nachttischschränkchen und versuchte die unschönen Erinnerungen zu verschließen. Nicht nur, weil jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, sondern weil sie befürchtete, dass Link ihren Kummer diesbezüglich aussprechen würde… Vielleicht spürte er es tatsächlich, denn er musterte sie mit dieser Intensität, die ihr unter die Haut ging, gerade in dem Augenblick, als das Licht der Taschenlampe den Raum flutete. Mit der gleichen gewaltigen Ausdruckskraft, als er sich vor einer Weile die Dolche an seine Brust hielt… bereit war für Zeldas Lebenslicht zu sterben. Für einige Momente durchbohrten seine leuchtend blauen Augen die mentalen Wände ihrer verschwiegenen Traumata. Und vielleicht hatte er seine Antwort bereits gefunden. Zelda wand sich schreckhaft ab und lief mit dem Licht der Taschenlampe voraus, zielstrebig, aber durcheinander. Warum hatten sie beide ausgerechnet über ihr Zimmer Eintritt in die Villa finden müssen? Sie fühlte sich ungeduldig, verunsichert und fürchtete sich regelrecht vor weiteren annähernden Gesten ihres Heroen. Wenn Link doch nur erahnen könnte, wie schwer ihr Berührungen fielen, wie schwer es für sie war seine Nähe zuzulassen… Sie verbat sich weiter daran zu denken, weiter in ihren verdrängten Gedanken nachzuforschen. Sie konnte ihm kaum gestehen, wie oft sie beim Einschlafen an ihn dachte… Hektisch trat sie in Richtung der Tür, als sie Link näherhasten spürte. Sein rechter Arm hielt sie an ihren Schultern zurück, während er in der anderen sein Schwert bereit hielt. „Zelda… lass‘ mich vorgehen, okay?“ Und einmal mehr zerschmolz sie beinahe angesichts dem Schutz und der Sicherheit, die er anbot. Sie schlichen schließlich vorwärts, folgten dem dunklen Korridor ins Erdgeschoss und funkelten mit dem Licht der Taschenlampe umher, wie kleine weiße Gespenster bildete das weiße Licht sich an den Wänden ab. Sie folgten dem Weg weiter, der verzweigte Keller war die einzig mögliche Bastion gegen Ganondorfs Schergen und war das einzige Ziel, das ihnen sinnvoll erschien. Als der Heroe sicher war, dass das Gebäude rein war, sich hier keine Monster aufhielten, entschied er sich einige Fragen aufzuwerfen. „Zelda…“, flüsterte Link und nahm sie bestimmend am Handgelenk. Er rieb mit dem Daumen über ihren Handrücken, zögerlich zunächst, dann fester. „Warte mal.“ „Was ist?“ Ihre Stimme klang gereizter als sie es beabsichtigte, aus Sorge er wollte über Zarnas Angriff hier in der Villa sprechen. Sie unterbanden beide ihre Bewegungen, bis Link Zelda einmal mehr an den Oberarmen packte, fest und bestimmend. Ein stummer Befehl aus seinen Gesten ihm zuzuhören. „Warum hast du bei diesem Monster in dem Geschäft deine Kräfte nicht benutzt“, sagte der heroische Bursche leise. Er vermutete, dass die Angst Zelda wohl vollkommen gelähmt hatte. Sie seufzte und lief langsam weiter. „Es lag nicht daran, dass ich nur Angst vor dem Echsodorus hatte, ich konnte einfach nicht mehr klar denken, weil meine rechte Hand so stark gebrannt hat, als würde jemand sie mir abreißen wollen“, erklärte sie mit einem Zucken ihrer Augenbrauen. Das überraschte Link ein wenig. Er erinnerte sich an den Vorfall in Irland, als er mit Sian auf der Suche nach Kevin war. Wenn Zelda ähnliche Empfindungen hatte, dann war auch nicht seine eigene Unsicherheit an jenem Schmerz auf dem Handrücken schuld. „Das ist sehr merkwürdig, denn ich hatte in Irland genau dasselbe Problem… Das Gefühl lähmte mich völlig, ließ mich kaum kämpfen.“ Abrupt stoppte Zelda ihre Schritte. „Aber Link, das bedeutet ja, dass diese Empfindung etwas mit dem Triforce zu tun haben muss… warum sollten wir beide als ehemalige Träger eines Fragments die gleichen Schmerzwahrnehmungen haben? Jeweils dort, wo einst das Fragment ruhte? Das kann kein Zufall sein.“ „Sicherlich…“, murmelte Link und fixierte mit kühlen Blicken weiterhin wachsam die Umgebung. „Aber was soll uns dieses Wissen jetzt bringen?“ Recht hatte er, es gab einen anderen Zeitpunkt sich damit auseinanderzusetzen. „Was mich im Moment bloß interessiert ist, dass uns dieser trügerische Schmerz in gefährliche Situationen bringen könnte.“ Er erklärte weiter, während sie durch die stille Düsternis tapsten. „Ich meine, ich war so dankbar zu wissen, dass du dich mit magischen Waffen verteidigen kannst, es beunruhigt mich, dass diese jetzt nicht immer funktionieren.“ Zelda spürte Links echte Besorgnis in den Worten und schenkte ihm ein deutliches Nicken. „Ich verstehe, was du meinst, aber ich kann mich auch mit anderen Waffen verteidigen, Link.“ Sie klang sachlich und verständlich, sodass er ihre Worte ohne Zweifel annehmen konnte. Er lächelte. Natürlich wusste er, dass sie das konnte. Sie hatte bei der Auseinandersetzung mit Preston gezeigt, dass sie sich mit flinken Techniken zur Wehr setzen konnte. Eine Ausbildung bei Impa hatte es nun mal in sich. Für die Kürze eines Augenblicks fragte sich der junge Heroe wie das Training mit einer Meisterin der Schatten wie Impa wohl ausgesehen haben mochte. Er entschied sie ein anderes Mal danach zu fragen und unterdrückte einen gemeinen Gähnzwang. Beide hatten ihr Zeitgefühl verloren, und bedachte man die vorige Nacht mit vielleicht vier Stunden Schlaf und diesen kraftraubenden Wahnsinn, der auf der Welt regierte, so war völlig verständlich, warum sie beide eine marternde Erschöpfung spürten… Mit knurrenden Mägen und einer elenden Müdigkeit durchquerten sie den großen Saal und folgten den Stufen in den riesigen Keller. Impas Villa hatte immerhin einen Keller, der mehr einem unterirdischen Labyrinth glich, denn dort war wirklich alles zu finden. Eine riesige Vorratskammer, einige weitere Zimmer, mit Stühlen, Tischen, sogar Betten, sogar ein Badezimmer. Und die Prinzessin Hyrules wusste, dass Ines Schattener, seit sie die Erinnerungen an ihre Vergangenheit als Shiekah wiedererlangte, sich auf einen Ernstfall vorbereitet und in den Kellerräumen einen Ort der Zuflucht erschaffen hatte. Einen Ort für alle Notfälle… Als Link und Zelda den Eingangsbereich in die Kellerräume erreichten, versperrte auch hier behütend eine dicke Stahltür einen möglichen Zugriff. „Bis vor kurzem war diese Tür noch nicht…“, hauchte Zelda träge und forschte mit ihren Händen nach Unebenheiten an den Wänden, nach einer Möglichkeit irgendwie Zugang zu finden. Link klopfte mehrfach an die Tür und fing dann an zu rufen: „Wir sind es, Ines. Mach’ die Tür auf!“ Er schloss sinnierend seine tiefblauen Augen und lehnte sich stirngerichtet an die kühle, raue Tür, spürte nun, da sie hier waren auch seine eigene Erschöpfung immer stärker werden. Zelda ließ sich trübsinnig auf eine der wenigen Treppenstufe sinken und vergrub den stechenden Kopf in den Armen. „Sie wird uns nicht hören, selbst, wenn sie sich tatsächlich dahinter versteckt hat“, meinte sie misslaunig und griff sich massierend an ihre Stirn. Sie hatte gemeine Kopfschmerzen, die hinter ihren Augen loderten, und brauchte unbedingt ein wenig Schlaf, brauchte ein wenig Ruhe in diesem Alptraum… nur etwas Zeit um nachzudenken, einen Ansatzpunkt zu finden… Die ganze Situation schien so ausweglos und absurd. Warum nur war es soweit gekommen, fragte sie sich mit dem Gefühl einer bleiernen Schwere auf ihren Schultern. Und was sollten sie tun, wenn sie sich in diesem Haus versteckten? Darauf warten, dass Ganon sie früher oder später fand? Darauf warten, dass die ganze Welt in einem Feuermeer unterging? Auf das Ende warten? Wo war die Hoffnung, die das Böse mit strahlenden Heillichtern und dem malerischen Zauber des Guten in seine Schranken weisen würde? „Ich hätte nicht erwartet, das Ende ein zweites Mal zu erleben… Ganondorfs Krieg…“, flüsterte sie in die Dunkelheit des Ganges, hier wo ein unmerkliches Rauschen von Belüftungsrohren im Hintergrund surrte. Das leichte Rauschen legte sich zusätzlich als unangenehmer Druck über Zeldas Stirn, schickte ihr weitere Attacken von forderndem Kopfweh. Mitfühlend sank Link ebenfalls auf die Treppenstufe, legte seinen rechten Arm um ihre Schultern. Er wollte etwas tröstendes sagen, wollte an Zeldas gedanklicher Reise teilnehmen, und doch… würde er es vielleicht nicht können. „Andererseits…“, und Zelda hob ihren Kopf an, fokussierte mit ihren traurigen, himmelblauen Augen die seinen. In der Finsternis sahen beide zumindest die Ahnung ihrer Blicke. „… wenn die Legende Hylias unser Erbe ist… dann haben wir beide das Ende der Welt vielleicht schon viel öfter erlebt.“ Noch immer schweigsam verfolgte Link ihre Worte. Und auch jetzt wusste er einfach nichts darauf zu sagen, nichts, das ihnen beiden half diesen Alptraum zu überstehen. Zelda lehnte den Kopf an seine Schulter, ein überfälliges Seufzen wandelte sich in ein weiteres Schluchzen aus ihrer trockenen Kehle. „Zelda?“ Links Stimme erklang so fragend, dass sie den nächsten Schluchzer unterband. „Entschuldige…“ Sie versuchte diesen Moment der Verzweiflung mit aller Kraft niederzuringen. „Hör‘ mir zu“, sprach er, so sicher, so fest. Da war kein Hauch Verzweiflung in seiner Stimme. Einmal mehr belehrte ihr Heroe sie über seine Bereitschaft zu glauben. „Wir sind noch hier… Ich kann dir nicht versprechen, dass wieder alles gut wird. Ich kann dir nicht versprechen, dass auf dieser Welt die Licht wieder leuchten oder dass auch in Hyrule die Sonne wieder scheint… Diese Illusion gibt es nicht für uns…“ Er drückte ihre Schultern ein wenig und streichelte über Zeldas brünetten Schopf. „Himmel… Zelda, ich weiß absolut gar nichts mehr…“ Er berührte mit seinen Lippen ihre Stirn, und ohne sich bewusst zu sein, beruhigte es ihre Kopfschmerzen ins Unermessliche. „Ich weiß nicht ob ich in der Lage bin, mich Ganondorf zu stellen, ob ich jemals in diesem Leben in der Lage bin gegen ihn zu bestehen, geschweige denn ihn in einem Gefecht zu besiegen…“ Und trotz seiner ernsten, bekümmerten Worte, lauschte die Prinzessin einer erschreckenden Verwegenheit in seiner sicheren Stimme. Wie konnte er diese düsteren Ausgänge mit so viel Standhaftigkeit über seine Lippen bringen, mit so viel unglaublicher Stärke? Zelda berührte mit beiden Händen sein Gesicht in der Finsternis, versuchte über diesen kinästhetischen Kanal Erinnerungen an ihren Helden zu erzeugen, seine wunderschönen Eigenheiten zu verinnerlichen, als ein weiteres Wimmern über ihre Zunge glitt. Die Angst, er könnte genauso wie Hyrule einfach verblassen, aus ihrem Leben entschwinden, sog die restliche Stärke aus ihrem Körper und drückte Tränen in ihre Augen. „… und doch spüre ich sie, die Funken unserer Hoffnung. Wir können nicht aufgeben. Denn wir sind immer noch hier. Und niemand hat die Macht dagegen anzukommen, wir finden einen Weg, ich weiß es.“ Seine Worte erklangen so beständig wie eine Festung gegen den Sturm auf hoher See, gesprochen um selbst den schwersten Alptraum zu überstehen. Das war seine Qualität, sein vollkommener Seelenzauber, auch den würde Zelda ewig in ihrem Herzen tragen. Links unergründliches Vertrauen in sein Schicksal, diese Urmacht eines rechtschaffenen, gütigen Herzens. Er würde immer das Gute symbolisieren und niemals kampflos aufgeben. Dies war eine jener Erinnerungen, die Zelda vor jeglichem Verblassen beschützen wollte. Dies war Link… ihr Link. In dem Augenblick wurde die schwere Stahltür mühsam und mit einem rupfenden Lärmen verschoben und ein vertrautes, strahlendes Gesicht gab sich aus grauen Schatten preis. Dar Gordon, der lebensfrohe Allgemeinarzt, trat heraus. Er wirkte erschöpft, ein paar Schrammen in seinem Gesicht verrieten einige üble Auseinandersetzungen mit Monstern, aber seine Augen funkelten voller Tatendrang und Erleichterung. „Nanu, Zelda? Link?“ Der Heroe hätte nicht geglaubt, dass er einmal so glücklich gewesen wäre das Gesicht von Dar Gordon, dem Arzt, der keine Gnade kannte, zu sehen. Der gutmütige Arzt packte Link so energisch in die Arme, dass er ihn tatsächlich einige Zentimeter vom Boden hob. „Du hast es einmal wieder geschafft, Link, wie immer ist auf dich Verlass.“ Dar Gordons schokoladenbraune Augen schienen sich mit Tränen zu füllen, jetzt, da er beide Heldengestalten unversehrt vor sich sah. Link rückte verlegen aus dem Zugriff und zuckte beinahe ängstlich mit einigen feinen Muskeln seiner Mundwinkel. Der hitzige, gutmütige Arzt hatte wahrlich einen festen Griff, den man seinem Erscheinungsbild gar nicht zutraute, bis Links Verstand ihm ein paar Hinweise gab. Aber natürlich hatte jener Arzt eine unvorstellbare, nahezu felsenzerberstende Kraft. Er war schließlich die Wiedergeburt eines Goronen! Wie gut, dass er gerade trotzdem ein Mensch war, dachte Link albern und kratzte sich im Gesicht. Zelda lächelte Dar Gordon mit ihrer gottgegebenen Anmut entgegen. Die Wärme in ihrem Blick besaß die Macht dem einstigen Goronen nun doch Tränen sprießen zu lassen. „Bei den Göttinnen… es tut so gut zu wissen, dass Ihr unversehrt seid, Prinzessin Zelda.“ Dar verbeugte sich und machte endlich eine eher aufdringliche Geste, die beiden in den Innenraum zu bitten. „Kommt’ schnell. Ich werde das Tor gleich wieder schließen“, sagte er. „Wir müssen so leise wie Babysteine sein.“ „Danke Dar“, sagte Zelda, der ebenfalls Freudentränen im Gesicht standen. Link krallte sich ihren Arm und zog seine Prinzessin vorwärts. Als sie beide über die Schwelle traten und die Stahltür sich mit einem reißenden Lärmen verriegelte, fiel bei sowohl Link als auch Zelda die letzte Anspannung von den Schultern. Erst jetzt realisierten sie wahrlich, was geschehen war, und dass sie beide vorerst in Sicherheit weilten, hier in Schicksalshort, direkt vor der Schnauze des Bösen… „Folgt mir, es gibt ein paar Leute, die auf euch warten“, sprach Dar und schob die beiden zitternden und von Müdigkeit erschlagenen Jugendlichen vorwärts. Sie folgten dem Arzt durch einen langen Flur mit wenigen alten Deckenlampen in einen großen Aufenthaltsraum. Link stutzte und blieb gemeinsam mit Zelda an der Hand im Eingangsbereich stehen, realisierte einmal mehr diesen unendlichen Wahnsinn und spürte ein neues bekanntes Gefühl in sich, ein Erinnern an Unentrinnbarkeit und irgendwo auch… Heimat. Es war ihm vertraut mit einigen wenigen Überlebenden sich verbarrikadiert zu haben, selbst der pragmatisch eingerichtete Innenraum, das Fehlen von Gemütlichkeit, denn überall standen Regale mit überlebensnotwendigen Dingen, fühlte sich ungemein vertraut an… In der Mitte fußte ein riesiger runder Tisch mit vielen Stühlen und tatsächlich saßen an diesem Tisch, welcher mehr einer Tafel wie zu Artus Zeiten glich, drei Personen im Kreis angeordnet. Die Jugendlichen traten mit einem leichten, beruhigenden Lächeln in den Raum ein… Es tat unbeschreiblich gut, einige andere Menschen zu sehen, zu wissen, dass hier Gleichgesinnte warteten, zu wissen, dass es Überlebende gab. Da waren Naranda und Impa, die gerade in dem Augenblick voller Verwunderung und von den herben Ereignissen der letzten Stunden gezeichnet, aufblickten. Aber noch jemand saß am Tisch, eine liebevolle Person, für deren Schutz Link ebenfalls alles gegeben hatte. Es war Sara, sie war hier und in Sicherheit. Aber sie hatte ihn und Zelda noch nicht bemerkt. Links kleine Schwester hatte ihren Kopf traurig auf ihre Arme gelegt und schluchzte leise. Link lächelte und trat näher, auf seinen Gesichtszügen Erleichterung und Freude. Und noch immer war Sara Bravery in ihrem schweren Gedanken versunken. Sie blickte erst auf, als Link ihr über den Kopf strich und begann zu sprechen. „Hey, Schwesterchen? Bekomme ich denn gar keine Begrüßung“, sagte er liebevoll. In dem Augenblick hüpfte Sara von ihrem Platz und blickte den Helden schockiert an. Sie konnte nicht fassen, dass er tatsächlich vor ihr stand mit diesem mutigen, unverblümten Lächeln. Dass ihr Bruder lebte… Mit einem Schlag schwand ein Teil ihrer Besorgnis, und Link hatte dies bloß geschafft indem er hier vor ihr stand, unverletzt, bereit zu kämpfen. Sie fiel in seine Umarmung und weinte zögerliche Freudentränen: „Link. Es ist so schrecklich… Ich weiß nicht, wo die anderen sind.“ Er versuchte sie zu trösten und sagte einfühlsam: „Es ist okay. Wir finden eine Lösung, versprochen.“ Auch Ines war aufgesprungen und fiel beinahe über Zelda her. „Den Göttinnen sei Dank, dass dir nichts passiert ist, Prinzessin.“ Sie drückte die brünette Schöne an sich, dass ihr beinahe die Luft wegblieb. Über Zeldas erschöpfte Gesichtszüge trat ein wonnevolles Lächeln. Impa hatte wohl schon immer einen zu festen Griff, aber das erste Mal seit langem ließ Zelda die Besorgnis ihrer Ziehmutter zu. Auch Naranda begrüßte die beiden, bis sie sich schließlich an den Tisch setzten und ihre Flucht berichteten. Da saßen sie nun gemeinsam am Tisch, die Überlebenden der ersten Angriffswelle Ganondorfs, blickten einander mit aller Hoffnung entgegen, die sie so bitter versuchten am Leben zu halten. Da saßen sie, still und irgendwo magisch so wie Könige einer vergessenen Ära. Da war die einstige Kriegerin der Wüste, die sich gegen die Bräuche ihres Volkes aufgelehnt hatte. Da war ein stolzer Anführer kräftiger Steinfresser, der einen gutmütigen, weichen Kern schon immer besaß. Und Sara Bravery, die sich nach einem Leben in Harmonie und magischer Eintracht sehnte. Ines Schattener, die in den Schatten wandeln konnte. Und sie, das Blut Hylias, geboren um das Böse zu versiegeln und schließlich Link, der eine Heroe, der im Licht des Guten segelte… Alle saßen sie hier, traurig lächelnd, wo die Apokalypse sie erfasst hatte. Und sie würden tun, was immer schon ihren Seelen vorbestimmt war. Die tapfere Gesellschaft der legendären Krieger Hyrules wurde erweckt… Eine Stunde war verstrichen. Zelda und Link hatten sich etwas Frisches angezogen und etwas gegessen. Naranda und Sara schliefen bereits in einem weiteren kleinen Nachbarraum. Es würde der seltsamste Schlaf sein, den sie in diesem Leben haben würden, hier inmitten Ganons Verseuchung war kein gutes Traumwesen mehr am Werk, kein magischer Sand, der vor der Verseuchung des Bösen schützen konnte. Und deshalb träumten Sara und Naranda von der rauchigen Qual, die die Welt in ein Trümmerfeld der Sünden verwandelt hatte. Aber sie alle hatten Schlaf so bitter nötig, sie alle waren erschöpft bis aufs Mark… Auch die einstige Prinzessin Hyrules sah unheimlich müde aus. Eine alte, kratzige Decke um ihre zitternde Gestalt geschlungen hockte sie mit einer Tasse brühheißen Tees in der Nähe der Heizung und starrte ins Nirgendwo. Und obwohl die Tasse beinahe glühte, spürte sie die Hitze nicht, sie war so am Ende ihrer Kräfte, dass ihre Wahrnehmungen einmal mehr versagten. Ihre Augen schillerten mit Ängsten und Selbstzweifeln, als die Erinnerungen aus Hyrules sie erneut streiften, beinahe über ihren Seelenspiegeln sichtbar wurden. Fetzen der vergangenen brutalsten Kämpfe des hylianischen Heeres gegen die Horden des Todbringers strömten in ihre Gedanken gewebt mit glühenden Angstschreien und brennendem Blut. Es zermürbte sie noch immer innerlich überall Ganons Energie zu spüren, folterte sie und riss an unsichtbaren Barrieren ihrer Seele. Sie hielt diesen inneren Druck kaum mehr aus und obwohl sie Schlaf brauchte, würde dieser kaum gnädig über sie hereinbrechen… Sie hatte immer noch Kopfschmerzen, trotz einer Kopfschmerztablette von Dar. Ihre Augen waren ein wenig blutunterlaufen, aber ihre erschreckende Sturheit hielt sie ebenfalls eisern wach. Sie wollte etwas tun gegen diesen brennenden Unrat von bösem Dreck in der Luft, gegen die weltweite Zerstörung und Vernichtung des Lebens! Sie wollte den Menschen auf dieser Welt helfen! War dies denn nicht ihre Pflicht? Plötzlich fühlte sie Links Hände, die sie mit einem wärmenden Schauer aus ihrer Gedankenwelt beförderten, diese zärtlichen Berührungen, so vorsichtig, zwangen sie in eine Ruhe, die sie ebenfalls kaum ertragen konnte. Eine fürsorgliche Hand fand sich auf ihrer Stirn, die andere umgriff ihre rechte. Zelda blickte ihm entgegen, als war sie ein Gespenst, fahl, mit beinahe leblos in Müdigkeit ertränkter Mimik. „Zelda“, erneut warnend kam ihr Name über seine spröden, männlichen Lippen. Zelda war so müde, dass sie nicht anders konnte als mit ihrer gesamten Konzentration auf diesen schönen Lippen zu liegen, diesem angenehmen rosa, diesem schmalen Mund. Link hatte so einen schönen Mund, dachte sie und zuckte kurz mit einem Ruck zurück in die erfahrbare Realität. Bei Nayru, sie war niemals müder in ihrem Dasein gewesen als jetzt. Und Link erkannte dies mit einem verwunderten Zwinkern. Obwohl… vielleicht war es alles andere als Verwunderung, sondern eher Besorgnis. „Ich war kurz mit Impa die Lage checken. Die Stadt ist leer, weit und breit kein Monster, aber auch keine Menschen. Ich glaube, die nächsten Tage sind wir hier sicher.“ Dann gähnte auch er, aber ließ seine linke Hand über ihrer Stirn ruhen. Dann seufzte er und einige Falten über seiner Stirn ließen Zelda erkennen, was in ihm vorging. Dass er mit ihrem Zustand nicht einverstanden war, dass er von ihr forderte an ihre Verfassung zu denken. „Link, ich…“, begann sie und spürte seine Finger über ihren Lippen. Einmal mehr überschritt er damit eine Grenze, die ihr das nächste Zittern in den erschöpften Körper schickte. „Bitte…“, sprach er nur, unglaublich aufrichtig. „Du bist so müde… bitte, du musst jetzt schlafen.“ „Ich kann einfach nicht…“ Sie blickte abweisend zur Seite. „Du bist ebenfalls müde, auf deine Kräfte kommt es mehr an als auf meine.“ In dem Augenblick packte Link sie an den Schultern. Sein Blick in dem gelblichen Lichtschein des Aufenthaltsraumes war auf eine unheimliche Art und Weise strafend, aber er schwieg zunächst. „Link, ich muss unbedingt wach bleiben. Wir können nicht ewig untätig hier herumsitzen. Ich muss über einige Strategien nachdenken… und mir einen Plan überlegen.“ Gleichzeitig aber schallte ihre eigene vernunftgesteuerte Stimme im Kopf und schimpfte. ,Du kleine Heuchlerin, belüg dich selbst, aber Link durchschaut dich ohnehin.‘ Und als er ihr einen enttäuschten Blick zuwarf, hatte sie auch damit die Bestätigung. Er wusste, dass sie sich mit Visionen quälte, er wusste, dass es ihr im Augenblick körperlich und mental sehr dreckig ging. Was ihn bestürzte, war ihr Unvermögen ehrlich zu ihm zu sein. Gerade Link hatte mit seinem weltfremden Vertrauen und seiner göttlichen Geduld in Zelda die Wahrheit verdient. „Ich schaffe das, ich bin noch fit genug…“, belog sie sich selbst und wand sich aus Links sanften Berührungen, obwohl sie jene so sehr genossen hatte. „Du kleine Lügnerin. Du bist so müde wie noch nie in deinem Leben. Mag sein, dass wir uns einen Plan überlegen müssen, aber dein Körper braucht Schlaf, sonst kannst du keinen klaren Gedanken mehr fassen, das reicht jetzt.“ Links Stimme schwoll an, ein Funken Zorn darin, ließ auch Dar aufschrecken, der ebenfalls im Raum saß und über einem Stapel von Büchern über Verbannung, rituelle Erfolgsgeschichten und Magie alter Hochkulturen der Erde hockte. Beschämt rückte Zelda schließlich etwas weg. „Zelda!“ Und da war er erneut, der warnende Unterton in seiner vertrauten Stimme. „Du brauchst Schlaf, und basta!“ „Es ist nur, dass ich mir einbilde, ich hätte es verhindern können… diesen ganzen Alptraum“, schluchzte Zelda leise und verweigerte einmal mehr die Wahrheit. „Ja, Recht hast du“, sagte er schließlich, etwas hinterhältig, aber bestimmend. Es war die Selbstverständlichkeit, mit der jene Worte aus seinem Mund kamen, das Zelda nun doch zuhörte. Würde Link ihr jetzt Vorwürfe machen? „Ich meine, du hast Recht, dass du dir das alles nur einbildest.“ Er grinste etwas, nicht humorvoll, aber mit der Bestätigung, dass seine Worte funktionierten. Und weil Zelda ihn bestürzt ansah, erlaubte er sich die nächste unvorhersehbare Aktion. Er packte die perplexe Zelda mitsamt der alten Decke, schob eine Hand über ihre Schulter und die andere unter ihre Knie. Schnell und unverblümt nahm er sie auf seine starken Arme. „Was soll das denn“, schnaubte sie zappelnd und wollte sich aus ihrer Lage befreien. War sie vorher noch müde gewesen, so erfüllte sie eine Entrüstung über Links dreistes Handeln, das sie durchaus wach genug werden ließ um sich zu wehren. „Was fällt dir ein“, fauchte sie nun noch lauter, sodass sich Dar umdrehte, mit einem Blick, der mehr Belustigung aussagte, als er es beabsichtigt hatte. „Lasst euch von mir nicht stören“, meinte er gewitzt und lachte dann. Das Schauspiel war äußerst amüsant, wann hatte man in diesem Horror schon einmal die Gelegenheit zu lachen. Zelda zappelte wie wildgeworden mit roten Ohren und dem Blick eines quengelnden Kindes, weil sie sich absolut nicht wehren konnte. Link hielt sie so geschickt und fest auf den Armen wie eine heroische Zwangsjacke. In dem Augenblick, wo sie versuchte sich aus seinem Griff zu winden, schloss er sie nur noch fester in seine Umarmung. Mit einem frechen Grinsen trug er sie in ein weiteres, kleines Zimmer und platzierte sie auf einer Couch. „So und jetzt machst du endlich mal deine Augen zu!“ Er lächelte sie leicht an und wollte dann aus dem Raum gehen, als aber Zelda ihn an beiden Händen zurückhielt, diesen starken, jugendlichen Händen, leicht rau, schon gezeichnet von den wenigen Kämpfen auf der Erde. Und doch waren seine Hände nicht annähernd so rau wie damals in Hyrule… „Wir kannst du nur so unglaublich… wach und… fokussiert sein?“ „Oh, ich bin eigentlich… echt fertig und hundemüde“, murmelte er und beobachtete das verlegene Lächeln in Zeldas blassem Gesicht. Sie war so schön trotz der massiven Erschöpfung in ihrem ebenmäßigen Gesicht. Dann vergrub sie ihre zierlichen Hände in der grauen, leicht kratzigen Decke. Es war so einfach für ihn zu sehen, dass ihr etwas auf dem Herzen lag. Was immer es auch war, er wusste, sie würde ohnehin nicht drüber reden. „Ist es okay, wenn ich… auch etwas Schlaf finde?“ „Sicher“, die Frage ließ Zelda die Augenbrauen verziehen. Sein Pflichtgefühl in allen Ehren, aber er brauchte sie nicht um Erlaubnis deswegen zu fragen. „Ich meine, wenn ich hier… bei dir… etwas Schlaf finde“, korrigierte er sich. Sie zwinkerte und ihr hilfloses Gesicht wurde rot und beschämt, aber dennoch zuckersüß. War das ein Wunsch nach ihrer Nähe oder einfach nur der Wunsch augenblicklich in ihrer Nähe zu sein im Falle eines Monsterangriffs? Links Pflichtgefühl… oder war es etwas, das sie noch immer hoffen konnte? Etwas Verbotenes, etwas, für das sie jeden Pakt eingehen würde, etwas… unorthodoxes. Zeldas Verstand entschied sich für ersteres, so wie immer. Link jedoch rang tatsächlich mit der unorthodoxen Begierde die Nähe von letzter Nacht fortzusetzen, Zeldas wohlige Wärme noch intensiver zu spüren, falls er das letzte Mal die Gelegenheit haben würde. Noch einmal seine Zelda innig zu halten hier inmitten der Gefahr war sein einziger Wunsch. „Die Couch ist groß genug, oder?“, sprach er dann, sehnsüchtig, erfüllt mit dem Gedanken noch einmal mit seiner Prinzessin zu kuscheln, ihren wunderschönen, betörend weiblichen Körper zu spüren, das aufgeregte Trommeln des Lebens in ihren Adern. Sie nickte schließlich planlos, vielleicht weil sie ihn nicht verstanden hatte, und weil sie nicht im Geringsten ahnte, dass es ihn nach ihrer Nähe verlangte. „Ach…“ und er grinste breit, die Lachfalten um seine Wimpern entzückten sie. „Was war das denn? War das ein Ja?“ Er war so überglücklich Zelda nicken zu sehen, dass er nicht hinterfragen wollte, was sie in seine Worte interpretierte. Zeldas irritierter Blick sagte ihm zwar, dass sie es tatsächlich nicht verstanden hatte, aber ein Funken Hinterhältigkeit in ihm entschied dies zu ignorieren und mit seinem aufrichtigen Wunsch nach Zärtlichkeiten zu entschuldigen. Außerdem… Sie sah ohnehin so aus, als fiel sie vor Müdigkeit beinahe in Ohnmacht. Also konnte er ihre Unfähigkeit ihn ein weiteres Mal abzuweisen dann nicht ausnutzen? Link lächelte charmant und drückte die vor Müdigkeit kaum mehr zurechnungsfähige Zelda auf das Sofa. Er würde im Moment wohl alles Mögliche mit ihr anstellen können. Der Gedanke setzte sich als beschämendes Entsetzen in seinen Gehirnwindungen fort… am liebsten würde er sie mit tröstenden Berührungen verwöhnen und einfach nur bei ihr sein, hier, wo die Welt in unbeugsamen Flammen versank. Er drückte ein Kissen unter ihren Kopf, schützte ihren Körper mit der Decke und strich einige brünette Strähnen aus dem Gesicht. Sie seufzte mit Wohlgefallen und schloss die mit Müdigkeit belegten Augen, bemerkte nicht, dass Link sogar ihre Schuhe von den Füßen zog. Er ließ sich mit einem Gähnen neben seine unverständliche Worte murmelnde Prinzessin auf den Rücken fallen und schloss die tiefblauen Augen. „Kann ich ein Stückchen von der Decke haben?“, murmelte er, aber Zelda antwortete nicht mehr und schlief schon tief und fest. Warum auch war sie so sehr darauf bedacht gewesen diese Maskerade aufrechtzuerhalten? Niemand würde es ihr übel nehmen, wenn sie ein paar Stunden schlief. Link nahm sich einfach einen Zipfel der Decke, kuschelte sich an seine Zelda heran und legte sein Kinn an ihren Hinterkopf. Selbst nach ihrer Flucht duftete ihr weiches Haar nach Jasmin… Die Empfindung half auch ihm endlich in den Schlaf zu gleiten, während seine Hände ihren Bauch streichelten, sein Körper sie schützte… Nach einer Weile wimmerte die jugendliche Prinzessin in den Armen ihres Heroen immer wieder, ein leises Flehen, vermischt mit hylianischen Worten. Worte, die als leises Gebet in dem winzigen Raum umhergingen. Denn irgendwo dort in ihren Fluch beladenen Träumen war sie eine Gefangene anstehender Grausamkeiten und herber Geschehnisse, eine Gefangene in sich selbst… Sie erhob sich hier, irgendwo in purpurrotem Gewächs auf der gefallenen Welt, mitten in dem Schlund von Ganons Verseuchung. Sie trat hier mit nackten Füßen, spürte infiziertes pechschwarzes Gras an ihren Sohlen schlitzen, als sie ihren Kopf hob, versuchte in der gefühllosen Dunkelheit ihrer Traumwelt zu sehen, sich zu erkennen, erfahren, wo sie war… Aber vor ihren Sinnen regierte nur die finsterste Nacht, eine Nacht, ölig und triefend vor Wahnsinn, gefüttert mit wortleeren Schreien in den dunkelsten Ecken der Welt. Sie wirbelte herum, wollte aus diesem Gewächs aus purer Nacht entkommen, fliehen, suchte nach einem winzigen Lichtstrahl, einem Hauch Natürlichkeit und begann zu laufen. Sie rannte panisch irgendwohin, suchend nach einem Funken Licht, der den Weg erhellte. Und während sie sich durch eine schmierige Masse aus Finsternis kämpfte, sich heraus schälte aus beengender Schwärze, einem fettigen Film von Ganons Hass, spürte sie endlich eine neue Empfindung… ein trockener, schwüler Wind pfiff um ihre Ohren, ihre spitzen Ohren, wühlte das struppige, blonde Haar über ihren Schultern auf. Sie war hier, irgendwo am Ende der Gezeiten, war sie selbst in einem altbekannten apokalyptischen Gefängnis. Sie war Hylianerin, besaß ihr goldblondes Haar wie damals… Und dieser Wind… gnadenlos, staubtrocken und tückisch… Peitschend schickte er Tropfen von Ganons Verseuchung vom entweihten Horizont. Es regnete, aber es regnete Blut… Zelda blickte auf ihre blutbefleckten Hände, auf einzelne Schrammen, die ihr sagten, dass sie selbst in einem Kampf verwickelt worden war, hier in einem toten Land, das jedoch nicht die Erde war. Sie erkannte diese Welt nicht, sie vernahm nur die Gesänge von Gefallenen von überall her winden. Und als der erste Blitz von Himmel niederknallte in einem hellroten Glühen und sich als gleißender Wirbel in den Erdboden rammte, gab sich das Gesicht dieses Ortes preis. Weitere Blitze folgten, ohrenbetäubend und schlitzend, Blitze als Mahnung für den Schrecken, der die Welt entstellte. Sie erhob sich zähneknirschend, erschöpft, und spürte Wunden an ihrem Körper, als sie vorwärts humpelte, hier auf einer Wiese in der Ferne. Sie nahm einen Schritt nach dem anderen, lauschte weiteren Stimmen, die sich in verzweifelte Schreie, laute, angstverzerrte Rufe, wandelten. Sie konnte sie hören von weitem und in ihrem Kopf, die Stimmen von vertrauten Menschen, von Impa, Naboru, Saria… Da war noch eine Stimme, die von Darunia, dann diejenige von Rauru und auch von Ruto, sie alle riefen und wimmerten, abgeschlachtet von der Brutalität Ganons riefen ihre Stimmen mit beladener Reue und unerledigten Aufgaben aus dem Jenseits. Zelda realisierte nun, wo sie war, sie realisierte den Sieg des Bösen… Sie hetzte vorwärts in diesem Netz aus Alpträumen, wimmerte einmal mehr und flehte in Gedanken Hylia an, sie möge ihr helfen diesen Ort wieder zu verlassen. Dies hier musste die Hölle sein, Ganons Hölle, sein Gefängnis… Und während sie vorwärts rannte, ihr langes Haar ein beinahe goldener Schein in dieser Düsternis, erblickte sie nicht weit weg einen Hügel, inmitten dieses Tales, die einzige Erhebung weit und breit. Sie eilte vorwärts, als zog sie ein Strudel der Vorsehung genau zu diesem Platz, der beides hütete, die schlimmste Version des Endes, und vielleicht das einzige Licht, das die Welt noch besaß. Denn dort auf dem Hügel kämpften zwei Gestalten erbarmungslos. Sie kämpften mit einem Feuer der Brutalität um dieses letzte Gefecht zu Ende zu bringen, das Schwert in die Brust des Gegner zu rammen und diesen absurden Teufelskreis des Hasses zu beenden. Zelda stiegen brennende Tränen in die Augen, als sie erkannte, wer dort kämpfte, welche beiden Wesen diese letzte Schlacht führten. Da war das personifizierte Böse, diese starke Hülle, die doch nur als Wirt für die Seele des Todbringers diente, und da war er… dieser ehrbare, wundervolle Held, der in diesem Gemetzel die Ideale des Guten verkörperte. Es war Link, es war wirklich Link, nicht der Erdbewohner, sondern der Hylianer und er war ebenfalls er selbst, gekleidet in dem grasgrünen Gewand des Helden, das Masterschwert funkelte gestochen scharf durch diesen entseelten Wahnsinn der blutgetränkten Nacht. Und er kämpfte mit allem, was er besaß, aber anhand seiner Bewegungen, einer zunehmenden Trägheit, die Zelda innerlich zermürbte, spürte sie, dass er es einfach nicht schaffte. Er gab alles, so wie immer. Er war der einzige, der würdig genug war sich dieser infernalischen, höhnenden Bestie zu stellen, die sich wie ein Gott über alles Sein erhob, aber Zelda ahnte auch, es war einfach nicht genug. Denn deshalb war sie hier… Sie würde es erfahren, und es würde ihr Herz in Tausende Scherben zerreißen… Und sie sah es in dem Augenblick, als die Erkenntnis wie ein Stromstoß durch ihr Herz zuckte und ihr ein Gefühl schickte, als zerriss die Hand Ganons nicht nur das junge, schlagende Herz in ihrer Brust, sondern auch ihre Seele. Sie sah, wie Link auf dem Hügel zusammenbrach und mit einem letzten markerschütternden Schrei den Hügel hinabstürzte hier in der rauchigen Düsternis am Ende der Welt. Und alles, was Zelda tun konnte, war zu rennen, auf ihren verwundeten Füßen immer weiter zu rennen, ihn ein letztes Mal zu erreichen. Es brannte innerlich, Links Todesschrei zerstückelte alles Leben in ihrem Inneren. Der Schrei dieser so zärtlichen, starken Stimme zerschmetterte ihr Bewusstsein und blieb als pochender Schmerz zurück. Alles, was Zelda nun noch spürte, war Schmerz… überall außen… überall innen… Die Wiedergeburt des Todbringers hatte ihr die einzige Wärme in ihrem Leben genommen… Als sie ihn erreichte, lag er leblos vor ihren Füßen. Seine blassen, aber so schönen Gesichtszüge erstarrt in dem Augenblick, als sich die teuflische Klinge in sein Fleisch grub. Dieses markante Gesicht war so vertraut wie immer, sie konnte in diesem noch die Liebe und Zärtlichkeit erkennen, die es so begehrenswert machten. Sie konnte seine Seele noch immer spüren… Mit einer riesigen, blutsickernden Stichwunde in der Brust, wurde ihm jedoch sogar der Abschied verweigert. Sie umschlang seinen kälter werdenden Oberkörper schluchzend, presste ihr Gesicht an seine Brust und weinte Tränen voller Blut, die letzten Tränen, die nur ihm galten. Sie rüttelte ihn an sich gedrückt, schrie ihn an, bei ihr zu bleiben, doch seine tiefblauen Augen würden sich nicht mehr öffnen. Link war gefallen, das letzte Licht der Welt war mit ihm gefallen, und jauchzend lachte im Hintergrund die barbarische Stimme Ganondorfs… Zelda blickte mit Tränen in den Augen umher, während sie sich fest an ihren Heroen schmiegte, und erkannte die am Boden liegenden Körper der Weisen Hyrules. Auch ihr Lebenslicht leuchtete hier in diesem Alptraum nicht mehr. In dieser Hölle hatte das Böse gewonnen. Und als wollte der Himmel Zeugnis für diesen Sieg ablegen, zogen die Wolken vorüber und gaben einen glühenden, roten Vollmond preis. Der Blutmond erhob sich als gefühlloser Untertan des Bösen… Die wimmernde Prinzessin jedoch blieb wie gelähmt vor dem geschundenen Körper eines Menschen sitzen, der ihr alles bedeutete. Sie streichelte sein markantes Gesicht, die fein definierten dunkelblonden Augenbrauen, seine spitze, perfekte Nase, küsste seine spröden, noch immer warmen Lippen. Aber sein Licht würde nicht mehr leuchten. Die Legende von Hyrule starb mit Links Tod… Zelda krampfte und begann sich im Halbschlaf aus den quälenden Visionen zu winden, bis sie endlich brüllte, so laut brüllte wie nötig um sich selbst aus ihrer Lethargie wiederzufinden. Ihre Augenlider flatterten unter Druck nach oben, gaben himmelblaue Augen preis, die in Trauer und Verlust schwammen. Sie zog sich die kratzige Decke vom Körper, nur um sich als ganz wahrzunehmen und schreckte schweißgebadet hoch. Erkaltete Tränen auf ihren fiebrig roten Wangen erinnerten sie an das Grauen in ihrem Inneren, an diesen unentrinnbaren Sog von göttlicher Wahrnehmung. Oh ja, das konnte sie gut. Eine Empfängerin für grausame Prophezeiungen sein, eine benutzte, kaputte Antenne, die nicht in der Lage war ihre makabren Wahrnehmungen abzustellen. Sie sprang auf ihre wackligen Beine, stürzte aber zugleich wieder auf den Boden und bekam plötzlich keine Luft. Sie sog diese stockend und rasselnd ein und doch erfüllte es ihre Lunge nicht mit Sauerstoff. Panisch atmete sie weiter ein und aus und hockte sich wimmernd vor dem Schlafsofa zusammen. Sie erinnerte den Traum in allen Einzelheiten, mit bangem Herzen und hervorquellenden Tränen, schmeckte das Salz von ihnen über ihre zitternden Lippen gleiten. In dem Zimmer war es ebenso dunkel wie in ihrem Traum und Link schlief immer noch auf der Couch. Es war so untypisch für ihn, dass er tatsächlich noch schlief. Sie griff sich mit zitternder, kalter Hand an ihre Stirn und rief sich ungewollt die Einzelheiten aus ihrem Traum wieder in das Gedächtnis, sie wollte sie abstellen, verdrängen, sich die Bilder irgendwie aus dem Kopf reißen, aber sie waren so übermächtig und bedeutsam, dass sie jene kaum kontrollieren konnte. Stetig erhoben sie sich vor ihrem inneren Auge und rüttelten an Zeldas verschüttetem Selbstwert, zerstörten das bisschen heile Welt in ihrem Inneren, das noch geblieben war. Sie setzte sich zitternd auf das Sofa, ihre Augen beobachteten Links entspanntes Gesicht in der herben Düsternis, als die Tränen wieder quollen, rupfend, betäubend. Aber sie wollte ihn nicht wecken, sie wollte ihm von diesem Traum nichts erzählen. Ausgerechnet jetzt, wo sie ein wenig Mut gefasst hatte ihm nahe zu sein… wo sie Mut gefasst hatte sich ihm ein wenig zu öffnen, verschlang sie der nächste Alptraum, die nächste ihrer sogenannten Gaben. Was für eine bittere Erkenntnis es doch war, dass sie erneut daran erinnert werden musste, dass ihr jederzeit entrissen werden könnte, was sie liebte… In dem Augenblick, Zelda aus der düstertesten Kammer ihrer Seele reißend, erhellte ein weißes, aber angenehmes Licht den Raum, sammelte sich in einem kleinkindgroßen Punkt in Zimmermitte und pulsierte stetig in Mildtätigkeit, einem funkelnden Schein, der dem Strahlen der Sonne glich. Ganondorfs Machtübernahme war erst ein paar Stunden her und schon hatte Zelda das Gefühl, sie konnte sich nicht mehr an das Sonnenlicht der Erde erinnern. Dieser Schein… er war die Hoffnung pur. Und aus jenem Strahlen entpuppte sich ein kleiner, etwa fünfjähriger Junge, stand der verdutzten hylianischen Prinzessin mit einem warmen, berührenden Lächeln gegenüber. Zelda glaubte, sie träumte noch, wollte sich schon kneifen, als der Junge den Kopf mit wunderbar weichem Blondschopf auf eine Schulterseite sinken ließ und ihr vermittelte, dass er echt war, dass sie nicht träumte. Seine stechenden, blauen Kinderaugen hatten etwas äußerst Charmantes. Er trug grüne Kleidung, ein tunikaähnliches Kostüm, welches bei den Kokiri sicherlich beliebt sein würde. Das hellblonde Haar hing ihm verwirbelt ins Gesicht. Diese frechen Gesichtszüge, eine spitze Nase, wenige Sommersprossen. Sein ganzes Erscheinungsbild, das unverblümte Grinsen, erinnerte sie unweigerlich an Link. Und noch etwas erschreckte sie… er war kein Kind der Menschenwelt, denn seine Ohren zeichneten sich spitz wie die eines Hylianers durch das blonde Haar ab. Zelda brachte ein verwundertes Glucksen aus dem Mund und wusste nicht, was sie sagen sollte. Alle möglichen Hoffnungen über das Erscheinen dieses kleinen Helden knallten in ihren Gedanken durcheinander. Sie legte ihre Hände über den Mund und kam aus dem Staunen nicht heraus. Gerade da kratzte sich der kleine Bursche mit einem verlegenen Lächeln an seiner Stirn und sah aus als fing er an zu niesen. „Ich weiß, dass ich niedlich bin…“, sprach er und grinste wieder. Da endlich schüttelte sich die Prinzessin mit einem Kopfwippen zurück in die Realität. Das Erscheinen dieses kleinen Kerls musste einen bedeutsamen Grund haben. „Wer bist du, süßer Fratz?“, sprach Zelda fasziniert. Sie war so verblüfft von dem Erscheinen jenes Jungen… um nicht zu sagen. Sie war völlig angetan, beinahe verliebt. Alles an ihm schickte sie auf eine Reise in den Schlossgarten… damals, als Link sie das erste Mal besuchte. Damals, als er ihr die Schönheiten der Welt vor Augen führte und ihre eigene Neugierde weckte. „Pst, wir müssen leise reden, ich möchte nicht, dass du den Helden neben dir aufweckst“, sagte seine helle Kinderstimme zu ihr. Zelda stutzte auf jene Bemerkung. Und sofort erwiderte der kleine Kerl um sie zu beschwichtigen: „Er muss in nächster Zeit sehr viel kämpfen, besser er hat jetzt etwas Zeit zu schlafen.“ Zelda nickte, dieser Umstand war abzusehen. Sie erhob sich mit Tausenden Fragen in ihrem Kopf und kniete vor dem kleinen Kerl nieder. Ihm entgegen zu blicken, voller Neugierde, in seine niedlichen Kinderaugen einzutauchen, zu erahnen, welches Wesen dahinter steckte, erfüllte Zelda mit einem Gefühl von Heimat. „Sag’ schon, wer bist du, kleiner Junge?“, sprach sie lächelnd. Er verschränkte seine Arme, zog eine dämliche Schnute und blickte Zelda trotzig an. „Ich mag es nicht, wenn du mich: ,kleiner Junge’ nennst. So klein bin ich gar nicht!“ Auch Zelda rang sich nun zu einem Lächeln und setzte sich erneut auf die Couch, wenn auch sehr leise, sodass Link es nicht mitbekam. „Du bist nicht bösartig und hast auch sonst keinen Hintergedanken- das sagt mir deine reine Aura. Trotzdem hätte ich gerne gewusst, wer du bist und was du von mir willst. Komm’, setz dich.“ Und Zelda klopfte mit ihrer Hand auf einen freien Platz auf der Couch. Er tat, wie geheißen und schwang auf der Couch frech seine Beine hin und her. Zelda beobachtete den kleinen Kerl so genau wie möglich, dieses freche Erscheinungsbild… sie könnte schwören, dass er in einer engen Verbindung zu Link stehen musste. War er eine weitere Reinkarnation von ihm? Ein Nachfahre? Zelda bekam rote Wangenbäckchen, als ein weiterer Gedanke durch ihren Kopf sauste. War er… ein Kind des Helden der Zeit? Er antwortete nicht auf ihre Fragen, vielleicht, weil er diese einfach nicht verstehen wollte. Stattdessen musterte er sie mit diesen eindrucksvollen, frechen Kinderaugen und strahlte ihr entgegen. Sein Kindergrinsen war so verteufelt unwiderstehlich, dass Zelda das Bedürfnis verspürte ihn in einer mütterlichen Umarmung zu umschließen. „Sag’ mir, du erscheinst mir so vertraut. Sind wir uns… schon einmal begegnet? Wo kommst du her, kleiner Mann?“ Diese Anrede war wohl in seinen Augen schon besser… „Ich besitze keine richtige Existenz… Ich gehöre in die Zukunft, die gleichzeitig Vergangenheit ist. Und ich kann dir nicht sagen, wo ich her komme, denn das weiß ich selbst nicht einmal.“ Seine reine Stimme und das Funkeln in seinen Augen, während er sprach, erfüllte ihn mit einer Liebenswürdigkeit, die Zelda bei den wenigsten Lebewesen jemals wahrgenommen hatte. Dieser kleine Kerl besaß das reinste Herz, das sie jemals erlebt hatte. Sie wusste es… instinktiv. Irgendetwas an ihm erinnerte sie an die Kinder Hylias, die sie mit dem Gott des weißen Adlers gezeugt hatte… Engelhafte Wesen… Kriegerwesen und begabt in Magie, aber unheimlich rein, frei von menschlichen Begierden und Fehlern. „Also, was führt dich zu mir?“, sprach die Prinzessin erneut und berührte sein weiches, blondes Haar. Das freche Grinsen auf seinem Kindergesicht verschwand plötzlich und er wirkte nun ein wenig verbittert, wenn nicht gar traurig. „Du hast schlecht geträumt, Prinzessin von Hyrule, nicht wahr?“ Er begann mit seinen Händen zu spielen und presst die rosa Lippen aneinander. Zelda schien es die Stimme zunehmen, als die Bilder von Links Tod wieder in ihr Bewusstsein drangen, unaufhörlich, folternd… Ein leises, aber durchaus wehleidiges Antworten in Form von glasigen Augen und dem Sinken ihres Kopfes machte dem Jungen deutlich, dass er Recht hatte. In dem Augenblick drehte sich Link im Schlaf auf seine andere Seite, murmelte in einer beschämenden Deutlichkeit den Namen seiner Prinzessin, sodass der Bengel grinste. Aber für Zelda war die Situation alles andere als erheiternd. Sie streichelte die wilden Strähnen seines Haares, die ungezwungen und verspielt in seine Augen fielen seitlich und sprach mit besorgter Stimme: „Ich hab’ schreckliche Angst um ihn.“ Dann kniff sie ihre Augen zusammen, ein herber Trübsinn schattete ihr Gesicht und sammelte sich in ihren himmelblauen Augen. „Es wird alles gut gehen… denn Hoffnung gab es immer und es gibt sie noch“, sagte der kleine Mann mit seiner glockenhellen Stimme. Für die einstige Prinzessin Hyrules eröffneten seine bedeutungsvollen Worte und überhaupt seine Anwesenheit eine Chance, die sie die letzten Monate nicht für sich spüren konnte. Wenn dieser Junge existierte, ein Ebenbild des Helden der Zeit, und er aus Hyrule stammte, anders konnte es nicht sein, dann musste auch Hyrule irgendwo eine Chance haben. „Sag‘ kennst du die Zukunft?“ „Nicht so… wirklich“, antwortete er. „Die Vergangenheit womöglich?“ „Auch nicht… so wirklich.“ Und da ahnte Zelda, dass es nichts brachte den kleinen Kerl mit Fragen zu durchlöchern. Wie sollte er diese ganzen großen Dinge verstehen, er war vielleicht gerade einmal fünf Jahre alt. Zelda rieb sich über ihre Stirn und versuchte die gebliebenen Kopfschmerzen zu verscheuchen. Eine kleine Pause entstand, in welcher der lustige Kerl mit seinen Beinen pendelte und die schöne Prinzessin ihn einfach nur beobachtete. Irgendwas an ihm schenkte ihr eine neue Form von Zuversicht, da war eine wohlige Wärme, die alles an ihm auslöste, etwas, das nur Link schaffte. „Also, kleiner Mann“, sprach sie dann und nahm seine Hände in ihre. Er hatte starke Hände, dachte sie, dafür, dass er nur ein kleines Kind war. Aber an der Rauheit seiner Haut bemerkte sie, dass er sicherlich schon ein paar Übungsstunden mit dem Holzschwert hinter sich hatte. „Was ist es, was dich zu mir führt? Es ist sicherlich nicht ohne Grund, dass du genau nach meinem Alptraum hier erscheinst.“ Er spielte einmal mehr nervös mit seinen Händen. „Ich habe einen Plan gegen Ganondorf“, sagte er. „Und ich möchte den gerne erzählen. Aber nur dir.“ Zeldas Augen weiteten sich. Was hatte dieser Knirps gesagt? Deshalb war er hier, um ihr einen Plan anzuvertrauen. Wie nur sollte ein kleines Kind ansatzweise wissen, was es in der Schlacht gegen das Böse zu tun galt? „Und ich kann dir das aber nur sagen, wenn du mir vertraust.“ „Natürlich vertraue ich dir…“, sprach Zelda, im Übrigen schneller, als sie es beabsichtigt hatte und schneller als ihr selbst bewusst war. Wie konnte man einem so mit Charme erfülltes Wesen auch nicht vertrauen. Wenn er sie so anstrahlte mit diesem frechen Kindergesicht, wie nur sollte sie dahinter eine Bösartigkeit entdecken? „Gut…“, sprach er. „Okay… gut“, erwiderte sie und ertappte sich in einem weiteren vertrauten Gefühl. Er zog erneut seine Kleiner-Jungen-Schnute und seine frechen Augen spazierten in Richtung Zimmerdecke. Seine Augäpfel wanderten hin und her, drehten sich von rechts nach links, geradeso, als gab es ein kleines, aber notwendiges Hintertürchen. „Okay. Ich verstehe schon… was willst du für den Plan?“ Wie aus einer Pistole geschossen, jubelte er durch das kleine Zimmer: „Ich will Existenz!“ Aber selbst dadurch war Link nicht aus dem Schlaf zu rütteln. „Und wie soll ich dir dabei helfen?“, entgegnete die jugendliche Schönheit und überprüfte mit ihren Blicken sorgfältig Links Zustand. Schlief er tatsächlich so fest? „Versprich mir bitte, dass du irgendwann an mich denken wirst… dann, wenn du wieder in Hyrule bist.“ Und der kleine Kerl legte seine Kinderhände in eine bekannte, hylianische Gebetshaltung. „Wenn ich wieder in Hyrule bin? Wie soll das funktionieren? Hyrule ist kein Teil der Wirklichkeit mehr, wie soll ich jemals wieder in Hyrule sein“, meinte Zelda fast hysterisch. Es entsetzte sie, dass dieses Kind einen Wunsch aussprach, den sie tief im Herzen trug. Aber wenn der kleine Kerl einen Plan zur Rettung der Welt hatte, dann wusste er natürlich auch diesen Umstand. „Das wird sich alles zeigen. Aber weißt du, jetzt müsst ihr Ganondorf erst einmal besiegen“, sprach er leise, aber hoffnungsvoll. Es klang beinahe einfach wie er dies in Worte fasste. In dem Augenblick gab Link ein unartikuliertes Geräusch von sich, machte quakende Geräusche wie ein Frosch und drehte sich schon wieder um. Er zog die kratzige Decke zu sich heran und seufzte im Schlaf. „Na gut. Ich verspreche es dir. Sollte ich jemals wieder in Hyrule meine Augen aufschlagen, werde ich an dich denken, versprochen.“ Und Zelda gab niemals leichtfertig Versprechungen ab. „Also…“ und der Bursche atmete tief durch. „Ich mag das aber nur einmal erzählen… das ist so…“ Er bekam rote Wangenbäckchen, während er nach dem richtigen Wort suchte. „… es ist so langweilig.“ Zelda nickte und schmunzelte ohne dass sie es wollte. Sie ahnte, dass ihm jemand den Auftrag zur Übermittlung dieses Wissens gegeben haben musste. Auch wenn dieses Fratz etwas schier Göttliches an sich hatte, etwas so reines wie unberührte Sonnenstrahlen, so musste sein Wissen einen Ursprung haben. Er plapperte schließlich darauf los, sein Wissen tatsächlich auswendig gelernt. „Zuerst müssen alle Weisen aus Hyrule versammelt sein. Ist dies getan, muss ein Riss in der Realität erzeugt werden. Ihr müsst das neue und alte Hyrule wieder zum Leben erwecken, zumindest nur für kurze Zeit. Dafür werden die Kräfte der Weisen ausreichen. Links Aufgabe wird es sein, nach Hyrule aufzubrechen und Gefäße mit den Elixieren der alten Weisen aus einigen Tempeln und anderen Labyrinthen zu beschaffen, die die Macht haben die Kräfte der Weisen zu vervielfachen.“ „Warte mal“, bremste Zelda und hob dabei ihre Hände in die Höhe. Es waren nicht nur die scheinbar auswendig gelernten Worte, die Zelda entsetzten, es war diese Belanglosigkeit, die hinter diesem Plan steckte. „Ich weiß nicht, wer diesen Plan geschaffen hat, aber das ist nicht so einfach, wie du dir das vorstellst, kleiner Mann. Erstens: Link hat keine Erinnerungen an Hyrule. Wie soll er sich dort alleine zurechtfinden? Zweitens: Wer garantiert uns, dass wir genügende Kräfte haben, um das alte Land wieder und das auch noch für einen längeren Zeitraum am Leben zu halten? Drittens: Ganondorf hat das Siegel, welches die Weisen einst erschufen, nach Hunderten von Jahren trotzdem brechen können. Welches Siegel soll ihn noch verbannen können? Wo steckt der Sinn dahinter?“ Sie war deutlich aus der Puste nach diesem Vortrag und löcherte den Burschen mit ihren Zweifeln. „Aber… aber…“ und der kleine Held kratzte sich an seiner Stirn, bis er sich durch das weiche, blonde Haar strich. Seine leuchtend blauen Kinderaugen spazierten mit gezielten Blicken in Richtung Wand, er machte deutlich, dass er keine Lust und keinen Nerv hatte auf Zeldas Fragen einzugehen. Was erwartete sie auch, dass dieser kleine Bengel die Logik hinter all dem verstand? „Ich weiß nur, dass das der Plan ist. Und ich weiß, dass Link nicht alleine nach Hyrule gehen soll, du sollst ja schließlich auch mit gehen. Und ich weiß auch, dass die Weisen total stark sind, die schaffen so viel.“ Er fummelte an seinem Gürtel herum, dort, wo ein fein verarbeiteter Dolch ruhte, scharf, bereit benutzt zu werden, aber umhüllt von einer sorgfältig verarbeiteten Scheide aus blau und golden bemalten Stahl. „Ihr werdet das böse Schwein kaputt machen.“ Und je mehr dieses kleine Kind über seine rosa Lippen brachte, umso seltsamer wurde für Zelda dieser angebliche Plan. Sie entließ einen Seufzer der Frustration. Ob sich der Junge diesen scheinbaren Plan vielleicht nur selbst ausgedacht hatte? Der Bursche erkannte die Zweifel in Zeldas müden, leicht geröteten Augen, er sah die Angst und Sorge, jene tiefliegende Verlustangst so deutlich. „Bitte glaub‘ mir doch.“ Sie pustete einen gepressten Luftstrom aus ihren Lungen und suchte die Unergründlichkeit in jenen wunderschönen, kindlichen Seelenspiegeln. „Es ist nur…“ Zeldas trübsinnige Blicke verloren sich schließlich wieder auf Link, der noch immer entspannt ruhte. Und während sie ihren Heroen beobachtete, realisierte sie einen Umstand der Lächerlichkeit, einen so albernen Gedanken, dass ihr schwindelig wurde. Schwindelig aufgrund der Absurdität der Situation und schwindelig angesichts einer dummen Entscheidung, die in ihrem Kopf getroffen werden musste. Welche Wahl hatte sie denn in der jetzigen Situation. Dieser kleine Bursche war die einzige Hoffnung, die sie alle in jener Situation noch besaßen. Niemand hatte eine Option in diesem blutroten Trauerspiel der Welt, es gab nichts mehr, keinen Weg, keine Option. Womöglich lag die einzige Rettung tatsächlich nur in Hyrule. „Du musst mir glauben“, wiederholte er. „Ich sagte, ich habe einen Plan. Ich habe nie behauptet, einen perfekten Plan zu haben. Ihr schafft das schon…“ Er musterte die Schicksalsprinzessin erwartungsfroh. Zelda seufzte einmal mehr. „Gut. Wo ist der Haken?“ Als ob es an diesem seltsamen Plan nicht schon genügend Haken gab? „Um nach Hyrule zu gelangen, benötigt ihr noch drei weitere Gegenstände: Zwei Energien und etwas, was damals in Hyrule einen unermesslichen Wert hatte.“ Ein Geistesblitz schoss durch Zeldas Kopf. Er meinte sicherlich das Medaillon der Mächtigen, aber welche zwei Energien? „Dann gibt es noch einen zweiten Haken. Ihr habt nicht ewig Zeit. Bis zum gesättigten Blutmond müsst ihr die Gefäße gefunden haben, denn dann…“ Er traute sich kaum weiterzureden und blinzelte. „… dann ist es zu spät…“, beendete Zelda den Satz für ihn. Er nickte nur beflissen, wollte nicht formulieren, was dies wohl bedeutete, aber für die Prinzessin brach eine Flut an Bildern in ihrem Inneren zutage. Sie wusste es, sie ahnte um die Zeichen, die das Ende verkündeten. Es gab eine kurze Zeitspanne für diesen Plan, eine brenzlige Zeitspanne, in welcher das beinah Undenkbare geschafft werden musste. Der Blutmond, unersättlich, pulsierend rot, fiebrig und übel, hatte eine unheimliche Bewandtnis für die einzige Option zum Sieg des Guten. Wenn er am Himmel leuchten würde, so stark und bestialisch wie in ihrem Traum, dann war die Welt nicht mehr zu retten. Dann überschrieben Zarnas Splitter jedes Wesen mit Missgunst, dann war die Welt unter dem blutroten Vorhang der Dämonen zugrunde gerichtet. Aber wie nur sollte dieser Plan funktionieren? Wie sollte man innerhalb von einigen Wochen durch ganz Hyrule reisen und irgendwelche magischen Fläschchen mit alten Elixieren suchen? Hyrule war schließlich größer als in einem Konsolenspiel. Hyrule war zu großen Teilen ein absolut wildes Land, und nicht nur mögliche dämonische Kreaturen, sondern auch extreme Witterungsbedingungen, würden eine Reise durch jene Welt deutlich erschweren. Hinzukam das Faktum, dass Zelda von magischen Elixieren, die Weisenkräfte verstärken sollten, noch nie etwas gehört hatte. Sicherlich gab es in Hyrule viele magische Orte, Schreine, Tempel, lang vergessene Artefakte und die merkwürdigsten Errungenschaften. Aber jene Orte und Artefakte waren oftmals verschüttet, ausradiert in der Geschichte, kaum zu bergen. Zelda erinnerte sich an den am Schloss zuständigen Archäologen und Zuständigen für jede Ausgrabung alter Errungenschaften. Er hatte nur sehr wenige Objekte und verschollene Tempelanlagen ausfindig machen können. Es war ein Feld, für das in dem Zeitalter des Helden der Zeit schlichtweg die Möglichkeiten und auch die Technik fehlte. Hyrule war nun mal nicht die Erde, auf welcher es Fortschritte zuhauf in diesem Bereich gab. „Und es gibt noch einen dritten Haken. Da du Link in Hyrule führen musst, kannst du nicht als siebte Weise fungieren. Ein anderer muss an deine Stellte treten. Aber auf die Persönlichkeit, die deine Aufgabe übernimmt, wirst du in wenigen Stunden treffen, zumindest sagt das der Plan.“ Zelda seufzte und nickte mit spürbarem Magendrücken. Nicht nur, dass alles an diesem Plan unsicher war, es ängstigte und erfreute sie die Vorstellung gemeinsam mit Link nach Hyrule zu reisen gleichzeitig… und natürlich fragte sie sich, ob nicht vielleicht der wiedergeborene Shiek, der so unglaublich stabil, resilient und fähig war, besser für diese Mission geeignet schien. „Okay“, sprach Zelda schwach. Ihre Zweifel beluden ihre Stimmbänder verräterisch. Der kleine Kerl leuchtete schließlich wieder in jenem reinen Licht, wie zu Beginn seines Erscheinens. Er blickte Zelda mit einem kindlichen, aufmunterndem Lächeln an. Doch bevor er verschwand, hüpfte er auf ihren Schoß, umarmte sie und gab ihr einen kleinen Schmatz auf die rechte Wange. „Es wird alles gut, hab‘ Vertrauen. Und denk’ bitte an mich. Sonst existiere ich nicht.“ Damit verschwand der kleine Kerl und hinterließ eine verwirrte Zelda. In dem Augenblick setzte sich Link aufrecht. Er gähnte mit einem Wie- spät- ist- es- und- habe- ich- zu- lange- geschlafen- Blick und streckte seine Arme in die Höhe. Sie hatten beide kaum fünf Stunden Schlaf abbekommen, aber Link sah unglaublich erholt und kräftig aus. Seine frischen, strahlenden Gesichtszüge versetzten Zeldas Herz in verliebte Schwingungen. Selbst das Lächeln, das sich um seine Mundwinkel bildete, schien zu strahlen. Bei Hylia, dieser Mann war so tapfer und stark, und das am Ende der Welt… Zelda blickte verlegen zur kratzigen Decke: „Ich habe einen Plan. Wir müssen einige Vorbereitungen treffen.“ Link lächelte ihr aufmunternd entgegen, so wie der kleine Knirps von vorhin. Aber Überraschung lag überhaupt nicht in seinem Blick. „Ich weiß, Zelda“, sagte er. „Du hast die ganze Zeit zugehört?“ „Jep, aber nicht alles von Anfang an, sorry, ich war im Halbschlaf. Nimmst du mir das übel?“ Und er gähnte schon wieder unter einem weiteren gutmütigen Grinsen. Sie schüttelte mit dem Kopf. Da sie von seinem Tod träumte, wusste sie nicht, ob sie ihm jemals wieder wegen irgendeiner Kleinigkeit böse sein konnte… „Dieser Junge…“, begann Link. „Er ist mir schon einige Male begegnet, er ist ein vertrauenswürdiger Charakter.“ Er rutschte etwas näher und versuchte Zeldas mit Schatten belegtes Gesicht zu deuten. Er spürte eine neue Bedrückung in ihren Gesichtszügen, dort, in dem Spalt, wo mit winzigen Tränenspuren ihre Augen endeten und ihre dunkelblonden Wimpern begannen, und dort, wo ihre vollen Mundwinkel sich darum bemühten eine kämpfende Verzweiflung zu kaschieren. „Er war bei uns… letzte Nacht“, setzte Link hinzu, aber spürte, dass er Zelda kaum erreichte. In ihren Augen lag eine Reise in eine neue Form von Betrübnis, die ihn ängstigte. Und es gab nicht viel, das ihm Angst machte. Mit dem Gefühl, Zelda könnte sich in Luft auflösen, genauso wie zu Beginn ihres Abenteuers auf der Erde, packte er sie etwas zu energisch an ihren Oberarmen. Zelda nickte dann lediglich und erhob sich. Einmal mehr krochen die Bilder ihres Alptraums an die Oberfläche, hinterließen nichts als Schmerz… diesen altbekannten Schmerz, das alles, was sie tat zur Rettung der Welt jedes Opfer von ihr forderte. Jedes Opfer, absolut jedes… Sie trat mit dem Rücken zu ihm, fürchtete sich, er sah die Wahrheit in ihrem Blick. Die Wahrheit darüber, dass sie ihn erneut abweisen würde. „Dieser Plan ist unsere beste Option, wir müssen diesen so schnell wie möglich in die Tat umsetzen.“ Kühl kamen jene sachlichen Worte über ihre Lippen. „Link, bitte steh‘ auf, und lass‘ uns die Einzelheiten mit den anderen besprechen.“ Link schluckte, fühlte sich, als krachte gerade eine Mauer auf ihn hernieder, obwohl in Zeldas Worten nur Sachlichkeit lag. Und doch konnte er sich aus dem ablehnenden Gefühl gerade keinen Reim machen. Er hüpfte mit einem gekonnten Sprung vom Bett und folgte ihr mit einem unüberhörbaren Seufzen. Die Kinder des Schicksals begaben sich in den großen Aufenthaltsraum, wo es sich Impa und Dar bequem gemacht hatten. Beide saßen über einer wärmenden Suppe, ausgelaugt und grüblerisch. Als die Prinzessin in den Raum trat, mit diesem gefassten Blick, den Impa nur zu gut kannte, erhellte sich beinahe der Raum. Dar und Ines folgten den erklärenden Äußerungen der Prinzessin, bestaunten jede Einzelheit des ungewöhnlichen Planes. Zelda unterließ es aber den kleinen Bengel zu erwähnen, was Link ein wenig verwunderte. Obwohl… auch er war einem ungewöhnlichen Instinkt gefolgt den Jungen geheim zu halten. Nach einer halben Ewigkeit endete Zelda mit ihrem Vortrag und Ines machte ein Gesicht der Überraschung, das ihr im Grunde genommen nicht stand. Entsetzen passte nun mal nicht zur stolzen Direktorin. „Und du bist dir sicher, dass das funktioniert? Bei Hylia…“ Impa verschränkte die Arme und ließ ihre Zweifel über das Gesicht fallen. „Ich wage gar nicht zu fragen, wie du darauf gekommen bist.“ Mit einer neuen Form von Zerstreuung ließ die einstige Königstochter den Kopf sinken. „Ich habe vor Ewigkeiten einst in Hyrule von solchen Elixieren gelesen und auch davon, dass jene anhand der Elemente erschaffen wurden, und dass jene in der Lage sind Kräfte zu verstärken, aber dieses Ziel… Zelda, das kann nicht dein Ernst sein? Hast du denn nicht bedacht, dass selbst verstärkte Kräfte uns Ganon nicht versiegeln lassen könnten?“ Zelda knirschte mit den Zähnen, eine Gestik, die Link noch nie gesehen hatte. Seine vornehme, auf ihre Regungen bedachte Adlige, knirschte mit den Zähnen. Es amüsierte ihn so sehr, dass er schmunzelte und ein belehrendes Räuspern von Impa erntete. „Du meinst es wirklich ernst?“ Mit kühlem Blick sah die Prinzessin auf. Und ein weiteres Mal fiel Impa aus allen Wolken. Das Verhalten der Prinzessin besaß seit ihrem Erscheinen auf der Erdenwelt noch mehr übertriebene Eigensinnigkeit als früher. Noch mehr maßlose Sturheit, noch mehr Unvorhersehbarkeit. Also, was brachte es der stolzen Direktorin Zeldas Worte in Frage zu stellen? Impa seufzte und strich sich mit ihren großen Händen ansatzweise einige Bedenken aus ihrem Gesicht. „Also gut, Zelda, wie du es wünschst.“ Dann fixierte sie den jungen Heroen. „Ich nehme mal an, du stehst hinter diesem Plan?“ Link nickte und wackelte verwundert mit der spitzen Nase. Hatte Impa auf seine Bedenken gehofft, ja, gehofft, dass er Zelda diesen möglichen Plan ausredete? Es war merkwürdig, dass Impa ihn bohrend anstarrte und auf Widerworte wartete. „Ich stehe vollkommen hinter diesem Plan“, sprach er, so ergeben und loyal wie immer. Er konnte den Ansatz von Zeldas Lächeln in ihren schönen Gesichtszügen entdecken und lächelte ebenfalls. „Was meinst du dazu, Darunia?“, murrte Ines und kam sich vor, als wäre sie die einzige in diesem Raum, die noch versuchte mit einem Sinn für Realität und Verstand an die Rettung der Welt heranzugehen. Der gut gelaunte Arzt hatte bisher geschwiegen und streichelte seinen vollen Bauch. Mit unendlicher Ruhe hatte er während der Konversation nichts anderes getan als ein paar saftige Hähnchenschenkel von gestern zu verspeisen. Man merkte ihm an, dass er gutes Essen liebte, vielleicht gerade deshalb weil er als einstiger Gorone eine eher begrenzte Geschmacksvielfalt kennen durfte. „Was soll ich denn dazu sagen, Impa?“, sprach er. „Außer, dass uns nichts anderes übrig bleibt als alle Vorbereitungen zu treffen.“ Ines Schattener schenkte ihm einen bitterbösen Blick, der selbst Zelda erheiterte. Zumindest von Dar hatte die stolze Shiekah etwas mehr Resonanz und Bedenken erwartet. Darunia tupfte mit einer Serviette um seine Mundwinkel und erhob sich. „Es gibt nur eine Sache, die mir schleierhaft ist und Bauchweh bereitet.“ Ein dankendes Grinsen um Impas Augen amüsierte den ehemaligen Goronen, sodass er kurz auflachte. „Es geht um den Blutmond.“ Er fixierte schließlich Link mit seinen gutmütigen, schokoladenbraunen Augen. „Prinzessin, du hast gesagt, wir haben nur Zeit bis zu dem gesättigten Blutmond. Wenn jener über die Welt steigt, dann lodern Zarnas Splitter in dem schlimmsten Glanz… nur…“ Er sah nicht in Zeldas Gesichtszüge während er sprach, sondern blickte noch immer starr in Links Richtung. „… wann wird sich dieser Blutmond erheben? Für diesen gibt es einen anderen Zyklus als es der normale Mond am Himmel verrät. Wie viel Zeit bleibt uns tatsächlich bis jener sich zeigt?“ „In etwa drei bis vier Wochen fällt er über die Welt…“, hauchte Zelda träge. „Ich weiß es einfach…“ Eine spürbare Unruhe ergriff Besitz von Zeldas glockenheller Stimme. Zögerlich legte Link ihr eine Hand auf die angespannte Schulter. Er war fast schon erschrocken wie verkrampft sich Zelda plötzlich anfühlte, so fest wie Stein… einmal mehr spürte er Abweisung und hoffte, es lag wirklich nur an dieser unentrinnbaren Situation. „Also gut, Leute, lasst uns mal die restlichen Weisen verständigen.“, entkräftete Darunia die nächste Welle einer sich unangenehm anfühlenden Stille in dem Raum. Obwohl es so verständlich war… jeder im Raum zweifelte… jeder hatte seine Bedenken in diesem Alptraum falsche Entscheidungen zu treffen. Der kleinste Fehler könnte dazu führen, dass sie alle in Ganons Kerkern saßen und die Schlacht um die Erde ihr jähes Ende fand. „Zum Glück sind mit Zelda eingeschlossen bereits fünf von uns anwesend.“ „Moment mal… von welchen Weisen sprecht ihr eigentlich, ich habe ja verstanden, dass Ines Impa ist und Dar Darunia… aber wer ist da noch?“, sprach Link endlich. Auch ihm waren einige Dinge noch sehr schleierhaft. Als ob sie gerufen worden waren, platzten Naranda und Sara Bravery in den großen Aufenthaltsraum. Sie sahen beide ziemlich verschlafen aus, gähnten mit knurrenden Mägen. Sara begrüßte die anderen mit einem: „Ich hab’ Hunger“, während Naranda ein weiteres Mal gähnte. „Siehst du es denn nicht, Link?“, sprach Darunia und klopfte ihm auf die Schulter, im Übrigen so fest, dass es echt weht tat. „Naboru verkörpert noch immer das Feuer der unbarmherzigen Gerudofrauen.“ „Was soll das denn heißen?“, beschwerte sie sich. „Ich bin nicht unbarmherzig, du Steine verschlingender Geröllhaufen.“ „Sag‘ ich doch“, lachte Dar und schickte der einstigen Gerudokriegerin ein entschuldigendes Schmunzeln, das sie mit einem Zwinkern annahm. „Und dann haben wir da noch Sara“, meinte Ines und lüftete endlich eines der letzten Geheimnisse vor Link. „unsere tatkräftigte, schlaue und im übrigen unsterbliche Heilige der Wälder.“ So war das also… der jugendliche Heroe wollte eigentlich etwas von der Überraschung zeigen, die ihn erfüllte und doch… schwappte diese Erkenntnis wie eine ruhige Welle über ihn hinweg. Was sollte ihn auch noch überraschen? Er hatte ohnehin geahnt, dass es einen Grund gab, warum Sara in diesen Alptraum früherer Leben einbezogen war. Irgendwo in stillen Kämmerchen seiner Seele wusste er es, hatte es immer gewusst. Sara war eben nicht einfach nur seine kleine Schwester und seine beste Freundin, Sara war genauso wie Zelda und die anderen über die Welten hinaus mit ihm in dem unentrinnbaren Rad des Schicksals verbunden. Sara blickte ihm entschuldigend entgegen. Schon wieder… schon wieder musste sie sich bei ihm für die Unwahrheit entschuldigen. „Link, ich… ich wollte keine Geheimnisse vor dir haben. Es ist in letzter Zeit einiges schief gelaufen…“, erklärte sie. Er fühlte den Anflug von verräterischem Misstrauen, fühlte eine Entehrung von Saras Seite, aber er hatte auch nicht den Wunsch für diesen Unsinn die Beziehung zu seiner Schwester zu begraben. Erst recht nicht in dieser Situation, wo die Welt auf Messers Schneide stand. Verfehlungen und Konflikte wie diese gehörten einfach nicht hierher… diese Dinge und den dahinter liegenden Frust könnten sie besprechen, wenn sie heil Ganondorfs Krieg überstanden hatten. „Ich habe meine Erinnerungen aus Hyrule in den letzten Wochen wieder gefunden… es war sehr belastend und schwer und ich habe dich damit nicht beladen wollen.“ Natürlich, auch Sara war eben eher der Typ dies alleine zu bewältigen. Und sie schaffte dies auch, sie war stärker als ihr Äußeres verriet. Link entschied sich diese Wahrheiten schweigend anzunehmen, was sollte er dazu auch sagen? Kein Wort, das über seine Lippen kam, könnte ausdrücken wie verrückt das alles für ihn war. Kein Wort, das in seiner Kehle nach Gehör suchte, könnte nur ansatzweise erklären wie er sich in diesem Alptraum fühlte… Und kein Wort, das in seiner Seele schwelte, würde den Druck entlasten, der in ihm brannte wie ein explosives Feuer. Der Druck aller Erwartungen, die an ihn gestellt wurden, da er doch der Mutbringer Hyrules war. Der Druck der eine Held zu sein… Er lehnte sich an eine der Wände, schwieg und beobachtete die Wesen hier mit ihren menschlichen Maskeraden. Eine Melancholie erfüllte sein jugendliches Herz, die er selten gespürt hatte. Ob diese magischen, begabten und rechtschaffenen Wesen jemals wieder auf diese Weise zusammenkommen würden, dann wenn der Kampf in die entscheidende Phase ging? Würde das Lebenslicht jedes einzelnen auch dann leuchten, wenn Ganondorf fiel? „Zwei von uns fehlen noch… Richard und Rutara, dann sind wir komplett“, sprach Impa zusammenfassend. „Aber nach wie vor ist mir ein Rätsel, wer deine Position als siebte Weise einnehmen soll.“ Zelda wirkte nicht überrascht und auch nicht verunsichert diesbezüglich. „Jemand ist auf dem Weg zu uns, du wirst dich wundern, Impa“, endlich löste sich Zeldas gramerfülltes Gesicht in etwas Linkisches, Tückisches. „In Ordnung“, sprach die Weise der Schatten. „Auf zur nächsten Phase unseres Plans.“ Beinahe unheilig thronte die muskulöse, hochgewachsene Ines Schattener in der Mitte des Raumes, wie eine heimliche Anführerin steckte sie die Wege und Möglichkeiten ab. „Wir haben den Weisen des Lichts und die Weise des Wassers telepathisch verständigt, schon vor einer Weile, was uns jetzt noch fehlt, sind die Energien, von denen ihr gesprochen habt.“ Fragend durchbohrten Ines‘ rubinrote Augen diejenigen der schönen Prinzessin. „Diese Energien werde ich beschaffen“, erklärte Link unmissverständlich, befehlsgewaltig, sodass ihn alle im Raum erschrocken anblickten. Seine raue, starke Stimme ließ nicht einmal eine winzige Gelegenheit jene zum Wanken zu bringen. Und auch Links leuchtend blaue Augen schnitten mit deutlicher, scharfer Prägnanz durch den Raum, forderten Zustimmung für sein Vorhaben von jedem einzelnen. Und tatsächlich wagte sich keiner zu widersprechen. „Vor einiger Zeit habe ich Ganondorf zwei ungewöhnliche Bilder entwendet… es ist nicht ganz klar, was diese sind und womit jene angereichert sind, aber sie pulsieren vor Energie. Ich habe diese Gemälde damals ins Antiquitätenzentrum gebracht“, erklärte Link unbeugsam. Zelda stockte der Atem, als sie ihn sprechen hörte. Seine Stimme so rau und gewaltig wie ein schäumendes, ungeduldiges Meer… „Ich weiß, wo diese sind, und es ist meine Aufgabe diese zu beschaffen“, sprach er noch einmal, mit einem warnenden Blick in Zeldas Richtung. Er schlug sich so unglaublich tapfer, ihre Anerkennung war alles, was sie ihm mit Blicken schenken wollte. So tapfer, obwohl er als einziger keine Erinnerungen an Hyrule in sich trug. Dennoch erfüllte sie der Gedanke, er machte sich auf den Weg ins Stadtzentrum mit einem furchtbaren Gefühl der Reue und Verlustangst. Ob sie ihn wirklich alleine ziehen lassen sollte? Der Heroe machte sich schließlich wortlos bereit in die Stadt zu gehen, bereit für einige Kämpfe und Beschwerlichkeiten, während Zelda Naranda und Sara den Plan ein weiteres Mal darlegte. Link zeigt weder Furcht, noch Zweifel oder Überraschung, zog sich eine Jacke an, legte sich seine Dolche um und nahm Leon Johnsons blutbeflecktes Schwert auf den Rücken. Er würgte noch drei Scheiben Brot herunter, trank etwas und verabschiedete sich kurz angebunden mit einem belanglosen Abschiedsgruß von den anderen. Irritiert blickten die Überlebenden von Ganondorfs Angriffswelle ihm hinterher und alle schienen mit ihren Blicken dasselbe Gefühl und dieselben verwunderten Worte zu transportieren. Sie waren entsetzt mit welcher Fassung und gefährlichen Ruhe Link die aktuellen Hürden annahm… Gerade wollte er den Mechanismus zum Verschieben der schweren Stahltür betätigen, als Zelda unerwartet in dem halberleuchteten Korridor stand. Er bemerkte sie, auch wenn er nur widerwillig weitere Abschiedsworte an sie richten wollte, bemerkte ihre Sorgen und verschwiegenen Bedürfnisse. Sie sah ihn nicht direkt an, aber machte mit gefalteten Händen und glasigen Augen den Eindruck, noch etwas sagen zu müssen. Link wand sich schließlich zu ihr und sprach leise: „Mach’ dir keine Sorgen. Ich pass auf mich auf.“ Es fiel ihm schwer sich gerade jetzt auf etwas Nähe einzulassen, nicht nach der spürbaren Abweisung von ihr und nicht ausgerechnet jetzt, wo er alle Konzentration für diesen Weg in die Stadt brauchte. „Du musst das nicht alleine erledigen, Link“, sprach sie endlich, aber eigentlich wollte sie sagen ,Warum kann ich nicht mit dir gehen?‘ Sie sprach es nicht aus, vielleicht auch, weil sie wusste, was er antworten würde. Er wollte sie nicht dabei haben, weil sie dann in Gefahr wäre, weil er auf sie aufpassen müsste. Sie ließ ihn nicht antworten und sprach aufgeregt weiter. „Und warum kann das niemand anderer erledigen?“ Aber der Heroe konnte kaum glauben, was er da hörte. War Zelda nach den irrsinnig langen Disputen nun endlich mal egoistisch? Zum Teil war das fast etwas erfreulich für ihn… wenn sie so um sein Wohlergehen besorgt war, dass sie nicht wollte, dass er ging, dann konnte er noch immer hoffen, sie auf einer innigeren Ebene zu erreichen. Sie schluchzte dann und drehte sich um ihre Achse. Einmal mehr wusste er, dass sie etwas vor ihm verschwieg. „Entschuldige, das war selbstsüchtig von mir“, sprach sie. „Sei’ bitte einfach vorsichtig“, sagte sie dann etwas lauter. „Immer…“, sprach Link endlich, sein Schweigen seit sie den Plan enthüllt hatten, war kaum auszuhalten. „Und… überstürze nichts… Es ist mir egal, wie lange du brauchst… Hauptsache, du kommst heil zurück“, meinte sie leise. Dann endlich riss in Zeldas Innerem endlich der Faden und sie warf sich in seine Arme, überforderte Link damit jedoch. Er war von so viel plötzlicher Zuneigung überrascht, aber genoss es. Sein inneres Gefühlschaos entschied sich die behütende Starre abzulegen, die er in den letzten Minuten aufrechterhielt bis er die Umarmung erwiderte und Zeldas erschöpften Körper an sich drückte. Ihre Wärme löschte die Bitterkeit, die in ihm kämpfte, dieser Sog seiner Bestimmung, welcher so gewaltsam an ihm zerrte, dass er glaubte nicht mehr lächeln zu können. Er wusste nicht genau, was es ausgelöst hatte, er wusste nur, dass er sich seit vorhin irgendwie gespalten und allein gelassen fühlte. „Mach keine Dummheiten, solange ich weg bin, ja“, sagte er schließlich, löste sich mit dankbar geschmeidigen Gesichtszügen aus ihrer Umarmung und wollte nur noch einmal in ihren himmelblauen Augen träumen und einmal mehr seine eigene gestorbene Unschuld entdecken… „Bitte sei einfach wachsam…“, sprach sie stockend. Dieser erzwungene Abschied schnürte ihr die Kehle zu. Sie wollte noch so vieles sagen, und doch schloss sich in ihrem Inneren jede einzelne Tür zu ihren Gefühlen. „Zelda… ich komme zu dir zurück, ich verspreche es…“, seine Stimme so warm und weich, ganz anders als der Krieger, den er in den letzten Minuten mit energischer Härte dargestellt hatte. Trübsinnig tauchte er in Zeldas Blicke ein, träumte noch einmal seine unerfüllten Sehnsüchte, bis er mit einem letzten aufmunternden Lächeln aus den Kellerräumen verschwand. Die schwere Stahltür verriegelte sich aufbrausend, für Zelda fiel diese Mauer als beängstigende Grenze ihrer eigenen Sehnsüchte nieder. Sie streckte noch einmal ihre Hände nach ihm aus, gerade dann, als er schon lange aus dem Keller verschwunden war und ließ weitere Tränen über ihre Wangen fallen. War das alles, wozu sie fähig war, fragte sie sich. Es könnte das letzte Mal sein, dass sie Link lebend sah und alles, was sie ihm sagen konnte, waren ein paar alberne, überflüssige Ratschläge? Anstatt ihm endlich zu sagen, was sie schon seit Jahrhunderten mit sich herum schleppte, ihm endlich zu sagen, dass er alles für sie war… Sich einmal mehr für ihr Unvermögen Gefühle zu zeigen tadelnd, trat die brünette, junge Lady zurück in den großen Besprechungsraum, vermied einen direkten Blickkontakt mit den Anwesenden. „Zelda, ist alles in Ordnung“, murmelte Sara, die gerade genüsslich eine Nudelsuppe schlürfte. Es war das belanglose Kopfschütteln der Prinzessin, versteckt, sparsam und schützend, dass auch Impa die Augenbrauen hochziehen ließ. „Willst du denn nichts essen“, sagte sie, aber Zelda reagierte nicht darauf und zog sich mit dem Wunsch alleine zu sein in die kleine Kammer zurück, wo das ungewöhnliche Kind erschienen war, das den so unglaubwürdigen Plan vermittelt hatte. Sie tapste hinüber zu dem Schlafsofa, wo Link vor wenigen Minuten noch geruht hatte, strich über das Polster in der Hoffnung noch etwas von ihm darin spüren zu können. Sie zwang sich in ihre aufgesetzte Stabilität und versuchte in jener frustrierenden Situation den Verstand nicht zu verlieren. Alte Schuldgefühle, stetig unter Verschluss gehalten, krochen in ihren Mund, formten demütigende Worte mit dem Begehr sich selbst für den Zustand dieser Welt zu zerfleischen. Was war, was hätte sein können, Fehler, die ihre blutbesudelten Hände formten, Fehler, an denen ihr Seelengleichgewicht zerberstet war. Wie nur war dies alles, ihr Schicksal, ihre Existenz, so mit diesen alten Ängsten beladen? War sie in ihrer gesamten Existenz denn nicht zu einigen Teilen gereift, hatte sie wirklich nichts gelernt in all den Jahrhunderten in einer körperlosen Geistform? Zelda erschrak beinahe an der Grausamkeit ihrer eigenen Gedanken, ihr erschöpfter Körper sank auf dem Schlafsofa nieder, umhüllt von Links Aura, die hier noch fühlbar war. Sie fand etwas Trost in der Dunkelheit ihrer geschlossenen Augenlider, ließ ihre Gedanken kreisen in der Hoffnung ihren Heroen in den kommenden Stürmen zu unterstützen. Der Held schlüpfte in dem Moment wie ein Schatten durch die noch immer nicht verriegelte Balkontür von Zeldas Schlafzimmer und verließ die Villa über denselben Weg, durch den er den Rat der Überlebenden gefunden hatte. Während er die Regenrinne hinabkletterte, und er den ruhelosen, staubtrockenen Wind lärmen hörte, fiel der erbarmungslose Alptraum auch in seinen Gedanken in Gestalt von pochenden Zweifeln hernieder. Auch er kämpfte mit Illusionen einer besseren Welt, Illusionen über andere, erfolgreichere Wege in diesem Leben und eben auch mit brennenden Fragen darüber, was wäre, wenn er sein Schicksal früher angenommen hätte. In der gespenstische leeren Einöde der Welt marschierte er vorwärts, begleitet von dem blutroten Schatten, den der Himmel warf, und auch in ihm kreiste der Gedanke, ob er diesen Ort, wo die letzten Überlebenden in ihrer Bastion des Guten die Weltenrettung voranbrachten, jemals wieder erreichen würde und ob er den Abschied von seiner Prinzessin nicht ausdehnen hätte sollen… Mit der Wachsamkeit eines Raubtiers entschied er sich einmal mehr den verbeulten, aber funktionsfähigen Pkw zu nutzen, stieg in das knarrende Fahrzeug und startete vorsichtig den Motor. Seine letzten Zweifel verblassten im Leuchten seiner Entschlossenheit, alles, was jetzt noch auf ihn wartete, durchzustehen, den Mut zu finden, den andere nicht fanden und das Licht für diese gefallene Welt zu sein… Link fuhr langsam die Einfahrt heraus, als ihn weder Herzrasen, schlotternde Knie, oder Skrupel begleiteten. Alles, was in ihm zu atmen begann in dem Krieg des Bösen war der tosende Funke seines Mutes, der ihn anspornte, und welcher seine Mundwinkel nach oben bewegte. Er wusste es immer deutlicher mit einer gefährlichen Zuversicht und Stärke. Er wusste, dass er seine Zelda in wenigen Stunden wieder sehen würde. Denn die Hoffnung starb immer als letzte. Er würde kämpfen und der letzte Funke Hoffnung würde ihn begleiten… Kapitel 44: Kostbarer Verlust ----------------------------- In der entseelten Starre Schicksalshorts bewegte sich ein alter, klappriger Pkw vorwärts, schwach leuchtende Lichter des Fahrzeugs waren die einzige unnatürliche Lichtquelle in der bitteren Zerstörung, die hier vor noch wenigen Minuten wie ein gnadenloser Sturm niedergekracht war. Überall waren Gebäude zertrümmert, die Reste menschlicher Zivilisation unter Klauen des Bösen zu Schutt und Asche zermalmt. Mit Entsetzen in seinen mutigen, tiefblauen Augen bezeugte der letzte Heroe der Welt das Ende, erwartete in jedem nächsten Blick noch mehr Verwüstung und noch mehr Elend und Leid zu erleben. Das fühlende Entsetzen in seinen Seelenspiegeln wandelte sich zu Trauer, zu tiefer, leidvoller Trauer… Der Zustand dieser Welt ließ Links Augen tränen, obwohl er diesen apokalyptischen Wahnsinn mit so viel Standfestigkeit angenommen hatte. Orte, die er kannte, die er als Kind besucht hatte, waren nun in den barbarischen Schlachterhänden des Bösen gefallen. Orte, wo einst Fröhlichkeit und Sinnhaftigkeit lebten, zerfielen unter den Händen das Bösen zu wertlosem Staub… Link erinnerte die Schönheit dieser Welt mit einem neuen Gefühl von Trauer und Verlust… Die holprigen Gassen in der Altstadt, wo er als Kind mit Kreide eine Phantasiesprache auf das Gestein gemalt hatte. Die Einkaufsmeile, wo er mit seiner Clique das erste Mal als Teenager eine Nacht durchgemacht und eigentlich ziemlich schnell das Interesse an Partyabenden verloren hatte. Dann… hier inmitten von Geschäften und Cafés, wo er das erste Mal ein Zeldaspiel in einem versteckten Laden erworben hatte… Der Verlust von allem, was sein Leben hier auf der Erde ausgemacht hatte, tat ihm erschreckend weh, und das obwohl er sich immer nach einer anderen Welt gesehnt hatte. Mit ein paar Tränen in den Augen fuhr der junge Heroe weiter, verabschiedete sich mit einem unguten Gefühl der Vorahnung von diesen vertrauten Plätzen und überlegte, ob er es wagen sollte in die Straße der Erinnerung zu fahren, dort, wo sein Wohnhaus war, dort, wo sich seine Eltern vielleicht versteckt hielten. Natürlich wusste er, wie unwahrscheinlich dies war, natürlich ahnte Link, dass sie entweder geflohen waren so wie viele andere… oder… und der Gedanke ließ ihn nun doch eine weniger durchdachte Entscheidung treffen… Oder sie waren durch Zarnas Splitter bereits in Kreaturen des dunklen Fürsten verwandelt worden… Link biss sich auf die Unterlippe, während er kurz einen Blick zu dem weißlich glimmenden Stahlschwert von Leon Johnson warf, das er auf dem Beifahrersitz abgelegt hatte. Er wusste, dass sein Erfolg die Energien zu beschaffen die einzige Chance zur Rettung der Welt darstellte, aber ein Funke Pflichtgefühl in ihm nach dem Verbleib seiner Familie zu schauen, ließ sich nicht erlöschen. Er war der legendäre Heroe, ob nun in dieser Welt oder einer anderen. War er es seinen Eltern, die ihn mit so viel Liebe durch alle Hürden seines Lebens gebracht hatten, nicht schuldig zumindest nachzusehen? Er brauchte die Gewissheit… er brauchte nur Gewissheit. Und dieser pflichtbewusste Funke ließ sich auch jetzt nicht abstellen… Mit neuer Unruhe fuhr der Heroe ein wenig schneller in Richtung seines Elternhauses, entschuldigte sich innerlich bei Zelda und den Weisen für das ablenkende Vorhaben, aber er konnte diesen Gedanken kaum mehr ignorieren nach seinen Eltern zu suchen. Zielstrebig führte ihn der Weg seiner Bestimmung zu dem Platz, den er schon immer sein Heim nennen durfte. Das Haus der Familie Bravery. Wenige Minuten später gelangte Link in eine rauchige, und doch entseelte Straße der Erinnerung. Ein glühender Dunst hing in der Luft, vibrierte über den ansehnlichen, bunten Familienhäusern, die doch nur noch in einen grauen, fleckigen Mantel gehüllt schienen. Das Teer der Straße dampfte, roch nach Säure und Galle. Als Link sich mit dem Schwert in der Hand aus dem Fahrzeug begab, erstickte ihn der nach Verwesung stinkender Geruch für wenige Augenblicke, ließ ihn sich übel fühlen. Und da wurde ihm bewusst, dass Ganons Verseuchung hier noch weitaus mehr Schaden angerichtet haben musste als im Stadtzentrum, vielleicht weil er tatsächlich wusste, wo Link wohnte, oder weil Sara, eine der Weisen, hier gelebt hatte. Es war die Anwesenheit des Bösen in der glimmenden Luft, schwül, unangenehm und drückend, die sich anfühlte wie Hunderte Nadelstiche in seinem Kopf. Oder konnte es schlichtweg sein, dass die dunkle Magie des Bösen anwuchs, immer mehr anwuchs, bis das Leben hier auf der Erde überhaupt nicht mehr möglich war? Link verscheuchte den Gedanken mit zielstrebigen Schritten, die er in Richtung der Eingangstür seines Elternhauses tat. Er verscheuchte die Trauer und den Trübsal mit einem hoffnungsvollen Gedanken daran für die Rettung der Welt alles zu tun, was in seiner Macht stand. Und immerhin hatten sie nun einen Plan, einen unsicheren, zum Scheitern verdammten Plan, aber es war ein Plan… Als Link durch eine aufgebrochene Tür in sein Elternhaus eintrat, fokussierte er jeden Quadratmeter mit Argusaugen, bis er realisierte, dass hier in diesem verlassenen Haus, wo er die meiste Zeit seines Lebens verbracht hatte, nichts mehr war, das noch Wärme oder Familie bedeutete. Unter den vom Himmel fallenden dunklen Vorhang des Bösen war selbst hier die niedere Energie eingezogen und hatte die Besinnlichkeit, Schönheit und Wärme geraubt, die doch so viele Jahre dieses Haus erfüllt hatte. Link kniff seine Augen zusammen, spürend, dass er seine Eltern nicht mehr wiedersehen würde, spürend, dass er seiner Mutter niemals sagen konnte wie dankbar er doch für alles war, was sie ihm gegeben hatte. Er hetzte schließlich ins obere Stockwerk, betrat sein Zimmer und kramte in der Düsternis einige Objekte aus seinem Schrank. Er wusste, er hatte keine Zeit sich zu lange hier aufzuhalten, aber wenn er tatsächlich mit Zelda Hyrule besuchen würde, dann gab es einige Gegenstände, die er mitnehmen musste wie beispielsweise seine weiße Okarina. Mit Abschiedsworten auf seinen Lippen verließ er diesen Platz am Ende der Gezeiten, verließ den Traum einer glücklichen Jugend und setzte seine Mission fort. Nach einer weiteren viertel Stunde nervöser Fahrt erreichte der wackere Heroe das scheinbar unversehrte Antiquitätenzentrum hier im Stadtkern Schicksalshorts. Mit dem glutroten Schein, der das Gebäude bemalte, und der Tatsache, dass es das einzige Gebäude im Umkreis war, das noch stand, wirkte es beinahe einladend auf ihn. Es war absurd, dachte Link einmal mehr, dieser Irrsinn, dass er seiner Bestimmung folgte. Der unglaubliche Irrsinn, dass er genau das tat, was er noch vor Zeldas Erscheinen auf der Erde, auf eine verbotene Weise, ersehnt hatte. Nein, sprach er zu sich, er hatte sich diesen Zustand nicht ersehnt, aber er hatte es gewusst. Gewusst, dass es unabwendbar war. Er schüttelte seine Zweifel einmal mehr ab, erhob sich mit dem weißen Stahlschwert in dieser gifttrunkenden Stille, wo keine Menschenseele und auch kein Monster zugegen schien. Es war eine gespenstische Ruhe vor dem Sturm, nicht eine Kreatur des Bösen anzutreffen, so gespenstisch, dass Link auf einen möglichen Hinterhalt gefasst war. Er hatte mit allem gerechnet, vor allem mit Kämpfen, aber diese Stille beunruhigte ihn… Seine ozeanblauen Augen wanderten zu dem blutroten Himmel, und obwohl es dunkel war, bedeckte der krankhafte rote Schimmer das alte Pflastergestein und merkwürdige rötliche Schatten bildeten sich darauf, Schatten von Objekten, die Link nicht einmal ausmachen konnte. Ein weiteres teuflisches Werk des Bösen, ahnte er. Hier auf der gefallenen Welt krochen Schatten vorwärts, die keinen Ursprung mehr hatten, Schatten der grausam und zu unrecht aus dem Leben Gerissenen… Link kramte seine kleine, hilfreiche Taschenlampe hervor, jene, die er als alles begann im Schulkeller benutzt hatte und schlich in das Gebäude hinein, bereit und tapfer, ohne Zweifel, wurde von dem Gebäude verschluckt als wäre jenes ein erster gefahrvoller Tempel der Prüfung hier auf der Erdenwelt. Wach und mit höchster Konzentration bewegte sich Link durch die gigantische Halle im Erdgeschoss, seine Straßenschuhe hallten verräterisch auf gewachstem Marmorboden, hier wo eigentümliche Antiquitäten ausgestellt waren, riesige Statuen aus allen Mythologien der Welt zusammengewürfelt, Bilder, Möbel aus dem alten Ägypten, Griechenland und Rom, sogar Ritterstatuen, die wie einsame Wachposten den Raum mit Furcht beluden. Eine unheimliche Atmosphäre kroch mit glimmendem Schein durch die noch intakten Fenster, belud diese klirrende Halle mit sakraler Verdorbenheit. Link lief aufmerksam durch den Raum und bemühte sich wachende Vasallen Ganons nicht aufzuwecken, falls diese sich irgendwo befanden. Kurz warf er einen Blick auf den Fahrstuhl, hier, wo er durch eine gutmütige List mit Zelda eine Aussprache fand, hier, wo die Erinnerungen an bessere Tage lebten. Die Idee den Fahrstuhl zu benutzen verwarf er ziemlich schnell und ignorierte seinen Leichtsinn diesbezüglich. Erstens wäre der Fahrstuhl zu laut und zweitens könnte dieser stecken bleiben… wenn er überhaupt noch funktionierte… Link suchte in der Dunkelheit mit der Taschenlampe nach dem Treppenaufgang, seufzte und konzentrierte sich auf seinen ruhigen Puls, schlich vorwärts, bereit alles zu tun, was notwendig war um diese Mission voranzubringen. Er entschied das Licht seiner Taschenlampe zu löschen, wissend, es war eine unnötige Bewegung, die Aufruhr in den gefahrvollen Alptraum brachte, wissend, er wollte es nicht riskieren Monster aufzuwecken, die womöglich ihrem Herren Bericht erstatteten. Galant bewegte er sich durch die Schätze hindurch, bemüht nicht einmal ein paar Staubkörner aufzuwirbeln. Nach einer Weile fand er die Tür zu dem Treppenhaus, öffnete diese vorsichtig und zog behutsam seine Klinge. Mit einem tiefen Atemzug trat er über die Schwelle, seine wachen, leuchtenden Augen fokussiert und untrüglich, gewöhnten sich blitzschnell an die veränderten Lichtverhältnisse, wo es noch düsterer zu sein schien, in dem hallenden Treppenaufgang, wo seine Schritte noch verräterischer klangen. Der junge Held umklammerte das Heft des Schwertes so fest er konnte, spürte Sicherheit und Selbstvertrauen mit dem wachsenden Gefühl seiner Schwertkunst. Er entschied das Licht der Taschenlampe einmal mehr einzusetzen, das Licht strömen zu lassen hier, wo kein rötlicher Schein des gestorbenen Himmels weilte. Und einmal mehr war das Glück ihm hold, er entdeckte keine ungewöhnlichen Bewegungen im Treppenaufgang, spürte kein Leben hier, roch keinen giftigen Atem… Langsam spionierte er in der Dunkelheit umher, versuchte jedes Geräusch zu vermeiden. Er setzte einen Fuß vor den anderen und machte nicht zu große Schritte, schlich hinauf, vorsichtig und sicher, erinnerte das Gefühl aus den belehrenden Träumen, erinnerte sich, wie er unbekanntes Terrain beschritten hatte, als ob ihn seine Träume ein grausamer Lehrmeister gewesen waren für alles, was kam und das, was geschehen musste… Je weiter er nach oben schlich, umso deutlicher spürte der junge Held, dass sich in dem Gebäude vielleicht doch noch jemand befand, vielleicht eine verzweifelte Seele, die ganz unscheinbare, kaum vernehmbare Geräusche produzierte, dumpf, kaum wahrzunehmen, ein leises Klacken irgendwo in diesem verdunkelten Wahnsinn der Welt… ein weiteres Geräusch erhob sich irgendwo in dem Gebäude, summte als Echo an die empfindlichen Ohren des Kämpfers, war vielleicht zu unwirklich um daran zu glauben, dass es von einem Menschen stammen konnte. Und als Link vorwärts trat, das zweite Stockwerk passierte, war das Geräusch erloschen, er selber nicht mehr sicher, es auch wirklich vernommen zu haben. Die Stille konnte trügerisch sein, dachte er. Gerade in der Stille konnte der eigene Verstand verräterische Hoffnungen auf die Welt profizieren. Link erreichte endlich den dritten Stock, öffnete vorsichtig die Tür, leuchtete den Gang dahinter ab und trat ein. Seufzend… aber fokussiert. Wieder vernahm er einen Laut aus der von triefender Bösartigkeit erfüllten Ferne, kurz abgelenkt schwankten seine Augen in Richtung der Wände, dann zu Boden. Er kniete nieder, lauschte in tiefere Ebenen, lauschte einem leisen Wimmern, etwas, das ihm beinahe absonderlich und fremd und irgendwo unmöglich erschien… War hier in dieser verlassenen Einöde tatsächlich noch jemand? Als das Geräusch erstarb, erhob er sich, während sich ein neues Ziel in seinen Gedanken formte. Es war das hoffnungsvolle Ziel doch noch eine Menschenseele zu finden, die Ganons Verseuchung überlebt hatte und nach wie vor standhielt. Der Gedanke jemand lebte, spornte ihn an, die keimende Hoffnung einen Menschen in dieser Welt beschützen zu können, stärkte seine gezielten Bewegungen und kräftigte seine Zuversicht. Schnell und sicher schlich er in das Büro von Naranda, überflog mit scharfen Blicken den Innenraum, hier, wo ebenfalls nur die Stille regierte. Kein Monster. Keine Überraschungen. Mit tiefen Atemzügen werkelte Link an dem Geheimversteck Narandas, betätigte das kleine Ziffernblatt, als ihm der Code nicht sofort einfiel. Er probierte verschiedene Kombinationen, ein unterschwelliger Ärger in seinem Gemüt, diesen Umstand nicht vorher in Betracht gezogen zu haben. Die Minuten zogen sich verräterisch in die Länge, je mehr Zahlenreihen der junge Heroe in das Ziffernblatt hämmerte. Es erzürnte ihn mehr und mehr wertvolle Zeit in dieser Situation zu verlieren, und keine andere Option zu haben. Er konnte kaum die Tür in das Geheimversteck aufsprengen… Link seufzte, fuhr sich durch sein dunkelblondes Haar und rekapitulierte in seinen Erinnerungen den Zahlencode… konzentrierte sich so angestrengt wie er nur konnte und tippte erneut einige Kombinationen ein… Und plötzlich, wenige unerfreuliche krachende Geräusche produzierend, öffnete sich Narandas Geheimfach, surrend, und zum Schluss hin quietschend. Ohne zu zögern klemmte der junge Heroe die schwarzen Bilder unter seinen rechten Arm, ermutigt an dem Gedanken einen wertvollen Schritt in dieser schwierigen Mission geschafft zu haben und bereit auch die nächsten Hürden zu meistern. Als er sich mit wachsamen Schritten jedoch in Richtung Ausgang bewegen wollte, war da erneut ein untrügliches, erinnerndes Gefühl, so verschwommen und doch irritierend wie ein Déjà-vu, und das Gefühl ließ seinen Puls ansteigen. Etwas war hier, was er unbedingt erledigen musste, er spürte es, irgendwo in seinen Instinkten. Er spürte, dass seine Mission hier an diesem Ort noch nicht beendet war. Und selbst als er zurück in das Treppenhaus trat, wurde er das Gefühl nicht los diesen Ort nicht verlassen zu können. Einmal mehr kroch eine unangenehme ungeduldige, Empfindung von seinem Nacken ausgehend über seinen Schwertarm abwärts, ein seltsames Gefühl, als wollte seine Verbindung zu Schwertern ihm etwas mitteilen, eine verschleierte Botschaft senden. Link seufzte, und konnte sich das Gefühl nur damit erklären, dass er die Geräusche, menschlich oder nicht, für sich aufklären musste. Es war dumm, sagte er sich, und übermütig und falsch, als er im zweiten Stockwerk stehen blieb und einen Blick auf die Tür in die zweite Ebene warf. Was war, wenn seine Sinne ihm einfach einen Streich spielten und das leise Wimmern von vorhin nicht echt war, was wenn es nur Geister waren… Link konnte jedoch nicht anders und öffnete die Tür, rasch und ohne weitere Zweifel. Einmal mehr spitzte er die Ohren in einem langen Gang dahinter, einen Gang, der verschiedene Büroräume verband. Neugierig lehnte er seinen Kopf an die dünne Wand, um einmal mehr das Geräusch von vorhin auszumachen, seine Wahrnehmung zu bestätigen und vielleicht auch seine Besorgnis als berechtigt zu empfinden. Zuerst war da nur die Stille, die gefahrprophetische Ankündigungen machte, gefolgt von noch mehr Stille und einem undefinierbaren Rauschen von außerhalb des Gebäudes. Link nahm den nächsten tiefen Atemzug, würde seine Anwesenheit hier jedoch keinesfalls preis geben. Er trat leise vorwärts, hinein in diesen unbekannten Irrsinn und verfolgt von dem Gefühl retten und beschützen zu müssen. Einmal mehr rangen die Pflichten in seinem Herzen um Gehör, rangen und rissen gewaltvoll. Er wusste, dass er die Bilder so schnell wie möglich zu den Weisen bringen musste. Er spürte aber auch, dass er heraus finden musste, ob hier noch jemand war. Und als hatten die letzten Götter auf dem Planeten Erde sein inneres Ringen vernommen, erklangen leise ungewollt und leidend weitere Geräusche, nun deutlich nah. Ein vertrautes Weinen. Ein leises, verflüchtigendes Schluchzen. Eine Mädchenstimme. Flehend, verängstigt… Und Link wusste, das war kein Geist, noch war es eines von Ganondorfs Monstern. Da war ein Mensch, ein starker Mensch, der diesen Alptraum überlebt hatte, entkommen war und Hilfe benötigte. Mit einer zärtlichen Ermutigung und Freude über seinen Gesichtszügen trat Link vorwärts, als sich für ihn der Alptraum des Bösen ein wenig erhellte. Wenn er noch immer jemanden beschützen konnte, wenn die Menschen noch immer kämpften, dann hatte das Gute mehr als nur den unsicheren Plan als Chance. Wenn die Menschen noch immer kämpften, dann leuchteten die Lichter der Hoffnung noch immer auf der gefallenen Welt und vielleicht gab es eine Chance auf Heilung… Innerhalb von Sekundenbruchteilen machte der junge Held den Ursprung des leisen Wimmern aus, bis er vor der letzten Tür am Ende des Flurs stand, das leises Weinen immer lauter, deutlicher und er die Stimme endlich auch seinem Besitzer zu ordnen konnte. Eine vertraute, melodische Stimme, die er sehr oft singen gehört hatte. Sein Herz machte einen Freudensprung, er erinnerte diese Singstimme auf dem größten Gestüt Schicksalshorts, erinnerte das liebe Mädchen mit dem kastanienbraunen Haar, dem die Stimme gehörte. Hoffnungsvoll umklammerte der Heroe den Türgriff, zerrte die Tür rasch auf und vergaß in dem überschwänglichen Gefühl der Hoffnung den durchaus möglichen verwirrten Zustand eines Menschen, der den Untergang der Welt auf erschreckende Weise bezeugt haben mochte. Hier in einer vollgeräumten Abstellkammer, zwischen Eimern und Besen hockte sie, zusammengekauert, verängstigt, und vielleicht sogar entseelt. Sie hatte ihre Arme schützend um den kastanienbraunen Kopf gelegt, kaum realisiert, dass es Link war, der vor ihr stand, der alles in seiner Macht stehende tun würde um sie zu schützen… Link, der sie zu dem einzigen sicheren Hafen dieser Welt bringen konnte. Als sie noch immer nicht reagierte, zitterte, und ihr Wimmern nicht stoppte, realisierte Link, dass sie sich vor der Hoffnung ihrer Rettung verschlossen hatte, dass sie nicht mehr daran glauben konnte einen anderen Menschen anzutreffen. Link wollte gerade seine Stimme erheben, sie mit sanften Worten aus vernichtenden Ängsten reißen, als sie unter Tränen und mit zitternder Stimme schluchzte: „Bitte… ich flehe dich an, bleib‘ weg von mir… bitte nicht… bitte nicht…“ Und als er ihre Stimme vernahm, Marons Stimme, nahm er einen tiefen Atemzug und sank vor ihr umsichtig auf die Knie. „Maron, ich bin es, Link“, sprach er fest und sicher. Er versuchte zu ihr durchzudringen, wissend, er konnte sich nicht zu lange hier aufhalten. Spürend, dass die Gefahr wuchs je länger er sich ablenken ließ. „Maron, wir müssen so schnell wie möglich weg von hier“, meinte er und schlug sich in Gedanken an den Kopf. Fiel ihm gerade nichts besseres ein um sie aus diesem Trauma zu reißen? Maron war völlig mit den Nerven runter, verängstigt, starr vor Entsetzen. Sie wusste wohl selber, dass sie hier weg musste. Und erst dann blickte sie mit tränenquellenden Augen auf, hier wo sich der düstere, blutrote Schein der gefallenen Welt auf alle Alltagsgegenstände legte und auf beiden menschlichen Seelen verlor. Es schien beinahe, als glommen die kleinen bösartigen Ascheplättchen in Nähe jener Überlebenden stärker und wuchtiger. Es war absehbar, woran das lag. Die giftige Energie des Bösen suchte nach jeglichem lebenden Materials, suchte nach Zugängen jegliches Leben zu unterwerfen… „Link“, murmelte Maron benommen. Und da verstand jener, wie durcheinander und vergiftet ihr Körper bereits war. Sie klang schwach, unsagbar schwach. „Bist du es wirklich“, fragte sie leise, erstickt und unheimlich unsicher. Und erst dann sah sie auf, wischte ihr langes Haar aus dem fiebrig geschwitztem Gesicht und weinte je länger sie seine Gestalt betrachtete. „Link…“, sprach sie erneut, wimmernd und bettelnd. „Das kann ja doch nicht sein… ist das hier… bist du hier?“ Sie starrte ihm entgegen, schockiert, ungläubig. Ihre rot geweinten Augen schlossen sich, bis sie die Hände an jene presste. Und dann endlich packte Link das verwirrte Mädchen an den Schultern, redete weiterhin auf sie ein, so lange bis sie seine Existenz als wahrhaftig und echt erkennen konnte. „Maron, ich bin hier, ich werde dich hier keinesfalls alleine lassen. Ich bin hier um dir zu helfen. Jetzt komm‘ mit mir.“ Er versuchte es mit Ruhe und Verständnis, ständig gegen die vergiftende Bösartigkeit in der stehenden, säuerlichen Luft ankämpfend. Und dann reichte er ihr die Hand. Zaghaft nahm sie diese an, ließ sich auf die Beine heben, die sich anfühlten wie Wackelpudding. Und während Maron ihn musterte, sich von seinem tapferen Blick aus ihren Ängsten bringen ließ, presste sie beide Hände ins Gesicht, versuchte sich selbst zu spüren in diesem Gefängnis des Bösen. „Link… was ist das hier?“, sprach sie, eine Welle der Panik glitt aus ihrer Kehle, schubweise genährt von dem Unverständnis der Situation. „Was geschieht nur auf der Welt? Die Welt ist so düster… da sind überall Monster…“ Sie fing erneut an zu weinen, suchte Antworten in den tiefblauen Augen des Heroen, die er ihr kaum geben konnte. „Es tut mir… so leid, Maron“, murmelte Link leise, ein Gefühl von Schuld auf seinen zaghaften Worten. „Die Welt ist in die Hände des Bösen gefallen… es tut mir so… verdammt leid.“ Link rieb sich über seine Stirn, ärgerte sich über die Belanglosigkeit es so zu formulieren. Denn wem sollte sein Mitleid, sein unnötiges Schuldeingeständnis helfen? Zumal er sich zerfleischen und verteufeln konnte, er würde auf diese Weise niemanden retten. „… ich habe mich hier versteckt… die ganze Zeit.“ Ihre Stimme zitterte immer noch. Link wies sie schließlich an dicht hinter ihm zu laufen, eines der Gemälde zu tragen, um sich selbst in dieser Aufgabe etwas zu sammeln. Es war immer gut eine Aufgabe zu haben. Es war eine Ablenkung, ein Ziel, und genau deshalb half es Maron auch sich zu besinnen… eine scheinbar stupide Aufgabe etwas zu tragen, half dem jungen Farmermädchen ihre Kraft und Stabilität wieder zu gewinnen. „Ich hatte solche Angst…“, wimmerte sie, entließ ein aufgeregtes Glucksen, als sie dem Heroen folgte, ihre Schritte verräterisch laut, zu laut und waghalsig. Link bremste sie, sendete ihr einen Blick kühner Erwartung. „Maron. Ich bitte dich, du musst leise sein, sonst bemerkt uns doch noch ein Monster, ja? Wir müssen uns langsam und leise bewegen, sobald wir außerhalb sind, steigen wir in einen Wagen.“ „Okay, ja… okay… Ich… versuche… e-es…“ „Gut. Wir schaffen das, nur Mut.“ Er ließ sich vor sich laufen, schob sie vorwärts durch den dunklen Korridor. Sie gelangten in den finsteren Treppenaufgang und liefen so leise wie nur möglich die Treppen hinab. Marons Schritte wurden plötzlich schneller und lauter, was Link zu einem weiteren: „Pst.“ veranlasste, aber es beruhigte Maron nicht. Wie auch sollte er sie in diesem apokalyptischen Irrsinn noch beruhigen? Ihr sagen, dass alles wieder gut werden würde, dass ihre Familie und Freunde lebten, dass in wenigen Tagen alles ausgestanden wäre? Das waren alles nur hinterhältige Illusionen, die wie Seifenblasen zerplatzten. Link ließ erneut dem Schweigen Vorzug, entschied unnötige Worte zu vermeiden, und vielleicht sogar Empfindungen zu vermeiden. Es half Maron nicht diese Flucht zu überstehen, wenn er seine eigenen Zweifel bei ihr ablud… Aus dem Treppenaufgang ertönten nun weitere Geräusche, die der Heroe nicht definieren konnte und wollte. Aber er spürte die Gefahr, kratzende Schritte, wulstiges, grölendes Atmen in der Finsternis. Irgendetwas wartete hier, roch das lebendige Blut in den Venen der beiden Jugendlichen, fletschte die Zähne an einem sehnsuchtsvollen Genuss. Link fragte sich in dem Augenblick nur noch, ob er zusammen mit Maron fliehen oder sich dem Monster vielleicht tatsächlich stellen sollte. Aber auch die verängstigte Farmertochter musste Geräusche wahrgenommen haben, begann zu wimmern und hetzte schließlich mit lautem Klacken ihrer Sandalen vorwärts, Panik überfiel sie, entsetzlicher, bis sie eine Treppenstufe zu viel nahm und stolperte, krachend fiel sie zu Boden, entließ einen überfälligen Angstschrei und blickte flehend in Links Augen. „Es hat mich gehört“, rief sie. „Irgendwo dort sind sie… die Monster… warum habe ich nicht besser aufgepasst?“ Einmal mehr wurde Maron von Angst überfordert, begann unartikuliert zu weinen, bis Link sie mit einem ruppigen Griff auf die Beine zerrte. „Still jetzt!“, befahl er. Links Ton war rau und gefährlich, nicht, weil er kein Verständnis gegenüber Maron hatte oder weil er keine Geduld hatte, nein, aber er war angespannt und wollte unter allen Umständen verhindern, dass Maron noch größere Schrecken ertrug als ohnehin schon. Sie verstummte augenblicklich, aber nickte einsichtig, gefasster, sicherer und folgte den Treppen erneut zügig nach unten. Aber Link zögerte, spürend, dass da weit oben, vielleicht im fünften Stockwerk ein Augenpaar ganz genau beobachtete, was sie beide hier taten. Da waren glühende Pupillen, genährt von dem Wahnsinn Ganons, ein langes Gesicht mit Reißzähnen und einem fauligen Atem, den Link bereits riechen konnte. Mit einem erneut so gefährlichen Funken in dem satten Tiefblau seines Blicks lauschte Link in das oberste Stockwerk, hörte die Kreatur atmen, stoßweise und doch leise. Sein Instinkt sagte ihm alles, was er wissen musste. Seine Sinne verrieten ihm, was zu tun war. Er flüsterte, spürend, dass jener Dämon in den oberen Stockwerken zu schnell war als noch länger zu zögern: „Maron, wir werden den Rest der Treppe hinunterrennen, hast du mich verstanden!“ Aber das so unschuldige, süße Mädchen der Oberstufe schüttelte ängstlich den Kopf. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, weil sie nicht wahrhaben wollte, was hier passierte, weil sie nicht glauben wollte, dass sie fliehen mussten. „Bitte… nicht“, flüsterte sie, klammerte sich mit beiden Händen an Links Arm und flehte. „Bitte… ich will das nicht.“ Link seufzte, die Augen des Dämons in seinem Nacken spürend, und doch verharrte auch er für Sekunden in diesem gespenstischen Alptraum. Was sollte er auch sagen? Dass sie es schaffen würden zu entkommen? Entkommen vielleicht, aber wohin? Er konnte kaum garantieren, dass Ines‘ Villa dem Bösen standhielt. Link sendete Maron einen Blick voller Anteilnahme, Aufrichtigkeit und Verletzbarkeit, aber auch Strenge. Er würde nicht mit ihr diskutieren, nicht hier, nicht jetzt. „Du hast keine Wahl!“, fuhr er sie an, rau und befehlsgewaltig. Sie schniefte, ballte die Fäuste und ließ sich schließlich von ihm die Stufen hinabzerren, zwei auf einmal, schneller und schneller. Sie wimmerte, während Link lediglich brüllte und sie aufforderte weiter und weiter zu rennen. Gemeinsam stürzten sie die Treppenstufen hinab, ausdauernd und doch voller Entsetzen. Wieder ein paar Stufen, als es begann hinter ihnen zu zischen, drohend, beinahe belustigt. Da war eine Kreatur, die Laute einer alten Sprache befehligte, die intelligent und gefährlich genug war sogar Worte zu benutzen… Dämonensprache… Moblinsprache… Und noch ein Stockwerk blieb, einmal mehr tanzten die Sekunden in einer zerrinnenden Länge, präsentierten dem Heroen Möglichkeiten und geschickte Wendungen. Er spürte den Zorn der dämonischen Bestie hinter ihnen und doch kühlte die Wahrnehmung von vertrauter Übermacht seinen hitzigen Kopf, beruhigte seinen Herzschlag. Sie hetzten vorwärts, die letzten Stufen in Sicht, als Link die Zeit sich kristallin verformen sah, ein abartiges Empfindungen kroch in seinen Geist, manifestierte Chancen, Optionen… Seine Lippen blieben stumm, als er die Tür in die große Halle im Erdgeschoss aufstieß, Maron behände und sicher hinter sich her schleifte… Sie stand unter Schock, die vernichtenden Reize des Bösen überall lagerten sich über das Menschsein in ihrem Inneren, raubten jede Kraft und Stabilität, die sie besaß… und doch schlug sie sich tapfer, dachte Link. Maron war nun einmal nicht Zelda, die Verfolgungen wie diese kannte. Maron kannte keine Dämonen, die in der Welt hausten bereit sterbliches Leben auszurotten, Maron war ein Menschenkind, unschuldig und ohne Erinnerungen an frühere, gewaltvolle Leben. Zelda jedoch war mit Ängsten aufgewachsen, war gezwungen sich immer wieder mit dem Bösen auseinanderzusetzen, zu leiden, zu zerbrechen, zu erdulden und zu ertragen… und für diesen Weg, wo das Farmermädchen noch immer an ihrem Menschsein festhielt, bewunderte Link sie… Er schleifte sie vorwärts, verriegelte die Tür ins Treppenhaus. So schnell und zielsicher führte ihn der Weg in Richtung Ausgang, als die Kreatur im Treppenhaus lärmte, brüllte, Laute einer gebrochenen, zischenden Sprache knallten nieder, reißend wie Ketten, laut und dröhnend wie Stromschnellen. Link hetzte in Richtung Ausgang, packte Maron immer fester an ihrem rechten Arm und überprüfte kurz den Zustand der beiden Gemälde. Und da spürte Link, dass er einem weiteren Kampf nicht entkommen konnte… Die Kreatur im Treppenhaus warf sich wütend gegen die Tür, blutbesudelte Krallen rissen Stahl in Stücke, und Link wusste, lange könnte die Tür nicht standhalten. Sie hetzten in Richtung Ausgang, als sie hörten, wie das Ungetüm die Tür durchstieß. Ein wahnwitziges Lachen durchstocherte die stehende, drückende Luft und erfüllte die Atome des wenigen Sauerstoffs mit Mordlust und Blutgier. „Schnell! In das Fahrzeug“, brüllte Link und stieß Maron vorwärts. Sie blickte nicht zurück, blickte nicht nach oben zu dem blutroten Meer des Bösen am Firmament, alles, was sie noch tat war wie eine Marionette vorwärts zu laufen, zittrig, aber bestimmend. Er drückte ihr das zweite Gemälde in die Hand, schenkte ihr ein Lächeln der Freundschaft, als ob er sich daran erinnerte, welcher Held er war, als ob er Hyrule erinnerte und zog endlich das Schwert, das sich im Licht weißen Stahls erhob aus der Schwertscheide und donnerte in den Kampf. Und Leon Johnsons Klinge fing die letzte Magie des Guten auf diesem Planeten ein, sendete ein leuchtendes Zeichen des Trotzes in der purpurroten, gefallenen Welt… Und als sich Maron in dem verbeulten Pkw verschanzte, blickte sie mit Wagemut und einem fiebrigen Ausdruck des Entsetzens auf ihren lieblichen Gesichtszügen nach draußen, wo sich der Streiter des Guten gegen eine Bestie erhob, die doppelt so groß war wie er selber. Unbeirrt rannte Link hinein in das Gefecht, auch als sich diese pelzige Kreatur mit muskulösem Oberkörper in einem gleißenden Blitz zeigte. Es krachte vom Himmel, als sich jenes Ungetüm von einem Moblin auf sehnigen, starken Beinen näherte, das sich Link in seinen wildesten Träumen nicht vorstellten hatte können. Eine bösartige Kreatur mit fettigem, dunklen Haar, das in einem langen Zopf bis zur Hüfte fiel, eine kantige Schnauze mit einer triefenden Wunde, die bis zur Wange hinauf lief, wenige gekräuselte Fellbüschel verteilt über grauer Haut wie ein entstellter Wolf… und die Bestie starrte den Heroen nieder, versuchte es mit unverwüstlichem Respekt seiner geschundenen Existenz. Die Kreatur des Bösen hielt eine Waffe in der Hand, eine gigantische Axt, so groß wie Link selber, bereit zu schlachten… Es war nichts anderes als ein Gemetzel, das diese brutale Hiebwaffe anrichten würde. Eine Schlächterei mit dem Ziel Knochen zu brechen und Leben zu zerstoßen. Link wusste dass es gewaltige Unterschiede in der Herkunft, Kampfkraft und dem Durchhaltevermögen der höllischen Kreaturen Hyrules gab… Und er ahnte, dass dieser Moblin einer der gefährlichsten Rassen jenes Dämonengeschlechts angehören musste. Es waren nicht nur die an die drei Meter Körperhöhe, es war die deutlich spürbare Kampfkraft, gnadenlos, barbarisch… Der Moblin grölte, wenn Link es nicht besser wüsste, hätte er angenommen ein hässliches Grinsen auf dem langen, eselartigen Gesicht der Bestie erblicken zu können. War es das etwa? Freute sich dieses Monstrum auf den Kampf gegen Link? Der Moblin knurrte, seine Zunge entließ verwaschene Silben über eine pelzige Zunge wandern, eine Aufforderung, die Link verstand, eine Aufforderung zum freudvollen Tod. Link wusste, dass der Dämon ihn nicht verstand, aber wie gerne hätte er ihm gesagt, dass dies die letzte Freude war, die er auf der Erde, seiner Erde, seiner Heimat, erleben würde. Und dann endlich zog Link mit tosenden, zielsicheren und unheimlich schnellen Bewegungen in den Kampf ein. Krachend ließ Link das Schwert tanzen in diesem Feuer der Brutalität, wo die Waffen der Kontrahenten gewaltvoll aneinander rieben. ,Was für eine Kraft‘, dachte Link und vibrierte innerlich vor Aufregung. Die Skelettritter, die er erfolgreich in den Wäldern niedergerungen hatte, waren ein Witz dagegen mit welcher Stärke diese Kreatur die Hiebwaffe niederkrachen ließ. Jeder Schlag fühlte sich an, als zerschmetterte die Kraft der Attacke seinen Schwertarm in Hunderte Stücke, egal wie gut er blockte und parierte, egal wie gewandt er war. Link entschied für sich, er konnte diesen Kampf nicht in die Länge ziehen, es kostete ihn auch das bisschen Ausdauer, das er mit dem dürftigen Erholungsschlaf in sich angereichert hatte. Und nicht nur das… diese Bestie kannte keine Erschöpfung, Link würde diesen Gegner kaum mit ausdauernden Schlägen in die Knie zwingen. Selbst ein Treffer in das feste, sehnige Fleisch würde diesen Kerl nicht erledigen. Und einmal mehr suchte er nach Fehlern in der Deckung seines Kontrahenten, fokussierte, spürte seine eigene Macht des wahren Heroen Hyrules anwachsen. Er spürte sich… hier in diesem Gefängnis von einem blutgeweihten Weltenende… Er spürte seine eigene Stärke, selbst unter raubender Erschöpfung und anwachsender Schwäche. Er würde diesen Dämon ausschalten, das wusste Link, egal wie… Je mehr der Gegner von ihm forderte, umso sicherer wurden Links Bewegungen, sein Tanz mit dem Schwert. Ausgerechnet jetzt, wo die Welt in ein blutrotes, höllisches Verderben gestürzt war, entfachte sein Körper im Einklang mit dem Singen einer Klinge eine solche Masse an tödlichen Kombinationen, sodass allein das Zusehen Schwindel hervorrief. Links Bewegungen galant und gigantisch… Und in einem Moment irrsinniger Überlegenheit, kletterte Link wie in seinen Träumen elegant an der Kreatur des Bösen hinauf, drehte sich geschickt in den Lüften als hätte er die Erdanziehungskraft vergessen und spaltete den Dämon entzwei… Als der Heroe mit schmerzhaften Atemzügen, leichtem Schlitzen in seinem Magen und irgendwo auch durcheinander auf seinen Füßen landete, brach der Moblin am Boden zusammen, sendete in seinem letzten Blick den verächtlichen Willen des Bösen aus seinen teuflischen Augen und glühte in einem Spektakel flimmernder Splitter… zurück blieb Asche um Asche… Als Link in Richtung Wagen trat, sah er das erste Mal seit der Flucht eine Form von Stabilität in Marons meerblauen Augen. Sie hatte den Kampf beobachtet, die gesamte Zeit über mit Erstaunen der Kraft des Guten gehuldigt, als gäbe es nur den wahren Heroen als siegreicher Gott über dieses Elend. Links Kampf hatte ihr eine unglaubliche Hoffnung geschenkt, dass noch nichts verloren war. Dass es Dinge gab, die auch jetzt noch beschützt werden konnten. Schweigsam und irgendwie beschämt, dass Maron Zeuge seiner eigenen grausamen Entscheidungen geworden war, denn er hatte diese Kreatur gerichtet, stieg Link in das Fahrzeug. Er blickte um sich und spürte, dass in den wenigen intakten Häusern überall noch Kreaturen der Finsternis hausten und deshalb durften sie keine Zeit verlieren. Sie mussten weg von hier… Er startete den Motor und fuhr langsam die Straße hinab, steuerte einmal mehr in Richtung der Wohnbausiedlung, wo auch die Villa von Ines lag. Mehr und mehr entfernten sie sich von dem Stadtkern. Maron blickte währenddessen hinaus aus dem Fenster, sie beobachtete die gefallene Welt um sich herum… das Ende… den Schrecken. Alles, was nicht mehr gerettet werden konnte. Die Tränen kamen erneut, als sie die schwarze Masse am Himmel beobachtete, den glühenden Schein, der durch das Firmament brach, bedrohlich hinter glühenden Wolkenfetzen… „Ich weiß nicht, ob du wissen willst, was passiert ist…“, murmelte Link, wollte sie nun endlich in ein Gespräch verwickeln, auch weil Maron seit geraumer Zeit schwieg und er nicht sicher war, ob sie mental hier weilte. „Nein…“, sprach sie stockend, etwas undurchdringlich, starr, aber sie sprach. „Bitte erspar’ mir das.“ Sie schluchzte. Link nickte fahl, einmal mehr kochten seine Schuldgefühle hoch, belastend und auch forsch. „Aber…“, setzte sie leise und sortierter hinzu. „Ich bin so froh dich zu sehen… ohne dich wäre ich…“ Sie sprach ihre Gedanken nicht aus, behielt sie in ihrer Kehle, fürchtete sich davor ein anderes schlimmes Schicksal herauszufordern, und sei es nur mit Worten. Auch darauf wusste er nichts zu sagen. „Ich weiß nicht einmal… ich weiß… nicht, wo…“ „Maron, es ist okay…“, schlichtete er, „Du musst nichts erklären.“ Link spähte wachsam durch die Düsternis, entdeckte in den stillgelegenen Gassen Schicksalshort dutzende Auren, spürte sie, spürte den Zorn der niederen, dunklen Kreaturen… „Ich bin… unglaublich froh, dich gefunden zu haben…“, murmelte er. Sie nickte, beinahe ein Lächeln auf dem fahlen Gesicht. „Wohin fährst du uns jetzt?“, flüsterte sie, umarmte sich selbst auf ihrem Sitzplatz, versuchte Ruhe zu finden, bis ihre Augenlider vor Erschöpfung nieder flatterten. „Ich bringe dich zur Villa von Ines Schattener… unterhalte dich mit mir“, sprach Link und wollte sie wach halten. Er konnte sich nicht sicher sein, ob Maron nach dem Aufwachen noch sie selbst wäre, oder ob Ganons Energie sie dann innerlich zerfressen hatte. Andererseits… Maron wirkte nicht befallen, sie war am Ende ihrer Kräfte, aber sie trug keinen von Zarnas Splittern, soweit Link es erkennen konnte. Er prüfte die neben ihm sitzende Schülerin ein weiteres Mal, erkannte jedoch immer nur die verhangene, echte Menschlichkeit in ihr, kein niederes Gelüst, keine unreine Wahrnehmung. Maron lebte… lebte für sich… Konnte es sein, dass sie nur deshalb geschützt war, weil einer von Ganons Schatten sie vor einer Weile befallen und Zelda diesen Fluch zerstört hatte? Plötzlich aber umgriff Maron Links rechte Hand und beäugte ihn bittend. „Link… ist Rick vielleicht auch bei Ines Schattener? Ist er in der Villa?“ Der Heroe stutzte und blickte ihr mit einer neuen Form von Ratlosigkeit entgegen. Mit einem Blick, der sich stetig senkte und Trübsinn zuließ, vermittelte er ihr eine düstere Antwort. „Ich hatte… so gehofft…“, sprach sie leise und sank einmal mehr im Sitz zusammen. „War er vorher noch bei dir?“, murmelte Link, gefasst und vorbereitet eine unschöne Antwort zu erhalten. Natürlich wollte er wissen, wo sich sein bester Freund aufhielt… Rick, der gütige, loyale Freund, der immer vertrauenswürdig alles mit getragen hatte, was Link erduldete. Maron huschte ein kurzes Ja über die trockenen Lippen. Ein weiteres Wimmern belegte ihre Kehle und da ahnte Link, dass etwas nicht stimmte. „Was ist es, Maron?“, sagte er strenger, versuchte sie weiterhin wachzuhalten. „Er ist…“ „Was, Maron?“ Sie seufzte, schluckte dann einmal kräftig und begann zu schluchzen. „Er ist durchgedreht und dann haben seine Augen geglüht…“, murmelte sie und weinte erneut. Gerade da schlug der wackere Recke mit der linken Faust auf das Lenkrad, stoppte den Motor in einem Anfall von Unverständnis und Wut… eine Welle der Verzweiflung erfasste ihn, zementierte Hassgefühle gegenüber Ganondorf in seinen Verstand. Nicht Rick, eine drohende Stimme in seinem Kopf wollte dies nicht akzeptieren. Nicht Rick, sprach er in Gedanken wie eine Beschwörungsformel. Er würde es nicht dulden, dass Rick zu einer marionettenhaften Gestalt mutierte, die unter dem Einfluss des Dämonenkönigs tanzte. Nicht Rick, dieser einfühlsame, junge Mann, mit den gutmütigen, rehbraunen Augen… Für schwindende Sekunden erfasste den Heroen das Bild seines besten Freundes, verschwommen und durchscheinend, verblassend, hell… Er konnte das Bild von Rick kaum für sich verstehen, es kaum annehmen, aber er sah ihn in einer anderen Erscheinungsform, irgendwo am Rande einer alten Welt, so, als hatte er schon einmal vor langer, langer Zeit von ihm Abschied genommen. Link kniff die Augen zusammen, sein Herz spannte sich in einer Grausamkeit, die er nicht kannte. Da war Wut, Hass, Tobsucht, Rache… und alle Gefühle auf einmal sprengten seine Vernunft in Tausend Stücke. Link wusste, er würde seinen Erzfeind büßen lassen, wenn er seinem besten Freund auch nur ein Haar krümmte… Mit einer schürenden Wut in seinem Inneren, sichtbar in den feinen Linien unter seinen tiefblauen Augen, sichtbar um seine straffen Mundwinkel und in einer ernsten Falte auf seiner Stirn, wo das wilde, blonde Haar diese teilweise bedeckte, trat Link aufs Gaspedal, etwas leichtsinnig und herausfordernd raubte der Motor die Totenstille der blutenden Welt… Link fuhr durch die alten Straßen der Stadt, nun nicht mehr die Villa von Ines als sein Zielpunkt. Auch diesmal rang in ihm das Bedürfnis einen Freund in Sicherheit zu wissen, seine Familie, sein Hafen. Link wusste, dass er sich mit den Gemälden in die Obhut der Weisen begeben musste, hatte er doch die Mission beinahe siegreich zu Ende gebracht, aber er würde es bereuen nicht auch noch Rick gefunden zu haben… Er sprach in Gedanken eine Bitte um Vergebung an Zelda und die Weisen, schämte sich für entschuldigende Worte dafür, aber er würde erst dann in die Villa zurückkehren und den Plan voranbringen, wenn er Rick gefunden hatte… Beide Jugendliche schwiegen für annähernd eine halbe Stunde, in welcher Link ununterbrochen in allen Richtungen Bewegungen erfasste und schattenhafte Gestalten und Schemen mit Erinnerungen an seinen Cousin abglich. Er würde ihn finden, genauso wie er Zelda gefunden hatte, Maron gefunden hatte… Wofür kämpfte er, wenn ihm das Schicksal diesen Dienst verwehrte? „Sag‘ mir, Link“, murmelte Maron, ein schwaches Säuseln, beinahe unwirklich. Sie verarbeitete den Alptraum dieser Welt, besann sich, ein Funken Wissensdurst sich selbst in diesem Irrsinn als lebendig zu erkennen, beherrschte sie, beflügelte sie und stärkte ihr Seelenleben. Ein kurzer Blick von Link glitt hinüber zu seiner einstigen Kindheitsfreundin, fast ein wenig wehmütig. Er hätte einem Menschen wie Maron am liebsten alles erspart, was hier passierte. „Wie schaffst du das alles nur? Ich weiß ja…“, sie überlegte verbissen es zu formulieren. „Ich weiß ja… ich weiß, dass du Hyrules Held bist. Trotzdem… du wusstest es ja nicht von Anfang an. Wie kannst du nur so tapfer sein?“ Link zwinkerte und ließ das Gaspedal los, nur in Schrittgeschwindigkeit fuhr der Wagen weiter. Es überraschte ihn, dass Maron nun doch über seine Heldenpersönlichkeit reden wollte. „Ich weiß nicht so genau… eigentlich tue ich nur das, was ich für richtig halte.“ „Aber du bist so… so entschlossen das alles anzunehmen. Wo ist deine Verzweiflung?“ Einmal mehr zwinkerte er. Es war nicht so, dass er niemals verzweifelt war, aber es lag nicht in seiner Persönlichkeit dieses nach außen zu kehren, unnötig Gefühle der Verzweiflung nach außen zu lagern. „Ich sag’s ganz ehrlich, ich bewundere dich…“, meinte sie und schenkte ihm ein leichtes Grinsen. Und Link beruhigt, dass Maron ihren Schock überstanden hatte, wusste nicht anders mit diesem Ehrgefühl umzugehen als zu nicken. „Und was ist mit Zelda? Ist sie okay?“ Link spürte die Sorge, die Maron teilte. „Ja, es geht ihr gut… sie befindet sich in der Villa.“ „Das ist in der Tat echt schön…“, erwiderte sie und blickte nach draußen, wünschte sich, sie wären bereits in der Villa angelangt. Maron schien kaum wahrgenommen zu haben, dass Link den Weg dahin nicht sofort eingeschlagen hatte. „Ja, ich bin… ich weiß nicht, was ich jetzt tun würde, wenn ich sie nicht in Sicherheit wüsste…“ Zärtlich gelangten die Worte über seine Lippen, welche Maron erneut lächeln ließ. „Du weißt, dass sie dich liebt, oder?“ Link stockte vor Schreck der Atem, sodass er tatsächlich den Motor abwürgte und Maron mit geweiteten Augen musterte. „Wie…?“ Das war das einzige Wort, das ihm über die Lippen kam. Wie kam Maron darauf, dass Zelda so ihm gegenüber empfand. Sicherlich, er war ihr bester Freund, er wünschte es sich, Zelda auf einer innigeren Ebene zu begegnen, sie zu berühren, zu streicheln, zu wärmen, eigentlich… er verdrehte genervt die Augen… hatte er doch Unmengen an Vorstellungen in seinem Heldenkopf, was er gerne mit ihr anstellen würde… Link bekam beinahe einen Herzkasper an den Gedanken, wohin sich das Gespräch entwickelte. Es war Ablenkung pur, eine tödliche Ablenkung, die er sich nicht erlauben konnte. „Maron… das ist jetzt… nicht der richtige Zeitpunkt.“ „Ja, klar…“ Sie lachte. Sie lachte befreiend. Himmel, musste sie so lachen, kichernd, glucksend, aber irgendwo heilsam. Es ging ihr besser… die Art und Weise über Links Liebesleben zu schäkern, beruhigte ihr Gemüt. Sie war gefasst und grinste. „Schon gut, Link, du brauchst darauf nicht zu antworten… aber… wie soll ich es sagen?“ Link lauschte ihren Worten, startete den Motor erneut und versuchte sich auf die Umgebung außerhalb zu konzentrieren. Hatte Maron denn nur die Spur einer Ahnung, wie gefährlich es war inmitten dieser vom Bösen verseuchten Stadt über ablenkende Dinge zu reden? „Maron… warum willst du mit mir darüber reden?“ „Weil du und Zelda meine Freunde sind…“ Die Antwort war so simpel, dass es beinahe lächerlich klang. „Wir wissen nicht, wohin die Welt nun geht… wohin unsere Wege gehen, ich habe zumindest den Wunsch noch etwas zu leisten und wenn es nur ein Gespräch über die Liebe ist…“ Link schloss die Augen und seufzte. Das war nicht gut, dachte er beschämt. Er konnte Marons Absichten nicht mit irgendwelchen Argumenten aushebeln, dafür machte ihn alles, was sich um seine Prinzessin drehte, zu nervös. „Was immer du auch tust, Link, versprichst du mir etwas?“, sprach sie und saugte sich mit hoffenden Blicken an seinem fest. „Bewahre dein Verständnis für sie, deine Zelda…“ Es war nicht so, dass er dies nicht andauernd versuchte. „So wie Rick immer Verständnis für mich hatte…“, sprach sie. Darüber mussten sie nicht diskutieren, dachte Link. Es würde eher die Hölle zufrieren, als dass Link sein Vertrauen in Zelda aufgab, egal, wohin sich ihre Beziehung entwickelte, vielleicht sogar egal, wie abweisend sie sich auch verhielt. „Es ist nur… ich habe oftmals das Gefühl, Zelda verhält sich wie jemand, dem das Herz gebrochen wurde… und dann ist es schlecht möglich Vertrauen zu fassen, aus Angst vor erneuten Verletzungen…“ Marons Aussage schockierte Link nicht. Es war ihm selbst irgendwo klar geworden, bereits als Zelda mit ihrem Gedächtnisverlust bei den Braverys gelebt hatte. Sie war innerlich so von Mauern umhüllt, dass er sich nicht vorstellen wollte, welche Angriffe, Demütigungen, Vorwürfe und Konflikte ihre Seele beladen haben mochten. Ja, Zelda verhielt sich wie jemand, dem das Herz gebrochen wurde… Link betete nur, dass er darin keine Rolle spielte. Nachdenklich und etwas zügiger fuhr der junge Heroe weiter, beobachtete die Welt außerhalb mit wachsender Unruhe und Besorgnis, er wusste nicht, woher das Gefühl resultierte, aber je länger er die Stadt durchforstete, umso beschwerlicher fühlte sich die Welt außerhalb an… und es konnte nicht nur an Ganondorfs Verseuchung liegen, oder an dem verwirrenden Gespräch, das Maron angestoßen hatte… Link bemerkte eine wachsende Unruhe an sich je weiter der Plan gegen das Böse voranschritt. Ob es damit zu tun hatte, dass er die Chance hatte Hyrule in all seiner atemberaubenden Wildnis zu erleben? Er seufzte und prüfte einmal mehr die neben ihm hockende Maron, die in dem Autositz zusammengesunken war. Auch sie schwieg, döste, ab und an entkam ein verzweifeltes Schluchzen ihrem Mund… der beginnende Schlaf schien ihre Verzweiflung erneut anzufachen… Irgendwie fühlte es sich feige an nach Hyrule aufzubrechen, während Menschen wie Maron hier in Lebensgefahr schwebten und alles verloren hatten, was als lieb und teuer galt… Link durchforstete weiterhin die Stadt nach seinem Cousin, erreichte den Park, das Einkaufszentrum, die Schule, verfolgt von düsteren Geräuschen in der vom gefleckten Himmel bestrahlten Umgebung mit ihrem blutroten Schein… Es war unheimlich… Link realisierte, dass inzwischen der neue Tag angebrochen sein musste, und dass es früh am Morgen war. Gerade jetzt müsste die Sonne leuchtend am Himmel stehen. Welche Macht musste in Ganons Verseuchung hausen, dass er es schaffte den Himmel zu verdunkeln, so intensiv, dass nicht der geringste Lichtstrahl zu Boden fiel. Weitere Gedanken sprudelten in Links Kopf. Link war kein Wissenschaftlicher, aber wie lange hielten die Tiere und Pflanzen diesen lichtlosen Zustand aus? Inzwischen war Maron eingeschlafen. Link ahnte, dass sie seit mehr als fünfzehn Stunden wach gewesen sein musste und das nachdem die letzte Nacht mit dem Angriff der Hexen auch belastend an ihr genagt hatte. Vielleicht war es besser für sie zu schlafen, sich in friedvollere Träume zu flüchten, denn jedes Erwachen in der Realität würde nur Angst und Zweifel bringen… In der entseelten Ferne, wo bedrohliche Blitze in einem Spektakel aus glühend Rot und gleißend Silber durch eine fleckige Wolkendecke donnerten, hielt der Heroe ruckartig den Wagen an. In einer der schattenhaften Seitengassen, verschwommen, von unheimlichem Dampf aus unterirdischen Kanalsystemen umhüllt und brodelnd war eine Gestalt, die sich wackelnd vorwärts bewegte, mit schiefen, stockenden Bewegungen… schlürfende Schritte… und doch irgendwie vertraut. Näher und näher humpelte jene Gestalt, in der Finsternis kaum für echt zu halten… träge und irgendwo unsichtbar… Für schwindende Sekunden brach ein roter Schleier durch die Düsternis, gab der Gestalt erkundungsvolle Augen voller Zorn und Verachtung. Link schärfte seinen Blick durch die Düsternis, entdeckte purpurroten Schimmer eines Augenpaares, das auch seinen Blick kreuzte… und da ahnte Link das Unvermeidliche… dieses korrumpierte Wesen steuerte absichtsvoll in seine Richtung, beladen von Ganons Hass, in seinem vielleicht einst menschlichen Kopf ein hässlicher Widerhall eines brutalen Planes zur Machtübernahme… Doch mit jedem Schritt, den das Geschöpf machte, erschien es Link vertrauter… gespenstisch vertraut. Ohne nachzudenken öffnete der gewandte Kämpfer die Autotür, geführt von unentrinnbaren Instinkten und Hoffnungen und stieg aus. Er hatte eine Vermutung, eine dunkle Ahnung, die ihm ein Frösteln bescherte und erneut ein brennendes Flackern erzeugte, das sich durch die Muskeln seines linken Armes bohrte. Warnung… Eine gewaltvolle, abartige Warnung… Ein neues Entsetzen flackerte in seinen tiefblauen Spiegeln der Seele, ein Werk des Bösen ließ ihn den Atem stocken und brannte mit Angst in seinen Venen. Er kannte die einst so lockeren Bewegungen jenes Menschen, der in seine Richtung trat, immer sichtbarer, als sich der gefahrvolle Dampf über den Teerstraßen lichtete und realer, als der glühende Schein ihm ein Gesicht und einen Namen gab… Immer weiter wie eine Marionette- verzerrte, leblose Gesichtszüge in einem fahlen Gesicht- trat ein junger Mann vor den einstigen Helden der Zeit… Sein braunes Haar, strubbelig und manchmal verspielt, hing wie ein fettiger Film auf einer teilweise kahlen Schädeldecke. Er war hinüber geglitten in die von Hass und Gier erzeugte Welt von Ganons Wahnsinn… die Seele jenes Menschen zerrüttet und gepeinigt, nicht länger stabil und beschützt von dem Kern des Guten, sondern zerfleischt und zerschmettert von Zarnas Hasssubstanz… Es war Rick… und doch war er es nicht mehr… Rick, der in einer verdorbenen Form marschierte, ließ kreischende Töne aus seinem Mund wandern, einem Mund mit Blut übersät, einem Mund, der bereits Tod geschmeckt hatte. Er wimmerte, zürnte und wimmerte erneut, abwechselnd, sang eine schräge Symphonie von Abscheu und zerrütteten Absichten. Seine Stimme ein trauriges, trostloses Echo einer einstigen Freundlichkeit und Menschlichkeit. Das rostige Schwert in seiner rechten Hand schleifte als Einladung zum Kampf hinter ihm her… Rick… Eine neue Stimme knallte wütend in Links Gedanken nieder, erzählten ihm davon, dass dieses Wesen vor ihm, geführt und genährt von den Trieben der dunkelsten Kreaturen der Vorstellungskraft, niemals sein bester Freund sein durfte. Das, was hier geschah, durfte nicht sein. Und das allererste Mal seit Link denken konnte, spürte er den Wunsch wegzulaufen, zu entrinnen, diesen Alptraum hinter sich zu lassen. Er spürte das demütigende Rufen einer Feigheit, die ihm fremd war. Ein Grauen, das sein heroisches Herz packte und zerquetschte. Er war bereit alles zu geben in diesem Alptraum des Seins, er war bereit zu fallen, sich zu opfern für die eine gute Sache… aber er war nicht bereit für diese Prüfung. Link war nicht bereit seinen besten Freund in Ganondorfs Hölle zu verlieren… Mitleidig blickte Link in das stechende und zornerfüllte Glühen von Ricks Augen, keine Spur mehr von dem lächelnden Hellbraun, dieser bemerkenswerten und seltenen Farbe… Und einmal mehr begann Rick seine verwaschene Stimme zu erheben, das Elend in seinem gespaltenen Dasein zu bezeugen, er sprach eine Prophezeiung von Tobsucht und Verderbnis, sprach Worte, die Link schon wenige Male vernommen hatte… aber diesmal stachen sie in sein mit Zweifeln beladenes Gemüt wie vergiftete Klingen und säten Keime der Furcht… „Das Böse kommt und geht… bis kein Wind mehr weht… Das Böse verschlingt die Welt… bis keine Hoffnung mehr zählt… Das Böse ist nah… Das Böse ist da… Es wird euch alle verschlingen… es wird euch nicht gelingen… Das Böse vernichtet das Leben… es wird keine Menschen mehr geben…“ Und erst jetzt verstand Link die Botschaft… Ganondorf hatte jede Kleinigkeit in diesem Alptraum der Welt geplant, von überall her seine Dämonenscharren gehetzt, in jedem Ereignis der Welt seine verteufelten Hände dreckigen Wahnsinn verrichten lassen… Von Anfang an. Es war so wie der Drache, den Link in Irland besiegt hatte, über seine sterbende Würde mitteilte. Seit Link auf dieser Welt geboren wurde, saß das Böse am längeren Hebel. Und niemand auf der guten Seite hatte die Chance in seinen morbiden, riesigen Plan Einblick zu finden. Es war alles bereits in Stein gemeißelt… Link sank auf die Knie, das erste Mal in seinem Leben war er ergriffen von Schock und einer Hoffnungslosigkeit, die ihm die Fassung nahm. In diesen Momenten, zerstört und gebrandmarkt vom Bösen, verlor der junge Held das erste Mal das Vertrauen in seinen vorbestimmten Weg. Er konnte nicht gegen Rick kämpfen, alles, nur das nicht. Auf Links trockenen Lippen hingen Wortfetzen einer Verzweiflung, die er nicht aussprach. In seinen tiefblauen Augen leugnete eine überwältigende Angst jeden noch so winzigen Schimmer seiner legendären Kraft des Mutes, erstickte ihn durch einen ehrlosen Blick aus Ricks glühenden Augen… Link ließ das silberschillernde Schwert aus der Hand fallen, fasste mit beiden Händen in den staubigen Erdboden, spürte eine brodelnde Hitze im Untergrund, den feuchten Dampf aus den Tiefen… Sein Blick blieb auf Rick haften, der erstarrt vor ihm stand, anwachsend, mutierend, sich immer weiter von seiner Menschlichkeit entfernend. Er war viel weiter in dem Prozess als Kevin damals… Kevin McMayor konnte gerettet werden, ihm konnte der Splitter entfernt werden. Aber Rick war bereits tiefer durchdrungen von der rotschwarzen Pechsuppe Ganons. Es war zu spät… Link hatte ihn zu spät gefunden… Maron, die bis zu jenem Zeitpunkt ahnungslos im Wagen ruhte, wachte schreckhaft auf und blickte die Welt außerhalb langsam begreifend durch die gebrochene Windschutzscheibe. Unvermittelt, mit müden, halbgelähmten Gliedern stürzte sie aus dem Wagen und rief verzweifelt den Namen ihres Freundes: „Rick!“ Ihre schöne Singstimme ließ auch Link zusammenzucken, sich sammeln. Aber der Oberstufenschüler reagierte nicht darauf, sondern blieb in einer erstarrten, unmenschlichen Haltung, keine Bewegung, kein Rühren, keine verdächtige Menschlichkeit. Einzig das rostige Langschwert in seiner Hand kratzte am Boden, erzeugte wenige sonderbare Laute… wie ein kleiner Reigen in der Stille, unheimlich, abwartend. „Rick…“ Sie wusste es bei einem Blick in Links gramerfüllte Augen, wo das Tiefblau gläsern wurde, sie wusste es, als sie Rick musterte… Anders als sie es damals erfahren hatte, konnte Rick nicht gerettet werden. Alles an ihm war durchdrungen vom Bösen, ein Gewächs lebendigen Schattens wucherte in jeder Zelle seiner Körpers, war spürbar in der trockenen Luft und sichtbar in seinem diabolischen Grinsen. Sie stolperte näher, vielleicht leichtsinnig, aber was hatte denn Maron noch zu verlieren? Auch sie wusste nicht, wo ihre Familie weilte. Das einzige, was ihr Herz erfüllte, war jener vom Bösen gesteuerter junge Mann, der das Schwert gegen sie erheben würde. Und weil sie nichts zu verlieren hatte, stolperte sie immer noch näher, mit heißen Tränen, die über ihren Wangen perlten. „Rick!“, rief sie und trat zwischen Link und jenem einst so wundervollen Menschen, der so viele Eigenschaften eines rechtschaffenen Herzens in sich trug. Maron hatte ihn seit Ewigkeiten scherzhaft ihren Prinzen genannt, weil er genau das für sie war. Er war wie einer dieser Märchenprinzen aus den Kinderbüchern, die sie liebte. Zu gut für diese Welt… und zu gut für dieses grausame Schicksal, die Düsternis, die ihn wie eine bestialische Krankheit überfiel. Sie breitete ihre Arme aus, blickte in das vertraute, schöne Gesicht, in jene liebevollen Augen… Aber Liebe war dort nicht mehr zu finden. Hinter seinen Augen war Rick nur noch ein weitentfernter Geist, der seinen Körper nicht mehr erreichen würde. Und doch glaubte Maron mit ihrer letzten Kraft daran ihn noch einmal zu finden, noch einmal berühren zu dürfen. Sie trat näher, ein Ausdruck verzweifelter Hoffnung und beinahe kindischer Naivität in einem erzwungenen Lächeln. „Hörst du mich… ich bin hier…“, murmelte sie und überwand die beschützende Distanz, bewegte sich in die Gefahr von seinen entstellten Händen zerfleischt zu werden, aber sie tat es. Link stockte der Atem, als Maron ihren Freund in die Arme schloss, zitternd, vielleicht Abschied nehmend, sich womöglich sogar bewusst, dass es ihr eigenes Leben kosten würde. Und gerade da kam Link mit entfachtem Zorn auf die Beine, umklammerte einmal mehr das Schwert in seiner Hand. Wollte Maron sich tatsächlich von einem zombieartigen Rick zerquetschen lassen? Hatte sie aufgegeben? Und als sie schluchzte, nahezu wehrlos an ihm hing, krachte in Link der nächste Schauer des Entsetzens nieder. Selbst wenn Rick nun gefallen war, er konnte nicht zulassen, dass sich Maron aus Verzweiflung richten lassen wollte. Sie schenkte ihm einen kurzen Blick, voller Mitleid, in ihren blauen Augen hatte sich jeder Lebenswille zurückgezogen. Es war dieser Blick, den Link nicht ertragen konnte, von niemandem! Er duldete es nicht, dass irgendjemand unter seiner Wacht aufgab! Ein schockierender Funke Kraft zuckte in dem Heroen vorwärts, grub sich unter seiner Haut entlang und feuerte seinen eigenen Lebenswillen an. Der Gedanke Maron würde aufgeben platzte wie eine Bombe in ihm und zerschmetterte jegliche Düsternis. Link handelte instinktiv mit einer beinahe brutalen Gewalt, forsch, aber mit gestärktem Beschützerwillen. Er packte Maron so energisch, dass sie anfing zu schreien und zog sie hinter sich, außer Reichweite von Rick, der sein schmieriges Grinsen immer weiter verformte… seine Gesichtszüge grotesk, wie ein hässlicher Clown. „Maron!“, rief Link ungeduldig, als sie versuchte ein weiteres Mal in Ricks kaum mehr menschliche Arme zu flüchten. Sie wehrte sich mit Schlägen und Tritten, wollte zu Rick, wollte bei ihm sein, das letzte Ereignis, das für sie noch Sinn ergab. Link packte sie beinahe gewaltvoll, stetig verhindernd, dass sie in ihr eigenes Verderben rannte. „Das ist nicht mehr Rick!“ „Doch, er ist noch da drin… bitte… lass‘ mich zu ihm!“ Sie schrie, tobte und zappelte so heftig gegen Links Zugriff, dass er sie kaum zurückhalten konnte. „Rick… bitte… zeig‘ ihm, dass du da bist…“ Aber noch immer entglitt kein vernunftgesteuertes Wort aus seinem Mund, noch immer stand er einfach nur da, schabte mit seiner benutzten Klinge über das dampfende Teer der Straße, erzeugte schrille Laute. Dann endlich hob er die Waffe in die Höhe, beinahe elegant, als hätte er tatsächlich Erfahrung im Kampf mit dem Schwert. Er zischte, unverständliche Worte wie bei dem Moblin, den Link vor wenigen Minuten getötet hatte, brachen von seinen Lippen, blaugefärbt waren sie, berichteten von dem Tod, der sich in seinen Körper eingenistet hatte… Die rostige Klinge sauste nieder, knallte brutal auf die Straße und grub Spuren in das Material. Und da wich Maron zurück und fiel nach hinten. Erschüttert hockte sie auf der kalten Straße… weinte, verlor sich in einem Meer menschlicher Ohnmacht. Mit leerem Blick und erneuter Starre beobachtete sie die Grausamkeit, die da folgte. Und einmal mehr schwang Rick die Klinge, setzte das Tötungsinstrument an Links schwitzende Kehle und lachte… Er lachte in einer zynischen Moblinsprache, verwaschen, verdorben, hässlich, lachte kollernd und aufgedreht. Und da war ein Wort, eine Aufforderung, die Link für sich verstehen konnte. Er wusste nicht warum, aber er kannte das Wort. Ein Ausruf, geifernd, dreckig und barbarisch. Der Ruf zum Kampf. Link verstand ein vertrautes Wort, dass da lautete: Kämpfe! Kämpf‘ gegen mich! Aber Link fühlte sich abscheulich gelähmt, betete, dass Rick doch noch zur Besinnung kam, betete, dass es nicht zu einem Duell kam. Es ging nicht. Er konnte nicht gegen Rick kämpfen. Nicht gegen ihn. Niemals! Und in jenem Moment der Unachtsamkeit tat diese Kreatur, eine Hülle der verlorenen Wünsche Ricks, das einzige, was in der Sprache des Bösen möglich war. Ricks sterbende, verruchte Gestalt war bereit das Böse in sich zu befriedigen, und dies gelang ihm am besten mit Mord und Schlachterei. Noch ehe Link verstand, was geschah, drehte sich der vom Bösen zerfressene Körper in den Lüften, schwang sich über den Kopf von Link hinweg und landete krachend, als würden in Ricks Beinen die Knochen brechen direkt vor Maron, die hilflos auf der Straße kauerte. Sie flehte, sah im rotglühenden Schein der Welt das rostige Schwert von Rick aufblitzen. Für schwindende Sekunden fragte sie sich, ob dies das letzte war, das sie von dieser Welt erinnern würde… Sie wimmerte den Namen ihres Liebsten einmal mehr in die gefahrdurchdrungene Nacht, bettelte ihn an, hörte irgendwo auch Links Stimme dröhnend und befehlend niederknallen. „Hör‘ auf damit, Rick!“, rief Link. „Komm‘ zu dir, erinnere dich an uns.“ Aber jedes Wort prallte an dem Bösen ab, das sich hungrig an seiner Seele labte, es gab kein Gebet, das ihn jetzt noch erreichen würde. Und gerade da sauste Ricks Waffe nieder, bereit das Leben in der hübschen Farmertochter zu vernichten… ein grausames Spiel des Bösen. Liebende töteten sich gegenseitig. Und Maron handelte ohne Gegenwehr, bereit dieses Schicksal anzunehmen und vielleicht sogar glücklich das Ende der Welt nicht länger ertragen zu müssen. Eine bedrohliche Lust zu töten manifestierte sich in dem purpurroten Glimmen von Ricks Pupillen und da hatte auch Link keine Wahl mehr. Mit einer heftigen Sturzattacke trat Link in den Kampf ein, rang mit dem Schwert seines Gegners zitternd um Maron zu beschützen. Er lockte Rick mit gezielten Attacken weiter, mehr und mehr außer Reichweite Marons, versuchte alles daran zu setzen Maron unversehrt zu wissen und seinem Freund kein Leid zuzufügen. Mit einer raffinierten Gewandtheit, Attacken so sauber und gezielt, brachte er Rick zu Fall und ergriff die Gelegenheit Maron in diesen wenigen Sekunden zurück in den Wagen zu zerren. Sie reagierte lethargisch, weinte und schluchzte, besiegt von einer schweren Machtlosigkeit… Am Rande der Ohnmacht hockte sie schließlich im Wagen, außer Reichweite des Bösen, sodass sich Link auf Rick konzentrieren konnte. Zwei Gegner standen sich gegenüber, als wenige Tropfen säuerlichen Regens vom Himmel fielen… Es erschien dem Heroen als hatte der Himmel Mitleid mit ihnen beiden. Mitleid in der grausamen Tragik des Moments, wo sich zwei Freunde gegenüberstanden… zwei Seelen, die einander gestärkt hatten seit der Grundschule. Link erinnerte sich, als der Regen tröstlich und beschwichtigend über seinen Wimpern tröpfelte, erinnerte sich an die Zeit seiner Sandkastentage, an die Probleme, die er als rebellischer Trotzkopf bereitet hatte… und Link hatte sich mit jenen Eigenschaften zunächst keine Freunde in Schicksalshort gemacht. Nur einer war geduldig genug gewesen sich mit ihm anzufreunden. Rick, dieser gutmütige, zuverlässige und kluge Bursche. Und nicht, weil er zufälligerweise sein Cousin war, verstand er sich so gut mit ihm, nein, Rick war schon immer etwas Besonderes gewesen… eine edle Präsenz hauste in ihm, rein und reif. Wie lange wohl hatte Rick innerlich gegen Ganons Beeinflussung gekämpft? Ganons Zorn musste sich an ihm die Zähne ausgebissen haben… Link blockte jede Attacke, hörte sein Herz mit jedem Schlag sich in seiner Brust winden, fürchtete jeden Schlag, der bestimmt war sich in jugendliches Fleisch zu graben… Er war nicht dazu in der Lage, ebenso eine Attacke zu starten, zweifelte und spürte sein eigenes Scheitern mit jedem Atemzug näherstürzen. Gewaltvoll näherstürzen wie der blutrote Vorhang der Welt… Ein weiteres abfälliges Raunen rollte aus Ricks zerschlagener, menschlicher Kehle. Eine Aufforderung mit der Sehnsucht nach spritzendem Blut und krachenden Knochen. Ein gefährlicher Hunger und eine eisige Kampflust erfüllte die kostbaren Zellen von Ricks Körper, wo einst seine Seele pochte… Link schwieg und konzentrierte sich auf die Klinge seines Gegners, den klagevollen, schneidenden Ton, wo Metallfasern in der Luft tanzten. Bemüht Ruhe zu bewahren, schwang der Heroe sein Schwert unter Zweifeln, unter Fassungslosigkeit und beginnender Lethargie… Er bemühte sich mit aller Macht, die er verinnerlichte, bemühte sich standzuhalten und Rick in keiner Weise Schaden zuzufügen. Aber dieser absurde Kampf war so aussichtslos, die Zeit war nicht gegeben Ermüdung in dem gefolterten Dasein Ricks zu erreichen… denn im Hintergrund tummelten sich gewiss weitere Höllengeschöpfe, marschierten über die dampfenden Teerstraßen mit dem uralten Willen die Welt der Menschen zu brechen… Und als der Regen niederpeitschte, brennend und juckend, das Wasser bis in die kleinsten Bestandteile vergiftet vom Bösen, duellierten sich beide Kontrahenten weiter… Die Klingen klirrten mit einem schrillen Summen aneinander, rangen um Berechtigung, rangen um jeden Vorteil. Link sah sie alle… seine Vorteile, seine Gewandtheit. Und er wusste es, als das eisige Wasser an seinem dunkelblonden Haar entlangtröpfelte, die Sekunden in seiner Wahrnehmung zerschmolzen. Er wusste, er könnte diesen Kampf sofort entscheiden, aber sein Herz zögerte… Was auch sollte er noch tun? Rick war nicht mehr zu retten, seine Seele verloren in den dunkelsten Abgründen des Dämonenlords… Kalter, fröstelnder Regen hämmerte immer stärker auf die Straße, aber die Kontrahenten kümmerte der Regen nicht. In dem purpurroten, düsteren Licht, das den Himmel gelegentlich wie Stichflammen durchdrang, wirkte der Regen wie Blut, das auf der Straße entlang strömte wie dickes Blut in den Venen eines Menschen. Rick kämpfte wie besessen, ein heftiger Schlag tief aus seiner Mitte, noch einer und noch einer, übermenschlich, hungrig nach mehr, hungrig nach einem Lebensstoff, der sich Adrenalin nannte… Link aber verlor innerlich das Gefecht mit jedem weiteren Schlag, den er zurückwerfen musste. Er verlor seine Standfestigkeit und erlebte seine Überzeugung schwinden. Brennende Schweißtropfen vermischten sich mit säureartigem Regen, kostbare Tränen sammelten sich in Links Augen, als er sein Herz schreien spürte. Er betete für ein Ende dieses Kampfes, ein Ende dieser grausamen Fügung. War es nicht genug? War es nicht genug, dass er alle Hürden so tapfer angenommen hatte? Selbst die Machtübernahme Ganondorfs hatte Link erduldet, besonnen gewartet auf eine Chance für den Sieg. Link wusste, dass es niemanden gab, den er dafür anklagen konnte, niemanden außer Ganondorf… aber dieser Kampf war die gemeinste Prüfung für ihn, etwas, das er nicht meistern konnte. Er betete für das Ende des Kampfes, aber jener würde nicht vorüberziehen, sich nicht beenden lassen, es sei denn Link setzte den finalen Schlag… Link kämpfte mit Angst, kämpfte so unsicher und leidvoll wie noch nie in seinem Leben. Langsamer und schwächer kamen die Attacken von ihm je mehr sich die Fesseln der Angst um seinen Körper legten… Rick holte kräftig aus. Link blockte und wurde durch die Kraft der Attacke nach hinten geschleudert. Er landete auf der klatschnassen Fahrbahn und blickte auf, sah das fahle, entstellte Gesicht seines besten Freundes, sah irgendwo dort in seinen Gesichtszügen Leid und Schmerz, und irgendwo auch Gnade, die sich in einem Betteln nach dem Tod erzeugte… Link spürte es in der drückenden Atmosphäre um sie herum, in dem Regen, der niederpeitschte wie winzige Nadelstiche… und er spürte es in Ricks seelenlosen Blicken… Da war Leid und Wut, aber allen voran schmerzerzeugtes Leid… Rick, was immer auch noch von ihm übrig war, bettelte mit jeder weiteren Attacke nach einem Ende seines entehrenden Daseins, er bettelte nach dem Tod… Denn was würde Rick von ihm verlangen, wenn er wüsste mit welcher bösartigen Energie sein Körper zerfressen war und welche Grausamkeiten er damit beging? Rick war zu edel und zu gut als feige zu sein, zu gut, als diesen Zustand seines Körpers zu dulden. Link wusste es irgendwo… gerade jetzt, wo er auf der eiskalten, nassen Straße saß… gerade in dem Moment, als Maron im Hintergrund wimmerte und sich ihr Klagegesang mit mitleidigen Regentropfen vermischte. Link wusste, dass er keine Wahl mehr hatte… Erstarrt und im Zweifel hockte der Heroe auf der Teerstraße, wo sich Pfützen aus säuerlichem Regen bildeten. Sein Blick galt ganz allein Rick, der verloren in der Energie des Bösen näher humpelte, einmal mehr so voller Gebrechen und Leid… So als wehrte sich die Seele Ricks noch immer gegen die Verseuchung des Bösen. Links Hände griffen in den kalten Matsch, stützte sich in einer hinterhältigen Schwäche, die aus seinen Zweifeln genährt wurden. Er konnte sich kaum rühren, er konnte nicht weiterkämpfen. Er zuckte nicht einmal zurück, seine tiefblauen Augen weit aufgerissen, als Rick ihm die rostige Klinge langsam und schneidend an die Kehle setzte. Link spürte das verätzende Metall auf seiner Haut, eine sonderbar vertraute Empfindung, die in ihm niederschlug wie eine aufhetzende, traumatische Erinnerung… Diese Empfindung von Metall an seiner Kehle… blutkostend… oh wie verteufelt vertraut dies war. Wie oft in seinen zahlreichen Leben war er dadurch, dass ihm das Böse die Kehle zerriss wohl gestorben, fragte er sich, jetzt, wo er diesen Kampf nicht mehr führen wollte, jetzt in gefrierenden Sekunden, wo er eine weitreichende Entscheidung über den Sieg des Guten treffen musste. Mitleidig hob Link den Blick, seine tiefblauen Augen fiebrig und gläsern und doch so tapfer. Rick jauchzte und tobte, in dem heiseren, ausdruckslosen Raunen war seine Stimme nicht mehr zu erkennen… Auch in seinen Gesichtszügen schwand mehr und mehr Ricks Persönlichkeit, wie absurd sich dieser Triumph anfühlen musste. Er hatte den Helden Hyrules geschlagen. Link hockte todesbleich am Boden, sendete auch Maron, die weinend im Wagen saß, einen zögerlichen, aber klaren Blick der Zweifel und des Mitleids. Ja, Link fühlte sich besiegt, trug nicht eine Wunde und fühlte sich dennoch besiegt. Seine Gedanken wanderten zu den Ereignissen der letzten Wochen, der Naivität es würde sich alles zum Guten wenden, diesem Irrglauben sein Schicksal ergab irgendeinen Sinn… Wo hatte alles noch einen Sinn, wenn er jeden verlor, der ihm am Herzen lag. Seine Freunde, seine Familie… Aber wenn er jetzt versagte, wer sollte dann noch gegen Ganondorf kämpfen? Wer sollte die Welt retten? Und wieder wurde ihm die Verantwortung, die auf seinen jugendlichen Schultern lastete, bewusst. Die Last der eine Held zu sein… Er war derjenige, der das Böse stoppen musste. Er war derjenige, der kämpfen musste. Er durfte nicht versagen, in keinem Leben… Wenn er es tat, ebnete dies nur den Weg für die dunkelsten Pfade der Zeit. Zeldas Stimme erklang in seinen Gedanken mildtätig, zärtlich, und er wusste, sie war stets bei ihm, egal wo er sich befand, welchen Kampf er überstehen müsste und welche Schmerzen er ertragen würde… Sie war da, seine einzige Sicherheit in dem Gemetzel seiner Existenz. Und die einzige Seele, die verstand… Sie würde auch diesen Schritt verstehen, den er nun gehen musste. Einen neuen dunklen Pfad, den der eine Held wählen musste. Noch mehr Opfer konnte er nicht bringen… Ein weiteres Mal begegneten Links tiefblaue Augen Marons traurigen Blicken, so strahlend mutig, ein Leuchtfeuer der Hoffnung in der Düsternis, eine unentrinnbare Farbe, ein Licht, das über Welten hinaus strahlen konnte. Links Augenfarbe war der Spiegel seiner gütigen Seele, einer wissenden, reifen Seele, die Tapferkeit verinnerlichte wie keine andere… nur deshalb würde sein mutiger Blick niemals erlöschen… selbst in der Erbarmungslosigkeit der apokalyptischen Welt, selbst hier, wo Opfer wie Schachfiguren fielen. Und da ahnte auch Maron im halbzertrümmerten Wagen, was in diesem Alptraum noch geschehen musste, was der Streiter des Guten tun musste… Rick thronte vor ihm, ein Ausdruck zufriedener Belustigung in unmenschlich verruchten Zügen, siegessicher, ließ die kratzige Klinge verspielt in Richtung Links Halsschlagader wandern. Er lachte heiser und johlend… Rick lachte in dem Gefühl Vernichtung zu bringen. Alles, was er in Ganons Fängen noch tun konnte, war zu lachen… Link schluckte, eine unsichere Bewegung in seiner unschuldigen Menschlichkeit. Er schluckte winzige Spucke hinunter um seine trockene Kehle zu befeuchten, erlebte eine stürmische Absicht seiner Instinkte durch seinen Körper wandern mit dem Ziel Kraft und Energie für weitere Gefechte anzusammeln. Er spürte donnerndes Herzklopfen und frischer Schweiß aus seinen Poren strömen. Seine Instinkte machten ihn bereit und befahlen ihm zu handeln. Und er wusste es, gerade da, als die Sekunden vor seinem inneren Auge zu tanzen begannen und sich in die Länge dehnten. Kein Zweifel… kein Ausweg mehr. Ricks Schicksal war besiegelt… Während Links rechte Hand an seine Wade wanderte, wo er einen seiner Dolche versteckt hielt, schloss er verzweifelt seine Augen, eine Träne gelebter Erinnerung bahnte sich an seiner Wange hinab… Der Dolch blitzte auf, hell und heilend… denn manchmal war Tod die einzige Heilung. Tief vergrub sich die weiße Klinge in der Brust von Rick, krachend, Knochen und Muskeln zerfetzend. Link spürte keine Gegenwehr, als hieß Ricks Körper diesen Akt der Gnade willkommen. Wehrlos sackte der jugendliche Körper in sich zusammen, ein leises Röcheln entwich Ricks bisher stummen Lippen, als Link ihn in einer Umarmung voller Trost, Unverständnis und Trauer auffing. Er hielt ihn sicher, seinen besten Freund, seinen Cousin, hielt ihn fest und innig. Ein taubes Fühlen krampfte in seinem Mund, verfolgte Spuren bis zu kostbaren Muskelfasern seines Herzens… Behutsam ließ Link den sterbenden Körper zu Boden, als ihm die Tränen kamen, zügellos und schluchzend. Link weinte so hemmungslos wie noch nie in seinem Leben… Und in einem wünschenswerten Moment, wo Zarnas Splitter keine Macht mehr über den jungen, liebevollen Burschen besaß, wandelten sich seine von Ganons Hass überwucherten Blicke, nahmen nun wieder das helle, angenehme Braun an, das sie immer besaßen. Ein Blick von Dankbarkeit überfüllt stach hinein in die von Unverständnis und Trauer beherrschte Welt Links, der nicht ein Wort über seine Lippen gleiten lassen konnte. Seine Kehle war wie zugenäht. Beladen mit Schuld, Reue, Wut und Schmerz… Weitere Tränen folgten in dem einzigen Trost, den Link darin finden konnte Abschied nehmen zu dürfen. Denn Rick blickte ihn an, Blut an seinen Mundwinkeln, ebenfalls Tränen in den Augen… Aber diese unentrinnbare Dankbarkeit in seinem jugendlichen Gesicht stülpte sich über den Helden drüber. Link wollte diesen Dank nicht, nicht dafür… nicht für eine solche Tat… Es gab nichts, wofür er irgendeinen Dank erwünschte… Link lauschte Marons hetzenden Schritten durch den kalten, verseuchten Regen… Wimmernd brach sie an Ricks Seite nieder, ihre zitternden, schmutzigen Hände umschlangen sein Gesicht, wo das Leben heraussickerte. Sie benetzte seine Lippen mit einem letzten Kuss, schmiegte sich an ihn und wimmerte, leistete ihm den wertvollsten Dienst, den ein geliebter Mensch erbringen konnte. In der Minute des Abschieds da zu sein, einfach nur da zu sein. Rick röchelte… die Kraft und Lebensenergie verließ ihn, sichtbar in den schwachen Konturen in seinem Gesicht, in der matten Farbe seiner Wangen, dem Leuchten in seinen Augen. Das Leben verließ ihn. „Verzeih‘ mir… Link… mein Freund…“, seufzte er und vergoss ebenfalls Tränen des Abschieds. Link schloss die Augen, ein stummer Wiederhall in seiner Kehle fror die letzten Worte ein. Er nickte ihm entgegen, dankbar Rick als Freund in dem Ende der Welt noch einmal erkennen zu können. Ricks rechte Hand wanderte zu Marons Wange, ein letztes Mal. Er versuchte zu lächeln und blickte ihr mit dem sterbenden Glühen seines Lebens entgegen. „Malon…“, war sein letztes Wort, dann sank sein Kopf leblos zur Seite. Die Welt hatte ihn losgelassen, ein weiteres Opfer des Bösen, in jenen erbarmungslosen Stunden, wo die Tore des Himmels mit Seelen überflutet wurden… Maron schrie laut auf und weinte bittere Tränen. Sie klammerte sich an ihren Liebsten, streichelte sein mit Wunden übersätes Gesicht und hielt seine nasskalten Hände, versprach ihm viele Worte, die sie ihm niemals sagen konnte. Link richtete sich mit geballten Fäusten auf, sein Heldenstolz zerrüttet… und als sich Zorn und eine gewaltvolle Wut über die Trauer in seinem Herzen lagerte, er den Anblick Ricks nicht mehr ertrug, schlug er mit seinen Fäusten auf den Erdboden ein, immer und immer wieder… brüllte das Unverständnis aus seinen Lungen. Ein weiteres Wort kam ihm in den Sinn, ein Gefühl, eine Tat: Rache. Ganon, sagte er zu sich selbst, dafür zahlst du… Immer wieder schallte ein einfaches ,Warum’ in seinen Gedanken umher. Warum? Warum musste Rick sterben? Warum musste das passieren? Ohne Rick kam ihm die Welt so sinnlos vor, so leer… Der gewandte Kämpfer erhob sich schließlich, mit dem Schwert in der Hand, und blickte in den finsteren Himmel. Regentropfen bedeckten sein grünes Base-Cape. Wie wild geworden schwang er seine Hiebwaffe, schrie aus Leibeskräften den Namen seines Freundes in die Luft und reagierte sich ab. Er stach die Klinge wütend in den Erdboden und ein lautes, verzweifeltes: ,Nein!’ zerriss die Stille. Link hätte niemals geahnt, dass so viel Hass in ihm steckte, Hass auf Ganon, Hass auf sein eigenes Schicksal. Ganon würde dafür teuer büßen müssen… Er ließ sich neben dem Wagen niedersinken, vergrub das vom Regen befeuchtete Gesicht in den Händen… Seine tiefblauen Augen schillerten in der purpurroten Nacht bis sie sich schlossen als einmal mehr der Schmerz über Ricks Verlust siegte. Dann blickte er auf seine rauen Kämpferhände. Das unsichtbare Blut an ihnen würde sich nie wieder abwaschen lassen. Kapitel 45: Unbeugsame Hoffnung ------------------------------- Einzelne Regentropfen fielen vom rauchig flammendroten Himmel, als irgendwo in der Nähe von Schicksalshort ein Wagen über aufgerissene Teerstraßen schlich, sich mit verdunkelten Scheinwerfern vorwärts wagte. Zwei Personen saßen in dem Wagen, trauernd über den erbarmungswürdigen Zustand der Welt, einer bedrohlichen Leere des Planeten, der noch vor wenigen Stunden Hunderte Völker und Länder, Tausende Tierarten und Pflanzen hütete. Mit Erschöpfung und Tränen hatten sie sich von Irland bis in einen anderen Teil der Welt gekämpft, ihre Ängste ein Spiegel des glühenden, gefallenen Himmels. Leon Johnson steuerte das Fahrzeug durch sanften, mitleidigen Regen, tief berührt und verzweifelt… auch in ihm krochen Schuldgefühle wie gefräßige Parasiten. Wäre er als oberster Staatsführer in Hyrule in der Lage gewesen Ganondorf Einhalt zu gebieten, hätte er Zeldas Prophezeiungen von Anfang an in Pläne das alte Königreich betreffend eingearbeitet, so wäre diese Erdenwelt niemals das Schlachtfeld des Fürsten der Finsternis geworden. Seine Augenlider zuckten, während sein Kiefer sich in imaginären Wunschvorstellungen anspannte… Sian kannte die feinen Bewegungen in seinem hoheitlichen Gesicht, den alten Gram, der sich aus Leons Gesichtszügen bis hinter die Schädeldecke flüchten konnte. Es waren diese Schuldgefühle, die nicht nur aus dem Versagen der Weltenrettung gespeist waren… Sian sah es in der väterlichen Zuneigung, in einem vergessenen Glanz der Liebe, die nicht ihm galt, wohl aber einem anderen Seelenzauber. Es war keine Eifersucht, die den jungen, begabten Irländer beschäftigte oder Neid. Es war eher Neugier… und Besorgnis um seinen Vater. Aufmerksam studierte Sian eine Karte der Welt, zufrieden den Zielpunkt Schicksalshort trotz aller Widrigkeiten auf ihrem Weg über das Meer und eine ewigscheinende Strecke durch ländliche Gegenden in greifbarer Nähe zu wissen. Kaum mehr eine Stunde trennte sie von dem Ort, der in die Schlacht um die Erde als Refugium der Legenden eingehen sollte. Das Zentrum der Streiter des Guten. „Das Schicksal meint es gut mit uns…“, murmelte Leon, eher widerwillig. Es schien aufgesetzt, so als wollte er unbedingt mit seinem Sohn in ein Gespräch kommen… gerade jetzt offen über all das reden, was sie seit Jahren nicht getan hatten. „Wir kommen unserem Zielpunkt immer näher.“ „Ich weiß nicht, ob ich noch an das Schicksal glauben möchte…“, erwiderte Sian, zwang sich mit einem Schließen seiner Augenlider aber zum Innehalten. Auch er, wo er die Apokalypse über die Welt donnern gefühlt hatte, schon vor Wochen, hielt den dunklen Vorhang der Welt kaum aus. Es kochte in seinen Zellen, dem scharfen Spürsinn, den Sian über sich und die Welt außerhalb seines Seins geschult hatte. Es kochte in übernatürlichem Feuer, übelriechender purpurroten Suppe, die kleinsten Bausteine das Seins kochten… „Entschuldige, Vater“, sprach er dann, sein gereizter Tonfall rollte in ihn zurück. „Sian… ich weiß, ich habe dir in den letzten Wochen nicht gerade einen Grund gegeben an so etwas wie Schicksal zu glauben… Blind vor Wut und Schuld habe ich den einzig notwendigen Weg in alle Winde geschlagen…“ Nein, es war sogar weitaus mehr. Leon hatte ihm schlichtweg keinen Grund mehr gegeben an seinen eigenen Vater zu glauben. Und das seit Monaten. Es gab Tage, da verfluchte der sonst so kühle, vernunftbegabte und starke Sian seinen Vater innerlich, bestrafte ihn mit einem kindischen Ignorieren, das er kaum kontrollieren konnte. „Der einzig richtige Weg wäre gewesen Zelda hier in Schicksalshort zu besuchen, sie zu unterstützten und nicht zusätzlich Impa zu befehlen sie in Unkenntnis über deine Existenz zu lassen. Unser Scheitern ist ein Scheitern an ihr… vor allem an ihr.“ Sians Anklage kam harsch und vernichtend, Sian schonte seinen Vater nicht, das hatte er niemals getan. Eine Erschütterung in der von Reue beladenen Seele jenes gescheiterten Königs endete in einem Knacken seiner ungenutzten Fäuste. Das war alles, wie immer… es war seine Reaktion auf den Schmerz, den Sian herausgefordert hatte. Der begabte Jugendliche warf einen Blick auf die Rückbank, wo in einer Reisetasche die vervielfältigten Splitter Hylias ruhten, leise vor sich hin vibrierten, ja leise summten. „Diese heilenden Splitter sind unsere einzige Chance auf etwas Licht für das Sterben allen Lebens auf dem gesamten Planeten… und die Einzige, die bewerkstelligen kann, dass jene Kristalle uns helfen, ist Zelda“, sprach Sian, so, als wüsste sein Vater es nicht, so, als hatte sein Vater vergessen, welche Rolle der Prinzessin des Schicksals im Kampf gegen das Böse seit Äonen zugedacht war. Es war albern, dieses sich selbst erklärende Wissen zu verbalisieren, fast schon töricht. Und vielleicht war es nicht der richtige Zeitpunkt diesen Konflikt zur Sprache zu bringen, aber wann, wenn nicht jetzt? Die Zeit lief ihnen davon… Irgendwann tickte hier auf dem Planeten gar keine Zeit mehr… Das plötzliche, ruckartige Steckenbleiben des Wagens verbündete sich mit einem unzufriedenen Seufzen aus Leons Kehle. Ein rauer Ton, nicht nur gespeist von dem leeren Tank, der ein schnelles Vorankommen von beiden unmöglich machte, sondern auch daher rührend, weil er auf Sians Anklage nur einen kindlichen Trotz, ein törichtes Unvermögen mit ihm zu reden, spürte… Es war blanker Unsinn, eigentlich. Er lebte über fünfzig Jahre schon auf dieser Erdenwelt und fühlte sich wie ein Kind, das vor der Konfrontation mit der eigenen Tochter davonlief. Und obwohl Leon in vielen Belangen mit sehr viel Lebenserfahrung und Wissen brillieren konnte, so vermochte er es, was die Beziehung zu seiner Tochter anging, nicht. Womöglich, weil ein alter, unnötiger Konflikt zwischen ihnen schon seit Hyrules Verblassen bestand… und weil er sich niemals von ihr verabschieden konnte. Damals… „Bei Hylia, Vater“, murrte Sian, der ebenfalls einer sich gut anfühlenden Wut den Vorzug vor seiner sonst so kühlen, beherrschten Natur gab. „Du musst diesen Streit mit Zelda endlich klären.“ Aber eigentlich wollte er wohl sagen: ,Du musste diesen Streit auch mit mir klären…‘ Sian fühlte sich Zelda zu nah als sich aus diesem chaotischen Unsinn herauszunehmen. Und erneut gab Leon seinem eigenen Unvermögen und seiner Besorgnis einen knackenden Unterton mit den Gelenken in seinen Fäusten. Dann zupfte er sich am Bart und auch diese Reaktion kannte Sian zu gut. Es war der analytische Blick, der sich mit seiner Gestik verbündete, immer dann, wenn Leon all seine Optionen abrief um eine Entscheidung zu fällen, immer eine, die ihm nicht gefiel. Er hatte sich dieses auffällige Schauspiel seiner Physis unbewusst angeeignet, damals schon… „Sian, ich wollte Zelda nicht noch einmal in eine Rolle hineinpressen, in welcher sie ihr ganzes Glück hätte opfern müssen. Und ich habe oft genug zu viel Druck auf sie ausgeübt diesbezüglich…“, erklärte er dann, versuchte den Motor noch einmal zu starten, nur um sich zu überzeugen, dass es wahrhaft am leeren Tank lag. Bis er sich knarrend zurücklehnte. Und auch diese Reaktion kannte Sian nur zu gut, Leon gab immer wieder auf seine eigenen Ängste zu ergründen. Den Konflikt mit Zelda näher zu beleuchten. Und Sians Reaktion darauf war ebenfalls dieselbe. Er spürte einen unnachgiebigen, fehlleitenden Trotz in sich, sein eigenes Unvermögen sich in Geduld zu üben. Auch wenn die Wiedergeburt von Shiek diesen starken, kühlen Kopf bewahren konnte, so besaß er dennoch seine eigene unvernünftige Schattenseite einer maßlosen Ungeduld. „Weil Zelda nicht dem Bild einer perfekten Prinzessin entsprach und nicht entspricht…“, murmelte Sian nachdenklich. Aber war das allein schon ausreichend für ein solches Konfliktpotential, das Leon Johnson annahm seine Tochter wollte nicht mit ihm reden? „Ja, womöglich war es das…“ Und ob es das war, dachte Leon in stillen Gedanken. Sicherlich hatte er sich alles Glück der Welt für seine Tochter gewünscht, seiner kleinen Zelda, die ihm immer wieder einen Spiegel seiner eigenen Fehler vorgehalten hatte. Dennoch… er hatte niemals eine Wahl gehabt sie an dem strengen, sittsamen Hofe, unter den Augen des Hochadels von Hyrule, sie selbst sein lassen zu können. Schon sehr früh eskalierte Zeldas ungebändigte Natur, ihr Sturkopf, ihr Freigeist, ihr Wildfang, mit den Gesetzen bei Hofe, mit der restriktiven, unbeweglichen Struktur, der viel zu halsstarrigen Oberflächlichkeit. Sie war niemals glücklich in ihrem eigenen Heim gewesen und er wusste dies. Nur deshalb hatte er die Besuche eines gewissen naiven, aber auch freiheitsliebenden Waisenjungen aus den Wäldern gestattet. „Aber wir alle müssen Opfer bringen… das ist unabdingbar. Wir tragen eine weltenverbindende, heilige Pflicht. Irgendwann müssen wir alle nach vorne schauen und alte Verletzungen hinter uns lassen. Ich kann nicht nachvollziehen, dass Zelda dies nicht gelingt.“ Sians starke, ehrgeizige Persönlichkeit kam mit dem kühlen, kompromisslosen Ton in seiner Stimme zum Vorschein. „Ihre mentale Krankheit… ein Fluch womöglich“, seufzte Leon, verriet in einem Blick aus seinen himmelblauen Augen einen weichen Gedanken an seine eigene Mitschuld und Rolle in diesen Ereignissen. „Zelda war so stark in dem Schlund des Zeitkriegs, sie war ein führendes Licht, strahlend, stolz… Sie hat nicht gezögert zu kämpfen, ihre gesamte Kraft in die Rettung des Reiches zu legen… und nun…“ Leon stolperte fast über einen langen Atemzug aus seiner kratzigen, belegten Kehle um seine Anspannung abzuschütteln. Eine hässliche, gemeine Spannung, die an seinem Brustkorb anschwoll und leise stichelte. Dieser verdammte, alte Schmerz unerledigter Aufgaben biss sich in seinem Herzmuskel fest und machte ihn mürbe. Und trotzdem ignorierte Leon diese Wunde tagtäglich. Eine Wunde, die sich aus so vielen Aspekten speiste. Aus seiner Bewunderung für die Stärke seiner Tochter, die er ihr gegenüber niemals verbalisiert hatte. Aus seiner Entschuldigung für das väterliche Versagen, die niemals über seine ernsten Lippen gelangt war. Aus all den Dingen, die er ihr sagen wollte und es niemals hatte und selbst in dieser Welt einfach nicht konnte. Es gab so vieles, was er bereute, so vieles… Genau diese scheußliche Wunde brannte und ätzte. Denn manchmal war eben doch der Schmerz alter Wunden so groß, dass jene sich selbst im Vorbeistreichen von Jahrhunderten nicht schließen konnten. Und ebenfalls bei Zelda hatte sich diese Wunde infiziert und ihr eine Festigkeit, Kraft und Stabilität geraubt, die sie während des Zeitkriegs noch besaß. „Ich hoffe, dass ihre mentale Krankheit gelindert werden kann.“ Ein weiteres Mal sprach die Besorgnis tiefgehend aus Sian und das, obwohl er Zelda in seiner Existenz niemals begegnet war. „Womöglich kannst du ihr helfen mit der Klärung eures Konflikts.“ „Wenn sie überhaupt mit mir reden möchte.“ Sian verdrehte die Augen, diese Worte so pathetisch und so bemitleidend. Wen wollte dieser gebrochene Mann mit seinen fadenscheinigen Ausreden irritieren, Sian oder sich selbst? Plötzlich fuhr jemand an ihnen vorbei. Eine Person in einem blauen Regenmantel auf einem Fahrrad. Schnaubend strampelte die Gestalt über die feuchtnasse Straße. Irgendwie unbeeindruckt von dem eiskalten Regen und dem mit Monstern überfluteten Zustand der Erde. Zügig hetzte sie durch matschige Pfützen, bewegte ihr Rad aber galant und sicher. Leon Johnson sah bestürzt hinaus und wunderte sich, dass es allen Anschein nach noch Menschen in dieser Stadt gab. Menschen, die sich gegen Ganons Zorn beladenen Fluch wehrten. Kämpfer, die ihren Willen aus einer schier überwältigenden Kraft guter Absichten schöpften. Verdutzt kurbelte auch Sian die Glasscheibe herunter und sprach fest und mitfühlend zugleich durch den silbergrauen Regen: „Brauchen Sie eine Mitfahrgelegenheit?“ Zuerst stoppte die Gestalt nicht wirklich, verlangsamte jedoch das Fahrrad und warf einen neugierigen Blick zurück zu dem Fahrzeug. Sie hatte wenige Bewegungen aus dem Wagen vernommen, aber wollte sich aus Angst vor einem Angriff nicht davon überzeugen lassen, ob ein Mensch in dem Wagen hockte. Sie hatte ein wichtiges Ziel, von welchem sie sich nicht abbringen lassen konnte. Dafür war ihr eigenes Überleben zu bedeutsam und notwendig. In dem Augenblick stieg Sian in absoluter Präzision und Schnelligkeit aus dem Wagen, hetzte durch den Regen zu der Gestalt hinüber und erforschte mit seinen rubinroten, scharfen Augen die Situation. Er erforschte eine erwachsene Dame, die Ganons Verseuchung überstanden hatte, besah sich stechende, entschlossene Augen unter dem vom Regen triefenden Mantel hervorleuchten. Der Regen befeuchtete ein weißes, fahles Gesicht mit Erschöpfung und verlieh ihr dennoch die fluide Kraft eines uralten Wesens. In dem Augenblick erkannte sie beide Gestalten, spürte einen trägen Druck über sich hereinbrechen. Der Regen hatte sie wach gehalten, ihr Trost gespendet für den gefahrvollen Weg durch die Stadt, aber er hatte sie auch blind gemacht für andere Seelen. Augenblicklich ließ sie das Fahrrad fallen und hetzte erleichtert zu Leon Johnson in das trockene Auto. Sian reagierte wie immer beherrscht und diszipliniert, die Reaktion jener jungen Frau nicht in Frage stellend. Während Sian ein Gefäß mit Benzin aus dem Kofferraum nahm und den Tank befüllte, brach Leon der jungen Dame gegenüber das Schweigen. Denn er erkannte sie, eine junge Studentin, die lange Zeit unter Ines Schattener gelernt hatte. Natürlich kannte er sie, nicht nur in diesem Leben. „Es erfüllt mein Herz mit Freude Euch am Leben zu wissen, Rutara“, sprach er leise. Sie bedankte sich mit einer sonderbaren Ruhe und Gefasstheit in knappen Worten. „Das beruht auch auf Gegenseitigkeit, mein Herr“, murmelte sie und überprüfte mit gezielten Blicken aus ihren wachen Augen die Situation. „Aber es überrascht mich, Euch hier in Schicksalshort anzutreffen…“ Sie lächelte, denn die Anwesenheit und Unversehrtheit von Leon und Sian ließ ihre Hoffnung strahlen. „Es war ein weiter, gefahrvoller Weg, den wir gemeistert haben.“ Leons Stimme schwoll in seiner Kehle an um so etwas wie Hoffnung zu betonen, und sein eigenes Gewissen mit Plänen und Handlungen zu beruhigen. „Denn wir besitzen etwas, das uns einen Vorteil in dem Kampf gegen Ganon verschaffen kann.“ Leon warf einen Blick zu der Reisetasche, die in der Dunkelheit flimmerte, als erzeugten die Kristalle Hylias Portale in andere Welten. Rutara grinste plötzlich und fing an zu lachen, womöglich um ihre eigene Verzweiflung zu kaschieren. „Da kommt Ihr ein wenig zu spät. Die Prinzessin hat bereits einen Plan zur Rettung der Erde, und ich weiß nicht, ob euch dieser gefallen wird.“ Leon und auch der wiedergeborene Shiek, der sich ins Fahrzeug begab, vernahmen die Worte mit stiller Verwunderung. Zelda hatte trotz ihres Zustandes einen Plan erschaffen? Und es ließ sich Leon innerlich noch scheußlicher fühlen. Kannte er seine eigene Tochter denn wirklich so wenig? Hatte er jegliches Vertrauen in sie verloren? Noch immer tat sie ihre Pflicht, noch immer kämpfte sie erbarmungslos für das Leben, selbst für eine Welt, in der sie nicht geboren wurde. Es beeindruckte Leon und erschütterte ihn zugleich. „Unser Bestimmungsort ist jedenfalls das Haus von Ines. Ist dies auch dein Ziel?“, fragte der ältere Irländer an Rutara gerichtet. „Allerdings“, sprach sie kühl, aber lächelte. Und als sie den von unbekannten Wesen erdachten Plan zur Rettung erläuterte, Sian und Leon in Erstaunen versetzte, führte der Weg jene vergessenen Krieger über das Stadtzentrum in Richtung der Wohnbausiedlungen, immer weiter in der glühenden Finsternis, immer näher an die nächste Schlacht in dem Krieg um die Erde… Als sich der Regen mildtätig über die gefallene Welt ergoss, mit säuerlichen Tropfen versuchte das Unheil der Welt wegzuwaschen, hockte Link auf dem Boden, hatte sich mit dem Rücken an das verbeulte Fahrzeug gelehnt und verweilte mit leerem, stoischem Blick auf Ricks leblosem Körper. Maron saß noch immer neben ihrem Liebsten, erzählte ihm Geschichten über das Leben, das sie einst ihr eigen nannten, Geschichten der endlosen Zuneigung und der gemeinsamen Erlebnisse, wo jene Liebe sich festigte… Dem Heroen brannte das Herz Maron weinend neben Ricks totem Körper zu erleben, ihren Schmerz zu spüren, sich nutzlos zu fühlen… Es war nicht nur der Hass auf Ganon, der in seinem Herzen wühlte und es heftig gegen den Brustkorb hämmern ließ. Es war die tiefste Trauer, die Link jemals gespürt hatte… Ein Gefühl, als ertrank er an jedem gewöhnlichen Atemzug, weil Rick es nicht mehr konnte. Ein Gefühl, als verließ ihn jedes menschliche Gefühl und hinterließ eine pechschwarze Suppe aus Zorn und Unverständnis. Aus Wut und Trauer… Inzwischen war er vom Regen durchgeweicht, hob sein Gesicht den fallenden Tropfen entgegen, betete das salzige Nass löschte den Kummer, betete, der Regen wusch sein Herz frei. Mit seinem Blick in den blutenden Horizont gerichtet, erinnerte ihn der rotgefärbte Regen an flüssiges Metall… Es brannte in seinen tiefblauen Augen, sodass er blinzeln musste und jene schloss. Dann riss er sich sein grünes Basecape herunter. Diese alberne Kopfbedeckung, die er seit Jahren trug. Wie lächerlich es doch war, dachte er. Er hatte kaum realisiert wie unbewusst er sich mit der Spielfigur Link identifiziert hatte… in all der Zeit war es für ihn so notwendig gewesen eine grüne Kopfbedeckung zu tragen… Denkwürdig lag das Stück Stoff in seinen Händen. Er drehte es hin und her und betrachtete es sich von jeder Seite. Verfiel mehr und mehr seinen Erinnerungen… Bilder aus dem Nebel, untrüglich, echt und doch kaum zu erfassen. Wer war er, dass er eine grüne Kopfbedeckung brauchte? Unsinnige Gedanken strömten auf ihn ein, während Maron im Hintergrund einen Gesang leidvoller Abschiedsworte durch den Regen anstimmte. Wer war er, dass er glaubte, er könne als der Held Hyrules erwachen und diesen Krieg entscheiden mit nichts als einem Schwert in der linken Hand? Plötzlich schallte eine Stimme durch die kühle, vom Regen umschlungene Luft. Eine vertraute, prägnante Stimme, tief, ruhevoll, lichtend… Zunächst fiel es dem Helden schwer sich auf jene Stimme zu konzentrieren, es fiel ihm schwer sie für echt zu halten, wo er sich doch wünschte, dass alles um ihn herum, die weinende Maron, der leblose Körper Ricks, und die Verwüstung der Welt, nicht echt waren. Link löste erst seinen Blick aus einer erdrückenden Trance, als er ein paar Füße in abgewetzten Lederschuhen vor sich sah. Erschrocken und doch mit verlangsamten Reflexen hüpfte der Heroe auf seine Beine, betrachtete sich den Schulpsychologen Richard Raunhold, der ihn mit einem verständnisvollen, mitfühlenden Blick zu durchschauen versuchte. Und er durchschaute Link sofort… Verstört, die Nässe seiner Kleidung spürend, sah Link drein, richtete seine tiefblauen, schönen Augen zu Boden. Kein Wort gelangte über seine vom kühlen Regen benetzten Lippen, keines, das Sinn machte und keines, das nur irgendwie erklären könnte, was hier geschehen war. Er spürte nur die große rechte Hand von Raunhold auf seiner Schulter, der versuchte seinen Zustand mit seinem analytischen Instinkt zu durchstreifen. Er überprüfte Link auf Verletzungen, körperlicher und seelischer Art, bis er den Jugendlichen beherzt auf den Beifahrersitz des Wagens schob. Link rieb sich die Augen gegen die aufkommende Erschöpfung, dem Gefühl als hauste ein Wurm in seinem Kopf und entriss ihm die Konzentration… Er rieb sich die Augen erneut, beobachtete wie Richard Raunhold auch Maron in das Fahrzeug packte. Schluchzend hockte sie auf der Rückbank, verbarg ihren Kopf in den Armen. Link spürte den aufkommenden Wunsch sie zu trösten, mit ihr zu reden, und doch sperrte sich sein Kiefer gegen unsinnige Worte aus seinem Mund. Was sollte er noch sagen, was in diesem Moment des Verlusts Sinn ergab? Rick war ihm geraubt worden… Sein bester Freund würde niemals wieder mit seinen rehbraunen Augen die Welt erblicken und lachen können… Verstört wanderte Links Fokus in die vom rötlich schillernden Regen beherrschte Nacht, beobachtete wie Richard Raunhold den toten Körper seines Freundes in den Kofferraum packte. Einfach in den Kofferraum packte, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Entsetzt lauschte Link dem Geräusch eines knackenden Körpers, lauschte dem Knallen, als die Kofferraumklappe zufiel. Und mit jenem Geräusch löste sich eine weitere Anspannung in dem Heroen und er begann zu schluchzen. Es schien ihm, als musste Ricks Körper erst bewegt werden, auf diese unnötige, makabre Weise, dass ein weiteres Gefühl von Trauer auf ihn niederbrach. Link sank in den Sitz zurück, spürte sich nur als klein und fehlbar, schloss die Augen, wo Tränen seine Wimpern verklebten. „Sie kommen. Ich werde fahren!“, war Raunholds erster Satz, als er endlich außer Puste in das Auto sprang und Link ein weiteres Mal prüfte. „Ich werde zu Impas Villa fahren…“, sprach er, und auch er wollte unnötige Worte des Mitleids vermeiden. Link nickte, das war, was er ausdrücken konnte. Alles andere, Erklärungen, Ausreden, Beschwichtigungen steckten in seiner Kehle wie Schrauben und kratzten an seinem Selbstwert. „Ines hat mir den gesamten Plan telepathisch mitgeteilt. Und auch Rutara ist unterwegs zur Villa“, sprach Raunhold besonnen. Seine Bemühung Stabilität zu verbreiten war für Link so spürbar, aber es half ihm nicht. Ricks letzte Worte verfolgten ihn, sein letzter Blick hatte sich in Links Seele eingebrannt. Er kniff ein weiteres Mal die Augen zusammen, lauschte weiteren ablenkenden Worten von Richard, bis er jene ignorierte und stattdessen trübsinnig die Welt außerhalb beobachtete… Die Welt, die keine mehr war… Es war fünf Stunden her, seit der Heroe seine Mission startete, als das Auto, von den Händen Richards gesteuert, in die düstere Einfahrt von Impas Villa einfuhr. Maron war auf der Rückbank mit siegender Erschöpfung in den Schlaf gesunken, ließ sich von wenigen Worten Raunholds kaum wecken. Ihre Seele wählte eine stumme, bilderleere Ohnmacht, versuchte das Entsetzen und die Trauer aufzuschieben. Dennoch murmelte sie, als der Psychologe sie aus dem Fahrzeug führte. „Jemand muss Rick begraben… Wir können ihn doch nicht im Wagen lassen… Rick hat… Rick…“ Sie murmelte den Namen ihres Freundes auch dann noch als Raunhold sie auf die Arme nahm mit dem Ziel sie ins Haus zu bringen. Mit Tränen in den Augen fiel Maron einmal mehr in einen tiefen Schlaf. Impa empfing Raunhold und Maron an der Eingangstür, nickte ihm und auch Link mit besorgtem Blick entgegen. Sie beobachtete Link, der vor dem Kofferraum stand, mit leerem Blick und einer spürbar vibrierenden Anspannung. Seine gebeugte, niedergeschlagene Haltung erinnerte sie an die alte Zeit, an Momente der Verzweiflung… bis zu dem Punkt, als sich Link kaum mehr rührte. Wie festgemauert, schweigsam, verschmolz er mit der düsteren Umgebung. Impa wollte etwas sagen, stattdessen schüttelte sie den Kopf und lief zu ihm hinüber. Ohne zu erfragen, was geschehen war, aber mit einer düsteren Ahnung, schob sie ihn vorwärts, lauschte einem mürrischen, weichen Laut von seinen Lippen und spürte leichte Gegenwehr. Er vermied Impas Blick und trat still vorwärts. Als Link mit Impa zurück in die Schutzräume gelangte, empfing Zelda ihn an der Eingangspforte. In der gläsernen Optik seiner tiefblauen Seelenspiegel starrte ihr im Vorübergehen ein sich mauernder Schmerz entgegen, der so anders war als alles, was sie jemals in Links Blicken gelesen hatte. Eine weiche Oberfläche, haltlos wie schwache blaue Wellen, schmelzendes Eis. Link war mit seiner Seele in tiefsten Emotionen abgetaucht, unfähig auf Zeldas mitfühlende Gesten zu reagieren, unfähig ihren besorgten blick zu treffen. Schweigsam, die Hand, die sie ihm reichte ignorierend, verschwand Link in einem Nebenzimmer. Noch nie hatte er so abweisend, so in sich selbst gefangen, reagiert. Und es erschreckte neben Zelda auch Sara. Die beiden Mädchen warfen sich schockierte Blicke zu, bis Raunhold, welcher Maron in Dar Gordons Obhut gab, die Lage erklärte. Sara sank weinend am Tisch nieder. Mit einer Hand auf ihrem Herz folgte Zelda ihrem Heroen. „Ich werde nach Link sehen…“, sagte sie leise, auch wenn sie nicht wusste, wie sie ihm jetzt helfen konnte und ob sie mit ihrer Unfähigkeit auf seine Bedürfnisse zu reagieren überhaupt dazu in der Lage war. Aber es kam auf einen Versuch an. Einen Versuch, den sie daraus speiste einmal mehr gegen ihre Ängste anzugehen. Sie verschränkte ihre Arme mit einem Seufzen und vermied den Blick in Impas zufrieden funkelnde Augen. Zelda fühlte ihre Sturheit anwachsen in dem Wunsch zu ignorieren, was in Impas wissendem Kopf vor sich ging. Sie ignorierte es, dennoch flossen Impas schelmische Gedanken zu ihr hinüber. Schelmische, aber mütterliche Gedanken mit der Hoffnung, dass die vergessene Prinzessin ihre Mauern fallen ließ für den Trost ihres Seelenverwandten. Zelda schüttelte ihren hübschen Kopf ungeduldig und verließ den Raum zügigen Schrittes. Impas Einmischen half ihr nicht gerade dabei Nähe zuzulassen… Zelda klopfte zögerlich an die Tür in das Nebenzimmer, ein schwerer Atemzug wurzelte in ihren Lungen, alte Verletzungen erinnernd. Ein paar Stiche seelischer Wunden verfolgten sie in dem Wunsch ihrem Helden Trost und Ermutigung zu spenden. Leise fragte sie: „Darf ich reinkommen?“ Eine Tür ihrer Bedürfnisse, ihrer Sehnsüchte, die sie so oft grob verschlossen hielt. Es kam keine Antwort, nur der Flügelschlag einer Erinnerung an Abweisung. Ein Hauch Vergangenheit, grausam und verwüstend. Mit einem befehlenden Herzschlag öffnete sie die Tür, beladen von einem Vorhang der Finsternis fiel es ihren Augen schwer sich an jene zu gewöhnen. Link hatte das Licht hier in dem stillen Kämmerchen vermieden, vielleicht weil er das Licht in sich gerade nicht spüren wollte. Zelda wartete einige Sekunden, die vor Nervosität schwelten, tickten mit einem bitteren nervösen Beigeschmack. Sie atmete ihre Nervosität heraus, so wie damals mit dem Versuch Verluste und Schmerz auszuhalten… So wie damals und doch ganz anders… Sie spürte ihren Heroen in dem Raum, wo ein metallisches Klappern der Heizungsrohre trügerisch in die Ferne drang. Und dann, als sie die Tür hinter sich schloss, ihre saphirblauen Augen lernten die Umgebung zu sortieren, dann sah sie ihn. Das Licht der Erde, den einzig wahren Helden, beladen mit dem größten Kummer, den sein liebevolles Herz kaum fassen konnte. Er lehnte mit seinem Rücken an der wärmenden Heizung, durcheinander, durchnässt, von Schmerz durchzogen, und doch so… tapfer. Da waren keine Worte von Wut, Unverständnis oder Hass über seine spröden Lippen gelangt, keine vernichtende Anklagen oder Urteile. Einmal mehr entsetzte es Zelda und erfüllte sie mit der wildesten Ehrfurcht, wie standhaft Link das alles ertrug. Und doch… Und doch spürte sie, dass sie ihm einen Dienst erfüllen musste, etwas schenken wollte, das nicht so wertlos erschien wie die Aufopferungen von damals… Damals… erneut dieses betrügende, hässliche Wort Hunderter geöffneter Wunden… Aber sie wusste, sie würde ihn trösten und den edlen Mut in ihm anfachen, so wie es sein sollte, so wie auch er ihre Qualitäten als Prinzessin des Schicksals gestärkt hatte, immer und immer wieder… aufopferungsvoll, bedeutsam. Ein weiterer, tiefer Atemzug entglitt ihr widerwillig, als sie ihn beobachtete, seine Knie angewinkelt, den Kopf darauf liegend, als würde er schlafen… Feine Tropfen des säuerlichen Regens perlten sich an seinem dunkelblonden Haar, fielen nieder über seine käseweißen Wangen, über seine stillen Lippen… „Wünschst du, dass ich gehe“, sagte sie einfühlsam. Wieder sprach sie gegen eine Mauer. „Ich möchte, dass du weißt, dass ich für dich da bin…“, murmelte sie, und verkrampfte sich daran. Ihre Worte waren voller Unsicherheit, unecht… und Link spürte dies. Denn erneut rang er sich zu keiner Antwort. Schlief Link etwa? Zelda führte ihre Hände aneinander, in Gedanken bittend und betend, wollte sie doch bei ihm sein, ihm alles schenken, was er an Wärme und Mitgefühl brauchte, nun da Ganon ihm noch ein weiteres Stückchen seiner Welt gestohlen hatte. In einem Wechselbad der Gefühle war sie dabei sich abzuwenden, ein unerwünschter Fetzen der alten Welt hüllte ihre Bedürfnisse in die altbekannten Ängste vor Abweisung und erinnerte sie an die knallharten Verbote. Niemals hätte sie ihren Heroen in der alten Welt trösten dürfen. Niemals hätte sie irgendetwas für den Helden der Zeit empfinden dürfen… Sie schluchzte ungewollt, eine Träne der Zuneigung vergoss sich unauffällig an ihrer Wimper, als Link sich erhob, träge, zitternd, so unheimlich entkräftet. Ohne ein Wort stolperte er in ihre Richtung, zog sie an sich als wäre sie sein rettendes Ufer. Sie erwiderte die Umarmung vorsichtig und fühlte Links stumme Tränen an ihrem Hals, als er sein Kinn auf ihre nackte Schulter legte. Schweigsam… Und doch erzählte diese Berührung ihrer bloßen Haut absolut alles. Seine Zerrissenheit. Ein Schmerz, der aus seiner zitternden Haut heraussickerte. Zeldas Hände wanderten und streichelten über seinen Rücken… seine eiskalte Haut war unter dem nassen Stoff so intensiv fühlbar. Alles an ihm war durchgeweicht und sie fühlte deutlich, dass er sich mit dem Zittern und der unangenehmen, schweren Nässe bestrafen wollte. Ein kränkelndes Vibrieren seines Körpers, das wie ein Schmerzimpuls in ihren eigenen Körper glitt. Ihre rechte Hand wanderte zu seinem Haaransatz, auch sein Haar war klatschnass. Er sagte kein Wort. Er brachte keines hervor… Zelda unterbrach die Umarmung und führte ihn zu dem abgenutzten Schlafsofa, wo vor wenigen Stunden der kleine Junge Hoffnung und Licht in ihren Alptraum gebracht hatte… hier, wo Licht in Form eines Planes geboren wurde… hier… in diesem stillen Kämmerchen intimer Gesten. Und in der durchfluteten Dunkelheit des Raumes erahnte und spürte Zelda lediglich, dass sich Link auf das Sofa sinken ließ… So still und gebrandmarkt… voller Leid, dass jenes in ihrem Herzen schlitzte. So gewaltvoll schlitzte, dass es Narben hinterließ. Sie trat vor ihn, ihre Händen fanden sich zögerlich auf seinen Schultern, diesen jungen Schultern, die so viel stemmten. Sie versuchte ihn durch die Dunkelheit zu erreichen, in seine Seele zu sehen, in sein Herz… ihr eigenes aufgewühltes, nervöses Herz mit mahnenden Gedanken daran, was sie hier tat, zu beschwichtigen, die alten Verbote aufzulösen… Sie war in diesen stillen Momenten nicht mehr die Prinzessin von Hyrule, noch war sie die Erbin Hylias. Alles, was sie sein wollte war Zelda… einfach Zelda, Links Traum, Links stille Zuflucht. Denn es war nicht nötig, dass er etwas sagte. Sein Schweigen sagte ihr mehr, als Worte es hätten tun können und sie wusste, er brauchte sie jetzt mehr als jemals zuvor. Zelda stützte sich nach vorne, ließ sich ebenfalls auf das Sofa sinken, sodass sie ihm so nah war, wie zuvor und griff mühsam von ihrer Position aus an den Schalter der Heizung. Sie drehte den Schalter auf die höchste Stufe, hörte das Wasser in der Heizung plätschern, der einzige Laut in dem Zimmer. Dann lehnte sie sich wieder zurück, nicht sicher, ob sie etwas sagen sollte… Ob Worte in diesem demütigen Moment überhaupt eine Berechtigung besaßen? Ob irgendein so klangvolles, vielleicht sogar sinnvolles Wort den Schmerz erreichen konnte, der in Link steckte? Und ob irgendeines jener Worte ihn nur ansatzweise davon befreien konnte… Es war so grausam und unfair… nicht nur das Schicksal, das wie ein richtender Hammer auf ihn niederdonnerte. Es war die Last, diese schwere, kaum zu ertragene Schuld. Diese war unfair… und doch Links Pflicht. Er trug sie alle mit erhobenem Haupt, die Schuld und Grausamkeit, alle Bürden. Eine Träne tropfte von ihrer Wange mit dem tiefen Wunsch ihm seine zu nehmen, als sie ihm das nasse Base Cape vom Kopf zog. Ohne Gegenwehr… Link ließ es einfach geschehen, ließ seine Prinzessin vollkommen die Kontrolle übernehmen. Versunken in seiner Trauer entwichen jegliche Gedanken an die Weltenrettung, selbst seine Gefühle für Zelda ins Nichts. Das Leid über den Verlust Ricks betäubte ihn, betäubte sein Herz. Zelda erhob sich, lief in kurzen, langsamen Schritten in die andere Ecke des Zimmers, wo die dicke Decke lag, in der sie beide vor wenigen Stunden geschlafen hatten. Sie nahm die Decke, berührte diesen kratzigen, verwundbaren Stoff und trat vor ihren Heroen, suchte in der drückenden, stillen Dunkelheit sein Gesicht… dieses schöne, von Gram erfüllte Gesicht, wo sie den schattenhaften Hauch eines sonderbaren, kaum definierbaren Blickes aus dem reinen Tiefblau in ihre Gedankenwelt dringen sah. Dieser Blick. Unwirklich… und nicht von dieser Welt. Voller tapferer Melancholie, voller leerer Erwartung, voller siegender Trauer… Ihre Hände wanderten zu seinem grünen, feuchten T-Shirt, das sie ihm mit einem Ruck einfach über den Kopf streifte. Er reagierte nicht… kein Gefühl… starr und eingemauert… Mit leichtem Zittern ihrer Hände führte sie die Decke um seinen nackten Oberkörper, ihre Hände berührten die straffe, nasse Haut seines Nackens. Sie fürchtete sich beinahe vor der nächsten Empfindung, vor einer Reaktion ihres Heroen, die jedoch ausblieb… und sie fürchtete sich vor sich selbst. Vor ihrer Unfähigkeit ihm die Kraft und Zuneigung zu schenken, die er so dringend brauchte. Sie fürchtete ihn und die Brücke, die er zu ihrem Seelenleben schlug. Denn manchmal brachen so unheimlich klare Bilder über das tiefe Band zwischen ihnen an die Oberfläche ihrer Welt. Bilder aus anderen Leben, die sie entsetzten. Intime Gesten, die sie kaum zulassen wollte. Vielleicht spürte er ihren Wunsch ihn zu trösten sogar, spürte die anwachsende Beklemmung, aber besaß nicht die Kraft diese aufzulösen oder den Moment des Trostes nur irgendwie mit Worten zu zerstören… Welche Worte auch machten jetzt noch Sinn? Vorsichtig fanden sich seine rauen, nassen Hände auf ihren zarten Unterarmen, genau dort, wo jene seine Schultern berührten… er rang mit sich, dem Wunsch sich in hoffnungsvoller Zärtlichkeit zu verlieren, rang damit Zelda an sich zu drücken und sein Leid anzuklagen. Er brauchte ihre Wärme so sehr… so sehr um die Kälte zu vergessen, die sich in seine Seele fraß… mit jedem Schlag seines vernichtenden Schwertes und mit jedem Menschen, ermordet von seinen Heldenhänden… Dann endlich drang aus Zeldas Mund ein Schluchzer leidvoller Besorgnis und tiefem Mitgefühls und einmal mehr überlagerte der Wunsch ihrem Heroen Beistand zu leisten die alten Verbote einer Fluch beladenen Vergangenheit. Mit einer zärtlichen Bewegung, streichelnd, behutsam, legte sie ihre Arme um seinen halb durchgefrorenen Körper, erschrak daran, aber lehnte ihre Stirn gegen seine, die ganze Zeit seine tiefblauen Augen suchend, den Mut darin erforschend, wissend, dass sie ihm nur durch ihre Anwesenheit wirklich helfen konnte. In dem Moment zitterte auch sie ein wenig, überrascht von Links nasser Haut und erschrocken von der Kälte, die in ihm steckte. Link war so durchgefroren wie noch nie in seinem Leben. Sie berührten sich in unschuldiger Nähe, glichen die Schläge ihrer Herzen in einem heilsamen Rhythmus an, spürten sich in tröstender Intimität… Sie fanden einander, einer das Puzzleteile, das den anderen vervollständigte. Sie berührten einander in der Vertrautheit auf ewig verbundener, liebender Seelen. Dennoch war das, was hier geschah, entbehrt jeglicher Romantik. Sie streichelten einander in wonnevoller Wärme, trösteten einander in einem verschwiegenen Zauber, den nur verwandte Seelen befähigen konnten… und doch lediglich ein Dienst von Wärme und Trost an dem anderen. Kein Dienst romantischer Liebe. Ja, Link brauchte Wärme und Vertrauen, brauchte Kraft und Verständnis und jene kostbaren Dinge erwartete er zu jenem Zeitpunkt von niemandem anderen als seiner Zelda… Nach einer Weile drückte Zelda ihn auf die Couch, umarmte ihn fortwährend, innig und erfüllt von Licht und Wärme, die sie teilte… Sie spürte, wie sie selbst ihre eigene Energie aufbrach, und ein Teil davon durch seine nasskalte Haut sickerte. Wärme und Licht nährten einander in irrsinnig vermischten Gefühlen, aufrichtig, gedankenlos. Sie fuhr liebevoll über sein Gesicht mit ihren sanften, zierlichen Fingerspitzen, erforschte dieses wunderschöne, männliche Gesicht, den Helden, der sich darin versteckte… Sie spielte mit den dunkelblonden Strähnen, die über seine Stirn fielen, versuchte einmal mehr alles an ihm für sich zu manifestieren, es in ihr Gedächtnis zu brennen… Denn sie fürchtete nichts mehr als ihn zu vergessen, ihn in dem Verblassen stranden zu sehen, zu erfahren wie seine Seele verging. Niemand wusste es… aber sein Gesicht war ihr Strohhalm für sie gewesen als Geist in einer totgeglaubten hylianischen Welt noch immer Zelda zu sein. Wegen Link hatte sie nicht vergessen, wer sie war. Alles. Ihr Dasein. Ihre Aufgabe… Alles das war doch nur wegen Link noch da. Link war das einzige, das sie vor ihrem eigenen Verblassen gerettet hatte… Zögerlich krabbelte sie zu ihm unter die Decke, kuschelte sich an ihn und streichelte erneut über sein Gesicht, vergaß die Angst vor Intimität mit der gewählten, starken Wonne, die über sie glitt wie ein Schwall zärtlicher Gefühle. Bei ihm zu sein, ihn zu spüren in jenen wenngleich auch traurigen Momenten Menschseins war das Schönste, was Zelda in ihrer glücklosen Existenz erfahren hatte. Einfach nur bei ihrem Helden sein, nichts denken, vergessen, was bisher war und nur seine Anwesenheit fühlen und ihn trösten, erschien ihr das größte Glücksgefühl, nach das ein Mensch wie sie in einem Leben streben konnte. Nie hatte sie diesen Zauber von Menschlichkeit erfahren und niemals würde sie diesen mehr vergessen… Sie umarmte ihn noch ein wenig fester, inniger, drückte seinen Kopf an ihren Hals. Sie erwartete nichts von ihm, und er erwartete nicht mehr von ihr, als nur eine Schulter, an der er ohne Worte sein Leid anklagen konnte… und das konnte er, das durfte er… Sie versuchte in der Dunkelheit zu erkennen, ob Link in den Schlaf sinken würde, lauschte seinem ruhigen Atmen und der Stärke, die einmal mehr in ihm zu atmen begann… Auch jetzt in diesen schweren Momenten der Trauer kämpfte der einstige Held der Zeit im Inneren gegen die Ketten von Schuld und Hass. Seine mentalen Fähigkeiten stärkten sich. Er drückte seine Prinzessin fester an sich, dankbar und genießend, und zuckte kurz mit seinen hellbraunen Augenbrauen. Zelda zögerte, aber küsste ihn endlich hingebungsvoll auf seine Stirn, genoss das Gefühl ihrer Lippen auf seiner Haut. Und obwohl eine reine, edle Unschuld dieses Beschenken von Berührungen in endlicher Nähe beherrschte, so bebte Zeldas Herz in glühender Hoffnung und Liebe… Sie wünschte sich ihm dies schenken zu können, in dem Zauber schweigsamer Lippen, wünschte sich ihm das stumme Herz zu schenken, das sich so sehr nach seiner Nähe, seiner Stimme, seinen Berührungen sehnte… wünschte sich… ihr Herz für sein Lächeln zu opfern. Vielleicht war das ihr tiefster Wunsch. Einmal in ihrer Existenz ihrem Heroen, ihrem Link, ein Opfer der Liebe zu bringen. Denn es war ihre Reise, verbunden durch Opfer und Liebe. Ihr Weg zu dem eigenen Herzen… Ein Weg aus ihrem Fluch… Nachdem die tapferen Krieger sich ein weiteres Mal über ungeklärte Fragen und Zweifel bezüglich dem schier unmöglichen Plan verständigt hatten, saßen sie trübsinnig am Tisch im Besprechungsraum. Sie aßen Suppe, hielten einander mit Blicken verschränkt, so als müssten auch sie dieses Treffen in ihre Gedächtnisse einbrennen, so, als wäre es vielleicht das letzte Mal. Und sie ahnten es… es war nur eine Frage der Zeit bis Ganons Monsterhorden die Villa überrannten. Und Ricks Tod hing über ihren Köpfen als Zeugnis eines weiteren Realisierens wie fatal und grausam die Lage war, wie grausam Ganons Krieg… Die Weisen ertrugen auch damals schon ihre Verluste, aber Ricks Tod tat wirklich weh… Denn alle Anwesenden hatten ihn gekannt und sie wussten um seine Verbindung zu Link. Ob es nur Zufall war, dass Link ausgerechnet den Tod seines besten Freundes erdulden musste? Zufall, dass ausgerechnet Link ihn mit einem gezielten Stoß seines Dolches stoppen musste? Mit Tränen in ihren Augen beendete Sara die Mahlzeit und stützte den Kopf auf die Arme. Sie konnte kaum ertragen, dass Rick, ihr Cousin, diese Welt verlassen hatte. Sie wollte es nicht akzeptieren und sorgte sich um ihren Bruder. Wie nur sollte Link den Verlust von Rick verkraften, jetzt, wo alles von ihm gefordert wurde, jetzt, wo der Sieg des Guten von seiner Stärke abhing? Plötzlich klopfte ihr Dar Gordon auf die linke Schulter als einen verhaltenen Versuch der Jugendlichen Beistand zu schenken. „Link wird sich ganz schnell von seinem Schock erholen, zweifle nicht an ihm“, sprach er aufmunternd. Für einen Augenblick dachte sie wahrlich, sie hätte eine pelzüberzogene Hand aus Stein auf ihrer Schulter wahrgenommen. Sie nickte, aber das war es vielleicht nicht allein. „Es ist nur… ausgerechnet Rick, ich verstehe das einfach nicht…“, schluchzte sie. „Rick war sein bester Freund. Wie verkraftet man so etwas?“ „Gar nicht…“, murmelte Raunhold. „Es wird leichter, aber der Schmerz bleibt… zumal Link ihn aufhalten musste.“ „Meine Güte, Richard, hast du einen Trauerredner verschluckt?“, wetterte Impa, „Wir reden hier von Link. Wenn jemand die Kraft findet das zu bewältigen dann er.“ Sie erhob sich, stemmte die Hände in die Hüften und verdeutlichte mit sturem Blick ein unduldsames Vertrauen in Links Fähigkeiten. „Es hilft ihm nicht, wenn einer von euch an ihm zweifelt.“ „Ich würde niemals den Helden der Legende anzweifeln, Impa“, murmelte Richard, seine buschigen, weißen Augenbrauen zuckten in seinem lebenserfahrenen und doch mit Altersflecken übersehenem Gesicht. „Aber Ricks Verlust wiegt schwer, sehr schwer… und noch ist unsicher, ob auch Rutara zu uns findet. Und natürlich hat der Plan diverse Schwachstellen, allein schon, dass ich mir nicht vorstellen kann in dieser Welt eine Seele finden zu können, die Zeldas Platz als siebte Weise einnehmen soll. Es ist alles so ungewiss, es tut mir leid, falls meine eigenen Zweifel zu einem Streit diesbezüglich beitragen.“ Ines Schattener seufzte. So war es definitiv nicht gemeint… Aber noch ehe sie antworten konnte, polterte es irgendwo von den oberen Stockwerken herrührend. Panische und doch entschlossene Blicke glitten umher mit der wagen Befürchtung die Monster des Schreckensfürsten hatten sie bereits in dieser Zuflucht gerochen. Erneut ein Lärmen, eine leichte Erschütterung, als einer von Impas Schutzzaubern zertrampelt wurde. Keiner der Anwesenden benutzte die Stimme, als Impa bereits in ihrer kriegerischen Entschlossenheit in Richtung Ausgang trat. „Ich werde nachsehen“, sprach sie mitleidlos und kühl. Mit einem Klappern ihrer Klingen verschwand sie in den Schatten, gefolgt von Naranda, die mit einer gebogenen Klinge in Kampfhaltung aus dem Raum stürmte. Beide Kriegerinnen waren geübt daran die Dunkelheit mit ihren Sinnen zu durchleuchten, selbst kleinste verdächtige Spuren bösartiger Geschöpfe mit scharfen Augen, empfindlicher Nase und feinstem Gehör auszumachen. Sie erforschten das Erdgeschoss, schlichen ohne den geringsten Laut voran, erkundeten das im unteren Bereich gelegene Wohnzimmer, sicherten die Empfangshalle. Impa überprüfte den Innenraum auf Fußspuren, während Naranda die Schutzzauber neu justierte. Tatsächlich war einer der Zauber ausgelöst worden, was sich in einem durchdringenden Vibrieren geäußert hatte. Impa und Naranda verständigten sich wortlos mit Fingersignalen… Beide Kriegerinnen spürten die Präsenz von jemandem, nicht sicher, ob es mehrere Wesen waren, die sich unbefugt Zutritt verschafft hatten. Ein Knarren ging durch die gespenstische Stille, hier wo nur ein flimmernder, rötlicher Schein in Begleitung kranker Blitze durch die riesigen Fenster der Villa drang und die Gegenstände dunkelrot bemalte. Ein weiteres Knarren, hastig, verräterisch. Aufmerksam und kampfbereit schlichen Impa und Naboru in Erinnerung an ihre gefährlichen Techniken einer Gerudokriegerin und einer Shiekahmeisterin durch die Finsternis, entdeckten die geöffnete Tür zum Arbeitszimmer, lauschten minimalen Geräuschen. Eine gefährliche Präsenz verbarg sich ebenfalls geschickt in den Schatten, jemand, der kampferprobt und gnadenlos war, ein Wesen alten Kriegertums… Und als Impa sich aus den Schatten flüchtete, ihre eigene Erscheinung für ein Gefecht preisgab, stürzte sich besagtes Wesen zielsicher, einen geschickten Kampfstil darstellend, auf sie. Überrascht wich sie zurück, erstaunt über die jugendliche Frische eines vertrauten Angriffs und entzückt von einem paar wacher rubinroter Augen, die ihr einen Spiegel vorhielten. Wer immer sie auch angegriffen hatte, verfügte über dieselbe Technik wie Impa selbst. Sie rief in die Dunkelheit, ihrer Ahnung kaum trauen könnend: „Wer bist du? Gib dich zu erkennen!“ Die Dolche ihres Gegenüber sanken schließlich nieder und eine weitere Gestalt, die sich aus der Dunkelheit erhob, ließ das weiße Licht einer Taschenlampe den Raum fluten. Ein junger Bursche mit einem vertrauten Gesicht stand vor ihr, Sian Johnson, der begabte Sohn einer großartigen Persönlichkeit. „Hallo, Impa“, sprach eine Stimme, die ein Echo der verblassenden Vergangenheit in den finsteren Raum warf, prägnant und befehlsgewaltig wie ein Donnerschlag… aber jetzt gerade mild und voller Sorgen. „Ihr? Leon Johnson? Seid Ihr es wirklich?“ Sowohl Impa, als auch Naranda ließen die Waffen sinken. „Wie ist das nur möglich?“ Das Erscheinungsbild des gramerfüllten Herrschers eines verblassten Königreichs belehrte über einen Strapazen reichen Weg von Irland hier an den Ort des Geschehens. Wie unsauber geschlichtete Wolle hing sein graues Haar über den verkrampften Schultern. Ein paar Kratzer und Risse in seinem royalblauen Hemd zeichneten die Spuren von Kämpfen in sein Erscheinungsbild. Und noch etwas erschreckte Impa… Leons gebrochener Blick, ein tiefsitzender Schmerz in seinen saphirblauen Augen loderte gefährlich und erinnerte sie an Versagen, Scheitern und Selbstzweifel. Leon Johnson begrüßte seine einstige Vertraute endlich mit einer freundschaftlichen Umarmung, zurückhaltend und höflich, und doch gestenreich. Wie gut es tat die alten Bande unter dem blutroten Vorhang von Ganons Verseuchung neu zu knüpfen. Wie gut es tat Impa und Naboru wohl auf zusehen. Auch Rutara gab sich endlich zu erkennen, erhob sich aus einem Versteck hinter dem Schreibtisch, durchnässt und erschöpft. Aber ihre schönen Augen strahlten in ihrem edlen Gesicht voller Tatendrang und Energie. Auch in ihr floss die Erinnerung an ihre alte Persönlichkeit mit verstärkter Gewalt, es schien beinahe, als wollte ihr früheres Ich sich durch ihr menschliches Erscheinungsbild wühlen. „Ich bin so froh, euch alle am Leben zu wissen.“ Sie warf sich ihrer Freundin Naranda um den Hals und hauchte alte Gebetsworte der Zoras über ihre Lippen. „Impa, sag‘ mir“, unterbrach Leon die Begrüßung der anderen. „Sind Zelda und Link in Sicherheit?“ Hoffend führte er die Hände aneinander. „Sie warten in den Kellerräumen…“ Sie wendete den Blick ab. „Hylia sei Dank.“ Ein leichter Hoffnungsschimmer ließ seine Gesichtszüge straffer und jünger erscheinen. „Freut Euch nicht zu früh, sie sind beide in keiner sonderlich guten Verfassung…“, entgegnete sie seufzend. „… vor allem Link hat mit einem herben Verlust zu kämpfen.“ Mit mulmigen Unbehagen nickte Leon Johnson. „Ich möchte euch nicht daran hindern menschliche Bedürfnisse nach Sicherheit in wohligen Umarmungen zu finden, aber ich spüre die Dämonen in unserem nahen Umfeld. Sie riechen uns“, sprach Sian forsch und mit deutlicher Strenge. „Dagegen kommen auch die Schutzzauber nicht an.“ Impa nickte bestätigend. „Wir müssen sofort in die Kellerräume“, ordnete sie an, so wie damals, als das Schloss Hyrules überrannt wurde. So wie damals übernahm sie die Führung, traf die klügsten, mutigsten Entscheidungen. Leon und die anderen folgten ihr still, mit dem Gedanken, dass auch Impa für all ihre Opfer in der schweren Zeit, für alles, was sie geleistet hatte, niemals die Belohnung und Ehrerbietung erhalten hatte, die ihr doch zustand. Und auch jetzt schmälerte ihr Erscheinungsbild einer reifen, durchsetzungsfähigen und weitsichtigen Anführerin das Bild eines alten, gebrochenen Königs von Hyrule… und Impa war sich dessen bewusst, sie wusste aber auch, obwohl es ihr nicht zustand, dass sie ihre Rolle als Anführerin einnehmen musste. Im beschützenden Schlupfwinkel, tief verborgen unter Ines‘ Villa begrüßten sich die wenigen Überlebenden mit gestärkter Hoffnung, umarmten einander und lächelten sich mit spürbarer Erleichterung entgegen. Sich hier am Abgrund der Welt zu begegnen, sich wiederzufinden nun zum zweiten Mal in dem apokalyptischen Wahnsinn des Bösen, weckte etwas in den doch so trübsinnigen Gemütern, weckte eine Unbeugsamkeit ihrer alten Seelen, einen längst vergessenen Zauber, eine Macht der Überlebenden. Wie auch sollte man den Zustand beschreiben, der sich in die eigene Lebensessenz fraß, wenn man den Wahnsinn überstand? Wie sollte man einer Seele erklären wie man die Welt sah, wenn sich das Ende der Welt vor den eigenen Augen immer wieder auftat, immer wieder, unaufhörlich, nicht enden wollend, so furchtbar unbeugsam, dass jene Sturheit, diese trotzige Fähigkeit nicht aufzugeben alles im eigenen Dasein bestimmte. Es war eine bestialische Fähigkeit, im Sturm des Weltuntergangs zu überleben, niemals zu zerbrechen, an keiner Prüfung zu scheitern. Und diese kleine Gruppe von Menschen fand sich in dieser Gleichheit wieder, in dieser unbeugsamen Zusammengehörigkeit. Ein weiteres Mal beratschlagten sie als die letzte Bastion des Guten, überdachten den von Zelda übermittelten Plan bei einem warmen Tee. Samtig stiegen kleinste, dampfende Wölkchen von den vielen Tassen, tröstend saßen die einstigen sechs Weisen sowie Sian und Leon Johnson am Tisch. Und sehr schnell erkannte Leon eine neue Aufgabe, die nur ihm zugedacht sein sollte. Er würde an Zeldas Stelle die Funktion des siebten Weisen einnehmen, denn ihre Führung in Hyrule war für Link unabdingbar. Und noch etwas trat über Leon Gesichtszüge im Angesicht des Weltenendes. Er war beruhigt zu wissen, dass seine Tochter mit dem Helden der Legende in Hyrule sein würde, falls ihnen allen auf der Erde etwas zustoßen sollte. Sicherlich würde Sian für den Schutz der Weisen sorgen und er wusste, dass sein Sohn diese Aufgabe bestens erfüllen würde. Dennoch… wenn alle Stricke reißen würden, so hatte er zumindest darin Vertrauen, dass Link seine Zelda beschützte… Gerade als eine betretene Stille durch den Raum ging, die Anwesenden erschöpft und mit Schatten der Müdigkeit in ihren Gesichtszügen, war Link aus seinem Schlummer erwacht, geplagt von der Trauer, die wie eine Lawine auf ihn herabstürzte. Seine Gesichtszüge waren weich und doch angespannt, seine tiefblauen Augen eine trübsinnige Fläche wankendem Unverständnisses. Und doch war sein Heldenstolz kaum gebrochen, ein Funken sturer Härte entzündete sich in seiner Haltung, seinen gemächlichen, sicheren Schritten durch den Raum. Sein Blick erreichte Sian und Leon, einmal mehr mit Tapferkeit erfüllt, ungebrochen, so wahrhaft standhaft, dass es die Anwesenden innerlich zittern ließ. Aber Sara wusste es besser, natürlich plagten ihn Zweifel, natürlich würde Link stark sein und die Bürden tragen, die Rolle einnehmen, die von ihm erwartet wurde… aber irgendwo dort in seinem jugendlichen Herzen spannten sich Vorwürfe und Schuldgefühle und tobten in einem inneren Kampf. Link begrüßte Leon und Sian freundschaftlich und ungemein dankbar. Es war so merkwürdig, dass selbst Leon den heroischen Burschen in eine beinahe väterliche Umarmung zog, etwas, das Link nicht erwartet hätte. Aber der einstige König Hyrules freute sich aus tiefster Seele den jungen Helden am Leben zu wissen. Und Sian… ja, er ließ ein wenig seine kühle Maskerade fallen und lächelte seinem Freund entgegen. Etwas verlegen, sich fragend, wie es sein konnte von dem König Hyrules umarmt zu werden, kratzte sich Link an seinem Hinterkopf und murmelte: „Zelda ist eingeschlafen. Aber wenn du sie unbedingt sehen möchtest, Leon, kannst du sie doch aufwecken.“ „Lass mal gut sein, ich sehe sie ja früh genug“, der einstige Herrscher versuchte es mit Höflichkeit und Geduld, sein Vorteil die einstudierten, engstirnigen Umgangsformen von Damals, die es geboten immer auf Etikette und Haltung zu achten. Er würde Zelda gerade jetzt nicht drängen mit ihm zu sprechen, wo Jahrhunderte zwischen ihnen standen. Link nickte, genoss einen tiefen Atemzug, eine fühlbare Erleichterung hier zu stehen, alle Weisen und sogar die beiden Irländer anwesend zu erleben und sammelte sich, versuchte Abstand von den schmerzhaften Erlebnissen zu finden. „Wo ist Maron?“, sprach er leise und spürte sofort Saras warme Hände auf seinen angespannten Schultern. „Brüderchen…“, murmelte sie und schenkte ihm einen Blick der Zuversicht. Ihre graublauen Augen leuchteten, vielleicht weil ihre einstige Persönlichkeit als Weise der Wälder durchschillerte, und weil sie eines in den legendären Kämpfen Hyrules gelernt hatte, nämlich, dass das Schicksal selbst in den düstersten Stunden formbar war. Dass Schicksal doch auch nur ein großes Wort war… „Maron schläft nebenan… Darunia hat ihr ein Schlafmittel gegeben.“ Link seufzte und seine schönen Seelenspiegel füllten sich mit Besorgnis. Wie nur sollte Maron den Verlust ihres Liebsten jemals akzeptieren? „Sie schafft das, Link, denn noch ist ungewiss wohin uns die nächsten Wege überhaupt führen. Wenn es Hoffnung gibt, dann vielleicht auch unerwartete…“ Sara wollte keine Floskeln oder belanglose Vorhersagen über ihre menschlichen Lippen bringen und doch fühlte sich jedes Wort aus ihrem Mund an wie ein Sack voller Steine. Unnötig und erdrückend. Und auch Links Lippen formten unsinnige Worte, die er lieber nicht aussprach. Sara bemerkte seinen Wunsch nach Erklärung für alles, das Unverständnis, das seine Schultern anspannen ließ. Augenblicklich verstärkte sie den Griff auf seinen Schultern, kniff ihn beinahe, nur um zu spüren wie gewaltvoll die Trauer an ihm nagte. „Hey, Brüderchen…“, murmelte sie ein weiteres Mal, leiser, aber fest. „Hey“, meinte Link nachdenklich und kniff seine Augen zusammen. Er hörte aus Saras Stimme die Absicht ihn bezüglich der Trauer um Rick anzusprechen. „Link?“ „Was ist, Sara?“ „Also, jetzt hör mir mal zu.“ Er blickte sie an, nicht sicher, was er jetzt von ihr hören würde. „Du bist ein Waschlappen, wenn du hier verzweifelst“, sagte sie, äußerst energisch und ignorierte die Verwirrung in Links Seelenspiegeln, dem sanften, tiefen Blau, das sich vor ihrem Blick zurückzog. „Willst du dir das von dem Bösen gefallen lassen? Genau das will er doch, genau das will Ganondorf! Er will, dass du in der Ecke sitzt und vor dich hinbrütest. Willst du ihm diesen Gefallen tun?“ Link schüttelte den Kopf und schloss die Augen. „Du weißt doch wer du bist und zum Teufel mit der Verantwortung auf deinen Schultern. Reiß’ dich zusammen und stell’ dich dem Bösen, wie du es bis jetzt immer getan hast. Wo ist der Mut und die Zuversicht meines Bruders geblieben?“ Link blickte sie an und lächelte das erste Mal, seit dem Vorfall, zwar nur ein wenig, aber immerhin. Er nickte, bis seine kleine Schwester ebenfalls lächelte und hüpfte auf die Beine. „Danke, Sara. Du brauchst mir nicht den Kopf waschen… Ricks Tod ändert nichts an meinem Ziel.“ Sie blickte erstaunt drein und zuckte beschämt mit ihren Augenbrauen. „Heißt das… meine Standpauke war umsonst?“ „Nun ja, nicht umsonst“, sprach er und versuchte es mit einem halbherzigen Grinsen. „Aber ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen.“ Dann lachte er ein wenig. „Aber dennoch liebevoll, danke, Schwesterchen.“ „Und nun müssen wir unsere restlichen Vorbereitungen treffen. Wirst du kämpfen?“ „Hast du daran gezweifelt? Jep, das werde ich!“ Zum Henker mit Ganon. Er würde für all’ seine Verbrechen bezahlen. Er würde leiden für seine abscheulichen, niederträchtigen Machenschaften und für die Dinge, die er dieser Welt angetan hatte. Ganon würde für Rick bitter zahlen. „Link“, murmelte Zelda, noch im Halbschlaf. Ein neuer Alptraum streckte erbarmungslos finstere Klauen nach ihr aus und hängte sich über ihre Willenskraft. Nur mit Mühe, gegen ein inneres, lähmendes Gefühl ankämpfend, setzte sie sich aufrecht und blinzelte schließlich durch die Dunkelheit. „Link“, ein erstickter Laut in der Düsternis. Sie krümmte sich gegen die Müdigkeit, konnte ihren Traum von der Realität noch nicht völlig trennen. Sie hatte einmal mehr von Links Niederlage geträumt und geriet ein wenig in Panik, da er nicht hier war. Nicht hier… wo sie ihn doch vor wenigen Minuten getröstet hatte. Sie erhob sich wimmernd und betätigte den Lichtschalter. Geblendet von dem künstlichen Schein half ihr das Licht dennoch endlich in der Wirklichkeit anzukommen, sich zu sortieren. Erst dann stellte sie fest, dass sich Links grünes T-Shirt und sein Basecape nicht mehr im Raum befanden. Er hatte sich nur aus diesem Raum zurückgezogen… Sie nahm einen Atemzug um sich innerlich noch weiter zu sortieren und lief schnellen Schrittes aus dem Raum, hörte vertraute und fremde Stimmen, die eifrig diskutierten. Auch Links Stimme erkannte sie mit tiefgehender Beruhigung. Der Klang seiner Stimme war sicher und fest, so wie immer. Ob er sich von der Trauer um Rick ein wenig distanzieren konnte? Mit zerzaustem Haar stolperte die einstige Prinzessin durch die Tür zu dem großen Aufenthaltsraum. Als der Heroe in ihre Richtung blickte, tat dies auch der Rest der Gesellschaft und innerhalb von Sekundenbruchteilen schwieg jeder Anwesende. Zeldas himmelblaue Augen wanderten träge und mit kaum kaschierbarem Schock zu dem Erscheinungsbild Leon Johnsons, betrachteten unablässig seine von Selbstzweifeln zermürbte Gestalt. Seine Schultern hingen schlaff herab, das schwache Schimmern in seinen Augen zeugte von einem selbst zugefügten Kraftverlust, einem Schwinden von Lebensgeist und Substanz. Sie war nicht geschockt, weil er kränklich und erschöpft aussah, wohl aber, weil er hier stand, einfach so und sie auf eine liebevolle Weise, aber durchaus mit reuebeladenen Augen musterte. Und sie konnte es nicht glauben. Er war tatsächlich hier, war am Leben… Wie oft hatte sie ihn in den Träumen gesehen! Das ernste, vertraute Gesicht und das einst so gepflegte graugesträhnte Haar… Der einst so würdevolle, starke Anblick eines Regenten. Standhaft, trotzend. Und manchmal, da hatte sie ihn in seinen jüngeren Jahren erlebt, als einen Krieger, der gewandt mit dem Schwert seine Schlachten schlug, ein Krieger, der von Verbündeten als auch von Feinden wertgeschätzt wurde… Und oftmals erlebte sie ihn dann als den Vater, der er hätte sein müssen. Ihre Träume schufen Erinnerungen, die doch keine waren. Erinnerung an einen Vater, der ihr zuhörte, wenn sie mit Sorgen zu ihm kam. Erinnerungen an einen Vater, der aller strengen Adelsregeln zum Trotz ihre widerspenstige Natur akzeptierte. Erinnerung an einen Vater, der sie in Zeiten des Leids umarmte… Hilflos schwenkten Zeldas mit Müdigkeit umwitterte Augen zu Link, wollte nur sichergehen, dass er hier war, wach und so tapfer wie eh und je… und ohne es zu wollen, schickte sie ihm einen hilflosen Blick mit dem Wunsch nach Schutz. Sogleich biss sich Zelda auf ihre Unterlippe, ärgerte sich über ihren kindischen Versuch vor der Konfrontation mit Leon Johnson wegzulaufen. Verwundert bemerkte Zelda auch den wiedergeborenen Shiek, aber war zu gefangen in einer Unsicherheit, die wie ein richtendes Schwert über ihr hing, sodass sie sich kaum zusätzlich mit dem Spiegel ihrer Selbst auseinandersetzen konnte. „Ich würde gerne unter vier Augen mit dir reden, ist das in Ordnung?“, sprach der wiedergeborene Herrscher Hyrules mit dieser vertrauten, leicht rauchigen Stimme und tapste in gemächlichen, wenngleich schweren Schritten in Richtung seiner Tochter. Ein weiteres Mal begegneten Zeldas Augen den tiefblauen ihres Heroen, weil sie spürte, dass ihr gerade der Boden unter den Füßen entglitt. Gefürchtet hatte sie sich vor der Auseinandersetzung mit ihrem Vater. Gescheut hatte sie ihn… Weil sie nicht wusste, was sie ihm sagen sollte und weil sie nicht wusste, ob er ihr für die vielen Male, da sie sich respektlos ihm gegenüber verhalten hatte, vergeben würde. Aber Link nickte nur, als würde er Leons Wunsch unterstützen. Er nickte hoffnungsvoll… Zelda hob den Blick, schlug die Augenlider mehrmals nieder und versuchte standhaft, würdevoll und sicher zu wirken, Eigenschaften ihres alten Lebens zu ersinnen, vielleicht weil sie sich für ihr Selbstmitleid und alle beschämenden Worte Impa und auch Link gegenüber kaum rechtfertigen konnte. Mit kühlem Blick und geballten Fäusten wartete sie auf ihren Vater, der ihr in das stille Kämmerchen folgte, wo sie und ihr Heroe Nähe und Berührungen ausgetauscht hatten. Es war gut so, redete sie sich ein. Es war gut mit ihrem Vater zu sprechen, genau hier in diesem wundersamen Raum, wo sie sich lebendig und nützlich für Link gefühlt hatte, wo sie sich selbst seit langer Zeit wieder gespürt hatte. Leon Johnson folgte ihr und schloss die Tür langsam, sodass nicht einmal das Klacken des Schlosses hörbar war. Aber er wahrte Abstand, ließ ihr die Zeit, die sie brauchte. Und Zelda hatte Zeit für die Heilung ihrer Wunden einmal mehr bitter nötig. Unsicher ließ sie sich auf das Schlafsofa sinken, griff mit ihren Händen in die Polsterung und suchte eine Möglichkeit ungute Gefühle mit einem Blick durch den Raum zu betäuben. Beide wussten nicht, wo sie beginnen sollten die Vergangenheit aufzuarbeiten, beide ließen die Minuten zerrinnen mit einer wundersamen Form von Höflichkeit und Respekt, einer beinahe strengen Disziplin jegliche Druckausübung zu umgehen. „Zelda…“, sprach ihr Vater schließlich, mit mehr Verwirrung und Sehnsucht, als ihm bewusst war. „Wenn es… dein Wunsch ist, dann werden wir nicht reden. Wenn es aber… auch für dich entscheidend ist, sinnvoll ist, dann bin ich bereit dafür.“ Sie nickte, traf seinen Blick schweigend, denn eigentlich wusste sie nicht einmal, wozu und warum sie zustimmte. Sie wusste nicht einmal, was sie wollte… „Aber… es erfüllt mein altes Herz mit Freude… dich zu sehen“, sprach er dann, rücksichtsvoll und unglaublich sanftmütig. Er widersprach in seinen Handlungen und Reaktionen gerade allem, was er damals an starrer Haltung ihr gegenüber ausgedrückt hatte. Die Zeit auf der Erde hatte ihn massiv verändert, sein Mitgefühl geschärft, seine Gefühle intensiviert. Aber es musste ihm auch das Herz gebrochen haben… Zelda nahm einen tiefen Atemzug, quälte sich die richtigen Worte zu finden für die Luft, die ihre Lunge anschwellen ließ. Seine liebevollen Worte hallten in ihren Gedanken nach, raubten ihr jegliches bittere Gefühl und drückte ihr Wasser in die Augen. „Ich bin… so froh, dass es Link gelang dich zu finden…“ Ein weiteres Mal nahm Leons väterliche Liebe Zelda die Fassung, nicht einmal in ihren Träumen hatte sie so intensive väterliche Zuneigung gespürt. Eine Träne rannte über ihre rechte, rosa Wange, endete in einem erstickten Schluchzen, das Leon kaum vernehmen konnte. „Zelda… ich habe dich so sehr vermisst…“ Seine Stimme war so weich, so unfassbar samtig wie eine kuschlige Decke, wie ein milder Sommerregen. Wann nur hatte er gelernt so zu reden? „Meine Kleine…“, murmelte er dann. Meine Kleine… Dieser Kosename und der liebevolle Klang dahinter brannte sich der vergessenen Prinzessin ins Herz und drückte weitere kleine Sturzbäche ihre Wangen hinab. Bei Hylia, sie weinte schon wieder. Was war sie nur für ein elender Jammerlappen geworden? Meine Kleine… Ja, klein fühlte sie sich gerade ohnehin. Und kindlich. Und durchlässig. Es gab eine Zeit, da war sie seine ,Kleine‘, lange bevor die Königin Hyrules ihr Lebenslicht verlor. Ja, da war sie ein Kind im Schutze ihres Vaters, klein, aber hoffnungsvoll, leuchtend und zuversichtlich. Sie presste ihre Hände auf die Lippen. Oh, verflucht, das war wirklich gemein, dachte sie. Und es war nicht fair, dass er auf diesen Kosenamen zurückgriff. Ein Gefühl brach in ihrem Herzen an die Oberfläche, von welchem sie dachte, es nie wieder spüren zu können. „Ich weiß, wir müssen die Vergangenheit ruhen lassen, ich weiß, wir haben keine Zeit um die alte Zeit zu trauern, deshalb… deshalb wollte ich dir nur sagen…“ Aber dann endlich traf Zeldas Blick den seinen, traf diese so ähnliche himmelblaue Farbe mit voller Wucht und Leon verlor seine Worte. Er hatte sich so oft ausgemalt, was er seiner Tochter sagen würde, welche Worte er finden wollte um sie um Verzeihung zu bitten für all die Fehler aus einer nebulösen und knallharten Vergangenheit und nun waren die Worte vor ihm davongeflogen wie unruhige Vögelchen. Aber Leon ließ seine Chance nicht davonfliegen. Obwohl Zelda ihm keinerlei Erlaubnis gab, weder mit Worten noch mit Blicken, zögerte er nicht den Abstand zu ihr zu schließen, hockte sich ebenfalls auf das Schlafsofa und nahm das bildhübsche Gesicht seiner Tochter in beide faltige Hände. „Meine Kleine, ich hatte ganz vergessen, wie wunderschön du doch warst… meine Tochter…“ Er weinte, während Zelda ihn ungläubig musterte. Noch nie, nicht einmal nach dem Tod ihrer Mutter hatte Zelda ihren Vater weinen sehen. Hier auf dieser Erdenwelt gestattete er sich endlich menschliche Gefühle zu zeigen, gestattete es sich schwach zu sein. Und ein neues Gefühl brach an die Oberfläche der kleinen intimen Welt in Zeldas Innerem. Sie hatte ihren Vater vermisst, selbstverständlich hatte sie das. Und vielleicht half dieses Gefühl endlich die eigene Stimme zu erheben. „Auch ich… bin froh, dass du da bist…“, bemühte sie sich, formte diese Worte mit aller Stärke, die sie gerade aufbringen konnte. Auch sie war daran interessiert die alten Verletzungen in der Beziehung zu ihrem Vater hinter sich zu lassen. Sie brauchten beide einen Neuanfang, das wusste Zelda, nur wusste sie nicht, ob sie sich wirklich darauf einlassen konnte. „Es tut gut… deine Stimme zu hören“, murmelte er und schluckte. Er musterte sie nun noch eindringlicher in einer neuen Form von Nervosität. Und dann endlich suchte er die Umarmung seiner Tochter, spürte ihre Zurückhaltung, aber auch den Mut zur Annäherung. „Zelda, es tut mir alles so leid… es tut mir einfach… so sehr leid…“ Er musste es nicht aussprechen, denn sie las in seinen Gedanken, was er meinte. Es tat ihm leid, dass er in all den Jahren das Wort seiner Tochter niemals geachtet hatte… dass er sich scheute eine engere Beziehung zu ihr aufzubauen. Und es tat ihm leid, dass auch dann als Hyrule vor dem Verblassen stand, dieser Fluch, den keiner der Weisen bisher verstehen oder klären konnte, er nicht in der Lage war die Einsichten und Prophezeiungen seiner Tochter ernst zu nehmen. Und eine weitere Sache tat ihm leid… dass Zelda niemals die Liebe wählen durfte, die sie für ihr Seelenheil gebraucht hätte. „Mir auch…“, murmelte Zelda zögerlich, „… auch mir tut es furchtbar leid…“ Sie schluchzte schließlich und versuchte die Umarmung ihres Vaters zu genießen. Denn es blieb ihnen nichts anderes als Vergebung zu finden. Jetzt, wo die Welt endete, war Vergebung der einzige Luxus… Währenddessen saßen Sian und Link gemeinsam im Aufenthaltsraum, während alle anderen mit Vorbereitungen für die Umsetzung des Plans beschäftigt waren. Die Retter der Erde konnten es sich nicht mehr leisten wertvolle Zeit zu verlieren, konnten es kaum ertragen still zu sitzen. Allen Weisen brannte ein ungewöhnlicher Ehrgeiz in den Fingern sich auf die nächsten Ereignisse vorzubereiten. Sie mussten Ruhe und Besinnung in ihren Meditationen finden um über ihr magisches Potential zu verfügen, so, dass sie eine Pforte in die verblasste Welt öffnen konnten… und natürlich um dieses alte, heilige Land auch so lange am Leben zu halten, dass es Link und Zelda möglich war die Weisenelixiere zu finden. Der einstige Held der Zeit genoss eine warme Milch gemeinsam mit dem wiedergeborenen Shiek. Eine ungewöhnliche Situation, zu vertraut, als in der Gegenwart Bewandtnis zu finden. Aber es tat dem Heroen gut, hier mit einem wertvollen Freund zu sitzen, der seine Ideale ebenfalls verkörperte und der ihm zuhörte. Denn Link hatte an Sian eine unangenehme Bitte zu stellen, eher eine belastende Bitte vielleicht… „Sian, ich weiß nicht, ob ich dich darum bitten kann…“, begann Link leise und trank die warme Milch mit einem Zug leer, wischte sich mit seiner linken Hand über die Lippen und seufzte. Er verschränkte die Arme, blickte in die Mitte des runden Beratungstischs und schickte seine Gedanken dorthin um sie sich im visuellen Charakter zu betrachten. Er hatte beim Aufwachen vorhin schon den Wunsch gehabt Rick in der Erde wissen zu wollen, nicht wie ein zu entsorgendes Stück Fleisch, das abfällig im Kofferraum lag… Er wünschte sich ihm zumindest ein würdevolles Grab zu bereiten… und noch etwas von dem Schmerz zu verarbeiten, der in ihm steckte. Und Link… er würde nicht vor dieser Konfrontation weglaufen, dafür war zu viel Ehrgefühl und Mut in ihm. „Es ist dein Freund, um den es geht… die Trauer, die du so tapfer angenommen hast…“, sprach der Rotäugige, eindringlich in Links Gedanken auf Wanderschaft gehend. Wie verdammt gut der einstige Shiek das konnte. Er war ein so cleverer Beobachter der Microausdrücke, dass es Link eine Gänsehaut bescherte. Und ein Seelenleser, ein in Magie begabter, war er obendrein. Was Sian wohl alles über die Menschen in seiner Umgebung wusste. Hinzu kam, dass er auch noch hoch anständig war um es nicht auszuplaudern… „Würdest du mich begleiten?“, sprach Link und erhob sich. Ein Schatten aus Trübsinn schlich in seine Gesichtszüge, schob seine dunkelblonden Augenbrauen hinab und zeichnete kleine Falten um seine wachen Augen. Sian schenkte ihm ein sanftes Lächeln, eines, das ihn an eine versteckte Zelda in seinen jugendlichen Zügen erinnerte. Es irritierte ihn, dass ihm erst jetzt die ungeheure Ähnlichkeit zu seiner Prinzessin auffiel. Sian war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten, aber durchaus versehen mit männlicher Wirkung… Die Luft tief aus seinen Lungen pustend trat Link aus dem Schutzbunker in Begleitung seines Kameraden Sian, verdrängte ein unangenehmes Gefühl von Scham und Schuld über seinem Nacken angesichts des Gedankens Ricks toten Körper zu erblicken… Die Erde hinter Impas Villa war überraschend weich und roch noch nach vertrauter Natur, nach Pilzen und Nährstoffen trotz des Keimes von Ganon, der überall die Luft infizierte. Sian und Link hoben schweigend das Grab für Rick aus, äußerst schweigsam, aber je tiefer das Loch wurde, umso erdrückender war dieser ganze Vorgang für den jungen Heroen. Es brauchte Zeit um den Verlust von Rick überhaupt zu realisieren, aber gerade in dem Moment trug die Situation ein Grab auszuheben zu mehr und mehr Schmerz in seinem Herzen bei. Er stoppte die Schaufel, rieb sich über die Stirn und schwenkte mit unsicheren Blicken zu dem Kofferraum. Wie viel Verlust und Schrecken würde er wohl aushalten, fragte er sich in der Kürze eines Augenblicks, bis es ihm den Verstand raubte und seine Seele zerschmetterte? Wie viel konnte er überhaupt aushalten? Allein schon die Apokalypse mit seinen Augen zu erleben war zermürbend genug und doch brach es ihn nicht. Vielleicht das erste Mal glaubte Link tatsächlich, dass er der eine Heroe war, dessen Stärke ausreichte diese Schicksalsschläge zu stemmen… und doch tat es verdammt weh. Sie betteten Rick in das Grab, ließen ihn hinab zu seiner letzten Ruhestätte, sein Körper gezeichnet von der purpurroten Energie Ganons… blass und doch ein rötlicher Schimmer auf der eiskalten, erstarrten Haut. Link verabschiedete sich ein letztes Mal, gab dem besten Freund, den er hatte, einen Kuss auf die Stirn, der Zeit gedenkend, die sie miteinander teilten. Eine weitere Träne tropfte über seine rechte Wange, als sie begannen den edelmütigen Burschen der Mutter Erde zurückzugeben. Link versprach ihm ein besseres Grab, an einem anderen Ort, versprach ihm Worte des Gedenkens und des Abschieds sowie Gebete, dann, wenn die Welt von Ganondorfs Schergen befreit wäre. Aber vorerst war dies Ricks Ruhestätte. Als sie die Erde über den Körper schichteten, fiel eine weitere Last von Links angespannten Schultern wie ein harter Klumpen Unrat… Sian klopfte ihm auf die Schulter und machte ihm deutlich, dass er nach dem Kampf noch Zeit hatte zu trauern, jetzt aber war der Plan zur Rettung der Erde an erster Stelle. Weitere Worte des Abschieds streichelten Links Lippen, bis er mit Sian zurück in die Villa trat. Zelda und Leon Johnson saßen gemeinsam am Tisch und tauschten sich über die vor ihnen liegende Mission aus. Die Prinzessin schenkte ihrem Heroen einen besorgten Blick, gerade als er mit Sian zurück in den Aufenthaltsraum trat. Beide jungen Burschen waren mit Matsch beschmiert und sahen müde aus. Aber die Erleichterung in Links Blick lenkte Zeldas Aufmerksamkeit sofort durch seine Seelenspiegel hindurch zu dem verwundeten Punkt, den sie mit ihren Blicken beinahe berühren konnte. Es ging ihm besser, wesentlich besser. Nicht nur oberflächlich und weil er sich bemühte stark zu sein. Er tat, was er immer getan hatte. Tapfer die Hürden annehmen, verarbeiten und zurückschlagen… Sian und Link nahmen ebenfalls Platz am Tisch und endlich war auch Zeit für Zelda ihr Alter Ego zu durchleuchten, den wiedergeborenen Shiek kennenzulernen. Ehe sie es realisierte, starrte sie mit Neugier und Verwunderung in sein hübsches, weiches Gesicht und tauchte ein in diese geheimnisvollen, rubinroten Augen. Das erste, was Zelda spüren konnte, war eine unglaubliche Energie und Präsenz, eine starke Natur, die ihre Neidgefühle reflektierten. Sian war ein perfektes Exemplar eines ausbalancierten, gereiften Wesens, der geborene Stratege und Anführer, gerissen und ausgestattet mit überlegenen, fast schon gefährlichem Mix an Fähigkeiten. Es entsetzte Zelda dieses Selbstvertrauen und diese Kraft. Sian war genau das, woran sie gescheitert war. Er hatte seine Ziele stur verfolgt und sich entwickelt. Er war der bessere Teil von ihr. Er erwiderte ihren Blick mit leichter Skepsis, aber sie konnte kein verachtendes Gefühl gegenüber sich entdecken. Da glitzerte sogar Besorgnis und Bewunderung in seinem Blick, sodass sie es knistern hören konnte. War dies ihre Einbildung? Warum sollte Sian sich Sorgen um eine gescheiterte Prinzessin machen, die sich mit dunklen Gedanken quälte. „Als Link mir von dir erzählte…“, begann Zelda zögerlich. „konnte ich mir nicht vorstellen dir zu begegnen…“ Sian erwiderte ihren vertrauenssuchenden Blick. Einige Momente später standen sich die beiden gegenüber und sahen sich schweigend an. Auf den ersten Blick könnte man sie für Zwillinge halten. Dieselbe Größe. Dieselben edlen Gesichtszüge. Die gleiche schlanke Gestalt. „Wie ist das nur möglich? Du bist eigentlich ich“, sprach Zelda verblüfft. Sian blinzelte, zeigte einen Hauch Überraschung in einem amüsierten Grinsen. Er verbarg etwas dahinter, hinter diesem unschuldigen Lächeln, aber Zelda konnte kaum erahnen, was es war. „Ja, eigentlich sind wir uns sehr ähnlich“, bemerkte er fündig, und es wirkte, als fand er tatsächlich etwas in Zeldas Seelenspiegeln. „Und daher verfüge ich über das Wissen, welches du dir in Hyrule erarbeitet hast, kenne spezielle Einsichten und Geschicke…“, erklärte er, etwas umständlich. Es war so deutlich, dass er sich mit dem, was er tatsächlich wusste zurückhielt. Denn er spürte alle Empfindungen der vergessenen Prinzessin in einer symbiotischen Verbindung, sah alle ihre Träume… und all ihre Tränen. „Es ist unter Umständen äußerst verrückt und herausgelöst aus jeder Neutralität“, sprach er. Zelda legte ihre Hände aneinander und versuchte diese helle und doch männliche Stimme in ihren Gedanken festzuhalten. Er sprach etwas holprig und ein wenig von dem verwirrenden Unsinn, den sie aus ihrer Zeit als Shiek erinnerte, gelangte an die Oberfläche ihrer Gedanken. Sian redete genauso melancholisch und herausragend wie Shiek es tat. „Und ein wenig beschämend…“, Zelda rang sich zu einem gewöhnlichen Wort, aber schenkte ihrem Alter Ego ein zaghaftes Lächeln. Natürlich war es verrückt und absurd und beschämend. Hatte Zelda ihre Persönlichkeit als Shiek so von sich abgespalten, dass tatsächlich ein lebendiges Wesen daraus entstanden war, eine Seele, ein Geschöpf mit eigenem Bewusstsein? Und Zeldas Schlussfolgerungen zwangen sie immer weiter auf ein unbekanntes, wenig erklärbares Gebiet. War es denn möglich, dass Sian nur deshalb existierte, da Zelda auf eine unmögliche, gottspielende Weise ein Leben erschaffen hatte? Und wenn ja, mit welcher Macht? Sian zwinkerte verräterisch, als wüsste er ganz genau, was die brünette Schönheit über seine Existenz erdachte. Und er schien keinesfalls verärgert. Konnte sich jemand, der so beherrscht war wie er überhaupt in Ärgernissen verlieren? „Zelda“, sprach er dann vertrauenerweckend und so, als kannten sie einander seit ihrer beiden ersten Atemzüge. „Meine einzige momentane Hoffnung strickt sich in einem vielleicht einfältigen Wagnis. Ich möchte verstehen lernen, ob ich deinen Respekt und deine Achtung finde.“ Nein, Sian hatte nicht nur ihren Respekt und ihre Achtung. Seine Worte hinterließen die ohnehin erschöpfte Prinzessin für stockende Augenblicke sprachlos. Sie nahm seine Hände in die ihren, kühle Hände trafen auf kühle Hände. Zarte Haut auf zarte Haut. „Sian, du hast mehr als das… Du warst einst ein Teil von mir. Du hast mein bedingungsloses Vertrauen…“ Sie scheute das Wort ein wenig, aber wenn sie nicht einmal einem Teil von sich vertrauen konnte, wem sonst? Allerdings… Sie heftete ihre himmelblauen Augen auf Link, der sich leise mit Leon verständigte. Vielleicht belog sie sich auch hier wieder nur selbst. Sie hatte wohl längst vergessen wie es war sich selbst zu vertrauen. „Es ist wie… als hätte ich einen Bruder“, murmelte die einstige Adlige dann verlegen. Sian lächelte charmant, so unglaublich aufrichtig. Seine edlen, zarten Gesichtszüge, das Fehlen von Unreinheiten oder Makeln ließ das Lächeln nur noch strahlender erscheinen. „Ich würde meinen, das ist ein interessanter Vergleich.“ Er reichte ihr die Hand um diese Übereinkunft zu besiegeln. „Es ist schön dich kennen zu lernen, Zelda…“ „Ganz meinerseits…“, sprach sie, eine neue Sicherheit festigte ihre entschlossenen Gedanken. „Und ich bin über die Maßen dankbar, dass du den Weg zu uns gefunden hast. Deine Fähigkeiten werden uns Schutz für die Weisen garantieren.“ Sie spürte seinen Händedruck, die unendlich großherzige Geste von Mitgefühl und Handlungsbereitschaft dahinter. Sian nickte, kaum überrascht, dass sie dies ansprach. Seit Ruto ihn und seinen Vater in den Plan eingeweiht hatte, versuchte er seine eigene Rolle darin zu finden. Zu kämpfen und für Sicherheit zu sorgen galt als hohes Ziel, dem er sehr gerne nachging. „Wirst du uns helfen den Plan gegen Ganondorf umzusetzen?“ Zelda lächelte eindringlicher, eigentlich musste sie diese Frage kaum stellen. Eine kleine Verschlagenheit bildete sich in seinen rubinroten Seelenspiegeln, er wusste etwas, sein geheimnisvolles Grinsen verriet eine Hoffnung, die sie alle bisher noch nicht erkannt hatten. Der einstige Shiekah bückte sich und holte eine Tasche hervor und platzierte sie mit einem Funkeln in seinen Seelenspiegeln auf der Mitte des Tischs. „Es ist Zeit, dass sich alle hier einfinden. Es ist soweit“, sprach Sian einmal mehr geheimnisumwittert, aber so sicher, dass es Zelda eine Gänsehaut über den Nacken schickte. Er hatte eine Überraschung, das erkannte sie nun, einen weiteren Meilenstein in dem Kampf gegen Ganondorf. Und als sich allmählich alle Weisen an dieser Tafel der Krieger versammelten, spürte die einstige Prinzessin ein loderndes Gefühl in sich, die Erinnerung an Uraltes, Transzendentes, Heiliges… Sie alle waren auf dem richtigen Weg. Diese wundervollen Krieger und Helden, sie alle würden für das einzige einstehen, das in dieser gefallenen Welt noch Sinn ergab. Für das Leben… Zelda fühlte sich überwältigt von einem kochenden Gefühl, das sie sich zunächst nicht erklären konnte. Ein Gefühl, als überschwemmte eine gewaltige, beständige und reine Urkraft jede ihrer Zellen, ließ diese vibrieren in euphorischen Schwingungen. Sie stemmte sich mit einer Hand am Tisch ab und zuckte mit Entsetzen zurück. Da floss eine Energie, ausgehend von Sians Tasche, die sich ihrer so sehr bemächtigte, dass sie fürchtete ihr Bewusstsein zu verlieren. Ein Schlag, pochend, deutlich und mitleidlos floss wie eisige Magie in sie hinein, sodass sie schwankte. Link packte sie plötzlich an ihren Oberarmen, so energisch mit einem besorgten Signal aus seinen wunderschönen blauen Augen, dass auch sein tiefer Blick sie schwindelig werden ließ. „Sian, was ist in dieser Tasche?“, sprach Zelda leise und stockend, umwebt von dem durchaus angenehmen Gefühl von Links rauen Händen, die ihre nackten Schultern festhielten. Und ohne weitere Worte öffnete der Angesprochene das Behältnis und preis gaben sich über zweihundert schimmernde Splitter. Sie glommen wie Opale, in wunderschönen Regenbogenfarben, glitzerten und pulsierten. Leon ergriff das Wort: „Das ist unser Schatz, unsere Hoffnung… ermöglicht von dem Helden der Legende können wir ein kleines Wunder am Ende der Gezeiten geschehen lassen.“ Er musste nicht erklären, woher diese Splitter stammten. Die Geschichte dahinter kannten sie nun alle. „Du hast es tatsächlich geschafft?“, jubelte Link. „Sian, du hast die Splitter Hylias vervielfältigt.“ Er freute sich, dass sein Aufenthalt in dem Götterreich nun doch eine viel sinnvollere Bedeutung eingenommen hatte. „Wir haben so viele produziert wie es uns in der kurzen Zeit möglich war… jetzt müssen wir herausfinden, was die Prinzessin des Schicksals bereit ist damit zu tun.“ Neugierig beugte sich das brünette Mädchen über den Tisch, entzückt, hin und her gerissen, berührte Zelda einen der gereinigten Kristalle. Für mehrere Sekunden weiteten sich ihre Pupillen und ihr Gesicht wandelte sich in starre, konzentrierte Anspannung. „Es ist seltsam… aber ich weiß, was ich zu tun habe.“ Sie lachte ein wenig hysterisch, wirkte plötzlich überdreht und energiegeladen. „Begleitet mich auf das Dach!“ Zelda strahlte so untypisch, dachte Link. Für einen Sekundenbruchteil hatte er das Gefühl als brach ein goldener Schein durch die Poren ihrer samtigen Haut… Sie krallte sich die Tasche und tapste mit federnden Schritten in Richtung Ausgang. Sie erwartete keine Widerworte. „Jetzt kommt endlich!“ Ein übernatürlicher Eifer war in ihr erwacht, der Link erstaunte. Das war eine Seite von ihr, die er noch nie erlebt hatte. So viel Tatendrang. War das ihr wirkliches Gesicht? War das die tatsächliche Erbin Hylias? Verschwunden war ihre Bitterkeit und diese immer wiederkehrende, frostige Verzweiflung. Irritiert folgten die Weisen, ihr Vater, Sian und Link ihrer einstigen Thronerbin, symbolisch und loyal. Die vielen Füßen bewegten sich tapfer und standhaft vorwärts als folgten sie ihrer Regentin in die Schlacht. Und sie alle würden es tun, bereit zu kämpfen, demütig und stolz auf das Schicksal, das sie sich teilten. Mit entschlossenem Blick, ihr Haupt erhoben und so eng verbunden mit ihrer heiligen Natur führte Zelda ihre Krieger vorwärts, dicht gefolgt von ihrem Heroen, der seine linke Hand fest um ihre rechte schloss. Schweigsam und muterfüllt schenkte er seiner Prinzessin den ehrvollen Blick, den sie über Leben hinaus erinnerte. Selbst wenn Jahrhunderte zwischen ihnen lagen, selbst wenn Welten zwischen ihnen lagen. So, wie sie mit ihren Seelenspiegeln kommunizieren konnten, brauchte es weder Worte noch Magie… Sie würden für einander einstehen, egal, ob bedroht von Kriegen in der Zeit, in den Schatten, in den Wolken, auf dem Meer oder in den Träumen… Sie alle hatten auf diesen Tag gewartet, auf die Prüfung, auf den Hass eines uralten Bösen, welches sich immer wieder manifestierte. Sie konnte nicht entkommen, aber sie konnten standhalten, verbunden, ehrfürchtig und gut… Sie kletterten von einem Balkon im obersten Geschoss eine kleine Leiter hinauf auf das Dach, auf eine kleine Ebene nahe eines Schornsteins, seufzten in der Bedrohlichkeit, die der Horizont ihnen entgegenwarf. Ein Spektakel galliger, blutiger Farben stocherte wie Eitergeschwüre in den vorüberziehenden Wolken am Horizont. Ein scharfer, beißender Wind brüllte ihnen entgegen, als wollte er sie zum Aufgeben zwingen, wollte sie ermahnen wie aussichtslos dieser Kampf war. Aber Zelda spürte diese Aussichtslosigkeit im Augenblick nicht, verbunden mit den heiligsten Gesetzen einer uralten Welt atmete und pulsierten ihr Fleisch, ihr Wille und ihre Emotionen in einem Glanz der Furchtlosigkeit, Klugheit und Stärke. Und es war dann, symbolisch, überwältigt von einem Gefühl tosender Ehrfurcht knieten ihre Kämpfer nieder, stärkten ihren Rücken, trotzten mit sturen Blicken in Richtung des verseuchten Firmaments. Und irgendwo manifestierten sie sich, Ganons glühende Augen, auskundschaftend und die Weisen in ihren verbundenen Herzen beobachtend, wartend auf die Gelegenheit das letzte Gute des Planeten zu brechen. Zelda erkannte sie hoch oben, die infernalische Gewalt und Brutalität Ganons, seine teuflischen Augen, die sich durch den verseuchten Horizont schälten. Aber sie würde sich niemals brechen lassen, nicht im Zeitkrieg, nicht in einem anderen Dasein und nicht hier in dieser Erdendimension. Ihr sturer Blick galt dem Meer aus Tobsucht und schleimiger, stinkender Rache hoch oben und sie wendete den Blick nicht ab… auch dann nicht, als sie die Tasche mit den von Hylia gereinigten Splittern zu ihren Füßen sinken ließ, selbst dann nicht, als sie die Tasche öffnete und die vielen Kristalle begannen zu summen. Und niemand begann zu sprechen, als die Kristalle sangen. Die Kämpfer spürten etwas Reines und Gewaltiges allesamt mit kribbelnder Erwartung und Erstaunen, sie spürten die Macht des Guten und einen Umbruch in der Luft, dem Gestein… in allen Elementen um sich herum. Und als sie erwählte Prinzessin ihre Arme in die Höhe streckte, hielten ihre Gefolgsleute den Atem an, konnten Zeldas Magie knistern und leben hören. Zeldas Magie pulsierte, eine leuchtende, heilige Magie, die nicht dem Triforce und vielleicht nicht einmal dem Göttlichen entsprang. Es war Zeldas Gabe, es war Zeldas Herz, das war es immer… Unter dem Vorhang des Bösen war die Pracht der Welt erloschen, aber hier, reinigend und erhellend, wie flüssiges Perlmutt stießen zweihundert kleine Speere in Richtung Himmel. Als eine Explosion aus silbernen Tropfen donnerten die Splitter Hylias dahin, brachen durch das Netz aus Blut und Schleim, reinigten, heilten. Dann endlich, als Zelda ihre Arme wieder fallen ließ und hoffnungsvolle Tränen ihre Wangen benetzten, brach etwas Licht durch den blutdurchtränkten, glühenden Horizont, gab das Gesicht des ewiglich blauen Himmel preis. Wie weiße Perlen in einem Meer aus angenehm blau und verwundbar rot… Als Zeichen des Guten schuf sich das Licht einen gnadenlosen Weg durch den finsteren Vorhang. Ein Feldzug gegen die Finsternis war gewonnen. Denn die Sonnenstrahlen, die den Planeten erreichten, konnten das Leben anfeuern, dienten dem Leben und würden das Licht der Erde erhalten. Das Gute kämpfte gegen das Böse wie seit alter Zeit. Rein und bezaubernd. Und doch stark und unbezwingbar. Unbeugsam. Legendär. Genau das war sie... und würde sie immer sein. Die Legende von Zelda. Kapitel 46: Wiedersehen mit Hyrule ---------------------------------- In der gefallenen Erdendimension, die beherrscht wurde von einem Dämon der Rache, schoben sich zwischen blutroten Farben am Firmament winzige Erinnerungen an das gleißende Sternenlicht hindurch. Dort, wo Hylias Splitter den verseuchten Horizont gereinigt hatten, dort, wo auch das Sonnenlicht wieder den Weg zur Erde finden konnte… Es war Nacht hier in Schicksalshort, eine verheißungsvolle Nacht für die wenige Krieger, die in ihrem Schutzbunker die letzten Vorbereitungen trafen. Ein Teil der Weisen beendete in einem Nebenraum die anstrengenden Meditationen zur Reinigung und Entfaltung ihrer Kräfte. Ein Teil schlief, erholte sich von den Strapazen der letzten Stunden und versuchte Heilung in Ruhe und bilderleeren Träumen zu finden. Auch Leon Johnson beschäftigte sich zielstrebig mit der neuen Aufgabe, die ihm anvertraut wurde. Auch er besaß gewisse Fähigkeiten, Zelda besaß schließlich sein Blut, in welchem seit Generationen das Blut der Göttin vererbt wurde. Akribisch folgte er den Anweisungen von Impa zur Reaktivierung seiner Kräfte, heilte sich von seinem eigenen Kummer. Und ohne die Versöhnung mit seiner Tochter wäre ihm dieser Kunstgriff nicht gelungen. Sian Johnson jedoch inspizierte einen großen Radius um die Villa herum, schlich ungesehen und unbemerkt durch die Nacht, die sich durch das wenige Sternenlicht, das die Erde erreichte, ein wenig lichtete. Und er fand nichts. Keinen Dämon, keine Spuren der Gefahr. Er fand niemanden… Eine unheimliche Stille kehrte in Schicksalshort ein, womöglich als Konsequenz von Hylias Segen, den Zelda über den Planeten regnen ließ. Die opalfarbenen Kristalle mussten nicht nur den Horizont befreit, sondern auch einige Dämonenhorden ausgelöscht haben… Der Schein der künstlichen Lichter im großen Besprechungsraum des Bunkers flackerte unruhig, als Link und Zelda etwas aufgeregt und irgendwo sogar unsicher über einer riesigen Liste der Dinge saßen, die sie mit nach Hyrule nehmen und keinesfalls halbherzig angehen durften. Sie waren beide nicht bereit für dieses Abenteuer und scheuten sich über die drei Wochen nachzudenken, die sie in Hyrule verbringen würden. Mindestens drei Wochen, in denen der Kampf ums Überleben in einer riesigen Wildnis voranschritt, wo sie keine Hilfe von einer Menschenseele erwarten konnten, wo eventuell Monsterangriffe und Gefahren durch Witterungsumbrüche an der Tagesordnung waren. Vor allem Zelda scheute sich die Liste der Items zu überfliegen, scheute sich darüber nachzudenken, dass sie nach Hause kam. So sehr hatte sie sich gewünscht zurück in ihre Welt zu gelangen, so schmerzhaft war dieser gewaltige Wunsch… und nun… unter den Umständen einer geschändeten Erdenwelt fühlte sie sich wie ein Feigling, der Menschen im Stich ließ, die zu ihr aufsahen, die sie lieb gewonnen hatte… Und Link, nun ja, Link war einfach… er selbst. Der einzige Gedanke, der ihn nervös werden ließ war die Tatsache, dass er Aufregung und Freude dabei empfand das alte Land mit seinen Augen sehen zu können. Ein beschämender Gedanke, wo andere diese Freude nicht erleben konnten… Sein Abenteuerherz blühte auf, weil er Hyrule erleben würde. Weil sein innigster Wunsch in Erfüllung ging. Und weil Zelda, das Licht seines Lebens, ihn begleiten würde. Zufrieden ergänzte er die Liste, in seinen tiefblauen Augen ein übernatürlicher Funke von Ehrgeiz, Hoffnung und Stolz. Es schickte Zelda in ein Gänsehaut produzierendes Entsetzen diesen Funke in ihm zu spüren, das Glitzern in seinen Augen… Und auch sie erkannte es. Gerade jetzt, weil dieser untrügliche Ehrgeiz Links durch den Raum schwappte. Ja, Link war er selbst… er war so unglaublich auserwählt für diese Mission. Zelda beobachtete ihn, wie er konzentriert die Liste vervollständigte, sie überflog die Stichwörter… Zelt, Schlafsäcke, Waffen, zusätzliche Decken, Winterkleidung für Zoras Reich, leichte Kleidung für die Wüste, Taschenlampen, Medizin, Zahnbürste und Zahnpasta, Büchsen mit allerlei Proviant, Unmengen von Flaschen mit Wasser, Tee, vakuumiertes Fleisch und Brot, Eingekochtes, Werkzeuge. Und das war nur ein Teil… Wenn die Weisen den Zugang nach Hyrule freilegen würden, so war ohnehin ungewiss, wo Zelda und Link als erstes landen würden. Es war alles verdammt ungewiss. Also mussten sie auf alles vorbereitet sein. Auch wenn sie womöglich, was das erstrebenswerte Ziel war, im Schloss ihre Reise beginnen würden, so mussten sie sicher gehen nicht von unvorhersehbaren Ereignissen überrascht zu werden. „Das ist das Nötigste“, begann Link mit einem tiefen Atemzug und deutete auf die Liste. „Und das ist nur ein Anfang.“ Zelda blickte schräg an ihm vorbei, ihre saphirblauen Augen versanken irgendwo im Nichts. Der Heroe bemerkte ihre Unsicherheit, die Besorgnis, die tief in ihrer Seele steckte. Es war für Zelda der womöglich schwerste Schritt zurück in ihre Welt zu gehen, erinnert zu werden, dass Hyrule nur ein altes Land war, wo kein Leben mehr weilte. Erinnert zu werden an das Scheitern aller und Hyrule keine Chance mehr hatte… Und vielleicht war dies das Grausamste. Erinnert zu werden auch an die schönen Dinge ihrer Heimat, an magische Erlebnisse in Hyrule und an alles, was sie Heimat nannte… Link sah seine Prinzessin erneut in ihrem Schwermut versinken, in einer Trübsinnigkeit, die sich schattenhaft über ihr Gesicht legte, bis sich dieser Schatten in ihre Augen zurückzog. Instinktiv griff er nach ihrer rechten Hand, beförderte sie aus diesem Zustand von Rückzug und suchte nach ein paar Worten sie an die Realität zu binden. „So, dann verrate mir doch mal, wie wir das ganze Zeug mit uns herumschleppen wollen! So kommen wir doch nicht vorwärts“, maulte Link und klang dabei etwas kindisch. Zelda versuchte es mit einem gutmütigen Lächeln, kaum sichtbar, aber es erfüllte seinen Zweck. „Lass dich einfach überraschen“, sprach sie. „Wenn wir in Schloss Hyrule starten werden, so wie es der Plan ist, dann habe ich eine nützliche Idee.“ „Gut“, erwiderte er. „Ich liebe Überraschungen.“ Zufrieden rollten die Worte über seine Zunge. „Ich weiß…“, entgegnete sie und ließ ihre Augen auf der Liste ruhen. „Du kennst mich wohl besser, als mir lieb ist.“ Er wollte sie weiterhin aufheitern, weil er spürte, dass sie sich in ihren Sorgen wog und schäkerte ein wenig. „Besser, als mir selbst lieb ist…“, sprach sie dann und zwinkerte. Sie hatte sich verplappert, schon wieder. Seit wenigen Tagen kochten in ihr die alten Gefühle und brodelten so heftig, dass sie sich tatsächlich traute auf Links offenherzige Versuche sie zum Reden zu bringen, einzugehen. Das war nicht gut, dachte sie. Was immer auch Link mit der Nähe bezweckte, die er zu ihr aufbauen wollte, es war ihr nicht geheuer… Noch immer konnte sie sich kaum vorstellen, dass er ihr gegenüber aufrichtige, schwärmerische Absichten hatte. Noch immer weigerte sie sich alles, was sie an Nähe zu ihrem Heroen erlebt hatte, in die Hoffnung auf eine Beziehung einzuordnen. Und Zelda hatte ihre Gründe, die vor allem in der Vergangenheit zu suchen waren. Sie lächelten sich einige Sekunden schweigend an. In seinen Augen lag etwas, dass sie gerne darin sah, etwas unbeschreiblich Großherziges, dass zu der reinen blauen Farbe darin passte. Es schien, als grübelte er nach den richtigen Worten. „Zelda… Ich wollte mich bei dir bedanken.“ Sie musterte ihn sorgfältig, aber der liebevolle Ausdruck in seinen Augen entging ihr einmal mehr. „Wofür?“ Er bewegte sich einige Zentimeter zu ihr heran und stützte sich leicht über den Tisch. „Für… für dein Verständnis“, brachte er über seine spröden Lippen, diese schönen Heldenlippen, aber dann schaute er verlegen weg. Als sie nicht das Geringste darauf sagte und ihn immer noch voller Verwunderung anschaute, diese zu einer wunderschönen Unschuld gezeichneten Gesichtszüge, wanderten seine Augen ebenfalls wieder zu ihren. Ihre Blicke näherten sich ein wenig, und noch ein wenig, träumten stillschweigend in ihren Wünschen, fühlten sich beide verschränkt, rutschten gedankenlos weiter aufeinander zu, bis ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren… Es war ein übersinnlicher Magnetismus, dachte Link. Und er konnte dagegen rein gar nichts tun, in diesen ineinander verwirbelten Momenten, berührten sich ihre Seelen, er wusste es, und konnte es kaum in Frage stellen, noch sich wundern. Zelda war so nah, wenn sie einander in diesem Gefühl trafen, dass auch sie nicht entkommen konnte. Seine warme Hand legte sich fast automatisch auf ihre rechte, samtige Wange und streichelte darüber, bis Zeldas Augenlider niedersanken und sie sich mehr und mehr an seine Hand schmiegte. Diese tröstende, warme Hand. Diese vertraute Haut… „Zelda…“, und auch diese melodische Sprache lullte sie ein und machte sie schwach. Warum nur sprach er ihren Namen so magisch, so, wie niemand sonst. Es war absolut unfair. Ihre Augenlider flatterten nach oben und auf ihrer Zunge hatte sie nur einen Wunsch, den sie aussprechen wollte und es doch nicht konnte. „Ich kann nicht behaupten, dass ich den Gedanken Hyrule zu entdecken als ängstlich empfinde… ich bin nicht ganz im Reinen mit mir, weil ich Aufregung und Freude dabei empfinde mit dir nach Hyrule zu gehen, obwohl nichts hier aufregend und toll ist.“ Sprachlos lauschte sie diesen aufrichtigen Worten und wünschte sich ihm die Zweifel zu nehmen. Link schämte sich dafür, dass für ihn ein Traum in Erfüllung ging, während kein Mensch mehr irgendwelche Träume in dieser Welt haben durfte. Damit erhob er sich, riss sich aus dem verschränkten Blicken los und fuhr sich frustriert durch das viel zu lange, wilde Haar. „Dieser Zeitpunkt… All die gestorbenen Menschen in diesem Grab der Welt. Ausgerechnet hier habe ich die Chance Hyrule zu sehen, es zu erleben, unter meinen Füßen zu spüren…“ Dann wand er sich zu ihr und lächelte halbherzig. „Verdammt, Zelda, ich freue mich wahnsinnig auf Hyrule.“ Sie nickte schwach, erhob sich ebenfalls und trat erneut in sein Gesichtsfeld. Sie fing seine Sorgen auf mit weichen Blicken aus ihren Seelenspiegeln und lächelte traurig, aber sie sprach kein Wort. Es war nicht an ihr seine Wünsche zu beurteilen. Alles, was sie empfand, war Verständnis. „Und weißt du…“, murmelte Link dann und berührte Zeldas Wangen mit seinen leicht rauen Händen erneut. Mit einem Seufzen wich sie zurück, nicht sicher, was er wollte und erwartete. Aber sie war sich zu oft nicht im Klaren, was Link von ihr erwartete… „… weißt du, es bedeutet mir sehr viel…“ Er legte den Kopf leicht schief, suchte ihre müden, glasigen Blicke. Wenn er sie so berührte und so zärtlich sprach, glaubte sie ohnehin nicht mehr, dass sie seine Worte verstehen konnte. Alles an Link wirkte gerade wie eine weiche Decke, die sie einlullte. „Himmel, Zelda, ich bin so dankbar, dass ich mit dir nach Hyrule gehen kann.“ In dem Augenblick kam Impa in den Raum und schnell war das, was hätte geschehen können aus den Gedanken verbannt. Link wich zurück, wissend, er hätte beinahe noch mehr gesagt und schaute dümmlich an die Decke. Die einstige Shiekahfrau trat sich mit einem Seufzen zu den beiden an den riesigen Tisch. Sie blickte drein, als hingen die erdrückenden Schatten vergangener Shiekahführer über ihr. „Ist irgendwas nicht in Ordnung“, meinte Link. Er fühlte sich verdutzt, etwas unpässlich und fragte sich für die Kürze eines Augenblicks, ob es ihm in Hyrule möglich sein würde, Zelda endlich das zu sagen, was er seit Tagen vor sich herschob. Und Zelda sah ihm an der rotgefärbten Nasenspitze an, dass er etwas verschwieg. Aber sie entschied sich höflich nicht nachzubohren. Aufmunternd blickte Impa auf: „Nein.“ Das kurze, schlichtende Wort kam klarer und abgebrühter hervor als erwartet. „Zumindest soweit wir sagen können, ist alles für eure Reise in die Wege geleitet… Ist das eure Liste?“ Sie vermied ihre eigenen Sorgen und Ängste zur Sprache zu bringen. Aber Impa machte sich Sorgen, nicht um Link, denn sie kannte ihn gut genug um zu wissen, dass er in der Lage war diese Mission zu überstehen. Bei allem, was er in den letzten Wochen durchgemacht und daran gereift und nicht zerbrochen war, gab es für sie keinen Zweifel daran. Aber die einstige Hofdame und Ziehmutter Zeldas machte sich massive Sorgen um ihren Schützling. Nicht darum, dass Zelda hilflos war. Nein, Impa wusste um ihre kämpferische Seite, die sie auch zeigen konnte. Aber sie sorgte sich um Zeldas seelisches Wohl, um die frostige Natur, die oft genug zum Vorschein kam. Ob Link ihre Verbitterung aushalten würde? Link, dieser hoffnungsvolle Mut in Person? Impa schüttelte den Kopf und überflog die vielen Anmerkungen. „Das hört sich gut an… Also, dann.“ Mit strengem Blick sah sie auf. Ihre rubinroten Augen schillerten in einer Erbarmungslosigkeit, die sogar Link erschreckte. Ob er damals vielleicht sogar Angst vor Impa empfand, fragte er sich. So wie Sara, die ebenfalls nur bedrohlichen Respekt in Nähe dieser Shiekahmeisterin spürte. „Ich möchte euch beiden aber noch einiges klar machen. Wenn ihr in Hyrule seid, ist das kein Zuckerschlecken. Ihr werdet dort auf euch ganz alleine gestellt sein. Außer einigen Tieren und Pflanzen gibt es dort kein Leben, insofern wir es schaffen die Lebensenergie der alten Welt anzufachen…“ „Das wissen wir, Impa“, sagte Zelda, leicht verdrießlich. „Wir werden vorsichtig sein.“ „Wie genau wird das funktionieren“, sprach Link schließlich neugierig. Noch immer war ihm nicht ganz klar, wie es sein konnte, dass Hyrule irgendwo noch da war, aber dennoch verblasst wie eine Insel im Nebel. „Ich meine, Hyrule wiederherstellen?“ „Link, du musst wissen, dass die Weisen maßgeblich an einem Gleichgewicht von Hyrules Energien beteiligt sind… wir können dieses Energiegefäß anfüllen, aber mehr auch nicht. Hyrules Leben war und ist an das Triforce gebunden, was jedoch damit ist…“ „… weiß niemand, korrekt?“ Link erinnerte sich an Gespräche mit Sian über dieses Thema. „Reicht dir das als Antwort?“ Impa wartete jedoch nicht so lange, bis Link diese Tatsache bestätigte. „Außerdem ist uns nicht klar, ob Ganondorf vielleicht nicht doch einen Weg in das alte Land finden könnte. Es besteht die Gefahr, dass er seine Scharen auf euch hetzt.“ Impa verschränkte die Arme, aber ihr Blick an Zelda gerichtet verriet mütterliche Gefühle. „Impa, bis jetzt hat er keinen blassen Dunst von unseren Plänen. Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß“, sprach Zelda, noch verdrießlicher als gerade eben. Sie scheute es darüber nachzudenken. „Dennoch… ich habe ein sehr ungutes Gefühl“, sprach Ines. „Es ist ja verständlich, Impa…“, klinkte sich Link in die Unterredung weiterhin ein. Es war seltsam den wirklichen Namen der Direktorin Schattener auszusprechen. „Wir sind uns bewusst, wie viele Gefahren in Hyrule lauern könnten. Und… wir sind die ersten, die eine solche Reise wagen. Da sind Sorgen sicherlich berechtigt.“ Link fragte sich, wozu er sich überhaupt begann zu rechtfertigen. Zelda erhob sich, machte mit energischen, zickigen Blicken deutlich wie wenig sie von einer solchen Unterredung hielt und kramte in einer Truhe zwei Rucksäcke und einige Reisetaschen hervor. „Wie auch immer. Wir müssen jetzt die Sachen packen. Die Zeit ist ohnehin schon zu knapp.“ Link spürte ihre Ungeduld und ihre Frostigkeit, ahnend, es steckte nicht nur die Notwendigkeit ihres Aufbruchs und die Weltenrettung dahinter. Einmal mehr konnte sich Zelda auf Gefühle von Besorgnis nicht einlassen und verwechselte diese mit Bevormundung und Infragestellen ihrer Stärke… Impa schüttelte ihren Kopf, ein verräterischer Blick der Besorgnis aus ihren Augen verfing sich in Links Seelenspiegeln, grub sich in seine Gedanken. Dann seufzte sie und deutete mit Blicken auf Zelda, die sich darum kümmerte ihre Taschen zu packen. Und Impas Gestik erzählte ihm ohne Worte von einer weiteren Schwierigkeit, die er in Hyrule erdulden musste… Link verstand die wortlose Botschaft auf Anhieb und nickte dann. Auch er erhob sich, half Zelda mit einem aufmunternden Blick die Taschen zu packen und weitere Vorbereitungen zu treffen… Die Entschlossenheit der Krieger, die sich alle im großen Aufenthaltsraum versammelten, überlagerte jedes andere Gefühl, nun, da die Rettung der Erde in die entscheidende Phase ging. Ernst und mit tiefen Atemzügen erhoben sie sich, standhaft, räumten sie die letzten Zweifel des Planes aus. Eine sich wie schwelender Dampf anfühlende Stimmung hing über den Köpfen der Auserwählten, Nervosität und Aufregung, hier, wo ein Spiegel die Pforte in ein altes, verlorenes Reich öffnen sollte. Ein Duplikat von Leons Spiegel, von wo aus er Hyrule zu jeder beliebigen Stunde beobachten konnte, thronte in der Mitte des Raumes. Einer von wenigen magischen Gegenständen, die wie von Geisterhand in der fortschrittlichen Erdenwelt verweilten. Link hatte aufgegeben sich über diese Geheimnisse der Welt zu wundern, zumal er wohl niemals alle Rätsel in diesen Zusammenhängen lüften konnte. Es würde nur seine Gedanken sprengen und ihm unnötig Energie kosten. Dennoch war es verblüffend. Als wäre da eine unsichtbare Hand des Schicksals, die dafür sorgte, Geschehnisse zur rechten Zeit wie Puzzleteile aneinander zu setzen. Und alles, was er als Held der Legenden nun tun konnte, war einfach zu staunen… Zu staunen über alles, was hier passierte. Über das zu staunen, was das Leben für ihn bereit hielt. Und zu staunen über das gigantische Abenteuer, von dem er Teil war. Er lächelte an dem Gedanken, lächelte trotz der Verluste und der Apokalypse. Es war ein wunderbarer Irrsinn. Gerade jetzt fühlte er sich als der Held, der er sein musste. Die geheimnisvollen, schwarzen Bilder, die Link vor wenigen Stunden beschafft hatte, wurden in etwa drei Meter Entfernung in Richtung des Spiegels aufgestellt. Beide Auserwählte standen mit ernstem Blick, vollgepackten Rucksäcken, zwei riesigen Taschen gefüllt mit Essen und ihren Schlafsäcken vor dem pyramidenähnlichen Spiegel, blickten durch dessen nebulöses Glas, versuchten die Landschaft dahinter zu erkennen. Noch gab sich das alte Land nicht preis, noch ruhte es friedlich… Zelda umklammerte das Medaillon der Mächtigen mit ihrer einen Hand. Beschwörend baumelte es um ihrem Hals. Ja, sie war aufgeregt, konnte nicht definieren, wie sie sich fühlen sollte… Zurückzukehren in ihre alte Heimat erfüllte sie mit einer Unsicherheit und Ängstlichkeit, die ihr vorher nicht bewusst war. So lange schon sehnte sie sich nach zuhause… sehnte sich nach der alten Zeit, auch wenn alles in der Vergangenheit mit Hürden gepflastert war. Aber gerade jetzt empfand sie eine erstarrende Zurückhaltung an dem Gedanken dort in ihrer Heimat an alle unerfüllten Wünsche und Hoffnungen erinnert zu werden. Und natürlich bereitete ihr Links permanente Anwesenheit, obwohl sie sich in seiner Gegenwart beständig und sicher fühlte, dennoch Nervosität. Wenn sie ständig aufeinander hockten, wie sollte sie sich ihm gegenüber verhalten? Gerade nach den Wochen von Missverständnissen und unausgesprochenen Gefühlen? Zu wissen, dass er drei Wochen lang immer in ihrer Nähe sein würde ohne Rückzugsmöglichkeit ließ ihr den Magen in unruhigen Gefühlen zerspringen und die Knie schlottern… Gerade da drückte er ihre Hand in seiner, katapultierte sie aus ihren Grübeleien und warf ihr ein zögerliches Grinsen entgegen. Er spürte ihre Nervosität und Aufregung sicherlich, aber ihm war fremd, dass er die Ursache ihrer Unruhe war… Sie seufzte, schloss die Augen um sich zu sortieren. Sie drehten sich beide noch einmal um, sahen traurig in die Augen der anderen, nicht sicher, ob sie jemals wiederkehren würden, aber mit Hoffnung im Herzen, sprachen leise Worte des Abschieds. Tröstende und hoffnungsvolle Worte unterlegt mit tiefsinnigen Blicken in die Augen derer, die mit ihnen gegen den Wahnsinn Ganons kämpften. Link lächelte seiner Prinzessin noch einmal ermutigend entgegen und richtete wenige Worte an die Menschen, die noch immer hier waren, die ihm so viel bedeuteten. Und doch konnte er die Worte kaum intensivieren. Sie spürten es alle gemeinsam, eine erdrückende Melancholie, dass es vielleicht das letzte Mal sein konnte, dass sie einander sahen. Umarmungen folgten, Gesten des Abschieds, aber auch Hoffnung und tapfer lächelnde Gesichter. Denn der entscheidende Moment war gekommen. Die Zeiger der Uhren bewegten sich langsamer, ein Erstarren der Zeit vor Ehrfurcht. Die Energien der Weisen begannen die Elemente zu durchströmen, begannen jedes Atom mit Knistern zu erfüllen. Die Zeit zollte Respekt, hier, alsdann in wenigen Augenblicken eine gewaltige Kraft hervorbrechen würde, die den unmöglichen Weg in ein altes Land ebenen konnte. Eine unschlagbare Kraft des Guten, die Kraft der Weisen Hyrules. Sie alle, sieben an der Zahl, schlossen die Augen, falteten ihre Hände und murmelten Worte, die ein Beobachter nicht verstehen konnte… Ein Murmeln, ein Raunen und ein Brüllen in den Worten der vergessen Welt des Triforce. Worte in Hylianisch, klingend nach unsterblichen Melodien, sanftmütig, geschmeidig kitzelten die Worte die Ohren. Die Gebete der Weisen durchdrangen die Dimensionen, schufen Wege, die sonst im Nebel lagen, Wege, die in den Gesetzen des Lebens nicht erlaubt waren. Aber was war am Abgrund der Welt schon erlaubt? Welche Gesetze erfuhren noch Berechtigung in Zeiten der Apokalypse? Die Sieben öffneten gleichzeitig ihre Augen und konzentrierten ihre Kräfte auf jenen Spiegel, in einem Moment gesegneter Erscheinung, einem ehrfurchtvollen Augenblick, als die Zeiger der Uhren ihren Rhythmus stoppten. Und jene schwarzen Bilder, noch immer ungewiss ihre Herkunft und Bewandtnis, fungierten als die Energiegefäße, die der wissende Junge im grünen Gewand Zelda prophezeit hatte. Sie glühten, pulsierten in sattgrün und saphirblau, leuchteten mit einer Hoffnung, die alle Anwesenden in ihren Zielen stärkte. Ein wärmendes Licht zimmerte eine weitere Hoffnung in die Gesichter der einstigen Krieger, ein Licht, das erstrahlte als Vorbote des Weges, den Zelda und Link zur Rettung der Welt bestreiten würden. In einem vibrierenden Farbenspiel, mitreißend und erfüllend, trafen die unsichtbaren Kräfte der Weisen die matte Oberfläche des magischen Spiegels und das grünlichblaue Licht der Bilder vereinte sich ebenfalls auf der silbrigen, sich wie Wellen bewegenden Oberfläche. Summend werkelten die magischen Böen auf der Oberfläche des Spiegels, schufen eine Brücke der Dimensionen, eine Brücke der Zuversicht. Bedacht legte Zelda ihre rechte Hand auf das matte Spiegelglas, spürte es schmelzen, spürte es schwanken. Ein überwältigendes Gefühl durchströmte ihre Hand, schritt voran über ihren Unterarm und ließ sie ein Erstaunen entwickeln, das sie lange nicht in dieser Ausdruckskraft wahrgenommen hatte. Sie kam nach Hause… Endlich spürte sie die Mächte der alten Welt einmal mehr in ihrer greifbaren Nähe, spürte neue Stärke und ihren eigenen Willen auflodern. Es funktionierte… Sie spürte es mit geweiteten Augen und rasendem Herzen. Die Brücke nach Hyrule funktionierte. Und noch im selben Augenblick, ohne weiteres Zögern, verschwanden Zeldas rechte Fingerspitzen hinter der silbrig schillernden Oberfläche. „Ich danke Euch… allen für diese Chance“, sprach sie leise und richtete ihren Blick auf ihren Heroen. „Lasst uns kämpfen.“ Weitere Worte des Abschieds folgten, vor allem Zeldas Vater ließ Worte der Zuneigung über seine Lippen gleiten, für die er nie die Kraft oder den Anstand hatte. „Sei vorsichtig, meine Kleine…“, sprach er, worauf Zelda ein weiteres Nicken zuließ. „Ich werde hier auf dich warten… wenn ihr beide nicht rechtzeitig zurückfindet, werden wir Sian zu euch schicken.“ Sowohl Zelda, als auch Link entgegneten zuversichtliche, ermutigende Gesten, Blicke voller Tatendrang und Tapferkeit. Dann endlich verabschiedete sich Zelda mit leisem Lebewohl auch von den anderen, allen voran von Impa. Ihrer Zofe, von dem Menschen, der ihr immer beigestanden hatte. Sie schenkte Impa keine Umarmung, und dies war auch gar nicht notwendig. Ein neues Leuchten in Zeldas saphirblauen Augen war das Beste, was Impa in den letzten Wochen wahrgenommen hatte… Link trat noch einmal zurück zu Sara, umarmte sie innig, mit dem tiefen Wunsch ihr nach den drei Wochen heil und unversehrt zu begegnen. „Ich komme zurück, das weißt du“, murmelte er. „Ich weiß“, entgegnete sie und lächelte tapfer. Auch Sara war einfach nur unglaublich, sie ertrug das alles hier, diesen Alptraum mit so viel Fassung, dass Link nichts anderes als Stolz empfand. „Mach’s gut, Schwesterchen“, murmelte Link und blickte dann endlich nur nach vorn, trat zu seiner Prinzessin heran, suchte ihre Hand und fand in jener ach so unschuldigen Berührung dieser einmal mehr das alte Band der Auserwählten erstarken. Die Prinzessin und der Held schritten dahin, blickten nicht zurück und durchquerten die magische Pforte in eine andere Welt. Endlich kämpften Prinzessin und Held gemeinsam so wie in den alten Schriften Hyrules gegen die Bedrohungen… Endlich begann das Abenteuer in Hyrule. Das Material der Pforte fühlte sich kühl an, durchdrang die Haut mit einem unangenehmen Ziepen, ein Vorgeschmack auf verändertes Empfinden in einer Welt, wo die Luft anders schmeckte, das Gras unter den Füßen bezaubernd raschelte und selbst der Wind ein Lied sang, das auf der Erdenwelt vergessen ward. Stetig stiegen die Auserwählten hinein, immer weiter in einen alten Traum, suchend nach ihrer Bestimmung. Und jeder Atemzug fühlte sich leichter an, als wäre die Luft gewebt aus tanzenden Elementen, jedes Empfinden auf der Haut kitzelte verborgene Sehnsüchte und schmolz dahin, verband sich mit der wässrigen Flüssigkeit der Pforte… Immer noch war es kaum zu realisieren für den Helden der Erdenwelt, kaum zu begreifen, dass sie es wirklich taten. Sie kehrten heim, zurück in die Welt ihres Ursprungs, sie kehrten in die Vergangenheit… Mit einem rauschenden Ploppen sackten Link und Zelda Hand in Hand auf steinernen Boden, der sich noch kälter als die Durchquerung des magischen Spiegelglases anfühlte, hart und unbequem. Blinzelnd nahmen sie die Umgebung war, verdreckt und dunkel, ein Raum mit rauschenden, klagenden Gesängen, das aus den Wänden echote. Link half seiner Prinzessin beim Aufstehen und versuchte gleichzeitig durch die Dunkelheit zu fokussieren. Das einzige Leuchten brach durch einen weiteren der Interdimensionsspiegeln, der hinter dem aufgeregten Pärchen den Raum noch geheimnisvoller machte. „Weißt du, wo wir sind?“ meinte Link leise, stach mit seinen Augen zielgenau in jeden Winkel, entdeckte Umrisse von Truhen, Wandgemälden, wollte nur sichergehen, ob sie auch wirklich alleine waren. Er stoppte seine Worte an dem hallenden Klang, der ihm deutlich machte, dass sie in einem alten Gemäuer waren. Die Luft, etwas schwer und drückend, erinnerte ihn an so manches Untergeschoss. „Ja, ich habe die Vermutung, wir befinden uns in einer der königlichen Schatzkammern…“ Zeldas Stimme endete in einem erleichterten Seufzer. Link versuchte seine Prinzessin in der Dunkelheit auszumachen, ihre funkelnden Seelenspiegel zu erblicken. Aber selbst er, wo er im Dunkeln eine gute Sicht hatte, scheiterte. Hier war nirgendwo ein natürlicher Lichtpunkt, kein Lichtstrahl verlor sich in diesen finsteren Ecken. „Wir sind also vielleicht im Schloss von Hyrule? Echt krass…“ Er war einmal mehr überwältigt. Die einstige Prinzessin tastete sich zögerlich voran, berührte rissige Holzkisten und suchte mit den Fingerspitzen nach Hinweisen. Tatsächlich spürte sie das alte Emblem des Triforce in verschiedene Materialien gefertigt. Selbst der glatte Steinboden verbarg Verzierungen alter königlicher Symbole der Adelshäuser. „Den Göttinnen sei Dank, dass wir das Schloss erreichen konnten. Ein erster Schritt in diesem Plan ist geschafft.“ Zeldas glockenhelle Stimme hallte hoffnungsvoll umher. Sie war sich nun beinahe sicher, dass sie einmal mehr zuhause war. Zuhause… Zeldas Herz pochte mit bleiernem Schwermut je mehr die Erinnerung an ihre alte Heimat ihre Gedankenwelt flutete. So sehr hatte sie sich gewünscht nach Hause zu gelangen, dass sie die vielen Zweifel hierbei völlig verdrängt hatte. Sie hatte ihre Erinnerungen verdrängt, die vielen ungesagten Belange, die vielen leidvollen Erlebnisse… Und mit Link hier zu sein machte diese Zweifel nicht leichter. Nicht nur, weil sie gegen das Böse kämpfen mussten. Eher, weil sie sich mit ihren Gefühlen für Link auseinandersetzen musste. „Wenn alles gut läuft, sollten wir hierher zurückkehren…“, murmelte sie und atmete tief durch. „Dazu müssten wir diese Schatzkammer erst einmal verlassen“, bemerkte Link ironisch. „Das ist kein Problem.“ Ruhebewahrend kroch Zelda vorwärts, während der junge Heroe ihr folgte. Sie kannte alle Sicherheitsmechanismen in den Schatzkammern, alle Wege in den unterirdischen Labyrinthen unter dem Schloss. Anhand der Markierungen am Boden konnte sie mit etwas Konzentration den Ausgang erreichen. Und tatsächlich spürten sie beide nach wenigen Minuten mit sicherem Vorantasten eine hohe Pforte, für welche Zelda nichts anderes tun brauchte als ihre königlichen Hände anzulegen. Die alten Verriegelungen erkannten die Blutzugehörigkeit zu der hoheitlichen Familie Hyrules, weshalb sich mit einem raunenden Surren das steinerne Tor öffnete. Beinahe magisch gab sich ein von brennenden Fackeln beleuchteter Korridor preis, gespenstisch kühle Gänge, wie von Zauberhand erleuchtet. Mit einem erleichterten Seufzen trat der junge Heroe vorwärts, nahm sich eine der Fackeln und leuchtete die Gänge hinab, bis das unruhige Fackellicht auf dem würdevollen Erscheinungsbild Zeldas liegen blieb. Zuerst konnte Link nicht zuordnen, was an seiner Prinzessin anders war. Und zuerst wollten seine menschlichen Augen nicht begreifen, dass sich für sie beide mit dem Eintritt in eine magische Welt wie Hyrule auch einiges am Erscheinungsbild und der eigenen Wahrnehmung ändern konnte. Aber dann endlich traute er seinen Augen, die ihren scharfen Fokus mit leichtem Schock auf Zeldas Ohren und ihre Haare richteten. Eine unsagbare Überraschung arbeitete in seinen tiefblauen Augen, wo sich das Fackellicht spiegelte. Eine Irritation, die ihre Fühler seine Kehle hinabschickte, sodass er mehrfach schlucken musste. Sein rechter Zeigefinger wanderte zu Zelda, dann zu ihren Ohren. Es platzte aus ihm heraus: „Zelda. Du hast… du hast spitze Ohren… Und deine Haare!“ Sie fasste sich an ihre Ohren, fuhr an der langen Ohrmuschel entlang, mit einem zarten Hauch Genugtuung in ihren Gesichtszügen, aber es schien sie nicht sonderlich zu interessieren. Sie zuckte teilnahmslos mit ihren Schultern, grinste beinahe heimtückisch, bis sie kicherte. Sie hatte ihre hylianischen Elfenohren zurück, die langen Ohren der herrschenden Rasse hier in Hyrule. Jene Ohren, über die man sagte, dass die Hylianer damit dem Willen der Götter lauschen konnten. Und auch ihre Haare waren wieder blond, von der natürlichen Reinheit und einem beinahe göttlichen Glanz erfüllt. Sie deutete dann auf Links Ohren. „Fühl mal selber“, sprach sie erheitert. Link fasste sich irritiert an seine eigenen Ohren und stellte mit Entsetzen fest, dass auch er jetzt spitze Ohren besaß. Er konnte es nicht glauben, fühlte sich etwas unbeholfen an dem Gedanken und bekam große Augen. Langsam fuhr er sich an seinen Ohrläppchen entlang- eine interessante, merkwürdige, und doch unheimliche Erfahrung. „Ich dachte, du liebst Überraschungen?“ sagte Zelda, erfreute sich noch kurz an Links verdutzten, ratlosen Gesichtsausdruck, lachte dann und meinte: „Komm’ hier entlang.“ Sie ging flugs voraus, in Richtung von steinernen Treppenstufen. Dumpf hallten ihre Turnschuhe auf dem steinernen Boden… und ihre Schritten verliefen mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre ihrer beider Eintritt in diese magische Welt das Normalste auf der Welt. Erfüllt von Erstaunen und Verblüffung tapste der Heroe hinter seiner Prinzessin her, versuchte das Gefühl in einer anderen Welt zu sein in seinen Verstand zu lassen. Alles fühlte sich völlig gewöhnlich für ihn an, die Luft, die er atmete, fühlte sich gewöhnlich an, das Gestein unter seinen Füßen… völlig gewöhnlich. Was hatte er denn auch erwartet? Dass sich eine Erinnerung an die alte Zeit in ihm regte? Dass er anders empfand als auf der Erde? Er seufzte und leuchtete mit der knackenden, versenkenden Fackel den Weg, versuchte wachsam zu bleiben und heftete seinen Fokus auf seine Prinzessin. Ihre eleganten, so absolut unbeeindruckten Schritte. „Zelda… erklär‘ mir das… warum ändert sich unser Erscheinungsbild hier?“ Sie stoppte ruckartig, aber drehte sich nicht zu ihm. „Dass wir hier in Hyrule ein anderes Erscheinungsbild haben, kann nur eines bedeuten… Die alte Magie atmet noch… Hyrule atmet. Es atmet wirklich…“ Je länger sie sprach umso mehr erkannte Link eine Form von Euphorie in ihrer Stimme, die er von ihr nicht kannte. Zelda freute sich zurück in Hyrule zu sein, aber sie kaschierte es. Ob sie auch Zweifel hatte an die einstige Zeit erinnert zu werden, fragte er sich. „Und warum hast du deine Naturhaarfarbe damit auch wieder?“, meinte er. „Ich meine, ich verstehe unsere spitze Ohren, aber dein wunderschönes… Haar…“ „Lass‘ uns weitergehen“, unterbrach sie ihn abrupt und marschierte stramm vorwärts. Link folgte irritiert, fragte sich, ob er etwas falsches gesagt hatte, aber versuchte das Gesagte nicht über zu bewerten. Unauffällig schlichen sie beide nach oben, während Link immer wieder an seine Ohren fasste. Er würde sich niemals daran gewöhnen… Unzählige, schmale Treppenstufen geleiteten sie ins Erdgeschoss, wo weiße Lichtstrahlen durch riesige Fenster staubige Gänge fluteten. Riesige Gänge mit karminroten Vorhängen mit goldenen Triforceverzierungen, elegant und gepflegt, bis auf die Staubkörner, die in der etwas trockenen Luft tanzten und sich wie kleine Feen auf weiße Lichtstrahlen setzten. Reine Lichtstrahlen fluteten den hohen Innenraum, spielten mit funkelndem Glas von Spitzbogenfenstern. Lichtstrahlen… wie lebendige Wesen schimmerten sie durch die altehrwürdigen Gänge eines verlassenen Königsschlosses, erinnerten melancholisch an die Würde und Herrlichkeit, die dieses Gemäuer durchdrang. Link verharrte verzaubert in seiner Haltung, ließ die weißen Lichtstrahlen seine Netzhaut erfüllen… spürte das Licht seine Augen zu Tränen rühren. Er hatte sich geirrt… Es war doch etwas Entscheidendes völlig anders als auf der Erdenwelt. Hinter den scheinbar gewöhnlichen physikalischen Merkmalen allen Seins ruhte es mit einer einnehmenden Verzauberung. Überall hier war eine uralte heilige Kraft spürbar, die Link beinahe knistern hören konnte. Dort in den weißen Lichtstrahlen lebte es… ein übernatürlicher Funke, der seine eigene Seele so tief berührte, dass es ihm Tränen in die Augen trieb. Hyrule lebte… Hyrule atmete… Das war es also, was Zelda meinte. Es war wie als wäre seine eigene Seele mit der des Landes verwoben, eine Verbundenheit flutete seine Sinne, die er auf der Erde noch nie gespürt hatte. Er blieb so lange stehen, bis Zelda am anderen Ende des Ganges angelangt war. Erst dann wand sie sich zu ihm, berührt von seiner edlen Haltung, seinem konzentrierten Blick hinauf zu den Spitzbogenfenstern, hinauf zu den sanften Perlenketten reinsten Weiß. Link realisierte die Schönheit des Lichts… realisierte wie kostbar diese Lebendigkeit über die Welt fiel. „Link… wir sollten nicht verweilen…“, sprach sie zögerlich, wollte ihn in seinem Zauber nicht stören. Langsam verlor sich sein Blick mit Milde auf ihrem, bis er die Augen schloss. „Es ist nur…“ Er seufzte und trat in Zeldas Richtung. „… das Licht, es ist faszinierend. Nicht wahr?“ Zelda hob ihren Fokus ebenfalls in Richtung der Fenster. Ein sanftes Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht, da sie es nicht vergessen hatte. Da sie sich noch in allen Details an diesen Zauber erinnern konnte… und vielleicht auch, weil sie wusste… irgendwann würde Hyrule, genauso wie die Erde wieder in weißem Licht erstrahlen. Sie wollte es wissen, sie glaubte daran, hoffte, es würde eines Tages wieder ein Hyrule geben, in dem erstaunliche Geschöpfe lebten, in dem eine gerechte Königsfamilie herrschte, in dem das Licht über die Dunkelheit regierte… Ein Hyrule, das Chancen nicht brauchte. „Ich habe mit allem gerechnet… mit einem Gefühl von Verzauberung, aber auch mit der Sorge, dass sich Hyrule für mich völlig gewöhnlich anfühlen würde…“, begann Link und schloss seine Augen einmal mehr um die richtigen Worte zu finden. „… aber dass ich wirklich spüren würde, dass Lichtstrahlen vertrauter auf mich wirken würden…“ Er hob seine Hände als wollte er die Lichtstrahlen auffangen, eine Aura der Unschuld umschloss den jungen Helden, verzauberte ihn für Sekundenbruchteile in jenen jungen Kokiri, den die Prinzessin vor einer gefühlten Ewigkeit im Schlossgarten antraf. Hier, nur wenige Hundert Meter außerhalb… hier… in der Heimat. Und schließlich wand sich Link in ihre Richtung, ein intensiver Blick aus seinem herben Tiefblau glitt in ihre Richtung, sodass ihr beinahe schwindlig wurde. Alles darin dröhnte vor Entschlossenheit. „Ich bin hier wirklich… zuhause“, sprach er leise, als könnte das Aussprechen dieser Wahrheit den Zauber vernichten. „Das bist du…“, entgegnete sie, aber richtete ihren Blick rasch in Richtung hoher Eichentür. Sie spürte anhand der bedrückenden Stimmung in der Luft wie wichtig diese Worte für Link waren und doch knallte ein unerschütterlicher, ungeduldiger Impuls in ihr nieder, der sie ausweichen ließ. Sie durften hier nicht verweilen, war alles, woran sie dachte… und vielleicht machte es ihr auch ein wenig Angst, wenn Link versuchte mit ihr über Inhalte aus der Vergangenheit zu sprechen… Link nickte und folgte schließlich mit einem Gefühl von gnadenloser Überwältigung. Er war wirklich im Schloss von Hyrule, dachte er, und dachte es immer wieder um es zu verstehen. Er war in der Heimat seiner Seele. Mit wachen Fokus durchquerten die beiden Heldengestalten einen funkelnden Ballsaal mit riesigen Balkonfenstern und dezentem Schmuck in den Farben der Drei Göttinnen, wo noch immer die Instrumente eines kleinen Streichorchesters auf der Bühne standen. Wo noch immer hylianische Speisen goldene Teller versüßten. Link hätte sich gerne noch etwas umgesehen, spürte aber, dass hinter Zeldas ungewöhnlich schnellem und strammen Schritt nicht nur Ungeduld und der beginnende Zeitdruck lag. Stur richtete sie ihr Haupt gen Boden als wollte sie sich mit der intakten Umgebung, die wirkte, als hätten vor wenigen Sekunden noch Menschen hier getanzt und gespeist, nicht konfrontieren. Hier in diesem Raum lebte etwas, das auch Link mit etwas Magendrücken spüren konnte. Hier lebte die Erinnerung… Link saugte jedes Detail in dem Saal in sich auf wie ein Schwamm, versuchte zu erahnen, welche Menschen hier diese Feierlichkeiten besucht hatten, versuchte zu visualisieren, wie es für Zelda war in diesem Saal zu sitzen auf einem Podest, wo ein hoher Sessel für den König stand und daneben ein kleinerer für die Prinzessin. Ob Zelda hier getanzt hatte? Ob er in seiner vorigen Inkarnation ebenfalls hier anwesend war? Schließlich folgten sie den Stufen einer steinernen, blankpolierten Wendeltreppe ins nächste Stockwerk. Eigenwillige Holzschnitzereien zierten die Wände neben Portraits und Waffen. Dumpf waren erneut ihrer beiden Schritte, das einzige Geräusch, welches in dieser leeren, totgeglaubten Welt durch das Residenzschloss der Königsfamilie hallte. „Wohin gehen wir eigentlich“, sagte Link, der in jenem dunklen Aufgang verwundert auf die brennenden Fackeln blickte. So viel Zauber lebte hier mit einer Selbstverständlichkeit, die sein menschliches Erdengemüt sofort hinterfragte. Wie nur sollte er jemals nachvollziehen, wie sich das Leben hier für Zelda angefühlt hatte? Selbst diese winzigen Details erschienen ihm so überwältigend wie ein Sturm, der ihn erbarmungslos mitreißen würde. „Ich möchte gerne in meine Gemächer gehen. Ich benötige von dort noch etwas und vor allem ein bequemeres Outfit…“ , sprach sie. Einmal mehr verweigerte sie bei den Worten einen Blick in ihre Augen. „Was? Sind deine Jeanshosen und dein T-Shirt nicht bequem“, meinte der Heroe mit einem Schmunzeln, dachte aber ein weiteres Mal über Zeldas Worte nach. Ihre Gemächer… Ein nervöses Kribbeln schlich sich zunächst unbemerkt an der Innenwand seines Bauches entlang. Zeldas Gemächer… Ob er nicht lieber hier warten sollte? Ein Teil von ihm fühlte sich unpässlich, weil er ahnte eine intime Grenze zu überschreiten, wenn er ihr einfach folgte. Besaß er denn das Recht ihre privaten Räume zu betrachten? „Falls wir dazu gezwungen sind kämpfen zu müssen“, begann Zelda, deutlich leiser als vorher. „… dann möchte ich lieber pragmatischere Kleidung tragen.“ Link seufzte nur, hoffend, es kam nicht zu dieser Notwendigkeit. Plötzlich stoppte Zelda ihren Schritt die Treppen hinauf, sodass Link beinahe an sie heranstieß. „Da fällt mir ein…“ Sie drehte sich zu ihm und musterte ihn von oben bis unten. „Was?“, sagte Link forsch, dem es etwas widerstrebte, wenn Zelda ihn auf dies Art und Weise begutachtete. Nicht, dass es ihm unangenehm war… eher zu intim war das, was er sich davon versprach, wenn sie seinen Körper begutachtete. „Ich habe noch eine grüne Tunica für dich, wenn du Lust hast dein altes Outfit mal anzuprobieren“, sprach sie und biss sich ganz kurz, so kurz dass man es kaum bemerken konnte, auf die Unterlippe. „Äh… lass mal lieber. Ich denke nicht, dass ich mich damit besonders wohlfühle…“ Einmal mehr wich Links beschämter Blick zur Seite. Obwohl er akzeptierte der legendäre Heroe zu sein, so war das Tragen einer grünen Tunika dennoch etwas beinahe Heiliges für ihn, etwas, wodurch er vielleicht nicht mehr zurück konnte, wodurch seine Bestimmung sich noch realer anfühlte. Mit Links gefühlter Ablehnung, was die grüne Tunika betraf, hatte Zelda eigentlich nicht gerechnet, aber sie beließ es dabei und sprach floskelhaft: „Es ist deine Entscheidung…“ Damit lief sie zügig weiter die Treppenstufen hinauf. „Zelda?“, meinte Link dann und griff nach ihrer Hand. „Warte kurz…“ Sie schluckte, spürte eine Aufregung in der Luft, die ihr Gemüt verunsicherte. „Wie kommt es eigentlich, dass du eine grüne Tunica besitzt?“ Mit dieser Frage hatte Zelda keineswegs gerechnet und sie musste zugeben, dass sie die Antwort darauf lieber für sich behalten wollte. Sie löste ihre Hand aus seinem Griff, starrte in das rauchige Feuer einer Fackel und suchte nach einer Ausrede. Sie besaß eine grüne Tunica, die sie persönlich von Hyrules bestem Schneider herstellen ließ. Die Wahrheit war, dass sie immer mit einem Notfall gerechnet hatte, befürchtet hatte, Link schwerstens verwundet irgendwo aufzufinden. Er war damals die rastloseste Person gewesen, die es in Hyrule gab. Ein Wanderer. Ein unerbittlicher Abenteurer. Ein Kämpfer, dem es widerstrebte sich länger als ein paar Tage irgendwo aufzuhalten. Alles, was er damals verinnerlichte, war die Suche nach dem Abenteuer, sich nützlich zu fühlen, dem legendären Titel Held der Zeit gerecht zu werden. Aber Link hatte nie darüber nachgedacht, was gewesen wäre, sollte ihm etwas zustoßen. Und obwohl herbe Wunden mit den massivsten Einschränkungen vielleicht sogar unausweichlich waren, so hatte Link niemanden beauftragt, sich um seine Belange zu kümmern. Und vielleicht war da auch niemand, der es konnte. Niemand außer Zelda… Sollte er jemals Pflege benötigen, gerade deshalb besaß sie seine Tunika. Aber das war nur die halbe Wahrheit. Ein leichtes Kirschrot zierte Zeldas Wangen, als sie weiter trat. Die grüne Tunika war das einzige Verbindungsstück zu ihrem Heroen, das sie an Nähe für sich selbst rechtfertigen konnte. Ein einfaches Kleidungsstück, das sie an ihn erinnerte, weil es so typisch für ihn war. Ein Stückchen Leinen, das sie in ihren privaten Gemächern verstecken konnte… „Also… Ich weiß gar nicht mehr so genau, weshalb ich eine grüne Tunica in deiner Größe besitze…“, sprach sie, und ärgerte sich im selben Augenblick über ihre ungeschickte Wortwahl. Wie auffällig wollte sie das noch formulieren? Sie musste sich nicht einmal zu ihm drehen um zu bemerken, dass er sie mit Verwirrung musterte. „Na dann“, entgegnete Link verdutzt, weil auch er nicht wusste, wie er diese Information deuten sollte. Link wusste nur, dass sie log. Ließ es aber dabei, sie deswegen auszufragen. Er wusste um Zeldas Natur, ihre inneren Kämpfe, und er ahnte allmählich die vielen Schatten, die in ihrer inneren Welt an ihren Kräften zehrten. Egal, welche Ausrede von ihren Lippen erklang, egal, welche Geheimnisse in ihren wunderschönen Augen um Beachtung rangen, er wollte geduldig bleiben, wollte ihr vertrauen. Er hoffte bloß, er schaffte diesen Anspruch an sich die nächsten Wochen durchzuhalten. Sie erreichten das Ende der Wendeltreppe, vor ihnen eine Tür mit goldenem Rahmen und mit Blattgold verziertes Abbild der Schutzgöttin Hylia erschuf eine strenge Bedeutungsträchtigkeit der vor ihnen liegenden Gemächer. Das Abbild der weißen Gottheit verriet in ihrer öffnenden Haltung ein Willkommen und beschrieb mit einem würdevollen Blick dennoch den notwendigen Respekt. Einmal mehr öffnete sich die Tür durch die Berührung Zeldas, gab einen von Licht durchdrungenen Wandelgang preis. Ein Gang nur aus Glas… wie eine kristallene Brücke zu dem eigenem Reich der Prinzessin… Als Zelda voran marschierte, fühlte sich der sonst so taffe Heroe beinahe schwindelig, aber nicht, weil ihre Gemächer vor ihnen lagen, sondern, weil dieser gläserne Wandelgang in der Höhe des Schlosses einen unbeschreiblichen Blick auf die Welt bot, die wie ein Gemälde vor seiner Nase lag. Geküsst von satten Lichtstrahlen erhoben sich die wie grüner Samt schimmernden Hügel der hylianischen Steppe, flossen wie Wellen im Spiel mit Wind und weißen Wolkenformationen in Richtung von Sonne bemalter Gebirge… Vegetation und kristallene Flüsse und Seen vereinigten sich mit den Bergen zu einer majestätischen Reinheit, füllten die Welt mit verspielten Bewegungen. Der Heroe konnte sich kaum satt sehen, denn er hatte davon geträumt diese Welt zu erblicken, hatte gehofft und darauf vertraut. Aber diese unberührte, kraftvolle Natur überschwemmte alle seine Erwartungen. Überall in dieser Märchenwelt blühten Abenteuer in Gestalt wildester Geheimnisse. Überall war hier etwas zu entdecken… selbst die Wiesen in der Nähe des Schlosses streckten zarte Fühler nach ihm aus, riefen ihn es sich im schmeichelhaften Duft hylianischer Gräser bequem zu machen, sich verzaubern zu lassen… „Hyrule…“ Links sonst so beherrschte Stimme stockte. „Es ist so… lebendig…“ Der Erdenbewohner legte seine Hände an das starke kristallene Fensterglas und erstaunte immer mehr. Er begann zu lächeln, warmherzig, mit einer herzensbrecherischer Schönheit in seinen glatten Gesichtszügen. Die Bilder wilder Natur brannten sich in seinen Geist und ließen ihn eine vergessene Liebe spüren, ein sehnsuchtsvolles Pulsieren in seiner Brust. Dann strahlte er Zelda entgegen… Und das Glück in seinen tiefblauen Augen ließ sie ebenfalls ein wenig Glück spüren. „Die Steppe ist ja der absolute Wahnsinn“, sprach er und grinste breit. Wie ein kleiner Feenjunge. In diesen zu Herzlichkeit verträumten Gesichtszügen lebte der junge Kokiri von damals noch. Etwas zögerlich nahm die Prinzessin an Links Ausblick teil, verlor sich ebenfalls in den malerischen Weiten… Nicht weit entfernt auf der Steppe, wo ein zerrütteter Grenzposten als Zeuge alter Schlachten diente… genau dort blühten knorrige Apfelbäume, die immer noch Früchte trugen. Sie erinnerte sich daran, dass sie dort als kindliche Prinzessin mit einem scheuen Jungen aus dem Wald verstecken gespielt hatte. Dort, wo vor steilen Händen kristallklare Flüsse in sandiges Gestein preschten. So viele Orte entdeckte sie mit flüsternden Erinnerungen je weiter sie blickte… „Link…“, sprach Zelda dann, und zeigte mit ihren Fingerspitzen in Richtung Canyon. In diesem malerischen Bild für die Trägheit von zerwühlenden Momenten kroch etwas Nebliges, Düsteres dahin, nahm Teile von Gebirgen, Flüssen und Seen gefangen und zog dann geschwind weiter. „Siehst du das…“ Sie schluckte und erstarrte im selben Augenblick an einem alten Gefühl, das brennend und irgendwie beschmutzend in ihren Magen schlitzte. Auch er erkannte eine trügerische Wand des Verblassens, die sich beinahe ruckartig von einem Gebirge zum nächsten zog. Die Königstochter beobachtete das sorgfältige und vorbereitende Nicken seines Kopfes und wusste, dass Link es verstanden hatte. „Du weißt… was das ist, habe ich Recht?“ Und Link ahnte den grauenvollen Verdacht, als Zelda sich einmal mehr seinen Blicken entzog und sich abwendete. Obwohl die Weisen Hyrule mit ihren Kräften nähren konnten, sodass die beiden Helden ihre Mission voranbringen konnten, so war überall in Hyrule das Verblassen noch am Werk. Diese giftige Energie, die von den ranghöchsten Denkern Hyrules nicht erklärt werden konnte. Das also war das Verblassen… Mit mulmigem Gefühl im Magen beobachtete der junge Heroe, wie dieses Gemisch von Auslöschung und Leere sich an die erstaunlichsten Formationen Hyrules heftete. Ob dieses Verblassen sich auch auf sie beide niedersenken konnte? Wie nur hatte Zelda in ihrer ewiglangen Existenz sich diesem Nebel entziehen können? Mit ein paar schnellen Schritten trat Link an das Licht in seinem Leben heran, berührte ihre rechte Schulter vorsichtig und doch bestimmend. Er wollte ihre Nähe spüren, ihre Zweifel spüren… und auch etwas Trost spenden für das, woran sie dieser gewaltige Nebel erinnerte. Aber er spürte auch, dass sie dies kaum zulassen konnte. Nicht jetzt… nicht an diesem Ort. Sie atmete seufzend, ein wenig wimmernd, unüberhörbar in Links feinem Gehör und marschierte stramm weiter. „Bitte… wir sollten unser Ziel im Blick haben…“ Ihre Worte kamen so verzweifelt über ihre schönen Lippen, dass sich Link fragte, warum sie ihre Sorgen, Erinnerungen und Ängste weiterhin vor ihm kaschieren wollte. War es nicht verständlich, dass dieses Trauma ihr alles abverlangt hatte? Und war es nicht in Ordnung sich schwach zu fühlen, wenn man die Heimat untergehen sah? „Komm‘ jetzt, Link“, sagte sie schließlich bestimmender, befehlender. Und er hoffte, dass es auch ein Befehl war ihr in private Gemächer zu folgen. Ein letzter Blick aus seinen tiefblauen Augen glitt hinüber zu dem mysteriösen Gemisch aus Verblassen, welches verschwunden schien, aus diesem Gemälde geschlüpft war wie ein überflüssiger Tropfen Farbe. Und genauso wie es noch irgendwo war, so erstarkte in Links muterfüllten Blick das Versprechen auch gegen dieses Unheil anzugehen… Drei Wochen Zeit hier in Hyrule. Und er wollte sich selbst das Versprechen geben auch das Verblassen zu verstehen und für Hyrule einen neuen Weg zu finden. Wenig später traten beide hylianischen Seelen am Ende des von Licht durchfluteten Wandelganges, jener Ort, der die Gemächer Zeldas hinter einem verzierten Eichentor verbarg. „Hier ist… mein eigenes Reich…“, sagte Zelda und erlag einem ohnmächtigen Gefühl schmerzhafter Vertrautheit, als sie die goldenen, leicht abgeriebenen Türgriffe berührte. Als Zelda das Tor mit einer raschen Bewegung aufzerrte und ohne Weiteres dahinter verschwand, stand ihr heldenhafter Begleiter wie festgemauert am Eingang, hin und her gerissen diese intime Grenze zu überschreiten… Aber alles, was er just in dem Augenblick wahrnehmen konnte, faszinierte ihn. Es war nicht die gigantische Größe eines unglaublich teuer und fein eingerichteten Empfangssaals mit bequemen Polstermöbeln und einem mit Triforcezeichen gravierten runden Tisch in der Mitte. Stühle mit hohen Lehnen und karminroter Polsterung, ein Sekretär, ein riesiger Kamin, der aussah als könnte er einen Hylianer beinahe verschlucken. Linker Hand führte ein roter Teppich zu einem großen Balkon und auch hier funkelte das weiße Sonnenlicht durch stabiles Glas, warf zarte Regenbögen in den Innenraum… Unmengen von Details sprengten den jugendlichen Kopf des Helden, die er kaum so schnell verarbeiten konnte. Er war wirklich hier vor Zeldas eigenen Räumen… ihren privaten Räumen… Ein Schaukelstuhl, ein Pult mit Spiegel, eine Bar… Der Raum war durch eine feine Glaswand mit goldenen Symbolen und Mustern im Glas von einer kleinen Bibliothek mit Schreibtisch abgetrennt. Link blickte durch das Glas und entdeckte mit seinen scharfen Augen Bücher mit seltsamen Schriftzeichen in den Regalen, hylianische Schriftzeichen, die sich seinem Verständnis entzogen… am Schreibtisch ruhten wissenschaftliche Untersuchungsobjekte bereit ein Forscherherz zu beflügeln. Und ein weiteres Detail ließ ihn ein Lächeln über seine Gesichtszüge huschen. Zelda besaß einige Pflanzen in ihren Räumen… und drei große Vasen mit Blumen, die er noch nie gesehen hatte. Unter dem erstarrenden Zauber des Verblassens lebten diese sogar noch. Wunderschöne Blüten, die nach etwas rochen, was Link als Rose wahrnehmen würde. Respektvoll sah er sich um, versuchte sich vorzustellen, wie es Zelda hier ergangen war… und ob sie Besuch in diesen luxuriösen Gemächern bekam. Und noch immer traute sich Link kaum über die Türschwelle. Selbst, als seine Prinzessin bereits durch eine weitere Tür verschwunden war. Selbst, als die Minuten zerrannen und es sich allmählich peinlich anfühlte vor den Gemächern zu warten, wollte Link ihr würdevoll Abstand lassen. Zelda handelte währenddessen schnell und zielstrebig, durchwühlte eine alte Truhe in ihrem Schlafgemach nach Gegenständen, die für das Abenteuer in Hyrule nützlich sein würden. Da waren verschiedene Kräutertinkturen und Salben wie auch Elixiere, die an dem ein oder anderen Ort die Abwehrkräfte steigern konnten. Sie nahm Kampfkleidung daraus hervor, eine Karte Hyrules, und in den Tiefen der Truhe, gut versteckt und pflegsam zusammengefaltet, lag besagte grasgrüne Tunika, die sie für ihren Heroen hatte anfertigen lassen. Sie grinste ein wenig und nahm auch dieses Kleidungsstück an sich. Und sie huschte blitzartig zu einem Geheimversteck unter ihrem Bettrahmen, eines der vielen Verstecke, die sie selber in ihren Räumen eingerichtet hatte… auch wenn dies ihr eigenes Reich war, so fühlte sie sich niemals völlig unbeobachtet oder völlig sicher. Vor ihren Gemächern warteten immer einige Wachposten, ein Ritter war ihr immer als Schutz zugeteilt. Sich in Hyrule frei und unabhängig fühlen war für sie niemals möglich gewesen… Mit einem Klacken öffnete sich das hölzerne Geheimfach und gab ein meerblaues Instrument preis, das teilweise in etwas schwarzen Stoff gewickelt wurde. Zelda lächelte und nahm auch diesen Gegenstand an sich, vertraute auf flüsternde Erinnerungsfetzen unterlegt mit magischen Melodien, die in ihrem Herzen erstarkten. Und dann endlich trat sie vor ihren Kleiderschrank, fuhr über ihre Gewänder mit leicht unruhigen Händen, fühlte den Gefühlen nach, wann immer sie eines der königlichen Gewänder trug, spürte in den alten Kummer hinein und zog schließlich einige Kleidungsstücke aus dem Schrank, die für Erkundungstouren und Ausritte gedacht waren. Und dann endlich wunderte sie sich, wo Link so lange blieb. Bestaunte er Hyrules märchenhafte Landschaft immer noch? Sich mit beschämten Blicken am Kopf kratzend fand sie ihn tatsächlich noch an der Tür zu ihrem Empfangssaal und musste tadellos grinsen angesichts dieses fast erwachsenen Mannes, der sie unschuldig musterte. Dieser spitzohrige, hübsche Mann in seiner modernen Erdenbewohnerkleidung, Jeans, T-Shirt und lässige Kapuzenjacke, beladen mit Rucksäcken, Taschen, Rucksäcken und jeder Menge Proviant. Er sah gerade irgendwie verloren aus… „Ähm… ich wusste nicht… also ist es denn in Ordnung für dich, dass ich deine Gemächer betrete?“ Er sprach die Worte so umständlich und eine auffällige Nervosität verratend, welche Zelda irritierte. War denn ein weiterer übertragener Sinn in seinen Worten? „Es ist immerhin dein persönliches Reich…“, murmelte er weiter. Einmal mehr wich sie dem Heroen aus, aber bat ihn schließlich herein, realisierend, wie unglücklich und holprig die nächsten Wochen werden könnten, sollten sie beide auf diese intimen Grenzen stoßen. „Folge mir in die Bibliothek…“, entgegnete sie. Und sie war kühl… unglaublich kühl, dachte Link. Er lud die Taschen im Empfangsaal ab und folgte ihr durch das gläserne Labyrinth, beobachtete seine Prinzessin ein staubiges Buch aus dem Regal nehmen und sogleich fündig zu werden. „Hier sind die Weisenstätten Hyrules beschrieben, genauso wie uralte Schreine, Tempel und untergegangene Gebetshäuser. Eine bessere Informationsquelle über den Aufenthaltsort der Elixiere werden wir in der Kürze der Zeit nicht finden können“, sprach Zelda klar und unmissverständlich. Link aber seufzte. Es war nicht zu ändern, aber diese Aussicht gefiel ihm nicht. War alles, woran sie sich bei der Suche nach den Elixieren halten konnten ein altes, abgenutztes Buch? Einmal mehr knallte die winzige Chance diese Mission erfolgreich zum Abschluss zu bringen in seiner Gedankenwelt nieder, erzeugte Sorge und Unsicherheit. „Link… wir wussten von Anfang an wie… schwierig diese Mission werden würde“, begann Zelda leise und faltete ihre Hände vor der Brust. Trübsinnig blickte sie zu Boden. „Ja, das wussten wir…“, stimmte er zu. Zumindest… auch wenn diese Aufgabe zum Scheitern verdammt war, würden sie beide die letzten Tage mit dem Menschen verbringen, der ihnen wie nichts anderes am Herzen lag. Die zweifelnden Gedanken verscheuchend trat sie vor ihren Schreibtisch und markierte die Weisenstätten auf der Karte, während Link sich voller Erstaunen die Bücher in Zeldas Bibliothek betrachtete. Er wusste, dass sie belesen und sehr klug war, aber dass sie tatsächlich ihren Alltag mit dem Studium alter Werke verbrachte, überraschte ihn. Dies war eine Seite an seiner wunderschönen Prinzessin, die ihm noch mehr gefiel. Sie war so unglaublich ehrgeizig, wenn es um Hyrule ging, so pflichtbewusst und stark. „Hier. Nimm’ du sie. Ich habe die Stätten der alten Weisen darauf markiert, dort, wo wir mit guter Chance die Elixiere finden werden.“ Sie reichte dem verblüfften Link, der allmählich seine Sinne wieder unter Kontrolle hatte, die detailreiche, riesige Karte von Hyrule. Neugierig huschten seine Augen über die Markierungen, aber er konnte nichts davon entziffern, nichts verstehen. Die hylianische Sprache erschien ihm vollkommen fremd. „Ich würde gerne die Kleidung wechseln… Mach’ es dir gemütlich. Ich bin gleich wieder da“, ergänzte sie und verschwand rasch durch die Tür am Ende des Zimmers. Link ging der Aufforderung nach und begann es sich bequem zu machen, ließ sich in einen weichen Schaukelstuhl sinken, und lehnte sich entspannt zurück. Er schloss kurz die Augen, träge sank sein Körper in wohlige Sinnlichkeit. Und als er ein wenig in dem Schaukelstuhl wippte, verführte ihn die Geborgenheit, die seinen Körper überschwemmte, eine wundersame Erholung zu finden, die er lange nicht so erlebt hatte. Etwas an Hyrule… oder etwas in Zeldas Gemächern fühlte sich so unglaublich richtig und vollkommen an. Er wünschte sich im Augenblick nur eines. Wäre es nur möglich gewesen Hyrule unter anderen Umständen kennen zu lernen. Hyrule war wunderschön. Er spürte den Zauber dieser Welt immer stärker selbst in der Luft tanzen… Als er begann zu gähnen, entschied er sich aufzustehen. Er konnte nicht jetzt schon damit beginnen zu faulenzen, eigentlich sollten sie beide mit dem heutigen Tag ein großes Stück der Steppe überqueren und vielleicht eine Möglichkeit finden schneller vorwärts zu kommen. Weil er sich nun doch ein wenig beschäftigen wollte, trat er einmal mehr an die Bücherregale heran, betrachtete sich die Buchrücken und bestaunte die hylianischen Symbole. Sorgsam strich Link über die teilweise abgegriffenen Ledereinbände und fragte sich, wie Zelda ihre Zeit hier in Hyrule gefüllt hatte, abgesehen von ihren Pflichten. Er fragte sich, was sie früher sonst noch gerne getan hatte, welche Hobbys hatte eine Prinzessin? Wie hatte Zelda ihre Abende verbracht? Er durchquerte die Reihen der Bücherregale und entdeckte am hinteren Ende ein sehr altes Buch, welches äußerst mitgenommen aussah. Neugierig blätterte er ein wenig, entdeckte fremde Abbildungen, die ihm dennoch vertraut vorkamen. Abbildungen von allerlei mythischen Kreaturen, von Feen, Krogs und Göttinnen. Ein wenig ungeduldig, weil Zelda noch immer mit ihrem Outfit beschäftigt war, lief er ein wenig schneller durch die Reihen um aus der Bibliothek zu verschwinden. Plötzlich stolperte er über eine Kante. Er blickte zurück und entdeckte etwas darunter. Nanu? Was war das denn? Er sah sich die Stelle genauer an und schob eine große Steinplatte zur Seite. Darunter befand sich ein kleines Fach. Neugierig öffnete er auch das Fach. Darin wiederum ruhte eine kleine Spieluhr, golden, mit blauer Gravur und drei winzigen Figuren der drei Göttinnen. Neben dem winzigen Musikinstrument befand sich noch ein Büchlein mit Schnalle und einem Triforcezeichen abgebildet. Link war zu wissbegierig, um es einfach wieder wegzulegen. Vorsichtig öffnete er die Schnalle und warf einen Blick herein. Es handelte sich um etwas Selbstgeschriebenes, aber er konnte diese Schrift nicht lesen, obwohl sie wunderschön war und ihn an Zeldas Handschrift erinnerte. Ob es sich etwa um ein Tagebuch handelte? War das Zeldas Tagebuch? Die einstige Prinzessin der Hylianer stand plötzlich hinter ihm. Als sie sah, was er in der Hand hatte, zerrte sie ihm das Buch verärgert aus der Hand. Link sah in ihren Augen den Anflug von Wut und Empörung. „Das geht dich nichts an“, sprach sie laut. Aufgebracht steckte sie das Buch in eine kleine Ledertasche an ihrem Gürtel und nahm sich auch die Spieluhr. Link bestaunte ihre Kleidung. Sie trug eine weinrote, enge Hose, lange braune Stiefel und trug einen Gürtel, der eine Schnalle in Form eines Dreieckes besaß. Ihren Oberkörper bedeckte ein dunkelblaues Gewand mit goldenen Stickereien. Zusätzlich trug sie eine dunkle, schwere Weste als eine Art Rüstung und auf dem Rücken einen Mantel. „Sorry, Ich wollte nicht…“, fing er an, richtete sich auf und hob entschuldigend die Hände. „Zelda… ich…“ Er wollte es nicht zwingend erklären, aber sich sofort entschuldigend. Aber sie unterbrach ihn gekränkt und ließ ihm keine Möglichkeit sich zu rechtfertigen. „Wühl’ nie wieder in meinen Sachen herum“, fauchte sie ihn an. Link erkannte an ihrem blassen Gesichtsausdruck, dass sie sich verletzt und verraten fühlte und dass, was auch immer in diesem Büchlein stand für die hübsche Königstochter ein kleines Heiligtum darstellte. „Es tut mir leid…“ Betreten stand er dort und steckte die Hände in die Hosentaschen. Das war so unüberlegt von ihm, dass er sich über sich selbst ärgerte. Er wollte die Zeit hier in Hyrule mit seiner Prinzessin genießen und nicht sofort mit solchen Missverständnissen füllen. Hatten sie beide nicht genug Konflikte wegen ihrer Vergangenheit durchgestanden? „Zelda, ich wollte nicht in deinen Sachen herumschnüffeln.“ „Das ändert nichts daran, dass du es getan hast.“ Hastig wand sie sich um ihre Achse, schüttelte ihren Kopf als deutlichen Ausdruck ihres Ärgers und ging aus der Bibliothek heraus. Sie wusste gerade gar nicht, warum sie sich überhaupt ärgerte. Natürlich war dies ihr Tagebuch, aber woher sollte Link dies wissen? Und sie wusste schließlich, dass sie ihm in jeglicher Hinsicht vertrauen konnte. Seit sie in ihre Gemächer getreten war, fühlte sich etwas in ihr unsagbar grässlich an, wie eine Gewitterwolke, die über ihrer Stirn hing. Mit nervösen Händen werkelte sie in ihrem Schrank herum und suchte nach ihren magischen Taschen. Gerade da kam Link betreten mit einer großen Sorgenfalte auf der Stirn zurück in den Empfangsaal… eine Frostigkeit klirrte in der Luft, die der junge Heroe mit seinen spitzen Elfenohren beinahe hören konnte. Verdrießlich reichte Zelda ihm eine kleine Tasche. Ein hübsches Täschchen, gefertigt aus weichem Leder, ein geripptes Braun wie Baumrinde. „Befestige diese Tasche an deinem Gürtel. Sie wird dir sehr nützlich sein.“ Tonlos wanderten die Worte über Zeldas kühle Lippen, und ließen kein Gefühl zu. „Gut“, sprach Link, suchte ihren Blick, aber die wunderschöne Hylianerin wich ihm aus. Alles an Zelda fühlte sich an wie eine harte Betonwand, die nichts durchließ. Sie kramte dann in den Taschen herum, nahm sich einen hylianischen Bogen und spannte sich diesen auf ihren Rücken. Dann befestigte sie noch ein einfaches Soldatenschwert an ihrem Gürtel. Link ahnte, dass die Zelda dieser Epoche kein eigenes Schwert besaß. Das, was ihr Leben auszeichnete, orientierte sich eher an Sittsamkeit, strenge Rollenvorschriften und Abenteuerlosigkeit. Aber sie sah absolut bewundernswert aus… wie die Kämpferin, die in ihr schlummerte. Hüstelnd wand er sich um seine Achse und rieb sich den Hinterkopf angesichts der riesigen Taschen, die prall gefüllt waren mit allerlei Proviant und Ausrüstungsgegenständen. Aber er stand vor einem Rätsel… Wohin mit den Schlafsäcken? Wohin mit den Nahrungsmitteln? „Und… was jetzt? Wie transportieren wir diese Sachen?“ „Schau’ her“, sagte Zelda. Sie nahm eine schwere Tasche mit Flaschen, und öffnete die kleine Ledertasche an ihrem Gürtel. Als sie den großen Beutel davor hielt, geschah allerdings etwas Verrücktes. Mit einem Schlag verschwand der große Beutel, wurde unsichtbar. Was war passiert? Hatte die eigenartige Ledertasche etwa den Beutel verschluckt? Link traute seinen Augen nicht. Aber er war ja schließlich in Hyrule. Gehörte es nicht zu dieser Welt, dass hier merkwürdige Dinge geschahen und es seltsame Gegenstände gab? Zelda ließ einen Schlafsack in der eigenartigen Ledertasche verschwinden. Aber Link verstand immer noch nicht, was vor sich ging. „Diese Taschen hier wurden von Waldgeistern aus seltenem Material hergestellt. Sehr effektiv für lange Reisen, da man unendlich viele Gegenstände darin aufbewahren kann“, sagte sie missmutig, eine Mimik so hart wie Stahl. Link seufzte und zögerte ein wenig. Brrrr, dachte der junge Heroe und wurde sich seines Fehlers von vorhin wieder bewusst. Zelda war nun so eisig wie ein Winter in Zoras Reich. „Beeil’ dich. Wir haben keine Zeit“, fuhr die einstige Prinzessin ihn an. Alles an seinem Verhalten steigerte die innere Ärgernis ins Unermessliche. Und sein unschuldiger Blick machte es noch schlimmer. „Schon gut…“, versuchte er zu schlichten und versuchte sein Glück mit der magischen Tasche, die an seiner Hüfte hing. Er nahm seinen Schlafsack und mit einem undefinierbaren Ploppen zog eine eigenwillige Kraft die Objekte in eine gehütete Taschendimension. Der Prozess war schlichtweg überwältigend… die Verkleinerung der Alltagsgegenstände kribbelte in Links Fingern wie Knisterbrause. Innerhalb von Sekunden befanden sich alle Gegenstände in den magischen Taschen. „Den Trick zeige ich Sara, wenn wir wieder zuhause sind“, meinte er. Zelda verdrehte ihre hübschen Augen, konnte und wollte sich von ihrer Stimmung nicht ablenken lassen und marschierte schnellen Schrittes durch die eine in die Länge gezogene Tür in jenem Empfangssaal und ließ die Tür einen Spalt offen, was dem jungen Burschen als Aufforderung genügte. Link folgte ihr mit einem weiteren unüberhörbaren Seufzen. Betreten stolperten seine nervösen Füße über die Türschwelle, bis ein neues Erstaunen seine Gedanken flutete. Denn Link kannte diese Räumlichkeit… er kannte dieses geschmackvoll eingerichtete, gemütliche Schlafzimmer… hier, wo ein riesiger Kamin in den kühlen Nächten Hyrules magisches Wärmefeuer hütete… hier, wo auf einem runden Tisch ein schicksalhaftes Spiel ruhte und über ein Schicksal belehrte, das er noch immer nicht fassen konnte. Hier war es, als er Zeldas weiche Lippen auf seinen spürte, als er sich eingestand, dass es mehr war, was sie beide verband, mehr als er im Moment besaß und mehr als ihr Schicksal erlaubte. Er schluckte mehrfach um einen Knoten von überwältigender Scham hinunterzuwürgen. Aber die Unsicherheit, die sich hässlich an seinen Kragen legte, verging nicht. Wie hypnotisiert trat er zu dem Spiel der Sieben Weisen auf dem runden Tisch und streichelte die Spielsteine um zu spüren, ob sie echt waren… und dennoch… er steckte die Hände in die Hosentaschen und versuchte den Eindruck zu erwecken, sich das erste Mal in diesen Räumlichkeiten zu befinden. Er war kein guter Schauspieler, das wusste er. Aber seine Prinzessin würde sich in diesem unsäglichen Zorn, der in ihr brodelte, kaum auf Aussprachen über den gemeinsamen Traum noch über eine Form von Intimität einlassen. Gerade deshalb versuchte er sein Wissen für sich zu behalten… „Kannst du dich endlich mal beruhigen?“, sprach sie und schien tatsächlich nicht zu bemerken, wie vertraut ihm dieses Schlafgemach war. „Mag sein, dass du das Schloss toll findest, aber du übertreibst mit deinem geschauspielerten Interesse.“ Brrrr… fehlen nur noch die Eiszapfen… Zelda konnte sehr gemein sein, wenn sie wollte. Diese Frostigkeit kannte er von der Zeit, als sie sich von ihm abgewiesen hatte. Er spürte diesen unglaublichen Selbsthass, den sie ihm entgegen schmetterte wie eine einfrierende Schockwelle. Er seufzte nun das dritte Mal, diesmal etwas mitleidiger und schüttelte den Kopf. War das überhaupt noch die Zelda, die er vor einem halben Jahr in den Wäldern gefunden hatte? Das Mädchen, das in seinen Träumen in wunderschöner Lebendigkeit und Zartheit seinen Namen rief. Es tat weh einmal mehr an ihr zu zweifeln… Zelda öffnete schließlich eine kleine Geheimtür in einem ihrer Schränke. Ein unauffälliger winziger Hebel seitlich gelagert, ein Samtschal aus Blau verdeckte den Mechanismus. Ein Klacken und ein staubiger, schmaler Pfad gab sich preis, ein steinerner Weg, dunkel, beinahe bedrohlich. „Wohin führt dieser Weg?“, sprach Link und schielte beunruhigt in Richtung des Geheimweges. Link wunderte sich, dass sie über derartige Geheimgänge in ihren Gemächern verfügte. Wie viele Geheimgänge führten eigentlich in Zeldas Zimmer? „Du wirst schon nicht verloren gehen“, erwiderte Zelda mit unüberhörbarem Sarkasmus in der Stimme. Ein weiteres Mal konnte Link nicht anders als nur zu seufzen. Gedankenverloren träumte er in dem Zimmer vor sich hin und wusste nicht, wie er auf Zeldas Gereiztheit reagieren sollte. Diese unnötige Streitsucht seiner Prinzessin verkomplizierte ihrer beider Aufenthalt in Hyrule schon jetzt… Nachdenklich trat er dort, rieb sich den Hinterkopf und verharrte in dem Augenblick. „Kommst du endlich mal. Wenn du die ganze Zeit so trödelst, haben wir mehr als ein Problem.“ Und erneut erhielt Link seinen Anpfiff. Inzwischen fragte er sich, ob Zelda es Spaß machte, ihn zu provozieren. Aber Link war schließlich Link und konnte durch solche Bemerkungen nicht aus der Fassung gebracht werden. Am Ende würden sich seine Geduld und Lässigkeit auszahlen. Das wusste er… Mit einem vergnügten Grinsen musterte er seine wunderschöne und so unglaublich gereizte Zelda in ihrem flotten Kämpferkostüm, die den Göttinnen sei Dank sein hinterhältiges, aber gutmütiges Grinsen nicht sah. Dann begann er zu pfeifen, drehte den Spieß herum und provozierte nun seine beleidigte Prinzessin. „Was soll das denn bedeuten?“ Er pfiff vergnügt irgendein fröhliches Lied, das Zelda nicht kannte. Aber die schräge, ohrwurmartige Melodie entfachte einen neuen Zorn der Empörung in ihrem Gemüt. Manche Musikstücke der Erdenwelt hatten es in sich, bohrten sich wie gaunerartige Zauberwerke in ihre Elfenohren und rissen an Zeldas Fassung. „Link. Hör auf damit“, schimpfte sie, da sie die Fröhlichkeit in dem Musikstück nicht ertrug. Seine Augen wanderten an das reichlich verzierte Deckengewölbe, an die wundersamen Malereien und Abbildungen Hylias mit dem heimlichen Gebet die weiße Göttin möge ihm für seine Dreistigkeit vergeben. Er unterließ das Pfeifen nicht, sondern begann von vorne. Zelda ballte die Fäuste: „Du sollst aufhören. Dein abscheuliches Gepfeife nützt dir hier auch nichts. Was bildest du dir eigentlich ein?“ Immer noch pfiff er, trieb er sein Spielchen auf die Spitze und legte ein Verhalten an den Tag, das die vergessene Königstochter nicht kannte. Link verhielt sich unglaublich dreist und respektlos. So als würden ihre Worte an seinen nun spitzen Ohren abprallen. Er tanzte wild und hysterisch anmutend durch das Zimmer, schunkelte, pfiff einen ohrenquälenden Schlager umher und stellte sich als einen der dämlichsten Trottel dar, die jemals in Hyrule das Licht der Welt erblickt hatten. „Du bist einfach nur bescheuert“, sprach Zelda, und hatte angesichts des irritierenden Verhaltens ihres Begleiters den Zorn in ihrer Stimme verloren. Sie stampfte mit ihren Absätzen auf dem Boden hin und her. Gelangweilt. Voller Frust. Denn Links Blödsinn kostete Nerven und zwang sie auf den Boden der Realität. Sie griff sich an die Stirn und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Was, bei Nayru, taten sie hier? Wegen unbedeutsamen Nebensächlichkeiten hatte sie als kühle, standhafte Herrscherin Hyrules die Nerven verloren, in einer alten, verblassten Welt, die nur am Leben erhalten war um eine gefährliche Quest voranzubringen. Und alles, was sie taten, war Zeit in diesem Unsinn zu verschwenden? Plötzlich spürte sie Links Hände, sicher, angenehm und bestimmend, zog er sie mit einem festen Griff in die Höhe. „Bist du noch ganz dicht? Lass mich herunter“, schnaubte sie, als Link sie unter ihren Armen packte und sich mit ihr durch den Raum drehte. Er lachte froh und munter und ließ sich von ihren Gemeinheiten nicht beeindrucken. „Du Mistkerl, lass’ das. Ich wünschte, ich wäre alleine hier“, fauchte sie, sagte Worte, die sie kaum sagen wollte, Worte, die wie eine giftige Schlange über ihre vollen Lippen krachten, aber Link lachte nur. Er war so ausgelassen, wirkte beinahe glücklich und da schwappte Links süßes Wohlwollen in Form von Beruhigung auf Zelda über. Sie verzog ihr hübsches Gesicht mit einem Hauch von Reue und presste die Lippen aneinander. Sie hatte genug gesagt, genug Dummes, um sich lächerlich zu machen. Nach einer halben Ewigkeit des vergnüglichen Lachens, setzte er Zelda einfach auf eine Couch in dem Raum, kniete ritterlich vor ihr nieder und sagte: „Verzeiht mir Eure Majestät, aber Link wusste nicht, was er tat, als er Euer Buch entdeckte. Gebt ihm eine Aufgabe, sodass er dafür Buße tun kann, aber bitte verzeiht ihm seine Unverfrorenheit.“ Er küsste ihren rechten Handrücken und grinste, sodass seine Mundwinkel beinahe an seine Ohren stießen. Zelda verdrehte ihre Augen, begann sich mehr und mehr über sich selbst zu ärgern und schüttelte mit dem Kopf: „Link“, sagte sie. „Tu’ mir einen Gefallen und benimm’ dich wie ein Mensch und nicht wie ein hirnloses Häufchen Elend.“ „Okay“, sagte er spitzbübisch. „Und hör auf, dieses Lied zu pfeifen.“ „Okay.“ Ein weiteres verteufelt charmantes Grinsen aus seinem Gesicht verriet, dass er es jeder Zeit wieder pfeifen würde. „Und…“ Zelda biss sich auf ihre Lippen und wusste nicht, was sie noch sagen sollte. Sie ließ die erstbesten Worte heraus, die wohl eher ein hilfloser Versuch waren sich von diesem unschuldig süßen Grinsen abzulenken. „… sei du selbst.“ „Okay“, sagte er ein weiteres Mal und setzte hinzu: „Aber nur, weil du’s bist. Du bist doch Zelda, oder?“ Er beugte sich nach vorne und blickte ihr direkt in ihre kristallblauen Augen, mit einem entschiedenen, sanftmütigen Blick. Sie waren keine fünf Millimeter voneinander entfernt und sahen sich nur schweigend an. Sie hielt seinem Blick stand und bereute nun die Worte, die sie ihm an den Kopf geworfen hatte. „Es tut mir leid, Link“, sagte sie. „Ich war wohl nicht ganz ich selbst.“ Nervös strich sie sich einige goldene Strähnen hinter die Elfenohren. „Das habe ich gemerkt“, meinte er. Er zog sie auf ihre Beine. „Zelda. Ich respektiere deine Privatsphäre, das weißt du doch, oder? Und wenn es dich beruhigt, ich konnte nichts aus dem Buch lesen, da ich keine Erinnerungen an die hylianische Sprache habe.“ Sie blickte beschämt zur Seite und ärgerte sich immer mehr über sich selbst, über ihr Unvermögen Link irgendwie begreiflich zu machen, wie schwer diese Situation für sie war. Ihm irgendwie zu signalisieren, dass es weh tat in der alten Heimat zu sein… und sich der Schatten Hyrules wieder bewusst zu werden… „Es liegt nicht an dir“, begann sie kleinlaut. Kopfhängerisch versuchte sie sich zu entschuldigen. „Es ist nur…“ „Du bist ein wenig verzweifelt. Ich sehe es in deinen Augen, Zelda“, unterbrach er sie. Sie nickte leicht und gab dem verdatterten Link einen Kuss auf die Wange. „Entschuldige…“ Zügig schritt sie in Richtung des Geheimgangs, ausweichend wie immer. Aber Link stand mit roten Wangenbäckchen im Raum und rieb sich die Stelle, an der Zelda ihn küsste. Einmal mehr überraschte seine Prinzessin ihn mit einer Seite, die er an ihr viel zu selten erlebt hatte. Sie entschuldigte sich… beinahe überrumpelnd, sodass alles, was er noch spüren konnte bloß dieser kleine Kuss auf seiner Wange war. Er wollte nicht mehr über irgendwelche Konflikte nachdenken, wenn das Resultat davon ein Küsschen war. „Dieser Weg führt direkt in den Schlossgarten“, erklärte sie, ihm den Rücken zugewandt, „So müssen wir nicht durch das ganze Schloss laufen… es sei denn, du möchtest es sehen.“ Aber als das Wort Schlossgarten fiel, reagierte etwas in ihm darauf. Ein heimlicher Gedanke vermischt mit einem leisem Klopfen irgendwo in seinen Gedanken. Der Schlossgarten… der Ort, an dem er die Prinzessin des Schicksals in der Mission, die die Gezeiten sprengte, das erste Mal erblickt hatte. Der Schlossgarten… schicksalhafte Fügungen im Zauber von duftenden Blüten und raschelnden Sträuchern. Link spürte, dass dieser Ort eine hohe Bedeutung für sie beide besaß. Denn hier wurde ihr Band der Auserwählten geknüpft. „Ich denke, der Schlossgarten interessiert mich eher.“ „Gut…“, sprach sie. Sie drehte sich ein letztes Mal in Richtung des Schlafgemachs, verscheuchte innere Bilder aus der Zeit, die vielleicht Tausend Jahre zurücklag und erschrak innerlich an der Kälte, die diese Bilder auslösten. Auch Link nahm an ihrem Fokus teil, musterte die Sorgenfalte auf ihrer Stirn und die schwere Weichheit in Zeldas Mundwinkeln. „Ich überlege nur… ob wir tatsächlich alles eingepackt haben.“ Einmal spürte Link die Unwahrheit in ihren Worten, aber versuchte verständnisvoll zu bleiben, so wie immer. Der Schatten in Zeldas blauen Augen verriet ihm, dass sie sich mit der Vergangenheit beschäftigte und dass vielleicht auch der Traum, in welchem sie beide das Spiel der Sieben Weisen erlebten und Intimität in Nähe fanden, in ihr Gemüt rückte. Link trat noch einmal zurück zu dem Kamin, den weichen Pelz davor unter seinen Turnschuhen. Ob es zu viel verlangt war sie um Aussprache zu dem Traum zu bitten? „Zelda. Sag’, waren wir…“, begann er leise. „Was meinst du…“ Sie verschränkte die Arme ungeduldig. Er steckte die Hände einmal mehr in die Hosentaschen, seine Nervosität ein offenes Buch. „Ich meine… damals… waren wir da…“ Zeldas Augenbrauen verzogen sich verwirrt, denn sie wusste nicht, worauf er hinauswollte. Der Gedanke Link wollte mehr über ihre Freundschaft wissen, darüber, was sie einst verband, würde Zeldas Gedanken kaum fluten. „Was war damals… eigentlich…“, brach über seine Lippen. Und mit jedem Wort verhaspelte sich der Heroe noch mehr. „Möchtest du jetzt alles über unsere Vergangenheit wissen?“ Seine Prinzessin sprach mit so viel Irritation, dass er seufzte. Voller Frustration, aber auch Enttäuschung. War Zelda denn wirklich so blind, was seine Wünsche an sie betraf? „Zelda… ich möchte nicht unsere ganze Vergangenheit wissen… aber zumindest, ob wir damals… irgendwie…“ Damit brach er ab und hatte das Gefühl, er müsste das Herz in seinem Körper herausreißen, da es so heftig Blut in seine Adern pumpte. Alles nur wegen dem Gedanken, dass er und Zelda damals vielleicht eine intimere Beziehung geführt haben könnten. Aber Zelda schien seine Neugierde und Scham nicht unter den Hut zu bringen. Er schüttelte mit dem Kopf, hatte mehr und mehr Bammel sie danach zu fragen, wie nah sie sich einst standen und folgte ihr schließlich, nachdem sie schon viel zu viel Zeit im Schloss verbracht hatten. „Schon gut, lass‘ uns die Mission endlich starten.“ Er warf den Kopf in den Nacken und gab auf. So würde das nicht funktionieren, nicht in diesem Moment und nicht mit seiner eigenen Scham bezüglich des Themas. Wenn er wollte, dass Zelda sich ihm öffnete, dann zu einem geeigneteren Moment. Ja, unter anderen Umständen vielleicht… und mit ein bisschen mehr… Mut. Zelda nahm eine Fackel in die Hand und ging vorneweg, ging hinein in einen kleinen engen Gang, der das Licht ihrer Fackel fast vollständig absorbierte. Und mit jedem Schritt durch die Dunkelheit des Geheimweges wurde dem Heroen bewusster, dass sie die Wildnis Hyrules durchstreifen würden und das Abenteuer in Hyrule begann. In wenigen Stunden würde er Hyrules Steppe erleben, spüren, wie die frische Luft, süß in seine Lungen strömend, kitzelnd um seine Ohren pfeifen würde. Auch wenn er wusste, dass dieses Gesicht, das Hyrule jetzt trug nur durch die Macht der Weisen aufrechterhalten wurde, so war er unheimlich gespannt und aufgeregt, sodass er es kaum aushielt. Sein Herz vibrierte voller Wohlgefallen hier zu sein, er fühlte sich lebendiger als jemals zuvor… Als das Tageslicht seine Augen benetzte und sie den Geheimweg passiert hatten, schlüpften sie durch eine Gittertür aus Eisen, verdeckt durch viel Moos, direkt hinter einem Rosenstrauch und unglaublich unauffällig. Wie von Feenhänden verzaubert ruhte der Schlossgarten vor den letzten beiden hylianischen Seelen, die in den Gefilden der gefallenen Welt atmeten. Sinnlich strömte der Blütenduft weißer Rosen in Links Lungen, kitzelte vergessene Empfindungen… Er fühlte sich berührt, umschmeichelt von der Zartheit, Lebendigkeit und Schönheit des Gartens. Eine Atmosphäre wie im Traum. Wohlgeordnete Wege schufen Beständigkeit, saubere Wiesen und Hecken mit Motiven. Und überall strahlten weiße Rosen, geküsst vom Sonnenlicht, herzförmig… eine Blume, die dem Heroen vertraut erschien. Aber ja… Link erinnerte sich, dass jene weiße Rose in einer Vase in Zeldas Zimmer stand. Auf der Erdenwelt. Er stutzte an der simplen Unmöglichkeit des Gedankens. Wie sollte diese Rose in Zeldas Zimmer gelangt sein? Eine süße Melancholie wog im sanften Frühlingswind über die gepflegten Wege des Gartens, rauschte andächtig bis hin zu den herbgrünen Baumwipfeln und erreichte die letzte Prinzessin jener Welt, bis sie ihr eben noch schnelles Schritttempo zügelte. Sie hatte gehofft, sie würde die vielen Gefühle, die mit dem Schlossgarten in Verbindung standen, irgendwie beiseite schieben können. Aber jetzt, wo alles hier in rufenden Kindheitserinnerungen lebendig wurde, erlebte sich Zelda als beladen und zerdrückt von der Vergangenheit. Damals… das unreife, kleine Mädchen von damals… Sie war immer noch hier, gut verschlossen in ihrer Brust. Die kleine zickige Prinzessin war noch immer hier und wartete in diesen Gärten auf das prophezeite Licht, das sie in ihren Träumen gespürt hatte. Das gelangweilte Kind mit Visionen der Göttin Hylia hüpfte in ihren Gedanken noch immer über die Wiesen des Gartens, wartend auf den Jungen mit dem göttlichen Mut. Ja, sie erinnerte sich und wusste doch nicht mehr, ob diese Geschehnisse mit ihrer Vergangenheit verbunden waren. So weit lag das alles zurück, dass es sich anfühlte wie der Schimmer eines Traumes… So unwirklich, das sie ihrem eigenen Gedächtnis kaum trauen konnte. Sie versuchte die Müdigkeit mit einem Reiben ihrer Augenlider wegzuwischen und belog sich einmal mehr darin ein paar unerwünschte Tränen zu bekämpfen. Mit leisen Schritten trat Zelda vorwärts, streichelte die raschelnden Rosensträucher, während die erste Begegnung mit Link wie in einem wärmenden Wunschtraum über ihre Sinne glitt. Ihre Schritte führten sie hinein in den gut bewachten Bereich des Gartens, umgeben von sicheren Mauern war nur den wenigsten dieser geschützte Ort gestattet. Denn dort war der Garten der Prinzessin des Schicksals. Und dort war es, als der Junge im grünen Gewand ihr das erste Mal begegnete. Dieser unschuldige, unreife Junge, der sie mit tiefblauen, unergründlichen Augen musterte und im selben Moment mit einer vertrauten Macht verzauberte… Damals hatte sie die Vorsehung das erste Mal in aller Deutlichkeit in ihren Gedanken hämmern gespürt. Die sagenumwobene Fähigkeit der Erbin Hylias… Zelda lauschte den Turnschuhen ihres Helden, dem sanften Rascheln, das genauso wie damals in das Gras sickerte. Der gleiche ungezwungene Schritt… das gleiche Gefühl, das seine Präsenz in ihr auslöste. Link ahnte es nicht und Zelda hatte noch nicht den Mut gefunden ihm diese Worte zu sagen. Aber eigentlich… so hatte er sich in seinem Erscheinungsbild durch seine Wiedergeburt nicht verändert. Aus seinen tiefblauen Augen strahlte die gleiche bergeversetzende Zuversicht wie damals, die gleiche wunderschöne Seele lockte mit Mut, aber auch Tiefsinn in seinen Blicken und zeugte von aufrichtigem Charakter und Idealen… „Hier sind wir uns das erste Mal begegnet…“, flüsterte sie. Ihre Worte ein wenig unwirklich, ein wenig trübsinnig. „Ich wünschte nur, wir hätten uns unter anderen Umständen kennen gelernt…“ Link legte seine Hände auf ihre Schulter und drückte ihre Haut ein wenig, hoffend, sie ließ diese Form von Nähe zu. „Und auch auf der Erde sind wir uns nur begegnet, weil der Kampf bevorsteht“, meinte er leise. Auch seine Worte ein wenig unwirklich. „Es ist eben Schicksal, Link“, sprach sie, noch zittriger als vorher. Sie kniete nieder und strich erinnernd über einige saftiggrüne Grashalme. „Unser Schicksal…“, bestätigte er, kniete ebenso nieder und suchte Zeldas Blick. Ob sie einander in diesem Schicksal auf dieser langen Reise so unterstützen konnten, das ihre Kräfte reichten? Dass sie sich gegenseitig schützen und bestätigen konnten… ohne unnötige Konflikte? Mit dem sehnlichen Bedürfnis Zelda jetzt in seine Arme zu schließen suchte er das Vertrauen, welches er im ersten Augenblick mit ihr gespürt hatte… damals als sie mit Gedächtnisverlust in seinem Zimmer erwachte. Er suchte das Mädchen, das ihn ab dem ersten Moment verzaubert hatte in diesen mit Schatten belegten, himmelblauen Augen… „Aber selbst das Schicksal scheint nicht alles vorhergesehen haben, scheint nicht gewollt haben, dass die Dinge nun so sind wie sie jetzt sind. Selbst das Schicksal hätte Hyrule nicht sterben lassen wollen…“ Sie widerstand dem Wunsch zu schluchzen und presste die Worte mit einem langen Atemzug heraus. Daraufhin nahm Link ihre rechte Hand in seine beiden und suchte ihren Blick. „Aber in diesem Moment lebt Hyrule doch. So lange wir hier sind, lebt es… und ich weiß, dass irgendwann-“, sie legte einen Zeigefinger auf seine Lippen und brachte ihn zum Schweigen. „Nicht…“ Dann schüttelte sie mit dem Kopf und erhob sich, flüchtete aus dem Moment von trügerischer Hoffnung. Link hatte dieses unzerstörbare Vertrauen in die Zukunft, ein verstandsloses Vertrauen in sein Schicksal und vielleicht gab es irgendwo und irgendwann für ein Hyrule hinter dem Vorhang des Morgengrauen eine neue Chance. Nur… Hyrule besaß die grausamsten Schattenseiten überhaupt. Eine goldene Macht, die das Volk in einen wahnhaften Schlund von Gier und Verderben schickte. Einen Kreislauf von Hass und Kampf entzündete. Und das Schicksal des Bösen schien so stark an das der beiden Auserwählten geknüpft zu sein, dass sie gar keine andere Wahl hatten, als sich gegen das immer so mit Erstaunen und Bewunderung verknüpfte Schicksal zu stellen. Ein Schicksal, welches sie beide nur zusammenführte, wenn der Krieg gegen das Böse von neuem begann. Ein Teufelskreis, denn das Böse gehörte zu Hyrule genauso wie das Triforce. Und wollte man das Böse ein für alle Mal vernichten, so müsste man die Essenz der Welt, das Triforce, welches die Welt zusammenhielt, ebenso zerstören. Erst dann könnte Friede sein, der aber den Preis einer Vernichtung der magischen Einzigartigkeit Hyrules fordern würde… „Es ist Zeit“, sagte Zelda seufzend und lief vorneweg. Und als sie aus dem Schlossgarten flüchtete, und Link ihr mit seinen eigenen verschlossenen Zweifeln hinterher blickte, ahnte er mit einem unsäglichen Druck auf dem Herzen, dass dieses Hyrule vielleicht keine Chance brauchte. Dieses Hyrule brauchte nur sie… die Erbin Hylias… Die Zeit hier in Hyrule tickte, tickte gemächlich und wohlgeordnet, während die beiden letzten Hylianer mit festen Schritten ihre Mission begannen. Hinter ihnen entfernte sich das graublaue Schloss mit seinen spitzen Türmen und die Steppe erhob sich in samtgrüner Pracht. Ein letzter Blick zurück glitt aus tapferen Gesichtern, als das Abenteuer in Hyrule begann. Und sowohl Zelda als auch Link, Hand in Hand vorwärtseilend, spürten mit dem tosenden Schlagen ihrer Herzen, den tiefen Atemzügen nach frischer hylianischer Luft, dass die Welt, die so rein und erhaben vor ihnen lag, zahlreiche Prüfungen für sie beide vorsah. Und dann, ganz bald, erfüllte sich ihr Schicksal einmal mehr. Kapitel 47: Unheimliche Begegnung --------------------------------- Während die beiden Hylianer verträumt ihrem Weg folgten, zogen Adler hoch über ihren Köpfen in Richtung Norden. Der junge Heroe, bekleidet mit T-Shirt, Kapuzenjacke und lässigen Jeans, trottete wie ein verlorenes Wesen ohne Heimat hinter der Prinzessin der hylianischen Lande her, konnte sich kaum losreißen von den Eindrücken und hob seinen neugierigen Blick in die Lüfte um die kreischenden Laubvögel in der Höhe zu beobachten. Mit scharfem Blick sah er die stolzen Geschöpfe in zartem grauen Gefieder sich in die Tiefe stürzen und an Berghänge einnisten. Wunderschöne Tiere, riesig, Federn, die im Sonnenlicht glänzten. Je mehr Link von Hyrule sah, umso mehr verliebte er sich in diese riesige, geheimnisvolle Welt… Die Sonne stand im Zenit, erinnerte an einen langsameren Puls der Zeit hier in dieser Dimension. Und außer dem Rauschen des Windes, den Gesängen von sich in Laubbaumkronen einnistenden Vögeln, und einem sich entfernenden, erfrischenden Bachplätschern, ruhte Hyrule in völliger Lautlosigkeit. Eine beängstigende Stille bemächtigte sich dieser Welt, wo keine menschlichen oder elfischen Wesen atmeten außer Link und Zelda… Eine gefrierende, beinahe unheimliche Stille, gerade hier, in der Nähe zu Hyrule-Stadt, dem riesigen Markt vor den Toren des Residenzschlosses der königlichen Familie. Die Stadtmauer vor den beiden Kämpfern schien ebenfalls ein paar wenige Geräusche zu verschlucken, wo das einstige bunte und gesellige Treiben in der Hauptstadt zu erahnen war. Nachdenklich betrachtete sich Link die riesige mittelalterliche Stadt, behütet von der Mauer mit mehreren Wachtürmen, gut bewacht an einigen Toren, die Link hinter sanften Hügeln und stämmigen Baumgruppen entdeckte. Ein unsinniger Gedanke nahm ihn gefangen, während seine Augen mit eisblauen Schimmern funkelten. Ein beinahe abartiger Gedanke… Er versuchte die Erlebnisse hier in die einfache Darstellung von Hyrule in Okarina of Time einzuordnen und fragte sich, wie viel von dem Spiel nun echt war. Wie viele von den Orten würde er hier in einem faszinierenden Detailreichtum wiederfinden? In der Nähe des nördlichen Stadttores rasteten beide Heldengestalten auf einer morschen Holzbank und schlugen zur Orientierung die riesige Karte dieser vergessenen, magischen Welt auf und überprüften den Weg, den sie einschlagen sollten. Zelda deutete auf den südlichen Westen und erklärte die nächsten Ziele mit erschreckender Sachlichkeit. Falls sie sich freute zurück in ihrer Heimat zu sein, so war sie absolut in der Lage dies zu kaschieren. Link beobachtete sorgfältig die versteckten Züge von Traurigkeit in Zeldas harter, sachlicher Miene, aber entschied dies zu einem günstigeren Zeitpunkt zur Sprache zu bringen. Sie mussten vorankommen, die nächsten Ziele gut durchdacht abwägen. Und deswegen versuchte auch er sachlich zu bleiben, betrachtete sich erstaunt die Ortschaften, deren Namen er leider nicht lesen konnte, besah sich Wegbeschreibungen, Markierungen über Flüsse, Bezeichnungen von Bergen und anderen Städten oder Dörfern. Hyrule war so gigantisch, dass ihn der Gedanke diese Welt in drei Wochen nach verstärkenden Weisenelixieren abzusuchen völlig erschreckte. Sicherlich wusste er, wie schwer diese Mission sein würde, aber die Realität der Gefahr und eines Scheiterns ließ auch ihn nicht kalt. Mit einem Seufzen, während der junge Heroe eine halbe Wasserflasche trank, deutete Zelda auf die Darstellung eines großen Gebäudes inmitten der Hauptstadt und begann zu erklären: „Das hier ist die Zitadelle der Zeit… Ist dir dieser Ort ein Begriff?“ Link nickte nur. Das Gefühl von Aufregung und Freude in Hyrule zu sein wandelte sich in immer mehr Überforderung, nicht nur, weil es frustrierend war Zelda wegen jeder Kleinigkeit befragen zu müssen, sondern auch, weil er realisierte, dass er vielleicht nicht bereit war für dieses Abenteuer. Link sah diese riesige Karte Hyrules, berührte das Material, welches sich anfühlte wie Pergament und empfand das erste Mal seit längerer Zeit eine Hilflosigkeit und Sorge um die Zukunft, ein grässliches Gefühl, das er nicht kannte. Jegliche Sicherheit inmitten einer geordneten Zivilisation zu leben, sich jederzeit aus dem Supermarkt ein Essen zu holen, jederzeit medizinische Hilfe erhalten zu können, war mit dem Eintritt nach Hyrule erloschen. Und das fühlte sich für einen Menschen, der in einer modernen Welt lebte, absolut bitter an. „In der Zitadelle wird unser erster Missionspunkt sein, das erste Elixier ruht in dem heiligen Reich, der Dimension, die das Masterschwert wie ein Schlüssel bewacht.“ „Das Masterschwert…“, sprach Link um es zu begreifen. Ihm war niemals in den Sinn gekommen, dass er das legendäre Bannschwert überhaupt zu Gesicht bekommen würde. „Jetzt… wo du hier bist, scheint alles sehr überwältigend, nicht wahr?“ Sie versuchte mit einem leichten Lächeln, das ihre Lippen umspielte, etwas Verständnis zu signalisieren. „Ich kann mir… kaum vorstellen, wie es für dich sein muss, dies alles hier als existent zu begreifen.“ Link hielt kurz inne, aber schenkte ihr ein charmantes Grinsen. Es machte seine Mimik beinahe unbeschwert. Wenn es etwas gab, das der einstige Held der Zeit beherrschte, dann jemanden mit diesem hinterhältigen, süßen Grinsen zu verzaubern. Etwas verlegen wich Zelda jenem Blick aus und sprach weiter um dieses Grinsen zu ignorieren. „Laut den Aufzeichnungen ist der magische Trank in der Nähe der Halle der Weisen, also erreichbar, wie ich finde.“ Zelda atmete tief durch, und rieb sich dann die Stirn. Hinter ihrer Sachlichkeit bemerkte Link nun doch eine Besorgnis, die sie bagatellisierte. Dort in den zarten Fältchen ihrer schmalen Stirn. Und in den schattigen Punkten ihrer Iris… „Ich denke, wir sollten dieses Elixier sofort an uns nehmen, zumal wir nicht wissen können, ob wir wieder und rechtzeitig zum Schloss zurückkehren können. Und wir müssen auch die Option im Kopf behalten, dass jemand anderes Zugang nach Hyrule haben könnte und uns das Elixier vor der Nase wegschnappt.“ Doch das Durchspielen von so viel negativen Optionen gefiel dem Helden nicht. „Zelda… glaubst du wirklich, dass wir uns mit jeder möglichen Option auseinander setzen müssen?“ Sie blinzelte, aber nicht weil das Sonnenlicht sie blendete oder der kühle hylianische Wind ihr ins Gesicht blies. Sie blinzelte, weil sie das Gefühl beschlich, Link könnte ihre Strategien für unnötig erachten oder ihre Fähigkeiten diskreditieren. Sie biss sich auf die Unterlippe um sich zickige Worte zu verkneifen und verlor sich mit nachdenklichen Blicken bei der kleinen Zugbrücke in das nördliche Stadttor. „Aber…“ , ruderte Link in sanften Worten zurück. Er rutschte etwas näher und sprach sanft. „… ich vertraue dir. Wenn du es für notwendig erachtest, dann tun wir das.“ Einmal mehr unterstützte ein charmantes Grinsen seine Worte, und einmal mehr wich Zelda mit einem Schimmer rosa Verlegenheit aus seinem Blickfeld. Wie nur schaffte er es dabei so liebevoll auszusehen? Hastig verstaute sie die Karte Hyrules in ihrer magischen Tasche und trat nervös in Richtung der Zugbrücke. Innerhalb weniger Minuten passierten die beiden Hylianer das Tor in die alte Hauptstadt, die schon in sehr frühen Epochen, damals als das Masterschwert erst geschmiedet und von Göttin Hylia gesegnet wurde, bestand. Die Stadt vor dem Schloss war der vielleicht zentralste Punkt Hyrules, der Ort, an dem Verträge mit Bündnispartnern ins Leben gerufen wurde, der Ort, wo blühender Handel erstarkte. Dieses Zentrum stabilisierte die wirtschaftliche Situation des Königreiches immer wieder und wurde von nahen Königreichen hochgeschätzt. Und als Link die leergefegte, aber unglaublich urige, sympathische Stadt erkundete, verstand er auch warum. Hier war Hyrules eigene Magie spürbar, ein beschaulicher Platz mit kleinen Gassen, eigenwilligen, krummen Häuschen, die sich dicht aneinander reihten, aneinander gewürfelt mit totalem Ignorieren von Maßstäben, aber auch gerade Häuschen mit Fachwerk, royalblauen Dächern, aber auch winzigere Gebäude, die wie Hexenhäuschen an alte Zeiten erinnerten. Und überall in dieser Hauptstadt herrschte noch immer eine erahnende Freude am Geschäftsleben, an Geselligkeit und an eine friedvolle Lebendigkeit. Eine wundervolle Stadt, dachte Link, der sich die Waren auf den Ständen betrachtete. Noch immer duftende Brötchen, Naschwaren in Form von Dreiecken, Süßspeisen, die er noch nie gesehen hatte. Ein Stand mit Kleidern für einfaches Volk, Tuniken, Unterkleider, Lederstiefel. „Wir sollten uns von dem Proviant bedienen“, sprach Zelda und stopfte hylianische Speisen in ihre Taschen. Sie lächelte mit Verzückung. Sie hatte die hylianische Mehlspeise so sehr vermisst. Und Link tat es ihr gleich, bediente sich nach Herzenslust, biss genüsslich in ein mit Honig bestrichenes Brötchen. Ungemein flaumig und weich. Dass er sogar hylianisches Essen kosten durfte, auch das war ihm nicht vorher in den Sinn gekommen. Er bekam immer größere Augen und bestaunte die Köstlichkeiten. Zelda beobachtete ihren Heroen mit einem warmen Gefühl, das über ihr Brust glitt… mit allem, was er in den letzten Tagen erduldet hatte, tat es gut ihn so unbeschwert so erleben. Dann wanderte ihr Blick zu einem der Stände, wo Lederwaren verkauft wurden. Die letzte Prinzessin drückte daraufhin ihrem Heroen einen der dicken Mäntel in die Hände, die sie von dem Stand entwendet hatte. Ein dunkelbrauner Ledermantel mit hylianischen Mustern in grau. Sie zwinkerte, worauf er den Mantel in seiner magischen Tasche verschwinden ließ. Vielleicht waren sie beide hier in der verlassenen Dimension doch nicht so hilflos wie befürchtet. Zumindest in der Hauptstadt gab es einige Ressourcen für sie beide. Ein Glück, dass die Stadt für irgendeine aktuelle Feierlichkeit diesen riesigen Markt aufgebaut hatte, dachte Link. „Welcher der Wege wird uns zur Zitadelle der Zeit führen?“, murmelte der Heroe. Aber Zelda, die ihm den Rücken zugewandt, sich in der Mitte des Marktplatzes, einige Pfosten betrachtete, sowie ein Zelt, wo Waffen und Schilde aufgebahrt waren, antwortete zunächst nicht. Auch Link zog es mit der Aufmerksamkeit dorthin, bis er realisierte, dass hier so etwas wie ein Ritterturnier stattgefunden haben musste. Link erinnerte die Mittelalterfeste in Schicksalshort, wo ähnliches als Belustigung gefeiert wurde. Link fragte sich nur, wer hier vielleicht einmal gekämpft hatte. „Zelda?“ Irritiert drehte sie sich zu ihm, aber blickte streng zu Boden. Einmal mehr ahnte Link, dass sie ihm etwas verschwieg. „Siehst du vor uns die Allee mit den Laubbäumen?“ Der Heroe nickte, fasziniert von royalblauen Bannern, die Baum mit Baum verbanden und im Wind flatterten. „Dieser Weg wird uns direkt zu der Zitadelle der Zeit bringen.“ Stramm marschierte die wunderschöne Adlige voran, sprach so wenige Worte wie möglich mit ihrer Begleitung. Eine seltsame, zerknirschte Atmosphäre schien sich zwischen Zelda und ihm aufzubauen, dachte er. Wie eine unsichtbare Wand trostloser Nichtigkeiten… „Gut. Dann auf in die Zitadelle der Zeit“, brabbelte Link, nur um irgendetwas zu sagen und folgte ihr. Er grübelte über einige Themen, während er ihr wie ein Hündchen hinterher trottete. Aber nichts als Unwichtiges wanderte durch seine Gedanken, bis er dem Grübeln müde wurde und sprach. „Gibt es in Hyrule eigentlich noch andere Tempel außer den fünf Weisen- Tempeln, die ich aus dem Spiel kenne?“ Gleichzeitig ohrfeigte er sich innerlich. Was für eine unsinnige Frage. Was wollte er damit bezwecken? „Link…“, murmelte sie, fast belehrend, mit einem genervten Unterton. „Ich weiß nicht… ob es noch Sinn macht unsere Welt mit einem Spiel zu vergleichen.“ Link verzog die Augenbrauen. „Nein, natürlich macht das keinen Sinn mehr…“ Wie belanglos und vernichtend diese Aussage aus ihrem hübschen Mund doch war. „Aber…“, erklärte sie. „Hyrule war das größte Königreich unter dieser Sonne… und es gab viele, viele Labyrinthe, merkwürdige Orte, Höhlen und auch andere Tempel. Im Laufe der Geschichte hat sich Hyrule natürlich verändert. Das Land wuchs, oder wurde durch Kriege wieder kleiner. Einige Tempel versanken, andere wurden neu errichtet. Vielleicht besucht eine deiner zukünftigen Reinkarnationen diese…“ Damit räusperte sie sich und bremste ihre Worte. Sie strich sich das honigblonde Haar zurecht, das der Wind über ihr Gesicht wehte. „Ja, vielleicht“, murmelte Link, aber auch er ahnte die schmerzliche Wahrheit in ihren Worten. Es würde, wenn Hyrule ewig im Verblassen lag, vielleicht keine Reinkarnation des ewigen Helden diese Orte finden… weil es keinen Helden mehr gab. Weil es niemanden mehr in Hyrule gab… Link suchte ein weiteres Mal nach passenden Worten, nach irgendetwas um diesen Trübsinn zu entschärfen, der sich ihrer beider gerade bemächtigte. Aber jeder Gedanke führte zu einem weiteren Irrweg, zu Unsinn, noch mehr Unsinn. Und so entschied Link dem Schweigen Vorrang zu geben. Und hoffte einmal mehr einen besseren Zeitpunkt zum Reden zu finden… Sie bewegten sich zielstrebig durch die geschmückte Allee, dann durch eine schmale Gasse, in der man den Eindruck hatte, die kleinen, krummen Häuser links und rechts würden sich mehr und mehr aufeinander zu bewegen. Immer wieder bestaunte er die Geschäfte in jener winzigen Gasse und kam aus seiner Verwunderung nicht mehr heraus. Merkwürdige Teleskope, Statuen, Kräuterbeutel und viele andere Merkwürdigkeiten waren in den Schaufenstern aufgetürmt… Dinge, die er noch nie gesehen hatte, seltsame wissenschaftliche Objekte, magische Objekte womöglich. Link lief nach wie vor ein Stück abseits, beobachtete Zelda in ihrer hylianischen Kleidung stumm vorwärts trotten, ihren bestimmenden, strengen Schritt und spürte die Verzweiflung, die in ihr herrschte. Und sie lief immer schneller, als wollte sie vor sich selbst davon laufen. Die hübsche Adlige warf schließlich einen Blick auf ihr Medaillon, das sie am Hals trug. Schwungvoll pendelte die Kette mit jedem Schritt, erst deshalb realisierte sie einen Blick darauf zu werfen. Sachte hielt sie sich das kostbare Stück an ihr rechtes Ohr, lauschte einem leisen Ticken, das sie auf der Erdenwelt nicht wahrgenommen hatte. Sie hielt inne und öffnete es. Auf der Uhr in der Mitte war es kurz nach ein Uhr, was sich mit der Sonne am leicht geneigten höchsten Punkt deckte. Das Medaillon arbeitete, jetzt, da es zurück in seiner Ursprungswelt war, funktionierte es wieder. Sorgsam streichelte sie über das durchsichtige Glas des magischen Objekts und drehte sich zu ihrem Helden um, der leicht verwundert hinter ihr wartete. „Link. Das Medaillon funktionierte in der Realität nicht, oder?“ „Nein“, sprach Link sicher und trat zu ihr heran, besah sich ebenfalls das Schmuckstück. „Dem ungeachtet arbeitet es jetzt… Was bedeutet das?“ Links Augen begannen zu leuchten, als er eine kleine, goldene Sonne auf einer äußeren Bahn entlangwandern sah. Mit einer magischen Geschmeidigkeit fielen an dem zarten Lebensbaum im hinteren Bereich des Medaillons kupferfarbene Blätter hinab. „Eigentlich ist es sehr beruhigend“, sprach die Königstochter mit leichter Freude. „Denn das würde bedeuten, dass in Hyrule immer noch viele magische Kräfte am Werk sind… es bedeutet, dass Hyrule noch am Atmen ist… vielleicht sogar mehr als ich dachte.“ Dann biss sie sich auf ihre Unterlippe und schien zu grübeln. In dem Moment griff Link nach ihrer Hand. „Zelda, ich weiß, wir haben keine Zeit zu verlieren, aber… ich habe noch immer nicht wirklich verstanden, was es mit diesem Verblassen auf sich hat. Erzähl‘ mir darüber, was du weißt.“ Seine Worte kamen mit mehr Erwartung über seine blassrosa Lippen, als er es beabsichtigte. Aber bisher hatte seine Prinzessin darüber geschwiegen. Und wenn sie jetzt in Hyrule ihre Mission starteten, dann nicht nur zum Wohle der Erde, sondern auch um für die hylianische Heimat einzustehen. Sie seufzte mit auffälligem Missfallen. „Später“, würgte sie ab und setzte ihren Weg fort. Ohne ihn zu Wort kommen zu lassen, sprach sie weiter: „Dieser Weg führt zur Zitadelle, bitte lass‘ uns zunächst das Elixier beschaffen, dann sollten wir überlegen welcher Route wir folgen wollen.“ Sie deutete auf eine weitere Allee mit alten, knorrigen Bäumen, Pappeln und Weiden, märchenhaft, wie der Wind durch das riesige Blattwerk strich und die glitzernden Sonnenstrahlen zu fangen schien. „In Ordnung“, murmelte Link und hatte die Botschaft verstanden. Es brachte nichts, absolut nichts, seiner Prinzessin eine Information über die Vergangenheit entlocken zu wollen. Sie konnte auf der Erde nicht darüber reden und jetzt vielleicht noch weniger… Der heroische Bursche ballte kurz die Fäuste um ein leichtes Gefühl von Ärger abzuschütteln und erinnerte sich an seine Vorsätze für die Mission mit der Erinnerung an Zeldas unbeschwertes Lächeln, das sie durchaus zeigen konnte. Schweigend packte Link die sanfte, kühle Rechte seiner Prinzessin, ignorierte den fragenden Ausdruck auf ihrem glatten von kühlem Wind geküssten Gesicht und trat ebenfalls zügiger vorwärts. Und je näher sie der Zitadelle kamen umso gepflegter wurde die Umgebung. Weißgraues Pflastergestein, saubere Pfade und zu hübschen Mustern geformte Hecken und geschnittene Sträucher. Selbst zwei kleine Wasserflächen in weißem Steinbett waren wohlgeordnet und das Wasser kristallklar. Und dann endlich führten ehrfürchtige Schritte von Link und Zelda in den Innenhof des prachtvollen Bauwerks der Zitadelle der Zeit, ein magischer Ort, der die Auserwählten immer wieder vereinte. Link spürte die Wallungen der Vergangenheit, ein Druckgefühl, das sich die Sehnen in seinen Muskeln entlang schlängelte. Mit jedem Schritt durch das fein gemähte Gras im Innenhof erschien ihm das beinahe mahnende Gefühl intensiver. Zeldas Hand in seiner, die zitterte… und seine eigene Aufregung, die sich mit beklemmenden Atemzügen vermischte. Da war diese Heiligkeit, die alles in der Umgebung mit unsichtbarem Brodeln durchzog. Eine Heiligkeit, die ihn darüber belehrte sich dem Pflichtgefühl eines Helden und seiner Verantwortung bewusst zu sein. Die göttliche Energie, die dieses Bauwerk regierte, schonte ihn nicht, das spürte er mit jedem weiteren Schritt. Und wenn er die nächsten Wege in Hyrule leichtsinnig beschritt, dann ahnte er, würde diese Göttlichkeit auf ihn warten… Mit einem tiefen, kribbelnden Atemzug folgte Link wenigen steinernen Treppenstufen und schob die wuchtigen Eisentore etwas auf, rieb seine Hände an der Rauheit und den Zeichen der Verwitterung des Metalls. Und dann wurde Link dicht gefolgt von Zelda von der Dunkelheit, die aus dem Inneren kroch, verschluckt, und die Eisentore fielen mit raunendem Getöse zu… Das Innere der Zitadelle, streng majestätisch mit erahnendem weißen Gestein in der gesättigten Finsternis, ließ Link noch mehr von der übermächtigen Heiligkeit spüren, die hier alles beherrschte. Die Zitadelle, in Dunkelheit gehüllt, da die vielen Fenster in der Höhe verriegelt und abgedunkelt waren, erschreckte ihn beinahe. Er hatte mit einem Gebetshaus gerechnet, auch damit, dass so wie tatsächlich vorhanden, Bankreihen für Besucher aufgestellt waren. Aber die erdrückende Stimmung der verschwommenen Dämmerungsfarben, die sich nährte an Dutzenden eleusinisch knisternden Fackeln, die bis hinauf an das mit Malereien verzierte Deckengewölbe leuchteten… all dies erinnerte ihn mehr an Gebetshäuser der Erdenmenschen und nicht an den Ort, der von der Macht des Masterschwerts gespeist wurde. Schweigsam blickte Link hinauf zu dem riesigen, hohen Deckengewölbe, studierte die tragenden Säulen, Steinskulpturen von Gottheiten und auch dunkleren Kreaturen, welche mit Blattgold umrahmt waren und ließ ehrfürchtige Blicke zu dem Altar wandern. Da waren sie… die drei heiligen Steine, die der junge Link in seiner Mission zur Rettung Hyrules gesammelt hatte. Der Kokirismaragd, der Opal der Goronen und Zorasaphir. Alle drei heiligen Steine waren wesentlich kleiner als Link angenommen hatte und wirkten in silbrigem Licht, grau und ohne Glanz, wie erstarrte Lebewesen, verschmolzen mit dem Altar. Zeldas dumpfes Stiefelklappern verriet etwas über ihre eigene Nervosität hier zu sein. Aufgeregt stapfte sie in Richtung Altar und rieb sich die Oberarme. Denn obwohl außerhalb frühlingshaftes Wetter vorherrschte, war es innerhalb des Bauwerkes fast eisig kalt. „Am letzten Tag Hyrules… bevor das Verblassen siegte, riss Ganons Siegel. Nur deshalb sind die Fenster hoch oben verdunkelt“, sprach Zelda leise, der Schatten von Trübsinnigkeit löste sich von ihr und schien sich mit der Stimmung in dem Bauwerk zu verbinden. „Die Dunkelheit in der Zitadelle steht symbolisch als Mahnmal und als Gedenken für die vielen Ritter und Soldaten, die das Siegel bewachten und gefallen sind… Überall an dem weißen Gestein haftet noch das Blut jener Krieger… auch deshalb findet das Licht nicht hierher.“ Der traurige Klang in Zeldas Worten schlitzte in seiner Brust als wäre er Teil der Ereignisse gewesen. War es das etwa, fragte sich Link. War er hier gefallen, als Ganon frei kam? Zelda faltete die Hände für ein kurzes Gedenken. Und gerade deshalb ließ Link dem Schweigen Vorzug, er wollte sie nicht ausfragen über die Ereignisse, nicht an einem heiligen Ort wie diesen. Aber die Prinzessin blinzelte schwach und suchte dann seinen Blick. „Normalerweise… ist die Zitadelle ein Ort des Lichts, nicht umsonst findet sich hier das Tor in den Weisentempel des Lichts… in friedvollen Zeiten… da leuchtete hier das Gestein wie Perlmutt.“ Aber auch darauf traute sich Link kaum etwas zu sagen, er wollte den Schimmer von Hoffnung in ihren Worten nicht trüben. Stattdessen trat er an sie heran, berührte mit der linken Hand ihren rechten Oberarm, das glatte, royalblaue Gewand, ein feiner Stoff. „Lass‘ uns weitergehen“, murmelte sie dann und hüpfte wenige Treppenstufen hinauf hinter den Altar, hinter das breite Podest aus weißem Gestein und überprüfte mit beiden Händen die Mauer berührend das geschlossene Tor der Zeit. Ehe Link überhaupt fragen konnte, was sie tat, hob Zelda ihre Arme in die Höhe, schloss sinnierend die Augen und schickte in Form unsichtbarer Magiefäden einen Strom ihrer heiligen Kraft empor, hoch hinauf an malerische Orte, wo die Götter Hyrules weilten. Sie bat um Gehör für alles, was sie mit ihrem Heroen in den nächsten Wochen erdulden würde. Sie bat um eine glückliche Fügung und allen voran betete sie für Links Sicherheit… Auch Link trat heran an jene großen Tore am hinteren Ende der Zitadelle, ein Ort, der sich physikalisch nicht finden ließ, ein Ort, der von außerhalb des Gebäudes überhaupt nicht sichtbar war. Denn dort öffnete sich nicht nur ein Tor, sondern eine Pforte in eine alte, geheiligte Welt. Dort, streng behütet, lag eine Welt, in welche lediglich Auserwählte gerufen werden konnten, in der die Dualität von Licht und Schatten nicht existierte, wo Zeit ein leerer Begriff war… dort versiegten die Gesetze einer vierdimensionalen Welt. Dort gab es kein Scheitern, kein Hoffen, kein Leben und keinen Tod. Dort war nur das Sein… Und als die Erbin Hylias ihre Arme niedersinken ließ, ging ein brodelndes Rumoren durch das glatte Gestein der Zitadelle, bis das Tor unter Ächzen und Raunen von der Kraft der Alten niedersank. Zelda atmete tief ein, ein wenig aufgeregt wieder in das heilige Reich einzutauchen, denn dort zu sein, fühlte sich an, als ob die Seele vom Körper losgelöst wäre, als ob man jede Menschlichkeit abgelegt hätte. An jenem Platz ruhte ein Frieden in der Seele, der jegliche Angst zunichte machte. Ein Gefühl, das sie lange nicht gespürt hatte. Dann endlich ruhte das Tor still, und wo in der Zitadelle die Dunkelheit herrschte, so tanzten silbrige und goldene Lichtstrahlen aus dem Raum dahinter über die magische Schwelle. Das Licht berührte beide Heldengestalten, als wollte es jene bezirzen und mit schmeichelnder Wärme locken. Bereitwillig folgten Link und Zelda Hand in Hand, betraten das hohe Gewölbe, wo das weiße, glatte Gestein der Zitadelle funkelte. Jener Ort, der wohl berühmteste und begehrteste Hyrules, wirkte tatsächlich wie ein Überbleibsel einer vergessenen Zeit und doch befleckt mit den nur mehr stummen Zeugen der Kämpfer, die Ganon gegenüberstanden, als er aus seinem Gefängnis kam. Entsetzt betrachtete sich Link Blutlachen und Blutspritzer bis ziemlich weit oben. Feine Staubkörner wurden aufgewirbelt, als beide hylianischen Seelen das Gewölbe genauer unter Augenschein nahmen, besonders Link, dessen Blick zu jenem Gegenstand wanderte, der irgendwann einmal in seinem Besitz ruhte: eine Waffe ohnegleichen… das Masterschwert… Still ruhte es in seinem Stein, erhaben und legendär. Blank und ohne irgendeinen Kratzer… Ein Strom kraftvoller Schwingungen schlug dem Heroen entgegen, je mehr er seinen Fokus auf das Schwert richtete, beinahe so, als verlangte es nach ihm. Beinahe so, als tanzte die Seele der Waffe irgendwo unsichtbar durch die schwere, kalte Luft, erforschte mit feinen Sinnen Links Präsenz und seinen Mut. Etwas unsicher, was nun zu tun war, ballte Link die Fäuste und konnte sich von der Waffe kaum losreißen. Er hatte sich ausgemalt diese Waffe zu erblicken, hatte sich auf das übermächtige Gefühl vorbereitet, dass jene Klinge in seiner Brust auslösen würde. Aber Fakt war, jegliche Vorstellung wurde von der Realität übertroffen. Allein seinen Fokus auf diese legendäre Waffe zu richten, entzündete eine Abfolge wildes Herzrasen, schickte tosendes Adrenalin durch seinen Körper. Gesteuert von einem quälenden Bedürfnis diese Waffe zu ergreifen, in die Höhe zu strecken, als lebendig zu spüren und in einer Symbiose aus Held und Vollstreckung zu führen, stolperte Link näher bis er auf dem Podest stand. Das Masterschwert verlangte etwas von ihm, das spürte er, es verlangte nach ihm. „Es ruft dich…“, sprach Zelda mit einer Stärke und Aufrichtigkeit, die das Herzklopfen in Links Brust noch lauter und quälender machte. „Es sagt dir… wer du bist… und dass es dein Schicksal ist hier zu stehen… deins allein.“ Die Prinzessin des Schicksals trat hinter ihn, symbolisch und mit aller Bewunderung, die sie für ihren Heroen empfand. Aber Link, in vollster Konzentration, kaum realisierend und begreifend, wie notwendig diese Wahrheit für ihn war, fühlte sich irgendwie erstarrt. Seine Gesichtsmuskeln zu Härte verzogen, als begann ein neues Schlachtfeld für ihn. Seine tiefblauen Augen wie in Dunkelheit gewetzter Stahl. Link wusste, dass er die Klinge berühren durfte. Dass er sie berühren musste, befehligen musste. Und er empfand kein Zögern, noch Furcht oder Zweifel. Er war dafür geboren worden diese Waffe zu benutzen. Und irgendwo tat es beinahe etwas weh, sich zu erkennen, zu wissen, dass er der Held war, den dieses Zeitalter brauchte. Zu wissen, dass es keinen Irrtum gab. „Es ist deine Aufgabe uns in den Tempel des Lichts zu bringen, Link…“, sprach Zelda leise und fasste zögerlich an seine festen Schultern, stutzte an der immensen Anspannung, die von ihrem Heroen ausging. „Sei bereit“, sprach sie leiser. „Berühre das Schwert… es ist dein“, flüsterte sie schließlich, als waren ihre Worte wallende Beschwörungsformeln, die seinen Geist in süße Versuchung tauchten. Und alles, was Link tat, war zu nicken. Seine Fingerspitzen näherten sich der mächtigen Waffe wie diejenigen eines unerfahrenen Kindes, das sich an etwas Heißem verbrennen könnte. Und doch mit unbeschreiblicher Neugier den Prozess als nährende, bedeutende Erfahrung ertrug. Und als seine Haut das Material des Heftes berührte, dieses kühle, weiche und federnde Material, glatt und doch haftend, verschlang den Heroen ein nächster Impuls gigantischer Macht. Es pochte überall… nicht nur sein aufgeregtes Herz in der Brust. Nein, auch das Schwert pochte in einem Rhythmus nach Lebendigkeit, einem Rhythmus nach Blut… Der Geschmack des Schwertes, dachte Link… der Tanz des Schwertes, oder wie auch immer er es nur nennen konnte. Das Heft zu spüren ließ seine Finger mit dem Schwert verschmelzen. Auch seine rechte Hand fand das Heft, sehnend, bestimmend, im Einklang mit der Vorsehung. Und gerade als sich der erschaudernde Prozess intensiv und erweckend in jede Faser seines Selbst bohrte, formte sich auf seinem Gesicht eine Selbstsicherheit und Wachheit, die jeglichen Zweifel auslöschte. Link war auch in dieser Epoche der Herr des einzigen Bannschwertes. Mit einem Summen der kraftvollen Klinge wurde jene aus dem weißen Gestein befreit. Ein gleißendes Licht erstrahlte das Gewölbe, bis jenes donnernde Glühen wie ein Impuls weißer Magie die Szenerie völlig einnahm, und mehrere Sekunden den Hort des Masterschwertes in einem Farbenspiel wechselnder Weiß- und Silbertöne durchdrang. Beide Heldengestalten aber waren verschwunden, wurden geführt an den ersten Ort ihrer Bestimmung… Als Link seine Augen aufschlug, befand er sich allein in den undurchdringbaren Nebeln einer gigantischen Halle, wo im Fernen ein heiliges Wasser plätscherte. Ein gleichmäßiges Geräusch als Klang von Fluidem, dem Element des Lebens… Er trat in aufrechter Position, aber seine Füße berührten erst nach und nach den glatten, mit Mustern der Weisen bemalten Boden einer in den Lüften schwebenden Scheibe. Es fiel ihm schwer sich zu bewegen, schwer zu Atmen, sogar schwer etwas zu sehen… Diese Dimension war so matt und dicht, dass menschliche Körper es hier nicht lange aushielten, zumindest nicht bei Bewusstsein… Als Link seine Hände in die Höhe hob, versuchte den verlangsamten Zustand zu begreifen, der überall seine Zellen durchdrang, ahnte er, dass alles hier irgendwo und gleichzeitig nirgendwo bestand. Und dass diese Dimension, wo Nebel des Lichts verweilten, wo Licht in seinen Spektralfarben zerbrach und sich zu einer neuen Ebene von Licht zusammensetzten, seit den ältesten Äonen bestand… Gewöhnliche Wesen konnten sich hier drin nicht bewegen, allein schon Link, der eine auserwählte Seele in sich trug, der es ohne Harm überstand das Masterschwert zu berühren, fühlte die dichte Masse und erdrückende Gewalt von göttlicher Aura an kleinsten Bausteinen der Welt rütteln. Je länger er hier in dieser Halle war, umso stärker brannte und schlitzte die Macht der Uralten an seiner Haut, seinen Knochen und Sehnen. Ein scheußliches Gefühl, bis er versuchte sich vorwärts zu bewegen. Jeder Schritt war eine Qual… jeder Schritt im Kampf gegen bleierne, neblige Wände. „Zelda…“, rief er dann endlich, in der Hoffnung, er könnte zumindest ihre Stimme in der Halle der Weisen wahrnehmen. Seine Stimme schickte einen Schwall Energie aus seinem Mund, die sich vor ihm zu verflüssigen schien und wie wässriges Licht zu Boden plätscherte. Und da ahnte Link auch, was hier im Tempel des Lichts passierte. Alles hier wandelte sich zu Licht, alles hier drin nährte sich an Licht. Ein weiteres Mal rief Link den Namen seiner Seelenverwandten und verstand durchaus, dass Zelda diesen Ort kannte, dass sie genau wusste, welchen unsichtbaren Pfaden sie folgen musste, um zu ihrem Ziel zu gelangen. Aber… hätte sie ihn nicht vorwarnen können? Oder hatte sich seine Prinzessin vielleicht doch verirrt? Hatten sich ihrer beiden Seelen an diesem Ort verloren? Ein weiteres Mal rief er den Namen des Mädchens, das sein Schicksal bestimmte, aber erneut versiegte das Echo seiner starken Stimme in den plätschernden, nebligen Gefilden, als verschluckte diese weißliche, göttliche Suppe jede Wahrnehmung. Und es war vielleicht nicht umsonst, dass Link die Ahnung beschlich, dass jenes eigenartige Verblassen Hyrules eine göttliche Handschrift trug, genauso wie die entstellenden Zustände im Tempel des Lichts. Einige Sekunden vergingen, zumindest kamen sie Link wie Sekunden vor, obwohl doch die Zeit an jenem Ort nicht in der Weise existierte wie außerhalb des Tempels. Und der junge Bursche bewegte sich unter Aufbietung seines Willens immer weiter vorwärts, bis er am Rande der Scheibe in den Abgrund spähte. Der junge Held erinnerte sich, dass es Orte in Hyrule geben musste, die sich vor dem menschlichen Auge verschleierten und die nur mit dem Auge der Wahrheit sichtbar wurden. Ob hier in diesem Nebel Brücken zu anderen Ebenen oder Plattformen führten? Link versuchte durch den Nebel zu spähen, die Verschwommenheit mit seinem scharfen Fokus irgendwie zu überwinden bis er einige Details entdeckte. Da waren Plattformen und Säulen, aber kaum erkennbar, kaum erreichbar in der erdrückenden Schwerelosigkeit. Allmählich wurde er doch etwas nervös, sich fragend, wie viel Zeit inzwischen verstrichen war, sich fragend, wie lange er das Gefühl in dieser dichten Atmosphäre wohl ertragen konnte. Sein Körper fühlte sich immer mehr erdrückt und irgendwie taub an, ein Gefühl unruhigem Pochens, das sich auf seine Haut legte. Wenn er etwas tun könnte, Ablenkung finden, wäre es vielleicht auszuhalten, wenn er verstehen könnte, welche physikalischen Gegebenheiten diesen Ort beherrschten. Er nahm einen schleppenden Atemzug und spornte sich an diese Plattform zu verlassen. Er war einst einer der mutigsten Männer in Hyrule, oder nicht? Die leichte Befangenheit in seinen Gesichtszügen wandelte sich zu dämlicher Abenteuerlustigkeit und einer Spur Hinterhältigkeit. Er trat einige Schritte rückwärts, schmälerte die tiefblauen Augen und stürmte mit allem Übermut, den er aufbringen konnte, in Richtung der Kante. Und als seine Turnschuhe das Gestein der schwebenden Plattform nicht länger berührten, und er sich in diesem schweren intradimensionalen Raum erheben konnte, verschwand auch der dreiste Übermut in seinen Gesichtszügen und Link erstaunte einmal mehr. Es funktionierte… Er schwebte in der Luft mit einer sonderbaren Form von Verschmelzung mit der dichten Atmosphäre, sog eine sich bleiern anfühlende Energie in seine Lungen und schwebte… So also bewegten sich die Weisen in diesen Hallen vorwärts. Sie schwebten. Und wo immer auch Zelda diesen Ort erreicht hatte, auch sie konnte sich auf diese Weise vorwärts bewegen. Jedes düstere Gefühl in seiner Seele verschwand in der Güte, die im Tempel des Lichts spürbar war. In den sanften Flocken Licht, die das Gestein benetzten und sich in scheinbarer Endlosigkeit verloren. Mehr und mehr genoss er das Gefühl der Schwerelosigkeit, das Gefühl, dass nur seine Seele sich bewegen konnte. Es war wie Fliegen, wie Schlafwandeln, wie Träumen. Mit etwas mehr Sicherheit, gemischt mit nicht enden wollenden Erstaunens sank Link auf einer weiteren Plattform nieder, stützte sich auf die Knie und verschnaufte, orientierte sich. Auf jener Plattform war ein Torbogen errichtet, der über eine schmale, nicht enden wollende Brücke führte. Sorgsam und neugierig trat Link weiter, setzte einen Schritt nach dem anderen seines sich schwer anfühlenden Körpers über das Konstrukt eines alten Märchens. Der Zustand in diesen Hallen überwältigte ihn mit einem weiteren Gedanken, ob dies hier noch real sein konnte, ob er dies wirklich erlebte und ob er jemals wieder die Gewöhnlichkeit der Erdenwelt erfahren würde. Und als er weiter trat, entdeckte er in der nebligen Ferne ein überhöhtes Podest, das von plätschernden Wasserwänden umzingelt schien. Wasser, das wie Licht schimmerte und in die Höhe schoss nur um in befreiender Entzückung zu Boden zu krachen. Diese Wände, durchdrungen von gleißenden, weißen Lichtstrahlen schienen etwas zu bewachen. Und Link spürte, dass er das Geheimnis dahinter unbedingt lüften musste. Er trat langsam näher an das plätschernde Nass und streckte seine Fingerspitzen der kühlen Flüssigkeit entgegen. Gerade da schoss aus einer der silbrigen, magischen Wasserwände ein heftiges Sprudeln, ein Mechanismus von Wirbel im wässrigem Licht. Die Essenz des Lichts musste irgendwie auf Links Präsenz reagieren, oder sie reagierte generell auf Leben. Mehr und mehr streckte er seine Hände durch die wässrige Substanz, die mit einem Gewebe aus Licht auf den heroischen Burschen reagierte. Das Leben in seinem Körper schien eine Pforte zu schaffen, die er schließlich durchdringen konnte. Verzaubert von den physikalischen Eigenheiten des Tempels trat er weiter, überquerte in den wolkigen Sphären eine endlos scheinende Brücke, bis er in dem Gewächs aus Dunst eine vertraute Gestalt ausmachen konnte. Mit unendlicher Erleichterung gab er seine Anwesenheit preis und sprach den Namen seiner Prinzessin euphorischer als er es beabsichtigt hatte. Um ihre Mundwinkel erschuf sich ein sanftes Lächeln. Auch Zelda war erleichtert ihren Heroen vor sich zu sehen. Und sie ahnte, es würde womöglich nicht das letzte Mal sein, dass sie einander in Hyrule aus den Augen verlieren würden. Sie lächelte und eilte zu ihm und öffnete augenblicklich ihre Handinnenflächen und präsentierte ihm voller Stolz das erste Elixier zur Verstärkung der heiligen Kräfte eines Weisen. Eine zarte Phiole in mattem Gelb mit einer sonnenblumengelben Flüssigkeit. „Das Elixier hat auf mich reagiert“, sprach sie langsam. Auch sie schien die kräftezehrenden Zustände an diesem Ort zu spüren, spürte, wie sich die dichte Atmosphäre auf ihre Haut legte. „Als wollte es mich rufen… es war beinahe zu einfach es zu finden.“ Sie erklärte die Neuigkeiten streng und unduldsam, mit etwas Müdigkeit in ihren Gesichtszügen. „Ich war ein wenig beunruhigt, weil ich dich nicht gleich gefunden habe“, sagte Link schließlich. Und weil er ahnte, dass seine Besorgnis ihr gegenüber nicht hierher gehörte, sprach er gleich weiter: „Ich hätte nicht gedacht, dass in diesen heiligen Hallen solche merkwürdigen Zustände herrschen…“ „Ich dachte, du liebst Überraschungen“, sprach Zelda und versuchte etwas Schäkern in diese ernste Situation zu bringen, aber Link verzog vor Verwunderung die Augenbrauen. Er hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit, dass Zelda sich einen völlig deplatzierten Spaß erlaubte. Einmal mehr ahnte er um ihre inneren Kämpfe… „Nun ja“, und damit trat die Prinzessin an ihm vorbei. „Hier an diesem Ort vergeht die Zeit sehr viel langsamer und fesselt jede Menschlichkeit. Nicht umsonst bannte dich das Schwert…“ Dann aber korrigierte sie sich mit einem Räuspern. „Nicht umsonst bannte das Masterschwert deine frühere Erscheinung an diesen Ort, wo du schlafen und wachsen konntest.“ So formuliert klang die Vergangenheit nur noch unverständlicher, düsterer und grausamer. Wie wohl hatte er sich gefühlt, als ihm klar wurde, was die Götter mit ihm vorhatten? Schließlich rieb sich Zelda ihre Augen und starrte ihm mit einem weiteren ungeduldigen Blick entgegen. „Ich würde diesen Ort gerne verlassen… ehe der Tempel unseren Verstand zu sehr lähmt.“ „In Ordnung“, entgegnete Link. Eigentlich hörte sich alles, was Zelda über die Zustände im Tempel des Lichts geäußert hatte, gruselig und bedrohlich an. Etwas scheu lächelte sie ihm entgegen und reichte ihm ihre rechte Hand. Er blinzelte, aber umschloss ihre Hand ein wenig fester. Mit einem tiefen Atemzug stieß sich die letzte Prinzessin Hyrules vom Boden ab und schien den verwunderten Helden der Erde hinter sich her zu zerren. Link beobachtete sie in einem Zustand von wehrloser Entrückung, beobachtete, wie ihr schlanker Körper sich in wiegender Geschmeidigkeit durch die neblige, plätschernde Sphäre bewegte und ihr goldenes Haar zu schimmern begann. Sie führte ihn weiter hinauf, immer höher an eine erdachte Grenze in der endlos scheinenden Halle. Und sie wirkte so mutig, so wissend und mehr wie die Erbin von Hylias Heiligkeit als in jedem Moment in der Erdenwelt. Link wusste, dass Zelda innerlich mit allem kämpfte, was sie hier in ihrer Heimat erinnerte, aber das erste Mal seit langer Zeit spürte Link eine Kraft aus diesem wunderschönen Mädchen hervorbrechen, die ihn erstaunte. Nach all den düsteren, konfliktreichen Situationen auf der Erde, spürte er, dass Zelda dort nicht hin gehörte. Sie war in den wenigen Stunden in Hyrule mehr sie selbst als in dem vergangenen halben Jahr… Und als sie in ein blau glühendes Licht eintauchten, und sie beide ihre Augen erneut öffneten, traten sie mit leicht zitternden Beinen einmal mehr in dem Gewölbe, wo das Masterschwert ruhte. Das Bannschwert steckte wieder in seinem Stein, flüsterte nicht, sang nicht. Link Hände berührten noch immer träge das Heft des Schwertes, einmal mehr streichelte er das glatte Material, das völlig unberührt schien und alles, was er fühlen konnte war ein wenig Wehmut. Ein trostloser Gedanke, wie gerne er diese Waffe jetzt sein Eigen nennen würde, wie gerne würde er dieses Schwert mit sich führen, aber Link wusste auch, dass er dies jetzt aus den falschen Motiven heraus tun würde. Er schwieg, aber ein Funke eines tapferen Zugeständnisses wie eine laute Botschaft an sich selbst stach aus dem tiefen Blau seines Blickes. Zelda ahnte um den Zwiespalt, der in ihm brodelte. „Das Schwert wird hier auf dich warten, dann wenn die richtige Zeit gekommen ist“, versprach sie und trat mit diesen verräterischen Worten zu dem Tor der Zeit, ließ Link einige Minuten mit dem Schwert der Legende allein. Nicht, weil sie es musste, aber weil Link diesen Respekt verdient hatte. Link seufzte. Sicherlich konnten sie das Tor zum Heiligen Reich, geschützt durch das Masterschwert, nicht geöffnet lassen. Und das Schwert stellte im Augenblick den einzigen Schlüssel dar, den einzigen Wachposten, denn niemand außer dem einzig wahren Helden konnte Hand an das Schwert legen. Aber wie sollte er jemals gegen Ganondorf kämpfen ohne es? Wäre er bereit für das Schwert, wenn sie innerhalb von drei Wochen Hyrule nach den Weisenelixieren abgesucht hätten? Das konnte doch nicht die Antwort sein. Link sank ein wenig enttäuscht mit seinen Händen an dem Schwert zu Boden und lauschte einer trügerischen Hoffnung… einem feinen Summen, das er von seiner Phantasie kaum trennen konnte, lauschte und suchte Verstehen… Und irgendwo suchte er auch etwas Trost für die Last, die sich auf seinen Schultern immer bedrohlicher und schwerer anfühlte. Er erhob sich mit einem tiefen Atemzug und marschierte stramm vorwärts, blickte bewusst noch einmal zurück zu der legendären Waffe, die in ihrem eigenen Silberlicht zu tanzen schien. Das Leben in jener Klinge war für ihn unleugbar, fühlbar… Und mit seinem nächsten Wimpernschlag, so hätte er schwören können, sah er für den Bruchteil eine bläulich schimmernde Manifestation sich aus dem Stahl erheben. Link lächelte zaghaft, bedankte sich innerlich und mit aller Ehre, die er aufbringen konnte, für das, was er in wenigen Stunden in Hyrule bereits erlebt hatte. Und als er das Tor der Zeit passierte, schloss dieses sich mit einem reißenden, tosenden Laut. Etwas verunsichert suchte er den verdunkelten Innenraum nach seiner Prinzessin ab und fand sie hockend auf der ersten Holzbankreihe. Sie hatte ihre Hände in eine hylianische Gebetshaltung gelegt und blickte nachdenklich zum Altar. „Ich weiß… Bei Anbruch der Nacht sollten wir ein großes Stück des Weges zurückgelegt und vielleicht einen Turm oder Wachposten erreicht haben. Wir sollten nicht verweilen, aber, ich brauche einen Moment hier.“ Sie erklärte es ein wenig umständlich, sodass Link sofort verstand, was das Problem war. Zelda brauchte ebenfalls ein wenig Zeit um zu begreifen, dass sie wirklich zurück in Hyrule war. Er nickte nur, fühlte sich ohnehin zerquetscht von einem hinterhältigen Druck aus Verantwortung und Pflichtgefühl, das ihm die Nackenhaare aufstellte. Und so entschied sich Link am Altar der Heiligen Steine zu warten… Derweil faltete Zelda ihre Hände, murmelte melancholische Worte in Hylianisch und stützte ihren Kopf in die Hände. Ein scheußliches Gefühl einer erschlagenden Realität knallte in ihr nieder. Und obwohl sie das erste Elixier sicher in ihrer magischen Tasche verstaut hatte, so fühlte sich ihre Heimat nicht mehr so an wie es einst war. Es fühlte sich verräterisch, dunkel und bedrohlich an… Ob sie beide es wohl schaffen würden innerhalb von drei läppischen Wochen eine umfangreiche Quest zu bestehen? Sorgen krochen über ihre weiße Haut und drückten über ihrer Brust. Sorgen um Impa, ihren Vater, die Weisen und ihre Freunde. Und ganz besonders quälte sie die Sorge um Link. Plötzlich setzte sich ihr Heroe neben sie, unterbrach ihre Zweifel. „Betest du zu den Göttinnen?“ Seine Augen schimmerten mit Verständnis. Sie nickte lediglich und gab Link das Gefühl nicht darüber reden zu wollen, denn sein Verständnis prallte an ihren mit Schatten belegten Augen ab. Es war so deutlich, so spürbar. Und es war kaum an ihm die Vergangenheit aus ihren Worten zu erzwingen. Seine Prinzessin wählte diesen Zustand von schweigsamen Versteckens schon seit er sie kannte, schützte sich womöglich mit einem Betäuben vor Ereignissen in der Vergangenheit. Sians Worte kamen ihm in den Sinn. Der schlaue Bursche mit Shieks Seele, der ihm verdeutlicht hatte, dass Zeldas Herz voller Wunden war. Aber wie nur sollte er ihr helfen zu heilen? Er verschränkte die Arme, spürte das Umschlagen seines Verständnisses in leichte Ärgernis. Ob sie ihm nicht doch etwas sehr Wichtiges verschwieg? Oder lag es vielleicht sogar an ihm? An einem Fehler, den er nicht erinnerte. An einem falschen Wort aus der Vergangenheit? Seit er Leon über den Weg gelaufen war, sehnte er sich danach mit Zelda über die Vergangenheit zu reden. Nicht nur, dass er es wissen wollte, wegen seiner selbst willen. Der eigentliche Grund war… er wollte herausfinden, was es war, dass Zelda belastete und ihr irgendwie nahe sein, sie spüren lassen, dass er für sie da war. Aber immer, wenn er versuchte zu ihr durchzudringen, wich sie ihm aus und ließ diesen Schatten sich zwischen sie und Link stellen. Dann lächelte sie mit diesem wunderschönen Elfengesicht, verzauberte ihn und alles, was er dann noch tun konnte, war sie zu begehren… Seine Augen ruhten lange Zeit auf ihr, auf ihren geschlossenen Augenlidern, diesen schön geschwungenen Wimpern bis er ebenso zu beten begann. In dem Augenblick geschah allerdings etwas Unvorhergesehenes. Beide Hylianer hatten angenommen und vielleicht sogar gehofft, hier in Hyrule die zwei einzigen menschlichen Wesen zu sein, hatten gebetet für Sicherheit in dieser alten, vergangenen Zeit, aber gerade an diesem heiligen Ort geschahen zu oft Irrtümer des Schicksals. Dieser Ort verbarg die Fehler der Vergangenheit in einer gruseligen, oberflächlichen Unschuld… und Zelda spürte das Umschlagen von der scheinbaren Heiligkeit in eine Düsternis, die sich nur allzu vertraut anfühlte. Ein plötzlicher gewaltigen Energieschub in der Zitadelle ließ sie ihren Körper ruckartig in die Höhe schießen, eine unleugbare Angst fraß sich durch ihre Venen… Diese Energie… beinahe bestialisch drohte sie die Heiligkeit in der Zitadelle zu unterwerfen. Ein Geruch nach Absonderungen uralter Dämonen tobte in Zeldas Nase und ließ sie noch panischer werden. Sie hetzte in Richtung Altar und blickte nervös umher, fixierte jeden Winkel der Zitadelle mit wachen Augen bis ihre Augen jene besorgten ihres Heroen kreuzten. „Was hast du?“, fragte Link verdutzt, der Zeldas plötzliche Aufregung nicht verstand. Er spürte die Unruhe nicht, spürte die sonderbare Erscheinung nicht, wo er doch sonst Dämonen erspüren konnte. Die junge Prinzessin musterte ihn angsterfüllt, aber verlor sich in scheußlichen Zweifeln, die sich wie Gift in ihrem Körper zu winden begannen. „Etwas… stimmt nicht“, sprach sie zitternd und erspähte erschrocken alle Fackeln in der Zitadelle. Und nur eine Sekunde später begann das Feuer wie wild zu flackern, betastet von unruhigen Geistern, die sich ebenfalls fürchteten. „Spürst du das nicht!“, rief Zelda lauter, lauschte einem Raunen, das in der Ferne unterging, ein leises Surren, dass in dem weißen Gestein der Zitadelle pochte. Zeldas Hände begannen zu zittern, so stark, dass sich der Heroe nun doch angesichts ihres Verhalten sorgte und er ahnte, dass Zeldas Wahrnehmungen von einer neuen Gefahr berichteten. Jeden Winkel in der Zitadelle beobachtend trat er in ihre Richtung, erinnerte sich in einem plötzlichen unguten Gedanken daran, dass gerade dieser Ort in Zeldas schlimmsten Alpträumen Präsenz erfahren musste. Denn gerade hier wurde sie einst in der alternativen Zeit von Ganondorf unterjocht… Er war wenige Schritte von ihr entfernt, als mit einem Schlag das Feuer jeder Fackel ausging… und einmal mehr erschauderte ein Raunen, eine spürbare Vibration das Gebäude, kämpfte gegen den, der da kam… Die Augen der Heldengestalten kreuzten sich erneut. Tiefblau trat auf Himmelblau in gespannter Erwartung, während außerhalb eine dunkle Wolke das Licht von Hyrules Sonne bedeckte und die wenigen spärlichen Lichtstrahlen, die noch die Zitadelle beleuchteten, von noch mehr Finsternis vertrieben wurden… Und plötzlich war es sonderbar still. Zu still in dieser gefallenen Welt, wo dennoch wenige Tiere und das Rauschen des Windes über Hoffnung belehrte und auch diese in einem Anmarsch des Verblassens untergingen. Ob es das Verblassen war, dieser elende Fluch, der Hyrule einst ausgelöscht hatte, fragte sich Link. War es diese grausame Macht, die sie beide nun überrannte? Eine düstere Ruhe vor dem Sturm, der das Unabwendbare einleitete und die Geschichte sich wiederholen ließ. Ein weiteres Mal suchte der Held die Blicke seiner Seelenverwandten, nicht sicher, was er darin sah. Die Erwartung des Unvermeidbaren? Hoffnung? Angst? Und schließlich rannte Zelda panisch an ihm vorbei, steuerte hektisch zu den großen Toren, und rüttelte daran wie besessen, rüttelte mit einem verzweifelten Laut, der aus ihrer Kehle kroch. Und da realisierte Link einmal mehr, wie gefährlich alles werden würde, was sie beide in Hyrule taten… Auch Link hetzte zu ihr, versuchte die Tore aufzuschieben, aber sie ließen sich nicht öffnen. „Jemand kommt!“, rief Zelda und presste ihre verkrampften Hände ins Gesicht. Alles an ihr schrie vor Angst, alles an dieser Kämpferin brüllte nach Schutz, bis Link verstand, dass er handeln musste. Es war an ihm jetzt in dieser Sekunde die Entscheidungen zu treffen. Und er würde alles tun, dass sich seine Prinzessin wieder sicher fühlte. „Still jetzt“, rief er, unduldsam und stark. Er packte Zelda an den Schultern und zerrte sie innerhalb von wenigen Sekunden hinter eine der gewichtigen Säulen. Innerhalb von schwindelerregenden Momenten stand sie mit dem Rücken an das steinerne Monument gepresst. Link lehnte sich an sie und schaute knapp neben ihrer Schulter mit seinen scharfen Augen in Richtung des Ganges aus Bankreihen, die zum Altar führten. Er fühlte Zeldas Wärme, ihr starkes Herzpochen, und ihre Atemzüge an seinem Hals. Sie zitterte vor Angst, das konnte Link nicht nur fühlen, sondern auch in ihren Augen sehen. Er flüsterte sanft in ihr Ohr: „Ruhig…“ Sie nickte leicht, vergrub ihr Gesicht dann in seiner Schulter und schloss die Augen mit einem tiefen Seufzer. Die Situation war keineswegs romantisch, aber die einstige Königstochter kam nicht umher die Nähe zu ihrem Helden irgendwie als angenehm zu empfinden. Die beschützende Wärme, die durch sein Kapuzenshirt sickerte, gab ihr Kraft. Und plötzlich krachten gleißende Lichtstrahlen wie Blitze aus allen Richtungen der Zitadelle, vermischten sich in einer Symbiose aus Licht und Donner. Und als sich die knisternde Energie ruckartig am Altar sammelte, kämpfte die Prinzessin mit einem befreienden Schrei, der in ihrer Kehle anschwoll. Sofort hielt Link ihr den Mund zu, sanft aber bestimmend. Sein Blick ruhte konzentriert, beinahe verbissen dort an dem silbrigen Licht, das die heiligen Steine reflektierten. Und im gleichen Moment trat am Altar eine abnorme, verhutzelte Gestalt hervor, kroch schlangenartig aus dem hellen Schimmer, schlürfte vorwärts und hinterließ ein aufgeregtes Pochen in Zeldas Brust. Link spürte ihren hetzenden Herzschlag in der Umarmung, ein fiebriges Atmen, das jenes unruhiges Pochen nur noch unerträglicher machte. Zelda war so voller Angst, dass auch ihm, obwohl er kaum eine Gefahr von der Kreatur spüren konnte, bange wurde. Und wie unheimlich jene Kreatur sich mit verschrobenen Bewegungen vorwärts zog… Das Wesen, nicht erkennbar ob männlich oder weiblich, versteckte schiefe Proportionen eines krummen Körpers zu großen Teilen unter einem langen, blutroten Umhang und doch war so viel von einer abartigen Entstellung sichtbar. Der Rücken des Geschöpfes war krumm, verzerrt. Auf der einen Seite des Buckels ragte durch den blutroten, dicken Stoff ein ekliger Knubbel hervor, während die andere Rückenhälfte normal schien. Den rechten Arm, der doppelt so lang war wie der andere, schleifte die Gestalt wie ein überflüssiges Körperglied hinter sich her, während es mit dem anderen sein Gewicht auf einem langen Holzstab abstützte. An seinen Knöcheln befanden sich Fesseln, und eine große Eisenkugel, die mit einem quietschenden Geräusch auf dem steinernen Boden der Zitadelle herumschlürfte, schabte und ein schiefes Krachen an die Gehörgänge schickte. Eine Kreatur so entsetzlich und unmenschlich wie ein gefallener Gott. Auch Zelda drehte ihren Schädel fast unmerklich zur Seite, beobachtete das Wesen mit einer Mischung aus Erstaunen und Abscheu und versuchte unter Links noch immer währenden Griff einen verängstigten Atemzug zu nehmen. Link suchte einen klärenden Blick aus dem sanften, schönen Himmelblau, wollte die sorgenvolle Irritation darin verstehen und schien kaum zu realisieren, wie unnötig es mittlerweile war, dass er seine linke Hand über ihrem Mund liegen ließ. Dann endlich funkelte Zelda ihren Heroen streitsüchtig an, deutete mit Verärgerung in ihren Gesichtszügen an, was folgte. Sie wusste nicht, was sie tat, als sie ihren Mund einen Spalt öffnete und die Haut von Links Hand mit Lippen und Vorderzähnen leicht zwickte. Und als seine Augen überrascht zu ihren wanderten, das Tiefblau darin mit Verwunderung über eine diese innige Handlung kämpfte, schoss der jungen Prinzessin das Blut in die Wangen. Und anderen Umständen hätte er vielleicht provokant reagiert, oder er hätte vielleicht sogar laut losgelacht, denn Zeldas Handlung war ungemein prekär und schelmisch. Aber er sah auch die Scham in ihrem hübschen Gesicht toben. Er trat einen Schritt zurück, spürend, wie beengend die Situation wurde und setzte seinen Fokus wieder auf jene Kreatur, die sich vor dem Altar zu verbeugen schien. Der jungen Prinzessin schlug derweil das Herz bis in die Kehle, einerseits vor Aufregung, dann auch vor Angst. Hatte sie eigentlich ihren Verstand verloren Link in die Hand zu beißen? Wie absurd… Die Anwesenheit jener Kreatur schien etwas mit Zeldas Seelenleben anzustellen, dass ihr nicht geheuer war… Aufmerksam verfolgten Link und Zelda die Kreatur, deren Atmung unregelmäßig und flach, und mit sonderbarem Rauch aus ihren Lungen kam. Eine lange Hand, mit dünnen Fingern, verschrumpelter, trockener Haut bewegte sich zitternd auf einen der heiligen Steine zu. Sie berührte den versteinerten Goronenopal und murmelte Worte in einer anderen Sprache, vermutlich Hylianisch. Eine geschmeidige, flüssige Sprache, klar und irgendwie klang es nach Heimweh. Weitere Worte krochen wie Beschwörungsformeln aus dem Mund des entstellten Wesens, und je länger es sprach umso tiefer und kratziger drang das Hylianisch über vernarbte Lippen. Link beugte sich noch einmal näher zu Zelda, roch ihr nach Blüten duftendes Shampoo im honigblondem Haar. „Was sagt es?“, flüsterte er, so leise wie möglich. „Pst… Du solltest nicht reden“, zischte sie entgegen und diesmal legte sie ihm ihre Hand auf die schwachrosa Lippen. Gerade da glühte der Goronenopal, ein altes magisches Artefakt, dessen Geheimnisse noch immer tief verborgen in seltenem Kristall ruhten. Er pulsierte beinahe, schickte klirrende Vibrationen durch die Bankreihen und erfasste das grauweiße Gestein. Und einmal mehr saugte sich das magische Hylianisch mit flüssigen Wörtern an dem Kristall fest. Eine Pulsation. Eine erschreckende Technik, die das entstellte Wesen auch mit den anderen heiligen Steinen wiederholte… so als saugten die langen, dürren Finger an einer alten Lebensenergie, die tief in den Kristall eingesperrt war, als sammelte sie Informationen in den speichernden Strukturen… und dann endlich legte sie ihre Kapuze zurück, und das Bildnis einer alten Frau mit grauem Haar und vielen klaffenden und auch vernarbten Wunden im Gesicht wurde sichtbar. Auch wenn da kein Blut war, so erhoben sich die Wunden wie winzige Schluchten auf weißgrauer Haut. Und noch etwas irritierte Zelda immens… Auf der Stirn der Kreatur befand sich ein Dreieck in dunkler Farbe, nicht erkennbar ob gemalt oder ein Mal… und als die Prinzessin in einem Moment von wagemutiger Neugier mit ihren aufgeregten Blicken die Augen des Wesens beobachtete, Augen ohne Pupille oder Regenbogenhaut, scheinbar blutunterlaufen mit zarten Striemen, klapperten ihre mit Metall beschlagenen Stiefel verräterisch auf dem blankpolierten Steinboden des heiligen Bauwerks. Erschrocken über das Klappern unbekannten Ursprungs röhrte die Gestalt in die Richtung, wo die beiden Hylianer standen, einen schrägen, zischenden Laut und verschwand in eben demselben Licht, das sie ihren Weg in die Zitadelle finden ließ. Erleichtert atmeten die beiden aus, spürten ihre Anspannung wie einen halben Goronen von ihren Schultern krachen. Gerade da erleuchtete das Licht der Fackeln erneut die Zitadelle und brachte etwas feuergelbe Wärme in den Innenraum. Und obwohl die Gestalt verschwunden war, hinterließ sie eine Aura ohne Licht und Wahrheit im Herzen, hinterließ ein beunruhigendes Gefühl. Denn hier in Hyrule nicht allein zu sein fühlte sich noch bedrohlicher und unheimlicher an als erwartet. Zelda war immer noch an die Mauer gedrängt, spürte den kalten weißen Stein in ihrem Rücken, während Link immer noch an sie gedrängt vor ihr stand. Jetzt, da das merkwürdige Wesen verschwunden war, wurde die Situation allmählich beengend… und vielleicht ein wenig peinlich, besonders, da er es nicht für nötig ansah, einen Schritt zurückzutreten. Der Held dieses Schicksals war so in seine Überlegungen verstrickt, dass er nachdenklich zu dem Altar blickte. „Link?“ „Ja“, murmelte er direkt in ihr Ohr, aber ließ seine tiefblauen Augen weiterhin den Altar beleuchten. „Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du mich loslassen würdest.“ Zeldas Erleichterung über das Verschwinden der hässlichen Kreatur wandelte sich in überdrehte Heiterkeit, das nervöse Gekicher aus ihrem Mund irritierte ihn immens. Er stotterte plötzlich: „Ähm… nein… äh… ich meine… ja… natürlich.“ Er drehte ihr verlegen den Rücken zu, hob eine Hand an seinen Hinterkopf und kratzte seine Kopfhaut. Er hatte über die mögliche Gefahr sinniert, aber der Gedanke, wie unbeholfen derartige Situationen mit Nähe zu Zelda werden könnten, ließ ihn nur noch nervöser werden. Ob sie beide jemals darüber reden würden, was zwischen ihnen war? „So, also konntest du dieses Ding verstehen? Was genau hat es gesagt?“, lenkte Link ab und überprüfte mit wachen Blick die Umgebung. Noch während er sprach, trat er in Richtung Pforte. Er hörte Zeldas Stiefel hinter ihm her trotten. „Nun, es ist seltsam“, erklärte sie nachdenklich. „Es sagte in etwa: ,Verflucht seiest du, Ganondorf!’ und es hat in einer sehr alten hylianischen Sprache geredet, die ich in meinem Unterricht bei Impa gelernt habe.“ Mit einem Zwinkern nahm Link ihre Worte unter die Lupe. Das war interessant. Nicht nur, dass jene Kreatur tatsächlich Althylianisch sprach, sondern, dass seine wunderschöne Adlige etwas über ihr Leben in der vergessenen Welt erzählte. Ob sie in allen Fächern von Impa unterrichtet wurde? Oder gab es noch andere Lehrmeister für die Prinzessin? „Somit ist ,dieses Ding’ vermutlich keines von Ganondorfs Vasallen…“ Zelda drehte sich um und lief in Richtung der heiligen Steine. Sie berührte sie sorgsam, überzeugte sich von der Unveränderlichkeit jener, überzeugte sich davon, dass jene Heiligen Steine noch über ihre ihnen eigene Magie verfügten. Und weil diese genauso zu sein schienen wie zuvor, kombinierte die blonde Hylianerin weiter. „Ich weiß nicht, möglicherweise ist es auch einfach nur aus Ganondorfs Dämonenarmee ausgestoßen worden.“ „Und dennoch ist die Tatsache, dass wir in Hyrule nicht alleine sind, beunruhigend…“, sprach Link und wartete darauf, dass Zelda ihre Untersuchung an den Kristallen beendete. Eigentlich wollte er diesen Ort so schnell wie möglich verlassen. Was immer diese geschändete Bestie hier wollte, es behagte dem Helden überhaupt nicht, dass es Notiz von ihm und Zelda haben könnte. „Es ist beängstigend…“, murmelte die letzte Prinzessin und trat in Links Richtung, zügig und noch aufgeregter als Link. „Wir sollten nicht länger verweilen…“ Er nickte und schob die großen, schweren Tore auf, sodass das Licht der Mittagssonne hell und gleißend auf ihn niederfiel. Er seufzte mit Erleichterung, da sich die Tore wieder öffnen ließen. Noch immer saß ihm irgendwie die Furcht in den Knochen. Nicht wegen der möglichen Gefahr, sondern, weil er Angst um Zelda hatte. „Sag‘ mir… Gerade eben… hattest du Sorge, es wäre Ganondorf, der uns hier findet?“ Sie hielt inne, musterte ihn streng, ein starres, unbewegliches Mustern, das ihm ein ablehnendes Gefühl entgegenschickte. „Weil er dich hier einmal entführt hat…“, setzte er hinzu und dachte im selben Augenblick, dass er sich den Mund verbrannt hatte. Okay, das war zu direkt. Aber Link hielt sein eigenes Unwissen bezüglich der Vergangenheit nicht mehr lange aus. Eigentlich frustrierte es ihn immens, dass Zelda immer noch nicht bereit war ihm über die alte Zeit zu berichten. Und er ahnte, dass diese unerledigten Dinge zwischen ihnen standen und etwas auslösen konnten, das ihnen nicht gut tat… „Entschuldige, ich wollte nicht so neugierig sein“, entgegnete er und legte eine Hand auf ihre rechte Schulter. Sie hob ihren Kopf in Richtung der Sonnenstrahlen, aber schwieg auf seine Aufwartung. „Link, es ist schon gut“, sprach sie, nicht sicher, ob sie ihm erklären sollte, was vor sich ging. Etwas in ihrem Inneren schnürte ihr beinahe die Kehle zu, wenn sie an die Vergangenheit dachte, an die Ketten der unerfüllten Sehnsüchte, an die lähmende Bürde von alten Ängsten und an alles, was Hyrule niemals mehr sein würde. „Ich bin nicht direkt die Zelda, die die Entführung durch Ganondorf erlebt hat und doch bin ich sie irgendwie… Ich erinnere mich an alles im Schleier von Hylias Gaben… an alle Opfer. An alle Gräueltaten des Bösen. An alle Fehler…“ Eine beklemmende Melancholie durchzog ihre Worte, vermischte sich mit dem erstickten Laut ihrer Stimme und ließ sich Link nur noch scheußlicher fühlen. „Zelda… wenn ich dir irgendwie helfen kann…“, begann er leise. Aber er sah nur das beschämte Kopfschütteln, das ausweichende Wiegen ihres honigblonden Hinterkopfes im Sonnenlicht. „Besser wir machen uns auf den Weg.“ Kühl kamen ihre Worte wie ein Marschbefehl aus ihrem Mund. Es war beinahe als hatte sie Links aufrichtige Worte völlig überhört. Er seufzte angesichts ihrer unglaublich sturen Fähigkeit das, was ihr nicht in den Kram passte, zu ignorieren… Sie schlug die Karte auf den beinahe blankpolierten Steinboden vor dem hoheitlichen Gebäude der Zitadelle auf und hockte sich davor. Sie studierte die Karte konzentriert. Und Link verstand, dass es erneut nichts brachte Zelda in irgendeiner Weise nahe zu sein. In sich selbst versunken hockte sie sich zusammen und ihre ernste Mimik schwappe auf das Pergament. „Siehst du diesen Ort, südöstlich der Stadt Hyrule?“, sprach sie und ließ ihre Fingerspitzen über das strohartige Material wandern, so als wollte sie die Karte streicheln. Link kniete neben ihr nieder und betrachtete sich einen scheinbaren Stützpunkt, nicht weit entfernt von einem weiteren Dorf, einem Wachposten und einer Mauer zwischen zwei Gipfeln. „Ja, was ist das?“ „Ein wichtiger Wachposten als strategischer Schutz der Hauptstadt bei Angriffen“, erklärte Zelda. Natürlich, dachte Link, Zelda verfügte über notwendiges Wissen in der Kriegsführung. Sie wusste, wo in Hyrule Schlachten gewonnen werden konnten und wo Kämpfe mit Niederlagen endeten. Ob sich dieses Wissen noch bezahlbar machen würde? „Hier…“ und erneut deutete sie mit zusammen gekniffenen Augen auf den Wall vor der Hauptstadt. „Hier fielen im Zeitkrieg Hunderte ehrbare Ritter und Soldaten gegen Ganondorfs Armee des Bösen… und genau dort gehen wir hin. Es ist die beste Orientierungsmöglichkeit.“ Irgendwie überfiel den Heroen das Grauen in Form einer Gänsehaut, die seinen Nacken entlang wanderte. Für Sekundenbruchteile erschrak er an einem inneren Bild von blutigem Wahnsinn. Ein Bild von Hunderten Leichen auf graugrüner Steppe und mordlüsterne Krallen, die jene Krieger mit silberblauen Rüstungen niederstampften. Dieser Wall musste schon sehr oft standgehalten haben und sehr oft war das grüne Steppengras über zerfallende Knochen hochgewachsen. „Wenn es gut läuft, erreichen wir den Schutzwall noch vor Sonnenuntergang. Neben einigen Getreideschächten wurden dort auch andere Vorräte in Türmen aufbewahrt. Auch war es ein Umschlagplatz für Hyrules Handel. Dort wurden beispielsweise täglich mehrere Kübel Lon-Lon-Milch angeliefert.“ Zelda blickte mit einer Spur Tatendrang in das verwunderte Tiefblau seiner klaren Augen. „Wenn du originale hylianische Milch kosten möchtest…“ Dann aber verstummte sie wieder und strich sich das blonde Haar über die spitzen Ohren. „Nicht weit entfernt gibt es tatsächlich die Lon-Lon-Farm?“, sprach Link und schmolz innerlich an dem Gedanken. Die Farm von Malon und Talon existierte wirklich? Das war phantastisch. Er wollte Hyrule nicht erneut mit einem Spiel vergleichen, aber hatte er denn wirklich eine Wahl? Noch vor wenigen Wochen wusste er nicht einmal, dass es ein Hyrule gab. „Ja, aber wir können diese Farm nicht besuchen“, sie erklärte hastig weiter und deutete auf die Karte. „Wir sollten uns zunächst Richtung Westen halten und so schnell wie möglich die Wüste erreichen, wo wir Naborus Elixier finden werden. Die Farm ist ein unnötiger Umweg, der uns Zeit kostet.“ Link nickte und lauschte seiner Prinzessin vertrauensvoll. „Wir brauchen außerdem eine funktionierende Unterkunft… und der Schutzwall liegt nahe in der Hinsicht, dass wir uns dort schützen können, egal, was auch kommen mag.“ „Ich verlasse mich ganz auf deine Weisheit.“ Link nahm dann die Karte an sich und zog seine Prinzessin auf die Beine. Er schenkte ihr eine ordentliche Portion Zuversicht mit einem charmanten Lächeln und hängte den Kopf schief, durchlöcherte seine Prinzessin damit. „Zelda… ich wollte dir nur sagen, du bist wunderbar in dem, was du tust… Ich vertraue dir.“ Sie schluckte eine große Portion Speichel mit hochkochenden Ängsten herunter und versuchte die Zweifel in ihren mit Schatten belegten Augen zu verschließen. Das war überhaupt nicht fair. Dass Link ihr Komplimente für ihre Rolle in diesem Wahnsinn machte, war einfach nicht fair. Zu groß war die Last ihrer Verantwortung, zu groß ihre eigenen unter der Haut schlitzenden Schuldgefühle. So gut war sie nicht, und so gut fühlte sich ihr Innenleben nicht an. Links Worte hatten ferner einen sehr naiven Beigeschmack und das fühlte sich irgendwie unecht an. Sie wand ihm den Rücken zu und stolperte verunsichert vorwärts. „Wie auch immer… wir sollten aufbrechen, die Zeit.“ Link spürte, dass seine Worte nicht das erreicht hatten, was er sich gewünscht hatte und murmelte ein verschlucktes „Gut.“ „Gut“, entgegnete sie kühl. Und es war dann, dass beide Heldengestalten die Hauptstadt des alten Reiches Hyrule hinter sich ließen. Ihre Füße bewegten sich strotzend und kraftvoll vorwärts unter der alten Sonne, die eine märchenhafte Steppe flutete. Und vielleicht ließen sie beide noch mehr zurück an diesem Ort als ihnen bewusst war. Denn hier in der Hauptstadt hatten sich vor Jahrtausenden ihrer beiden Wege das erste Mal gekreuzt. Hier war ihr gemeinsamer Anfang. Und hier würde sich vielleicht alles entscheiden, dann wenn ihre Quest zur Rettung der Welten endete… Kapitel 48: Streiten muss Spaß machen... ---------------------------------------- Kapitel 31: Streiten muss Spaß machen... In einer kleinen Stadt, die zur bedeutendsten Ortschaft in den Stunden der Dunkelheit wurde, saß eine selbstherrliche Kreatur fast gelangweilt auf ihrem Thron in einer alten Kathedrale. Es war nicht lange her, da hatte er sich diesen Thron aus einer anderen Dimension, zu der er Dank seines merkwürdigen schwarzen Bildes, einen geheimen Zutritt hatte, beschafft. Er hatte nichts zu tun, als abzuwarten. Er wartete auf ihn... doch diesmal würde sein Gegenspieler den Kampf nicht gewinnen können, schwor er sich. Mortesk kam mit wiedereinmal gebeugtem Rücken angekrochen, kniete demütig nieder und erstattete Bericht an seinen Meister. "Noch wissen wir nicht, was die Weisen planen... falls sie überhaupt Pläne haben." Der Hüne stand von seinem Thron auf und blickte hinaus aus dem Bauwerk in den Himmel, in seine selbstkreierte Dunkelheit. "Mortesk, wie dumm bist du eigentlich, dass du annehmen könntest, die sieben Halbklugen, das heißt die sechs gebliebenen Weisen, hätten keine Pläne. Der grünbemützte Gartenzwerg wird sich mir trotz allem stellen, auch ohne Zelda." "Wie Ihr meint, mein Lord." Die Schreckensgestalt lief wieder zu ihrem Thron und setzte sich. "Mortesk! Wie laufen deine Nachforschungen bezüglich der drei Gefangenen in der alten Welt Hyrule?" "Wie Ihr uns zu Verstehen gegeben habt, ist tatsächlich eines dieser drei Wesen ausgebrochen und irrt in Hyrule umher, ohne zu wissen wohin. Doch fangen konnten wir sie nicht, noch nicht, mein Herr", sagte er leicht fiebrig, als ob er sich vor der Reaktion seines Meisters fürchtete. "Dann bete zu den Geistern des Jenseits, dass ihr dies schnell tut, sonst landest du an einem Ort, der ungemütlicher ist als die Erde." Lachend setzte er hinzu: "Und wenn du diesen Link findest, bring' ihn unverzüglich her." Mortesk verschwand und Ganondorf saß mit zornigen Augen auf seinem Thron. Er hatte irgendwie das Gefühl, dass er etwas Wichtiges übersehen hatte... Mit einem Schmunzeln auf den Lippen traten Zelda und Link aus den gewaltigen Stadttoren heraus. Sie überquerten eine robuste Zugbrücke und erblickten von jenem Ort einen Teil von Hyrules fruchtbarer Steppe, deren grüne Gräser wie farbige Bänder im Wind wehten. Die weite Aussicht, der reine Duft, der zarte Wind... alles vermittelte ungetrübt das Gefühl von grenzenloser Freiheit, dem Drang nach einem Abenteuer, wie keines zuvor und sogar dem ehrlichen Wunsch Herausforderungen anzunehmen und zu bestehen. Link konnte seine Neugier und einen nervenaufreibenden Tatendrang nicht mehr zügeln und rannte wie ein Bekloppter vorneweg, irgendeinen Weg entlang, den er für den richtigen hielt. Zelda blickte ihm mit einem leichten Lächeln hinterher. Manchmal konnte er so kindlich- naiv wie keine zweiter sein. Ja, sie musste sich eingestehen, dass sie gerade diese Seite an ihm einfach nur liebte. Es tat gut ihn so fröhlich zusehen, erst recht nach den letzten Tagen und den schrecklichen Erlebnissen, die ihm widerfahren waren. Link rannte weiter und weiter, bis er auf einem kleinen Hügel stehen blieb und von dort aus mehr von der Reinheit der Natur in sich aufnehmen konnte. Seine tiefblauen Augen folgten einem kleinen Flusslauf in einem Tal weit im Süden. Er überlegte, was es für ein tolles Gefühl sein musste, mit einem Pferd über diese sagenhafte Landschaft zureiten. Nach einer kurzen Verschnaufpause rannte er noch ein Stückchen weiter, als Zelda ihn aber in seiner Abenteuerlust stoppte oder stoppen musste, da er drauf und dran war, den falschen Weg zu bestreiten und sich von niemandem mehr abhalten ließ, dies zu tun... "Link", rief sie, "Warte! Wir wollen nach Südosten. Du rennst aber nach Westen." Nach einigen Minuten stand er außer Puste wieder vor ihr und grinste sie an. "Hast du einen Kompass für mich, Zelda? Sonst verlaufe ich mich noch." Ihre Augen glänzten mit Gewissheit. "Ich dachte schon, du würdest nie fragen." Sie kramte in ihrer Ledertasche herum und holte einen runden Kompass hervor. "Du bist einfach nur spitze", sagte er erheitert. "Ich könnte dich..." Umarmen, war das Wort, was er sagen wollte, hielt aber dann seinen Schnabel. Sie folgten einige Zeit einem abgetrampelten Weg, der ab und zu mit krummen Steinen bepflastert war. Die Sonne am Horizont neigte sich in Richtung Westen. Inzwischen waren drei Stunden vergangen und der Abend nicht mehr fern. Links Magen machte sich allmählich bemerkbar und er fragte sich, wie lange es wohl noch dauern würde, bis sie endlich diese Farm, von der Zelda sprach, erreichten. Logischerweise hatte ebenso Zelda Hunger. Gegen acht Uhr hylianischer Zeit kamen die Beiden an jener kleinen Farm an. Die Sonne verschwand mit einem letzten Glühen am Horizont und erste Abendsterne leuchteten wie Überbleibsel einer vergessenen Welt am Himmel Hyrules auf. Die kleine Farm war umgeben von hohen Zäunen und vielen, vielen alten Laubbäumen. Link schloss aus jenen, dass es sich hier um eine sehr alte Farm handeln musste. Sie standen beide vor einem hohen Tor, das sich nicht öffnen ließ. Link kletterte geschickt und flink, wie er eben war, darüber. Zelda stand immer noch außerhalb und grinste in sich hinein. Irgendetwas führte sie im Schilde und Link zweifelte erneut daran, ob das noch ,seine Zelda' war... Sie machte eine merkwürdige Handbewegung und das Tor flog mit einem gewaltigen Krachen zurück und beinahe aus seinen Halterungen. Link glotzte Zelda schockiert an, wusste aber, dass sie ihm dafür keine Erklärung schuldig war. Sie schloss das Tor, diesmal mit wirklicher Körperkraft und winkte Link in eines der drei Häuser, die in einem Bogen angeordnet waren. Neben den Häusern entdeckte der Held mit dem grünen Basecape noch einen Schuppen, in welchem früher wohl Kühe, Pferde und andere Tiere untergebracht waren. Zelda war bereits in dem einen Haus verschwunden. Link jedoch blieb noch einige Augenblicke außerhalb und betrachtete sich die Sterne am Firmament. Nicht ein Sternzeichen konnte er ausmachen, das es in der wirklichen Welt gab. Wie auch... Hyrule gehörte zu keiner Vergangenheit der Menschenwelt... Hyrule gab es und gab es nicht... Es handelte sich um ein kleines Stück Realität- real für Link, real für Zelda und viele andere Geschöpfe und doch nur ein Spiel, eine Geschichte für die meisten Menschenwesen... Ob man in Hyrule überhaupt Sternbilder kannte? Gab es andere Planeten? Was war Hyrule überhaupt- eine Insel- ein Kontinent- oder nur ein kleines Land, umgeben von vielen anderen? Link versuchte seinen Kopf wieder frei zu bekommen und zog sein Schwert. Er hatte Lust, vor dem Essen ein wenig zu üben. Er schwang seine Waffe mal vertikal, mal horizontal, vollführte Sprünge, Saltos und warf seine Klinge in die Höhe, um es wieder elegant aufzufangen. Zelda stand in dem kleinen, gemütlichen Häuschen und beobachtete Link von einem Fenster. Irgendwie tat es gut zu wissen, dass er in der Nähe war. Außerdem war sie beeindruckt von seiner Kampftechnik, er war gut, ja sogar sehr gut... Sie hätte es niemals für möglich gehalten, dass Link wieder auf diese Art und Weise ein Schwert führen konnte. Sie beobachtete ihn noch eine Weile, starrte hemmungslos seinen Körper an, wurde verlegen und zog schließlich schnell die Vorhänge in jenem Raum zu. Sie würde nie und nimmer zugeben, dass sie ihn wirklich attraktiv fand... Sie nahm eine Hintertür aus dem kleinen, gemütlichen Häuschen und lief gemächlich mit einem großen Kessel aus irgendeinem Material, welches in der Nähe der Goronenheimat abgebaut werden konnte, in Richtung eines Brunnens hinter den Häusern. Sie blickte während ihres Weges in den klaren Sternenhimmel. Sie summte eines ihrer Lieder, die Melodie ihrer kleinen Spieluhr. Sie erreichte den Brunnen. Überall lagen Schatten, die von den alten Bäumen stammten. Zelda schöpfte ein wenig Wasser, überrascht über das Gefühl des hylianischen Wassers in ihrer Hand. Sie hatte vollkommen vergessen, wie es war, wenn Wasser aus dieser Welt die Haut berührte- es erschien ihr so anders, fast fremd, was eigentlich traurig war. Hatte sie Hyrule innerhalb einiger Monate so sehr vergessen? Sie füllte das kristallene Wasser in den Kessel und folgte dem Weg zurück ins Haus. Doch urplötzlich stand jemand hinter ihr. Zelda war allerdings nicht wirklich überrascht, da es sich um eine vertraute Aura handelte. Mit einem warmherzigen Blick in den Augen drehte sie sich um, blickte in das freche, kleine Kindergesicht eines Wesens ohne Namen und stellte den Kessel ab. "Ich habe an dich gedacht", sagte sie. Der kleine Bengel mit den grünen Klamotten lächelte aus dem niedlichen Gesichtchen hervor und erwiderte schließlich ein wenig ernster: " Ich bin hier, um euch zu warnen. Sehr bald werden die Ableger des Bösen auf eure Fährte stoßen. Seid vorsichtig." Zelda schaute das Kind erschrocken an... Ganon würde herausfinden, dass sie hier waren? Nein, das durfte nicht sein! Niemals! Zelda kniete aufgebracht nieder und schüttelte den Knirps an seinen Schultern. "Ich bitte dich. Woher weißt du das und wie können wir das verhindern? Er darf es nicht erfahren!" "Ich fürchte, es lässt sich nicht verhindern... Geschichte wiederholt sich nun mal...", meinte er, fast mit Tränen in den Augen. "Warum erzählst du mir das?" Er blickte weg und schüttelte mit dem Kopf. "Gut", sagte sie, wenn auch mit Verbitterung in der Stimme, "Ich nehme an, du darfst mir darüber nichts erzählen." Er blickte immer noch weg und Zelda fühlte etwas direkt in ihrem Herzen, als dieses Kind ihrem Blick auswich. Aus irgendeinem Grund tat es weh, dieses Wesen von Traurigkeit erfüllt zu sehen. "Schau' mich an", murmelte sie. Aber aus irgendeinem Grund schaffte es das Kind nicht in ihre Augen zu sehen. "Wer bist du nur, dass du mir so vertraut erscheinst, obwohl ich dich nicht kenne", sagte sie sanft. Wiederrum wich das Kind ihrem Blick aus und Tränen sammelten sich in seinen blauen Augen. Dann schüttelte er mit dem Kopf und wimmerte vor sich hin. Zelda konnte nicht anders und umarmte den kleinen Bengel, um ihn zu trösten. Er zog seine Nase hoch und murmelte: "Danke..." "Konnte ich dir denn helfen, da ich an dich gedacht habe?" Er schüttelte mit dem Kopf und sagte leise, kaum vernehmlich: "Ich werde vielleicht nicht existieren... trotzdem danke..." Seine Worte waren kaum verklungen, als er sich aus heiterem Himmel in Luft auflöste. Zelda sah um sich, aber sah nur die Schatten der Bäume, hörte das Säuseln des Windes in den Blättern... Nachdem sich die einstige Prinzessin aus Hyrule gefangen hatte, ging sie in das Häuschen und stellte den Kessel auf einen kleinen Kamin. Wenige Minuten später trat Link in das Häuschen und blickte sich erst einmal gespannt um. Das Gebäude hatte nicht sehr viele Räume und bloß zwei Stockwerke, aber trotz allem war es hier unglaublich gemütlich. Im Erdgeschoss befand sich ein großer Raum mit einem Holztisch, einigen Stühlen, einem kleinen Bett in der hintersten Ecke, einem alten Kamin mit Kochstelle, von woher ein kleines Feuer Wärme spendete. Zelda saß vor dem Kamin und rührte in dem Kessel herum. Sie machte ein komisches, nachdenkliches Gesicht, was Link dazu veranlasste, sich zu ihr zusetzen. Er versuchte es mit einem: "Hey..." Zelda antwortete nicht. Tick. Tack. Wie lange es wohl dauern würde, bis sie ihn wahrnahm? Frustriert startete er seinen zweiten Anlauf: "Hey!?!" "Ich habe dich gehört." "Was ist los", meinte er. Ihre Augen verrieten sie. "Ich habe den kleinen Kerl wieder getroffen." "Ach den kleinen komischen Kauz, der Existenz will." Zelda blickte ihn verärgert an. "Er ist nicht komisch und ein Kauz erst recht nicht. Wieso urteilst du so über diesen Jungen?", meinte sie mürrisch. Und schon wieder hatten die zwei einen Grund sich zu streiten. Seit sie in Hyrule waren, stimmte ihre Kommunikation nicht mehr. Woran es lag, wusste keiner... "Er sagte, dass Ganondorf bald Wind von unseren Plänen bekommt... Aber da ich mit dir ja wohl nicht darüber reden kann, ist es anscheinend besser, wir essen etwas und gehen dann schlafen." Schluss. Aus. Fertig. "Was zum Kuckuck habe ich denn nun schon wieder falsch gemacht?" Gemäß Zeldas kleiner Standpauke hatte auch Link jetzt schlechte Laune. Allmählich wurde die Stimmung zwischen ihnen nicht nur mies, sondern unerträglich. "Du hast ihn beleidigt", hob sie aufgebracht hervor. Zelda sprang auf. Link sprang auf. Sie funkelten sich mit Empörung in den Augen an. "Ich habe ihn nicht beleidigt", schimpfte er. "Doch das hast du", erwiderte sie mit Wut im Bauch. "Dieser Junge wird uns vielleicht den Hals retten, du Dummkopf." "Ach, jetzt bin ich sogar schon ein Dummkopf. Weißt du, was ich denke?" Er ging einen Schritt auf sie zu und packte sie grob an den Armen. "Ich glaube, es geht gar nicht um diesen Jungen, sondern um dich und mich. Was zum Teufel habe ich dir eigentlich getan, dass du mich, seit wir in Hyrule sind, wie Dreck behandelst?!" In seinen tiefblauen Augen lag nun Wut, welche aber von weiteren Gefühlen verdrängt wurde: Kummer und Niedergeschlagenheit. Er ertrug es nicht, wenn Zelda ihn so herablassend behandelte. Das war nicht die Zelda, die er brauchte, die er mochte, jenes Mädchen, das ihm soviel bedeutete. Sie schlug seine Arme weg, sodass es schmerzte. Link schüttelte den Kopf, verstand die Welt und Zelda nicht mehr. Er hatte sich darauf gefreut mit Zelda durch Hyrule zu wandern und ein weiteres Abenteuer zu bestehen, aber nun wollte er eigentlich nur noch, dass alles so schnell wie möglich vorbei war. Gekränkt ging er ins obere Stockwerk. Auf der Treppenstufe meinte er noch verdrießlich: "Ich brauche nichts zu Essen. Ein Dummkopf ist dafür gewiss zu blöd. Iss' deinen Fraß alleine!" Seine Hände waren zu Fäusten geballt und sein Kopf rauchte vor Rage. "Hau' doch ab. Ich komme auch alleine klar", schnaubte Zelda und setzte sich wieder vor den Kamin. Sie füllte eine Tasse mit der Kräutersuppe, die sie aus irgendwelchen Kräutern hervorgezaubert hatte und setzte sich ohne eine Spur Schuldbewusstsein vor das Feuer. Link rannte, erbost und teilweise fassungslos wegen Zeldas letzter Bemerkung die letzten hölzernen Treppenstufen hinauf. Außerhalb des Hauses stand der kleine Bengel mit den grünen Klamotten, schaute durch das blasse Glas des Fensters, blinzelte mit den blauen Kinderaugen, schüttelte enttäuscht den kleinen Kopf und verschwand vielleicht für immer... Link lehnte sich an eine Wand in einem kleinen Gang des Obergeschosses und starrte trüb in die Dunkelheit. Was war nur los mit ihr? Wieso fingen sie beide an, sich wie Trottel zu benehmen, wenn sie etwas Wichtiges diskutieren mussten? Nie hatte er Zelda so behandelt und nie hatte Zelda ihn auf diese Art und Weise weh getan. Ihre Worte brannten in seiner Seele wie Gift. Er ließ sich auf den Boden sinken, lehnte sich an die Wand und legte seinen Kopf auf seine Arme. Er wollte mit ihr reden... er wollte sie beschützen... er wollte einfach nur bei ihr sein... Aber Zelda ließ es einfach nicht zu, sie wies ihn wieder ab und ignorierte ihre Gefühle. Sie ging sogar noch einen Schritt weiter. Um ihre Empfindungen zu betäuben, prasselten gemeine Anschuldigungen und Beleidigungen auf Link herab. Er versuchte sie zu verstehen und ihr Verständnis entgegenzubringen, aber irgendwann konnte er dies nicht mehr. Link konnte nicht ewig auf sie warten... Er machte die Augen zu und realisierte in dem Moment, wie müde er doch war. Nun ja, es kostete Kraft durch Hyrule zu reisen, genauso wie es Kraft, Geduld und Nerven kostete, Zeldas merkwürdige Sinneswandel zu ignorieren. Link gähnte und ging wieder in den großen Raum, wo Zelda sich aufhielt. Sein verletztes Ego und seinen beschädigten Stolz vergessend, tapste er leise die Treppenstufen hinab. Zelda schlief bereits in dem kleinen Bett, hatte ihren Rücken aber zu ihm gedreht. Link nahm sich eine Decke und legte sich mit dieser vor die glühenden Kohlen des Kamins. Ihm fielen die Augenlider zu und er schlief früher ein, als er es für möglich hielt. Mitten in der Nacht öffnete der Held mit der grünen Kopfbedeckung jedoch wieder seine Augen. Er blinzelte direkt in die Dunkelheit des Raumes und versuchte den Grund auszumachen, weshalb er mit einem Schlag wach war. Normalerweise konnte er durch nichts so leicht aufgeweckt werden- der Held hatte wohl einen ziemlich festen Schlaf. (Eigentlich komisch bei den Träumen...) Er setzte sich aufrecht und konzentrierte sich auf sein Gehör. Alles war so ruhig. Vielleicht zu ruhig. Durch die Stille der Nacht vernahm er lediglich Zeldas Atmen, was ihm mitteilte, dass sie sich weit in ihren Träumen befand. Er setzte sein Basecape ab, das er wohl beim Einschlafen vergessen hatte und fuhr durch seine blonden Haare. Sein Blick wanderte zu dem Kamin. Es war unangenehm kalt in Raum, da das Glühen der Kohlen verschwunden war. Schließlich versuchte er wieder Schlaf zu finden, aber es funktionierte einfach nicht... Er drehte sich von einer auf die andere Seite, bis er aufstand und zu Zelda hinüberging. Sie lag zusammengekauert in dem einfachen, kleinen Bett, fast wie ein Baby schlief sie dort. Link beugte sich über sie. Warum nur behandelte Zelda ihn so herablassend, so unfair... Link beobachtete sie eine Weile, als sie plötzlich anfing im Traum zu... Bildete er sich das ein oder weinte sie? Er näherte sich ihr und erkannte Tränen auf ihren Wangen? Sie murmelte irgendetwas und zitterte dann. Hatte sie etwa Alpträume? Warum erzählte sie ihm nichts davon? Verdammt noch mal, Zelda... dachte er. "Link... bitte... nicht...", schluchzte sie, "Mach' deine Augen... wieder auf..." Was zum Teufel träumte sie? Ob es gut wäre sie zu wecken? Lieber nicht, dann behandelte sie ihn wieder wie Abfall und wäre beleidigt, weil er sie geweckt hatte. Dann war da aber in der Stille ein weiteres Geräusch. Irgendein Zischen, Knirschen, das von draußen hereindrang. Ob dieses Geräusch ihn geweckt hatte? Link ging so leise wie nur irgendwie möglich zu dem Fenster. Er schob den Vorhang einen Spalt zurück und blickte angespannt heraus. Zuerst konnte er nichts Ungewöhnliches entdecken. Der Mond stand hoch am Himmel und erhellte mit einem kühlen Schein die kleine Farm. Wahrhaft ein Wunder, dass es in Hyrule einen Mond gab... Eine böse Vorahnung beschlich ihn, worauf er seinen Bogen nahm, sein Schwert auf den Rücken streifte und lautlos das Haus verließ. Ein Zittern überkam ihn, überrascht, da der Wind eisiger war, als er vermutet hatte. Wachen Auges schaute er umher, wissend, dass sich irgendetwas hier aufhielt. Vielleicht ein Monster oder mehrere, vielleicht nur einige Späher Ganons... Link lief um die Häusergruppe herum, an den Schuppen vorbei, aber entdeckte immer noch keine verräterischen Kreaturen der Nacht. Dann fühlte er einen kleinen Stich auf seiner linken Hand, den er aber sofort wieder zügeln konnte und ignorierte. Nun ahnte er endgültig, dass sich Monster auf der Farm aufhielten. Moblins, Knochengänger und anderer Mist, den niemand benötigte. Wie auch immer, er musste diese Kreaturen beseitigen, bevor sie Ganon Mitteilung machen konnten... Link hielt sein Schwert bereit und wusste, der Angriff von irgendeinem Vieh, welches er nicht beschreiben wollte, war nicht mehr fern. In der Dunkelheit blitzten kleine, aber viele rotglühende Augen auf- unzählige... Das widerliche Knirschen und das ekelhafte Gezische kamen nun näher. Link kannte die Monster nicht- eine neue Teufelei seines Erzfeindes? Schön Ganon, du willst wissen, was wir vorhaben, dachte Link, komm' gefälligst persönlich vorbei und schick' nicht deine einfältigen Handlanger. Die kleinen Biester schlichen näher, wie Würmer mit rotglühenden Augen auf dem Boden. Sie besaßen keine Gestalt, sondern bestanden aus purer Dunkelheit, die die Sinne betäubte. Link ging in Angriffsposition und überblickte siegessicher seine Lage. Die Monster kamen näher, noch immer konnte Link nicht erkennen, welche Gestalt sie besaßen, sie waren einfach nur kleine schwarze Punkte inmitten der ohnehin schon dunklen Szene. Einige starteten ihren Vernichtungsdrang, doch wurden durch einen einzigen Schwertstreich von Link ins Jenseits geschleudert. Aus der Dunkelheit erwuchsen mehr und mehr der Kreaturen, und Link schwang sein Schwert schneller, zorniger. Er schnitt Kreise in die Luft und tötete dieses Gesindel eher aus Wut über sich selbst, als aus Tapferkeit. Er schickte diese Monster in den Tod, um sich abzureagieren, da er die Stimmung zwischen ihm und Zelda einfach nicht mehr aushielt. Rücksichtslos und ohne Mitleid tötete er jenen Abschaum, der ihm eigentlich gerade Recht kam. Warum tust du das, Zelda? Bin ich dir im Weg? Ein Dorn im Auge? Mehr und mehr wurden seine Attacken unkonzentriert... mehr und mehr verlor er den Überblick und seine Aufmerksamkeit. Dann schloss er seine Augen und fuchtelte nur noch mit der Waffe herum. Die Kreaturen setzten zum Sprung an. Link erkannte die Gefahr nicht rechtzeitig. Einige stürzten sich zähnefletschend auf ihn. Er wehrte ihre Attacken gerade so ab. Ein Ungetüm allerdings klammerte sich todesmutig an seinen rechten Oberarm, dann senkte es seine Klauen in Links Haut, biss tiefer bis zum Fleisch. Ein Schmerzschrei schallte über die kleine Farm. Der junge Kämpfer wehrte das Vieh ab und stürzte auf die Knie, fragte sich, warum er so dumm und unkonzentriert gekämpft hatte... Unerwartet kam Zelda mit einer Fackel angerannt, worauf die Wesen fluchtartig in der Dunkelheit verschwanden, aus der sie gekommen waren. Sie verkrochen sich in dem Schatten der Bäume, bis ihre kleinen roten Augen nicht mehr leuchteten. Zelda stand enttäuscht vor Link, der es nicht für nötig ansah, sie zu beachten. Sie wollte ihm auf stehen helfen, aber er stieß sie leicht zurück und ging ins Haus. "Warum hast du mich nicht geweckt", fragte sie aufgeregt. Ihre Augen ließen Besorgnis erkennen. Er antwortete ihr nicht und setzte sich vor den Kamin. Er dachte, sie würde seine Anwesenheit fühlen, auch wenn sie schlief. Aber heute wohl nicht... Sie kramte einen Erste-Hilfe- Kasten hervor und wühlte darin herum. Als es ihr zuviel wurde, schüttete sie den ganzen Inhalt heraus und er landete mit einem Sirren auf dem Boden. Da erkannte Link ihre Nervosität. "Zelda, ich habe nur eine einfache Bisswunde. Mach' nicht so einen Stress." Links Augen wanderten zu ihren zitternden Händen. Sie war total fertig mit den Nerven, das konnte Link nun deutlich erkennen. Aber wieso? "Zelda?" Sie kniete vor ihm nieder, krempelte seinen Ärmel nach oben und legte ihm Stück für Stück einen Verband um seinen Oberarm. Doch sie konnte nicht aufhören zu zittern, sondern wurde von Sekunde zu Sekunde aufgeregter. Irgendetwas stimmte einfach nicht mehr, weder in der Freundschaft zwischen Link und Zelda, noch innerhalb Zeldas Selbst. Sie wirkte abgelenkt, teilweise verängstig, zurückgezogen. Dabei hatte Link anfänglich geglaubt, Zelda hätte sich gewandelt, seit sie in Hyrule waren. Link wusste, sie verschwieg etwas vor ihm- etwas Wichtiges. Ob es mit ihren Träumen zu tun hatte? "Danke", sagte Link, "Das ist ein guter Verband." Sie sah ihn nicht an und flüsterte fast, so als brächte sie ihre Worte nicht über die Lippen. "Hast du... starke Schmerzen?" "Nein, ist in Ordnung." Sie setzte sich neben ihn und wuselte mit einem Holzstab in den soeben entfachten Flammen herum. "Möchtest du nicht vielleicht doch eine Tasse von der Suppe", fragte sie ihn, unschuldig, als wäre vor einigen Stunden nichts gewesen. Link allerdings fand die Situation hochgradig unecht und ihr Verhalten wirkte geschauspielert. "Ich habe keinen Appetit", meinte er. "Mach' dir wegen mir keine Umstände", setzte er mit einem gekränkten Unterton hinzu. "Fein." Er blickte sie herausfordernd an und erwiderte: "Ja, alles fein. Du tust, als ob ich ein Schwerverbrecher wäre, redest nicht vernünftig mit mir, beleidigst mich und stellst die Dinge, die ich sage auf eine herabwürdigende Art und Weise in Frage. Aber bei dir ist ja alles fein..." Sie blickte beschämt zur Seite, stand dann auf und sah aus dem Fenster. Sie reagierte nicht auf seine Anschuldigungen und schwieg. Link blickte in das kleine Feuer des Kamins und sagte dann, um vom Thema ein wenig abzulenken: "Wegen diesem kleinen Jungen... Er ist mir schon sehr oft begegnet- in den Träumen, in der Realität und sogar im Zeldaspiel. Ich glaube ihm, auch wenn du den Eindruck hattest, dass ich mich über ihn lustig gemacht habe." Zelda schwieg weiterhin, teilweise betreten und reuevoll. Link hatte Recht, sie war diejenige, die an ihrer mangelnden Kommunikation schuld war. Es tat ihr nun aufrichtig leid, aber mit einer einfachen Entschuldigung war die Sache nicht abgetan. Link stand auf und blieb nur wenige Zentimeter hinter ihr stehen. "Hast du... Alträume", flüsterte er beinahe. Unsicher blickte er auf seine Füße und wartete auf eine Antwort, die jedoch ausblieb. Zelda ging ihm schnellen Schrittes aus dem Weg. Sie ertrug es nicht, wenn er zu nah bei ihr war und marschierte auf ihr Gepäck und ihre Waffen zu. "Wir sollten keine Zeit vertrödeln. Jetzt da einige Kreaturen wissen, dass wir hier sind, müssen wir sofort weiterziehen." Link nickte stumm und schüttelte innerlich mit dem Kopf. Sie beachtete ihn nicht. Immerhin, einen Versuch war es wert, redete er sich ein, um sich besser zufühlen. Auch Zelda schüttelte innerlich ihren Kopf. Es tat ihr leid. Warum nur, war sie so kalt zu ihm? Ausgerechnet zu Link? Sie verstand sich selbst nicht und verfiel in Gedanken an eine Zeit, die weit zurücklag, die sie schon gar nicht mehr für real hielt... Damals war alles so einfach zwischen ihr und Link gewesen... sie hatten sich besser verstanden... oder etwa nicht? Kapitel 49: Geheimnisse der Vergangenheit I ------------------------------------------- So hier mal einige Kapitel in Hyrules Vergangenheit... ab und zu kommen jetzt immer einige solche Rückblicke ; ) Ach ja, zeitmäßig spielt das hier nach Links Abenteuern in Termina. Kapitel 32: Geheimnisse der Vergangenheit I Weit zurück, in einer Zeit, die kaum noch jemand erinnern kann, die nicht einmal existentiell ist, öffnete eine elegante, junge Hylianerin ein hohes Tor in eine riesige Bibliothek, irgendwo im Erdgeschoss des Schlosses der Königsfamilie. Der Ort wirkte alt, allein des Umstandes wegen, dass alte Schriften hier gebunkert waren. In der Mitte standen einige Tische, mit vielen, vielen abgebrannten Kerzen. An der runden Wand führten Treppenstufen auf eine weitere Ebene, wo man weitere Bücher fand. Von da aus führten wiederum Treppen zu einem nächsten Abteil. In jener Bibliothek war es stockfinster. Nur spärliche Lichtstrahlen des Vollmondes spielten mit der Dunkelheit. Kaum ein Hylianer hielt sich zu jenen Abendstunden noch hier auf. Aber diese Hylianerin konnte man nicht normal nennen, nicht nur aufgrund ihres bezaubernden Äußeren, oder dem königlichen Blut, das ihre Venen entlang floss. Der eigentliche Grund für ihre außergewöhnliche Ungewöhnlichkeit war vermutlich in ihren Interessen, Wünschen oder ihrer reinen Aura zu suchen, die etwas schier Göttliches verbarg. Noch auf der Türschwelle stehend, entfachte sie mit einer Geste Handzauberei, welches zwar eine einfache Stufe der Zauberkunst darstellte, aber nicht viel Kraft kostete, die Fackeln an den Wänden. Und ihre Kraft bräuchte sie noch, da sie ahnte, Großes würde geschehen und Großes würde entdeckt werden. Es war wohl eher das, was sie hoffte... Das Licht des Feuers gab die Gestalt nun endgültig preis: eine fünfzehnjährige Lady mit goldenem Haar, einem Abendkleid aus samtenen, roten Stoff mit Stickereien des königlichen Falken in das Gewebe eingearbeitet. Die Enden des Kleides schleiften über dem kalten, frisch gesäuberten Boden, als sie in Richtung eines der Regale in dem hohen runden Raum lief. Obwohl Frühling war, stand in diesem Raum die Kälte, worauf sie leicht zitterte. Sie versuchte die Kälte zu ignorieren und leuchtete mit einer Kerze in der Hand die Buchtitel ab: Mythen der Gottheiten, Magische Eigentümlichkeiten Hyrules, Wissenswertes über Kräuter und anderen Schätzen. Erneut überkam sie ein Zittern und verfluchte sich teilweise selbst bei dem Gedanken, dass sie ihren Mantel in den Gemächern vergessen hatte. Wie auch immer, sie suchte weiter und schaute sich im nächsten Abteil um. Wieder fand sie nicht das, wonach sie suchte. Wo war dieses blöde Buch nur abgeblieben, beschwerte sich ihr jugendlicher Verstand. Vor kurzen hatte sie jenes Buch doch noch gesehen. Komisch war eigentlich die Tatsache, dass es allem Anschein nach Leute gab, die ebenso Interesse an dem Buch hatten. Vielleicht ihr Vater? Vielleicht irgendein Mitglied der Adelsgesellschaft in Schloss Hyrule? Sie schnaubte enttäuscht. Sie war auf der Suche nach einem Buch mit dem Titel: Die Alten Mächte, oder so ähnlich. Ein Buch mit erstaunlichem Inhalt, da es vieles über sehr alte Gegenstände, Siegel und Schriftzeichen Hyrules erzählte. Ein sehr altes Buch, das nicht in falsche Hände gelangen durfte. Sie betrachtete sich weitere Bücher, die ihr helfen würden, einiges Wissen zu erlangen, wonach sie wahrlich strebte. Seit einigen Jahren schon war in ihr ein teilweise zügelloser, zwanghafter Wissensdurst erwacht, den sie kaum stillen konnte. Zumindest kannte sie seinen Ursprung... dort zu suchen, wo die tückische Macht in ihr sich ab und an zeigte... Mit einem Stapel Bücher ging sie wieder in die Mitte des Raumes, setzte sich an einen der alten Holztische und studierte. Inzwischen war es Mitternacht und das Mädchen fand nicht die Antwort, nach der sie suchte. Sie wollte gerade aufstehen, als sie Schritte außerhalb des Ganges vernahm. Die Schritte entfernten sich wieder und sie atmete erleichtert aus. Ihr Vater würde sich nicht freuen, wenn man sie schon wieder in der Bibliothek, erst Recht zu so später Stunde, erwischte. Nicht gut heißen würde er es, da sie, gleichgültig gegenüber ihrem Rang, andauernd ihren Dickschädel durchsetzen musste und ständig das tat, was man in ihrer Position nicht tat. Sie erinnerte sich an ihre missglückten Tanzstunden, die sie regelrecht hasste, und am Ende sich davor versteckt hatte. Bilder von einer Hofdame, die ihr das Nähen beibringen sollte, die aber unter Betteln letztlich in Tränen ausbrach, kamen ihr in den Sinn. Sie hatte sich über alles hinweggesetzt, da sie mehr Wildfang war als königliche Hoheit. Sie wollte Abenteuer erleben, wollte weg und fremde Länder bereisen, dennoch wusste sie, dass sich diese Vorhaben niemals erfüllen würden... Gedanken an einen kleinen Jungen mit tiefblauen Augen, blonden Haaren und dem unschuldigsten Lächeln, das sie jemals gesehen hatte, kamen ihr in den Sinn. Wieder einmal gestand sie sich ein, dass sie ihn wahrhaft vermisste. Vor drei Jahren war er zu neuen Abenteuern aufgebrochen, der sogenannte: ,Held der Zeit', den niemanden so kannte wie sie... Was er wohl gerade tat? Ob er gefunden hatte, wonach er suchte? Sie wünschte sich in diesem Moment eines seines kindlichen Lachens zurück... Von draußen her schallten leise die Töne des Windes, der ein kleines Ständchen in die Nacht hinausträllerte. Bei genauem Hinhören jedoch klang es nicht mehr wie der Wind, sondern wie das feine Spiel einer Flöte. Unsinn, sagte sie sich, die Geister im Schloss spielen dir einen Streich. Sie drehte sich um und wollte aus dem Tor heraustreten, als aber die Töne eine bekannte Melodie annahmen. Diese Melodie... Sie hetzte zurück, warf den Stapel Bücher beinahe um und blickte zu allen Fenstern in dem Gewölbe. Sie hörte die Töne nun deutlich, als ob sie näher kamen. Sie kannte die Melodie, sie liebte die Melodie und das Instrument, welches sie spielte. Sogar die Hände, die sie spielten... Sie hastete die wenigen Treppenstufen hinauf und erkannte eine dunkle Gestalt mit einem grauen Mantel, die außerhalb auf einem Fensterrahmen saß. Er hatte eine Okarina in der Hand. Sie stand vor dem Fenster wie erstarrt, nicht sicher, was sie sagen oder tun sollte. (Vielleicht wäre es ja ein Anfang, das Fenster zu öffnen...) Er beendete sein Spiel, blickte sie durch die Glasscheibe an und grinste angesichts ihrer fast bleichen Miene. Er klopfte an die Scheibe, noch immer ein Lächeln im Gesicht, was ihr sagte, dass er sich freute, sie wieder zusehen. "Willst du mich nicht hereinbitten", fragte er leise und blickte dann, mit rosa Wangen auf den Boden. Hastig öffnete sie das Fenster. Er trat ein und blickte sie an, nun ein wenig verunsichert, da sie einfach nicht auf ihn reagierte. Wusste sie vielleicht nicht mehr, wer er war und hatte ihn vergessen? Er stand ihr einfach nur gegenüber, mit seinem unschuldigen Engelsgesicht, den ernsten, blauen Augen und seiner grünen Tunika, die aber ziemlich mitgenommen aussah und an manchen Stellen Flicken aufwies. Er schluckte einmal kräftig und schaute dann auf seine Füße. "Ähm... Hallo, ich meine... Seid gegrüßt, Prinzessin Zelda", sagte er stotternd und wollte sich gerade vor ihr verbeugen. Schnell zerrte Zelda ihn an seinen Armen zurück auf die Beine und sagte: "Du bist der letzte, der sich vor mir verbeugen sollte, Link." Sie blickte nun ebenso ein wenig scheu weg und zupfte mit ihren Händen an dem Stoff ihres königlichen Kleides. Dann aber hielt sie die Spannung zwischen ihnen nicht mehr aus. Sie ging einen Schritt auf ihn zu, drückte sich an ihn und legte ihre Arme um seinen Hals. "Willkommen zurück in Hyrule, meine Held." Er erwiderte die Begrüßung, nun ein wenig sicherer als noch zu Beginn und mit der Gewissheit, dass Zelda ihn keineswegs vergessen hatte. Es fühlte sich so angenehm an, eine Geste der Zuneigung, die er bis jetzt in seinem teilweise einsamen, jungen Leben nicht kannte. Es war eines der ersten Male, dass er von jemandem umarmt wurde. Er fühlte etwas kaltes seine Wange hinabtropfen und wischte sich diese Träne gleich wieder weg. Helden kennen keine Tränen... Doch auch Zelda weinte Freudentränen, da ihr klar wurde, wie sehr sie ihn doch vermisst hatte. "Ich habe sehr oft an dich gedacht, Link", meinte sie leise, worauf er sie noch ein wenig mehr an sich zog. "Nicht so oft, wie ich an dich", murmelte er, äußerst verlegen. "Lass' dich ansehen." Er löste sich aus ihrer Umarmung und blickte sie nun genau an. "Nicht mehr lange und du siehst genauso aus, wie in der Zukunft, die vergessen wurde, Prinzessin des Schicksals." -"Du aber auch. Besonders deine Stimme hat sich verändert, Held der Zeit." Sie lehnten ihre Stirnen aneinander, blickten sich tief in die Augen und kicherten, bis sie in schallendes Gelächter ausbrachen, das beinahe die ganze Schlossgesellschaft wecken konnte. Es war pures Glück, das beide nun empfanden, allein weil sie sich wieder sahen, während immer noch kindliches Gelächter in den alten Mauern des Schlosses umherschallte. Kapitel 50: Merkwürdiger Edelstein ---------------------------------- Kapitel 33: Merkwürdiger Edelstein Die zwei Streithammel folgten einem moosigen Pfand eines kleinen Laubwaldes irgendwo im Westen. Seit sie die Farm verlassen hatten, herrschte Funkstille zwischen ihnen. Zelda lief vorneweg und Link ein wenig abseits hinterher. Ob sie überhaupt bemerken würde, wenn er einfach stehen blieb und sich auf dem grünen Gras breit machte... sicherlich nicht... Mit einem dumpfen Geräusch ließ er sich unkompliziert fallen und blickte in den blauen Himmel. Nicht eine Wolke zog vorüber. Er streckte seine Arme aus und tat so, als würde er schlafen... Zelda allerdings musste wohl Augen am Hinterkopf haben, da sie ebenso stehen blieb und entgegen Links Auffassung sehr wohl bemerkte, dass er ihr nicht mehr folgte. Sie ließ sich auf die Knie sinken, beugte sich über ihn und blickte direkt in sein sündenloses Engelsgesicht. "Du Schauspieler... ich weiß, dass du nur so tust", sagte sie in einer süßen Stimme, biss sich aber gleich wieder auf die Lippe, da sie nicht das Recht besaß so zu tun, als wäre zwischen ihnen alles in Butter. Sie hatte sein Vertrauen enttäuscht... wie charakterlos von ihr... Link aber öffnete nicht seine Augen und reagierte mit bloßer Lethargie. "Link", sagte sie. "Du Schlafmütze..." Erneut entgegnete er nichts. Zelda zweifelte jetzt doch ein bisschen an seiner Schauspielerei, da er sich nicht einen Zentimeter bewegte... Vielleicht hatte er letzte Nacht zu wenig Schlaf bekommen? Zelda näherte sich ihm noch ein Stückchen, sodass die Spitzen einiger ihrer blonden Haarsträhnen sein Gesicht berührten und sie erkennen konnte, ob seine Augen tatsächlich fest geschlossen waren. "Link", flüsterte sie. Selbst wenn er wach war, wieso sollte er mit ihr reden, da er doch das Recht besaß, erbost über ihre Worte zu sein? Link öffnete seine Augen, blickte sie mit einem Hintergedanken an, den Zelda in seinen Augen nur zu gut kannte und sie wissen ließ: Er hatte irgendeine Frechheit vor. Er packte sie mit einem Grinsen an den Oberarmen und rollte sich mit ihr einige Meter über das saftige, grüne Gras. Nun lag Zelda mit dem Rücken auf dem Gras, ihre Haare darauf zerstreut und Link betrachtete sich jene himmelblauen Augen, die ihn niemals in die Seele des Menschen dringen ließen, dem sie gehörten. Sein Blick wurde dann wieder ernster. Auch diesen kannte Zelda und sie wusste, was er bedeutete. Noch immer hatte er einen festen Griff an ihren Oberarmen, aber eben nicht zu grob. Er hielt sie fest, ließ sie nicht entkommen, da sie ihm endgültig eine Erklärung schuldig war. "Zelda...", sagte er auf eine Art, wie er ihren Namen noch nie gesagt hatte. Es klang wie Musik in Zeldas Ohren. "Du... du musst mir nicht erzählen, was der Grund ist, dass du ab und zu so..." "...so gemein, ekelhaft und geradezu bösartig und nicht zu ertragen bin. Doch ich schulde dir eine Erklärung und vor allem eine aufrichtige Entschuldigung." Sein Griff um ihre Oberarme wurde wieder fester und er lehnte sich nun deutlich zu ihr. "Hör' mir zu", sagte er bestimmend. "Der Grund spielt doch keine Rolle, zumindest im Moment nicht und eine Verzeihung ändert nichts an der Tatsache, dass du irgendwie verändert bist. Ich bitte dich nur um eines... dass du damit aufhörst dich gegenüber mir so launisch zu verhalten und endlich wieder du selbst bist." Sie wollte gerade zu einer langen Erklärung anstimmen, aber Link legte einige Fingerspitzen auf ihre Lippen. "Zelda... ich bin hier in Hyrule, weil ich dir helfen will, nicht um dir im Weg zu sein. Ich bin hier, um dich zu beschützen... ich wollte einfach nur... bei dir sein", sagte er verlegen und blickte dann weg. "Bitte... ich ertrage es nicht, wenn du mir derartige Sachen um die Ohren wirfst. Auch wenn ich sonst alle Gemeinheiten wegstecken kann... und, dass ich deine fiesen Worte nicht ertrage, liegt nicht daran, dass ich jetzt spitze Ohren habe...", ergänzte er leicht aufmunternd. Verzweiflung, Reue und ehrliches Schuldbewusstsein lagen nun in ihren blauen Augen, wie ein Schatten, der sie wegtragen könnte. "Seit wir in Hyrule sind, habe ich nur Fehler gemacht... Ich habe dir weh getan und dein Vertrauen enttäuscht. Es..." Link vermutete, dass sie versuchte es ihm zu erklären, und stoppte ihre Worte mit einem Kopfschütteln. Er wusste, sie war einfach nicht dazu in der Lage ihm alle Erklärungen zu geben. Was auch immer der Grund für Zeldas Kälte sein mochte, ob nun Angst, Verzweiflung oder Mutlosigkeit ihre Ursachen sein mögen, Link fühlte, dass es ihr schwer fiel mit der Wahrheit herauszurücken. "Erzähl' es mir, wenn du so weit bist, okay?" Sie blickte ihn dankend an. "Ich warte auf dich...", sagte Link leise, nun noch verlegener, bis er sich ihr noch ein Stück näherte. Zelda lächelte ihm entgegen. Er erwiderte das sanfte, teilweise verliebte Lächeln. Sie schlossen ihre Augen, ihre Lippen näherten sich langsam... Die Zeit schien still zu stehen. Zelda und Link vernahmen weder das Zwitschern der Vögel noch das Rauschen des Windes oder andere Geräusche. Sie waren vollkommen mit sich selbst beschäftigt. Neben den angenehmen Naturklängen, zerstörte ein eigentümliches Knacken die Ruhe, eine Art berstender Ton. Link öffnete schnell seine Augen, ließ von ihr ab und ahnte, was geschah. Unglücklicherweise konnte er es nicht mehr verhindern. Unter Zelda und Link brach mit einem Schlag der Boden auf. Sie hatten beide keinen Halt mehr und stürzten hilflos in die Tiefe, in eine fremde Dunkelheit. Nach einer Weile öffnete Link desillusioniert seine Augen. Ihm tat alles weh und im ersten Augenblick, war ihm nicht klar, wo in Hyrules Namen er sich eigentlich befand. Noch mit Schwärze vor den Augen versuchte er sich zu erinnern, was geschehen war und weshalb ihm sein Rücken so höllisch weh tat; und genauso seine Brust, sein Magen, überhaupt sein ganzer Oberkörper sich anfühlte, als ob einige Tonnen darauf gelagert waren. Als er seine Sinne ordnete und vor allem herausfinden wollte, was auf ihm lag, stellte er beruhigt fest, das es sich um Zelda handeln musste. Ach ja... er erinnerte sich wieder. Irgendwie hatte sich die Erde aufgetan und sie waren beide in die Tiefe gestürzt. Der Schmerz im Rücken klang allmählich ab und Link stellte erleichtert fest, dass er sich bestimmt nichts gebrochen hatte. Stabile Knochen und seine tägliche Angewohnheit Milch zu trinken haben ihm wohl den Hals gerettet. Links Hände wanderten zu Zeldas Schultern, dann zu ihrer Hüfte. Irgendwie musste er es schaffen, sie von ihm herunterzubefördern, ohne ihr weh zu tun. Hoffentlich war sie okay. (Immerhin hatte sie eine schöne, weiche Landung.) Wenige Sekunden später lag sie in seinen Armen und Link untersuchte mit einer Öllampe aus seiner magischen Tasche, ob sie äußere Verletzungen hatte. "Zelda?" Obwohl er leise gesprochen hatte, schallte seine Stimme in den unterirdischen Gefilden, wo sie sich jetzt befanden, noch weit entfernt. Zelda schien nichts abbekommen zu haben, auch wenn sie ohnmächtig war. Er stellte die Öllampe beiseite und versuchte sie irgendwie aufzuwecken. Er streichelte über ihre Wangen, über ihre Lippen und wiederholte erneut ihren Namen. Sie öffnete unerwartet ihre Augen und lächelte ihm leicht entgegen. Ein: "Was ist denn passiert?", entkam ihr und sie richtete sich auf. "Wir sind in die Tiefe gestürzt. Ist alles in Ordnung mit dir?" "Ja, seltsamerweise tut mir gar nichts weh." Link verkniff sich ein albernes Lachen und nahm sich wieder seine Öllampe. (Ihm war schon klar, dass sie keinerlei Schmerzen haben konnte...) "Und was machen wir jetzt", meinte Link. "Ich habe keine Ahnung. Auf jeden Fall sollten wir einen Weg hier herausfinden..." Zelda schaute in Richtung der Sonnenstrahlen, die durch die Öffnung der Höhle fielen. Sie mussten beide einige Meter gefallen sein, denn die Öffnung erschien sehr weit oben und unerreichbar. Hinaufklettern war also keine Option. Das Licht von Links Öllampe leuchtete umher. Sie befanden sich in einer großen Höhle mit Tropfsteinen, die von der Decke ragten und in allen Farben leuchteten. Zwei kleine, dunkle, dreckige Gänge führten aus der Höhle heraus. "Haben wir doch ein Pech. Wir müssen so schnell wie möglich durch Hyrule reisen und nun passiert uns so was. Ich glaube langsam, das Schicksal hat was gegen uns", sagte Zelda, deren helle Stimme noch durchdringender in jenem unterirdischen Labyrinth umherschallte. Link legte einen Arm um ihre Schulter. "Kopf hoch. Wir kriegen das schon hin. Vielleicht hat es einen Grund gehabt, dass wir hier gelandet sind?!" "Du Superoptimist." "Ist das mein neuer Spitzname? Ich muss sagen, ich fände Link doch schöner." "Okay... dann: Link." Sie blickten sich durch den feuerroten Schein der Lampe an. "Link, ich habe eine Bitte." "Und... die wäre?" "Falls ich wieder... ausfällig werde, kannst du mich dann bremsen?" Link wollte schon lachen, begriff aber im nächsten Moment angesichts ihrer trübsinnigen Miene, dass sie es wahrhaft ernst meinte. "Versprochen... aber wie ich dich dann bremse, ist mir überlassen, ja", sagte er mit einem linkischen Hintergedanken. "Ja." In dem Moment fühlte sich Link ihr wieder so nahe, wie schon lange nicht mehr. Er hatte den Eindruck, das dieses hübsche Gesicht ihm gegenüber wieder: ,seine Zelda' war, jenes Mädchen, das nach ihm gerufen hatte, jenes Wesen, dessen Ruf er gefolgt war. Ihrer Intuition und vor allem ihrer Nase folgend, gingen sie gemeinsam einen der beiden Gänge entlang. Von der Decke tropfte unaufhörlich Wasser und in der tiefen Dunkelheit wurde es immer kühler. Allmählich fragten sich die beiden spitzohrigen Gestalten, ob der Weg doch den richtigen darstellte. Sie hatten mit der Zeit den Eindruck, dass jener Weg immer tiefer in das unbekannte Labyrinth führte. Sie gelangten in ein weiteres hohes Gewölbe, wo überall an den Wänden Fackeln angebracht waren. Link entzündete diese mit dem Feuer seiner Öllampe, worauf der ganze Raum in hellen Farben erleuchtete. Nichts bewegte sich, außer den heiteren Schattenspielen an den klitschigen Wänden. "Link", sagte Zelda, ein wenig aufgebracht. "Was ist?" Er drehte ich zu ihr und stellte überrascht fest, dass mal wieder irgendetwas merkwürdiges im Gange war. Mit der Zeit konnte ihn echt nichts mehr überraschen. Das Medaillon, oder die seltsame Uhr besser gesagt, welche Zelda um ihren Hals trug, gab ein rötliches Glühen von sich. Sie nahm es in ihre Hand und öffnete es. Aber außer dem Glühen hatte sich auf dem Ziffernblatt nichts verändert. "Was glaubst du, hat das zu bedeuten", meinte Zelda und sah dann die Ratlosigkeit in Links Blick. Zelda umfasste das Medaillon ein wenig fester und fühlte nun deutlich, das es irgendwie auf etwas reagierte, es pulsierte, als ob es lebte. Sie lief einige Schritte in dem unterirdischen Gewölbe umher und stellte fest, dass es an manchen Stellen stärker und an anderen schwächer glühte, vibrierte. "Zelda, würdest du mir die Uhr mal bitte geben?" "Ja, klar doch." Sie öffnete den Verschluss und reichte es ihm. Zuerst hatte man den Eindruck, er würde genau das gleiche, was Zelda getan hatte wiederholen, nämlich in der Höhle auf und ab wandern um dort auszuprobieren, wo es am stärksten pulsierte. "Hat es denn in der Vergangenheit schon mal so reagiert", fragte Link, ohne Nachzudenken. "Nein... aber das lag wohl eher daran, dass ich nicht häufig aus dem Schloss herausgekommen bin...", sagte sie trübsinnig. "Schloss Hyrule ist zwar wunderschön und hütet viele Schätze, aber in meinen Augen ist es für eine Königsfamilie nichts anderes als ein Zwinger, stets darauf bedacht, das königliche Blut von der Außenwelt fern zu halten..." Link starrte sie geschockt an. Von der Seite hatte er das Schloss noch nie betrachtet. Die Tatsache, dass Zelda so redete, gab ihm allen Grund zur Besorgnis... Sie musste sehr einsam gewesen sein, hinter den Schlossmauern, ohne Freunde, ohne die Möglichkeit das Leben zu genießen. Sie blickte auf den Boden und war mit ihren Gedanken mal wieder jenseits dieser Welt. "Zelda?" Seine Stimme rief sie zurück in diesen Teil der Wirklichkeit. "Schon gut", erwiderte sie. Wie immer wollte sie nicht darüber reden... Link trug weiterhin das Medaillon spazieren, während sich Zelda ebenso genau in dem kalten Raum umsah. Nach einiger Zeit blieb Link stehen und hatte den Ort ausfindig gemacht, an dem das Medaillon am stärksten leuchtete- Link stand genau in der Mitte des Raumes und schaute sich um, mal nach oben, mal nach unten. Er hüpfte zur Seite und schabte mit seinen Turnschuhen auf dem Boden herum. Er war dabei eine tolle Entdeckung zu machen. "Zelda! Hey, Zelda, ich glaube, ich habe etwas gefunden", rief er, erfüllt von Vorfreude und Tatendrang. Sie lief zu ihm herüber und bestaunte die Stelle, an welcher eine kleine Vertiefung in das graue Gestein eingelassen war: eine runde Einkerbung, in die das Medaillon perfekt passen würde. Ohne Umschweife legte Link das Medaillon in die dafür vorgesehene Rille. Im ersten Moment geschah nichts Weltbewegendes, nur dass der Staub rundherum aufgewirbelt wurde und die Hylianer erkennen konnten, dass es sich bei dem Boden um eine Art Zeichen mit seltsamen Schriftzeichen handeln musste, wobei die kleine Einkerbung für das Medaillon in der Mitte lag. Zelda aber hatte dieses Zeichen schon mal irgendwo gesehen, wenn sie sich doch nur erinnern könnte... "Toll...", meinte Link spöttisch. "Wäre ja aufregend gewesen, wenn sich etwas getan hätte." Einige Sekunden vergingen. Link und Zelda standen wie zwei ahnungslose Trottel in dem unterirdischen Raum. Sie blickten sich mutlos um und gaben schließlich auf. Wenn nichts passierte- passierte eben nichts... Link kniete nieder und wollte das Medaillon aus der Vertiefung herausnehmen. Nur leider steckte es fest. Vielleicht passierte ja doch noch was... Tatsächlich. Ein Wunder (okay, das ist überspitzt)! Geduld macht sich eben bezahlt. Etwas geschah. Das Medaillon glühte stärker und häufiger in der Minute in jenem roten Licht. Das Licht breitete sich aus und lief wie flüssiges Metall die verschiedenen Einkerbungen des Siegels entlang, bis das ganze Zeichen auf dem Boden in roten Farben flimmerte. Interessiert betrachteten die beiden spitzohrigen Gestalten das Schauspiel. Das Medaillon löste sich aus der Einkerbung und schwebte wie verzaubert nach oben, bis es einfach in der Luft stehen blieb. Daraufhin schwebte es aus heiterem Himmel zu Zelda und legte sich wie ein lebendiges Wesen um ihren Hals. Aus der Vertiefung wuchs ein drahtiges Gestell mit geringem Durchmesser nach oben und stand etwa in Kopfhöhe zu Link und Zelda still. Link war von soviel Zauberkunst und geisterhaftem Geschehen begeistert. Was es wohl noch so alles in Hyrule zu entdecken gab? Er lief einen Schritt auf das merkwürdige Gestell zu und entdeckte einen kleinen Kasten darin. Vorsichtig zog er daran, worauf er den Inhalt dieser verstaubten Schublade betrachten konnte. Wie viele tausend Jahre war diese Anrichtung eigentlich alt? Er kramte ohne mit der Wimper zu zucken in der Schublade herum und holte einen kleinen roten Stein daraus hervor. Er reichte Zelda das kleine Steinchen, worauf sie sagte: "Weißt du, was das ist?" "Nein, woher denn? Kennst du diese Gesteinsart?" "Allerdings. Ist dir Gossipgestein ein Begriff?" "Irgendwo habe ich das Wort schon mal gehört." "Hierbei handelt es sich um sogenanntes Rotes Gossipgestein aus Hyrule. Es verleiht seiner Geschichte nach telekinetische Fähigkeiten." "Und was machen wir damit, Zelda?" "Weiß nicht. Aber irgendeinen Nutzen wird es schon haben..." Sie lächelte in sich hinein und packte das Steinchen in einen kleinen zusätzlichen Beutel. Irgendwo in ihren Erinnerungen lag die Antwort auf das Rätsel versteckt, denn dieser Stein und einige andere hatten eine große Bedeutung. Nur blöderweise wusste Zelda das Geheimnis nicht mehr, ein Geheimnis, das mit den mystischen Kräften des Medaillons zu tun hatte. Dann vernahm Link ein Geräusch, was ihm nicht sonderlich geheuer war. Es hörte sich an, wie das Drehen an irgendwelchen Rädern, vielleicht die Uhr des Schicksals, die bald abgelaufen sein würde, vielleicht auch nur Einbildung. Zelda jedoch hörte nichts. Sie beschlossen sich nicht länger hier aufzuhalten, wer wusste schon, welche Gefahren hier hausten... Sie folgten einen weiteren Gang, der immer schmaler und enger wurde, bis sie nur noch krabbeln konnten. Immerhin wurde die Luft wärmer, was ihnen sagte, dass sie vermutlich einem Ausgang sehr nah waren. Sie erreichten einen hohen Schacht, aus dem eine schmale, aus Eisen bestehende Wendeltreppe ohne Geländer hinaus führte. Sehr stabil und einladend sahen die Treppe und deren schmale Stufen ja nicht aus, aber besser als die unterirdische Dunkelheit waren sie allemal. "Lady' s First", sagte Link und schob sie in Richtung der Treppenstufen. Zelda entgegnete nur mit einem Kopfschütteln und tastete sich vorsichtig voran. Weit oben drangen einzelne Lichtstrahlen in den Schacht hinein. Erneut hörte Link ein seltsames Geräusch, was ihn zur Eile drängte. Auch Zelda hatte es vernommen und hastete die Treppe hinauf. Sie lief immer schneller und beachtete keineswegs, dass es sich hier um eine gefährliche Treppe handelte, die jeden Moment aus ihren Nähten brechen konnte. "Zelda, sei vorsichtig", rief Link ihr zu, der bedenklich auf das rutschige, mit irgendwelchen Schimmelpilzen bewachsene Material der Treppenstufen schaute. Zelda befolgte seine Warnung und tastete sich ein wenig langsamer voran, bis Link wieder direkt hinter ihr lief. Nach einer Weile hatten sie die Hälfte des Weges geschafft. Doch dann wendete sich überraschend das Blatt. Zelda wurde leichtsinnig und lief wieder zügiger. Erneut ein bedrohliches Geräusch aus der Tiefe, die beide keines Blickes würdigen wollten, denn irgendetwas lauerte nun dort unten. Das Geräusch kam näher und Zelda verlor die Geduld. Schnell setzte sie einen Fuß vor den anderen. Wieder ein Geräusch, nun näher als zuvor. Dann geschah es. Zelda rutschte schreiend ab und verlor das Gleichgewicht. Sie hatte keinen Halt mehr und war dabei in die unendlich scheinende Tiefe zu stürzen. Todesmutig warf sich Link halb über die Kante, krallte sich gerade so den rechten Arm von Zelda und hing wohl am seidenen Faden. "Ich hab' dich", war das einzigste, das er sagte und versuchte sie irgendwie hochzuziehen. Dieses Vorhaben gestaltete sich aber schwieriger, als angenommen. Zelda blickte flehend nach oben. Ihre Fingerspitzen krallten sich in die Haut an Links Oberarm. Bemüht den daraus resultierenden kleinen Schmerz zu unterdrücken, blickte Link Zelda an. Angst lag in ihren Augen, während Link versuchte sie nach oben zu befördern. Obwohl Zelda ein fast federleichtes Gewicht hatte, kam sie ihm jetzt unheimlich schwer vor. "Link, bitte, lass' mich nicht los", schluchzte sie. Nun stiegen ihr Tränen in die Augen. "Hör auf, so was zu denken", sagte er. Inzwischen tat ihm sein linker Arm höllisch weh. Aber er würde sie niemals fallen lassen- eher selbst mit ihr in die Tiefe stürzen. Während er immer noch direkt in Zeldas Augen sah und sie in seine, hatte er eine Idee. Er klemmte seine Füße in die Ritzen zwischen den Treppenstufen, hoffend, dass er nicht wegrutschen würde. Jetzt hatte er auch die andere Hand frei. "Zelda. Nimm' auch meine andere Hand." Ohne Zögern umfasste sie seine andere Hand ebenso. "Versuch' dich mit deinen Beinen an der Wand nach oben zu stoßen", sagte er laut und anordnend. Ihre Füße berührten die feuchte Wand und sie versuchte sich nach oben zu bewegen. Mit einem lauten Schrei rutschte sie weg. "Probier' es noch mal. Mach' schon", fauchte er fast. Sein linker Arm brannte nun in dem Schultergelenk, aber er hielt sie immer noch fest. Niemals würde er loslassen. Sie versuchte erneut Halt an der glatten, vermoderten Wand zu finden und stemmte ihr Gewicht nach oben. Links rechte Hand ließ ihren Arm los und griff nach dem Stoff ihrer Weste am Rücken, dann nach ihren Gürtel. Hoffend, dass dieser nicht reißen würde, zerrte er Zelda nach oben. Wenige Zentimeter und sie war in Sicherheit. Mit einem Seufzen hockte Zelda schließlich neben Link auf den rutschigen Treppenstufen. Sie hielt immer noch seinen Arm umklammert, während Link weiterhin einen Schmerz in seinem Schultergelenk wahrnahm. Zelda saß todesbleich, wie ein Häufchen Elend auf der Treppenstufe und starrte schockiert ins Nirgendwo. Sie brachte einfach keinen Ton heraus. Auch Link saß jetzt auf der Treppenstufe, ignorierte die brennende Schulter und murmelte: "Ich hätte dich niemals losgelassen, Zelda. Lieber wäre ich..." Er stoppte seine Worte, als Tränen über Zeldas Wangen rannen. "Hey", sagte er sanft und wischte mit seiner rechten Hand die Tränen unterhalb ihrer Augen weg. "Es ist okay." Link stand auf und half ihr ebenso auf die Beine. "Lass' uns langsam weitergehen." Sie nickte und schien sich ein bisschen gefangen zu haben. Diesmal lief Link vorneweg, hielt Zeldas Hand fest in seiner rechten und folgte vorsichtig den Treppenstufen. Immer noch brannte seine Schulter und irgendwie schien der Schmerz sich über seinen Arm auszubreiten. Das merkwürdige Geräusch aus der Tiefe aber verschwand. Nach einigen Minuten erreichten sie festen Boden unter den Füßen. Sie befanden sich immer noch in jenem kleinen Laubwald und ließen sich tief ausatmend auf das Gras fallen. Zelda hatte seit dem Vorfall nichts gesagt und Link studierte seinen Arm. Sie sah ihm an, dass er starke Schmerzen haben musste... Link versuchte seinen linken Arm in die Höhe zu heben, musste aber schmerzhaft erkennen, dass dies nicht möglich war. Es brannte, schmerzte noch mehr als zuvor. Er umklammerte mit seinem anderen Arm seine linke Schulter. "Verflucht", stöhnte er vor sich hin und machte dann seine Augen zu. Zelda setzte sich hinter ihn und begutachtete ohne ein Wort seinen linken Arm. Sogleich stellte sie fest, was falsch war und sagte leise: "Dein Arm ist ausgekugelt..." "So ein Mist", brachte er schmerzverzerrt hervor. "Leg' dich ausgestreckt auf den Boden. Ich helfe dir...", flüsterte sie. Sie umkrallte mit beiden Händen seinen linken Arm. Ein lauter Schrei aus Links Kehle zeriss die Ruhe in den Wäldern, die zwitschernden Vögel flogen aus den Laubdächern und das Zirpen der Grashüpfer stoppte. Nach einer halben Stunde lag Link immer noch ausgestreckt auf dem Boden, während Zelda still, zusammengekauert neben ihm in den Himmel starrte. Sie realisierte soeben erst, was Link vor wenigen Minuten für sie getan hatte. Einmal mehr hatte er ihr das Leben gerettet... Wie sollte sie ihm dafür nur jemals danken? Es waren nun unzählige Male, die er sie vor dem Tod bewahren konnte. Sie wünschte, sie könnte nur einmal irgendetwas Gleichwertiges für ihn tun. Aber warum nur tat er das- sowohl heute, als auch damals? Warum nur opferte er sich so für sie auf? "Zelda...", sagte Link, als er endlich wieder seine Augen öffnete. Sie blickte ihn an und wusste nicht, was sie sagen sollte. Wie sollte sie beginnen? Ihm schon wieder Danke sagen, da er ihr Leben bewahrte? Ein einfaches, blödsinniges Danke, dass ihm doch nichts geben konnte? Sie schwieg, blickte durchdringend in seine Augen. Diesen Blick hatte er noch nie gesehen- er war erfüllt von Wärme, Fürsorge und Verlustangst. Ein Blick, der tausend Worte überflüssig machten. Ein ehrlicher, unbeschreiblicher Blick und Link erkannte darin nun noch etwas anderes... War es Liebe? Dann ließ sie sich neben ihn auf die Wiese fallen, drehte sich zu ihm und suchte seine Umarmung. "Verzeih' mir...", sagte sie leise. "Zelda?" Er wusste nicht, wofür sie sich entschuldigte, hatte aber auch nicht den Drang es wissen zu wollen. "Ich brauche dich", platzte es aus ihr hervor und Link hatte das Gefühl zu träumen. Hörte er richtig? "Bitte verlass mich nicht. Ich schaffe diese Reise nicht ohne dich..." Dieser Augenblick war einer der wertvollsten und seltensten, welche Link erleben durfte. Die Momente, in denen Zelda sich überwand Gefühle zu zeigen, waren kostbar und rar. Er würde dieses Stück vom Glück in seinem Herzen aufbewahren. Link richtete sich auf, blickte sie aufmunternd an und setzte sich ihre gegenüber. "Zelda... ich würde das Gleiche noch einmal tun, egal, was passiert... auch ich schaffe diese Reise nicht ohne dich." Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und blickte sie lange an. Er konnte einfach nicht anders und versuchte in ihre Seele zu sehen, bevor Zelda wieder dicht machen würde. "Hast du noch Schmerzen in deinem Arm?" "Es geht so." "Ich möchte dir aufrichtig danken... nicht nur für heute, sondern für die vielen Male, da du mir jetzt schon das Leben gerettet hast. Danke, mein Held", murmelte sie und sah dann beschämt zur Seite. "Wenn es etwas gibt, das ich für dich tun kann, um dir zu danken, lass' es mich bitte wissen." "Dein Lächeln ist mir Dank genug", murmelte er und sprang dann auf. Manchmal verraten Worte doch zuviel... Sie liefen weiter, folgten schweigend dem alten Waldweg, sahen die Sonne sinken, beobachteten den Mond, der langsam aufging. Es war spät abends, als sie aus dem Wald heraustraten und erneut die Steppe vor ihren Augen erblickten. Der zweite Tag in Hyrule war zu ende und ein stressiger Tag obendrein. Zelda deutete auf eine Art Wachturm inmitten der Steppe, wo sie heute ihr Lager aufschlagen konnten. Verträumt liefen sie nebeneinander. Im Moment gab es nichts zu sagen, und dennoch lag beiden soviel auf dem Herzen. Link ging es inzwischen wieder gut genug, um mit seinem Schwert kämpfen zu können. Nur gut, dass es nichts Schlimmeres als ein ausgekugelter Arm war... Wenig später standen sie vor einem Wachturm inmitten der Steppe. Sie kletterten beide eine Holzleiter nach oben und erklommen ein kleines rundes Zimmer, wo nichts weiter stand als ein großes Fernrohr, einige Speere an die Wände gelehnt waren; und die zwei Hylianer einige Fässer mit hylianischem Gebräu in einer Ecke gestapelt vorfanden. Link entfachte das Feuer seiner Öllampe und stellte diese in die Mitte des Raumes. Zelda kramte einige Decken heraus, als Link seine Arme nach oben streckte und herzlich gähnte. "Mann, bin ich müde", murmelte er. "Ich ebenfalls" meinte Zelda leise. "Aber vorher wäre eine Mahlzeit nicht schlecht. Was möchtest du essen?" Dieser Satz klang so selbstverständlich, aber hier in Hyrule, in einem einfachen Wachturm, wo nicht einmal eine Stelle zum Kochen vorzufinden war, in einem Land, wo es keine Supermärkte gab... klang dieser Satz einfach nur ungewiss. "Was haben wir denn?" Sie hatten allerlei Kram mitgenommen. Link entschied sich schließlich für einige Scheiben Brot mit irgendwelcher Beilage. Solange man dieses noch essen konnte, sollte man sich wohl am Geschmack erfreuen. Nach dem Essen packten Link und Zelda den Krimskrams wieder in die magischen Taschen, da sie morgen so früh wie möglich aufbrechen wollten. Link blies das Licht der Öllampe aus, da er auf Nummer sicher gehen wollte, falls sich irgendwo Ableger Ganons herumtreiben sollten. Er krabbelte unter seine Decke und blickte in die Düsternis des Raumes. War das tatsächlich real, fragte er sich. Diese Abenteuer mit Zelda- geschahen diese wirklich? Er war jetzt schon zwei lange Tage in Hyrule unterwegs und immer noch waren da diese Zweifel. Die Skepsis, ob vielleicht alles nur ein lächerlicher, aber grandioser Traum war, die Ungewissheit, was morgen sein würde und die Kenntnis, sich irgendwann einem bösartigen Teufel namens Ganondorf stellen zu müssen. Und die unleugbaren Gedanken an eine Vergangenheit, die er nicht kannte... Auch Zelda machte es sich gemütlich. "Gut Nacht, Link", murmelte sie und driftete in ihre Traumwelt. Zelda fand wohl in Hyrule sehr schnell Schlaf. Zumindest dachte Link das. Er stand wieder auf und lief zu dem Fernrohr, um einen Blick dadurch zuwerfen. Als kleiner Junge hatte er sich immer eines gewünscht. Ihm kamen einige frühe Kindheitserinnerungen in den Sinn. Dinge, die er noch niemanden erzählt hatte, die sich hauptsächlich um seine Monate in einem Kinderheim drehten. Wie froh er doch damals als Knirps gewesen war, als man ihm mitteilte, er würde das Heim verlassen können. Keine schöne Zeit und keine erfreulichen Erinnerungen... schlagartig machte er sich Sorgen um seine Eltern. Wo waren sie nur- seit dem Vorfall in der Realität keine Spur von ihnen. Er schaute durch das Fernrohr und betrachtete sich die hylianische Steppe bei Nacht. Er drehte das Fernrohr ein Stück und blickte nun in den sagenhaften Nachthimmel mit seinen leuchtenden Sternen. Ganz in seine Gedanken versunken, bemerkte er nicht, das jemand hinter ihm stand. Sie legte eine Hand auf seine Schulter. "Darf ich dir etwas zeigen?" Link wurde von ihr so erschreckt, dass er beinahe aus seinen Latschen gekippt wäre. Schnell drehte sich er sich um und wollte sich ihr lachendes Gesicht ansehen, aber Zelda lachte keineswegs. Sie sah durch das Fernrohr und stellte eine bestimmte Position ein. "Sieh' durch", sagte sie fordernd, worauf Link diesem Appell nachging. Er blickte hindurch und erkannte ein großes Sternbild mit drei Gestalten. Also gab es in Hyrule doch Sternbilder, wie in der Wirklichkeit auch. "Man nennt es das Sternbild der Göttinnen", flüsterte sie in sein Ohr, so nah, dass Link ihren Atem an seinem spitzen Ohr fühlen konnte, so nah, dass Link sich zunehmend nervös fühlte. "Das ist ein sehr schönes Sternbild...", sagte er, bemüht seine Nervosität zu verbergen. "Ja, wunderschön." "Allerdings. Ähm... wahrhaft schön. Findest du nicht auch?" "Sagenhaft... schön..." Verdammt, diese Unterhaltung hatten sie schon mal irgendwann. Nicht nur Links Wangen glühten rötlich in der tiefen Dunkelheit, nein, auch Zelda war wieder so verlegen, dass sie sich umdrehen musste. Ohne ein Wort krabbelten sie beide unter ihre Decken, bestrebt, dass sich ihre Blicke in der Dunkelheit ja nicht kreuzten und sie so tun konnten, als wäre nichts. Absolut nichts. Rein gar nichts... Am frühen Morgen brachen Link und Zelda auf. Seit dem Angriff der Monster bei Nacht auf der Farm liefen sie abseits der Wege, häufig in der Nähe einzelner Bäume, um sich bei der geringsten Gefahr zu verstecken. Ganon durfte keine Notiz davon nehmen, dass sie in Hyrule auf seine Vernichtung zuarbeiteten. Außerdem wusste er immer noch nicht, dass Zelda quicklebendig war. Link blieb stehen, nahm den Kompass zur Hand und studierte, soweit er darauf überhaupt etwas kapierte, die riesige Karte des hylianischen Königreiches. Sie waren auf direktem Weg nach Südwesten und auf der Karte waren dort Berge aufgezeichnet, aber so weit seine Augen blicken konnten, entdeckte Link nur grüne Hügel, Flüsse und einzelne Bäume. "Bist du schon wieder so ungeduldig?" Fragend sah Zelda ihn an. "Es ist nur, dass ich niemals gedacht hätte, das die Steppe so gigantisch ist. Ich meine, wir sind schon wieder Stunden unterwegs und ich kann immer noch keinen Gerudo Canyon erkennen", sagte Link erklärend. "Ja, ich wünschte wir hätten zwei Pferde...", meinte sie seufzend. Link erwiderte das Seufzen, packte Karte und Kompass wieder in die Tasche und warf erneut einen Blick nach Südwesten. Der Himmel war dort grau und wolkenverhangen. Sie mussten wohl mit Regen rechnen. Zu blöd, an Regenschirme hatte wohl niemand gedacht... Gegen Mittag machten beide Rast in der Nähe einiger Felsen, die ebenso Schutz boten. Noch regnete es nicht. Somit konnte man ruhig ein kleines Lagerfeuer entfachen, um etwas Warmes zu sich zunehmen. Zelda machte sich erneut Gedanken um den kleinen Jungen, der ihr irgendwie leid tat. Link bemerkte ihre grübelnde Miene und kannte diese wohl schon zu gut. Er ahnte, woran sie dachte. "Zelda, es ist der kleine Kerl mit dem unschuldigen Blick, nicht wahr?" "Ja, genau. Er hatte zwar von mir verlangt, ich solle an ihn denken, was ich nicht verstanden habe, aber nun denke ich immerzu an ihn. Und das ohne, dass ich wirklich an ihn denken will. Er ist immerzu in meinen Gedanken, als ob er die ganze Zeit hier ist. Vielleicht hat er mehr mit uns zu tun, als wir annehmen." "Meinst du, er gehört in eine Art Zukunft?" Links rechte Augenbraue zog sich nach oben. "Möglicherweise. Ich habe das Gefühl, er ist eine, nun ja, Reinkarnation, ein Nachfahre oder ähnliches von dir." "Wieso das denn?" Link fand diesen Gedanken nicht besonders toll. "Weil er eine große Ähnlichkeit mit dir hat." Also, das bestritt er. "Finde ich nicht. Zugegeben, er trägt zwar grüne Klamotten und hat blonde Haare und er wirkte ziemlich frech und er, ja, er hatte ein dämliches Grinsen, und er benimmt sich wie ich mich benehme, aber..." Link musste feststellen, dass er keine Unterschiede fand. Irgendwie erschreckend, dass dieser kleine Kauz ihm so ähnlich war. "Sieh' es wie du willst, aber immer, wenn er mir begegnet, denke ich auch an dich", sagte Zelda endlich. Dann setzte sie einen eher trübsinnigen Blick auf. Wenn Link etwas mit dem Jungen zu tun hatte und es stimmte, dass er nicht existieren wird, deckte sich seine Geschichte mit ihrem Traum, in dem Link den Tod fand. Warum hatte sie nicht früher daran gedacht? Es tat weh, dass sich ihre Prophezeiung auf diese Weise bestätigte... "Zelda? Was verschweigst du mir", sagte Link und setzte sich ihr gegenüber. Er nahm ihre Hände in seine und streichelte diese. Er blickte sie an, als ob er ihr dringend etwas Wichtiges zu sagen hätte... "Ich weiß, dass die ganze Situation nicht leicht für dich ist, Zelda. Und du trägst irgendwelche Geheimnisse mit dir herum... du weißt, dass du mit mir darüber reden kannst." Sie zog ihre Hände weg, obwohl sie das Gefühl mochte und stand auf. Sie ballte ihre Fäuste und sagte gedämpft: "Link, ich..." Nach einer Weile setzte sie hinzu: "Er sagte, er würde nicht existieren... obwohl ich ihm versprochen habe, an ihn zu denken. Es sollte für ihn einen Weg darstellen, Existenz zu finden. Und nun, verblasst sein Bild in meinen Erinnerungen, genauso wie Hyrule damals einfach verblasst ist." Link stand auf, stand direkt hinter ihr, aber brachte es nicht fertig sie zu berühren. "Zelda, wenn ich dir irgendwie helfen kann..." Sie unterbrach ihn. "Das kannst du nicht", sagte sie schroff. "Aber ich kann es versuchen. Außerdem, ist das meine Entscheidung." Sie drehte sich um und sah den ernsten Blick in seinen tiefblauen Augen. "Gerade das... macht mir Angst. Du triffst immer deine Entscheidungen, egal in welche Situationen sie dich bringen, nur um jemandem wie mir zu helfen. Was passiert, solltest du einmal eine falsche Entscheidung treffen? Selbst du bist nicht unfehlbar... Link, du..." Sie hielt inne, ging auf ihn zu und flüsterte direkt in sein Ohr: "Riskier' nicht zu viel." Sie setzte sich wieder und beendete ihre Mahlzeit. Link schüttelte mit dem Kopf. Wovon redete sie überhaupt? Inzwischen schien die Sonne nicht mehr und ein grauer, großer Wolkenschleier lag über dem blauen Himmel. Die Steppe nahm einfach kein Ende... doch dann... Link erblickte endlich ein Gebirge in der Ferne und deutete darauf. Zelda machte ihren Standpunkt mit einem einfachen Nicken deutlich. Zielstrebig liefen sie zu dem Gerudo Canyon, mit schnelleren Schritten. Die Sonne war nun gänzlich von dunklen Wolken bedeckt und einzelne Regentropfen fielen. Link kramte eine schwarze Jacke hervor, zog diese schnell an und Zelda warf sich ihren Mantel um. Je näher sie allerdings der Heimat der Gerudos kamen, umso gefährlicher und stürmischer wurde das Wetter, geradeso, als wollte jemand verhindern, dass sie in die Wüste gelangten. Sie stapften weiterhin vorwärts. Sie hinterließen Fußspuren im Matsch. Ihre Schritte wurden schwerer. Blitze zuckten über das Land und Donner grollte in der Ferne. Während Link das Wetter verfluchte, entdeckte Zelda vor dem nahen Gebirge noch etwas anderes: Etwas Bedrohliches, eine Behinderung, die sie nicht passieren konnten. Auch Link erkannte jetzt jene Blockade und musste zweimal hinsehen, da normale Naturgesetze außer Kraft gesetzt waren. Es regnete in Strömen, regnete, als würden alle Götter Hyrules Tränen vergießen, und dennoch stoppte der Regen die näherkommende Bedrohung nicht. Vor den Bergen brodelte ein Band aus unnatürlichem Feuer vor sich hin, Feuer so weit das Auge reichte zog sich von Westen nach Osten. Es würde eine Passierung der Schlucht im Canyon nicht möglich machen. "Was ist das", sagte Link frustriert. "Feuer..." "Verdammt, Zelda, das weiß ich auch. Ich meine, wieso der Regen es nicht löscht?" Zelda kannte die Antwort... Es konnte sich nur um eines von Ganons undurchdringbaren, unlöschbaren Höllenfeuern handeln. Der gewaltige Regen ließ so etwas schon vermuten. Trübsinnig starrte sie in Richtung des Feuers und seufzte: "Ganon weiß wohl schon, dass wir hier sind..." die Kreaturen auf der Farm hatten ihre Mission erfüllt. Sie beobachteten das Band noch eine Weile. Was jetzt? Sie standen gerade erst am Anfang ihres Auftrages und schon gab es solche Schwierigkeiten und Hindernisse... Wenn Ganon tatsächlich wusste, dass sie hier waren, könnten sie kein Auge mehr zu tun und überhaupt... was, wenn er für weitere Barrieren sorgte? In dem Fall wäre die Mission innerhalb von drei Wochen, und die Zeit war ohnehin schon knapp, niemals zu schaffen? "Zelda? Können wir den Canyon nicht irgendwie umgehen?" Sie grübelte eine Weile sorgsam nach. Das müsste doch gehen, sagte sie sich, erfreut, dass Link sie auf diese Idee gebracht hatte. "Wir könnten nach Westen ausweichen. Dahinter liegt totes Land und dort werden wir keine Dörfer finden. Ebenso nur kahle Bäume und trockenes Gras... Aber wir könnten uns auf diesem Weg, über einige weitere Gebirge, der Stätte in der Wüste, sozusagen von der anderen Seite nähern." "Na, das ist doch was", meinte Link aufheiternd. "Ja, zu schade nur, das wir hierdurch wertvolle Zeit verlieren." "Ach, Zelda. Sag' bloß, du dachtest, dass sich der Plan einfach so durchführen lässt?" Sie atmete laut aus. "Eigentlich nicht. Egal, lass uns in Richtung Nordwesten gehen." Sie drehte sich um und lief vorneweg. "Jep, ich folge dir doch gerne überall hin, auch mit verbundenen Augen." Link konnte nicht anders und war in Stimmung, sie ein wenig zu provozieren. "Ich verbinde dir gleich deine Augen und lass' dich hier zurück, du Witzbold." Mit seiner charmanten Art hätte Zelda ihn in der Vergangenheit als Hofnarr gut gebrauchen können. Sie war im Moment zwar nicht zu Scherzen aufgelegt, aber gegen einen aufmunternden Gedanken aus der Vergangenheit war ja nichts einzuwenden. Sie hätte Link damals, vor etlichen Jahren, beinahe überzeugen können, bei den jährlichen Schauspielen auf Hyrules Markplatz teilzunehmen. Frohe Erinnerungen erheiterten ihren Geist, bei dem Anblick Links in einem lächerlichen grünen Karnevalskostüm, dass er nur angezogen hatte, da sie ihn darum gebeten hatte. Sie erinnerte sich... das waren lustige Momente... Es war auch in jener Zeit, als Link ihr das wertvolle Medaillon geschenkt hatte... Als Zelda ihn in dem Outfit aber ausgelacht hatte und ihren Lachanfall nicht stoppen konnte, war Link wütend abgerauscht und hatte sich viele Tage nicht gemeldet... Wie auch immer. Das war lang vorbei, vergessen, vergangen. Zelda gestand sich in dem Moment ein, dass sie, auch wenn die einstige Prinzessin Hyrules in der Vergangenheit viel durchgemacht hatte, sich dennoch nach jenen Zeiten sehnte. "Sag' mal, Zelda, woran denkst du? Du hast so ein Glitzern in deinen Augen", sagte Link, der seine Jacke ablegte und diese wie einen Wischmob ausrang. "Nur an einen Bruchteil eines Tages, der nicht existiert...", war die Antwort, die Link nicht wissen wollte... Wenn sie in Rätseln sprach, und ja, die Göttinnen haben Zelda selig, dann sprach sie eben in ihrer eigenen, merkwürdigen, uneinleuchtenden Sprache... Kapitel 51: Geheimnisse der Vergangenheit II -------------------------------------------- Kapitel 34: Geheimnisse der Vergangenheit II "Also, wie geht's dir so? Was hast du die letzten drei Jahre, seit meiner Abreise gemacht?" "Deine Neugier hat sich wohl nicht verändert, wie", entgegnete Zelda mit einem freundlichen Blick in den Augen. Sie liefen gemeinsam zu einem der runden Tische inmitten der Bibliothek, wo noch einige Kerzen entfacht waren. Sie setzten sich gegenüber und strahlten sich wieder an. "Ich habe mich viel mit den Geheimnissen Hyrules beschäftigt, vor allem mit alter Magie, Mythen und einigen aufheiternden philosophischen Texten. Im Grunde genommen nichts von Bedeutung... Wie steht's mit dir? Hast du irgendetwas Sinnvolles vollbracht?" Nun ja... Link erinnerte sich an seine Abenteuer, an die Orte, die er bereist hatte und diverse Kreaturen, gegen die er gekämpft hatte. Abenteuer hatte er erlebt, aber nicht das gefunden, wonach er gesucht hatte... "Ich... nein, nichts Sinnvolles", log er. Selbstverständlich hatte er Sinnvolles vollbracht und einige Menschen vor dem Tod gerettet. Aber in letzter Zeit wollte er sich nicht daran erinnern. Er fühlte sich müde... müde vom Kämpfen und von seinen Abenteuern. Das war wohl auch der Grund, weshalb er nun heimgekehrt war- in ein Land, in dem er kein wirkliches Zuhause hatte. Durch den Schein der Kerzen konnte Zelda direkt in seine tiefblauen Augen sehen, die noch dunkler wirkten als ohnehin schon. Melancholie und eine Spur Mutlosigkeit lagen in seinem Blick, aber er war nicht bereit diese nach außen zulassen oder zuzugeben. "Link", sagte Zelda leise. Es tat so gut, ihre Stimme zu hören. "Bedrückt sich irgendetwas?" Schnell hob er seine Hände in die Höhe, kniff seine Augen zusammen, lachte ein wenig unecht und schüttelte seinen Kopf und sagte laut, fast aufbrausend: "Mich? Nein, wieso sollte es! Mir geht's bestens." Zelda erwiderte nichts, aber sie kannte Link wohl doch zu gut... "Hast du eigentlich Saria schon besucht?" Links Blick wurde wieder ernster und er schüttelte mit dem Kopf. "Und warst du vielleicht schon bei Darunia? Oder hast den Zoras einen Besuch abgestattet", fragte sie wissbegierig. Erneut schüttelte er mit dem Kopf, was Zelda ein wenig missmutig stimmte. Musste man ihm alles aus der Nase ziehen? "Heißt das, dein erster Weg war hierher, Link?" Er sollte es sich wagen, schon wieder mit dem Kopf zu schütteln... Erstaunlicherweise nickte er, was zwar eine andere Reaktionsmöglichkeit darstellte, und trotzdem nur eine Bewegung mit seinem Kopf sein sollte. Zelda klapperte mit ihren Fingernägeln auf dem Holz des Tisches herum, während Link nur nervös vor sich hin brütete. "Ich bin vor einigen Stunden in Hyrule angekommen und habe mich dann gleich auf den Weg ins Schloss begeben..." Zelda biss sich auf die Lippe. "Wieso?" "Ich kann nicht mehr in die Kokiriwälder zurück, Zelda. Ich bin um einiges größer als die Kokiri und außerdem fühle ich mich dort einfach nicht mehr dazugehörig. Deshalb wollte ich dich besuchen und mir dann irgendeine Unterkunft beschaffen. Ich habe eigentlich keine Idee, wie es weiter gehen soll..." Zelda sprang auf und stützte ihre Hände auf dem Tisch ab. "Das heißt, du hast keinen Platz hier in Hyrule?" Er wirkte ein wenig verletzt, im nächsten Augenblick aber einsichtig. Zelda hatte vollkommen Recht. "Warum bleibst du dann nicht eine Weile im Schloss? Der Held der Zeit verdient sicherlich die Ehre einige Nächte den Luxus von Schloss Hyrule zu genießen, oder nicht?" Sie zwinkerte. "Meinst du das ernst? Ich habe nicht einmal einen Titel, Zelda." "Soso, dann ist: ,Held der Zeit', wohl kein Titel?" Erneut ein miserabler Blick von Link. "Und selbst wenn du keinen hättest, ich finde, du hast nach allem, was du für Hyrule getan hast, mehr als nur einen Titel verdient. Du hast so viele Dinge verdient, die dich aber..." "... die mich aber nie interessiert haben." Stille. Es war inzwischen weit nach Mitternacht. Die Zeiger der großen Uhr in der Bibliothek schienen sich immer langsamer zu bewegen, als ob die Geister des Schlosses daran herummanipuliert hätten. Zelda setzte sich und begriff allmählich die Situation, in der sich Link befand. Um vom Thema abzulenken, meinte Link schließlich: "Was genau hast du eigentlich zu so später Stunde noch in der Bibliothek zu suchen?" Heilige Nayru, dieser Junge brachte Zelda total aus dem Konzept. Warum konnte man mit ihm nur nicht über seine Probleme reden? "Ich habe Bücher studiert. Nur leider konnte ich ein bestimmtes Buch hier nicht mehr finden..." Diese Worte weckten sein Interesse. "Welches Buch? Ich könnte dir beim Suchen helfen." Das war mal wieder typisch Link. Hauptsache er konnte seinen Beitrag leisten. Es war wohl Zeit, dass Zelda mit der Wahrheit rausrückte... Sie kramte eines der staubigen Bücher hervor und schlug mit einem Mal die Seite auf, die sie haben wollte. Auf der abgenutzten, alten Seite war ein merkwürdiges goldenes Medaillon abgebildet. Es war rund, mit einem aufgesetzten Triforcesymbol. "Was ist das?" "Man nennt es Medaillon der Mächtigen. Vor einigen Wochen träumte ich davon und nun lässt es mich einfach nicht mehr los. Es könnte für Hyrule einmal eine große Bedeutung haben, das spüre ich." "Verstehe", sagte er mit einem Grinsen. "Eine deiner Prophezeiungen, nicht wahr?" Sie nickte zustimmend. "Was genau hat es denn für eine Bewandtnis und wo können wir es finden?" "Genau das ist das Problem." Zelda stand auf, nahm einen Stapel Bücher und stellte diese in die Regale zurück. "Seit Wochen suche ich nach Hinweisen, aber ich finde nicht die geringsten. Vermutlich ist das Medaillon einfach zu alt, als das noch Wissen darüber überliefert wurde. Sowohl seine mysteriöse Macht, als auch seinen Aufenthalt konnte ich nicht herausfinden..." Link nahm ebenso einen Stapel und lief zu Zelda herüber. Er stellte einige davon in die dafür vorhergesehenen Regale. "Ich glaube, ich habe eine neue Aufgabe", sagte er lächelnd. Seine Prinzessin funkelte ihn mit ihren kristallblauen Augen an und wusste in dem Moment nicht, wie sie ihm danken sollte. Sie begaben sich wieder zu dem Tisch und setzten sich. "Hast du deinem Vater schon etwas davon erzählt?" "Nein." Trübsinn beschattete ihre glockenhelle Stimme. "Er würde mir nicht glauben und vielleicht ist es besser niemand erfährt von dieser Sache." Auch das verstand Link nur zu gut. Sie schwiegen eine Weile und schlugen einige Kapitel irgendwelcher Bücher auf, wo hoffentlich noch Hinweise bezüglich des Medaillons standen. Link las sich aufmerksam die Seiten durch, während Zelda ab und zu in Richtung der Tür schaute. Sie studierten und studierten, grübelten über verworrenem Inhalt, welcher den Verstand verzweifeln lies, besahen sich alte Schriftzeichen, entdeckten Hinweise, die sich später als überflüssig herausstellten und gähnten gelegentlich. Zelda blickte ihren Helden stillschweigend an, wissend, dass er zu tief in den Büchern versunken war, als ihren durchdringenden Blick zu bemerken. "Vertraust du mir, Link" Zeldas Worte hallten in der riesigen Bibliothek. Er sah sie fragend durch den Schein der Kerze an. "Zelda, natürlich tue ich das. Was soll' die Frage?" "Ich habe einfach nur das Gefühl, dass du mir etwas verschweigst..." Er stand auf und kramte seine Okarina hervor, die Okarina der Zeit, die sich noch in seinem Besitz befand. Auch Zelda war von ihrem Platz aufgesprungen und stand direkt hinter ihm. Sie legte eine Hand auf seine Schulter. "Ist wirklich alles okay mit dir?" Er drehte sich um und murmelte: "Wer hat dir nur deinen sechsten Sinn gegeben, Prinzessin von Hyrule?" "Ich glaube, dass habe ich dem Wildfang in mir zu verdanken, zu dem du beigetragen hast, mein Held." "Ich fühle mich schuldig, aber nicht verantwortlich genug, um dafür Rechenschaft abzulegen." "Das brauchst du auch nicht, ich bin froh, über diesen Wildfang in mir." "Tatsächlich..." "Tatsächlich", erwiderte sie heimtückisch. Dann gähnte sie. Warum nur wich Link ihrer Frage aus? Irgendetwas beschäftigte ihn, aber was? Sie konnte wie kein anderer in dem Blick eines Wesens erkennen, dass etwas nicht stimmte und Links Blick verriet darüber hinaus noch etwas anderes als die Spur von Problemen, eine Art Zweifel... "Ich... ich möchte nicht darüber reden, Zelda", brachte er dann hervor, was sie selbstverständlich respektierte. "Es ist okay", meinte sie. Er hatte sicherlich seine Gründe, ihr nichts näheres mitzuteilen. Zelda durchkämmte weiterhin Bücher auf der Suche nach Antworten, die ihr vielleicht niemand geben konnte. Link holte seine Okarina hervor und flötete eine sanfte Melodie in die Nacht hinaus. Eine wunderbare Melodie, die Zelda erst Recht in Einschlafstimmung versetzte. Sie gähnte herzlich, bis ihr Blickfeld verschwamm. "Schlaft gut, Prinzessin Zelda von Hyrule...", flüsterte eine sanfte Stimme. Kapitel 52: Die Wahrheit ------------------------ Kapitel 35: Die Wahrheit "Zelda", sagte jemand mit energischer Stimme. Sie befand sich mitten in ihren Träumen und wollte nicht aufstehen, doch dann wurde sie zusätzlich noch an ihren Schultern gerüttelt. Es war sicherlich erst kurz vor Mitternacht. Gegen Sonnenuntergang hatten die beiden Hylianer sich entschlossen, kurz vor der Grenze zum Land im Westen Hyrules, Rast zu machen. Sie befanden sich nun direkt vor einer tiefen, großen Schlucht, die dieses Land von Hyrule abschirmte. Dann wurde die Stimme, die sie als diejenige von Link erkannte, wieder lauter: "Zelda! Jetzt wach' doch auf! Schnell'!" Sie öffnete verschlafen ihre Augen und erkannte Link vor ihr, der alles für die Weiterreise zusammengepackt hatte. Hastig schüttete er Wasser über die glühenden Kohlen des Feuers, welches ihnen eigentlich Wärme spenden sollte. Zelda wischte sich Schlafsand aus den Augen und fluchte fast: "Link? Was soll' das?" Er ging auf sie zu und deutete mitten auf die Steppe. Zelda ging seiner Aufforderung nach und schaute durch die Dunkelheit. Sie konnte aber nichts erkennen. "Was ist denn? Ich bin müde." Und sie wollte wieder in ihren Schlafsack kriechen. Link packte sie an den Schultern und hievte sie ruckartig in die Höhe, sodass Zelda jetzt wacher war, als zuvor. "Das ist kein Scherz, Zelda. Ich habe Stimmen gehört und ich denke, du räumst so schnell es geht deine Sachen zusammen und wir verschwinden hinter dem kleinen Wald dort." Er meinte einige Bäume in Richtung Norden, die Schutz bieten würden. "Jetzt beeil' dich." Sie verstand und räumte zügigst ihren Kram zusammen. Auch Zelda hörte jetzt Stimmen und in Richtung Gerudo Canyon erkannte man darüber hinaus Lichter. Glücklicherweise spürte Link selbst im Schlaf die Gefahr... Sie hetzten schnell und unerkannt in Richtung des kleinen Waldes und versteckten sich hinter einigen alten Bäumen. Sie beobachteten schweigend die Szenerie. Die Stimmen, wie auch die Lichter näherten sich. Es waren mehrere dunkle Gestalten, mit schweren Rüstungen, die bei jedem Schritt klapperten. Link erkannte die Gestalten als Skelettritter, Moblins und Eisenprinzen. Gegen Eisenprinzen hatte er bisher noch nicht gekämpft, zumindest ohne es zu wissen. Daher sah er diese Gegner als neue Herausforderung. Die Gestalten stapften in Link und Zeldas Richtung, hielten sich aber von den Bäumen fern. Sie entdeckten die Feuerstelle der beiden Hylianer. Ein Eisenprinz rief eine Art Anführer mit einer Rüstung nach vorne, die gefährlicher und stärker aussah, als die der anderen, mit dem Namen: "Mortesk." Sofort erschien aus der gesamten Dämonenhorde ein kräftiggebauter Krieger mit Schwert und Schild. Link starrte Mortesk erschrocken an. Er hatte geahnt, dass sich Monster in Hyrule befanden, aber Mortesk? Er war doch ursprünglich auf der Erde und Link hätte ihn vernichten können, wäre die Kreatur aus Knochen nicht einfach wie ein Feigling weggelaufen... Link begriff in dem Moment, dass Ganondorf tatsächlich einen Zugang nach Hyrule hatte, genau wie er selbst und Zelda. Das konnte heiter werden... Mortesk beugte sich zu der Feuerstelle und begutachtete diese äußerst sorgfältig, vielleicht zu sorgfältig. Ein Grinsen formte sich auf seinem knöchernen Gesicht, welches Zufriedenheit ausdrückte. Vermutlich hatte er den Hinweis gefunden, nachdem er lange gesucht hatte. Seine kalte Stimme ertönte: "Sehr gut, sehr gut. Unser Meister wird erfreut sein, wenn ihm zu Ohren kommt, dass wir auf der Spur des Wesens sind. Sicherlich hat diese verfluchte Kreatur, nachdem sie entkommen ist, sich hier aufgehalten. Hey, du da!" Und Mortesk zeigte auf einen kleinen Moblin mit Froschgesicht, welches ihn ausgesprochen harmlos erscheinen ließ. "Was willst du von mir, Mortesk", kam eine abfällige Frage aus dem Mund des Moblins. "Du machst dich auf den Weg zurück auf die Erde und zwar über das tote Land. Hast du verstanden? Du erstattest Bericht an Lord Ganondorf, das wir die Spur seiner geliebten, verfluchten Verdammten gefunden haben. Nicht mehr lange und wir bringen sie ihm wieder." "Wie du meinst, Mortesk", sagte der Moblin und ging in mühsamen Schritten davon. "Hey, warte! Vielleicht nimmst du noch ein paar Männer mit. Wir wollen ja nicht, das du verloren gehst." Daraufhin folgten drei weitere Moblins dem ersteren. Sie verschwanden in Richtung Westen. Mortesk blieb noch eine Weile stehen und schaute sich um. Seine glühenden Augen wanderten zu den Bäumen, dann aber in Richtung Osten, wo nichts als Steppe zu erkennen war. Ein weiterer komischer Geselle tauchte auf, eine Art Mischung aus Moblin und Eisenprinz. Wunderbar... Ganon kreierte nun also schon Kreuzungen zwischen seinem Dämonenpack. Mal wieder was Neues... "Wir könnten... äh konnten... das Feuer, ja Feuer nennt man das... äh... vor dem Canyon nicht löschen, löscht man Feuer mit Wasser? ja... glaubst du, die Gefangene hatte... äh so oder?... etwas mit dem Feuer zu suchen, zu leben, zu äh... richtig... tun, Mor- Mor- Mortesk?" (Hinsichtlich der fatalen Einbußen seines Verstandes muss bei der Kreuzung aber gewaltig was schief gelaufen sein...) "Weiß nicht, ob sie noch soviel Kraft hat, nachdem unser Meister ihr alles genommen hat... haha..." Aha, dachte Link, dann kam das Feuer nicht von Ganon und glücklicherweise wusste der noch nichts davon, dass sie beide hier waren. Schwein gehabt... "Aber... äh... unheimig, ja unheim, unheimlich ist es schon...", rülpste der komische Mischling, als würde er sich fürchten. Dennoch war da etwas an diesem Typ, das ihn absonderlich, wenn nicht sogar gefährlich machte. Aber was war es? "Macht nix, besser wir sagen dem Meister nichts davon." "Jo... hehe... Ganon würde das äh... bestimmt nicht witzhaftig, witzwitz finden... hehe." Mortesk fand die Situation wohl nicht so aufheiternd wie der Mischling und fixierte ihn mit blutrünstigen Augen, worauf der komische Moblin- Eisenprinz verstummte und in einer hinteren Reihe der Bande verschwand. Nach einigen Minuten waren die Kreaturen abgezogen. Link und Zelda standen immer noch in ihrem Versteck hinter den Bäumen und schauten sich sorgfältig um. Besser, man wartete noch eine Weile ab. Link setzte sich und lehnte sich an einen Baumstamm. Er seufzte: "Puh... das war knapp. Um ein Haar hätten sie uns entdeckt." Zelda machte es sich neben ihm gemütlich und lehnte sich ebenfalls an den Baum. "Ja, nur gut, das du wach geworden bist... gähn..." Link blickte sie durch die Dunkelheit an. "Du bist noch ganz schön müde, was?" "Mmh... aber vielleicht sollten wir weiterziehen... gähn...", sagte Zelda, oder besser: murmelte sie, als sie ihre Augen zumachte. Link kramte zwei Decken aus seiner magischen Tasche. "Am besten wir bleiben einfach hier." Er reichte ihr eine der Decken. "Was hältst du davon?" Sie nickte zustimmend und legte ihren Kopf auf seine Schulter. Link brauchte einige Zeit um zu registrieren, dass Zelda sich an ihn gelehnt hatte. Er traute sich nicht, auch nur einen Zentimeter zu bewegen und stellte sich halbtot, während seine Wangen in der Dunkelheit zu glühen anfingen. Ihm wurde warm ums Herz, ein wenig zu warm, bis er das Gefühl nicht mehr ertrug. Es ist okay. Okay. O-okay, sagte er zu sich. Halb so wild. Sie macht dich eben zappelig und unruhig und unzurechnungsfähig. Er schluckte einmal kräftig, sich innerlich wünschend, dass Zelda endlich schlief. Wie immer, schaffte Zeldas es seinen Puls in atmosphärische Höhen zujagen. Es ist alles okay. Gott, warum nur macht sie mich so nervös, fragte er sich... aber Zelda schlief nicht. "Link", nuschelte Zelda neben ihm. "Wie sollten reden." Inzwischen hatte er sich erfolgreich an Zeldas Nähe gewöhnt, und genoss ihre Anwesenheit ganz vorzüglich. Sich halb im Wachschlaf befindend und in Gedanken an das Geschöpf neben ihm schwebend, musste er zweimal überlegen, ob ihre Stimme zu einem Traum oder in die Wirklichkeit gehörte. Er seufzte: "Mmh... lass uns reden. Hast du vorhin verstanden, was Mortesk, der Skelettritter, gesagt hat?" "Du kennst Mortesk?" Sie stellte ihm unhöflicherweise eine Gegenfrage und schloss ihre Augen wieder. "Ja, ich habe vor einiger Zeit gegen fünf Skelettritter kämpfen müssen und Mortesk war einer von ihnen... das war zu dem Zeitpunkt, als du nichts mit mir zu tun haben wolltest", meinte er, ein wenig verbittert, da die unschönen Erinnerungen ihn wieder einholten. Nach der Bemerkung hob Zelda schnell ihren Kopf und rutschte einigen Platz von ihm weg. Dass die Ereignisse von vor einem halben Jahr ihm dennoch so zugesetzt hatten, stimmten sie traurig und schuldig. "Link... ich..." Er schüttelte mit dem Kopf. "Vergiss' was ich gesagte habe." "Nein, ich möchte dir die Dinge endlich erklären. Ich hätte das schon vor einem halben Jahr tun sollen." Eine Pause entstand. Dann begann Zelda zu erzählen: "Vielleicht sollte ich dort anfangen, wo Hyrules Geschichte vielleicht endete." Link spürte, dass es ihr keineswegs leicht fiel und sagte leise: "Du musst mir das nicht erzählen, Zelda. Quäl' dich nicht unnötig." Sie blickte ihn durchdringend an. "Doch. Du hast ein Recht darauf alles zu erfahren." Er nickte schwach und schaute weg, da er begriff, wie wichtig es ihr war, dass Link die Wahrheit erfuhr. "Es war an einem sonnigen Tag zur Zeit des zweiten Zeitpfades... wir lebten in einem neuen, alten Hyrule und doch..." "...und doch existierte das Triforce und Ganondorf hat es irgendwie geschafft, irgendein Siegel zubrechen, dass ihn bannte", beendete er für sie. "Irgendetwas Unvorhersehbares geschah. Das Land, das die Götter einst erschufen, sollte zuletzt Ruhe finden, indem man es von der als Segen geltenden Macht des Triforce befreite. Wie das geschah und ob es geschah, wusste niemand, nicht einmal die Weisesten. Alle Geschöpfe verschwanden in einer anderen Welt und das Land begann zu verblassen. Warum und wieso verstanden wir nicht, verstand niemand. Und egal in welcher Zeit die Götter eingegriffen haben, immer sahen sie ein Grab für Hyrule vor..." Ihre Stimme wurde leiser und sie suchte nach den richtigen Worten. Sie wagte sich wieder in Links Nähe und lehnte sich an ihn. In dem Augenblick ahnte er, dass sie ihm jetzt etwas Trauriges mitteilen wollte. "Ich bin als einzige geblieben..." Ein kurzer schmerzloser Satz. Aber Link hatte das Gefühl, man würde ihm einen gewaltigen Schlag versetzen, als würde sein Herz zerspringen, obwohl er sich nicht an Damals erinnerte. "Ich konnte euch durch die Schleier der Dimensionen beobachten und ich war so beruhigt, wie gut es euch allen ging. Ich konnte eure neue Welt sehen... sogar eure Sprache konnte ich verstehen... Ich konnte Hyrule nicht einfach verlassen... Ich konnte doch nicht so tun, als hätte ich für jene Welt keine Verantwortung gehabt und deswegen... habe ich mitangesehen, wie alles verblasst ist, genauso wie mein eigener Körper..." Sie bemühte sich ihre Tränen zu unterdrücken, aber... Dann brüllte sie frei heraus: "Ich konnte Hyrule nicht einfach verlassen... ich konnte es einfach nicht..." Link war sprachlos. Zelda kämpfte, sie kämpfte mit ihren Tränen und den Erinnerungen, aber diesen Kampf würde sie verlieren. Link legte ohne Worte seine Arme um sie und zog sie an sich. Sie ließ ihren Tränen nun freien Lauf und kämpfte nicht mehr dagegen an. "Ich war so einsam...", flüsterte sie, während Tränen die zartrosa Wangen hinabliefen. "Und dann irgendwann wurde alles wieder real... die Pflanzen und die Tiere begannen zu leben... für einige Augenblicke... und etwas rief mich." Link drückte sie noch mehr an sich und streichelte über ihren Rücken. "Ich rannte auf einen großen Abhang zu, breitete die Arme aus und stürzte den Abhang hinab und dann... dann weiß ich nichts mehr. Als ich meine Augen wieder öffnete, befand ich mich in einem kleinen Haus und ein junger Mann saß neben dem Bett, in dem ich lag. Jemand, den ich nie vergessen wollte..." Link war demzufolge ihr Schlüssel in die andere Welt gewesen... "Ich wünschte, ich hätte dich auch nie vergessen, Zelda..." Sie löste sich ein wenig von ihm und blickte durch ihre Tränen in seine tiefblauen Augen. "Keine Sorge... das hast du nicht..." Sie schloss ihre Augen und schwieg einige Augenblicke. Link legte die Decke um sie beide und dachte schon, Zelda war eingeschlafen. Ihm war, zugegebenermaßen ein bisschen elend zumute, bei dem Gedanken, wie Zelda die letzten Jahrhunderte als Geist verbracht hatte. Wieso hatte er es nicht verhindert? "Ach, Zelda", seufzte er und küsste sie auf ihre Stirn. "Ich wünschte, ich hätte etwas tun können. Weißt du, ich wusste von Anfang an, dass wir Seelenverwandte waren." Zelda nickte fast unauffällig und kuschelte sich näher zu ihm heran. "Als ich damals mein Gedächtnis wiederfand... als ich alles von meinem Leben in Hyrule wieder wusste, habe ich versucht zu vergessen. Ich habe verdrängt... was nicht der richtige Weg gewesen ist. Und dennoch stellte es für mich die beste Alternative dar, als mich mit all' den Dingen, die ich wusste, all' den Bildern, die ich gesehen habe und all' den Menschen, die ich kannte, auseinander zu setzen. Und ich wollte dich, soweit es mir möglich war, aus den Ereignissen heraushalten. Ich wollte doch nur, dass du ein Leben führen kannst, ohne die Kämpfe, ohne das Böse... ohne mich..." "Ich will aber gar nicht ohne dich leben, Zelda..." "Verzeih' mir bitte mein Versteckspiel... vor dir..." "Pst... es ist in Ordnung und jetzt nicht mehr wichtig..." Er gab ihr noch einen Kuss, diesmal auf die Wange und fühlte ihre Erschöpfung beinahe. Sie brauchte jetzt unbedingt eine Mütze Schlaf. Tatsächlich hatte sie das bitter nötig. Link streichelte über ihre Wangen und fühlte, dass die Tränen allmählich verblassten. Auch er schloss seine Augen, mit der ganzen Wahrheit, die in seinen Gedanken herumkreiste. Er hätte wissen müssen, dass die blanke Wahrheit nichts für schwache Nerven war und hatte sich eingebildet, er hätte starke Nerven, aber das... Ob man von den zwei Möglichkeiten Wahrheit oder Lüge nicht doch die letztere nehmen sollte, wenn die Wahrheit schmerzt? Und diese Wahrheit schmerzte auf eine gemeine Art und Weise... Link wurde am Morgen durch das Licht einiger Sonnenstrahlen geweckt, die in sein Gesicht schienen. Er öffnete die Augen und stellte fest, dass Zelda immer noch in seinen Armen schlief. Sie schlief so ruhig, so friedlich, dass er sie einfach nicht wecken wollte, erst Recht nicht, nachdem er wusste, was sie durchgemacht hatte. Er blieb einfach liegen und hörte dem Zwitschern der Vögel zu, erfreute sich an dem blauen Himmel und versuchte sich zu entspannen. Der vierte Tag in Hyrule brach nun an, und sie hatten bisher nur ein Elixier der Weisen gefunden und einen Splitter Gossipgestein, mit dem sie nichts anzufangen wussten. Link öffnete wieder seine Augen und sah einen kleinen Fuchs in jenem Wald, der sich in der Nähe der beiden aufhielt. Er schlich näher und beschnupperte Link an einem spitzen Ohr. Dann rannte er wieder davon. Selbst wenn Hyrule nicht wirklich ist, wenn es nur eine verblasste Erinnerung ist, auch hier hatte das Leben einen unermesslichen Wert, den Link zuschätzen wusste. Dann überkamen ihn Gedanken an die Erde, auf der es wie in einer der tiefsten Höllen zuging... Er musste es schaffen, nein, er würde es schaffen, Ganondorf zu besiegen, für Zelda, für seine Familie, seine Freunde und den Rest der Menschheit... Zelda murmelte irgendetwas im Schlaf, aber öffnete nicht ihre Augen. Inzwischen verspürte Link dennoch den Wunsch aufzustehen, sich zu strecken und vor allem etwas zu essen. Er bewegte sich langsam und schaffte es, Zelda, ohne zu wecken auf die andere Decke zu legen. Er deckte sie wieder zu und fühlte sich selig, da er sich endlich strecken konnte. Er kramte nach etwas Essbaren in seiner Tasche und suchte alles für ein ordentliches Frühstück zusammen. Er machte ein kleines Feuer, machte Spiegelei in einer Pfanne (selbst an so etwas hatten die beiden gedacht), röstete das restliche Weißbrot über dem Feuer und kochte einen Tee. Währenddessen wurde Zelda von dem Geruch des starken Tees aufgeweckt. Schläfrig blieb sie liegen und beobachtete Link, der mit dem Pfeifen anfing. Ein fröhliches Lied, das sie kannte. Es tat so gut, zu wissen, dass er hier war. Blöderweise hatte er einen sechsten Sinn, wenn es um Zelda ging und wusste irgendwie, dass sie wach war. Er ging zu ihr herüber und stellte ein Brett mit dem Frühstück vor ihr ab. "Guten Morgen, die Lady", sagte er mit einem aufheiternden Lächeln. "Morgen..." "Hast du Hunger, meine Liebe?" Zelda nickte und lächelte ihn dankend an. Er reichte ihr dann eine Tasse Tee. Er setzte sich zu ihr, schaute in das Laubdach der Bäume und dachte nach. Sie schwiegen. Link wusste nicht, was er sagen sollte. Die gestrige Nacht hatte einiges zwischen ihnen verändert. Auch Zelda überlegte hin und her. Sie fühlte sich inzwischen ein wenig verunsichert und beschämt, da sie Link gestern ihr ganzes Herz ausgeschüttet hatte. Sie wollte nicht als schwach und weinerlich dastehen. Selbstverständlicherweise teilte Link diese Ansicht nicht... "Wegen gestern, ich meine, die Sache mit Mortesk, was hältst du davon?" Link bemühte sich den Anfang zu machen. "Nun ja, was soll' ich davon halten? Jedenfalls hat er unser Lagerfeuer mit dem einer anderen Person verwechselt. Wie es aussieht, weiß Ganon nichts von unseren Plänen. Auch das Feuer stammte nicht von ihm. Und allem Anschein nach hat er hier in Hyrule irgendwelche Gefangenen." Sie blickte auf und erkannte, dass Link total in Gedanken versunken war. Er blickte hinaus auf die Steppe und hatte einen sehr besorgten Blick in seinen Augen. Er war wohl abwesend... "Kann es sein, dass Mortesk mit der Gefangenen das merkwürdige Wesen meint, welches wir in der Zitadelle gesehen haben", sagte Link dann. "Ja, das ist möglich." "Und diese Moblins sind also auf dem Weg zur Erde, wie? Ich denke, da sie ohnehin auf unserem Weg sind, schalten wir sie einfach aus", sagte Link voller Tatendrang. "Das Wesen ist uns für den Gefallen sicher dankbar. Und ich finde, dass uns das weiterhelfen könnte." Ein stolzes Grinsen formte sich auf seinem Gesicht und dann sprang er auf. "Komm', Zelda, wir haben ein Ziel, oder nicht?" Er packte sie an ihren Händen und zerrte sie auf ihre Beine. "Lass' uns gehen." Sie reisten weiter und innerhalb einer Stunde war die große Schlucht in Sicht. Zielstrebig liefen Link und Zelda darauf zu. Aber noch keine Spur der Moblins. Zelda warf kurz einen Blick auf das Medaillon. Es war gerade einmal kurz vor Zwölf. Nebel kam auf und der Himmel wurde dunkler. Im toten Land war es ohnehin immer dunkel und nur wenige Lichtstrahlen beleuchteten es. Ein trockener Wind wehte dort, der ein Leben in jenem Land fast nicht möglich machte. Sie befanden sich währenddessen auf einer kleinen Erhebung, die einen guten Überblick bot. Link konnte in Richtung Westen die Moblins schon ausmachen. Die Monster rasteten vor der Überquerung über die tiefe, breite Schlucht. Wenn sich die Hylianer also beeilen würden, hätten sie diese eingeholt. Daraufhin rannten die beiden in Richtung der Schlucht. Tatsächlich waren Link und Zelda schneller zu Fuß als die blöden, hirnlosen Moblins und waren von der kleinen Dämonenbande nicht mehr weit entfernt. Rasch versteckten sie sich hinter einigen Felsen auf einem Hügel. Link nahm seinen Bogen zur Hand. Zelda folgte seinem Beispiel und flüsterte: "Welchen nimmst du? Ich nehme den ganz links." "Gut, ich den ganz rechts." Sie spannten ihre Bögen und zwei Pfeile sausten durch die Luft, die ihre Ziele nicht verfehlten. Zwei der Moblins lösten sich in Luft auf. Nach einer Weile, ja, die restlichen Moblins brauchten einige Zeit, bevor sie schnallten, das sich zwei ihre Mitstreiter im Jenseits befanden, grunzten sie merkwürdig. Mit einem weiteren Grunzen drehten sie sich in die Richtung, aus der die Pfeile kamen, taten aber dennoch nicht wirklich beunruhigt. Ganz im Gegenteil. Ihre mangelnden Gehirnzellen schafften es wohl nicht, sie die Situation als gefährlich erkennen zu lassen... "Sind die so blöd, oder tun die nur so", meinte Link. "Moblins, sind nun mal Moblins. Außer ihrem Killerinstinkt haben sie nicht viel im Kasten." Dann aber stapften die restlichen Moblins in die Richtung von Zelda und Link. Link musste zweimal hinsehen, bevor er verstand, was dort vor sich ging. Plötzlich waren dort nicht nur zwei Moblins, sondern erneut vier. Häh? Wie konnte das sein? Sie hatten doch zwei vernichtet, oder nicht? "Zelda? Was bedeutet das?" "Die Pfeile erzielten aus irgendeinem Grund nicht ihre erwartete Wirkung oder die Moblins können sich vervielfältigen." Dann blieb wohl nichts anderes als ein Nahkampf übrig. Link und Zelda zogen beide ihre Schwerter und man beachte: Auch eine bei einigen Leuten als stumpfsinnig betrachtete Prinzessin, die Links Zuneigung nicht verdient hat (von denen gibt es ja traurigerweise genug...) konnte kämpfen und besser als mancher Krieger mit einem Schwert umgehen... Link besiegte mit einem Schlag zwei der Moblins, worauf diese jetzt wirklich in Asche aufgingen. Dann wollte er sich eigentlich den anderen beiden widmen, aber als er Zelda kämpfen sah, stand er einfach nur da und erstaunte über ihre ausgefuchste Schlagkraft. Manchmal fragte er sich, ob Impa ihre Erziehung nicht doch zu genau nahm... Sie stieß ihre Klinge dem einen Moblin in den Magen, worauf dieser sich auflöste. Dann griff sie den letzten an, der versuchte wegzulaufen. Sie rannte wild geworden hinter ihm her und schleuderte einen Dolch nach ihm, worauf dieser einen Oberschenkel des Monsters durchbohrte. Er fiel und krümmte sich vor Schmerzen. Zelda setzte ihm das Schwert an die Kehle. "Wen verfolgt ihr? Antworte, du Abschaum", sagte sie. Link wurde immer mulmiger zumute. Er hatte Zelda noch nie so erzürnt reden hören. Sie konnte richtig gefährlich werden, wenn sie wollte. Der Moblin schien die Gefahr nicht zuerkennen und streckte der Hylianerin die Zunge heraus. Daraufhin wurde Zelda erst richtig sauer. Der Moblin hatte zuviel gewagt. Noch nie hatte jemand der Prinzessin von Hyrule die Zunge herausgestreckt. Und das sollte auch in Zukunft so bleiben. Sie stieß ihm die Klinge auch noch in den anderen Oberschenkel. Der Moblin grunzte vor Schmerzen und lachte dann: "Irgendwann wird unser Meister herausfinden, dass du noch lebst, Prinzeschen und, dass du mit deinem dämlichen Helden hier bist." Dann würgte der Moblin. "Ich würde lieber sterben, als dir zusagen, dass wir eine Gottheit verfolgen." Zeldas Lippen zogen sich nach oben. Der blöde Trottel hatte sich doch tatsächlich verplappert. Dummes Viehzeug eben. Dumm und hirnlos, wie jeder von Ganons Dämonenpack. "Danke für die Information und das mit dem Sterben, kannst du gerne haben." Und wieder fragte sich Link, ob das noch seine Zelda war. Sie wirkte wie eine gefährliche Rachgöttin, wie ein Tyrann und sie kannte im Augenblick keine Gnade. Link sah einfach nur zu, als sie dem inzwischen wehrlosen Moblin die Klinge einige Male in den Wanst rammte. Sie stach immer wieder zu, aber nicht, weil es ihr Spaß machte, sondern weil sie wusste, dass dieses Gesindel ebenso keine Gnade kannte. Sie tötete aus Verzweiflung... "Zelda. Er ist erledigt. Hör' auf." Sie stoppte ihre Angriffe, ein wenig geschockt über sich selbst. Sie hatte vollkommen die Beherrschung verloren. Sie führte die blutige Klinge zurück in dessen Schwertscheide und stand vor dem Häufchen Asche. Sie blickte verwirrt auf ihre Hände, sich innerlich fragend, was sie gerade getan hatte. Soviel Hass, Grausamkeit und Kälte steckten in ihr? Schockiert über sich selbst drehte sie sich zu Link um, der noch gar nicht fassen konnte, dass Zelda über so wenig Mitleid verfügte. Sie traute sich nicht ihn anzusehen, sonst würde sie in seinen Augen nur Anklagen sehen... Wortlos gingen sie weiter, mit der Gewissheit, dass Ganon irgendeine Gottheit gefangen hatte. War es möglich, dass er neben den Kräften des Triforce andere Götter Hyrules der Kraft beraubt hatte? War ihm seine bisherige Macht immer noch nicht genug? Einige Minuten später standen Link und Zelda vor einer gewaltigen Schlucht, die eine außerordentliche Breite besaß. Eine stabile, steinerne Brücke über die früher Kutschen passieren konnten, wie auch Händler mit ihren Karren, stellte eine mögliche Überquerung dar. Link war überwältigt von soviel Gefahr. Nicht einmal in seinen schlimmsten Träumen (und er hatte ja genug davon) hatte er einen solchen Ort erblickt. Der blanke Wahnsinn. Doch bevor sie in das tote Land dahinter eintraten, genehmigten sie sich ein ordentliches, aber einfaches Mittagessen. Kapitel 53: Die Schlucht zum Toten Land --------------------------------------- Kapitel 36: Die Schlucht zum Toten Land Mit fragenden Gesichtern standen zwei ratlose Hylianer vor der riesigen Brücke, die über die sagenhafte Schlucht führte. Und obwohl die Brücke sehr stabil aussah, überlegten sie beide sich zum fünfzigsten Mal, ob es da nicht eine andere Alternative gab. Die Überquerung hatte einfach eine ungeheure Reichweite und nur verschwommen sahen sie das andere Ende. Vorsichtig tasteten sie sich heran und wagten einige Schritte über die Überführung. Link warf des weiteren einen Blick in die unendliche Tiefe, was er gleich wieder bereute. Er taumelte auf die Mitte der Brücke zu und atmete kräftig aus. Er war ja kein Angsthase, aber diese Tiefe respektierte er. Dann warf er einen Stein über den Rand. Er spitzte seine Ohren. Kein Geräusch. Einige Minuten vergingen. Link lauschte immer noch. Weitere Minuten vergingen. Wieder kein Geräusch. Es würde wohl Jahre dauern, ehe der Stein am Boden aufkam. "Zelda, wie tief ist denn diese Schlucht?" "Keine Ahnung. Jeder, der versuchte, es herauszufinden, kam nicht wieder. Geschichten erzählen, die Götter hätten das Land dahinter wegen Gotteslästerung durch Tausende Blitze, von Hyrule getrennt und diese Schlucht in die Erde gerammt. Angeblich reicht die Schlucht bis zum Erdmittelpunkt." Hyrule hütete wirklich erstaunliche Legenden, oder nicht? (Und ganz schön respektwürdige Gottheiten...) "Ich schwöre, dass ich nie die Götter von Hyrule erzürnen werde...", murmelte er, von Zeldas grinsender Miene nicht beeindruckt. Sie tasteten sich voran, hoffend, dass sie das andere Ende erreichen würden, bevor irgendetwas Unvorhersehbares geschah. Link lief vorneweg und fühlte plötzlich Zeldas rechte Hand in seiner. Ein angenehmes Gefühl. Dann hörte Link nur kurz seinen Namen aus ihrem Mund, vernahm einen lauten Schrei und fühlte Zeldas Hand mit einem Schlag nicht mehr. Hastig drehte er sich um, doch erblickte auf der Brücke keine Spur von Zelda. Mein Gott... "Zelda", schrie Link und blickte über die Kante des Überganges. Verdammt, wo war sie? "Zelda!" Er rief aus Leibeskräften ihren Namen und sein Echo schallte in der Tiefe. Er blickte um sich. Sie konnte doch nicht in die Tiefe gefallen sein... Nein! Link war außer sich. Vorwürfe packten ihn. Dann vernahm er ihre Stimme, überrascht, wie weit entfernt sie klang. Er drehte sich in alle Himmelsrichtungen und entdeckte eine Person am Anfang der Brücke, die er als Zelda erkannte. Himmel, wie war sie denn innerhalb von Sekunden dort hingekommen? Sie lief in seine Richtung und Link in ihre. Sie erreichten sich. "Was zum Kuckuck hast du denn getan, Zelda?" Sie grübelte nach und erklärte ihm unmissverständlich: "Ich wurde teleportiert." (Für Link wohl doch zu missverständlich...) Er setzte einen blöden Blick auf. Ja klar. Wieso bin ich da nicht gleich drauf gekommen, sagte er zu sich selbst. Meine Güte, Link, du bist aber auch bescheuert... "Aha", sagte er schließlich, obwohl seine vorherigen Gedanken seinem Gefühlschaos eher entsprächen. "Das Medaillon begann wieder zu glühen und als ich dann noch einen Schritt nach vorne setzte, Schwups, befand ich mich am Anfang der Brücke. Jedoch glühte das Medaillon diesmal in grünen Farben, nicht in roten wie vor zwei Tagen in der Höhle." Merkwürdig. Erneutes Futter für ein Kopfzerbrechen. Sie wagten einen zweiten Anlauf. Innerhalb von Minuten standen sie an derselben Stelle wie zuvor. Und... Schwups. Zelda landete wieder am Anfang. Irgendetwas wollte nicht, dass sie über die Brücke gelangte. Dieses Etwas war aber gnädiger, wenn es um Link ging. Er hatte keine Schwierigkeiten weiterzulaufen. Link markierte die Stelle mit einem Stückchen Kreide, lief zu Zelda und sie starteten einen dritten Anlauf. Kurz vor der Markierung fing das Medaillon in grünen Farben zu glühen an. "Also, irgendetwas hat diese Teleportiereigenschaft mit dem Medaillon zu tun. Wenn wir nur wüssten, was! Ah, ich weiß." Zelda öffnete den Verschluss der Kette, reichte sie Link und gab ihm einen wohlgemeinten Stups nach vorne. Er fühlte sich komisch, dann fühlte er sich schlecht. Geschüttelt und Gerührt... Plötzlich kam er am Anfang der Brücke heraus und landete auf seinem Hintern. Benommen schüttelte er seinen Kopf und sah Zeldas dreistes Grinsen, die auf ihn zulief. "Du kleine Hexe", neckte er sie. Sie reichte ihm eine Hand und half ihm aufstehen. "Hat es dir denn nicht gefallen? Teleportieren kann auch Spaß machen, mein ängstlicher, kleiner Held." Link öffnete seinen Mund, um sich zurechtfertigen, aber seine Worte blieben ihm in der Kehle stecken. Er und ängstlich? "Magst du Teleportation nicht? Das ist ein Jammer." Eingeschnappt meinte er: "Was soll daran denn Spaß machen? Man hat gar keinen Sinn mehr für seinen Körper. Ich finde es nicht witzig, wirklich nicht..." "Darf ich dir was verraten?" Sie sprach dann leiser: "Damals hast du es geliebt." "Ich hatte wohl mehr Sinn für Humor als heute...", grummelte er, gab ihr die seltsame Uhr und stapfte dann wieder über die Brücke. Link kam eine Idee. Irgendwie hatte er ein Gespür für Geheimnisse, das sich bezahlt machen würde. Aus seiner magischen Tasche nahm er ein langes Seil. Zeldas große Augen ignorierend befestigte er es zum einen um seinen Bauch, und zum zweiten an einigen Steinen inmitten auf der Brücke, die sein Gewicht schon aushalten würden. Zelda blickte ihm verständnislos hinterher. Er hatte einfach die Frechheit Zelda nichts von seiner Vorahnung mitzuteilen. Aber... nach der Aktion würde Zelda ihn nie wieder ängstlich nennen. Er seilte sich an der Kante der Brücke hinab und kletterte, so gut es ging darunter. Zelda starrte über die Brücke und konnte Link nicht mehr sehen. "Sei' vorsichtig", rief sie und ihr Echo erklang aus den Tiefen der Schlucht. Mit einem Grinsen kam Link wieder zum Vorschein und hatte irgendeinen Stein zwischen seinen Zähnen. Zelda krallte sich seine Arme und half ihm auf sicheren Boden. "So, jetzt verrate mir doch mal, was das sollte, du... warum tust du so was Leichtsinniges?" Er spuckte den Stein aus und sagte: "Tja, so bin ich nun mal. Leichtsinnig und gelegentlich übermütig. Aber du wusstest sicherlich, auf was du dich einlässt, als du mich getroffen hast." "Nein, ich habe dich damals für einen unschuldigen Jungen gehalten." "Bin ich doch. Oder kann dieses Engelsgesicht..." Er deutete auf seine grinsende Miene, "... lügen?" Dann lachte er und präsentierte ihr stolz seine Entdeckung. Es handelte sich um einen grünen Stein, den Zelda wieder als Gossipgestein definierte, nur diesmal besaß es die Fähigkeit Teleporter zu setzen, anstatt irgendwelchen telekinetischen Fähigkeiten. "Dieser Stein war also der Grund für unsere mangelnde Bewegungsfreiheit", sagte Zelda und beäugte ihn genauer. Sie hielt ihn gegen das schwache Sonnenlicht und verstaute ihn in der kleinen Ledertasche, wo sich schon ein roter Stein befand. Glücklicherweise konnten sie endlich ihren Weg fortsetzen, da der Stein diese auffallende Wirkung nicht mehr aufwies. Es schien, als wollte jemand, dass diese Steine in ihren Besitz gelangten. Vielleicht verbargen diese eine weitere große Kraft, die man in Hyrule noch nicht kannte? Vielleicht waren sie ein Stückchen Hoffnung... Kapitel 54: Nur Freunde... -------------------------- Kapitel 37: Nur Freunde... Inzwischen zog der Abend herauf und die zwei Hylianer folgten einen ausgetrockneten Pfad durch eine zerstörte Landschaft. Nirgendwo grüne Wiesen, kein Baum, der noch Blätter trug... alles wirkte so kahl, so leblos... Ob hier überhaupt Hylianer gelebt hatten? Von weiten sahen sie die Nordseite des Gerudo Canyon, aber bis Einbruch der Nacht würden sie es keinesfalls bis dorthin schaffen. Obwohl eine Nacht in jenem kahlen Land nicht einladend war, mussten sie leider irgendwo hier ihr Lager aufschlagen. Sie erreichten einen ausgetrockneten, kleinen See, an dessen Grund sich viele, riesige Felsen befanden. Sie kletterten und entdeckten eine kleine Höhle zwischen den Felsen. Ohne weiteres Überlegen entschieden sie sich dort zu übernachten. Wenig später flackerte ein kleines Feuer inmitten der Höhle umher. Tatsächlich war es im toten Land ausgesprochen kalt und ein eisiger, trockener Wind wehte, vielleicht noch kälter als in der Wüste... Sie saßen mit nachdenklichen Gesichtern vor dem Feuer. Sie schwiegen. Aber Link lag dennoch etwas auf dem Herzen. So viele Fragen gingen durch seinen Kopf, allein wegen dem, was Zelda ihm über das Ende Hyrules mitteilte. Fragen über Fragen... aber er wollte ihr diese im Moment nicht stellen. Sie sollte ihm die Dinge, die er noch wissen müsste, von sich aus mitteilen. Und das es etwas gab, was sie nach wie vor belastete, das sah er in ihren Augen, ebenso wie den seltsamen Schatten darin, der sich viel zu oft über das pure himmelblau legte. Link blickte sie nun nicht mehr an, er starrte sie geradezu durch die Flammen hinweg an, auch wenn er es nicht wirklich begriff. "Ich kenne Mortesk ebenfalls, Link", sagte sie. "Wirklich? Woher denn. Ich dachte, er wüsste nicht, dass du existierst." Link klang ein wenig entsetzt, beruhigte sich aber angesichts Zeldas sanften Lächeln. "Ich kenne ihn aus der Vergangenheit. Er saß einmal in den Schlossverliesen." "Und wieso ist er dann heute hier?" "Er kam frei..." Sie nahm einen Stock und wuselte damit in dem Feuer herum. "Wieso das denn?" Jetzt war Link wieder zu neugierig. "Es war... ein unglücklicher Umstand..." An ihrer Stimme erkannte Link, dass es ihr nicht leicht fiel darüber zu reden, also bohrte er nicht weiter nach. "Was macht eigentlich deine Wunde am Oberarm, Link?" Er griff sich hastig an den Oberarm und meinte: "Ach die?" Ja, er hatte die Wunde total ignoriert. Zelda stand auf und lief zu ihm hinüber. "Ähm... darf ich danach sehen?" Sie setzte sich neben ihn. Link musste zweimal über das nachdenken, was sie gesagt hatte. "Link?" Der Klang von Zeldas süßer Stimme machte ihn nervös. "Äh... ja, wenn... wenn du willst." Verdammt noch mal, konnte sich zwischen ihnen denn nicht endlich mal etwas ändern, fragte er sich. Zelda schaute sich dann seinen Oberarm an, nahm ihm den Verband ab, streichelte fast über die Wunde und meinte: "Du brauchst keinen Verband mehr. Wenn du Glück hast, bleibt nicht mal eine Narbe." "Wenn das so ist... ich habe immer Glück, manchmal mehr als ich gebrauchen kann." "Dann gib' mir doch ein Stückchen davon", sagte sie und grinste leicht. Er grinste zurück und meinte hitzköpfig: "Das habe ich bereits." Link setzte sich ihr gegenüber, nahm wieder ihre Hände in seine und hatte allem Anschein nach etwas Wichtiges zu sagen: "Zelda. Ich wollte etwas wissen, etwas, dass nur uns beide betrifft, aber ich..." Er blickte ihr tief in die Augen und fuhr fort. "Was war damals... ich meine..." Er atmete tief ein und scheute ihren Blick. "... zwischen uns." Sie zog ihre Hände weg, stand auf und ballte diese zur Faust. "Ich kann nicht darüber reden, Link." Das hatte Link irgendwie erwartet und nun fragte er sich, was eigentlich in ihn gefahren war, um ihr diese dämliche Frage zu stellen. Im Moment gab es doch Wichtigeres als Gefühlsduselei... Zelda warf einen Blick auf die Uhr... schon zwölf... Sie holte ihre kleine Spieluhr aus der Tasche und drehte sie auf. Bekannte, angenehme Töne schallten in der Höhle umher. "Ich bin früher immer bei dieser Melodie eingeschlafen." Link lächelte sie nur an. Oh Mann, dieses hübsche Gesicht brächte ihn noch ins Grab. Dann krabbelten sie in ihre Schlafsäcke und versuchten den Wind, der lautstark wehte zu ignorieren. Während Link schon lange schlief, zappelte Zelda immer noch herum. Sie blickte in Links Gesicht und dachte nach. Immer noch war er ihr gegenüber so verständnisvoll wie an jenem Tag, an welchem er sie fand. Immer noch verlangte er keine weiteren Antworten. Wie konnte er nach allem sich ihr gegenüber so verhalten? Sein Charakter, seine Aura, selbst seine Augen, nichts hatte sich seit der Vergangenheit sehr verändert und sie liebte sein Erscheinungsbild, genauso wie es jetzt war. "Kannst du nicht schlafen, Zelda?" "Es ist nur ein wenig unbequem und... Ja, ich gebe zu, dass ich mich nach einem Bett sehne. Wie schaffst du es nur, hier, in der Wildnis, auf diesen Steinen Schlaf zu finden?" "Ich mache einfach die Augen zu und stelle mir vor, in meinem Bett zu liegen." "Ich wünschte, ich hätte ein Kissen mitgenommen." Link richtete sich auf und grinste leicht. "Ich kann dir gerne als Wärmekissen dienen..." "Du bist einfach nur unverschämt, du..." Sie boxte ihn an seinen Arm. "Aua, das tut doch weh..." "Als ob ich dir damit weh tun könnte..." "Das kannst du, du weißt es nur nicht." "Soso, der Held Hyrules ist wohl empfindlich in meiner Gegenwart." "Jep. Um ehrlich zu sein, bist du die einzige Person auf der Welt, bei der ich Schwäche zeigen würde..." Sie grinsten sich an. "Du kleiner Spinner...", murmelte sie. "Aber immerhin, habe ich dich damit aufgeheitert, nicht wahr?" "Mmh... denke schon." Zelda rutschte ein wenig mehr in seine Richtung. Sie schlossen beide die Augen und versuchten Schlaf zu finden. Von weitem drang das Rauschen des Windes. Ansonsten herrschte Stille. Nach einigen Minuten, meinte Link: "Ist es immer noch unbequem?" Sie antwortete nicht. War sie schon eingeschlafen? Link drehte sich zu ihr und beugte sich leicht über sie, damit er sehen konnte, ob sie ihre Augen geschossen hielt. Ja, das war der Fall. Zelda hatte ihre Augen fest geschossen und atmete tief ein. Er blickte sie weiterhin an und wurde allmählich nervös. Himmel... dachte er, warum immer ich... Er drehte sich wieder um und versuchte ebenfalls zu schlafen. Ein Schäfchen, zwei Schäfchen, drei Schäfchen... es brachte nichts. Er fand einfach keinen Schlaf. "Link", sagte Zelda dann. "Du Schauspielerin." "Es ist immer noch unbequem. Ich finde so einfach keinen Schlaf..." Sie stand auf. Zugleich schüttelte sie die Kälte der Nacht. Sie kramte nach einer Jacke, aber es brachte nichts. "Du solltest wieder in deinen Schlafsack krabbeln. Du holst dir noch den Tod", meinte Link. Zelda blickte hinaus auf die ausgetrocknete Landschaft. "Lass uns weitergehen. Besser wir vertrödeln keine Zeit", sagte sie. "Was? Jetzt?" "Ja! Jetzt!" Zeldas plötzliche Sinneswandel kosteten Nerven, aber Link tat, was seine Prinzessin verlangte. Der junge Held stand auf und sie packten alles zusammen. "Verdammt, Zelda. Ich finde, du hättest mich ruhig schlafen lassen können. Ich bin total müde... gähn..." "Von mir aus, bitte, dann geh' doch zurück in die Höhle. Ich laufe jedenfalls weiter", sagte sie verdrießlich und hatte wohl mal wieder schlechte Laune. Link schüttelte mit dem Kopf und lief nur hinter ihr her. Sie waren keine dreißig Meter von dem kleinen See entfernt, als plötzlich die Erde zu beben anfing. Sie wurden dazu gezwungen, sich auf die ausgetrocknete Erde zu legen. Entsetzt sahen sie zu, wie die Felsen in dem See buchstäblich auseinander fielen und alles unter sich begruben. "Hast du das etwa gespürt, Zelda?" Mit kühler und gefasster Stimme entgegnete sie: "Nein... diesmal hatten wir wahrlich Glück." Sie waren die ganze Nacht unterwegs und machten erst wieder Rast, als sie die Einöde des toten Landes hinter sich hatten. Während des Weges gab es immer wieder überraschende Erdstöße, worauf sie gezwungen wurden, langsamer zu gehen, oder einfach nur abwarteten. An den Hängen des Gerudo Canyon gönnten sie sich endlich wieder eine längere Pause, bevor sie weiterzogen. Sie entdeckten eine kleine alte Holzhütte und ruhten sich darin aus. "Ich mag dieses tote Land nicht, Zelda", murmelte Link, der schon lila Augenringel hatte. Sie sagte nichts dazu und begann einfach herzlich zu lachen, obwohl Link den Sinn der Aktion nicht verstand. Sie lachte immer noch und allmählich fand Link das nicht mehr lustig. Er gähnte und funkelte sie mit trotzigen Augen an: "Haha... Ich lache gleich mit... gähn." "Sorry, aber du siehst so müde aus, dass ich lachen musste." "Ich bin eben auch müde und wenn du entschuldigst... ich schlafe jetzt. Gute Nacht oder besser: Guten Morgen." Er machte seine Augen zu, aber döste nur. Er drehte sich um, sodass Zelda nicht erkennen konnte, ob er wirklich schlief. Sie drehte erneut ihre Spieluhr auf, doch diesmal sang sie zu den Tönen. Sie sang in einer Sprache, die Link nicht verstand. Dennoch tat es gut, dieses Lied zu hören. Bisher hatte er nicht gewusst, dass Zelda so singen konnte. Zugegeben, er verstand die Sprache nicht, aber es klang einfach nur schön und traurig. Es ging ihm sehr nah, dieses Lied... "Link? Du wolltest wissen, ob wir damals..." Er öffnete seine Augen, aber blieb ihr den Rücken zugewandt liegen. "Ob wir nur Freunde waren?" Er schaffte es nicht, sich umzudrehen. "Waren wir denn jemals... nur Freunde? Wir waren immer... mehr als das, aber... es sollte wohl einfach nie sein. Wir durften uns nicht ineinander fallen lassen... ineinander verlieben. Das wird für uns niemals Realität sein." Sie zog die Spieluhr erneut auf und flüsterte leise. Man erkannte an ihrer Stimme, dass es weh tat, ihm dies zu sagen, aber alles in allem war es die unerschütterliche Wahrheit und niemals würde es anders sein. "Ich hatte meine Pflichten und... du deine. Unsere Wege haben sich nach den Abenteuern stets getrennt und unser Schicksal war es nie... miteinander glücklich zu werden... " Ihr Flüstern endete und sie verschwand mit einem leisen Schluchzen aus der Holzhütte. Link setzte sich aufrecht und fühlte sich, als hätte man ihm das Herz ausgerissen. Zugegeben, er war kein Schwächling, aber Zeldas Worte schmerzten in seiner Seele. "Zelda...", murmelte er und verstand nun die Grausamkeit ihres Schicksals, die er nie verstehen wollte. Sie würden sich begegnen, irgendwann, da das Schicksal es so wollte. Sie würden gemeinsam kämpfen. Aber ihre Wege würden sich danach wieder trennen. Und nur die Erinnerung gab noch etwas von den Gefühlen preis, die doch Gefühle der Zuneigung, der Sehnsucht, der Liebe waren... Kapitel 55: Geheimnisse der Vergangenheit III --------------------------------------------- Kapitel 38: Geheimnisse der Vergangenheit III Zelda öffnete verschlafen ihre Augen und wischte sich den Schlafsand weg. Sie gähnte und machte die Augen wieder zu. Wenn es etwas gab, das sie von Link gelernt hatte, dann wohl einem unerträglichen Morgenmuffel Folge zu leisten. Als sie aber dann ihre Sinne ordnete und kapierte, dass sie sich nicht in ihrem riesigen Himmelbett befand, wagte sie erneut einen Blick. Sie lag in einem Schaukelstuhl und überraschenderweise war es hier sogar gemütlicher als in ihrem riesigen Bett, indem man sich verlieren könnte. Sie öffnete ihre blauen Augen und schaute umher. Sie befand sich in der Bibliothek. Ja, richtig, sie hatte doch gestern noch in alten Schriften nachgelesen. Ihre Gehirnzellen arbeiteten fix und nur noch ein Bild geisterte in ihrem Kopf herum. "Link", sagte sie. Wo war er denn? Sie setzte sich aufrecht und erkannte seinen Mantel, der wie eine Decke über ihr lag, aber nirgendwo eine Spur von Link. Aha, er musste sie, nachdem sie eingeschlafen war, einfach in den Schaukelstuhl gelegt und mit seinem Mantel zugedeckt haben. Mit einem Lächeln nahm sie den Mantel in ihre Hände, legte sich diesen um, auch wenn er abgenutzt war, und stand auf. Schleunigst packte sie die restlichen Bücher wieder in die Regale und ließ alles so aussehen, als ob niemand hier gewesen war. Die Prinzessin schlich dann leise in Richtung Tür und hörte aufgeregte Schritte, dann beunruhigte Stimmen. Sie erkannte die Stimmen als die von Impa und ihrem Vater, dem König höchstpersönlich. "Wo steckt diese kleine Göre nur wieder? Allmählich mache ich mir Sorgen, Impa." "Mein König, ich bin mir sicher, Zelda ist wohl auf. Sie hat sicherlich mal wieder ihrem Wildfang nachgegeben." Dann blickte Impa in Richtung der Bibliothek, als ob sie durch Türen sehen könnte. Wer weiß, welche Fähigkeiten Shiekah noch besitzen... "Impa, das mag sein, aber Zelda ist schließlich die Prinzessin von Hyrule. Es wird Zeit für sie, mehr Verantwortung zu übernehmen." Mehr Verantwortung? Diese Worte kränkten Zelda nun doch ein wenig. Wer hatte denn vor einigen Jahren erkannt, dass Ganondorf nur niedere Absichten verfolgte? Wer hatte sein eigenes Glück dem Wohle Hyrules geopfert? Wer hatte unschuldige Menschen dazu gebracht, einen Teil ihres Lebens wegzuwerfen, um das Land zu retten? Wer? Wer? Wer? Ihr Vater hatte gut reden... und wusste doch nichts von dem alternativen Pfad der Zeit (zu der Zeit hatte Ganondorf ihn getötet), kannte den Helden der Zeit nicht so wie sie; er selbst hatte in seiner Verantwortung für das Königreich versagt. "Impa, noch etwas. Zelda ist nun bald sechzehn Jahre alt und in kürzester Zeit wird sie selbst über Hyrule herrschen. Was ich dir mitteilen will, ist folgendes, ich habe Pläne über Zeldas Zukünftigen." Geschockt, nein, mehr als geschockt, blickte Impa ihren König an. Das konnte er doch nicht ernst meinen. Tickte er jetzt völlig aus? Auch Zelda, die ihr Ohr an die Tür gelehnt hatte, wirkte geschockt. Jetzt hackt' s aus... und zwar gewaltig... "Zelda muss sich entscheiden", sagte er. "Selbstverständlich wird sie niemand zu einer Heirat drängen, aber sie ist die Prinzessin, sie wird regieren und sie braucht einen Gemahl von adliger Abstammung an ihrer Seite. Allein schon aus Gründen der Repräsentativität." Zelda wollte laut quieksen, hielt sich aber dann eine Hand vor den Mund. Sie und heiraten? Wo kämen wir denn hin? Welcher Fluch lastete auf ihrem Vater? Oder hatte das Alter ihm diese abnorme Idee eingebracht? Niemals würde Zelda mit irgendeinem dahergelaufenen, unreifen, hochnäsigen Adelsmann ein solches Bündnis eingehen. Mögen die Götter Zelda verfluchen, aber das brachte sie nicht fertig, das konnte sie einfach nicht. "Impa, tu' mir einen Gefallen und nimm' einen Suchtrupp und gehe in die Stadt. Vielleicht ist sie dort irgendwo." Impa verbeugte sich, schaute noch kurz in Richtung Bibliothek, mit einem fast mütterlichen Lächeln und erwiderte: "Wie Ihr befehlt, mein König." Sie verschwand in einer Rauchwolke und hinterließ einen besorgten König. Zelda blieb in der Bibliothek stehen und zog eine eingeschnappte Schnute. Pah, der spinnt doch, sagte sie zu sich selbst, auch wenn derartige Worte nicht zu der gebildeten Sprache einer Prinzessin gehörten. Nicht mehr alle Tassen im Schrank, der Gute... Zelda lief zu den hintersten Regalen der alten Bibliothek, ständig begleitet von einem Kopfschütteln. Sie schob ein kleines Buch zur Seite und das Regal vor dem sie stand, gab einen Geheimgang frei. Tja, das Wissen um des Schlosses Geheimgänge machte sich eben bezahlt. Erfreulicherweise kannte nicht einmal ihr Vater diese Gänge... Sie folgte einem langen Gang, bis sie im Schlossgarten herauskam. Sie ließ sich in das Gras fallen, tat so, als wäre sie schon seit den frühen Morgenstunden hier und hatte keine Schuldgefühle, noch die Spur von etwas, was man Reue nannte. Inzwischen rückte der Abend an. Zelda hatte sich einen langen Vortrag über die Manieren und das Benehmen einer Prinzessin anhören müssen, auch wenn sie nur mit halbem Ohr hingehört hatte und war zu der Einsicht gekommen: einer nächsten kleinen Davonlaufaktion stand nichts im Wege... Sie befand sich in ihrem Zimmer und wusste, dass Link wahrscheinlich das Land erneut verlassen hatte. Er war nicht hier und würde es wohl in Hyrule niemals länger als einige Tage, einige Wochen oder Monate aushalten... Er war ein Held, ein Abenteurer, ständig auf der Suche nach dem ultimativen Thrill. Was sollte ihn schon dazubewegen, ein Leben in Hyrule zu führen? Dann ereichten sie seine Gedanken und Zelda kam in den Sinn, das ihm trotz seinem unstillbaren Abenteurerherzen irgendetwas fehlte. War das womöglich der Grund für sein Schweigen in der gestrigen Nacht in der Bibliothek? Plötzlich klopfte es an der Tür zu ihrem Schlafgemach. Impa trat herein und sah sie fragend an. "Was ist los, Impa", sagte Zelda, die wusste, dass irgendetwas im Blick der Schikah verdächtigt war. "Es geht um Link", erwiderte Impa. Leicht entsetzt sprang Zelda auf, sodass der Stuhl auf dem sie saß mit einem Schlag umgeworfen wurde. "Was ist mir ihm? Ist er in Schwierigkeiten? Ist er verletzt?", Impa schüttelte mit dem Kopf und lächelte leicht. "Zelda, Liebes, allmählich frage ich mich, ob ihr Euch nicht zu viele Gedanken um ihn macht." Verständnislos blickte Zelda ihr Kindermädchen an und wiederholte noch einmal ihre Frage: "Sag' schon: Was ist mit ihm?" Impa lief einige Schritte auf Zelda zu und überreichte ihr einen Brief. "Es geht ihm ausgezeichnet. Ich bin nur hier, weil ich Euch das von ihm geben soll. Er sagte mir übrigens auch, dass ihr Euch letzte Nacht in der Bibliothek aufgehalten habt." Zelda nahm den Brief an sich und sagte leise danke. Impa legte eine Hand auf Zeldas rechte Schulter. "Habt' Ihr mir etwas zu sagen, Prinzessin?" Zelda wusste, was sie andeutete... es ging um das Medaillon... Impa ahnte, dass Zelda irgendeinem Geheimnis auf der Spur war, einer Sache, die für Hyrule wichtig sein würde... Bisher hatte Zelda vor Impa fast nichts, um ehrlich zu sein, gar nichts verschwiegen, aber heute hatte sie nicht mehr den Wunsch, ihr dieses Geheimnis auf die Nase zu binden. Impa verstand dieses Verhalten sicherlich... Sie lächelte und sagte: "Es ist in Ordnung, Prinzessin. Ein Geheimnis zwischen Euch und Link, nehme ich an?" Zelda lächelte mit einem ihrer vielsagenden Blicke, erfreut über Impas Art, die Dinge zu sehen. Dann nickte sie, ein leichtes Rot auf ihren Wangen. Zelda lief zu dem Balkon und öffnete den Brief. Währenddessen verschwand Impa aus dem königlichen Gemach. An die schlaftrunkene Prinzessin von Hyrule, verzeih' mir bitte, aber du sahst so niedlich aus, dass ich dich nicht wecken wollte. Na egal, ich habe während du schliefst in einer Ecke auf einem Regal (jawohl: auf dem Regal, nicht in dem Regal!) ein merkwürdiges Buch gefunden, dass schon sehr verstaubt war. Darin standen einige Hinweise bezüglich des Medaillons, denen ich nachgehen werde. Wundere dich bitte nicht, dass ich schon wieder verschwunden bin, aber ich wollte mich nicht bei dir verabschieden. Ich nehme an, dass ich in einigen Wochen oder Monaten wieder in Hyrule bin und wenn die Göttinnen mir Glück wünschen, werde ich das Medaillon gefunden haben. Vergib' mir, falls ich nicht zurückkehre... Bis irgendwann, Link. Zelda faltete den Brief wieder zusammen und blickte mit bangem Blick hinaus aus dem Spitzbogenfenster ihres Zimmers. Der Satz: ,Vergib' mir, falls ich nicht zurückkehre' machte ihr mehr als nur Sorgen... Kapitel 56: Gefahren in der Wüste --------------------------------- Kapitel 39: Gefahren in der Wüste ,Vergib' mir, falls ich nicht zurückkehre... vergib' mir, falls ich nicht... vergib' mir...', schallte es in Zeldas Gedanken. Eine Stimme von weiten. Nur ein Ruf, nicht mehr. Eine Bitte. Zelda schlief nicht und hatte sich an die Außenseite der morschen Holzhütte gelehnt. Einige Stunden waren vergangen, aber sie hatte im Moment kein Gefühl für die Zeit. Ihre Gedanken befanden sich auf einem ihrer visionären Trips und sie musste sch zusammen reißen, sich nicht ganz in der Erinnerung zu verlieren. Warum hast du ihm das gesagt, du Idiot, fragte sie ihr Inneres. Link kam aus der Hütte und sagte nichts weiter als: "Wir müssen weiter." Kein Blick, kein Lächeln, nicht eine Gefühlsregung. Er schirmte jegliche Empfindungen ihr gegenüber ab. Er warf einen Blick auf die steilen Hänge des Canyon. Dann wanderten seine Augen zu einem sehr schmalen Pfad zwischen den steilen Felshängen. Er schlug die abgenutzte Landkarte Hyrules auf und erkannte eine kleine Markierung, die sich über den nördlichen Bereich des Gebirges zog. Es musste sich einfach um den Pfad vor seinen Augen handeln. Er lief zügig vorneweg und blickte nicht zurück, ob Zelda nun folgte, oder nicht. Sie waren während des gesamten Tages unterwegs. Nirgends waren Kreaturen Ganons oder andere Gefahren in Sicht. Ohne Unterbrechung legten sie ein großes Stück zurück und erreichten das Ende des Weges, der über den Canyon führte. Nichts als ein Meer aus Sand lag vor ihnen. Aber es gab kein Jammern oder Nörgeln, sie mussten diesen Weg nehmen, anders würden sie die Stätte des zweiten Weisen nicht erreichen. Sie stapften nachdenklich, mit ernsten Gesichtern durch die Wüste und benahmen sich, als hätten sie ihre Stimmen verloren. Was gab es jetzt noch zu sagen? Eine glühendheiße Nachmittagssonne stand am Horizont und machte den Weg nur noch beschwerlicher. Link lief schon mit freiem Oberkörper herum. Zelda hatte ihr langärmeliges Gewand abgelegt und trug nur ein bequeme, aber aufreizende Korsage. An einer kleinen Oase machten sie Rast und füllten ihre leeren Flaschen mit Wasser auf. Link konnte nicht anders und starrte sie an, auch wenn sie es glücklicherweise nicht mitbekam. Mit diesem Outfit verdrehte sie ihm erst Recht den Kopf. Er wollte es einfach nicht wahrhaben. Sie waren nie mehr als nur Freunde, aber war das nicht vielleicht die Herausforderung an sich? Gab es nicht doch irgendwann einmal eine Chance für sie beide? Immerhin lebten sie nun in einer ganz anderen Zeit, einer anderen Welt und Hyrule war Vergangenheit. Er wollte nicht aufgeben, er wollte nicht einfach akzeptieren, dass sich ihre Wege trennen würden. Diesmal nicht, schwor er sich. "Sollten wir nicht endlich mal wieder miteinander reden?" Fast einem Flüstern gleich entkam ihm dieser Satz, aber Zelda zuckte nur ratlos mit den Schultern. Er startete seinen zweiten Anlauf und sagte: "Wie lange werden wir noch bis zum Tempel brauchen?" "Woher soll' ich das denn wissen?" Zynisch klang ihre Stimme und sie machte ihm deutlich, dass es sie herzlich wenig kümmerte. "Hätte ja sein können. Ich hoffe, die Prinzessin hat nicht vergessen, dass ich keine Erinnerungen an Hyrule habe...", grummelte er. "Keine Sorge" erwiderte sie sarkastisch, "Das ist mir nicht fern geblieben, du Held!" Er ging auf sie zu und erwiderte ihren Blick mit ebensoviel Kälte, wie sie. "Wart Ihr, königliche Hoheit, damals schon so gemein zu mir? Wenn ja, dann kann ich verstehen, wieso... wir NUR" Er betonte gekränkt das letzte Wort. "NUR FREUNDE WAREN." Seine Worte wandelten sich in ein Fauchen und sie konnte die Wut in seinen Augen sehen. "Oh ja." Dann lachte sie, aber er wusste, dass es ihr weh tat. "Ja, genau, du hast es erfasst. Ich hatte nie etwas für einen Helden übrig, der unter Bäumen schlief, der sich im Dreck herumwälzte und der ständig Blut an seinen Händen hatte. Ich habe ihn nur ausgenutzt!" Tränen standen in ihren Augen. "Ich hatte nie etwas für einen Helden übrig, der mich besucht hat, da ich einsam war, der mich beschützt hat, ohne irgendetwas dafür zu verlangen, der soviel aufgegeben hat, nur um mir zu helfen. MIR, DER DUMMEN PRINZESSIN VON HYRULE." Dann schrie sie ebenso und ballte ihre Fäuste. Link versuchte sich zu beruhigen und drehte sich um. Irgendwie hatte es keinen Sinn. Sobald er versuchte zu ihr durchzudringen, versagte ihre Kommunikation. Es tat weh, aber es ging so nicht weiter. Er musste sich etwas einfallen lassen, etwas, wie er Zelda überzeugen konnte, dass sie es doch, wenn auch nicht für ewig, zulassen konnten. Er wollte ihr klar machen, dass auch sie ein Stück vom Glück verdient hatte, vielleicht sogar mehr als jeder andere Mensch. Ja, er würde sich etwas einfallen lassen. Sie setzten ihren Weg fort und taten fortwährend wie Stumme. Gegen Abend erreichten sie die Stätte des Weisen der Geister am Rande der Wüste, welche um einiges entfernt von dem Geistertempel lag. Es wurde allmählich kühler und sie zogen beide wieder dickere Klamotten an. Denkwürdig lag ein altes, gigantisches Bauwerk vor ihnen. Der Anblick war überwältigend. Es schien als stände diese Stätte schon seit Urzeiten auf seinem heiligen Grund. Link blickte erstaunt an den Wänden hinauf, die weit in den Himmel reichten, sicherlich zehn Stockwerke, dachte er. Alle möglichen Schlangen-, Skorpion- und Frauenstatuen standen wie Wachposten um das Labyrinth. Sein rissiges Gestein teilte Link mit, dass viele Jahrhunderte seit seiner Erschaffung vergangen sein mussten. Einige Palmen standen um den Ort und ein kleiner See lag ein Stück abseits. Ein kühler sandiger Sturm kam auf, also gingen die beiden Hylianer einfach schon mal in das heilige Gebäude hinein. Sie betraten als erstes eine Halle, in der ebenso Statuen standen. Merkwürdige Steintafeln mit hylianischer Schrift hingen an den sonst kahlen Wänden. Menschengroße Kerzenständer erhellten den ganzen Raum und schufen eine beunruhigende, gespenstische Atmosphäre. Einige schmale Gänge führten aus dem Raum, tiefer in das fantastische Labyrinth hinein. Auf dem Boden des Raumes lag Staub. Dennoch war eine Sache äußerst merkwürdig. Vom Eingang bis hin zum mittleren Gang führten ziemlich große Fußspuren, die nur sichtbar waren, da zuviel Staub lag. Link besah sich diese Abdrücke genau: "Scheint, als wäre bereits jemand hier gewesen." "Oder dieser jemand ist noch hier", setzte Zelda hinzu. Nach langem Hin und Her entschieden sich die Zwei für einen etwas einladenderen Weg, ganz rechts. "Ich gehe vorneweg", sagte Link und öffnete eine alte, morsche Tür, die grell quietschte. Er warf vorsichtig einen Blick dahinter und nahm sich eine Fackel, die er sofort entfachte. Der Gang hatte eine erstaunliche Höhe, trotz seiner geringen Breite. Aber stockduster war es hier und das Licht der Fackel brachte fast nichts. Ein Glück, dass Link kein Angsthase war. Aber furchteinflößend war die Situation trotzdem. Was, wenn sie sich verlaufen sollten? Diesmal wagte Link ab und zu einen Blick zurück, nur um sicher zugehen, dass Zelda hinter ihm lief. Dann blieb Link überraschend stehen. Er hatte für einen Augenblick das Gefühl gehabt, ein Geräusch vernommen zu haben. Ein Schlürfen auf dem Boden, dass er sich auch eingebildet haben konnte. Sie folgten ihrem Weg und standen abermals vor einer Tür, die jedoch verschlossen war. "Moment. An so was habe ich gedacht." Zelda kramte in ihrer Tasche herum und holte einen riesigen Schlüsselbund mit Unmengen von Schlüsseln hervor. Irgendeiner würde schon passen. Link sah nur mit großen Augen zu und fragte sich geistesgegenwärtig, welche Gegenstände Zelda noch mit sich herumschleppte. (Nicht, dass er sich beschwerte...) Die Tür sprang mit einem Knacken auf und sie erreichten einen kleinen Raum mit vielen Spiegeln, die mal das wahre Abbild ihrer Betrachter zeigten, mal magere Gestalten, mal dicke oder mal überhaupt nichts wiederspiegelten. Aber irgendwie hatte der Raum keinen weiteren Ein- beziehungsweise Ausgang. Link trat vor die Spiegel und zog immer mal eine doofe Schnute, um sich aufzuheitern. "Zelda. Guck' mal, sieht das nicht toll aus?" Ja, er wollte auch sie ein wenig aufheitern und zerrte die Enden seines Mundes beinahe bis hin zu seinen spitzen Ohren. Doch Zelda hielt offenbar nichts von seiner Aktion. Stattdessen entdeckte sie an der Wand einen kleinen Hebel, den sie einfach umlegte. Allerdings handelte es sich nicht um den Richtigen und im gesamten Raum taten sich plötzlich Löcher auf. Link handelte schnell und hüpfte auf einen der Spiegel. Zelda blieb stehen und überblickte die Lage. Die Löcher bildeten auf dem Boden ein Muster, das sie schnell identifizierte und sie guten Gewissens stehen bleiben konnte. Link sprang von dem Spiegel, an den er sich geklammert hatte und versuchte sein Glück mit einem weiteren kleinen Hebel, der sehr leicht zu übersehen war. Diesmal drang ein schriller Ton an die Ohren der beiden und sie hielten sich diese krampfhaft zu. Sie rannten in eine hintere Ecke und sahen zu, was dann passierte. Die Spiegel überlebten das Geräusch nicht und überall zerflogen die Scheiben. Klirr. Klirr. Klirr. Dann kamen einzelne Lichtstrahlen aus dem Nichts und sammelten sich in den Splittern, die auf dem Boden lagen und nicht durch die Abgründe gefallen waren. Auch die Splitter bildeten eine Art Symbol und der ganze Raum funkelte in einem Spektakel aus Licht und Glanz. "Das ist wunderschön", meinte Zelda leise. Nach einigen Minuten entstand in der Mitte des Raumes eine kleine Lichtsäule, die nur darauf wartete einen Gast mitzunehmen. Schweigend betraten sie die Säule und standen sich gegenüber. Wieder ignorierten sie sich gegenseitig und achteten darauf, sich keinesfalls zu berühren. Sie wurden hinfort getragen und gelangten in einen anderen Bereich des Bauwerkes, einen hohen Raum, bei dem es sich um eine Art Kerker handelte. Ringsherum waren nur Wände oder dicke Eisenstäbe. Sie blickten sich um und erkannten schockiert, dass sie in der Falle saßen. Link hielt erneut seine Fackel in die Luft und leuchtete umher. Außerhalb der Zelle führte ein langer Gang weg, aber wie sollten sie aus der Zelle herausgelangen? Link tastete die Wände ab. Zelda allerdings verlor sofort die Geduld, startete vor Groll eine magische Attacke und das Gitter flog mit einem lauten Schlag aus seinen Halterungen. Stolz lief sie weiter und Link ihr hinterher, der sich wieder fragte, ob er dieses Mädchen wirklich kannte... Verdammt, was war nur los mit ihr? Nutzte sie ihre Kräfte, weil es Spaß machte, oder tat sie es aus Verzweiflung, um vor Link ja nicht schwach zu wirken? Vielleicht war sie wirklich davon überzeugt, er sähe sie als beschützungswürdiges, hilfloses Prinzeschen, das nichts alleine schafft. Link blickte ihr lange hinterher, bevor die Realität sich wieder einmischte und ihn aus seinem Gedankenspaziergang herausbeförderte. Nach einer Weile meinte er jedoch: "Zelda. Wieso sehen die Tempel eigentlich nicht so aus wie im Spiel? Ich meine, im Spiel sind die Dinge so verschieden." Genervt entgegnete sie: "Das muss wohl daran liegen, dass Hyrule für uns kein Spiel ist. Und jetzt hör' auf mit deinen sinnlosen Fragen. Ich muss nachdenken." "Ist ja schon gut. Am besten ich nähe mir den Mund zu..." "Dann würdest du endlich mal was sinnvolles tun." Nun lag sogar schon Verachtung in ihren Worten. Link hätte ihr spielend über den Mund fahren können, aber er hielt sich zurück. Wenn sie ihn schon verletzte, dann wollte er nicht noch mitmachen. Er schüttelte seinen Kopf, verkrampfte seine linke Hand, aber sagte nichts. Friss' ruhig alles in dich hinein, dachte er... Die beiden Hylianer standen vor einer Leiter und Link überließ Zelda den Vortritt. Die Leiter schien gar kein Ende zunehmen, denn es dauerte ewig bis sie in einem weiteren Stockwerk ankamen. Schon wieder hörte Link ein Geräusch, das von irgendwo tief in dem Tempel herschallte. Ein dumpfer Ton. Ein widerliches Gemurmel, wenn man genauer hinhörte. Sie folgten weiteren Gängen, kletterten Wände und Leitern hinauf, durchkämmten zahlreiche Räume, auf der Suche nach Hinweisen, nach dem passenden Weg. Über fünf Stunden verstrichen wie im Flug und noch hatten sie das Elixier nicht gefunden. Zu guter Letzt erreichten sie ein eindrucksvolles Gewölbe, mit vielen gewaltigen Säulen, vielen Fackeln an den Wänden, dicken Statuen mit Schwert und Schild, glänzenden Bodenplatten, in denen sich die beiden spiegeln konnten. Wieder bemerkte Link ein Geräusch, dass nun sehr nah erschien. Zelda jedoch wollte es nicht hören. Sie tat ohnehin so, als ob Link Luft wäre und ignorierte vieles um sich herum. Der Held mit dem grünen Basecape wurde, während Zeldas Ignoranz, von einem Podest aus weißen Gestein angezogen. Darauf entdeckte er eine runde Einkerbung mit einem vertrauten Zeichen, wusste jedoch nicht, woher oder warum er es kannte. Zelda rannte aufgebracht in seine Richtung und schimpfte: "Din, verflucht, das Elixier ist weg. Es hätte eigentlich an diesem Platz sein müssen." "Eigentlich schon, Prinzessin Zelda. Aber nicht, wenn mein Meister mir die Aufgabe übertragen hat, ein Elixier nach dem anderen zu beschaffen." Eine bekannte Stimme zischte in dem Gewölbe umher. Link drehte sich um und zog hastig sein Schwert aus der Scheide. Dann schaute er sich entsetzt, aber nicht mutlos um. Hinter einer der Säulen kam ein schlanker Kerl mit einem dunklen Umhang zum Vorschein. Er trat näher und legte seine schwarze Kapuze zurück. Giftige, dunkle Augen mit nun einem roten Schimmer schauten aus einem jugendlichen Gesicht hervor. Sowohl Zelda, als auch Link kannten dieses Gesicht. Schwarze Haare hingen darin. Eine böse, barbarische Aura ging nun von einem Menschen aus, der einmal nicht zu der bösen Seite gehörte. Sein Name war einst Preston, doch nun würde ihn niemand mehr mit seinem wahren Namen nennen wollen. "Du", sagte Link, der es gar nicht fassen konnte. "Ja genau. Ich war vielleicht mal ein Schwächling, aber nun verdanke ich Lord Ganon viele nette Fähigkeiten, du Waschlappen." Preston trat näher und sammelte Energie in seiner Handfläche. Ein kleiner Energieball bildete sich und er schmetterte diesen nur kurz neben Link in die Dunkelheit. "Was willst du, Preston?" Zeldas Stimme erklang und sie mischte sich nun in das Gespräch ein. "Na, was wohl. Macht und dich, Puppe." Dann begann er zu lachen. Er holte eine kleine Tasche hervor und schüttelte diese. "Darin befindet sich das Elixier, welches ihr sucht. Holt es euch doch... haha." In seiner anderen Hand glühte ein stärkerer Energieball als vorher und er durchbohrte damit den Boden, worauf er den Beutel einfach in die Öffnung warf. "Nein", fauchte Link und rannte zu der Öffnung. Sie brauchten das Elixier unbedingt, koste es, was es wolle. Was nun? "Wenn ich du wäre, würde ich nicht darunter springen. Dort unten liegt noch eine größere Gefahr, als ich es bin... haha." Preston fand die Situation wohl total witzig, obwohl es keinen Grund für sein übertriebenes, absurdes Gelächter gab. Wer weiß, was Ganondorf mit ihm angestellt hat, dass er zu einer solch grausamen Kreatur mutierte. Von unten drang derweil ein gefährlich klingendes Geräusch an Links Ohren- dasselbe Geräusch, welches er schon die ganze Zeit ab und an gehört hatte. Also war dies doch nicht nur Einbildung. "Link, traust du dir zu, darunter zu springen", sagte Zelda leise. Das erste Mal, dass sie ihn wieder anredete. "Ja, aber wirst du mit Preston denn fertig?" Sie lächelte schwach und nickte: "Auch ich habe einige Waffen, von denen er nichts weiß." "Gut." "Gut." Damit sprang Link, zur Überraschung Prestons einfach in die Öffnung. Die Göttinnen hatten Link wohl doch ein wenig zu viel Mut mit auf den Weg gegeben... Zelda zog ihr Schwert und war bereit für ein Duell mit Preston. Er hatte ja keine Ahnung, dass Zelda tatsächlich sehr gut mit einem Schwert umgehen konnte. Nein, er wusste nicht wirklich, worauf er sich einließ. Dem zeig' ich, was eine Prinzessin kann, sagte sie zu sich selbst, um sich Mut zu machen. Sie stellte sich Preston kampfbereit entgegen und hatte einen entschlossenen Blick auf dem edlen Gesicht. "Wollen wir wirklich kämpfen? Ich dachte, die Sache würde sich anders regeln lassen, Schätzchen. Willst du nicht deinen Link sausen lassen und kommst stattdessen mit mir?" In Zelda kochte nun Wut. Was zum Teufel bildete sich dieser schmierige Typ überhaupt ein? "Zu deiner Information: Link und ich sind nur Freunde. Und niemals würde ich mich einem Ekel wie dir um den Hals werfen. Mir wird schon übel von deinem Anblick, Mistkerl!" Nach dieser Bemerkung schmetterte Preston einen Energieball nach dem anderen nach Zelda. Ihm platzte der Kragen, aber vor Rasche schaffte er es nicht wirklich einen Treffer zu landen. Preston war einfach zu unkonzentriert, oder es gab einen anderen Grund, weshalb er Zelda nicht treffen wollte? Er benutzte dann beide Hände, hatte in jeder einen Energieball und führte seine Attacken fort. Zelda rannte in dem Gewölbe hin und her, versteckte sich hinter Säulen, ging in die Hocke und hüpfte gelegentlich. Dann schleuderte er statt den Energiebällen plötzlich Kugeln aus Feuer nach ihr. Wieder wich Zelda aus und kam allmählich aus der Puste. Link landete währenddessen auf Sand. Ein Blick und er erkannte eine gigantische Höhle, in die viele Lichtstrahlen fielen. Wenigstens hatte er eine ordentliche Sicht, wenn hier schon eine große Gefahr lauern sollte. Er stand nun auf seinen Beinen und wischte sich erst einmal den Sand weg. Er blieb gelassen stehen, schloss seine Augen, konzentrierte sich und versuchte die näherkommende Gefahr wahrzunehmen, zu spüren, sie zu einem Teil seiner Stärke zu machen. Geschmeidig zog er sein Schwert und bereitete sich auf seinen Gegner vor, den er spürte, aber nicht sehen konnte. Link öffnete seine Augen und schaute sich erneut um. Nirgendwo lag der Beutel mit dem Elixier. Wo war dieser Beutel bloß hin, fragte er sich. Dann begann der Boden zu beben und überall im Sand taten sich gefährliche Löcher auf. Link handelte fix, nahm sich das Seil aus seiner Tasche und warf es nach oben. Er erwischte einen kleinen Felsen und das Seil wand sich darum. Er probierte, ob er Halt fand und hängte sich an das Seil, während weiterhin der Boden aufbrach. Ein dumpfes Geräusch aus der Tiefe, ein Rauschen, dann ein Ton, wie eine klappernde Schlange. Und Link wusste, sein Feind näherte sich. Er schwang sein Gewicht durch die Luft, bis er an der nächsten Wand ankam, hielt sich fest und überblickte von da aus seine Lage. Jäh stieß ein Kopf mit hässlichen, riesigen Zangen aus dem Boden heraus, der fünfzig mal so groß war wie der von Link, gefolgt von einem schlangenähnlichen Körper, den Link in seiner Größe nicht beschreiben wollte. Es war gigantisch, dieses Vieh, nein mordsmäßig voluminös... und Link hatte keinen Schimmer, wie er dieses Monster besiegen sollte. Als es sich ganz aus dem Sand gebuddelt hatte, wusste Link auch, dass es sich um eine Art Riesenwurm handeln musste, einen Riesenwurm, von dem er die Schwachstelle nicht kannte. Göttin Farore, steh' mir bei... Währenddessen hatte Preston seine Attacken auf Zelda beendet. Aus irgendeinem Grund traf er sie nicht. Wenn sie etwas konnte, dann wohl gefährlichen Angriffen entgehen. Ja, auch Zelda war stärker und schneller als es ihr Erscheinungsbild verriet. Außer Puste kam sie zum Stehen und schnappte heftig nach Luft. An Kondition konnte sie mit Link nicht mithalten, das sah sie ein... "Na, du bist aber ganz schön außer Puste, kleines Prinzeschen. Denkst du an deinen Link? Betest du, er möge kommen und dich beschützen, ja?" Zelda blickte auf und wurde wütend. "Halt den Mund", fauchte sie, "Ich komme auch gut alleine klar. Ich brauche Link nicht, um mich gegen das Böse zu wehren." Dann lag etwas in ihrem Blick, was Preston die Wahrheit sagte. "Dazu vielleicht nicht... aber du brauchst ihn. Das sieht man in deinen Augen und auch Link würde es sehen, wenn er dich lieben würde. Ja, er liebt dich, aber du bist zu stolz um es zuzulassen. Du hast Angst es zuzulassen, nicht wahr?" Zelda verlor jede Beherrschung und schleuderte Preston mit einer Handbewegung durch das Gewölbe, sodass er an einer Säule aufschlug. "Haha... Ich bin doch nicht blöd, Zelda.", lachte er und es schien, als machte ihm der harte Aufprall nichts aus. Zelda kämpfte weiterhin mit ihren unsichtbaren magischen Attacken und schleuderte ihren Gegner durch die Halle. Preston nahm es einfach hin und erfreute sich wohl noch daran. Dann fesselte Zelda ihn mit kristallenen, selbsterschaffenden Schellen an eine Säule. Sie ging auf ihn zu und setzte ihm das Schwert an seine Kehle. "Was hat Ganon mit dir gemacht? Antworte!" "Nichts. Ich bin freiwillig zu ihm gekommen, Puppe. Ein Dienst im Bösen ist tausendmal besser, als tot oder eine willenlose Kreatur zu sein", sagte er und erfreute sich an Zeldas entsetztem Gesicht. Dann grinste er sie schmierig, fast besessen an. Es verlangte ihm nach ihr und er genoss den nach Rosen duftenden Geruch ihres Körpers. Seine Zunge flatterte über seine aufgepatzte Oberlippe, aber Zelda ließ sich nicht beeindrucken und blieb standhaft. Angewidert starrte sie in seine kranken Augen, in denen nichts als Abscheu lag. "Du bist eine Bestie und das warst du schon, bevor du zu Ganons Truppen gestoßen bist. Weiß Ganon, dass Link und ich hier sind?" "Nein, noch nicht, Schätzchen. Er weiß auch nicht, dass du noch lebst... Wenn du mir einen Kuss gibst, dann verrate ich es ihm auch nicht. Aber einen richtigen Zungenkuss... hehe." Sie gab ihm eine gewaltige Ohrfeige, die in der Halle umherschallte und brüllte: "Lieber sterbe ich, du Widerling. Es gibt nur einen, den ich..." Dann hielt sie schnell eine Hand vor ihren Mund, geschockt über das, was sie gerade sagen wollte. "Hahahaha... ich wusste es", jauchzte er. Plötzlich riss er sich aus Zeldas Fesseln los... Link sah sich zu dem Zeitpunkt konfrontiert mit einer von Ganons Riesenbestien und hing immer noch an dem Seil. Das Monster hatte ihn bereits im Visier, auch wenn es lediglich ein Auge besaß, welches auf der Stirn angebracht war. Es schnellte in seine Richtung, worauf Link sich kräftig mit den Beinen an der Wand abstieß und durch den Raum pendelte. Er ergriff einen kleinen Vorsprung an der gegenüberliegenden Wand und hielt sich wieder fest. Auch das Ungetüm hatte seine Bewegungen verfolgt und jagte hinterher. Wieder stieß Link sich an der Wand ab, doch ewig konnte es so nicht weitergehen. Er musste es so schnell es ging besiegen. Er sprang von dem Seil, hatte erstaunlicherweise Halt in dem Sand und zog seinen Bogen. Er sah die Kreatur, wie sie sich durch den Sand auf ihn zu bewegte und spannte einen Pfeil. Links Augen wanderten zu jeder Einzelheit des Körpers der Alptraumkreatur und er wusste nicht, worauf der zielen sollte... Preston griff, noch ehe Zelda sich wehren konnte, an ihre Kehle und schleuderte sie dann durch das Gewölbe. Ein Schrei zeriss die Luft und Zelda landete unglücklich an einer hinteren Wand. Als sie sich aufrichten wollte, bemerkte sie, dass ihr Knöchel wahnsinnig schmerzte. Vermutlich war er verstaucht. Sie konnte sich jetzt nur noch humpelnd durch die Gegend bewegen. Nayru, bitte lass' mich nicht im Stich, sagte sie zu sich selbst und zog unter Aufbietung ihrer Kräfte erneut ihr Schwert. Auch Preston hatte nun ein Schwert in der Hand. "Lass uns den Kampf jetzt richtig beginnen, Puppe. Wenn du verlierst, gehörst du mir und ich mache mit dir, was ich will." Zelda umkrallte ihr Schwert stärker und versuchte sich nicht einschüchtern zu lassen, was nicht einfach war. Sollte Preston tatsächlich gewinnen, könnte sie sich auf etwas gefasst machen. Sie stellte sich vor, von seinen dreckigen Pfoten berührt zu werden, fürchtete sich vor dem Gedanken, er hätte sie in seiner Gewalt. Nein, sie würde niemals sein Spielzeug sein. Unbewusst dachte sie in diesem Moment wahrhaftig an Link... Preston begann mit einigen kräftigen Hieben, denen Zelda auswich oder die sie mit ihrem Schwert konterte. Ein Glück, dass Impa ihr beigebracht hatte, wie man mit einem Schwert umgeht. Dennoch, mit jeder Minute, die verging, fühlte sie ihre Kräfte schwinden. Wie sollte sie gegen Preston nur lange genug bestehen? Er hatte, als einer von Ganons Vasallen, erstaunliche Kräfte und irgendwie verlor er weder seine Konzentration, noch seine Kraft... beängstigend. Sie kämpften weiter. Schwerte rieben aneinander. Kampfgeschrei schallte durch die Luft. Links Pfeil sauste durch die Luft, doch ehe er die Kreatur treffen konnte, versank diese im Boden und dieser begann zu beben. Link verlor das Gleichgewicht und fiel. Er hatte seinen Bogen noch in der Hand. Er bemerkte lautlose Bewegungen unter ihm, während er mit dem Rücken einfach auf dem Sand lag und einzelne Lichtstrahlen in der Höhle herumtanzen sah. Dann dachte er kurz an Zelda und hoffte inständig, dass es ihr gut ging. Wieder fühlte er eine Bewegung unter ihm und schnell rollte sich Link durch den Sand. Einige Klauen der Kreatur schossen wie spitze Fallen aus dem Sand. Überall, wo Link sich kurz aufhielt, stießen messerscharfe Zähne aus dem Boden. Er stand auf und hetzte schnell an eine der Wände. Er lehnte sich mit dem Rücken dagegen und spannte erneut seinen Bogen. Er verfolgte wie in Trance das Geräusch und verließ sich zum Teil auf seine Intuition. Der Riesenwurm kroch erneut aus dem Sand und schnellte in Links Richtung. So schnell er konnte, feuerte Link seinen Pfeil ab und sah dem Geschoss geistesgegenwärtig hinterher. Diesmal hatte der Lanmolas nicht die Gelegenheit abzutauchen und der Pfeil traf ihn mitten in dem Auge auf der Stirn... Zelda verlor immer mehr ihre Schlagkraft und allmählich stieg Angst in ihr auf. Sie kämpfte, kämpfte mit allem, was sie an Energie noch besaß und schlug auf Preston ein, der nur hämisch grinste. Was sollte sie nur tun? Sie hatte keine Chance und erkannte in dem Augenblick, wie hilflos sie war, wie schwach... Ja, sie war dumm, nichtswürdig und unnütz. Immer mehr zweifelte sie an ihrer eigenen Kraft, an ihrer Hoffnung. Warum nur bist du so armselig? Reiß dich zusammen, Zelda, sagte sie zu sich selbst. Sie versuchte durchzuhalten und schlug weiter auf ihren Widersacher ein, der jedoch bemerkte, dass Zeldas Angriffe langsamer kamen und mehr Schwäche zeigten. Die Bestie wand sich in der Höhle hin und her, schlug mit dem langen Schwanz alles klein, was sich in der Nähe befand, aber hatte für Link wohl kein Gefühl mehr. Er ergriff das Seil, welches noch von der Decke baumelte und schwang sich damit auf den Kopf des Ungetüms. Er stach sein Schwert einige Male in den Kopf des Lanmolas und krallte sich dann wieder sein Seil. Siegessicher, aber zu leichtsinnig landete Link neben ihm auf dem Boden und hörte es pfeifend atmen. Doch dann hatte er mit einer weiteren Überraschung zu kämpfen. Er hörte neben der Atmung des Lanmolas ein weiteres Geräusch. In einer hinteren Ecke lief durch einige reichliche Öffnungen Sand in die Höhle. Auch das noch, dachte Link und machte kurzen Prozess. Er sprang mit dem Schwert auf den Kopf des Monsters und gab ihm den Todesstoß. Es löste sich in Luft auf und hinterließ den Beutel mit dem Elixier. Er nahm es schnell an sich, verstaute es in seiner Tasche. Doch was jetzt? Hastig überblickte er seine Lage, doch nirgends war eine Tür. Vielleicht an dem Seil hinaufklettern? Nein, es war eindeutig zu kurz. "Verdammt", brüllte er und bemerkte nun, wie erschöpft er sich doch fühlte. Er stützte sich kurz auf seine Knie, wischte sich den Schweiß von der Stirn und schnappte nach Luft. Er sah keinen Weg hier lebend herauszukommen... Preston startete in einem Augenblick von Zeldas Unachtsamkeit eine weitere magische Attacke, sammelte einen Energieball und traf Zelda damit, worauf sie ein weiteres Mal durch das Gewölbe befördert wurde. Dann rannte er mit dem Schwert in der Hand auf sie zu und schwang es hastig. Zelda wich gerade noch nach hinten aus, landete auf dem Boden, aber Prestons Waffe hinterließ eine breite Blutspur an Zeldas linker Wange. In dem Augenblick erkannte sie, dass sie unmöglich gewinnen konnte. Ganons Untergebener hatte zuviel Kraft und Schnelligkeit. Zelda startete eine magische Attacke mit letzter Kraft gegen ihn. Alles legte sie in diesen Angriff und hoffte, es würde ihr genug Zeit verschaffen. Zelda sah, wie ihr Feind durch das ganze Gewölbe geschmettert wurde und an der Decke landete. Die junge Hylianerin stand auf und rannte, so schnell sie konnte, mit aller noch verbliebenen Kraft auf die Öffnung im Boden zu und sprang. Preston landete auf den Beinen und sagte zu sich selbst: "Wie du meinst, Puppe, dann sehen wir uns im nächsten Verlies wieder." Er schnippte mit seinen Fingern und wurde unsichtbar. Derweil hatte Link wieder Luft getankt und betastete die Wände. Der Spiegel des Sandes stieg unaufhörlich. Sein Blick wanderte zu einer großen Öffnung in dem stabilen Felsengestein, wo viele Lichtstrahlen von draußen hereindrangen. Plötzlich hörte er einen dumpfen Schlag und blickte schnell in die Mitte der Höhle. Zelda saß kopfschüttelnd mit ihrem Hintern auf einem Haufen Sand. Er rannte zu ihr und bemerkte als erstes die blutige Stelle an ihrer Wange. Er half ihr aufstehen, fragte aber nicht, was passiert war, da ihre Augen ihm mitteilten, wie sehr sie doch genug hatte. Sie brauchte Schlaf, sie brauchte etwas in ihrem Magen und ein Bad. "Zelda, wir haben ein Problem. Der Sand steigt unaufhörlich und hier führt kein Weg heraus." Sie folgte ihm zu der größeren Öffnung in der Wand. Link stand davor und wirkte fertig mit den Nerven. Der Kampf vor wenigen Minuten hatte ihm doch mehr Kraft gekostet als er gedacht hatte. "Geh' einen Schritt zurück. Ich versuche mich darauf zu konzentrieren." Link tat wie ihm geheißen und sah nur zu. Zelda stand vor der verhältnismäßig kleinen Öffnung und starrte Löcher in die Wände. (Das Starren allein nützte aber nicht wirklich was...) Dann schloss sie ihre Augen und hob beide ihrer Arme in die Luft. Das Gestein bekam Risse, aber zu mehr brachte Zelda es nicht mehr. Sie fühlte sich einfach ausgepowert. Sie konnte ihre Konzentration nicht mehr halten und brach auf ihre Knie. Immer mehr Sand füllte die Höhle aus und ein Ausgang war nicht in Sicht. Zelda kramte nach dem roten Steinchen in ihrer Tasche und konzentrierte die Kräfte erneut auf die Wand, doch auch diesmal splitterte das Felsengestein nur ein wenig. "Zelda. Hör' auf. Das bringt nichts." "Ich versuche wenigstens unsere Hälse zu retten und stehe nicht bloß sinnlos in der Gegend herum", schimpfte sie. Schon wieder fing die Streiterei an. "Zelda, bitte, ich will mich nicht schon wieder mit dir streiten. Sag' mir lieber, wie ich dir helfen kann." Er kniete zu ihr nieder, sagte aber nichts weiter und blickte ein wenig mutlos zu der kleinen Öffnung. Nach einer Weile hatte Zelda eine Idee. Sie blickte Link an und sagte leise: "Leihst du mir deine Kraft?" Link wusste im ersten Moment nichts mit ihren Worten anzufangen und schaute ratlos in Zeldas erschöpftes Gesicht. "Ich brauche einfach nur deine Kraft, um einen Weg frei zulegen. Oder willst du, dass der Sand uns unter sich vergräbt?" "Natürlich nicht. Was willst du, dass ich tun soll?" "Nimm' meine Hand und versuche deine ganze Kraft gegen die Wand zu lehnen." Das tat er ohne Umschweife und stellte sich vor, seine ganze Energie gegen die Wand zu stemmen. Es knisterte, raschelte und viele, viele Risse bildeten sich in der Öffnung. Link schloss seine Augen und fühlte wie innerlich Energie aus seinem Körper herausgezogen wurde. Zunächst war es gewöhnungsbedürftig, dann schon unangenehm und schließlich kostete es neben Überwindung auch Ausdauer und Luft. Dann zersprang die Wand vor seinen Augen und er stand auf, überrascht, dass seine Energiereserven wohl groß genug waren. Er lief zur Öffnung und trat hinaus. Er atmete tief ein und drehte sich dann um. Wo blieb Zelda denn? Als er zurück blickte, saß sie immer noch dort und Sandhaufen bildeten sich um sie herum. Sie starrte ihn an und Link begriff nicht, worauf sie wartete. "Zelda", sagte er und lief zu ihr. Als er näher trat, schloss sie plötzlich ihre Augen und brach endgültig zusammen. Er zerrte sie aus dem Sand heraus und nahm sie auf seine Arme. Er lief hinaus zu der kleinen Oase und legte Zelda auf eine Decke. Die Sonne schien. Dies würde wieder ein heißer Tag in der Wüste werden. Links Augen wanderten zu dem blauen Himmel und dann erneut zu Zelda. Er schöpfte Wasser in eine Schale, befeuchtete ein Tuch und tupfte damit vorsichtig über ihre Stirn. "Du Dummerchen", sagte Link. Zelda musste bis zur Erschöpfung gekämpft haben. Dann kümmerte er sich um die Wunde an ihrer Wange und legte ein großes Pflaster darüber. Augenblicklich fiel ihm das Elixier wieder ein und er überprüfte erst einmal den Inhalt der Tasche von Preston. Apropos Preston... ob Zelda ihn besiegt hatte? Er öffnete die Schnürchen an der Tasche und fand das orangefarbene Elixier des Weisen wohlbehütete darin... zum Glück... Er lehnte sich an eine Palme, direkt neben der Oase und versuchte sich wach zu halten. Wenn Zelda ihre Augen öffnete, müssten sie so schnell wie möglich weg von hier. Wer weiß, welche Gefahren die Wüste noch beherbergte. Sicher ist sicher, dachte Link und schaute noch mal nach Zelda. Hoffentlich war sie okay. Nach über einer Stunde hatte sie ihre Augen immer noch nicht geöffnet. Allmählich machte er sich Sorgen und überprüfte ihren Puls. Er legte sanft einige Fingerspitzen an ihren Hals und fühlte ihren Puls deutlich. Verursacht durch Links Berührung zwinkerte sie kurz und öffnete die Augen. Sie setzte sich aufrecht und griff sich an die Stirn. Ihr Kopf schmerzte tückisch. "Ich bin total am Ende", sagte sie mit einem komischen Unterton, worauf ihre Worte nur lächerlich klangen. Link setzte sich grinsend neben sie und meinte: "Ich auch. Irgendwie hab' ich genug von Sand und Monstern..." "Hast du das Elixier, Link?" Sein Blick verweilte auf ihr. "Ja, ich hatte zwar eine Menge Ärger mit einem Riesenwurm, aber jetzt hab' ich es." "Das ist schön zu wissen." Zeldas Fingerspitzen wanderten zu ihrer Wange und erst jetzt bemerkte sie das Pflaster. Auch eine Hand von Link wanderte zu dem Pflaster und er sagte leise: "Darf' ich dich fragen, wie das passiert ist?" "Das war Preston, dieses Scheusal", entgegnete sie leicht verdrießlich. In Links Augen funkelte dann eine Spur Wut, nicht auf Zelda oder Preston, sondern auf sich selbst, weil er zu lassen konnte, dass Zelda verletzt wurde, wenn auch nur leicht. "Danke, Link... für das Pflaster. Ich wusste gar nicht, dass du an so was gedacht hast..." Er sagte nichts darauf und spürte immer noch einen leichten Groll auf sich selbst. "Hast du Preston besiegen können", wollte er dann wissen, worauf sie nur mit dem Kopf schüttelte und dann verlegen drein sah. Da war es wieder... das Gefühl schwach und immer auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. Link packte sie sanft an den Schultern und zwang sie dazu in seine Augen zu sehen. "Ich verspreche dir, dass er dafür schmerzhaft bezahlen wird, Zelda." Sie riss sich los und stand auf, wohl zu schnell, denn sie fühlte, wie es schwarz vor ihren Augen wurde. Auch der Schmerz in ihrem Knöchel kam wieder. Aber sie kämpfte dagegen an und hielt sich auf den Beinen. "Glaubst du, ich könnte ihn nicht alleine besiegen? Denkst du, ich bin schwach und hilflos? Zelda, die kleine Prinzessin muss ja immer beschützt werden, weil sie so hilflos ist. Pass bloß auf, Link, dass ihr niemand ein Haar krümmt... Ist es das, was du denkst?" Voller Entrüstung sprang Link ebenso auf und rechtfertigte sich sogleich. "Zelda, jetzt hör mir mal zu!" "Ich glaube, diese Diskussion hat keinen Sinn." Sie macht wieder dicht, aber diesmal ließ er sie nicht einfach entkommen. Er ging auf sie zu und drückte sie sanft gegen eine Palme. Ohne weiteres musste sie ihm jetzt zuhören. "Zelda... hast du wirklich gedacht, ich hätte dich auch nur für eine Sekunde in meinem Leben für schwach gehalten? Sei ehrlich zu dir selbst, Zelda. Du bist nicht schwach, ganz im Gegenteil. Du bist das stärkste Mädchen, und natürlich die stärkste Prinzessin, die mir je begegnet ist und... gerade das..." Er flüsterte nun fast. Der Ausdruck in seinen Augen bedeutete, dass er aufrichtig meinte, was er sagte. "... gerade das macht dich einzigartig, gerade deswegen... es ist einer der Gründe warum..." Er wurde sichtlich nervös und blickte verlegen zur Seite. "... einer der Gründe, warum ich dich brauche..." Damit ließ er sie los und drehte sich um. "Du bist nicht schwach, Zelda. Hast du wirklich angenommen, ich würde das von dir denken?" Das war hart für ihn. Dabei war er so überzeugt gewesen, dass Zelda um seine Gefühle und Gedanken ihr gegenüber Bescheid wusste... Er dachte, sie würde ihn kennen. Wieder kam sie ihm, wie das fremde Mädchen vor, das er niemals festhalten konnte. Sie würde eines Tages wieder ihren Weg gehen und er seinen. "Wir sollten weiterziehen." Der Satz aus seinem Mund passte zwar nicht zur Situation, aber machte ihr klar, dass er genug hatte von den dummen, nutzlosen, belastenden Diskussionen zwischen ihnen. Zelda blickte zu ihm und sah nur die blonden Haarsträhnen am Hinterkopf. Was war nur los zischen ihnen? Warum tat es weh... die Gefühle zu ihm zuzulassen. Es ging nicht um ihren Stolz, oder um ihre Eitelkeit. Zelda wusste nun, warum sie ihm immer wieder auswich. Der Kampf gegen Preston hatte ihr einiges klar gemacht. Nun verstand sie es. Es lag an ihrer eigenen Angst, verlassen zu werden, an ihrer Angst sich aufrichtig zu verlieben. Sie beobachtete ihn weiterhin und irgendwie war er in seinen Gedanken. Ein Hauch Zorn ging von ihm aus. Dann ballte er seine Hände. Sie trat leise an ihn heran und lehnte sich an ihn. Link war so geschockt über ihre Reaktion, dass er wie versteinert dastand und sich nicht zu rühren wusste. Sie flüsterte in sein Ohr: "Warum hast du mich denn nicht gebremst?" Link konnte nicht mehr klar denken, wusste nicht, wie er reagieren sollte, und fühlte lediglich den schneller werdenden Rhythmus seines Herzens. Was wollte sie? Wovon redete sie? Hab ich was verpasst? Im Augenblick wusste er nur noch, wie man Fragen stellte, aber nicht, wie man darauf antwortete. Gott, schon wieder bringt sie dich lediglich mit ihrer Anwesenheit um Kopf und Kragen. Wie schaffte sie es nur, ihn immer wieder auf diese Art zappeln zu lassen? Verfügte sie vielleicht über so eine Fähigkeit, die Männerherzen zwang alles für sie zu tun, die sie zu hoffnungslosen Trotteln werden ließ? Verdammt, Link, so heißt du doch, oder, beruhig' dich endlich, sagte er zu sich selbst. "Du hast doch gesagt, du lässt dir etwas einfallen, sollte ich wieder fies dir gegenüber sein", murmelte sie in den grünen Stoff seines T-Shirts. Es tat gut, seine Wärme zu spüren. Dann drehte er sich zu ihr um und sagte leise, bemüht nicht zu stottern: "Ich hab' vergessen, mir etwas zu überlegen." Daraufhin lachte sie und lächelte ihn an. "Dann lass' dir schnell was einfallen, mein Held." Auch er rang sich zu einem Lächeln. "Fühlst du dich fit genug, um den Weg fortzusetzen?" "Ja, es ist nur..." "Mmh?" "Ach nichts...", sagte sie dann und verschwieg ihm den verstauchten Knöchel. Link schlug die Karte auf und nahm sich seinen Kompass. "Zelda, wollen wir versuchen, die nächste kleinere Ortschaft zu erreichen und uns endlich mal eine längere Verschnaufpause gönnen?" "Gut Idee. Ich bin, ehrlich gesagt wirklich müde..." "Ich weiß...", sagte er und blickte ihr tief in die Augen. Es war das erste Mal seit langem, dass sie diesen Blick erwiderte. "Darf ich dir etwas verraten? Auch ich bin total am Ende, aber irgendwie kann ich es vor dir kaschieren." Sie lächelte sanft und Link gestand sich ein, dass er gerade dieses Lächeln von ihr, die letzten Tage vermisst hatte. Auch Zelda blickte auf die Karte und fand eine kleine Ortmarkierung: ein Gerudodorf. Ja, das wäre eine gute Übernachtungsmöglichkeit. Somit stapften sie weiter, allerdings sehr mühsam und langsam. Gegen Abend erreichten sie das Dorf und hatten die Wüste bald hinter sich. Sie machten es sich in einem kleinen Häuschen bequem und setzten sich gemeinsam vor einen kleinen Kamin. Beide hatten eine Schüssel mit irgendeiner Büchsensuppe in der Hand und beide starrten nachdenklich in das Feuer. Zelda stand auf und spürte wieder den Schmerz in ihrem Knöchel. Sie humpelte schräg zur Seite und fiel direkt in Links Arme, der sie daraufhin festhielt. "Ist wirklich alles okay mit dir?" Und Zelda konnte es ihm nun nicht mehr verschweigen. "Während des Kampfes mit Preston habe ich mich am Knöchel verletzt. Ich wollte es dir nur nicht unbedingt sagen, weil..." "... weil du dachtest, ich würde dich für schwächlich halten?" Er zog eine Augenbraue nach oben. Zelda nickte und löste sich aus seiner Umklammerung. "Warum hast du denn nicht gleich was gesagt?" Er kramte in seinen Sachen herum und hatte eine lange Tube mit einem Gel in der Hand. Verblüfft schaute sie auf seine Hände. "Soll' ich dir vielleicht den Fuß massieren? Das ist eine Art Schmerzsalbe", sagte er mit einem liebevollen Grinsen. Es würde ihm wirklich Spaß machen... Wieder nickte sie und Link betrachtete sich den geschwollenen Fuß. "Tut das weh?" Und er betastete den Knöchel, fast zärtlich. Es tat im Moment nicht weh, da Links Berührungen jeglichen Schmerz überschatten konnten. Ja, es gefiel Zelda. Unbewusst sehnte sie sich nach mehr von seinen Berührungen. Nach einer Weile hatte er den gesamten Fuß mit der Salbe eingedeckt und sie saßen wieder schweigend nebeneinander. Link drehte sich zu Zelda und sie wand ihren Kopf zu ihm. Sie öffneten beide ihre Münder und wollten etwas sagen, unterbrachen sich aber gegenseitig. "Ähm, fang' du an, was wolltest du sagen, Zelda?" "Nicht so wichtig, fang' du an." "Nööö, Ladys haben das erste Wort." Ein sanftes Lächeln auf seinem Gesicht ließ sie rätseln, was er gerade dachte. "Es geht um Preston. Er hat Ganondorf aus irgendeinem Grund nichts über unseren Aufenthalt hier erzählt. Das ist merkwürdig, findest du nicht?" "Zelda, es geht ihm um dich..." Sie sah ihm genau in seine Augen. "Er ist besessen von dir. Er würde alles tun, um dich zu..." Sie legte ihre Fingerspitzen auf seine Lippen und schüttelte mit dem Kopf. "Lass' uns nicht darüber reden. Ich möchte jetzt wirklich nicht daran denken, was er von mir will." Woran denn dann, fragte sich Link und begriff mal wieder gar nichts. Sie bewegte sich auf ihn zu und hatte immer noch ihre Fingerspitzen auf seinen Lippen liegen. Auch ihr Blick verweilte inzwischen darauf. "Zelda...", murmelte Link. Was ging nur im Augenblick in ihr vor? Link hätte so ziemlich alles getan, um in ihre Gedankenwelt Einsicht zu bekommen, aber das würde möglicherweise nur eine Wunschvorstellung bleiben. Verlegen wich sie zurück und starrte erneut ins Feuer. Beinahe hätte sie nicht nur ihre Kontrolle über sich selbst, sondern auch ihren Verstand verloren. "Was wolltest du noch gleich mal wissen, äh, ich meine vorhin", sagte sie, um von der Situation abzulenken. Link schaute zwar zuerst irritiert, sagte aber dann: "Also, es geht um Mortesk, Zelda. Ich wollte wissen, was genau damals passiert ist. Wie ist er aus dem Gefängnis entkommen?" Es musste etwas wichtiges geschehen sein, dass sie nicht darüber reden wollte, aber er war eben doch zu neugierig... "Das ist eine lange Geschichte, aber ich erzähle sie dir gerne", meinte Zelda. "Es ist sicherlich von Bedeutung für dich." Damit begann sie ihm die Vorfälle der Vergangenheit teilweise zu schildern. Kapitel 57: Geheimnisse der Vergangenheit IV -------------------------------------------- Kapitel 40: Geheimnisse der Vergangenheit IV Einige Monate waren verstrichen. Zelda, die liebliche Prinzessin aus Hyrule mit dem katastrophalen Dickschädel, der ihren Vater eines Tages ins Grab bringen würde, saß an einem kleinen Schreibtisch in ihrer persönlichen Bibliothek. Ihren Blick und ihre Gedanken in einen dicken Wälzer vergraben, blieb sie wieder einmal die ganze Nacht wach. Es war hoffnungslos, Zelda etwas verbieten zu wollen oder ihr königliche Manieren beizubringen... Sie war die zukünftige Herrscherin des Landes, sicherlich, aber mit keiner anderen Königstochter vergleichbar. Zelda hatte ihre ganz eigene Art der Anmut, die auf viele faszinierend wirkte. Sie besaß Grazie wie auch Charme, aber war dennoch ein Wildfang. Einige Kerzen standen auf einem kleinen Schreibtisch, ein Kamin spendete Licht und Wärme und einige Öllampen in den Gängen von Zeldas Bibliothek warfen ihr Licht durch die Reihen. Sie gab es nicht zu, aber irgendwo tief in ihrem Herzen fürchtete sie sich vor der Dunkelheit, auch wenn sie jene Angst zu betäuben wusste. Zu dem Zweck gab es in Zeldas Gemächern immer genügend Lichtpunkte, die das Einnisten von dunklen Kreaturen unmöglich machte. Sie hatte nach einer mühsamen, nervenaufreibenden Suchaktion im ganzen Schloss das Buch ihrer Träume wieder in die Finger bekommen. (Ihr Vater hatte es in seinen Gemächern vor ihr versteckt und Zelda war des Nachts heimlich dort herumgegeistert... Zelda hatte immerhin Erfahrungen, sich so unauffällig wie ein Schatten zu benehmen. (Teilweise Impas Schuld.)) Aufmerksam las sie sich die alten, abgenutzten Seiten des Buches durch und schlug in einem weiteren Buch die Bedeutung von alten Schriftzeichen nach, die zum Teil nicht bekannt waren. Sie seufzte, stand auf und streckte sich. Wie spät war es eigentlich? Sie gähnte herzhaft und lief einige Schritte. An einem hohen Fenster blieb sie stehen, genoss die frische und doch milde Luft, die von der Steppe herwehte. Wiedereinmal erfreute sie die friedliche Stille in Hyrule. Frieden. Und nichts würde ihr diesen Frieden wieder wegnehmen... daran glaubte sie, darauf vertraute sie, so wie auf ihren eigenen Herzschlag. Dann wurde es doch ein wenig zu kühl und Zelda erinnerte sich, dass Links Umhang sich noch irgendwo in ihren Zimmern befand. Sie betrat ihr Schlafgemach und durchwühlte einige Schränke. Wo hatte sie den bloß hingepackt? Dann fiel ihr ein, dass eines der Zimmermädchen den Umhang womöglich mitgenommen haben könnte, oder gar weggeworfen hatte. Zelda vergaß den Gedanken und durchsuchte noch eine alte, große Truhe. Da war er ja: Links abgetragener Umhang. Sie legte sich diesen um und verschwand wieder in der Bibliothek. In einigen Tagen stand das Fest des Friedens an- ein Fest ohnegleichen. Zeldas Vater und der Bürgermeister der Hauptstadt Hyrules waren schon eifrig mit den Vorbereitungen beschäftigt. Auch Zelda freute sich auf diesen Tag, wäre da nicht... Ach, sie wollte im Moment nicht daran denken. Sie blätterte weiterhin in dem Buch herum und las bis zur Erschöpfung. Ihr Körper brauchte Schlaf, aber Zelda versuchte, sich wach zuhalten. Irgendwann spät nach Mitternacht war die Prinzessin auf einer Abbildung des Medaillons der Mächtigen eingeschlafen. Im Traum stand Zelda in einer merkwürdigen, kleinen Kathedrale. Es handelte sich nicht um die Zitadelle der Zeit und überhaupt hatte sie jenen Ort noch nie gesehen. In ihrer Hand hatte sie das Medaillon der Mächtigen- eine Reliquie aus alter Zeit mit unbekannten Kräften. Sie lief langsam in Richtung des Altars, wo neben einem schwarzen Bild ohne Sinn ein Thron stand. Unmöglich, es war der Thron ihres Vaters. Sie schaute an ihrem Kleid hinab und erkannte darauf Blutflecken... was um Hyrules Willen passierte hier? Sie warf erneut einen Blick auf das Medaillon, aber es sah so anders aus, als auf den Abbildungen in den alten, verstaubten Büchern. Das goldene Triforcezeichen war ausgefüllt von rotem, blauen und grünen Steinen und es fühlte sich an, als ob etwas in dem Medaillon pulsierte. Dann wurde ihre Aufmerksamkeit von dem Medaillon weggelenkt, denn sie spürte einen gewaltigen Stich in ihrer linken Brust, als ob ihr das Herz herausgerissen worden war, als ob ihr jemand das genommen hätte, was ihr alles bedeutete. Die Wände in der Kathedrale verschwammen, alles wurde durchsichtig, dann wieder neblig, dann erschien ihre eigene Realität vor den Sinnen auseinander zugehen. Sie brach erschöpft auf ihre Knie, wusste nicht, was hier passierte und entdeckte nirgendwo irgendjemanden. Sie fühlte sich so kraftlos. Dann bedeckte schwarzes Blut das Medaillon in ihrer Hand, aber es war nicht ihr eigenes Lebenselixier, welches sich darauf verteilte und das Medaillon erwärmte sich, wurde noch lebendiger als zuvor, entfachte eine gewaltige Kraft. Doch Zelda verstand nicht... was geschah mit dem Medaillon? Wessen Blut aktivierte es? Zelda schlief immer noch, nicht bereit aufzuwachen und der Traum würde leider nicht in ihrem Gedächtnis bleiben. Eine schlanke Gestalt trat über eines der Spitzbogenfenster in Zeldas kleines Reich ein. Er hatte einen Enterhaken benutzt und zusätzlich ein Unsichtbarkeitselixier getrunken, um nicht von den Wachen, die ohnehin nicht gut genug für den Schutz der Königsfamilie sorgten, bemerkt zu werden. Selbst sichtbar hätte er es ohne weiteres geschafft unerkannt zu bleiben. Des weiteren hatte er es nicht nötig wie ein Verbrecher in Zeldas Gemächer zusteigen... aber es machte ihm eben immer noch zuviel Spaß... Er öffnete das Fenster von außen und betrat eine gemütliche Wohnstube. Licht kam aus Zeldas kleiner Bibliothek, worauf er dem warmen Schein folgte. Er fand seine Prinzessin schlafend auf einem dicken Wälzer. Mit einem hinterhältigen Grinsen wollte er sie zunächst unliebsam aus ihren Träumen reißen. Aber dann schlug er sich die Idee wieder aus dem Kopf. Nanu? Sie trug ja seinen Mantel... Verwundert murmelte er ihren Namen: "Zelda? Schläfst du wirklich?" Keine Reaktion. "Zelda. Jemand ist in deine Gemächer eingebrochen", sagte er dann ein wenig lauter. Erneut keine Reaktion. Das dumme Grinsen auf seinem Gesicht wurde breiter. Im Moment könnte er sich wohl jeden Spaß erlauben. "Zelda, du hast das Fest des Friedens verschlafen." Sie nörgelte nun im Schlaf so etwas wie: "Geh' weg", und drehte ihren Kopf auf die andere Seite. Nach einer Weile gab sie wieder keinen Laut von sich. "Zelda." Er überlegte, wie konnte man eine Prinzessin wie sie nur ärgern? Er grübelte nach und strich mit seinem Zeigefinger über sein Kinn. "Stellt Euch vor, Ihr heiratet morgen", meinte er und hörte eine Art Schimpfen aus Zeldas Mund, aber sie träumte wohl nur. "Gut." Er beugte sich über sie und betrachtete sich das edle Gesicht. Wie wunderschön Zelda doch war und jetzt, da sie schlief, kam sie ihm einfach nur wie ein perfekter, umwerfender Engel vor. Er sah die rosa Wangen, ihre blonden Haarsträhnen, die teilweise in ihr Gesicht fielen und die weichen vollroten Lippen. "Zelda. Wenn du nicht aufwachst... dann..." Ob er es wagen sollte? Sein Lächeln wurde milder und das dämliche Grinsen verschwand. Wärme lag nun in seinem Blick und eine Spur Traurigkeit. Er wusste nicht, was dieses Gefühl in seinem Herzen bedeutete. Er kannte es bisher nicht. Der Grund war wohl in der Vergangenheit zu suchen, denn trotz allem, ungeachtet seinem reinen Herzen, obgleich er viele Menschen glücklich gemacht hatte, so hatte ihm niemand beigebracht, wie man Gefühle wie diese nannte... Niemand hatte ihm beigebracht, was Liebe ist... Er streichelte über Zeldas linke Wange, erstaunt über die Sanftheit ihrer Haut und der Empfindung an sich. "Zelda? Wenn du aufwachst, dann schenke ich dir etwas", sagte er leise. Keine Reaktion. Mit Geschenken konnte man Zelda wohl nicht beeindrucken. Wie viele Geschenke bekam eine Prinzessin eigentlich zum Geburtstag? Schnell vergaß er den Gedanken. War ja egal, zumindest im Augenblick... "Und wenn du nicht erwachen willst, dann... dann..." Er blickte sie weiterhin an und hatte einen Hintergedanken. Er nahm sie auf seine Arme, noch immer machte sie ihre Augen nicht auf. Vorsichtig trug er die schlafende Prinzessin aus der Bibliothek heraus, durchquerte mit ihr einen riesigen Aufenthaltsraum, trat leise in ihr Schlafgemach ein und legte sie in ihr weiches Himmelbett. Er blieb eine Weile neben dem Bett sitzen und beobachtete sie durch die Dunkelheit. "Du willst also nicht aufwachen, Zelda... und wenn..." Er beugte sich näher, vielleicht ein wenig zu nah. "Ich gebe dir einen Kuss, wenn du nicht aufwachst", flüsterte er. Inzwischen war ihm viel daran gelegen, sie nicht aufzuwecken. Es schien ihm, als ob Zeldas Mundwinkel sich unbewusst nach oben zogen, als wollte sie sagen: "Wehe, du wagst es. Ich könnte dich für eine solche Frechheit hängen lassen." Aber selbst das nahm er in Kauf. Er streichelte über die roten Lippen, vergaß alles um sich herum, sogar seinen Kopf, der dafür rollen könnte. Er näherte sich ihren Lippen, bis er diesen so nah war, dass er seine Augen schloss. Sein Herz pochte so stark wie noch nie zuvor. Noch nicht einmal im Kampf gegen die widerwärtigste Alptraumkreatur war seine Aufregung so groß gewesen. Er berührte ihre Lippen mit den seinen, verstand nicht, warum er das tat, aber es fühlte sich so wunderbar an. Er fühlte sich so lebendig und gleichzeitig zu schwach. Seine Lippen bewegten sich ausdauernd über ihre hinweg, wanderten zu den Ecken ihres Mundes. Süß... so süß. Er fühlte den Wunsch, sie würde erwidern, auch wenn dies immer ein Traum bleiben würde und genoss weiterhin den Augenblick. Wie nannte man dieses Gefühl? Er wollte sie berühren und nie wieder gehen lassen. Er brauchte sie... Ein letztes Mal liebkoste er ihre Lippen und öffnete seine Augen, als er von ihr abließ. Ein leichtes Rot zierte seine Wangen, schnell stand er auf. Zum Teufel! Bist du wahnsinnig? Was tust du hier? Gibt es nichts Wichtigeres? In Gedanken betete er zu seiner Schutzgöttin, sie möge ihn für diese Unverfrorenheit in das tiefste Verlies sperren und nie wieder herauslassen. Verdammt, du Held, bist du noch bei Trost? Du hast die Prinzessin geküsst! Du hast... bei Nayrus blauem Haar, wie konnte das passieren? Er stolperte, total aus dem Gleichgewicht gebracht, zu der Balkontür. Er schlug sich auf die Stirn, da er den eigentlichen Grund seines Erscheinens verdrängt hatte und lief zu Zelda zurück. Aus seiner Tasche nahm er eine Kette. Er legte die Kette mit einem großen Anhänger direkt auf Zeldas Bettdecke, sodass sie diesen am Morgen nicht übersehen konnte. Er blickte sie noch einmal an, wurde nervös, schluckte seine Anspannung herunter und merkte jetzt erst, wie warm es ihm doch war. Er öffnete seinen Kragen und hechtete wie ein bescheuerter Blindgänger auf die Balkontür zu. Seine Sinne funktionierten wahrscheinlich nicht mehr und irgendetwas anderes an ihm musste ausgesetzt haben. Vielleicht konnte man es auch als die Strafe seiner Schutzgöttin bezeichnen, denn irgendwie hatte er vergessen, dass immer noch eine dicke Glasscheibe zwischen ihm und seinem Weg nach draußen stand. Er rannte auf den Balkon zu und landete mit einen unangenehmen Knacken an der Glasscheibe. Aua... aua... Noch immer mit dem Gesicht an der Glasscheibe klebend, musste er sich eingestehen, dass er wahrhaftig dämlich, bescheuert, tölpelhaft und geistesarm sein musste, sonst hätten einige seiner Gehirnzellen ihm doch die Gnade und Mildtätigkeit erwiesen, ihn auf die, sicherlich nicht unübersehbare, Glasscheibe aufmerksam zu machen. Nach einigen besinnlichen Sekunden befreite er sich von der Glasscheibe, rieb sich seine betroffene Wange und öffnete die Balkontür. Ihr Götter, was hab' ich nur getan, seufzte er und lief auf das Geländer zu. Doch auch hier sollte das Unglück seinen Lauf nehmen. Er machte eine Bewegung zufiel, als er sich über das Geländer lehnte und wäre beinahe abgerutscht. Da wir schon vom Abrutschen sprechen... Als der sogenannte: ,Held', sich seiner Selbst erinnernd und allmählich wieder Kontrolle über seinen Körper verspürend, die Ranken hinabklettern wollte, hatte er aus uneinleuchtenden Gründen vergessen, wie man zugreift. Man könnte es auch einen unbewussten Drang, sich für seine Frechheit selbst zerstören wollen bezeichnen... auf jeden Fall rutschte er wie ein Waschlappen an der Schlossmauer hinab und landete zu allem Überfluss in einem Brunnen irgendwo im Schlossgarten. Er schaffte es, obwohl er sich auch noch den Kopf gestoßen hatte, diesen aus dem Wasser zu befreien und lugte mit grünen Algen auf dem blonden Haarschopf aus dem Brunnen heraus. "Ja, Ihr Göttinnen, ich habe Unrecht getan... bestraft mich", murmelte er. Seinem Wunsch wurde herzlich entsprochen... Auf einmal kamen die Lichter von Fackeln auf ihn zu und laute Stimmen teilten ihn mit, dass die Schlosswachen, ausnahmsweise mal aufmerksam genug waren und ihn auf frischer Tat sozusagen erwischten. Er hatte erst gar nicht die Gelegenheit sich zu wehren und wurde in Handschellen abgeführt und in den Kerkern des Schlosses neben anderen Gefangenen eingesperrt. Tja, dumm gelaufen. Das waren die bitteren Folgen eines einfachen Kusses, den man der Prinzessin gegeben hatte... Der kleine, sechzehnjährige Held befand sich in einer Zelle mit mindestens zehn anderen Sträflingen. Keiner von denen sah so harmlos aus wie er und jeder glotzte ihn an, als wollte er ihn ausrauben, obwohl sie alle im gleichen Boot saßen. "Hey, Jungchen." (Hab' ich schon erwähnt, das Link dieses Wort verfluchte?) Link saß auf einer Holzkiste und blickte zuerst nicht auf, als irgendein Glotz ihn ansprach. "Hey, Jungchen." Dann stand ein schwerer Muskelprotz vor ihm und schaute ihn missgelaunt an. Link blickte, zugegebenermaßen ein wenig desorientiert auf, da er andere Dinge im Kopf hatte, als sich mit diesem Abschaum abzugeben. Er sah einen kräftigen Kerl, mit einer braunen, zerflederten Weste, einer knielangen, ungewaschenen Hose vor ihm stehen. "Ich rede mit dir, du Bengel", schimpfte er und erst jetzt erkannte Link, dass er eine Fahne hatte. Irgendein starkes, hylianisches Gebräu hatte ihm wohl den Ärger in der Gefängniszelle eingebrockt: "Was hast du an Wert bei dir? Glucks..." Link seufzte und ignorierte ihn. Wieder blickte er nachdenklich aus der Gefängniszelle und überlegte, was er sinnvolles tun könnte. Dann wurde er unsanft von der Kiste heruntergeschupst. Er schüttelte seinen Kopf und blickte benommen nach oben. Nun standen schon drei komische Typen vor ihm und lachten ihn aus. Was zum Kuckuck war denn so komisch? "Wo trägt man eigentlich so etwas? Im Urwald? Haha...", sagte ein fetter Kerl mit einem Bierbauch. Die Typen provozierten wahrlich Ärger. "Dort, wo du zu einer kleinen Pflanze wirst, auf die ich aus Versehen treten könnte.", sagte Link mit einem finsterem Blick in den Augen. Er hatte zwar keine Lust auf Ärger, aber Frechheiten wie diese konnte er nicht auf sich sitzen lassen. Erst Recht, wenn man ihn wegen seines Outfits beleidigte. Link war wirklich stolz auf seine grüne Tunika und noch stolzer auf seine Mütze. "Du wirst auch noch frech", brüllte der Kerl. Er wusste ja nicht, mit wem er sich anlegte. "Muss ich dir erst Manieren beibringen, du Bengel", meinte er und holte mit seiner Hand aus, um ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Aber Link war flinker und hüpfte außer Reichweite. "Du sollst deine Taschen ausleeren, habe ich gesagt." Doch Link tat weiterhin nicht dergleichen. Stattdessen hielt er seine linke Hand an sein Ohr und fragte: "Wie war das? Ich glaube, ich habe dich nicht verstanden." Der Kerl ging haltlos auf ihn zu und wollte Link erneut eine verpassen. Wieder wich er aus und rollte sich über den Boden. Währenddessen mischten sich weitere Gefängnisinsassen in den Kampf ein und stellten sich auf die Seite des betrunkenen Kerls. Zwei Typen packten Link an den Oberarmen. Ein weiterer durchwühlte seine Taschen, fand aber leider nichts. Allmählich platzte Link der Kragen und er riss sich empört los. Sein Geduldsfaden war am Ende; und er spürte Wärme auf seinem linken Handrücken. Es passierte schon wieder. Immer, wenn Wut in ihm kochte, begann sein Triforcefragment zu glühen. Es lag wohl daran, dass er die Macht des Mutes nicht richtig kontrollieren konnte. Jetzt ließen die Kerle ihn überraschenderweise los, denn ein schwaches Licht erhellte das Verlies. Fast respektvoll bildeten die Typen einen Kreis um Link, der mit einem standhaften Blick aufsah und sagte: "Wenn ihr mich weiterhin nervt, passiert noch was Schlimmeres. Also, lasst mich in Ruhe, dummes Pack." Oh ja, er konnte manchmal überheblich sein und ein wenig zu sehr angeben. Dennoch machte es Spaß. Auch die Wachen außerhalb der Zelle bemerkten nun, dass etwas nicht stimmte, da das Triforcefragment immer noch sein helles Licht preisgab. "Hol' den Kommandanten", sagte einer, worauf ein junger Bursche eilig davon sprintete. Wenig später kam nicht nur der Kommandant, sondern auch jemand, mit dem niemand gerechnet hatte. Die Prinzessin persönlich hastete mit einem einfachen Kleid und einem roten Umhang die Treppen hinab. Sie schaute in die Zelle, vorbei an schmierigen Verbrechergesichtern, direkt in Links tiefblaue Augen, der nur dämlich und unschuldig grinste. "Lasst ihn sofort frei. Seit wann sperrt ihr betrottelten Wachen den Helden der Zeit ein. Tickt ihr noch ganz richtig?!?" Zelda fauchte und angesichts dem gefährlichen Klang ihrer Stimme, verstand ein Beobachter die verzweifelte, nervöse Reaktion der Wachen. "Schließt die Gefängnistür auf der Stelle auf. Sonst seid ihr euren Posten los. Aber dalli. Wird's bald." Sie streckte ihren Zeigefinger nach vorne und ordnete an. Zwei, drei Wachen begaben sich in Richtung der Kerkertüren und öffneten die großen Eisenschlösser. Die Türen standen offen. Nicht nur für Link, sollte man annehmen. Einige Kerle sahen darin die Gelegenheit. Ein ziemlich magerer Kerl mit schwarzen Haaren und stechenden glühenden Augen, der sich bisher zurückgehalten hatte, lief langsam nach vorne und hatte plötzlich ein Messer in der Hand. Er überwältigte in Kürze eine der Wachen und lief in Prinzessin Zeldas Richtung. Sie wich so schnell sie konnte nach hinten und erkannte die Gefahr. Verzweifelt suchte sie nach einer Verteidigungsmöglichkeit, fand aber keine. Inzwischen stürmten die restlichen Gefangenen aus dem Raum und die Lage wurde unüberblickbar. Der Kommandant und die restlichen Wachen hatten die Hände voll zu tun mit den Kerlen, dass niemand mehr auf Prinzessin Zelda Acht geben konnte. Sie wich immer noch zurück und stand an eine kalte Mauer gelehnt, während der Typ, der in Zeldas Augen etwas dämonisches an sich hatte, mit dem scharfen Dolch auf sie zu lief. "Hehe... Prinzeschen. Mein Meister wird sich freuen, wenn ich dir dein hübsches Gesichtchen zerschneide... hehe." Sein Meister? Von welchem Meister redete er? Er war keinen Meter mehr von Zelda entfernt, nahm den Dolch und überlegte es sich anders. "Aber nein, ich bringe dich gleich zur Strecke, dann wird doch das Siegel des Großen Ganondorf nicht mehr halten, oder?" Er holte aus. Zelda sah nur noch den scharfen Dolch, der wie eine eiskalte Hand aufblitzte. Sie drehte ihren Kopf zur Seite, kniff die Augen zu und betete. Sie bemerkte einen leichten Luftzug, einen warmen Körper vor ihr und vernahm dann einen lauten Schrei. Sie traute sich ihre Augen wieder zu öffnen. Auch wenn ihr die Angst ins Mark fuhr, als sie begriff, wessen Schrei in den Kerkerhallen umherschallte. Link stand mit dem Rücken vor ihr, mit ausgestreckten Armen und schien gegen irgendetwas anzukämpfen. Der Kerl blickte verstört und überrascht zu Link, als ob er überlegen müsste, was eigentlich passiert war und was er getan hatte. Dann brach Link auf die Knie und der Typ wollte davonrennen. "Bleib' stehen", seufzte Link unter Schmerzen. Zelda stand immer noch an die Mauer gelehnt und ließ sich zu Link auf den Boden sinken. Was war denn nur passiert? Eine Flut der Gedanken rollte über sie, bevor sie die Lage begriff. "Link? Was hast du getan", sagte sie. Der Held der Zeit schnaubte nach Luft, ein schriller Schrei eintkam seiner Kehle und plötzlich hatte Link einen blutbeschmierten Dolch in der Hand. Er schleuderte den Dolch mit aller übrigen Kraft nach dem Kerl und traf ihn am Bein. Jener blieb stehen und drehte sich um, verzog aber nicht eine Miene: "Mein Name ist Mortesk. Merk' ihn dir. Eines Tages bringe ich dich um." Dann rannte er durch das Getümmel davon. Link aber sackte nun vollkommen in sich zusammen. "Link", sagte Zelda und kämpfte gegen ihre aufkommenden Tränen. Sie drehte ihn auf seinen Rücken und erkannte eine Stichwunde in seiner rechten Brust. Die Wunde hörte gar nicht mehr auf zu bluten. Schweißperlen glänzten über Links Gesicht, als er kurz und flach atmete. Er hatte seine Augen noch geöffnet, auch wenn er verschwommen sah. "Link..." Nun entkam aus Zeldas Mund ein leichtes Winseln. "Du Dummkopf." Er entgegnete ihr mit einem seiner charmanten Lächeln und seufzte: "Das ist der Preis... um dich zu beschützen... Prinzessin von Hyrule..." Sie nahm ihn in ihre Arme und begann bitterlich zu weinen. Währenddessen hatten die Wachen die Lage unter Kontrolle und standen ergriffen in den Kerkerräumen. Kapitel 58: Wenn selbst Götter versagen --------------------------------------- Kapitel 41: Wenn selbst Götter versagen Es war fast Mitternacht, als ein achtzehnjähriger Jugendlicher unauffällig die Kathedrale von Schicksalshort betrat. Er fühlte sich betrogen, betrogen von Zelda, obwohl er ihr nichts bedeutete. Er begehrte sie und irgendwann, so dachte er, würde sie schon Gefallen an ihm finden. Er müsste nur ihren Helden ausschalten, ja, er musste Link töten, dann hätte sie niemanden mehr, den sie lieben könnte und der Weg war frei für ihn. In seinen finsteren Gedanken versunken, trat Preston zu seinem Herrn und Meister, verbeugte sich kurz und blickte aus seinem verschlagenen Gesicht hervor. "Mein Herr, ich bringe schlechte Neuigkeiten. Das Elixier wurde von Lanmolas verspeist." Ganondorf stand von seinem Thron auf und ging in Richtung des Altars. Es kümmerte ihn im Moment nicht wirklich, was aus dem Elixier wurde. "Preston, vielleicht findest du es dann merkwürdig, dass Lanmolas vernichtet wurde. Wie und von wem, ist mir jedoch ein Rätsel." Der Jugendliche sah erschrocken auf, woher wusste sein Meister davon? "Ich selbst habe diese Geschöpfe gerufen und ich weiß, wann es mit ihnen zu ende geht. Also, du Schwächling, hast du mir etwas mitzuteilen." "Nein, mein Lord." Ganons Augen blitzten auf, geradeso als besäße er selbst Prestons verräterische Zunge... "Geh' zum nächsten heiligen Grund und besorge das Elixier des Wassers. Für dich wäre es sehr ratsam, wenn du nicht schon wieder scheiterst, sonst bin ich nicht mehr so freundlich und überlasse dich den Kreaturen da draußen." Dann lachte Ganondorf auf seine abscheuliche, bestialische Art und setzte sich wieder auf den Thron. Der Jugendliche ging aus der Kathedrale hinaus, grinste angesichts dem Geheimnis, welches er selbst behütete... das Geheimnis, dass Link und Zelda auf seine Vernichtung zu arbeiteten... Prestons Pläne schienen so rätselhaft wie er selbst zu sein. Als Prestons außer Reichweite war, tauchte Mortesk einmal wieder in der Kathedrale auf und teilte seinem Lord mit, dass sie auf der Spur seiner geliebten Gottheit waren. Gerade als Mortesk aber wieder ins alte Reich Hyrule zurückkehren wollte, hielt Ganondorf ihn zurück. "Warte, Mortesk. Ich habe noch einen Auftrag für dich. Verfolge Preston und finde heraus, was er im Schilde führt. Mir scheint, als verbirgt er etwas." "Ja, mein Meister, wie Ihr befehlt." "Wenn er sich als Verräter preisgibt, mach' nicht kurzen Prozess, sondern lass' ihn leiden und jammern. Er wird es bereuen, mich hintergangen zu haben." Damit verschwand Mortesk mit einem ekelhaft zufriedenen Feixen. Die beiden Hylianer erholten sich von dem Stress in der Wüste und zogen bei Anbruch des nächsten Tages weiter. Nur schwerlich bewegten sie sich unter der glühenden Wüstensonne vorwärts und hatten schon wieder die Schnauze voll von Sand, Sand und noch mal Sand. Hinsichtlich der Einöde in der Wüste, konnten sie Ganondorfs Groll dagegen teilweise verstehen. Kein Wunder, dass er lieber blühende Wiesen, stolze Berge, reine Flüsse und Seen besitzen wollte. Diese Dinge konnte man wenigstens kaputt machen. Die Wüste war ja schon halb tot, da machten Verbrechen wohl keinen Spaß mehr... Gegen Mittag kamen sie an einer Festung der Gerudos vorbei, die am Rande der Wüste lag. Allmählich wurden auch die Flaschen mit Wasser knapp, da sie in der Wüste klarerweise mehr verbrauchten als sonst. Sie stiefelten somit in die Festung, auf der Suche nach einem Brunnen oder ähnlichem. In der Nähe eines kleinen Ritualsplatzes, wo die Gerudo ihre Festspiele abhielten, fanden sie auch einen Brunnen. Sie füllten gerade ihre Flaschen auf, als sie aus der Gerudofestung Schreie vernahmen. Schrille Schmerzschreie schallten nach draußen und man hatte den Eindruck, dass jemand sehr, sehr leiden musste. Aber die markerschütternde Stimme klang nicht wie die von einem Menschen... Die Blicke von Zelda und Link kreuzten sich und sie nickten einander zu. Wer immer das auch war, niemand hatte es verdient, so zu leiden. (Okay, mit Ausnahme von Ganondorf.) Kurzerhand nahmen sie ihre Schwerter griffbereit und schlichen in die Festung, Link vorneweg, dicht gefolgt von Zelda. Sie folgten dem seltsamen Geschrei, welches mehr und mehr menschliche Spuren erkennen ließ und waren entsetzt. Noch nie hatten die beiden jemanden so schreien, flehen, nach Gnade betteln hören. Was um Himmels Willen ging da bloß vor sich? Sie kamen dem Geschrei näher, während sie durch die langen, dunklen Gänge der Festung schlichen. Link blickte sich neugierig um und wunderte sich, dass in dieser Gerudofestung nirgendwo Fenster zufinden waren. Hasste das Frauenvolk Hyrules etwa das Tageslicht? Schließlich mussten beide ihre Öllampen herauskramen, da die Dunkelheit sich hier sehr gut einnisten konnte. Link spürte die Gefahr im Nacken. Irgendetwas stimmte hier gewaltig nicht, das sagte ihm sein sechster Sinn. Schnell blickte er nach hinten, um sicher zu gehen, dass Zelda hinter ihm war. Er packte ohne weiteres ihre Hand. Dennoch, das seltsame, ungewisse Gefühl schien sich nicht zu verflüchtigen. Ihm war, als befänden sie sich auf der Spur einer gewaltigen Macht. Die Schmerzschreie kamen näher und neben ihnen erkannten die beiden weitere Stimmen. Mehrere, teilweise kichernde Stimmen, die Spaß haben mussten. Piepsige Stimmen, ähnlich denen von Mäusen... Link und Zelda schlichen weiter und erreichten einen Raum mit vielen Zellen. Der Raum war hellerleuchtet, soweit die zwei Hylianer dies erkennen konnten. Noch verbargen sie sich geschützt in dem Schatten eines Ganges, bereit so bald wie möglich anzugreifen. Zelda kannte das Gesindel, welches sich vor einer der Zellen herumtrieb. Es waren mindestens ein Dutzend Petiblins, eine Brut Ganons, die aussahen wie übergroße Ratten mit kleinen Dreizacken oder besser Dreizackchen, da sie damit nicht allzu viel Schaden anrichten konnten. Irgendetwas hatten diese kleinen Biester zu feiern und kicherten sich ihre ohnehin piepsigen Stimmen beinahe aus dem Wanst. Dann kamen erneut die Schmerzschreie und Link vermutete, dass diese Biester jemanden in ihrer Gewalt hatten und quälten. Link und Zelda schauten beide um die Ecke und sahen kurz eine Gestalt in einer Zelle liegen. Die Petiblins standen sogar innerhalb der Zelle und nutzten ihre Dreizacke, oder Spieße und stießen sie dem wehrlosen, gefesselten Geschöpf, das am Boden ruhte, immer wieder in den Körper. Weder Link noch Zelda konnten erkennen, um welches Wesen es sich bei dem Gefangenen handelte, da ein Stück dreckiger, grauer Mantel über ihm lag. Ebenso ahnten sie nicht, dass sie Großes tun würden, wenn sie jenem Wesen helfen würden. Link sah zu und spürte mehr und mehr Kampfbereitschaft in sich aufsteigen. Er kannte den Grund nicht, aber er würde diesem Geschöpf helfen, er würde etwas tun. Er umfasste den Griff seines Schwertes stärker und stürzte sich mit einem wilden Kampfschrei in die Meute aus Petiblins. Mit vielen kräftigen Hieben beförderte er einige sofort ins Jenseits. Mit einem entschlossenen Blick hetzte er wie der Blitz im Raum umher und die Petiblins lösten sich in Asche auf, noch bevor sie ihr dummes, dreistes Kichern anstimmen konnten. Auch Zelda kämpfte sich durch die Masse an Ungeziefer. Einige der Petiblins begannen zu winseln und hüpften wie Flöhe in dem Raum herum, landeten an den Wänden, trotzten der Schwerkraft und sprangen zur Decke, sodass die Situation immer überblickloser wurde. Link wollte keinen entkommen lassen, nahm schleunigst seinen Bogen und spannte einen Pfeil nach dem anderen. Nach einigen Minuten hatten die beiden Hylianer die Szenerie von den kleinen Unholden befreit. Nur einem Einzelnen gelang unglücklicherweise die Flucht. Die Aufmerksamkeit von Link und Zelda fiel schließlich auf die merkwürdige Kreatur in der Zelle. Sie hatte keinen Laut mehr von sich gegeben und auch sonst sich nicht mehr bewegt. Sie lag nun wie ein stumpfer, lebloser Gegenstand in der Gefängniszelle. Link und Zelda traten ein und knieten beide nieder. Doch das Wesen rührte sich nicht. Link fragte sich bereits, ob es denn noch lebte, oder ob es an seinen Schmerzen verendet war. Um sicher zugehen zupfte Link vorsichtig an der Kapuze des Geschöpfes, sodass man einen Blick in das Gesicht werfen konnte. Er hatte die Kapuze gerade so zur Seite geschoben, als das Geschöpf ein unerträgliches Licht von sich gab und alles in der Gefängniszelle in weißem, aber grellen Licht versank. Link und Zelda wichen zurück und kniffen schnell ihre Augen zu. Dann hörten sie ein Zischen, dann einige Worte, die nicht einmal Zelda verstand. Als sie ihre Augen öffneten, saß das Wesen zusammengehockt auf dem Boden. Ein goldenes Dreieck verzierte die Stirn, die Augen waren blutunterlaufen, Falten deuteten auf ein hohes Alter des Geschöpfes hin. Dieses Geschöpf war dem aus der Zitadelle der Zeit sehr ähnlich, auch es hatte schiefe Proportionen und eine gewaltige Energie ging von dem Wesen aus. Es reckte Zelda einen Arm entgegen, worauf sie sich dem Geschöpf näherte. Es begann zu reden und anhand der Stimme würde man es für eine ältere Frau halten. Zelda hörte aufmerksam zu, während Link nur wie ein Trottel in der Ecke stand und nur so tun konnte, als ob. Es redete wohl Althylianisch, oder irgend so etwas... Dann legte es eine alte runzlige Hand auf Zeldas Stirn und allmählich fragte sich Link, ob es richtig wäre nicht einzuschreiten. Wer weiß, was dieses Vieh mit Zelda anstellte? Aber nichts desto trotz vertraute Zelda dem Geschöpf wie keinem anderen. Sie schloss ihre Augen und war für einige Augenblicke auf einem ihrer visionären Trips. Da wollte Link nun wirklich nicht stören... Das Wesen stand dann auf und redete auf einmal auch in Links Sprache. Die alte Dame, oder was auch immer, reichte ihm die Hand. Sie zitterte und litt, soweit man es in ihren Augen sehen konnte, auch wenn man bei einem Blick in ihre Augen nur Nebel erkennen konnte. Er nahm die Hand und fühlte sich, als ob man ihm eine grenzenlose Energie zuführen würde. Geschockt wich er einige Zentimeter zurück. "Ich danke dir, Held. Dass du trotz allem noch für uns kämpfst, zeigt mir, wie rein dein Herz doch ist." Ihre Stimme klang seltsam, fast wie das Rauschen von Wasser, wie das Säuseln des Windes. Wer oder was war dieses etwas? "Man hat mir meine Kräfte gestohlen, doch sehen kann ich noch. Kummer betrübt dein Herz, deine Seele." Ihr Blick fiel zu Zelda, die nur nachdenklich zu Boden sah. "Ja, Kummer. Schmerz... Misstrauen und Angst..." Sie wendete sich dann wieder Link zu und holte ein kleines blaues Täschchen hervor und reichte es Link. Dann flüsterte sie ihm zu: "Ihr werdet nicht bereuen, mir geholfen zuhaben. Nutze die Steine, um in ihr Herz zusehen. Dann erhältst du die Antworten, nach denen du suchst. Antworten für eine Zukunft, die es nicht gibt..." Das Wesen lief aus der Zelle hinaus und erstrahlte in reinem, hellen Licht, bis es verschwunden war. Die zwei Hylianer standen erstaunt und teilweise bedrückt in dem Raum, nichts ließ vermuten, dass gerade ein sehr machtvolles Wesen hier gewesen war. Als wäre diese Gottheit nie hier gewesen. "Was ist das... ich fühle mich irgendwie wahnsinnig traurig, obwohl ich den Grund nicht kenne", sagte Link. Zelda musste es ähnlich ergehen, da sie ein Taschentuch herauskramte und damit über ihre Augen wischte. Diese Gefühle des Mitleids, der Trauer, die eigentlich keinen Ursprung hatten, ließen vermuten wie ernst die Sache doch war und das jenes Geschöpf, so ungewöhnlich es auch erschien, Spuren in den Herzen der beiden Hylianer hinterließ. Als ob es ihnen die Fähigkeit geschenkt hätte, traurig zu sein... Zelda wischte sich ihre restlichen Tränen weg und meinte: "Sie hat mir vorhin gezeigt, was Ganondorf getan hat, nachdem das Siegel in Hyrule nicht mehr hielt, nachdem alles verblasst ist." Sie setzte sich auf den Boden und lehnte sich an die Mauer. Link folgte ihrem Beispiel und hörte aufmerksam zu. "Ganondorf hat mit seiner dunklen Macht, die ständig gewachsen ist, es geschafft, die Götter Hyrules zu... zu verbannen. Sie haben sich ihm in den Weg gestellt, als eine letzte Hürde, sich in einer neuen Welt, deiner Welt, breit zumachen. Sie haben... versagt. Sie verloren den Kampf gegen Ganondorf." Zelda blickte zu ihm, aber Link starrte nur leer in den Raum. Ganon hatte die Götter geschlagen? Wie zum Teufel sollte er ihn dann besiegen können? "Ich habe gesehen, was er mit ihnen gemacht hat, wie er sie entstellt und gefoltert hat." Sie lehnte ihren Kopf auf ihre Arme und setzte leise hinzu: "Er hat ihnen alles genommen, was sie geliebt haben, sogar ihre Freiheit. Deshalb sehen diese Wesen wie Untiere aus, deshalb besitzen sie krumme Beine, schiefe Proportionen und überall diese Wunden... Sie hat mir alles gezeigt, was er ihnen angetan hat, Link. Es war... schrecklich..." Er kniete nieder und legte seine Hände auf ihre Arme. "Zelda... bitte denk' jetzt nicht mehr an diese Bilder... sie belasten dich nur unnötig." Er zerrte sie auf ihre Beine. "Wenn der Kampf naht, Zelda, werden wir ihm beweisen, dass er nicht einfach so grausam mit den Geschöpfen Hyrules umspringen kann. Er wird dafür zahlen, das verspreche ich dir. Doch im Moment bringt es nichts, hier sinnlos herumzusitzen. Wir sollten uns auf den Weg machen." Er drehte sich um und lief auf eine Tür zu. "Link... fürchtest du dich vor diesem Kampf?" Er blieb wie angewurzelt im Raum stehen und hatte ihr den Rücken zugewendet. "Wenn selbst die Götter ihn nicht besiegen konnten, Zelda. Welche Chance, welche Hoffnung bleibt mir dann noch? Mit meinen jetzigen Fähigkeiten werde ich..." "Hör' auf", fauchte sie, "Sag' mir das nicht, bitte... bitte sag' es nicht." Er drehte sich um und schaute ohne Zweifel, mit einem milden Blick in ihre Augen, doch er stoppte seine Worte nicht. "Ich werde versagen, Zelda, ich werde den Kampf nicht... überstehen..." Sie ging auf ihn zu und wollte ihm eine Ohrfeige geben, aber er hielt sie davon ab und hielt ihre Hand fest. "Nein, das wirst du", platzte es aus ihr hervor. "Hör' auf so zu reden, Link. Du..." Sie brach ab und Tränen liefen ihre Wangen hinab. "Es ist okay, Zelda", murmelte er und nahm sie in seine Arme. "Ich sagte... mit meinen jetzigen Fähigkeiten. Vielleicht..." Sie legte ihre Fingerspitzen auf seine Lippen. "Wie du sagtest, lass' uns nicht mehr daran denken und weiterziehen." Sie lösten sich voneinander und machten sich auf den Weg. Ganon hatte selbst alte Götter in das Elend geschickt, in das Verderben getrieben und sie zu seinen Sklaven gemacht. Welche Möglichkeiten einen Kampf gegen ihn zu überleben, blieb Link dann noch? Wie nur sollte er ihn besiegen, erst Recht ohne das Wissen, wie er früher gegen ihn gekämpft hatte. Es war nicht zu ändern, es war unumgänglich... Es war nicht zu ignorieren... dieser winzige Funken Hoffnung würde vielleicht nicht ausreichen... Ein piepsiges Geschöpf hüpfte in der Kathedrale von Schicksalshort umher. Es kicherte und trat vor seinen Meister. "Hihih... er ist in Hyrule... hihih." Nur ein Satz und Ganondorf wusste, was zu tun war. Er stand auf, lachte heimtückisch in sich hinein und hob seine Arme in die Höhe. Link war in Hyrule... die Frage schien nur, wie lange noch. Kapitel 59: Geheimnisse der Vergangenheit V ------------------------------------------- Kapitel 42: Geheimnisse der Vergangenheit V Zelda saß immer noch mit Tränen in den Augen vor Link, der ohnmächtig war. "Was glotzt ihr so, holt verdammt noch mal einen Heiler. Schnell", rief sie. Eine der Wachen rannte dann schleunigst davon. Zeldas Ärmel waren inzwischen in Blut getränkt, sogar in ihrem Haar hing Blut, aber es kümmerte sie nicht. Sie rüttelte an Links Schultern: "Halte durch, Link, bitte." Plötzlich tauchte Impa in einer Rauchwolke vor ihr auf und sah schockiert drein. "Prinzessin? Was ist denn passiert?" "Link... er...", seufzte sie, aber fand nicht die passenden Worte. Impa handelte schnell. Sie packte den bewusstlosen Link und sagte: "Ich bringe ihn in ein Gästezimmer. Die Wunde muss so schnell es geht geschlossen werden." Sie hetzte davon und Zelda rannte hinter ihr her. Wenige Minuten später lag der ohnmächtige Held in einem riesigen Bett in einem Gästezimmer von Schloss Hyrule. Ein Arzt und Impa kümmerten sich um ihn, während Zelda neben dem Bett stand und hilflos zusah. Die Shiekah zog ihm ohne weiteres die grüne Tunika aus und sein weißes Hemd. So konnten sie einen besseren Blick auf die Stichwunde werfen, beruhigt, dass sie nicht zu tief war. Der Arzt hantierte mit irgendwelchen Instrumenten herum, wusch die Wunde mit seltenen hylianischen Heilkräutern aus und deutete Impa an, dass seine Aufgabe erfüllt war. Impa begann die Wunde zu nähen. Da Link ohnehin nicht bei Sinnen war, hatte sie damit keine Schwierigkeiten. Seine Kleidung war nicht mehr zu gebrauchen und in Blut getränkt, sodass ein Zimmermädchen diese sofort entsorgte. Zelda setzte sich auf einen Stuhl neben dem Bett und nahm seine linke Hand. "Wird er es schaffen", schluchzte sie leise. Nach einer Weile war Impa mit dem Nähen fertig und legte ihm einen Verband um. "Ach, Prinzessin, Link ist zäh. Er ist zwar bewusstlos, aber er wird kämpfen, auch wenn er viel Blut verloren hat." Zelda nickte erleichtert. "Ich nehme an", meinte Impa "dass er einige Stunden schlafen wird, aber morgen sicherlich wieder bei Bewusstsein ist. Außerdem bewirken die Heilkräfte seines Fragmentes eine schnellere Genesung. Macht Euch nicht zu viele Sorgen, Prinzessin." "Okay...", sagte Zelda leise. Warum nur machte er solche dummen Sachen? "Was genau ist eigentlich passiert, Zelda", meinte Impa schließlich. "Aus irgendeinem Grund saß Link in dieser Gefängniszelle. Ich ordnete an, sie sollen ihn freilassen, worauf die Tür geöffnet wurde. Aber... einer der Gefangenen hatte ein Messer in der Hand, dass ihm diese dämlichen Wachen nicht abgenommen hatten und bedrohte mich damit." Sie blickte zu Link und legte eine Hand auf seine schweißgebadete Stirn. "Link hat mich beschützt und..." Ein Lächeln zeigte sich auf Impas stolzem Gesicht: "Tja, so ist Link nun mal. Er würde alles tun, um das Leben der Prinzessin zu retten. Ehe ich es vergesse, Zelda. Euer Vater fragte vorhin schon, was passiert ist. Ich werde ihm jetzt Mitteilung erstatten. Bleibt' bei Link, bis er aufwacht, ja?" "Danke, Impa, das hätte ich auch so getan..." Impa und der Arzt verschwanden aus dem Raum. Zelda blieb und blickte Link dann wieder an. Sie streichelte über seine blassen Wangen. "Du dummer, kleiner Held, tu' das nie wieder", meinte sie. Manchmal hatte sie den Eindruck er müsse ihr unbedingt beweisen, das Helden Schmerz ertragen konnten, als müsse er sich selbst beweisen, dass er Zelda um jeden Preis beschützen wollte... Sie legte ein feuchtes Tuch auf seine glühende Stirn und deckte ihn zu. Auch wenn er nicht wach war, so zeigte sich ein beruhigendes Lächeln auf seinem Gesicht, dass Zelda ohne Umschweife mitteilte, in welcher Verfassung er war. Es sagte ihr, dass es ihm den Umständen entsprechend gut ging. "Link, danke, wegen vorhin", sagte die Prinzessin leise und gab ihm einen Kuss auf seine linke Wange. Dann kam ihr das Medaillon wieder in den Sinn, welches sie vorhin beim Aufwachen bemerkt hatte, kurz bevor sie gerufen wurde. Link musste ihr dieses mächtige Relikt irgendwie heimlich auf das Bett gelegt haben und dann von den Wachen bei seinem Verschwinden erwischt worden sein. Sie betrachtete es sich nun genauer und es sah eben so aus, wie auf den Abbildungen. Wenn Link doch nur wach wäre, vielleicht wüsste er etwas über die Macht des Medaillons... Außerdem würde es sie interessieren, wo um alles in der Welt er es gefunden hatte. Ob er die ganzen letzten Monate nach diesem Gegenstand gesucht hatte. Also wirklich, er hätte sich doch ab und zu mal wieder blicken lassen können! Warum nur, war Link eigentlich immer so ein Einzelgänger? Sie hätten das Medaillon auch zusammen entdecken können, oder nicht? Irgendwie hätte sie ihren Vater sicherlich überzeugen können, sich auf eine königliche, wenn auch gefährliche Mission zu begeben. Aber eigentlich war Link doch immer so gewesen... Sie öffnete das Medaillon und besah sich dessen Inhalt, erblickte die einzigartige Uhr und in der Mitte eine Art Schicksalsbaum, der grüne Blätter trug. Jetzt, da sie dieses Medaillon in den Händen hielt, spürte sie, dass an es irgendwann das Schicksal der Welt geknüpft sein würde. Sie fühlte eine Macht, die noch ruhte. Ohne Zweifel ein Funken Hoffnung für zukünftige Zeiten, in denen eine Macht für das Gute benötigt werden würde... Sie legte das Medaillon auf den Nachttisch neben Link und überprüfte seinen Herzschlag. Sie legte ihren Kopf auf seine linke Brust und hörte sein Herz gleichmäßig, wenn auch sehr langsam schlagen. "Werde schnell wieder fit, du dussliger Held", murmelte sie und wollte sich für einige Augenblicke aus dem Raum begeben, als eine weitere Person in die Schlafkammer eintrat: ihr Vater, der König höchst persönlich. Was zum Henker wollte der denn hier? "Vater?" Überraschung lag in Zeldas Stimme. "Was führt dich hierher?" Er lief hinüber zu dem Bett und sah in das Gesicht des Helden der Zeit. Zelda ahnte nicht, dass auch der König Interesse an Link hegte... "Dieser junge Mann dort führt mich her." "Was willst du von ihm? Solltest du etwa denken, dass er hier verschwinden soll, dann..." Er unterbrach sie. "Zelda, Tochter, glaubst du, mir wäre am Wohl von Hyrules Helden nichts gelegen? Nein, nein, von mir aus, kann er solange bleiben, wie es ihm gefällt." Er setzte sich auf einen weiteren Stuhl neben das Bett. "Ich bin ein wenig entsetzt, dass er so jung ist, Zelda. Ist er in deinem Alter, ja?" Die Prinzessin setzte sich ebenfalls neben das Bett und nickte stumm. "Wie war sein Name?" "Link." "Ein Jammer, dass nach allem, was er für Hyrule getan hat, der König dieses Landes nicht einmal seinen Namen weiß, nicht wahr?" Wiederrum schwieg Zelda. Was ging nur in ihrem Vater vor? Vor einigen Jahren noch, hatte er nach außen hin kein Interesse den Helden Hyrules kennen zulernen. Woher kam dieser plötzliche Sinneswandel? "Vater, darf ich gnädigst erfahren, worauf du hinauswillst?" Er lächelte seine Tochter an und entgegnete: "Ich habe viele Fehler gemacht, Zelda, das weiß ich. Ebenso ist es für mich eine Illusion einen davon wieder gut zu machen, aber ich würde es begrüßen, wenn du mir verzeihen könntest." Verzeihen? Wofür? "Vater? Ich verstehe nicht ganz." "Ich habe dir nie wirklich vertraut, Zelda. Ich bin ein sturer alter Herrscher, mein Kind, ein alter Dickschädel, der glaubte, alles richtig zu machen... Aber niemand ist unfehlbar und ich habe mich gegen dieses Gesetz mit meiner Überheblichkeit gestellt. Jeder Bürger Hyrules weiß um die Vernichtung Ganondorfs und jeder dankt dem Helden der Zeit für seine selbstlose Tat, aber niemand hat ihn so ignoriert wie ich. Ich habe mich für diesen Jungen nie interessiert. Ich wollte nicht wahrhaben, das ein... Kind, ja ein Kind, mehr für Hyrule getan hat, als der König in seiner Lebenszeit vollbringen könnte." Zelda war sprachlos... "Zelda, ich möchte ihn kennen lernen und am besten gleich heute damit beginnen." Auch wenn Zelda ziemlich geschockt war, diese Worte aus dem Mund ihres Vaters zuhören, so verstand sie sehr gut seine Gedanken und Gefühle. Sie lächelte, stand auf und legte eine Hand auf seine Schulter. "Du wirst ihn kennen lernen, aber nicht heute, Vater. Er ist zu erschöpft." Er nickte und erwiderte: "Impa erzählte mir, was vorgefallen ist. Er hat dir das Leben gerettet, Tochter?" "Ja, nicht nur das eine Mal." Dann sah der König so aus, als hätte er eine Erleuchtung. "Warum schlagen wir ihn dann nicht zum Ritter?" Zelda schüttelte den Kopf, zur erneuten Beunruhigung ihres Vaters. "Es hat ihn nie interessiert, Vater. Link ist kein gewöhnlicher Hylianer, nicht in geringster Hinsicht. Ein Titel, Ehre, Rum und Macht haben ihn nie interessiert. Eigentlich weiß ich nicht, was er sich wirklich wünscht, was einem Herzen wie seinem wirklich Freude bereiten würde." Der König setzte eine grübelnde Miene auf und sagte: "Vielleicht kannst du es ja herausfinden, solange er sich im Schloss aufhält. Ich kenne doch schließlich meine Tochter. Und wie ich sie kenne, würde sie bestimmt nichts unversucht lassen." "Vielleicht, aber Link würde sicherlich merken, wenn ich ihn ausfrage, oder ihm hinterher schnüffeln würde. Er hat so etwas wie einen sechsten Sinn." Dann blickte der König erneut in das blasse Gesicht des Hylianers in dem Bett. "Er ist demnach etwas Besonderes, nicht wahr?" "Ja, das ist er in der Tat." Und weiterhin fragte er seine Tochter bezüglich Link aus. "Erzähl' mir etwas von ihm. Wo wohnt er und was sagen seine Eltern und seine anderen Verwandten zu seiner Heldentat?" In Zeldas Augen lag nun Traurigkeit und eine Spur Mitleid. "Vater... er hat niemanden. Weder Eltern, noch einen anderen Verwandten. Link hat hier in Hyrule kein wirkliches Zuhause, musst du wissen." "Oh... das, das tut mir leid, Zelda." "Ja, mir auch." Nein, es tat ihr nicht nur leid... es tat ihr in ihrem Herzen weh... "Liebst du ihn?" Zeldas Blick verweilte auf Link, geradeso, als überlegte sie sorgfältig, was sie auf die Frage ihres Vaters entgegnen sollte. Ein schwaches, und doch sichtbares Rosa zierte ihre Wangen. Sie wusste wirklich nicht, was sie sagen sollte... Sie mied einen Blick in das alte, weise Gesicht ihres Vaters, da sie fürchtete, er würde die Wahrheit in ihren Augen entdecken und diese könnte sie um Kopf und Kragen bringen. "Zelda, Liebes, was ist? Dafür brauchst du dich doch nicht zu rechtfertigen oder gar zu schämen. Wie ich sehe, ist er jedenfalls ein sehr attraktiver, junger Mann. Also, liebst du ihn nun?" Zelda drehte sich hastig um, ihre Augen weiteten sich, verursacht durch des Königs Worte. In ihrer Gegenwart hatte er noch nie eine solche Ausdrucksweise an den Tag gelegt. Empört wendete sie ihr Gesichtsfeld ihrem Vater zu und funkelte ihn an: "Vater?!? Wie kannst du mir nur eine solche Frage stellen?" Er stand auf und lächelte lediglich. "Wie auch immer, ich habe noch einige Verträge zu unterschreiben. Und, Zelda, mein kleiner Engel, zieh' dich um. Dein Kleid ist blutbeschmiert. Wenn er aufwacht, willst du doch sicherlich hübsch aussehen." Dann grinste er. "Verdammt noch mal, Vater!" Zelda grabschte ein Kissen und warf es wütend gegen ihren Vater. Er verschwand jedoch schnell hinter der Tür und das Kissen landete dagegen. "Mmpf", murmelte Zelda und ließ sich seufzend auf die Bettkante sinken. "Ich bin gleich wieder da, ja", sagte sie und strich Links blonde Haarsträhnen aus dem Gesicht. Sie ging leise aus dem Raum und schüttelte innerlich mit dem Kopf. Dieses Gespräch mit ihrem Vater kostete einige Nerven. Zwei lange Tage gingen vorüber und noch hatte Link seine Augen nicht aufgeschlagen. Tatsächlich hatte er mehr Blut verloren, als Impa angenommen hatte und träumte wirres Zeug zusammen. Er sah sich selbst in einem seltsamen Outfit, das es in Hyrule nicht gab, lief durch eine Stadt, die er nicht kannte und überhaupt kam es ihm so vor, als kannte er sich selbst nicht. Er lief in einem Wald herum, einem Laubwald, wo überall etwas lag: Plastikbeutel, Essensreste und anderer Unrat, den er noch nie gesehen hatte. Die Wälder, die er kannte waren jedoch irgendwie anders... magischer als dieser... Er blieb vor einem Bach stehen und blickte in das Spiegelbild, welches der Bach preisgab. Dieses Gesicht... wessen Gesicht war das? Sein eigenes? Plötzlich nahm das Wasser in dem Bach eine andere Farbe an und das sanfte Blau erhielt dunkle Flecken. Pech oder schwarzes Blut floss nun dem Bach hinab, anstatt dem reinen Wasser... Er öffnete desillusioniert seine blauen Augen und erkannte, dass er in einem weichen, gemütlichen Bett lag. Es war ewig her, dass er in einem Bett geschlafen hatte. Als er mehr als nur einen Blick riskierte, stellte er fest, dass er sich in einem gemütlichen Zimmer befand, welches in warmen Farben gehalten war. Es war Abend und Feuer flackerte in einem kleinen Kamin in der hinteren Ecke das Raumes. "Wo bin ich?", sagte er und bereute seine Worte nun. Selbst das Sprechen belastete. Dann erinnerte er sich wieder daran, was geschehen war. Ach ja... du Trottel, du bist bestimmt im Schloss, dachte er und verzog sogleich seine Miene. Erst jetzt spürte er den gemeinen Schmerz in seiner rechten Brust... Mortesk. Sofort fiel ihm der Name des Mistkerls ein, dem er die Wunde verdankte. Er sprach von einem Meister? Hoffentlich redete er nicht von Ganon... Link wollte sich ein bisschen aufrichten, bereute aber diesen Entschluss wieder und ließ sich in die gemütlichen, warmen Kissen zurücksinken. Ich könnte mich glatt daran gewöhnen, murmelte er in seinen Gedanken. Dann wurde die Tür geöffnet und jemand mit einer wohlvertrauten, angenehmen Aura trat in den Raum. Es war Zelda. Allein ihr Anblick half Link sich wieder besser zu fühlen. Sie trug ein samtenes, weinrotes Gewand mit langen Ärmeln. Feine Stickereien waren darauf angebracht und einige Juwelen glänzten an Zeldas Hals. Auch eine Tiara trug sie, wenn gleich nicht ihre königliche. Außerdem hatte sie ihre Haare hochgesteckt und einige goldene Strähnen fielen an ihren Elfenohren hinab. Link hatte sie bisher noch nie so gesehen. Sie hatte noch nicht bemerkt, dass er wach war und schaute zuerst nach dem Feuer im Kamin. Als sie sich dann zu ihm wand, konnte sie deutlich sehen, dass seine Augen geöffnet waren. Sie setzte sich an die Bettkante und legte eine Hand auf seine Stirn. "Hey...", sagte sie. "Hey...", brachte Link hervor und verzog dann vor Schmerzen sein Gesicht. Erst jetzt sah er die Angst in ihren Augen, gemischt mit ehrlicher Besorgnis. "Alles soweit okay? Brauchst du irgendwas?" Anstatt zu antworten, hob er seinen linken Arm und berührte Zeldas zu ihm gewandte Wange. Irgendwie konnte er nicht glauben, dass sie wirklich war. Dann richtete er sich wieder auf und diesmal klappte es erstaunlicherweise. "Zelda?" Seine Stimme klang so schwach. "Ich hätte gern... ein Glas Wasser." Sie lächelte ihn an. Noch nie hatte Link jemanden um irgendetwas für sich selbst gebeten... Zelda stand auf, lief auf den Tisch zu und schenkte ein Glas mit einer blassgrünen Flüssigkeit ein. "Das ist frisches Wasser mit einigen geschmacksneutralen Heilkräutern. Trink' es." Sie flößte es ihm ein, nachdem sie feststellte, dass er Schwierigkeiten hatte, es selbst zu sich zu nehmen. "Bist du noch müde", fragte sie ihn dann. Er schüttelte nur den Kopf. Eigentlich freute er sich über ihre Anwesenheit. "Zelda? Wie lange kann ich bleiben?" "Das ist deine Entscheidung. Mein Vater weiß, dass du hier bist." Dann blickte er weg und wich ihr aus. Er beobachtete die Flammen und hatte das Gefühl, seine Schmerzen in der Brust würden sich dem Flackern des Feuers angleichen. "Link... sag', wieso hast du das getan?" Er blickte sie verständnislos an, so als wollte er sagen: ,Was meinst du denn?' Zelda legte sanft eine Hand auf seinen verletzten Oberkörper. "Ich meine das", sagte sie ruhig. "Ich habe einfach keine andere Möglichkeit mehr gesehen..." Sie beugte sich näher und zwang ihn fast dazu ihren Blick zu erwidern. "Wie weit wärst du gegangen?" Er wich, so gut er konnte ihren kristallblauen Augen aus und murmelte: "Ich weiß es nicht..." Zelda atmete tief aus und forderte ihn dann auf sich aufrecht zu setzen, da sie ihm den Verband wechseln wollte. Während der Prozedur meinte er: "Wie lange habe ich eigentlich geschlafen?" "Du warst zwei Tage nicht bei Bewusstsein. Ich... hatte Angst um dich. Tu' nie wieder so etwas Dummes." Sie war mit dem Verband fertig. "Ist es dumm, dich zu beschützen, Zelda", sagte er dann leise und atmete schwer. "Nein, es ist dumm, wegen mir dein Leben wegzuwerfen." Nun hörte er Verzweiflung aus ihrer Stimme. Sie stand auf und versuchte ihm ihre Tränen nicht zu zeigen, aber sie hatte Angst um ihn, schreckliche Angst... Sie wischte ihre Tränen weg und flüsterte dann: "Du solltest jetzt trotzdem noch ein wenig schlafen, Link. Bis morgen." Er nickte stumm, schloss seine Augen und tat so als würde er schlafen. Als Zelda aus dem Zimmer gegangen war, öffnete er sie wieder und eine Träne tropfte an seiner Wange hinab. Noch nie hatte sich jemand so um sein Wohlergehen gekümmert wie Zelda und das Gefühl, jemanden zu haben, dem sein Leben am Herzen lag, war so neu und doch wohltuend. Allein ihretwegen ging es ihm innerhalb von Sekunden besser. Wenn er Zelda verloren hätte, dann sähe er in seinem Schicksal nicht mehr das Gleiche... er wäre nicht mehr derselbe Link... Moment mal... Filmriss. Wo war eigentlich das Medaillon, fragte sich der Held und überblickte seine Lage. Zu seiner Verwunderung lag es neben ihm auf einem kleinen Holztisch. Er krallte es sich und legte es unter sein Kopfkissen, sodass niemand auf den Dreh kam, es einfach mitzunehmen. Dann machte er seine Augen wieder zu und sollte sich in den nächsten Tag um einiges besser fühlen. Kapitel 60: Die Teleporterfalle ------------------------------- Kapitel 43: Die Teleporterfalle Link und Zelda folgten einem südlichen Pass über den Canyon. Endlich hatten sie die nervenaufreibende Wüste hinter sich. Alles war besser als die Einöde, die Trockenheit, die Hitze, dachte Link und sah von weitem die saftigen, grünen Steppengräser. Er blieb stehen und warf einen Blick nach Norden. Sie hatten bisher lediglich zwei der Elixiere und eine Woche war schon vorbei. Sie müssten sich etwas einfallen lassen, um schneller vorwärts zu kommen. Sie brauchten eine Idee. Dann fiel Link der Beutel mit den Steinen wieder ein und er kramte ihn heraus. Als er die Schnalle öffnete, fing auch schon das Medaillon um Zeldas Hals an zu glühen, diesmal glühte es abwechselnd in blau und rot. Link schüttete die Stein aus dem Beutel und zeigte sie Zelda. Es handelte sich um einen blauen und zwei kleinere rote Steinchen. ,Wieder ein paar Stücke für unsere Sammlung.' ,Ja, genau, aber komisch, weshalb das Geschöpf uns diese hinterlassen hat', sagte er in seinen Gedanken und... Dann blickten sie sich mit großen Augen an. "Zelda, hast du gerade deinen Mund bewegt?" ,Nein, meinst du etwa so? Das...' Dann grinsten sie sich an. ,Das bedeutet, die blauen sind Telepathiesteine...' Link lachte frei heraus. ,Wenn das so ist, muss ich auf der Hut sein, was ich denke, sonst bin ich arm dran.' ,Sind deine Gedanken denn so unanständig, mein Lieber?' Diesmal lachte Zelda herzlich. Link stand vor Schreck der Mund offen. Seit wann war sie so dreist? ,So können wir nichts mehr voreinander verbergen, besser du räumst den blauen Stein wieder auf', dachte sie. "Jep, bin schon dabei", sagte er diesmal wirklich und ließ die Steine allesamt in der Tasche verschwinden. Die Sonne stand im Westen mit einem rötlichen Schein. Schon wieder war es Abend und ein Tag vorbei, hier im alten sagenhaften Hyrule. Link und Zelda seilten sich gerade an einer rissigen Felswand ab. Nach einer langen Kletteraktion hatten bei beiden auch dieses Hindernis geschafft und standen mit erleichterten Gesichtern wieder auf festem Boden. Wenige Meter noch und sie würden abermals über die Steppe wandern. Sie mussten nur noch einen schmalen Weg zwischen zwei Bergen passieren, dann hätten sie Grund genug für eine Verschnaufpause. Die steilen Felsen rechts und links machten den Eindruck, sie würden niemanden willkommen heißen und sich zusammenschieben, sobald einer versuchte, sie zu passieren. Nichtsdestotrotz folgten Link und Zelda ihrem Weg mit schnellen Schritten. Einladend sah der Ort nicht aus, also rannten sie fast, blickten ab und zu nach hinten, bildeten sich seltsame Geräusche ein und suchten die Nähe des anderen. Zelda krallte sich immer fester in Links Hand und tat so, als wäre nichts, wenn er in ihre Augen blickte. Sie erreichten schnell das Ende des unterirdischen Durchganges, der sie als eine letzte Hürde zur Steppe hinderte. "Also dann", murmelte Link und lief vorneweg. Er schlich fast in der Unterführung umher und erkannte schon das Licht am Ende des Tunnels. Erfreut darüber rannte Zelda nun leichtsinnig vorneweg, dicht gefolgt von Link, der allmählich ein komisches Gefühl hatte. Alles war so ruhig... eine lange Zeit schon... viel zu ruhig. Und wenn Preston Ganon schon mitgeteilt hatte, dass sie hier waren und er seine Harschären auf sie hetzen sollte, müssten sie sehr aufmerksam sein. Allerdings dachte Zelda wohl im Augenblick nicht darüber nach. Link blickte ihr hinterher, als sie plötzlich wie erstarrt stehen blieb und sich nicht mehr bewegte. "Zelda? Ist irgendwas mit dir?" Sie flüsterte seinen Namen und löste sich plötzlich vor seinen Augen in Luft auf. Link rannte so schnell wie der Blitz zu dem Fleck, an welchem Zelda noch vor zwei Sekunden stand. Auch er stand dort wie erstarrt, als ob man ihn eingefroren hätte und verschwand im Nichts. Als er wieder zu sich kam, fühlte er sich irgendwie eingequetscht zwischen festem und weichem Matsch. Er öffnete seine Augen und erkannte, dass es dunkel, ganz dunkel war und sehr ruhig. Nur das Rauschen des Windes gelangte an seine spitzen Ohren. Link lag ausgebreitet in einer Art Moor, wie er gleich selber feststellen sollte. Er versuchte aufzustehen, fand aber keinen Halt und seine Hände sanken tief in das Moor. Er begriff schnell seine Lage und hütete sich davor, aufstehen zu wollen, sonst würde er tief im Erdboden versinken und aus wäre es mit der Rettung der Welt, aus wäre es mit der Rettung Hyrules und dem letzten Funken Hoffnung. Er kroch auf dem Matsch herum, blickte sich verzweifelt um, aber so weit das Auge reichte, konnte er nur diese widerliche, dunkle Sumpflandschaft erkennen. Kahle tote Bäume, tiefe Nacht und kein Lichtpunkt. Und es stank, stank fürchterlich nach Tod oder Verwesung. Wunderbar, wenn ich nur meine Nase zu halten könnte, dachte er. Er kroch weiter und sah nur Schwärze und Dreck. Sollte ich hier noch mal herauskommen, gönne ich mir ein Bad... Dann fiel ihm ein, dass er mit Zelda in jenem Tunnel gewesen war und er dann das Gefühl hatte teleportiert zu werden und nun das... verdammt. Dann begann er lautstark zu fluchen. "Du Tölpel, du hättest die Gefahr spüren müssen. Du Idiot", beschimpfte er sich selbst und weckte ohne es zu wissen, die Moorleichen aus ihrem langen, langen Schlaf. Sie hörten ihn und setzten heimlich bereits ihre Fähigkeiten gegen ihn ein... Weiter kroch er vorwärts und sah nur grauen, wolkenverhangenen Himmel. Dann tröpfelte es auch noch und Link, der ohnehin aussah wie ein Schlammmonster, wurde zusätzlich mit Regen gesegnet. Er wusste gar nicht, dass Hyrule eine solche Sumpflandschaft hatte. War er denn überhaupt noch in Hyrule? Er kroch weiter und spürte seine Hände in dem kalten Matsch schon nicht mehr. Es war Nacht und zudem eisig kalt. Dann erreichte er ein kleines Stückchen festen Erdboden mit trockenem Gras. Gott, nun wusste er, wie wunderbar und selten Gras sein konnte und lernte seinen Wert wieder zu schätzen. Er hockte sich auf dem Fleck Gras zusammen, zitterte und brütete nach, was er sinnvolles tun könnte. Er sehnte sich nach der Anwesenheit von Zelda und machte sich Sorgen. Was, wenn sie irgendwo in den Weiten Hyrules gelandet war und er würde sie nicht mehr finden. Verdammt, wie kostbar doch die Zeit gewesen ist, die sie zusammen verbracht haben... Er blickte sich weiter um und lauschte angespannt in die Stille der Nacht. Die modrige, eklige Sumpflandschaft hatte etwas abartiges, wirklich war, denn kleine Luftblasen, die wohl für den Gestank verantwortlich waren, platzten aus den unzähligen Pfützen hervor. Link hätte niemals gedacht, dass es solche abscheulichen Orte in Hyrule gab... wenn er noch in Hyrule war, natürlich. Seine Augen tränten und ihm war, als würde irgendetwas ihn in seine Gewalt zerren. Alles verschwamm vor seinen Augen. Was geschah mit ihm? Schließlich packte er seinen Kompass heraus und schaute nicht schlecht, als dieser total verrückt spielte. Auch das noch, auf diese Hilfe konnte er nicht mehr zählen. Bin ich in Hyrules Bermudadreieck gelandet? Dann schlug er wie bescheuert, und aus Wut über sich selbst auf den Boden ein. "Ich Blödmann, hätte ich nicht besser aufpassen können." Er wäre vor Wut beinahe von dem festen Fleckchen Erde abgerutscht und bekam eine der platzenden Luftblassen direkt in sein Gesicht. Jetzt war ihm einfach nur zum Fluchen zumute und er beschimpfte sich selbst weiterhin, verwünschte sich und die Situation und hörte das Geräusch seines knurrenden Magens. Schon wieder kam diese Müdigkeit über ihn; und alles verschwamm... Neben seinem knurrenden Magens drangen aber schließlich etwas wildere Geräusche an seine spitzen Ohren und er wurde das Gefühl nicht mehr los, hier keinesfalls alleine zu sein. Er nahm seinen Bogen und zielte in die Schwärze der Nacht. Sobald er eine Bewegung sehen würde, ließ er den Pfeil sausen. Das Geräusch verschwand wieder, nicht unbedingt zu Links Unbehagen, und er entschloss sich weiterzukriechen. Dennoch... bewegte er sich wirklich vorwärts, oder träumte er? Eine Stunde musste inzwischen vergangen sein und Link war inzwischen halb durchgefroren. Er konnte jetzt sogar wieder auf den Beinen gehen, da der Boden genug Halt gewährte und nicht mehr so locker und weich war, wie zuvor. Alles war so neblig, wie in einem weißen Raum irgendwo dort bei den Himmelstoren. Er hatte den Sumpf bald hinter sich, dachte er und folgte seiner Intuition, um den richtigen Weg zu finden. Nach einer Weile sah er ein Leuchten in der Nähe einiger alter Bäume, das von einem Lagerfeuer herrührte. So schnell er konnte, rannte er durch die Nacht in Richtung des Lichtes und hoffte, dass Zelda sich dort aufhielt. Als er näher kam, hörte er das Rauschen von Wasser. Aha, ein kleiner Fluss musste sich irgendwo befinden; Und demzufolge eine Gelegenheit sich von dem getrockneten Schlamm um seinen Körper zu befreien. Er rannte dann, versteckte sich noch kurz hinter Bäumen und schaute mit seinem scharfen Blick in Richtung des Lagerfeuers. Jemand saß, ihm den Rücken zugewandt mit einer Decke vor dem Feuer und schien sich aufzuwärmen. Seine Vermutung bestätigte sich, als sie eine Tasse abstellte, sich selbst umarmte und nichts anderes als seinen Namen murmelte. Zuerst wollte er zu ihr rennen, und sie herzlich begrüßen, aber dann... Er schlich näher, wunderte sich, dass sie seine Anwesenheit noch nicht bemerkt hatte und dass es plötzlich nur noch Zelda in seinen Gedanken gab. Dann hörte er sie verzweifelt schluchzen. Nein, er konnte sich jetzt auf keinem Fall einen Spaß erlauben. Sie war nicht in der Verfassung, einen Scherz oder eine Gemeinheit zu ertragen. Stattdessen lief er ganz langsam zu ihr und legte seine Hände auf ihre Schultern. "Hat mich da jemand vermisst", sagte er, als sie sich umdrehte und ihn schockiert ansah. "Link!" Sie lächelte kurz auf und verbarg dann wieder ihre Gefühle. Ihm fiel auf, dass auch sie total dreckig aussah und demzufolge im Schlamm gelandet sein musste. "Du...", brachte sie hervor und sah dann weg. Wieder wollte sie ihm nicht zeigen, wie ihr innerlich zumute war. "Ich dachte... ich würde dich nie wieder sehen, Link", ergänzte sie und schaute wieder ins Feuer. Und nichts schien mehr echt zu sein. Link blickte umher, aber er sah nur noch Nichts. Lediglich Zelda befand sich hier und das kleine Feuer. Irgendwie muss ich einen Schlag auf den Kopf bekommen haben, dachte er sich. Link hatte sich die Sache ein wenig anders vorgestellt und blieb immer noch hinter ihr hocken. Er umarmte sie, legte seine Hände auf ihren Bauch und flüsterte in ihr Ohr: "Ist dir kalt?" Sie antwortete nicht, zu geschockt über seine Nähe. Er zog sie fester an sich, landete mit ihr rücklings auf dem Waldboden mit seinen trockenen Tannennadeln, den er endlich wieder wahrnahm und kuschelte sich mit ihr unter die Decke. Tatsächlich fühlte sie sich kälter an als er, obwohl sie schon länger vor dem Feuer saß. Link war ihr nahe, vielleicht mehr als er es ertragen konnte, um noch die Kontrolle über seinen Körper zu behalten und schaute direkt in ihre Augen. Er sah nichts anderes, als stumme Tränen. "Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn du mich nicht gefunden hättest..." "Du hättest weiter gekämpft, Zelda, und niemals aufgegeben..." Damit streichelte er über ihre Wangen und wischte die Tränen weg. "Möchtest du, dass ich bei dir bleibe?" Sie nickte bloß, wenn auch nicht sicher, was genau er meinte. "Lass' mich nie wieder allein, Link." Er schaute sie an, drang tief in ihre Gedanken vor und konnte nicht beschreiben, was genau er in ihren Augen zusehen glaubte. Da lag etwas, ein Bruchteil eines Gefühls, das sie nicht zulassen wollte und nur ein Funken davon wagte sich an die Oberfläche. "Ich habe gehört, dass Körperwärme helfen soll...", sagte er leise, da sie anfing zu zittern. Sie kuschelte sich näher an ihn und forderte seine Arme, die forschend und träge über ihren Körper wanderten. "Weißt du eigentlich, wie viel du mir bedeutest, Zelda?" Sie konnte nichts darauf sagen, denn erneut drang ein eigentümliches Geräusch umher, dasselbe wie vorhin in den Sümpfen. Sie richteten sich beide auf und ließen einander los. "Was ist das, Zelda?" Sie stützte eine Hand an ihren Kopf, was Link sagte, dass sie sehr müde war und erklärte ihm einige Dinge: "Das sind die Moorleichen. Durch laute Geräusche werden sie aufgeweckt, wenn sich jemand in ihre Nähe begibt, aber hier sind wir sicher, da das Moor hier zuende ist. (Ha... das denkst du, Zelda!)" "Also sind wir Gott sei dank noch in Hyrule..." Sie versuchte es mit einem beruhigenden Ausdruck auf dem Gesicht. "Ja, ohne Zweifel. Ich nehme an, Ganondorf hat uns eine Teleporterfalle gestellt und hofft, das wir in den Sümpfen umkommen oder von den Moorgeschöpfen zerhackt werden. Aber die Moorleichen besitzen noch eine andere Fähigkeit, Link." Er stand auf, fühlte sich komisch, wie eine Marionette und nahm sich eine Tasse des Tees, den Zelda vorbereitet hatte. Dann setzte er sich im Schneidersitz vor sie und blickte sie lächelnd an: "So schmutzig habe ich die Prinzessin von Hyrule noch nie gesehen, oder?" Wieder lächelte sie, ging aber nicht auf seinen Versuch ein, sich von ihm ärgern zu lassen. "So, wo genau sind wir denn?" Er kramte die Karte heraus und entdeckte einige Sümpfe nördlich des Hylia- Sees. Zelda deutete mit ihrem Zeigefinger darauf und Links Vermutung bestätigte sich. "Ich wusste gar nicht, dass Hyrule Sümpfe besitzt..." "Hyrule besitzt viele Dinge, die du noch nicht gesehen hast und auch damals nicht bereisen konntest." Er sah sie an, alles um ihn herum versank und nur Zelda blieb vor seinen Augen. Er hielt es nicht mehr aus, er wollte ihre Nähe, er wollte sie ganz und gar. Alles von ihr. Link packte plötzlich die pure Lust, einfach nur bei ihr zu sein, woher dieser Anflug kam, wollte er nicht wissen, sondern nur genießen. Er beugte sich nach vorne und gab ihr spontan einen Kuss auf die Wange. "Was... was sollte das denn?" In ihren Augen stand zwar Überraschung, aber keine Wut über seine Reaktion. "Ich wollte nur mal sehen, ob du auch wirklich real bist. Und ich muss sagen, ich weiß es noch nicht ganz genau..." Wieder beugte er sich nach vorne, aber Zelda hielt eine Hand vor seinen Mund. "Könntest du mir freundlicherweise sagen, wieso du annimmst, ich sei nicht real?" Er setzte sich neben sie und blickte in den schwarzen Nachthimmel. "Seit ich dich gefunden habe, Zelda, in jener Nacht bei dem Bach in der Nähe meines Hauses, da... hatte ich manchmal das Gefühl... du würdest dich einfach in Luft auflösen. Und das war, bevor ich wusste, wer du bist und wer ich bin..." Sie sah ihn mitfühlend an. "Ich hatte so oft eine... Heidenangst um dich..." Sein nachdenklicher Blick wirkte wohl anziehend auf sie, denn dann beugte sie sich nach vorne und küsste ihn kurz, jedoch direkt auf seinen Mund. "Was sagt dir das? Bin ich jetzt real genug?" Irgendetwas stimmte jedoch nicht. Was passierte hier? Seit wann ging Zelda so freizügig mit ihren Gefühlen um? "Noch nicht ganz...", murmelte er und blickte ihr tief in die Augen. Er nahm ihre Hände in seine und führte diese zu seiner linken Brusthälfte, sodass sie seinen Herzschlag fühlen konnte. Seine Hände streichelten dann über ihre hinweg und schließlich legte er seine Hände auf ihre Wangen. Er streichelte über ihre Haut, worauf sie nicht anders konnte, als ihre Augen zuschließen. Es tat so gut bei ihm zu sein, es war unbeschreiblich, dieses Gefühl, das er in ihr erweckte. Ihr Herz schlug schneller; ihre Atemzüge wurden tiefer; und ein angenehmer kühler Schauer lief ihr über den Rücken. Noch immer lagen ihre Hände auf seiner Brust und sie ließ sie dort liegen, bis sie mehr von seiner Nähe wollte. Dann presste er sie ruckartig an sich und seufzte angesichts den Gefühlen, die sie in ihm zu erwecken wusste und dann wieder verschließen würde, wenn ihre Aura nicht um ihn war. Sein Atem berührte ihr Ohr und es schickte sie weiterhin in dieses vernunftlose, drängende Gefühl, sich ihm hinzugeben. Sie wollte bei ihm sein, sie sehnte sich danach es zu zulassen und auf sein Verlangen zu antworten. Aber was dann? Würde es diese Zukunft für sie beide geben? Und ohne weitere Gedanken der Vernunft geschah es. Link nahm sich das, was er schon lange begehrte. Er berührte Zeldas sanfte Haut mit seinen Lippen, erst sanft, dann mutiger. Sie fühlte seine Lippen an ihrem Hals. Ein Schauder rannte ihre Blutadern entlang, eine Empfindung wie der Strom einer gewaltigen Energie und sie wusste, jetzt gab es kein Zurück mehr. Doch war dies wirklich dabei zu geschehen? Es konnte nicht real sein... seine Lippen auf ihrer Haut... sein Körper an ihrem... Sie murmelte: "Link...", hielt aber inne, als sich seine Lippen zu ihrem Nacken bewegten. Sie legte eine Hand an sein Genick und streichelte den Ansatz seines Haares. Sie ließ sich endgültig in ihm fallen; dann startete sie dennoch einen neuen Versuch: "Link... die Moorgeschöpfe..." Sie öffnete schnell ihre Augen und ein Seufzen entkam auch aus ihrem Mund, da er sie jetzt vollkommen in seiner Gewalt hatte. Ihr Herz schlug so schnell, dass sie den Eindruck hatte, es würde zerspringen, verursacht durch ein paar Lippen, die sie zärtlich auf ihrem Nacken liebkosten. Das konnte nicht sein... was geschah nur mit ihnen... wieso ließen sie beide das zu? Links Verstand musste ganz und gar unter der Kontrolle einer fremden Macht liegen, da er nicht einen klaren Gedanken mehr zuließ; er wollte sie, begehrte sie... Und nur undeutlich hörte er die Stimmen der Moorgeschöpfe, die in sein Herz gesehen hatten und ein tiefes Bedürfnis darin zum Überschäumen bringen konnten. Ihr Name entkam seinen Lippen, so zärtlich, hingebungsvoll wie noch nie zuvor. Dann endlich wanderte sein Mund zu ihrem und ihre Lippen berührten sich das erstemal. Er drückte sie mehr an sich, machte sie schwach und ließ sie nie wieder entkommen. Du bist mein... sagte eine fremde Stimme in seinem Herzen. Er fühlte die weichen Lippen, nach denen er sich so sehr gesehnt hatte an seinen. Sie harrten aus zu einem ersten langen tiefen Kuss, gaben alles dem anderen, was sie geben konnten, wollten sich gegenseitig schenken, was sie noch nie jemandem gegeben hatten. Fortwährend küssten sie sich, ließen sich nur knapp Luft zum Atmen und verschlangen einander fast. Doch etwas, irgendetwas lauschte, knisterte neben ihren Herzen vor Spannung, einige Augen in der Dunkelheit, die mehr schattenhaft umhertanzten und ihr Lied der Unvernunft, der verschwiegenen Bedürfnisse, sangen. Alles um Link und Zelda löste sich in Luft auf, aber sie verstanden nicht, was geschah... sie hatten einander und dieser Augenblick konnte ihnen von niemandem mehr gestohlen werden. Es sei denn, der Augenblick war nur ein Wunschtraum, eine Phantasie des Herzens, nicht wirklich und nichts davon geschah so, dass es Erinnerung bleiben würde. Links Hände wanderten ruhelos über ihren Rücken, zu ihrer Hüfte, zu dem Ende ihrer Bluse. Und ohne von einander abzulassen, ohne den nächsten Zungenkuss zu unterbrechen, streifte Link mit seinen Fingerspitzen die Haut ihres Rückens unter ihrer Bluse. Eine nächster Welle der unhaltbaren Leidenschaft kam über sie und sie unterbrach den Kuss für einen Moment. Sie reckte ihren Kopf in die Höhe, ließ ihre Arme um seinen Hals liegen und seufzte vor Erregung. Er küsste sie aufgeregt an ihrem Hals, küsste sie hungriger, ruheloser. Sie öffnete ihre Augen und fühlte seine Erregung beinahe. Wenn nicht bald etwas geschah, würde sie niemand mehr aufhalten können, einen Fehler zu machen. Er berührte sie weiterhin und drückte sie wieder an sich. Seine Arme strichen sanft unter ihrer Bluse entlang, erforschten ihre nackte Haut. "Link", seufzte sie und wusste, er würde fortfahren mit seinen Liebkosungen. "Die Moorgeschöpfe können..." Sie verschluckte ihre Worte, als seine Hände unter ihrem Gewand entlang wanderten "Sie können uns eine andere Realität vorgaukeln...", murmelte sie und küsste ihn erneut. "Sie können uns... dazubringen, Dinge zu tun, die wir... sonst nicht tun würden..." Er öffnete seine Augen, sie ebenfalls, und blickten sich stillschweigend an. Was in ihren Blicken lag, war nicht real, aber es hinterließ nur das Gefühl von einander begehren, einander lieben. Das Murmeln der Moorgeschöpfe schallte umher, in einer Finsternis, die beide Hylianer erschaffen hatten, um ungestört zu sein. "Wenn das nicht real ist, dann...", sagte er, "... dann will ich nie mehr wieder real sein." Sie blickten sich an, und allmählich lösten sie sich aus den Klauen der Moorgeschöpfe. Die Realität holte sie ein und sie ließen langsam voneinander ab. Die Wirklichkeit kam zurück und der Wald nahm wieder eine normale Gestalt an. Das Feuer flackerte ruhelos vor sich hin und das Rauschen des Windes wurde wieder hörbar. Was war nur passiert? Sie wussten nichts mehr, hatten keine Ahnung, wie nah sie einander zuvor gekommen waren. Die Macht der Moorgeister hatte es aber allem Anschein nach nie gegeben. Und alles kam Link jetzt ganz normal vor. Sein Gesichtsfeld war nicht mehr verschwommen, das Murmeln der Moorgeschöpfe war verschwunden und nun? Sie sahen sich fragend an und zuckten ratlos mit den Schultern. Es war, als wären sie aus einem traumlosen Schlaf erwacht. Gerade an die Tatsache, dass Link Zelda gefunden hatte und sie die Karte Hyrules aufgeschlagen hatten, konnten sie sich erinnern... danach war nichts mehr, als wäre etwas passiert, worüber sie beide niemals reden wollten, würden sie wissen, was passiert war. Und wenn sie es irgendwie herausbekommen sollten, gäbe es gewaltige... Probleme. Als Link am nächsten Morgen aus seinem Schlafsack krabbelte, war Zelda nirgendwo zu finden. Er stand auf und streckte sich. Mann, der Schlaf letzte Nacht hatte wahrlich gut getan. Dann stellte er fest, dass er unbedingt ein Bad bräuchte, denn überall klebte Matsch, Dreck und Schmutz. So konnte er nicht weitergehen. Auch das Geräusch des Wassers drang wieder an seine Ohren. Neugierig folgte er dem Geräusch. Jetzt, da die Sonne schien, war es richtig angenehm hier in dem kleinen Wald und auch nicht mehr so eisig, dass man sich jedes Körperteil abfrieren konnte. Wenn sich irgendwo ein See befand, dann wäre gegen ein Bad nichts einzuwenden. Link folgte einem kleinen Waldweg und entdeckte einen Teich, der von einem Wasserfall gespeist wurde. Freudestrahlend lief er darauf zu und entledigte sich vollständig seiner Klamotten. Er nahm Anlauf und sprang hinein in das kühle Nass. Er schwamm einige Runden und fühlte sich wie neugeboren. Er tat jegliche Gedanken an den gestrigen, verwirrenden Abend ab und erfreute sich am Wasser. Dann fiel sein Blick zu dem Wasserfall; und er blickte genauer hin. Er schwamm näher und erkannte Zelda, die sich an dem Wasserfall ihre Haare wusch. Auch sie trug nichts und Link musste bei ihrem Anblick einmal kräftig schlucken. Er drehte sich geschockt um, seine Haare standen ihm zuberge, seine Augen fielen beinahe aus dessen Höhlen und irgendwie wurde ihm warm, zu warm. Er wollte einmal laut losschreien und erinnerte sich an ihren Anblick. Verdammt, er konnte tun, was er wollte, aber bekam dieses Bild nicht mehr aus seinem Kopf. Er gab sich selbst einen Stups an seinen Kopf. Doch das Bild wollte nicht verschwinden... Zelda... sie war... wirklich wunderschön und... perfekt und einfach nur... sexy... Jedes Detail ihres Körpers war überwältigend. Heiß, fiel ihm spontan ein. Er traute sich nicht mehr, auch nur eine weitere Bewegung zu machen. Er zwang sich unter Aufbietung seines ganzen Willens, das Bild zu vergessen und nicht erneut einen Blick zu riskieren... Aber gerade wenn man versucht, etwas zu vergessen, so kehrt das Bild immer wieder in das Gedächtnis zurück. Immer wieder, nervend, belastend. Zelda blickte nun auf und bemerkte Link, der fröhlich seine Runden drehte. Sie hielt vor Schreck eine Hand vor ihren Mund. Er hatte sie doch nicht etwa bemerkt? Oh... oh... Flugs war sie ebenso im Wasser und schwamm auch ihre Runden. Nach einer Weile kreuzten sich ihre Blicke und sie begrüßten sich beide von Weitem mit einem: "Guten Morgen." Sie schwammen ein wenig näher und lächelten sich an. "Hast du gut geschlafen, Link", meinte sie. "Ja, sehr gut sogar, obwohl die Moorleichen ein Auge auf uns hatten." "Ja, aber jetzt haben wir vor denen sicherlich nichts mehr zu befürchten, immerhin ist Tag." "Stimmt", entgegnete Link und schwamm wieder in dem Teich umher. Zelda hatte inzwischen runzlige Haut und schwamm auf den Rand des Teiches zu. Sie lief schnurstracks aus dem Wasser hinaus und beachtete Links genauen Blick nicht. Frech rief sie vom Ufer her, als sie ihre verstreuten Sachen zusammensuchte: "Wehe du schaust!" Link wollte schon provokant mit einem: ,Was dann?' antworten, unterließ dies jedoch, da er im Moment nur ein Stottern hervorgebracht hätte. Denn trotz allem hatte er seine Augen auf ihren nackten Körper gerichtet und tauchte flink ab, als sie zu ihm blicken wollte. Die hat Nerven, dachte er und blieb einige Minuten unter der Wasseroberfläche, schwamm nah am Grund des Teiches umher und fühlte sich entspannt und frei. "Kannst du dich an irgendetwas von gestern erinnern", meinte Zelda, als sie vor ihrem Frühstück saßen und sich sogar an ein paar einfachen Cornflakes erfreuten. "Nein... keinen Schimmer, was später geschehen ist. Aber es scheint nichts Schlimmes passiert zu sein, oder?" Sie schüttelte den Kopf. "Mmh, aber... die Sache ist die, dass diese Moorgeschöpfe tiefe innere Wünsche erwecken konnten. Wir haben Dinge getan, die wir nicht erinnern, die uns aber viel bedeuteten. Nur gut, dass wir erwacht sind, bevor diese Geschöpfe uns an den Leib rücken konnten. Und der Gedanke, was sie mit uns hätten tun können, ist nicht gerade erfreulich." Er öffnete seinen Zopfhalter, den er schon seit Ewigkeiten in den Haaren hatte und rang sich seine Haare aus. "Ach, Zelda, uns geht's doch bestens. Mach' dir keinen Kopf. Ist denn dein tiefstes Bedürfnis etwas so Schlimmes?" Schlimm? "Was ist denn einer deiner tiefsten Wünsche?" Sie blickte in den sonnigen Himmel und überlegte. Was war es eigentlich? "Ich habe keine Ahnung, Link. Vielleicht ist es der Wunsch... Ganon für alles büßen zu lassen." Dummerweise lag sie damit sehr falsch. "Und deiner?" Auch Links Augen wanderten zum Himmel und er überlegte sehr lange. Das Bestehen seines Abiturs möglicherweise. Quatsch, es gab doch Wichtigeres. Die Vernichtung Ganons sicherlich... oder... Seine Augen wanderten zu Zelda und er grübelte weiter nach. Was war es? Etwas, was ihm viel mehr bedeutete. Aber in seinem Kopf musste irgendwie eine Blockade stecken. "Ich weiß es nicht", meinte er, "und wahrscheinlich werden wir es niemals herausfinden." Was in diesem Fall nicht gerade schlecht war... "Wie haben wir es eigentlich geschafft uns aus ihren Klauen zu lösen?" "Impa erzählte mir, das, wenn die Wünsche im Herzen ehrlich gemeint sind, ihre Opfer sich selbst befreien können. Und wir konnten uns selbst erlösen. Welch' Glück." Er lachte: "Ja, welch' Glück, dass wie beide so ehrliche und gute Menschen sind." Auch sie lachte. Sie rutschte näher und hatte einen aufmunternden Gedanken. "Weißt du, ich habe dich noch nie so frisch mit offenen Haaren gesehen, mein Held." "Echt? Wirklich nicht." Dann begann sie plötzlich zu grinsen und lachte. "Das heißt... eigentlich schon, aber zu diesem Zeitpunkt war ich Shiek." Link begriff mal wieder nichts und schaute sie ungläubig an. Sie nahm eine Flasche mit Mineralwasser und trank. Dann lachte sie wieder und wischte sich das Wasser von den Mundwinkeln. Sie erzählte ihm dann etwas aus der Vergangenheit, das sie niemals vergessen würde. "Es war damals am Hylia- See." Zelda grinste erneut. "Nachdem du Morpha im Wassertempel besiegt hattest, trafst du auf Shiek, um ihm auszurichten, dass sich Ruto bei ihm bedanken wollte. Es war ein schöner, warmer Tag gewesen und nachdem der See von seinem Fluch gereinigt worden war, hatte der Held der Zeit, also du, mein lieber Link, als erstes nichts besseres zu tun, als im See schwimmen zu gehen... übrigens splitternackt." Link glotzte nicht schlecht und sah sie beschämt an. Er saß da, wie angewurzelt und hoffte, sie würde ihm nicht noch peinlichere Dinge erzählen. "Selbstverständlich wolltest du Shiek überreden, sich ebenfalls an der Frische des Sees zu erfreuen... nur drehte sich dieser verlegen um und wäre bei deinem Anblick am liebsten geflüchtet. Verdammt, war das peinlich." Link wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass das Zelda war. Er hielt Shiek für ein männliches Geschöpf, dem sein Anblick nichts ausmachen würde, aber die Dinge lagen leider anders... Zelda begann wieder zu lachen, als ihre Erinnerungen lebendiger wurden. "Schrecklich peinlich..." Links Kopf glühte inzwischen und seine Wangen verfärbten sich leicht rot. Sogleich versuchte er sich zu rechtfertigen: "Ja, allerdings. Woher hätte ich denn wissen sollen, dass du in Wirklichkeit ein Mädchen warst." "Du hättest es fühlen können, aber-" Link drehte sich weg. "Ich war bestimmt zu blind dafür." Er hatte immer ein so seltsames Gefühl, wenn er Shiek getroffen hat. Zumindest war das im Spiel so. Dennoch wäre ihm nie in den Sinn gekommen, dass er in Wirklichkeit Zelda war. "Hättest du es gewusst, ich glaube, du hättest mich nicht mehr aus den Augen gelassen..." Zelda nahm das Ende eines Handtuchs und fuhr damit über Links Stirn. "Und das war genau der Grund, weshalb du es nicht wissen durftest..." "Ich weiß... Ich hätte meine eigentliche Mission, die Weisen zu erwecken, in Gefahr gebracht." Dann wischte sie mit dem Tuch durch seine nassen, blonden Haarsträhnen, was für ihn sehr angenehm war. Dann lachte sie wieder. Link wusste zwar nicht, was schon wieder so lustig war, aber ihr Lachen tat gut. "Glaubst du, du kannst mir jemals vergeben?" Jetzt war's um ihn geschehen. Wovon redete sie schon wieder? Sie fuhr leise fort: "Sowohl damals, als auch heute, bin ich dir in gewisser Weise aus dem Weg gegangen, ob nun als Shiek oder in meiner wirklichen Form... und ich... ich wünschte, ich hätte dir niemals auf dieser Art und Weise weh tun müssen. Vergibst du mir?" Link lächelte leicht und eine Spur Mut und Vertrauen lag in seinem Blick: "Zelda. Ich denke, ich kann es. Aber sag' mal, wieso hast du mich denn damals im Krankenhaus nicht besucht?" "Ich habe dich besucht... immer dann, wenn du geschlafen hast. Ich bin nachts immer in das Krankenhaus geschlichen..." Link konnte es nicht fassen. "Jede Nacht...", setzte sie hinzu. Wie dumm war er gewesen, um anzunehmen, dass Zelda sein Zustand egal war. Wie dumm... das änderte so einiges in seinem Innenleben... "Darf' ich dir auch eine Frage stellen, Link", sagte sie, aber mit klarerer Stimme als zuvor. "Nur zu." "Aus welchem Grund hast du dir damals in jener Nacht, als mein falsches Abbild mich bedrohte, den Dolch an dein Herz gesetzt?" Seine Gehirnwindungen arbeiteten, so schnell sie konnten, aber ihm fiel als Antwort nichts ein, dass er über die Lippen gebracht hätte. "Ich... habe einfach keine andere Möglichkeit mehr gesehen..." Warum er das getan hatte, wusste selbst er nicht. In dem Augenblick war ihm alles andere egal gewesen, selbst sein Leben, Hauptsache Zelda würde nichts zustoßen. Einmal mehr wurde ihm bewusst, wie viel sie ihm doch bedeutete... "Wie weit wärst du gegangen?" Er überlegte sorgfältig, was er als nächstes sagte. "Ich weiß es nicht...", meinte er und fand, dass die Antwort nicht zuviel, aber auch nicht zu wenig verriet. Nach dem Frühstück zogen sie weiter und hielten sich südlich. Auch der Kompass funktionierte wieder und ihr nächstes Ziel war kein anderes als der Hylia- See. Kapitel 61: Unterstützende Gesellschaft --------------------------------------- Kapitel 44: Unterstützende Gesellschaft Zelda und Link folgten gerade einem abgelegenen Pfad in Richtung des Hylia- Sees. Seit sie wussten, dass Ganondorf über ihre Anwesenheit in Hyrule ahnte und Fallen an den unmöglichsten Orten aufstellte, waren sie wachsamer als vorher und folgten unauffälligen, kleinen Wegen. Wieder waren einige Stunden vergangen. Sie machten Rast in der Nähe einiger hoher Felsen, auf einer kleinen Erhebung, von wo aus man einen großen Teil der Steppe bewundern konnte. Link setzte sich auf einen Felsen und nahm seine Okarina zur Hand. Auch die hatte er eingepackt, aber die letzten Tage nicht wirklich den Drang gehabt zuspielen. Eigentlich schade, dass er seinen Aufenthalt in Hyrule nur spärlich genießen konnte. Er spielte irgendeine Melodie und schloss seine Augen. Er pendelte mit seinen Beinen und wirkte aus Sicht eines Beobachters wie ein junger Hylianer, der irgendwo in seinen Träumen schwebte, wie ein fröhlicher Elfe, der mit keinerlei Verantwortung zu kämpfen hatte. Sein kindlich- naiver Ausdruck zeigte weder Angst noch Zweifel vor dem näherkommenden Kampf gegen Ganon. Nein, im Augenblick schien er wie gefangenen in seiner heiteren Melodie. Er beendete sein Spiel und schaute sich nach Zelda um. Sie saß auf einem Baumstumpf, mit einer fünf- Minuten- Terrine in ihren Händen und blickte nachdenklich in ein Tal mit grünen Wiesen. Sie seufzte und schloss ihre Augen. Ihr Gesichtsaudruck wandelte sich von nachdenklich zu traurig. Link ahnte, dass sie Zweifel hatte... über die Zukunft... über ihr Schicksal. Link stellte sich neben sie, nahm sein grünes Cape ab und setzte es Zelda auf. Sie öffnete verdutzt ihr Augen und schaute ihn verblüfft an. "Link." Sein Name aus ihrem Mund klang fast fragend. Auch, wenn es nichts zu sagen gab. Er setzte sich neben sie und legte einen Arm um ihre Schultern. "Zelda... wir schaffen das", sagte er, fast aufmunternd. Dann schaute er sie an, besonders das Cape auf ihrem Kopf. "Weißt du, das steht dir." Er lächelte und genau dieses kannte Zelda aus der Vergangenheit nur zu gut. Sie lehnte sich eine Weile an ihn und beide beobachteten das Tal vor ihnen. Alles war so friedlich in Hyrule... unwirklich friedlich. Danke Link, sagte Zelda in ihren Gedanken und sie wusste, dass er sie verstanden hatte. Sie reichte ihm mit einem Lächeln das Cape und gab ihm wieder einmal spontan einen Kuss auf die Wange. Vielleicht ließen sich die beiden ein wenig zu viel Zeit bei ihrer Mahlzeit, denn allmählich war die Situation nicht mehr als so friedlich anzusehen, wie es den Anschein hatte. Link stand auf, hatte ein leichtes Stechen auf seinem linken Handrücken und blickte in Richtung Süden. Er sah einige große Krähen, Raben oder andere schwarze Vögel auf ihn zufliegen. Wahnsinn... einen Schwarm solcher riesiger Vögel hatte er noch nie gesehen. Beängstigend aber war, dass sie sich genau in seine Richtung bewegten. Alsdann erkannte er die Situation als gefährlich. Er rannte zu Zelda und half ihr, schnell die Sachen zu packen. Ohne weiteres Zögern eilten sie über die Steppe, dicht gefolgt von den schwarzen Vogelkreaturen. Sie rannten und hetzten immer schneller über das saftige grüne Steppengras. Das Vogelgesindel kam näher und näher, egal wie schnell Link und Zelda rannten und egal, wie lange sie durchhalten würden. Link packte Zeldas rechte Hand und zerrte sie halb hinter sich her. Ewig konnten sie nicht weglaufen, auch wenn es sich hierbei um die beste Option handelte. Weitere Minuten vergingen und die Riesenvögel hatten die zwei Hylianer eingeholt. Link bog schnell nach rechts und erblickte einige Bäume, auf die er zueilte. "Was genau sind diese Monster", rief Link unter heftigen Atemzügen. "Einige Spione Ganons", erwiderte Zelda schnell, ebenso keuchte sie nach Luft. Sie ereichten die Bäume und entdeckten dahinter einen steilen Abhang, zumindest Link erkannte den Abhang und blieb unverhofft stehen. Zelda hinter ihm, reagierte nicht schnell genug, stieß mit Link zusammen und sie rollten letztendlich mit lauten Aufschreien den Abhang hinab. Halb tot und mit blauen Flecken gesegnet blieben Link und Zelda am Ende des Abhanges liegen und schauten langsam nach oben. Die Vögel kreisten um ihre vermeintliche Beute herum wie Geier vor ihrem Aas. Link nahm schnell seinen Bogen zur Hand, feuerte einige Pfeile ab und tötete einige. Aber es waren zu viele... Einige der Biester setzten zum Sturzflug an... Zelda schloss ihre Augen und senkte ihren Kopf. Sie begann zu beten, als Link sie plötzlich auf ihre Beine hievte. Nanu? Zelda schaute nach oben, aber die Vögel hatten aus irgendeinem Grund kein Interesse mehr an den beiden Hylianer. Sie zerstreuten sich und flogen mit ätzenden Krächzen davon. Dann wollte Zelda eigentlich in Links Augen sehen und ihn fragen, ob er eine Ahnung hatte, was passiert war, doch Link war nirgends auszumachen. "Link", rief Zelda lautstark und wurde panisch. "Liiiinnk!" Erneut ein Schrei, der über die Landschaft hallte. Dann bekam Zelda einen kleinen Klaps von der Seite. "Zelda, ich bin hier." Sie fuchtelte aufgeregt mit ihren Händen in der Luft herum, drehte sich um 180°, aber sie sah ihn einfach nicht. Dann spürte sie etwas, und ihre Hände wanderten an einem Körper direkt neben ihr entlang. Sie blickte nun auf ihre Hände und musste mit Entsetzen feststellen, dass sie unsichtbar waren. Genauso unsichtbar wie Link und der Rest ihres Körpers. "Heiliges Goldenes Land, wir sind ja unsichtbar...", murmelte Zelda und tastete Link neben ihr erneut ab. "Ähm, Zelda... könntest du das bitte lassen, das ist nämlich nervig." Sie verstand, aber suchte trotz allem seine Hand, die sie dann umkrallte. Sie liefen einige Meter und gewöhnten sich nur teilweise an diese neue Situation. Wieso zum Teufel waren sie jetzt unsichtbar? Wer war dafür verantwortlich? Sicherlich konnten sie im Moment einen Nutzen daraus ziehen, da diese Vogelbiester sie nicht mehr im Visier hatten, aber im Großen und Ganzen gesehen, war die Sache nicht so toll. Link wollte endlich wieder in Zeldas Gesicht blicken können und sich nicht ständig fragen müssen, ob sie wirklich neben ihm lief... Link war zu sehr in seinen Gedanken versunken, dass er von einer Sache nicht sofort Notiz nahm. Etwas Neues, Überraschendes erschien ihnen auf einem Hügel direkt vor ihrer Nase. Link riss seine Augen auf und wollte nicht wahrhaben, was er da sah. Das konnte nicht sein. Ein genauerer Blick und auch Zelda bestätigte dieses Bild vor ihnen. Auf jenem grünen Hügel kam ein Reiter mit einem blutroten Umhang direkt auf die beiden zu. Schnell näherte sich die Gestalt auf einem schwarzen Hengst, dessen Fell in der Sonne glänzte. Die Gestalt kam zum Stehen und stieg von ihrem getreuen Ross ab. Langsam ging sie auf Link und Zelda zu, konnte die beiden allem Anschein nach aber sehr gut identifizieren, auch wenn sie unsichtbar waren. Sie streckte einen Arm nach vorne und Link wurde stückweise von unten nach oben sichtbar, genauso wie Zelda. Überrascht, aber erfreut drehten sie sich zueinander, seufzten und lächelten sich dann an. Die Person, die immer noch von ihrem Umhang umhüllt war und nicht einmal einen Blick in ihr Gesicht zuließ, führte das Pferd auf die beiden zu. "Ich habe gesehen... was geschah...", sagte die Gestalt mit flackernder Stimme, als ob ein Feuer in ihrem Inneren glühte, das ihre Stimme erschuf: "Ihr rettetet meine Schwester... nun rette ich euch." "Ihr habt uns unsichtbar gemacht? Wer seid Ihr und was hat das alles zu bedeuten", sagte Zelda voller Entrüstung. Sie trat einen Schritt näher und fühlte diese gewaltige Energie aus dem Körper der Gestalt herausquellen, eine Energie, so machtvoll und ehrfürchtig. Sie kannte diesen Strom der Energie und hatte diesen bereits in der Zitadelle wahrgenommen. Aber ja... auch der Umhang kam ihr wieder vertraut vor... dieses beängstigende dunkelrot. Aber die schiefen Proportionen und die Entstellung des Geschöpfes schienen verschwunden zu sein. "Ich konnte mich erholen... Prinzessin von Hyrule... nehmt dieses Pferd... und es trägt keinen Namen. Es wird euch auf dem Wege noch helfen können... noch etwas: Haltet euch vor unseren Schatten in Acht... lebt' wohl." Ein letzter Satz der Kreatur und erneut glühte sie wie in der Zitadelle der Zeit in einem grellen, weißen Licht, das sie vollkommen einnahm und allmählich absorbierte. Nur ein kurzer Blick in das Gesicht dieses Wesens genügte, um sich zu vergewissern, wer vor ihnen stand. Ein goldenes Dreieck schien aus dem Gesicht hervor und legte seine Bedeutung mit einem Glühen dar. Dann verschwand sie. Zurück blieb ein Pferd, das auf Link zuging und allem Anschein nach Zuneigung suchte. Er striegelte sofort dessen Mähne und schaute Zelda ratlos an. "Möchtest du vorne oder hinten sitzen", fragte Link mit einem charmanten Unterton und zwinkerte Zelda zu. "Die Entscheidung überlasse ich gerne dir" setzte sie hinzu, ließ sich aber nicht ärgern. Link schwang sich auf das Pferd und Zelda setzte sich hinter ihn. Sie ritten geschwind über die Steppe mit heiteren Gesichtern und mehr Zuversicht, die Mission doch noch erfolgreich zu beenden. Nach einer Weile schloss Zelda dann ihre Augen und legte ihren Kopf an seine Schulter. Irgendwie war es für sie äußerst angenehm, spürte Links Wärme und das leichte, aber wohltuende Kribbeln in ihrer Magengegend. "Zelda? Schläfst du?" Seine Stimme beförderte sie sofort wieder in die Realität. "Nein... ich entspanne nur.", log sie ohne Scham. "Gut. Kannst du mir dann bitte sagen, was die Sache mit dieser merkwürdigen Gestalt zu bedeuten hatte." Zelda hob ihren Kopf und schaute über Links Schulter in Richtung Steppe. Weit am Horizont sah sie einige kleine grüne Hügel. Sie wusste, dass im Tal dahinter einst ein Hylianer- Dorf stand. Ob es wohl noch existierte? "Dieses machtvolle Wesen, welches uns begegnete, half uns nur aus einem Grund. Es lag wohl daran, dass wir seine Schwester in der Gerudofestung befreit haben. Außerdem haben wir sie schon einmal getroffen. Weißt du noch... in der Zitadelle?" Link drehte sich halb um und nickte: "Nur das sie damals total entstellt gewesen ist", meinte er schließlich. "Ja, aber sie konnte sich von Ganons Folter erholen, was mich irgendwie beruhigt", sagte Zelda und lehnte sich erneut mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck an ihren Helden. "Wieso?" "Weil ich das Gefühl habe, ich hätte eine Verbindung zu ihnen", murmelte sie in den Stoff seines grünen T-Shirts. Link sagte nichts dazu und schaute genauer in Richtung Süden. Was zum Kuckuck waren diese Kreaturen? So etwas wie Gottheiten? Und es gab dem Anschein nach zwei von ihnen. Trotz allem würde er ihre Namen wohl niemals erfahren. Das Pferd trabte langsam weiter, über grüne satte Steppengräser... Kapitel 62: Geheimnisse der Vergangenheit VI -------------------------------------------- Kapitel 45: Geheimnisse der Vergangenheit VI Im alten, gesegneten Hyrule ging abermals die Sonne auf. Auf dem Markplatz in der Hauptstadt herrschte reges Treiben und neue Händler versammelten sich um ihre Waren anzubieten. Impa lief gerade durch die Menschenmassen und obwohl es noch früh war, gab es viel Gelächter und heitere Gesichter. "Hey, Lady Impa. Seid ihr wieder auf der Suche nach einer kleinen ausgebüchsten Prinzessin?" Die stolze Shiekah drehte sich nach der Stimme um und erkannte den Handwerkermeister Mutoh mit seinen Gesellen, die gerade eine kleine Bühne inmitten des Marktplatzes aufbauten. Impa zog ihre Mundwinkel nach oben und sagte: "Nein, heute nicht, Mutoh. Aber wer weiß, lange dauert es sicher nicht und ich muss sie wieder einfangen. Wie laufen eigentlich die Vorbereitungen für das Fest des Friedens?" Oh, ja. Das Fest des Friedens... ein sehr wichtiger Tag, denn die Geschöpfe Hyrules feiern an diesem die Vernichtung Ganons. In gewisser Weise feierten sie gerade an diesem Tag nur eine Person... "Ach, Impa. Die Vorbereitungen laufen mies. Das ist es zumindest, was ich von dem Bürgermeister hörte. Er soll ganz aus dem Häuschen sein." Eine weitere Person mischte sich in das Gespräch ein. Die Gemahlin des Bürgermeisters Elvira persönlich war ebenfalls zugegen. Eine kleine rundliche Frau mit kurzem, kupfernem Haar und dem breitesten Grinsen überhaupt. "Das ist richtig. Wir alle sind im Stress. Aber was macht Ihr eigentlich hier, Impa." "Nur einige Aufträge von Prinzessin Zelda höchstpersönlich. Ich soll eine Tunika für einen Freund von unermesslichem Wert bei Hyrules bestem Schneider anfertigen lassen." "Sind die Gerüchte denn wahr, dass sich der Held der Zeit im Schloss befindet?" Nach dieser Bemerkung drehten etwa zwanzig Leute ebenso ihre Köpfe um und blickten erstaunt in die Richtung, aus der die Worte kamen. Impa lächelte in sich hinein und schloss die Augen. "Ja, das ist richtig. Lange könnte es wohl bei der Neugier des hylianischen Volkes kein Geheimnis bleiben." Sie entfernte sich vom Marktplatz und bog in einer Seitengasse ab. Heftige Diskussionen entbrannten auf dem Marktplatz und weitere Gerüchte wurden in die Welt gesetzt. Was der Held wohl im Schloss machte? Es dauerte lange, bevor die Hylianer wieder ihren Tätigkeiten nachgingen und der sogenannte Held aus ihren Gedanken verschwunden war. Einige stellten ihn sich wohl als kräftigen, muskulösen Typen mit riesiger Körpergröße vor... die meisten hatten wohl keine Ahnung, dass er augenscheinlich wie ein gewöhnlicher Jugendlicher wirkte. Zugegeben, Link war außerordentlich stark für sein Alter, aber wie ein übertriebener Muskelprotz sah er eben nicht aus. Ebenso bedachte keiner, das er noch jung war, vielleicht zu jung für seine Masse an Heldentaten. Und doch war er bereits jetzt schon eine lebende Legende. In einigen Tagen sollten die Festspiele, das Theater und weitere Kunststücke zu bewundern sein. Doch auch die Schauspieler waren bisher nicht angereist und es gab noch Unmengen von Arbeit, die nur darauf wartete, erledigt zu werden. Jeder freute sich auf diesen Tag, besonders auf das magische Feuerwerk am Abend. Einmal mehr wollte jeder Bürger den Frieden im wunderschönen Hyrule genießen und die Seele ganz baumeln lassen. Auch im Schloss gab es wildes Durcheinander. An dem Tag des Friedens sollte ein Ball von unbeschreiblichem Ausmaß stattfinden. Doch auch bei diesen Vorbereitungen hatte des Chaos die Oberhand. Dem Koch fehlten allerlei Hilfskräfte, Essensvorräte, Gewürze und Fässer mit Hyrules bestem Gebräu. Der schmale, verrückte Dirigent Alonso war dabei erwischt worden, wie er selbst im Schlaf seine Geigen-, Flöten- und Cembalospieler belehrte, sie mögen endlich die Töne treffen. Und die Hofdamen und Zimmermädchen waren mehr in Eile als sonst. Selbst die königlichen Ritter übten eifriger als ohnehin schon ihre Schwerttechniken, die sie in einem fairen Duell präsentieren wollten. Doch selbst durch das Getratsche, das Geschrei und die Lautstärke im Schloss war Link nicht um seinen Schlaf zu bringen. Mit geschlossenen Augen und dem friedvollsten Lächeln überhaupt, lag er in seinem Bett und wünschte sich, er könnte für ewig in einem solchen weichen, gemütlichen Bett liegen. Irgendwann gegen Mittag wachte er dann auf und sah als erstes die Sonnenstrahlen, die über einen kleinen Balkon in sein Zimmer hineinfielen. Er musste zweimal nachdenken, um sich daran zu erinnern, wo er noch mal gleich war. Sein Schmerz in der Schulter jedoch belehrte ihn sofort über die Umstände der letzten Tage. Er fluchte und rappelte sich auf. Dann bemerkte er, dass er nichts weiter als den weißen Bodysuit trug und dieser an seiner rechten Brusthälfte total zerfledert war. Kein Wunder, bei der Stichwunde... Außerhalb lief Prinzessin Zelda mit schnellen Schritten eine Wendeltreppe ins zweite Stockwerk hinauf. Auch sie war in Eile und trug ausnahmsweise mal kein königliches Kleid, sondern eine dunkelblaue Korsage, darunter eine farblose, langärmelige Bluse mit Kragen und einen langen, dunkelblauen Rock ohne weitere Verzierungen. Aber eine Tiara trug sie, die sie als Prinzessin auszeichnete, wenn auch sie ihre Haare ganz offen trug. Einige Klamotten für ihren Helden unter dem Arm, hastete sie in Richtung des Zimmers von Link und wollte die Zimmermädchen, die zuständig für ihn waren, kurzerhand stoppen und ihnen anweisen, die Sache ihr zuüberlassen. Sie hoffte nur, sie würde sie noch erwischen, bevor sie ihn unsanft aus dem Bett beförderten und dieses mit frischen Laken überzogen, bevor sie dem armen Kerl von oben bis unten ein Bad verpassen wollten und dem verletzten, ohnehin schon schüchternen Helden seine restliche Kleidung abnahmen... Tatsächlich und dem Glück noch erhaben, erreichte Prinzessin Zelda die kichernden, jungen Zimmermädchen, die sich wahrlich darauf freuten sich um die Pflege des Helden der Zeit zu kümmern. Auch hier im Schloss hatten einige schon ein Auge auf ihn geworfen, was Zelda verständlicherweise gar nicht Recht war. Sie würde es niemals zugeben, aber sie war fuchsteufelswild und über die Maßen eifersüchtig, wenn es um Link ging. Sie stellte sich den Zimmermädchen entgegen, die sie allem Anschein nach nicht für voll nehmen wollten. "Ich übernehme jetzt. Tut mit leid, aber die Pflege Links ist meine Aufgabe. Geht Maia (so hieß eine der Hofdamen) bei den Vorbereitungen für den Ball helfen. Das ist ein königlicher Befehl." Mit beleidigten Gesichtern und einem ärgerlichen Gebrummel stapften die Zimmermädchen den Gang entlang und liefen die Wendeltreppe wieder hinab. Wie auch immer, sagte Link zu sich selbst und belehrte sich, dass er schon weitaus schlimmere Verletzungen hatte. Also, sei nicht so ein Jammerlappen und steh' auf, sagte er zu sich selbst. Dennoch, der Schmerz in der Brust brachte in total aus dem Gleichgewicht. Er machte ihn wahnsinnig, einfach nur wahnsinnig. Link hatte schon lange vergessen, dass es solche Schmerzen überhaupt gab. Er richtete sich vollkommen auf und unterdrückte den Zwang vor Schmerzen einfach loszuschreien. Seine Beine baumelten aus dem Bett und langsam versuchte er sein Gewicht auf ihnen abzustützen. Ihm wurde kurz schwarz vor den Augen, aber er schaffte es dann doch noch sich auf den Beinen zu halten. Er schleppte sich barfuss zu dem Balkon und warf einen Blick hinaus. Dann lehnte er sich an das Geländer und genoss den frischen Wind, der ihm um seine spitzen Ohren wehte, bemerkte auch, dass seine grüne Mütze fehlte. Wo war die denn hingekommen? Er verspürte den Wunsch, sich einfach nur zu strecken und laut zu gähnen, aber wieder machte ihm die Wunde einen Strich durch die Rechnung. Hinterhältig trat ihm der Schweiß über die Stirn und die Augenlider wollten ihm zufallen. Verdammt, er konnte dieses Gefühl der Schwäche nicht leiden und im übrigen gar nicht gebrauchen. Schließlich erinnerte er sich an die Szene im Schlossverlies und an die Tatsache, dass er sich für Zelda beinahe umbringen lassen hätte. Egal... ich würde es wieder tun, sagte er zu sich selbst. Dann schlenderte er wie ein Betrunkener in das Zimmer, hielt sich an der Balkontür fest, um nicht umzukippen und hörte ein Klopfen an der Tür. "Link, bist du wach?" Zeldas Stimme brachte ihn nun endgültig aus dem Konzept. Verflucht, er konnte der Prinzessin doch nicht mit nichts weiter als seiner weißen Hose gegen übertreten. Das wird peinlich... Er versuchte sich so schnell wie möglich zu dem Bett zu bewegen, was nicht einfach war, was in seinem Zustand in einigen Sekunden nicht zu bewältigen war und... Seine Sinne setzten aus, als sie einfach in den Raum trat. Sie schloss gerade die Tür, als sie Link, der noch geschockter aussah als sie, dort stehen sah. Sein Anblick verpasste ihr zunächst einen gewaltigen Schlag; Denn obwohl die Kleidung seinen ganzen Körper umhüllte, so lag diese so eng an, das jede Einzelheit an ihm sichtbar wurde, jede Einzelheit seines attraktiven Körpers, der viele Frauenherzen schwach gemacht hatte. Zeldas Mund stand offen, die Kleidung für ihn fiel ihr aus den Händen und eine Dampfwolke stieg von ihrem glühenden Kopf auf. Sie starrte ihn weiterhin an, bis sie sich ihrer königlichen Manieren erinnerte und schnell umdrehte. Sie gewährte Link mehr als nur einige Minuten Zeit, sich wieder zu dem Bett zu begeben und sich mit der Decke einzuhüllen. Zelda kratzte verlegen die Kleidung vom Boden und lief dann zu ihm herüber. "Ähm... morgen", fing sie an und suchte erstaunlicherweise seinen beschämten Blick. "Morgen", hustete er, was ihr verdeutlichte, dass es ihm nur den Umständen entsprechend gut ging. Er hatte mit seinen Schmerzen zu kämpfen, das sah sie ihm an. "Wie fühlst du dich?" "Geht so..." Sie näherte sich ihm, sodass einige ihrer blonden Haarsträhnen in sein Gesicht fielen und verglich seine Stirn mit ihrer. Fieber hatte er, den Göttinnen sei Dank, nicht mehr- ein gutes Zeichen. Er war wirklich auf dem Weg der Besserung. "Link, du solltest im Bett liegen bleiben. Dass du so übermütig bist und gleich zum Balkon spazierst, finde ich nicht lustig." Er schaute erst erstaunt, so als kapierte er nicht, dass sie sich Sorgen um ihn machte, erwiderte dann aber mit einem charmanten Lächeln. Heilige Nayru, selbst unter Schmerzen konnte er sich sein vielsagendes, linkisches Grinsen wohl nicht verkneifen. "Deine Wunde ist noch frisch und durch deine überflüssigen Bewegungen könnten die Narben wieder aufbrechen, also versuche dich einfach auszuruhen, ja?" Sie legte die Kleidung neben ihm auf einem Stuhl. Dann schloss er seine Augen für einen Moment. "Brauchst du etwas?" "Jep." "Was ist es?" Er öffnete seine Augen und versuchte mit einem Lächeln in ihre Gedankenwelt vorzudringen. "Deine Anwesenheit...", flüsterte er mit heiserer Stimme, aber das sanfte Lächeln auf seinem Gesicht verschwand nicht. Auch Zelda versuchte es mit einem Lächeln und blickte tief in diese ozeanblauen Augen, die so unergründlich waren wie ein tiefer See, so unergründlich wie dieser Hylianer selbst. "Hast du vielleicht Hunger?" Er nickte. Wenn es etwas gab, was Link wieder auf die Beine befördern konnte, dann wohl die hylianische Küche. "Ich habe mich schon darum gekümmert. Unser Chefkoch bereitet einige gutverdauliche Köstlichkeiten für dich vor, aber nicht dass du das ganze Zeug in dich hineinfrisst, weil es so gut schmeckt... du hast schließlich immer noch eine tiefe Wunde, Link." "Ich weiß, Zelda", hauchte er, verschwieg ihr aber, dass er sich bereits viel schlimmere Wunden selbst genäht hatte... Sie blickten sich für einige Augenblicke stillschweigend an, erinnerten sich an so viele Dinge, die sie gemeinsam durchgemacht hatten und einmal mehr kamen die Gefühle füreinander an die Oberfläche. Man konnte in ihren Augen sehen, was sie dachten, wie sie empfanden, aber es sollte nicht sein... Plötzlich erschien Impa in dem Raum und begrüßte Link und Zelda zunächst. "Na, Link, wie geht's dir heute?" "Ging schon mal besser...", seufzte er und ließ sich wieder in die Kissen zurücksinken. Dann wendete sie sich Zelda zu. "Prinzessin, Euer Vater wünscht Euch zu sprechen. Das wollte ich nur ausrichten." Und sie lief wieder in Richtung Tür. "Gute Besserung, Link", meinte sie noch und war verschwunden. "Mein Vater kann warten", sagte Zelda und streichelte über seine blassen Wangen. "Ich... hatte unheimliche Angst, dass du es nicht schaffst, mein Link." Was war das denn? Noch nie hatte sie ihn: ihren Link genannt. Sie schaute verlegen weg und blickte zu der Kleidung. "Diese Sachen sind für dich, wenn du dich kräftig genug fühlst, dann kannst du die Sachen gerne tragen. Allerdings konnte ich so schnell keine grüne Tunika auftreiben." "Danke, Prinzessin, das ist wirklich sehr aufmerksam von dir. Übrigens..." Das Medaillon unter seinem Kopfkissen fiel ihm wieder ein und er kramte es hervor. "Ich möchte, dass du es nimmst. Ich schenke es dir..." Zelda wusste nicht, was sie sagen sollte oder womit sie das verdient hätte. Dieses Schmuckstück war so alt wie die Zeit selbst und von unermesslichem Wert. Wieso wollte Link es ihr schenken? Dann grinste er wieder und blickte mit dem sanften Blick, den Zelda so liebte, in ihre Augen. "Ich habe..." Er hielt kurz inne und unterdrückte den aufkommenden Schmerz in seiner Brust. Schweißperlen glänzten über seiner Stirn. "Ich habe einige Wochen... okay... es waren, glaube ich Monate, nach dem Medaillon gesucht..." "Und wo hast du es gefunden?" "In einem versunkenen Tempel, der dem alten Ritterorden gehörte...", sagte er sehr langsam und leise. Er nahm es in seine Hände und öffnete den Verschluss. Wieder richtete er sich auf und lehnte sich deutlich zu ihr. Er legte es um ihren Hals und ließ seine Arme auf ihren Schultern liegen. Dann lehnte er sich endgültig zu ihr, während seine Arme über ihren Rücken wanderten und Zelda fühlte seine Schmerzen beinahe. Er murmelte in ihr Ohr, als sein Atem ihre Haut kitzelte: "In einem anderen Leben werde ich es dir wiederbringen..." Er ließ sich wieder auf die Matratze sinken und grinste mit seiner charmanten Art. Flugs brachte ein Zimmermädchen das Essen auf einem goldenen Tablett. Es handelte sich um alle möglichen Speisen unter anderem eine klare, beruhigende Suppe. Link konnte sich an den ganzen Köstlichkeiten nicht satt sehen, noch nie hatte er so gutes Essen zu sich genommen. Und die Art und Weise wie er dann aß und mit Messer und Gabel umging, zauberten Zelda zunächst ein Lächeln auf das edle Gesicht, dann fing sie an zu kichern, dann zu lachen. Links Tischmanieren waren äußerst gewöhnungsbedürftig. Essenstückchen schmückten den Rand seines Mundes. Messer und Gabel handhabte er irgendwie sehr komisch und verwechselte ihre Funktionen. Den Stiel des Löffels packte er genauso wie sein Schwert in die linke Hand und sogar sabbern tat er. Er blickte Zelda nur verständnislos an, die neben ihm saß und lachte, während das Messer in seinem Mund stak. Sollte er länger in Schloss Hyrule bleiben, müsste sie ihm irgendwie höfisches Benehmen beibringen. Dennoch, die kindliche Art seines Verhalten waren in ihren Augen einfach nur goldig. Nach einer Weile, Zelda saß immer noch auf einem Stuhl neben ihm, beendete er seine Mahlzeit. An seinem zufriedenen Gesicht erkannte man, wie gut es tat, mal wieder etwas im Magen zu haben. Dann legte er sich wieder auf die weiche Matratze. "Link, hast du wegen des Medaillons irgendwelche Hinweise erhalten? Ich rede von seinen mysteriösen Kräften." Er schüttelte den Kopf und begann: "Ich weiß nur, dass es... hier... in Hyrule verborgen... war." Er schloss seine Augen und gähnte. "Halt mal. Da fällt mir etwas ein. Als ich auf dem Weg nach Kakariko war, glühte es kurz in grünen Farben auf, aber dann..." "Was dann, Link" Die Prinzessin beugte sich über ihn und sah in sein blasses Gesicht. Ob wirklich alles okay war? Diese Seite von ihm kannte sie eben nicht. Normalerweise bemühte er sich darum, in ihrer Gegenwart nicht die Spur von Schwäche zuzulassen. Er spielte immer den starken Helden, den nichts erschüttern konnte, sodass die Prinzessin sich manchmal fragte, ob er überhaupt ein Mensch war... (Oder ein Elf, korrekterweise...) "Link?" Sie wollte ihn schon zwicken oder zumindest kitzeln, aber er war wirklich wieder eingeschlafen. So eine Schlafmütze aber auch... Zelda grinste dann und flüsterte: "Mein süßer, kleiner Held. Sei zum Fest des Friedens aber wieder stark genug, um daran teilzunehmen." Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange. Gerade in dem Augenblick trat erneut ihr Vater in den Raum. "Zelda, Liebes, ich wollte dich sprechen." Dann blickte er erstaunt zu seiner Tochter und sah, wie sie über Link gebeugt war. Er glotzte nicht schlecht und blickte teilweise verwirrt aus seinem alten Gesicht hervor. Sie lief in kurzen, eleganten Schritten auf ihn zu und meinte: "Ich habe deine Worte vernommen. Link schläft erneut. Also, wieso möchtest du mich sprechen?" "Muss ein Vater einen Grund haben, sich mit seiner Tochter unterhalten zu wollen, Zelda?" "Nein, es sei denn bei dem Vater handelt es sich um den König von Hyrule... dann ist das etwas anderes." Sie verschränkte ihre Arme, wirkte genervt und machte ihm dies mit ihrer giftigen Zunge deutlich. "Ich mag mich irren, aber Harkenia von Hyrule hat immer seine Gründe, nicht wahr" setzte sie sarkastisch hinzu. "Am besten, wir unterhalten uns in der Halle des zweiten Stockes. Du weißt schon, der Raum, in dem du dich als Kind immer in dem großen Kamin versteckt hast." Sie erinnerte sich... das war damals, als sie entdeckte, wie wunderbar es sein konnte, die gesamte Schlossgesellschaft um den Verstand zu bringen. Und obwohl sie erst fünf Jahre alt war, hatte sich die kleine Prinzessin immer wieder vor den Wachen, vor Impa und ihrem Vater versteckt. Prinzessin Zelda folgte ihrem Vater schließlich ohne weitere Worte. "Wie du ja weißt, Tochter, wirst du in einiger Zeit selbst über Hyrule herrschen und deine Verantwortung ist dir bewusst. Dennoch mache ich mir Sorgen, Zelda." Ihr Vater stand an einem Fenster der kleinen, gemütlichen Halle und blickte hinaus auf das Land und seine grünen Wiesen. Zelda saß mit runzelnder Stirn auf einem bequemen Stuhl mit hohen Lehnen und hatte sich angelehnt. "Ich sorge mich um deine Zukunft, Zelda." Damit drehte er sich um und lief zu dem Tisch. Mit einem väterlichen Blick sah er sie an und setzte sich zu ihr an den Tisch. Er legte seine rauen Hände auf ihre. "Zelda, ich bin ein gebrechlicher Mann und irgendwann werde ich nicht mehr hier sein und jede Verantwortung ruht auf deinen Schultern. Mit dir beginnt eine neue Ära des Königreiches von Hyrule." Zeldas Miene verzog sich. Konnte dieser Kerl nicht endlich mal mit der Sprache herausrücken? "Worauf willst du hinaus, Vater? Falls du es nicht weißt, ich bin mir meiner Verantwortung gegenüber Hyrule bewusst." "Und wie steht es mit der Verantwortung gegenüber dir selbst?" "Wie meinst du das?" "Oh, ich glaube, du hast mich verstanden, Tochter." Zelda stand nun auf und lief zu dem Kamin, wo einige Schwerter gekreuzt darüber hingen. Ja, sie ahnte, was er versuchte ihr mitzuteilen. Schon lange wusste er um ihre Einsamkeit und die Tatsache, dass sie es nicht zuließ, dass ihr jemand zu nahe kam. Zelda fühlte sich innerlich kalt, zu kalt, als das sie mit ihrer Kälte gerecht über Hyrule herrschen könnte. Doch das Land bräuchte jemanden an der Spitze, der nicht nur lächelte, sondern, der ein Lächeln besaß, welches auch ehrlich gemeint war. Und Zelda... ja, sie hatte gelernt zu lächeln, auch wenn es ihr innerlich zum weinen war. Sie musste stark sein, stark und schön für das Königreich. Ihr eigenes Glück interessierte da recht wenig und sie hatte es immer zurückgestellt. "Zelda, auch du hast das Recht dein Leben zu genießen, auch wenn die Verantwortung über Hyrule auf dir lastet." Sie lachte in sich hinein. Das Leben genießen? Als Prinzessin? Dann sagte sie: "Du stellst dir das ja sehr einfach vor, was, Vater? Als Prinzessin hat man keine Chance das Leben so zu leben wie jeder andere und das weißt du besser als ich. Wie kommst du nur dazu, mir diese Dinge zu unterbreiten? Ich werde niemals die Möglichkeit haben, mein Leben zu genießen. Niemals, hörst du, niemals. Es liegt ja schon in meinen Venen, dass ich stets mit der Verantwortung auf meinen Schultern tue, was mir kein Glück beschert... ich werde nie so leben, wie ein anderes gewöhnliches Mädchen." Ihre Stimme wurde immer leiser; und sie verbarg die aufkommenden Tränen vor ihrem Vater. "Zelda... darum geht es nicht. Selbst, wenn du kein gewöhnliches Mädchen bist, so hast du dennoch das Recht auf Glück. Verstehst du nicht, was dein Vater dir sagen will?" Sie schwieg. "Doch eigentlich war dies nicht der Grund, weshalb ich mit dir sprechen wollte." Nein, was denn dann? Noch so eine Predigt und Zelda würde sich auf der Stelle in ein anderes Zimmer teleportieren. Darin hatte sie ja Übung... Alles in allem setzte sie sich wieder, lediglich um ihrem armen, alten Vater nicht noch mehr Sorgen zu machen. "So, weswegen wollte mich der König von Hyrule dann sprechen?" Er blickte verletzt, da sie es immer wieder schaffte, ihm einen kleinen Denkzettel zu verpassen, auch wenn sie ihn nur mit ,König' anredete... "In einigen Monaten, nun ja, es sind zwar noch viele, aber dann wirst du neben deiner Verpflichtung als Prinzessin noch andere Pflichten tragen." Oh Mann, Ihr Göttinnen, schon wieder redete er um den heißen Brei. Wird's langsam, du Esel, schimpfte sie in ihren Gedanken. "Ich habe an dem Tag des Festes einige junge Adelsmänner eingeladen, Liebes." Er schien sich sehr über diesen Beschluss zu freuen. "Ja, und?" "Nur die besten der Besten, mein Kind, und ich hoffe, dass du vor ihnen nicht erneut die arrogante, eigensinnige und empfindungskalte Prinzessin mimst. Ich wünsche mir, dass du für einen von ihnen dein Herz öffnest, Zelda. Irgendwann wirst du für Nachfahren sorgen müssen, Tochter." Ihr stand der Mund offen. Fing er jetzt schon wieder mit diesem Thema an, das Zelda zum Wahnsinn bringen könnte. Erneut war Harkenias Kopf einen Pfeil auf ihrer Zielscheibe wert... Sie begann zu grinsen und lachte dann. "Vater. Denk' ja nicht, das ich einen von denen als würdig erweisen würde an meiner Seite zu regieren. Schau' sie dir doch an. Diese unreifen, halbklugen Möchtegernprinzen sind das Letzte." Sie stand auf und fuhr fort. "Tu' was du willst, aber ich werde mich niemals von ihnen mit ihren falschen, übertriebenen Komplimenten einwickeln lassen. Und wenn mein Glück dir von Interesse wäre, würdest du mich nicht zu einer Heirat drängen." Dann stand Harkenia auf und hatte einen gefassten, fast wütenden Blick in dem alten Gesicht. "Ist das dein letztes Wort, Tochter?" Sie presste ihre Lippen aneinander, setzte einen entschlossenen Blick auf und konterte: "Ja, das ist es." Harkenia lief zu der Tür und sagte mit Groll und Zorn in den Worten. "So ist es beschlossen, Zelda. Du wirst die nächsten Wochen dein Triforcefragment ablegen, dich nur im Schloss aufhalten, weder den Ball, noch das Fest des Friedens besuchen oder dich um die Pflege von Link kümmern. Das hast du dir selbst zuzuschreiben." "Aber Vater" rief sie ihm hinterher, dem ungeachtet schlug er wütend die Tür hinter sich zu. Das war ein Scherz, oder? Kapitel 63: Zeldas Traum ------------------------ Kapitel 46: Zeldas Traum Ein grelles Licht erhellte für wenige Augenblicke die Kathedrale in Schicksalshort und ein kleiner Kerl in grünen Klamotten trat aus dem hellen Schein hervor. Seine leuchtenden blauen Augen schauten umher. Es war stockduster und niemand schien sich hier aufzuhalten. Er lief langsam in Richtung Altar. Blitze erhellten kurzzeitig die Halle. Feuer der Fackeln an den Wänden flackerte umher und schaffte eine mysteriöse Atmosphäre. Weshalb der Knilch sich hier aufhielt, wusste er selbst nicht. Vermutlich wollte er lediglich einmal seinen kindlichen Mut auf die Probe stellen. Er erspähte den Altar und wunderte sich über die Gegenstände dort. Auch er gehörte nun mal nicht in die moderne Welt. Sein eigentliches Zuhause war Hyrule- ein Hyrule, welches nicht mehr lebte und vielleicht nie mehr existierte, woran wohl seine Existenz geknüpft war. Er fürchtete sich vor nichts, denn er bestand noch aus nichts. Und Furcht hatte er bisher nicht kennen gelernt. Deswegen schien er sehr erpicht darauf zu sein zu wissen was es war und wagte sich hier in die Kirche, wo sich Ganondorf befand. Zielstrebig lief er in der Kirche hin und her, hüpfte von einer Bankreihe zur nächsten und fand es energetisierend Ganondorf herauszufordern. Nach etwa einer halben Stunde erschien Ganondorf tatsächlich und machte es sich auf seinem selbsternannten Thron bequem. Genervt und wütend saß er auf dem Thron und lehnte sich zurück. "Dieser verdammte Link...", murmelte Ganon, "Was gibt ihm nur seine Kraft..." Er hatte weder den Jungen in der Kirche bemerkt, noch nahm er Notiz von seinem hinterhältigen Grinsen. Ganondorf schloss seine Augen und schlief wohl. Ob jemand wie Ganondorf, dessen wahres Erscheinungsbild ein verfluchter Dämon war und schon Hunderte von Jahren auf dem Buckel hatte, überhaupt Schlaf brauchte? Im Moment schien es so... Der kleine Kerl ergriff die Gelegenheit und schlich leise zu Ganondorf heran. Er stellte sich direkt vor den Thron und sagte: "Dieser Thron gehört nicht dir, du ekliges Schwein." Der Knilch neigte seinen Kopf zur Seite und streckte dem schlafenden Ganondorf die Zunge heraus. "Bäh... bist du hässlich", sagte er, was ja der Wahrheit entsprach und machte sich weiterhin über Ganondorf lustig. "Du fetter, missgeratener, verruchter Sohn einer schlampigen Gerudokriegerin. Du wirst in der Hölle schmoren..." Wo der Knirps diese Wortwahl herhatte, war zwar nicht von Belang, aber Temperament und eine große Klappe hatte er ohne Frage. Dann trieb er sein Spielchen noch weiter und tippte den Hexenmeister an seine lange, grässliche Nase, überrascht über die Kälte seiner Haut. Ganondorf grunzte und zuckte leicht zurück. Dann öffnete er seine Augen und Kälte stand darin, genauso wie Zorn und Überraschung. Er packte den Kerl an der Gurgel und warf ihn einige Meter weit zurück. "Was machst du hier und wer bist du?" Ganons tiefe Stimme dröhnte in der Halle umher. Der Knirps flog schnell durch den Raum, konnte sich aber abfangen und kam erstaunlicherweise nicht auf dem Boden auf. Stattdessen schwebte er in der Luft und erfreute sich an Ganons erschrockenem Gesicht. "Du spielst mit den Menschen dieser Welt... jetzt spiele ich mir dir, Schweinchen mit Warzen am Hintern", sagte der Knirps unverfroren. "Ich habe keine Zeit für Kinder", entgegnete der Schreckensfürst außerordentlich ruhig, obwohl seine Augen Kälte und Ärger zeigten. "Solltest du aber", sagte der Knirps und lief wieder auf Ganondorf zu. Dieser rastete nun aus und schmetterte einen seiner gefährlichen dunklen Energiebälle auf den Knirps. Er wurde getroffen, aber es kümmerte ihn nicht. Gemächlich lief er weiter und stand mit einem unverblümten Grinsen vor der Ausgeburt der Hölle. "Macht es dir Spaß andere zu quälen, ja", sagte der Knirps in seiner glockenhellen Stimme. "Aber natürlich, würde ich es sonst tun? Aber wen interessiert es. Was willst du?" "Gerechtigkeit, du aufgeblasenes Schweinchen mit dunkelgrüner Haut." Der kleine Kerl ließ sich nicht einschüchtern und streckte ihm wieder die Zunge heraus. Ganon kochte vor Wut und verlor jeglichen Geduldsfaden. Es platzte aus ihm hervor: "Du kleiner Bengel. Du wagst mich zu beleidigen, mich, den Herrscher von Hyrule und über diese Welt." Der kleine Bengel spuckte ihm ins Gesicht. "Es gibt nur einen Herrscher von Hyrule und der bist du nicht und wirst du niemals sein, du Sau... bäh." Es rauchte aus Ganons Kopf; und er ballte seine Faust und schlug auf den kleinen Kerl ein. Doch er traf ihn nicht. Es war, als wäre der kleine Knirps mit dem linkischen Gesichtsausdruck nur eine Luftgestalt. Ganondorf sah sich mit einem Problem konfrontiert. Er wollte diese Etwas loswerden, wusste aber nicht wie. Wie sollte Ganon etwas besiegen, was gar nicht existierte? Der bebende Gesichtsausdruck auf Ganons Fresse gefiel dem Kind. "Na, du Scheusal, wie fühlt man sich, wenn man nicht weiß, wie man der Situation Herr wird. Bist du verzweifelt, Bastard?" Die Augen des Kindes leuchteten nun noch stärker in jenem reinen blau; und Ganon wurde das Gefühl nicht los, dass er diesen Ausdruck auf dem Gesicht des Kindes kannte, ebenso wie die Augenfarbe und das dämliche Grinsen. "Wer zum Henker bist du?" "Oh, das tut mir aber leid, das kann ich nicht verraten, Arschbacke, noch nicht." Ganondorf zeigte seine schiefen Zähne. Es war unverzeihlich, derartige Beleidigungen auf sich sitzen lassen zu müssen, da er den Frechdachs nicht loswerden konnte, auch wenn er wollte. Er ballte seine Fäuste und wusste nicht ein noch aus. "Übrigens, der Thron dort gefällt mir in dieser Kirche nicht. Er gehört ins Schloss Hyrule, du mutierter Schweinekopf." "Halt's Maul! Wer immer du auch bist, mir kannst du nicht schaden. Und nun verzieh' dich." Der Lausbub zog eine breite Schnute. "Du solltest das Denken lieber Leuten überlassen, die mehr davon verstehen und ja... eines Tages werde ich dir schaden können. Selbst ein einfältiges Kind wie ich es bin, wird dich büßen lassen für deine Schandtaten, durchgerührte Schweinesülze... bäh." Und wieder donnerte Ganondorf in der Kirche umher, so laut er konnte. Das Kind jedoch lachte nur angesichts seiner wütenden Miene und zeigte mit einem Zeigefinger verspottend direkt auf ihn. Dann leuchtete es in silbrigen Farben und warf einen letzten Satz in den Raum. Einen Satz über den Ganon lange zubrüten haben sollte: "Übrigens... mein Name ist Link, Schweinebacke." Damit verschwand er und hinterließ keinen Hauch seiner Aura. Ganondorf aber alarmierte sofort seine treuen Untergebenen, dass sie sehr vorsichtig sein sollten und in Zukunft nach einem Kind Ausschau halten müssten, das aussah wie Link und zu allem Übel ebenso hieß. Denn eine Sache hatte Ganondorf nicht vergessen. Zu Beginn seiner Auseinandersetzung konnte er Hand an den Bengel legen, später nicht mehr, was bedeutete, dass dieser Knirps irgendwie steuern konnte, ob er berührt werden wollte oder nicht und verletzlich war. Und der Fürst des Schreckens suchte nun nach der ultimativen Gelegenheit, dieses Kind auszuschalten... Die beiden Hylianer schlugen ihr Lager mal wieder in einem kleinen Wald auf. Es regnete, aber nicht zu stark, ein einfacher, kühler Frühlingsregen im alten Hyrule. Link stellte gerade das Zelt auf, welches sie mitgebracht hatten und Zelda kramte nach etwas Essbaren aus ihrer magischen Tasche. Noch hatten sie den Hylia- See nicht erreicht und ein weiterer Tag war um. Das Pferd stand an einem Bach. Link und Zelda hatten es, da es keinen Namen trug einfach vorübergehend mit ,Namenlos' angesprochen. Es gehörte nicht ihnen und vielleicht gab es einen Grund, weshalb es keinen Namen trug. Link und Zelda krabbelten in das Zelt, aber es war noch viel zu früh um schlafen zugehen. Es war stockdüster und sie konnten nicht einmal ihre Hände vor sich selbst sehen. Zelda suchte in der Dunkelheit Links Blick, um zusehen, ob er vielleicht noch Lust hatte, sich mit ihr zu unterhalten, oder ob er zu müde war. Sie rutschte in seine Ecke des Zeltes und... Bum... "Autsch. Pass' doch auf Zelda." "Aua... Pass' du doch auf, Link!" Tatsächlich war nämlich auch Link dabei sich in ihre Richtung zu bewegen und sie stießen einmal kräftig mit ihren Köpfen aneinander. "Du hast echt ne harte Nuss, Zelda." "Dein Schädel ist aber auch nicht ohne. Hast du so was wie eine Taschenlampe dabei", fragte sie ihn dann in die Dunkelheit. Sie hätten auch die Öllampe nutzen können, aber diese war irgendwo tief in den bodenlosen Taschen verborgen. "Nee, Sorry, aber Schokolade kannst du haben." Zelda lehnte sich zurück, sagte nichts, aber hatte eine Idee. Sie konzentrierte sich auf ihre Kräfte und hielt ihre Hände in einem kurzen Abstand mit den Handflächen zueinander. Zuerst geschah nicht wirklich etwas, dann bildeten sich goldene Funken, die sich zwischen Zeldas Händen sammelten. Link sah nur gespannt zu und war überwältigt von ihren Fähigkeiten. Was Zelda wohl noch alles an magischen Fertigkeiten besaß? Sie öffnete leicht ihre Augen und die gesamte Energie in ihren Händen schien zu erstarren. Es sah nun so aus, als hätte Zelda eine goldene Kugel in ihren Händen, die aber genügend Licht in dem Zelt spendete. Die Kugel fiel ihr aus den Handflächen und plumpste auf ihre Decke. Link krabbelte zu ihr herüber und fragte: "Kann man das anfassen, oder verbrennt man sich daran die Hände?" Zelda holte tief Luft und entgegnete: "Nein, es ist ganz kalt. Das Licht wird für ungefähr zwei Stunden halten, dann erlischt es wieder." "Cool und wie hast du das gemacht?" Zelda blickte ihn verwundert an. Es war gar nicht einfach zu erklären, wie es funktionierte. Sie beherrschte es eben, wusste jedoch nicht, wie sie diese Fähigkeit beschreiben sollte. "Das ist schwierig zu erklären. Es fängt damit an, dass ich mich konzentriere und dann passiert es eben." Link betastete die Kugel und war erstaunt über deren grandioses Gewicht. Es war ein angenehmer Schein, den die Kugel aussandte, ähnlich dem Schein einer Kerze und doch heller, fast golden. "Link?" "Mmh?" Er reagierte fast lethargisch. Er hatte sich zurückgelehnt und seine Augen waren geschlossen. "Gilt das Angebot mit der Schokolade noch?" Rasch setzte er sich aufrecht und beäugte Zelda. Dann zeigte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht und er packte die Schokolade aus. "Was isst du gerne? Vollmilch oder Nuss? Ich habe auch an Weiße Schokolade gedacht." Zelda krabbelte zu ihm herüber und strahlte: "Das du an so eine Kleinigkeit gedacht hast, ist wirklich toll. Du bist ein Schatz, Link." Sie nahm sich eine Hälfte der Weißen Schokolade und biss ab. Link blickte sie lange an und dachte: ,Ich bin nicht irgendein Schatz... ich bin deiner, Zelda.', aber er ließ nicht zu, dass seine Gedanken an die Oberfläche gelangten. Apropos Gedanken... Link erinnerte sich an den blauen Telepathiestein und an die Worte des merkwürdigen Wesens, die er sich aus irgendeinem Grund ganz genau gemerkt hatte: ,Nutze die Steine, um in ihr Herz zusehen. Dann erhältst du die Antworten, nach denen du suchst. Antworten für eine Zukunft, die es nicht gibt.' Heute würde er es wagen... Zelda blickte zu Link, der ein Funkeln in seinen Augen hatte. Ein Glühen, wie das Licht und die Wärme, die seine Seele ausstrahlte. Das er etwas Besonderes war, wusste sie immer, aber nun wurde dieses Einzigartige an ihm für einige Augenblicke wieder spürbar, spürbar für Zelda. Dann schaute er sie an und eine bekannte Traurigkeit lag in seinem Blick, nur ein Funken, aber er verriet ihn. Er hatte Zweifel und auch Ricks Tod kam ihm wieder in den Sinn. Er rutschte näher, wohl ein wenig zu nah und schaute an Zeldas Hals. Aber was zum Kuckuck hatte sie denn da? Er konnte deutlich einen roten Fleck an ihrer linken Seite erkennen und es sah fast aus wie eine Narbe oder ein... Muttermal. Er legte seine Hand an ihren Hals und ignorierte Zeldas empörten Gesichtsausdruck. Leicht berührte er die Stelle und fand, dass es auch ein... unmöglich... wo sollte sie den denn herhaben? Woher sollte Zelda einen Knutschfleck haben, zum Teufel, sagte er sich und überlegte krampfhaft, was das zu bedeuten haben könnte. Er wusste, das in Hyrule viele verrückte Dinge geschahen, aber das... wer sollte Zelda einen derartigen Fleck verpasst haben? Doch nicht etwa Preston? Links Augen wurden immer größer. Gleichzeitig keimte eine hysterische Eifersucht in ihm auf. Aber Zelda schien den Fleck noch nicht bemerkt zu haben und wich zurück. "Link. Was ist denn?" Schnell suchte er nach einer Ausrede und drehte sich weg. "Ähm... da war nur eine Spinne." "Oh... wenn du meinst." Sie gab sich dem Anschein nach damit zufrieden und nahm noch einen Bissen von der Schokolade. Link drehte ihr den Rücken zu und stützte eine Hand an sein Kinn. Er wollte wach bleiben, begann aber schon zu gähnen. Verdammt, die Sache ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. War Preston vielleicht der Grund für ihre Kälte ihm gegenüber? Hegte sie etwa doch Gefühle für diesen Kerl und sah ihn selbst nur als einen Blitzableiter, als eine Art Trampeltier, das man ausnutzen konnte? Seine Eifersucht wandelte sich in Hass auf Preston. Überraschenderweise legte Zelda aber dann eine warme Hand auf seine Schulter. "Link? Was ist los? Du schweigst schon die ganze Zeit. Bist du müde?" "Muss ich denn ständig mit dir reden? Kann ich nicht mal nachdenken", fuhr er sie an, worauf sie nur leise meinte: "Entschuldige... du hast Recht. Ich wollte dich nicht nerven." Sie war dabei ihre Hand von seiner Schultern zulösen, als Link aber ebenso eine Hand auf ihre legte. "Ich wollte dich nicht anfahren. Manchmal bin ich echt ein unsensibler Idiot, nicht wahr?" Er drehte sich um, erstaunt über die Klarheit in ihren Augen. "Du und unsensibel... nein, das bist du nicht, wirklich nicht, Link." Sie sahen sich schweigend an und fühlten sich, als würden ihre Herzen sich selbst anklagen, weil sie es einfach nicht schafften, sich endlich zugestehen, was ihnen auf den Herzen lag. "Du hast an Rick gedacht...", murmelte Zelda und suchte seinen Blick. In diesem Moment könnte sie glatt in seinen tiefblauen Augen versinken und es wäre ihr egal, wenn sie nicht zurückfinden würde. Das war es, was sie vermissen würde... diese unergründlichen Augen, das sanfte Lächeln und die blonden Haarsträhnen, die darin hingen... "Ja... ich habe vorhin an ihn gedacht und manchmal frage ich mich, ob ich an jenem Tag nicht doch etwas hätte besser machen können. Wenn ich anders gehandelt hätte, dann wäre er noch am Leben. Das ist wohl die schreckliche Wahrheit, Zelda." "Link... unser Weg ist die Zukunft und nicht die Vergangenheit." "Ja, ich weiß, Zelda." "Und möglicherweise wären andere gestorben, wenn du anders gehandelt hättest. Egal, welche Entscheindung wir treffen, diejenigen, die uns nahe stehen, sind immer die Leidtragenden..." Zelda drehte sich um und verbarg eine aufkommende Träne vor ihm. Ja, auch Link gehörte zu denen, die Zelda nahe standen und irgendwann würde er der Leidtragende sein. Das fühlte sie und das sagten ihr die Träume der letzten Tage und Wochen. Bilder seines Todes kamen ihr wieder in den Sinn und erneut fühlte sie sich so hilflos, so machtlos. Sie fühlte Angst in sich aufsteigen, Angst erneut davon zu träumen. Sie hatte Angst vor ihren Träumen und vor sich selbst. Was gäbe sie im Augenblick nicht dafür, einfach frei zu sein und nie wieder von irgendetwas zu träumen, was Zukunft oder Vergangenheit betraf. Aber das gehörte zu ihrer Seele, zu ihrem Schicksal... es war nicht zu ändern, dass die einstige Prinzessin aus Hyrule des Nachts mit Alpträumen überschüttet wurde. "Wir sollten versuchen einzuschlafen. Immerhin haben wir morgen einen weiten Weg vor uns", sagte Zelda, worauf Link nur zustimmen konnte. Sie kuschelten sich unter ihre Decken. Schließlich war Zelda die erste, die schlief, aber nicht wusste, dass Link nur so tat als ob. Langsam und leise krabbelte er aus seiner Decke heraus. Das kleine Licht von vorhin glühte noch. Jetzt würde Link es wagen. Er beugte sich über Zelda und vergewisserte sich, dass sie auch wirklich schlief. Dies war der Fall und er hörte sie leise im Schlaf schluchzen. Sie musste einen Alptraum haben. Soviel ahnte Link allein anhand ihres Verhaltens, dem leises Weinen, der Art und Weise wie sie dalag und den Tränen auf ihren Wangen. Er packte den Beutel mit den Steinen heraus und nahm den Telepathiestein in seine Hand. Er umklammerte das Steinchen so fest er konnte und versuchte sich zu konzentrieren. Auf Zelda. Auf ihre Träume, was immer es auch war und auf ihr Herz, da er ihr unbedingt helfen wollte. ,Vergib' mir, Zelda, aber ich tue das bloß für dich', sagte er in seinen Gedanken und fühlte, wie er innerlich hinfort getragen wurde. Als Link seine Augen öffnete, stand er zunächst umhüllt von Nebel, aber die Szenerie wurde alsbald klarer und einen blutroten Mond erkannte er am Horizont. In seiner linken Hand hatte er ein Schwert. Bei genauem Blick stellte er fest, dass es sich um jenes von Leon handeln musste. Außerdem stand er auf einem Hügel mit ausgetrocknetem Gras unter seinen Füßen. Bin ich in Zeldas Traumwelt, fragte er sich selbst und schaute sich langsam um. Dann geschah es. Link fühlte einen gewaltigen Schmerz in seiner linken Brust, als hätte man ihm das Herz mit einem stumpfen Gegenstand herausgeschnitten. Seine Kräfte schwanden, alles wurde verschwommen. Blut tropfte von seinen Mundwinkel, er röchelte und brach auf die Knie. Er blickte auf und erkannte eine große Gestalt vor sich. Ein Antlitz, aus dem messerscharfe, rotglühende Augen hervorleuchteten. Ein Lachen. Ein dreistes, unmenschliches Gelächter und Link wusste, wer vor ihm stand. Kein anderer als Ganon persönlich. Das Schwert Ganons durchbohrte seine Brust und alles, was Link im nächsten Augenblick spürte war, wie Ganon ihm sein dreckiges Schwert mit einem Jauchzen aus der Brust herauszog. Link schrie aus Leibeskräften und stürzte haltlos den Hügel hinab. Als er ein letztes Mal seine Augen öffnete, sah er in Zeldas Gesicht und sah Tränen an ihren Wangen hinabtropfen. Sie murmelte seinen Namen und weinte bitterlich... Link schreckte schweißgebadet und mit rasenden Herzschlägen aus seinem Zustand auf. Sogar den hinterhältigen Schmerz in seiner Brust fühlte er. Sofort legte er eine Hand auf sein Herz und vergewisserte sich, dass er keine Verletzungen hatte. Das war den Göttinnen sei Dank der Fall. Dann wanderte sein Blick zu Zelda und er sah, wie sie immer noch weinte, seinen Namen murmelte und zitterte. Das war es also... Link versuchte sich langsam zu beruhigen und dachte nach, seine Augen stets auf Zelda gerichtet. Träumte sie jede Nacht davon? Zelda... warum hast du mir nichts erzählt? Er kannte nun die Wahrheit über ihren Traum. Er hatte in ihr Herz gesehen, aber nicht geahnt, derartige Bilder zuerkennen. War dies eine ihrer Prophezeiungen? Hieß das für ihn, dass er den Kampf gegen Ganondorf verlieren würde? Er zweifelte... nun noch mehr an sich und seiner Kraft, an seinem Mut und dem Funken Hoffung, den er so sehr versucht hatte, am Leben zuhalten. Ich bin nicht in der Lage ihn zu besiegen, dachte er und beugte sich über Zelda. Ihr Name entkam seinen Lippen; und vieles für ihn ergab jetzt einen Sinn. Nicht Preston, sondern ihr Traum musste der Grund gewesen sein, dass sie sich so kalt gegenüber ihm verhielt. Ihr Traum musste wie eine kalte Hand über ihrem Herzen liegen und sie fürchtete, dass gerade sie den Grund für seinen Tod darstellte. Nutze die Steine, um in ihr Herz zusehen. Ja, das hatte er getan und auch Antworten erhielt er, aber waren es denn die Antworten nach denen er suchte? Antworten für eine Zukunft, die es nicht gibt? Bedeutete dies, dass es keine Zukunft für sie beide gab oder dass ihr Traum nicht die Zukunft darstellte? Link dachte fortwährend nach, noch immer seine Augen auf Zelda gerichtet und allmählich gab es auch für ihn einen Grund zu weinen... Zelda hatte diese schrecklichen Träume nicht verdient, gerade sie hatte soviel Recht auf ein Stückchen Glück. Sie hatte es nicht verdient so zu leiden, aber das hatte niemand... Link konnte nicht anders und legte sich direkt neben sie. Er kuschelte sich unter seine Decke, aber umarmte Zelda, die direkt neben ihm lag und zog sie fest an sich. Er hoffte, er würde ihr mit seiner Anwesenheit helfen, das Licht in ihren Träumen wiederzufinden. Auch Link schlief ein, während Zeldas Wimmern erstarb. Und das Licht der magischen Kugel hatte seinen hellen Schein noch nicht aufgegeben. Zelda war am Morgen die erste, die die Augen öffnete. Sie hörte Vogelgezwitscher und spürte schließlich einen warmen Atem an ihrem Hals. Als sie vollkommen wach war, nahm sie auch ein paar starke Arme war, die sie festhielten. Überrascht drehte sie sich um und blickte in Links Gesicht, der wie ein Baby, ganz ruhig und friedlich schlief. Ein wenig perplex riss sie sich dann aus seiner Umarmung los und schüttelte mit dem Kopf. Dieser Flegel, was bildet der sich ein, kuschelt sich einfach an mich heran. Wo gibt's denn so was? Sie stand auf und streckte sich, als sie von außerhalb ein Rascheln hörte. Irgendjemand oder irgendetwas bewegte sich durch das Gras und achtete nicht auf die lauten Geräusche, die er produzierte. Zelda zog sich eine Jacke über und strich vorsichtig eine Plane des Zeltes zur Seite. Ein kleiner Kerl stand neben dem Pferd und streichelte über den Hals des Hengstes, dem allen Anschein nach diese Art der Zuneigung gefiel. Schnell zog Zelda sich ihre Stiefel an und ging ebenfalls nach draußen. Sie begrüßte den kleinen Jungen in den grünen Klamotten mit einem: "Hey" und einem sanften Lächeln. "Was machst du denn hier, kleiner Mann?" In dem Moment schaute sich Zelda die Kleidung des Jungen genau an. Tatsächlich trug er eine Tunika, wobei aber der grüne Stoff sehr wertvoll und gepflegt aussah und sogar glänzte. Der Rand seiner Ärmel war golden, genauso wie der Kragen, was darauf hindeutete, dass dieses Kind aus hohem Hause stammen musste. Er besaß einen weißen Gürtel, an dem er einen langen Dolch oder ein Kurzschwert trug, dessen Hülle viele Verzierungen aufwies, ähnlich der Schwertscheide des Masterschwertes. Ja, seine Waffe hatte sogar in etwa den gleichen Griff wie jenes sagenumwobene Schwert eines wahren Helden. War dieses Kind eine Art Held? Noch etwas an ihm rückte schnell in Zeldas Aufmerksamkeit, nämlich eine kleine goldene Kette mit einem Triforce als Anhänger. "Störe ich", murmelte der Junge leicht traurig und scheute Zeldas Blick. Zelda ging auf ihn zu und gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. "Wieso solltest du stören? Ich freue mich über deine Gesellschaft. Das ist ein schönes Pferd, nicht wahr?" Und auch Zelda streichelte den Hals des Pferdes. "Jep. Ich möchte auch einmal so eines haben. Pferde sind unglaublich schöne Tiere", sagte der Knirps mit seiner glockenhellen Kinderstimme. Zelda kniete nieder und blickte ihm direkt in seine charmanten kleinen Kinderaugen. "Gibt es einen Grund, dass du hier bist, oder würdest du gerne mit uns essen? Das heißt, wenn du essen kannst." Immerhin besaß das Kind keine wirkliche Existenz und Zelda wusste das. Ob dieses Kind jemals etwas gegessen hatte? Der Gesichtsausdruck des Kindes wandelte sich von trübsinnig zu heiter, als das Wort Essen fiel. Also konnte er trotz seines rätselhaften Erscheinens sehr wohl Nahrung zu sich nehmen. Jetzt fiel Zelda auch noch eine andere Kleinigkeit auf. Dieser kleine Knabe besaß genauso wie sie, spitze Ohren und jeweils ein goldener Ohrring hing darin. "Darf' ich mitessen?" "Natürlich, wenn du magst." Er kniff seine Augen zusammen und nickte fröhlich, mit einem wunderbaren breiten Grinsen im Gesicht. "Link schläft noch, aber wir können auch ohne ihn essen. Er ist nämlich eine riesengroße Schlafmütze musst du wissen." "Ich weiß." Zelda schaute ihn ernster und eindringlicher an, als jemals zuvor. "Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich dich ausfragen will aber... woher weißt du das?" Er drehte seine Augen hin und her und machte ihr deutlich, dass er es nicht sagen konnte. Zelda stand auf, packte eine Hand des Bengels und schloss mit einem Lächeln die Augen. "Es ist in Ordnung. Ich muss das nicht wissen. Verzeih' mir meine Neugier." Der Junge jedoch blieb stehen, worauf Zelda sich noch mal nach ihm umdrehte. "Was ist?" Zelda kniete nieder und der Kegel sah sie genau an, dann wanderte sein Blick zu ihrem Hals. "Du hast da einen großen Fleck." Und er tatschte mit seinen Kinderhänden darauf herum. Zelda verstand nicht, was er meinte und kramte einen Handspiegel, den sie vom Schloss mitgebracht hatte, hervor. Als sie den Fleck betrachtete, erstarrte ihr Blick und sie sah drein, als hätte sie einen Geist gesehen. "Das gibt's doch nicht!" Deswegen hatte Link gestern Abend solange an ihrem Hals herumgetastet. Der Knirps aber grinste wie eine Speckschwarte und sein Mund schien immer breiter zu werden. Sie gingen in das Zelt und fanden Link mit offenen Augen vor. Er starrte nachdenklich an die Decke, wirkte aber überrascht, als Zelda mit dem Knirps im Schlepptau in das Zelt kam. "Nanu? Was machst du denn schon wieder hier? Hast du Sehnsucht nach uns", sagte Link und lächelte ebenfalls. Er wollte sich von seiner gestrigen Entdeckung nichts anmerken lassen. Außerdem beruhigte die Anwesenheit des kleinen Kerls tatsächlich, was Link merkwürdig fand. Er stand auf und holte einige Dinge aus den magischen Taschen. "Willst du mit uns essen, ja?" Der Knirps nickte und wirkte im Moment sehr schüchtern, was nicht zu seinem Auftritt in Ganons Kirche passte. Sie machten es sich außerhalb zu dritt auf einem umgefallenen Baum bequem, der Knirps in der Mitte von Zelda und Link. Alle drei hatten eine Holzschüssel in der Hand und alle drei schauten in ein kleines Lagerfeuer. "Du trägst einen interessanten Dolch mit dir herum", meinte Zelda nach einer Weile. "Ja, mein Vater wird ihn mir schenken, wenn ich existiere, heißt das..." Link stand auf und nahm sich noch eine Schüssel voll mit der Suppe. Es war ein komisches Gefühl, dieses Kind und Zelda um sich herum zu haben, irgendwie eine angenehme Situation. Vielleicht stimmte es wirklich und dieser Knirps war eine zukünftige Reinkarnation von ihm. "Und wer ist dein Vater", fragte Link, der natürlich alles wissen wollte. Der kleine Kerl antwortete nicht und schaute zu Boden. "Lass' ihn, Link. Er wurde bestimmt angewiesen, niemanden etwas darüber zusagen." Da sich Zelda einmischte, hackte er nicht weiter nach. Link stach aus der kleinen Gesellschaft irgendwie heraus, da er als einziger modernere Klamotten trug und vielleicht fühlte er sich auch so, als würde er herausstechen. Der kleine Kerl nahm sich seine Schüssel des Eintopfes und setzte sich wieder, nur diesmal auf Zeldas Schoß, was ihm sehr gefiel. Zufrieden schlürfte er seine Schüssel leer und schwatzte, während Möhrenstückchen an seinem Mund hingen: "Ich war vorhin in Schicksalshort bei Ganondorf. Er weiß zwar, dass Link hier ist, aber nicht, dass Zelda noch lebt." Und erneut tauchte er sein Gesicht fast vollständig in die Schüssel. Zelda und Link sahen sich überrascht an. Link kniete nun vor dem Kerl nieder und packte ihn leicht an seinen Schultern. "Du warst bei Ganondorf? Bist du noch zu retten? Er hätte dich umbringen können. Mach' nie wieder so einen Blödsinn, hörst du." Mit großen Augen sah der Knirps in das Gesicht von Link und hörte willig zu. "Ganondorf ist gefährlich und kennt keine Gnade, nicht einmal gegenüber Kindern. Stell' nie wieder deinen Mut auf so eine Art und Weise auf die Probe, ja?" Es schien, als fügte sich der Bengel den Worten von Link und nickte. "Gut", ergänzte Link, setzte sich wieder auf den Baumstamm und fragte sich leicht irritiert, was in ihn gefahren war und warum es ihm so wichtig war, dass der kleine Kerl nicht so leichtsinnig mit seiner Existenz umging. Mache ich mir etwa Sorgen um diesen Kegel, fragte er sich. Auch Zelda schaute überrascht zu Link und dachte über seine teilweise strengen Worte nach. "Link hat Recht, selbst wenn du keine richtige Existenz besitzt, Ganon könnte einen Weg finden, dich in deiner jetzigen Form zu töten, kleiner Mann." "Okay. Aber kann ich denn noch was von dem Eintopf haben", murmelte er und reichte Zelda die Schüssel. Sie konnte nur lachen angesichts dem unverblümten Grinsen in seinem Gesicht. Auch Link lachte herzhaft. Der Bengel hatte größeren Appetit als er- ein Grund zum Lachen. Nur verständnislos blickte er drein und begann einfach mitzulachen. Eine Stunde später war der Knirps verschwunden und die beiden Hylianer befanden sich auf dem Weg nach Süden. Zelda blickte wieder über Links Schulter und erkannte ein kleines Dorf direkt auf ihrem Weg. "Schau' Link, lass uns dort mal anhalten." "Klar. Vielleicht finden wir eine Quelle und können unsere Flaschen wieder auffüllen." "Dort ist tatsächlich eine, soweit ich mich erinnern kann." Sie legten einen Zahn zu und Namenlos sauste schneller über die grünen Wiesen der hylianischen Steppe. "Link?", meinte Zelda ein wenig ernster, mit einem scharfen Unterton. "Ja, was ist denn? Wenn du so anfängst, hast dir mir sicher wieder was tolles mitzuteilen", grummelte er, als er Wasser in die Flaschen füllte. Sie befanden sich inmitten an einem Brunnen in dem Dorf. "Hast du mir irgendetwas zusagen?" Er schaute sie tiefgründig an. "Hast du mir denn etwas zusagen?" "Nein." "Fein. Ich dir auch nicht." Ausnahmsweise hatte Link mal schlechte Laune, da ihn erstens der Traum und zweitens der Bluterguss an Zeldas Hals beschäftigte. Wenn das so weiterginge, würde er das Vertrauen in Zelda verlieren... Zelda stützte aufgebracht ihre Arme an ihre Hüften. "Was verschweigst du mir?" Link äffte sie nach und sagte: "Was verschweigst du mir denn?" Dann verschränkte sie ihre Arme und sagte lauter als vorher: "Nichts, dass dich interessieren müsste." Dann ging sie auf ihn zu und deutete an ihren Hals. "Kannst du mir bitte sagen, was das zu bedeuten hat? Was hast du getan, du Mistkerl?" "Ich???" Empört packte er sie an ihren Schultern und sah sie eindringlich an. "Wieso ich? Sag' mir lieber, ob Preston das gewesen ist?" "Wieso Preston?" Wenn Zelda das Unschuldslamm spielte, würde man ihr alles glauben. Denn sie war im Schauspielern nicht einmal schlecht. "Alles, was ich diesem Widerling verpasst habe, waren ein paar blaue Flecke. Ich würde ihn niemals an mich heranlassen. Wie kannst du nur annehmen, ich hätte sowenig Achtung vor mir selbst?" "Und wer war es dann?" "Du warst es wirklich nicht?" Zelda begann ihm nun doch noch allmählich zu glauben. "Verdammt, Zelda, traust du mir so was zu. Das ist ja ungeheuerlich. Wie kannst du nur so was von mir denken!?" Er drehte sich um und schüttelte mit dem Kopf. "Sorry, ich bin wohl ausgerastet wegen dieser Sache", sagte sie dann. "Aber wer war es dann?" "Das kann ich dir nicht sagen, Zelda." Link füllte weiterhin die Flaschen auf. Nach einer Weile platzte ihm der Kragen und vor Wut warf er die Flaschen durch die Gegend. Zelda biss sich vor Schreck auf die Lippe und sagte zaghaft: "Link. Beruhig' dich. Was ist nur in dich gefahren?" Er warf ihr einen trübsinnigen Blick zu und ließ sich auf den Boden sinken. "Es macht mich wahnsinnig, Zelda", sagte er leise. Sie setzte sich neben ihn und starrte gedankenversunken ins Nichts. "Als ich vorhin aufgewacht bin, da... da lagst du direkt neben mir und..." Sie machte eine kurze Pause, bevor sie weiterredete. "und... dann ist der kleine Junge aufgetaucht, der mich auf diese Stelle aufmerksam gemacht hat. Deswegen habe ich angenommen, dass du das gewesen bist. Tut mir leid, Link. Wie konnte ich dir nur unterstellen, dass du mir so was antun würdest." "Wie konnte ich nur annehmen, dass du Preston gestattest hättest, dich anzufassen. Wir haben wohl beide einen Grund, uns vergeben zu müssen. Und wegen vorhin... ich wollte dich nur wärmen, weil du gezittert hast, das ist alles." Sie sahen sich an und lächelten leicht. Zelda sagte noch: "Wir sind zwei ganz schöne Trottel, nicht wahr?" Link nickte nur und ehe er sich versah, gab Zelda ihm schon wieder einen Kuss auf die Wange. "Entschuldigung akzeptiert", erwiderte Link. Diesmal gab auch er ihr spontan einen Kuss auf ihre Wange, worauf sie meinte. "Deine Entschuldigung ist ebenfalls angenommen." "Gut." "Gut." Sie sahen sich noch eine Weile in dem Dorf um. Es war zwar nicht besonders groß, aber sehr sauber. Die grauen Pflastersteinstraßen sahen aus, als wären sie erst vor wenigen Stunden gefegt worden. Viele Bäume verliehen dem Ort etwas ausgesprochen Natürliches. Selbst das grüne Gras unter den Füßen von Zelda und Link wirkte gepflegt. Jedes Gebäude war mit Blumenkränzen, Masken und anderen Dingen beschmückt. Es sah so aus, als wäre hier in den letzten Stunden Hyrules ein Fest gefeiert worden. Link betrat eines der Gebäude und schnüffelte ein wenig herum. Er betrat ein kleines Zimmer mit Schreibtisch und vielen Regalen mit Büchern. Neugierig kramte er zwischen den Büchern und konnte auf einmal die Titel lesen. Was war denn jetzt schon wieder falsch? Er zwinkerte und schaute noch einmal darauf. Aber Hylianisch erschien ihm plötzlich so vertraut wie seine Muttersprache. Krass... Link begann zu grinsen und schlug das erstbeste Buch auf, das er in die Hände bekam. Diese Fähigkeit würde sich bezahlt machen. Er setzte sich auf einen Holzstuhl und las einige Abschnitte. Das Buch erzählte von alten Legenden, wie zum Beispiel über die Mächte des Triforce. Dem Buch zufolge brächte es nicht nur Mut, Kraft und Weisheit mit sich, sondern auch andere Fähigkeiten, wie Heilkräfte. Das war interessant, besonders für Link. Dann fiel ihm ein weiteres kleines Büchlein auf, das auf dem Schreibtisch lag. Es war sehr abgenutzt und zerfiel beinahe in Links Händen. Er warf einen Blick hinein und erfuhr so manches über das Fest des Friedens und über die Tatsache, wem das Fest galt... keinem anderem als dem Helden der Zeit... ihm... Dazu fiel ihm neben seinem Erstaunen nichts als ein: ,Na toll' ein. Er las weiter und entnahm dem Geschriebenem Dinge über Prinzessin Zelda und irgendwelchen Gerüchten, die sich um sie drehten. Außerdem stand etwas über die letzten Tage in dem Tagebuch und darüber, wie Hyrule verblasste. Er blätterte zurück und las noch einmal genau nach: "Heute gegen Mittag kam Prinzessin Zelda persönlich in unserem kleinen Dorf vorbei- eine Schönheit ohnegleichen und einer der liebenswürdigsten Menschen, die mir jemals begegnet sind. Sie verhielt sich so anders als eine Adlige von hohem Rang und behandelte jeden Bürger hier wie Gleichgestellte. Das Gerücht scheint zu stimmen, dass sich der Held der Zeit persönlich im Schloss befindet, denn als ein Dorfbewohner die Prinzessin befragte, nickte sie und schaute mit ihrem graziösen Blick zu Boden. Ein seltsamer junger Mann begleitete sie, vermutlich eine Schlosswache. Er trug Kleidung aus dem Schloss und hatte ein Schwert auf dem Rücken. Er musste in etwa das Alter der Prinzessin haben und besaß goldblondes Haar, dass er zu einem Zopf verbunden hatte. Seltsam allerdings war, dass die Prinzessin diesem Mann einen Kuss auf die Wange gegeben hatte, als sie sich am Brunnen unterhielten. Der junge Kerl schien verletzt zu sein, denn manchmal stützte er sich an ihr ab und hielt eine Hand an seine Brust. Und das Gerücht die Prinzessin würde sehr bald das Bündnis der Ehe eingehen, musste ebenso wahr sein. Prinzessin Zelda- eine wahrhaft großartige Person..." Zeldas Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und sie lugte halb durch den Türspalt. "Bist du soweit? Wir sollten dann weiterreiten. Da fällt mir noch etwas ein. Hast du Appetit auf frischen Salat aus Hyrule?" Link sah auf und nickte stumm. "Gut. Hinter dem Dorf auf den weiten Feldern können wir ruhig welchen mitnehmen." Er schlug das Buch zu. Er folgte ihr aus dem Gebäude und sie folgten dem Weg aus dem Dorf hinaus. "Zelda, erzählst du mir vom Fest des Friedens?" Sie blieb stehen und sah ihn überrascht an. "Woher weißt du denn davon?" Link schaute halb trübsinnig zu Boden und erwiderte: "Es ist seltsam, aber... ich kann Hylianisch lesen. Einfach so, von heute auf Morgen. Dabei konnte ich es vor einer Weile noch nicht; und gelernt habe ich es auch nicht." Zelda lächelte ihn an. Für sie war das ein gutes Zeichen für Links Erinnerungen. Vielleicht erinnerte er sich allein durch den Aufenthalt in Hyrule an sein früheres Ich. "Link. Das ist fantastisch", und sie warf sich ihm vor Freude um den Hals. "Natürlich erzähle ich dir etwas darüber, wenn du möchtest." Sodann plapperte Zelda munter darauf los, erzählte über die Riten und der Bedeutung des Tages. Schließlich erzählte sie ihm, von dem damaligen Zwischenfall mit Mortesk und von seinem Aufenthalt im Schloss, der ein wildes Gemurmel beim hylianischen Volk entfachte. Denn jeder kannte den Titel: Held der Zeit. Niemand aber außer den Weisen und dem König, einigen weiteren Personen und Malon kannten seine wahre Identität. Ohne Verlegenheit erzählte Zelda ihm auch von der Tatsache, dass sie sich persönlich um seine Pflege gekümmert hatte und das sie, nach einigen Schwierigkeiten, durch die sinnlosen Ansichten ihres Vaters viele Tage zusammen verbracht hatten, um die Magie des Medaillons zu entdecken und einen weiteren fatalen Umstand zu verhindern... die Brechung des Siegels, welches Ganon von Hyrule fernhielt. Kapitel 64: Geheimnisse der Vergangenheit VII --------------------------------------------- Kapitel 47: Geheimnisse der Vergangenheit VII Doch der König von Hyrule hielt seine Versprechen und Zelda hatte die nächsten Tage sozusagen Hausarrest. Gekränkt saß sie in ihrer eigenen kleinen Bibliothek und brütete über seine Worte nach. Sie wollte einfach nicht das dumme Spielzeug dieser verlogenen Prinzen sein, sie wollte einfach nicht. Prinzen, die ihre Ehre darin sahen, andere Menschen herumzuhetzen, die nicht wussten, was wahre Ideale waren. Link war da anders, aber er war nun mal kein Prinz und besaß kein Rechte an Hofe. Sie lehnte sich an eine Wand in der hintersten Ecke der Bibliothek und ließ sich wie ein Häufchen Elend auf den Boden sinken. Sie zog ihre Knie zu sich heran und weinte bitterlich. Sie hasste ihr eigenes Schicksal, hasste ihren Vater für seine Entscheidungen und hasste sich selbst für ihre Armseligkeit. Sie weinte immer weiter, inzwischen war es ihr egal, ob sie jemand so sah, oder sich jemand über sie lustig machen würde. Sogar das Königreich war ihr in diesem kurzen Moment egal. Man hatte sie in ihren Gemächern eingesperrt und Link wurde nur noch von den Zimmermädchen umsorgt, was ihr im geheimen das meiste ausmachte. Einige hatten sich in ihn verguckt und jedes Mädchen träumte wohl von einem solchen Helden. Es tat irgendwie weh... was, wenn er sich ebenso in eine dieser jungen Hylianerinnen verlieben sollte... Wie ging es ihm eigentlich? Sie hatte ihn die letzten Tage nicht zu Gesicht bekommen und war kurzum wütend auf sich selbst. Warum eigentlich kümmerte es sie, ob sich Link verlieben würde? Es ging sie doch nichts an... Hättest du nicht einfach nachgeben können, sagte sie zu sich selbst. Musstest du deinen Vater so behandeln? Ihr zügelloses Temperament hatte ihr alles eingebrockt... Sie stand auf und lief in ihr Badezimmer. Vor wenigen Minuten hatte eine ältere Hofdame namens Maia eine Wanne mit heißem Wasser für sie vorbereitet. Ausgeheult stand Zelda mit einem einfachen Abendgewand ohne Schmuck oder Schminke vor ihrem Spiegel und schämte sich nun für ihre Tränen. "Du bist eine Prinzessin und du trägst Verantwortung gegenüber deinem Volk. Es ist dir nicht gestattet zu weinen." Sie versuchte sich selbst zu beruhigen und starrte ihr Spiegelbild an. Das bist du nicht, dachte sie und hielt plötzlich inne, da sie das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Unsinn... sicherlich nur die Geister des Schlosses... Rasch drehte sie sich um, doch im Badezimmer befand sich niemand außer ihr. Einige Kerzen standen um die Wanne und Dampfwolken stiegen von dem warmen Wasser auf. Sie ließ das Kleid von ihrem Körper gleiten und sich in das warme Wasser sinken. An einem Tag wie diesem wo ohnehin alles schief gelaufen war, was schief laufen konnte, war ein heißes Bad die beste Medizin um abzuschalten. Nach einigen Minuten hörte sie aber erneut ein Geräusch, ein Klappern von außerhalb, dann ein Grunzen. Zeldas Augen weiteten sich. Wer zum Teufel schlich in ihren Gemächern herum? Schnell stieg sie aus der Wanne, zog sich einen weißen Bademantel über und nahm eine der Kerzen. Leise schlich sie aus ihrem Badezimmer und gelangte in ihre Stube. Sie konnte nichts entdecken. Was war hier nur los? Schatten tanzten im Zimmer umher und lediglich der warme Schein der Kerze half Zelda überhaupt etwas zuerkennen. Sie fühlte die Anwesenheit von dunklen Kreaturen und erinnerte sich mit einem Biss auf ihre Lippe, dass sie ihr Triforcefragment abgelegt hatte und sich auch sonst keine Waffen in ihren Gemächern befanden. Ausgerechnet heute schlichen sich Dämonen hier herum... ausgerechnet an diesem Tag, wo sowieso schon alles schief gegangen war. Sie fühlte Angst in sich hochsteigen, hörte ihren aufgeregten Herzschlag und zitterte am ganzen Körper. Sie musste versuchen zu der großen Tür zurennen... aber... verdammt, sie war ja abgeschlossen. Was nun? Link... hilf' mir bitte... flehte sie in ihren Gedanken, hoffte, er würde sie hören... Dann rannte sie trotz allem zu der großen Tür und schlug mit ihren Fäusten dagegen, aber niemand öffnete der Prinzessin von Hyrule die Tür, niemand hörte ihr Flehen. Flugs wurde sie unsanft an ihren Haaren gezerrt und durch den ganzen Raum geschleudert. Das kleine Licht der Kerze in ihren Händen erlosch und nichts half ihr in der Dunkelheit, die sie mehr als alles andere verabscheute. Zelda kam auf dem Boden in einer hinteren Ecke auf und sah drei Gestalten mit dunklen Mänteln. Eine schier böse Aura gingen von ihnen aus und sie übertrafen alles, was Zelda neben Ganondorf als bösartig erkannt hatte. Sie konnte ihre Lust zutöten fast spüren, fühlte wie eisiges Blut in den Adern der Kreaturen entlang floss und erinnerte sich an ihre eigene Hilflosigkeit. "Was wollt ihr von mir? Wer seid ihr?" Zeldas Stimme klang schwächlich, wie die eines kleinen Kindes... ja, sie hasste das Kind in ihr. Und wusste doch, dass sie genau das war... ein Kind. Die Kreaturen begannen zu lachen, doch antworteten ihr nicht. Stattdessen kamen sie der Prinzessin nah, zu nah, sodass sie die Grausamkeit der Geschöpfe förmlich riechen konnte und sie roch es... den Gestank des Todes. Die drei Bastarde zerrten an Zeldas Haaren, gruben ihre eisigen Klauen in die Haut ihrer Arme und erfreuten sich an ihren Angstzuständen. Zelda begann zu schreien, so laut und durchdringend sie konnte, aber sogleich spürte sie eine dreckige Hand über ihrem Mund. Sie wusste, wenn sie niemand gehört hatte, dann war sie nicht mehr zu retten. Einer umgriff ihre Kehle und hievte sie grausam in die Höhe. Verzweifelt kniff Zelda ihre Augen zu und umgriff die kalte Dämonenhand. Inzwischen spürte sie nicht einmal mehr den Boden unter ihren Füßen. Erneut wurde sie wie ein Stück Dreck durch die Gegend geschmettert und landete mit einem unangenehmen Knacken auf dem Holztisch in der Mitte ihrer Stube. Erneut ein Schrei, aber es schien niemanden zu interessieren. Wo waren diese verdammten Wachen, wenn man sie brauchte? Inzwischen lähmte die Furcht Zelda vollständig und sie lag nur auf dem Tisch, rührte sich nicht und ließ alles über sich ergehen. Die Kreaturen stürzten sich auf sie wie wilde, gefährliche Wölfe, die sie zerfleischen wollten. Sie hörte ihr eigenes Wimmern, ihr Flehen, auch wenn es keinen Sinn hatte. "Link...", entkam ihren Lippen krampfhaft. Anschließend sah sie einen Dolch in der Dunkelheit aufblitzen. Dieser vergrub sich in der Hauptschlagader an Zeldas rechter Hand. Blut floss, aber Zelda spürte keinen Schmerz mehr. Ein weiterer Dämon in seinem Umhang nahm eine kleine Flasche und fing das königliche Blut darin auf. Ruckartig wurde die Tür zu Zeldas Gemächern aufgestoßen und ein schlanker, junger Kerl mit ausnahmsweise mal keiner grünen Tunika trat mit einer Fackel in den Raum hinein. Er schwang die Fackel und in der anderen Hand sein Schwert. Die Kreaturen mussten ihr Ziel erreicht haben, denn schnell stürzten sie sich durch die Glasscheiben hinaus aus dem Schloss. Link aber rannte ohne weiteres zu Zelda, nahm sie in seine Arme und sah nur noch Starre in ihren Augen. "Zelda", sagte er laut, doch sie reagierte nicht. Er schüttelte sie und hoffte, sie würde sich aus ihrem Schockzustand lösen. In ihren Augen lag nichts mehr, nur Dunkelheit, nur Nacht und Angst. Jegliches Licht war daraus verschwunden. Zelda befand sich weit weg und tat wie leblos. "Zelda!" Seine Stimme wurde immer lauter, dann hörte man sein eigenes pfeifendes Atmen, da er nicht die Kraft hatte, wirklich zu kämpfen. "Wach' auf, Zelda, bitte." Dann tat Link nichts anderes als sie noch mehr an sich zudrücken und spürte nun wie kalt ihr Körper war, wie leblos. "Zelda... ich will dich nicht verlieren, bitte, bleib' bei mir...", murmelte er. Dann kamen Impa und der König angerauscht. Und einige weitere Soldaten standen vor den hohen Eichentoren in Zeldas Gemächer. Geschockt blieb der König vor dem eingetrümmerten Tor stehen, während Impa handelte und Zelda schnell auf den Schaukelstuhl legte. Link und Harkenia sahen zu wie die Shiekah in ihrer eigenen Sprache redete und eine Hand auf Zeldas Stirn legte. Die Worte taten gut, auch, wenn weder Link noch der König sie verstanden. Schlagartig atmete Zelda tief ein, bewegte ihre Augen hin und her und richtete sich fix auf. Sie schlug ungebändigt mit ihren Händen an die Kante des Schaukelstuhls, verlor jede Kontrolle über sich selbst und fing dann an zu weinen. "Zelda." Impa nahm Zeldas Gesicht in beide ihrer Hände und drehte es zu ihr, sodass sie ihrem Kindermädchen direkt in die Augen blicken musste. "Beruhigt' Euch. Ihr seid in Sicherheit." Nun lag wieder etwas in ihren Augen und der sanfte Ausdruck darin kam zurück. Sie sank zurück in den Schaukelstuhl, hielt die Augen aber geöffnet und blickte dann zu Link. Er erwiderte ihren Blick und ein Lächeln. "Danke, Link", sagte sie leise. "Diese Kreaturen..." Augenblicklich wurde es schwarz vor Links Augen. Nur unter Qualen hatte er sich zu Zeldas Gemächern geschleppt und nun spürte er seine Kräfte schwinden. Er lehnte sich an eine Wand und atmete hastig ein und aus. Dann setzte er sich auf einen Stuhl und hielt eine Hand an seine glühende Stirn. "Ich habe deinen Ruf gehört, Prinzessin...", seufzte er unter Schmerzen. Zelda erklärte den Anwesenden nach einer Weile, was geschehen war und Link ergänzte, was fehlte. "Danke Vater, dass du mir unbedingt mein Triforcefragment wegnehmen musstest, sonst hätte ich mich wenigstens verteidigen können", sagte sie missgelaunt, während Impa die Wunde an ihrer Hand verband. "Zelda, ich bezweifle, dass du damit die Fähigkeit gehabt hättest, diese Monster zu besiegen." "Aber ich hätte es wenigstens versuchen können, wäre Link nicht gewesen, würde ich jetzt tot sein. Oh, ich vergas, meinem Vater ist das ja nicht von Bedeutung." Zelda ging nun zu weit. Link blickte sie schockiert an, da er sie noch nie so reden gehört hatte. Im Gesicht ihres Vaters stand Schmerz geschrieben. "Zelda, mein Kind, ich habe..." "Du hast einen Fehler gemacht, nur weil ich nicht tat, was du von mir verlangtest. Und das sind die Konsequenzen, die du nicht sehen wolltest. Du willst nichts sehen, was das Leben deiner Tochter betrifft und noch weniger willst du sehen, was das Schicksal für dieses Königreich bereit hält. Wach endlich auf aus deiner schönen, heilen Welt." Zelda fauchte. Jetzt, da sie wieder bei Sinnen war, hegte sie eine unglaubliche Wut auf ihren Vater, da er erneut eine falsche Entscheidung getroffen hatte. "Ich will nicht mehr...", sagte sie dann und riss sich von Impas mütterlichen Händen los, die ihre Temperatur überprüfen wollte. "Ich möchte einfach nur..." Harkenia ging auf sie zu und schüttelte den Kopf: "Zelda, meine Tochter, es..." Aber er wurde unterbrochen. "Mein König, es ist genug", sagte Impa, fast unverfroren fuhr sie ihm über den Mund. Er blickte betreten zu Boden und verschwand dann aus dem Raum. Impa reparierte die Tür, während Link nur zusah und sich nicht traute, auch nur die geringste Bewegung zu machen. Sich halb verrenkend, saß er auf dem Stuhl und fragte sich, wieso seine Schmerzen wieder stärker wurden. Er wollte zurück in sein Bett, bezweifelte aber, dass er dies noch schaffen würde. Er hatte sich einen einfachen Mantel umgeworfen und trug eigentlich wieder nur seine weiße enganliegende Hose. Erst jetzt sah er, dass Zelda nichts weiter anhatte als einen weißen, knappen Bademantel, der zuwenig von ihrem Körper bedeckte. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, welches Zelda bemerkte. "Jetzt sind wir quitt, Prinzessin." Sie schaute erst verwirrt, begriff aber im nächsten Moment die Situation und begann zu lachen. Es mochte seltsam sein, aber nur durch Links aufheiternde Worte, fand Zelda selbst nach diesen schrecklichen Minuten ihr Lachen wieder. Es war sein Mitgefühl... nur ihm gebührte jener Dank. Die Zofe setzte sich noch einige Minuten zu den Beiden an einen Tisch und sie beredeten die abscheulichen Ereignisse erneut. "Ich befürchte, sie wollen mit meinem Blut das Siegel Ganons öffnen, Impa. Und jetzt ist es zu spät um sie noch daran zu hindern." Trübsinn überschattete ihre Stimme. Dann schlug Link mit der Faust auf den Tisch: "Verdammt. Ich hätte es verhindern müssen." Zelda legte ihre Hände auf seine: "Schau' dich doch mal an, Link. Ich weiß, dass es dir nicht gut geht. Du solltest dich ausruhen, ja?" Er schloss einfach nur seine Augen und fühlte erneut seine schmerzende Brust. Dann meinte er: "Wenn Ganon zurückkehrt, Zelda, dann haben wir alle nichts mehr zu lachen und dann ist eine einfache Stichverletzung das harmloseste, was man sich zuziehen kann. Sollte er zurückkehren, dann..." Er atmete tief aus. "... dann ist alles, wofür ich bisher gekämpft habe eine Illusion gewesen." Er stand auf und hielt sich geradeso auf den Beinen. "Ich werde jetzt in die Zitadelle gehen und diese drei Schreckensgestalten aufhalten. Ich muss sofort..." Dann stützte er sich an einem Schrank ab und noch ehe er weiterreden konnte, versagten seine Kräfte endgültig und er stürzte in sich zusammen. Zelda rannte zu ihm und fing ihn gerade noch auf. "So, Prinzessin, was machen wir jetzt mit Eurem Helden?" Aber Impa erwartete auf diese Frage keine Antwort. "Dieser Idiot, er hat keinerlei Kraft und unglaubliche Schmerzen durchzustehen, aber sein Wille bringt ihn über alles hinaus", erwiderte Zelda. Impa packte mit an und sie schleiften ihn in Zeldas Schlafzimmer. "Es überrascht mich schon, dass er es bis zu Euren Gemächern geschafft hat. Wie auch immer, wollt Ihr, dass er hier bleibt?" Zelda blickte ihn an und lächelte leicht, aber vergnügt. "Es wäre doch ein Unding, ihn erst wieder in sein Zimmer zuschleppen, richtig?" Auch Impa grinste: "Richtig. Ein Unding." "Noch etwas Impa... bringst du mir die Truhe mit meinem Fragment?" "Ja, das werde ich, Prinzessin. Außerdem werde ich mich in die Zitadelle begeben, um das Siegel zu überprüfen, aber bis jetzt" "bis jetzt, ist noch nichts geschehen... Ich weiß Impa, ich würde fühlen, wenn das Siegel gebrochen wäre. Aber wenn sie das Siegel nicht brechen wollten, wieso haben sie mir dann Blut gestohlen? Ebenso frage ich mich, woher sie wissen konnten, das im hylianischen Königsblut Magie verborgen ist. Eine neue Gefahr? Nein, das bezweifle ich." Impa nickte. "Ich werde dennoch Rauru Bescheid geben. Vielleicht warten diese Biester nur auf die perfekte Gelegenheit. Bis später, Zelda." Damit löste sich Impa in einer Rauchwolke auf und war von dannen. Link lag dann in Zeldas Himmelbett und wurde die ganz Nacht von seiner Prinzessin umsorgt. Link erwachte am Morgen durch den Duft von Rosen, oder ähnlichem. Ein angenehmer Duft, genauso wie der Engel in seinen Träumen. Er begriff und murmelte: "Mmh. Stimmt ja, ich bin in einem Bett... gähn." Damit drehte er sich um und lag auf der anderen Hälfte des Bettes. Komisch, er hatte geglaubt, das Bett wäre ein einfaches Bett gewesen, aber hier konnte er sich drehen und winden, wie er wollte, ohne dass er herunterfiel. War das Bett doch größer, als er es in Erinnerung hatte? Und immer noch duftete es einzigartig und er liebte dieses Aroma, welches seine Nase kitzelte. Er drehte sich noch mal um und erinnerte sich an seine Wunde. Sogleich tastete er vorsichtig seine Brust ab, und hatte ganz vergessen, welche Schmerzen er doch wegen diesem blöden, fiesen Mortesk durchzustehen hatte. Er richtete sich auf und konnte sich strecken... seit langem wohlgemerkt. Es ging sogar, ohne, dass ihm der halbe Brustkorb wehtat. Letzte Nacht war, so verstand er, die erholsamste für ihn gewesen. Er war nun fast frei von Schmerzen und kuschelte sich mit einem Lächeln in die weichen Kissen, an welchen ebenso dieser Geruch, dieser Duft haftete, durch den es ihm gleich wieder besser ging. "Zelda...", murmelte er und hütete sich vor seinen Gedanken. Denn mit jedem Gedanken an sie, wurde es ihm innerhalb von Sekunden warm ums Herz und er fühlte sich besser, vielleicht viel zu gut. Zelda hatte sicherlich die heilendste Wirkung auf ihn... Während er so vor sich hinträumte, sich die Nähe seiner Prinzessin vorstellte und verträumt ihren Namen murmelte, öffnete er endlich seine Augen. Verwundert sah er sich um und stellte fest: Du Trottel, wie kommst du denn hierher? Er wusste, dass er sich in Zeldas riesigem Himmelbett befand, aber wieso? Dann klopfte die Realität an seinen Gehirnskasten. Linkylein, sagte sie, hast du deine Blödheit von gestern etwa vergessen? Oh, nein, das habe ich nicht, entgegnete er, geschockt, wie stumpfsinnig er doch mit sich selbst reden konnte und erinnerte den gestrigen Abend. Ach ja, jetzt hast du's geschafft, du bist in Zeldas Bett gelandet... Er stand auf und fühlte sich tatsächlich besser und kräftiger. Mit einem Schmunzeln auf den Lippen befreite er sich als erstes von seiner weißlichen Hose und saß ganz nackt auf der Bettkante. Auch die riesige Narbe fiel ihm jetzt erstmalig auf. Sein Magen machte sich bemerkbar, aber er ignorierte ihn. Dann betrachtete er die Kleidung neben dem Bett. Es war ein blassblaues tunikaähnliches Gewand mit kurzen Ärmeln, an welchem goldene Triforcestickereien angebracht waren, sowie eine lange, dunkle Hose, die sehr elegant aussah und die er bisher nur bei Adligen gesehen hatte. Passend zu dem Outfit hatte Zelda ihm ein Paar Stiefel, einen Gürtel und neuen Riemen für sein Schwert zurecht gelegt. Aber er vermisste seine grüne Mütze immer noch. Er zog die Kleidung an und sie passte wie angegossen. Link sah nun wirklich aus wie ein kleiner Prinz, der nirgendwo anders, als an die Seite von Prinzessin Zelda gehörte. Er betrachtete sich selbst vor dem Spiegel und kratzte sich am Kopf. Oh Mann, bist du das wirklich? Er sah gut aus, um nicht zu übertreiben... richtig edel. Doch das beste war, dass er sich wirklich besser fühlte, einfach wunderbar, wenn man keine Schmerzen hatte. Im Spiegel fiel ihm aber noch etwas anderes auf, nämlich, dass er in dem Raum nie allein gewesen war. Auf der anderen Hälfte des Bettes lag jemand total von den Decken umhüllt. Bei Farore! Wieso hatte er vorhin nicht gemerkt, dass sich jemand in dem Bett befand. Er hätte es doch fühlen müssen, da er sich in dem Bett herumgewälzt hatte. Aber aus nicht verständlichen Gründen hatte Link die Person in dem Bett mit seinem Kuscheltier verwechselt. Er lief hinüber und zog vorsichtig die Bettdecke weg. Und... und erblickte die reizende Prinzessin Zelda, wie sie schlafend ein Kissen umarmte. Sie war so wunderschön, dachte Link, wie ein Engel oder eine Göttin... Dann setzte sein Verstand wieder ein. Hatte er etwa, die ganze Nacht neben der Prinzessin, in ein und demselben Bett geschlafen. Heiliger Deku! Wenn das jemand herausbekam... Dann wurde es ernst. Dann wurde es brenzlig. Dann wurde es gefährlich. Aber er musste zugeben, dass er sich an den Anblick Zeldas am frühen Morgen gewöhnen könnte. Sie wirkte so zerbrechlich und gleichzeitig stolz und stark. Er legte einige Fingerspitzen auf ihre rechte zartrosa Wange. Ach... er liebte ihre sanfte Haut. Sie blinzelte, gähnte dann und lächelte ihn an. "Hey, mein Held, du bist ja schon wach." Dann richtete sie sich auf. "Und du hast die Kleidung anprobiert. Du siehst einfach... klasse darin aus." Sie schaute verlegen weg, genauso wie Link selbst. "Wie fühlst du dich heute?" "Ich habe fast keine Schmerzen mehr. Sag' mal..." Er setzte sich auf die Bettkante und murmelte in ihr Ohr: "...was hast du gestern mit mir angestellt?" "Nichts... das du bereuen müsstest." Er grinste, sie grinste zurück. "Wenn das so ist, dann behalte es ruhig für dich, du kleine..." "Pst!" Sie legte eine ihrer zarten Hände auf seinen Mund, die dann zu seiner Schulter wanderte. Dann umarmte sie ihn und Link wusste nicht, was er zu einer solch angenehmen morgendlichen Geste sagen sollte. Sie drückte ihn zurück auf die Matratze. Dann stand sie auf und Link beobachtete, wie sie sich davon bewegte in Richtung eines kleinen Schreibtisches. Ihre Schritte waren so anmutig wie jede andere Bewegung, die sie machte. Erst jetzt fiel ihm ihr samtenes Nachtgewand auf, das sie trug und sich eng um ihren graziösen Körper wand. Jedes Detail kam dadurch zum Vorschein; und er liebte jede Einzelheit ihres Körpers. Sie kam zurück mit einer kleinen Schachtel, die sie öffnete und deren Inhalt sie Link stolz präsentierte. "Eine magische Kräutersalbe, mit der ich deine Wunde eingecremt habe. Und erfreulicherweise hat dein Körper ausgesprochen gut auf diese Behandlung reagiert, mein Held. Ist dir denn nicht aufgefallen, dass du keinen Verband getragen hast?" "Nein, der Umstand, dass ich in deinem Himmelbett aufgewacht bin, hat mich total aus der Fassung gebracht, Zelda..." Sie grinste erneut und forderte ihn auf, liegen zu bleiben. "Könntest du dieses Hemd nicht doch noch mal ausziehen? Ich möchte die Narbe erneut mit der Salbe eindecken, wenn... wenn du möchtest... Ich kann aber auch... eines der Dienstmädchen anweisen, dass sie... das... tun sollen." Warum war sie denn so nervös? Daraufhin packte Link sie sanft am Handgelenk und schüttelte mit dem Kopf. "Nein... ähm, bitte, bitte mach' du das" und er zog ohne viel Drumherum das blassblaue Gewand erneut aus. Zelda biss sich leicht auf ihre Unterlippe, konnte ihre Augen nicht von seinem attraktiven Oberkörper lassen, verspürte den Wunsch, jeder Kontur mit ihren Fingerspitzen zu folgen. Bei Nayru, er war ja so anziehend, so fesselnd... Zelda setzte sich vorsichtig hinter ihn und deckte liebevoll seine Haut mit der Salbe ein und begann ihn dann zusätzlich noch zu massieren. Oh, er liebte diese Hände. "Ich könnte das stundenlang über mich ergehen lassen..." "Ich sag' doch... du hast in meiner Gegenwart nichts zu bereuen, Link." "Selbst wenn... würde ich die Reue schnell vergessen. Du vernebelst meinen Verstand, Zelda." "Soso. Verneble ich denn auch dein Herz?" Erschrocken blickte er sie an. Zelda stand auf und legte eine Hand auf ihre dreiste Klappe. Schreck lass' nach, was war nur los zwischen ihr und Link? Sie redeten nicht einfach nur miteinander, nein, Zelda wusste, wie man diese Art der Kommunikation nannte. Sie flirtete mit ihm und es machte ihr auch noch ungeheuerlichen Spaß. Verdammt, du bist schließlich die Prinzessin, mahnte sie sich. Du kannst nicht einfach so... mit Link... Er zog seine Kleidung wieder an und bedankte sich für das Eincremen, ging zur Tür und murmelte noch leise, doch Zelda sollte sein Babbeln nicht verstehen: "Du vernebelst mein Herz nicht, Zelda, nein du... du besitzt es bereits." Mit hochrotem Kopf ging Link aus ihrem Schlafgemach. Link und Zelda verbrachten die nächsten Tage miteinander, besuchten einige Dörfer Hyrules, in denen Vorbereitungen für das Fest des Friedens liefen. Sie ließen ihre Seelen baumeln, auch wenn noch immer eine unbekannte Gefahr drohte, die vermutlich die Brechung des Siegels der Weisen im Sinn hatte. Gelegentlich sprachen sie darüber, aber Zelda hatte Link strenge Anweisungen gegeben sich auszuruhen, falls er sich in seinem Zustand in gefährliche Situationen begeben wollte und hatte mehr als zwei Augen auf ihn, was nur zu seinem Besten war. Immerhin kannte sie seinen Mut, der manchmal zu weit ging... Kapitel 65: Am Hylia See ------------------------ Kapitel 48: Am Hylia- See Es war kurz nach Mitternacht, als beide Hylianer den südlich liegenden See erreichten. Das riesige Gewässer lag wie ein großer Wassertropfen zwischen einer Kette von kleinen Bergen und hatte etwas Melancholisches an sich, da sein Bild in der Erinnerung lebte und nur dort noch Existenz fand. Seine harmonischen Wogen, das reine, kristallene Wasser, die frische, klare Luft schafften eine angenehme Atmosphäre. Link warf einen Blick hinaus auf die weite Wasseroberfläche und nur spärlich erkannte er inmitten des Sees mehrere kleine Inseln, von denen eine den nächsten Zielpunkt darstellte. Aber vor dem Morgen würden sie nicht hinausfahren, um den Ort zu erkunden. Sie brauchten Ruhe, andernfalls würden sie sich beide erneut in derartige Gefahren bringen wie in der Weisenstätte in der Wüste. Niemals mehr würden sie einen solchen Ort betreten, wenn sie ohnehin von den Strapazen der Reise geschafft waren. Diese Lehre hatten sie aus den Kämpfen in der Wüste gezogen. Zufrieden und ein bisschen müde marschierten sie auf ein einzelnes steil und krumm in die Höhe ragendes Haus zu, welches direkt am Ufer des Sees lag und dadurch auffiel, dass ein außergewöhnlich langer mausgrauer Schlot in die Höhe ragte. Von außen gesehen wirkte es sehr gemütlich, auch wenn es mehrere Stockwerke besaß. Kleine, fast runde Fenster mit zerbröselnden blauen Rahmen wirkten wie Augen an den mit Moos bewachsenen Steinwänden. Sie entdeckten eine alte, quietschende Haustür erst nachdem sie um das ganze Gebäude gelaufen waren. Rutschige Treppenstufen führten ein wenig in den Erdboden hinein und schließlich standen Zelda und Link vor einer kleinen Tür. Link öffnete den unverschlossenen Zugang und betrat als erster das Häuschen. Sofort entfachte er das Feuer seiner Öllampe und stellte diese auf einen eher wackeligen Tisch, der sich links in einer Art Wohnstube befand. Das Zimmer war nicht besonders groß und durch insgesamt drei Türen hatte man Eintritt in weitere verstaubte Zimmer. Dennoch hatte diese kleine Wohnstube etwas sehr Ungewöhnliches, Befremdendes an sich. Überall standen in Regalen reihenweise größere und kleinere Glasfläschchen mit ekelerregendem Inhalt. Link trat näher und schaute sich die Inhalte genau an. Er erkannte Augen, Gehirne, Froschleichen und andere Dinge, die er nicht unbedingt aussprechen wollte. Wo bei Nayrus Segen waren sie gelandet? Zelda sah sich um und erinnerte sich, dass Link ihr in der Vergangenheit von diesem eigenartigen Labor erzählt hatte, selbst wenn sie noch nicht hier gewesen war. Ebenso hatte er ihr Horrorgeschichten über den alten, griesgrämigen Professor aufgetischt, die sie für blanken Unsinn und eine von Links kleinen Geschichten hielt. Aber jetzt, da sie dieses Labor mit ihren eigenen Augen erblickte, wurde ihr klar, dass Link damals keineswegs Schauermärchen erzählt haben konnte. Neben den Flaschen, Gefäßen gab es auch Urnen mit wer weiß welchem Inhalt und Karten, Bücher und Stethoskope lagen kreuz und quer herum. Neugierig schlichen sie beide in weiteren Zimmern herum, entdeckten vielerlei stumpfsinnigen Kram, bei dessen Anblick man sich fragte, wozu zum Teufel er überhaupt existierte. Sie fanden ein Schlafzimmer mit einem zerwühlten Bett, eine abgenutzte Küche, wo sogar noch einige vergammelte Gänsekeulen in einer Pfanne angebraten waren, eine verstaubte Bibliothek und zu guter Letzt einen irreführenden, verwinkelten Keller. Weiterhin schauten sie sich um und wühlten in alten Truhen mitten im Keller herum. Zelda war gerade am Schnüffeln in einer alten Truhe, in der sogar Waffen lagen, vor allem Pfeile, die sie schnell in ihrer magischen Tasche verschwinden ließ, als Link unbemerkt in einem weiteren Kellerraum verschwand. Nach mehreren Minuten spürte sie dann, dass er fehlte und nicht wiederkam. "Link", rief sie und ihre Stimme schallte in den unterirdischen Kellerhallen umher. Dann hörte sie laute Geräusche aus einem Nachbarraum wie als ob einige Regale umgefallen wären. Sie rannte in Richtung der Laute und noch bevor sie die Tür öffnen konnte, kam Link aus ihr herausgestürmt und rannte sie beinahe über den Haufen. "Link, was ist denn passiert?" "Frag' lieber nicht?" Sie sah ihn an und begann dann zu kichern. Sie zeigte mit einem Finger auf ihn. "Link, du siehst ja aus wie ein Schleimmonster", platzte es aus ihr hervor und dann kugelte sie sich vor Lachen. Von oben bis unten, überhaupt alles an Link war übersät mit grünem Schleim: sein Haar und das Cape, sein grünes Hemd, die Jeanshose und selbst die Schuhe. Zelda ging auf ihn zu und berührte den Schleim an seiner Nase. "Na, mein Schleimmonster. Du hast dir aber eine schöne Farbe ausgesucht... haha." Dann hielt sie es nicht mehr aus und lachte erneut herzhaft angesichts Links Anblick, der nur verärgert drein sah, seine Fäuste ballte und seine Augen vor Wut zusammenkniff. "Ich suchte gerade nach irgendeinem Gegenstand, als mir eine Falltür in dem Raum auffiel. Natürlich öffnete ich sie und dann ist es passiert.", erklärte Link. Er lief mit ihr aus den Kellerräumen und allmählich trocknete der Schleim an seiner Kleidung, was bedeutete, dass dieser noch schwieriger zu entfernen sein würde. "Aus der Falltür kamen etwa zwanzig grüne Schleimviecher. Wie nennt man die gleich noch mal? Wobbler?" "Ja, das ist richtig. Und hast du sie wenigstens vernichtet, mein grünes Schleimmonster." Link warf ihr einen bösen Blick zu und sagte: "Jep, sei froh, dass ich solche guten Manieren habe, sonst hätte ich dich gleich in einen Schleimhaufen geworfen, als du das erstemal gelacht hast, du kleine Hexe..." Sie lachte wieder und nun wurde es Link doch noch zuviel: "Zelda, auch jetzt gibt es noch Schleim in dem Zimmer", sagte Link borstig, als sie einer Treppe ins erste Stockwerk folgten. "Ja, und?", meinte sie gehässig, eilte voraus und blickte mit unschuldigem Engelsgrinsen über ihre Schulter. Link konnte nicht anders, er lächelte ebenso, als ob sie ihn mit ihrem Lächeln bereits unter ihre Kontrolle gebracht hatte. Dieses schmuckhafte Lächeln war das reinste Wunderwerk für ihn. "Zelda...", sagte er leise und hatte etwas irrsinnig sehnsüchtiges in seinem Blick. Langsam trampelte er in ihre Richtung. Aber seine Prinzessin war für romantische Stimmung einfach nicht zu haben. "Mein grünes Schleimmonster!", hauchte sie frech. Link stieg das Blut in die Wangen, hustete kurz und sagte trotzig: "Vielleicht überlege ich mir das mit meinen guten Manieren erneut und dann ist die Prinzessin von Hyrule hier das Schleimmonster. Vielleicht finden wir ja rosa Schleim, der würde dir besser stehen, nicht wahr?" Jetzt warf Zelda ihm einen bösen Blick zu und noch ehe sie sich versah, hatte Link ihr eine Schleimkugel in das blonde Haar geworfen. "Igitt, musstest du das machen!" "Jep, du hast mir keine Wahl gelassen." Er wischte sich den restlichen Schleim von seinem Ärmel und formte damit eine weitere Kugel, die er Zelda in das überraschte Gesicht schmetterte. "Link", fauchte sie, "es ist genug verdammt!" Sie rannte davon, als er wieder eine Kugel formte und Zelda deren Ziel darstellte. Link sputete ihr hinterher und sie rannten beide durch das ganze verwinkelte Haus, versteckten sich voreinander und rannten aufkreischend auf und davon, wenn sie die Nähe des anderen spürten. Nach einer Stunde hatten sie sich beide wieder unter Kontrolle und stellten den Wildfang in ihren Seelen ab. Lachend setzten sie sich in die Stube und hatten jeweils eine Schüssel mit warmen Wasser vor sich stehen, mit der sie versuchten den Schleim wegzuwischen. Bei Link jedoch half die Prozedur nichts, da sich der Schleim bereits tief in seine Kleidung hineingefressen hatte. Was nun? Er konnte nicht nackt durch Hyrule watscheln... Zelda jedoch musste einen solchen Notfall haben kommen sehen, da sie überraschenderweise Kleidung für ihren Helden dabei hatte. Sie kramte in den magischen Taschen herum und fand seine alte Kleidung. Ratlos sah Link sie an: "Ich soll wirklich eine Tunika, das weiße Hemd und diese enganliegende Hose... und die Stiefel, wie auch ein Paar Handschuhe anziehen. Ach... Zelda. Ich weiß nicht." "Nun hab dich doch nicht so. Entweder du trägst das oder deine schleimbesudelten Klamotten... außerdem...", setzte sie dann leiser hinzu, wurde leicht verlegene und blickte zu Boden, "... du sahst... in den Klamotten immer sehr... gut aus. Probier' es doch wenigstens aus... dann kannst du immer noch entscheiden, was du tun willst." Mit einem Seufzen verschwand Link und kam nach einer Weile zur Überraschung Zeldas mit dem Outfit der Kokiri zurück. Die etwas edlere, aus teurem Baumwollstoff bestehende grüne Tunika stand ihm ausgezeichnet und betonte zu Zeldas Freude seinen athletischen Body. Zelda starrte ihn lange an und flüsterte fast: "Und wie findest du es?" "Na ja, geht' so." Link schaute an die Decke und beschwerte sich seltsamerweise nicht mehr. Irgendwie fühlte er sich in den Klamotten wohl, auch wenn er sich am Anfang strikt geweigert hatte, diese zu tragen. Aber eine grüne Mütze konnte Zelda leider nicht auftreiben. "Zelda, noch etwas. Ich habe in den Kellerräumen einen weiteren Stein gefunden. Erneut einen roten, den ich dann gleich in meine Tasche gepackt habe." "Aha", meinte sie kurz und wirkte nicht mehr verwundert. Wie viele solche Steinchen würden sie denn noch finden? Sie entschieden sich sofort Schlaf zufinden, da morgen ein harter Tag wäre. Sie krabbelten unter ihre Decken und machten es sich im Wohnzimmer bequem. Aber Link stand nach einer Weile wieder auf, ging nach draußen und setzte sich an den Rand des gigantischen Sees. Wind durchwühlte sein blondes Haar, ein angenehmes Gefühl, dass er aus irgendeinem Grund vermisst hatte. Ja, er fühlte die Vergangenheit, die in seinem Herzen ruhte und allmählich rückten Gefühle, Gedanken in sein Bewusstsein, die ihren Platz nur in der Vergangenheit haben konnten. Ein heller Mond stand am Horizont, dessen Schein sich auf der reinen Wasseroberfläche spiegelte. Alles war so friedlich, so perfekt. Er wünschte sich nun, er könnte hier bleiben, in Hyrule, in der alten Heimat und er wünschte, er könnte diese Zeit mit Zelda teilen. Was würde passieren? Würde er Ganondorf bezwingen können? Was, wenn danach alles wieder in Ordnung war und auf der Welt tatsächlich alles wieder gerade gebogen wäre? Könnte er dann überhaupt noch ein gewöhnliches Leben führen? Wohl eher nicht... Und schon wieder grübelte er über die Dinge nach, die noch geschehen sollten. In seinen tiefblauen, ernsten Augen lag Zerstreutheit und Ungewisses. Andächtig beobachtete er die ruhige Wasseroberfläche und genoss die kühle Brise eines hylianischen Windes, der nicht wirklich war. Er schloss seine Augen und lächelte dann teilweise erzwungen. Ihm war nicht danach zumute, aber es half ihm ein wenig über den Frust der letzten Tage hinweg. Er lief zurück in das Haus und fand Zelda schlafend. Sie lag auf dem Boden, eingekuschelt in eine pelzige Decke, direkt neben dem Kamin mit den glühenden Kohlen. Erneut musste sie jenen Alptraum haben, da sie am ganzen Körper zitterte. Ihr war kalt, sie brauchte ein wenig Wärme... seine Wärme, dachte Link. Er konnte sie doch nicht einfach so... liegen lassen... Link nahm sich seine Decke und legte diese ebenfalls über sie. Er streichelte über ihre Wangen, murmelte etwas Liebes in ihr Ohr, aber sie stoppte nicht zu zittern. Eine Träne auf ihrer Wange machte ihm nun endgültig deutlich, dass sie jenen Alptraum jede Nacht hatte. Außerdem begriff er langsam, wieso sie ihm diesen Traum verschwieg. "Link...", hörte er sie wimmern. Er versuchte sie zu beruhigen und küsste sie auf ihre Stirn. Dann endlich kuschelte er sich zu ihr unter die Decke und drückte ihren kalten Körper an seinen. Ein wenig geschockt über ihre kalte Haut an seiner, bemerkte er kurzzeitig ein neues, aber atemberaubendes Gefühl. Er spürte einen wunderbaren Hauch von Wärme auf seinem linken Handrücken, eine Art Kribbeln und irgendwie packte ihn die Sehnsucht nach diesem Prickeln. Es machte süchtig; er wollte, dass diese Empfindung nie mehr verschwinden würde. Es wirkte erweckend, herausfordernd, zeigte ihm unbekannte Bedürfnisse in seinem Inneren auf, unbekannte Kräfte und eine Stärke, die aus seinem Willen geboren wurde. Und irgendwie ahnte Link, das dieses Gefühl, welches sich über seinen ganzen Körper ausbreitete und das er nicht loslassen wollte, etwas mit Zelda zu tun haben müsste. Waren es vielleicht gerade die Dinge, die sie in ihm erwecken konnte? Er ließ sich von dem Gefühl leiten und umarmte Zelda, wie er sie noch nie umarmt hatte, gleichzeitig überrascht darüber, wieso er ihre Nähe nicht schon früher auf diese Weise gefordert hatte. Plötzlich brach eine Flut von Bildern auf ihn ein. Nur verschwommen erkannte er diese, aber sie hinterließen ein unbeschreibliches Gefühl der Zuneigung und Zelda stand im Mittelpunkt. Er sah sich selbst, wie er durch den Sumpf mit den Moorgeschöpfen stapfte und Zelda erreichte. Fast schmerzhaft erkannte er vor sich, wie alles undurchsichtiger und undeutlicher wurde und ein zischendes, abstoßendes Gemurmel überschattete seine restlichen Sinne. Es bohrte sich in sein Herz hinein und er konnte verstehen, was ihm jene Geschöpfe zuflüsterten. Es ging um Zelda, nur um sie und alles andere wurde unwichtig. Er sah sich selbst, wie er ihr so nahe war, wie noch nie zuvor, wie er sie in seine Arme nahm und sie sich schließlich küssten. Alles verschwamm, die Bilder waren so verzerrt, wie in einer heimtückischen Vision, aber Link wusste, dass diese Küsse geschehen waren. Er sah, wie er sie vollkommen in seinen Armen hatte, sie nicht entkommen ließ und wild an ihrem Hals liebkoste. Die Bilder brachen zusammen wie Scherben, als Link schnell seine Augen öffnete und schockiert Zelda in seinen Armen ansah. Er legte vor Schreck eine Hand auf seinen Mund und schien zutiefst beschämt zu sein, über das, was er soeben gesehen hatte. Trotz allem begriff Link, das gerade diese Dinge zwischen ihnen passiert waren. Sie hatten sich geküsst, nein, sie hatten einander halb verschlungen und waren beinahe wie Tiere übereinander hergefallen. Oh je... Was hatten diese Moorgeschöpfe nur mit ihnen angestellt? Aber Schlimmer noch... was wäre, wenn er nicht alles gesehen hatte und sie noch weiter gegangen waren... was, wenn sie... verdammt, bin ich noch zuretten, fragte er sich, als sein Herz in der Brust den pochenden, starken Rhythmus beschleunigte. Was, wenn sie einander noch näher gekommen waren? Link machte seinen tiefblauen Augen zu und versuchte seine Gedanken und Empfindungen zu betäuben. Zelda... was haben wir getan, sagte seine Stimme in den Gedanken, bevor auch er endlich für einige Stunden seine Augen schloss. Das Kribbeln auf seinem Handrücken aber verschwand und hinterließ keine Spuren, geradeso, als wäre es nicht da gewesen. Am frühen Morgen lag ein stiller Nebel über dem See. Trotz allem stiegen die zwei hylianischen Seelen in eines der Boote und ruderten hinaus, bemüht die Insel zufinden. Link hatte die zwei dunkelbraunen Ruder in der Hand und bewegte das Boot vorwärts, während Zelda misstrauisch auf die Wasseroberfläche blickte und ein sehr ungutes Gefühl sie heimsuchte. "Wir sollten uns beeilen, Link. Die Morgendämmerung über dem See ist sehr tückisch." Er nickte bloß und warf ebenso einen Blick auf das trübe Wasser des Sees. Die Sonne ging gerade auf und warf einen rötlichen Schein durch das dichte Nebelgeschwader. Link ruderte ein wenig schneller und mit mehr Kraftaufwand. Auch er bekam allmählich ein merkwürdiges Gefühl. Der See schien so tief zu sein, dass man lieber nicht wissen wollte, was sich auf dem Grund verborgen hielt. Sie befanden sich weit vom Ufer entfernt, als erstmalig komische Blubberblasen aus dem Wasser hervorstiegen. Zeldas rechte Hand wanderte zu dem Griff ihres Schwertes. Beruhigenderweise kamen keine weiteren Blasen aus dem See, worauf sich die Situation wieder entspannte. Das Boot bewegte sich weiterhin fast lautlos über das zu ruhige Wasser hinweg. "Zelda, ich muss dir etwas gestehen...", meinte Link. Sie schaute ihn überrascht an und fragte sich brennend, mit welcher Wahrheit er jetzt herausrücken wollte. "Ich habe dir die letzten Wochen etwas verschwiegen. Nun ja, vielleicht ist es gar nicht so wichtig, andererseits solltest du es wissen." Eine Pause entstand. "Nun erzähl' schon. Was ist es?", sagte sie auffordernd und blickte erneut auf die Wasseroberfläche. Irgendetwas lauerte da unten, tief in dem See, irgendwo auf dem Grund... "Ich hatte manchmal Gesellschaft von diesem kleinen Kerl, du weißt, der kleine Fratz mit der grünen Tunika, aber das ist noch nicht alles..." Das fast übernatürliche Funkeln in ihren blauen Augen sprach Bände. "Gelegentlich ist mir ein weiteres kleines Etwas auf die Nerven gegangen. Es war ein Mädchen mit blonden Haaren, die etwa im gleichen Alter, wie der keine Kerl ohne Namen ist und seltsamerweise ebenso keinen Namen hat." Zelda zog ein nachdenkliches Gesicht. "Kann es sein, dass diese beiden etwas miteinander zu tun haben? Vielleicht sind es auch ein und dieselbe Person, wer weiß..." "Ich kann dir darauf keine Antwort geben, Link. Aber schön, dass du mir von der Sache erzählt hast. Die Zeit bringt sicherlich Antworten..." "Ja, das hoffe ich", setzte Link hinzu. Etwa eine halbe Stunde verging, als die Wasseroberfläche plötzlich unruhiger wurde und weitere Bläschen vom See heraufstiegen. Der morgendliche Nebel verzog sich allmählich und die Sonne strahlte vom Horizont herab. Zelda lehnte sich ein wenig über die Kante des Bootes und blickte durch das Wasser hindurch. Zuerst konnte sie nichts erkennen und beugte sich noch mehr über die Wasseroberfläche. Sie lehnte sich entspannt zurück und seufzte erleichtert. Sicherlich nur Einbildung. Wieder vergingen einige Minuten, doch dann... Die Blubberblasen stiegen in deutlicherer Anzahl nach oben, sodass auch Link einen Blick riskierte und das Wasser untersuchte. Vielleicht entdeckte er mit seinen scharfen Augen ja etwas. Tatsächlich sah er kleinere Schatten unter der Wasseroberfläche. Sicherlich nur ein paar Fische, über die man nicht nachdenken bräuchte. Doch dann sah Zelda plötzlich einige größere Schatten, die sehr unbehaglich aussahen und die einen weiteren Gedanken wert waren. Sie wies Link an, schneller zurudern und nutzte ihre magischen Kräfte für einen kleinen Antrieb. Und das Boot sauste so geschwind wie ein richtiges modernes Motorboot über den See, welche es in Hyrule selbstverständlich nicht existierte. Nebenbei... Magie ist doch tausendmal schöner als Strom... Nach einer Weile zügelten die beiden ihr Tempo und waren nun fast in der Nähe der Insel, die neben dem Eingang zu einem alten Tempel an dessen Grund einige Brücken beherbergte, welche zu anderen kleinen Inseln im Nebel führte. Link schaute erneut nachdenklich über das Wasser und sein Blick verriet Zelda, dass es noch andere Dinge gab, wichtigere Dinge, die er ihr verschwiegen hatte. Ob er möglicherweise ahnte, dass sie ihm Einsicht in ihre Träume vorenthielt? Aber schließlich hatte sie ihre Gründe, ihm gerade diesen Traum zu verschweigen. Es würde ihm seine Hoffnung nehmen, und diese müsste er unbedingt am Leben erhalten... "Link? Ich bin neugierig...", sagte sie und beugte sich leicht zu ihm nach vorne. Sie grinste ein wenig und musste eine interessante Frage haben, die ihn sicherlich aus der Fassung bringen würde. "Schwöre, dass du mir die Frage beantwortest, die ich dir gleich stelle." "Klar, worum geht's, Zelda?" Er ruderte gelassen weiter und hatte nicht den blassen Dunst, dass diese Frage ihn um Kopf und Kragen bringen konnte. Er schaute Zelda an, die nur noch breiter grinste. Dann schaute sie an ihm vorbei, hinein in das Wasser. "Warst du schon mal... ich meine, so richtig, versteht sich..." Zelda wurde knallrot im Gesicht, besonders, da Link sie noch genauer beäugte. "Was denn nun?" "Verliebt, Link, das wollte ich sagen." Seine Augen weiteten sich und beinahe wären ihm die Ruder aus den Händen gerutscht. Was sollte diese Frage denn jetzt? "Verliebt?", sagte er und wollte sich wohl vergewissern, dass er sich ja nicht verhört hatte. "Ja, genau", entgegnete sie. Er schaute weg, aber verbarg eine aufkommende Verlegenheit vor Zelda. "Mmh...", sagte er und überlegte sorgfältig, was er sagen sollte. Aber warum stellte sie ihm jetzt diese Frage? Peinlich... echt peinlich für Link, aber er blieb ernst und hart, zeigte keine Gefühlsregung, aus Angst vor seinen wahren Empfindungen. "Warum fragst du mich das, Zelda?" "Ach, nur so", meinte sie, schüttelte abtuend mit ihren Händen und schaute schräg zur Seite. "Ich war nur neugierig, Link." Nach einer Weile meinte er: "Zelda, ich weiß nicht genau... manchmal habe ich einfach das Gefühl, ich warte auf irgendwas. Das war zumindest immer so gewesen." "Du meinst, du wartest auf die eine, wahre Liebe?" Er schaute sie an, behielt seinen ohnehin schon für Zelda tiefgründigen Ausdruck in den Augen bei. "Du denkst, sie existiert? Die Liebe auf den ersten Blick?" "Es wäre schön, wenn es so wäre..." Jetzt war auch Link neugierig und zog die Ruder in das Innere des Bootes. "Warst du denn schon mal so richtig verliebt? In der Vergangenheit?" Sie schaute betrübt auf die Holzbretter des Bootes. Sie umfasste die Kette an ihrem Hals und spielte mit dem Anhänger. "Ich wusste nie, was Liebe ist, Link. In meiner Position als Prinzessin von Hyrule gab es nie Platz für Gefühle, die über einfache Freundschaften hinausgingen. Es gab für mich nie die Chance mich einfach gehen zu lassen, ohne das ich nicht wieder an Hyrule gedacht habe. Sicherlich... irgendwann hätte ich jemanden an meiner Seite gehabt, der zusammen mit mir über Hyrule herrschen würde, aber... es wäre niemals wahre Liebe aus einer solchen Verbindung entstanden." "Warum nicht? Mit der Zeit lernt man jemanden doch lieben, oder?" Sie suchte seinen Blick für einen Moment und schaute dann schnell weg. "Vielleicht, aber es wäre niemals die wahre Liebe gewesen, die ich gerne..." "Mmh?", sagte er, da sie ihm das wohl verschweigen wollte, aber es interessierte ihn. "... die Liebe, an die ich gerne geglaubt hätte. Außerdem hatte auch ich den Eindruck, auf jemanden zu warten." Link lächelte sie vielsagend an und beinahe hätte er gesagt: ,Auf mich?', aber er unterließ es höflichst. Er nahm die Ruder wieder und das Boot bewegte sich gemächlich auf die kleine Insel zu. Als sie an einem Steg anlegten und festen Boden unter den Füßen verspürten, fühlten sie sich mehr als erleichtert. Sie stapften auf der Insel hin und her und entdeckten einen Weg, welcher hinein in tiefen Nebel führte. "Unter uns befindet sich der Wassertempel, der aber nicht unser Ziel darstellt. Ich habe irgendwo mal gelesen, dass diese Brücke, welche in den Nebel führt, die Stätte eines Weisen verbirgt. Wir müssen bloß daran glauben, den Weg zu finden." "Sag' mal, dieser Nebel dort... ist der immer, ich meine, löst der sich denn nicht mal auf?" "Nein, das ist ja das Geheimnis, Link. Aber die Weisenstätte existiert noch nicht lange, wurde erst vor einigen Jahren erbaut..." Sie nahmen einen der Wege und hatten Glück. Sie fanden schnell den Eingang zu dem alten, unterirdischen Verlies, das von einigen Laubbäumen umgeben war. Wenige, rutschige Treppenstufen führten hinein in die Dunkelheit der Stätte, die nur darauf wartete betreten zu werden. Link packte seine Öllampe aus, nahm Zeldas rechte Hand in seine und sie liefen gemeinsam hinein in die Dunkelheit. Vorsichtig folgten die Spitzohren einem schier endlosen Gang, der immer steiler wurde, bis sie schließlich einige breite Treppenstufen vor sich hatten. "Link, ab jetzt sollten wir sehr vorsichtig sein, da dieser Ort für Unmengen von Fallen berüchtigt ist." "Okay, danke für den Hinweis." Sie liefen, noch vorsichtiger als vorher die Stufen hinab und warfen ab und zu einen Blick zurück, oder an die glitschigen Wände links und rechts von ihnen. Von irgendwoher kam dann ein Luftzug und das Licht von Links Lampe ging aus. Er entfachte sie wieder und sah dann in Zeldas besorgtes Gesicht. "Hey, ist alles in Ordnung?" "Äh, ja, ich habe nur versucht mich an die verwinkelten Räume dieser Stätte zu erinnern." Also war Zelda schon einmal hier. Das stimmte Link zumindest ein wenig fröhlicher. Wenn Zelda schon einmal hier war, standen die Karten nicht schlecht, dass sie heil aus dem Labyrinth herauskamen. Wenige Minuten später standen sie vor einem gewaltigen Tor, welches aus massiven, verrosteten Eisenstäben bestand. Es war geschlossen. Zelda packte ihren Schlüsselbund mit den Unmengen von kleinen und großen Schlüsseln aus und versuchte es zu öffnen. Aber allem Anschein nach hatte sie den richtigen Schlüssel nicht parat. Trübsinnig standen sie vor dem Tor, grübelten nach und wurden ungeduldig. Link betrachtete sich derweil erneut sorgfältig die linke Wand, wo ein kleiner Riss ihn aufmerken lies. Er schaute mit einem Auge durch und erkannte das Leuchten einer oder mehrer Fackeln. Dann waren da Stimmen. Vermutlich hatte Ganondorf den Ort schon unter seiner Kontrolle und Wachposten aufgestellt, die allem Anschein nach das Tor versperrt hatten. Zelda ließ sich auf den Boden sinken, seufzte und versuchte einen klaren Kopf zu behalten. Sie bräuchten eine Idee. Link allerdings grinste hinterhältig in sich hinein. Er schaute erneut durch den Schlitz und begann mit seinen waghalsigen, zum Teil stumpfsinnigen oder aber gefährlichen Ideen. Er holte tief Luft und brüllte so laut wie er konnte: "Verdammt. Da drüben sind ja Moblins." Zelda sprang entsetzt auf. War er noch bei klarem Verstand? Er wollte diese Moblins doch nicht etwa herausfordern? Oder doch? Zelda wollte ihn gerade für diese Dummheit anschreien, aber dann sah sie das dämliche Grinsen in seinem Gesicht und ihr ging ein Licht auf. Nun wusste sie, was er vorhatte... Moblins hatten nicht sehr viele Gehirnzellen und sicherlich würden diese nach Links lauten Rufen allesamt zu dem Eingang des Tempels stapfen. Sie würden das Tor öffnen und den zwei Hylianern stand dieses dann offen. (Zelda hätte auch ihre magischen Kräfte nutzen können, aber bei der Erschütterung könnte man die Unterwasserstätte vielleicht zum Einstürzen bringen.) Sie bräuchten nur noch abzuwarten. Sie versteckten sich gemeinsam in einer dunklen Ecke, direkt neben dem Tor und warteten auf das Erscheinen von Ganons Vasallen. Diese kamen tatsächlich nach einer Weile an, murmelten irgendetwas, schienen sehr verärgert zu sein und schlossen das Tor auf. Da sie ohnehin von Ganon mit einem verschwindend geringen Intelligenzquotienten ausgestattet wurden (annähernd Null), wussten sie gerade noch, wie man Türen öffnete, aber den Schlüssel ließen sie stecken. Sie stapften durch das Tor, an Link und Zelda, die sie nicht sahen oder sehen wollten vorbei und blieben stehen. Für Zelda und Link die Gelegenheit. Auf Zehenspitzen schlichen die beiden durch das alte Tor und schoben es zu. Die Moblins drehten sich um, als Link mit einem gemeinen Funkeln in den Augen den Schlüssel umdrehte und diesen in seiner magischen Tasche verstaute. Die Moblins grunzten, rannten wie Idioten zu dem Tor und schlugen sich ihre Schädel an den Stäben ein. "Danke für den Schlüssel", sagte Zelda vorlaut und folgte Link weiter in das verwinkelte Gebäude. Die Moblins jedoch grunzten und blieben nutzlos vor dem großen Tor stehen. "Deine Einfälle überraschen mich immer wieder. Das war eine sehr gute Idee, Link." "Ach ist das schön. Ich erhalte ein Lob von Zelda. Der Tag beginnt fantastisch." Sie lächelte und hatte im Moment sehr gute Laune. Allerdings würde dieser Tag vielleicht noch böse enden... "Du hast früher sehr oft Lob von mir erhalten, mein Held." "Wirklich? Hattest du denn einen Grund mich zu loben, oder war ich ein frecher Junge?" "Gerade deswegen habe ich dich gelobt." Link fiel dazu nichts mehr ein und im Geheimen fragte er sich, was um Himmels Willen er früher noch so angestellt hatte, nur um vor der Prinzessin von Hyrule wie ein Wildfang dazustehen... Nach einer Weile gelangten Zelda und Link in ein höheres Gewölbe. Ein schmaler Holzweg führte über einen riesigen unterirdischen See, dessen giftgrünes Wasser verriet, das man sich darin kein Bad gönnen sollte. Link war neugierig und warf ein Stückchen vergammeltes Brot in den See. Es landete mit einem Zischen auf dem Wasser, und löste sich im Anschluss in einer Rauchwolke auf. Das wird brenzlig, dachte Link und lief als erster sehr vorsichtig über die schmale, wacklige Brücke, die leider kein Geländer hatte. Zelda folgte direkt hinter ihm. Während des Weges fiel Link ein kleines verrostetes Abflussrohr in einer hinteren Ecke des Gewölbes auf. Zum Glück war das Gewölbe von vielen Fackeln beleuchtet, sodass man schnell auf näherkommende Gefahren reagieren konnte, oder so kleine Dinge wie ein Abflussrohr auffielen. Mühsam und mit einem erleichternden Seufzen erreichten sie das andere Ende der Brücke. Sie folgten weiteren, schmalen Gängen, an deren Wänden Wasser entlang tropfte und sich auf dem Boden sammelte. Jeder Schritt hinterließ ein unüberhörbares Geräusch; und jeder Schritt sorgte für mehr Wasser in den Schuhen. Link blieb plötzlich abrupt stehen. Er spürte irgendeine Gefahr und wunderte sich zunächst, dass er diese immer deutlicher erkennen konnte, je länger er mit Zelda in Hyrule war. Es mochte seltsam klingen, aber irgendetwas brachte ihm bei auf näherkommende Gefahren zu reagieren, selbst wenn er diese nicht sehen, hören oder riechen konnte. Es gehörte zu der Macht seines Mutes, wie er irgendwann herausfinden würde. Der Macht des Mutes. Seines Mutes. Zelda blieb ebenso stehen und hörte nur ein leises: "Pst." von Link. Er jedoch reichte Zelda kurz seine Öllampe, nahm einen Stein und warf diesen auf den Boden in jenem dunklen, feuchten Gang. Der kleine Stein landete auf dem Boden aber nichts geschah. Genervt wollte Zelda weitergehen, doch Link hielt sie davon ab und packte sie an ihrem Handgelenk, sodass sie entgegen ihres Willens stehen blieb. Ihr erzürntes Gesicht wollte gerade einige Worte hervorbringen. Aber sie wurde von einem sanftmütigen Blick ihres Helden daran gehindert. "Vertrau' mir", murmelte er und warf erneut einen Stein. Auch dieser landete auf dem Boden. Dann geschah es und innerhalb von Sekunden flitzten etwa zwanzig Sensen aus den Wänden, die jeden, der weitergelaufen wäre, in Dutzende Stückchen zerhackt hätten. Mit einem Summen schwangen die messerscharfen Fallen hin und her, bereit niemanden passieren zu lassen. "Woher wusstest du das?" "Keinen Plan", entgegnete Link, der sich ab jetzt auf seine heimlichen Vorahnungen verlassen würde. Zelda nutzte ihre Kräfte und brachte die Sensen mit einigen Handbewegungen zum Stehen. Leise und vorsichtig mogelten sich die beiden Hylianer an den Sensen vorbei, stets bedacht, die gefährlichen Hiebwaffen zu umgehen. Sie schlichen weiter und gelangten an eine Gabelung des Weges. Die Gänge waren außerdem wieder breiter und höher und damit angenehmer zu passieren. Link entzündete einige Fackeln an den Wänden, um eine bessere Sicht zu haben. Der Weg gabelte sich also in fünf weitere Richtungen. Zwei Gänge wären einfach zu begehen, da sie keinerlei Behinderungen aufwiesen. Bei den restlichen drei Gängen sah es schon anders aus. Ein Weg wurde von einer Tür mit einem merkwürdigen Symbol verschlossen, vor einer anderen Tür, die vermutlich ohne weiteres geöffnete werden konnte, befand sich ein großes Loch, welches sich von einer Wand zur anderen erstreckte. Die letzte Möglichkeit sah einladender aus und befand sich in der Mitte aller Gänge. Es handelte sich um einige Treppenstufen, die womöglich in ein höheres Stockwerk führten. Nach reiflichen Überlegungen entschieden sie sich für einen der unteren Gänge. Nach wenigen Minuten standen sie vor einer kleinen Öffnung in der Wand, einem kleinen Tunnel durch den sie bloß kriechen konnten. Link krabbelte vorneweg, Zelda hinterher. Und wiedereinmal gelangten sie in einen großen Raum, wo sich eine Art Quelle befand, aus der giftgrünes Wasser floss und ein altes hylianisches Zeichen aus dem Boden abgebildet war. Eine Inschrift lautete in etwa: "Suche das Wasser, suche es nicht. Antworten auf viele Fragen gibt es nicht." Link, der ja aus unverständlichen Gründen die Gabe dieser Sprache erhalten hatte, ließ diese Wörter zweimal durch, nein, sogar dreimal, aber den Sinn verstand er nicht. "Ich werde mir diese Worte merken. Vielleicht kommen wir ja später auf ihre Bewandtnis", sagte Zelda zuversichtlich. "Okay. Ich hoffe nur, dir fällt dazu was ein." Dann bemerkte Zelda noch eine Art Schalter direkt neben dem Brunnen. Allerdings sah dieser äußerst verrostet aus. "Link, mein Schatz, würdest du mir bitte mal helfen?" Und seine Prinzessin betätigte den Schalter, allerdings benötigte sie tatsächlich die Hilfe ihres Helden. Link wunderte sich zunächst über ihre Art und Weise ihn anzureden, tat aber dann so, als hätte er es überhört und half ihr dabei den Schalter umzulegen. Das Wasser in dem Auffangbecken verschwand, genauso plätscherte keines mehr in es hinein. Sie sahen sich noch eine Weile um, aber es gab in dem Raum nichts mehr zu erledigen. Ein wenig ratlos liefen sie zurück zu der großen Gabelung und entschieden sich für den nächsten Weg, den man einfach passieren konnte, ohne dass es eine Behinderung gab. Sie öffneten die alte Holztür und schlichen leise in den darauffolgenden Gang. Alles war so ruhig, man konnte lediglich ein paar Wassertropfen hören, die mit einem kurzen Platsch auf den steinernen Boden fielen. Die Luft in dem Gang wurde immer schlechter, stechender, rauer; und der Gang an sich hatte etwas Beängstigendes. Das Gestein besaß überall Risse und alles deutete darauf hin, dass ein großer Druck von außen dafür sorgte, dass diese Wege nicht mehr lange bestehen sollten. Link und Zelda legten einen Zahn zu und waren dennoch vorsichtig. Wer wusste schon, welche Fallen sich außerdem noch in den alten Gängen des Tempels befanden. Sie liefen weiter und weiter und allmählich hatten sie den Eindruck im Kreis zulaufen... Nahm denn dieser blöde Pfad kein Ende? Dann jedoch erhielten sie beide Gesellschaft. Ein Zischen, Fauchen kam näher und Link hielt sogleich sein Schwert bereit. Auch Zelda bereitete sich auf einen Kampf vor und spannte ihren Bogen. Aber das Geräusch ließ sich einfach nicht orten. Mal erschien es von hinten, mal von vorne zukommen. Dann wiederum hallten die Geräusche umher, als kämen sie aus den Schlitzen der Wände. Link blickte gespannt um sich, spürte die Ankunft einer gewaltigen Gefahr, spürte, wie sein Herz seinen Rhythmus beschleunigte. Angst kennt viele Gesichter und er würde ein neues von ihr entdecken... Das Geräusch kam näher, sein lüsterner Todestrieb saugte jegliche Energie aus der Luft. Rücken an Rücken warteten Link und Zelda auf die Ankunft einer nächsten Höllenkreatur, die Ganondorf aus purer Freude aus dem Reich des Todes zurückgeholt hatte. Dann wurde ein tosendes Aufstapfen, grobes Trampeln, auf dem Boden spürbar. Selbst die ohnehin schon rissigen Wände vibrierten. Die anfängliche Vermutung bestätigte sich und die zwei Hylianer sahen sich mit Gefahren aus beiden Richtungen konfrontiert. Alsdann waren Schatten zu erkennen, die trollgroße Kreaturen mit gewichtigen Morgensternen zeigten. Die Schatten wanderten an den Wänden entlang wie Spinnen, die vor ihrem größten Feind flohen und mit jeder Sekunde, die verrann, gewannen die Bestien in den Gängen an Mordgier. Stupide, unidentifizierbare Laute aus ihren Kehlen, ein Grunzen, Zanken, ein paar tiefe Stimmen voller Grausamkeit und Blutdurst. Zelda stieg der Schweiß über die Stirn und ihr Atem wurde zügellos, pfeifend. Ihre Augen hasteten von einer Stelle zur anderen, ihre Hände verkrampften sich. Das Stapfen wurde lauter, gefährlicher, todbringender. Die Schatten an den Wänden wurden breiter, höher und die Gefahr wuchs. Aus den gebogenen Gängen kamen zwei riesige Zyklopen oder Trolle, einer aus jeweils einer Richtung, die nichts weiter als einen Lendenschurz trugen. Jeder hatte einen Morgenstern und ein einzelnes Augen auf der Stirn. Als sie Link und Zelda entdeckten, wurden sie wütend und stapften schneller in ihre Richtung. Hastig schwangen sie ihre Morgensterne; und die brutalen Waffen krachten geräuschvoll an die alten Wände, hinterließen tiefe Löcher... Ein Zyklop war in Windeseile bei Link und Zelda angelangt und schleuderte seine mit Stacheln besetzte, blutbeschmierte Waffe wie das Zeug hielt nach den beiden. Link riss Zelda zu Boden und hörte den schrillen Aufprall eines Morgensternes an der Wand. Er reagierte schnell und stand wieder auf seinen Beinen. Mutig rollte er sich mit dem Schwert in der Hand über den Boden, nur knapp an dem rechten Bein des Trolls vorbei. Als Link wieder auf seinen Beinen stand, brach der Troll jauchzend auf seine Knie und eine breite Blutspur zierte sein rechtes Bein. Link handelte schnell, rannte auf den Zyklopen zu, stieß ihm sein Schwert in die entblößte, behaarte Brust, doch noch war das Ungetüm nicht besiegt. Der andere Zyklop erreichte die Szenerie und fuchtelte siegessicher mit seiner Waffe umher. Er schlug Zelda ihren Bogen aus der Hand, drängte sie jauchzend, schmierig feiernd an die Wand, grinste glitschig und holte mit der tödlichen Waffe kräftig aus. Zelda ballte ihre Fäuste, konzentrierte sich und baute einen magischen, wirkungsvollen Schutzschild vor sich auf. Der Morgenstern grub sich in den blauschimmernden Schutzschild, brachte ihn zum Splittern, aber noch bestand er. Mit einem lauten Aufschrei zog Link das Schwert wieder aus der Brust des Zyklopen, der jedoch seine Kräfte durch diese Wunde nur geringfügig verloren hatte. Er schlug Link mit seinem riesigen linken Arm, direkt in den Magen, worauf er mit einem markerschütternden Schrei an die Wand geschleudert wurde, in sich zusammenstürzte und reglos am Boden liegen blieb. "Link!" Zeldas lauter Ruf hallte in dem düsteren Labyrinth umher, aber er wachte nicht auf und war immer noch bewusstlos. Die Zyklopen legten keinen Wert mehr auf Link und griffen beide nur noch Zelda an, die ihre ganzen Kräfte auf den Schutzschild konzentrierte und betete, Link würde endlich wieder aufwachen. Hoffentlich hatte er nichts schlimmeres als ein paar Schrammen und blaue Flecke abbekommen. Fettig grinsten die beiden Ungetüme Zelda an und schlugen mit ihren machtvollen Morgensternen auf ihren blauschimmernden Schutzschild ein, welcher mit jedem Schlag schwächer wurde, welcher mit jedem Schlag zu verschwinden drohte. Blaue kleine Splitter wirbelten in der Luft umher und verschwanden, noch bevor sie auf dem Boden aufkamen. Schweißperlen glänzten auf Zeldas Stirn, sie atmete heftig und spürte immer mehr die Schläge der Morgensterne, als würden sie auf ihren eigenen Körper treffen. Sie blickte erneut zu Link, der wie tot mit dem Gesicht auf dem Boden lag und sich nicht rührte. "Link!", rief sie verzweifelt, "Wach' auf! Ich brauche deine Hilfe, bitte, ich brauche dich!" Doch er reagierte nicht und Zelda müsste diesen Kampf endgültig alleine bestreiten. Noch ein Schlag gegen das Schild, noch einer und noch einer. Es schmerzte nun, die Gewalt der Morgensterne raubten Zelda immer mehr die Kräfte und mit jedem Schlag fühlte sie sich als würde ihr eigener Körper zerbersten. Sie konnte den Schutzschild nicht länger aufrecht halten, konnte ihn nicht länger mit Magie speisen. Ein weiterer Schlag und die gesammelte Energie zersprang in einem Splitterregen. Dann fingen die Zyklopen an zu lachen und erfreuten sich an Zeldas entsetztem Gesicht. Sie versuchte zu rennen, versuchte gegen ihre aufkommende Furcht anzukämpfen, aber spürte nur noch wie ihr der Boden unter den Füßen weggezerrt wurde. Sie blinzelte in die hässlichen, widerwärtigen Trollgesichter, deren Augen in der Mitte der Stirn giftig und herablassend zu der am Boden hockenden einstmaligen Prinzessin eines goldenen Hyrule hinunterblickten. Sie grunzten irgendetwas in ihrer schäbigen, dummen Zyklopensprache und lachten erneut hämisch. Zelda spürte eine kalte Hand, die ihren Hals umschloss. Dann wurde sie willenlos in die Höhe gehoben, ihre Beine baumelten in der Luft. Sie öffnete ihre Augen und fühlte den ekelhaften, beißenden Mundgeruch der Kreatur, die sie wie eine Puppe in die Höhe hievte, dann unter den Arm packte und einfach mitnehmen wollte. Aber warum? Aus welchem Grund machten diese Wesen nicht einfach kurzen Prozess und entführten sie stattdessen? Wusste Ganon inzwischen, dass sie noch lebte und beauftragte seine Untertanen, dass sie Zelda zu ihm bringen sollten? Sie wehrte sich und schlug auf den übermächtigen Arm des Unholds ein, strampelte, zappelte so gut es ging und leistete Wiederstand. Nein, sagte sie zu sich, nicht so... Sie warf einen Blick auf den bewusstlosen Link, dessen Bild sich immer weiter entfernte, genauso wie damals in ihren Erinnerungen. "Link!", schrie sie aus Leibeskräften, aber immer noch reagierte er nicht. Es geschah in dem Augenblick, dass Zelda erneut etwas auf ihrem rechten Handrücken fühlte- ein Brennen- dann ein Pulsieren... instinktiv wusste sie, was sie zu tun hatte. Sie umfasste mit der anderen Hand das Gelenk ihrer rechten Hand und fühlte etwas in ihrer Hand anwachsen. In Bruchteilen von Sekunden stieß sie die mit Magie geladene Hand dem schmierigen Monster ins Knie. Es jauchzte, aber ließ Zelda noch nicht vollkommen aus seinem Griff. Zeldas rechte Hand wanderte zu ihrem Schwert und stürmisch zog sie dieses aus dessen Umhüllung. Ihre Hand brannte wie Feuer, aber sie beherrschte den Schmerz, schöpfte Kraft daraus, und zwang sich ihre Reserven zu mobilisieren. Sie schwang ihr Schwert wie wild geworden, fügte dem Trollwesen, dass sie davon tragen wollte, tiefe, tiefe Wunden am Arm zu. Schwarzes Blut tropfte und stöhnend ließ der Unhold sie los. Schmerzhaft landete Zelda auf dem Boden und hielt tapfer ihr Schwert vor sich. "Lasst mich in Ruhe, ihr verdammten Ekel", fauchte Zelda und zwang sich dazu auf ihren Beinen zu stehen. Der Bogen fiel in ihr Gesichtsfeld. Er war nicht weitentfernt und lag kurz neben der Wand. Mit einem Sprung hastete sie darauf zu, ergriff ihn und hetzte an Link vorbei den Gang hinab. Sie drehte sich um, spannte einen Pfeil und sah die zwei Zyklopen wütend sich in ihre Richtung bewegen. Erneut beachteten sie Link nicht, da sie wahrscheinlich annahmen, er wäre tot. Aber Zelda wusste in ihrem Inneren, das er lediglich k.o. geschlagen war. So einfach war Link nicht zu besiegen. Zelda richtete den Pfeil genau auf das Auge des einen Zyklopen, konzentrierte sich auf ihre Magie und die Pfeilspitze erglänzte in einem schimmernden goldenen Licht. Der Pfeil zischte durch die Luft und bohrte sich mitten in das Auge des überraschten Zyklopen. Ein lautes Gebrüll durchbrach die Stille in den Gängen, der Troll brach auf seine Knie, hielt schützend dreckige, schleimige Hände vor sein Auge, brüllte tobend in den Gängen herum. Dann löste er sich auf und nur Asche blieb von seinem Erscheinungsbild. Zelda fasste mehr Mut und Entschlossenheit. Das übriggebliebene Ungeheuer stapfte ärgerlich, mit drohenden Schritten auf Zelda zu und schwang seinen gefährlichen Morgenstern. Zelda rannte weiter, lenkte geschickt die Aufmerksamkeit des Trolls auf sie, sodass der am Boden liegende Link von der Macht des Morgensterns nicht getroffen wurde. Sie spannte wieder ihre Pfeile, aber der Vasall des Bösen wehrte diese mit seinem Morgenstern ab. Zelda hetzte weiter, doch ewig konnte sie nicht weglaufen. Irgendwie musste sie dieses Monstrum besiegen oder... austricksen. Sie rannte weiter, hörte das diabolische Fluchen das Zyklopen und sein dreistes Kichern, das dem Wiehern eines Pferdes sehr ähnlich war. Sie gelangte zu der Gabelung, blieb kurz stehen und atmete hastig ein und aus. Dann rannte sie in Richtung des Ausganges; und gelangte in den relativ kurzen Gang, wo irgendwo noch die Sensen hingen. Sie krabbelte aufmerksam zwischen den scharfen Sensen hindurch und nutzte ihre unsichtbaren Kräfte, um diese in den Wänden verschwinden zu lassen. Jetzt bräuchte sie nur noch abzuwarten. Seufzend lehnte sie sich gegen die Wand und blinzelte schwer atmend in Richtung des Ganges. Des Stapfen wurde wieder lauter, doch diesmal würde das Ungeheuer sein blaues Wunder erleben. Vorsichtshalber spannte Zelda ihren Bogen. Der Troll hetzte mit einem widerlichen Ausdruck auf der Fresse auf Zelda zu, rannte hinein in sein Verderben, rannte hinein in den Tod. Und diesmal gab es keinen Hexenmeister Ganon, der ihn wieder zurückholen würde. Er trat näher und gnadenlos schossen die Sensen mit ihren todbringenden Kräften aus der Wand heraus, zerhackten den gewaltigen Körper des Trolls in viele, viele Einzelstücke, sie schwangen hin und her, schnitten durch sein Fleisch, durch seine Knochen wie durch Butter und hinterließen ein riesiges Blutbad. Zelda jedoch ließ sich erleichtert auf die Knie sinken, schloss die Augen und ruhte sich kurz aus. Aber die Sorge um Link ließ sie dann doch die Beine unter die Arme nehmen und schleunigst hastete Zelda wieder in den Gang, in welchem Link regungslos am Boden lag. Es war dunkel und von nirgendwo strahlte ein Licht. Seine Lampe musste ausgegangen sein. Zelda lief zügiger und leuchtete umher. Sie fand Link, der immer noch bewusstlos auf seinem Bauch lag, kniete zu ihm nieder und berührte seine Schultern. "Link. Wach' auf. Wir müssen weiter." Dann drehte sie ihn auf seinen Rücken. Er hatte eine große Wunde an der Stirn und die Augen noch geschlossen. Die Wunde schien aber nicht allzu tief zu sein. Zelda rüttelte ihn noch einmal und bewegte sich auf ihn zu. "Link", sagte sie ruhig. Dann endlich öffnete er seine Augen, zugegebenermaßen ein wenig desorientiert. "Verflucht... was war denn? Zelda?" "Kannst du aufstehen?" Er nickte bloß und hielt eine Hand an seinen Kopf. Dann stand er auf seinen Beinen und torkelte an die Wand. Er atmete tief aus und erinnerte sich an seine Schussligkeit. Warum war er denn vorhin so unvorsichtig gewesen? "Sorry, Zelda, ich habe irgendwie nicht aufgepasst", meinte er und bereute, dass er diese Monster nicht besiegt hatte. Statt irgendetwas zu sagen, holte sie einige Pflaster aus einer Tasche und legte diese über seine aufgeplatzte Stirn. "Es braucht dir nicht leid zu tun. Stell' dir vor, ich habe diese beiden Zyklopen besiegt, ganz alleine", sagte sie aufheiternd. "Die hatten schlechte Karten gegenüber der Prinzessin von Hyrule", gab sie an. Auch Link rang sich zu einem Lächeln, bemerkte dann aber einen dumpfen Schmerz in seiner Magengegend. Richtig... dieses Biest hatte ihn ja eine verpasst und dann war er an die Wand geschleudert worden. "Egal, ist doch alles einigermaßen gut gelaufen. Bereit für die nächste Gefahr, Link?" "Ja, ich hoffe, dass ich das bin." Damit folgten sie dem düsteren Gang, traten in immer mehr Wasserpfützen, die sich häuften und nörgelten gelegentlich. Der Gang jedoch nahm einfach kein Ende. Nach einer halben Stunde erreichten Zelda und Link dann eine Tür, durch die sie sofort gingen. Dann stand eine weitere Holztür vor ihren Nasen. Sie öffneten sie und erneut eine Tür. Allmählich fand Link die Sache nicht mehr lustig und riss die nächste Tür aufgebracht auf. Doch... wie sollte es anders sein: Eine weitere Tür, die ziemlich morsch aussah, blockierte den Weg. Irgendetwas stimmte nicht... sollten sie etwa bis Ultimo irgendwelche Türen öffnen? Zelda wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und öffnete die nächste Tür, aber auch jetzt war nichts weiter als eine Tür vor ihnen. Zelda lehnte sich an eine Wand und setzte sich. Sie musste nachdenken und stürzte ihren Kopf in ihre Arme. Link setzte sich neben sie und schloss kurz die Augen. Er spürte einen tückischen Kopfschmerz. Sobald sie aus dem Tempel gelangt wären, bräuchte er dringend Schlaf. Dann packte er eine Flasche Wasser und ein Aspirin heraus und schluckte dieses hinunter. Auch Zelda wühlte in ihren Taschen herum und holte einige essbare Sachen hervor. Sie warf einen Blick auf ihr Medaillon und sah, dass es schon nach zwölf Uhr war. "Weißt du, worauf ich jetzt Lust hätte?" Link blickte sie ein wenig grinsend an und unterdrückte den Schmerz in seinem Kopf. "Worauf?", sagte Zelda. "Ich habe früher so gut wie nie ferngesehen, aber jetzt vermisse ich irgendwie die stumpfsinnigen Sendungen, mit ihren bescheuerten Moderatoren. Ja, ich muss zugeben, dass ich Lust hätte, mich auf meiner Couch breit zu machen und einfach nur zu entspannen." "Wenn alles vorbei ist, wirst du dazu bestimmt wieder die Gelegenheit haben", erwiderte Zelda, schaute dann aber trübsinnig ins Nirgendwo und Link ahnte, woran sie dachte. Link könnte vielleicht nie wieder dazu die Gelegenheit haben. "Zelda... verschweigst du mir irgendetwas?" Sie schüttelte mit dem Kopf, mied seinen tiefgründigen Blick und stand auf. Nur ein Versuch... Aus Frustration über sich selbst, dass sie Link einfach nicht die Wahrheit sagen konnte, riss sie die nächste Tür auf, rannte weiter, öffnete die nächste. Irgendwie tat es gut, so seinen Frust loszuwerden. Link stand auf und ihm war mit jeder Minute kläglicher zumute. Warum konnte Zelda nicht einfach ehrlich zu ihm sein? Es ging in ihrem Traum schließlich um ihn und seine Zukunft... Zelda, dachte er, aus welchem Grund bist du nur so unaufrichtig zu mir... Und es ging ihm nicht nur um Zeldas Schweigen hinsichtlich des Traumes, eigentlich gab es noch eine andere Sache, die sie ständig ignorierte- ihre Gefühle ihm gegenüber... Zeldas kleiner Wutausbruch zeigte Wirkung, denn irgendwie hatte sie sich durchgerungen, die letzte der in etwa dreißig Türen zuöffnen und stand nun vor einem weiteren Rätsel. Die zwei Hylianer mussten wohl tatsächlich im Kreis gelaufen sein, denn sie kamen in einem wohlvertrauten Raum an: dem kleinen Gewölbe mit den vielen Wegen. Na toll... der ganze Weg war bloß ein Ablenkungsmanöver, eine Falle. Bei den Göttinnen, war das ärgerlich. Sie kamen aus der Tür, wo sich ein breites Loch befand, dass sie nicht einfach so überqueren konnten. Das würde heißen, sie durften den ganzen, anstrengenden Weg wieder zurückwatscheln. Grandios. Spitze. Ultrastark. Zeit war ja ohnehin genügend vorhanden, das man ruhig solche extra- stumpfsinnigen Touren in Kauf nehmen konnte. Wie niederschmetternd. Link trat einmal kräftig an die Wand. Zelda feuerte aus Wut einen Energieball in die Tiefe des Abgrundes. "Ich hab' die Schnauze so voll!", brummelte Link und trat erneut gegen die Wand. "Ich springe jetzt dort rüber", setzte er hinzu. Er nahm Anlauf und rannte direkt auf den Abhang zu. "Link, hör' auf! Läufst du noch rund?" Aber er schien tatsächlich eins abbekommen zu haben, denn er meinte es ernst und hetzte mit schnellen Schritten auf den Abhang zu. Erstaunlicherweise kam er an der anderen Seite an und rollte sich geschickt ab. Vergnügt stand er auf seinen Beinen und wartete mit ausgestreckten Armen auf Zelda. "Zeldaschatz, spring', du schaffst das. Ich fang' dich auch auf." Dann grinste er und erfreute sich an Zeldas empörter Miene. "Für dich immer noch Prinzessin Zelda und nicht Zeldaschatz", rief sie grinsend. Es machte Spaß Link zu ärgern und sich im Gegenzug von ihm ärgern zu lassen, aber nichts dergleichen war ernst gemeint... Zelda rannte auf den Abgrund zu, kniff ihre Augen zusammen und sprang. Sie sprang mit aller Kraft und fühlte wie sie durch die Luft schwebte. Sie öffnete ihre Augen und landete ebenso wie Link auf der anderen Seite. Allerdings hatte sie wohl ein wenig zu viel Anlauf genommen, denn sie kam nicht schnell genug zum Stehen und rannte Link über den Haufen. Sie landeten lachend, gemeinsam auf dem Boden. "Gleich so stürmisch, Prinzessin", forderte Link sie heraus und Zelda grinste ihn nur an. Auf so eine freche Dreistigkeit hatte sie keine passende Antwort. Sie wollte aufstehen und sich zu aller erst aus Links Umklammerung lösen, aber er blickte sie nur mit seiner charmanten Art und Weise an und hielt sie fest. Sein Blick wandelte sich; und das dämliche Grinsen verschwand. Nun lag einmal mehr Verständnis, eine Spur Wärme und Mitgefühl in seinem Blick und alles wurde Zelda in diesem Augenblick egal, solange dieser Ausdruck in seinen Augen lag. Auch Zeldas Lächeln wurde milder und sanfter. "Ich bin so froh, dass du bei mir bist...", sagte Zelda leise und lehnte sich endgültig an ihn. Link antwortete nicht mit Worten und drückte sie an sich. Sie schwiegen für einige Sekunden, blickten sich an, kamen sich näher und hielten ihren Blicken stand, die in dem Moment soviel aussagten. Doch noch ehe etwas geschehen hätte können, vernahmen beide ein lautes Geräusch, ein Schlürfen, als ob etwas ausgesaugt werden würde. Sie sprangen schnell auf und blickten sich um. Aber dann war der Laut verschwunden. Dann blieb im Erdgeschoss nur noch eine Tür übrig- jene mit dem merkwürdigen Symbol. Zelda betrachtete es sich genau und erkannte eine kleine Inschrift darauf. Es waren die gleichen Worte, wie zuvor in dem Raum mit dem Brunnen. Und was jetzt? ,Suche das Wasser, suche es nicht, Antworten auf viele Fragen gibt es nicht.' "Link. Würdest du das Wasser suchen, oder würdest du es nicht?" "Was willst du denn jetzt von mir?" Er verstand im Moment nur noch Bahnhof, was teilweise mit seiner kleinen Gehirnerschütterung zusammenhing. "Ich würde es wohl suchen, wenn ich es müsste." "Genau das ist es. Vielleicht sollen wir dem Weg des Wassers folgen." Dem Weg des Wassers? Zelda nahm es mit ihrer göttlichen Weisheit wohl doch manchmal zu genau und vergas, das es Leute gab, die ihre Sprache nicht verstehen konnten. "Ich habe nur so ein Gefühl." Und Zelda suchte auf dem Boden die Spuren der Wassertropfen ab. Hier und da waren kleine, schmale Rinnsale mit reinem Wasser. Sie folgte den winzigen Wasserverläufen und sah, wie das Wasser die Wände hinaufwanderte? Was? Wie konnte das sein? Hatte sie sich auch nicht verguckt? Nein, aus irgendeinem Grund floss das Wasser die Wände hinauf? Echt Wahnsinn. Auch Link, der so was natürlich noch nie erblickt hatte, wurde aufmerksam. Sie beobachteten, wo das Wasser hinfloss und sahen, dass es sich in der Mitte des Raumes an der Decke sammelte und schließlich in der glitschigen Deckenwand entschwand. Gleichzeitig bemerkten die beiden Hylianer aber noch etwas äußerst Interessantes. Genau dort, wo der Fluss des Wasser sein Ende hatte, war ein kristallener Schalter angebracht, der sich nur schwerlich von der Farbe der Wände unterschied und somit nicht leicht auszumachen war. Link und Zelda freuten sich riesig und lächelten einander an. Link feuerte einen Pfeil nach oben und aktivierte so den Schalter. Und zur Freude der zwei Heldengestalten verschwand das Symbol auf der Tür und mit einen Klicken sprang diese auf. In der Dunkelheit der Gänge jedoch verbarg sich eine Gestalt, die nur darauf wartete, dass Link unvorsichtig wurde. Geschickt versteckte sich ein menschengroßes Wesen hinter einer Ecke, während rote Augen aus einem dunklen Gesicht hervorleuchteten und zufrieden die Szene beobachtete, die sich abspielte. Link und Zelda traten hinein in eine fremde Dunkelheit und hörten Wasser plätschern. Im folgendem Raum befand sich ein großes Wasserbecken, welches ebenso diese giftgrüne Brühe beinhaltete. In einer hinteren Ecke befand sich ein Vorsprung und dort wiederum vielleicht ein weiterer Weg. "Und wie kommen wir jetzt da rüber?" Link ließ den Kopf hängen und schnaufte. "Wir können ja schlecht dort rüber schwimmen... wenn wir es wagen, kommen wir erst gar nicht dort an." "Mmh?" Auch Zelda sah ratlos drein. Sie lief an den Rand des Wasserbeckens und versuchte am Grund des Beckens etwas zu erkennen. Link jedoch lehnte sich an die Wand und machte die Augen zu. Er schwebte immer noch in seinen Kopfschmerzen und interessierte sich im Moment für nichts. Zelda drehte sich um und schüttelte angesichts seines Anblickes bloß den Kopf. Aber... sie hatte eine Idee und am Grund des Bassins war tatsächlich etwas. Eine merkwürdige Vorrichtung. Ein Räderwerk. Sie umhüllte sich selbst mit einem Hauch Magie und tauchte in das giftige Wasser. Sie drehte an dem Rädchen und auch dieses Wasser lief ab. Dann kletterte sie auf den Vorsprung und fand dort eine Tür. Sie ließ Link einfach, wo er war und durchquerte die Tür. Sie trat leise in den nachfolgenden Raum und hörte, wie sich die Tür krachend hinter ihr schloss. Der Raum war dunkel, nirgendwo eine Lichtquelle, sodass sie schnell ihre Öllampe herauskramte und umherleuchtete. "Habe mich schon gefragt, wo du bleibst, Püppchen." Und eine schlanke Gestalt trat in den Lichtschein ihrer Lampe. "Du schon wieder!" Und Zelda wich zurück. "Ich sagte doch, wir sehen uns im nächsten Tempel wieder, Prinzeschen." Und Preston trat näher an sie heran. "Was willst du von mir? Hau ab!" "Du weißt genau, was ich will. Wo ist eigentlich dein Link?" Zelda warf ihm einen tödlichen Blick zu und trat langsam rückwärts an die Tür heran, aus der sie kam. "Link befindet sich im nächsten Raum und wundert sich bestimmt, wo ich solange bleibe." Sie drehte mit ihrer rechten Hand an dem Türgriff, aber nichts tat sich. "Wirklich? Mir scheint, er ruht sich ein wenig aus. Er hat mich nicht einmal bemerkt, als ich ihm meine Klinge an den Hals setzte." Bei diesen Worten verzog sich Zeldas verärgertes Gesicht und Schock und Angst waren darin geschrieben. "Haha... dein Gesicht gefällt mir, Schätzchen, wenn es so verzweifelt aussieht. Ich muss sagen, Hoffnungslosigkeit gibt dir etwas äußerst Verführerisches." Zelda packte die pure Angst um Link; Und sie schlug mit einer magischen Attacke die Tür zu ihrer Flucht entzwei. Panisch rannte sie zurück dorthin, wo Link gewesen war. Preston beachtete sie schon gar nicht mehr. Sie fand Link, der seine Augen geschlossen hatte und noch immer an der Wand gelehnt da hockte. Sie ließ sich auf die Knie sinken, rüttelte an seinen Schultern und brüllte ihn an. Überrascht öffnete er seine Augen: "Was ist denn? Warum bist du so aufgeregt?" Und Zelda atmete erleichtert aus. Dieser blöde, verlogene Preston hatte einen beängstigenden Sinn für Humor und erlaubte sich wohl zuviel... Sie schenkte ihm ein Lächeln und meinte: "Nichts weiter... Du musst aber jetzt aufstehen, mein armer Held." Er ging ihrem Appell nach und folgte ihr. Preston jedoch war erneut verschwunden. Allmählich wurde auch Zelda müde und ihre Schritte wurden langsamer. Sie liefen zurück zu dem Raum mit der großen Gabelung und betraten die Treppenstufen, welche in ein nächstes Abteil des Verlieses führten. Die Luft wurde angenehmer und frischer, aber gleichzeitig nahmen die Temperaturen rapide ab. Zelda umwickelte sich mit dem Umhang und Link zog schnell eine Jacke über. Die Treppenstufen schienen einfach kein Ende zu nehmen, denn inzwischen waren Link und Zelda wieder über eine halbe Stunde unterwegs. Aber auch diese kleine Mission packten sie ohne weitere Komplikationen, erforschten einige Räume im nächsten Stockwerk und gelangten zu guter Letzt in den Raum mit dem großen unterirdischen See. Preston aber war noch nicht wieder aufgetaucht und schien endgültig aus der Stätte verschwunden zu sein. Gerade als sie die Brücke überqueren wollten, stellten die zwei spitzohrigen Gestalten fest, dass diese eingestürzt war und sich die losen Holzbretter auf dem Grund des Sees befanden. Bei genauen Blick entdeckten sie aber eine weitere Besonderheit. Das Wasser war nicht länger vergiftet. Vermutlich hatten die ganzen Schalter und andere Mechanismen dafür gesorgt, dass das giftige Wasser abfloss. Link freute das ungemein und so sprang er hinein in den unterirdischen See, auf der Suche nach einem weiteren Hinweis. Nach wenigen Minuten tauchte er auf und winkte Zelda zu, die dann ebenso ihre Nase zuhielt und in das Wasser hüpfte. Link zeigte ihr am Grund einen Gang, den sie entlang schwimmen konnten. Die Frage war nur, ob ihre Luft ausreichen würde, um sich lange genug unter Wasser zuhalten. Wie auch immer, Link wäre nicht Link, um es nicht zu riskieren. Er atmete einige Male tief ein und aus, nahm dann einen langen Luftzug und tauchte ab. Zelda wollte sich natürlich nicht zweimal bitten lassen und war ebenso flink unter der Wasseroberfläche. Die wassererfüllten Gänge verschluckten jegliches Licht, das von den Fackeln in dem Gewölbe noch leuchtete und mit jeder Bewegung, die Link und Zelda machten, wurde es dunkler und dunkler. Mit jedem Zentimeter schwand mehr und mehr das Licht. Zelda nutzte ihre magischen Kräfte und leuchtete nun selbst die Wände ab. Wahrhaft eindrucksvoll und unergründlich wirkten die unterirdischen Gänge. Ob sie wohl die ersten waren, die diese Höhlen betraten? Zelda schwamm immer schneller, direkt an Link vorbei, denn langsam oder sicher wurde ihr die Luft knapp. Sie blinzelte durch das Wasser und hoffte auf einen nächsten Lichtpunkt, wie auch auf eine Möglichkeit wieder Luft zu tanken. Dann stieg ihr schon Wasser in die Lunge. Auch Link beschleunigte sein Tempo und packte Zeldas rutschige Hand. Er blickte kurz zu ihr und zerrte sie schließlich hinter ihm her. Dann erkannte er einen verschwommenen Lichtpunkt näherkommen und ein erleichtertes Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht und wieder legte er einen Zahn zu. Zelda jedoch schien immer schwerer zu werden und ihre Hand hielt seine nicht länger fest. Link sah mit Entsetzen nach hinten und sah, dass Zeldas Augen geschlossen waren, sie nicht länger den Weg erleuchtete und unzählige kleine Luftbläschen von ihrem Mund emporstiegen... Kapitel 66: Geheimnisse der Vergangenheit VIII ---------------------------------------------- Kapitel 49: Geheimnisse der Vergangenheit VIII In wenigen Tagen sollte es soweit sein. Die Vorbereitungen für die großen Festlichkeiten in Hyrules Hauptstadt waren in vollem Gange und die Handwerker, Schauspieler, Musikanten arbeiteten schon die Nächte durch. Denn alles sollte perfekt sein an jenem Tag und jeder sollte Spaß haben dürfen, sogar die Mittellosen und die Waisenkinder. Gesegnet seien die Göttinnen, dass das Siegel des Bösen noch nicht gebrochen wurde. Zahlreiche Wachen wurden in der Zitadelle und außerhalb postiert, die das Siegel mit ihrem Leben beschützen sollten. Es war spät am Abend und einige Kerzen erleuchteten Zeldas kleine Stube, in der sie zusammen mit Link Experimente bezüglich des Medaillons durchführte. Link trug immer noch sein neues, teilweise aufgezwungenes Outfit und saß vor einem Berg mit Büchern, während Zelda das Medaillon in der Luft schweben ließ, um herauszufinden, ob es so etwas wie ein Herz besaß. Immer wieder hatte sie geglaubt, es würde pulsieren, aber diese Wirkung hatte sie bisher nur in ihren Visionen wahrgenommen. Sie legte das Medaillon in die Mitte eines kleinen Holztisches und fuhr mit ihren Untersuchungen fort. Zuerst träufelte sie irgendeine flüssige Substanz darüber; nichts geschah. Anschließend las Zelda irgendwelche Zaubersprüche vor, die eigentlich eine Wirkung haben sollten, da es sich bei diesem Gegenstand um ein Metall handelte, welches niemand in Hyrule kannte. Es sah zwar aus wie Gold, aber es fühlte sich nicht so an, eher cremig. Wieder geschah nichts. Frustriert schlug Zelda mit der Faust auf den Tisch. "Verdammt, ich gebe auf", murrte sie und setzte sich geräuschvoll in einen Stuhl gegenüber von Link. "Ich kann tun, was ich will, aber diese komische Uhr reagiert auf gar nichts." "Sei doch nicht so ungeduldig. Ich bin mir sicher, wir finden schon was", erwiderte Link und grub seine Gedanken wieder in den dicken Wälzer vor ihm. Warum eigentlich tat er das? Warum half er ihr schon wieder aus der Patsche? Zelda blickte auf und sah, dass sein Blick immer schwerer wurde. Er versuchte sich mal wieder nichts anmerken zu lassen, aber er war müde, hundemüde und hatte sicherlich Schmerzen. Sie stand auf, ging zu ihm herüber und schaute über seiner Schulter direkt in das Buch. Auch ihr kamen die Schriftzeichen nun vor, wie ein langes Labyrinth mit unverständlichem Inhalt. Sie hatte keine Konzentration mehr. Kurzerhand legte sie ihre Arme auf seine Schultern und schlug ihm das Buch vor der Nase zu. "Hey, ich denke, wir haben heute genug getan", meinte sie, als er sich gähnend zu ihr umdrehte. "Zelda... vielleicht ist es genug, aber wir dürfen es nicht ignorieren...", seufzte er. "Wir dürfen nicht ignorieren, das Ganon zurückkehren könnte." Zelda nickte. Sie lief zu der Tür und betätigte eine kleine Glocke, die direkt in der Küche zuhören sein musste. Mit einem Lächeln gesellte sie sich dann wieder zu Link und sagte: "Möchtest du heute vielleicht hier essen?" Er sah sie überrascht an, nicht sicher, was sie bezweckte. Ein Essen mit der Prinzessin, in ihren Gemächern bei Kerzenschein? Nicht, das er was dagegen hatte. Mit einem Lächeln nahm er die Einladung an und lehnte sich zurück, sein Gesichtsfeld aber immer noch auf Zelda gerichtet. Es gab so viel, was er ihr sagen wollte, so viele Dinge, die er nicht über seine Lippen brachte. Denn Gefühle zu zeigen war schon immer eine seiner Schwächen, besonders, wenn es um Zelda ging. Und dennoch waren sie da, diese Empfindungen, die ihn um seinen Verstand brachten und irgendwann würde er seine Feigheit Zelda gegenüber bereuen. Das ahnte er... Wenige Minuten später brachte eine Küchenmagd das Essen auf einem goldenen Tablett. Sie schaute zwar ein wenig irritiert, als sie Link in Zeldas Gemächern vorfand, verschwand dann jedoch schneller, als sie gekommen war. Sicherlich würde sie einige heftige Diskussionen bezüglich Link und Prinzessin Zelda in Umlauf bringen. Zelda und Link nahmen gegenüber Platz und aßen und tranken schweigend. Irgendwie eine seltsame Atmosphäre gemeinsam an einem Tisch zu sitzen und das gleiche zu essen. Beide fühlten sich unsicher und je mehr Zeit verging, umso unangenehmer wurde die Situation. Alles wirkte so künstlich, so gestellt. Und niemand war daran schuld, noch konnte es jemand ändern. Zelda sah auf und schaute in Links nachdenkliches Gesicht. Sie stand auf, wischte mit einer Serviette über ihren Mund und lief ans Fenster. "Vielleicht war die Idee mit dem Essen doch nicht so gut", sagte sie und blickte trübsinnig aus dem Fenster. Noch ehe Zelda jedoch weiterreden konnte, fühlte sie warme Hände auf ihren Schultern und vernahm besinnlich eine angenehme Stimme, die leise sagte: "Wir sind wohl selbst daran schuld, wenn wir uns so unecht fühlen... aber... ich bin gerne hier bei dir, Zelda." Sie drehte sich um, aber er wich ihrem Blick aus. "Lass uns die Zeit doch einfach genießen", setzte er hinzu und führte Zelda zu ihrer gemütlichen Couch. Er setzte sich neben sie und sagte charmant: "Du bist unheimlich verspannt. Soll' ich dich vielleicht massieren?" Zelda sah ein wenig geschockt in seine Augen, nicht sicher, was sein Blick bedeuten sollte, und murmelte leise: "Ja, das wäre lieb." Er massierte ihre Schultern und genoss einfach ihre Nähe. "Zelda... ich habe dir etwas zusagen. Ich möchte, dass du weißt, dass..." Wieder brach er in ein dämliches Stottern aus, wenn er ihr etwas wichtiges zusagen hatte. Verflucht, war es denn so schwer, ihr zusagen, wie wichtig sie ihm war? Er schüttelte mit dem Kopf und wollte von vorne beginnen, doch dann... "Kann ich dir eine Frage stellen, Link?" Er ließ von ihr ab und nahm das Medaillon in seine Hände. Er stand auf und ließ die Kette in der Luft hin- und herpendeln. "Warst du schon einmal richtig verliebt, Link?" Vor Schreck ließ er das Medaillon aus seinen Händen fallen. Es fiel mit einem Klappern zu Boden. Verdammt Zelda, erspar' mir dieses Thema, flehte er in seinen Gedanken. Zappelig nahm er das Medaillon wieder an sich und lief vor der Balkontür auf und ab. "Ich... ich weiß... nicht", brachte er dann stotternd hervor. Liebe? Wusste Link überhaupt was das war? Schließlich wurde er in den Wäldern bei einem Kindervolk groß, die außer ihren Freundschaftsgefühlen zueinander, weder Elternliebe, noch die starke Zuneigung zweier Liebende kannten. Kokiris waren nun mal Kinder und würden es immer bleiben. Kokiris waren schließlich nicht einmal geboren worden, sie wurden erschaffen, auch wenn sie den kleinen Jungen und Mädchen im Hylianervolk ähnelten. Das einzige, was sie wohl von Hylianerkindern unterschied, war die Tatsache, dass Kokiris einfach keinen Nabel besaßen. Eine Sache, für die Link damals gehänselt wurde, genauso wie die Tatsache, dass er nicht von Anfang an eine Feenbegleiterin hatte. Wahre Gefühle der Liebe waren Kokiris wohl eher fremd. Und Link war mitten unter ihnen aufgewachsen, doch anders als sie sehnte er sich wohl einfach nach jemandem, den er lieben konnte und der ihn im Gegenzug liebte. Und möglicherweise wollte Link die Gefühle, die er für Zelda empfand einfach nicht Liebe nennen. Denn er verharrte auf dem Gedanken, nicht in der Lage zu sein, zu lieben. So erfand er seine Ausreden, nicht zu wissen, was Liebe war. Doch ohne jene Gefühle, sein Mitgefühl, seine Liebe für den Frieden, hätte er im Grunde genommen niemals Hyrule aus Ganons Schreckensherrschaft befreien können. Nur wissen und verstehen wollte er diesen Gedanken nicht... Akzeptieren wollte er diesen Gedanken nicht. "Nein... ich weiß nicht einmal, was Liebe ist, Zelda", flüsterte er beinahe und scheute ihren Blick. "Da haben wir wieder einmal etwas gemeinsam. Auch ich weiß nicht, was Liebe ist." Sie lief zu ihm herüber und öffnete die Balkontür. "Ich habe mich immer dagegen gewehrt... weil... ich dachte, es würde mir Kummer ersparen..." Sie trat hinaus auf den Balkon und genoss die milde Luft des Frühlings in Hyrule. Sie schaute hinunter zur Stadt, sah viele, viele Lichter in der Stadt, die von den andauernden Vorbereitungen für das Fest herrührten. Kurze Zeit später stand Link neben ihr und nahm an dem Ausblick teil. "Die Nacht ist wunderschön." "Ja, der Sterne leuchten so klar", erwiderte Zelda und blickte dann zu dem hellen Mond am Himmel. Erneut wuchs ein verräterisches Gefühl in ihr, das Gefühl, Hyrule würde etwas zustoßen, die Vorahnung, dass Ganons Siegel trotz aller Vorsichtsmaßnahmen brechen würde. Die Befürchtung, etwas Schreckliches war im Gange. Eine Träne lief an ihrer Wange hinab, die Link sofort bemerkte. "Zelda?" Er drehte sich zu ihr, aber brachte es nicht fertig, sie zu berühren. Eine nervtötende Hemmschwelle hielt ihn davon ab, ihr nah zu sein. Obwohl er sich gerade nach ihrer Nähe, ihrer Wärme sehnte. "Es ist...", sagte sie und lehnte sich mit ihren Armen vollkommen auf das Geländer. "Ich habe Angst um Hyrule." "Das brauchst du nicht... ich werde alles tun, damit Ganon dort bleibt, wo er hingehört, in der Hölle." Sie schloss die Augen und lächelte zaghaft. "Ich habe nicht Angst, dass Ganon ausbricht und du ihn nicht besiegen könntest... es ist mehr als eine bloße Vorahnung bezüglich der Rückkehr Ganons. Ich befürchte etwas Anderes, Unaufhaltbares, Unumgängliches wird Hyrule zustoßen und nicht einmal der Held der Zeit könnte daran etwas ändern. Es ist, als wird Hyrule aufhören zuatmen, als ob die Zeit zu schweigen beginnt und das Schicksal sein eigenes Ende einläutet." Damit ging sie zurück in ihre Gemächer und setzte sich vor den Kamin, um sich aufzuwärmen. Link folgte ihr und wäre ihr wohl überall hinterhergelaufen. "Bist du dir sicher, Zelda. Vielleicht machst du dir unnötig Gedanken." "Vielleicht..." Er setzte sich zu ihr und fühlte sein Herz in der Brust schneller schlagen. So gerne wollte er ihr jetzt sagen, was ihm auf dem Herzen lag, aber er schaffte es einfach nicht. Dabei wäre jetzt: die perfekt Gelegenheit. Seine Augen sahen in ihre. Sie lächelten sich beide an und hielten ihren Blicken stand. Link nahm ihre Hände in seine und atmete tief aus. "Wegen vorhin... ich wollte dich wissen lassen, dass... du mir sehr viel bedeutest, Zelda." Diesen Satz schaffte er geradeso. Sie lächelte tief gehend und murmelte: "Ich weiß." Link sprang auf, atmete kräftig aus und meinte: "Gut. Ich sollte jetzt in mein Zimmer gehen. Es war ein langer Tag und irgendwie bin ich müde." Auch Zelda stand auf und öffnete ihm die große, verzierte Tür aus ihrem Gemach. "Also dann, gute Nacht, Link. Schlaf' schön und träume einen ordentlichen Traum." "Danke. Gute Nacht, Zelda." Sie gab ihm einen Gute- Nacht-Kuss auf seine Wange und schloss dann die Tür. Mit Zeldas einzigartigem Lächeln in seinen Gedanken lief der junge Held einen unbeleuchteten Gang entlang, wusste nicht, was es war, aber je länger er an Zelda dachte, umso wärmer wurde ihm ums Herz. Er fühlte sich beinahe glücklich... etwas, was er schon lange nicht, vielleicht in seinem jungen Leben noch nie erfahren hatte. Glück... Auch als Link in sein kühles Kämmerchen eintrat und eine Kerze entzündete, dachte er an sie, an jene kleine unschuldige Prinzessin, die sich in den langen Jahren, während seiner Abwesenheit zu einer bildhübschen Frau gewandelt hatte. War das vielleicht der Grund, dachte er? War ihre Veränderung, ihre unleugbare Reifung die Ursache, dass er sich von ihr immer mehr angezogen fühlte? Langsam entkleidete er sich und kuschelte sich zufrieden in sein gemütliches, knarrendes Holzbett. Aber der junge, blonde Hylianer fand einfach keinen Schlaf. Überall im Raum sah er Zeldas engelsgleiches Gesicht, er konnte sie lachen hören, flüstern hören. Er konnte einfach kein Auge zumachen. Unentwegt dachte er an die anmutige Prinzessin der Hylianer. Ständig sah er sie vor sich. Kopfschüttelnd drehte er sich auf seinen nackten Bauch und zog die Decke über den in Glücksgefühlen und blind vor starker Zuneigung schwebendem Kopf. Er murmelte irgendetwas, verfluchte sich selbst, weil er Zelda einfach nicht aus seinen Gedanken bekam. Abrupt richtete er sich auf und führte seine linke Hand an die Stirn. "Farore, was ist nur los mit mir?", sagte er leise, begriff den Sinn seiner Gefühle nicht. Vorhin noch wäre er in Zeldas Gemach beinahe eingeschlafen, fühlte sich aufgehoben, da sie bei ihm war und nun? Warum war er jetzt einfach nicht in der Lage einzuschlafen? Langsam ließ er sich in die weichen, duftenden Kissen zurücksinken und beobachtete die heiteren Schattenspielchen an den kahlen Wänden. Ein kleiner Windstoß brachte das Feuer der Kerze zum Flackern, und auch die geheimnisvollen Schatten an den alten Wänden dieses Gästegemachs tanzten fröhlicher und ausgelassener zu ihrem Reigen, den nur Feenohren hören konnten. Schläfrig fiel sein Blick auf das mystische Flackern der einzelnen Kerze. Tropfenweise perlte sich das Wachs an den roten Hängen der Kerze. Tropf. Tropf. Links Augenlider wurden immer schwerer, und trotzdem bildete sich in der Dunkelheit seines geschlossenen Blicks erneut ein wunderbares Lächeln einer so reizenden Prinzessin, dass er die Augen wieder aufreißen musste. Murrend drehte er sich um, krallte sich das Kopfkissen und überzog seinen Schädel mit dem weichen Stoff. "Wenn das so weiter geht, schlafe ich nie wieder ein..." Genervt sprang er auf, fühlte sich, als ob er einem mächtigen Zauber unterlegen war und lief barfuss zu dem Balkon. Ein Zauber... Aber ja, Zelda musste ihn irgendwie verhext haben. Er schnipste einmal mit den Fingern, erfreut über diese angebliche Einsicht. Alles war jetzt klar für ihn. Sie hatte ihn bestimmt nur ärgern wollen... Her je... armer, armer Link. Er begriff es einfach nicht, bildete sich ein, Zelda besäße sein Herz, wusste aber nicht, dass er damit mehr meinte, als bloß einen ärgerlichen, albernen Fluch. Armer, armer Link, der nicht verstand, dass es Schmetterlinge im Bauch waren, die ihm seinen Schlaf raubten... Nur eine kurze, schlabberige weiße Hose an, trat Link hinaus auf den steinernen Balkon, stemmte seine Arme auf das Marmorgeländer und blickte hinauf an das sternenklare Himmelszelt. Strahlende, vollkommene Sterne. Ein kühler, heller Mond. Ein starkes Licht sendete er aus, ergreifend und erfrischend, fast wie das helle Licht, welches Zelda als mächtige Waffe der siebten Weisen einsetzen konnte. Seufzend ließ er den Kopf hängen, schämte sich nun fast für seine unaufhaltsamen Gedanken gegenüber der Prinzessin Hyrules. Er konnte doch nicht immerzu an sie denken, befahl er sich und gab sich einen Klaps an seine Stirn. Gab es denn nichts Wichtigeres? Nichts anderes als ein süßes Lächeln von ihr? Waren ihre saphirblauen Augen denn wirklich so einprägsam und hypnotisierend? Ohne es zu wollen, wanderten Links tiefblauen Augen zu dem Nordflügel des Schlosses und dann zu dem Bereich, wo sich Zeldas kleines, luxuriöses Reich befand. Das Licht brannte noch und ab und an konnte Link Zeldas Schatten hinter den Fenstern vorbeihuschen sehen. Er sah nur ihren Schatten und doch wünschte er sich so sehnlichst, sie jetzt hier zu haben, obwohl er noch vor wenigen Minuten bei ihr war... In dem Moment stieg ihm eine wirkungsvolle Idee zu Kopf. Vergnügt hastete er zurück in das kleine Kämmerchen, kramte die meerblaue Okarina der Zeit hervor und setzte sich beinbaumelnd wieder auf das Geländer. Seine rauen Kämpferhände legten sich leicht auf die runden Löcher und der junge Kerl trällerte verträumt die dumpfen Töne der Okarina durch die Nacht. Ganz versunken in seiner Melodie, wiegte er sich darin, spielte und spielte ein altes Schlaflied doch nur für seine Prinzessin. Die Noten streichelten die Seele, verführten zum Einschlafen und deckten jegliche Sinne mit der Sanftheit des Klanges zu... Der Wind trug die Melodie weiter, wehte die zarten Töne an das blassbräunliche Glas der Fensterscheibe von Zeldas Schlafgemach. Überraschend wurde das kleine Spitzbogenfenster geöffnet und die liebliche Prinzessin strahlte mit ihren schönen Augen hinüber zu dem kindlichen Hylianer Link, der mit ihrem alten Wiegenlied halb Hyrule in den Schlaf schaukelte. Er bemerkte sie nicht, wie sollte er auch, so gefangen war Link in seinem Spiel. Die Töne der Okarina waren so einfühlsam und zärtlich, dass auch Zelda zu gähnen begann. Als Link sein Spiel beendete, sah er Zelda an einem Fenster weit von ihm entfernt winken. Überrascht, dass sie jenes Spiel genossen hatte, winkte auch Link ihr verträumt zu und lief dann wegen ein paar hirnlosen Angstzuständen, sie könnte in der Dunkelheit seinen tomatenroten Kopf gesehen haben in das Kämmerchen zurück. Händeringend ließ er sich auf der Bettkante niedersinken und sich rücklings in das Bett fallen. "Verdammt, was passiert nur mit mir...", murmelte er, krabbelte unter die flauschige Federdecke, während die Kerze nieder brannte. Überall nur Zelda... in seinem Kopf, in seinem Herzen. Überall duftete es nach ihrem Parfum... in dem kleinen Raum, selbst das Kopfkissen. Überall fühlte er ihre Anwesenheit... sogar neben ihm. Es war nun so unerträglich für ihn, dass er aufsprang und mitten im Zimmer einen Handstand machte, sich mal eben zu dreißig Liegestützen durchrang und schließlich im nebenan befindlichen Badesaal verschwand, nur um sich eine eiskalte Dusche zugönnen, damit er seine Sinne wiederzurechtrücken konnte. Und vielleicht könnte er diesen merkwürdigen Zauber (jaja, Link glaubte immer noch er wäre verhext...) mit dem kristallenen Brunnenwasser abwaschen. Doch es half nichts... Als Link wieder in seinem warmen Bett ruhte und über jede plausible Vorstellung bezüglich seines Zustandes nachgebrütet hatte, starrte er erneut an die dunkle Zimmerdecke. Es konnte kein kindischer, ihn ärgern wollender Fluch seiner Seelenverwandten sein, solange würde sie ihn sicherlich nicht auf den Wecker gehen wollen... Er murmelte den Namen der weisen Prinzessin, fast quälerisch gelangten die wenigen wunderbaren Buchstaben über seinen Mund und doch spürte er jedes Mal, wenn er ihren Namen sprach, ein leichtes Kribbeln und Inneres Berühren in seinem Bauch. "Ich bin krank...", sagte er mürrisch und betastete seinen braungebrannten Bauch. Er erinnerte sich an eine Krankheit, die einmal in Termina ausgebrochen war und bei welcher man merkwürdige Gefühle im Magen hatte. Jetzt aber traf ihn die Erleuchtung. Vollkommen überzeugt, dass er vielleicht eine Magenverstimmung hatte und dies der Anfang einer Krankheit sein könnte, richtete er sich auf. Genau, ich werde krank, sagte er zu sich. Ein Lachen entkam seiner Kehle, warum er nicht früher darauf gekommen ist... tz...tz... Also wirklich Link, sagte er, was dachtest du denn, was es ist. Bestimmt ein kleiner Infekt oder eine böse Grippe, die sich so bemerkbar machte. Aber als er seine Augen öffnete und ihm einfiel, dass sich immer noch das Triforcefragment des Mutes in seinem Besitz befand, wurde ihm klar, dass jene Macht es gar nicht zulassen würde, dass er krank würde. "Was bin ich doch blöd.", sagte er laut und aufgeregt, verschwendete keinen Gedanken, wie stupide und verrückt es sein mochte, wenn er mit sich selbst redete. So langsam verzweifelte er, da er die Erklärung für die Gefühle in seinem Inneren einfach nicht verstand und ihm langsam aber sicher die Ideen ausgingen. Himmel, er hatte alle komischen Symptome für eine noch komischere Krankheit, für einen mehr als komischen Fluch und doch war es nichts dergleichen. Er drehte sich um, umarmte ein Kissen und erwischte sich schon wieder dabei, sich zu wünschen, dass dieses Kissen nicht nur ein Kissen wäre, sondern ein wunderbares, weibliches Wesen, welches auf den Namen Zelda hörte. Er öffnete verlegen seine Augen wegen diesem unnatürlichen, unkeuschen Gedanken und begann sich schon dafür zu schämen. "Warum kann ich das nicht abstellen?", fragte er hinein in die Dunkelheit seines Zimmers... Sich der Tatsache bewusst, dass ihm niemand antworten würde, wälzte er sich geplagt von einem großen, alten Gesetz der Welt auf den weißen Laken herum und hatte einbläuend Visionen von Zelda vor seinen Augen, egal, ob er jene schloss, egal, ob er sie offen hielt. Verzaubernd bildeten sich die Umrisse von einer in einem kurzen Nachtkleidchen gekleideten Zelda in seinem Zimmer, als wäre sie wirklich hier. Die Phantasiegestalt beugte sich über ihn, näherte sich seinen Augen, seinem Mund mit ihren und noch bevor Link dieses Bild weiterspinnen würde, schüttelte er seinen Kopf und riss die Augen auf. "Bei den Göttinnen...", entkam es seiner inzwischen trockenen Kehle. Fast wäre Link eingenickt, ständig begleitet von der lieblichen Zelda, die ihm in seinen tiefsten Träumen Gesellschaft leisten wollte. Er strich sich über seinen warmen Hals und dann über die schweißgebadete Stirn. Außer sich vor Peinlichkeit, hatte er eine weitere Idee, warum er sich in diesem seltsamen Zustand befand. Er hatte Durst. Vielleicht lag es daran, dass er zu wenig getrunken hatte und somit ständig so etwas wie Fatahmorganas vor seinen Sinnen lagen, ähnlich jenen Trugbildern von Wandernden in der Wüste, die schon tagelang nichts getrunken hatten... Eine neue Ausrede, eine neue Idee für seinen bemerkenswerten verliebten Zustand, den er einfach nicht als solches erkennen wollte. Er wusste ja nicht, was Liebe war, sagte er von sich selbst. Er würde sich in seinem Leben niemals verlieben, schwor er sich. Zu dumm, dass die Liebe sich nicht nach denen richtet, denen sie begegnet... Die Liebe sucht es sich aus, wann sie zuschlägt, nicht der Liebende... Kurzer Hand trat er in seiner kurzen Schlafanzughose hinaus in einen leeren Gang. Nicht einmal die Fackeln brannten mehr an den steinigen Wänden. Nur Dunkelheit. Zielstrebig folgte er seinem Weg in eine der Schlossküchen und suchte nach etwas frischem Wasser. Dort angekommen fand er die Tür bereits geöffnet und irgendjemand wühlte geräuschvoll in einem Schrank herum. Link hörte klirrendes Geschirr, purzelnde Töpfe und dann eine fluchende Mädchenstimme. Sofort ein kleiner, angenehmer Stich in seinem Magen, als er die Stimme hörte. Knarrend schob er die quietschende, alte Tür beiseite, sodass diese an der kahlen Wand dahinter aufschlug. Das anmutige in einen weinroten Umhang gehüllte Mädchen hetzte herum und hatte in ihren Händen einen verbeulten Silberteller und darauf ein Stückchen Schokoladenkuchen. Ein grinsender, unschuldiger Blick traf den Links und als sie ihn im schwachen Licht der Kerze erkannte, seufzte sie laut aus. "Guten Abend, mein Held. Kannst du nicht schlafen?", sagte sie leise und lächelte ihm himmlisch entgegen. Link stotterte unverhohlen und mied ihren herrlichen Blick, durch den er schweben könnte. "Du... du auch nicht?", brachte er hervor und steuerte seinen Körper zu einem großen Glasbehälter, in welches Maia immer ihre leckere Zitronenlimonade fühlte. Sich wundernd, dass er noch genügend Kontrolle über seinen Körper hatte, pflanzte er sich mit einem großen Krug gefüllt mit leckerer, selbstzubereiteter Limonade an den alten Holztisch hier in der Küche. "Ja, du hast Recht, auch ich finde keinen Schlaf...", murmelte sie verlegen, da es vielleicht der gleiche Grund wie der Links war, der sie wach hielt. Ein beflügelnder Grund... "Mein Magen hat wohl irgendetwas gebraucht...", sagte sie verlegen und setzte sich neben Link auf die einfache Bank. "Meiner auch...", sagte Link und versuchte irgendetwas gegen das Bedürfnis zu tun, sie einfach nur anzustarren... "Aber verrate Impa bitte nichts davon, sie würde nur sagen, dass ich dick und rund werde, wenn ich ständig Schokoladenkuchen in mich hineinschaufle.", sagte Zelda und aß höflich mit einem Löffel ein Stückchen. "Nein, der Kuchen würde dich bestimmt nicht dick machen.", bemerkte Link entgegen seines Willens. "...du würdest immer so schön bleiben, wie du bist." Erschrocken blickte Zelda auf, sah in Links errötetes Gesicht, sah die Scham in seinem Blick. Das war gerade ein sehr liebes Kompliment von seinen Lippen. "Warum sagst du so etwas liebes zu mir?" Zeldas fesselnde Augen rangen mit seinen, die sich darum bemühten an anderen Orten zu verweilen. Er schwieg und sprang auf, als Zelda mit ihrer triforcetragenden Hand seine linke berührte, die ebenso ein Ort für Macht war. Verwundert und ein wenig verletzt, dass er so abweisend war, betrachtete sie sich das Stückchen Torte auf ihrem Teller. "Ist es meine Anwesenheit, die dir Sorgen bereitet?", meinte sie. "Ich weiß nicht, was es ist, dass mir Sorgen bereitet... aber ich finde einfach keinen Schlaf.", sagte er gedämpft und ballte seine Fäuste. Er kämpfte mit der unheimlich angenehmen Empfindung, Zelda in seiner Nähe zu haben, kämpfte mit der Vorstellung, vor ihr niederzuknien und sie zu bitten, die Nacht bei ihm zu bleiben, rang mit dem Wunsch, sie würde einwilligen, ihm Nähe und Wärme zu spenden. Ein bisschen Gesellschaft, nicht mehr... "Ich finde auch keinen Schlaf...", erwiderte sie. "Aber vielleicht ist das gar nicht so schlimm, Link." Er drehte sich zu ihr um, schaffte es aber aus Feigheit einfach nicht ihren wunderbaren Blick zu treffen. "Warum nicht?" "So bleibt Zeit zum Nachdenken, zum Nachsinnen über bedeutsame Ereignisse." "Ja, das ist möglich.", meinte er schließlich und lief langsam zu der morschen Küchentür. "Gute Nacht, Prinzessin." Zeldas Schritte wurden hinter ihm hörbar und immer schneller, bis sie direkt hinter ihm stehen blieb. Aber Link rührte sich einfach nicht und fühlte neben dem vertrauten Magenkribbeln, schwitzende Hände, und einen hetzenden Puls. Sein Herz pochte so stark, dass er Angst hatte, Zelda könnte es hören. Sie trat langsam an ihn heran und schlang ihre in dunkelrot gekleideten Arme um seinen Bauch. "Ich fühle mich so sicher bei dir... bitte bleib' noch ein wenig..." Links Augen weiteten sich und sein Herz schien einige Schläge auszusetzen. Jedenfalls antwortete er zunächst nicht. Sie lehnte ihren Kopf an seinen starken Rücken und wartete auf eine Antwort. "Link... ich bitte dich, leiste mir ein wenig mehr Gesellschaft.", flüsterte sie. Link schloss seine Augen angesichts des süchtigmachenden Gefühls, wenn Zeldas gottesgleicher Körper an seinem lehnte. "Bitte... lass' mich nicht allein...", sagte sie schwach, so leise, leicht verzweifelt, dass es fast nach einem Wimmern klang. Link schüttelte mit dem Kopf und konnte jetzt einfach nicht weglaufen. Seine Beine waren wie mit dem Boden verwachsen und außerdem hielt Zelda ihn fest... Ihre Worte waren so einfühlsam, so flehend, dass er alles tun würde, damit Zelda wieder lächelte. Er würde alles für sie tun... Langsam drehte sich der junge Held um und fand Wasser in den Augen Zeldas. Sie weinte wirklich leise... vielleicht wegen ihnen beiden und ihrem Schicksal, nie das zu sein, was sie sein wollten. Vielleicht, weil sie wusste, Link zu lieben würde immer ein Wunschtraum bleiben. "Nicht weinen...", meinte Link sanft und wischte die Tränenspuren unter ihren Augen weg. "Wenn du lächelst, ist das viel schöner, Sonnenschein..." Sie schloss ihre Augen und nickte mit dem Versuch eines Lächelns. "So...", meinte Link, der seiner Prinzessin mit einem Taschentuch über die feuchten Wangen wischte. "Sonnenschein...", sagte er wieder und blickte sie ermutigend an. Er wusste nicht, warum sie plötzlich weinte. Er wusste es nicht und es interessierte ihn nicht. Er wollte nur, dass sie wieder lachte. "Entschuldige.", murmelte sie und putzte sich die Nase mit dem Taschentuch. "Ich weiß nicht, was mit mir los ist.", sagte sie erklärend. "Du brauchst Schlaf, Zelda." Seine Stimme klang beruhigend und zärtlich. Lag es daran, dass es Abend war oder warum erklangen die Worte in ihren Ohren so tiefgehend und einfühlsam? Seine Stimme, das würde etwas sein, an dass sie sich immer erinnerte... Sie nickte, auch wenn sie wusste, dass es einen Grund für sie gab, nicht schlafen zu können. Sie brauchte endlich jemanden, der sie in der Nacht festhielt und wärmte. Und doch wünschte sie sich nichts sehnlicher, dass es ihr Seelenverwandter war, der in den lauen Nächten Hyrules neben ihr schlief... Ein Grinsen huschte über Links Gesicht, der in jener Minute endlich wieder er selbst war. Frech packte er Zelda wie ein Kind auf seine Arme und trug sie aus der Küche hinaus. Sie krallte sich seufzend um ihn fest und ließ ihren schweren Kopf auf seine rechte Schulter niedersinken. Seine Nähe tat so gut, seine Wärme und seine reine Aura, die ihren Körper hinwegführte. Langsam und leise durchquerte Link einige Gänge des Schlosses, ignorierte die fassungslosen, irritierten und baffen Gesichter der Wachen, die hier und da standen, als er mit der Prinzessin auf seinen Armen vorüberlief. Man konnte es den Wachen nicht übel nehmen. Das Bild mochte sehr absurd ausgesehen haben. Ein halbnackter, bloß mit einer kurzen Hose bekleideter Hylianer trug frohlockend die Prinzessin Hyrules spazieren. Ein Bild für die Götter... Link erreichte die Gemächer Zeldas und ließ den erschöpfen Körper der anmutigen Hylianerin von seinen Armen auf das riesige Himmelbett nieder. Auch wenn er in der Dunkelheit nicht viel sehen konnte... Zeldas Schönheit hatte selbst die Dunkelheit als Untertan. Es war, als würde sie vor ihrer Anmut fliehen, als würde sie angesichts ihrer reinen Seele weichen. Links Augen gewöhnten sich langsam an die erdrückende Dunkelheit und Zeldas blondes Haar, welches sich auf ihren vielen, samtenen Kopfkissen ausbreitete, fiel in seinen Blick. Es schimmerte in dem kühlen Mondlicht, welches seine Arme durch die Spitzbogenfenster schickte. Zeldas Augen waren geschlossen und sie driftete hinweg, da ihr Seelenverwandter nun doch noch bei ihr war, über sie wachen würde, ihre Nähe suchte. Wie von selbst legte sich die Decke über Zeldas ruhenden Körper, während Link sich leicht über sie beugte und einen leichten, beruhigenden Kuss auf ihre Stirn hauchte. "Schlaf', mein Engel...", flüsterte er. Dann gähnte auch Link und ließ sich in Zeldas bequemen Schaukelstuhl sinken. Der junge Held Hyrules wusste nicht, dass er sich wenige Minuten zuvor mit dem größten Mysterium, mit dem ewigen, uralten Gesetz der Liebe herumplagte. Und er sollte sich weiterhin quälen, sollte weiterhin an Zelda denken, bis er sie in seinen schönsten Träumen wiederfand... Reges Treiben herrschte auf dem Markplatz in den frühen Morgenstunden. Zelda befand sich gerade zwischen den Menschenmassen und erfreute sich an dem Trubel, den heiteren Gesichtern und fröhlichen Stimmen. Es war wohl nichts außergewöhnliches mehr, dass Zelda sich hier aufhielt, denn viele Hylianer betrachteten sie nicht als die Prinzessin, sondern als einen liebenswürdigen Menschen, dem man keine Bitte abschlagen konnte. Auch Link befand sich in der Stadt, wenngleich er sich schonen musste und ab und an einen Stich in seiner Brust verspürte. Er folgte Zelda durch die Reihen von Ständen, vorbei an der Bühne und suchte ebenso nach einem Schnäppchen. Tatsächlich könnte er einige Dinge benötigen zum Beispiel ein paar Pfeile für seinen neuen Bogen. Nach einer Weile brauchte er allerdings eine Pause und setzte sich auf eine Bank vor dem Brunnen in der Mitte des Marktplatzes. Dort lehnte er sich zurück und verschnaufte einige Minuten. Zelda jedoch sprühte nur so vor Energie und rannte von einem Stand zum anderen. Ausführlich informierte sie sich über die Vorbereitungen und die Tatsache, dass am großen Tag erfreulicherweise alles fertig sein würde. Sie unterhielt sich gerade mit einem älteren Herren mit langen Bart, der Teppiche anbot, als eine kratzige Stimme hinter ihr ertönte. Die Hexe Asa aus Kakariko stand direkt vor ihr. "Seid gegrüßt Prinzessin Zelda." "Sei gegrüßt Asa." Die Hexe wand sich dann Link zu, der schläfrig auf der Bank neben dem Brunnen saß. "Ihr pflegt attraktive Gesellschaft, Prinzessin. Gehe ich recht in der Annahme, dass dieser junge Mann dort zu euch gehört." Zelda blickte überrascht drein und ahnte, das Asa um die wahre Identität Links wusste. "Ich möchte euch warnen, Prinzessin. Die Orakel prophezeien Schlimmes..." Die Prinzessin und Asa wanden sich von dem Stand weg und unterhielten sich leise in der Nähe einiger Pappeln. "Wie darf' ich das verstehen, Asa?" "Ich befürchte an dem Tag des Friedens geschehen Dinge, die nicht nur Auswirkungen auf Hyrule, sondern auch auf eine neue Welt haben werden. Ich möchte Euch nicht beunruhigen, aber ich mache mir Sorgen, aufrichtige Sorgen, Prinzessin." Zelda nickte und dankte Asa für die Warnung, auch wenn sie selbst überspielen konnte, wie ihr dabei zumute war. Seit Link verletzt worden war, hatte Zelda ohnehin ein merkwürdiges Gefühl, als ob in naher Zukunft etwas total aus dem Gleichgewicht geraten würde. Und ihre Vorahnungen hatten sie noch nie angelogen... "Übringens, Prinzessin, ich habe das Gefühl, der junge, gutaussehende Mann dort wird gerade bezüglich seiner Herkunft ausgefragt. Bis bald, Prinzessin Zelda." Damit verschwand Asa inmitten der Menschenmassen. Zelda jedoch blickte zu Link, der von einigen jungen Dingern umrundet war. An seiner verärgerten, genervten Miene erkannte man, dass es ihm nicht gefiel ausgefragt zu werden. Zelda marschierte auf die kleine Ansammlung zu und provozierte mit einem lauten: "Ähähm." Die jungen Mädchen drehten sich um und schauten Zelda überrascht ins Gesicht. Sie grummelten und stapften dann von dannen. "Was wollten diese jungen Mädchen denn von dir, mein Held?" Er verleierte seine Augen und entgegnete kühl: "Die haben mich gefragt, was ich im Schloss zusuchen hatte und ob ich vielleicht der Held der Zeit wäre." Er stand auf und gähnte. Dann hielt er eine Hand vor seine Brust. "Und? Bist du's denn", meinte Zelda scherzhaft. "Keine Ahnung. Was meinst du, Zelda?" Sie drehte sich um und tanzte vergnügt um den Brunnen herum. Ihr blaues Kleid wehte im Wind und machte aus ihr augenscheinlich ein gewöhnliches, aber wunderschönes Mädchen. Ihre Haare trug sie offen, nicht eine Spange trug sie heute. Irgendwie war sie wie ausgewechselt seit Link soviel Zeit mir ihr verbringen konnte. Sie strahlte vor Glück und so hatte Link sie noch nie erlebt. Aber es erhellte auch sein Herz, sie so heiter zusehen. "Mmh. Der Held der Zeit sollte natürlich stark sein und mutig. Außerdem trägt er eine Okarina mit sich herum und zeichnet sich durch grüne Kleidung aus, die so leuchtet wie die grünen Wiesen in der Steppe." Link lächelte leicht und spielte mit. "Und attraktiv sollte er sein, nicht wahr?" "Vielleicht." "Und er sollte der perfekte Held sein, edelmütig, großzügig und gutherzig. Außerdem hat er Sinn für Humor und ausgesprochen viel Charme." Zelda blieb direkt vor ihm stehen und sagte nach einer kleinen Pause. "Ich finde, diese Eigenschaften treffen alle auf dich zu, mein perfekter Held." Sie lachte dann, setzte jedoch hinzu: "Aber ein paar kleine Macken hat auch der Held der Zeit, nicht wahr?" "Und die wären, Prinzessin des Schicksals?" Link stand auf und folgte ihr, als sie gemeinsam Hand in Hand durch die Menschenmassen liefen und die erstaunten Gesichter des Volkes ignorierten. "Er hat einen übertriebenen Willen, würde alles für die Königstocher des hylianischen Landes tun und ist manchmal übermütig, wie auch zu neugierig, überdreht und hat eine gefährliche Zunge." Er grinste. "Ist es nicht gerade das, was du an jenem Helden schätzt, Prinzessin?" Sie blieb stehen und schaute ihm genau in seine tiefblauen Augen. "Es ist gerade das, was ich an ihm..." Sie blickten sich einige Augenblicke direkt in die Augen, wurden verlegen und schauten zu Boden. Dann wurden sie beide von einer weiteren Person begrüßt. Kommandant Orsun, den Link daher kannte, als er seinen jungen Kämpfern einige harte, aber gerechte Lektionen hinsichtlich der hylianischen Schwertkunst beigebracht hatte, stand direkt vor ihnen. Er verbeugte sich kurz vor Prinzessin Zelda und reichte Link dann freundschaftlich die Hand. Als einer der wenigen wusste er um die Identität des Helden der Zeit. Die Königsfamilie persönlich hatte ihm dieses Geheimnis unter Links Einverständnis mitgeteilt, da er einerseits ein sehr guter Kämpfer war und auf der anderen Seite, seine Treue und Loyalität einige Male ehrenhaft bewiesen hatte. "Na Link, mal nicht auf Abenteuerlust?" "Oh, ich bin leider ein wenig angeschlagen." Zelda schüttelte den Kopf. Ein wenig angeschlagen? Seine Selbstlosigkeit würde ihn eines Tages noch ins Grab bringen. "Angeschlagen ist nicht ganz richtig, Orsun. Verletzt und außerstande mehr als fünf Stunden die Augen offen zuhalten, trifft es wohl eher." Orsuns Blick änderte sich und er prüfte Link sorgfältig. Seit er ihn kennen gelernt hatte, war er fast wie ein Onkel oder ein Vater und machte sich auch seine Sorgen um ihn. Die Blässe in Links Gesicht sagte dann mehr als Worte und Orsun verstand. "Es gab einen kleinen Zwischenfall in den Schlossverliesen", sagte Link. Zelda schüttelte vielsagend mit dem Zeigefinger. "Kleiner Zwischenfall ist nicht korrekt, mein Lieber. Man hätte dich beinahe umgebracht", mahnte sie ihn. Orsun lachte und sagte: "Nun, Link, einer Prinzessin kann man wohl nicht wiedersprechen. Schönen Tag noch, euch beiden. Macht's gut." Der Kommandant war ein vielbeschäftigter Mann und musste seine zukünftigen Soldaten noch trainieren, da sie zum großen Tag einige ihrer Schwertkünste vorführen sollten. Link und Zelda traten aus der Stadt hinaus und liefen dem gepflasterten Weg zum Schloss entlang. "Sag' mal, wie viele Leute wissen eigentlich von deinen Heldentaten?" "Erst mal überlegen... da wäre Asa, die Hexe, einige der Kokiri natürlich, viele, wenn nicht gar alle Zoras, da Ruto ihre riesige Fischklappe nicht halten konnte. Sonst weiß es eigentlich niemand." Sie blieben kurz stehen und setzten sich auf eine Grünfläche vor den Schlosstoren. "Warum wolltest du eigentlich unerkannt bleiben? Du hättest mehr Ehre und Respekt verdient, Link. Und wenn jeder weiß, das gerade du es warst, der Ganon bezwungen hat..." Er lehnte sich zurück in das saftige, grüne Gras, schloss seufzend die Augen und unterbrach sie: "Zelda... bitte fang' nicht schon wieder mit diesem Thema an. Ich... ich möchte nicht, dass die Hylianer mich für etwas halten, das ich nicht bin. Schließlich bin ich nicht unbesiegbar... auch ich habe meine Schwächen." Er öffnete seine Augen und schaute in den blauen Himmel. Weiße Schleier zogen langsam vorüber. Dann beugte sich Zelda über ihn und Link verglich ihre Augenfarbe das erstemal mit der Farbe des Himmels. Ja, Zelda hatte einen Funken Himmel in ihren blauen Augen, die aus ihrem edlen Gesicht wie Kristalle hervorleuchteten. "Du hast deine Schwächen? Zumindest mir gegenüber hast du diese aber noch nie gezeigt, Link." "Natürlich nicht, Zelda. Du bist immerhin die Prinzessin." Sie schaute trübsinnig weg und verstand, was Link dachte. Sie war eben die Prinzessin, kein gewöhnliches Mädchen und würde Link wohl niemals so kennen wie ein anderer es tat. Es war ihr nicht gestattet, ihm ihre Schwächen zu zeigen, ebenso wie sie nicht das Recht besaß, seine zu wissen. Es tat weh, direkt in ihrem Herzen, aber es war nicht zuändern. Und irgendwie fühlte sie sich gerade in dem Augenblick von Link verraten, denn gerade sie hatte sich immer gewünscht, ihn besser zukennen, als andere. Und obwohl sie bei bester Laune gewesen war, erschien ihr im Moment alles wieder so unüberwindlich. Der Gedanke daran, wer sie war, nahm ihr einmal mehr das Lächeln auf dem Gesicht. Sie war die Prinzessin... Sie richtete sich auf und blickte schwermütig zu den hohen Türmen des Schlosses. "Hab' ich was falsches gesagt, Zelda?" Sie schüttelte mit dem Kopf und stand auf. "Vergiss' nicht das große Bankett zu Mittag. Mein Vater möchte dich endlich kennen lernen. Noch etwas, vielleicht trägst du einige andere Kleidung. Ich werde ein Zimmermädchen beauftragen, dass sie diese für dich zurechtlegen sollten. Du musst bei meinem Vater einen guten Eindruck machen", meinte sie kühl. Link folgte ihr nachdenklich zu den hohen Toren des Schlosses, das Zelda manchmal wie ein Gefängnis vorkam. Auf halbem Weg entdeckten sie beide dann einen großen Karren mit dutzendweise Milchflaschen darauf. Ein genauerer Blick und Malon war zusammen mit ihrem Vater dort zusehen, wie sie die Flaschen ausluden. Link sprintete fast zu ihnen, während Zelda bloß überrascht über seine plötzliche Kraft zusah. Er begrüßte Malon und umarmte sie. Wahrscheinlich hatten sie sich lange nicht gesehen, da sie sich herzlich anlächelten. Im Geheimen wurde Zelda aber bei dem Anblick Links und Malons eifersüchtig, dann traurig und verzweifelt. So herzlich, wie er Malon in seine Arme nahm, hatte er sie noch nie berührt. Zelda blieb wie versteinert stehen, als Link Malon half, die Kisten mit den Flaschen auszuladen. Sie verbarg ihre aufkommenden Tränen und rannte mit zusammengekniffenen Augen an ihnen vorbei, hinein in das Schloss, wo sie sich verstecken und weinen konnte, ohne dass sie jemand für schwächlich hielt. Sie verriegelte die Tür zu ihren Gemächern und ließ sich auf ihren Schaukelstuhl fallen. "Hey, Link, es ist ja ewig her, dass du uns auf der Farm besucht hast", sagte Malon. "Jep, ich bin ja noch nicht lange in Hyrule. Aber ich wäre euch sicherlich besuchen gekommen. Was macht eigentlich Epona?" "Ach, der geht's prächtig. Ich denke, sie vermisst dich. Vielleicht solltest du mal mit ihr ausreiten." Er schnappte sich eine Kiste und entsorgte eine kaputte Milchflasche. "Und wie lange bleibt ihr hier in der Nähe des Schlosses?" "Nun, ja. Solange, wie die Festtage sind, nehme ich an. Ich freue mich auf jeden Fall auf das Fest des Friedens und möglicherweise finde ich dort endlich meinen Prinzen. Ach ja..." Link grinste: "Wohl noch nichts neues in der Liebe, Malon?" Auch sie grinste: "Nee, irgendwie nicht." Link gab ihr einen wohlgemeinten Stups und meinte neckisch: "Ich habe gehört am großen Tag werden viele gutaussehende Adelsmänner ins Schloss eingeladen. Wieso schnappst du dir nicht einen davon?" "Das wäre eine Idee, aber ich bin ja nicht eingeladen", seufzte sie, "Ich bin eben bloß ein Bauernmädchen." Link zog eine grübelnde Miene und schien ernsthaft über eine Sache nachzudenken. "Als einer deiner besten Freunde, würde ich sagen, frage ich einfach Zelda mal, ob sie nicht etwas drehen kann, dass du ins Schloss kommst. Vielleicht können wir dich auch irgendwie herausputzen. Was meinst du?" "Das würdest du tun? Ich wollte immer schon mal einem Ball beiwohnen. Das wäre ja klasse." Sie malte sich aus, wie es sein würde, wenn irgendein gutaussehender Adliger ihr den Hof machen würde. Malon grinste in sich hinein, denn in der Tat hatte sie zumindest das Zeug zu einer Adligen und war bildhübsch, wie Link fand. Außerdem war sie eine der vertrauenswürdigsten Personen, die Link kannte und auch ihr hatte er sein großes Geheimnis mitgeteilt: dass es sich beim Helden der Zeit um ihn persönlich handelte. "Hey, wie läuft es eigentlich bei dir in der Liebe", fragte sie neugierig und grinste Link durchdringend an. "Einige Hylianer behaupten sogar, der Held der Zeit wäre nur wegen Prinzessin Zelda im Schloss." "Also... eigentlich trifft das ja den Nagel auf den Kopf... aber sie ist schließlich die Prinzessin, Malon." "Tja, du hast es dir eben nicht leicht ausgesucht, mein Freund." "Ich bin ein hoffnungsloser Trottel...", sagte er missgelaunt und wirkte teilweise verbittert. "Armer Held der Zeit... es hat ihn schwer erwischt", neckte Malon und Link lächelte ihr leicht entgegen. Tatsächlich schaffte sie es immer wieder ihn aufzuheitern. "Wie auch immer, Link, Talon und ich haben leider noch viel zu tun. Schau' doch mal, was Zelda so macht. Und bring' ihr einen Strauß Blumen von der Stadt mit. Über so was freuen sich Mädchen immer." Link nickte und lief erneut zur Stadt. Der Gedanke, es könnten Gefühle der Liebe sein, die er für Zelda hegte, war beängstigend für ihn und doch schien dies die einzig logische Erklärung für die Rastlosigkeit in seinem Herzen, wenn sie nicht da war. Er war wohl wirklich ein hoffnungsloser Trottel... Kapitel 67: Wieder ein Hinterhalt --------------------------------- Kapitel 50: Wieder ein Hinterhalt Link tauchte aus dem Wasser auf, schwamm so schnell es ging an den Rand und kletterte auf festen Boden. Ohne weiteres zog er Zelda ebenso aus dem Wasser, legte sie auf ihren Rücken und beugte sich über sie. Zuerst spürte er nichts und nahm keinen Luftzug wahr. Er tastete ihren klitschnassen Hals ab und bemühte sich, ruhig zu bleiben. Wo verdammt war Zeldas Puls? Er wurde aufgeregter, nervöser und Angst um sie stieg in ihm auf. "Zelda?" Keine Antwort. Er näherte sich ihr und nahm wieder keine Atmung wahr. Er rüttelte sie sanft, worauf sie ein wenig Wasser spuckte und sich dann aufrichtete. "Du hast mir jetzt einen ganz schönen Schrecken eingejagt, Zelda", sagte er, "bist du okay?" Sie nickte lediglich und hustete weiterhin, ohne ihn anzusehen. Dann spürte sie eine warme Hand an ihrer rechten Wange, worauf sie Link schnell fragend ansah. "Bitte... tu nie wieder etwas, dass über deine Kräfte geht, Zelda." Empört rechtfertigte sie sich: "Du verstehst das völlig falsch. Ich hatte genug Kraft, ich bin nur..." Er schüttelte mit dem Kopf: "Du brauchst dich vor mir nicht zu rechtfertigen, Zelda, ich weiß genau, dass du mehr Kraft hast als sonst jemand." Er stand auf und half ihr ebenso auf die Beine. Nun konnten sie sich endlich genauer in dem Raum umsehen und entdeckten ein altes Pult in der hintersten Ecke des Raumes. Das blaue Elixier des Weisen des Wassers lag ausgebreitet darauf. Link nahm es an sich, verstaute es in einer Tasche, worauf die Mission in diesem Verlies beendet war. Aber wieder keine Spur von Preston. Eine gute Stunde später waren sie endlich wieder außerhalb des Verlieses und ließen sich seufzend auf eine ausgebreitete Decke sinken. Es war zwar gefährlich, sich länger auf der Insel aufzuhalten, aber andererseits waren sie beide von den Strapazen so mitgenommen, dass sie keine andere Wahl hatten, als sich einige Minuten auszuruhen. Link ließ sich auf seinen Rücken fallen und starrte in den Himmel. Einige Wolkenschleier zogen über den blauen hylianischen Himmel und alles schien so friedlich. "Beobachtest du die Wolken?", fragte Zelda neben ihm, die sich gerade von der Schokolade bediente. "Mmh...", murmelte Link und streckte seine Arme aus. Auch sie schaute in den Himmel. Ein warmer Wind wehte über dem See und wirbelte Zeldas blondes Haar auf. Im Licht der Sonne wirkte ihr Haar fast golden und ihre angenehme Aura war spürbar, wie noch nie zuvor. Gerade da fielen Links Augen auf sie. Er konnte seine Augen nicht abwenden, denn gerade in diesem Moment sah Zelda einfach nur wunderschön aus, wie eine Fee oder ein Engel. Link richtete sich etwas auf und begann mit einem sanften Unterton ihren Namen zu flüstern: "Zelda?" "Ja?" Sie rutschte zu ihm und schaute nach einer Antwort wartend in seine tiefblauen Augen. "Komm' her", sagte er. Entgegen Zeldas verdutzten und teilweise verärgerten Gesichtsausdruck und dem überraschten: "Was?" aus ihrem Mund, packte Link sie frech an ihren Oberarmen, sodass sie neben ihm auf der Decke landete. Dann deutete Link auf eine große weiße Wolke. "Sag' mal. Was siehst du dort oben?" "Sieht aus wie ein großes Wildschwein, oder?" "Ich würde sagen, einen Elefanten trifft es eher", entgegnete Link. "Zumindest hat diese Wolke dort einen großen Rüssel und vier Beine." "Und dort drüben, Richtung Osten?" "Meinst du den verunglückten Baum?" "Das ist kein Baum, sondern ein Seitenprofil. Der Haarschopf, die abstehende Nase, und da ist der Mund." "Tatsächlich?" "Ja, tatsächlich..." Sie beobachteten weiterhin selbstdeutend den Himmel, genossen die milde Luft und den Sonnenschein. "Und dort?", meinte Link neugierig. Was siehst du dort?" Insgeheim hoffte der junge Held, sie könnte dasselbe sehen wie er... "Zwei Gestalten.", sagte sie gedämpft. "Jep.", meinte Link schnell. "Aber nicht einfach bloß zwei Gestalten, sondern ein Liebespaar." Nervös kaute Zelda daraufhin an ihrer Unterlippe. Dieser Vergleich... Langsam und schwärmerisch drehte sich Link zu Zelda um, die neben ihm lag und ließ seine Augen wie in Trance auf ihr ruhen. Mit einer schnellen Bewegung packte er sie liebevoll an ihren Armen und zog sie zu ihm, sodass sie auf ihm lag. Seine Arme umzirkelten ihren schmalen Rücken, während seine Augen ihre trafen. Ihre Blicke befanden sich auf selber Höhe und stillschweigend sahen sich zwei Paar blaue Augen an, träumten, erinnerten das Gestern und näherrückende Bruchstücke der weitzurückliegenden Vergangenheit. Einige Sekunden vergingen, in denen beide lediglich ihre Blicke erwiderten und keiner so recht wusste, was sie taten. Zelda schenkte ihm ein unbeschreibliches Lächeln, welches er erwiderte. Geschah dies wirklich, fragte sich Link, als Zelda sich ihm noch ein Stückchen näherte und sich die Spitzen ihrer Nasen fast berührten. Seine Hände wanderten über den samtenen Stoff von Zeldas blauer Bluse, streichelten zärtlich darüber hinweg. Es war so angenehm... ihre Nähe... ihre Wärme... Link schloss seine Augen und wartete darauf, dass sich ihre Lippen trafen. Zelda jedoch schaute noch einmal kurz nach oben an das Ufer der Insel und ihr fiel auf, dass das Boot fehlte. Sie ließ schnell von Link ab, stand auf und suchte nach dem Ruderboot, aber es war verschwunden. Die Moblins mussten es sich gekrallt haben und dann damit fortgerudert sein. "Link, das Boot ist weg." Er jedoch verdrehte seine Augen, blieb liegen und zog seufzend und frustriert das Cape über sein Gesicht. Wie immer kam etwas dazwischen... Doch das Boot fehlte tatsächlich und auch Link, der sich trotz der allbekannten, frustrierenden Gewohnheit aufgerafft hatte, wagte einen Blick und entdeckte am anderen Ufer das Boot. Doch keine Spur der Moblins. "Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als dort rüber zuschwimmen, meine Liebe", sagte er scharfzüngig und mit einer Spur Ironie, achtete aber nicht auf Zeldas trübsinnigen Gesichtsausdruck auf seine Bemerkung hin. Er lief hinein in das kalte Wasser und schwamm einige Meter, als er zurückblickte. "Was ist, Zelda? Willst du auf der Insel Wurzeln schlagen?" Sie schüttelte mit dem Kopf und schwamm ihm hinterher. Ab und an näherten sich große Schatten aus der Tiefe des Sees, die sich glücklicherweise erneut verflüchtigten. Als sie weiter auf das andere Ufer zuschwammen, sahen sie Namenlos an dem Ufer stehen. Der Hengst stand verträumt in der Nähe einer alten Kiefer und wieherte, als Zelda und Link näher kamen. Gibt's so was? Link und Zelda waren vom nördlichen Ufer aus gestartet, wo sie das Pferd zurückließen und nun waren sie keine zwanzig Meter mehr vom südlichen Ufer entfernt und Namenlos wartete frohlockend dort auf sie. Wer hatte den Hengst bloß dorthin gebracht? Oder hatte es, als Pferd einer Göttin, vielleicht mehr Fähigkeiten als ein anderes gewöhnliches Tier von seiner Pracht? Nach einer Weile waren Link und Zelda an Land und wollten einem schmalen Pfad durch einen dichten Laubwald einschlagen. Erfreulicherweise gab es eine ausreichende Ausschilderung. Ein Weg führte zu einem südlichen Hafen von Hyrule, der andere in den Osten. Sie entschieden sich für letztere Möglichkeit. "So, Zelda", fing der blonde Hylianer neben ihr an, als er die schwarze Mähne des Hengstes striegelte: "Wo möchtest du heute sitzen, vorne oder hinten?" Sie antwortete nicht und stieg einfach auf. Link folgte und saß ausnahmsweise mal hinter ihr. Schnell wollte Link die Zügel ergreifen, als aber Zelda dasselbe vorhatte. Ihre Hände trafen sich in einem Moment der Stille. Fest umschloss Link ihre samtenen Hände, schloss die Augen und ließ verliebt seinen Kopf auf ihre rechte Schulter sinken. Er brauchte sie und gerade in diesem Moment schien er sich dieser Sehnsucht wieder bewusst zuwerden. Nein, es war nicht nur einander brauchen. Vielmehr begehrte er sie. Doch Zelda reagierte nicht, gefangen in seiner Nähe, die sie sich immer gewünscht hatte und doch hielt ihre eigene innere Kälte sie davon ab, mehr als nur eine Berührung zuzulassen. Angespannt griff sie fester in die ledernen Zügel und wich ruckartig nach vorne und beförderte Link aus seinem verträumten Schwelgen in seinen Gefühlen. "Sorry.", hauchte er an ihr Elfenohr und hinterließ zusätzlich ein enttäuschtes Seufzen. "Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen musst.", sagte sie. "Gut, da kann ich es ja noch mal versuchen." Diesmal wanderten seine Hände über ihren gertenschlanken Bauch. "Das bedeutet nicht..." Sie hatte vor Aufregung einige tiefe Atemzüge nötig. "dass du dir alles erlauben kannst." "Auch das nicht?" Provozierend ließ er seinen Mund ganz nah an ihrer rechten Wange entlang wandern, kurz davor ihr einen lieben Kuss auf die reine Haut zu geben. Eine Gänsehaut lief über ihren Rücken, die sie einfach nicht kontrollieren konnte. Sie wollte dieses angenehme Gefühl im Moment nicht, auch wenn es sich teuflisch wunderbar in ihrem Magen, in ihrem Herzen und selbst in ihrem Kopf anfühlte. Verärgert darüber, wie Link sie so leicht zu überrumpeln versuchte, meinte sie schnippisch: "Lass' das." Mit dieser Reaktion hatte Link nun keineswegs gerechnet. Schweigsam und enttäuscht wich er zurück und schüttelte seinen Kopf. Hatte er etwas falsch gemacht oder war sein Handeln zu voreilig gewesen? Konnte es sein, dass sie eben einfach nicht empfand, was er tat? Das Pferd trabte alsdann den Weg entlang. Die zwei Hylianer gelangten immer tiefer in einen einfachen Nadelwald, als langsam die Sonne unterging und der ganze Ort in warme Farben getaucht wurde. Die ganze Zeit gab es nichts zu sagen. Zelda starrte kopfhängerisch hinein in die zunehmende Dunkelheit des Waldes. Irgendwie hatte sie ein mulmiges Gefühl, seit vorhin. Sie war sich nicht sicher, ob sie tatsächlich auf dem richtigen Weg waren. Und ihre Vorahnungen hatten sich bisher auf gemeine Art und Weise bestätigt. Ohne zu wissen stimmte wirklich etwas nicht... denn Preston hatte seine Hände im Spiel und lenkte die beiden auf eine falsche Fährte... Die ersten Sterne leuchteten am Himmel auf, als Link und Zelda aus dem Wald heraustraten. Link wäre vor Schreck beinahe vom Pferd gefallen und starrte kopfschüttelnd zu dem Ort, den sie erreicht hatten. Das südliche Ufer Hyrules lag vor ihren Augen und nur wenige Kilometer weiter lag der Hafen, wo einige Boote, Schiffe und Jachten vor Anker lagen. Na toll. Wer beim König von Hyrule hatte diese verdammten Schilder vertauscht? Wut stieg in Link und in Zelda auf und beide würden sich erneut ungerecht behandeln. "Ich hab's schon geahnt", sagte Zelda, hörbar schlecht gelaunt. "Schön. Und warum hast du nicht eher was gesagt, Zeldaschatz." "Bin ich jetzt an der Situation schuld? Und außerdem sollst du mich nicht Zeldaschatz nennen", entgegnete sie verstimmt. Sein Griff um ihren Bauch wurde plötzlich fester. Und er murmelte direkt in ihr Ohr: "Hast du was gesagt, Zeldaschatz." "Link, jetzt reicht's aber. Ich habe wirklich keine Lust auf deine dummen Spielchen." Er ließ sie los, sprang vom Pferd und zog verärgert seine Mundwinkel nach unten. Dumme Spielchen? Er hatte doch nur versucht sie aufzuheitern... Soso... seine Spielchen waren also dumm. "Gut.", sagte er und ballte seine Fäuste. "Dann weiß ich endlich mal Bescheid. Es ist also ein dummes Spielchen für dich, wenn ich versuche dir zu helfen oder... dir nahe zu sein." Er war gekränkt, nein, nicht nur gekränkt, ernsthaft verletzt und die Eifersucht auf Preston keimte wieder in ihm auf. "Dann frag' doch Preston, ob er seinen Hals für dich riskiert oder dir hilft, die Erde zu retten. Ich bin mir sicher, seine Spielchen sind nicht dumm." Auch Zelda war vom Pferd gestiegen und konnte nicht glauben, was er da sagte. Ihre Augen standen vor Entrüstung weit offen. Doch Link erwiderte keinen Blick von ihr. "Link. Das ist nicht fair." "Ach nein?" Erneut stritten sie sich wie zwei gackernde Hühner und fielen sich gegenseitig ins Wort. "Warum bist du dann so abweisend zu mir?" "Das stimmt nicht.", sagte sie und schüttelte drohend mit ihrem Zeigefinger. " Also, was beim heiligen Triforce erwartest du von mir?" Beschämt wanderten seine tiefblauen Augen zu seinen braunen Lederstiefeln. "Daher weht der Wind, nicht wahr? Bist du aus auf ein schnelles Abenteuer?", fauchte sie gekränkt. "Das ist nicht dein Ernst. Wag es ja nicht, mich in irgendeiner Weise mit Preston oder sonst jemanden zu vergleichen und mir so etwas zu unterstellen. Das ist nicht nur verletzend, gemein und hinterhältig, sondern einfach nur dumm." "Du bezeichnest mich als dumm?" Blanke Enttäuschung und Zorn blitzten in ihren Augen auf. "Dann such dir doch jemanden, der dumm genug ist für deine Annäherungsversuche." Link schüttelte den Kopf. Sein Blick wurde verletzlich weich und die Wut und der Ärger wurden von blanker Traurigkeit abgelöst. "Ich wollte dir einfach nur nahe sein...", sagte er leise. "Das war alles. Ich brauche dich nun mal. Was ist falsch daran, dass ich deine Nähe brauche?" Zelda lachte gefährlich und amüsiert auf. "Meine Nähe? Hör dir mal zu, du Idiot. Weißt du, was du da sagst?" "..." "Du machst dich von mir abhängig? Jemanden, der nicht einmal ein Mensch ist?" Es war nicht nur Wut, die Zelda ihre Worte erschaffen ließ. Es war Verzweiflung und Hass auf die eigene für sie ungerechtfertigte Wiedergeburt. "Du bist genauso ein Mensch wie ich und die anderen. Hör auf, dir einzubilden, anders zu sein. Ich dachte, wir hätten diese Schwierigkeiten hinter uns, Zelda.", sagte er und wurde in seinen Worten immer leiser. "Es gibt nichts, dass jemals ausgestanden ist, das weißt du besser als ich. Also denk' gefälligst das nächste Mal ein wenig weiter, du Held." "Zelda, jetzt hör endlich auf mit deiner Streitsucht. Ich ertrag' das nicht länger." "Ich fange ja nicht an, du Held." "Ach nein, und ich war mir sicher, es läge an deinen verfluchten Geheimnissen, die du ja aus irgendwelchen Gründen nicht mit mir teilen kannst", sagte er, grinste unecht und hielt Zelda fest an den Armen. "Meine Geheimnisse?", fragte sie erstaunt und riss sich empört und miesepeterig aus seinen Händen los. "Ja, Zeldaschatz, ich weiß etwas. Etwas, das mich betrifft. Und ich frage mich, warum du es mir verschwiegen hast", sagte Link laut und erwartete eine ungenießbare Antwort. "Dann lass doch mal hören, du Held." Und Zelda reckte ihm aufgebracht ihren Kopf entgegen, kniff ihre Augen zusammen und streckte dem ohnehin ungerecht behandelten Helden die Zunge heraus. Was zuviel war, war eindeutig zufiel und es platzte aus Link heraus: "Ich weiß genau, was du jede Nacht träumst, Zelda. Und jede Nacht frage ich mich, warum du so unaufrichtig zu mir bist und es mir nicht erzählst." Zelda war baff. Er wusste von ihren Träumen? Wie das? "Das ist nicht dein Ernst?!?" Erstaunt weiteten sich ihre Augen. "Wie hast du...?" "Ich habe die Telepathiesteine verwendet?!?" Schock stand nun in ihren saphirblauen Augen geschrieben. Sie wollte es nicht wahrhaben... Seit langem schon trug sie diesen Traum mit sich herum, hatte gebangt, gefürchtet und geweint, wann immer sie Link kalt und leblos vor ihren eigenen Füßen vorfand. Und nun wusste er es, konnte nicht verstehen, dass sie es nur aus Schutz und Besorgnis um seinetwillen verschwiegen hatte. Es war doch nur ein Traum... und doch schmerzte er. "Warum hast du das getan?", sagte sie verzweifelt und ballte aus Wut ihre Fäuste. "Ich habe das nur... für dich getan, Zelda. Ich musste es wissen... weil ich dir helfen wollte...", meinte er rechtfertigend. "Oh nein!", sagte sie laut und stur. Ihre Augen blitzten auf und gaben Link einen vorwurfsvollen Blick. "Du hast dabei einzig aus egoistischen Motiven gehandelt. Du hast mir nicht länger vertraut!", brüllte sie halb. Tränen standen in ihren Augen. "Du hattest kein Recht diese Bürde zu wissen. Du hattest niemals das Recht dazu." Link blickte trübsinnig weg und starrte auf den Boden. "Ich verstehe dich nicht. Damals hättest du dir niemals gewagt meine Geheimnisse auf diese Weise ausfindig zu machen.", fauchte sie lauter, sodass in den Bäumen ringsherum die Vögel in die Lüfte stiegen. "Du hast absolut keine Ahnung, wie verletzend es ist, dass du dich einfach in meine Träume eingeschlichen hast.", sagte sie bitter. "Und du hast absolut keine Ahnung, wie verletzend es ist, dass du mir nicht mehr vertraust. Denn gerade das ist unser Problem, Zelda. Du vertraust mir einfach nicht mehr...", entgegnete Link. Aufgeregt breitete der junge Held seine Arme aus und fuhr energischer fort: "Glaubst du, es macht mir Spaß, mit anzusehen, wie du dich immer mehr vor mir verschließt? Mit jeder Minute, die wir in Hyrule verbringen, wirst du mir gegenüber kälter. Ich wollte dir helfen, dich verstehen. Ich hatte niemals vor, dir in irgendeiner Weise weh zu tun. Verdammt, Zelda." Er legte beide Hände auf ihre Wangen und zwang sie dazu, in seinen tiefblauen Augen zu lesen. "Zelda, ich würde... alles für dich tun. Restlos alles." Aufgebracht drehte sich Zelda weg. "Ich würde... mein Leben für dich aufgeben.", flüsterte er und schaute trübsinnig zu den langen Grashalmen an seinen Füßen. Doch gerade dieser Satz tat Zelda mehr weh als alles andere. Sie ertrug es nicht, dass jemand ihr gegenüber so edelmütig handelte wie Link. Schon lange zuvor hatte sie ihren Selbstwert weggeworfen. Seit Hyrule damals verblasste, verblasste auch sie innerlich und der Schatten über ihren Augen überdeckte das einstige Leuchten ihrer Augenfarbe mehr und mehr. Mit vor Zorn kochenden Wangen sah sie auf, hob langsam ihre Hand und konnte nicht anders als Link dafür eine Schelle zu verpassen. Link zuckte zur Seite, legte eine Hand an seine wunde Wange und verstand die Welt nicht mehr. Vor wenigen Minuten noch waren sie einander so nah gekommen wie nie zuvor und nun behandelte Zelda ihn wie den letzten Idioten, wie das dümmste Häufchen Dreck, wie einen dämlichen Versager. War es etwa nie anders gewesen? Hatte sie ihn von Anfang an nur aus eigenem Nutzen in die Dinge hineingezogen? "Sag' das nie wieder. Ich bin es nicht wert, dass du dein kostbares Leben für mich wegwirfst.", brüllte sie und ihre Wangen wurden feucht. "Du bist dumm, wenn du wegen der Prinzessin Hyrules leiden willst. Wage dir nie wieder so etwas zu mir zu sagen." Ihre Worte wurden schwächer und der laute Tonfall wandelte sich in verzweifeltes Flüstern. "Wag' dir nie wieder... Dinge wie diese zu sagen.", murmelte sie und rümpfte ihre Nase angesichts seiner Worte. "Lass' mich einfach in Ruhe. Verschwinde! Bitte lass' mich allein... und verschwinde!" Sie trampelte mit ihren Füßen auf dem Boden herum, als Link den Versuch machte, sie zu berühren. Als wären seine Hände teuflisches Gift für sie, fuhr sie zurück und versteckte ihre eigenen Hände hinter dem Rücken. "Hör auf, mein Beschützer zu sein..." "Schön...", sagte er leise und warf ihr den Beutel mit den magischen, roten, blauen und grünen Steinen vor die Nase. "Es ist genug, Zelda. Du behandelst mich wie Dreck, wenn ich versuche, dich zu verstehen. Es macht dir wohl Spaß, mich auszunutzen. Aber damit ist heute Schluss." Er drehte sich um, verbarg den aufkommenden Schmerz vor ihr, denn, was er jetzt sagen würde, könnte das Ende ihrer Freundschaft sein. Ein für allemal. Und er sagte noch einmal, aber leiser. "Es ist Schluss damit. Ich will nichts mehr von dir hören. Lass' uns diese verdammte Mission zuende bringen, damit sich unsere Wege wieder trennen können. Ich ertrage deine Anwesenheit nicht mehr." Damit lief er ans Ufer und setzte sich auf die Grünfläche. Trübsinnig starrte er hinaus in die endlose Düsternis des Meeres und wünschte sich teilweise, es würde ihn verschlingen. Zelda blieb erstarrt in der Nähe des Pferdes stehen. Er wusste es, hatte das grausame Geheimnis am eigenen Leib erfahren. Warum konnte er sie dann nicht verstehen? Sie hatte es nur verschwiegen, um ihm seine Hoffnung nicht zunehmen. "Link...", murmelte sie leise. Eine Träne rollte ihre Wange hinab, als sie seine letzten Worte wieder in ihr Gedächtnis rief. Es ist Schluss? Meinte er damit ihre Freundschaft? Zelda nahm den kleinen Beutel an sich und rannte vor Wut über sich selbst einige Meter zurück in den Wald, ließ sich einfach an einen alten Baumstumpf nieder, stützte ihre Arme darauf ab und weinte bitterlich. Warum taten sie einander nur so weh? Es konnte nicht nur an der Situation liegen oder daran, dass sie beide schon viel zu lange aufeinander hockten. Vielleicht wäre ein wenig Abstand gut. "Link... es tut mir so leid...", wimmerte sie und ärgerte sich selbst über ihre eigene Feigheit, ihm zu sagen, was er ihr bedeutete und was er für sie war. Aber Zelda konnte ihre innere Kälte einfach nicht ablegen, sie ließ es einfach nicht zu und wehrte sich gegen Links Nähe. Und irgendwann würde er sich von ihr abwenden oder er hatte es bereits getan... Kapitel 68: Genug ----------------- Kapitel 51: Genug Zelda lief mit ausgeheulten Augen zurück zu dem Ufer. Zutiefst traurig über ihr Unvermögen einfache Zärtlichkeiten von Links Seite zuzulassen, suchte sie in der Dunkelheit das Ufer ab, aber noch hatte sie den jungen Hylianer nicht gefunden. Dann sah sie eine Klinge in der Dunkelheit aufblitzen. Sie trat näher, aber versteckte sich noch hinter einem knorrigen Dornenbaum, die es so zahlreich in der uralten Steppe gab. Sie hörte seine angenehme Stimme und ein eher wildes Kampfgeschrei aus seinem Mund. Die Klinge zerschnitt die Luft, selbst der rauschende Wind konnte das Schneiden der Waffe nicht übertönen. Sie lief noch einige Meter und sah ihn dann trainieren. Er führte einige Kombinationen durch, holte aus zu einer seiner Wirbelattacken und stach das Schwert im Anschluss in den Boden. Sie konnte den aufhetzenden Zorn beinahe fühlen, der von ihm ausging... Wieder geschah es. Gerade als Zelda sich zurückziehen wollte, da er ihre Anwesenheit sicher nicht gebrauchen konnte, da sie ihm weh getan hatte und er bestimmt alleine sein wollte, spürte sie es wieder. Ihr Handrücken, wo sich einst das Triforcefragment der Weisheit verbarg, sendete eine angenehme Wärme aus und eine Art Kribbeln. Zugegeben, sie hatte damals schon häufig seltsame Wahrnehmungen, die das Triforce als Ursache hatten, aber ein solches Gefühl war ihr noch nie geschehen. Sie mochte das Gefühl. In ihre Gedanken versunken trat Zelda auf einen kleinen brüchigen Ast und ein flüsterndes Rascheln führte dazu, dass Link überraschend stehen blieb, seine Ohren spitzte und genau in ihre Richtung sah. Im Bruchteil einer Sekunde zog er das Schwert wieder aus dem Boden, rannte blitzschnell zu ihr herüber und griff sie an. Wahrscheinlich hatte er sie in der Dunkelheit noch nicht erkannt und hielt sie für irgendeinen Feind. Zelda wich zurück, landete mit dem Rücken knackend an dem Baum und ehe sie sich versah, spürte sie eine kalte, gefährliche Klinge an ihrer Kehle. Zelda schwieg und starrte durch die Dunkelheit in Links leuchtende Augen. Wie blankpolierter, heller Stahl blitzten seine Augen vor Enttäuschung und Wut. Langsam führte er die Klinge von ihrem Hals weg und schien ebenso dabei, in der Düsternis in ihre Augen zusehen, versuchte sie immer noch sich selbst ärgernd zu verstehen und in ihr Herz vorzudringen. Er trat einen Schritt zurück und sagte nichts anderes als: "Zieh dein Schwert!" Zelda wollte ihm zuerst wiedersprechen. Im nächsten Augenblick dachte sie aber, es wäre sowohl für ihn, als auch für sie eine Möglichkeit den Frust der letzten Stunden aus dem Weg zuräumen. Langsam führte sie ihre schimmernde Waffe aus der einfachen, braunen Schwertscheide und stellte sich Link an den Ufern des hylianischen Landes kampfbereit entgegen. Das Licht des hellen Mondes fiel auf das schattige, steile Ufer, wo zwei Kämpferherzen sich gegen überstanden und darauf warteten, wer den ersten Schritt wagen würde, kurz bevor jener Himmelskörper wieder hinter dichten Wolken verschwand und der gesamte Ort noch dunkler erschien als zuvor. Link startete den ersten Angriff und führte seine schwere Hiebwaffe langsam, verwendete nicht zuviel Kraft, testete aus, wie gut Zeldas Kampfstil war. Wie er erwartet hatte, konnte sie sehr gut kämpfen, hatte zwar ihren eigenen, vielleicht ein wenig ungewöhnlichen Stil, aber parierte sehr gut und setzte im Gegenzug kraftvolle Attacken durch. Dann wurden Links saubere Bewegungen schneller und seine charakteristischen Schwertstreiche stärker. Allmählich kam Zelda ins Schwitzen und sie sah Links rüstige Attacken nicht mehr so leicht kommen wie vorher. Er war dabei ihr seine wahren Fähigkeiten teilweise vor Augen zuführen. Spielend schickte er ihr die Kraft seines Schwertes entgegen und drängte sie immer weiter an das hohe, gefahrvolle Ufer. Zelda konnte nur rückwärts gehen, es gelang ihr nicht mehr ihn zurückzudrängen. Link war einfach zu stark, zu talentiert, zu gut. Die Schwertkunst schien seine Materie zu sein, sein Element, als ob es in seinem Blut läge oder in seiner Seele. Es war wohl sein Schicksal, das Schwert wie kein anderer zu beherrschen. Er wirbelte um Zelda herum, sodass er schnell hinter ihr stand und setzte ihr eine scharfe Seite der Waffe vor das anmutige, verblüffte Gesicht. Auch diese Attacke hatte sie nicht kommen sehen. Erneut lag ein Stück Metall auf sanfter Haut. "War's das schon?", reizte er sie. Aber auch Zelda hatte ihre Geheimtechniken, verpasste Link mit dem Ellenbogen einen gemeinen Stoß in den Magen und gleichzeitig mit ihrem Fuß einen harten Tritt ans Schienbein. Überrascht kreischte Link auf, ließ das Schwert sinken und schaute entschlossen auf. Zelda drehte sich um und rannte wenige Meter aus seiner Reichweite. Link lächelte leicht in sich hinein. Er hatte Zelda wohl gewaltig unterschätzt. "So leicht bin ich nicht zu besiegen", erwiderte sie bissig und hielt ihr Schwert wieder gestreckt vor sich. "Gut, dann zeig' mir, wozu du fähig bist." Und erneut prallten zwei Schwerter aneinander. Kampfgeschreie schallten erbarmungslos durch die Luft. Auch Link fühlte allmählich einen schnelleren Puls und rang nach Luft. Der Mond kam ein letztes Mal zum Vorschein, bevor er endgültig hinter dunklen Regenwolken verschwand. Einige Tropfen fielen, aber weder Link noch Zelda kümmerten sich jetzt um den kalten, grausamen Regen. Sie waren beide wie in Trance und wollten sich gegenseitig beweisen, welche Kraft in ihnen steckte. Sie kämpften nun direkt am steilen, kantigen Ufer. Mit jeder Attacke schmerzte das Leder des Schwertheftes mehr in den Händen, mit jedem Schlag verloren sie an Kraft, an Ausdauer und mit jeder Bewegung wurden die Schritte schwerer. Aber keiner von beiden gab auf. Keiner wollte aufgeben. Sie rannten beide aufeinander los, fühlten die Klingen vibrieren, als sie sich trafen und schauten sich kurz mit ernsten Gesichtern in die Augen. Sie hüpften außer der Reichweite des anderen und schnappten heftig nach Luft. Link nutzte einen Augenblick der Unaufmerksamkeit von Zelda, rannte geschwind auf sie zu und schlug ihr schmerzhaft das Schwert aus der rechten Hand. Es landete in der Nähe des einzelnen Baumes. Zelda blickte durch die Dunkelheit auf die Klinge und erkannte diese noch gerade so. Link hielt das Schwert in ihre Höhe und sagte tonlos, als wäre er kein Mensch: "Deine Unaufmerksamkeit ist ein Zeichen von Schwäche." Seine Wortwahl tat weh. Gerade Link hatte ihr klarmachen wollen, sie sei nicht schwach. Doch gerade in diesem Moment brach er mit seiner Ehrlichkeit zu ihr. "Und deine Gutgläubigkeit kommt dir teuer zustehen." Zelda hatte schließlich noch andere Waffen. Flugs hob sie die Hand und entzog Link mit einer magischen Attacke den Boden unter den Füßen. Schreiend landete er auf seinem Rücken und spürte einen Dolch an seinem Hals. Zelda stand vor ihm, keuchte und sah leicht traurig, vielleicht verletzt, da sie gegen einander kämpften in seine Augen. Link starrte nur giftig zurück. Keine Spur mehr von Verständnis und der einstigen Zuneigung für seine Prinzessin, die sie so gerne darin sah... Inzwischen regnete es in Strömen, aber der Kampf war noch nicht zuende. Die durchnässte und durchgeschwitzte Kleidung interessierte niemanden, ebenso wenig der Matsch unter ihren Füßen oder die triefenden Haare, die schlapp herunterhingen. Links Mundwinkel zogen sich nach oben. Er schlug Zeldas Dolch mit dem Schwert zur Seite, rollte sich rückwärts ab und startete erneut einige Kombinationen. Zelda kämpfte währenddessen mit zwei Dolchen in ihren Händen- eine Technik, die Impa liebte und ihr persönlich beigebracht hatte. Aber wieder konnte sie lediglich seine scharfen Attacken abwehren, sah kaum die Möglichkeit ihn ebenso anzugreifen. Link war einfach zu schnell, zu stark. Abermals drängte er sie zurück, bis sie in der Nähe des Waldrandes stand. "Bist wohl außer Puste und doch nicht so stark, wie du anderen gern glauben machst", sagte er gemein, sodass sich Zelda fragte, ob sie tatsächlich gegen Link kämpfte. "Schlag' endlich zu!", brüllte er dann. Zelda erkannte nun die ungeheure Wut in ihm, die sich seit ihren ersten Streitereien in Hyrule angestaut hatte. Links Angriffe kamen schnell und überraschend und beide Dolche von Zelda flogen in hohen Bogen schräg zur Seite, blieben dann in einem breiten Baumstamm stecken. Zelda sah in ihrer gegenwärtigen Situation um sich, entdeckte ihr Schwert, rannte so geschwind wie sie konnte dorthin und hörte Links Stiefel hinter ihr im kalten Matsch. Sie krallte sich ihre Waffe, wirbelte sie im Eifer des Gefechtes herum und traf den hinter ihr zum Stehen kommenden Link damit quer über die Brust. Entsetzt wich er zurück, aber es floss kein Blut, nur die grüne, klatschnasse Kleidung war total zerfetzt. "Gut so. Aber noch nicht gut genug.", forderte er sie heraus, "So besiegst du die Kälte in dir nicht." Dann fauchte er sie an. "Schlag endlich zu. Das willst du doch. Schlag zu mit allem, was du hast." Und Zelda kamen beinahe die Tränen. Sie wollte nicht mehr. Es war genug. Nein, sie wollte nicht länger gegen Link kämpfen, gegen jemanden, der ihr soviel bedeutete. Doch dieser Kampf war noch nicht ausgestanden und Link führte sein scharfes Schwert erneut gegen sie. Er machte einige wilde, neue Streiche, die Zelda bei ihm noch nie gesehen hatte und flink packte er die Waffe an der Klinge, brachte Zelda mit dem Schwertheft zu Fall; und zum dritten Mal saß die scharfe Klinge an Zeldas Hals. Link blieb angewurzelt vor ihr stehen, atmete hastig ein und aus, aber zeigte sonst keine weitere Gefühlsregung. Zelda starrte ihn nur an, wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton heraus. "Kämpf' endlich und hör' auf, dich vor dir selbst zu verstecken", schrie er sie an und Zelda konnte nicht glauben, wie er sie behandelte. So hatte Link sie noch nie angeschrieen. Warum tat er das? Ja, sie hatte ihm weh getan, nicht nur einmal. War das seine Rache? Und fast hätte sie gesagt: ,Link, bitte hör auf, es tut mir leid...', aber sie sagte nichts, stand auf und stellte sich ihm einmal mehr kampfbereit entgegen. "Na, bitte, die Prinzessin schafft es wohl doch noch weiterzukämpfen." "Der Held sollte seine Zunge hüten, er könnte sie verlieren", sagte sie gefährlich und griff ihn an. Doch erstaunlicherweise wehrte Link ihre Attacken lediglich ab, unternahm aber keine Angriffe, sondern ließ sie bewusst auf ihn einschlagen. "Ach ja. Die Prinzessin bildet sich ein, sie könnte mir die Zunge mit ihrer schwächlichen Schwerttechnik abschneiden. Wie dumm." Und Link wurde immer fieser ihr gegenüber, stimmte sogar schon Verachtungen an, beleidigte Zelda ohne Mitleid, sodass ihr allmählich doch Tränen in die Augen stiegen. Sie verstand langsam mit jedem Schlag, den sie ausführte wie belastend es für Link gewesen sein musste, dass sie ihm aus dem Weg gegangen war; und sie genau solche Gemeinheiten an seinen Kopf geworfen hatte. "Link, bitte, ich will nicht mehr gegen dich kämpfen", sagte Zelda dann leise, als sie die Klinge stoppte und diese krachend zu Boden fiel. Link jedoch war mit diesem Ausgang nicht zu Frieden und erwiderte kalt: "Fragt dich Ganondorf, ob du noch gegen ihn kämpfen willst? Fragt er mich das?" Er nahm ihr das Wort und fauchte: "Nein. Also kämpf' gefälligst. Ich höre nicht auf, bis der Kampf entschieden ist." Zeldas Augen standen weit geöffnet vor Schreck und nur schwerlich konnte sie seine Worte begreifen. Dann nahm er zu Zeldas Fassungslosigkeit sein Schwert, holte aus und die Klinge wanderte auf sie zu. Sie schloss entsetzt ihre Augen, hielt schützend die Hände vor ihr Gesicht und hörte nur noch ihren eigenen, aufgeregten Puls. Nach wenigen Sekunden wagte sie wieder einen Blick, aber Link stand einfach nur da, hielt sein Schwert langgestreckt vor sich, direkt auf ihr Herz, aber machte sonst keine Bewegung. Leise flüsterte Zelda: "Es hatte seinen Grund, dass ich dir von meinem Traum nichts gesagt habe." Sie versuchte einen Anfang zu machen, aber Link schüttelte den Kopf und brüllte: "Das will ich nicht hören. Es ist alles, bis auf die Sache mit dem Schwert, geklärt. Es ist vorbei. Endgültig." Er meinte ihre Freundschaft... vermutlich... Er hob Zeldas Schwert auf, nahm es an der Klinge und spürte, wie der kalte Stahl in seine Haut wanderte. Blut tropfte aus seiner Handinnenfläche, doch Link spürte den Schmerz im Moment einfach nicht. Er hielt Zelda das Heft vor die Nase. "Nimm' das Schwert, wenn du nicht schwach sein willst." Sie umgriff das Heft und schlug weiterhin zu, aber sie wurde unkonzentrierter, nahm an Kraft ab und fühlte, wie ab und an ihre Augenlider sanken. Dann kam noch ihr hungriger Magen dazu. Aber dieser Kampf würde niemals entschieden werden. Auch Link startete wieder einige Angriffe, entfachte eine ungeheure Masse an schlagkräftigen Kombinationen und Zeldas Schwert flog aussichtslos und in hohem Bogen davon. "Du bist schwach. Merkst du es endlich? Genauso hilflos und schwach wie ich gegen Ganondorf sein werde, wenn ich ihm gegenüber stehe. Aber du konntest ja nicht aufrichtig mir gegenüber sein und mir wenigstens, fairerweise, deine lächerliche, stupide Prophezeiung mitteilen. Habe ich es verdient, von dir belogen zu werden?" Link kochte nun vor Wut und warf entzürnt sein Schwert irgendwo auf die Grünfläche. "Es geht in deinem Traum schließlich um mich, Zelda, um mich, deinen Freund, der nicht merkt, dass er einer deiner Freunde ist." Und Link hörte nicht auf mit seiner Anklage. Er wollte nicht auf diese Weise ausrasten, aber es ging einfach nicht mehr. Er konnte nichts mehr in sich hineinfressen und so tun, als wäre alles in Ordnung. Er hatte die Schnauze voll, genug von Zelda und ihren Beleidigungen, genug von ihren Ausreden. Auch ihm stiegen nun Tränen in die Augen, die er aber nicht zugeben wollte. "Es ist genug...", sagte er. Hastig drehte er sich um und rannte davon, direkt hinein in den Wald und suchte sich einen Unterschlupf. Zelda ließ sich weinend zu Boden sinken und krallte ihre Fingernägel aus Hass auf sich selbst in die Haut ihrer Unterarme. Und es war das erste Mal, dass sie etwas in ihrem Herzen zugab. "Ich liebe dich, Link...", wimmerte sie vor sich hin, als auch der Regen endlich stoppte. Sie sah hinauf zu dem hellen Mond, der sich in wenigen Tagen zu einem Vollmond wandeln könnte und auf der Erde würde er ein rotes, gefährliches Licht aussenden. Der Name ihres besten Freundes entkam ihren Lippen flüsternd. Sie liebte ihn. Sie liebte ihn schon immer... Doch wie sollte eine Zukunft, eine Beziehung mit ihm aussehen, denn sie würde immer Zelda, Kronprinzessin Hyrules bleiben, egal, ob sie sich versteckte, egal, ob sie ihren Namen wechselte. Sie liebte ihren Helden und doch wollte sie nie verstehen, nie glauben, dass er ihre Gefühle erwidern könnte. Eine Prinzessin zu lieben, war dumm. Eine Prinzessin lieben zu wollen, brachte Unglück und Leid mit sich und diese Dinge wollte sie ihm einfach ersparen... Sich die Tränen aus dem rotgefärbten Gesicht wischend, schaute sie auf das Medaillon und kramte dann die gesamten Steine heraus, die sie mitführte. Es waren jetzt insgesamt vier kleinere rote Steine, ein größerer blauer Telepathiestein und ein grünlicher. Das Medaillon um ihren Hals glühte dann abwechselnd in allen drei Farben und irgendwie beruhigte es sie. Auf eine Art und Weise tat es gut. Doch Macht schützt nicht vor Einsamkeit, das hatte sie damals schon bitter erfahren müssen. Einsamkeit, die sich mit Link verflüchtigen könnte. Einsamkeit... Während sie vor sich hinbrütete und auf die Steine blickte, bemerkte sie aber noch eine interessante Kleinigkeit. Die vier roten Steine ließen sich irgendwie... zusammensetzen. Und Zelda begann zupuzzeln. Ein pyramidenförmiges Gebilde kam heraus, allerdings fehlten wohl noch ein oder zwei Steinchen, damit der Stein perfekt war. Als Zelda die Steinchen dann wieder wegräumen wollte, musste sie aber feststellen, dass sich der rote, fast vollständige Stein nicht wieder zerlegen ließ und die Bruchstücke wie sehr starke Magneten zusammenhingen. Auch gut, dachte sie und packte die gesamten Stücke weg. Aber blöderweise hörte das Medaillon nicht auf grün zu glühen. Zelda verstand und suchte in der Dunkelheit mit ein bisschen Magie aus ihren Fingerspitzen den Boden ab. Sie sah etwas funkeln und entdeckte etwas. Sie nahm die bloßen Hände und buddelte in dem kalten Matsch herum. Dann hielt sie einen weiteren grünen Stein in den Händen und räumte diesen in die ihre kleine schwarze Ledertasche und dachte fortwährend an Link... Link rannte immer noch tief hinein in den Wald, mit zusammen gekniffenen Augen und einer ungeheuren Wut im Bauch. Er schob die Tränen in seinen Augen einfach auf den Wind, der ihm ins Gesicht blies und rannte weiter. Seine Schritte wurden langsamer und er blieb augenblicklich stehen. Was habe ich nur getan, fragte er sich. Er lehnte sich an einen Baum, schlug mit der Faust auf das alte Holz ein, bis sie blutete und ließ sich zu Boden sinken. "Ich bin ein solcher Idiot", murmelte er. Er blickte hinein in die Krone des Baumes und hatte eine Idee, wo sein Schlafplatz sein sollte. Flugs sprang er auf den Baum, suchte sich einen großen, breiten Ast und machte es sich dort oben bequem. Minuten vergingen und je mehr Zeit verfloss, umso mehr stauten sich Groll und Kummer in ihm auf. Wut auf sich selbst, da er Zelda so angeschrieen hatte, Hass auf sich selbst, da er sie nicht einfach verstehen konnte und einmal mehr auf sie wartete. Er stützte seinen Kopf in die Arme, versuchte einen klaren Kopf zubekommen, aber selbst der Versuch scheiterte. Warum nur war Zelda so kalt, so unleugbar abweisend? Lag es nur an ihrer schrecklichen Prophezeiung, an welcher er zweifelte, die er einfach nicht als wahr erachten konnte? Und je länger er allein auf seinem alten Ast hockte, umso größer wurde die stille Sehnsucht jetzt, gerade jetzt, bei ihr zu sein, sich zu entschuldigen, sie zu trösten und zu bitten, dass sie diese Streitereien vergessen konnten. Er brauchte sie doch, egal, wie verletzend seine Worte auch waren. Es würde niemals genug sein... Dann fühlte er etwas auf seiner linken Hand- erneut das angenehme Gefühl, eine unbeschreibliche Empfindung wie Wasser, das die Hand umspült oder ein lauer Wind, der die Haut streift. Einfach wohlig. Dann irgendwann schloss er seine Augen und träumte einen jener Träume, die nur Verwirrung mit sich brachten... "Meinst du, es ist genug, Held?", sagte eine sanfte Stimme, die mit einem milden Hauch die Sinne vernebeln konnte. Er befand sich in der Zitadelle der Zeit und eine alte Frau in einem dunkelgrünen Umhang mit goldenem Kragen saß neben ihm auf einer Bank und sprach zu ihm, aber Link konnte sich einfach nicht rühren und lediglich zu hören. "Du musst aufwachen, noch bevor die Zeit beginnt zu schweigen, noch bevor sich die Fäden des Schicksals zu einer Schlinge zusammenziehen." Link verstand jedes Wort, aber er konnte einfach nicht folgen. Dennoch war die Aura der Person angenehm, stark und vor allem fühlte jene sich zuversichtlich an, als ob diese Dame die Hoffnung persönlich wäre. Mit einem Male spürte Link eine Art Energie in sich und auch bewegen konnte er sich, aber irgendwie steuerte er selbst seine Bewegungen nicht wirklich. Er legte seine Hände auf das alte Holz der Bank, faltete sie und spürte eine weitere Hand auf seiner, eine raue Hand, die dennoch warm war und unbegreiflich wohlig. "Es ist noch lange nicht genug, Link.", sagte diese merkwürdige Stimme, die nun klang wie das Rascheln von Blättern im Wind. Er blickte in das Gesicht des weisen Wesens und sah nur noch helles Licht um sich. Der Traum verschwamm wie Tinte auf Papier... Der Mond zog mit einem hellen weißen Schein vorüber und versank am Horizont. Die Morgendämmerung brach an und verhieß neue Hoffnung. Kapitel 69: Gefahr durch die Schatten der Götter ------------------------------------------------ Kapitel 52: Gefahr durch die Schatten der Götter Es war früh am Morgen, als Zelda ihre tränenden Augen aufschlug. Sie saß zusammengekauert mit einem schwarzen Mantel an dem alten Dornenbaum, der direkt am Ufer stand. Es hatte in der Nacht erneut geregnet und selbst jetzt zogen noch dunkle Regenwolken vorüber, aber dafür hatte sie im Moment keinen Sinn. Es war ihr gleichgültig. Genauso gleichgültig wie die Tatsache, dass sie total durchnässt und durchgefroren war. Sie sah um sich und griff sich an ihren schmerzenden Kopf. Erneut ein Alptraum, der sich messerscharf in ihr Herz hineinbohrte... Sie warf einen Blick hinaus auf das weite Meer. Erinnerung. Irgendwann einmal gab es Meer in der Vergangenheit, einmal in ihren vielen Reinkarnationen. Irgendetwas war damals, aber jene Erinnerungen waren wie durchsichtige Gebilde zwischen dem Rad des Schicksals. Sie wollte sich aufrappeln, unterließ es aber bei einem Blick auf die Uhr. Erst fünf... Ob Link schon auf den Beinen war? Wo war er überhaupt? Eigentlich wollte sie ihn suchen, aber dann kamen ihr seine Worte mit dem verletzten Klang seiner Stimme wieder in ihr Gedächtnis. Es war Schluss... das Ende ihrer Freundschaft und sie war schuld daran. Sie wollte nicht schon wieder weinen, aber es ging einfach nicht mehr. Warum war sie nur so kalt zu ihm und so kalt zu sich selbst? Gerade als sie anfing zu schluchzen, hörte sie eine Stimme: "Mach' nicht so ein Gesicht, Zeldalein." Überrascht sprang sie auf, schaute in alle Richtungen und versuchte zu begreifen, wo die Stimme herkam. Dann schon wieder: "Hör auf zu weinen. Linky hat das bestimmt nicht so gemeint. Es gibt doch niemanden, der ihm so am Herzen liegt wie du, Zeldalein." Und die anmutige Prinzessin der Hylianer wusste jetzt, wo diese Stimme herkam, die sehr vertraut schien. Es war eine Mädchenstimme. Eine freche Kinderstimme, die sie damals sehr oft in Links Anwesenheit gehört hatte. Flugs sprang Zelda von ihrer Seite auf die andere des Baumes. Ein kleines Mädchen hockte dort mit einem wunderbaren Grinsen auf dem Gesicht und strahlte die einstige Prinzessin Hyrules an. Zelda kannte dieses Geschöpf und brachte zuerst vor lauter Aufregung keinen Ton heraus. "Linky wird dir vergeben, Zeldalein, und dann werdet ihr beide über eure sinnlosen Streitigkeiten lachen. Ganz sicher. Ihr braucht einander doch, wie die Feen ihren Feenstaub." Zelda starrte weiterhin in das kleine runde Gesichtchen, betrachtete sich genau die roten Wangenbäckchen, die blonden Locken und die blauen Schleifen im Haar. "Unmöglich... du... du bist..." Einige Meter weiter sprang Link gekonnt von dem Baum, streckte sich und kramte nach einer Wasserflasche. Er trank einen Schluck und erinnerte sich an Gestern. Ja, so hieß dieser dämliche, bescheuerte Tag: Gestern. Am besten ich vergesse Gestern wieder, dachte er und kramte nach etwas Essbaren, dass er glücklicherweise fand. Aber noch bevor er einen Bissen von ein paar ausgetrockneten Keksen nehmen konnte, wurde er unsanft von hinten angerempelt und landete mit dem Gesicht nach vorne im kalten Matsch. Was war das denn? Verflucht! Link drehte sich um, begann zu fauchen und schaute in ein paar vorwitzige blaue Augen. Nicht schon wieder der Knirps, der Existenz will. Link rappelte sich auf und sagte dann verärgert: "Freundchen, könntest du mir freundlicherweise sagen, warum du mich angerempelt hast?" "Ich habe dich nicht angerempelt. Du bist selbst auf die Nase gefallen!" "Wie bitte?" "Ich sagte, du bist selbst auf die Nase gefallen.", meinte der Bengel mit den frechen Kinderaugen und grinste Link tückisch an. Der junge Heroe setzte eines seiner drohenden Gesichter auf, die zumindest bei Moblins Wirkung zeigten und entgegnete: "Ich glaube nicht, dass deine Eltern dir beigebracht haben, so mit Erwachsenen zu reden." "Stimmt sicherlich. Aber du bist doch nicht erwachsen, zumindest benimmst du dich nicht so, also kann ich mit dir reden, wie ich will", entgegnete das Würstchen. Link riss der Geduldsfaden und seine linke Faust spannte sich gefährlich an. Dieser Knirps wusste nicht mit, wem er sich anlegte. "Also, raus mit der Sprache, was willst du von mir? Geh' Zelda nerven, die freut sich über deine Anwesenheit mehr als ich." Der kleine Kerl zog traurig seine Mundwinkel nach unten und starrte auf den Boden. Link aß derweil seine mit Matsch beschmierten Kekse. "Was ist denn noch? Weißt du nicht mehr, wie man seine Beine bewegt. Oh, ich vergas, du existierst ja noch nicht..." "Du bist gemein", schimpfte der Junge und zog seine Nase nach oben. "Aber. Ich bleibe, ob es dir nun passt oder nicht." Und protzend, mit einem breiten Grinsen setzte er sich neben Link, direkt auf die Wiese. "Sag' endlich, was du von mir willst, du kleiner Bengel." "Ich will nichts, nur existieren." "Das sagst du jetzt schon zum dreißigsten Mal." "Nein, es waren genau einhundertsiebenundzwanzig Mal, die ich das gesagt habe. Nur, die meisten Male hast du mich nicht verstanden oder hast dich, wenn ich mit dir geredet habe, nicht daran erinnert." "Na toll. Du hast mich wohl öfter beobachtet, als es mir in den Kram passt." "Tja, das musst du wohl akzeptieren. Schließlich bin ich ein Teil von dir und stets in deiner Nähe." Aha... so allmählich wurde Link doch schlauer. Er beugte sich zu dem Kerlchen und sah ihn eindringlich an. "Von wem hast du deine große Klappe und dein zügelloses Temperament?" "Das verrate ich dir nur, wenn du dich mit Zelda versönnst!" Links noch fröhliches Gesicht verschwand, er stand auf und schaute in den düsteren Himmel. "Und wie soll' ich das bitte schön anstellen. Sie..." Er redete nicht weiter und schüttelte frustriert dem Kopf. "Immer wenn ich versuche, zu ihr durchzudringen, wenn ich versuche ihr nahe zu sein, dann stößt sich mich weg oder erfindet ihre Ausreden. Es geht einfach nicht mehr..." Der Kerl stand auf und hüpfte mit einem Satz, den man ihm für seine Statur und Größe nicht zutrauen würde auf Links Schultern, der gar nicht begriff, was das sollte. Aber allem Anschein nach fühlte sich der Bengel auf diesen Schultern sehr wohl. Er flüsterte dem erwachsenen Helden leise ins Ohr: "Ich habe eine Idee. Danach wird sie dich entweder gar nicht mehr anreden, oder sie überwindet ihre Mauer um sich herum. Hör' zu." Und leise brachte der Knirps Link auf eine unfassbare, hinterhältige Idee, die Link um Kopf und Kragen bringen könnte. (Und nicht einmal der Leser sollte etwas davon erfahren...) Nach wenigen Minuten hatte Link sich von den Einfällen des Bengels überreden lassen, auch wenn diese nicht gerade guten Manieren entsprachen. "Ich muss sagen, du bist ganz schön dreist, mein Kleiner", sagte Link, während er mit dem Kerl auf den Schultern durch den Nadelwald lief. "Tja. Für mich gehört es sich, immer ein schickes, wenn auch fieses Argument auf der Zunge zu haben. Ich rede gerne mit Leuten, die sich den Mund nicht verbieten lassen, so wie mit dir oder mit Zelda." "Du hast einfach nur ein sehr aufständisches Gemüt. Aber das könnte dir irgendwann zum Verhängnis werden. Sagst du mir jetzt endlich mal deinen Namen?" Und der Junge zerrte Link an beiden spitzen Ohren. "Hey? Was sollte das denn?" Dann begann das Kind zu lachen. Das erste Mal, dass Link wieder jemanden lachen hörte und es tat gut. "Du...", begann Link, aber der Kegel zerrte ihn erneut an den Ohren. Flugs packte Link das Kind und setzte es auf den Boden der Vernunft. "Mein lieber, kleiner Freund. Wirst du wohl mit deinen Scherzen aufhören. Du bist ja schlimmer als ich in deinem Alter." "Bin ich denn nicht genauso wie du in deinem Alter?" Und dann streckte der Kleine ihm die Zunge heraus. "Na warte. Das wirst du bereuen." Und auch Link begann zu lachen. Der Junge rannte davon und Link in Windeseile hinter ihm her. Link und der Bengel kamen nach wenigen Minuten an das Ufer, wo Zelda einer weiteren kleinen Person gegenüberstand. Als Link die blonde Hylianerin und das merkwürdige Mädchen entdeckte, blieb er unverhofft stehen und schaute sich nachdenklich Zeldas schockiertes Gesicht an. Es sah so aus, als kannte sie das Mädchen mit den blauen Schleifen im Haar. Zelda kniete dann nieder und packte das Mädchen an den Armen. "Navi. Du bist es wirklich?! Navi..." Und Zelda kamen beinahe Freudentränen. Und der Fratz nickte kaum bemerkbar. Link hatte zugehört und verstand nun, weshalb dieses Kind ihm ständig gefolgt war und stets über ihn gewacht hatte. Aber Navi hätte er sich dennoch ein wenig anders vorgestellt. Irgendwie älter... Er trat näher, beachtete Zelda mit keiner Silbe und sagte: "Das war es also. Du bist Navi..." Das Mädchen schaute tief in seine blauen Augen und murmelte: "So ähnlich. Jetzt bin ich nur noch ein Kind. Einst hatte ich eine andere Gestalt, aber die Zeiten sind leider vorbei. Dennoch... kein Grund für Trübsal." Dann lächelte sie und begrüßte den kleinen Kerl neben dem erwachsenen Link. "Hallo. Du bist ja auch schon wieder hier", sagte Navi und lächelte ihn an. "Jep, man tut, was man kann, um zu existieren." "Mmh verstehe." Navi nahm den anderen Knirps in ihrem Alter an der Hand und sagte: "Also dann, Leute. Wir verschwinden mal wieder. Bis demnächst", sagte sie und flugs lösten sich beide kleinen Gestalten in Luft auf. Soviel dazu... es handelte sich bei diesen beiden somit nicht um die gleiche Person und allem Anschein nach kannten sie sich sehr gut. Wenigstens eine Neuigkeit... Link lief hinüber zum Ufer und schaute freudlos hinaus auf die weite Einöde des Meeres, weiterhin beachtete er Zelda nicht. Er atmete tief aus und sagte dann: "Es wird Zeit, dass wir aufbrechen. Wir haben ohnehin nicht mehr viel davon." Zelda antwortete nicht einmal mit einem einfachen: Ja. Sie ging hinüber zu Namenlos, ergriff die Zügel, setzte einen Fuß auf den Stiegbügel und zog sich auf das zahme Tier hinauf. Sie wartete auf Link, der jedoch neben dem schwarzen Hengst stehen blieb und leise, aber mit ernster Stimme meinte: "Ich laufe lieber." Zelda drehte ihren Kopf in die andere Richtung und sagte erneut nichts. Jetzt hatte sie es wahrhaft geschafft. Link achtete darauf, ihr keineswegs mehr nahe zu kommen. Kein Lächeln. Keine Gefühlsregung. Keine Berührung. Stur trottete Link neben dem Pferd her und wechselte kein Wort mit Zelda. Der elfte Tag in Hyrule brach nun an und die Hälfte der Zeit war um. Nur noch wenige Tage und der finale Kampf gegen den Großmeister des Bösen sollte sich entscheiden, nur noch wenige Stunden und das Schicksal würde einmal mehr seinen Lauf nehmen. Zelda und Link befanden sich auf dem Weg nach Nordosten und nutzten einen Flusslauf als Orientierungsmöglichkeit. Jener Fluss hatte seine Quelle in der Nähe eines Gebirges nicht weit von den Kokiri- Wäldern und mündete direkt in den Hylia-See. Da die Wälder das nächste Ziel darstellten, folgten sie einfach dem Flusslauf. Inzwischen schien die Sonne wieder und auch die Temperaturen stiegen an. An einem Wasserfall rasteten sie, sahen sich nicht an, redeten kein Wort miteinander und taten so, als ob es den anderen gar nicht gäbe. Wiedereinmal aßen sie irgendeine Büchsensuppe, die beiden mit der Zeit aus den Ohren quoll. Aber hatte man denn eine Wahl, um nicht zu verhungern? Zelda aß gerade mal zwei Bissen und schüttete den Rest ihrer Portion einfach weg. Link beobachtete ihr Verhalten und schüttelte bekümmert mit dem Kopf. Gegen seinen Willen bemerkte er: "Du solltest etwas essen. Es hat keinen Zweck halbverhungert und abgemagert durch Hyrule zu reisen." "Das ist immer noch meine Sache", zischte sie. "Du findest also, dass ich abgemagert bin", setzte sie gereizt hinzu. Er sprang auf und zankte sich schon wieder mit ihr: "Das habe ich nicht gesagt, Prinzessin, und hör' auf mir das Wort im Maul zu verdrehen." Sie standen sich gegenüber und scheuten erneut ihre Blicke. Funkstille. Aufgebracht ließ sich Zelda auf den Boden sinken, während Link sich immer elender fühlte. Erneut taten sie einander weh. Erneut redeten sie aneinander vorbei. Dann geschah es. Die erste Gefahr seit den Erlebnissen am Hylia- See. Es wurde dunkler an jenem Ort, als ob inmitten des Tages die Nacht hereinbrach. Link blickte um sich, sah wie sich kalte, schwadenförmige Schatten über die Wiese, den Fluss und die kleinen Sträucher legten und dann wanderten seine Augen in Richtung hylianischer Sonne. Schützend hielt er eine Hand über seine ozeanblauen Augen, um nicht von dem puren Sonnenlicht geblendet zuwerden. Etwas war im Gange. Dann unterbrach einer der grauem Schemen die Sonnenstrahlen, die sich in Richtung Erdboden bewegten. Auch Zelda sprang auf und schaute in den Himmel. Zuerst hielt sie den bleiernen Schatten für eine große Wolke, die sich über die Sonne legte. Dann wurde es immer düsterer, schwärzer und die Farben der Welt versanken in einem Meer von fahlen Wogen. Link sah nun genau zu dem glühenden Feuerball am Himmel, zwang sich hinzusehen, auch wenn seine Augen tränten und erkannte den alten Mond, der sich wie eine große Platte vor das Licht der gleißenden Sonne schob. "Eine Sonnenfinsternis.", sagte Zelda gefasst. Es schien, als wäre sie davon nicht beeindruckt. "Ist das in Hyrule ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?" Doch Link erhielt erneut keine Antwort. Trotzig lief Zelda zu der Feuerstelle und machte alles für ihre Weitereise bereit. Link jedoch wurde das Gefühl nicht los, dass etwas nicht stimmte. Eine Sonnenfinsternis in einer Welt mit Magie war sicherlich kein gutes Zeichen. Außerdem war es inzwischen sehr dunkel, zu dunkel. Zelda stieg auf Namenlos und sah Link gedankenverloren an der Kante des Flusses stehen. Seine Augen versanken beinahe in dem reinen, fließenden Wasser, als ob er sich in einer schier mächtigen Trance befand. Namenlos wieherte plötzlich, wurde unruhig, ließ sich nicht mehr zähmen und stellte sich auf seine Hinterhufe. Wie wild geworden schlug er um sich. Und innerhalb von Sekunden verlor Zelda den Halt, krachte schmerzhaft zu Boden und sah nur noch den schwarzen Hengst über ihr. Schützend schlug sie ihre Hände vor das Gesicht und betete, dass die Hufe sie nicht treffen mögen. Link reagierte schnell, rannte zu seiner Prinzessin, krallte sie sich und rollte mit ihr einige Meter weiter, sodass sie von Namenlos nicht getrampelt wurde. Nach Luft schnaubend lag Link direkt neben ihr und hatte immer noch einen schützenden Griff um sie. Er rappelte sich auf, reichte ihr die Hand, die sie aber ignorierte. Sie stand alleine auf. "Alles in Ordnung?" Aber auch diese Frage führte zu Zank und Wut zwischen den beiden. "Wenn du denkst, dass ich mich jetzt bei dir bedanke, hast du dich geirrt. Das hätte ich auch alleine geschafft", zischte sie. "Was ich mich überhaupt eingemischt habe...", brummte Link missgelaunt. "Ja, der Held hätte sich wegen mir nicht die Finger schmutzig machen müssen." "Keine Sorge, Prinzessin, darauf habe ich geachtet. Das nächste Mal kannst du ruhig von dem Hengst zermatscht werden..." Zelda reckte aufgebracht ihre Nase in die Höhe und ging ihm aus dem Weg, während Link vor lauter Erbitterung an einen Baumstumpf trat. Namenlos jedoch trabte davon. Noch immer lagen unnatürliche Schatten überall und auch die Gefahr von vorhin wurde wieder spürbar. Zelda studierte den Himmel, die scheinbar schwarzen, eisigen Wolken und spürte ebenso die Gefahr. Mit einem vibrierendem Summen hielt sie ihr Schwert langgestreckt vor sich. Ein Windstoß kam auf und am Himmel zuckten Blitze vorüber, gefolgt von schweren Donnerschlägen. Link zog sein Schwert, nicht wissend, dass eine gewaltige Gefahr sich näherte gegen die er fast keine Chance haben dürfte. Und Zelda noch weniger. Denn irgendwann in der Vergangenheit hatte sie schon einmal eine Begegnung mit ihr, jener Gefahr- mit gewaltigen Dämonen der Finsternis- mit Wesen ohne Herz. Ohne Vorwarnung, leise, schnell, wurden Link und Zelda von drei mächtigen Gestalten, allesamt in grauen, zerfetzten Umhängen gekleidet, umzingelt. Wie aus dem Nichts erschienen sie, wie Geister schwebten sie über dem grasigen Boden und hatten keinerlei Waffen in ihren verhüllten Händen, noch nicht... Link spürte eine neue befremdende Furcht in sich. Eine Furcht, die er noch nie empfunden hatte. Und klarerweise hatte er in seinem jungen Leben reichlich Grund für jegliche Gefühle der Angst. Link lief einige Schritte rückwärst und stieß mit dem Rücken von Zelda zusammen. "Was sind das für Dämonen?", rief Link ihr zu und hoffte, sie würde ihm diesmal antworten. "Das sind jene Schatten, vor denen wir gewarnt worden sind.", sagte sie trocken. Dann wurde der Kreis, den sie um Link und Zelda bildeten kleiner und kleiner und ihre abscheulichen, knochigen Hände mit langen, schwarzen Fingernägeln wurden sichtbar. Und mit einem Schnippen hatten sie alle drei jeweils eine mit Stahl beschlagene lederne Peitsche in der Hand. Noch bevor der Angriff kam, schrie Link: "Duck' dich, Zelda." Und die Peitschen flogen in die Richtung der zwei Hylianer. Sie rappelten sich beide wieder auf und schauten aufmerksam zu den Gestalten, die sich immer weiter näherten, verheerend näherten. Sie schwebten weiterhin in einem kleinen bedrohlichen Kreis um Link und Zelda herum. Dann erhoben sie ihre Stimmen, die so kalt und grausam klangen, wie ihre Gestalten aussahen. Kratzige Töne wurden von irgendwelchen verrosteten Stimmbändern produziert, wie die Klänge eines alten Uhrwerkes, das schon seit Jahrzehnten nicht mehr geölt wurde. "Gebt' her die Macht. Gebt sie her." Weder Link noch Zelda erwiderten etwas darauf und traten in den Kampf ein. Link schwang zornig sein Schwert. Die Klinge wanderte furchtlos durch den Körper einer Schreckenskreatur und doch konnte sie ihr kein Haar krümmen. Die Gestalt fauchte und stieß Link mit einer gewaltigen Magieattacke zurück. Er landete rücklings auf dem Boden, rappelte sich auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Mist, dachte er, das Schwert zeigt keine Wirkung und Magie besitzen diese Viecher auch noch. Zelda versuchte ebenfalls ihr Glück und stach ihr Schwert in den Leib einer der Kreaturen. Sie erreichte genauso viel wie Link und wich dann den Peitschenhieben aus. Link gab es nicht gerne zu, aber diesen Kampf konnten sie nicht gewinnen und müssten fliehen. "Zelda, so besiegen wir diese Bestien nicht.", schrie er, "Wir müssen fliehen!" Aber Zelda wollte nicht. Sie hörte nicht auf Link und wollte ihm wohl ein für allemal beweisen, dass sie nicht schwach war und vor keiner Gefahr davonlief. Aber gerade in diesem Augenblick hätte sie auf Link hören sollen. Die Stimme ihrer alten Weisheit schien angesichts ihres unhaltbaren Dickkopfes nichts mehr wert zu sein... "Ich kämpfe!", schallte ihre helle Stimme durch die Luft und wütend schwang sie ihr Schwert gegen die Schatten der Götter. "Zelda, sei nicht dumm. Du setzt dich einer Gefahr aus, die über deine Kräfte geht. Wir müssen weg!", brüllte Link und konnte Zeldas Sturheit nicht verstehen. Sie ignorierte ihn und wich weiterhin den gefährlichen Peitschen aus, kämpfte mit ihrem Schwert gegen die Diener Ganondorfs und stach ihre Waffe ab und an in die schattenhaften Leiber ihrer Gegner. Aber nichts zeigte Wirkung. Gerade in dem Moment ließen die Kreaturen von Link ab und alle drei griffen Zelda an, die nicht mehr wusste, wie sie der Lage Herr werden sollte. Mit einem Hieb der Peitsche nahmen sie Zelda den Boden unter den Füßen, sodass sie laut quieksend auf dem Boden landete. Eine andere Schlinge wand sich um ihren Hals, beförderte sie auf die Beine und wirbelte die wehrlose Zelda durch die Luft. Link spannte schnell einen Bogen, durchtrennte das Leder der Peitsche und Zelda kam schreiend, aber ohne weitere Verletzungen auf dem Boden auf. Link rannte zu ihr, wehrte die Hiebe mit seinem Schwert ab, zerrte Zelda auf ihre Beine und packte sie entgegen ihres Willens an der Hand. Der junge Held sprang hinein in den Flusslauf und hetzte auf die andere Seite, hoffend, dass diese Biester sich vor Wasser fürchteten. Leider folgten sie ihnen und waren zu schnell auf ihren Schattenbeinen. Verdammt, so hilflos hatte sich Link lange nicht gefühlt. Wie nur sollte er Bestien besiegen, denen Schwertstreiche nichts anhaben konnten, die lediglich Schatten waren. Er hetzte hinter Zelda her und ließ sie bewusst vor ihm laufen, um sie, wenn nötig zu beschützen, aber was dann? Sie erreichten, halb ausgepowert, das andere Ufer und rannten zwischen Gestrüpp und anderen Sträuchern hindurch, stets nach hinten blickend, falls ihre Feinde sie einholten. Sie flohen weiterhin, hörten die vibrierenden, gefährlichen Stimmen der Schattengestalten und wussten weder ein noch aus. Zelda stürzte schreiend zu Boden, stand aber gleich wieder auf und rannte weiter. Angst stieg in ihr hoch, genauso wie in Link. Hilflosigkeit steigerte das Gefühl des Ausgeliefertseins. Sein Puls raste, seine Hände zitterten und die Luft wurde knapper und knapper. Sie konnten nicht ewig weglaufen. Und noch immer stand der Mond vor der Sonne, gab nichts von ihrem milden Schein wieder und hüllte ganz Hyrule in einer widerliche Dunkelheit. Nach wenigen Minuten erreichten Zelda und Link inmitten des Waldes eine kleine Höhle. Schnell hetzten sie hinein, schwiegen und hörten lediglich ihr beides aufgeregtes Atmen. Link drängte sie in die hinterste Ecke und blieb direkt vor ihr stehen. Wachsam sah er durch die Dunkelheit hinaus, blinzelte durch die Öffnung der Höhle und versuchte jedes kleine Geräusch und jede Bewegung außerhalb zu registrieren. Währenddessen trat Ganondorf über seine selbsterschaffene Pforte in Hyrule ein. Irgendwo in der Nähe des Schlosses der Königsfamilie betrat er endlich zu seinem unbeschriebenen Vergnügen hylianischen Boden. Noch immer herrschte pure Dunkelheit in der alten Welt, die er glaubte zu besitzen. Sein Ziel war es in den Schatzkammern der Königsfamilie einmal mehr magische Relikte an sich zunehmen. Immerhin gehörte Ganondorf einer Bande sittenloser Diebe an und er begehrte Besitz und Macht schon seit vielen Jahrhunderten. Außerdem hatte er noch eine kleine Rechnung zu begleichen. Sein eigentliches Ziel stellte das Auffinden der Okarina der Zeit und dem Taktstock des Windes dar. Alles mächtige Gegenstände, die er vernichten wollte, sodass keine von Links Nachfahren oder Reinkarnationen einen Weg fände, diese Überbleibsel vergessener Jahrhunderte gegen ihn einzusetzen. Seine Augen, erfüllt von blanker Machtgier beschmutzten mit einem seiner erniedrigenden Blicke den hylianischen Himmel, der genau das widerspiegelte, was in Ganondorf verborgen war- erdrückende Dunkelheit- vergessenes Elend- übertriebene Feindseligkeit gegen alles und jeden. Er begann abartig zu lachen und grunzte, wie es sich für einen Dämon von schwarzem Blut gehörte: "Soso... die Schatten der Götter sind unterwegs." Selbstverständlich freute ihn diese Tatsache, denn gerade er hatte sie aus der Schattenwelt befreit. Seitdem wandelten sie durch Hyrule- immer auf der Suche nach ihrer eigenen Wahrheit. Der Mistkerl mit Namen Ganondorf wie er im Buche stand, kam mit einem weiteren selbstherrlichen Gelächter in der alten Schatzkammer, die tief in den Kellern des Schlosses verborgen war, an. Doch eine Sache hatte selbst er nicht bedacht... Die Königsfamilie hütete erstaunliche magische Schutzvorrichtungen, denn gerade das hylianische Volk war für Magie in jeglicher Hinsicht berühmt, wie auch in der Art und Weise, wie es sie anzuwenden wusste. Und das Schloss besaß so einige Tücken, die Ganondorf nicht überwinden würde. Mit drohenden Funkeln in den feuerroten Pupillen stand er vor einem gewaltigen Problem. Die Schatzkammer wurde von einem gewaltigen, komplizierten Sicherheitsmechanismus versperrt, welcher durch einen Schlüssel und eine weitere Form der Magie aufrechterhalten wurde. Ganon schmetterte zahlreiche Energiebälle gegen jenes hohes Tor mit den vielen Ketten, Schlössern und Rätseln. Aber jeder Angriff endete mit einer Rauchwolke. (Tja, Ganon, kann man halt nichts machen. Selbst du bist in gewisser Weise machtlos...) Nach vielen Versuchen gab er schließlich auf und verließ Hyrule erneut, da er den blutenden Himmel in der wirklichen Welt wesentlich, und seinem kranken Hirn entsprechend, für sehenswerter, amüsierender und ästhetischer hielt. Link und Zelda hatten immer noch mit den grauenhaften Schatten zukämpfen und hielten sich geschickt in der Höhle versteckt, benahmen sich so leise wie nur irgendwie möglich. Sogar das eigene rasche Atmen versuchten sie zu unterbinden, das schnelle, aufgeregte Herzklopfen zu überhören. Zelda fürchtete, die Schattengötter (oder was auch immer) könnten sie allein durch das laute Pochen ihres Herzens hören. Sie zitterte. Sie hatte Angst. Sie wollte nicht mehr. Dann wollte sie sich am liebsten selbst eine Ohrfeige geben, da sie sich nur noch beschwerte und jammerte. Schon seit einigen Tagen war ihr alles zuviel. Dabei gab es nur einen, der wirklich das Recht besaß sich zu beschweren... aber diese Person ließ sich von Angst, Mutlosigkeit und Müdigkeit mal wieder nichts anmerken. Aufmerksam stand Link in der Höhle, hielt sein Schwert fest in der Hand und achtete auf jede Kleinigkeit. Dann trat er leise zu Zelda heran und kniete vor ihr nieder. "Du kannst ruhig ein wenig schlafen. Ich... ähm... pass' schon auf dich auf." Und Zelda konnte mal wieder nicht verstehen, wie er sich nach all' den Diskussionen, die sie hatten, noch so liebevoll ihr gegenüber verhalten konnte. "Ich kann gut selbst auf mich aufpassen.", sagte sie stur, noch bevor sie über den Sinn dieser Worte ernsthaft nachdachte. Link schüttelte nur frustriert den Kopf und machte es sich jetzt bequem. Mit geschlossenen Augen, nachdenklich, lehnte er sich an die kalte Wand der Höhle. Einige Minuten verstrichen. Schweigen. Taube Worte... "Ich gehe mal nachsehen", sagte Link zögerlich und wartete auf eine Bestätigung seiner Handlung von Zelda, die jedoch nicht kam. "Bleib' in der Höhle, egal, was passiert, ja?" "Nun geh endlich'!", meinte sie mürrisch. Damit verschwand Link verärgert und tonlos. Schon wieder hatte sie ihn angeschrieen, schon wieder hatte sie sein Vertrauen enttäuscht. Es waren Worte, nur dumme Worte aus ihrem Mund, die sie ohne Anhalt von sich gab... Und im nächsten Augenblick keimte unwiderrufliche Sorge um ihren Helden im Inneren der stolzen Hylianerin auf... Zelda überkam mehr und mehr ein mulmiges, stechendes Gefühl in ihrem Magen bei dem Gedanken daran, dass Link diese Biester alleine besiegen wollte. Sie sprang auf und wagte sich wenige Schritte aus dem Versteck heraus. Ungewissheit und Angst stiegen in ihr hoch. Das beunruhigende Gefühl in ihrer Magengegend wurde schlimmer. Dann überkam sie zusätzlich ein Stich auf ihrem rechten Handrücken. Auch das noch, murmelte sie in sich hinein und blickte zaghaft nach draußen. Die Dunkelheit außerhalb schien sich immer mehr auszubreiten und noch immer stand der Mond wie eine kalte Hand vor dem Licht von Hyrules Sonne. Diese Sonnenfinsternis dauerte länger als eine gewöhnliche- ein Zeichen unnatürlichen Ursprungs. Plötzlich ein Knacken. Ein berstender Ton. Weitere Geräusche. Zelda stieg wieder die Angst ins Mark. Ihren gesamten Mut aufwendend wagte sie sich nach draußen und blickte durch den grauen Wald, durch Bäume und Gestrüpp. Wo war Link nur? Vorsichtig tappte sie voran, lief immer zögerlicher, mit schwankenden Schritten an der rechten Felswand entlang. Jeder Schritt hinterließ einen verräterischen Abdruck in Form von kleinen Geräuschen. Jede Bewegung könnte ihr zum Verhängnis werden und sie zu einem Festmahl der näherkommenden Gefahr machen. Zeldas Hand brannte, der Schmerz wurde schlimmer und schlimmer. ,Geh' zurück', sagte sie zu sich selbst. ,Verschwinde wieder.' Aber es war zu spät. Sie konnte sich einfach nicht mehr rühren, stand wie erstarrt an der Felswand und hörte nur noch auf den Schmerz. War es nicht genau das, was Macht mit sich brachte? Elend und Harm, in allen Formen? Zelda rührte sich nicht mehr und brach erschöpft auf die Knie. Was war das? Sie fühlte sich, als ob man ihr die Energie nehmen würde, als ob sich irgendetwas an ihr laben würde- etwas teuflisches- bestialisches. Der Schmerz kam regelmäßig, mit jeder Sekunde gewaltiger, gieriger... Vor Pein stiegen ihr Tränen in die Augen. Heftig presste sie mit ihrer linken Hand auf ihren schmerzenden rechten Handrücken, betend, der Schmerz würde verschwinden. Ein weiterer Laut schallte durch die Luft und Zelda erkannte ihn als Schrei von Link. Sie stand abrupt auf ihren Beinen und hetzte in die Richtung aus der jener Hall kam. Sie erreichte ein großes Stück Wiese und Link stand mit dem Rücken an die Felswand gelehnt. Auch er musste Schmerzen in seiner Hand haben, sein Gesichtsausdruck verriet es. Geschockt blickte er zu Zelda. "Du solltest doch in der Höhle bleiben!", fauchte er. "Warum? Damit ich von dort deine Schreie höre? Soll' ich zu hören, wie sie dich umbringen?" Er schwieg dann und schaute weg. Auch Zelda brachte dann keinen Ton mehr heraus. Dennoch lief sie zu Link und lehnte sich ebenfalls an die Wand. "Sind sie weg?" "Weiß nicht", meinte er stockend. "Der Stich in der Hand sagt mir jedenfalls nichts Gutes." Kaum hatte Link sein letztes Wort ausgesprochen, kam ein Zischen, ähnlich dem einer Schlange aus dem Unterholz. Schnell sprangen die beiden Hylianer auf und sahen geängstigt in Richtung Wald. Innerhalb von Bruchteilen schlugen drei Peitschen aus der Dunkelheit hervor, die jedoch kein Ziel hatten. Schützend stellte sich Link vor Zelda, die nur noch Links Körper vor ihr und die kalte, kantige Felswand hinter ihr wahrnahm. Link nahm ihr die Sicht. Die Schattengötter jedoch standen aufgereiht vor ihnen, bereit auf ihre Opfer einzuschlagen. Unverhofft, noch ehe Link reagieren konnte, schlugen sie ihm mit einem heftigen Peitschenhieb das Schwert aus der Hand. Schockiert sah Link der Waffe hinterher, die sinnlos ein Stück weiter auf dem Boden lag. Schmierig grinsend stellten sich die drei Gegner vor Link und Zelda in einem Halbkreis auf, bereit zuzuschlagen. Wieder riefen sie mit ihren kratzigen Stimmen: "Gebt uns die Macht, gebt' sie her." Erneut erwiderten beide Hylianer nichts darauf. Die Sekunden wurden immer länger. Zeit spielte im Augenblick keine Rolle mehr... und es geschah in diesem Moment, dass Link das erstemal dachte, es war vorbei... Nichts als Worte, aber sie sagten alles aus, alles und doch gerade das Hoffnungslose. Es war vorbei. Die Rettung der Welt. Die Rettung Hyrules. Vorbei... Drei Peitschen setzten bereits zum Schlag an und sollten ihr Ziel nicht verfehlen. Gerade da wurde Link seine Verantwortung gegenüber seinem eigenen Schicksal bewusst. Was, wenn er versagte? Was, wenn er derjenige sein sollte, der aufgab? Mit einem leichten Lächeln drehte er sich um, ein standhafter, ehrlicher Blick und Zelda begriff allmählich, aber entgeistert, was er vorhatte. Er lehnte sich an sie, umarmte sie und würde als lebendiges Schutzschild für Zelda dienen. Noch immer schmerzten ihre beiden Handrücken, sodass Zelda ihre magischen Kräfte nicht nutzen konnte. Link stütze seine Hände am kalten Gestein ab, wartete mit zusammengekniffenen Augen darauf, dass die Peitschen sich in seinen Rücken hineinfraßen. Und die Zeit schien still zu stehen. Zelda stand einfach nur da, zusammengedrängt, mit geweiteten Augen. Sie war nicht einmal in der Lage etwas zusagen. Geschockt blickte sie in Links Gesicht, der nicht mit der Wimper zuckte. Sie konnte es nicht verstehen, sie wollte es nicht begreifen. Warum tat er das? Sie war zu entsetzt, als noch klar zudenken oder ihn davon abzuhalten, sich für sie zu opfern. Und zornig glitten die Peitschen durch die Luft. Mit Stahl besetztes Leder traf auf grünen robusten Stoff und bohrte sich dennoch mit unglaublicher Wucht hinein in braungebrannte Haut. Ein markerschütternder Schrei hallte umher, endete in einem hastigen Atmen und Schnauben nach Luft. Noch ein Schlag, erneut ein Schrei. Und Zelda blickte mit Tränen in den Augen in ein erzwungenes Lächeln aus jenem Gesicht eines treuen Freundes, der alles für sie aufgeben würde... "Link...", wimmerte sie, während tobende Schläge auf ihn niederprasselten und ihn dafür folterten, dass er jemanden beschützen wollte, den er wie nichts anderes auf der Welt brauchte. Zaghaft öffnete er seine tiefblauen Augen in einem Moment der Stille, stets bereit die nächsten Hiebe auf sich zu nehmen. Ein Schlag und ein Schrei, tief aus der Kehle eines Kämpfers ohnegleichen. Und Link steckte weitere Schläge ein, ließ alles über sich ergehen. Inzwischen war seine Stimme heiser und die Folter kostete alles. Kraft, Willen und Luft. Sein gesamter Rücken brannte und immer wieder krachten die Peitschen auf ihn. Immer wieder wurde er bestraft für sein reines Herz, für seine Ehre und Edelmütigkeit. Zelda blickte während der ganzen Folter in sein Gesicht, und nur schwerlich begriff sie, fühlte mit jedem Schlag seine Schmerzen, fühlte, wie Links Körper bei jedem Aufprall zuckte. Sie sah Schweißperlen in seinem Gesicht glänzen, gefangen von dem leiderfüllten Ausdruck seines Gesichtes, welcher das vorher so friedvolle Lächeln abgelöst hatte. Seine Haare hingen zerstreut in den unergründlichen blauen Augen, die er sogleich wieder schloss. Die Peitschen stoppten und Link brach einfach auf seine Knie. Unbewusst zerrte er auch Zelda mit sich. "Oh... Link...", schluchzte Zelda und umarmte ihn dann innig, als er sich endgültig nicht mehr halten konnte. Aber er war noch bei vollem Bewusstsein, lediglich die Schmerzen nagten an seiner Kraft. Am Himmel gab es endlich einen Hoffnungsschimmer. Ein kleiner Riss bildete sich am Rand des Mondes. Eine Spur Licht durchbrach die Dunkelheit, als der Mond sich von der Sonne wegbewegte. Verärgert über das angenehme Licht zogen sich die Schatten der Götter zurück, verschwanden in dem Element, dass sie doch selbst waren... Sanfte Sonnenstrahlen bedeckten Links Gesicht, der inzwischen mit seinem Kopf in Zeldas Schoss lag. Seine Atmung beruhigte sich allmählich und der Schmerz auf dem Rücken klang ab. Noch hielt er seine Augen geschlossen, blinzelte aber, als er einen Wassertropfen auf seiner rechten Wange spürte. Eine Träne? Zunächst blendete ihn das Licht der reinen Sonne, die ihm nun so kostbar erschien. Er fühlte Zeldas sanfte Hände, die zärtlich durch seine Haare streichelten, dann über seine Stirn, zu seiner Wange. Er sah in Zeldas Gesicht, wo nur Tränen standen. Sie sagte nichts, sondern streichelte weiterhin über seine Wangen. Einmal mehr schloss er die Augen und ließ sich von Zeldas sanften Berührungen hinfort tragen. (Die Blessuren am Rücken waren eigentlich zu dulden, wenn ihn diese sanften Hände verwöhnten...) "Kannst du dich ein wenig aufrichten?" Überrascht öffnete er seine Augen nach einer Weile und wäre doch beinahe auf Zeldas Schoss eingeschlafen. Er nickte, bemüht sich vorsichtig zusetzten und ließ Zelda nach den Schrammen schauen. Ohne weiteres knöpfte sie seine grüne Tunika auf und hob das blassgraue Hemd, welches seinen Rücken bedeckte, nach oben. Die Striemen schienen nicht allzu tief zu sein. Dennoch waren die rötlichen Kratzspuren, da sich die Peitschen hinein in seine Haut gefressen hatten, kein schöner Anblick. Links ganzer Rücken war übersät von den Striemen. Zelda strich vorsichtig darüber und hörte sofort ein leichtes Stöhnen aus Links Mund. "Verzeih'...", murmelte sie, da sie vielleicht zu grob war. Dann wühlte sie in ihren Taschen herum, vermutlich auf der Suche nach Verbandsmaterialien oder anderen Pflastern. "Zelda...", meinte er dann. "In meiner Tasche sind noch Verbände." Aber sie hörte nicht auf ihn und durchkramte abermals die magische Tasche. "Danach suche ich nicht, Link." Dann holte sie eine kleine bräunliche Schatulle heraus, die aus sehr merkwürdigen Holz bestand. "Was ist das?" "Eine Schatulle aus dem Holz des Dekubaumes angefertigt. Leg' dich auf deinen Bauch." Link blickte sie verständnislos an. "Hey, du kannst mir ruhig vertrauen", entgegnete Zelda leise angesichts Links fast ängstlichem Getue. Mittels Zeldas Überredungskunst ließ er sich überzeugen und spürte dann etwas kühles, feuchtes auf seinen Wunden. Trotz der kalten, cremigen Masse war es angenehm und, womit Zelda auch die Schwellungen betupfte, es beruhigte das Brennen. Außerdem waren ihre Hände auf seinem Rücken ein weiterer Grund die Prozedur über sich ergehen zu lassen. "Danke... das ist lieb von dir", flüsterte Link. "Nein... ich muss mich bei dir bedanken, Link. Du hättest mich nicht beschützen müssen, nach allem, was ich zu dir gesagt habe und was ich..." Sie brachte es nicht über die Lippen. "Schon gut. Ich habe mich auch wie ein Vollidiot benommen. Verzeih' mit bitte, Zelda", sagte er, richtete sich auf und knöpfte seine Kleidung wieder zu. Er drehte sich um und blickte in ein Paar traurige, blaue Augen. "Was ist das eigentlich für eine Salbe, die du da hast?" Eine gute Frage, die jene beklemmende Situation zwischen ihnen wieder auflösen sollte. "Eine magische Salbe für Wunden." "Cool. Hilft sie denn bei jeder Schramme aus?" "Vielleicht." Sie durchwühlte wieder die magische Tasche, packte die Schatulle zurück, aber holte einen weiteren Gegenstand heraus. Ein Gegenstand so voller Erinnerungen. Link glotzte nicht schlecht, als sie eine blaue Okarina in der Hand hielt. Eine feine Triforcegravur zierte das Mundstück. Ein Blick und man hatte das Gefühl in der blauen Farbe, die ähnlich dem weiten, faszinierenden Himmel schien, zu versinken. "Die Okarina der Zeit?" Zelda nickte. "Sie hat ihre Macht verloren, aber... ich konnte sie nicht einfach im Schloss lassen, da ich immer noch soviel mit ihr verbinde. Und Ganondorf würde sie vernichten, wenn ich sie einfach im Schloss lasse, das heißt, wenn er sich hier in Hyrule aufhalten sollte. Den Taktstock des Windes besitze ich auch. Möchtest du ihn dir anschauen?" Aber noch verweilte Links Blick auf dem merkwürdigen Instrument in Zeldas Händen. Er war wie in Trance und hatte ein unnatürliches Funkeln in den Augen. "Link?", betonte Zelda dann. "Ähm..." und, wie als wäre er aus einem Traum erwacht, ergänzte er: "Kann ich mal?" Sie reichte ihm das Instrument. Er führte es an seine Lippen und spielte einige Töne. Der Klang war unglaublich und wunderschön... Link hatte noch nie einen solchen reinen, fast traurigen Ton gehört. "Nimm' sie ruhig. Sie hat sowieso immer dir gehört und niemandem sonst." "Wirklich? Ich kann sie haben? Ach, ich weiß." Er kramte seine eigene Okarina hervor, reichte sie ihr und sagte: "Lass' es uns als Tausch sehen, ja?" Sie nickte, ohne ihn anzusehen und nahm im Gegenzug seine in ihre Hände. Dann spielten sie zusammen und ohne es richtig zu verstehen, spielten sie ein und dieselbe Melodie, einer die erste und der andere die zweite Stimme. Die Töne schallten durch die Luft, während in der Nähe von Link und Zelda auf den grünen Wiesen Schmetterlinge umhertanzten. Kapitel 70: Antworten --------------------- Kapitel 53: Antworten "Preston, Mortesk, habt ihr Informationen bezüglich der Weisen in Schicksalshort?" Ganons Stimme wetterte mit ungeheurer Wucht in der Kirche herum. Er hatte im wahrsten Sinn des Wortes schlechte Laune, da er die Okarina der Zeit und den Taktstock des Windes noch nicht vernichtet hatte und ließ seinen Frust nun an seinen Untergebenen aus. Ja, seine hirnlosen Untergebenen, die mehr Angst als Respekt vor ihm und seiner dämonischen Seite hatten. Stirnrunzelnd ließ sich der Schreckensfürst in seinen selbsternannten Thron fallen. "Nein, leider nicht, mein Lord... Es scheint als hätten die Weisen unter der Führung des verfluchten Shiekahweibsbildes die Flucht ergriffen und die Stadt verlassen." Ganon verengte seine feuerroten Augen zu Schlitzen und ließ seine geladene rechte Faust auf die Armlehne niederkrachen, sodass Holz splitterte. "Wie dumm bist du eigentlich, Mortesk?" (Und gerade jemand mit so wenig Verstand wie Ganon stellte ihm diese Frage...) Aber der Skelettritter schaute nur schmollend und vor Furcht, Ganondorf könnte kurzen Prozess mit ihm machen, zu Boden. "Ich habe eine Aufgabe für dich, du nutzloses Häufchen Knochen. Rufe die flammenden Tornados herbei. Ich habe das Gefühl der grünbemützte Gartenzwerg befindet sich auf dem Weg nach Osten, in seine alte Heimat. Es sollte für ihn ein Vergnügen sein, zusehen, wie Hyrule und Kokiri in Feuer aufgehen... haha..." Einmal mehr schallte Ganons abartiges Gelächter durch die Kirche und die Wände erzitterten. Preston, der die gesamte Zeit über kein Wort verloren hatte, und immer noch das Geheimnis über Zeldas Leben vor seinem Meister verbarg, drehte sich gerade um und lief in Richtung Ausgang, als sein Herr und Gebieter die alte Holztür mit einem magischen Schlag zuschmetterte. "Ich habe dir nicht erlaubt dich zu entfernen, du Verräter", drohte Ganondorf und zwang den Jugendlichen mit einer Handbewegung auf seine Knie. Dann bewegte sich Preston fast von alleine zurück zum Thron des angeblichen Gottes dieser Welt... Der Schweiß trat Preston über die Stirn, als Ganon erneut das Wort Verräter in seinen schleimigen Mund nahm. "So nennt man Dummköpfe, die mich zu hintergehen glauben." Er stand auf, breitete seine Arme. Sein dunkler Mantel wallte sich schwungvoll aus. Dann konnte sich Preston nicht mehr rühren, als ob Ketten um seinen ganzen Körper lagen. Ganon lief schmierig grinsend auf ihn zu: "Gesindel wie du es bist, ist schwach. Ihr Menschen seid alle schwach. Ohne Magie bist du nichts und ohne Leben noch viel weniger, Verräter." Dann schlug der Schreckensfürst dem Schüler der Oberstufe direkt ins Gesicht, sodass seine Lippe blutete. Ohne weitere Vorwarnung wurde Preston durch die Luft befördert, landete schreiend an einer kalten Steinwand und spürte die Spitze eines scharfen Gegenstandes, der sich in sein Rückrat bohrte. Blut tropfte von seinen Mundwinkeln und von seiner Nase. Gelächter aus dem Munde eines Bastards schallte umher und es war alles, was Preston noch hören konnte. Verräter... ja, das war Preston in der Tat. Denn Ganon wusste letztlich doch um die Existenz Zeldas. Jene Schatten, die er persönlich mit Macht ausgestattet hatte, brachten ihm die Neuigkeiten vor wenigen Minuten. Der Meister der Dunkelheit lachte erneut, erfreute sich daran, wie Preston litt und empfand pures Vergnügen bei dem Gedanken daran, dass es nur noch eine Frage der Zeit war und er Zelda in seiner Gewalt hatte. Einmal mehr in seiner Gewalt und diesmal würde er ihr jene Kraft rauben, die immer noch in ihrem Blut steckte- jene Magie des königlichen Blutes von Hyrule. Preston schaute mit verschwommenem Blick nach oben, sah Ganon, der ketzerisch lachte und seine muskelbepackten Arme in die Höhe hievte. Der junge Oberstufenschüler spuckte Blut, aber hatte immer noch ein Grinsen auf dem Gesicht. Dann flüsterte er: "Seid ihr euch wirklich sicher, das jenes Mädchen, welches Link begleitet, Zelda ist?", hustete Preston und unnatürlicher Schleim tropfte von seinen Mundwinkeln. Ganondorf zwinkerte kurz und schaute zu dem Jugendlichen hinauf. "Schweig' oder du bist endgültig des Todes." Aber Preston lachte dann ebenfalls. Ganon ergriff einen Dolch und schickte Preston diesen direkt in sein Gesicht. Die scharfe Klinge traf dessen rechtes Augen, wanderte tiefer hinein in Prestons Kortex... Und er schwieg endgültig, stöhnte ab und an, während Blut an der kalten Wand der Kirche entlang wanderte... Bei Impa und den anderen Weisen war alles in Ordnung. Sie saßen alle nachdenklich mit ernsten Gesichtern an einem runden Tisch. Inzwischen hatte Sian nach weiteren Überlebenden gesucht, die allesamt in den Kellern von Ines Zuflucht gesucht hatten, auch einige Freunde, Familienmitglieder von Richard, Naranda, und den anderen waren anwesend; und sie unterstützten ihre Angehörigen so gut es ging. Ines hatte trotz allem einen sehr besorgten Ausdruck auf ihrem stolzen Gesicht. Rutara bemerkte dies und gab ihr einen Stups. "Hör auf' dir Sorgen um Zelda zumachen. Soweit ich weiß, gibt es jemanden, der sie bis in die tiefste Gefahr hinein beschützt." "Das ist mir klar... aber was, wenn er zuviel riskiert?" Auch Rutara schaute dann trübsinnig weg. Ja, sie wusste genauso wie Impa und allen anderen, dass Link vielleicht eines Tages wegen Zelda zuviel aufgeben würde. Genauso wie Sara, die aufstand und ihre aufkommenden Tränen verbarg. ,Komm bitte heil zurück, mein Brüderchen.', sagte sie in ihren Gedanken... Und es schien als ob Link ihre Worte in seinen Träumen gehört hatte. Es war spät. Mitternacht war lange vorbei und Nebel lag über der Steppe. Nach einem langen Fußmarsch, da Namenlos nicht wieder aufgetaucht war, gelangten Zelda und Link in die Nähe einer alten Ruine. Sie hatten es sich in einer alten Scheune inmitten von Heu bequem gemacht. Sicherlich hätten sie ebenso in den Ruinen übernachten können, aber einladend sahen diese nicht aus und wer wusste schon um die möglichen Geister, die dort vergangenen Zeiten nachhingen. Zelda war früh eingeschlafen, lediglich Link wurde ab und an wach. Er fand einfach keine Ruhe, wälzte sich hin und her und wurde zudem schmerzhaft an seine Wunden erinnert. Mühsam entfachte er das Licht seiner Öllampe und wagte einen Blick zu dem schlafenden Engel neben ihm. Der traurige Morgen kam wieder in sein Gedächtnis zurück und ihr Verhalten nach dem... Vorfall... Er hätte soviel mehr aufgegeben, um sie zu beschützen... Sachte richtete sich der junge Held auf und entledigte sich seiner Oberbekleidung, da der Stoff auf den Wunden sich immer unangenehmer anfühlte, brannte und kratzte. Link stand auf und schlich hinaus in die pure Dunkelheit, um ein wenig herumzulaufen. Vielleicht könnte er danach endlich Ruhe finden. Der Nebel außerhalb war äußerst verdächtig, aber nicht zu dicht. Link konnte deutlich die verfallenen Türme der Ruine erkennen und lief einige Schritte darauf zu. Als er einen genaueren Blick zu dem einen hohen Turm warf, sah er ein Leuchten aus dem obersten Stockwerk. Nanu? Wer konnte das sein? Was konnte das sein? Einer von Ganons Vasallen oder ein Gespenst? Link zog sich einen weiten waldgrünen Pullover über und schlich unbemerkt durch die Nacht, hinauf zu dem alten Turm. Irgendetwas zog ihn wie magisch an. Jemand wartete da oben auf ihn, das spürte er... aber wer? Und wieso? Link trottete langsam irgendwelche, einsturzgefährdeten Treppen hinauf und gelangte in einen großen Schlossinnenhof. Von dort aus wirkte das Licht in dem Turm noch heller und mysteriöser. Er fand einen Eingang, wo es keine Tür mehr gab. Tiefe Dunkelheit erwartete ihn, aber er lief hinein. Er leuchtete umher mit seinem winzigen Licht, entdeckte viel Unrat, allerlei Spinnweben und durchquerte eine alte Halle. Dort führte eine aus Holz bestehende Wendeltreppe hinauf in den Turm, wo das Licht herleuchtete. Link folgte seit geraumer Zeit den Wendeltreppen und sie nahmen einfach kein Ende, aber er hatte das Gefühl, jemand erwartete ihn, jemand, der sehr viel mit ihm zutun hatte. Link erreichte das oberste Stockwerk und stand vor einer weiteren Holztür, die aber keinen Türgriff besaß. Sie war jedoch nur angelehnt und ein milder Kerzenschein warf sein Licht hinaus zu dem Treppenaufgang, hinaus zu Links Gestalt. Vorsichtig schob er jene grifflose Tür ein Stückchen in das Innere des Raumes. "Tritt ein, Link. Ich dachte schon, du würdest nicht mehr erscheinen... nicht mehr an diesen Ort finden, wo doch so viele Antworten auf dich warten." Eine fremde und doch angenehme Stimme erschallte, die fast klang wie das Rauschen des Windes. Und doch klang sie standhaft, zuversichtlich, tapfer... Link trat ein und schob die Tür hinter sich wieder zu. Auch wenn es merkwürdig klang, er fühlte sich, als ob er sich hier vor nichts und niemanden fürchten bräuchte, nicht einmal vor Ganondorf. Angst und ihre vielen Gesichter schien hier keine Macht mehr zu haben. Bedächtig schaute er sich um. Der Raum war äußerst gemütlich und geschmackvoll eingerichtet. Ein Bett, ein Schrank und erstaunlich viele rote Vorhänge an den fünf gleichgroßen Fenstern, die in dem runden Raum an jeder Wand einen Blick nach draußen gewährten. In der Mitte stand ein etwas größerer Tisch, auf dem eine Glaskugel stand. Bin ich bei einer Wahrsagerin gelandet, fragte er sich und nahm dann Notiz von einer Person, die einen dunkelgrünen Umhang trug. Sie stand an einem der fünf Fenster und schaute genau zu der Heuhütte, wo Zelda schlief. "Diese Nacht droht für sie keine Gefahr, Link." Und wieder fühlte Link jenes merkwürdige Gefühl in sich, etwas trauriges, aber angenehmes. "Nicht diese Nacht..." Und es schien, als ob das Feuer der Kerzen in dem Raum bei ihren Worten zuflackern stoppte, als ob kein Wind mehr wehte, allein, wenn sie die Stimme anhob. "Nimm' Platz, Link, es gibt Dinge, die du wissen musst. So lausche meinen Worten, wenn du gewillt bist zuzuhören..." "Ich bin gewillt", sagte Link leise und fühlte sich so unwirklich, als ob er lediglich eine Figur wäre- wie jener Link aus dem Zeldaspiel. Aber war er denn jener Link? Link setzte sich an den Tisch auf einen der alten Holzstühle mit ihren hohen Lehnen und blickte zu der Dame mit dem grünen Umhang. Dann drehte sie sich um und setzte sich zu ihm an jenen Tisch. Sie legte ihr Kapuze ab und Link erkannte dieses Wesen nun aus einem seiner Träume. Sie besaß Augen ohne Pupillen, ohne Regenbogenhaut, ein blasses Gesicht und ein goldenes Dreieck zierte ihre schmale Stirn. "Glaubst du, du lebst in einem Traum, Held?" Und obwohl Link nicht wusste, ob sie ihn ansah, da ihre Augen alles ansehen konnten, schaute er zurück und sagte ehrlich: "Ich bin mir nicht mehr sicher..." "Oder lebst du nur, weil du annimmst eine Spielfigur zu sein?" Erneut dieses Rauschen, das Link aber ungemein beruhigte. Er wollte nicht unhöflich sein und diese ältere Frau um ihren Namen fragen, aber neugierig war er eben immer. "Auch das... weiß ich nicht mehr.", meinte er dann und unterband seinen Wissensdurst. Er schaute zerstreut in die Glaskugel. "Zeit und Schicksal, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind nicht das, was dir die Welt glauben macht zu sein. Selbst ein Spiel kann auf seine Weise wirklich sein... und was du für Wirklichkeit erachtet hast, erachten wirst, gibt sich nur als Spiel preis. Deine Geschichte, Held, ist sie denn jemals mehr als ein Spiel und doch wirklich für dich, wirklich für Zelda und viele andere?" Link schüttelte mit dem Kopf und schaffte es irgendwie nicht, dieser Dame eine Frage zustellen, als ob er viel zuviel Respekt vor ihr hatte. Dabei hatte er doch sonst vor niemandem Respekt... "Du möchtest wissen, was geschah, du willst erfahren, was es mit Hyrules Geschichte auf sich hat... ich kann es in deinem Herzen sehen." Link nickte. "So höre, was du niemals mehr vergessen wirst..." Und dieses mächtige Wesen begann zu erzählen: "Einst, als die Macht zerbrach, wuchs Streit in den alten Herzen jener Götter, die die Macht erst erschufen. Krieg unter den Göttern, da nicht der, der Kraft erhaben war, auserwählt sein sollte, diese zu tragen. Nur Nutzen er aus seinem Fragment zog und jene Macht ausbeutete, sodass eine der Göttinnen selbst nicht mehr dieselbe war. Streit unter denen, die Hyrule zum Leben erweckten..." Link verfolgte aufmerksam ihre Worte. "Nach Hunderten von Jahren, die ins Land zogen, verging jener Streit, Schwesterliebe trat an ihre Stelle und ein neuer Plan wurde erschaffen. Doch das Böse, auf der Spur, dass die Göttinnen ihm seine vermeintliche, ungerechtfertigt erhaltene Macht stehlen wollten, zurückforderten, erweckte die Schatten der Götter. Jene verfolgen nun euch, da ihr noch Macht besitzt, jene Macht von Mut und Weisheit, die sie sich einverleiben bedürfen, um die wahren Götter, nicht länger jene Schatten, zu sein. So hütete euch vor unseren Schatten, denn sie verbergen sich im Feuer, im Wind und sogar in der Zeit..." Link war sprachlos. Es schien, als würde diese alte Dame seine Gedanken lesen, weil er genau dieses Wissen haben wollte. "Die Augen des Schattens von einer jener Gottheiten begegneten dir bereits in deiner Welt und du konntest nicht gegen sie kämpfen, noch wusstest du, um die Gestalt hinter dem Feuer. (kleine Anmerkung: Ich meine hier das Lagerfeuer bei dem Schulausflug.) Jetzt hütet euch, denn sie begehren eure Kräfte, eure Mächte, die nur euch zustanden, die rechtmäßig euch zustanden. Und ihr fühlt ihre Anwesenheit wie jene des Bösen mit den Überbleibseln einer Macht, die immer noch teilweise in euch steckt. Ein Brennen. Ein Stechen, gerade dort, wo die Macht einst ruhte..." "Das hat es also mit dem Schmerz auf dem Handrücken auf sich... und was ist mit dem angenehmen Gefühl?" Die Dame hatte für einen kurzen Moment echte grüne Augen, bevor diese wieder in den Nebeln verschwanden. "Das ist mir nicht bekannt. Ein angenehmes Gefühl bringt Macht wohl nur denen, die sie begehren... wohl scheint diese Empfindung unabhängig von der alten Macht zu sein..." Link fand sich damit ab und wich dem Blick des Geschöpfes aus. "Hyrule und die Erde sind sich gar nicht einmal so unähnlich. Wer weiß, ob nicht auch du als gewöhnlicher Jugendlicher einer Oberstufe nur eine Spielfigur bist. Kannst du es mir sagen? Kannst du es dir selbst sagen, ohne Zweifel? Höre..." und ihre Stimme wurde lauter: "Hyrule ist kein Traum, nicht hier, Hyrule ist keine Illusion, nicht hier, und Hyrule ist keine Vergangenheit... es ist stets da und doch nirgendwo... vielleicht am Ende des Universums, wenn es doch nicht so unendlich ist, wie die Menschen annehmen." So allmählich verstand Link kein Wort mehr von dieser Dame... (und die Autorin auch nicht... wie dusslig...) "Die Geschichte Hyrules zu verstehen, bedarf eines Menschen Lebenszeit und ich könnte dir noch weitere Antworten geben, wenn du nach ihnen streben wolltest. Doch wisse, es könnte tausend mehr Fragen in deiner Seele entstehen lassen, Link." Er schüttelte unbewusst mit dem Kopf und sagte leise: "Bin ich denn derselbe?" "Nein... du wirst so gut wie nie derselbe Link sein und Zelda fast nie dieselbe Zelda und doch verbindet ein starkes Band die Auserwählten, die Kinder des Schicksals. Ein Band der Zuneigung, das sich nicht erklären lässt, vielleicht ein Band der Freundschaft oder ein Band der Liebe..." Link sah weg und scheute den tiefgründigen Blick dieser allmächtigen Persönlichkeit. Hoffentlich erkannte sie nicht die wirkliche tiefe Zuneigung, die er nun mal einfach für Zelda empfand, egal, wie sehr sie ihn verletzte, egal, wie sehr sie sich distanzierte. "Wird es für Hyrule noch einmal eine Zukunft geben?" "Hyrule trägt immer ein Gesicht und egal, wie weit die Wiesen sind, wie groß die Gebirge, wie rein die Seen und Flüsse, wie tief die Täler und wie froh die Menschen... ja, sicher wird auch Hyrule eine Zukunft haben, die du vielleicht erleben kannst." Hyrule war eine ewige Geschichte, keiner weiß genau, wann sie begann und wann sie endete... so langsam verstand Link, was man ihm mitteilen wollte. Er könnte Hyrule in Frage stellen, er könnte diese Welt wieder vergessen, aber sie würde dennoch existieren, ob nun als Spiel oder als eine Wirklichkeit für Spielfiguren. War es denn so wichtig, zuwissen, warum Zelda in seine Welt gelangte? War es noch von Bedeutung zu wissen, warum es auf der Erde Sieben Weisen gab (weitere kleine Anmerkung: Die Sieben Weisen gab es wirklich mal, ich glaube, in der Literatur sind sie angegeben und z.B. Sokrates war einer von ihnen.)? Nein, vermutlich nicht. Es war nun mal geschehen und Link war der nächste Auserwählte in der Blutlinie des Helden. Es schien nicht mehr von Wichtigkeit die Vergangenheit bis ins Detail zukennen... Link lächelte leicht und erkannte daraufhin auch die Spur eines Lächelns in dem Gesicht der merkwürdigen Gestalt ihm gegenüber. "So wie ich sehe, konnte ich dir die Antworten geben, nach denen du verlangst." "Ja, so langsam verstehe ich..." Link stand auf und lief zu einem Fenster und schaute jetzt auch auf die kleine zerrüttete Hütte, wo Zelda schlief. "Sie wird in Gefahr sein... habe ich Recht?" "Ja, die Prinzessin Hyrules wird leiden, Link." Er drehte sich um und sagte lauter, mit voller Entrüstung: "Aber das hat sie nicht verdient. Hat Zelda nicht schon genug gelitten? Was..." Und plötzlich bildeten sich wahre, grüne Augen in den weißen Glaskörpern, die vorher weder Pupille noch Regenbogenhaut aufwiesen. "Es tut mir leid, Link, aber nicht einmal ich, als deine Schutzgöttin, könnte ihr Schicksal aufhalten." Schutzgöttin, soso, Link begriff nun, weshalb er dieser Person sein Vertrauen entgegenbrachte und er sie so gut leiden konnte. Links Blick wandelte sich und Kummer lag darin. "Ich wünschte, ich könnte ihr irgendwie helfen..." "Das tust du bereits... du hast ihr schon mehr geholfen, als du es für möglich hältst und sie ist dir sehr dankbar, Link..." Link nickte stumm und ein sanftes Lächeln zeigte sich auf seinem charmanten Gesicht. Auch das Goldene Dreieck auf der Stirn der Göttin verschwand und nun wirkte sie wahrhaft menschlich. "Ich... empfinde zuviel für sie", murmelte er, sicher, er dürfte jenen starken Gefühle für sie nicht nachgeben. "Ja, du empfindest... du fühlst... " Auch die Gestalt stand auf und legte eine Hand auf seine Schulter. "Gerade das macht eure Verbindung noch stärker. So höre... es ist kein Fehler so zuempfinden." Link schloss seine Augen und sagte leise: "Ich..." Ein Lächeln zeigte sich auf dem Gesicht der Person, bevor sie ihre Kapuze wieder über ihren Kopf zog. Es war nicht ihre Aufgabe, dieses Wissen zu besitzen. "Noch etwas, Held, ich danke dir und Zelda für die Rettung meiner Schwester... nun bleibe nur noch ich übrig. Auch ich bin noch gefangen gerade dort, wo ich beginne unwirklich zu sein. Was du hier siehst, ist nicht meine wahre Gestalt." Himmel, träumte Link etwa schon wieder? "Es wird Zeit für mich zugehen. Denn da du verstanden hast, kann ich erneut dorthin zurückkehren, wo ich nicht mehr verstehen werde..." "Wir werden auch dir helfen.", sagte Link dann. Jetzt, da dieses weise Wesen in sein Herz gesehen hatte und ihn beruhigen konnte, wollte er ihr als Gegenleistung ebenso helfen. "Das obliegt nur dir, Link. Hab' Dank." Und der junge, gutmütige Hylianer nickte. "So ist denn Zeit für mich, mein Schicksal anzunehmen." Und langsam verblasste ihr Bild vor Link. Die Kerzen gingen aus und das gesamte Zimmer besaß nicht länger die Einrichtung wie vor wenigen Minuten. Die Vorhänge verschwanden, der Tisch, die Stühle und sogar der samtige Teppich auf dem Boden. "Wartet!", rief Link, bevor das Wesen sich ganz in Luft auflöste, "Ich habe noch eine Bitte! Wie können wir die Schatten der Götter besiegen?" Das Wesen bewegte ein letztes Mal seine Lippen, ein Rauschen kam hervor, doch es waren keine Worte der Wirklichkeit, ebenso wie sie es prophezeit hatte. Sie verschwand dorthin, wo sie unwirklich zu sein schien... Link stand nun in einem völlig leeren Raum, leise wehte der Wind über die geöffneten, alten Fenster hinein, während noch immer Nebel über der Ruine lag. Ganon verteilte zu jenem Zeitpunkt an einem anderen Ort als der Kirche Aufträge an seine Untergebenen, sie mögen Zelda so schnell wie möglich zu ihm bringen. Lebendig wohlgemerkt, da er mit ihr noch etwas vorhatte. Einige Moblins, geflügelte Späher, Skelettritter unter Führung von Mortesk und gekreuztes Gesindel schickte er sogleich los, auf das sie ganz Hyrule nach Link und der Prinzessin absuchen würden. Prestons Wunden waren inzwischen durch seine dämonische Kraft geschlossen, aber sein rechtes Augen hatte er verloren. Zusammengekauert saß er in einer Ecke in der Kirche Schicksalshorts und würgte violetten Schleim aus seinem Körper. Ein Ableger dessen, was Ganon ihm angetan hatte, sodass er zu einer Kreatur des Bösen mutierte. Er stand auf und lief schwankend aus der Kathedrale heraus. Er hatte ein Ziel. Er wusste nun, was er tun würde. Auch er betrat eine Pforte nach Hyrule auf der Suche nach Zelda und ihrem Helden. Kapitel 71: Geheimnisse der Vergangenheit IX -------------------------------------------- Kapitel 54: Geheimnisse der Vergangenheit IX Link kam gerade von dem Markplatz zurück. Er hatte, so wie Malon es ihm vorgeschlagen hatte, einen Strauß Blumen vom Markplatz geholt und befand sich auf dem Weg in den Ostflügel des Schlosses. Vorbei an einer Schar Zimmermädchen, die bei seinem Anblick und dem faszinierenden Blumenstrauß kicherten, lief er einen langen Gang entlang, an dessen rechter Seite Fenster angebracht waren und zahlreiche Lichtstrahlen von draußen hineinfielen. Auch Maia, die Hofdame, war unter der kleinen Gesellschaft und trieb die anderen zur Eile an. "Sucht ihr die Prinzessin, mein Herr?", sagte sie und blieb kurz stehen. Link nickte nur und versteckte hastig den Blumenstrauß hinter seinem Rücken. Maia grinste, kicherte dann und entgegnete: "Sie befindet sich mit ihrem Vater in jenem Saal des Schlosses, wo die große Rittertafel ist. Wisst Ihr, wo das ist?" Link schüttelte verlegen mit dem Kopf. Sein Verhalten musste wohl äußerst entzückend sein, denn daraufhin kicherten die jungen Zimmermädchen erneut. Link drehte sich um, verlor beinahe den Blumenstrauß und bezeichnete sich murmelnd als Trottel. Schnell rannte er davon und hoffte, er würde den Saal auch ohne fremde Hilfe finden. Zelda saß währenddessen an einem riesigen runden Tisch, in einem Saal, wo sich die angesehensten Ritter Hyrules mindestens einmal in der Woche trafen. Ihr Vater stand nicht weit entfernt vor einer großen Karte des Königreiches, die stolz ausgebreitet an der Wand hing. In jenem Raum führte kein Lichtstrahl hinein und obwohl Tag war, brannten einige riesige Standkerzen, die den gesamten hohen Saal erleuchteten. "Jetzt kommst du mit diesem Ersuchen zu mir, Zelda, jetzt? Woher der plötzliche Sinneswandel?" "Ich bitte dich, Vater, mach' mir diese Entscheidung nicht noch schwerer, als sie ohnehin ist..." Zelda stand auf und lief ebenso zu der Karte des Reiches. "Es ist wunderschön, nicht wahr?" Harkenia drehte sich um und blickte mit seinen alten, weisen Augen in diejenigen seiner Tochter. "Und es wird immer wunderschön bleiben, selbst in einer tausendjährigen Zukunft. Dafür werden zukünftige Könige sorgen, Zelda." Die Rede war von Hyrule selbst, einem einzigartigen Land ohnegleichen. "Gerade deswegen weiß ich um die Wichtigkeit meiner Entscheidung, Vater. Mit jedem Tag der zerrinnt, bleibt mir weniger Zeit. Ich muss diese Entscheidung treffen. Besser zu früh als zu spät." Harkenia berührte seine Tochter sanft an den Schultern und lächelte: "Du wirst deiner Mutter immer ähnlicher, mein Kind..." Zelda scheute seinen Blick und bemerkte traurig. "Hat sie denn aus Liebe geheiratet?" Sie war sichtlich bemüht ihre Standhaftigkeit und Stärke zu wahren. "Mit der Zeit hat sie mich lieben gelernt und ich sie. Aus ihr wurde eine wunderbare Königin und Mutter und du, mein Kind, wirst ebenso Glück erfahren, wenn es soweit ist." In dem Augenblick gelangte Link in einen Gang, mit einem Schmunzeln auf den Lippen und dem Blumenstrauß in der Hand. Dann vernahm er Stimmen und erkannte diese als jene des Königs und der Prinzessin. Aufmerksam schlich er näher und versteckte sich hinter einem roten, großen Vorhang am Eingang zu dem Saal. Gespannt hörte er zu. "Wer wird zu dem großen Ball eingeladen werden?" "Einige feine Adelsmänner, der Prinz Vasard aus dem Land seiner Väter, unserem Bündnispartner, die Familie Morganiell, die Söhne Iriens, Prinz Caldrian, die königlichen Ritter und deren Söhne und einige andere." "Gut." Zelda drehte sich um und setzte sich erneut an den Tisch. "Wann möchtest du, dass ich dir meine Entscheidung mitteile, Vater?" Er blickte auf und schien überrascht. "Zelda, es geht schließlich um deine Zukunft. Überlege dir genau, wer an deiner Seite regieren soll und weiterhin muss es jemand sein, der dich achtet, dem du dein Herz öffnen kannst." Link lauschte hinter dem Vorhang und begriff allmählich das Thema des Gespräches. Er umgriff den Blumenstrauß immer fester und konnte nicht glauben, was er da hörte. "Ich weiß, Vater... aber umso eher ich diese Entscheidung getroffen habe, umso besser ist das für Hyrule und für das Ansehen der Königsfamilie." Zeldas Hände verkrampften sich. Sie hatte sich entschieden und wieder an das Wohl des Landes gedacht, aber nicht an ihr eigenes. Sie würde beim nächsten Ball der Verlobung mit irgendjemandem einwilligen, sodass endlich dieses Thema vom Tisch war. Monate lang hatte sie gekämpft; dagegen angekämpft, auf die billigen Komplimente eines Möchtegernprinzen hereinzufallen, sie wollte nicht heiraten, sie wollte mit niemandem ein derartiges Bündnis, wie sie es nannte, abschließen, aber hatte sie als Prinzessin denn eine Wahl? Sie wollte ihre Freiheit und Monate lang hatte sie dafür ihren Hals riskiert und sich Streitereien mit ihrem Vater eingehandelt und nun? Links Wiedersehen mit Malon hatte ihr zunächst einen gewaltigen Stich versetzt und dann die Erkenntnis, dass sie, egal, was sie auch tat, immer die Prinzessin von Hyrule bleiben würde. Selbst wenn sie weglief, selbst wenn sie ihren Titel ablegte... sie würde immer Zelda, Kronprinzessin von Hyrule bleiben, ob nun äußerlich oder innerlich. Zelda blickte auf und sah das nachdenkliche Gesicht ihres Vater genau an. "Alles in Ordnung, Vater?" "Nein, eigentlich nicht." Zelda stand wieder auf und ging zu ihm herüber. Sie legte ihre Hände auf seine rauen. "Ich frage mich, was es wohl ist, dass dir diese Sicht der Dinge beschert hat, Tochter." Zelda schaute zu Boden und allmählich legte sich ein Schatten über das Blau ihrer Augen. Sie setzte eine Hand an ihre Stirn, lief einige Schritte und lehnte sich anschließend mit dem Rücken an die Wand. Aber sie schwieg. "Du musst es mir nicht mitteilen, Zelda, und doch... ich möchte das Beste für dich, mein Kind." Zelda atmete tief aus, wendete ihrem Vater den Rücken zu und kämpfte mit sich selbst. "Zelda", sagte Harkenia, der wusste, wie schwer es ihr fiel, in eine Verlobung einzuwilligen. "Ich werde niemals... niemals wirklich lieben..." Harkenia umarmte seine Tochter daraufhin. "Damals, mein Kind, ist es mir auch sehr schwer gefallen, die wahre Liebe zu ignorieren... weißt du, ich bin damals auch recht häufig einfach vom Schloss davongelaufen." Ein wenig überrascht sah Zelda auf und erkannte ein friedvolles Lächeln auf dem Gesicht ihres Vaters. "Damals habe ich ein Mädchen kennen gelernt, und irgendwann verliebte ich mich in sie, lange, bevor ich deine Mutter traf." "Was wurde aus ihr?" "Sie vergaß mich, als sie herausfand, wer ich war... ich habe sie eben geliebt und hätte ich nicht meine Pflichten und wäre nicht dazu geboren worden, gerecht über Hyrule zu herrschen, dann würde ich heute mit einer anderen meine Zukunft teilen." Zelda lehnte sich an ihn und hatte schwache Tränen in den Augen. "Danke Vater, das beruhigt mich ein wenig. Wann genau planst du die Hochzeit?" "Ich dachte, genau dann, wenn dein achtzehnter Geburtstag vorüber ist, dann bist du volljährig." "In Ordnung. Dann ist alles geklärt." Link ließ den Blumenstrauß fallen und schlich in der Dunkelheit zur Tür, sodass ihn niemand bemerkte. Kurz bevor er verschwand, hörte er aber aus dem Gespräch seinen Namen. "Und was ist mit deinem treuen Freund Link, mein Kind? Willst du ihn ebenfalls zu deiner Hochzeit einladen?" "Ja, es wäre schön, wenn er dabei wäre..." Link kniff schmerzverzerrt seine Augen zusammen und rannte hinaus aus dem Schloss. Er durchquerte den Vorhof, grüßte keine Person, die ihm entgegenkam und beschleunigte sein Tempo immer mehr, bis er total außer Puste vor den Toren der Zitadelle der Zeit zum Stehen kam. Er fühlte sich kläglich... wie konnte er nur jemals ignorieren, dass Zelda eben eine Prinzessin war. Verdammt, sie stammte von höherer Geburt und du bist lediglich ein dummer, leicht auszunutzender, tölpelhafter Held, der in Hyrule kein wirkliches Zuhause hatte, dachte er. Kopfhängerisch trat er in die Zitadelle ein, setzte sich auf eine der Holzbankreihen und beobachtete an den Wänden die Fackeln. Es hatte für ihn niemals eine Rolle gespielt, dass Zelda eine Prinzessin war. Für ihn war sie etwas Besonderes, einfach nur Zelda und er sah sie so, wie niemand sie je gesehen hatte: als eine einzigartige Hylianerin und nicht als die unnahbare, eitle Prinzessin. Aber in letzter Zeit hatte sich seine Einstellung ihr gegenüber grundlegend geändert, seine Gefühle ihr gegenüber gewandelt, und noch ehe er begriff, was vor sich ging, bedeutete sie ihm so viel wie noch nie zuvor und wie niemand sonst. Er stützte seinen Kopf in seine Hände und für einige Augenblicke wurde ihm alles egal... Ihr Name entkam seinen Lippen und er fragte sich, warum es ihm auf diese Weise zusetzte, dass sie irgendjemanden heiraten würde. Was ging es ihn denn noch etwas an? Sie war eben die Prinzessin... verflucht... die Prinzessin... Dann wurde er sanft aus seinen Gedanken gerissen. Eine angenehme, tiefe Stimme sprach zu ihm und flugs drehte sich Link um. Eine geisterhafte, vertraute Gestalt stand vor ihm, die er nur allzu gut kannte. Rauru... der Weise des Lichts. Nanu? Was wollte der denn? "Link, ich möchte dir gerne einige Dinge unterbreiten, die ich vor wenigen Stunden erfahren habe. Es geht um die neue Gefahr..." Link war zwar nicht in Stimmung für irgendwelche anderweitigen Probleme, aber vielleicht lenkten sie ihn von dem Thema: Zelda, Zelda und noch mehr Zelda ab... Link nickte bloß und Rauru erkannte, dass er irgendwelche Probleme mit sich herumschleppte. Dann setzte sich Rauru neben ihn auf die hölzerne Bankreihe und für wenige Minuten erschuf alte Magie die wahre Gestalt Raurus erneut. Das geisterhafte Abbild verschwand und Rauru besaß einmal mehr ein bisschen Menschlichkeit. "Link, du bist in Sorge?" "Mmh... es ist aber eigentlich nicht wirklich von Belang. Zelda... wird sich verloben..." Es fiel ihm schwer, das letzte Wort auszusprechen. "Und das bedrückt dich?" Link hetzte auf und zum Glück befand sich niemand sonst in der Zitadelle. Er fauchte. "Ja, verdammt, es..." Er schüttelte den Kopf und entschuldigte sich leise bei Rauru für seine plötzliche Lautstärke. "Ich weiß, dass sie die Prinzessin ist und ich wusste... sie würde irgendwann einen Prinzen heiraten, aber ich... hätte niemals gedacht, dass es..." "... dass es dir soviel ausmachen würde..." Der junge Held nickte. "Ich wünschte, ich wäre nie wieder nach Hyrule zurückgekehrt", beendete Link. "Dir ist aber klar, dass Zelda ohne deine Hilfe den Tod durch diese Schreckensgestalten gefunden hätte, ja?" Link schaute schnell zu Rauru, aber zeige keine weitere Gefühlsregung. "Hast du mit ihr darüber geredet?" "Worüber?" "Über deine Gefühle für sie?" "Was denn für Gefühle?" Link glotzte irritiert, und verstand es vielleicht immer noch nicht. Rauru schüttelte mit dem Kopf und ließ einen leisen Lacher aus seinem alten Munde dringen. "Nun begreif' es doch endlich, Link. Du hast dich verliebt.", sagte der Weise des Lichts zuversichtlich. "WAS?", entkam es Link lärmend, sodass weitere Anwesende verdutzt aufsahen. In der Zitadelle war es eben untersagt, laut zureden. "Was dachtest du denn, warum es dir zusetzt, wenn Zelda sich verlobt? Was bei den Göttinnen hast du gedacht, sind das für Gefühle? Du liebst sie, Link, setzt dein Leben für sie auf's Spiel, tust alles für sie und willst einfach nicht verstehen, dass es Liebe ist?" Links Kopf sah aus, als ob er in einen reifen Tomatenstrauch gefallen wäre und schluckte vor Aufregung mühevoll die Spucke in seinem Hals herunter. Dennoch bekam er nicht einen Ton heraus. Er war sprachlos, fassungslos, weil Rauru wohl oder übel Recht hatte. "Jetzt mal ehrlich, wie kommt es, dass du annimmst jemand wie du könnte sich nicht verlieben. Es liegt in der Natur der Hylianer sich zu verlieben. Warum solltest du verschont werden?" Für einige Momente herrschte unangenehme Stille in der Zitadelle... "Hast du schon mal daran gedacht, dass sie diese Entscheidung nicht für sich selbst getroffen hat? Glaubst du, sie will irgendeinen Prinzen?" Link setzte sich wieder, strich sich durch seine blonden Haarsträhnen und legte seinen Kopf auf seine Arme. "Nein. Und selbst wenn... sie ist die Prinzessin, Rauru." Rauru schüttelte nur mit dem Kopf. Er hatte das Gefühl, Link machte sich die Sache schwerer, als sie überhaupt war. Zum Teufel, es lag doch nur an ihm und an der Tatsache, dass Zelda überhaupt keinen blassen Dunst hatte, wie er empfand. Aber sein Geheimnis würde Link wohl mit ins Grab nehmen, denn hinsichtlich Gefühlen und dem Begriff Liebe, besaß der Held der Zeit genau das Gegenteil von Mut und Tapferkeit... Eine ältere Frau gelangte in die Zitadelle und setzte sich auf eine der Bankreihen. Sie faltete die Hände und betete zu den Göttinnen. Rauru führte Link daraufhin in die Krypta der Zitadelle. Ein ruhiger Ort, an dem Rauru ihm seine neuen Erkenntnisse mitteilen konnte, ohne, dass Unwissende Notiz von Dingen erhielten, die sie nichts angingen. Erkenntnisse bezüglich der merkwürdigen Dämonen, die in Zeldas Gemächer eingebrochen waren und ihr Blut stahlen. Rauru setzte sich an einen kleinen Holztisch und schlug ein verstaubtes Buch auf. "Link, hast du schon einmal etwas von den Schatten der Götter gehört?" "Nein. Worauf willst du hinaus?" Und Link steckte seine neugierige Hylianernase in das Buch hinein. "Auch die Göttinnen Farore, Din und Nayru besitzen Schatten, ebenso wie ein anderes Lebewesen. Jene existieren in der Schattenwelt, die du sicherlich kennst, Link, nicht wahr?" Scherzhaft entgegnete er: "Oh, ja, besser als es mir lieb ist. Mein letzter Aufenthalt dort endete mit einem gebrochenen Bein." Und Link kamen einige Abenteuer, die er erlebt hatte in den Sinn. Aber wirklich daran denken wollte er nicht... "Diese Schatten, die Zelda bedrohten, waren also jene von den drei Göttinnen. Das ist ja ungeheuerlich. Wenn ich Farore das nächste Mal sehe, soll' sie mir bitte sagen, weshalb sie das zulassen konnte", grummelte er. Rauru blätterte suchend in dem Buch herum. "Es gibt einen Abschnitt im alten hylianischen Urtext, in dem erwähnt wurde, die Schattengötter wären machtlos gewesen und hätten sich, als sie das Böse in sich selbst verstanden, bereitwillig anderen bösen Kreaturen angeschlossen. Es könnte also sein, dass sie Ganondorf unterstützten, Link." "Aber Ganondorf ist versiegelt. Wie hätte er diese Schatten rufen können? Gibt es Risse im Siegel, oder was ist der Grund?" Rauru schlug das Buch wieder zu und blickte Link ernst, aber durchdringend an. "Das Siegel ist intakt. Die Frage ist bloß... wie lange noch. Link, ich will dir deine Hoffnung nicht nehmen, aber es besteht die Gefahr, dass jene Schatten irgendwann das Siegel brechen werden, um ihren Meister freizulassen. Wie Ganondorf das wieder angestellt hat, sei in Frage gestellt, aber bisher... liegen die Dinge wohl zu unseren Ungunsten..." Link setzte sich nachdenklich auf eine Treppenstufe und seufzte laut. Was, wenn Ganon wirklich zurückkehren würde? Er erinnerte sich an den grausamen Kampf in einer alternativen Zukunft, in der es den Helden der Zeit nicht mehr gab. Er besann sich auf Schmerzen, Wunden, auf jene Angst und Ganons widerwärtiges Gesicht, das er niemals mehr sehen wollte. Der Kampf von damals steckte noch in seinen Gliedern. Er wusste noch genau, wie es sich anfühlte, das Masterschwert in seinen Händen zuhalten, kannte noch das Gefühl der vibrierenden Klinge in seinen Händen, als Ganon ihm jede Kraft raubte. Es war ein Kampf, den er nicht wirklich überstanden hatte, denn die Erinnerung quälte Link, auch wenn man es ihm nicht ansah. Manchmal überkamen ihn Alträumen von jener Zeit, die doch nicht war und Visionen davon, wie sich das Siegel schloss und Ganon einen Fluch gegen ihn, Zelda und den Weisen aussprach. "Link?" Und fragend sah Rauru ihn an. Mit glasigen Augen sah Link ihn an. "Du siehst müde aus, Link." "Jep, bin ich wohl." Und herzlich gähnte unser Heroe, seine Arme und Beine in alle Richtungen ausstreckend. "Noch etwas Link... da diese Schatten Zeldas Blut wollten, und du weißt, dass sich in ihrem Blut Magie verbirgt, könnte es um einiges wahrscheinlicher sein, dass sie das Siegel brechen wollen. Wir müssen demnächst sehr wachsam sein. Besonders die Weisen und Zelda. Es könnte sein, dass sie annehmen, mit dem Tod der Weisen würde das Siegel zerreißen. Wir sollten die anderen Weisen kontaktieren. Ich fange dann gleich damit an." Link nickte und bestätigte: "Ich werde da sein. Falls etwas geschieht... werde ich kämpfen." Damit sprang er auf. "Und Link... rede mit Zelda." Darauf kam nur leider keine Antwort und auch kein Nicken oder eine andere Anwandlung und Link verschwand. Kapitel 72: Kuss und Feuersturm ------------------------------- Kapitel 55: Kuss und Feuersturm Link war der erste, der am Morgen des nun zwölften Tages in Hyrule seine Augen öffnete. Die beiden Hylianer befanden sich ruhend in der kleinen Heuhütte in der Nähe der Burgruinen. Gähnend überblickte Link seine Lage und stellte fest, dass Zelda anschmiegsam neben ihm lag und schlief. Ohne nachzudenken, begann Link sie auf ihrer Wange zu streicheln, strich vorsichtig einige blonde, seine Haut kitzelnde Haarsträhnen aus ihrem hübschen Gesicht und ließ sich wieder auf das Heu fallen, merkte aber im selben Augenblick den Schmerz der Realität. Richtig, dachte er. Die Peitschenhiebe... Leicht fluchend drehte er sich um, sodass er Zelda direkt ins Gesicht blickte und sich auf selber Höhe mit ihren Augen befand. Ihre schön geschwungenen Wimpern zuckten kurz und ihr roter, für Link zum Sterben begehrenswerter Mund öffnete sich einen schmalen Spalt. Sie holte leise Luft und schreckte plötzlich unkontrollierbar zusammen. Hylianische Wörter entkamen ihren Lippen, jedoch kannte Link diese nicht. Sie musste eine alte hylianische Sprache reden. Doch ständig wiederholte sie ein und denselben Wortlaut, bis sie sich unbewusst an Link festkrallte. Ihre rechte Hand hielt sich beinahe schmerzhaft an Links Oberarm fest und er spürte überrascht, wie sich ihre Fingernägel in seine Haut gruben. Sie musste erneut ihren Traum haben, dachte Link. Jenen grausamen Traum, den er nicht wissen sollte. "Wenn du nur wüsstest, wie sehr... ich dich..." Noch bevor er seinen Satz zuende gesprochen hatte, blinzelte sie. Sanft hoben sich ihre Augenlider vollständig, gaben mit Schatten belegte blaue Augen preis und schließlich stand unleugbare Überraschung jenem Blau. Sie sah ihn verdutzt an. Dann verwirrt. Dann entsetzt. Zornig rutschte sie einige Meter von ihm weg, zog ihre Decke bis zu dem Kinn und schüttelte nur mit dem Kopf. "Guten Morgen, Zelda.", meinte Link, der nicht begreifen wollte, wie scheu Zelda doch sein konnte. "Übrigens...", sagte er, "Du warst diejenige, dich sich an mich rangekuschelt hat und nicht umgekehrt, meine Liebe." Sie zog eine verärgerte Schnute und erwiderte: "Das hätte ich gemerkt. So was würde ich niemals tun, du ungehobelter Klotz." "Ja, ist gut, Zelda. Pass' bloß auf, dass nicht irgendwann das böse Erwachen kommt...", sagte er kaltschnäuzig, grinste aber in sich hinein. Soll' sie doch schmollen, oder schlechte Laune haben... Ihm würde heute nichts mehr auf den Magen schlagen. Sie frühstückten und hatten noch einige Pakete mit Knäckebrot, die sie herauskramten. Zelda schwieg während des gesamten Frühstücks. Sie schwieg während Link die Sachen packte und sie schwieg, als er sie fragte: "Bist du soweit? Wir müssen weiter." Sie stand auf und folgte ihm ohne weitere Worte aus der mit Heuhaufen gestapelten Hütte heraus. Sie reisten weiter, liefen einige Stunden über die gigantische herrliche Steppe, vorbei an steinernen Wegmarkierungen, vorbei an einer winzigen Ortschaft und einem kleinen kristallklaren See. Zelda schwieg immer noch und grübelte über eine wichtige Sache nach, die sie einfach nicht losließ. Was war mit ihrer Freundschaft zu Link? Und obwohl er meinte, es wäre vorbei, verhielt er sich so liebevoll ihr gegenüber, wie zu Beginn ihres gemeinsamen Abenteuers. Sie kapierte es nicht. Warum tat er das? Er hatte jeden erdenklichen Grund nichts mehr mit ihr tun zu haben wollen... Gerade in dem Augenblick blieb Link unverhofft stehen und spähte mit ernster Miene nach Osten, wo eine lange Kette aus Bergen Hyrule von einem weiteren Land abgrenzte. Seine ozeanblauen Augen versanken in diesem Bild, als befände er sich in tiefer, tiefer Trance. Und dann rührte er sich nicht weiter, lediglich der Wind wehte sein goldblondes Haar auf. Eine schöne Seitenansicht, dachte Zelda. Sie gab genau die Stärke und Bereitschaft sich jeder Gefahr zu stellen ihres Helden wieder. Selbst sein entschlossener, tapferer Blick und die ernsten Züge seines Gesichtes. Jede einzelne Eigenschaft seiner besonderen Seele spiegelte sich in diesem Profil. "Link?", sagte Zelda leise, trat neben ihn und versuchte seine Aufmerksamkeit auf sie zu ziehen, aber es klappte nicht. Sie blickte ebenso in Richtung Osten, aber konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. "Link!", sagte sie diesmal energischer, aber er führte nur einen Zeigefinger an seine Lippen und meinte angestrengt und gedämpft: "Pst. Hör' genau hin..." War er vielleicht doch in einer Art Trancezustand? Einige langwidrige Minuten vergingen und Zelda hatte es sich auf der Wiese bequem gemacht. Sie trank einen Schluck Wasser und schaute in den düsteren Himmel, wo eine schmierige Suppe von grauen Wolken haftete, den ganzen Himmel bedeckend, nicht vorüber ziehen wollte. Feine Luftzüge wurden nähergetragen. Wind kam auf. Stärkerer Wind als vorher. Die Ankunft einer möglichen Gefahr. Link drehte sich zu Zelda um, packte sie grob an ihrer rechten Hand und zog sie ruppig auf ihre Beine. "Wir müssen weg. Sofort", sagte er bestimmend. Seine Stimme war so anders als sonst, nicht mehr feinfühlig, nicht mehr angenehm. Gelassenheit sendete sie nun aus und eigensinnige Forsche. Dann rannte er mit Zelda, die wieder einmal seine Reaktion nicht verstand, davon. Er lief immer schneller, zerrte seinen Engel an der Hand hinter ihm her, ohne zurückzublicken. "Link? Was soll' das? Sag' mir endlich, was los ist?", rief sie. "Spürst du das nicht?", fragte er und schleifte sie wirsch hinter sich her. "Wir brauchen sofort ein Versteck oder einen anderen Unterschlupf." Und der Wind, der ihnen entgegenkam, wurde wärmer, unangenehmer, als ob er etwas Gnadenloses verbarg und ein anderes teuflisches Gesicht preisgab. Zelda begann zu zicken und lief extra langsamer. Ungeduldig ließ sie absichtlich seine Hand los, aber er packte sie einfach am Gelenk und rannte weiter über das trockene Steppengras unter seinen Füßen. "Verdammt Link, sag' mir, was los ist?!?" Keine Antwort. Link schwieg und dachte im Moment nicht daran, ihr nur irgendetwas zu erklären. Warum konnte sie ihm nicht einfach vertrauen, so wie sie es einst getan hatte? Und die Situation war tatsächlich ernster, als es den Anschein hatte. Allmählich wurde es dunkel und ein rötlicher Schein der Abendsonne bedeckte den grauen Himmel in einem Spektakel von grau bis blutigschimmernden Wogen. Außer Puste blieb Link kurz stehen und schaute in Richtung der uralten, magsichen Kokiriwälder, die inzwischen sichtbar waren. "Link? Was ist nur in dich gefahren?" Zelda ließ sich nach Atmen ringend auf die Knie sinken und blinzelte ihn an. Er entgegnete ihren Blick nicht und überlegte stattdessen krampfhaft, was er vorhin gespürt hatte. Es war wie eine neue Gefahr, gegen die man machtlos ist. Vielleicht eine Naturgewalt oder ein neuer Feind, der so mächtig war wie ein unrechtmäßiger Gott. Irgendetwas trieb ihn zur Eile, aber jetzt schien sich diese Gefahr verflüchtigt zu haben. Oder wurde Link jetzt schon paranoide? Link setzte sich zu Zelda auf das grüne Gras von Hyrules gigantischer Steppe und meinte: "Hast du denn nichts... Gewaltiges gefühlt, Zelda?" Sie schaute auf, lächelte dann kopfschüttelnd mit einem nachdenklichen Ausdruck. Dann legte sie eine Hand auf seine Stirn. "Hast du vielleicht Fieber?" Link glotzte nicht schlecht, war baff, allein wegen ihrer warmen Hand auf seiner Stirn. Er zwinkerte. "Vielleicht habe ich welches... krank bin ich auf jeden Fall..." Zelda sah ihn komisch an, als ob sie nicht verstanden hätte, was er damit meinte. "Wie soll ich das verstehen? Du bist krank?" "Ja, genau... liebeskrank..." Und er grinste, stand dann aber auf seinen Beinen, da er sich total verplappert hatte. Niemals wollte ihn ein solches Wort herausrutschen und nun war es dennoch geschehen. Ihr Götter Hyrules, bitte, näht mir den Mund zu, dachte er. Plötzlich war es da schon wieder... dieser Anflug einer gewaltigen Gefahr und nirgendwo gab es für Zelda oder Link einen Unterschlupf, nur einsame Steppe weit und breit mit wenigen dikotylen Laubbäumen. Erschrocken hetzte Link auf, fühlte in seinen Blutadern etwas entlang rauschen, ähnlich einer feurigen Hitzewelle, die sich nach Sauerstoff verzehrte. Es hetzte ihn, stichelte seine Sinne, trieb ihn aus unverständlichen Gründen zur Eile. "Zelda... da ist es schon wieder. Irgendetwas stimmt nicht." Er lief einige Meter und blickte erneut zu dem Gebirge im Osten. "Etwas nähert sich. Wir sollten nicht verweilen." Und Zelda begann ihm jetzt wirklich zu glauben. Es wehte ein stärkerer Wind als vorher, aber er fühlte sich an wie verbrauchte Luft, die einem entgegengeschleudert wurde, fast wie: ,verbrannte' Luft... Sie eilten zügig voran, marschierten schnell in Richtung der geheimnisvollen, tiefen Kokiriwälder, als die wohligduftende, frische Luft der Steppe einen Gestank wie abgestandene Säure annahm. Auch Zelda erkannte jetzt die Gefahr und wusste, etwas bewegte sich auf sie zu, mordlüstern, gebieterisch. Sie hetzten schnellen Schrittes über das graugrüne Gras und fanden ein schmales Erdloch, das aber nicht wirklich Schutz bot. Dennoch warteten sie einige Minuten darin und schauten aufmerksam in alle Richtungen des Königreiches. Gespannt schauten zwei Paar blaue Augen aus dem Spalt hervor und konnten einige Minuten lang nichts ungewöhnliches entdecken. Gerade als sie teilweise erleichtert aus dem Erdloch krochen, geschah es schon wieder. Link spürte Todesgefahr, Schutzlosigkeit und Bedrängnis. "Zelda, ich muss dich warnen. Irgendwie habe ich ein sehr ungutes Gefühl." Sie nickte zögerlich und schließlich liefen sie weiter, den Blick stets auf die Wälder des Ostens gerichtet. Link stoppte abrupt, vernahm ein seltsames Geräusch, das er nicht definieren, nicht orten konnte. Zelda drehte sich zu ihm um und meinte missgelaunt: "Erzähl' mir nicht schon wieder, du spürst eine Gefahr." Aber Link schaute nur nachdenklich in Zeldas kristallblaue Augen. Zuerst dachte Link, sie würde ihn ansehen, dann aber verweilte ihr Blick eher an seinem rechten Ohr, oder bewusst an ihm vorbei. Link verstand nicht. Zeldas Augen weiteten sich plötzlich mit Schock, ihr Mund klappte erschüttert auf und sie murmelte ängstlich: "...Link..." "Jep. Was ist?" Und noch immer standen ihre Augen starr vor Entsetzen nach Süden gerichtet. "Dort..." "Was?", meinte er genervt. Dann hob Zelda zitternd ihren rechten Arm und sie deutete in Richtung Süden, genau zu jenem Pfad, aus dem sie gekommen waren. Gemächlich drehte Link seinen Kopf nach Süden, erschrak in einem Augenblick der blanken Entrüstung, konnte nicht glauben, was ihm seine eigenen Augen zeigten. Weit von den zwei Hylianern entfernt tobten drei heftige, flammende Tornados über die Steppe, jeder so gewaltig, bis hin in die höchsten Wolken reichend, die es in dieser Welt gab. Jeder so gigantisch mächtig, dass er Bäume aus den Angeln reißen konnte, so zerstörerisch, dass er nichts auf seinem tödlichen Schicksalsweg verschonte. Wie reißende Fangarme wirbelten monströse Flammen um einen Mittelpunkt, zeugten von tiefstem Höllenfeuer, wüteten, zerstörten und folterten die blühende, märchenhafte Steppe Hyrules. Schwarze Magie schickte jene Wirbelstürme, die in sich das Element des Feuers trugen. Schwarze Magie führte die unheilschwangeren Naturgewalten in eben die Richtung der beiden schutzlosen Hylianer, wollte verbrennen und vernichten. Links Lippen entkam ein simples: "Mein Gott.", bis er vor Gelähmtheit keine Worte mehr hervorbrachte. Es begann zu kochen in seinen Venen, begann zu brodeln, gleich einer übernatürlichen Macht, die sich im kostbaren Blut festsetzte. Ergriffen von Angst und Aufregung, rannten die beiden in ihrer Todesgefahr davon, überquerten furchtsam einen Bach, hasteten über eine halbeingestürzte Brücke einer kleinen Schlucht, und flohen vor einer Gefahr, die sie nicht bezwingen konnten. Link wagte verzweifelt einen Blick zurück und begriff, dass etwas Dämonisches diese Tornados steuerte, ein Monster ohne Gefühle und Mitleid. Andernfalls würden sich diese flammenden Gefahren sicherlich nicht genau in ihre Richtung bewegen. Zügellos kamen die lichterlohen Angreifer näher, zerstörten alles, was ihnen in die Quere kam, rissen mit sich, was von den Flammen nicht vernichtet wurde, nährten sich an dem Leben in der Steppe. Die Luft glühte, brannte in den Lungen. Die Temperaturen stiegen extrem an. Die wütenden Naturgewalten würden ein Bild der Verwüstung hinterlassen, würden Hyrules sonnige Steppe mit einem Zeichen des Hasses brandmarken. Zelda und Link preschten weiter, doch die blonde Hylianerin wurde langsamer, verlor an Kraft, Ausdauer und mit jedem Stück verbrannter Steppe, fühlte sie ein Teil in ihrer selbst sterben. Der Schweiß glänzte über ihrer Stirn, lief ihr stechend in die Augen und schmerzverzerrt kniff sie diese zu, aber rannte weiter, selbst wenn die Angst sich wie lähmende Schnüre um die eigene Seele wanden. Ihre Knie zitterten und instinktiv griff sie nach Links Hand, dessen Nähe ihr Kraft gab. Auch Link wusste nicht mehr weiter. Er gab es nicht gerne zu, aber er hatte Angst, ja eine fremde Art von Angst, die er aber nicht zeigte und unter Verschluss hielt. Er drückte Zeldas Hand noch fester, so als ob er sicher gehen wollte, dass sie hier war und rannte geradewegs mit ihr auf die flüsternden, alten Wälder zu, von denen er hoffte, sie würden sie beide schützen. Schutz, wie ein Pfahl steckte jenes Wort in seinen Gedanken. Schutz... Er wagte einen Blick zurück und erkannte wie gefährlich nah die flammenden Wirbelstürme ihnen schon waren. Wenn jetzt kein Wunder geschah, wäre das ihr Grab- ein flammendes Grab, das jedes Geschöpf binnen Sekunden in Asche verwandelte. Auch das, was sie hinterließen- eine Spur trockene Erdoberfläche zeugte von ihrer Zerstörungskraft und machte deutlich, das jene flammenden Wirbelstürme keine Illusionen waren. Das war's, dachte Link und lief so schnell ihn seine Beine tragen konnten, aber Zelda wurde immer langsamer... Sie jagten weiter, ständig die dämonischen überlegenen Angreifer im Genick, stürmten verzweifelt einen steilen Abhang hinauf, der Kraft und Zeit kostete. Viele, viele alte Laubblätter lagen hier verteilt, machten den einzigsten Weg rutschig und hinderlich. Inzwischen rangen beide heftig nach Luft, aber Jammern nützte in der Situation nichts. Die Beine taten weh, jeder Atemzug brannte, da verbrannte Teilchen wie giftige Kristallsplitter in der Luft herumwirbelten. Sie stürzten beide und hielten sich an herausstechenden Wurzeln einiger alleinstehender, widerspenstiger Bäume fest. Der Abhang wurde steiler und steiler, aber es gab keinen anderen Weg. Zelda verlor schreiend den Halt, rutschte schmerzhaft einige Meter zurück und lag regungslos mit dem Gesicht zu Boden. "Zelda!", fauchte Link, blickte entsetzt zu ihr und dann in Richtung der monströsen Naturgewalten. Selbstlos ließ sich der junge Held zu ihr herab gleiten. Er rüttelte sie, schaute in zwei mutlose blaue Augen und zerrte sie erneut auf die Beine. Ein angsterfüllter Blick. Eine kurze Berührung. Und erneut kletterten sie so gut es ging den lästigen Abhang hinauf, während die flammenden Schrecken näher kamen, zu nah waren... Zelda rannte mit aller übrigen Kraft, saugte sich den letzten Rest Magie aus ihrer Seele, um damit ihren Körper zustärken, aber mit jeder zerrinnenden, kostbaren Sekunde wurden ihre ungleichmäßigen Schritte schwerer. "Link... ich kann nicht mehr", flehte sie. Und ihre Schritte wandelten sich in ein taubes Gehen. Dann kam sie mit den Tränen in den Augen zum Stehen und stürzte jammernd zu Boden. "Wo sollen wir nur hin, wir schaffen das nicht.", wehklagte sie und schlug wütend mit ihren Händen auf den Boden ein. "Verdammter Hurensohn. Ganon, du ekelhaftes Stück Vieh!", brüllte sie und schleuderte ihre Hände auf das stumme Gras. "Du Schwein. Du ekelhaftes nutzloses Biest!", fauchte sie, während Tränen aus ihren Augen quoll. Ihr ständig unter Verschluss gehaltener Hass gegen den Fürsten des Schreckens strebte hervor. Weitere hylianische Schimpfworte sprudelten aus ihrer Seele. Link berührte sie sanft an den Schultern und sagte nachdrücklich: "Bitte Zelda, du musst jetzt stark sein, du musst jetzt kämpfen. Wer außer uns soll' noch die Welt retten. Bitte." Er nahm sie an der Hand und schleifte die wehrlose Zelda hinter sich her. Aber auch Links Schritte wurden langsamer und er fühlte Müdigkeit aufkommen. Die Tornados waren nun so nah, dass Link sie pulsieren hören konnte, dass er ihre Zerstörungswucht fühlen konnte. Etwas Zorniges durchwühlte die Luft, wie Poltergeister, die ihre Rache ausführten. Und immer schmerzhafter war es zu atmen, immer mehr brannte die vergiftete Luft in den menschlichen Lungen. Doch Link gab nicht auf, er wollte nicht aufgeben. Ich werde hier nicht mein Ende finden, sagte eine mutige Stimme in seinem Kopf. Und gesteuert durch eine fremde Kraft wurden Links Schritte wieder schneller. So schnell, dass Zelda endgültig nicht mehr mithalten konnte und kraftlos zu Boden stürzte. Vor Stärke protzend nahm der junge Heroe Zeldas federleichtes Gewicht auf seine Arme und rannte mit der verwirrten Prinzessin der Hylianer, die nicht mehr wusste, wie ihr geschah, davon. Woher nahm er nur diese Energie? Links Blick wandelte sich, als sie beide den Abhang hinter sich hatten, und Zelda jetzt wieder genug Puste hatte, um alleine laufen zu können. Denn keine fünfzig Meter entfernt stand Namenlos und wieherte fröhlich, als er die beiden Hylianer entdeckte. Auch Zelda fand ein Lächeln als sie den schwarzen Hengst sah. Schnell rannten sie auf das Pferd zu, stiegen auf, Zelda hinter Link, und geschwind ritten sie in Richtung der Wälder. Der Abstand zu den feuerbrünstigen Wirbelstürmen blieb und wurde nicht mehr kleiner. Ein erstes erleichterndes Seufzen entkam Zeldas Mund, als sie sich mit geschlossenen Augen an Link lehnte. Link blickte dennoch mit Sorge nach hinten. Was, wenn sie den Wald erreichten? Die Stürme der Finsternis würden wohl kaum vor den Wäldern Halt machen. "Zelda, alles in Ordnung?", sagte er und blickte über seine Schulter. "Ja, danke...", murmelte sie leise und hob ihren Kopf ein Stückchen an. "Ich hoffe, die Magie des Dekubaumes wirkt noch. Es könnte sein, dass sich die Stürme Ganons dort auflösen..." "Du bist dir sicher, dass Ganondorf dahintersteckt?" "Ja, wer sonst.", sagte sie seufzend und lehnte ihren Kopf wieder zitternd an Links Schulter. "Welch' Glück, dass Namenlos hier war." "Sieht so aus, als verdanken wir diesem Pferd unser Leben.", meinte Link und striegelte mit einer Hand die Mähne des Hengstes. "Danke, mein Guter...", sagte er und das Pferd galoppierte auf die Bemerkung hin noch schneller über die Steppe in Richtung der Wälder. Wie Zelda hoffte, lösten sich die Wirbelstürme einfach im Nichts auf, verfielen alter Magie, als sie die Nähe der Wälder erreichten. Auch Link fiel nun ein Stein vom Herzen... Die Abendsonne stand am Himmel und warf einen angenehmen Schein über die märchenhafte Steppe Hyrules, auch wenn ein großer Schandfleck verursacht durch Ganons Teufelsstürme einen Teil ihrer Schönheit raubten. Link und Zelda saßen umgeben von alten Bäumen an einem Lagerfeuer. Seit dem Vorfall hatte Zelda nichts mehr gesagt und sie schwieg weiterhin, als sie melancholisch mit einer Tontasse gefüllt mit gelblichen Tee in der Hand in die Flammen starrte. Sie rasteten am Rande der riesigen magischen Wälder und bis hinein ins Herz der Kokiriwälder würde noch viele Stunden verstreichen. Daher blieben sie nach dem anstrengendem Tag hier, um morgen in aller Ruhe nach der Weisenstätte zu suchen. Link wühlte in seinen Sachen herum, als Zelda leise seufzte. Er sah auf und blickte zu ihr hinüber. Sie saß da zusammengekauert und ihr dunkler Mantel, den sie sich umgelegt hatte, war total beschmutzt und hatte an manchen Stellen Löcher oder Fäden. Sein Blick wanderte zu ihrem goldenen Haar, das zerzaust an ihren Schultern herunterhing. Und ein kleiner Stich in seinem Herzen sagte ihm, wie sehr er es bereuen würde, wenn er ihr nicht bald gestand, was er empfand... und wie sehr er sie brauchte. Er kramte eine Decke aus seiner Tasche hervor und lief die wenigen Schritte zu ihr hinüber. Langsam legte er die Decke um ihre Schultern und erhielt einen überraschten Blick von ihr, als sie sich verwundert nach ihm umdrehte. Ein Schatten lag über dem Blau ihrer Augen, die im flackernden Feuer wie zwei reine Saphire aus ihrem makellosen Gesicht hervorstrahlten. Einige Strähnen ihres Haares hingen verstreut über ihren blassen Wangen. Link starrte sie wie hypnotisiert an, da sie im Augenblick so wunderschön aussah. Sie drehte sich wieder um und schwieg nach einem leisen: "Danke... für die Decke." "Wegen vorhin... woher wusstest du, das Ganondorf diese Stürme geschickt hat?" Sie zuckte nur mit den Schultern und schwieg, als ob sie sich vor Link in gewisser Weise verstecken müsste. "Warum redest du nicht mit mir, Zelda? Ist meine Nähe für dich so unerträglich?", sagte er ein wenig lauter und stand dann frustriert auf. "Entschuldige...", meinte Link und lief zu seinem Schlafsack. Er wollte sie nicht schon wieder anschreien, aber seit dem Vorfall mit den Schreckensgestalten ging sie ihm erst recht aus dem Weg. Sie hatte ja schon vorher nicht mehr vernünftig mit ihm gesprochen, aber nun... Für Link war die Situation wie sie jetzt war noch schlimmer als vorher. Erst stritt sie sich mit ihm, warf ihm Dinge an den Kopf, die er lieber nicht gehört hätte und nun das... irgendwie tat es weh, zu sehen, wie scheu Zelda sich verhielt. Und mit jeder Stunde, die verging zog sie sich mehr zurück in ihre kleine distanzierte Scheinwelt. Verdammt, was soll' ich denn noch tun, fragte Link den inneren Helden in ihm? Dann hatte er allerdings eine äußerst, wie sagt man... unverschämte... Idee. Link erinnerte sich an die Worte des kleinen Bengels, der immerhin zugegeben hatte, ein Teil von ihm zu sein. Vielleicht sollte er auf seinen Rat hören, wenn er sozusagen zu seiner Persönlichkeit gehörte. Was hatte er zu ihm so leise gesagt, dass es niemand hören konnte (und nicht einmal der Leser)? Ach ja. Es fiel Link wieder ein. Wie sollte er auch so eine Art Verhalten vergessen? Der Bengel meinte: ,Küss' sie einfach.' Himmel, das klang so einfach. Aber Link hatte im wahrsten Sinn des Wortes Panik, wenn er daran dachte, erst Recht, wenn Zelda sich ihm gegenüber wie eine zickige, arrogante Königstochter verhielt. Und außerdem... hatte er Angstzustände bei dem Gedanken daran, dass sie möglicherweise nach der Aktion überhaupt nicht mehr mit ihm reden wollte. ,Einen Versuch ist es wert', schallte diese Kinderstimme in seinen Gedanken. ,Oder willst du nicht? Dabei siehst du so aus, als ob du das gerne tun wolltest.' Links Augen wanderten hinauf an das dunkle Himmelszelt und wenn er sich nicht noch halbwegs beherrschen könnte, würde er sofort anfangen, seine Panik herauszubrüllen. Grüblerisch blickte er zu Zelda und überlegte, ob er eine solche Frechheit wirklich wagen könnte. Sie schaute zu dem hitzigen Feuer und umfasste mit einer Hand das Medaillon um ihren Hals. Hitzig, ja genau das war es. So fühlte sich Link im Moment. Donnerwetter hoch dreizehn, fluchte er in seinen oberflächennahen Gedanken und wühlte aufgeregt in seinen blonden Haaren herum. Er fasste sich ein Herz, setzte sich zu ihr, packte sie sanft an den Schultern und blickte in ihre verwirrten, kristallblauen Augen. Aber er schwieg und sah sie nur an, entdeckte die Spur von Tränen in ihren Augen. Sie drehte ihren Kopf scheu zur Seite und wich ihm wieder aus. Dann machte es Klick in Links Kopf und irgendein Mechanismus wurde in Gang gesetzt. Wahrscheinlich wusste er selbst nicht einmal mehr, was er tat. "Diesmal lass' ich dich nicht entkommen", bemerkte er flüsternd. Noch ehe Zelda etwas tun konnte, legte er schnell, aber leidenschaftlich seine Lippen auf ihre. Mit vor Schreck aufgerissenen Augen klappte Zelda leicht nach hinten weg, konnte sich aber noch fangen. Doch Link ließ nicht von ihr ab- ganz im Gegenteil. Das nächste, was sie wahrnahm, waren Links glühende Hände, die sich auf ihren schmalen Rücken bewegten, sodass sie sich unmöglich losreißen konnte. Ihr Puls explodierte halb, vor Wut und andererseits vor Aufregung. Noch immer standen ihre Augen starr und sie erwiderte seinen Kuss nicht. Seine linke Hand wanderte zärtlich zu ihrem Hals. Aber selbst diese Berührung konnte sie nicht genießen. Entgeistert stieß die anmutige Schönheit Link mit ihren Händen weg. Entsetzt, mit geweiteten Augen, Scham und Beleidigung auf ihrer Zunge, sah sie ihn an, fand aber weder die richtigen Worte noch etwas anderes, um auf diese Dreistigkeit zu reagieren. Benebelt fuhr Link sich über seine Lippen und stand auf. Er drehte ihr den Rücken zu und kratzte sich kindisch am Kopf. "Ich kann nicht glauben, was du gerade getan hast", sagte sie sauer. "Ich auch nicht. Keine Sorge, kommt nicht wieder vor", meinte er vorwitzig. Aber irgendwie fühlte er sich jetzt entspannt und kein fieses Wort aus Zeldas Mund könnte ihn jetzt noch die Laune verderben. "Du findest das wohl auch noch lustig? Hast du denn keinerlei Manieren?" Zelda platzte der Kragen, jetzt, da sie erst richtig begriff, was soeben passiert war. "Ach Zeldaschatz, du weißt, dass ich keine Manieren habe und außerdem ist das sehr angenehm gewesen. Für dich wohl nicht?" Ihr Mund stand fassungslos halb offen und vor Rasche färbten sich Zeldas Wangen rot. Sie sprang auf und brüllte cholerisch: "Was glaubst du eigentlich, wer du bist, du Bastard. Noch einmal und..." Sie fand nur leider keine passenden Worte für eine ernstzunehmende Drohung. Link drehte sich um und schmunzelte mit seinem hinterhältigen Heldengrinsen angesichts der Empörung in Zeldas Gesicht. "Was dann? Willst du mich mit einem Fluch belegen? Oder möchtest du noch einen Kuss?" Das brachte nun endgültig das Fass zum Überlaufen und Zelda fühlte, wie einige ihrer Körperzellen vor Angriffslust zerplatzten. "Link!" "Ja genau, so ist mein Name, immer gewesen und wird er immer sein, meine Teure." Er schürzte seine Lippen und warf ihr einen Kussmund zu. "Du verdammter Mistkerl. Das wird ein Nachspiel haben." "Ja, das hoffe ich doch, ein so richtig langes, angenehmes Nachspiel, mit viel Liebe." Und auch auf diese Dreistigkeit fand Zelda keine Worte. Seit wann führte Link derartige Gedanken im Schilde und seit wann redete er so offen darüber. Sie war zu entsetzt, um noch etwas zu sagen. Schnaufend und mit angestauter Wut im Bauch drehte sie sich um. Sie verschränkte ihre Arme und spielte die Beleidigte. "Komm' schon, Zelda, als ob es ein Verbrechen wäre, dich zu berühren oder zu küssen. Katastrophe. Katastrophe... beim König von Hyrule, ich habe die Prinzessin geküsst", sagte Link rüpelhaft, aber ohne jeden Hauch von Ärgernis oder Reue. Es machte ihm nun wahrhaft Spaß seine Prinzessin herauszufordern. Ja, er liebte es sogar. Zelda schüttelte nur den Kopf und konnte nicht glauben, was gerade passiert war. Nichts ging mehr. Sie wollte es einfach nicht glauben. Sie wollte einen klaren Gedanken fassen, nachdenken, doch bevor sie damit beginnen konnte, geschah das nächste unerwartete Ereignis, das Zeldas Herzschlag beschleunigte und ihr unzählige Feen in die Magengegend schickte. Link trat leise an sie heran und doch spürte sie allein beim Klang seiner Schritte das Bedürfnis sie in seinen Armen zuhalten. Zelda stand wie erstarrt da und fühlte zuerst seine Hände, die sich langsam, prickelnd auf ihre Schultern legten. "Du kannst es ruhig zulassen, Zelda..." "Link, bitte hör' auf...", sagte sie leise, fast unwirklich. Link überhörte es und trat noch einen Schritt näher an sie heran, sodass Zelda die angenehme Wärme seines Körpers fühlen konnte. Seine Hände wanderten zwanglos an ihren Armen hinab, verursachten eine leichte Gänsehaut und legten sich zärtlich über Zeldas Bauch. "Link", hauchte sie und fühlte sich einerseits bedrängt, andererseits wie im siebten Himmel. Zu letzterem trug die Tatsache bei, dass er mit seinen Lippen leicht ihr rechtes Ohr streifte und sie noch fester umarmte. "Link, tu' das nicht", sagte Zelda dann bestimmend und etwas lauter. Die Vernunft siegte und Zelda riss sich im letzten Moment los. "Was ist nur los mit dir?", knurrte Zelda. "Du benimmst dich wie ein verliebter Vollidiot, der nichts mehr von der Realität wissen will." "Aber Zelda", meinte er und ein breites Grinsen zeigte sich an seinen Mundwinkel. "Wie kommst du denn darauf? Ich bin vielleicht verliebt, aber halte durchaus einen guten Kontakt zur Realität. Wenn es anders wäre, hätte ich dich bestimmt nicht geküsst." Und Zelda setzte ein eitles Lächeln auf, lehnte sich nach vorne und war im Begriff ihm die Zunge herauszustrecken, als sie aber ein weiteres Mal über seine Worte nachdachte. Verliebt? Sie hielt inne und schien erneut geschockt zu sein. Verliebt... wie eine nagender Schraube steckte dieses Wort nun in ihren Gedanken. Verliebt... Link war verliebt in sie? "Du bist behämmert.", murrte sie. "Jep." "Und du hast keine Ahnung, wovon du redest." "Jep." Und was sollte es schöneres geben, dachte der junge Held. Er fand die Situation toll, unheimlich toll, sodass er einfach nur grinste, gelegentlich kicherte und sich an Zeldas verstörter Miene erfreute. "Kannst du endlich mal damit aufhören?!?", grummelte sie. Im Übrigen ein merkwürdiger Ton von Zelda, der nicht zu ihrer glockenhellen Stimme passte. "Womit?" "Mit deiner ständigen Lässigkeit, deiner Unverschämtheit und deiner verfluchten Einbildung in mich verliebt zu sein." Erneut schnaubte Zelda, als würde sie zu einer Wildsau mutieren und vergas dabei, dass sie sich mit Links Scharfzüngigkeit anlegte, gegen die sie keine Chance hatte. "Nein!", sagte er laut und bestimmend. "Ich kann nicht und werde nicht damit aufhören." Seine Stimme war energischer als bisher und schien immer lauter zu werden. "Du fieser...", klagte sie. Link spielte Hans- Guck- in- die- Luft und brachte Zelda erst Recht auf die Bohne. "Ja?", forderte er sie heraus. "... Möchtegernheld..." "Ja?" "... mit der großen Klappe und... und..." "Und?" "Bei den Göttern Hyrules, ich habe die Nase gestrichen voll von deinem lässigen Getue. Lass' das endlich. Was soll' ich denn noch tun, damit du deine Ruhe hast und dich wieder wie ein halbwegs normal geratener Elf benimmst?" "Du könntest mir einen Kuss geben, Liebes, aber einen liebevollen." "Du bekommst gleich eine Ohrfeige, du Unhold, und zwar eine saftige." "Immerhin eine Berührung... das nehme ich in Kauf." Und protzend reckte Link ihr seine rechte Wange entgegen. "Nur zu. Ich hatte ja noch nicht genug Ohrfeigen von dir." Zelda trat einen Schritt zurück und sah ihn trübsinnig an. "Was bist du doch hirnverbrannt, Link." Und damit wandelte sich seine grinsende Miene ein bisschen. "Wenn Schmerzen die Folge einer Berührung von dir sind, Zelda, dann bin ich bereit diese zu ertragen." Seine tiefblauen Augen begegneten ihren und unverfroren, ruckartig küsste er sie erneut, direkt auf die weichen roten Lippen. Erschrocken taumelte Zelda nach hinten und hielt sich eine Hand auf ihrem Mund. Ärger, gemischt mit Verzweiflung und einem Hauch Angst stach aus ihren Augen heraus. Deutlich konnte Link es nun erkennen, die stille Wahrheit in ihren blauen Augen, die sie nicht zugeben wollte. Die Wahrheit, welche sie schon lange belogen hatte... Erzürnt lief Zelda zu dem Pferd, um dessen Mähne zu striegeln. Sie ärgerte sich über sich selbst, über Link... mit diesem Tag hatte er alles zunichte gemacht. Ihre Freundschaft. Was war jetzt damit? Meinte er das ernst, als er sagte... er wäre... verliebt? Link schmunzelte leicht. Was hatte er denn erwartet? Eine Erwiderung seines Kusses? Sie würde ihm immer aus dem Weg gehen, bis sich ihre Wege trennten. Dann würde es zu spät für sie beide sein, zu spät, um einander zu gestehen, was sie empfanden... Aber immerhin redete sie wieder mit ihm. Vielleicht war die Idee doch zu was gut... Kapitel 73: Abrechnung mit Mortesk ---------------------------------- Passend zum Valentinstag ein sehr emotionales Kapitel, mit allen möglichen Stimmungen, Liebe, Trauer, Hass und sicherlich Spannung. Kapitel 56: Abrechnung mit Mortesk Wieder ein Tag ging vorüber im sagenhaften Land Hyrule. Zelda und Link bahnten sich gerade ihren Weg durch eine sehr feuchte Sumpflandschaft inmitten der Wälder im Osten. Nur schwerlich bewegten sie sich vorwärts, zerschnitten Sträucher und anderes Gestrüpp um vorwärts zu kommen. Zelda folgte Link und wagte es seit seiner Unverschämtheit, seiner bodenlosen Frechheit, nicht mehr in seine Augen zusehen oder überhaupt etwas zu ihm zusagen. Sie war empört, wütend und unheimlich durcheinander. War er wirklich... verliebt... in sie? Der Gedanke ließ ihre Wangen erröten und verärgert über sich selbst als sie daran dachte, biss sich Zelda kurzum, aber eher unabsichtlich auf die schön geschwungene Lippe. Dickes Blut tropfte. Sie fluchte und ächzte. Link drehte sich um und meinte: "Hast du etwas gesagt?" Dann wanderte sein überraschter Blick zu ihrer Lippe. "Nanu?" Er legte seine Fingerspitzen auf ihre Lippen, worauf sie schnell zurückwich und laut entgegnete: "Lass' das. Rühr' mich nicht an." Zelda blickte zu Boden, und wartete darauf, dass Link sich wieder umdrehte und zulief. Stattdessen kicherte er leicht und meinte: "Fang' bloß nicht schon wieder an, dich mit mir zustreiten, Zelda, wenn ja... kriegst du wieder einen Kuss, mein Engel." Damit drehte er sich um und lief weiter, ständig in sich hinein grinsend. Es ging ihm wohl ein wenig zu gut. Oder schauspielerte er lediglich? Sie folgten weiterhin einem selbsterwählten Pfad, passierten eine kleine Brücke über einen schnellenden Fluss, bestaunten im Vorbeilaufen einen alten moosigen Tempel, der schon seit Urzeiten auf seinem heiligen Grund stand, und deshalb keinen Namen mehr hatte. Zumindest gab es niemanden, der sich erinnern konnte. Denn auch Hyrule hatte eine viele Tausend Jahre alte, beinahe ewige Geschichte. Schließlich wurde der Weg wieder übersichtlich und hohe, alte Bäume mit einem Hauch Leben in sich triumphierten stattvoll vor den Augen der beiden Hylianer. Außerdem war in diesem Waldabschnitt ein kleiner Weg, sogar mit Ausschilderung für die Kokiri, die einst hier zu leben gedachten. "Wie kommt es eigentlich, dass du dich hier freibewegen kannst, Zelda. Ich dachte immer, dass Hylianer in diesen Wäldern dazu verdammt wären sich in Pflanzen zu verwandeln." "Ich hatte die Gunst des Dekubaumes, da ich erstens: die Prinzessin Hyrules gewesen bin und zweitens: eine Verbindung zu dir hatte. Weißt du, der alte, weise Dekubaum hat dich wie einen Sohn geliebt, Link." "Aha..." Irgendwie beruhigend für Link, geliebt worden zu sein. "Übrigens... ich frage mich, wo Namenlos steckt. Seit vorhin keine Spur mehr von ihm", sagte Link. "Ja, aber dieser Hengst hat doch sowieso seinen eigenen Willen." Es dauerte nicht lange und die beiden Spitzohren erreichten erfreut ein kleines, dichtes Kokiridorf. Link blickte sich gespannt um, entdeckte hier und da zwergenhafte Häuschen, die in den Ästen der Bäume hingen, winzige Türen die direkt in den Stamm eines Baumes hineinführten oder Bäume, die ganz und gar aussahen wie kleine Unterkünfte. Und überall befanden sich runde Fensterchen ohne Glassscheiben und andersartige, kindgerechte Türchen. Von einem Baumhaus wurde Link besonders wie magisch angezogen und schnell lief er darauf hinzu. Er kletterte eine knatternde, morsche Leiter hinauf und befand sich in einer kleinen Stube. Grüne Gardinen aus dickem, zerrütteten Stoff hingen an dem Fenster. Der leichte Wind wehte jene Vorhänge in das Innere des Häuschens. Ein Schrank, ein kleines Waschbecken, einige Krüge, ein kleiner Schreibtisch und vielerlei anderer Kram. Wie in Trance stand er da, setzte sich im Schneidersitz auf den Boden, der von einem kleinen knorrigen Teppich bedeckt wurde und schaute sich nachdenklich um. Wenige Zeit später leistete Zelda ihm Gesellschaft. Sie legte eine Hand auf seine Schulter, aber nur ganz kurz, um anzudeuten, dass sie hier war. "Du hast es wiedererkannt." "Was?" entgegnete Link und sah sie an. Doch wieder wich sie seinem Blick aus. "Dies hier war einmal dein Zuhause, Link." Er schloss seine Augen, wirkte nicht überrascht und setzte sich auf die Kante des kleinen Bettes. Dann gähnte er und schaute hinaus aus dem Fensterchen. "Ich denke, ich werde hier übernachten, immerhin geht die Sonne gerade unter." "Mmh. Ich suche mir dann in einem anderen Gebäude etwas. Gute Nacht, Link." Und Zelda war dabei sich aus dem Häuschen zu entfernen. "Zelda?" "Was ist?" Er hüpfte mit einigen Sprüngen zu ihr und hielt sie davon ab zu verschwinden. "Du solltest hier bleiben. Immerhin könnten Ganons Ableger wissen, dass wir uns hier aufhalten. Außerdem ist die Hütte doch groß genug." Sie drehte ihm den Rücken zu und sagte leise: "Nein, ich finde nicht, dass deine Idee gut ist." "Wie bitte?" Link wusste nicht, worauf sie hinaus wollte. Was, wenn Ganon genau jetzt, zuschlagen würde. Dann, wenn Zelda nicht aufpasste und sie nicht einmal in Links Nähe war. "Ich brauche Abstand. Ich möchte einfach nur alleine sein." "Du brauchst Abstand von mir? Bin ich der Grund, ja?" Seine Stimme klang verletzt, aber nicht wütend. Sie drehte sich halb um, nickte, scheute aber seinen Blick. "Es liegt also an mir..." "Ich will nicht, dass du... mich verstehst. Ich schaffe das alleine", sagte sie stur. "Allein? Ja... ich habe das Gefühl, das warst du immer... allein. Hat man dich dazugezwungen allein zu sein?" "Du kannst darüber nicht urteilen. Du besitzt nicht das Recht so zu tun, als ob du wüsstest, was damals in mir vorgegangen ist, wie ich empfunden habe. Also erspar' mir dein Mitleid." "Zelda, ich bemitleide dich nicht. Das habe ich nie..." "Das glaubst du zu wissen, aber genau das ist es, was du empfindest. Ich konnte es in deinen Augen sehen. Mitleid. Mitleid... Ich brauche dein Mitleid nicht. Ich brauche deine Zuneigung nicht." Und ein schwermütiger, trauriger Ausdruck lag erneut in ihrem Gesicht, als ob sie sich in Sekunden in Luft auflösen könnte. Er schnappte sich ihre Handgelenke und hielt die junge Thronfolgerin fest. "Bitte hör' mir zu, Zelda." Und sie hörte zu, nur entgegnete sie seinen Blick nicht, versuchte es nicht einmal. "Erinnerst du dich an unsere ersten Tage, ich meine die Zeit, als du dein Gedächtnis verloren hattest?" Sie nickte stumm und starrte trübsinnig ins Leere. "Du warst eine andere... du warst ein anderes Mädchen als jetzt. Hast du dich an etwas erinnert, dass dich mir so fremd macht. Ich verstehe das nicht, Zelda. Du bist so... unnahbar, so kalt, seit du weißt, wer du bist. Was kann ich nur tun, damit du dein ehrliches Lächeln wiederfindest?" Und beinahe hätte Zelda etwas gesagt, dass sie wünschte, sagen zu können. Doch nur ein Kopfschütteln deutete an, dass sie nicht darüber reden konnte. Ein Kopfschütteln, nicht mehr. Sie lief schnellen Schrittes zu der Tür und sagte bekümmert: "Rühr' mich nie wieder an. Ich habe es nicht verdient... geliebt zu werden..." Link sah ihr schockiert hinterher, wäre ihr beinahe nachgelaufen, blieb aber wie angewurzelt stehen, zu irritiert, was ihre Worte andeuteten. Hatte Zelda nie erfahren, was es hieß jemandem vollkommen zu vertrauen, nicht einmal ihm? Hatte sie nie erfahren, was es hieß und was es bedeutete, aufrichtig geliebt zu werden? Link ließ sich auf das kleine Bettchen niedersinken und blickte zu der Stelle, wo Zelda noch vor wenigen Minuten gewesen war. Er fühlte ihr Aura noch in der Stube, fühlte ihre Angst und ihre Einsamkeit. Was war damals nur geschehen? Warum war Zelda so kalt zu ihm und zu sich selbst? Er entledigte sich seiner schweren Lederstiefel und machte sich auf dem hölzernen, harten Bett breit, auch wenn seine Beine halb am Fußende des Bettes hinausragten. Er schloss seine Augen und sagte gedämpft: "Gute Nacht, Zelda." Aber Link fand nicht sofort Schlaf. Einmal mehr starrte er mit seinen tiefblauen Augen an die Holzdecke, hob seine linke Hand in die Höhe und betrachtete sich seinen Handrücken im Schein einer Öllampe. Sein Gesichtsfeld verschwamm und jegliches Gefühl für die Realität in Hyrule erlosch wie ein feiner Lichtstrahl, der von der Dunkelheit überrannt wurde. Leise murmelte er: "Zeit sich zu erinnern." Und Link befand sich in einer Welt fern von dieser, die aber nicht Träume zu ihm brachte, sondern etwas anderes, an das er sich nicht erinnern würde. Zelda hatte es sich in einer kleinen Hütte in dem Stamm eines riesigen Baumes gemütlich gemacht. Sie zog ihre Spieluhr einmal auf, lauschte deren Klängen, lehnte sich an die Wand des Innenraumes und umhüllte sich mit einer Decke. Einige Sekunden vergingen und Zelda schloss langsam die Augen. Gerade als der Schlaf endgültig von ihr Besitz ergreifen wollte, schnellten ihre Augenlider nach oben und die Tür des Hauses wurde gewaltsam aufgeschlagen. Sie hörte laute Stimmen, ein Kreischen, ein erfreutes Grölen. Und eine Horde blutrünstiger Moblins mit scharfen Schwertern schoss hinein in das kleine Häuschen. Zelda schrie so laut sie konnte, fühlte den schneller werdenden Rhythmus ihres Herzens und schloss einmal ihre Augen. Angsterfüllt wagte sie einen weiteren Blick und stand auf ihren Beinen. Aber die Hütte war leer, ihre Spieluhr lief noch und alles war so ruhig wie zuvor. Sie atmete hastig ein und aus, fühlte ihren aufgeregten Puls und trat langsam und vorsichtig an das kleine Türchen heran. Sie griff mit zitternder Hand an den kleinen Holzgriff und öffnete schnell die Tür nach außen. Aber nichts war dort, nur Stille. Und ein fesselloses Rauschen des Windes zeugte von dem Leben, das sich einst hier aufhielt. Zelda schaute um die Ecke und sah niemanden. Sie schloss abermals die Tür, umfasste ihre Arme und spürte, wie kalt es doch war. Sie drehte sich um und sah zu einer Kerze, die sie vorhin angezündet hatte. Langsam lief das Wachs an ihren Hängen hinab. Gerade in dem Moment entdeckte sie eine weitere Person in dem Raum, wie ein Schatten stand Link plötzlich neben einer Kiste mit Kokirispielzeug. "Link? Was machst du denn hier?" Sie lief einen Schritt auf ihn zu. "Wie bist du überhaupt hier reingekommen?" Funkelnd blickten seine Augen in ihre. "Ich war die ganze Zeit hier, Zelda." "Was?" meinte sie. Doch Links Blick wandelte sich bei ihren Worten nicht und er stand innerhalb von Sekundenbruchteilen vor ihr, zwang sie dazu direkt in seine Augen zusehen, sich darin zu verlieren, zu versinken. "Ich bin immer bei dir, Zelda." Er umklammerte jeweils mit einer Hand eine von ihren und trat näher an sie heran. Zelda wich zurück und landete mit dem Rücken an der Wand. Link sah sie ein weiteres Mal an, doch nun lag mehr als ein Lächeln auf seinem Gesicht. Verlangen stand in seinen Augen. Begierde. Leidenschaft. Und erneut kochte das Blut in Zeldas Inneren. Doch diesmal aus Angst vor seiner Berührung und einer teilweisen Gelähmtheit. "Link, tu' das nicht." Er drückte ihre Hände an das kalte, hölzerne Material der Wand und hielt sie gefangenen in seiner Nähe. "Link. Hör' auf", sagte Zelda leise, aber nicht kräftig genug, um ihre Worte nach einer Aufforderung klingen zulassen. Es war vielmehr ein Wispern, dass aus ihrem Mund kam und nicht verständlich genug für ihn oder sonst jemanden. Link bewegte sich weiterhin, stückchenweise auf sie zu. Seine Augen funkelten weiterhin mit diesem neuen Glanz, den Zelda darin noch nie gesehen hatte. Es war eine Spur Kälte, etwas, dass Link noch nie besessen hatte. Es war so untypisch für ihn. Seine Mundwinkel zogen sich nach oben, als Zelda gelähmt in seine Augen sah und sich nicht zu rühren wusste. Sie fühlte die Spitzen seines Haares in ihrem Gesicht und fühlte seine Atmung an ihrer rechten Wange. Ein weiteres Mal sah sie in seine Augen und dann erkannte sie darin einen weiteren Funken, der sie wissen ließ, dass nicht Link ihr gegenüber stand. Ein lichterlohes Glühen kam zum Vorschein, tief aus dem Blau seiner Augen. Zelda kniff aus Furcht ihre Augen zusammen. "Nein!", rief sie. "Lass' mich, du Schuft!" Und erneut öffnete sie ihre Augen, doch Link war verschwunden. Sie griff sich an die in schweißgetränkte Stirn, krampfhaft überlegend, was hier geschah. Waren das alles nur irritierende Halluzinationen? Sie rannte aus dem Gebäude und kam erst einige Meter vor dem Tor zu der Ortschaft zum Stehen. Sie ließ sich auf ihre Knie sinken und schnappte nach Luft. Dann blickte sie hinauf zu dem schwarzen Himmel. Es tröpfelte. Dann regnete es in Strömen und sie fühlte den Regen auf ihrer bloßen Haut. Sie rappelte sich auf und war sich sicher, lediglich geträumt zu haben. Sie lief langsam, verfolgt von einem seltsamen Gefühl zurück in die kleine Hütte, wo immer noch die Spieluhr lief. Dann hörte sie Stimmen von außerhalb. Vorsichtig zog sie einige graue Vorhänge zur Seite und sah dunkle Gestalten dort entlang marschieren. Hoffend, dass sie diesmal wirklich träumte, blinzelte sie, aber die Kreaturen verschwanden nicht. "Verdammt..." fluchte sie in ihren Gedanken. Schnell nahm sie ihren Bogen, ihr Schwert und lief nach draußen. Aber als sie draußen stand, war die gesamte Szenerie erneut leergefegt, als ob niemals jemand hier gewesen war. Zelda schloss verwirrt die Augen und öffnete diese wieder. Und schon wieder lief irgendetwas aus dem Ruder. Zelda lag zusammengekauert in einem alten Verlies, zu allem Überfluss neben einigen zerfressenen Skeletten. Sie trug ein zerfetztes Kleid und hatte überall blaue Flecke, an ihren Armen, an ihren Beinen und sie fühlte sich so kraftlos. Sie kroch auf ihren Knien zu den kalten Eisenstäben. Fest umkrallte sie diese mit ihren Händen, rüttelte daran und rief: "Ist da wer? Hallo?" Und ihre Stimme schallte weitentfernt. Prompt eine Antwort: "Mach nicht so einen Lärm, Prinzeschen." Sie erkannte die Stimme als die von einem Moblin. Sie blickte um sich und sah hinter den Gitterstäben eine verhutzelte Gestalt mit vielen Narben und missgebildeten Gliedmaßen auf einem Schemel sitzen. "Wo bin ich?" entkam es ihr. "Nun tu' doch nicht so dumm. Du bist in den Kerkern des Lords und jetzt: Halt's Maul." Zelda ließ von den Gitterstäben ab, krümmte sich vor Hoffnungslosigkeit und Angst. Link entkam ihre Kehle. Ein leises Flüstern, doch deutlich genug, dass es der Moblin hören konnte. "Denkst du immer noch, er käme, um dir zuhelfen? Du hast ihn im Stich gelassen. Dein grünbemützter Held ist tot... hahaha." Zelda hörte entgeistert zu, krallte ihre Fingernägel in den steinernen Erdboden, sodass diese brachen und fühlte zuletzt, wie eine Träne ihre Wange hinabtropfte. Orientierungslos sprang Zelda auf. Das Lied ihrer Spieluhr wurde langsamer und mit glasigen Augen erkannte sie den Innenraum der kleinen Hütte vor ihren Sinnen. War sie denn jetzt wirklich wach? Oder träumte sie schon wieder? Sie umhüllte sich mit der Decke und legte sich auf den Waldboden, der ihr im Moment nichts ausmachte. Es gab weitaus mehr, was ihr Kopfzerbrechen bereitete... Was war mit Link los? Was hatte es mit diesem Kerker auf sich? Sie drehte sich um und erkannte eine Gestalt, die direkt neben ihr schlief. Ein kleiner Kerl lag dort, ebenso von einer Decke umhüllt. Zelda konnte nicht anders, als ob der Knirps so etwas wie Muttergefühle in ihr weckte, und sie umarmte den kleinen Bengel liebevoll. Er öffnete überrascht seine blauen Kinderaugen und schaute Zelda neugierig an. "Gib' dir keine Mühe. Du kannst mir nicht helfen", sagte der Bengel. "Wegen dir existiere ich nicht." Zelda konnte Angst in seinen Augen lesen, dann Verbitterung. "Wegen dir habe ich die Chance verspielt wirklich zu sein." Dann tropfte Blut von seinen Augen hinab und Zelda ließ ihn augenblicklich los, verstand die Welt und sich selbst nicht mehr und der charmante Junge löste er sich in viele winzige Lichtfunken auf. Zelda schreckte erneut hoch und wusste nicht, wie sie diesen Visionen, Träumen und Einbildungen entkommen konnte, denn jetzt verstand sie, dass nichts davon wirklich passierte. Sie träumte nur. Oder etwa nicht? War sie vielleicht gar nicht mit Link in Hyrule unterwegs? Sie wurde einmal mehr ein Opfer ihrer eigenen Gespenster... Mit Abscheu spürte sie plötzlich kalte Fesseln an ihren Händen. Sie wurde willenlos von einigen Monstern in Rüstungen durch die Gegend geschliffen. Sie landete mit ihrem Gesicht auf dem kalten Erdboden, spürte, wie ihre Haut aufriss, als man sie weiterhin an einem Wildschwein angebunden durch die Gegend zerrte. Sie schmeckte Blut, als sie abermals hart mit dem Kopf auf dem Boden aufschlug. Verschwommen erkannte sie einige Skelettritter und anderen Unrat, der neben dem untoten Schwein hertrabte und über den Zustand der am Boden liegenden, verwundeten Prinzessin des hylianischen Volkes lachte. Eine riesige Bestie führte eine langen Lanze mit sich und nur undeutlich erkannte Zelda, was dieser Lanze als Verzierung diente. Zelda wagte einen genauen Blick zu dem Kopfteil der Waffe und erkannte, dass ein Kopf darauf aufgespießt war. Sie schaute erneut hin. Ihre Augen standen starr. Ein Bild des Schreckens für Zelda. Das Ende. Dort auf der Lanze... dort... sie konnte ihre Gedanken nicht ordnen, zu entsetzlich, zu qualvoll jenes Bild. Ein vertrautes Gesicht eines ihr teuren Menschen befand sich dort. Aufgerissene Augen, wie als ob jene Person erlebt hätte, wie man ihm den Kopf abgeschlagen hatte. Und in dem Augenblick platzten jegliche Knoten in Zeldas Innerem und sie begann kläglich zu weinen, schrie laut auf und bittere Tränen rannen ihre Wangen hinab. Hoch oben auf der Lanze ragte Links Kopf hervor, stolz von den Abgesandten Ganons präsentiert, wie eine Trophäe, eine Medaille. Seine blonden Haarsträhnen hingen wie immer darin, auch das Blau seiner Augen war noch nicht verschwunden. Aber der Ausdruck seines Gesichtes sagte ihr, wie sehr er gelitten haben musste, bevor sie sein Leiden beendeten. Zelda wurde weiter über die Erde gezerrt, weinte und weinte, schloss ihre Augen, da sie das Bild nicht mehr ertrug. "Nein...", wimmerte sie. "Nein!" Die Prinzessin Hyrules wachte schweißgebadet auf und befand sich ausnahmsweise in ihrem Schlafgemach. Sie blickte rechts zu dem Nachttischschränkchen, wo eine kleine Uhr ihr sagte, wie spät es war. Kurz nach Mitternacht. Sie fühlte erkaltete Tränen auf ihren Wangen und rief sich ohne es zu wollen, die grausamen Bilder erneut in ihr Gedächtnis, als sie anfing zu wimmern. Es tat so weh. Göttin Nayru, es tat einfach nur weh... Sie ließ sich zusammengekauert zurück in die warmen Kissen sinken und begann zu zittern. "Link...", schluchzte sie, als sie eine warme Hand auf ihrer Schulter fühlte. "Ja...", murmelte er fragend und Zelda drehte sich in seine Richtung. Sie schien gar nicht überrascht, dass er sich neben ihr in ein und demselben Bett befand. Er streichelte über ihre Wangen und als er die Tränen fühlte, rutschte er näher, gab ihr einen leichten Kuss direkt auf ihren Mund und nahm sie in seine Arme. "Ein Alptraum?" "Mmh...", brachte sie hervor und zärtlich streichelte er über ihre Wange, über die Haut ihres Halses, über ihre Schulter hinab zu dem seidenen Gewand bis hin zu ihrem Bauch. "Link? Was für einen Tag haben wir heute?" Er richtete sich leicht auf und legte eine Hand auf ihre Stirn: "Hast du Fieber, meine Angebetete?" Sie schüttelte mit dem Kopf und setzte sich ebenso aufrecht. Verwirrend. Was taten sie hier und wieso nannte er sie so? Sie grübelte nach und bemerkte nicht sofort, dass Link schon wieder dabei war, sie zu verwöhnen. Er gab ihr einen Kuss, zuerst auf ihre Wange, hinab zu ihrem Hals, als er stoppte und sie verträumt ansah. "So nachdenklich, Zelda?" "Ich weiß nicht... der Traum hat mich irgendwie beunruhigt." "Möchtest du ihn mir erzählen... oder... hast du Lust auf... etwas anderes?" Er berührte daraufhin ihre Lippen mit seinen und noch ehe Zelda verstand, was sie tat, erwiderte sie seinen Kuss, der inniger und tiefer ging als jeder vorherige gewesen ist. Sie ließen voneinander ab und kuschelten sich wieder gemeinsam unter die Decke. Doch Zelda kam aus dem Staunen nicht heraus. Irgendetwas lief gewaltig verkehrt. Seit wann war es so einfach ihm zu zeigen, was sie für ihn empfand. "Sind wir wirklich, Link?" Er seufzte leicht, gähnte daraufhin und öffnete seine tiefblauen Augen. "Darauf kann ich dir keine Antwort geben, Darling." "Ich weiß... es ist nur..." "Es ist nur, dass du, mein Engel, deine Alpträume hast. Es ist okay, Zelda, schlaf' jetzt noch ein wenig... hm?" Sie legte ihren Kopf auf seine nackte Brust und schloss die Augen. "Danke, mein Held." Und wieder wachte sie auf. Doch nun verstand sie die Welt nicht mehr. Sie erinnerte sich an den Traum oder was auch immer von eben, aber es war so schwer zu verstehen. Sie lag in seinen Armen, in ihrem Himmelbett, in ihren Gemächern des Schlosses von Hyrule... Meine Güte, Prinzessin, bist du jetzt völlig durch den Wind, fragte sie sich? Einmal mehr befand sie sich in der Hütte auf dem weichen Waldboden, doch nun lief keine Melodie der Spieluhr mehr? Konnte es sein, dass Zeldas Wiegenlied ihr den ganzen Ärger eingebrockt hatte? Sie lief hinaus aus der Hütte und noch ehe sie sich versah, spürte sie eine kalte Hand über ihrem Mund, dann einen spitzen Gegenstand in ihrem Rücken. "Schön still halten, Prinzeschen. Unser Meister wird erfreut sein, da wir dich endlich gefunden haben. Kein Mucks, sonst bist du dran." Und sie erkannte die Stimme als diejenige von Mortesk. Einige weitere Schatten standen um die kleine Hütte- allesamt Moblins, Eisenprinzen und andere Ungetüme. Jetzt hatte Zelda wahrhaft ein Problem und diesmal wusste sie, es war kein Traum. Auch Link wurde überrascht. Aus irgendwelchen Gründen hatte er die Gefahr im Schlaf nicht gespürt... möglicherweise hielt ihn ein Traum zu fest in seinem Griff. Doch was auch der Grund gewesen sein mochte, plötzlich spürte er eine kalte Klinge an seinem Hals. Schnell öffnete er seine Augen und fand sich konfrontiert mit einer dummen Angelegenheit. Einige Vasallen Ganons standen in dem Häuschen und hatten ihn jetzt in ihrer Gewalt. Er wurde grob aus dem Häuschen herausbefördert und landete mit dem Gesicht auf dem kalten Waldboden. Inzwischen hatten die Moblins ihm die Hände mit Seilen verbunden. Link richtete sich auf und sah, dass auch Zelda schon von ihnen gefangengenommen wurde. Sie saß verzweifelt auf ihren Knien auf dem Boden, ebenso angekettet und blickte flehend in seine entschlossenen Augen, als sie ihn abführten. Er blickte die ganze Zeit zu ihr, als er von den Moblins angerempelt wurde und schmerzlich hinfiel. Lachend ergötzten sich die widerlichen Kreaturen an seiner Lage, pfiffen ihn aus und spuckten auf sein Haupt. "Ihr verdammten Mistgeburten.", knurrte Link. Daraufhin trat einer der Moblins nach ihm, aber Link schien es nichts auszumachen. "Mistgeburt", sagte er erneut. Ein weiterer schlug ihm mit der Faust ins Gesicht, doch Link würde vor ihnen niemals zu betteln beginnen. Sollten sie ihn doch foltern. Er würde niemals Schwäche zeigen, selbst wenn sie ihn bis an den Rand des unmöglichen Schmerzes bringen sollten. Link blickte auf und erkannte den seltsamen Moblin- Eisenprinz vor sich. Der merkwürdige Mutant von Ganons Dämonenarmee mit dem mangelnden Verstand. Dieser riss ihm dann einfach das grüne Basecape von seinem Schädel, trat darauf herum und stieß wütend einige Dolche in das Stück Stoff. Immer wieder durchbohrten die Klingen das grüne Stück Stoff, als wäre es ein Zeichen für das Gute, als wäre diese Kopfbedeckung dazu verdammt zu schweigen. Der junge Held sah nur zu, begleitet von einem komischen Gefühl, als er diese Dolche neben ihm sah. Ein seltsames Gefühl wuchs in ihm, während jener kaltblütige Mutant weiterhin das Cape zerstörte. Mit blinzelnden Augen checkte Link seine Lage und erkannte ungefähr zehn Gegner. Drei Moblins standen um Zelda. Der Rest Eisenprinzen und Skelettritter stand ein wenig abseits, nur Mortesk und dieser Mutant standen direkt vor ihm. Hitzköpfig blickte der junge Held nach oben, grinste und zeigte ein herablassendes Feixen in die Richtung des einfältigen, feigen Skelettritters: "Na Mortesk, fühlst du dich jetzt besser, da du mich im Schlaf besiegen konntest. Wäre ich wach gewesen, würdest du jetzt neben den Würmern ruhen, du Scheusal", sagte Link unverfroren. "Du bist und bleibst ein Feigling.", setzte der Hylianer mutig hinzu. Mortesks rote, schlangenartige Augenschlitze blitzten gefährlich auf und schnell schlug er dem gefesselten Link erneut mit der blanken Faust ins Gesicht. Blut tropfte von Links Unterlippe, aber dieser grinste nur. Er sah Mortesk furchtlos ins Antlitz, selbst wenn er sich in einer schier ausweglosen Situation befand. "Du wirst mich niemals besiegen, Mortesk. Nicht heute. Nicht hier." Und plötzlich stand Link auf, seine Hände hatten sich erfolgreich aus den Fesseln gewunden. Innerhalb von Sekundenbruchteilen krallte er sich die direkt neben ihm befindlichen Dolche, und rannte zu Zelda hinüber. Mortesk und die anderen begriffen die Situation mit geweiteten Augen. Schon wieder hatten sie Link unterschätzt. Schon wieder stand das Schicksal auf der Seite des jungen Hylianers. Geschwind erreichte er Zelda und besiegte in Kürze jene Moblins, die als Wachposten um sie herum standen. Dummerweise konnte er seine Prinzessin so schnell nicht aus ihren Fesseln befreien. Er lächelte ihr entgegen und auch Zelda fand wieder ihre Kraft, ihren Mut, um zu kämpfen. Sie stand auf und versuchte sich mit ihrer magischen Kraft aus den Fesseln zu winden. Link schnappte sich derweil eines der Moblin- Schwerter und stellte sich den anderen Gegnern tapfer entgegen. Hastig kamen die anderen Monster herbeigeeilt und traten gegen Ganons Widersacher an, der von jeder Seite angegriffen wurde und nur schwerlich Treffer landen konnte. Er war zu sehr damit beschäftigt auf seine Deckung zuachten. Derweil versteckte sich Mortesk im Schatten eines Baumes und sah wiedereinmal nur zu, wie Link schrittweise seine Leute erledigte. Der Mutant aus der Kreation Ganons schien währenddessen über alle Berge zu sein. Mortesk schnippte einmal mit seinen knochigen Fingern und hatte plötzlich Pfeil und Bogen in der Hand- einen schwarzen Bogen mit blutroter Sehne. Er spannte einen Pfeil und zielte genau auf das Herz von Link. Diesmal, schwor er sich, würde der Held Hyrules nicht davonkommen. Lustvoll und krank vor Mordgier spannte der Dämon den Bogen und fühlte eine tiefe Genugtuung. Jetzt war die Stunde seiner Rache gekommen. Seine Rache dafür, dass der Held ihn zum Gespött unter den Vasallen Ganons gemacht hätte. Jetzt war die ultimative Gelegenheit. Und Link kämpfte weiter, hatte noch ungefähr fünf Gegner vor sich, die in einem Zirkel um ihn standen. Zelda hielt sich versteckt hinter einem Gebäude. Doch dann erreichte sie ein seltsames Gefühl, die Wahrnehmung einer Gefahr und sie blickte durch die Stille der Nacht, hörte lediglich die Klingen der Schwerter, wie sie aneinander prallten und die starken Kampfschreie. Was war das? Dann begann einmal mehr ihr rechter Handrücken zu glühen und ihre magische Kraft schwand. Sie blickte erneut umher, wollte wissen, woher diese Gefahr rührte, was sie bezweckte und erkannte ein Paar rotglühende Augen in der Dunkelheit östlich des Dorfes, hinter einem Baum. Mortesk hatte sein Ziel im Auge, verfolgte mit jedem Schritt, den Link machte, sein Herz, daraufwartend, lüstern, den einstigen Helden der Zeit zu töten. Zelda schlich näher an das Paar rote Augen und erkannte mit Entsetzten, dass jene Kreatur in der Dunkelheit einen Bogen in der Hand hielt und ein Pfeil zielgenau, mörderisch, auf Links reines Herz ausgerichtet war. Erstarrt blieb sie stehen, schaute mit Angst erfüllt zu Link, der nicht weit von ihr entfernt kämpfte und wirbelte herum zu der Kreatur in der Dunkelheit, welche gut abgeschottet auf die perfekte Gelegenheit wartete. Dann fackelte Zelda nicht lange und rannte hastend zu ihrem Helden: "Link!", rief sie, während ihr Handrücken heftig brannte und sie ihre magischen Kräfte nicht einsetzen konnte. "Link. Ein Pfeil. Er spannt einen Pfeil." Lautstark schallte ihre glockenhelle Stimme durch die Nacht. Doch Link konnte nicht weglaufen. Nicht jetzt. Nicht, wo ohnehin Monster ihn umzingelten. Außerdem wusste er nicht, aus welcher Richtung der Pfeil abgeschossen werden würde. Zelda wühlte mit aller aufbringbaren Kraft in den Fesseln herum, aber sie konnte sich nicht befreien, sie war nicht in der Lage ein Schwert zu halten, geschweige denn zu benutzen. Es war zu spät... Die blonde Hylianerin hetzte weiterhin auf Link zu, rotglühende, dämonische Augen im Visier und während sie rannte, fasste sie einen sehr edlen Entschluss. Nun würde sie etwas tun, um ihre Schuld bei Link zu begleichen. Schon lange wusste die Prinzessin des Schicksals um die Schuld, die sie bei Hyrules strahlendem Helden hatte. Wie oft, und sie erinnerte sich an viele Augenblicke von ihr und Link, ja, wie oft hatte er sie vor Schmerzen jeglicher Art, vor Wunden und sogar vor dem Tode gerettet. Niemand könnte die Gefühle, die Zuneigung und die unermesslichen Dankesgefühle nachempfinden, die sie in jedem Moment spürte, wenn der Held der Zeit ihr ein Lächeln schenkte. Sie lief und lief und vielleicht lief sie erneut vor sich selbst weg, wie auch vor der Wahrheit, dass ihre Gefühle der Freundschaft einem mächtigeren Empfinden schon lange untertänig waren. Sie kniff ihre Augen zu, kämpfte mit der Angst ihrer eigenen unverwüstlichen Entscheidungen. So oft hatten gerade die Entscheidungen um Rettung, Liebe und Verantwortung ihre Seele ins Grab geführt. Ihre verletzliche, geschundene Seele, welcher in diesem Augenblick einmal mehr die Flügel, die Kraft und Hoffnung herausgerissen wurden. Mit Tränen in den Augen hetzte Zelda näher, wand sich angsterfüllt und doch entschlossen in jene Ecke des Dorfes, wo ein Pfeil über Leben und Tod entscheiden konnte. Sekunden gefroren, Minuten entschwanden und Stunden würden niemals mehr vergehen. Die Prinzessin Hyrules sah und wollte doch nicht sehen, sie spürte und wollte doch nur ein einziges Mal spüren, was es hieß zu beschützen. Denn es war ein Geschenk beschützt zuwerden, immer wieder aufs neue war es das größte Glücksgefühl für sie, beschützt zuwerden, beschützt von Links Händen, seinen Worten, seiner Aura. Und so wollte auch sie beschützen, ihre Schuld begleichen und fühlen... Mortesk ließ zähnefletschend den Pfeil los; und das gefährliche Geschoss raste mit ungeheuerer Geschwindigkeit durch die Luft, tötete gnadenlos, was ihm im Weg stand. Zelda sah den Pfeil, rannte über das raue, alte Gras zu Link, wollte ihn beschützen, ihm nur einmal etwas schenken, was nicht wertlos erschien, wie viele andere Dinge des Damals. Sie wollte ihm etwas schenken, was beständig war und so sollte es sein. Sie erreichte ihn, kurz bevor der spitze Pfeil ihn traf. Mit einem erzwungenen, traurigen Lächeln stand sie direkt vor ihm, schenkte ihm mit stummen Worten etwas, was sie noch nie gegeben hatte. Leise Sehnsucht in ihrem Blick, vorbereitet und entschlossen. Und ein todbringendes Metall bohrte sich hinein in blauen Stoff, hinein in die sanfte Haut an Zeldas rechter Seite, seitlich ihrer Brust. Ihr schlanker Körper zuckte quälend auf, seufzend. Ein hässlicher Laut entkam ihrer Kehle. Das sanfte und doch schmerzverzerrte Lächeln auf ihrem Gesicht erstarb. Ein toter Blick, das Leben schwand aus ihren saphirblauen Augen... Link sah mit Entsetzten zu, was passierte. Die Zeit hörte auf zu existieren, gefror... Immer lauter werdend hörte der junge Held das Klopfen eines aufgeregten Herzens in seinen Gedanken. Es klopfte zügellos, schnell. Es klopfte, schallte in seinen Gedanken nach, als wäre er genau mit diesem Herzen auf ewig verbunden. Nur ein erzwungenes Lächeln in ihrem tränenüberströmten Gesicht. Nur ein kurzer Augenblick, in welchem Zelda ihre Gefühle für ihn an die kühle, beherrschte Oberfläche ließ. Nur ein ungesagtes Flüstern. Links Herz setzte zu Schlagen aus, als er mit ansah, wie Zelda kurz zusammenzuckte, erfüllt mit unwiderruflicher Angst und Schock in den mit Schatten belegten blauen Augen, die ihm so viel sagen wollten. Ihre Augen, die er so oft in seinen Träumen sah, die ihn erinnerten. Das schwache, unmerkliche Klopfen in seinem Kopf wurde langsamer. Der Impuls eines anderen Herzens nahm ab, schwand, verflüchtigte sich, kam dann stockend und wurde immer leiser. Kraftlos brach Zelda auf ihre Knie. Lasch sank ihr Kopf nach unten, sich selbst versteckend, ihre Liebe und die langverschwiegene Wahrheit über ihre Gefühle beschützend. Erneut rollten stumme Tränen ihre Wangen hinab, die sie demjenigen zeigte, dem sie galten. Tränen... ihr gesamtes Dasein bestand aus Tränen und Blut. So vergoss sie Tränen für den ihr am meisten am Herzen liegenden Menschen, auch wenn Zelda die Empfindungen für Link nie zeigen durfte, konnte und wollte. Zwanghaft versuchte das junge Mädchen ein letztes Mal zu lächeln, bevor ihre Augenlider niedersanken. Ein Stich und es war vorüber... Haltlos brach sie zusammen... Mit einem dumpfen Schlag auf dem kalten Waldboden sank Zelda nieder und ihr blondes langes Haar legte sich wirbelnd zwischen Gras und Tannennadeln. Stille in den Wäldern. Erneut das heimliche Klopf- Klopf in Links geheimsten Gedanken. In Gefahr auf ewig zu schweigen. Nichts nahm er mehr wahr, hörte die biestigen Stimmen der Moblins nicht mehr, lauschte nicht mehr den Geräuschen des Windes. Nur noch das kleine Klopfen eines anderen Herzens schlich in seinen Gedanken umher, schwächelte und versank im Nichts... Link ließ die Klinge fallen, kniete kraftlos zur bewusstlosen Zelda nieder, nahm sie in seine starken Arme. Blässe legte sich auf Links Gesicht. Tränen sammelten sich zügellos in seinen tiefblauen Augen, als stückchenweise rotes Lebenselixier aus einer hässlichen Wunde floss. Der Pfeil stak tief in Zeldas Körper, direkt seitlich unter ihrer rechten Brust. Ein starker Schmerz in Links Brust setzte ein, ließ ihm keine Luft mehr zum Atmen, als ob ein Teil von ihm gestorben war. Der bedeutsamste Teil seiner Seele. Das Wichtigste: die wahre Liebe. Sein junges Herz spannte sich, erdrückte das leise einsetzende Schluchzen aus seiner zugeschnürten Kehle. Eine zitternde, warme Hand wanderte zu den schönen, von Tränen befeuchteten Augenlidern Zeldas, berührte die hellen Augenbrauen, streichelten über die zarte Stirn. Öffne deine Augen... bitte öffne sie... Seine Kehle schien wie taub und jegliches Wort kam dumpf, stoßweise. "Zelda...", entkam selbstquälerisch seinen Lippen. Nur ein Wunsch, der sich nicht erfüllen würde, egal, wie sehr er an ihn glaubte. Immer wieder murmelte er ihren Namen, blickte in die Vergangenheit, sah sie lächeln, spürte das gemeine Einschleichen der Realität in sein Gemüt. Verlass' mich nicht... Zelda... Er rüttelte ihren bewusstlosen Körper, schrie sie an, brüllte ihren einzigartigen Namen in die Nacht. Sie rührte sich nicht. Verschlossen blieben ihre Augen, die Link liebte, für deren Licht er alles getan hätte. "Nein... Zelda, mach' deine Augen auf... nein...", murmelte er elend. Und ein lauter Schrei entkam seiner Kehle, als sie sich erneut nicht rührte. Er drückte sie an sich, begann endgültig zu weinen. "Zelda!" Er fauchte sie an, rüttelte sie und jegliche Wärme in seinen Augen erlosch. Das Feuer in seinen Augen, das, was ihn einst vor sich selbst rettete, erlosch... Wie feine Regentropfen bedeckten seine salzigen Tränen ihre Wangen. Immer wieder tropften kleine Tränen nieder und befeuchteten die blassen Wangen seiner Prinzessin. "Deine Augen...", flüsterte Link wimmernd, brachte keine weiteren Worte hervor, konnte kaum etwas sagen. Einige Sekunden vergingen und Link wippte Zeldas bewusstlosen Körper in seinen Armen auf und ab, presste sein Gesicht an ihres, konnte nicht glauben, was soeben passiert war, wollte es nicht glauben. Das ist nicht wahr, sagte sein Herz. Das ist nicht geschehen... Doch Zelda blieb besinnungslos, bewegte sich nicht mehr, lächelte nicht mehr, vielleicht niemals mehr. Es war nur ein Traum von vielen, jener Traum, den er seit ewig in seinem Herzen aufbewahrte. Eine Erinnerung daran, wer er gewesen sein sollte, was er aus sich machen musste. Mit diesem Traum begann eine Achterbahnfahrt in das Glück und in die tiefen Abgründe seiner eigenen Bestimmung. Es war jener Traum von ihr, einem Menschen, nach dem sich sein junges Herz immer gesehnt hatte, seit dem Anbeginn seines Lebens in der wirklichen Welt. Ein Traum, mit dem alles begann. Tiefgehende Zuneigung. Verbundenheit versiegelt mit einem Kuss. Liebe. Im trüben Licht des Morgens wachte Link einst auf, noch bevor er sich selbst nur ansatzweise kannte, noch bevor er sie kannte. Nebel lag vor seinen Sinnen und nur verschwommen gab sich sein Zimmer preis. Ein Trugschluss in der Wahrheit, die sich selbst belogen hatte. Denn jener Traum sollte nicht sein, er durfte nicht sein. Versteckter Zauber beschmückte seine Sinne an jenem frühen Morgen, wo das raue, kühle Dämmerlicht vorherrschte. Ein Wesen, fast golden schimmernd, saß an seiner Bettkante. Sie hatte ihm den Rücken zugewendet, und schimmerte weiterhin in dem angenehmsten Licht, das er sich vorstellen konnte. Es war warm, schenkte ihm ohne direkten Körperkontakt soviel Berührungen. Wie das möglich war? Link wusste es nicht, verschwendete aber keinen Gedanken daran, und genoss weiterhin diesen irrsinnigen Hauch des Lichtes, welches sie ihm versprach. Er war ein Kind zu jenem Zeitpunkt, nur zwölf, dreizehn Jahre alt und doch wusste er in dem Traum, wie es sich anfühlte, ein junger Mann zu sein. Nicht nur das, in jenem Traum erwachte eine stärkere Natur in ihm. Plötzlich steckte er in einem erwachsenen Körper und wusste doch genau, wie sich dies anfühlte. Langsam richtete er sich auf, fand sich älter als er es in der Wirklichkeit war. Sein Körper beherbergte mehr Stärke, wurde muskulöser und athletischer. Berauscht blickte er auf seine Hände, leicht verwundert über deren Raue, und doch sanft in den vollkommensten Momenten. Eine flauschige, dicke Decke fiel von seinem entblößten attraktiven Oberkörper über seinen Bauch, auf welchem er Narben trug, die er damals noch nicht hatte. Keinen Moment Gedankengut verschwendete er daran, sich nicht in der Wirklichkeit zu befinden, kein Gedanke an das Warum und Wieso seines achtzehnjährigen Körpers. Denn seine Gedanken galten allein ihr, jenem faszinierendem Wesen, welches an seiner Bettdecke saß. Langes, blondes Haar fiel über einen schimmernden, nackten Mädchenrücken. Ein einfaches Bettlaken umschlang ihre Hüfte abwärts und wurde von ihr fest in den Händen gehalten, um lediglich ihre wohlgeformte Brust und den zarten Bauch zu bedecken. Hypnotisiert, vielleicht mehr noch als das... verhext und geführt von ihrer starken Seele, wanderte seine linke Hand an ihren Rücken, spazierte zärtlich darüber hinweg, arbeitete sich hoch zu ihren Schultern und schließlich zum Nacken, stets umfangen von weichen Haarsträhnen, an denen der Duft von Jasmin hing. Mit einem Lächeln fühlte er, wie ihre Haut unter seinen Händen zitterte, wie sich Gänsehaut unbefangen zeigte. Das wunderbarste Lächeln begegnete ihm, als sie sich zu ihm wand, ihre Augen, so klar und leuchtend, ohne jegliche Schatten, träumten genüsslich in seinen. Er liebte diese Augen schon immer, noch ehe er sie kennen konnte. "Ist das ein Traum?", murmelte Link leise, aber nicht verlegen über die Nähe, die sie einander in jener Nacht ohne Zurückhaltung gegeben hatten. Und noch etwas schien anders. Seine Stimme war die eines Mannes, beherrscht und tiefgehend. Etwas glitzerte in ihren Augen, als er diese Worte sprach und noch ehe Link sich aus seinem Traum reißen konnte, näherte sie sich ihm, legte zärtlich einige warme Fingerspitzen auf seine Lippen und blickte tief, so durchdringend in seine Augen. "Möchtest du denn, dass es so ist?", sagte ihre helle Stimme. Eine schöne Stimme, einfühlsam in der Minute, auch wenn diese Stimme sich gegenüber ein ganzes Volk erheben konnte. Er schüttelte bloß mit dem Kopf, erstaunte angesichts dieses magischen Momentes. "Wünschst du dir meine Nähe?", sagte sie leise und wanderte mit ihren Handballen über seine erhitzten Wangen. Vertrauen brachte er ihr entgegen, Zuneigung, ohne zu wissen, wer sie war und ohne auf ein kleines Rufen seines zwölfjährigen Verstandes zu hören. Denn er wusste, in jenem Traum schien Zeit nicht wichtig, sein momentanes Ich war ausgelöscht und etwas Altes, Vergangenes trat an diese Stelle. Er war nicht länger der kleine zwölfjährige Junge mit dem Unschuldsgrinsen, nein, in jenem Moment hatte dieses seinem achtzehnjährigen Ich den Weg geräumt. Das Gesicht eines Mannes, der Mut eines Kämpfers und die beschützende Wärme eines Liebenden. "Ich wünsche mit deine Wirklichkeit... für mich und für uns.", hauchte er an ihre Fingerspitzen, küsste diese ohne vorher jemals jemanden geküsst zu haben. Sie lächelte vollkommen. So schön war ihr Lächeln, so überwältigend, dass Link ebenso lächelte, ein Kribbeln in seinem Bauch erfahrend, wie eine Berührung von innen, ähnlich dem Gefühl eines Kindes, dass zu seinem Geburtstag viele Geschenke bekam, und doch berauschend, beinahe gefährlich, süchtig machend. Ohne ihrem Blick zu entsagen, erhaschte er einige ihrer malerischen goldenen Strähnen, küsste diese und spielte damit in seiner Handinnenfläche. Dieses seidige Haar... Sein Blick wurde noch milder, weicher, suchte nach ihren heimlichsten Empfindungen, nach ihrer Existenz. Seine rechte Hand wanderte zu der flauschigen Decke, die er anhob, nur um jenen verletzlichen, sanften Engel an seiner Wärme teilhaben zu lassen. "Nähre mich mit deiner Wärme.", säuselte seine Stimme. "Und ich schenke die die meinige.", ergänzte er, mit dem Wissen eines Erwachsenen, mit der Erfahrung eines älteren Herzen. Lächelnd krabbelte sie unter die Decke, nahm an seiner Zuneigung teil, spürte die Nacktheit seines Körpers, weder beschämt, noch überrascht. Sie schmiegte sich an ihn, forderte seine beschützenden Arme, die liebevoll ihren unwirklichen Körper erforschten, entdecken, was er zuvor nie fühlen durfte. Streichelnd spielte sie ihm Gegenzug mit der Haut auf seiner ungeschundenen, männlichen Brust, schenkte ihm kurze, zarte Küsse darauf. Überrascht blickte er jenes Wesen an, kaum Verständnis für diese feine, mächtige Form der Zuneigung. Mit einem leichten Lachen, glücklich rollte er sich geschwind über sie, blickte durchdringend in das angenehme, himmlische Blau ihrer Augen, spürte einen Hauch Traurigkeit in jenem, wenn auch glücklichen Moment. "Sag' mir deinen Namen..." "Ist er denn bedeutsam für dich oder deine Wirklichkeit?", erwiderte sie, während er zärtlich über ihre schwachrosa Wangen streichelte. Ihre Haut war so sanft wie das Blatt der Blüte eines roten Rose, so weich... "Nicht für diese Wirklichkeit, wohlaber für eine andere.", meinte er leise. Sie klammerte sich an ihn, vergrub ihren Kopf in seiner Schulter und seufzte schwach. "Du hast dich in Hyrules Vergangenheit selbst belogen, in dem, was du dir gewünscht hast, in dem, was du für mich gefühlt hattest... Denn du hast diese Verbindung, diese Leidenschaft und Liebe gefühlt, wann immer ich dir begegnet bin." Stumm war seine Antwort, nur ein kurzer Blick aus den tiefblauen Augen, die er schloss. Das Sehnen nach ihren Lippen endete in einem langen, leidenschaftlichen Kuss. Seine Antwort auf jenes Gefühl, dass er nicht verstanden hatte. Denn nie hatte er begriffen, warum er sie brauchte, warum er sich nach ihr sehnte. Und warum eine Welt ohne sie erfüllt war von Leere... Sanft drückte er ihren Körper zurück auf die weiche Matratze, genoss den alles sagenden, fiebernden Moment dieser Liebe, küsste sie überall. "Du liebst mich...", flüsterte sie schwach, gefangen in seinen Armen, heimgesucht von seinen Bedürfnissen. Sie wiederholte ihre Worte, formte diese auf der Haut seiner Schulter, als sie einander beschenkten, als sie ineinander versanken. Sie murmelte diese Worte stockend und zwanghaft. Auch während sie ihr gefährliches Liebesspiel fortführten, säuselte sie diese Worte. "Du liebst mich...", schallte es leise. "Du liebst...du liebst..." Immer leiser wurde es in seinen Gedanken. Leiser und leiser, bis sich die Stille darüber legte. Es war Liebe. Es war unsterbliche Liebe und würde es immer bleiben. Ein Geschenk, sagte er damals in seinen Gedanken. Sie war mehr als einfach nur ein Geschenk... In jenem Traum verstand er, was Liebe war, sich nicht erinnernd, dass es einst eine Zeit gab, in welcher ihm dies verwehrt blieb. Von da an wartete er auf sie, wartete Jahre, wartete unbemerkt von vielen liebenden Pärchen, die seinen Weg kreuzten, denn es gab nur diese eine starke Liebe für ihn. Jener Schatten der Nacht hatte die Sehnsucht nach ihr verstärkt, jenem magischen Wesen in seinen geheimsten Zuflüchten. Doch auch die Kehrseite der Medaille gab sich hier preis, die Seite des Bösen jagte ihn von nun an, auch wenn der junge Link dies in Kauf nahm- für eine weitere Begegnung mit jenem Engel, seiner unsterblichen Liebe. Eine Erinnerung an jenen Traum schlich umher, zerriss ihm sein Herz in viele Stücke, machte das Lebwohl, welches folgen könnte, nur noch schwerer... Eine Erinnerung an einen Traum, mit dem alles begann und doch nicht endete. Er liebte sie... Link liebte seine Prinzessin und hatte sich in den letzten Wochen doch nicht getraut zu begreifen, dass es genau die eine wahre Liebe war, auf die er immer gewartet hatte. Er liebte sie... "Ich hätte dich beschützen müssen, nicht du mich...", murmelte er und schrie sogleich ihren Namen ein weiteres Mal, weinte und weinte über ihren Verlust, drückte ihren leblosen Körper weiter an sich. "Zelda, öffne deine Augen... bitte... nein..." Doch sie bewegte sich nicht, kein Lebenszeichen. Und für Link begann in dem Augenblick alles zusammenzubrechen. Sein Dasein. Sein Schicksal. Alles, woran er geglaubt hatte, wofür er gekämpft hatte, war ohne sie, ohne ein sanftes Lächeln von ihr, ohne ihre warme Hoffnung, nichts mehr wert. Die Welt wurde nun erstmals wertlos für ihn. Er konnte nichts Schönes in Hyrule mehr sehen und er würde nichts Schönes mehr als schön erkennen, wenn Zelda nicht bei ihm war. Zeit, Schicksal und Zukunft... nichts hatte mehr Bedeutung, nichts... Das Leben seines warmen Hoffnungsschimmers hing am seidenen Faden. Das Leben und die außergewöhnliche Existenz seiner einzigen Liebe würden mit diesen Sekunden enden. Er konnte sie lächeln sehen, in den Schatten der Erinnerung. Er konnte sie lachen hören und fühlte jeden Hauch ihrer warmen Aura, die ihm soviel auszusagen vermochte. Und nun? Sollte diese ganze Zeit mit ihr vorbei sein? Dahin... Dahin, ohne dass Link ihr jemals hätte sagen können, wie viel er für sie empfand, ohne, dass er ihr jemals seine unsterbliche Liebe hätte gestehen können. Immer wieder hatte er sich eingeredet, es war noch Zeit. Wir haben Zeit, dachte er. Und nun hatte sich die Zeit persönlich gegen den einstigen Helden der Zeit gestellt. Zeldas Zeit war fast um. Ihre dünnen Schicksalsfäden waren nun beinahe gerissen... Und alles war Mortesks Schuld. Hass, Wut und Mordgier siegten über die schwere Trauer in Links Seele. Er löste seine Augen von Zelda, kalt wurden diese, ohne jegliches Mitleid. Er legte ihren bewusstlosen Körper sachte auf den weichen Waldboden, stand auf und allmählich schwand sein jetziges Bewusstsein. Ihr Schwert in seiner Hand erzählten seine Augen von Leere, von zerstörten Wünschen und mit jeder weiteren Sekunde legte sich eine ferne Kälte über das Blau seiner Augen. Kraftvoll stieß er die Waffe in den Boden, worauf dieser bebte und alle Monster im Umkreis plötzlich in Asche aufgingen. Alle außer Mortesk. Diesen würde Link mit bloßen Händen töten. Doch Link war nicht mehr er selbst. Er fühlte keinerlei Mitleid mehr und die Wärme, die sich hinter seinen Augen verbarg, wurde von etwas Gewaltigerem zurückgedrängt. Etwas staute sich in ihm auf. Hass. Wut. Zorn. Kampflust. Mit langsamen, geräuschvollen Schritten lief er auf Mortesk zu, der gar nicht wusste, wie ihm geschah. Und es war das erstemal, das Mortesk in seinem hundertjährigen Skelettritterdasein wirklich Angst empfand. Er sah seinen Rivalen, der schnurstracks auf ihn zulief, aber er konnte sich nicht rühren. Nicht einmal seine Stimme konnte er mehr erheben. Link stand vor ihm und nichts lag mehr in seinen Augen, nur eine befremdende Kälte, die soviel Eis verbarg wie ein gefrorener See in einer Landschaft des Trübsinns. Link holte mit seiner linken Hand aus, formte diese zur Faust; und die Zeit blieb stehen. Alles wurde schwarzweiß, alles bewegte sich langsamer und seine linke Hand öffnete sich auf dem Weg zu dem Herzen Mortesks. Ein dumpfes Geräusch und Mortesk landete aufgrund der magischen Attacke von Link einige Meter weiter. Der Körper des Skelettritters löste sich stückchenweise auf. Schreiend verwandelte sich Mortesk in das zurück, was er einst war- ein einfaches Menschenwesen. Dann begann seine Brust in Feuer aufzugehen, dann seine Arme, seine Beine und zuletzt sein Kopf. Und es wurde still in jenem Wald der Kokiri. So still wie davor... nur ein leiser Wind wehte und würde vielleicht Seelen, die ihr Leben für andere gaben, hinfort tragen... So, das ist erst einmal das letzte Kapitel, bis ich dann von meinem Irlandtrip wiederkomme. Ganz liebe Grüße an alle treuen Leser. Kapitel 74: Geheimnisse der Vergangenheit X ------------------------------------------- Kapitel 57: Geheimnisse der Vergangenheit X Viele Tage vergingen in der alten Welt von Hyrule und am morgigen Tage stand das Fest des Friedens an. Alles war vorbereitet für den großartigsten Tag des Jahres. Link hatte sich, seitdem er um Zeldas Hochzeitspläne wusste, nicht mehr im Schloss blicken lassen. Selbstverständlich teilte er Impa mit, dass es ihm gut ginge, sodass sich niemand um seinen Verbleib sorgen müsste. Nur Zelda verstand nicht, warum er sich so klammheimlich davongestohlen hatte und sie nicht mehr besuchte... es stimmte sie traurig, noch trauriger, als sie ohnehin die letzten Tage und Nächte gewesen war. Link übernachtete währenddessen bei seiner guten Freundin Malon auf der Ranch. Er hatte ihr noch nicht erzählt, was der Grund war, dass er das Schloss verlassen hatte, aber es gab ja Epona, die seine Ausrede darstellte. Geschauspielert hatte Link und behauptet, er müsse mal wieder Zeit mit Epona verbringen und das war nur die halbe Wahrheit... Es war spät Abends, als Link mit der Okarina auf einem Zaun saß, mit den Beinen baumelte und mal wieder (er hatte es fast jede Nacht gespielt) Zeldas Wiegenlied spielte. Er schloss seine Augen und versank halb in der Melodie. Malon gesellte sich zu ihm und überrascht öffnete er seine tiefblauen, ernsten Augen. "Willst du mir nicht endlich mal erzählen, was los ist, du liebeskranker Held?" Er packte die Okarina weg und sprang vom Zaun. "Hast du nicht Lust, eine Runde auszureiten", fragte Malon dann und hoffte, sie könnte ihn endlich mal in ein Gespräch verwickeln. "Hyrule an den Helden Link, der mal keine grüne Mütze trägt. Könntest du aufhören, Trübsal zu blasen. Du Hornochse, was ist nur mit dir los, zum Teufel?" Und ihre Stimme wurde immer lauter. Malon hatte in der Tat eine laute Stimme, wenn sie wollte und eine schöne obendrein. Link seufzte und meinte: "Ja, Ausreiten ist eine gute Idee. Ich denke, Epona braucht ein wenig Auslauf, oder?" "So ist's richtig." Malon rannte in den Stall und sattelte Epona und ihr eigenes Lieblingspferd Singsang. Link kam wenig später herbei und gemeinsam galoppierten die Pferde über die Steppe. "Ähm... Malon, warte mal?" Und Malon schaute zurück, da Epona zum Stehen kam. "Wollen wir eine Pause machen?", erwiderte sie und sprang von Singsang. Die Pferde erfreuten sich an dem frischen Steppengras, während Link und Malon auf der Wiese saßen. "Wegen der Sache mit dem Ball, Malon. Ich habe Impa gefragt und sie meinte, sie würde dich gerne irgendwie hineinschleusen. Du kennst ja Impa und ihre Einfälle. Du sollst morgen gegen drei Uhr nachmittags beim Schloss sein. Impa wird auf dich warten und dich dann einwesen. Sie macht aus dir schon eine Adlige. Dann kannst du den Ball genießen und ein Treffen mit einem Nobelmann steht nichts im Wege." Malon freute sich und drückte dies mit einem lauten Juhu aus. "Und du? Wirst du denn nicht an dem Ball teilnehmen?" Links Gesicht verzog sich. Er schüttelte mit dem Kopf. "Ich habe Wichtigeres zu tun." "Nun hör' aber auf? Was kann schon wichtiger als der Ball sein, wo eine Prinzessin auf dich wartet." Link sagte dann lauter als vorher und leicht verärgert: "Sie wartet nicht auf mich. Sie wartet genauso wie du auf einen Prinzen. Ich bin da völlig fehl am Platz." Und wütend sprang Link auf und ballte seine Fäuste. "Aber Link", sagte Malon vorsichtig. "Zelda wird sich morgen mit irgendeinem Kerl der höheren Kaste verloben. Was soll ich noch dort..." Man erkannte an seiner Stimme, wie weh es ihm tat, allein jene Worte auszusprechen. "Link, das tut mir so leid...", meinte Malon, die jetzt verstand, weshalb er sich in den letzten Tagen so komisch benommen hatte. Auch sie stand auf und lief zu ihm herüber. "Komm' her, du kleiner Idiot", sagte sie und umarmte Link freundschaftlich. Nach einer Weile meinte Link leise: "Danke Malon... du bist ein guter Freund." "Gern geschehen. Und Link..." "Ja?" Überrascht sah er auf, als sie beide wieder auf ihren Pferden saßen. "Egal was irgendwann sein wird... ich bin mir ziemlich sicher, dass es sie freuen würde, wenn du morgen auf dem Ball erscheinst. Außerdem bist auch du ein kleiner Prinz, zwar nicht von Blut, aber durch deine Heldentaten. Du hast es auf jeden Fall verdient diesen Abend zugenießen." "Ach... ich weiß nicht." Malon ritt mit Singsang ein wenig näher an Epona heran und gab Link einen Stups. "Komm' schon, du Held. Hör' auf zu schmollen und gib' dir einen Ruck", sagte sie und lächelte ihn mit einem ihrer fröhlichen Gesichtern an. Link atmete tief aus und schaute hinauf zu dem hellen Mond am Himmel. Lange Zeit starrte er gedankenversunken irgendwohin. Und sein Blick schien in diesem Moment alles auszusagen, was er dachte, was er empfand. "Ist es denn nicht Schicksal für Helden, dass sie anderen helfen, aber selbst nie das Glück erreichen, das sie begehren. Link..." Er nickte. "Ja, Malon, ich habe die letzten Wochen wohl in einer Wunschvorstellung gelebt und jetzt befinde ich mich in der Wirklichkeit und Zeldas Verlobung war das böse Erwachen. Ich weiß aber nun, was ich zu tun habe," "Wirklich?" "Ja, sehr bald, wenn hier in Hyrule die Dinge geklärt sind, um die ich mich noch kümmern muss, werde ich diesem Land erneut Lebewohl sagen. Doch diesmal weiß ich nicht, ob ich jemals zurückkehren werde..." Malon presste die Lippen aneinander und sagte: "Ich werde dich vermissen, du Taugenichts." "Ich dich ebenso, Malon. Aber..." Und Link hatte endlich wieder ein stolzes Lächeln auf dem Gesicht, welches die Spur Abenteuerlust verriet. "... kein Grund für Melancholie. Die Zukunft hält sicherlich ihre Überraschungen bereit und Hoffnung gab es immer und es gibt sie noch..." Damit ritten sie geschwind zurück zu der großen Farm von Talon und Malon, genossen den frischen hylianischen Abendwind und verschwanden am Horizont. Kapitel 75: Der Countdown läuft ------------------------------- Kapitel 58: Der Countdown läuft "Impa? Was ist geschehen?" Die stolze Shiekah hielt eine Hand vor ihren Mund und schaute entsetzt drein. Sara stand vor ihr und sah sie nur fragend an. Sie befanden sich im schwachen Schein einer Kerze an dem großen Tisch. Impas Blick wurde ernster und ernster. "Zelda, irgendetwas stimmt nicht mit ihr", sagte sie matt. "Etwas ist geschehen... sie leidet, Sara." "Was? Aber Link ist doch bei ihr!" "Ja, das mag sein. Möglicherweise hat sie etwas getan, was Link nicht verhinderte..." Und Sara setzte ebenso ein eher schwermütiges Gesicht auf. "Ich frage mich, ob sie jemals zurückkehren werden. Glaubst du, wir haben eine Chance, Impa?" Die Schuldirektorin schüttelte nur mit dem Kopf. "Wenn ich ehrlich bin Sara, standen die Chancen ohnehin nie sehr gut. Wir sollten aufhören in einer Illusion zu leben. Wir sind die Wirklichkeit... hier gibt es keinen Spieler, der alles so steuert, dass es ein Happyend gibt, hier... gibt es vielleicht keines..." "Aber Ganon darf nicht bekommen, was er will. Wo ist die Gerechtigkeit, Impa. Wo sind die Götter, an die wir geglaubt haben. Was ist mit den alten Legenden um die Helden Hyrules, was ist mit dem Schicksal. Ich weigere mich zu glauben, dass es so enden soll..." Impas rote Augen blickten Sara eindringlich an und ein leichtes Lächeln zeigte sich um ihre Mundwinkel. "Solange wir noch da sind, ist noch nichts verloren, auch wenn die Zeit knapp ist. Aber was anderes... bist du denn nicht müde, Sara?" "Nein, ich habe sowieso schon zu lange nichts getan. Gibt es nicht doch etwas, was wir tun könnten?" Impa zuckte mit den Schultern. Dann hörten sie ein merkwürdiges Geräusch, ein Kratzen, an der großen Stahltür, die als Versiegelung für die Kellerräume diente. Als Link zur Besinnung kam, fand er das kleine Dorf völlig leer vor sich. Er hatte wiedereinmal einen Blackout und keine Ahnung von den Dingen, die er mit seinen eigenen Händen getan hatte. Wusste nicht, dass er getötet hatte. Wusste nichts von dem kalten Ich, das ihn umhüllte. Er blickte verwirrt um sich und sah Zelda leblos am Boden liegen. Gerade da kamen seine Erinnerungen zurück und er besann sich auf das schaurige Bild ihres leiderfüllten Gesichtes. Entsetzt rannte Link zu ihr, als er seine Gedanken ordnete... Er ließ sich einfach fallen, umfasste angsterfüllt Zeldas Oberarme und drehte die bewusstlose Hylianerin sachte zu ihm. Sein Blick fiel sofort auf den todbringenden Pfeil knapp unter ihrer Brust. Dickes Blut sickerte in den dunkelblauen Stoff ihrer Stoffbluse. Blut... wertvolles Blut. Und doch bestand Zeldas gesamtes Dasein nur aus Blut. Fassungslosigkeit und Schock standen in Links kreidebleichem Gesicht geschrieben. Er wusste nicht, was er tun sollte und fühlte sich so hilflos. "Zelda...", flüsterte er. Zitternd wanderte seine linke Hand zu ihrem Hals, er traute sich nicht ihren Puls zu fühlen. Denn wenn Zeldas Puls nicht fühlbar war und... er brachte seine Gedanken nicht zu ende und drückte machtlos ihren Körper an seinen. Er murmelte Namen erneut, dann noch einmal. Die Zeit tickte nicht mehr. Tausende Gedanken schossen Link durch den Kopf. Was war und was hätte sein können... Einige Minuten gingen vorüber. Noch immer lag Nacht und Kälte in den geheimen Kokiriwäldern. Reisende Nebelschwaden bedeckten den moosigen Waldboden und legten sich wie ein Mantel über die beiden Hylianer. Erneut sammelte sich salzige Tränenflüssigkeit in Links Augen, gegen die er nicht ankämpfen konnte. Er wollte etwas sagen und wusste nicht, welche Worte überhaupt noch einen Sinn hatten. Nichts hatte mehr Sinn ohne sie. Ohne seine Prinzessin, die ihm immer den Rücken gestärkt hatte. In dem Augenblick vernahm Link ein kümmerliches Aufstöhnen, energieloses Seufzen, dann ein leises Weinen. Vorsichtig legte er Zelda zurück auf den leblosen Waldboden, löste ihre eisigen Hände aus den Fesseln und nahm ihre rechte zarte Hand in seine beiden rauen. "Zelda...?", seine Worte schwach und zitternd. Ein Streicheln ging über ihre rechte Hand, gefolgt von einem leichten Drücken der beiden warmen Hände Links. Zeldas Körper zuckte auf. Krächzend schlug sie ihren Kopf zur Seite, quälte sich mit ihrer klaffenden Wunde und seufzte unentwegt. Ihre Atmung kam kurz und flach. Sie kämpfte. Ein kleiner Rinnsal aus Blut folgte einem Pfad an Zeldas rechtem Mundwinkel hinab. In dem Moment liefen Tränen ihre Wangen hinab und sie blinzelte. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie üble Schmerzen haben musste. "L-Link...", brachte sie hervor, verzog aber dann ihr Gesicht und begann vor Schmerz zu winseln. Sie schämte sich für ihren elenden Zustand, wollte, dass Link ging. Er sollte nicht mit ansehen, wie sie sich quälte. Und sollte nicht miterleben, wie der Tod an ihr nagte. Abweisend drehte sie ihren Kopf zur Seite, sodass sie Link nicht ansehen musste und weinte leise vor Schmerzen. Wie in Trance wischte Link mit einigen Fingerspitzen das Blut von ihrem Mund, als eine kleine Träne aus seinen Augen ihre Nasenspitze benetzte. "Du weinst ja...", murmelte Zelda und versuchte ein wenig zu lächeln. Ein schmaler Spalt zwischen ihren Augenlidern ließ das schöne Blau hindurch. Link schaffte es nicht, auch nur ein Wort zu sagen. Es tat weh, sie so zu sehen, ihr nicht helfen zu können. Ein Ziehen und Spannen in seinem Herzen. Ein dumpfer Schmerz. Es tat einfach nur weh... Ihre Augen schlossen sich wieder, entgegen ihres Willens. Und es schien, als war jene kleine Bewegung genug um den Knoten in Links Hals zu lösen... Sanft patschte er auf ihre Wangen, wollte sie wach halten, sie bitten, ihn an zusehen. Aber sie reagierte nicht auf ihn, spuckte ein wenig Blut zwischen Nadeln und Grashalme und schien erneut das Bewusstsein zu verlieren. Sie blinzelte und murmelte schwach, stockend: "Link... ich bin... so... müde..." Der Schatten über dem Blau ihrer Augen wurde dichter und dichter... "Nein, bitte, Zelda, du musst wach bleiben...", sagte er gedämpft und hasste sich dafür, dass er ihr im Moment nicht helfen konnte. Vorsichtig führte er ihre rechte Hand an seine Lippen, drückte einen Kuss auf ihre blasse Haut und hielt ihre Hand an seine Wange gepresst. "Es ist so kalt...", würgte sie hervor, atmete schlürfend ein und aus. "...hier und... überall. Es ist kalt..." Verzweifelt hievte Link ihren schwachen Körper ein Stückchen an und drückte sie an sich. "Zelda...", hauchte er. Aber sie blickte ihn nur verschwommen an, ein wenig verträumt, ein wenig unwirklich. "Zelda... ich brauche dich... bitte..." "Ich... fühle mich so müde... bitte lass' mich schlafen..." "Nein!", schrie er sie an, "Du darfst jetzt nicht schlafen, Zelda, ich bringe dich nach Hause, zu Ines. Dar wird dir helfen... Bitte, nur bitte, bleib' wach. Bleib' bei mir, Zelda." Er rüttelte sie sanft, als abermals ihre Augenlider niedersanken. Sie wehrte sich mit aller übriggebliebenen Kraft gegen seine Nähe, gegen seine Wärme und drückte sich von ihm weg. Sie wollte ihn anschreien, brüllen. Es ging um so vieles. Ihre Verletzung, ihr Versagen, könnte die gesamte Mission in Gefahr bringen. Link durfte sich nicht um sie kümmern. Sie mussten weiter oder das Schicksal der Erde und Hyrules wären für immer besiegelt... "Geh... lass' mich alleine hier... bitte geh..." "Ich lass' dich nicht allein", erwiderte er gekränkt. Er beugte sich über sie, suchte ihren Blick, der doch nur noch verschwommen war. "Zelda...", flüsterte er liebevoll. Mit Sehnsucht erklang ihr Name, verriet soviel über seine wahren Empfindungen. "Ich bringe dich nach hause... Zelda... ich..." Verärgert brachte sie halbwegs laut hervor: "Link... nein... wir können nicht zur Erde, dann... dann ist alles vorbei... " Sie krallte sich zitternd mit ihren Händen in dem Erdboden fest. Mit letzter Willenskraft zerrte sie an Links Arm und führte dessen Hand zu dem Pfeil, der gefährlich tief in ihrem Körper steckte. Sie versuchte sich aufrecht zusetzen, aber ihre Kräfte versagten endgültig und Link hielt sie fest in seinen Armen. Seufzend sagte sie: "Zieh' den Pfeil heraus..." Link sah sie nur geschockt an... wenn er jetzt den Pfeil entfernen würde, würde sie noch mehr Blut verlieren... "Nein..." "Bitte...", stöhnte sie und presste ihre Lippen aneinander. "Zelda... nicht jetzt..." Sie versuchte ihn ein weiteres Mal anzulächeln und doch lief eine salzige Träne an ihrer rechten Wange hinab. "Link... ich... habe immer..." Zitternd näherte sich Link ihren sanftmütigen, warmen Augen, bat sie inständig, zu kämpfen, bei ihm bleiben... Sie öffnete schwach ihren Mund, konnte aber kein weiteres Flüstern aus ihrem Mund dringen lassen, denn sie verlor in dem Augenblick endgültig das Bewusstsein. Der Mutant aus Ganons Armee kniete mit Schweiß auf der pelzigen Stirn vor seinem Lord nieder. Er formte seine beiden Hände zu Fäusten, dann verdrehte er diese und es knackte einmal laut in seinen Gelenken. Bei genauem Blick konnte man erkennen, dass seine Gelenke verdreht waren. "Meist- Meister... der, der Held hat gewonnen. Tötet alle. Tötete die alle." Ganon schlug sich genervt an die Stirn und verleierte seine roten Teufelsaugen. Der Mutant war so belämmert, dass es nichts brachte ihn zu bestrafen. Also stand Ganon auf und schaute aus den Fenstern der Kathedrale. Ein blutroter Schein strahlte in das Innere der Kathedrale. Ein Schein, der von einem glühenden Halbmond herrührte. Sehr bald würde Vollmond sein, dann wäre er endgültig der Herrscher von zwei außergewöhnlichen Welten. "Wo ist überhaupt Mortesk, Troplox?" "Tot... hehe... so tot... wie tot..." Ganondorf drehte sich überrascht um und funkelte mit kühlem Blick in das Mutantenwesen hinein. Er sagte die Wahrheit. "Soso... ich nehme an, die mützensüchtige Ausgeburt des Schicksals hat ihn beseitigt." Der Mutant, mit Namen Troplox, wippte einige Male mit seinem Kopf auf und ab, was unheimlich dämlich für eine Mischung aus Moblin und Eisenprinz aussah. "Gut. Hab' mich schon gefragt, wie er solange am Leben bleiben konnte, dieser Feigling. Troplox, du bleibst auf der Fährte von Link und der Prinzessin." Dann lachte der Mutant abfällig in sich hinein. "Kann nicht, wir können nicht auf der Fährte von Zelda bleiben." Damit blickte Ganon ziemlich verwirrt drein. "Wie darf ich das verstehen, dummes Häufchen Elend?" Troplox machte große Augen und zog seine aufgeplatzten, lila Lippen zusammen. Dann lugte er an die Decke. "Mor-Mortesk... hat Pfeil geschossen... auf sie und sie tot. Auch tot. So tot wie Mor..." Ganon schlug mit der Faust auf den steinernen Altar, der daraufhin zusammenbrach. Im nächsten Augenblick brachen alle Fensterscheiben in der Kathedrale entzwei und Ganon fühlte, wie Wut in ihm wuchs. Er wusste, dass sich in Zeldas Blut immer noch Magie verbarg, jenem Blut der königlichen Familie von Hyrule. Denn Zelda wurde nicht so wie Link und andere auf normalem Wege wiedergeboren, sie wurde nicht geboren. Wenn er dieses Blut besäße, könnte er vielleicht noch mehr Macht erlangen als er ohnehin schon hatte. Seit seinem Wiedererwachen war er darauf aus gewesen, es gierte in ihm dieser Wunsch, diese Macht zu haben, so wie er jahrhundertlang jede Macht besitzen wollte. Und alles, restlos alles hätte er getan, zerstört, versucht, nur um alle Macht der Welt in seinen Händen zu halten. Und nun... Außerdem hatte Ganon schon immer ein Interesse an der Prinzessin von Hyrule, ob nun an dieser Königtochter, oder eines anderen Nachfahren der Königsfamilie mit Namen Zelda. Sie war der Juwel Hyrules, schön und weise. Nicht nur das hylianische Volk selbst unterlag ihrem Zauber, auch Dämonen wie Ganondorf. Vielleicht aber war sie gar nicht tot und nur verletzt? "Troplox. Töte den Helden endgültig und nun verschwinde!", fauchte Ganon in einem abwertendem Tonfall. Er setzte sich auf den Thron und überlegte. Dann erloschen alle Kerzen in der Kathedrale und Schatten kamen aus allen Ecken der Kirche, versammelten sich demütig vor den Füßen Ganons und wandelten sich zu drei Gestalten. Die Schattengötter versammelten sich, um neue Befehle ihres Herrn auszuführen. "Zelda wurde möglicherweise getötet. Erspart euch die Mühe nach ihr zu suchen, verfolgt stattdessen die Gottheiten, welche ausgebrochen sind und diesen kleinen Kerl, der sich ebenso Link nennt." Sie verschwanden wie als wären sie nie hier gewesen. Währenddessen verlor Link im Kokiridorf immer mehr die Nerven. Er wollte nachdenken, wollte irgendetwas tun, und wusste keinen Weg aus seiner Hilflosigkeit heraus. Dumm fühlte er sich. Einfach nur dumm, zu dumm und schwach, seiner Seelenverwandten zu helfen. Es musste ihre Lunge erwischt und sicherlich eine dicke Blutader durchtrennt haben. Man hörte es an ihrer energielosen Atmung... außerdem schien durch die Wucht des Pfeils eine Rippe einiges abbekommen zu haben. Eine verletzte Lunge, eine zerfetzte Rippe, geisterte es in Links Kopf umher. Was, wenn die gebrochene Rippe sich in ihre Lunge bohrte... "... nein... Zelda!", murmelte er leise, zog die einstige Prnzessin Hyrules an sich und wurde zunehmend hilfloser und flehte sie an, sie möge ihre Augen wieder öffnen. Aber Zelda blieb besinnungslos und atmete nur sehr schwach. Link fühlte ihren Puls, entsetzt, wie unregelmäßig er kam und kniff vor Angst sie zu verlieren seine Augen zusammen. Er stützte eine Hand an seinen schmerzenden Kopf und betete für ihr Leben. Dann sagte eine Kinderstimme hinter ihm: "Linky, lass' dich nicht so hängen. Steh' endlich auf und tu' was!" Link erkannte das Wesen sofort als Navi. Sie brüllte: "Du bist der einzige, der ihr helfen kann. Also reiß' dich zusammen!" "Schön und wie soll' ich ihr bitte helfen? Ich täte es ja gerne...", schnaufte er verärgert und im nächsten Augenblick lag wieder Verzweiflung in seinen Augen. "Ich schaffe das nicht ohne sie...", flüsterte er elend. "Linky, hör' mir zu." Er stand auf und hatte Zelda nun auf seinen Armen. "Hinter den drei Hügeln im Westen des Dorfes liegt eine Heilquelle. Früher hat das reine Wasser dort bei Wunden geholfen. Ich kann dir nicht versprechen, dass diese Kraft noch wirkt, aber einen Versuch ist es wert." Link nickte mit Tränen in den Augen und blickte in Zeldas blasses Gesicht. Erst jetzt fiel ihm auf, wie zierlich sie doch war. "Ich werde dich nicht im Stich lassen, Zelda", sagte er und ertrug ihren Anblick nicht mehr. Er schaute zu Navi, die in sein Herz gesehen hatte. "Folge mir." "Was anderes bleibt mir nicht." Link hetzte dann schnellen Schrittes hinter Navi her, die nur leichtfüßig wandelte, deren Kinderbeine nicht einmal den Boden berührten. Sie hüpfte davon und Link hatte wahrlich Mühe mit Zelda auf seinen Armen ihrem Tempo zufolgen. Es dauerte nur wenige Minuten und sie erreichten jene Heilquelle, von der Navi gesprochen hatte. Link trat aus dem Schatten der Wälder hervor und erstaunte zunächst angesichts des Ortes. Ein sehr flaches Gewässer lag vor seinen Augen. Am Rande des Gewässers befand sich eine Drachenstatue, aus der Wasser floss. Link trat näher und lediglich seine Füße standen in dem kristallklaren Wasser, das irgendwie magisch glitzerte. Der Mond schien und beleuchtete den Ort, brachte das Wasser noch mehr zum Funkeln. Link hoffte, dass es seine heilende Wirkung noch hatte. Navi war wieder verschwunden. Vermutlich konnte sie ihr Erscheinungsbild nicht lang genug aufrechterhalten und wurde ab und an unsichtbar oder löste sich vollständig auf. Link legte seine Begleiterin sachte in das kristallene Wasser, sodass es ihren ganzen Körper umspülte. Er selbst kniete ebenso nieder und hielt ihre rechte Hand fest in seinen. Er betrachtete sich das edle Gesicht, aus dem das Leben schwand, ihre geschlossenen Augen mit den Ringeln darunter, ihre inzwischen bleichen Lippen, sah ihre blonden aufgewühlten Haarsträhnen, in denen Blut hing, welches er bisher nicht bemerkt hatte. Und mit jeder Sekunde, die er sie anblickte, wurde es ihm schwerer ums Herz. Es durfte nicht vorbei sein... Zeldas blaues Gewand war an ihrer rechten Seite zerfledert und in Blut getränkt. Noch immer stak der Pfeil unter ihrer rechten Brust. Wie von Feenhänden geführt, als ob es Magie war, die zu wirken begann, als ob die Götter ein Erbarmen mit der aufopferungsvollen Prinzessin Hyrules hatten, löste sich der Pfeil unter Zeldas Brust stückchenweise auf, schillerte in eben dem Licht, das auch jenes kristallenes Wasser verbarg. Mit Tränen in den Augen sah Link zu, konnte nicht verstehen, was geschah. Denn jenes Ereignis, jenes magische Treiben der alten Geschöpfe, verbarg sich vor dem Antlitz menschlicher Augen. Und als Link genauer hinsah, stellte er beruhigt fest, dass jenes magische Wasser, welches ihre Wunde berührte, dafür sorgte, die Blutung zu unterbinden, die Wunde zu heilen, Zelda das kostbare Leben zu lassen. Ein seltsamer Prozess setzte ein, und die Wunde schillerte silbern, dann golden und wieder silbern... Link berührte Zeldas Wangen, streichelte darüber, ein wenig geschockt, dass ihre Haut so kalt war... Dann fühlte er ihren Puls und beugte sich über sie, um ihre Atmung zu hören. Sie atmete nur sehr schwach. "Bitte... bitte, bei den Göttinnen...", murmelte Link verlor den Kampf gegen die Tränen. Wie kleine Sturzbäche liefen Wassertropfen seine Wangen hinab, als er seine Augen schloss. Noch nie hatte Link so viele Tränen vergossen. Nicht für irgendjemanden, nicht für sich selbst oder für das bemitleidenswerte Schicksal der Auserwählten Hyrules. Er hievte Zelda ein wenig in die Höhe und drückte sie vorsichtig an sich. Leises Flüstern entkam seiner Kehle, nur ein schluchzendes Flehen, ein Gebet, dass die Götter sie ihm nicht wegnahmen. "Bitte... ich kann nicht ohne sie leben..." Immer wieder erklang der Satz von einer beschwörenden Stimme, deren Besitzer das Kostbarste in seinem Leben verlieren könnte. Der Mond verschwand am Horizont und allmählich stieg die alte Morgensonne des hylianischen Landes auf, Nebel überzog den Kokiriwald und nur spärlich schienen rotorange, warme Strahlen des glühenden Feuerballs am Himmel durch die eisigen Nebelschleier. Kapitel 76: Allein im Verlies ----------------------------- So, ich hoffe das Kapitel ist besser als das letzte... seufz, ich weiß selbst, wie unlogisch das letzte Kapitel war, mich ärgere... Danke für über 50 Kommentare!!! Allein im Verlies Auch, wenn es früh am Morgen war, so hielt Link es für nötig ein Feuer zu machen. Aufgewühlt und nervös wühlte er zwischen den Stöcken herum, kramte nach seinem Feuerzeug, das er irgendwo hingepackt hatte, aber nun schon mehrere Minuten suchte. Er hatte Zelda in zwei dicke, pelzige Decken eingewickelt, nachdem er ein Dutzend Mal die Wunde begutachtet hatte, nur um sicher zu gehen, dass sie auch ja dabei war zu verheilen und keine Blutung einsetzte. Er fand das Feuerzeug in einer magischen, bodenlosen Tasche. Flammen loderten wenig später munter hin und her. Daraufhin widmete Link sich wieder Zelda und ihrer Wunde. Er hatte die Verletzung noch nicht verbinden können, würde dies aber jetzt nachholen. Er trug seine Prinzessin in die Nähe des Feuers und schlug die Decken auf. „Zelda?“, sagte er leise. „Mein... Engel...“ Er strich einige blonde Strähnen aus ihrem Gesicht hinter ihr spitzes Ohr. Es würde sicherlich noch lange dauern, bis sie ihre Augen wieder öffnete. In dem Moment wurde Link bewusst, wie sehr er sie doch brauchte. Wenn er sie verloren hätte... dann wären mit ihr auch seine Willenskraft weiter zu kämpfen, sein Mut und seine Hoffnung gestorben. Er hätte nicht mehr kämpfen können... Er würde aufgeben, wenn sie ihn verlassen hätte und nichts in der Welt wäre ihm ein Ersatz für seine geliebte Zelda. Er betrachtete sich Zeldas zerfetztes blaues Gewand und überlegte, wie er die Wunde am besten verbinden könnte. Vorsichtig lehnte er Zelda mit dem Rücken an einen Baum, bemüht sie nicht unnötig aufzuwecken. Es war vielleicht besser, sie schlief und ertrug die Schmerzen nicht bei vollem Bewusstsein. Dann tauchte Navi unverhofft auf und gab Link einen Klaps auf den Hinterkopf. „Du schon wieder...“, murrte er, aber nicht verärgert, sondern eher erfreut sie zu sehen. „Hast du die Wunde schon verbunden, Linky.“ Er schüttelte nur verlegen mit dem Kopf. Dann wurde Navis Grinsen immer breiter; und ihre Mundecken stießen beinahe an die spitzen Ohren ihres Kopfes. Dann kicherte sie und brachte lautstark hervor: „Hahaha... ich kann mir schon denken warum. Du bist zu feige ihr das Gewand auszuziehen... hahaha.“ Dann zeigte sie mit dem Zeigefinger auf ihn und lachte erneut herzhaft. Fassungslos, dass Navi ihn schon wieder durchschaut hatte, klappte sein Mund auf. Link schaute verlegen zu Boden und fand nicht die Worte, um Navi jetzt Kontra zu bieten. Zelda war schließlich eine Lady, war der einzige Gedanke, der ihm einfiel. Es gab im Augenblick anderes als diese dummen, lächerlichen Witze. Vor wenigen Minuten noch ging es um Leben und Tod. Wie sollte Link jetzt noch auf Navis Witze antworten? „Ich...“, sagte er, aber fand einfach kein Lächeln. „Ich möchte mich bei dir bedanken, Navi. Wenn du nicht gewesen wärst, dann hätte Zelda nicht überlebt. Ich hätte ihr nicht helfen können.“ Trübsinnig setzte sich der junge Held und zeriss vorsichtig die blaue Bluse an ihrer rechter Seite. „Aber Linky?“, sagte Navi irritiert. Er war niedergeschlagen, das wusste sie und sie verstand sehr wohl die Sorgen, die er sich um Zelda machte. Aber, dass seine Gefühle ihr gegenüber so tief gingen, hätte sie nicht gedacht... Navi hörte schlagartig auf zu kichern und setzte sich zu Link. „Das machst du gut. Zelda empfindet bestimmt keine Schmerzen, wenn du so umsichtig bist. Die Wunde ist nicht so tief, wie du dachtest, Linky.“ Er nickte nur. Sie wagte einen Blick in sein Gesicht und da war er wieder... sein Blick... er wirkte so mitgenommen... Sie war doch am Leben, was wollte er mehr? Warum machte er ein Gesicht, als ob er am Untergang Hyrules die Schuld tragen würde? „Linky? Ist irgendetwas mit dir?“ Er schüttelte mit dem Kopf, aber eine einzelne Träne verriet ihn dann doch. Er ließ kurz von Zelda ab. „Link?“ Er schaute Navi an, da sie das erstemal auf die überflüssige Silbe in seinem Namen verzichtete. „Du verstehst das nicht, Navi, wenn Zelda... wenn sie...“ „Nun sag’ es endlich. Ich frage mich, warum du diese Worte nicht über die Lippen bringst.“ „Verdammt Navi, ich...“ „Ja?“ Und Navi hielt eine Hand an ihr Ohr, um sich zu vergewissern, dass er es jetzt wirklich sagen würde. Sie grinste und in dem Moment wirkte sie erstmalig wie ein kleines Feengeschöpf, denn ein milder Schein der Wärme und des Lichtes umgab sie. Link schloss seine Augen und formte die Worte mit seinen Gedanken, um zu testen, wie sie sich anfühlen. Dann platzte es aus ihm hervor, wie als könnte er sich selbst nicht mehr zügeln. „Ja, ich liebe sie.“ Er stand genervt auf und wiederholte lauter: „Verdammt noch mal, ich liebe sie, schon immer, seit ich denken kann, ist sie in meinem Kopf. Und bei allen, verdammten Göttern Hyrules, ich liebe sie einfach! Ich kann mir nicht vorstellen, jemals aufzuhören, sie zu lieben! Zufrieden?“ „War das so schwer?“ Er schüttelte den Kopf und schaute verlegen weg. „Na, dann wirst du meine Hilfe wohl nicht länger benötigen. Ruh’ dich aus, nachdem du Zeldas Wunde verbunden hast. Ich schaue später noch mal vorbei.“ „Ähm, Navi?“ Und das aller erste Mal berührte Link die Hand des merkwürdigen Kindes. „Danke für alles...“ Sie nickte und löste sich vor seinen Augen im Nichts auf. Link kümmerte sich wieder liebevoll um seine Prinzessin. Er beugte sich über sie und lehnte sie nun gegen seinen eigenen Brustkorb, da er am Rücken unbedingt den Reißverschluss ihrer blauen Bluse öffnen musste. Keine Zeit für Peinlichkeiten. Navi hatte vollkommen recht. Entweder er überwand seine Schüchternheit ihr gegenüber; oder sie würde sich noch irgendwelche schlimmeren Folgen an der Wunde holen. Mit Infekten ist schließlich nicht zu spaßen. (Ich weiß, dass einige verrückte Link- Spinner Zelda gerne tot sehen wollen, aber diesen Gefallen erfülle ich derartigen Leuten in meiner Fanfiktion nicht. Man kann solchen Leuten wohl nur raten, das Spiel, nein, jedes! der Zelda- Spiele mal kräftig zu überdenken... von wegen Zelda ist immer auf die Hilfe von Link angewiesen…) Er streifte vorsichtig das in Blut getränkte, zerrissene Gewand über ihren Kopf, stets bemüht sie zu keiner überflüssigen, schnellen Bewegung zu zwingen. Achtsam legte der junge Held sie mit dem Bauch auf eine Decke und kramte nach dem Verbandsmaterial. Sorgfältig betrachtete er sich die Wunde und konnte gar nicht beschreiben, was diese seltsame Flüssigkeit der Quelle bewirkt hatte. Die Wunde hatte nun eine silbrig-rosa Farbe, aber nirgendwo war Blut, nirgendwo der Ansatz eines Grindes... als läge eine unsichtbare Schicht über der Wunde, die nichts hinein und nicht hinaus ließ. Link beförderte Zelda umsichtig aufrecht und lehnte sie wieder gegen seinen eigenen Oberkörper. Stück für Stück verband er die Wunde, legte die Bandagen abwechselnd um ihre Schulter und um ihren Bauch und schnürte diese sachte zusammen. Er bedeckte Zelda in seinen Armen gefühlvoll mit einer Decke, als sein Blick wieder zu ihrer zerfetzten Bluse wanderte. Zelda konnte dieses Stück Stoff nicht mehr tragen. Außerdem würden sie sehr bald in die Nähe von Zoras Reich kommen. Link nahm an, dass es dort kühler sein würde und hatte dann eine Idee. Seine Prinzessin brauchte bestimmt etwas wärmeres... Er wühlte in seinen Sachen herum und fand einen dunkelgrünen Pullover aus dickem Stoff mit Rollkragen. Der würde sie sicherlich warm halten, dachte Link und zog ihr den Pullover einfach an, auch wenn er einige Nummern größer war. Doch gerade das machte Zelda für ihn noch verletzlicher, noch empfindsamer. War sie in der Lage diese Schmerzen durchzustehen? Und sie musste Schmerzen haben, denn ab und an zuckte sie und stöhnte leicht im Schlaf. Auch Link musste sich eingestehen, dass er nun Ruhe bräuchte. Mit Zelda in seinen Armen schlief er für einige Stunden ein. Fünf Stunden später wurde er von Navi geweckt, die wie versprochen einmal mehr vorbeigeschaut hatte. Sie wunderte sich zunächst über den grünen Pullover, den Zelda trug, lächelte jedoch. „Und Linky, geht’s dir jetzt ein wenig besser?“ Er nickte zwar, schien aber eine Spur verbittert über ihre Wortwahl: „Solltest du nicht Zelda fragen, wie es ihr geht, statt ihren unfähigen Beschützer.“ Navi beugte sich näher, stellte fest, dass Zelda immer noch tief und fest in seiner schützenden Umarmung schlief. „Egal, Linky, ich will mich nicht mit dir anlegen, das weißt du doch?“ Er verdrehte genervt die Augen und sagte: „Also, was willst du mir sagen?“ Link legte Zelda vorsichtig auf die Decke und stand auf. „Das Problem liegt in der Zeit... wenn du nicht aufbrichst und aus der Stätte des Waldweisen das Elixier beschaffst, dann wird die Zeit knapp.“ Link antwortete nicht. Er konnte nicht einfach alleine losziehen. Die Prinzessin brauchte seine Anwesenheit, das spürte er. Sie brauchte ihn. Was, wenn erneute Gefahr drohte? Sie konnte sich in ihrem Zustand nicht verteidigen. „Ich weiß, was du befürchtest. Du hast Angst, sie im Stich zu lassen.“ Er nickte. „Und was ist mit der Welt. Willst du denn die ganze Menschenwelt im Gegenzug im Stich lassen? Ein schöner Held bist du!“ „Und wenn ich aufbreche, was wird dann aus Zelda?“ Navi deutete vielversprechend in Richtung Westen. „Dort hinten befindet sich eine kleine Lichtung, wo sehr alte, mächtige Bäume in die Höhe ragen. Damals hast du dich in den hohlen Stämmen jener Laubgeschöpfe verkrochen, wenn man dich gehänselt hatte. Bringe Zelda dorthin. Niemand wird sie dort jemals finden.“ Link folgte Navis Anweisungen und kurze Zeit später erreichte er jenen Ort, der geschützt hinter einigen Felsmauern lag. In einem der Bäume führte ein schmaler Zugang direkt in dessen Inneres. Er verabschiedete sich von seiner Prinzessin und sagte gedämpft: „Wach’ nicht auf, bevor ich wieder da bin... ja?“ Er küsste ihre Stirn vorsichtig. Dann legte er Zeldas erschöpften Körper hinein, versperrte den Zugang durch Stöcke und Laubblätter, jedoch so, dass die Stelle nicht auffiel. „Ich werde so lange auf sie Acht geben, wie ich kann, Linky.“ Wiederrum nickte er und wühlte die Karte heraus: „Die Stätte ist weit im Osten, nicht wahr?“ Navi lugte mit ihren riesigen grünen Augen auf die Karte und nickte breit lächelnd. „Halte dich mit dem Kompass immer östlich, dann wirst du die Stätte nicht verfehlen. Noch etwas: Nimm’ einen Telepathiestein mit. So kannst du vielleicht sehen, wie es ihr geht, falls nötig. Bis später.“ Damit brach Link auf, nahm einen blauen Stein mit und traute sich nicht zurückzublicken. Und ein sorgenvoller Ausdruck in seinen Augen, verborgen hinter einem Funken Mut ließ vermuten, wie ungern er Zelda jetzt alleine ließ. Doch eine Wahl hatte er nicht. Er müsste das Elixier beschaffen, so schnell wie möglich. Denn noch gab es hier in der alten Welt Hyrule Unmengen zu tun... Link erreichte atemlos die Stätte eines weiteren Weisen. Ein altes mit Moos bewachsenes Verlies lag vor ihm, ein etwas kleineres Gebäude mit einer Vielzahl von hohen grauen Säulen, die einen schweren Aufsatz abstützten. Einige der Säulen waren schon teilweise zertrümmert. Zu beiden Seiten der Stätte befanden sich flache Wasserstellen mit Springbrunnen aus seltsamen geflügelten Märchenstatuen versehen mit Blattgold. Vor Link lag ferner ein hoher Eingang ohne Tor und dahinter eine befremdende Dunkelheit. Das Verlies hatte von außen gesehen nicht ein einziges Fenster und auch sonst führte kein Lichtstrahl hinein. „Also gut“, sagte Link zu sich selbst. Er kniete einen Augenblick nieder und nahm einen Schluck Wasser aus seiner Flasche. Im Moment fühlte er sich alles andere als in der Lage dieses Labyrinth zu durchforsten. Aber jammern konnte er später. Er rubbelte sich über seine Stirn und da bemerkte er, dass sein Cape ihm fehlte. Irgendwie war ihm als bräuchte er dringend eine neue Mütze... Link atmete tief ein, nahm sich seine Öllampe und lief schnurstracks mit neugewonnenem Mut hinein in jene alte Stätte. Aufmerksam folgte er einem langen dunklen Gang, von denen er allmählich die Nase voll hatte. Immer wieder lange Gänge, die kostbare Zeit raubten. Gänge und Gänge. Nichts als Gänge. Der junge Held strahlte mit dem schwachen Licht seiner Lampe umher und erkannte hier und da groteske Verzierungen an den Wänden rechts und links von ihm. Steinköpfe mit fiesen, spöttischen Gesichtern, aus Stein gemeißelte Augen mit abnormen Pupillenformen, von denen Link dachte, sie könnten ihn anschauen, und vielerlei andere Figuren, die schauderhafte Geschichten erzählten. Und alle Gebilde waren umgeben von Spinnenweben, Moospflanzen und Schlingpflanzen. Mit der Zeit wurde der Weg steiler, ab und an fielen Link in der Dunkelheit Stufen auf, die ihn noch weiter in das Verlies brachten, hinein in die unterirdische Dunkelheit. Link, der nun schon viele Minuten unterwegs war, erreichte das Ende des Weges. Aber... Er leuchtete mit seiner Lampe umher und erkannte nur eine weitere Wand vor sich. Hatte er vielleicht irgendeine Abzweigung verpasst? Bestand der Ort nur aus einem langen Gang? Er legte eine Handinnenfläche auf das kalte Gestein der Wand und klopfte vorsichtig mit einem von Narandas Dolchen dagegen. Ja, in der Tat, es hörte sich hohl an. Dahinter befand sich sicherlich ein weiterer Weg. Aber wie sollte er diese Wand beseitigen? Schließlich hatte er keine Bomben wie die Spielfigur Link dabei... Frustriert latschte Link einmal kräftig gegen die rissige Wand, die daraufhin leicht bröselte. Na gut, dachte er und stellte seine Lampe neben sich ab. Wieder untersuchte er die Wand, und kleine feine Löcher erweckten seine Aufmerksamkeit. Er rempelte die Wand einmal leicht an und wieder bröselte sie. Dann flackerte plötzlich das Licht seiner Lampe, was ihn irgendwie unruhig werden ließ. In jenen dunklen Gängen, wo ohnehin nichts als Schwärze herrschte und das winzige Licht einer Lampe umherleuchtete könnten sich überall dunkle Kreaturen einnisten. Der Gedanke spornte Link abermals dazu an, die Wand mit bloßen Händen zum Einstürzen zu bringen. Und schließlich hörte der aufmerksame Hylianer viele kleine Geräusche, die vermutlich von Käfern oder Würmern stammten. Erneut fiel sein Blick zu der Lampe und entgeistert erkannte er, dass etliche Insekten, die er noch nie gesehen hatte, über die Lampe krochen, hin zu der Mauer und wie um ihr Überleben kämpfend zwängten sich die Geschöpfe durch die kleinen Ritze in der Wand. Link nahm seine Lampe und sah mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend nach hinten. Viele weitere Krabbeltiere krochen auf ihn zu, alle vermutlich auf der Flucht vor etwas viel größerem. Da erkannte Link die Gefahr und kraftvoll warf er sich gegen die Wand, hoffte, sie würde einstürzen. Aber noch bildeten sich lediglich Risse. Dann hörte er aus dem Hintergrund weitere, gefahrvollere Geräusche ohne Gnade. Etwas näherte sich. Etwas Monströses. Eine Höllenkreatur ohne Mitgefühl und Erbarmen. Und die Wände vibrierten. Der Boden bebte. Link warf sich weiterhin verzweifelt gegen die Wand, die zerbröselte, aber noch nicht einstürzte. Ein giftiges Zischen, ein mordlüsternes Schnalzen. Link zog sein Schwert aus dessen Schwertscheide und umkrallte den Griff fest mit seiner linken Hand. Er schöpfte Kraft, Mut und Durchhaltevermögen daraus. Kraftvoll wirbelte er die Klinge in die trügerische Dunkelheit und hörte, wie sie die stehende Luft in den uralten Gängen zerschnitt. Zu Links Überraschung sprühte die Klinge einen silbernen Lichtregen in die Schatten, wo eine bestialische Kreatur Ganons hauste und sich schrittweise unserem Helden näherte. Der Achtzehnjährige spitze seine Ohren und vernahm ein tiefes, geräuschvolles Atmen und im Anschluss ein flatterhaftes Geräusch, als würden irgendwelche Häute in dem Mund der Bestie beim Luftholen in Bewegung gesetzt werden. Es klang wie ein elendes Schnarchen, wie ein freudiges Schnalzen mit einer riesigen Zunge und Funken Grausamkeit erzeugten sich aus trockener, verbrauchter Luft, die Link entgegenkam. Die Lichtfunken von vorhin trafen einen pelzigen Leib und lösten sich in Luft auf. Trotz allem konnte Link die Größe des Monstrum ungefähr einschätzen. Und es war groß. Es war gigantisch... Jetzt hieß es für Link, entweder die Wand zerschmettern oder kämpfen. Ohne weiter zu überlegen warf er sich so kraftvoll wie nie zuvor gegen die bröselnde Wand, diesmal so, dass seine Schulter aufgrund der Wucht des Aufschlags auf das harte Gestein schmerzte. Link biss die Zähne zusammen und probierte es weiter. Größere Risse bildeten sich und die Wand sprang in der Mitte entzwei. Der gewandte Kämpfer hetzte mit seiner Lampe in der rechten und dem Schwert in der linken Hand hindurch. Weitere Wege öffneten sich ihm und nur spärlich hörte er das dumpfe Grölen des Höllengeschöpfes hinter sich. Es entfernte sich weiter und weiter, bis der Heroe langsamer lief und erleichtert ein tiefes „Glück gehabt“ seiner Kehle entkam. Der Blondschopf erreichte erstaunt ein hohes Gewölbe, welches annähernd einer Krypta entsprach. In allen Ecken des Raumes befanden sich Särge, viele Säulen, und in der Mitte eine mit Schriftzeichen markierte Plattform. Link entfachte mit dem Feuer seiner Lampe einige Fackeln des Gewölbes, die an den Wänden aufgereiht waren. Dann las er in aller Ruhe die hylianischen Schriftzeichen, die in das Gestein der Plattform eingemeißelt waren. Ein Segen, dass er jetzt Hylianisch lesen konnte... sonst wäre er ohne Zelda verloren. Und wieder war er mit seinen Gedanken bei ihr. Hoffentlich ging es ihr den Umständen entsprechend gut... Er las die Zeichen ein weiteres Mal, nun verstand er erfreulicherweise dessen Inhalt: „Sei gewarnt, Fremder, was du suchst wirst du nicht ohne Taten des Willens erhalten. Was du begehrst, fordert dich heraus, fordert deine Kraft und Kühnheit. Verlierst du diese Prüfung, verlierst du mehr als jenen Kampf, verlierst du mehr als dich selbst und mehr als dein Leben...“ Das konnte ja heiter werden... Link trat vorsichtig auf die weiße Plattform, die ihm inzwischen wie eine Art Siegel vorkam. Er wartete einige Sekunden. Ein Rauschen, wie wehender Wind umspielte seine Elfenohren. Dann ein Flüstern. Plötzlich erschienen umgeben von starrem, kühlem Licht vier gespensterartige Gestalten am Rande der Plattform aufgereiht. Zugleich zog Link sein Schwert. Vier Wesen in Rüstungen erschienen ihm, aber ihre Aura war weder böse noch verräterisch. Link wusste, dass diese Ritter einst zu der guten Seite des Kräftegleichgewichts gehörten. „Wir waren einst Ritter eines Ordens im Osten der hylianischen Steppe, getreue Diener der Königsfamilie. Doch als das Ende über uns kam, wählten wir hier unsere Ruhestätte. Kämpfe gegen uns und du sollst erhalten, was dein Begehr ist.“ „Ich suche lediglich die Elixiere der Sieben Weisen. Ist ein Kampf wirklich nötig?“ Daraufhin hielt einer der Ritter Link das Schwert vor die Nase. „Zweifelst du an unserer Urteilskraft, Held? Ja, der Kampf wird nötig sein, um deinen Mut, deine Kraft und Geschicklichkeit zu testen. Wenn du gewinnst, gehört das Elixier dir.“ Link war überhaupt nicht nach kämpfen zumute, denn immer noch befand sich Zeldas Bild in seinen Gedankengängen und es ließ ihn einfach nicht los. „Du fühlst dich nicht bereit für diesen Kampf?“ Und der junge Held war ehrlich mit sich selbst. Elegant führte er das Schwert zurück in dessen Scheide. Er konnte so nicht kämpfen. Nicht wenn er ständig an Zeldas Wohlbefinden denken musste. Er würde an seiner Unaufmerksamkeit kläglich verlieren. Er schüttelte mit dem Kopf. Zu Links Überraschung nahmen die vier Ritter alle ihre starken Stahlhelme ab und lächelten aufmunternd in seine Richtung. Sie alle hatten einige Narben in ihren Gesichtern und wildes, ungestümes Haar. Einer der vier Soldaten hatte plötzlich ein Päckchen in seiner Hand. Rasch warf er den kleinen Beutel in Links Richtung und dieser fing ihn auf. „Nimm’ ihn. Wir wissen auch so, dass du diesen Test bestehen wirst. Dein Herz ist rein, dein Mut beispiellos und deine Absichten edel. Du bist ein wahrer Held, vielleicht einer der letzten in einer grausamen Welt. Geh!“ Link schaute sich die Reihe von Rittern unglaubwürdig an. „Danke...“, sagte er leise. Er hüpfte von der Plattform und hetzte zum Ausgang, blickte noch einmal nach hinten und erkannte zufriedene Gesichter. „Aber irgendwann werden wir dir erneut begegnen, Held, dann wird es einen Kampf geben.“ Link nickte und verschwand. Erleichtert und zufrieden durchquerte er die Stätte bis zum Beginn, kam an der zertrümmerten Wand vorbei, rannte weiter, bis er am Tor herauskam. Er schaute beruhigt hinauf zu dem blauen Himmel. Er kramte den blauen Telepathiestein heraus und versuchte Zelda darin zu orten. Aber er sah sie einfach nicht. War die Entfernung zu groß? Oder gab es einen anderen Grund? Link versuchte es erneut, doch er konnte Zelda nicht fühlen oder sehen. Als Folge dessen wurde der Blondschopf unruhiger und zunehmend staute sich Spannung in ihm auf. Warum konnte er Zelda nicht ausmachen? Stimmte vielleicht etwas nicht mit ihr? Leichtsinnig und unaufmerksam rannte Link in Richtung Westen, dorthin, wo die alten Bäume mit den hohlen Stämmen standen, wurde sich aber der Gefahr, die sich ihm näherte, nicht bewusst. Das einzigste Geräusch kam von Links Stiefeln, die sich durch hohes Gras bewegten. Der Schwertkämpfer schaute nicht zurück, schaute nur nach vorne und sprintete, inzwischen außer Atem, durch den Wald. Im Hintergrund bewegten sich viele, riesige Beine eher lautlos vorwärts, hatten ihre Beute schon im Ziel und schlichen, auf einen günstigen Moment wartend an Link heran, pirschend, suchend, schmeckend. Der junge Elf blieb kurz stehen, hatte ein seltsames Gefühl, das er jedoch verdrängen wollte. Er dachte immer noch an Zelda und ihre Sicherheit. Er wollte so schnell es ging bei ihr sein, wünschte sich, sie würde ihre unbeschreiblichen Augen wieder öffnen, ihn anlächeln. Er lief einige Schritte und blieb erneut stehen. Schnell drehte er sich um und suchte den ganzen Wald nach der sich nähernden Gefahr ab. Doch er konnte nichts ausmachen. Kurzum hielt er jene merkwürdige Wahrnehmung für Einbildung und folgte wieder kopfschüttelnd seinem Weg. Doch hinter ihm kroch eine Bestie der Dunkelheit durch die alten Kronen der altehrwürdigen Laubbäume. Es verzerrte sich nach Frischblut, genoss den Geruch von jungem Hylianerfleisch in der Luft und krabbelte leise vorwärts. Erneut blieb Link stehen und erspähte den moosigen Waldweg. Dann packte ihn ein enormer Stich auf seinem linken Handrücken. Überall wanderten seine Augen hin, zu den Kronen der Bäume, zurück, nach vorne, doch er konnte nichts sehen, was jene Vorahnung als wahr erweisen würde. Link lief einige Schritte rückwärts und stolperte über eine aus dem Boden herausragende Wurzel. Er krachte auf seinen Rücken und blieb regungslos liegen. Sorgsam erblickte er den Ort, an welchem er sich befand. Denn trotz der Tatsache, dass es erst gegen Mittag war, herrschte in den Tiefen jener Wälder eine erbarmungslose Dunkelheit und das Licht der Sonne wurde von dicken Laubschichten gehemmt. Link kam sich kläglich vor, wohl weil in seinen Gedanken nur Zelda herumgeisterte. Seine Prinzessin. Sein Licht... Er setzte sich gemächlich aufrecht und beobachtete jede Bewegung im Unterholz. Er war sich nun sicher, dass etwas falsch war. Kurzer Hand stand Link auf und rannte hinter einen breiten Baumstamm, dann wartete er und hörte ab und an ein Rascheln irgendwo da draußen in den Wäldern. Das Rascheln näherte sich, wurde lauter, gefahrbringender. Link tappte leise zur Seite, schaute um die Ecke und versuchte die Bestie zu erkennen. Aber nichts war da. Plötzlich aber wurde der üble Schmerz auf seiner linken Hand stärker und er riss erschrocken die Augen auf. Langsam drehte Link seinen Kopf zur Seite, erkannte aus seinen Augenwinkel etwas direkt hinter ihm. Link wirbelte herum, griff gleichzeitig reflexartig nach dem Heft seines Schwertes und erkannte eine mörderische, riesige Gestalt vor ihm. Tapfer hielt er das Schwert in der Hand und studierte seinen Gegner. Es handelte sich um eine spinnenähnliche Teufelei mit vergleichsmäßig geringem Bauch und Kopfteil aber einer Art Horn, die den verhältnismäßigen kleinen Kopf verschönerte. Respekt zollten erstaunliche muskelbepackte lange Beine mit gefährlichen reißzähneartigen Klauen. Und der gesamte gigantische Körper der Riesenspinne wurde umhüllt von Spinnenweben, eine Art Schleim und einem pelzigen Panzer. Link schluckte einmal kräftig. Die Bestie war ein Alptraum schlechthin und... gewaltig. Es setzte zum Angriff an. Vier gefährliche Riesenbeine stürzten sich auf Link. Ohne weiter nachzudenken, rollte sich der mutige Kämpfer zwischen den acht Beinen der Bestie hindurch und hörte nur noch das schnelle, aufgeregte Schlagen seines eigenen Herzens, welches ihm lauter erschien als das krachende Geräusch der Klauen, die sich tief in den Erdboden hineinfraßen. Link kam hinter dem Höllengeschöpf zum Stehen und versuchte gelassen zu bleiben, die aufkommende Furcht in ihm zu bezwingen, wie die Bestie, die er niederringen würde. Das Spinnenwesen kroch rückwärts, direkt in Links Richtung. In Windeseile rannte Link davon, in genau die Richtung aus der er kam, zwischen Sträuchern und Ästen hindurch, die in sein Gesicht schlugen und Kratzer hinterließen, ständig begleitet von dem todbringenden Geräusch vieler Beine, die sich hinter ihm herbewegten und ihre Klauen in sein eigenes Fleisch senken wollten. Der junge Mann rannte schneller, hetzte nach Osten, wich nach Westen aus und krallte sich dann mit aller Kraft einen stabilen Ast und beförderte sein gesamtes Gewicht nach oben. Er blickte weit genug über dem Erdboden zurück und plötzlich war wieder Funkstille und das Geschöpf blieb unerkannt. Tief in den Wäldern jedoch lauerte es, das mordlüsterne Ungetüm, wartend bis Link seine Vorsichtigkeit ablegte. Und auch Link wartete- auf die Gelegenheit dem Diener des Bösen den Gar aus zu machen. Seine tiefblauen Augen wanderten. Bei jeder Bewegung wurde Link umso aufmerksamer. Ein Rascheln drang an seine Ohren, so trügerisch wie die Morgendämmerung in der alten Welt Hyrule. Ein Knistern irgendwo in den Gehölzen. Er folgte dem Geräusch, entdeckte einem Rosenstrauch, den er vorher nicht bemerkte, der sich bewegte und das Geräusch verursachte. Ein Rosenstrauch? Hier im Kokiriwald? Link sprang vom Baum herab, landete mit einem dumpfen Schlag mit seinen Fußballen auf dem Boden und lief zu dem Strauch mit den weißen Rosen hinüber. Er berührte eine der Blumen, erstaunt über den feinen Duft, den sie aussendeten und ihn irgendwie an Zelda erinnerten. Er pflückte gerade eine Rose, als der Strauch erneut wackelte. Link trat einen Schritt zurück und kreischte laut auf, als ein Geschöpf mitten aus dem Strauch herausgesprungen kam und in sein Gesicht hüpfte. Link fiel zu Boden, richtete sich aber hastig wieder auf und sah ein einfaches Kaninchen davon hoppeln. Erleichtert stand Link auf und blickte wieder mit dem Schwert in der Hand um sich. Allmählich reichte ihm dieses Katz- und Maus- Spiel. Ja, in der Tat... sein Gegner spielte mit ihm, lauerte ihm auf, ohne das Link es sehen konnte. Es wurde ruhig, noch ruhiger, sodass Link seine eigene Atmung hören konnte. Nicht einmal der Wind wehte mehr. Link schloss seine Augen und hörte auf den Schmerz seiner linken Hand, der sich durch die Anwesenheit dunkler Kreaturen nährte und ausbreitete. Es war nah, es bereitete sich auf einen Angriff vor. Von einer Sekunde auf die andere wurde Link der Boden unter den Füßen hinweggezogen. Krallen senkten sich tief hinein in die Haut seiner Beine und beförderten ihn auf seinen Bauch. Sein Gesicht landete schmerzhaft auf bloßem Erdboden und nur schwerlich konnte Link sich der Schwärze vor seinen Augen entziehen. Link kämpfte, versuchte sich umzudrehen und fühlte einige weitere Spinnenbeine, die seine Arme gefangen hielten. Er zappelte, fluchte, spürte, wie seine Beine schlapp wurden. Waren die Klauen der Bestie auch noch vergiftet? Mühsam, zitternd, tastete Link nach dem Dolch, welchen er an seinem braunen Ledergürtel befestigt hatte. Er umgriff ihn und warf ihn einfach nach hinten, hoffte, er würde sein Ziel finden. Link atmete laut aus, als einige Klauen ihn losließen und er sich umdrehen konnte. Seine Kräfte verließen ihn mit fordernder Gemeinheit, als er einige Meter nach hinten krabbelte. Die Bestie hatte den Dolch mitten in das eine Auge bekommen, welches über dem Horn angebrachte war. Das Biest wich wütend zurück, die Beine schlugen gewaltsam nach allem, was sich in der Nähe befand. Gerade so wich Link den Hieben aus, rollte sich über den Boden und kroch mit dem Gewicht seiner tauben Beine in die Nähe eines Baumstumpfes. Er lehnte sich mit dem Rücken dagegen und spannte mühevoll einen Pfeil auf seinem Bogen. Er traf den pelzigen Leib des Höllengeschöpfes, aber noch brach es nicht in sich zusammen. Weitere Pfeile zischten durch die Luft, die sich alle in den Bauchteil hineinbohrten. Aber es brachte nichts- bis Link die Pfeile ausgingen. Die mörderische Brut bewegte sich auf ihn zu, obwohl sie nichts sah und schlug nach ihm. Link zog sich vorwärts, drehte sich um und sah im letzten Moment eine gefährliche Kralle auf ihn zurasen. Er kniff die Augen zusammen, dachte kurz an Zelda, und fragte sich, ob sie sein letzter Gedanke sein sollte. Dann spürte er einen unangenehmen Schmerz auf seiner Brust und schrie aus Leibeskräften auf. Mit letzter Kraft packte Link sein Schwert und wirbelte es einige Male herum, traf einige Klauen der Kreatur, die er abtrennte. Zischend warf sich die Bestie zurück, sendete klägliche Laute aus, die Links Ohren betäubten. Der Heroe biss die Zähne zusammen, stützte sich auf seine Knie und im Anschluss auf sein Schwert. Seine Beine zitterten unter dem Druck seines Gewichtes und dem inneren Druck jenes Giftes, welches er nicht zu neutralisieren wusste. Link lief in langsamen Schritten auf die Spinne zu, humpelte vorwärts und hob sein Schwert leicht an. Er stach zu, mitten hinein in den widerlichen Kopf der Kreatur Ganons. Schwarzes Blut spritzte und verteilte sich auf dem grünen Gras der ehrwürdigen Kokiriwälder. Ein weiterer Stoß und die Kreatur löste sich auf, als wäre sie nie hier gewesen. Nur Link brach zusammen und blieb auf seinem Rücken liegen. Das Licht der Sonne blendete ihn und seine Augenlider wurden immer schwerer. Er führte seine bleischweren Arme zu seiner Brust und betastete die hässliche, aber nicht allzu tiefe Wunde. Eine abgebrochene Kralle steckte dort, die er mit letzter Kraft aus seiner Haut herauszog. Dann fielen ihm die Augen zu und er blieb ausgebreitet auf dem Waldboden liegen. Nach der kurzen Verschnaufpause lief Link auf wackeligen Beinen zurück in die Nähe der alten Bäume, wo Zelda schlief. Ab und an wurde ihm schwarz vor Augen, aber er klammerte sich in dem Moment an irgendwelche Äste oder stützte sich kurz auf seinem Schwert ab. Der Kampf gegen dieses Killerinsekt hatte ihm irgendwie den Rest gegeben. Es waren nicht nur die Schürfwunden überall und die Schnitte an seinen Beinen, die ihm zusetzten, sondern auch das Gift in seinen Wunden. Aber er lief weiter, wollte zu Zelda, wollte bei ihr sein und sehen, wie es ihr ging. Er schöpfte ungeheure Kraft aus einem Gedanken an sie. Es dauerte ewig bis Link den Ort erreichte. Mit einem leichten Lächeln in dem verschwitzten Gesicht humpelte er zu dem hohlen Baum, in welchem sie schlief. Doch als er näher trat, erkannte er schockiert, dass die Äste und Laubblätter davor verschwunden waren und sich Zelda nicht in dem Innenraum befand. Er ließ sich kraftlos und entsetzt auf die Knie sinken und fühlte immer mehr seine Kräfte schwinden. „Zelda?“, rief er hinein in den Wald, aber keine Antwort. Einige wenige Vögel flogen aus den Kronen der Laubbäume, aber von Zelda keine Spur. Link lehnte sich an einen Baum, unterdrückte den Gähnzwang, blinzelte durch sein verschwommenes Blickfeld, aber niemand war hier. „Navi?“, rief er, nun mit heiserer Stimme. Doch niemand antwortete ihm. Seufzend und schwer atmend verlor der junge Kämpfer für wenige Augenblicke das Bewusstsein. Das Kratzen an der großen Stahltür zu Ines Keller verschwand nicht. Irgendetwas wartete da draußen, irgendetwas wollte sich Zugang beschaffen und bereitete sich auf die Gelegenheit vor, das letzte Leben in dem unterirdischen Lager auszurotten. Sian stand mit wachen Augen vor der großen Stahltür und fragte sich, wie lange diese wohl noch bestehen würde und wie viele Bestien Ganons, von welcher Größe, dahinter auf ihn lauerten. Er hatte die Beschützerrolle der Weisen übernommen und würde so lange kämpfen wie es nötig war, um seine Aufgabe zu erfüllen. Er saß an einer Wand angelehnt und schliff seine beiden Dolche, seine Lieblingswaffen. Trotz der beunruhigenden Situation merkte man dem rotäugigen Jugendlichen seine Nervosität nicht an. Wenig später tauchte Impa neben ihm auf. Wie sie sich mal wieder so unbemerkt hatte heranschleichen können, ist fraglich und doch war sie aus der Dunkelheit in dem dunklen Gang erschienen. Sie hatte eine Tasse Suppe für Sian in der Hand und setzte sich. „Bist du denn nicht müde?“ „Ich... nein...“, sagte er und blickte in Impas Augen, die seinen unvorstellbar ähnelten. „Noch nicht.“ „Es wird nicht mehr lange halten.“ „Du meinst das Tor? Ja... es ist nur eine Frage der Zeit bis Bestien hier hereingestürmt kommen.“ Er nahm einen Schluck von der Suppe und schaute Impa dann nachdenklich an. Er sagte das, was die stolze Direktorin schon die ganze Zeit vermutete: „Zelda leidet... sie ist verletzt, Impa.“ „Ja, ich weiß...“, entgegnete sie, „und sie hat Angst... aber nicht um sich selbst, Sian.“ Impa legte eine Hand auf Sians. „Ich bin froh, dass du hier bist... du bist ja schließlich wie ein Sohn für mich.“ Er nickte lächelnd und sah Impa hinterher, als sie den dunklen Korridor verließ. Link wurde plötzlich gerüttelt und sah dann Navis aschblonde Locken mit den blauen Schleifen im Haar vor sich. „Navi?“ „Ja, Link. Ich bin es. Was ist denn mit dir passiert?“ Link strich sich über seine Augen und hielt eine Hand schützend vor sich, um von dem Sonnenlicht nicht geblendet zu werden. „Ich wurde von einem Rieseninsekt angegriffen... und ich denke, dessen Stacheln waren vergiftet...“, sagte er leise und fühlte sich wie gelähmt. „Link, nimm’ einen Schluck von dem Heilwasser aus der Quelle, das müsste dir helfen.“ „Nein, das Wasser ist für Zelda... Wo ist sie?“ Und Link stand plötzlich auf seinen Beinen. Navi glotzte nicht schlecht, dass er dazu so unverhofft in der Lage war, aber bei Link sollte man sich wohl nicht wundern, wenn er plötzlich übermenschliche Kräfte entwickelte. „Es sind Monster hier vorbeigekommen und da ist sie aufgewacht. Dann lief sie kraftlos zu der alten heiligen Lichtung, wo der Dekubaum wachte. Ich wollte dich eigentlich bloß abholen.“ „Zelda ist wach? Wirklich?“ Und Link lächelte vor Freude. „Ich muss sofort zu ihr.“ Er lief wenige Meter und klappte zusammen, war aber noch bei Bewusstsein. „Siehst du, du Trottel, du musst dir einen Schluck von dem Wasser gönnen. Hörst du?“ „Ja, Navi.“ „Und hör’ auf, so zu tun, als ob es dir gut ginge, du Holzkopf.“ „Ja, ich hab’s kapiert.“ „Und steck’ wegen Zelda nicht immer zurück, du Idiot.“ Erneut spielte sich Navi genauso auf, wie Links Mutter, doch diesmal wusste Link nicht, wie er sich dahingehend zur Wehr setzen sollte. „Ja, Madam“, entgegnete Link und nahm einen Schluck Wasser um sich auf den Beinen halten zu können. Und Navi lachte vor lauter Rechthaberei. Dann folgte er der einstigen Fee, um endlich wieder bei Zelda sein zu können und sie zu berühren. Link lief langsam, beleitet von brennenden Wunden zu der alten Lichtung, als er plötzlich Wiehern hörte. Er folgte dem Geräusch und erblickte Namenlos, der wieder einmal aus dem Nirgendwo angetrabt kam. Der junge, mitgenommene Held stieg auf, ergriff die Zügel, Navi sprang auf und Link gab dem Pferd die Sporen um so schnell wie möglich in Zeldas Nähe zu sein. Sie erreichten gemeinsam den Hain des Dekubaumes und stiegen vom Pferd. Link erblickte erleichtert seine Prinzessin in der Nähe des alten, riesigen Baumes. Er torkelte benommen in seinem eher schlechten Zustand zu ihr. Sie hatte ihre Augen geschlossen und lag zusammengekauert an den Dekubaum angelehnt. Link schlich näher, spürte den Wunsch sie jetzt einfach nur in seine Arme zunehmen und sah sie wie versteinert an, als er näher trat... Doch nicht aus Angst um sie verweilte sein Blick auf ihr, sondern aus tiefster Freude, dass sie hier war. Er kniete nieder und erkannte, dass sie schlief. Er streichelte über ihre Wangen, beruhigt, dass diese wieder einen leichten roten Schimmer hatten und nicht mehr so eisigkalt waren wie zuvor. Ja, Link begriff beruhigt, dass Zelda über dem Berg war. Der Heroe nahm den schlafenden Körper der blonden Hylianerin einige Sekunden in seine schützende Umarmung, zog sie vorsichtig an sich und unterdrückte wenige Tränen, die aus seinen Augen quellen wollten. Ohne Scheu gab er ihr einen langen Kuss auf ihre rechte Wange, bevor er sie auf Namenlos packte, sich hinter sie setzte und mit ihr den Kokiriwald verlassen wollte. In dem Moment schaute der junge Held erstaunt in die riesige Baumkrone, betrachtete sich die großen grünschillernden Blätter an den starken Ästen und spürte ein Gefühl der Ehrerbietung in sich aufsteigen. Der Dekubaum... Er wusste nicht, wie er das Bild jenes Baumes beschreiben sollte. Er war riesig und besaß ein so altes, gutmütiges Gesicht, auch wenn seine Augen geschlossen waren. Ob er noch lebte? Namenlos wieherte plötzlich und begann stur und eigensinnig, den Weg fortzusetzen. Link vergas den alten Baum und fühlte allmählich einen marternden Erschöpfungszustand. Navi jedoch war wie vom Erdboden verschwunden... Kapitel 77: Geheimnisse der Vergangenheit XI -------------------------------------------- Kapitel 60: Geheimnisse der Vergangenheit XI Die Zeiger der Uhren in der alten Bibliothek des Königsschlosses bewegten sich auf zwölf Uhr zu, an jenem Abend kurz vor dem gigantischen Fest des Friedens auf das sich jeder Bürger Hyrules freute. Nur Zelda nicht… Niedergeschlagen trat die Prinzessin in ihrer ärmellosen, weinroten Nachtgewandung und einem einfachen gefütterten Mantel um den Schultern in die alte Bibliothek herein. Alles war so ruhig, so friedlich, aber bald würde es das nicht mehr sein. Sie war vor weniger als einer Stunde schwitzend aus ihren Träumen aufgewacht und erinnerte sich mit bangem Herzen an einen weiteren Alptraum. Ganon kam darin vor, die drei Schreckensgestalten und eine andere Welt. Was hatte das alles zu bedeuten? Sie umklammerte unbewusst das machtvolle Medaillon, welches lässig um ihren Hals lag. Mit einer Kerze in der Hand folgte sie einem roten Teppich, der zu einem kleinen Tisch mit Sessel führte. Sie setzte sich, legte das Medaillon vor sich selbst auf den Tisch und starrte es vertieft an. Der Baum in der Mitte des seltenen Stückes trug grüne Blätter und Sterne leuchteten wie kleine Scherben aus einem dunklen Hintergrund hervor. Ja… Scherben… und ein Trümmerhaufen, vollgepackt mir unschönen Erinnerungen. So kam ihr jenes Dasein vor, welches das königliche Blut in ihr mit sich brachte. Scherben… Sie strich vorsichtig über das verschnörkelte Ziffernblatt der Uhr, besann sich auf Gestern, wo sie noch als kindliche Prinzessin frech auf dem Marktplatz zwischen den Leuten herumgestromert war. Aber diese Zeiten waren vorbei, endgültig vorbei… Hin und hergerissen zwischen den Gedanken an die näherkommende Gefahr und ihrer baldigen Hochzeit mit jemanden, den sie noch nicht einmal kannte, schloss Zelda ihre Augen und begann zu weinen. Schon wieder war sie so erbärmlich, so kläglich, ganz und gar nicht wie eine zukünftige Königin. Aber hier in der Bibliothek konnte ihr sicherlich niemand deswegen einen Vorwurf machen. Eine weitere Person erschien in der Bibliothek. Es war Impa. Sicherlich hatte sich die stolze Shiekah mit ihrem sechsten Sinn mal wieder Sorgen um Prinzessin Zelda gemacht und suchte daher das gesamte Schloss nach ihr ab. Sie fand Zelda zu tiefst traurig vor und kniete vor ihr nieder. „Prinzessin?“ „Impa?“, sagte Zelda leise und sah auf. „Ist mit Euch alles in Ordnung?“ Und Zelda schüttelte nur den Kopf. „Wollt Ihr darüber reden?“ „Nein… eher nicht. Es ist bloß eine dumpfe Angst vor der Zukunft, die ich nicht gewählt habe.“ Damit stand Zelda auf und lief zu einem großen, hohen Fenster mit dunklen Mustern. Trübsinnig starrte sie hinaus auf die Steppe mit der Gewissheit, dass Hyrule nicht ewig bestehen könnte. Sie liebte diese Welt, sie verehrte diese Welt und hatte all’ ihre Kraft in ihre Erhaltung gegeben. Aber nun… nach den Träumen, den Prophezeiungen, den Visionen… wusste sie zunehmend, wie sinnlos der Gedanke eines ewigen Hyrules gewesen war. „Impa… die Dinge werden sich ändern. Es wird etwas geschehen, dass niemand erklären könnte, verhindern könnte. Ich habe Angst um Hyrule.“ Dann spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. „Habt ihr mit Link schon darüber gesprochen?“ Diese Bemerkung rief Zelda einen noch traurigeren Ausdruck auf das Gesicht. „Ich glaube… die Wege des Helden der Zeit und jener der Prinzessin des Schicksals trennen sich in diesen Stunden.“ Eine stumme Träne rollte an ihrer zartrosa Wange hinab. Und Impa runzelte lediglich ihre Stirn. „Aber Link ist Euer treuester Freund, Prinzessin.“ „Das hält ihn nicht davon ab, mir fern zu bleiben.“ „Es hat bestimmt einen Grund, dass er sich nicht mehr hat blicken lassen. Warum sollte er Euch fernbleiben?“ „Weil er erkannt hat, wie dumm es ist, eine Prinzessin als Freundin zu haben. Weil er verstanden hat, wie töricht es ist, für Prinzessin Zelda da sein zu wollen.“ Zelda schlug ihre Hände vor ihr Gesicht und weinte so, dass Impa es endgültig bemerkte. „Prinzessin?“ Damit umarmte sie die Jugendliche wie eine Mutter und strich ihr über den Kopf. „Er war mir noch nie so fremd wie jetzt… Was ist bloß der Grund, dass er tut, als würden wir uns nicht kennen…“, murmelte sie unter Tränen. „Weiß er von Eurer baldigen Verlobung?“ „Nein, woher denn?“ Zelda wischte sich einige Tränen aus dem Gesicht und löste sich aus Impas Umarmung. „Wer weiß… vielleicht versucht er nur, das zu tun, was richtig ist, Zelda. Und hat irgendwie erfahren, dass Ihr heiraten werdet. Vielleicht schmerzt ihn der Gedanke und er will es sich nicht anmerken lassen.“ Und Zelda versuchte standhaft zu wirken. „Aber warum sollte es ihn interessieren, ob ich nun heirate oder nicht...“ Impa schüttelte mit dem Kopf. „Ihr wollt es nicht sehen, Prinzessin... oder habt Ihr Angst den Grund in seinen Augen zu sehen?“ Zelda blickte schockiert in Impas Gesicht. „Du willst doch nicht andeuten, dass...“ Doch ihr Kindermädchen von Kindertagen zuckte nur mit ihren Schultern. „Gibt es einen weiteren Grund, dass es Euch so sehr belastet, wenn Link nicht hier, sondern bei Malon von der Ranch ist?“ Zelda sah erstaunt auf. Was wollte Impa jetzt schon wieder in Erfahrung bringen? „Wie soll’ ich das jetzt interpretieren?“ „Nun, ich wollte lediglich wissen, ob Ihr nicht möglicherweise, und das ohne Grund, eifersüchtig seid?“ „Ich und eifersüchtig? Auf wen? Auf Malon?“ „Ja, genau.“ Zelda schüttelte den Kopf. „Nein ich glaube, dass man dieses Gefühl nicht so nennen kann.“ „Nein? Wie dann?“ Und beinahe hätte sich Impa ihren großen Mund verbrannt. „Impa“, sagte Zelda leicht zornig, „Ich denke, das Gespräch sollte hier enden.“ „Wie Ihr meint, Prinzessin.“ „Und danke für dein Verständnis“, sagte Zelda noch. Impa lächelte leicht, nickte und löste sich in einer Rauchwolke auf. Und wieder verlor sich Zeldas Blick auf der Steppe Hyrules, die von einem hellen Mondschein angestrahlt wurde. Dann kramte sie Bücher heraus, las bis in die Puppen irgendwelchen sinnlosen Kram, bis sie schließlich eine weitere Entdeckung machte. Sie öffnete ein Buch, das von einem starken Lederband zugeschnürt wurde und blättere darin herum. Jedoch waren alle Seiten leer. Merkwürdig, dachte Zelda und legte ihre Hände auf das alte Papier. Nichts passierte. Sie aktivierte ihr Triforcefragment, auf dass es ihr die Weisheit geben möge, ungeschriebene Schrift zu verstehen. Weiterhin ließ sie ihre Hände auf den alten pergamentfarbenen Seiten liegen und wartete. Nichts geschah. Sie klappte das Buch erneut zu und erkundete den Titel auf der Vorderseite. Jedoch war dieser aus irgendeinem Grund ausgebrannt. Hatte irgendwer dafür gesorgt, das Wissen, welches in dem Buch stand, geheim zu halten? Konnte es sein, dass es einen Verräter in der Schlossgesellschaft gab? Sie biss sich unbewusst auf ihre Unterlippe und grübelte weiterhin nach. Erneut schlug sie irgendeine leere Seite auf und konzentrierte sich auf ihre Magie. Ihr rechter Handrücken erwärmte sich, gab ein leichtes, goldenes Leuchten von sich, das über die leeren Buchseiten fiel. „Erhört mich, Ihr Götter Hyrules“, flüsterte sie und starrte auf die Buchseiten. In goldenem Licht, welcches auf den leeren Buchseiten tanzte, bildete sich zunächst ein feiner Rahmen, dann eine außergewöhnliche Schrift, die jedoch nicht aus Tinte bestand, sondern aus einer metallfarbenen, lilaschimmernden Substanz, die wie Feenblut aussah und sogar ein silbernes Funkeln von sich gab. Nach und nach bildeten sich Worte in Althylianisch und Zelda las mit Bedacht, blätterte weiter und las, bis erste Sonnenstrahlen in die Bibliothek fielen. Sie schlug die letzte Seite in jenem Buch auf und las erstaunt die letzten Worte: „Und jene Macht, die aus dem Schicksal geboren wurde, scheint selbst nicht mehr zu sein als Zeit, als Telepathie, Kraft und eine Form der Energie, scheint nicht mehr zu sein, als ein Siegel, eine Urne, die böses Blut, bestialische Seelen, für immer verschließen konnte. Die Energie eines Symbols, eines Gegenstandes, der so machtvoll, dass er schon Leben in sich birgt. Und möge denen geholfen werden, die wie niemand sonst, von Macht kosteten, Böses kannten und die Zeit um ihre Existenz betrogen. Möge denen das Medaillon der Mächtigen helfen, die selbstlos, ehrvoll an ein friedvolles Hyrule glauben können.“ Zelda schlug das Buch zu und noch ehe sie es erneut in ihre Hände nehmen konnte, löste es sich in Luft auf, als wäre es nie hier gewesen. Und all das Wissen, welches es verbarg, sollte künftig nur noch einer Person gewidmet sein. Nur die Prinzessin Hyrules wusste, was sonst niemand Wissen nennen konnte. Kapitel 78: Endgültige Versöhnung --------------------------------- Die alte, brennende Sonne in der hylianischen, saftigen Steppe würde in wenigen Stunden untergehen. Der schwarze, gesunde Hengst ohne Namen trabte gemächlich einen der vielen abgetrampelten Warenwege in der Steppe entlang. Von weitem erkannte Link blinzelnd mit Schlafsand in den Augen, mit Schmerzen seiner beißenden Schnittwunden, ein größeres, erhobenes Gebäude auf einem dunkelgrünen Hügel. Zelda schlief immer noch in seinem festen Griff, ab und an stöhnend, ab und an zuckend. Und auch Link nickte hin und wieder ein. Doch er wollte wach bleiben, solange bis er einen geeigneten Schlafplatz gefunden hatte. Eigentlich war es unter dem Aspekt des Zeitdruckes noch viel zu früh, ein Lager für die Nacht aufzuschlagen, aber der Held hatte Ruhe, Schlaf und vor allem eine Versorgung seiner eigenen Wunden bitter nötig. Plötzlich fühlte er Bewegung, die von seiner Prinzessin ausging und hörte gleichzeitig ein leichtes, quälendes Aufstöhnen. Link blickte hoffnungsvoll in ihr von Schmerzen gekennzeichnetes Gesicht und murmelte leise ihren Namen. Sie blinzelte, worauf Link die ledernen Zügel fester umfasste und das Pferd ohne Umschweife stoppte. „Zelda“, wiederholte er vorsichtig, bemüht sein inneres Gefühlschaos zu beherrschen. ,Wach’ auf, mein Engel’, sagte der junge Held in seinen Gedanken, wollte doch nur ein Lächeln, ein kleines Grinsen aus ihrem schönen Gesicht, wollte etwas so einfaches. Langsam hoben sich ihre schweren Augenlider über die glasigen, tränenden Augen, in welchem nur Leid geschrieben stand. Die Charakteristik der himmelblauen Farbe in ihren Augen zeugte von ihren Qualen, dem widerlichen Brennen der Wunde und der belastenden Kraftlosigkeit. Ihre Augen begegneten seinen und erzählten ihm von Angst, Verwirrung und Hilflosigkeit. Zelda blinzelte, geblendet von dem Farbenmeer der roten Abendsonne in der majestätischen uralten Steppe. „Link… wo?“, brachte sie stockend hervor. Ihre Stimme schwach, benommen und zittrig. Doch der Kämpfer antwortete zunächst nicht, zu glücklich, dass er wieder in ihre saphirgleichen Augen sehen durfte und bedeckte ihre rechte Wange mit seiner Handinnenfläche, schaute zaghaft in ihre Augen. „Pst. Rede nicht so viel“, sagte er, bemüht die Lähmung überhaupt etwas zu sagen zu umgehen, und deutete auf das Gebäude. „Es wäre günstig, wenn wir uns dort ausruhen und ich erkläre dir alles, was passiert ist.“ Sie nickte sachte und lehnte sich mit geschlossenen Augen an seine Brust, folgte dem beruhigenden Herzschlag, erinnerte die letzten Erlebnisse mit einem wilden Gefühlschaos… Wenig später galoppierte Namenlos über eine kleine robuste Zugbrücke hinein in einen Gebäudekomplex, welcher schon seit Jahrzehnten unbenutzt war, zentral ein verlassenes, teilweise zerrüttetes Gotteshaus, in Gedenken an die Taten von Din, Nayru und Farore. Link stieg vorsichtig vom Pferd und half seiner kraftlosen Begleiterin ebenfalls auf den festen Kiesboden inmitten eines kleinen mit unbepflanzten Beeten überwucherten Innenhofes. Zugänge zu einem muffelnden Stall, einem alten Brunnen, zwei weiteren kleineren Gebäuden und zum Gotteshaus befanden sich darin. Sanft hielt er sie an ihren zitternden Armen, hatte Angst vor jeder kleinen Bewegung, die sie tat, Angst, sie könnte zusammenbrechen. Er wollte etwas sagen, um der Sorge Ausdruck zu verleihen, die in seinen Adern steckte. Aber er brachte kein vernünftiges Wort hervor und schaute zweifelnd zu Boden. „Lass’ uns zu der Kapelle gehen…“, seufzte Zelda und lief begleitet von Schmerzen und Schweißausbrüchen zu dem Eingang, aber die Kraft dazu hatte sie noch nicht. Ehe sie wehrlos in sich zusammensackte, fing Link sie auf. Er gab ihr ein besorgtes Lächeln und nahm sie auf seine Arme. Zelda ließ es beinahe gerne über sich ergehen, senkte ihren stechenden Kopf auf seine starke Schulter und krallte sich um seinen Oberkörper fest. Schließlich hatte der Held in einem kleinen Hinterzimmer mit einem zerwühlten Holzbett, einem mit unsauberem Geschirr und altem Brot bedeckten Tisch, einer offenen Truhe und einem von Büchern bedeckten Schreibtisch am Ende der Kapelle einige Decken ausgebreitet und eine einfache Suppe vorbereitet. Ein einzelnes, rundes Fenster, das nach Westen zeigte, bescherte den beiden einen letzten Blick zu der untergehenden, uralten Sonne, die einnehmend und wärmend das kleine Zimmerchen in rote Farben tauchte. Zelda saß kalten Schweiß schwitzend auf einer kratzenden Decke, sah um sich und versuchte ihrem Freund die Schmerzen, welche sie durchzustehen hatte, nicht zu zeigen. Ununterbrochen perlte sich der Schweiß auf ihrer Stirn, und doch fror sie. Sie zog die dicke Decke näher zu sich und fühlte doch immer nur die Kälte. Bei Din, sie zitterte am ganzen Leib, ein nagender Blutverlust erzeugte hinterhältige Schwäche, Risse in ihrer Wahrnehmung, die untrüglichsten, schmerzhaftesten Empfindungen verbunden mit Übelkeit. Sie wollte stark sein, sie wollte kämpfen. Aber so oft, selbst wenn man es ehrgeizig versuchte, reichte der alleinige Willen für dauerhafte Taten nicht aus. Sie hatte schwankend eine Schale mit Suppe in der Hand und noch kein weiteres Wort verloren. Nicht einen winzigen Bissen bekam sie herunter. Erst jetzt bemerkte sie den grünen, dicken Pullover, den sie trug, erkannte die Müdigkeit in Links tiefblauen Augen, entdeckte seine Prellungen, Schnittwunden und sonstigen Verletzungen. Diese Wunden… „Link…“, hauchte sie und spürte schmerzvoll, wie anstrengend es war, einfach nur seinen Namen zu sagen. „Was…“, sie atmete keuchend ein, als der plötzliche Schmerz ihr ins Mark fuhr. „Was ist passiert?“, flüsterte sie. Doch Link gab nicht sofort eine Antwort. Er rutschte näher, überwand die Distanz, welche sie so innig versuchte aufrechtzuhalten, und legte eine warme Hand auf ihre glühende Stirn. Sie traute sich nicht ihn direkt anzusehen, aber seine Gesichtszüge waren so besorgt, so konzentriert und beinahe… liebevoll… „Hast du starke Schmerzen?“ Sie wollte mit dem Kopf schütteln, ihm die Sorgen ersparen, aber Link hatte sie schon lange durchschaut, ärgerte sich vielleicht ein wenig über seine unsinnige Frage. Kraftlos ließ sich die junge Prinzessin auf die Decke sinken und wich seinem Blick wieder aus. Der blonde Hylianer legte daraufhin langsam eine weitere Decke über sie, hatte den quälenden Wunsch sie zu wärmen, ihr die Schmerzen abzunehmen, auch wenn er wusste, dass sie seine Aufopferung nicht zu lassen würde. Er beugte sich über sie, streichelte nervös über ihre Stirn, worauf sie schwach blinzelte. „Ich…“, murmelte er mit schwacher Stimme, schüttelte aber mit dem Kopf, fand keine Worte, die jetzt richtig wären. Doch seine schönen Heldenaugen… erzählten mehr als es Worte könnten. Alles an ihm schrie vor Sorge um seine Seelenverwandte. Er hatte Angst um sie, teuflische Angst… Zelda schloss die Augen, als eine glasige Träne ihre Wange hinab tropfte, sie konnte das Leid in Links Seele kaum ertragen, es überdeckte ihre eigenen Schmerzen beinahe… Einige Minuten vergingen und Zelda richtete sich seufzend wieder auf. Es war unangenehm zu liegen. Das elende Brennen der Wunde war eher zu ertragen, wenn sie sich aufrichtete. Ein weinerlicher, herzzerreißender Laut entkam ihrer Kehle, als sie ihren Oberkörper in eine aufrechte Position brachte und diesen auf ihre Arme stemmte. Ihre Arme wackelten, zitterten unkontrollierbar aufgrund des schwächenden Blutverlustes und des enormen Müdigkeitsgefühl. Sie fühlte sich kläglich, ihr goldenes Haar war verklebt und fettig, ihre Haut kalt und bleich, und sie hatte das Gefühl, ihre Wunde wollte sie aufsaugen. Ziepender, dumpfer Schmerz, ständig, marternd. Sie schaute auf ihre Schale mit der Suppe, die sie vorhin neben sich gestellt hatte, aber sie hatte einfach keinen Hunger, als ob Steine in ihrem Magen liegen würden. Link kramte eine Flasche mit silbern schimmerndem Wasser heraus und reichte Zelda eine Tasse davon. „Trink’ es. Das ist Heilwasser aus der Quelle irgendwo in den Kokiriwäldern.“ Sie versuchte die Tasse anzuheben, aber ihre Arme fühlten sich an wie Blei. Link reagierte schnell und fürsorglich, nahm ihr die Tasse ab, setzte diese an ihren Mund und legte seine andere Hand als Stütze an ihren Hinterkopf. Seine Prinzessin trank mühsam und würgte einige Schlucke ihre Kehle hinunter. „D-Danke…“, murmelte sie, schluckte einmal mehr und bekam dann erneut nichts herunter. Ihr Gesichtsfeld war so verschwommen und doch versuchte sie ihren Heroen zu mustern, zu verstehen und erahnen, was in ihm vorging. Diesem wundervollen Herzen des Mannes, der noch immer hier war, der ihr noch immer folgte… Dieser mutige, strahlende Mann, den sie so sehr verletzt hatte und der sich trotzdem kümmerte. In der gläsernen Schwäche ihres Gesichtsfeldes sah sie ihn beinahe durchscheinend, als eine transzendente Erscheinung, als so rein und unerreichbar. Es hatte für Zelda niemals etwas Wertvolleres gegeben als ihn zu beschützen, diese Seele in ihm, diese treue, mutige Seele… Und Link begann leise und trübsinnig zu erzählen, bemühte sich langsam zu sprechen: „Nachdem dich… der Pfeil traf, habe ich erneut einen Blackout durchlebt, ich weiß nicht, was genau passiert ist, Zelda.“ Es war so deutlich spürbar, dass er versuchte seine Worte fest und sicher wirken zu lassen. Aber diesmal scheiterte auch er daran seine Emotionen zu verschleiern. „Und… Mortesk…“, hauchte sie heiser und hustete daraufhin. Es tat weh, husten zu müssen. Und doch nicht so sehr weh wie Links Schmerz zu spüren. Er quälte sich so sehr mit seiner Angst um seine Seelenverwandte, dass die Luft knisterte und sich taub anfühlte. „Ich nehme an, ich habe ihn getötet. Navi hat mir geholfen, diese Quelle zu finden, sonst…“ Eine Träne lief seine aufgeriebene Wange hinab und Zelda bemerkte diese. Doch aus irgendeinem Grund, den sie selbst nicht verstand, wollte sie nicht glauben, dass diese kleine Träne ihr gewidmet war. Einmal mehr siegte der eisige Schatten in ihr und raubte ihr die Chance seine Wärme zuzulassen und zu spüren. „Ich habe… deine Wunde verbinden müssen und dir dann… den Pullover angezogen… verzeih’, aber ich musste deine Kleidung wegwerfen. Deine blaue Bluse war total kaputt.“ Bei Hylia, seine Worte waren unterlegt mit einer Unsicherheit, die ihm aufzwang dem Schweigen Vorrang zu geben. Was stammelte er auch für einen Unsinn! Doch Zelda nickte bloß, etwas unscheinbar. Was war eine derartige Bluse schon Wert im Vergleich zu Zeldas Leben? „Dann bin ich zur Weisenstätte aufgebrochen und habe das grüne Elixier beschafft.“ Er wollte Hoffnung in diese Unterredung bringen, das spürte auch sie. Hoffnung… doch wofür? Für ihr Leben, das sie ihm zu Füßen geworfen hatte? Das Leben, das sie bereit gab ihm zu schenken? Ihr schmerzverzerrtes, grämliches Gesicht erhellte sich für wenige Augenblicke, als sie seine Worte überdachte. Natürlich… das war Hoffnung. Seine Worte beruhigten sie ein wenig. „Deine Wunden?“, sagte sie schwach, als sie sich an die Wand hinter sich lehnte. Selbst ihr Rücken schmerzte. Die kleinsten Unebenheiten an der Holzwand kratzten an dem bisschen Stärke, das in ihr zurückgeblieben war. Nicht einmal das Anlehnen half… „Das… ein Killerinsekt hat mich angegriffen. Ich habe einen riskanten Kampf durchgestanden und die Bestie umgebracht.“ Link suchte ihren Blick, aber sie erwiderte nicht, sondern versank wieder in ihrem Meer der Trübsinnigkeit, dem Ort, wo Link sie nicht erreichen konnte. Dann lief eine Träne ihre bleiche Wange hinab und sie winselte leicht vor Schmerzen. Die Wunde brannte höllisch und ihr leises Weinen half ihr ein wenig darüber hinweg. Und jeder, so dachte sie, der schon einmal höllische Schmerzen überstanden hatte, würde bestätigen, dass in solchen Momenten Weinen tatsächlich half… Nur für Link wurde es zunehmend schwerer, seine Prinzessin weinen zu hören. Sein Herz tat ihm weh, als er es hörte. „Ich wünschte, ich könnte dir deine Schmerzen abnehmen, Zelda“, sagte er und kniff seine Augen zusammen, nachdem er sie so schwach an der Wand gelehnt betrachtete. Es tat ihm weh, sie so zu sehen, weil sie alles für ihn war… selbst nach ihren unnötigen Streitereien und vor allem, weil er mit jeder Minute, die verging mehr für sie fühlte. Diese starken Empfindungen. Diese gewaltigen Gefühle… Link sprang auf und ballte verzweifelt seine Hände zu Fäusten. „Sag’ mir bitte, wie ich dir helfen kann.“ Aber Zelda schüttelte nur kurz, so gut es ging, mit dem hübschen Kopf und schloss die Augen. Der Heroe senkte den Blick gen Boden, seufzte unüberhörbar und verließ nachdenklich das Zimmer. Mit glasigen Augen lief der junge Bursche zu dem Brunnen, beschaffte sich Wasser aus einem der Holzeimer mit Stahlverkleidung und begann sich endlich um seine eigenen Wunden zu kümmern. Er entledigte sich seiner Tunika beinahe quälerisch und spürte seine Muskeln brennen, nahm sich ächzend einen Lappen und reinigte seine Wunden von dem Gift der hässlichen Spinne, welches den Göttinnen sei Dank nur halb so gefährlich war wie vermutet. Zumindest hoffe Link dies mit einem misstrauischen Grinsen. Über die schlimmsten Wunden legte er einige Pflaster, besonders über jene auf seinem Brustkorb, ansonsten beließ er es dabei, seine Verletzungen von der hylianischen Luft heilen zu lassen. Er schöpfte ein weiteres Mal Wasser und trug den Eimer hinein in die kleine Kapelle. „Zelda?“ Unsicher gelangte ihr Name über seine leicht verletzten Lippen. Sie hatte ihm den Rücken zugedreht und blickte durch das Fenster hinaus auf die Steppe. Die Sonne versank mit einem letzten Emporlodern hinter den westlichen Hügeln. Ein kühler Mantel legte sich über das Land und erste Sterne entfachten ihr Glühen. Zelda jedoch reagierte passiv, registrierte seine Anwesenheit sicherlich irgendwo in ihren seelischen Schlupfwinkeln, aber ihr Geist war weit weg, bemüht ihm nicht zu zeigen, wie kläglich sie sich fühlte. Link stellte den Eimer ab und sagte: „Hier ist Wasser aus dem Brunnen… wenn du vielleicht die Kraft findest… wenn du es brauchst… also das Wasser benötigst, dann… also, ich gehe noch einmal hinaus.“ Er wünschte, sich ohrfeigen zu können, da er sich so nervös verhielt und die Auseinandersetzung mit ihr wie ein elender Feigling vermied. Er wollte bei ihr sein, sie trösten, stärken, das spürte vielleicht auch sie, aber er konnte nicht… Zu groß war der Konflikt, in dem sie beide nun feststeckten. Zu gewaltig die Last von soviel Missverständnissen und unnötigen Streitereien. Damit verschwand er wimmernd. Und es war sehr selten, dass von Links Lippen ein schmerzlicher Laut wie dieser drang. Warum nur war die Situation und das Chaos zwischen ihnen nun noch komplizierter als vorher? Zelda setzte sich vorsichtig vor den Eimer, entledigte sich zaghaft und langsam des Pullovers und begann ihre Haut mit dem kühlen Wasser zu befeuchten. Sie seufzte unter einigen weiteren Tränen, und atmete tief durch. Noch ein tiefer Atemzug, noch einer… Und sie traute sich zu glauben, dass ihre Lunge das Atmen aushielt. Ja, dachte sie, die heilende Kraft des Wassers in ihrer Heimat tat gut, half ihr, stärkte sie und das Vertrauen in ihren geschwächten Körper. Jeder Atemzug fühlte sich besser an… Kräftiger. Gesünder. Sie wusste, sie schaffte das. Sie hatte auch in der Vergangenheit die ein oder andere Wunde ausgehalten. Sie schaffte das… Sie wusste nur nicht, ob sie es weiterhin schaffte ihre Gefühle für Link zu unterdrücken… Link lief derweil einige Runden um das Anwesen, erinnerte sich an die Geschehnisse der letzten Stunden und fühlte mehr und mehr Angst um seine Prinzessin in sich aufsteigen. Warum verhielt sie sich jetzt noch abweisender ihm gegenüber? Lag es an ihren Schmerzen? Glaubte sie tatsächlich, er könnte mit ihrer geschwächten Verfassung nicht umgehen? Es war absurd… aber konnte er es denn? Hielt er es aus sie erdrückt von Schmerzen zu erleben? Der junge Held erspähte in der zunehmenden Dunkelheit einen knarrenden Holzweg über einen plätschernden Bach, bestaunte das silberne Funkeln des kühlen Nass, folgte mit langsamen Schritten einem unbestimmten Weg durch die Nacht und hoffte so sehnlichst, dass er der verwirrenden Situation mit seiner Prinzessin Herr werden konnte, dass er es schaffte nur einmal die richtigen Worte zu finden… Irrsinnig, gerade jetzt, da Zelda bei Bewusstsein war, brachte er es nicht fertig bei ihr zu bleiben, obwohl er sich nach ihrer Nähe sehnte und hoffte die Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. War es in der Vergangenheit schon so schwierig mit ihr zurechtzukommen, war es damals so kompliziert sich mit ihr zu unterhalten? Mit einem traurigen Lächeln suchte er nach einer Antwort in den gemeinsamen, glücklichen Stunden, als Zelda aus vollem Herzen lächeln konnte, als sie beide nicht wussten, wer sie waren und welche Bürde sie trugen. Nein, entschied Link, es war niemals kompliziert zwischen ihnen, kompliziert war nur ihrer beider Verantwortung, die es ihnen unmöglich machte sich fallen zu lassen… Der junge Kämpfer folgte weiterhin seinem Weg, und stand letztlich auf einer riesigen Wiese, die einen unbeschreiblichen Blick über die in dunklen Farben gemalte Steppe ermöglichte. Und selbst hier funkelte ein lichter Schein in der Finsternis, hob Hyrule in eine tiefe, bekehrende Allmacht. Ruhe, die mit sanften Schwingungen in einer vergänglichen Melodie nachhallte. Frieden, der sich in seinem Körper einnistete. Besinnlichkeit, die er beinahe schmecken konnte, erreichte ihn wie ein Sog. Doch die gewollte, märchenhafte Stille war hier in der alten Heimat trügerisch und grausam, wie der milde sich nähernde Wind, der nur wenig von der Erbarmungslosigkeit eines anrückenden Sturmes preisgab. Einmal mehr erkannte Link die Schönheit dieser unvergleichlichen Welt, spürte ein neues Gefühl von Heimweh in sich brodeln und erblickte im Osten viele kleine Erhebungen und zahlreiche Baumgewächse. Irgendwo dort befand sich der Eingang zu Zoras Reich, das wusste er, ohne zu wissen woher und ohne, dass er ein Bild der Erinnerung in sich fassen konnte. Und in vergessenen Kämmerchen seiner Seele tat auch diese sich nähernde Erinnerung irgendwie weh… Zeldas Schmerz über Hyrules Leblosigkeit und so viele vertane Chancen in jeglicher Hinsicht überrollte ihn gerade in dem Augenblick mit einer herzlosen Gewalt, obwohl seine Reinkarnation hier nicht zuhause war und obwohl er vergessen konnte. Nur Zelda durfte nicht vergessen. Sie trug ihre Wunden schon so lange… Wie viele Verletzungen wohl hielt Zeldas Herz noch aus? ,Zelda… meine Zelda…‘, sprach er in Gedanken. ,Ich werde dir helfen diese Wunden zu heilen‘, versprach er. Um sich ein wenig abzulenken, nicht zu tief in seinen trübsinnigen Gedanken zu versinken, kramte er Hyrules Karte heraus und studierte diese genau. Er fand seinen aktuellen Standort auf Anhieb, und lag richtig mit seiner Vermutung, dass nicht weit entfernt im nördlichen Osten Zoras Reich ruhte und nicht weit entfernt von diesem deutete eine Markierung auf eine große Ortschaft. Beeindruckt konnte der Held die hieroglyphenartigen Schriftzeichen auf der Karte nun lesen, entzifferte den Namen Kakariko… ja, neben Zoras Reich war dieser Punkt ein Zielort. ,Einfach nur verrückt‘, dachte er. Selbst nach den vielen Tagen, die er mit Zelda hier in Hyrule an der Mission arbeitete, war es doch noch immer unfassbar für ihn, dass er Teil dieser Legende war. Link ließ sich seufzend aufs Gras sinken und starrte einige Minuten mit besorgtem Blick hinaus auf die weite Steppenlandschaft… Leise öffnete Link die schmale Tür zu dem gemütlichen Hinterzimmer. Er schloss jene gerade und drehte den rostigen Schlüssel herum, der in dem alten, abgenutzten Schlüsselloch steckte, als er einen genaueren Blick in das Zimmer warf. Einige Kerzen erhellten das Kämmerchen und Feuer flackerte in dem Kamin. Seine Prinzessin beachtete ihn nicht, wohl deshalb, weil sie ihn noch gar nicht bemerkt hatte. Sie zitterte etwas, trotz der grauen Wärmebrisen, die der Kamin in den Raum schickte. Aber der junge Heroe spürte, dass sie sich ablenken und sammeln konnte… Wie eine Göttin saß sie halb nackt, ohne den grünen Pullover mit einem Badetuch um die Hüfte geschlungen auf einer Decke vor der Wärmequelle und kämmte sich mit einer Bürste anmutig die goldenen Haare. Sie hatte Link den Rücken zugewendet und seine Anwesenheit weiterhin nicht wahrgenommen. Die blonden Strähnen bedeckten ihren gesamten Rücken, sogar den riesigen Verband nahmen ihre Haare vollständig ein. Der gewandte Kämpfer starrte sie wie hypnotisiert an, malte ein Bild aus der Vergangenheit in seine Gedanken und fragte sich wie es wohl jetzt sein würde, dieses seidene Haar zu berühren. Für einen Moment schien er wie verzaubert und alles in seinem Blick verriet die Sehnsucht in seinem Herzen. Er lief wenige Schritte in Zeldas Richtung, stoppte aber, als sie die altrosa Bürste ablegte und sich den waldgrünen Pullover nahm. Sie streichelte über den Stoff, führte den Pullover zu ihrem Gesicht und umarmte das Stück Stoff. Es war warm, Links Geruch haftete daran und seine Nähe war durch dieses Kleidungsstück für sie fühlbar. Sie schien in dem Augenblick frei von Schmerzen zu sein, oder vielleicht klang das Brennen der Wunde allmählich ab, denn sie begann leise zu summen. Ein Lächeln umspielte Links Mundwinkel und er selbst blieb unerkannt, beobachtete seine wunderschöne Zelda und war so dankbar, dass man sie ihm nicht weggenommen hatte. Dann beendete sie das Sehnsucht tragende Lied und legte eine Hand auf den dicken Verband ihrer klaffenden Wunde. Sie stöhnte schmerzverzerrt und wirkte in dem Moment noch zerbrechlicher für Link. „Zelda…“ flüsterte Link, der sich nur mit Widerwillen aus seiner Verzauberung löste. Sie drehte ihren Kopf zu ihm, ein wenig entsetzt darüber, wie er so unbemerkt in den Raum gelangen konnte und bedeckte schnell mit einer Decke ihren entblößten Oberkörper. Aber sie schien nicht verärgert zu sein, dass ihr Heroe hier war… ganz im Gegenteil. Seine Anwesenheit beruhigte sie, erfüllte sie mit Sehnsüchten und der Erinnerung an vergessene Verbote. Sachte ließ er sich neben ihr zu Boden sinken und spürte seine eigenen Wunden schlitzen. Was waren das nur für heftige Stunden gewesen, fragte er sich. Der Angriff von Mortesk, die Riesenspinne… und das alles in wenigen Stunden. Unwirklich erschien es ihm nach diesen Erlebnissen hier mit seiner Prinzessin vor einem Kamin zu sitzen, sie beide lebendig… Er betete nur, dass sie Zeit hatten sich zu erholen. Links trauriger Blick verweilte in ihrem blassen Gesicht, besah sich die wunderschönen Eigenheiten seiner Prinzessin, versuchte dieses sanfte, wunderschöne Gesicht in seinen Gedanken fest zu brennen. Sie war so erschöpft, lila Augenringel bemächtigten sich der sanften Formationen ihrer Augen und hoben sich von der ungewöhnlichen Blässe ihrer Haut. Der Blutverlust hatte gefährliche Spuren hinterlassen, grub sich beißend in ihre Stärke. Und trotzdem kämpfte sie so erbarmungslos wie sie nur konnte gegen die Schwäche, die ihr verletzter Körper aufzwang. Link starrte ihr entgegen, immer erstaunter, fassungsloser. Aber allen voran mit Bewunderung. Sie hatte einen todbringenden, dickstämmigen Pfeil für ihn eingefangen und war dennoch so unleugbar stark. Zelda war so tapfer… so würdevoll und stark. Doch sie erwiderte seinen Blick nicht, als ob sie sich fürchtete, Hoffnungen in seinen hypnotisierenden Augen zu sehen, Sehnsüchte und Wahrheiten zu sehen, das, was sie dennoch seit langem darin sehen wollte, was sie sich wünschte, was sie in ihrem Herzen begehrte. „Wie… wie fühlst du dich?“, sprach er endlich, rau, zerpflückt und leise. Seine Worte klangen so unwirklich wie er sich selbst in dem Moment fühlte. Seine tiefblauen Augen schweiften hinab zu dem wärmenden Kamin, wo das Feuer gierig wütete. Er bemühte sich, aber er konnte seine Besorgnis und betäubende Ängste in seinem schwermütigen Blick kaum kaschieren. „Besser… Danke“, murmelte sie zögerlich, ihre Stimme rissig und belegt, aber ihr Versuch zu sprechen, schenkte ihm ungemeine Zuversicht über Zeldas Verfassung und beruhigte auch seine Schmerzen. „Wirklich?“ Sie wimmerte ein wenig, umarmte sich selbst unter der pelzigen Decke und atmete so tief durch, das Link den Abstand zwischen ihnen kaum mehr aushielt. Er rückte näher und konnte trotz allem nicht glauben, dass es Zelda den Umständen entsprechend gut ging. Er legte eine mit Schnitten übersehene Hand auf ihre schwitzende Stirn um ihre Temperatur zu fühlen. Er bewegte sich auf sie zu, sodass ihre Augen nur wenige Millimeter voneinander entfernt waren und verglich seine eigene Stirn mit ihrer. Zaghaft versank Zelda in dem stechenden, einzigartigen Blau seiner Augen, wollte entrinnen und wusste doch, dass sie für ihr tiefstes Bedürfnis bei keinem Henker um Gnade flehen würde. Dann lächelte Link sanft. Sein mit Kratzern und Prellungen übersehenes Gesicht erhellte sich. „Du hast kein Fieber mehr, Zelda, und stell’ dir vor, deine Stirn ist sogar kühler als meine“, sagte er aufmunternd und erwartete ein leichtes Lächeln, welches er erhielt. Ein Lächeln… Zelda lächelte wirklich… Sie schloss kraftlos die Augen, denn Schlaf schien mächtiger in jenem Moment als jegliche anderen Kräfte des Daseins, und gähnte vorsichtig. „Das ist gut… nicht wahr?“, sagte sie leicht spaßhaft und versuchte mit den höllischen Schmerzen und dem hinterhältigen Müdigkeitszustand ein wenig zu grinsen. Sie versuchte es mit dem Wunsch ihrem Heroen diese grausame Besorgnis abzunehmen, auch wenn sie nur eine Hälfte ihres Mundes in die Höhe ziehen konnte und auf der anderen Gesichtshälfte ein Auge beißend zusammenkniff. „Sehr gut…“, stammelte Link und ärgerte sich über diesen unnötigen Unsinn, den sie beide von sich gaben. Bei den Göttern, Link war so dankbar dafür, dass sie lebte, so überaus dankbar. Er wusste nicht, was er getan hätte, wenn er sie verloren hätte. Und genau mit diesen Worten galt es dieses winzige Kämmerchen zu füllen, mit Hoffnung, mit Nähe und tröstenden Berührungen. „Wegen unserer Freundschaft“, begann er. Und Zelda schaute ihn zweifelnd von der Seite an. Sie fürchtete sich beinahe vor seinen nächsten Worten, auf ihrer Zunge lag die Bitte, dass Link schwieg. Der junge Held nahm daraufhin ihre kühlen, zitternden Hände in seine, streichelte über diese samtige Haut, beobachtete die vier Hände, die sich ineinander verhakten, sich fest ineinander schlangen. „Ich werde immer… immer dein Freund sein, Zelda“, ergänzte er leise und hielt ihre Hände fest in seinen, ummantelte diese zierlichen, kühlen Hände seiner Prinzessin. „Egal, was geschieht, Zelda, ich verspreche dir, immer… dein Freund zu sein.“ Und der blonden Hylianerin purzelten weitere Tränen aus den Augen, sie legte eine Hand über ihre trockenen Lippen um ein Schluchzen zu unterbinden. „Wie kannst du das… nach allem, was ich zu dir gesagt habe, nach den gemeinen Worten von mir…“ Nicht nur Worte, dachte sie still, sie hatte ihm diese letzten Wochen so viel Leid zugemutet, dass sie es kaum wieder gut machen konnte. „Nun…“ Er holte tief Luft und lächelte dann warm. Er überlegte sich weitere Worte, tiefgehende Geständnisse, Erklärungen für so vieles und nichts davon erschien ihm in diesem Moment notwendig. Einmal mehr kroch ein leises „Nun…“ von seinem Mund. „Das muss wohl daran liegen, dass du etwas Besonderes bist…“, sprach er endlich und hielt ihre Hände noch immer in seinen gefangen. Zumindest eine Sache wusste er, er würde sie in den nächsten Stunden weder mit Worten noch mit Taten weglaufen lassen. Sie schüttelte zögerlich den schweren, matten Kopf. „Und nein, ich werde nicht damit aufhören… Zeldaschatz.“ Er war uneinsichtig und würde zumindest beginnen ihr zu sagen, wie wichtig sie ihm war. Auf die Bemerkung meinte sie sanft. „Du sollst mich doch nicht so nennen, Link.“ „Warum? Ist doch süß, oder nicht?“ Ein weiteres Lächeln der Zuneigung glitt über seine schönen Gesichtszüge, verankerte sich in dem reinen Tiefblau. „Ja zuckersüß, aber…“, begann sie und fühlte sich gefangen von der schönen Farbe in seinen Augen. Immer wieder erstaunte sie daran, an dieser unglaublich einprägsamen Farbe, ja unwirklichen Farbe. Wie nur konnte ein sterbliches Wesen so schöne Augen haben? „Aber? Meinst du nicht, du hättest einen solchen niedlichen Spitznamen verdient?“ Sie wollte ihre Hände aus seinen lösen, aber Link machte mit seinem festen Griff und einem warnenden Blick aus dem Tiefblau deutlich, dass er daran nicht interessiert war. Zelda stutzte, Link war keinesfalls grob oder ungehalten, aber seine Geduldsfaden bezüglich ihrer Stimmungswandel war gerissen. Stur hielt er ihre Hände, ein kühler Schimmer Blau in seinen Augen. „Als Prinzessin… kennt man keine Spitznamen, du… Schlauberger.“ Nervös entglitten ihr diverse, unsinnige Worte. „Dann wird es aber Zeit, dass du einen erhältst, meine Prinzessin.“ Er führte ihre Hände zu seinen Lippen und küsste sie. Dann grinste er mit dem Versuch sie noch weiter abzulenken und aufzuheitern. Die einstige Königstochter durchschaute ihn sofort, aber sein Grinsen tat so gut, dass er sie damit leicht überzeugen konnte. „Aber… nicht Zeldaschatz.“ „Doch.“ „Nein.“ Dieser Kosename klang so albern und kindisch, etwas, das sie vielleicht sogar sein wollte und sich nicht erlaubte. „Doch.“ Und Link betonte das Wort nur noch sturer. „Ich finde, du bist ein Schatz und was wäre dann besser als Zeldaschatz.“ Sie schaute ihn durchdringend an, vergaß zu schlucken angesichts seines Starrsinns diesen unsinnigen Kosenamen durchzusetzen: „Meinst du das wirklich?“ „Dass du ein Schatz bist?“ Links Stimme, unterlegt mit stimmiger Zärtlichkeit überforderte sie. „Himmel… Zelda… Du musst nicht alles anzweifeln, was ich dir sage.“ Link seufzte erneut, tief aus der Kehle, ein rollender Laut verbunden mit geschlossenen Augen. War denn mittlerweile alles, was er ihr versprach, nichts weiter als blankes Misstrauen? War alles, was er ihr sagte, für sie so schwer zu verstehen? „Zelda…“ Ein weiterer unbeugsamer Blick ihres Heroen knallte in ihren Gedanken nieder. Da war er wieder… dieser unverwüstliche Respekt. Es erschreckte sie nur, dass sie diesen Blick gerade jetzt erkannte. „Es ist nur…“ „Es ist nicht einfach nur irgendetwas…“, unterbrach er sie. „Egal, wo diese Diskussion hinführt. Egal, was du jetzt noch sagst: Du bist… und bleibst ein Schatz für mich.“ Auf diese Worte schwieg sie, hatte keine andere Wahl als zu schweigen. Seine Stimme bohrte sich in sie hinein und wühlte an den alten Verletzungen. Vielleicht glaubte sie vor langer Zeit einmal an etwas Wertvolles in ihrer Existenz, glaubte an den inneren Wert, den sie besaß. Aber dieses Selbstbewusstsein war in ihr zerbrochen wie die Welt, die sie beschützen wollte. Und seit langer Zeit vermied sie einen Gedanken daran, dass ihr Leben selber sehr wertvoll und ihm so viel daran gelegen war. Noch nie war ihr in den Sinn gekommen, dass Link sie als genau das ansah: Wertvoll. In der traurigen, mit Prüfungen belastenden Vergangenheit hatte kaum jemand ihre innere Werte beachten können, sicherlich hatte Zelda ihren Wert. Aber eben nur als die hochrangige, kluge und repräsentative Prinzessin von Hyrule. Wer kümmerte sich schon um Zelda, das verträumte, eigensinnige Mädchen, das sie wirklich war? Wen interessierte das trübsinnige, traurige Kind, das sie war? Jeder sah eben nur die Prinzessin, ein Wesen ohne Fehler, ein Wesen der Pflicht und Selbstaufgabe. Eine persönlichkeitslose Marionette des Hochadels, die das wichtigste Gut im Königreich von Hyrule darstellte. Plötzlich geschah es und ein übler Schmerzstich durchfuhr sie, ließ sie panisch nach Luft schnappen und endlich löste sie ihre Hände aus Links festem Griff. Sie presste ihre trockenen Lippen aneinander und ballte ihre zitternden Fäuste, um diese gemeine Empfindung zu unterdrücken. „Starke… Schmerzen…“, murmelte er, als ob seine Worte den Schmerz wegwaschen konnten. Sie nickte gequält: „Mmh…“ „Vielleicht nimmst du noch einen Schluck von dem Heilwasser, oder, wenn du auf moderne Medizin ausweichen willst, ich habe einige Schmerztabletten irgendwo in meiner Tasche.“ Ein guter Ansatz, fand Link. Es schaffte Ruhe und Stabilität, wenn er lösungsorientierte Sätze sprach. „Ja… bitte gib mir eine davon“, hauchte sie ausatmend. „Gerne.“ Link fand Ruhe darin sich mit kleinen Tätigkeiten von seiner Angst um Zelda abzulenken, wühlte dann in seinen Sachen herum und suchte eine halbe Ewigkeit nach dem Schmerzmittel. Seine grüne Tunika sah ziemlich mitgenommen aus… die Kämpfe der letzten Stunden hatten es in sich und belehrten dennoch über die gewandte Kampfkraft, die Link verinnerlichte. Er hatte seine Stärke unter Beweis gestellt und gezeigt, welche Willenskraft und Unbeugsamkeit in ihm steckte. Zelda beobachtete jede seiner Bewegungen, dieses leise, besonnene Durchsuchen der magischen Taschen. Diese zerstreuten Gesten seiner Hände, die ruhelos durch das wilde, heublonde Haar seines Hinterkopfes wühlten. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er keine Mütze mehr trug und sein blondes Haar im Moment wild und ungestüm war. Aber die einzelnen Strähnen, die so unbefangen in seine dunklen Augen fielen, wirkten mehr als anziehend auf sie. Die Berührung seiner vertrauten Hände… fest und sicher… und stark. Es beruhigte sie, dass ihr Held bei ihr war, schaffte Zufriedenheit und Stärke, das Gefühl von ein bisschen Glück brach in die alten Wunden… Nach einer Weile fand er das Schmerzmittel und reichte Zelda die Schachtel. „Du solltest zwei auf einmal nehmen…“, setzte er leise hinzu. Er war kein Mediziner, aber die doppelte Dosis war in ihrem Zustand durchaus in Ordnung. „Außerdem nimm‘ bitte das hier…“ Und er reichte ihr eine weitere Schachtel mit Antibiotika. „Was ist das…“, hauchte sie träge, verzog das Gesicht vor Schmerz und fluchte leise. „Es verhindert… einen Infekt…“ Einmal mehr stockte seine Stimme, worauf sie aufsah und ihn musterte. Er verriet sich nicht nur mit der schwachen Stimme, sondern auch mit einem gramerfüllten Gesicht, als wären ihre Schmerzen die seinen. Das war es, dachte sie… Sobald eine Schmerzwelle über sie drüber schwappte, konnte sie ihren eigenen Schmerz in seinem Gesicht ablesen. Er litt wegen ihr… Trübsinnig wanderte ihr Fokus in die Flammen. Einmal mehr litt Link nur wegen ihr… „Link?“, sagte sie und überwand für einen Moment die Schwelle ihrer Gefühle für ihn. Sie öffnete ihren Mund einen Spalt, Hunderte Erklärungen und Geständnisse gierten in ihrer Brust nach Gehör. Sein gramerfülltes Gesicht zwang sie dazu den alten Verboten zu lauschen, ihren tiefen Gefühlen zu lauschen. Sie stopfte ihre Kehle mit den Medikamenten zu, hoffend, sie könnte ausweichen. „Möchtest du meine Bürste haben?“, sprach sie dann. Sie wusste nicht einmal, wie sie darauf kam und welche alberne Absicht hinter diesem absurden Versuch steckte Normalität in ihre Unterhaltung zu bringen. Aber ihre Frage beschämte die angespannte Situation zwischen ihnen noch mehr. „Äh… Ja, warum nicht?“ Er wollte mitspielen, auch wenn er kaum verstand, was sie mit dieser Ablenkung versuchte zu erreichen. Für ihn gab es jetzt kein Weglaufen mehr, keine Widerworte. „Dein Haar sieht nämlich sehr zerzaust aus“, erklärte sie mit roten Wangen. Link sah zum Glück aber nicht, wie Zelda ihre Augen rollte. Was dachte sie sich bei diesem merkwürdig klingenden Angebot? Er löste den unsauber verbundenen Zopfhalter, seine heublonden Haare lagen wild und so unglaublich unkeusch über seinen Schultern. Er verursachte eine süße, pochende Regung in ihr, erst recht damit, als er sich die Haare kämmte… dieses männliche, wilde Haar hypnotisierte ihren Blick. Sorgfältig band er das widerspenstige Haar zusammen, warf den Kopf in den Nacken und kurbelte die Schultern. Die Sekunden standen still, als die wenigen Bewegungen seines Körpers wie ein Untersuchungsobjekt in ihren Fokus rückte… diese drahtigen Zeichen seiner Lebendigkeit, der Beweis seines schlagenden Herzens. Diese typischen Gesten ihres Heroen machten sie mürbe, verrückt, und verwandelte innere Bilder in hilflose Romantik… Er nahm sich ebenfalls eine dicke Decke aus einer magischen Tasche, weich und kuschelig, und notwendig. Selbst Link, der in den letzten Stunden Unerschütterlichkeit in diesen irren Kämpfen bewiesen hatte, fühlte sich matt, erschlagen und fror etwas. Sie hatte ihn noch nie so erschöpft erlebt. Eine weitere gefährliche Schlussfolgerung kroch in ihren schuldbeladenen Geist. Natürlich war er erschöpft, aber nicht wegen der Kämpfe, sondern weil er sich um eine verletzte Prinzessin kümmern musste… Einmal mehr biss die Verletzung unerträglich in ihrem Fleisch, entriss ihr die Fassung und schickte flache Atemzüge über ihre Zunge. Gerade da hockte sich der junge Held mit einem besorgten Blick neben sie, saß so nah, dass es auffiel, wenn sie versuchte wegzurücken. Und Link würde sie kaum mehr ausweichen lassen, das hatte er deutlich gemacht… das hatten seine Augen mit sturer Aufrichtigkeit versprochen. Und sie ahnte, was er vorhatte… Und diesmal… hatte sie keine Kraft dagegen anzukämpfen. Nervös presste sie ihre Hände auf die Wunde und beobachtete genauso wie Link die hungrigen Flammen in dem kleinen Backsteinkamin, die sich nach dem Holz verzehrten… Tanzende Gestalten in dem Werk aus Rot und Glühend gelb banden ihrer beider Aufmerksamkeit für viele Minuten. Und dann endlich war es Link, der die Stille brach. „Ich wollte mich bei dir entschuldigen, Zelda“, fing Link an, leise, deutliches Unbehagen in seinen Worten, „du weißt, wegen der Tatsache, dass ich die Telepathiesteine verwendet habe… ich hätte das nicht tun sollen. Irgendwann hättest du es mir bestimmt erzählt, ich hätte dir auf jeden Fall vertrauen müssen.“ „Und wann?“, sagte sie lauter, etwas zu schnippisch. Sie hielt Links entwaffnende Entschuldigungen nicht aus, nicht jetzt, nicht, wo der Fehler einmal mehr bei ihr lag. „Wann glaubst du, hätte ich es dir erzählt?“ Er zuckte mit den Schultern, vermied ihren Blick und meinte leise: „Dann, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen wäre.“ „Wenn es zu spät gewesen wäre“, flüsterte sie und kniff ihre mit Schatten belegten Augen zusammen. „Ich hätte geschwiegen.“ Sie zitterte, krallte sich noch ein wenig mehr in den dicken Stoff der Decke. „Aber Zelda? Warum?“ Link war so traurig über ihre Worte, dass seine Stimme blass und durchscheinend an ihre Ohren klang. Diese starke Kämpferstimme begraben von Unverständnis. Sie unternahm erst gar nicht den Versuch sich schon wieder zu rechtfertigen und kämpfte mit ihren Gefühlen ihm gegenüber. Wie nur sollte sie ihm erklären, wie schwer es ihr fiel diese folternde Prophezeiung nur ansatzweise in Worte zu packen? Sie konnte ihm nicht sagen warum jede Nacht erfüllt war von Terror und Blut… Und warum es ihr das Herz brach ihn am Boden liegen zu sehen. Denn sie wusste, ohne ihn wäre sie ohnehin zerbrochen… Sie konnte es sich nicht eingestehen, sie konnte ihm nicht sagen, was er ihr bedeutete… sie brachte es nicht über die Lippen. Nicht einmal den Anfang eines Geständnisses, etwas, was sie schon seit Jahrhunderten mit sich herumtrug. Aus Angst vor Abweisung. Aus Angst verlassen zu werden. Link packte sie sanft an den schmalen, herabhängenden Schultern und drang mit seinen Augen in ihre gehütete Gedankenwelt vor. Sie wollte flüchten, vor ihm und ihren Gefühlen, doch er war nicht bereit sie kampflos gehen zu lassen. Er war nicht derselbe Link, den sie in der Vergangenheit überzeugte, sieben Jahre in der Zeit zurückzugehen. Er war nicht mehr der Link, der ihr damals ohne Widerworte die Okarina der Zeit zurückgegeben hatte. Er würde sie nicht mehr weglaufen lassen. „Bitte“, hauchte er wunscherfüllt. Sie mied seinen Blick und wich etwas mehr zur Seite. „Ich habe seit Ganon die Herrschaft an sich gerissen hat jede Nacht… davon geträumt… immer und immer wieder…“ Ihre Augen wurden gläsern und das erste Mal verstand Link, wie weh es ihr tat, jene Bilder zu sehen. Wie konnte er nur jemals von ihr verlangen ihm das alles zu berichten? Sie brachte es ja kaum über die Lippen. Sie legte eine Hand auf ihr unruhiges Herz, das leise Pochen immer hetzender, und ließ ihren ängstlichen, wässrigen Blick schweifen, als ob ihre bitteren Gedanken nicht enden wollten, um die Worte, die sie sagen wollte, erst gar nicht zu erschaffen. „Es hat…“ Sie fasste sich mit einer Hand an ihr Haupt, als ob sie sich nicht mehr halten konnte, während Link ihr Verhalten studierte und es ihm immer mehr zusetzte, dass sie sich so quälte. „… jede Nach hat es mehr weh getan, dich dort liegen zusehen“, sagte sie leise, mit den Tränen kämpfend, „… und ich konnte es dir nicht sagen, um dir deine Hoffnung nicht zu nehmen, verzeih’ mir bitte. Ich wollte das nicht.“ „Ich weiß“, unterbrach sie ihr Held. Er nahm ihr blasses Gesicht in beide seiner Hände und murmelte ruhig und Vertrauen suchend: „Das ist jetzt nicht mehr wichtig, denn es wird nicht dazukommen.“ „Aber meine Prophezeiungen…“ „Schsch…“, begann Link und legte einen Zeigefinger auf ihre schwachrosa Lippen. „Selbst der Weiseste irrt sich einmal.“ „Link, aber dein Nachkomme, er erzählte mir, er wird nicht existieren.“ Und Zeldas Blick wurde immer mutloser. „Warum sollte das an mir liegen? Wie kommst du darauf, dass er wirklich ein Nachfahre von mir ist?“ Zelda verstummte. „Gibt es noch etwas, dass du mir erzählen möchtest?“ Sie antwortete nicht sofort, sondern erwiderte ehrlich seinen Blick, dann legte sie zaghaft ihre Hände auf seine rissigen vom Kampf gezeichneten, die noch immer auf ihren seidenen Wangen ruhten. „Ich hatte eine Vision… in der Nacht, bevor Mortesk uns angegriffen hatte.“ Link war im Begriff seine Arme um sie zu legen, wollte sie wärmen, bei ihr sein, sie beschützen, aber sie lehnte sich zurück, als wäre es ein Fehler sie zu berühren. Ein Fehler, sowohl heute, als auch damals. „Ich hörte die Melodie meiner Spieluhr und es war, als wäre das Kind hier gewesen und machte mir Vorwürfe, dass es wegen mir nicht existieren würde. Verstehst du: wegen mir!“ „Es war eine Vision oder Halluzination, wie du schon selbst sagtest. Mach’ dir deswegen keine Gedanken, hm? Hattest du noch mehr Visionen?“ Sie schüttelte mit dem Kopf und log ihn schon wieder an. Sollte sie ihm etwa sagen, sie wäre in ihrem riesigen, weichen Himmelbett aufgewacht und nicht einmal überrascht, dass er sich direkt neben ihr befunden und sie zu allem Überfluss mit zärtlichen Küssen überschüttet hatte? Nein, bei Farores göttlichem Mut, aber das brachte sie nicht über ihre Lippen. Er spürte die Unwahrheit in ihrer gereizten Stimme. Und so formuliert half es ihm besonnen und ruhig zu bleiben. Er schloss die Augen langsam und murmelte: „Es ist okay, Zelda… vielleicht brauchen wir ein anderes Gesprächsthema.“ „Und worüber willst du reden, Link?“, sprudelte eine weitere Beklemmung aus ihr heraus, ließ sie sich aufgebracht bewegen, sodass die tiefe Wunde begann um Beachtung zu toben. Hastig atmete sie ein und aus, presste ihre Hände auf die Wunde und kniff die Augen kurz zu. „Die Zeit läuft uns davon, ich kann einfach an nichts anderes als diese Mission denken, ich kann nicht einen erheiternden Gedanken mehr-“ Sie brach ab, als sie die Sorge in seinen Augen sah. Und sie ein weiteres Mal über ihre Worte nachdachte. Es war der Todesstoß jeder Hoffnung und jedes Antriebs, wenn sie es so in Worte fasste. Sie konnte keinen aufheiternden Gedanken mehr bilden… und wenn Link diese aufheiternden Gedanken preisgab, fühlte sich selbst dies verräterisch und bitter an. Er gab sich Mühe, sie abzulenken und ihr über die Ängste hinwegzuhelfen, aber sie schaffte es nicht sich von der Last zu distanzieren, die wie eine schwarze Wolke über ich hing. „Es ist nicht einfach zu verdrängen“, flüsterte sie nach einer Weile, mit dem geheimen Wunsch, dass Link es überhören würde. Aber die Aufmerksamkeit des Heroen lag streng auf seiner Prinzessin. Sorgsam und alarmiert fokussierte er jedes Wort von ihren bleichen Lippen, beobachtete jede noch so kleine Geste und körperliche Regung. Sie hatte absolut keine Ahnung, wie groß und überwältigend die Angst war, die noch immer in seinem Herzen steckte. Die Angst Zeldas Zustand könnte sich einmal mehr verschlimmern. Die Angst, er würde ihr nicht helfen können und tatenlos mit zusehen müssen, wie sie sich quälte. Einmal mehr griff er nach ihrer rechten Hand, drückte sie fest in seiner größeren. „Es ist nicht einfach zu vergessen“, stimmte er zu, in seinen tiefblauen Augen sammelte sich eine erneute Manifestation von Kummer in Form flüssiger Traurigkeit. Er kniff die Augen zu um die Tränen zu verschließen. „Und noch weniger einfach sich etwas einzugestehen, Zelda.“ Sie nickte, wissend, was er damit meinte. „Ich würde gerne nach deiner Wunde sehen. Meinst du, du kannst es dir eingestehen, dass du meine Hilfe brauchst und, dass ich dir gerne helfen würde, weil… du mir wichtig bist?“ Link hatte den tiefsten Wunsch sich um seine Prinzessin zu kümmern, aber selbst er rechnete mit einer erneuten Abweisung, sodass er ihren Blick nicht traf und stattdessen nach wie vor die tanzenden Geister im Feuer suchte. Zelda nahm einen weiteren tiefen Atemzug. Sie biss sich auf die Unterlippe in dem Versuch Links Fürsorge anzunehmen und nicht erneut mit unnötigen, fehlgeleiteten Verdächtigungen zu füllen. Sie drehte ihm den Rücken zu und ließ die Decke langsam von ihrem zarten Oberkörper gleiten. Beinahe magisch sank das graue Stück Stoff herab, gab blasse, und doch wunderschöne zarte Haut preis, den roséfarbenen BH, den sie trug und auch den riesigen Verband. „Bitte“, murmelte sie, zitterte ein wenig an der Vorstellung, das Link sie betrachtete und nicht etwa, weil ihr kalt war. Link jedoch war neben ihrem plötzlichen Sinneswandel erstaunt über die Offenheit, die Zelda an den Tag legte. Und er fühlte sich ziemlich unpässlich so viel Nacktheit seiner Angebeteten zu erleben und schluckte mehrfach in Überforderung seiner Aufgaben… Es war ungemein schwer für ihn Zeldas Schönheit außer Acht zu lassen, selbst wenn er ihre Wunde betrachten wollte. Und wie wunderschön sie doch war. Diese zierlichen, schönen Schultern verbunden mit ihren Schulterplatten, dann die sichtbaren Wirbel in der Mitte ihres Rückens… Zeldas unfassbar reine Haut. Und ihr Verhalten irritierte ihn… Gab es einen anderen Grund, weshalb sie sich plötzlich traute, Link mehr Vertrauen zu schenken als bisher? Gab es eine Ursache, dass sie sich mehr denn je in seine Nähe wagte? Ein Grund, der über die Folgen ihrer Wunde weit hinausging? Er setzte sich direkt hinter sie, berührte mit seinen Oberschenkeln ihre Hüfte, beachtete ihre daraus resultierende, steife Anspannung nicht, ignorierte ihr Zittern, als er ihre goldenen Strähnen sanft zu Seite strich, um Zugang zu dem Verband zu haben. Dieses wunderschöne, weiche Haar streichelte seine Hände auf eine Weise, dass er glaubte vorher nicht gewusst zu haben, was Streicheln war… „Hast du eine Spange oder einen Zopfhalter für deine langen Haare, Zeldaschatz? Die sind nämlich trotz ihrer unglaublichen Schönheit ein wenig im Weg, wenn ich die Wunde anschauen will“, erklärte er. Unglaubliche Schönheit, dachte Zelda. Hatte Link das gerade wirklich gesagt? Oder träumte sie vielleicht? „In, in meiner Geldbörse, in welcher ich die Steine hineingepackt habe, ist eine Spange.“ Link machte sich nicht die Mühe aufzustehen und blieb eng hinter ihr sitzen, vielleicht ein wenig zu nah, kramte nach besagtem Objekt, fand es und war erstaunt, wie kostbar diese Spange aussah. Ein reichlich mit unterschiedlichen, bunten Edelsteinen besetztes Schmuckstück, mit Gravur und anderweitigen Verzierungen. „Diese Spange, sie war ein Geschenk von…“ Erst nachdem der Satz aus ihrem Mund gewichen war, stoppte sie sich und ärgerte sich über ihr Bekenntnis. „Ja?“ „… von meinem möglichen Zukünftigen.“ Sie brüllte innerlich gegen die alten, auferlegten Ketten, kniff einmal mehr die Augen zusammen angesichts der Preisgabe von ausgerechnet so etwas. Ja… so etwas… so etwas Unnützes, Demütigendes, und Zwanghaftes. Link ließ vor Schreck die Spange aus seiner Hand fallen. Meinte sie das ernst? Hatte Zelda damals jemanden geliebt? Geschockt rührte sich Link nicht mehr und machte auch sonst keinen Mucks. „Ich wurde nach langem hin und her jemandem versprochen, Link. Es war mehr ein Bündnis zwischen zwei königlichen Familien“, sagte sie dann. „Ich habe ihn nie geliebt. Es kam nebenbei auch nie dazu, weil damals alles verblasst ist, noch bevor meine Heirat stattfand.“ „Du hast ihn nicht geliebt? Wer war er?“ Link versuchte sich keinen Hauch Eifersucht anmerken zu lassen, wollte sich beherrschen, sie nicht auszufragen und atmete bei dem Gedanken, ein anderer würde Zelda berühren, würde sie festhalten, würde sie küssen und verführen, scharf ein. Genau hier, wo er sie jetzt berührte, hätte ein anderer beinahe seine Berührungen hinterlassen… hier in diesem zarten Nacken hätte ein anderer seine Lippen hinein gesenkt. Der Gedanke machte ihn rasend! Er strich mit der Eifersüchtelei kämpfend ihr Haar zärtlich über ihre Schultern, sodass er jede goldene Strähne in der Spange festhalten konnte. Eine Gänsehaut überkam sie, als seine Hände unabsichtlich ihr rechtes Schlüsselbein berührten. Sie reckte ihren Kopf nach hinten und seufzte leicht angesichts des fröstelnden Kribbelns jener Empfindung. „Alles okay?“ „Ja, es tut nur manchmal ein wenig weh.“ „Die Wunde oder die Vergangenheit?“ Sie drehte ihren hübschen Kopf nach hinten und erhielt den aussagekräftigsten Blick, den sie suchte. „Die Wahrheit.“ Link war nun dabei den Verband zu entfernen und tat dies unheimlich umsichtig. Ob es überhaupt notwendig war, dass Zelda diesen trug? Hatte das Feenwasser nicht die Blutung unterbunden? Zelda erzählte währenddessen: „Er stammte von hohem Haus und die Wahl meines Vaters fiel auf ihn, da er uns als einziger keine übertriebenen, falschen Komplimente unterbreitete und weil seine Augen sagten, dass er ein rechtschaffenes Herz in sich trug. Aber ich musste die Entscheidung zum Wohle Hyrules treffen, nicht zum Wohle meiner Selbst und das war wohl auch der Grund, weshalb ich ihn nie hätte lieben können.“ Sie ertappte sich selbst dabei, wie sie begann sich in der Vergangenheit zu verstricken. Wollte sie Link wirklich erzählen, wie hart es damals für sie war sich den Gesetzen des hylianischen Adels unterzuordnen? Ob es ihn langweilen würde, wenn sie von ihrer ehelichen Verpflichtung sprach? „Es ist… ich habe niemals realisiert“, murmelte er und rückte etwas näher um den Verband um ihrem Bauch zu lösen. Sein Oberkörper lehnte vorsichtig an ihrem Rücken und er versuchte noch langsamer zu arbeiten um ihre Nähe ein wenig auszudehnen. Er blickte etwas dümmlich drein und wanderte mit seinen nervösen Blicken die Holzdecke ab, hoffend, Zelda bemerkte diesen Nähediebstahl nicht… Aber es tat so gut Zelda zu spüren, ihren Körperduft seine Nase kitzeln zu lassen. „Ich habe niemals realisiert… wie hart und grausam das vorbestimmte Leben in einem Adelshaus doch ist.“ Zelda nickte beflissen, atmete in Links Nähe noch flacher und wusste nicht, wie sie ihre Nervosität anders neutralisieren sollte. „Es tut mir leid, dass ich das… bisher nicht so sehen konnte“, ergänzte er und schob seinen Kopf unter ihrem Arm durch, so dass er einen Blick auf ihren Bauch werfen konnte. Zum Glück bemerkte er Zeldas aufgerissene Augäpfel nicht und die entsetzlich rote Scham, die sich über ihr Gesicht bis hin zu den Ohren malte. „Ich habe nicht geahnt… wie schwer es gewesen sein muss… dein Leben als Prinzessin…“ Er schüttelte den Kopf und gab sich innerlich die nächste Ohrfeige. Er wollte ihr eigentlich nur deutlich machen, dass er mitfühlte. Aber das war unsinnig. Natürlich ahnte er wie vollgestopft mit Zwängen, unsäglich fiesen Pflichten Zeldas Leben war. „Aber wenn es… um Liebe geht… Niemand kann dich zwingen jemanden zu lieben, Zelda…“ Zweifelnd blickte sie drein. „Denn weißt du, was ich glaube?“ „Was?“ „Viele Menschen erzählen von ihrer großen Liebe. Sie verlieben sich, weil sie annehmen, sie müssten es, um nicht alleine zu sein, oder um ihr Gesicht zu wahren, weil es sich eben einfach nicht gehört, dass man ein Leben lang alleine ist. Aber Liebe kennt keine Zeit, Zelda. Das ist es wohl, was viele Leute vergessen.“ Link erstaunte sie… diese nachdenklichen, schwebend melancholischen Worte unterlegt mit einer wenngleich ignoranten Magie. Seit wann redete er so aufrichtig über seine Einstellung zur Liebe? „Liebe kennt keine Zeit… wie meinst du das?“ „Ich meine, entweder man trifft die wahre Liebe oder man belügt sich selbst, wenn man annimmt jemanden zu lieben, nur um so zu tun, als ob man im siebten Himmel ist. Ich will sagen, das, wenn es einfach nicht Liebe ist, man erst gar nicht hoffen braucht, dass ein Wunder geschieht. Das ist meiner Meinung nach nicht die wahre Liebe.“ Das Entfernen der Verbände half ihm ein wenig nicht zu sehr über seine Zugeständnisse nachzudenken. Andererseits hoffte er sehnlichst, Zelda las zwischen den Worten die Botschaft. Eine Botschaft, die nur an sie gerichtet war… an seine Zelda… an den mutigen, beeindruckenden Menschen, der sie doch war. Zelda lächelte leicht und entgegnete nichts. Sie verstand jene Worte nur zu gut… Link entfernte die letzte Schicht des festen Verbandes vorsichtig und hörte sofort ein schmerzliches Fluchen aus ihrem blassen Mund. „Ruhig“, murmelte er, gab ihr einen unbemerkten Kuss an den blonden Hinterkopf und schaute sich die Wunde genau an. Das zwei Zentimeter große Loch schillerte silbern und war geöffnet, aber innerlich musste die klaffende Wunde irgendwie heilen, sonst würde Zelda nicht so mit ihm reden können und so lange wach bleiben. Zumindest hoffte Link, diese merkwürdige Wunde heilte… er wüsste nicht, was er tun würde wenn nicht. Und erst jetzt bemerkte er die Reste ihres Blutes, das ihren gesamten Bauch bedeckte… Ihr kostbares Blut hatte den schönen BH fleckig gefärbt… Reste ihres Blutes hingen selbst noch in den Spitzen ihres honigblonden Haares, und selbst an dem Saum ihrer Hose. „Zelda… Ist es okay für dich… wenn ich versuche deinen Bauch ein wenig zu reinigen?“ Er kratzte sich am Hinterkopf, blickte schräg seitlich und lächelte verlegen. Dieser beschämte Blick… sie kannte diesen aus der Vergangenheit, hatte ihn aber niemals zu deuten gewusst. Im ersten Augenblick spürte sie ihre Unnachgiebigkeit, Frostigkeit und das in ihrem Inneren brüllende Misstrauen erneut an die Oberfläche treten, aber sie konnte Link wohl kaum für etwas, das er in den letzten Minuten getan oder gesagt hatte einmal mehr ihre Zickigkeit entgegenwerfen. Unschlüssig, was sie tun sollte, tat sie das einfachste. Nämlich erst einmal gar nichts. „Dein Blut… es ist noch überall…“, sprach er dann leise. „Ehrlich gesagt… ich halte den Anblick nicht aus.“ Damit hüpfte er seufzend in die Höhe, suchte in einer magischen Tasche frische Verbände. Er war unglaublich ungeschickt gerade, kramte wie ein Verrückter und voller Ungeduld. Es war ihm anzusehen, dass er seine Worte bereute. Nicht, weil es nicht stimmte, aber weil er sich nicht so gehen lassen wollte. Und weil Zelda schwieg, verlor auch er keine weiteren Worte, sondern stand betreten mit den Verbänden in den Händen im Raum. Sein Blick wanderte erneut zu den Blutresten, machte ihm deutlich, wie viel Blut sie verloren hatte. Das Geschoss von Mortesk musste auf eine barbarische Weise so konstruiert worden sein, dass es den schlimmsten Schaden anrichtete. Einmal mehr stiegen ihm Tränen in die Augen, machte seine Blicke gläsern wie traurige Sternenschimmer. Auf eine erbarmungsvolle Weise hatte die Besorgnis in seinen Seelenspiegeln nun genau den Effekt, dass Zelda begann sich langsam auf den Rücken zu legen, ein wenig seitlich, sodass sie entspannen konnte. „Ich… mag auch nicht… dass es an mir klebt… also bitte…“, sprach sie dann, entsetzt darüber, es wirklich von Link zu verlangen. Sie bat darum, dass er ein sanftes, warmes Tuch über ihre Haut streicheln ließ um mit den verschwindenden Blutresten ihre Verletzung ungeschehen zu machen. Aber eigentlich faszinierte sie der Gedanke, dass es Links Hände wären, die das taten… Und wieder reagierte Link ungeduldig… Er hoffte, Zelda überlegte es sich nicht anders und so zerriss er beinahe die Taschen auf der Suche nach dem Verbandkasten, wo einige Tücher und Iod gelagert waren. Und er stellte sich ungeschickt und zappelig an. Er verschüttete eine Heidenmenge des Iods aus der Phiole, zappelte schließlich noch irritierter, bis es Zelda ein Lächeln entlockte. Erst dann sank er vor ihr auf die Knie, öffnete seinen Mund und unterdrückte die Atmung. Wie nur sollte er atmen können, wenn er seine ganze Lebenskraft auf seine Hände fixiert hatte… auf die Hände, die begannen mit einem sanften Tuch über Zeldas Bauch zu fahren. Es war unglaublich intim… dieser ganze erschaudernde, zärtliche Prozess… seine Hände, die mit dem Tuch spielten. Diese rauen, unerfahrenen Hände, träge erforschten sie sanfte, von Blut bemalte Haut… Die Prinzessin presste ihre Hände ins Gesicht, schloss die Augen und versuchte dieses neue Gefühl in ihre innere Welt einzuordnen. Ein nie da gewesenes Vibrieren saugte sich in ihrem Inneren fest, ließ sie sich leicht und sicher fühlen… und es überdeckte die Schmerzen wie ein kraftvoller Zauber. Link währenddessen explodierte innerlich Zelda so erotisch hier liegen zu sehen und sie auf jene unsittliche Weise zu berühren. Ein bedrängendes Gefühl gewann die Oberhand in ihm, sodass er mit einem tiefen Atemzug das Reinigen ihres Bauches unterbrach. Beim Triforce, wenn er sich nicht sofort zügelte, würde er sich hemmungslos auf sie werfen und mit Küssen überschütten… „Sieht gut aus, Zeldaschatz“, sagte er leise, seine Stimme piepsig und verlegen. Das war eine dumme Idee, sagte er in Gedanken, verdammt, das war eine absolut dumme Idee. Er hätte beinahe einen Herzkasper bekommen in diesem intimen Prozess. „Danke… Link“, sprach Zelda, richtete sich vorsichtig in die Höhe und hatte bei seiner so liebevollen Berührung beinahe ihre Wunde vergessen. Link hatte eine Begabung darin ungemein sanft und vorsichtig zu sein, so behutsam und aufrichtig. „Aber du musst das nicht für mich tun. Das ist wirklich nicht deine Pflicht…“ Leicht verärgert funkelte der Held ihr entgegen, wünschte sich so sehr, sie wäre nicht so abweisend, nicht so bekümmert und ständig auf der erbarmungslosen Suche, drauf und dran, seine Fürsorge abzuweisen. „Ach Zelda“, sagte er verträumt. „Mein kleiner Dummkopf. Ich weiß selbst, dass es nicht meine Pflicht ist. Ich tue das, weil du mir viel bedeutest und das weißt du, Zelda, hör’ doch mal auf dein Herz anstatt auf deinen weisen Sturschädel, hm?“ Und Link gab ihr ein aufmunterndes Lächeln und einen sanften Stups an ihre Stirn. Sie erwiderte seinen Blick und lächelte ebenso, auch wenn die Wunde an ihrer Kraft nagte. Dann endlich legte er ihr vorsichtig die schützenden Verbände um, vorsorglich, eine erneute Blutung nicht riskieren wollend. Einmal mehr so zärtlich… irgendwie auch verspielt… Ein himmlisches Gefühl, fast halluzinierend. Zelda atmete genießend ein, ließ Links Berührungen zu, wollte mehr davon, wünschte sich seine vertrauten Hände überall. Seinen Atem an ihrem Ohr. Sein Herz neben ihrem. Sein Mund… Verflixt, Prinzessin, mahnte sie sich, läufst du noch rund, als sie aus ihren Gedanken flüchtete. Beinahe hätte sie zugelassen, was sie stets ignoriert hatte. Ihrem Heroen näher zu sein… Hoffnung auf eine Beziehung zu spüren. Es war ein Fehler, sagte sie innerlich. Nicht richtig… niemals richtig… Ihm ihre Bedürfnisse aufzubürden war niemals richtig. Nach vielen Minuten hatte der junge Mann den frischen Verband um Zeldas Bauch gewickelt, aber ihm war noch nicht danach zumute, sie jetzt sich selbst zu überlassen. Er blieb stur, wo er war: verführerisch direkt hinter ihr, streifte mit seinen Händen ihre Taille. „Sag’ mir… wieso Zelda?“, flüsterte er in ihr spitzes Elfenohr. Sein warmer, feuchter Atem kitzelte es und sie fühlte sich wie gefangen in einem weitentfernten, herrlichen Orbit. Er legte seine angenehmen Hände dann sanft auf ihre angespannten Schultern und berührte sie, vorsichtig, streichelte ihre nackten Schultern und fürchtete sich dennoch vor jedem bisschen zu viel Druck. Sie war so zerbrechlich im Augenblick. Aber sie antwortete ihm nicht und schwieg, sodass er ein weiteres Mal nachbohrte. „Warum hast du diese Schmerzen auf dich genommen? Du hättest den Pfeil sein Ziel erreichen lassen können.“ Sie gab nach und entspannte sich. Ihre Schultern hingen nun schlapp herunter, auch ihr Körpergewicht konnte sie nicht mehr halten und sie ließ sich in seine beruhigende Umarmung fallen. Link war so warm… dass sie über die Nähe nicht nachdenken wollte. Erschöpft lehnte sie sich weiter in diese Wonne hinein. „Du hast mir das Leben gerettet, Zelda… ich konnte mich noch nicht dafür bedanken. Danke, mein kleiner Schutzengel.“ Sie drehte den Kopf zögerlich in seine Richtung und lächelte so gut wie es mit den Schmerzen ging. „Dennoch“, ergänzte er, „tu’ das nie wieder. Setz’ dich nie mehr einer derartigen Gefahr aus. Und tu’ nichts, was über deine Kräfte geht, Zelda. Bei den Göttinnen, ich wäre aus Angst um dich beinahe gestorben.“ Distanz suchend wich Zelda ein wenig weiter nach vorne, konnte einfach nicht anders, als Link erneut auszuweichen. Aber er hielt sie fest, nicht grob, aber fest. Sie spürte seine sture Unnachgiebigkeit einmal mehr. Sie spürte, dass er sie jetzt nicht mehr weglaufen lassen würde… „Zelda… bitte sag’ mir warum“, meinte er leise und hatte nicht die Einsicht oder Akzeptanz seine Prinzessin weglaufen zu lassen. Erneut umarmte er sie innig und zog sie eher ungewollt an sich, vergrub seinen verliebten Kopf auf ihrer rechten, entblößten Schulter, während Zeldas Puls ungebändigt in die Höhe schoss. „Sag’ es bitte“, murmelte der junge Kämpfer leise, hauchte seinen warmen Atem an ihren Hals und wollte doch nur eine aufrichtige Antwort. „Ich kann nicht“, entgegnete sie kühl, und wich wieder nach vorne. Link tat nichts anderes als enttäuscht zu seufzen. „Ist es wegen mir?“, meinte er und blickte betreten zu Boden, stützte sich mit seinen Händen am Boden ab. Sie kniff die Augen zusammen und wusste doch… es war nur wegen ihm. Sie tat es aus Sehnsucht, aus Liebe. Und doch verbat ihr die Vergangenheit, vielleicht auch die grausame Verkettung ihres Schicksal, es endlich rauszulassen, ihrem Liebsten alles zu beichten. „Zelda, bitte“, murmelte Link und konnte einfach nicht anders. Jegliche Beherrschung verabschiedete sich und er küsste sie sanft an ihr rechtes Ohrläppchen. Von sich selbst erschrocken fuhr er zurück und bedeckte seine Lippen mit einer Hand. Doch Zelda schien jenen Kuss nur als einen kühlen, angenehmen Luftzug wahrgenommen zu haben. Oder sie wollte es nicht als ein Annähern interpretieren… „War es aus Pflichtgefühl? Aus Angst? Aus… Liebe?“ Zeldas Augen standen starr, sie fühlte sich ertappt und unsicher. Aus Liebe. Er hatte genau das gesagt, was sie nicht konnte. Seine Worte hatten ihre Wurzeln tief in der Wahrheit begraben. Liebe… Dieses wunderschöne, mit Schmetterlingen gefüllte Wort. Liebe… Natürlich war es Liebe. Von Anfang an… bis zum bittersten Ende… Sie biss sich auf ihre Lippe und wusste nicht, welche Ausrede in dem Augenblick ausreichen würde. Aufgeregt spannte Zelda ihre Arme in die Breite, wollte Links Annäherung nicht erkennen und log laut und eindringlich: „Ich wollte mich doch nur einmal bei dir revanchieren. So oft hast du mein Leben vor dem sicheren Tod bewahrt und du hast nie etwas dafür verlangt.“ Link blinzelte mehrfach. Er hatte niemals etwas für seine Aufopferung, seinen Schutz und seine Loyalität verlangt? Stimmte das denn? Er war nicht überzeugt, was diese Sache anging. Hatte er denn nicht zumindest ihre Freundschaft verlangt? Und ihr Vertrauen? Außerdem… er kannte Zeldas süßeste Reaktionen mittlerweile in und aus wendig. Er wusste genau, wann sie ihm einmal mehr ihre Unwahrheit ins Gesicht pfefferte. Aber er war in dem Umgang damit gewachsen. Er hatte gelernt und verstanden, dass Zelda ihre Abweisung nicht aufrechterhielt um ihn zu verletzen… Die Ursache ging viel tiefer. „Das stimmt nicht ganz“, meinte er. „Das stimmt nicht ganz?“, sagte Zelda auffordernd, als sie sich mühsam den dicken, grünen Pullover überstreifte. Zu gerne hätte sie verstanden, was Link damit andeutete. „Ja, nicht ganz.“ Aber Link würde seine Gedanken hier nicht preisgeben… noch nicht. Sie richtete sich endgültig auf und griff nach der Wasserflasche und trank einige Schlucke, diesmal fühlten sich ihre Arme stärker an und nicht wie schmelzende Knetmasse. Es war ein beruhigendes Gefühl zu wissen, dass die heilende Kraft des Feenwassers in ihr arbeitete und auch die Schmerzmittel wirken konnten. Zelda entspannte sich mehr und mehr und spürte die Kraft in ihren Körper zurückkehren. Mittlerweile waren die wenigen Kerzen heruntergebrannt und füllten das winzige Kämmerchen mit verspielten Schatten, die das vergehende Feuer, denn dort bedurfte es Holz und Kohlen, betrauerten. Die Düsternis der Nacht kroch in den Raum, erzählte beiden hylianischen Seelen wie spät es doch war. Link hüpfte auf die Beine und schürte das Feuer, worauf es zu neuer Stärke erwachte. Sicherlich war es verdammt spät, Zelda und er brauchten Ruhe, aber er betete innerlich darum, gerade hier in diesem Gotteshaus, um etwas mehr Zeit. Ein wenig noch Reden, ein wenig noch die Missverständnisse klären, bevor dieser Abend zu Ende ging. „Was anderes… du magst den Pullover?“, lenkte er ab. Er sah ihr an der Nasenspitze an, dass sie über seine Worte von vorhin nachdachte. Aber sie hatte sicherlich nicht die Kraft nachzubohren. „Ja, er ist schön warm.“ Sie schmiegte sich in den Stoff hinein, was ihm wahnsinnig gefiel. Zelda in seiner Lieblingsfarbe, in einem Kleidungsstück, das ihm gehörte, das nach ihm roch… „Du kannst ihn ruhig behalten, Zeldaschatz.“ Sie gab ihm einen spielerisch giftigen Blick. Etwas glitzerte in ihren Augen, als würde ein kleines Licht durch den Schatten über ihren Augen durchschimmern. „Außerdem“, sprach sie nach einer Weile. Etwas in ihr wollte ihm erklären, warum sie keine andere Wahl hatte als ihn zu beschützen. Nicht nur wegen ihrer verschwiegenen Bedürfnisse. Sie musste ihn beschützen, weil er das einzige Licht der Welt war. „kannst nur du diese Mission zu Ende bringen. Nur du bist in der Lage Ganondorf aufzuhalten… deshalb musste ich etwas tun, Link.“ Doch die Seele des Helden wusste um etwas anderes. Sie wusste um die Wahrheit und kannte den Grund für Zeldas Selbstlosigkeit. Und jenes aufopferungsvolle Verhalten entsprang fern abseits jeglicher Pflicht. Aber Zelda war nicht bereit es ihm zu sagen… Ob sie jemals dazu bereit wäre? „Schon gut… vielleicht haken wir dieses Kapitel in unserem Leben ab. Was meinst du?“ Selbst jetzt war er bereit auf seine Prinzessin zu warten, vertraute darauf, dass sie sich ihm doch noch öffnen könnte. Sie nickte erleichtert. „Und beginnen stattdessen ein neues?“, entgegnete sie matt. Einmal mehr lehnte sie sich an die hinter ihr liegende Wand, atmete bewusst und tief, versuchte in ihren verletzten Körper hinein zu spüren. „Ja, ein neues Kapitel für Zelda, die wunderschöne, fesselnde, weise Prinzessin Hyrules und ihren atemberaubenden, charmanten, unverschämten Helden Link. Was hältst du von dem Titel: Wenn der Blitz einschlägt, trifft er uns nicht.“ Er kratzte sich am Kopf und wollte ein wenig Heiterkeit in ihre Konversation bringen, aber der Versuch war nicht der beste. Eigentlich ärgerte er sich über den Blödsinn, der über seine Lippen glitt, aber auch er war so erschöpft, dass ihm kaum etwas einfiel. Zelda schmunzelte dennoch und selbst mit diesem unglücklichen Versuch hatte Link es geschafft, ihr ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern. „So ist’s gut“, sagte er und lachte ebenfalls ein wenig. Und plötzlich traf sie wirklich der Blitz nicht. Denn außerhalb wurde Donner hörbar, und ein Blitz zuckte den dunklen Himmel entlang, knallte in die tiefen Täler, und noch einer, noch ein Donnergrollen, laut und heftig. Die Gewitter in Hyrule waren heftig, dachte Link, nicht zu vergleichen mit denen auf der Erde. Da war eine Gewalt in den Urkräften, als wären sie mit Magie gefüttert. „Ups… so genau habe ich das eigentlich nicht genommen“, meinte Link, mächtig verwundert über diese brausende, dröhnende Urgewalt, und lachte dann wieder, aber wusste selber nicht einmal wieso. Als er das drollige Glucksen unterband, suchte er Zeldas Blicke, band tiefe Gefühle in seinen eigenen und schenkte ihr ein tiefes Lächeln. Verlegen wich Zelda diesem Blick aus. Dieser Blick schrieb etwas so Liebevolles, Intensives in sie hinein, dass ihr schwindlig wurde… Wie oft hatte sie von diesem träumerischen Blick geträumt, herbeigesehnt ein Verlangen darin zu erhoffen, das von ihrer Nähe träumte… und doch glaubte sie noch immer nicht, das jener Blick ihr galt… „Ich… ähm“, begann Link und sah betreten zu Boden. Diesmal stand Reue in seinem Tiefblau, ein ehrliches Schuldeingeständnis machte das Tiefblau matt. „Ich muss mich noch für mein Verhalten entschuldigen, Zelda.“ „Was meinst du?“ Zelda wirkte überrascht, zumal sie diesen hässlichen Konflikt bei sich liegen sah. Er setzte sich zu ihr und legte die wärmende Decke erneut über ihre schlappen Schultern. Dann starrte er in das flackernde Feuer, bedacht die erschöpfte Zelda, die neben ihm saß, nicht anzusehen. Denn nun war es an ihm, einige Peinlichkeiten aus der Welt zu schaffen. Auch er trug einen Anteil an dem Konflikt der wie ein richtendes Schwert über ihren Köpfen hing. Er war nicht gerade zurückhaltend in seinen Gesten gewesen ihre Streitereien zu klären. Er hatte in den letzten Tagen sehr oft die Nerven verloren… „Ich habe dich unfair behandelt, als wir gegeneinander gekämpft haben, weißt du noch? Du bist nicht schwach. Überhaupt… war es entsetzlich, dass ich diesen Kampf von dir verlangt habe…“ Je länger er darüber nachdachte, umso schlimmer und beschämender fühlte es sich für ihn an, wie ein Alptraum über den er nicht mehr nachdenken wollte. Nur, dass er diesen Alptraum wirklich initiiert hatte. Sein Zorn über Zeldas Starrsinnigkeit und ihr Unvermögen ihm zu glauben, dass er aufrichtige Gefühle für sie hegte, hatte zu jenem Zeitpunkt Überhand genommen und ihn etwas fühlen lassen, das nur auf das Schlachtfeld gehörte, aber nicht in seine Beziehung zu Zelda. „Das ist… nicht so schlimm…“ „Doch, es war schlimm“, entgegnete er scharf. „Ich habe dir damit furchtbar weh getan und eine Seite an mir gezeigt, die mich beschämt hat…“ Sein Kiefer knirschte, als er sprach. Zelda schüttelte ihren Kopf und zeigte ihm deutlich ihren Widerwillen zu seiner Aufwartung. Eine kühle Hand legte sich instinktiv auf seine rechte Wange, eine dennoch traurige Geste. „Sag‘ das nicht… Denn es war meine Schuld. In letzter Instanz war ich diejenige, die mit den Streitereien angefangen hat.“ Sie schaute trübsinnig hinaus aus dem rauen Fenster. Einzelne Regentropfen klatschten an die milchig graue Scheibe. Streitereien, nur weil sie sich gegen seine Gefühle betäuben musste. Streitereien, nur weil sie Angst hatte, er könnte nichts von dem erwidern, was sie doch fühlte. Streitereien, weil sie Angst hatte, ihn zu verlieren… teuflische Angst. „Und ich habe dich oftmals angeschrien, da ich irgendwie die Nerven verloren habe. Ich habe diese Missverständnisse zwischen uns nicht mehr ertragen… Versprechen wir uns, dass wir uns nicht mehr anschreien?“ Die Aufrichtigkeit in seinem wunderschönen Tiefblau entsetzte sie… diese entwaffnende Treue. Sie nickte, auch wenn Kummer in ihren schönen blauen Augen verborgen war. „Link, ich wollte dir niemals weh tun“, flüsterte sie, während sich in ihrem Inneren der Schutzwall gegen seine starken Gefühle erneut errichten wollte. Er nahm ihre Hände in seine, sah sie mit traurigen Augen an und nickte leicht. „Ich dachte manchmal, du wolltest mich gar nicht dabei haben und siehst mich nur als dummen Trottel.“ Er hustete ein wenig, spürend wie rau und trocken seine eigene Kehle war… „Aber Link… das…“, begann sie zögerlich und zitterte in hinterhältigen Schuldgefühlen. Er schüttelte mit dem Kopf und schweifte in traurigem Blick zur Seite. Seine Hände lösten sich von ihren. Er atmete tief durch und wollte endlich seinen ganzen Mut zusammen zu nehmen um ihr zusagen, dass er sie an seiner Seite wünschte, jeden kommenden Tag, der da kam, dass er sie brauchte wie nichts anderes auf der Welt… und dass sie die einzige für ihn war. „Manchmal dachte ich, du empfindest etwas… ich meine… etwas besonderes für mich… und im nächsten Augenblick hast du dicht gemacht, hast mir Dinge um den Kopf geworfen, die ich lieber nicht gehört hätte und bist mir immer fremder geworden.“ Er stoppte kurz, beobachtete das unsichere Zucken in ihrem schönen Himmelblau, beobachtete die Zweifel und eine Leere, in die sich Zelda nur zu gerne flüchtete. Sie wimmerte gegen seine Worte, aber er konnte kaum mit seinem Geständnis einbrechen. Er musste es jetzt sagen. Sollte er auf einen nächsten Angriff Ganondorfs warten, den sie vielleicht nicht überstanden? „Seit dem Moment, als ich dich in den Wäldern fand… habe ich mich endlich vollständig gefühlt… du hast mich vollständig gemacht“, sprach er leise und hatte das Bedürfnis niederzuknien. Und er tat es, ritterlich und so wie einst, ohne zu wissen, dass diese Geste für sie beide bedeutungsvoll war. „Umso schmerzhafter war es, als du angefangen hast dich zu distanzieren… alles nur, weil du dich an deine scheußliche Bürde erinnert hast.“ Er legte eine Hand auf sein Herz und blickte ihr mit aller Aufrichtigkeit entgegen, die in ihm steckte. „Und als du dich immer mehr verschlossen hast… hier in unserer alten Heimat, da wusste ich nicht mehr, ob du noch das Mädchen warst, das ich damals in den Wäldern fand, das nach mir gerufen hatte, das mit mir gelacht hatte, mit dem ich so gerne… zusammen war…“ Er fuhr sich durch das viel zu lange Haar, suchte die verborgene Wahrheit in Zeldas Seelenspiegeln. Aber er spürte auch, wie sie erneut begann sich innerlich zu verschließen. Ihre leicht verklebten Augenlider sanken hinab, um sich in den Schlaf zu zwingen. Und sie zitterte, bei Hylia, Zelda zitterte an dem aufrichtigen Schrecken seiner Worte… „Ist das deine Bürde, Zelda? Hat man dich nie an Liebe teilhaben lassen… hast du niemals erfahren, was Liebe ist?“ Er wusste, dass er jetzt die Grenze überschritt, und dass er nicht dass Recht besaß ihr Trauma aufzubrechen, aber sollten sie in den nächsten Wochen sich einmal mehr anfeinden und mit Worten und Taten vergiften? Zelda krallte sich mit ihren Händen in der grauen Decke fest und unterdrückte das Gefühl, einfach nur vor Link und seinen Worten davonzulaufen. Sie kniff die Augen zu und versuchte zu verdrängen. „Zelda… ist das wahr? Glaubst du, du hättest es nicht verdient geliebt zu werden? Hast du deswegen mit mir gestritten, weil du vor mir und meinen Gefühlen für dich weggelaufen bist?“ Und schon wieder liefen Tränen über ihre Wangen, die sie abtun würde, wie die Gefühle in ihrem Inneren. Schnell wischte sie sich diese weg und versuchte zu lächeln. „Ich möchte nicht mehr mit dir streiten“, sagte sie und presste ihre trockenen Lippen aneinander, da sie immer noch mit den Tränen kämpfte. Sie atmete tief aus, stand wankend auf und lief zu dem kleinen, trüben Fenster. Es ging einfach nicht mehr, Link hatte mit seinen Worten ihre gesamten inneren Mauern zum Einstürzen gebracht… und den alten Schmerz herausgefordert. Dieser gewaltige Druck in ihrem Inneren, ein Gefühl eisiger Trübsinnigkeit, Hoffnungslosigkeit unterstützt von dem Nagen des Schmerzes unter ihrer Brust. Und einmal mehr weinte sie vor sich hin. Sie lehnte sich mit dem Kopf an die Fensterscheibe, als ob die Kälte des Glases ihr helfen würde, ihre innere Kälte, ihre Schutzmauer gegen jeden, der versuchte zu ihr durchzudringen, zu aktivieren. „Ich wollte das nicht… ich wollte dir nicht wehtun“, rechtfertigte sie sich und war im Begriff sich umzudrehen. Sie schämte sich nun für ihren kleinen Tränenausbruch gegenüber Link, ausgerechnet gegenüber einem hylianischen Herzen, welches immer ihre Stärke bewundert hatte. Hastig wollte die blonde Hylianerin aus dem Kämmerchen verschwinden. Sie war die einstige Prinzessin Hyrules und es war ihr untersagt zu weinen. Es war nicht gestattet, anderen so die eigenen Gefühle zu offenbaren, sich so gehen zu lassen. Nichts war gestattet… nichts von dem, was in den letzten Minuten hier an Intimität und Nähe geschehen war, war gestattet. Aber Link hatte aus irgendeinem Grund die Tür verschlossen und auch das goldene Schlüsselchen war verschwunden. Dann fühlte sie seine Aura direkt hinter sich. Er zog sie an den Handgelenken sanft zu sich heran und schaute in ihre gläsernen, blauen Augen. Er wollte sie umarmen, so fest und wunscherfüllt wie noch nie, aber sie kämpfte dagegen an. Sie wich zurück, klopfte mit ihren Fäusten auf seine Brust und schrie: „Hör’ auf mir nahe zu sein. Wegen mir wirst du sterben!“ Aber Link ließ es über sich ergehen. Er schloss seine Augen und berührte Zelda fest, aber nicht zu grob an den Schultern. „Ich bringe denen den Tod, die ich liebe, lass’ mich“, fauchte sie, während Tränen ihre Wangen hinabtropften. Sie schlug mit ihren Fäusten auf ihn ein, immer stärker und verzweifelter, wehrte sich gegen seine Nähe, wehrte sich gegen ihre Gefühle. „Wegen mir… es war immer nur meine Schuld“, brüllte sie und gab ihm eine Ohrfeige, als er sie umarmen wollte. „Hör’ auf. Ich bedeute deinen Tod. Ich habe es nicht verdient… geliebt zu werden“, weinte sie. Und Link schwieg, ertrug ihre Schläge, aber eines würde er nicht tun: Sie jetzt alleine lassen. Link machte einen weiteren Schritt, sodass Zelda mit dem Rücken an der bröselnden Putzwand lehnte und er direkt vor ihr stand. Sie wimmerte vor sich hin und hatte keine Kraft mehr gegen ihn zu kämpfen. Und es geschah in dem Augenblick, dass in Zeldas Innerem endlich der Faden riss. Sie fiel schluchzend in seine Umklammerung, krallte sich in dem grünen Leinenstoff seiner Tunika fest und weinte. Link umschloss ihren zarten Körper mit seinen starken Armen, drückte sie an sich, streichelte über ihre Haut, durch ihr seidiges Haar und ließ sie weinen. „Du hast es mehr als jemand sonst verdient… geliebt zu werden, Zelda“, sagte Link leise in ihr Ohr flüsternd. „Es gibt so viele, die dich lieben, meine Zelda“, murmelte er. Sekundenlang standen sie beide einfach nur da, fest umschlungen, erfüllt mit Angst und stiller Hoffnung, der andere würde verstehen. Liebevoll nahm er die wehrlose Hylianerin auf seine Arme und trug sie zu dem wärmespendenden Kamin. Sie sah ihn nicht an und neigte währenddessen ihren Kopf zur Seite. Es war so schwer und gleichzeitig erstrebenswert seinen Worten zu glauben. Er legte sie langsam auf eine Decke und beugte sich über sie, wollte sehen, ob sich der finstere Schatten über ihren Augen verändert hatte. Und für die Spur eines nichtigen Augenblicks behielt Link diese Hoffnung bei. Allmählich verschwand der kalte Schatten über dem saphirgleichen Blau von Zeldas wunderschönen Augen. Würde sie es jetzt zulassen? Oder würde sie ihn erneut wegstoßen und ihre Gefühle ihm gegenüber leugnen? Link blickte sie durch die Tränen an, wischte mit seinem Zeigefinger die warmen Tränen auf ihren Wangen weg und überschüttete sie mit gemächlichen, innigen Berührungen, so voller Sehnsucht und Fürsorge. Er setzte sich aufrecht und zog Zelda einmal mehr zu sich heran, fühlte ihre heißen Atemzüge an seinem Hals, als sie ihren Kopf zögerlich an seine Schulter lehnte. Er konnte deutlich ihr Herz in der Brust schlagen hören, hörte die Stimme der Sehnsucht, die Stimme der Liebe in ihrem Herzen, geboren aus dem Wunsch, ihm endlich zu sagen, was schon lange in ihrem Seelengleichgewicht nicht mehr stimmte. Die blonde Hylianerin erwiderte die Umarmung und legte ihre kalten Hände neben ihr weinerliches Gesicht auf seine stählerne Brust und schloss die Augen. Sie weinte leise, ohne einen Laut fielen ihre Tränen über rosa Wangen hinab, und benetzten den grünen Stoff der Tunika ihres Helden. Links tiefblaue Augen wanderten zu dem munteren Feuer im Kamin und beobachteten die unsichtbare Wärme, welche über den Flammen emporstieg. Endlich ließ Zelda die Trauer zu, dachte er… endlich schämte sie sich nicht dafür einmal schwach zu sein. Zeldas Tränen, das befreiende Weinen, löste Beständigkeit und Hoffnung in ihm aus. Er hätte nicht gedacht, dass Tränen ihn so beruhigen konnten und sich so heilsam anfühlten… „Zelda… ich“, fing er an, stoppte seine Worte aber und küsste stattdessen ihre Stirn. Sie schaute daraufhin auf und suchte seinen Blick. Sie sah traurig durch ihre Tränen hindurch und in dem Augenblick bemerkte Link erneut, wie der Schatten zurückwich. Er durfte jetzt nicht aufhören, ihr zu sagen, was war und was ist. Jetzt oder nie ergab sich die Möglichkeit ihr die Schuldgefühle, die Angst und die Ableger der Einsamkeit in ihrer Seele zu nehmen. Er musste ihr es jetzt sagen. Einzelne große Tropfen fielen von ihren Augen und ihr Blick wandelte sich nun fast vollständig. Er legte eine Hand an ihren Hinterkopf, streichelte sanft durch das seidene Haar und fing eine der Tränen auf. Seine Worte erklangen mit viel Liebe und Hingabe und doch flüsternd: „Es gibt niemanden, der mir so viel bedeutet wie du, Zelda… meine Zelda. Ich bin einer derjenigen, die dich lieben.“ Das war alles, was noch gesagt werden musste. Und plötzlich zerbrach der kalte Schatten über dem Blau ihrer Augen wie eine kristallene Barriere und Zeldas Augen wandelten sich vollständig. Plötzlich leuchteten ihre Augen in einem Schimmer aus der alten Zeit… mit größter Hoffnung und Lebendigkeit. Zeldas Seele war befreit… Sie krallte sich an ihrem Seelenverwandten fest und schloss zaghaft die Augen, die nun leuchten konnten wie zu der Zeit, als der Himmel über Hyrule das erste Mal in seinem Glanz erstrahlte. Einige Minuten vergingen. Die Prinzessin lag ruhend, beinahe schlafend in ihres Helden Armen. Es war eines der ersten Male, dass sie eine so lange, innige Zärtlichkeit von seiner Seite zu ließ, sich nicht dagegen sträubte, wie in so vielen Momenten vorher. Ihre Atemzüge waren tief und gleichmäßig und nur um ihre Atmung zu spüren, die Link in jenem Moment so ungeheuer wertvoll erschien, beugte er sich weiter über sie, hielt ein spitzes Ohr an ihren schönen, vollen Mund und lauschte dem leisen Luftholen. Wie eine kleine Melodie waren ihre Atemzüge für ihn, sanft und beruhigend. Die Tränen auf ihren Wangen verblassten langsam und in dem für Link wunderbaren Moment drückte sich seine Prinzessin noch ein wenig enger und näher an seinen Körper, bis ihre Fingerspitzen beinahe verspielt über den grünen Stoff seiner Tunika wanderten, bis hin zu seinem Kragen. „Zelda?“, flüsterte er, nicht sicher, ob sie vielleicht schlief. „Ich weiß… das war jetzt gerade sehr viel… ich möchte nur bei dir sein… ist das okay?“ Er spürte ein Nicken, was ihm reichte. Weil es eine der schönsten Sensationen für ihn war, begann er durch ihr seidiges Haar zu streicheln, diese goldenen, unbezahlbaren Strähnen… Unsinnig, dachte er, erst jetzt fiel ihm auf, dass ihr Haar genauso golden funkelte wie das von Hylia, als er diese im Götterreich antraf. Zelda hatte diese Göttlichkeit in sich… warum nur bestrafte sie sich mit so unmenschlichen Zweifeln? Sie hatte nichts von diesem Leid verdient, sie hatte Glück verdient, jedes Glück dieser Welt… „Möchtest du ein wenig schlafen?“, sprach er leise und wollte nachdem er ihre tiefste Traurigkeit herausgefordert hatte nur spüren, dass sie sich nicht noch weiter mit inneren und äußeren Wunden quälte. Sie öffnete schwach ihren Mund und murmelte fast unwirklich: „Nein.“ Auch ihre Augen öffneten sich einen Spalt und blickten mit den letzten Tränen zu dem flackernden Feuer im Kamin. So lebendig. So tanzend. Vergnügt spielte das Feuer mit unbekannten Mächten. Die dunklen Augen des Helden begegneten ihren, die nur halb geöffnet waren und vielleicht war es Aufregung oder Überraschung. Link wusste nicht wieso, aber fast hypnotisiert und starrend blickte er in das reine, schöne Blau ihrer Augen. Er zog ihr Gesicht sachte zu sich und schaute beruhigt, mit beinahe irrsinniger Freude in die sanften, aber überraschten Augen seiner Prinzessin. „Der Schatten ist verschwunden. Er ist fort…“, sagte der Hylianer euphorisch und lächelte. „Was?“, murmelte sie leise und rang mit dem Wunsch, dass Link sie noch ein wenig länger festhielt. Ihr Held jedoch erwiderte ihre Überraschung mit freudig erregten Gesichtszügen, einem euphorischen Glühen über seinen Wangen. Aufgeregt platzte es aus ihm heraus: „Der Schatten in deinen Augen hat sich endlich zurückgezogen.“ „Ein Schatten?“, murmelte sie zaghaft und wischte sich die warmen Tränen aus dem Gesicht. „Ja, als ich dir begegnet bin, ist mir dieser Schatten erstmalig aufgefallen, aber jetzt ist er fort. Ich habe ihn besiegt, dieser Fluch wird dir nicht mehr wehtun, Zelda.“ Sie blinzelte durch die Tränen hindurch, ein leichtes Entsetzen in ihren Gesichtszügen. „Ein Fluch…“ Sie rieb sich die Augen, fühlte sich ein wenig erschlagen und matt, beinahe so wie damals, als sie in spiritueller Form in Hyrule umherwandelte. Link hatte mit all seinem Mut und den bezauberndsten Worten überhaupt eine Form innerer Selbstreinigung von so viel dunklen Gedanken angestoßen, dass sie nicht die Kraft hatte dagegen anzukommen. Er hatte sie endlich zur Wahrheit gezwungen, hatte nicht locker gelassen und irgendwie… war der Effekt ein anderer als der, den Zelda immer erwartet hatte. Sie glaubte, wenn sie sich ihm öffnen würde, brach in ihr die letzte Stabilität zusammen. Sie glaubte, wenn sie sich Link in all ihrem Schmerz preisgab, würden die heftigsten, schlimmsten und unangenehmsten Emotionen in ihr niederknallen und sie noch weiter foltern. Sie glaubte, sie würde ihn entehren… Aber nichts von diesen Befürchtungen war geschehen… Das erste Mal seit sie denken konnte, fühlte sie sich voller Sicherheit, ohne Schuld und Scham, fühlte sich geborgen und vollständig. Wie ein kleiner Jammerlappen, aber trotzdem stark… „Danke… ich danke dir so sehr…“, sprach sie wimmernd. Das einzige, was jetzt vielleicht noch an ihr nagte, war der Gedanke, dass Link sie ein weiteres Mal gerettet hatte. Nicht vor den Klauen des Bösen, aber sehr wohl vor sich selbst. „Ich würde… alles für dich tun…“, hauchte er und lehnte sich mit Zelda in seinen Armen an die Wand. Mit der Stütze im Rücken konnte er sich sogar noch mehr auf die Schönheit in seinen Armen konzentrieren, seine umsichtigen Streicheleinheiten noch ein wenig intensivieren. „Ich wünschte nur, ich hätte diesen Fluch früher erkannt…“ Aber andererseits, so wusste er mittlerweile, kam für alles seine Zeit. Womöglich hätte sich Zelda ihm niemals öffnen können, wenn sie nicht bereit gewesen wäre sich für ihn zu opfern… Sie vergoss die letzten Tränen in seiner Umarmung, als er liebevoll eine Decke um sie legte. Und Link sollte Recht behalten, es war wirklich ein Fluch, der an Zeldas Herz nagte, schon lange, viel zu lange… Ein Fluch, der seit dem Anbeginn ihres Lebens auf ihr lastete. Viele Momente, wie die Begegnung mit Ganondorf, einsame Stunden, oder die Pflichten und Zwänge des Schlosslebens hatten gerade diesen Schatten über ihren Augen genährt. Ein Fluch, den Link jetzt besiegt hatte. Ein grausamer Fluch einer alleingelassenen Prinzessin, die sich nicht geliebt fühlen konnte… Link ließ sich seitlich auf den Boden sinken und blickte Zelda noch eine Weile an, die aufrecht saß und in die verspielten Flammen schaute. Sie drehte sich zu ihm um und lächelte das erste Mal seit ihrer Verletzung auf ehrlicher Weise. Doch es hatte sich gewandelt, dieses warme Stückchen Freude, welches ihr Gesicht verriet. Es erhellte sein Herz, sie auf diese zufriedene, strahlende Art und Weise lächeln zu sehen. Link hob eine Hand und legte diese über ihre rechte Hand, die fast auf ihrem Herzen ruhte. „Es gibt da noch ein Verhalten, wofür ich mich bei dir entschuldigen muss“, sagte Link und schaute wie von Sinnen in diese unbeschreiblichen Augen, die nun so klar waren, so rein wie das Blau des Himmels, ohne Schatten, ohne Kälte. Was war das? Saß nun eine völlig neue Zelda vor ihm? Was war diese neue, packende, umwerfende Seite seiner Prinzessin? Sie beugte sich über ihn und strahlte ihn neugierig an. Zelda grinste, bei Farore, dachte Link, sie lächelte süß und bezaubernd, wie eine Fee, vielleicht sogar spitzbübisch. Ein zartes Grübchen an ihrem Kinn kam dadurch zum Vorschein. „Du weißt, was ich meine, oder?“, sprach er lächelnd. „Nein.“ „Nein?“ Link blickte verlegen an Zeldas rechtem spitzen Ohr hinauf an die Decke und überlegte. Er versuchte sich abzulenken und grübelte nach passenden Worten für die seltsame bräunliche Farbe an der Wand. „Link?“ Sie wollte nicht, dass er ablenkte, weil sich irgendetwas in ihr tatsächlich anders anfühlte. Ein neues Selbstbewusstsein war vorhin durch ihre harte Schale gebrochen und befahl ihr sich auf alles, was ihr Heroe im Sinn hatte, einzulassen. Da war eine verspielte, zufriedene Stimme in ihr, die mit einer Leichtigkeit kommunizierte. Plötzlich schien jede Hemmschelle, die sie Link gegenüber empfand, wie weggeblasen. Jedes düstere Gefühl der Ablehnung geschmolzen… „Äh, vielleicht ist das auch gar nicht mehr so wichtig, wenn du dich ohnehin nicht entsinnen kannst.“ Insgeheim hoffte er, Zelda hätte seine Aktion nach dem gigantischen Feuersturm nur für einen bösen Traum gehalten. „Ach… komm’ schon, erzähl mir’, was du meinst.“ Ein kindlicher Trotz kam mit ihrem Worten zum Vorschein und ließ Zeldas Augen glitzern. „Nein, lieber nicht“, entgegnete Link und spürte ein beschämtes Glühen an seinen Ohren. „Bitte.“ Sie zog eine unzufriedene Grimasse, presste ihre sündhaft schönen Lippen aneinander und schmälerte ihre Augen. „Glaubst du, meine Liebe, nur weil du eine Prinzessin bist und dazu natürlich die wunderbarste, dass ich dir keine Bitte abschlagen kann“, meine Link vorwitzig, aber nicht giftig oder verärgert, sondern eher spielerisch und er hoffte Zelda würde an seinem Späßchen teilnehmen. Sie grinste erheitert und zwickte ihn mit den Fingern ihrer rechten Hand in die Nase. Angesichts Links perplexen Gesichtsausdruck und dem nachfolgenden Grinsen, begann sie zu lachen… Zelda lachte, bei Nayru, sie hörte sich selber plötzlich wie ein hysterisches Weib lachen und kam kaum dagegen an. Sie legte beide Hände über ihre erröteten Wangen und fragte sich, ob sie vorhin ihren Verstand verloren hatte. Wie eine Lawine waren Links Worte in ihr niedergekracht und hatten eine innere eisige Festung zerstört, die ihre gesamte Fröhlichkeit, Hoffnung und große Teile ihres wahren Ichs gefangen hielten… und plötzlich, obwohl sie eine tiefe, hässliche Wunde hatte, spürte sie sich selbst wieder leben, spürte sich hoffen. Nach all den Verletzungen erinnerte sie sich daran, dass sie ein Wesen war, das Stärke verinnerlichte. Dass sie über unbezahlbare Talente und Fähigkeiten verfügte, dass ihre Bedürfnisse und Begierden in Ordnung waren… „Link…“, murmelte sie dann, mit einer zum süßen Begehr bewegten Stimme. Link hörte einen liebevollen Unterton in der Art und Weise, wie sie seinen Namen sprach, dass ein paar Schläge seines Herzens aussetzten. „… mein Held…“ Er zwinkerte, dann waren seine Augen weit aufgerissen. „Würdest du… wirklich alles für mich tun?“ Sie schien nicht einmal verlegen ihn das zu fragen. Er schluckte, weil ihn diese unverblümte Frage aus dem Konzept brachte. „Fast alles.“ Okay, sagte er zu sich selbst, das war eine kleine Lüge… und Zelda wusste es sicherlich. Genauso wie sie sich für ihn opfern würde, genauso schenkte er ihr bereitwillig das gleiche. Genauso wie sie bereit war ihn überall zu finden, würde er Hunderte Ozeane überqueren, nur um sie lächeln zu sehen. „Fast alles?“ Und Zelda tat so als finge sie an zu grübeln. Sie setzte den rechten Zeigefinger an ihr Kinn. „Was genau würdest du nicht für mich tun?“ „Das verrate ich dir nicht, sonst würde es keinen Spaß mehr machen, da ich meinen letzten Trumpf ausgespielt hätte.“ Einmal mehr strich er ihre goldenen Strähnen hinter die Elfenohren, mit beiden Händen diese Zartheit berührend, diese Schönheit streichelnd. „Hast du den denn nicht schon lange ausgespielt?“, sprach sie. Und Zelda ließ sich suchend nach Wärme und Innigkeit auf seinem Körper niedersinken, berührte mit ihrer Brust die seine, sein Herz an ihrem nur getrennt von wenigen Knochen und Sehnen, spürte seine Hüftknochen an ihren, nur getrennt von etwas Haut und dünnem Stoff. Und es war ihr plötzlich so egal, welche Grenze sie damit überschritt, weil sie niemandem Rechtfertigung für etwas Körperkontakt zu diesem wundervollen Mann schuldete. Mit einem suchenden, konzentrierten Ausdruck stützte sie sich vorsichtig auf seiner Brust ab, berührte erforschend den Verband, wo die Riesenspinne giftige Klauenspuren in seiner Haut hinterlassen hatte. Zeldas Verhalten war ein Mysterium für ihn, unvorhersehbar, nun noch mehr als vorher… Absolut entzückend, tröstend, aber auch irritierend. Noch nie hatte sie sich eine solche Nähe zu ihrem Helden der Zeit erlaubt und diese Nähe auch noch begonnen. Da war keine Form von Unverständnis oder Ablehnung mehr… Zeldas frostige Kälte war angesichts seiner Wärme zerschmolzen… „Warum musst du mich nur immer so leicht durchschauen, Zelda?“, sprach er leise, seine Stimme besetzt von der Erschöpfung, die er kaum mehr zurückhalten konnte. Er war so müde wie noch nie in seinem Leben. „Ich kenne dich eben zu gut, mein kleiner Dummkopf“, spaßte sie. „Dummkopf?“ Es amüsierte ihn über die Maßen, wenn Zelda versuchte ihn zu ärgern. Sie wusste doch, dass sie den Kürzeren dabei ziehen würde. „Ein echt charmanter, ulkiger Dummkopf bist du…“, lachte sie dann. Link grinste und berührte verspielt Zeldas Nasenspitze mit seinem linken Zeigefinger. „Ein umwerfender Dummkopf bin ich gerne, Prinzessin, aber nur für dich.“ Sei es drum, dachte Link, wenn Zelda ihre Zurückhaltung so in alle Winde schieben wollte, dann konnte er das auch. „Ah… da ist es schon wieder, mein Heroe würde wohl gerne alles für mich sein.“ Erst als die Worte aus ihr herausgeplatzt waren, fürchtete sie, wohin sich dieses Gespräch entwickelte. Sie konnte wohl kaum zur Sprache bringen, dass sie ihn sehr gerne in vollendeter Intimität ihr Eigen nennen würde… Auch Link musste zweimal über diese Worte nachdenken, spürte, wie sich die ausgelassene Heiterkeit der Worte verrannte und in verwegene Geständnisse verwandelte. Und weil er keine gute Antwort fand, dachte Link auch ein drittes Mal über die Worte nach… Geständnisse… War es das, was Zelda sich nun wünschte? Nach all den unnötigen Konflikten und dieser Gefühlsachterbahn, die er in den letzten Stunden angesteuert hatte. Geständnisse, die gesamte Zeit, zwischen den spaßigen Worten, zwischen den scheinbar unschuldigen Berührungen… Sie würden beide niemals dieses Wort verwenden, aber sie lebten ihre Gefühle aus, festigten dieses neu gefundene Vertrauen. „Zelda…“, sprach er schließlich leise und umfasste ihre Schultern, zog sie näher und streichelte einmal mehr durch das goldene Haar. „Wenn du es brauchst, wenn du es wünschst, bin ich alles für dich…“ Er lächelte in das Haar, das seine Nasenspitze mit süßen Düften erfüllte. „Ich bin Freund, Held, sogar Dummkopf… und wenn du willst, bin ich auch…“ Damit blickte Link beschämt in Zeldas Augen und verkniff sich das nächste Wort. Es lag verräterisch auf seiner Zunge, entblößte das letzte Kämmerchen der Geheimnisse in Links Gedankenwelt. Denn wenn sie es sich wünschte, wäre er auch derjenige, der ihr näher war als sonst jemand. Wenn sie ihn brauchte, wäre er der Mann, der sie küsste und verführte. Sie streichelte seine dunkelblonden Augenbrauen mit mehreren Fingerspitzen, berührte die mäßigen Wunden an seiner Stirn, als wollte sie jene mit heilender Magie ungeschehen machen. „Dann bist du auch…?“, hakte Zelda nach, erforschte zwanglos und ohne Scheu die wunderschönen Konturen in seinem Gesicht, bis Link in den wonnevollen Berührungen die Augen schloss. Das war es, was er schon so lange gebraucht hatte. Diese sinnlichen, tröstenden Berührungen seiner Seelenverwandten heilten auch die Wunden, die in seinem Herzen entstanden waren. „Ich bin alles, was du brauchst…“, murmelte er und wusste, dass die Antwort gleichzeitig alles und doch nichts preisgab. Sie lächelte ihm entgegen, sanft und ohne Druck, sie hatte eben genau eine derartige raffinierte Antwort erwartet. „Aber… vielleicht verrate ich dir doch, was ich nicht für dich tun würde“, sprach Link und rollte sich seitlich, sodass Zelda ebenfalls seitlich lag, beschützt von seinen Händen, umschlungen von seinen Beinen. „Sag’ an“, meinte sie kichernd. Vielleicht waren es auch die Schmerzmittel verbunden mit dem Antibiotikum, die allmählich wirkten und sie in einen Zustand brachten, der dem Betrunkensein ähnelte. Sie hatte das Gefühl, sich gerade alles erlauben zu können. Aber seine tiefblauen Augen schienen ihr eine Warnung zu zusenden, dass er es nicht ernst meinte. Er berührte mit seinen Fingerspitzen die weiche, satinartige Haut an ihrer rechten Wange und gab zu: „Es gibt nichts.“ „Was?“ und Zelda pickte ihn mit ihren Fingernägeln in seine rechte Seite. „Wiederhole!“, sagte sie albern und grinste. Link begann zu lachen und wusste bis dato nicht, dass Zelda so extrem heiter, so gelassen und im wahrsten Sinn des Wortes kindisch sein konnte. Bei der Liebesgöttin Nayru, er brauchte sie, nicht nur als einfache Freundin. Es verlangte ihn so sehr nach ihrer Wärme, nach ihrem Mund… „Ich gebe mich geschlagen, ich sage es noch einmal, aber nur das eine Mal.“ Link kicherte, als Zelda aufhörte, ihn zu necken und schloss seine Augen. „Also“ und er bemühte sich ernst zu bleiben. „Ich gebe zu, dass es nichts auf der Erde und nichts in Hyrule gibt, dass ich nicht für dich tun würde. Zufrieden?“ „Noch nicht ganz, mein edelmütiger Dummkopf.“ „Du kleine Hexe.“ „Oh ja, ich kann genauso zaubern wie eine Hexe, du vorwitziger Grünschnabel.“ „Na dann, da bist du eben eine ungezogene Königstochter.“ „Frecher Schönling.“ „Sag’ mal, seit wann legst du eine solche Ausdrucksweise an den Tag?“ „Seit ich verstanden habe, dass ich das darf, mein Linkchen.“ Er war sprachlos. „Das habe ich nur gemacht, um dich mundtot stehen zu lassen, damit du zugibst, für welches Verhalten du dich bei mir entschuldigen willst.“ Sie funkelte ihn eindringlicher an. Plötzlich kniff sie ihre Augen zusammen und erinnerte sich schmerzhaft an die tiefe Wunde. Sie nahm einen scharfen Atemzug, fühlte das Stechen, das unangenehme Ziepen, seitlich ihrer Brust. „Himmel, tut das weh“, klagte sie und kniff schmerzverzerrt die Augen zusammen. Link richtete sich schnell mit ihr auf, hielt sie sachte fest und sah sie besorgt an. Zelda atmete tief aus und versuchte die Zähne zusammenzubeißen. „Kann’ ich dir denn nicht irgendwie helfen?“ Ihre blauen Augen schimmerten wieder angesichts dieses Satzes. „Möchtest du einen Teil meiner Kraft?“ Sie lächelte angenehm, aber schlug dieses Angebot aus. „Es ist okay. Ich weiß, dass du alles für mich tust. Aber ich möchte, dass du deine eigenen Kräfte schonst, Link.“ „Aber wenn es dir nun helfen könnte. Ich kann sicherlich einen Teil meiner Kraft entbehren, Zelda.“ „Nein, bitte, ich möchte das alleine überstehen.“ Und dieses Mal, so wussten sie beide, sagte sie dies nicht mit sturen Motiven der Schuld oder Ablehnung. Nein, sie brachte diese Worte aus aufrichtiger Absicht über ihre Zunge. Rechtschaffen und ehrlich. Mutig und Selbst bekennend. Zelda wusste, dass sie die Kraft hatte ihre Wunde zu überstehen, auch eine anstrengende, schmerzhafte vor ihr liegende Nacht zu überstehen. Und Link sah die Wahrheit in ihrem Blick… Er nickte überrascht und einsichtig. „Vielleicht hast du dich auch einfach nur ein wenig überanstrengt.“ „Wobei, weil ich mit dir herum gealbert habe?“ Und sie presste stöhnend eine Hand auf die Wunde. „Aber es… war so angenehm.“ Sie errötete ein wenig, unmissverständlich und entzückend. Einmal mehr atmete in Link der Wunsch sie einfach nur zu küssen… „Es war… unheimlich gut…“ „Jaaah, gut“, kicherte sie. „Nicht nur gut, es war… schön…“ Und nun errötete auch Link, und Zelda bemerkte die Verlegenheit in seinen gutmütigen Gesichtszügen. „Sooo schön…“, seufzte sie, da war es schon wieder, diese Gefühlsachterbahn, die sie mit wenigen Worten von einem zum anderen bewegten. „Wunderschön…“, schloss Link ab und lächelte, begegnete ihrem Blick mit mehr Liebe als Zelda in dem Augenblick aushielt. Sie zwinkerte, wedelte mit einer Hand, und unterstrich damit unbeabsichtigt ein so entzückendes Verlegenheitsverhalten, dass Link kaum von ihr ablassen konnte. Er packte sie unnachgiebig mit einer Hand um ihre schmale Taille, mit der anderen um ihre Schultern. Er grinste mit hinterhältiger Zufriedenheit. „Zelda… da fällt mir etwas ein, du hast doch noch diese Salbe, die mir bei den Peitschenhieben geholfen hat, oder?“ Er schloss die Augen in der Umarmung. „Mmh… aber ich würde sie lieber für später aufbewahren.“ Er flüsterte in ihr Ohr: „Weißt du, das würde zu den Dingen gehören, die ich sehr gerne für dich tun würde, ich meine, deine Wunde eincremen.“ Seine sinnlichen Worte, die verführerische Wärme seines Atems an ihrem Ohr lösten ohne Anhalt eine unglaubliche energetisierende Druckwelle in ihrem Körper aus. „Charmeur, das würde dir wohl so passen, wie?“ Sie grinste und schlang ihre Arme um seinen Hals. „Es könnte meine allerliebste Freizeitaktivität sein, mich um die liebreizende, einzigartige, attraktive Prinzessin Hyrules zu kümmern.“ „Du findest mich… attraktiv?“ Und Zeldas Wangen färbten sich ein wenig röter. „Du mich wohl nicht?“ „Heiliger Deku, du bringst mich um den Verstand, du!“ Und Link lachte wieder. „Wie auch immer, meine liebe Zelda, ich denke, fairerweise muss ich dir gestehen, welches Verhalten meinerseits einer Entschuldigung bedarf. Aber vorher-“ Er ließ sich auf seinen Rücken fallen und packte Zelda sanft an den Schultern und zog sie mit sich hinab. Frech und ungeniert kuschelte der dreiste Held mit ihr. „Du nimmst dir ganz schön was raus, du angeblicher Held.“ Er drückte seine rechte Wange gegen ihre linke, gab ihr dann ein schmatzendes Küsschen darauf. „Jawohl“, summte er. „Wer weiß, vielleicht hast du den Titel Held gar nicht verdient, besser wäre wohl Lausbub.“ „Jawohl“, liebsäuselte er. Und noch immer würde er sie kaum aus seinen Armen lassen, versuchte jeden Zentimeter ihres Körpers zu berühren, jeden Zentimeter, den er vorher noch nicht berühren durfte. Seine linke Hand berührte erforschend ihren Nacken, umschmeichelt von dem seidigen Haar, während seine rechte von ihrem Kinn an abwärts wanderte bis zu der kleinen Vertiefung unterhalb ihrer Kehle. „Link, egal, was ich jetzt tue oder sage, du hast doch sowieso das letzte Wort.“ „Jawohl“, und der gutmütige Kerl begann hinterhältig zu grinsen. „So ergeht es denen, die sich mit mir anlegen wollen.“ „Ich bin dir wohl doch in gewisser Weise unterlegen.“ Link drehte sich zu ihr und nun beugte er sich leicht, aber verführerisch über sie. Tatsächlich war sie ihm gerade unterlegen und der Gedanke gefiel ihm. „Wirklich? Dabei dachte ich immer, du bist eine ausgefuchste, stolze, eigenwillige Prinzessin, die sich nicht einmal vom König Hyrules Vorschriften machen lässt.“ Sie schenkte ihm ein gefährliches Lächeln, welches Link beinahe in sehr lebhafte Träume geschickt hätte. Lebhafte Träume, in welchen es nur Zelda und ihn gab. „Da hast du recht, von meinem Vater habe ich mir nie etwas sagen lassen.“ „Aber von mir?“ „Ja, du warst schließlich genauso durchtrieben wie ich.“ „Du bist schlimm.“ Sie nickte und grinste. „Und du kannst richtig bösartig sein. Hätte ich angesichts deiner unschuldigen Miene niemals gedacht.“ „Tja, auch ein Engelsgesicht kann täuschen, mein lieber Link.“ Zelda hob eine Hand und fuhr damit durch die blonden Strähnen, die in seine tiefblauen Augen fielen. „Was ist?“, meinte er verblüfft. „Das war es immer, was mich an dich erinnert hat.“ „Was die blöden Haarsträhnen?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, die Art und Weise, wie diese Strähnen über deinen Augen hingen… so ungestüm und natürlich. Genauso wie es deine Art war. Allein daran, bei einem Blick in deine Augen, wusste ich um dein Herz, Link.“ „Ja? Was hast du denn von mir gedacht, als ich dir das erste Mal gegenüberstand?“ Sie richtete sich auf und schaute hinüber zu dem Fenster, wo ab und an kleine Tropfen an der Scheibe hinunterliefen. „Ich sah Lebensfreude, trotz herber Schicksalsschläge, Hoffnung und vor allem Mut, ja, Mut war es, was aus deinen Augen herausstach. Ich kannte dich, so nahm ich an, aus einem früheren Leben. In deinen Augen verbarg sich Wissbegierigkeit, Abenteuerlust, aber auch Einsamkeit. In gewisser Weise konnte ich mich selbst in deinen Augen sehen. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb ich dir gleich vertraute.“ „Hast du es jemals bereut? Ich meine, mir vertraut zu haben?“ „Nicht für eine Sekunde.“ Und sie sah ihn erneut an, erwiderte ein Lächeln, aber fühlte allmählich die Last ihrer schweren Augenlider. Sie legte beide ihrer Hände auf die schmerzende Wunde und schloss für einen Moment die Augen. Überrascht fühlte sie eine andere warme Hand, die zusätzlich über ihren lag. „Weißt du etwas darüber, was die Heilquelle bewirkt hat, Zelda?“ Ob er ein weiteres Mal nach der Wunde schauen sollte? Noch immer spürte er eine Heidenangst an dem Gedanken, dass ihre Wunde aufreißen könnte… Sie nickte und meinte leise: „Durch die magische Kraft jenes von Feenhänden geweihtem Wasser heilt meine Wunde ein wenig schneller. Und… ich nehme an, dass-„ „Es hatte deine Lunge erwischt“, murmelte Link, blickte trübsinnig zu Boden und spürte schon wieder die gemeine Taubheit, das beißende Zugeschnürtsein seiner Kehle. „Und vermutlich eine Rippe beschädigt“, brachte er leise hervor. Zelda fühlte seine Besorgnis um ihr Wohlergehen und diese teuflische Angst. Es war das erste Mal, dass sie sich nicht gegen diese Empfindung wehrte. Verträumt nahm sie seine linke Hand in ihre beiden und formte Muster mit ihrem rechten Zeigefinger auf seinen Handrücken. „Es geht mir angesichts der bedrohlichen Wunde recht gut, Link.“ Er nickte trübsinnig und scheute ihren Blick, aus gewisser Gelähmtheit, sie könnte den weichen Blick in seinen meerblauen Augen sehen. „Ich glaube, die Verletzung der Lunge wurde geheilt, bevor ich aufwachte und die Rippe- ich weiß nicht, aber in einigen Wochen bleibt nur noch eine kleine Narbe von der Wunde.“ „Was meinst du, ist dann in einigen Wochen?“ Sie blickte ihn verständnisvoll an. „Angenommen, wir besiegen Ganondorf, was dann, Zelda? Werden sich unsere Wege wieder trennen?“ Links Gesicht verzog sich bei dem unschönen Gedanken an die Welt von Morgen. Auch Zeldas Gesicht ließ Schmerz erkennen, der aber nicht von ihrer Wunde herrührte. „Ich…“, aber sie brach ab. Link zog sie an ihren Handgelenken zu sich heran und umarmte sie erneut zärtlich, hin und hergerissen, weiter zu gehen, als es diese Umarmung zuließ. „Ich will mich nie wieder von dir trennen müssen“, murmelte er leise. „Ich auch nicht“, entgegnete sie leise. „Aber vielleicht liegt diese Entscheidung diesmal in unseren Händen und nicht in denen des Schicksals.“ „Ja, vielleicht.“ Außerhalb brauste ein aufgebrachter Wind über die Steppe. Blitz und Donner zogen gewaltsam über das Land. „Den Göttinnen sei Dank, dass wir nicht draußen schlafen müssen, Link“, sagte Zelda und löste sich nach vielen Minuten aus seiner schützenden, warmen Fesselung. „Mmh, ja“, meinte er und ärgerte sich ein wenig, dass die wundervolle Umarmung schon wieder vorbei war. Schweigend schaute der gewandte Schwertfechter nach den restlichen Kerzen, die ihr Licht noch nicht verloren hatten. Und einiges an ihm fiel Zelda nun ins Auge. Durch die harten Kämpfe, welche er gefochten hatte, war sein ganzes Erscheinungsbild eine Spur gefährlicher, kriegerischer geworden. Links Statur hatte sich gewandelt. Er war stärker, muskulöser geworden, auch wenn er zu Zeldas Zufriedenheit nicht wie ein übertriebener Muskelprotz aussah, aber ihr Held der Zeit wirkte reifer, erfahrener und irgendwie erwachsener. Sie beobachtete jede seiner Bewegungen, spürte den Wunsch, einfach nur eine Hand auf die warme Haut seiner starken Brust zu legen, mit einer Hand durch sein wildes Haar zu streicheln und vieles mehr. Ein wenig geschockt über ihre Gedanken blickte Zelda höflich zu Boden, erinnerte sich an ihre gepflegten Manieren und pustete einen Luftstrom an den Ansatz ihres Haares. Link blickte in ihre Richtung und lächelte leicht. Sie erwiderte diese kleine aussagekräftige Bewegung und es schien eine Art Willkommensgeschenk darzustellen, das ihn einlud, ihr ein wenig länger nah sein. Er setzte sich zu ihr und erhielt eine weitere Aufmerksamkeit. Zelda wand sich zu ihm und küsste ihn langsam, mit viel Gefühl auf seine rechte Wange. „Das war ein Dankeschön.“ „Das war der Auftakt zu dem Thema von vorhin“, sagte er und erhielt einen interessierten Blick von seiner Prinzessin. „Und wenn du erfährst, worüber ich mit dir reden möchte, dann hättest du mir diesen Kuss jetzt sicherlich nicht gegeben“, sagte er leicht trübsinnig. „Es geht um das Verhalten, wofür ich mich entschuldigen möchte. Ich weiß, dass es keinerlei Rechtfertigung verdient und ich kann nur sagen, dass es mir leid tut.“ „Nun rück’ endlich mit der Sprache raus. Ich weiß immer noch nicht worüber-“ Dann allerdings traf Zelda der Blitz. Er meinte doch nicht seine flegelhaften Versuche sie zu… „Weißt du noch, was nach dem Feuertornado in der Steppe passiert ist, ich meine, was ich mir herausgenommen habe?“, stammelte er. Und Zelda erinnerte sich an die Szene, als Link ihr einen Kuss aufgezwungen hatte. Aber so wütend, wie er dachte, war sie ihm deswegen nicht. Wegen eines Kusses konnte sie ihm einfach nicht böse sein. Außerdem war sie zu dem Zeitpunkt nicht aufrichtig zu Link gewesen und hatte ihm auf jede erdenkliche unzumutbare Weise weh getan. Doch vielleicht konnte sie ihn deswegen ein wenig ärgern und auf die Palme bringen. „Ich weiß immer noch nicht, worauf du hinaus willst“, sagte sie, kicherte in sich hinein und erfreute sich an Links aufgeregten Verhalten. Wenn er nervös war, erschien er Zelda wohl zu goldig. „Ähm, ich meine…“ Und Zelda lachte. Link sah sie nur verstört an. „Sorry, Link, aber du bist nur schon wieder so zappelig, dass ich lachen muss.“ Aber der junge Mann lachte keineswegs, sondern schaute erneut nachdenklich zu Boden. Machte es ihm so zu schaffen? Nur wegen einem Kuss? Sie hatten einander schon einmal geküsst. In der Vergangenheit… und dann in einem langen, beinahe wirklichen Traum. Doch zu jenen Zeitpunkten hatte Zelda eben nicht abgeblockt, sie hatte es unheimlich genossen wie in keinem anderen Moment ihres Lebens. Sie würde es nicht zugeben, aber Link war noch nicht einmal schlecht darin, dachte sie. Sie hatte diese Momente ihrer Lippen auf seinen einfach geliebt. Er war ein wirklich zärtlicher und inniger Liebender. Er lief zu dem kleinen, abgerundeten, undichten Fenster. Unbewusst ballte er seine Fäuste. Auch Zelda stand nun auf, etwas schwankend, spürte noch immer den Blutverlust in ihrer Kondition, und lief langsam zu ihm hinüber. Sie legte eine Hand auf seine Schulter und lehnte sich liebevoll an seinen Rücken, drückte ihr Gesicht in die grüne Tunika, umschmeichelt von seinem Geruch nach Wald. Link war geschockt und sein Herz in der Brust blieb ihm vor Hitze und Aufregung stehen. „Sag’ es“, flüsterte Zelda mit ihrer herrlich süßen Stimme, die seine Sinne vernebeln konnte. „Zelda? Was…“, stotterte er. „Es tut mir leid“, brachte er dann hervor und blieb wie gelähmt vor der Fensterscheibe stehen. „Was tut dir leid?“, hakte Zelda nach und ließ nicht locker. Sie wollte, dass er die Worte jetzt sagte. Komm’ schon, mein armer Held, du warst doch vorhin nicht so verlegen, mir zusagen, wie viel ich dir bedeute, also warum bist du jetzt so durcheinander, dachte sie. „Link, sag’ mir noch einmal, was ich dir bedeute.“ Er drehte sich um und sah sie an: „Du bist meine beste Freundin, meine Seelenverwandte und ich empfinde mehr für dich als jemanden sonst.“ „Genau. Und was ist jetzt dein Problem?“ „Ach… das ist bestimmt nicht mehr so wichtig.“ Link wollte Zelda irgendwie zur Seite schieben und dann zur anderen Seite des Raumes laufen. Aber sie blieb unvermittelt vor ihm stehen und grinste. „Was lachst du denn jetzt, Zelda? Du weißt wahrscheinlich doch, was ich sagen will, oder?“ Sie schüttelte den Kopf und zwickte in statt einer ehrlichen Antwort in seine Seite. Link fluchte angesichts jener spitzen Fingernägeln und rieb sich die Haut, wo Zelda ihn kniff. Meinte sie diese spaßige Aktion wirklich ernst? Das erste Mal seit Ewigkeiten neckten sie einander wieder, so wie zu Beginn ihres gemeinsamen Abenteuers, so wie in den innigen Momenten, wo sie einfach nur Seelenverwandte waren. Nicht Held und Prinzessin. Nicht Auserwählter und Erbin Hylias… Dann hüpfte sie einige Meter von ihm weg. Aber Link nahm die Herausforderung lächelnd an und rannte in dem ohnehin kleinen Raum hinter ihr her. Zelda vergaß ihre Wunde in diesen tröstenden, innigen Momenten von Glück und Zweisamkeit. Sie lachte, fühlte sich beinahe unwirklich und wich kreischend aus, suchte Schutz hinter dem Tisch und warf eine darauf befindliche Schüssel um. Klirr. Klirr. Das vertraute Geräusch von zersplitterndem Porzellan brachte beide zu weiteren Grinsen, aber sie lächelten einander an, entzückt und verlegen gleichzeitig. Und endlich benahmen sich die Zwei wieder wie gereifte, gesittete Halberwachsene. Schweigend räumten sie die Scherben auf. Schweigend sahen sie sich ab und zu an. Versteckte Sehnsüchte brachen in ihren blauen Augen an die Oberfläche… Versunken in der leuchtenden Augenfarbe Zeldas, griff Link unbeholfen in den Scherbenhaufen und kreischte in der nächsten Sekunde laut auf. „Shit, jetzt hab’ ich’s geschafft“, jammerte er und untersuchte seinen Daumen. Seitlich hatte sich eine etwas größere Scherbe in seine Haut hineingegraben. Gerade wollte er den Splitter herausziehen, als Zelda ihn davon abhielt. „Darf’ ich?“ Er nickte überrascht und war noch überraschter, als Zelda seinen Daumen langsam zu ihrem Mund führte, um den Splitter aus der kleinen Wunde zu lösen. Schrecklich angenehmes Kribbeln raste seine Blutadern entlang, als dieses wahrgewordene Wunder von einer Göttin die kleine Wunde mit ihren süßen Lippen berührte. Dann kramte sie nach einem Taschentuch und spuckte den Splitter aus ihrem Mund. „Ist dir eigentlich klar, wie wahnsinnig du mich machst mit deinen Handlungen und deinen unabsehbaren Reaktionen“, meinte er und sah verlegen weg. Zelda grinste und setzte sich dann wieder auf die Decke, schnaufte und drückte die Hände an die Wunde. Sie bereute die kleine Spaßaktion nun, da ihre Verletzung heftiger brannte. Sie lehnte sich an eine Wand und schloss leise wimmernd die Augen. Wie kam sie auf die Idee, dass es gut war Link auf diese Weise zu necken? Und ihren Körper so zu beanspruchen… Was für eine absolut törichte Idee, klagte sie in Gedanken. Ihre Wunde war zwar am Heilen, aber sich so zu bewegen wie gerade eben, verlangte ihr alles ab. Dann spürte sie Links Hände, welche durch ihr golden schillerndes Haar streichelten. Sie schlug schnell die kristallblauen Augen auf und sah ihn direkt vor sich sitzen. Besorgt, aber gleichzeitig unheimlich liebevoll stahl er mit seinen Blicken ein weiteres Lächeln aus ihren Gesichtszügen. „Zelda ich…“ Und beinahe hätte er ihr gesagt, dass seine Gefühle ihr gegenüber viel weiter gingen als es jene zwischen Geschwistern und Freunden waren. Sie spürte eine Welle der Erleichterung als sich das hässliche Pochen der Wunde wieder in die Tiefen ihres Fleisches sickerte, sich verflüchtigte. „Du meinst den Kuss, nicht wahr?“, fragte sie ihn sanft. Er schaute erst entsetzt drein, nickte aber dann reumütig. „Ich war so unverfroren.“ Zu Links Verwunderung lächelte sie. „Vergeben und vergessen, ich weiß, warum du das getan hast.“ „Ach ja?“ „Ja, um mich zu bremsen, davor zu bremsen, schon wieder mit dir zu streiten und es hat seine Wirkung erzielt.“ „Du bist nicht böse?“ Sie schüttelte mit dem Kopf. Obwohl ihre Wunde auszuhalten war, fühlte sie einen starken Erschöpfungszustand zunehmen. „Da bin ich aber beruhigt.“ Und Link atmete erleichtert aus, aber beobachtete Zelda durchdringend. „Vielleicht sollten wir jetzt einschlafen, Zeldaschatz.“ Sie sah so absolut müde und erledigt aus, dass sich in ihm ein schlechtes Gewissen breit machte. Wie konnte er sie mit dieser heftigen Wunde so lange wach halten? „Ja, wir brauchen beide Schlaf… dringend…“, seufzte sie und gähnte. Sie versuchte den Zwang mehrmals zu gähnen in sich zu verschließen, weil sich die Anspannung dahinter unangenehm anfühlte. Ihre verletzten Muskeln, das zerstoßene Gewebe hielt kein bisschen Druck mehr aus. Link nickte lediglich und blickte nachdenklich hinüber zu dem zerwühlten Bett, ein einfaches, kleines Holzbett, womöglich recht unbequem, womöglich ziemlich hart und durchgelegen. Es sah mit den benutzten Laken darauf nicht einladend aus. Und ein weiteres Gedanke ließ ihn nervös werden… der Gedanke es für Erholung und etwas mehr Nähe zu benutzen. Er erhob sich, biss sich dabei auf die Lippe und zog mit ein paar schnellen Handgriffen das Laken und die muffelnde, nach so etwas wie altem Schweiß stinkende Decke von der Schlafmöglichkeit herunter. Er musterte seine Prinzessin schließlich, die mit neugierigen Augen versuchte seine Absicht zu ergründen. Er ignorierte ihr fragendes Gesicht und legte eine ihrer Decken als Unterlage auf das Bett und zwei zusätzliche Decken darüber. Einmal mehr dankte er alten, magiebegabten Wesen hier in Hyrule für die praktischen Taschen, in denen man alles verstauen konnte. Und dann knisterte es in der Luft zwischen ihnen. Eine neue Verlegenheit schlich sich bemächtigend in das winzige Kämmerchen, erfüllte die Luft mit schwüler Unruhe. Es war merkwürdig für beide, nun da sie sich wieder nah fühlten, in diesem Kämmerchen zu sitzen und über eine sich fortsetzende Zweisamkeit in einem Bett nachzudenken. Zelda entschied sich einen weiteren Anfang zu machen, zumindest ebenfalls ein paar Dankesworte über die Lippen gleiten zu lassen. „Link… ich wollte noch…“ Sie krallte sich ein wenig in die strubblige Decke. „Einfach nur… danke sagen…“ Sie begann ihre Hände ineinander zu verhaken und spielte nervös an einigen abgebrochenen Fingernägeln. Link zwinkerte, beobachtete sie mit einem Gefühl von Irritation. Zelda hatte sich noch nie so ungeschickt mit ihren eigenen Händen beschäftigt, ein Verhalten, das ihm noch nie aufgefallen war. Gab es immer noch Seiten an ihr, die er nicht entdeckt hatte? Immer noch etwas, das er nicht kannte… wie dieses schambesetzte und doch entzückende Etwas, das sich über ihre Wangen legte und dennoch charmant zu seiner eigenen inneren Verlegenheit beitrug. Zelda war auf eine völlig neue Weise beschämt. Sie war auf ehrliche, aufrichtige Weise beschämt… „Danke für alles seit ich auf der Erde war… Dein Vertrauen… Deine Geduld mir gegenüber.“ Sie sprach die Worte so klar und aufrichtig wie keine Worte vorher. „Danke für deine Freundschaft“, murmelte sie leise und wischte sich weitere Tränen aus den Augenwinkeln. „Und für vorhin…“, setzte sie schluchzend hinzu. Sie wollte sich verbieten weiterhin so rührselig zu werden, erneut dieser unerträgliche Jammerlappen zu sein. „Du ahnst nicht, wie sehr du mir geholfen hast. Ich verdanke dir alles, mein Held.“ Die Worte sprudelten fast schon schmerzhaft aus ihrer Kehle, färbten den Innenraum mit süßen Gefühlen und brachten eine erdrückende Schwere in die Luft. „Du hast mich… immer aufgefangen… immer…“ Sie fühlte ein dringendes Bedürfnis nach der weiteren Verbalisierung von all dem Gefühlschaos, das sich seit Jahrhunderten angestaut hatte, dass es selbst Link nun doch zu viel wurde. Er unterbrach sie, sank vor ihr auf die Knie und nahm ihr Gesicht in beide Hände. „Bitte, es ist okay… können wir diese Rechtfertigungen, Fehler und verpassten Chancen uns nicht endlich verzeihen?“ Sie schloss die Augen und schüttelte ihren hübschen Kopf, ein sanftes Lächeln strahlte aus ihrem Inneren heraus. „Du bist… so toll…“, sprach sie dann und errötete. „Was?“, gluckste er. „Du bist… einfach… ein toller Mann…“, piepste sie schließlich. „Äh… sag‘ das nicht nochmal…“ Link lachte umständlich und kratzte sich am Hinterkopf. „Du bist… ein toller Mann“, wiederholte sie und schloss aus Verlegenheit die Augen. Es war so leicht, und sie verstand noch immer nicht warum, so leicht ihm diese Schmeicheleien an den Kopf zu knallen. Diese wunderbaren zuckersüßen, buttrigen Worte, die so ungehemmt in die Seele fließen konnten und die ihn regelrecht entblößten. Link hatte in den letzten Minuten einige Attacken von Scham und Überraschung ausgehalten, sodass sich sein Gesicht kaum von dem Verlegenheitsrot erholen konnte. Er sah durcheinander aus, jetzt noch mehr als im Sinne blanker Erschöpfung. Er war innerlich völlig durcheinander. Nicht nur, dass Zelda ihn mit Lob und Ehrerbietung überschüttete… Zu sagen, er wäre ein toller Mann, implizierte eine Form von Reife, aber auch Beachtung seiner männlichen Qualitäten, die er selbst so noch nicht gesehen hatte. „Zelda… du solltest auch dir selber verzeihen für alle Konflikte, die uns aufgebürdet wurden…“ Er sprach die Worte so leise und zart, aber unterlegt mit etwas Strenge, dass sie ihre verbale Entblößung stoppte. Wenn er sie nicht gebremst hätte, sie wäre so weit gegangen ihm ihr ganzes Seelenleben zu offenbaren. Alle Geheimnisse… alle Sehnsüchte… und jede einzelne Umschreibung für die Dankbarkeit, die sie ihm gegenüber empfand. Sie nickte und wischte sich weitere Tränen weg. „Entschuldige, ich bin nur… ich bin nur so froh, dass wir uns endlich ausgesprochen haben.“ „Ich auch…“, murmelte er. „Und ich bin verdammt froh, dass deine Wunde heilt…“, sprach er, durchaus mehrdeutig. „Aber wir haben ja noch Heilwasser. So vorausschauend, dass du welches mitgenommen hast.“ „Diese Wunde meinte ich nicht, Zelda.“ Ein tiefer Blick aus dem Tiefblau forderte Zugang zu ihrem Inneren und sie versank halb in diesen herben, schönen Augen. Sie nickte: „Ich verstehe, was du meinst.“ Es war diese riesige innere Wunde, die er meinte und die ihnen beiden so viel Schwermut und Herzschmerz eingehandelt hatte… Ein weiterer Schwur lag auf seinen Lippen. Er würde alles tun, dass vor allem diese Wunde heilte. „Bist du sehr müde?“, sagte Link besorgt, als sie sich ein wenig zusammenkrümmte, die Augen schloss und den Kopf auf die Knie sinken ließ. Sie war so erschöpft, dass sie sich nicht einmal mehr aufrichten konnte. Sie seufzte unter einer erneuten Schmerzwelle, die sich sehr hässlich anfühlte. „Ich…“ Sie ballte die Fäuste und atmete stoßweise. „Ehrlich gesagt… ich kann… nicht mehr.“ Sofort war Link bei ihr, hielt sie sanft an den Armen und suchte ihren Blick. Diese wunderschönen saphirblauen Augen bohrten sich trotz Zeldas Erschöpfung in die tiefsten Winkel seines Herzens und ließen es flattern… „Du musst dich jetzt dringend ausruhen“, sprach er, ein wenig befehlend beinahe. Aber Zelda gefiel dieser Ton. Manchmal fühlte es sich tatsächlich gut an, wenn er ihr Anweisungen gab. Sie lachte innerlich an ihren eigenen unsinnigen Gedanken, sich fragend, ob sie noch klar denken konnte… „Du kannst dich nicht mehr wach halten“, seufzte er. „Es ist genug jetzt. Dein Körper hat sehr viel durchgemacht in den letzten Stunden.“ „Du siehst… mir das an… was?“, sprach sie schwach. „Was meinst du?“ „Meine… Schwäche… und die Schmerzen…“ „Nein, ich bin ganz weg von dem Blau deiner Augen, da… kann ich…“ Er schaute verlegen weg und ergänzte, „da kann ich nicht auf deine Müdigkeit achten.“ „Soso.“ Und auch dieser Satz gefiel Zelda in endloser Entzückung. „Genauso und nicht anders. Hast du… starke Schmerzen?“ Erneut wollte er sich vergewissern, obwohl er ahnte wie fies die Wunde Tribut forderte. „Das Schmerzmittel aus der modernen Welt wirkt, aber… es ist nicht weg, Link, mein Schatz.“ Und diesmal war sich der Held sicher, sich nicht verhört zu haben. „Wenn ich dein Schatz bin, willst du dann… vielleicht ein wenig länger meine Nähe?“ Zeldas Mund klappte auf und sie errötete ein bisschen, aber der Gedanke war wunderbar. Sie nickte schüchtern. Link nahm sie liebevoll auf seine Arme und trug sie ohne Verlegenheit zu dem kleinen, vorbereiteten Bett. „Ich habe auch keinen Hintergedanken“, ergänzte er keck. Die blonde Schönheit gab nur ein undeutliches, aber amüsiertes Schnauben von sich, worauf Link nur breiter grinsen konnte. Sie kuschelten sich unter eine gemeinsame Decke. Link küsste erneut Zeldas Stirn, worauf sie sich fester an ihn heranklammerte und mit ihren Fingerspitzen über die zerrissene grüne Tunika seiner Brust streichelte. Was hatte Link nur getan? Sie fühlte sich plötzlich so befreit, so zufrieden und das, obwohl sie eine tiefe Wunde besaß. Als hätte er einen Fluch von ihr genommen, wie er schon selbst sagte, als hätte er sie mit den einzigen Worten erlöst, die Zelda noch nie in ihrem Leben von irgendjemandem gehört hatte. ,Ich bin einer derjenigen, die dich lieben…‘ Ob es überhaupt noch schönere Worte gab, fragte sie sich. Denn jene Worte verbannten jegliches düstere Gefühl, jegliche Bitterkeit und schufen eine Freiheit für Nähe und Geständnisse. Eine Freiheit, so leicht wie sanfte Windböen über den alten Wiesen Hyrules und transportieren eine Leichtigkeit sich Nähe zu diesem wundervollen Helden zu trauen. Bei ihrem Beschützer zu sein, in sein charmantes, wohlgeformtes Gesicht zu sehen. Und wieder gestand Zelda sich ein, was sie wirklich für ihn fühlte. Es war nicht einfach nur die Zuneigung zwischen Freunden oder Seelenverwandten… es war das älteste, unsterbliche Gefühl eines noch immer rätselhaften Mysteriums. Es war wahre Liebe… „Mein Heroe…“, murmelte sie sehnsuchtsvoll. Sie legte ihren Kopf an seine feste Schulter und schloss die Augen, träumte von ihrem Heroen, der sich doch so nah bei ihr befand. Link und Zelda verbrachten die Nacht in der Wärme des anderen. Kapitel 79: Rast mit Hindernissen --------------------------------- Kapitel 62: Rast mit Hindernissen Sanfte, rote Lichtstrahlen zogen sich die Sinne weckend in das kleine, gemütliche Hinterzimmer durch das kleine Fenster, wo der Held Hyrules dicht und wärmend neben seiner verletzten Prinzessin schlief. Er seufzte plötzlich, begann zu gähnen und rieb unbewusst seine eigene Wange an die der in seinen Armen schlafenden Zelda. Sie atmete tief ein, klammerte sich fest wie ein Kind oder eben eine Liebende an den langsam aus dem Schlaf gleitenden Helden der Zeit. Fast aus seinen geheimen Sehnsüchten heraus, drehte sich der junge Mann, sodass die noch auf ihm schlafende Prinzessin sich ihm dem Rücken zugewandt neben ihm wiederfand. Intuitiv drückte er sich gegen ihren Rücken, schlang seine Arme fesselnd um sie und legte den verliebten Kopf auf ihre Schulter. Und es geschah in dem Augenblick, dass der junge Held fast schon verhext angesichts des Zeldazaubers, oder angesteckt von dem lieblichen Zeldafieber zu blinzeln begann. Ja, sie hatten die Nacht miteinander verbracht, so nah und eng aneinander gekuschelt wie noch nie zuvor. Sie hatten sich gegenseitig verwöhnt mit Wärme und tröstenden Berührungen. Aber... war das alles... nur die Zuneigung von Freunden gegenüber... Zaghaft wanderte Link mit seinen tiefblauen Augen umher, erinnerte den gestrigen Abend, erinnerte Zeldas Wandel, ihre wunderbare Verwandlung, und er besann sich grinsend auf ihre Ausgelassenheit ihm gegenüber. Und trotzdem wollte er einfach mehr davon... er wollte Zelda. So schmerzhaft war dieser Wunsch nun schon. Er ersehnte mehr als bloß ihre Nähe. Er begehrte einfach alles von ihr, ihre Nähe, ihre Lippen und in seinen geheimsten Gedanken sogar ihre Unschuld... „Zelda...“, flüsterte er süß und drückte einen kleinen Kuss an den Beginn ihres Halses. Aber sie brummte nur irgendetwas, nicht bereit aus diesem wunderschönen, unantastbaren, reinen Moment auszubrechen. „... wir sollten...“ Er unterbrach seine Worte kurz, kuschelte sich fester an sie und atmete genießend aus. „... aufbrechen... die Zeit...“, schnurrte er und machte seine Augen kurz wieder zu. In dem Moment wand sich die Prinzessin zu ihm, auch wenn sie schlief... und doch verfolgte ihre instinktive Bewegung nur ein kleines, geheimes Ziel ihrer verborgenen Sehnsüchte. Ohne Scham schlang sie ein Bein um Links Hüfte, der angesichts dieser überraschenden Geste beinahe aus allen Wolken fiel, schlang ihre zerbrechlichen Arme fesselnd, klammerartig um ihn und drückte ihren hübschen Kopf mit einem lauten Seufzer gegen seine Brust. Kochend vor Scham und Erstaunung senkte er seinen liebestollen Kopf zurück in die alten Federkissen und ließ Zelda gewähren, was immer sie auch von ihm verlangte, egal ob Nähe, Wärme oder einfach nur Halt und Schutz. Es war nur eine Stunde später, dass Link, noch immer wach und teilweise perplex, weil sich seine Angebetete so innig in seiner Nähe befand, sich wieder rührte. „Zelda...“, sagte er leise und presste seine Wange gegen ihre warme Stirn. „Wir müssen langsam weiter...“ Er wusste, dass er sie jetzt aus ihren erholsamen Träumen reißen musste, um wenigstens aufzustehen. „Hey...“ Fast fragend klang das Wörtchen aus seinem Mund. Nur ein schmaler Spalt ihrer teuflisch anziehenden Lippen öffnete sich und sie murmelte Undeutliches, streichelte unbewusst mit ihren Fingerspitzen den linken Arm des Heroen. „Sorry, mein Engel, aber ich muss jetzt aufstehen...“, sagte Link dann etwas lauter, und bereute im selben Moment, jetzt aus dieser gemütlichen Idylle zu fliehen... Aber floh er denn? War es nicht nur die Pflicht der Weltenrettung, die ihn hinderte Zelda vielleicht über die Grenze hinaus zu verwöhnen, sie aufzuheitern, sie vielleicht zu streicheln und vielleicht... dann doch... noch... herauszufinden... ob... sie... ihn... gewähren lassen würde... und... Kopfschüttelnd brachte der Held seinen Gedanken nicht zu ende und richtete sich leicht auf, stützte sich mit Zelda an seiner halbnackten Brust in der Matratze ab. Er hielt sie fest, tupfte mit seiner Nase an die ihrige, worauf sie ihre bezaubernden Augen langsam öffnete. Fast magisch hoben sich ihre Augenlider. „Morgen...“, sagte sie gähnend und blickte unschuldig und beinahe grinsend in seine tiefblauen Augen. „Morgen... Engel...“, erwiderte Link und lehnte sich mit ihr an das hölzerne Bettende. Es war eine seltsame Situation, so nah, so aneinandergekuschelt in ein und demselben Bett, wie zwei Verliebte lagen sie da, genossen die Nähe des anderen... „Wie fühlst du dich?“, meinte Link leise und streichelte massierend über Zeldas Rücken. „Ganz gut...“, sagte sie, hob den Kopf ein wenig an und stützte sich leicht auf der harten, knarrenden Matratze ab. Sie biss sich wie ein kleines Kind auf die Lippe, welches auf die Erfüllung langersehnter Kinderträume wartete. Ihre schönen blauen Augen sanken hinab und ihre Wangen färbten sich ein wenig. Es gehörte nicht viel dazu, zu bemerken, dass jetzt, da sie wach war, ihre Vernunft wieder zuschlug und sie sich als einstige Prinzessin sehr beschämt fühlte. „Du kannst gerne noch ein wenig liegen bleiben... ich fang dann an und räume unsere Sachen zusammen“, meinte Link und lächelte sie verschmitzt an. Sie nickte lediglich, unternahm aber nichts dergleichen um ihren Helden aufstehen zu lassen. Immer noch lag sie fast vollständig auf dem starken Körper Links. „Zelda...“ „Äh... was?“ „Könntest du vielleicht...“, meinte Link halb schüchtern und richtete sich zusammen mit ihr ein wenig mehr auf. „... ich möchte aber gar nicht... alleine liegen bleiben...“, sagte sie rotwerdend und blickte schräg seitwärts, hoffend, Link würde ihr Verlegenheitsrot ignorieren. Lachend gab er ihr einen Kuss auf die Wange und sagte grinsend: „Du bist drollig heute, weißt du das?“ Sie nickte bloß und rollte sich verspielt mit Link zu der anderen Seite des Bettes. mit glühenden Wangen lag die verletzte Prinzessin nun unter dem Körper ihres Heroen, der lange und sehnsüchtig in ihre Augen blickte, darin träumte, sich halb verirrte. „Ruh’ dich noch ein wenig aus... ja?“ Sie nickte nur und wanderte mit ihren durchdringenden, anmutigen Augen zu den begehrenswerten Lippen ihres Helden. Link begann derweil sehnsüchtig durch das goldene Haar seiner Liebsten zu streicheln, wanderte mit den Fingerspitzen schon beinahe schmerzhaft zu ihrer Stirn und zu den glühenden Wangen. Dieser Moment war perfekt, dachte er. Aber was hinderte ihn daran, sich endlich zunehmen, was er schon lange haben wollte... Plötzlich knackte das Medaillon der Mächtigen um Zeldas Hals und die Klappe öffnete sich. Hüstelnd und schamhaft rotwerdend richtete sich Link auf, brachte sein schweres Körpergewicht von Zelda herunter und sagte: „Was war das denn?“ „Eine Weckfunktion...“ „Was? Einen Wecker hat diese Uhr auch integriert. Das ist mir aber neu...“, meinte er und stand letztlich doch auf. „Ich habe das in der Nacht über herausgefunden, als du geschlafen hast, mein Linkchen...“ Umständlich kratzte er sich am Kopf. „Du hast so niedlich geschlafen, dass ich dich nicht wecken wollte...“, ergänzte sie und erhielt dafür ein Grinsen, welches Link nur ihr schenken würde und niemanden sonst... „Ich gehe mal kurz an die frische Luft... bin gleich wieder da...“, sagte er. Und Zelda ließ sich zufrieden und so verliebt wie noch nie wieder in die Kissen zurücksinken, wo Links Geruch noch haftete... Es regnete. Wütend ergoss sich der Himmel über der in dunklen Farbflecken gemusterten Steppe Hyrules. Ein schwarzer Hengst mit zwei Gestalten auf dessen Rücken preschte tobend über die weite Landschaft, auf der Suche nach Schutz, auf der Suche nach Sicherheit. Beide Hylianer waren sehr früh aufgebrochen, sich der Tatsache bewusst wie knapp die Zeit doch war. Sehr bald würde auf der Erde Vollmond sein, ein Mond, der in seinem eigenen Blut ertrank und als ein Zeichen den Kampf des Guten gegen Böses fortführen würde. Von weiten erkannte Link eine größere Ortschaft. Durchgeweicht würden sie sich dort eine Pause gönnen und vor allem ein warmes Essen. Kurze Zeit später befanden sich die beiden in einer sehr alten Stadt, die mehr einer Ruine glich als einer blühenden Stadt wie es zum Beispiel Kakariko war. Umgeben von einer hohen Stadtmauer wirkte die Ansiedlung als wollte sie niemanden mehr hinauslassen, als wäre sie eine Falle für schutzlose Seelen. „Eine gute Idee, dass wir hier Rast machen“, sagte Zelda und wollte Links grübelnde Miene verscheuchen. Er lächelte sie leicht an und grübelte heimlich weiter. Er packte einige Dinge aus seiner bodenlosen Tasche und sah aus dem Haus hinaus, in welchem sie sich untergestellt hatten. Seine Gedanken waren in Schicksalshort. Irgendetwas beunruhigte ihn. Irgendetwas störte. Er dachte an seine Schwester, seine Eltern, seine Freunde. Auch Rick kam ihm in den Sinn, aber schnell verdrängte er den Gedanken an seinen besten Freund. Nicht, dass er es verabscheute an ihn zu denken, aber es belastete ihn immer noch. Leise. Rufend... es war schließlich seine Hand, die den vernichtenden Schlag gegen ihn ausführte und vergessen konnte er nicht, was geschah. Wie auch... Hier in Hyrule war vielleicht alles halbwegs in Ordnung. Die Sonne schien, wann immer es ihr ein Bedürfnis war. Es gab hier so viele Dinge, für die es sich zu leben und zu kämpfen lohnte... doch zuhause, wo Ganon wartete, gab es dieses Licht nicht mehr. Es gab nur noch Finsternis, alptraumartige Kreaturen voller Hass und Mordgier. Wie sollte ein Kampf in Schicksalshort zur Gunst des Guten ausgehen, wo doch alles das Gute hindern würde, stärker zu werden. Er schaute hinaus in den Himmel, der so aussah, wie Link sich im Augenblick fühlte... niedergebeugt, schwer, in gewisser Weise hoffnungslos. Plötzlich fühlte er Zeldas schlanken Arme, die sich um seine Körpermitte legten und sich auf seinem Bauch wiederfanden. Erstaunt drehte er sich zu ihr um, ging auf ihren Blick ein und sah eine Einladung darin, ein herzliches Willkommen. Er deutete ihren Blick richtig und umarmte sie fast sehnsüchtig. Es war schon seltsam, wie nah sie einander gekommen waren, und das in nur wenigen Stunden. Vergessen war der Streit, die fiesen Worte, das Misstrauen. „Zelda...“ „Mmh?“ „Danke“, murmelte er und ließ seine Arme auf ihrem Rücken entlang wandern. Er gab ihr spontan einen Kuss auf ihre Wange und lief dann wieder zu den Sachen, die er aus seiner Tasche herausgepackt hatte. Er hielt Zelda einige Büchsen unter die Nase. „Was möchtest du? Bohnen, Bohnensuppe oder noch mehr Bohnen?“ Sie grinste und spielte mit. „Hast du denn noch etwas anderes als Bohnen? Bohnensuppe? Hast du nicht vielleicht noch Erbsen?“ „Erbsen, Erbsensuppe und noch mehr Erbsen.“, meinte er und zauberte mit dem Lächeln um seine Mundwinkel. „Weißt du, ich glaube, ich nehme doch die Bohnensuppe...“ „Gut“, sagte sie. „Gut.“ Seit Zeldas Verletzung schien zwischen ihnen wieder alles beim Alten zu sein. Die Frage war nur, ob Link wirklich wollte, dass alles wieder beim Alten war. Vielleicht wollte er etwas anderes... vielleicht war ihm die ewigwährende Freundschaft schon lange überdrüssig und er sehnte sich nach mehr als dieser. Aber war es wert, deshalb die Freundschaft aufs Spiel zu setzen? „Zelda... es gibt noch so viele Dinge zu klären“, sagte er dann, während er aus seiner Schale aß. „Ja, wahrhaftig, aber möchtest du denn wirklich darüber reden?“ „Wir haben noch Zeit...“ „Über eine Woche. Es findet sich bestimmt die ein oder andere Minute um...“ „... um über alles zu reden und sich einigen Dingen klar zu werden?“ Sie nickte: „Ja, und um uns klar zu werden, was...“ „...was wir wollen?“ Sie hauchte ein leises Ja, ein wenig durcheinander, er könnte diese eine Sache gemeint haben, die sie lieber verdrängte. Link sprang plötzlich auf und sagte begeistert: „Schau! Der Regen ist fort. Am besten wir reiten weiter, hm?“ Sie nickte mit einem Lächeln auf den Lippen. Und es stand ihr, ein Lächeln in den ohnehin besorgten Augen, wo aber kein Schatten mehr lag. Sie lief zu ihm herüber und umarmte ihn schon wieder. Ihre Attacken der Zuneigung kamen schnell und unerwartet, sodass Link es immer schwieriger fand gegen diese zu wiederstehen oder anzukämpfen. Wie konnte er auch gegen ein so wunderbares, anmutiges Geschöpf, wie Zelda es war, ankämpfen? „Ich muss dir etwas sagen“, murmelte sie in den weichen Leinenstoff seiner grünen Tunika. Link nahm ihr Gesicht in beide seiner Hände, streichelte über die blassen Wangen. „Was ist es?“ und beinahe hätte Link, verzaubert von ihrem Wesen, einen weiteren Fehler begangen und erneut ihre Lippen mit seinen bedeckt. „Letzte Nacht...“ Sie empfing die Gefühle, die aus seinen tiefblauen Augen herausdrangen und nahm sie in ihrem Herzen auf. „Ich habe... das erste Mal, seit Ganon die Herrschaft an sich gerissen hat, nicht mehr geträumt.“ Verwundert schaute Link sie an, konnte kaum glauben, was sie sagte oder andeutete. „Du hattest keinen Alptraum? Keine Prophezeiung?“ Sie schüttelte zufrieden mit dem Kopf. Er nahm ihr die Worte: „Zelda, das ist ja wunderbar.“ Herzlich packte er sie unter ihren Armen und wirbelte sie einige Runden in der Luft herum, vergas jedoch, dass sie immer noch eine Wunde hatte, die an ihrer Kraft nagte. Dennoch lachte sie. „Sorry“, sagte er, als er sie zurück auf festen Boden setzte. „Ich war nur so...“ Er suchte nach dem passenden Wort, dass ihm nicht über die Lippen kam. „Erleichtert?“ „Nein, ich glaube, das trifft es nicht wirklich. Eher beruhigt und zufrieden...“ Schließlich sprach Zelda einige Wörter auf Hylianisch, und Link überrascht, dass er die hylianische Schrift lesen konnte, war noch überraschter, als er plötzlich gesprochenes Hylianisch verstehen konnte. Link umarmte sie ein weiteres Mal, nicht sicher weshalb, aber da war dieses tiefe Bedürfnis in ihm, das sagte, halte sie fest und lasse sie nie wieder weglaufen, genauso wie zu jenem Zeitpunkt, als er glaubte, Zelda könnte sich von einer Sekunde auf die andere in Luft auflösen. Betört vergrub er sein Gesicht in ihrem seidigen Haar. „Lass’ uns aufbrechen, ja?“, sagte Zelda entschlossen. Bereitwillig gab Link sie frei und packte die Sachen zusammen. Sie liefen Hand in Hand hinaus ins Freie. Ein milder, und kühler Hauch des Wassers lag in der Luft. Es roch nach Frische und Neuem. Sie folgten einer schmalen Gasse, in Richtung Nordosten, wo das Tor hinaus sein sollte. Namenlos trabte fröhlich neben ihnen her. Insgeheim fragte sich Zelda, ob dieses göttliche Pferd denn niemals Schlaf brauchte. Ja, in der Tat, es war bewundernswert. Seit den letzten Tagen ist ihr das erstmalig aufgefallen. Wenn jener Hengst zugegen war, und man sollte es ihm danken, da er seinen eigenen, wenngleich sturen Willen hatte, dann strahlte er nur so vor Aufbruchsstimmung, schien weder müde noch schlapp von der langen Reise zu sein. Aber es war das Pferd einer Göttin... was erwartete man da schon? Die Götter Hyrules konnte man sicherlich nicht mit einem anderen Gott gleichsetzten und selbes galt wohl für eines ihrer auserwählten Tiere... Link blieb dann abrupt stehen und schaute mit seinem typisch ernsten Blick zu einem der krummen Gebäude mit auffallend bunten Fensterrahmen, Lianen und einem zierlichen Schornstein. „Bin ich verrückt?“, sagte er abfallend über sich selbst, „oder stand dieses Haus hier vorhin noch nicht?“ Zelda setzte eine beunruhigte Miene auf, krallte sich fester in Links Hand und erwiderte leise: „Nicht, das ich wüsste.“ „Merkwürdig“ war Links schmerzlose Antwort. Er lief weiter, seine Schritte größer und schneller. „Wir sollten nicht verweilen.“ Sie rannten nun fast die Straße entlang, blickten zurück und fühlten sich irgendwie... eingedrängt. Nebel zog auf, schlich wie ein stummes Gespenst die Straße entlang, verdeckte und zeigte nur noch das, was nicht gesehen werden sollte. Er kroch umher wie Ratten in einem endlos langen Labyrinth, dessen einzigster Ausweg die Selbstaufgabe forderte. Es war unheimlich, so erschreckend düster wie in einer der Gruselszenen mit dem vielen Nebel, angereichert mit mysteriöser Stimmung, wo Nacht gemischt mit Kälte das Elend verbarg und einer Bestie dazuverhalf sich geschickt in den Wäldern zu verstecken, bereit sich zähnefletschend auf nahe Beute zu stürzen, zu zerfleischen und zu töten. Links Schritte wurden langsamer, suchender und forschend. Er dachte kurz an die Schatten der Götter, die eine solche Stimmung sicherlich heraufbeschwören konnten. Ein Nebel, so kalt und trügerisch wie die Dunkelheit, so gebieterisch, triumphierend. Wenn diese Kreaturen hier auftauchten, dann wäre es wohl endgültig vorbei. Denn Link war nicht auf einen Kampf vorbereitet, ebenso wie Zelda, die sich noch viel zu schwach fühlte um eine solche Herausforderung anzunehmen. Sie liefen weiter, begleitet von Unbehagen und der Angst im Nacken. Doch je weiter sie liefen umso mehr hatten sie das Gefühl, die rettende Stadtmauer würde sich von ihnen entfernen. Link versuchte sich vor Zelda keinerlei Furcht anmerken zu lassen, aber das ungewisse Gefühl begleitete ihn, verunsicherte, lähmte... Zeldas Hand in seiner zitterte bereits. Link konnte nicht sagen, ob es an der zunehmenden Kälte, an ihrer Wunde oder an der Angst lag, die in Zeldas Blutadern zauderte. Er legte seinen Arm um ihre Schultern und gab ihr ein zögerliches Lächeln. „Alles in Ordnung?“ „Ja, es ist nur... ein wenig kalt.“ Sie zog sich ihren Umhang über und nahm wieder seine Hand fest in ihre. Sie folgten dem schmalen Weg, erreichten eine kleine Kreuzung, einen Markplatz mit Gotteshaus und Postamt und Ständen, wo sogar noch frische Waren lagen. Freudig bedienten sich die beiden und packten einige Dinge in ihre Taschen. Aber die beklemmende Situation verlangte nach Eile. Zügig liefen sie in Richtung Osttor, bis sie an der Mauer ankamen. Nur das Schicksal und eine andere mächtige Macht im Bunde gönnte ihnen das Entkommen nicht. Entsetzt mussten Link und Zelda feststellen, dass jenes Tor, durch welches sie erst in die Stadt Eintritt erhielten, nicht mehr vorhanden war. Nur hohe Mauern, die nichts hinein oder hinaus ließen. „Vielleicht war die Idee doch nicht so gut, hier Rast zu machen“, bemerkte Link zynisch und schob Zelda wieder zurück in die Stadt, auf der Suche nach einem anderen Weg. Navi spionierte leise bei Ganons Kerkern in der Kathedrale Schicksalshorts herum. Sie wusste um jemanden, der sich in Gefangenschaft befand und doch sagte ihr ein sechster Sinn, wie dumm es war, diesen Jemand aufzusuchen. Denn befreien würde sie ihn mit der ärmlichen Kraft, die sie besaß, nicht können. Sie lief einen langen Gang entlang, in welcher die Dunkelheit fast noch dichter als auf den Straßen war. Ihr schwaches blaues Licht umgab sie noch, einem Schutzpanzer gleich, ein Hinweis auf die Aura einer einst anmutigen, weisen Fee. In gewisser Weise vermisste sie ihr früheres Äußeres, aber Meckern konnte sie später, dann, wenn der Dekubaum wieder aus seinem Schlaf erwachen würde und Link Ganon in die ewige Verdammnis geschickt hätte. Sie glaubte daran. Sie wusste es. Link würde ihn besiegen, er konnte nicht verlieren und durfte nicht versagen... Plötzlich hörte sie Geräusche. Schritte. Klappernde Rüstungen, die sich aber wieder entfernten. Sie gelangte an eine Abbiegung, und endlich waren hier und da Fackeln für die dummen Moblins angebracht. Navi hüpfte schneller durch den Gang, bis sie in einen großen Abschnitt mit vielen Kerkern gelangte. Sie fand, was sie suchte, fand den kleinen Bengel, der ebenso Link als Namen trug. Schutzlos, zusammengekauert und zitternd saß der kleine Kerl in einer Ecke, fürchtete sich vor jedem Lichtstrahl, der außerhalb der Zelle leuchtete. Nun wusste er, was Angst war, nun verstand er die Warnung des erwachsenen Link. Auch der Junge besaß eine Wunde, genau an der selben Stelle wie Zelda- aber niemand war da und kümmerte sich darum, niemand wusste von der möglichen Existenz des kleinen Kerls. „Link?“, murmelte es außerhalb und Navi trat heran. Er schaute kurz auf und Navi konnte die Schmerzen in seinem Gesicht ablesen. „Was hast du denn gemacht? Und wie konnte Ganon dich gefangen nehmen?“ Er kroch auf allen Vieren vorwärts, kniff seine blauen Augen zu und krallte sich schwankend an den Gitterstäben fest. Aber er antwortete noch nicht, unterdrückte das Gefühl ohnmächtig zu werden. Dann meinte er: „Ich habe nicht aufgepasst, weißt du?“ „Und sind die Wunden sehr schlimm?“ „Halb so wild, ich existiere ja noch nicht, deshalb geht das schon.“ „Du bist bescheuert, du kleiner Kerl. Hast du deinen Mut getestet? Wieso bist du verwundet?“ Er war noch bei Bewusstsein und winselte ein wenig vor Schmerzen. Trotz seiner merkwürdigen Weisheit war er immer hin noch ein kleines Kind, dem derartige Wunden schwer zu schaffen machten. „Nenn’ mich nicht kleiner Kerl, du musst gerade reden, dumme Schnepfe, wie alt willst du denn sein?“ Navi zog eine eingeschnappte Schnute und reckte beleidigt ihr Nase in die Höhe: „Pah, ich bin auf jeden Fall älter als du, du Grünschnabel.“ „Ich bin aber keine eingebildete Fee. Wetten, dass ich älter bin, du Glühbirne.“ „Oh... jetzt hast du’s geschafft. Du bist ja gemeiner als Link damals. Und ich mache mir die Mühe und schaue extra nach dir. Unmöglich!“, schimpfte sie. Der kleine Link äffte sie aus Herzensfreude nach: „Unmöglich!“ „Ja, unmöglich.“ Eine Pause entstand. „Aber wenn du es wissen willst, ich bin... von Zelda abhängig... Ihre Wunden sind auch meine.“, wisperte er und atmete sehr flach. „Aber wieso? Ich dachte, du wärst ein Nachfahre von Link, ich meine, ein Nachkomme in der Blutlinie des Helden?“ „Auch das...“, brachte er stockend hervor und krümmte sich vor Schmerzen. „Heißt das etwa, du bist mit Zelda verwandt?“ Navi zählte eins und eins zusammen… „Und du hast etwas mit Link zu tun? Das würde ja bedeuten, du bist…“ Navi kicherte. Doch der kleine Bengel nahm ihr den Grund zu lachen. „Es ist nicht so, wie du dir einbildest. Ich habe sowohl etwas mit Zelda, als auch mit Link zu tun, aber ich bin kein Nachfahre von ihnen, kapiert! Ich bin nicht durch die Zeit gereist, kapiert!“ „Okay, okay… man wird doch mal lachen dürfen…“ Dann schlug sie allerdings wieder einen ernsteren Ton an. „Es tut mir leid, ich kann dir nicht helfen. Ganons Kraftfeld um diesen Kerker ist zu groß, sonst...“ Er nickte und meinte leise: „Sagst du Zelda, dass ich ihr danke. Denn jetzt weiß ich, dass ich existieren werde. Sagst du ihr, ich hab’ sie lieb?“ Seine glockenhelle Kinderstimme schallte in der Dunkelheit umher. „Na klar, mach’ ich das. Und dem anderen Link? Soll’ ich ihm auch was ausrichten?“ „Sagst du ihm bitte, er soll gut auf seine Zelda aufpassen und dass ich ihn auch lieb hab’?“ Navi nickte, beruhigt, dass es dem kleinen Kerl den Umständen entsprechend gut ging. „Wenn ich genug Kraft gesammelt habe, werde ich mich sicherlich erneut auflösen können und dann kann mich Ganon suchen, wo er will…“ „Dann sammle deine Kräfte, Klein-Link. Mach’s gut.“ „Bis bald Navi.“ Flugs löste sie sich vor seinen Augen in Luft auf und Klein- Link versuchte Schlaf in dem eisigen Kerker zufinden. Zelda und Link folgten mit Namenlos an ihrer Seite weiterhin einer engen, kleinen Gasse durch die fremde, unheimliche Stadt. Nebel kroch umher und wurde immer dichter, gefährlicher. Sie gelangten an das andere Ende der Stadt. Mühsam. Fast schleichend. Doch auch hier schien das Stadttor verschwunden zu sein, als ob die Stadt verhext wäre, als ob Leben in ihr schlummerte. Zelda neben Link lief in immer langsameren Schritten, blinzelte hin und wieder, versuchte sich aber ihren kleinen Schwächeanfall nicht anmerken zu lassen. Sie blieb kurz stehen und atmete einige Male tief ein und aus. Dann presste sie leicht stöhnend eine Hand auf ihre Wunde. „Fühlst du dich nicht gut?“ „Es geht schon, ich brauche nur… hin und wieder eine Verschnaufpause“, sagte sie. Sie folgte Link dann wieder, versuchte seinen Schritten mitzuhalten, versuchte stark zu sein. Erneut log sie ihn an, aber nur, damit er sich nicht noch mehr Sorgen um sie machte als ohnehin schon. Sie hatte Schmerzen, sie wollte nur noch ein weiches, gemütliches Bett, in dem sie tagelang schlafen konnte. Aber das wäre in den kommenden Tagen nicht möglich. Link drehte sich zu ihr um, blieb besorgt stehen und sah, wie Zelda beinahe zusammenklappte. „Hoppla“, sagte er leise und fing Zelda auf. Sie sah ihn aus müden Augen an und gab endlich zu: „Link, ich… fühle mich nicht so gut…“ Er legte eine Hand auf ihre Stirn, beruhigt, dass sie kein Fieber hatte und lächelte leicht. Es war wohl das erste Mal, dass Zelda sich eingestand und Link mitteilte, wie miserabel sie sich fühlte. „Hey, wir kriegen das schon hin…“, murmelte er. Er nahm eine überraschte Zelda auf seine Arme und lief mit ihr zu einem kleinen Brunnen. Er setzte sie auf eine hölzerne Bank mit hellblau bemalten Holzbrettern und kniete vor ihr nieder. „Möchtest du etwas von dem Heilwasser?“ Sie nickte und trank einen Schluck. „Diese Stadt wird uns noch einiges Kopfzerbrechen bereiten…“, sagte Zelda dann. „Ich habe ein mulmiges Gefühl…“ „Ja, irgendetwas stimmt hier nicht. Aber… diesmal beschütze ich dich, Zelda.“ Sie versuchte es mit einem leichten Lächeln. Sie liefen wieder ein Stück. Zelda saß auf Namenlos und nickte ab und an ein, während Link daneben herlief und die Zügel hielt. Der Nebel wurde immer unheimlicher, legte sich über die Stadt wie ein Schleier auf ein Gesicht, das verhüllt bleiben sollte. Weiße Schwaden schlichen gefahrbringend durch die kleinen Gassen, hielten gefangen, erstickten. Und je länger Link seinem Weg folgte und sorgsam die Häuser betrachtete, umso mehr erschienen die Gebäude sich zu bewegen, die Gassen wurden enger, die Stadtmauer entfernte sich immer weiter… Über eine Stunde verstrich und das Pärchen hatte noch keinen Weg aus der rätselhaften Stadt gefunden. Sie kamen sich vor, als würden sie im Kreis gehen, obwohl sie nur nach Norden gingen. Schließlich kamen Link und Zelda wieder am Brunnen heraus. Besorgt. Beunruhigt. „Diese Stadt lässt uns nicht gehen…“, seufzte Zelda. „Was soll’ das nur?“ Link half ihr von Namenlos abzusteigen und hielt sie sanft an ihren Armen, als ob sie weglaufen könnte. Er schaute in alle Richtungen, versuchte einen Weg auszumachen, wollte irgendwo ein Stadttor sehen, aber jeder Ausgang war wie vom Erdboden verschluckt. „Mir gefällt das hier auch nicht, Zelda… aber, solange du da bist, geht das schon.“ „Solange du da bist, gibt es für mich keinen Grund vor irgendetwas Angst zu haben…“, entgegnete sie. „Wir finden schon einen Weg. Wir haben bisher so viele Gefahren überstanden, soviel gemeistert, dass wir diese Sache hier auch noch hinbekommen werden, ja?“ Sie nickte. Wenn sie nur eine Spur seiner Zuversicht haben könnte. Im Moment hatte sie diese wirklich nötig. „Können wir eine Pause machen, Link?“ „Klar… Ruh’ dich eine Weile aus.“ Zelda setzte sich auf jene alte Holzbank und Link schaute in den ausgetrockneten Brunnen. Er lehnte sich auf dessen steinernen Rand und verschnaufte ebenso einige Sekunden. Was ging hier bloß vor sich? Wieder eine Teufelei von Ganondorf? Ein Windstoß kam auf, wirbelte mit Unbeherrschbarkeit in die Richtung der beiden Hylianer. Ein kleines Anzeichen einer Gefahr… nur ein Hinweis. Namenlos wieherte laut auf, stellte sich auf seine Hinterhufe und galoppierte davon. „Warte!“, rief Link dem schwarzen Hengst noch hinterher und sprintete einige Meter. Aber er konnte das Pferd nicht mehr einholen. Kapitulierend blieb er stehen und drehte sich kopfschüttelnd zu Zelda um. Sie zuckte kurz mit den Schultern und sah ihm genau in die Augen. Ein unbeschreiblicher Blick, der fern an Sehnsucht erinnerte. Link lief langsam zu ihr, setzte sich ebenso auf die Holzbank. Zelda schloss ihre Augen, lehnte ihren Kopf an seine Schulter, wollte nur ein wenig in seiner Gegenwart verschnaufen. „Ich wollte mir damals nie eingestehen… wie sehr ich dich brauche…“, sagte sie gedämpft. „Nie habe ich dir gesagt, dass…“ Er legte einen Arm um ihre Schulter und sagte aufheiternd: „Sag’ es ruhig…Was kann schon passieren, außer dass ich rot werde.“ Sie schmunzelte leicht über seine ermutigenden Worte. „Du liegst mir am Herzen… wie niemand sonst, Link.“ „Das…“ „Du… warst damals… das Beste, was mir im Leben geschehen ist…“, ergänzte sie. „Zelda…“ Link war im wahrsten Sinn des Wortes sprachlos… „Ich bereue, es dir nicht schon viel früher gesagt zu haben…“ „Besser zu spät als nie, Zeldaschatz.“ Sie lächelte. „Und heute… was ist nun das Beste, was dir geschehen ist?“ „Das Schönste ist wohl das Gefühl…“ Sie überlegte einige Zeit. Link drehte sich zu ihr, küsste sie liebevoll und verträumt an ihre rechte Augenbraue und lauschte aufmerksam ihren Worten. „Das eine Gefühl… geliebt zu werden…“ „Aber du wurdest auch früher geliebt, Zelda.“, meinte er. „Und trotzdem habe ich es nie so empfunden…“ Es war schwer für sie, diese Dinge zuzugeben. Hinsichtlich Worten, die sich um das Thema Liebe drehten, hatte Zelda damals schon viel zu häufig die Flucht ergriffen. „Irgendwie habe ich nie etwas wie Liebe gefühlt… oder fühlen wollen…“, murmelte sie, „Ich bin stets davor weggelaufen. Wenn man nicht liebt, dann ist die Angst nicht so groß, das Geliebte wieder zu verlieren…“ „Ja, und doch, sind die Gefühle der Liebe es wert ein Risiko einzugehen, oder nicht… Man fühlt sich leer, ohne sie, ohne die Liebe… Kein Mensch kann ohne sie leben, Zelda.“ „Richtig…“, seufzte sie, „Deshalb habe ich mich damals auch innerlich tot gefühlt… so kalt… und einsam…“ Er drückte sie an sich und streichelte ihr über die blassen Wangen. „Warum habe ich das damals nicht geändert?“ „Oh, du hast es versucht… aber es lag wohl an mir…“ Sie suchte seinen Blick, verweilte in dem Blau seiner Augen und spielte mit ihren Fingerspitzen an seinen blonden Haarsträhnen. „Du bist ein Schatz, Link…“ „Ich weiß. Das beste, was dir jemals passiert ist, oder?“ Sie nickte und grinste ein wenig. „Ach… komm’ her zu mir.“, meinte Link noch und umarmte Zelda erneut, doch diesmal inniger, zärtlicher als jemals zuvor. Nach einigen Minuten, ja, sie brauchten eine Weile, um sich voneinander zu lösen, half Link seinem Engel beim Aufstehen und lief erneut mit ihr in der Stadt herum, suchte nach Hinweisen, suchte nach einem Ausweg. Diesmal liefen sie schnurstracks nach Süden. Aber wie sollte es anders sein? Sie kamen einmal mehr in der Nähe des Brunnens heraus… Zelda ruhte sich erneut aus und Link besah sich das kleine bunte Häuschen, welches am Rande des Marktplatzes stand und sofort in das Blickfeld fiel, weil es nicht in die Szenerie passte und einfach zu farbenfroh war. Braune Fensterläden, rötlicher Anstrich des Mauerwerkes, sogar gelbe Fensterrahmen und überall an dem Gebäude hingen Ranken. Langsam lief Link in die Nähe des Hauses und glotzte neugierig in die Fensterscheiben hinein. Doch das Glas war so rau und beschlagen, dass er nichts da drin erkennen konnte. Zelda stand plötzlich hinter ihm und versuchte ebenso durch das graue Glas zu schauen. „Siehst du irgendwas?“ „Nein, aber das Haus hier ist äußerst verdächtig.“ Link klopfte an der Tür und versuchte diese dann zu öffnen. In dem Augenblick glühte Zeldas Halskette grün und blau auf. „Schau, Link!“, sagte sie laut und deutete auf das kleine Gebäude. „Das bedeutet sicherlich, dieses komische Haus hütet einige Splitter.“ „Mmh“, entgegnete sie. „Okay“, sagte Link entschlossen und er drehte sich zu Zelda um, umschloss beidseitig ihre Oberarme und ergänzte entschieden: „Du bleibst hier. Ich gehe hinein und hole die Splitter aus dem Haus.“ Sie nickte zustimmend, reichte ihm das Medaillon der Mächtigen und setzte sich an das Haus anlehnend auf das Pflastergestein. Link öffnete vorsichtig die Tür und fand sich in einem schmalen Korridor, ohne Fenster und seltsamerweise ohne Inneneinrichtung. Hoffentlich war das keine Falle von Ganon, dachte er und ein kurzer Gedanke an Zelda schwirrte durch seinen Kopf. Vielleicht sollte Link sie trotz ihrer Verletzung in dieses geheimnisvolle Haus mitnehmen... Vorsichtig sah er sich um, während er einen Fuß vor den anderen setzte. Der junge Hylianer entdeckte viele verschiedene Türen, die alle gleich aussahen. Ohne weiteres Nachdenken ging Link durch die erste Tür und fand dahinter einen schier gigantischen Raum, den es von außen gesehen in diesem Gebäude gar nicht geben konnte. Bewundernd schaute sich Link in jenem Zimmer um. Es handelte sich um eine Art Waffenkammer, dachte Link... vielleicht auch eine Folterwerkstatt. Ja, wahrscheinlich war dieser Raum tatsächlich für die Folterung von Menschen gedacht. Und das in Hyrule? Link musste Zelda diesbezüglich mal befragen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass solche Methoden unter der Herrschaft Harkenias Gang und Gebe waren. Allerdings sah diese Hütte nicht danach aus, als ob sie nach Hyrule gehörte... Link drängelte sich zwischen einer Streckbank mit Stacheln und dem Schrecken einer eisernen Jungfrau hindurch und ging zu dem kleinen Fenster mit sandgelben Fensterrahmen und nebligen Glas. Er wollte hindurch sehen, aber das Glas gewährte ihm den Blick nicht. Er nahm kurz das Medaillon in seine Hand und wunderte sich, dass es nur noch in grünen Farben leuchtete. Das musste heißen, ein grüner Splitter befand sich in unmittelbarer Nähe. Gut, dachte Link und durchkämmte weitere Räume. Immer seltsamer erschien dem jungen Helden das Häuschen, denn die Räume, in welchen er allerlei Gegenstände fand, gaben ihm schwer zu denken. Ein riesiger Webstuhl, eine vollausgestattete Holzwerkstatt in einem weiteren Raum, sogar allerlei Gegenstände eines Schmiedes. Was hatte es nur mit diesem eigentümlichen Haus auf sich? Es dauerte nicht lange und Link war in einigen weiteren Räumen herumgeschlichen, doch allmählich ging in seinem Kopf alles drunter und drüber. Denn das ursprünglich kleine Haus entwickelte sich mehr und mehr zu einem verworrenen Labyrinth und schien mit jeder Minute größer zu werden, zu wachsen... Link war auf dem Rückweg, aber einige Räume von vorhin fand er einfach nicht mehr. Wo war jetzt die Holzwerkstatt? Und wo war die Folterkammer? Er rannte schneller durch die Räume, wurde ungeduldiger und fand nur noch leere Räume ohne Sinn... Inzwischen wandelte Link in einem weiteren Korridor entlang, der wiederum kein Fenster besaß und nur das stumme Licht seiner Öllampe gab ihm einen Funken Helligkeit. Leicht verärgert über diesen dummen Umstand bemerkte der Kämpfer nicht die gefährlichen Sicherheitsvorkehrungen in jenem verräterischen Haus, einem Haus, welcher lebte und nur auf verzweifelte Seelen wartete... Ein merkwürdiges Gefühl beschlich Link. Er fühlte Gefahr, verstand aber deren Ursprung nicht. Gefahr hatte viele Gesichter und noch mehr Wurzeln, das wusste die alte Seele in Links jugendlichem Körper. Abrupt blieb der junge Mann stehen und blickte wachen Auges durch die Dunkelheit. Er konnte in dem Gang einfach kein Ende ausmachen. Wohin führte dieser Weg? Tief einatmend lief Link weiter, hoffend, er würde sich nicht noch mehr in das Labyrinth verstricken. Außerhalb des Hauses fragte sich Zelda langsam, wo Link blieb. Das konnte doch nicht so lange dauern. Immerhin war er jetzt schon fast eine ganze Stunde in dem Haus. Missmutig stand sie auf und schaute durch ein weiteres Fenster, konnte dahinter jedoch nur einen düstergrauen Ort ausmachen. Ihr Blick fiel dann zu dem sauberen Marktplatz und einige Erinnerungen kamen zurück in ihr Gedächtnis. Sie sah sich selbst auf einem Marktplatz herumspringen. Kinderlachen schallte durch die Luft. Damals, ja damals, dachte sie. Es gab einmal eine Zeit, in der Zelda Kind war. Ein Kind mit Sorgen und doch fröhlich, ausgelassen, wie ein Kind eben sein sollte. Sie erinnerte sich an einen Tag, an dem sie mit ihrem besten Freund Link auf dem Marktplatz spielte. Es war eine schöne Zeit gewesen, eine unbeschwerte Zeit, die viel Lachen und Freude mit sich brachte- damals, als die langen sieben Jahre von vorne begannen, als Link noch nicht zu neuen Abenteuern aufgebrochen war. Und im nächsten Augenblick kam das schreckliche Erwachen aus diesen Tagen- denn manchmal fühlte die kindliche Zelda das, was die andere erwachsenere Zelda, die sieben Jahre älter war als sie, vermisste. Sie fühlte das erkaltete Herz einer anderen Persönlichkeit, die sie doch selbst war... Link lief sorgsam in jenem schmalen Gang entlang und spürte Ungewissheit in sich aufkeimen. Der Gang wurde immer enger, bis Link lediglich seitwärts nach vorne laufen konnte. Er fühlte sich eingezwängt, verspürte den Hauch von Platzangst. Er kniff ein Auge zu und bewegte sich weiter. Das Medaillon glühte stärker als vorher und nun wieder abwechselnd in grün und blau. Wäre doch gelacht, wenn er keinen Weg aus diesem Tunnel finden würde. Inzwischen allerdings waren die Wände so nah beieinander, dass er fast nicht mehr durch den schmalen Spalt passte. Was nun? Etwa zurücklaufen? Frustriert schlug Link einmal mit der Faust an die Wand und hörte daraufhin ein sehr merkwürdiges Grollen, Schieben oder Ziehen. Link spitzte seine Ohren und ging einige Schritt rückwärts. Link ließ seine Öllampe fallen, als er hinter sich plötzlich einen harten Wiederstand spürte. Sackgasse. Endstation. Er drehte sich um und sah nichts anderes als eine Wand, die sich langsam in seine Richtung bewegte. Eingekesselt in zwei Wände, die heimtückisch zueinander standen und sich mit tödlicher Geduld auf ihr auserkorenes Opfer zu bewegten. Der Schweiß lief Link über die Stirn und fast hilflos hämmerte er gegen die steinharten Wände, rief etwas in die Dunkelheit, das niemand hören sollte. Zelda ließ sich nachdenklich ein weiteres Mal auf den Boden sinken, legte ihren Umhang als Decke über ihren Körper und ließ ihren Kopf auf ihre zu sich herangezogenen Knie sinken. Es gab so viele Dinge, die sie Link noch mitteilen wollte- Dinge über die Vergangenheit und besonders ihr eigenes Wissen über das Medaillon der Mächtigen- wenn sie doch nur die Träume von damals noch erinnern könnte. Vielleicht hegten sie Antworten bezüglich jenem Gegenstand. Aber bei all den Dingen, die Zelda im Hier und Jetzt erinnern konnte, blieben ihr die alten Träume doch untersagt. Sehnsüchtig schaute sie zu der morschen Holztür an jenem geheimnisvollen Häuschen und hoffte, Link würde mit einem Mal die Tür öffnen, sie anlächeln und freudig in seine Arme schließen. Eine weitere Sache gab es, die sie ihm unbedingt sagen musste, aber diese Sache selbst löste Angst in ihr aus. Jene Sache brachte sie einfach nicht über die Lippen. Wenige Worte und doch unheimlich gewichtig... Link sah keinen Ausweg mehr. Soll dieses schändliche Ende dem Helden der Zeit würdig sein? Hastig blickte er in jenem schmalen Ritz um sich, fand nichts in den Wänden: Keine Hebel, Schalter oder einen Fluchtweg. Link trat wütend auf dem Boden herum, der aus festem Gestein bestand und fluchte bei dem Gedanken, ein derartiges Ende finden zumüssen... Nein, sagte er zu sich selbst und schaute in dem Augenblick nach oben. Eine Möglichkeit gab es vielleicht doch noch. Weit oben herrschte ebenso nur pure Dunkelheit, aber vielleicht waren die Wände nicht so hoch wie die Decke des Korridors... Mühsam begann Link zu klettern, stieß sich kraftvoll mit den Beinen ab und kletterte immer weiter, spürte, wie sich der enge Raum zwischen den Wänden immer weiter verkleinerte, aber kletterte um sein Leben. Mit einem überdrehten Lachen entdeckte Link seine Rettung und kletterte über die lebendigen Wände drüber, die glücklicherweise einen kleinen Abstand zu der Zimmerdecke hatten. Fluchend, aber erleichtert rutschte der junge Held auf der anderen Seite der Wand herab und landete auf einem mit Holzbrettern ausgekleideten Boden. Schwein gehabt, sagte er zu sich selbst und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ein solches Ende wäre dem einstigen Helden der Zeit und dessen Reinkarnation sicherlich nicht würdig. Über die Maßen erlöst trank er einen Schluck Wasser aus seiner Flasche und gönnte sich eine kurze Verschnaufpause. Zelda machte sich inzwischen aufrichtige Sorgen um ihren Helden, schwelgte in einigen nervtötenden Grübeleien der ganzen Situation. Sie spielte viele Dinge noch einmal durch. Ihr Aufwachen in dem Hause der Braverys, ihrer glücklichen Tage mit Link, dem Traum, als Link sich weit weg in Irland befand. Ja, sie erinnerte jenen Traum. Aber bisher hatte sie nicht den Mut gefunden, mit ihm darüber zureden. Gab es denn überhaupt etwas zu sagen, was mit jenem Traum zu tun hatte? Link ging, nun eine Spur vorsichtiger als vorhin durch den Gang und bereute den Entschluss Zelda nicht mitgenommen zu haben immer weniger. In ihrem Zustand konnte er sie der Gefahr in diesem kleinen Labyrinth nicht aussetzen. Der Anflug eines Lächelns huschte ihm über das Gesicht, als er an sie dachte. Es wurde endlich Zeit, dass etwas zwischen ihnen passierte, dachte und hoffte Link. Etwas... nur irgendetwas... eine Kleinigkeit... mehr wünschte sich Link doch nicht. In stillen Gedanken lief er weiter und wurde vielleicht unaufmerksam. Er folgte seinem Weg über weitere Holzbretter, die ein knorriges Geräusch von sich gaben, wenn jemand wie Link mit seinen Stiefeln darüber trat. Noch ein Schritt und noch ein Schritt und eines der langen Holzbretter gab nach. Link hörte das Auseinanderreißen des Holzes, versuchte sich zu winden, wollte sich mit all seiner Kraft auf ein weiteres, festeres Brett werfen, aber verlor kläglich den Halt und fiel in unendlich- scheinende Dunkelheit. Mit einem lauten Schrei landete Link in einem Heuhaufen in der schweren, erdrückenden Dunkelheit eines Kellers. Kopfschüttelnd stand er auf, wischte sich das Stroh und Heu von seiner grünen Tunika, wuselte verärgert in seinem goldblondem Haar herum und fragte sich langsam, in wie viele Fettnäpfchen er heute wohl noch treten würde... In dem Augenblick fiel ihm auf, dass er das Medaillon der Mächtigen nicht mehr um seinen Hals trug. Na wunderbar. Mit einem lauten Seufzen wühlte Link in dem Heuhaufen herum und wurde immer wütender, weil dieser verdammte Tag nichts als Ärger und Pannen mit sich brachte. „Donnerwetter hoch dreizehn!“, fauchte der sonst so kühle, anständige Held mit Namen Link. Wozu er sich vorhin nur die Mühe gemachte hatte, das Heu von seinem Erscheinungsbild zu entfernen? Jetzt sah er noch besser aus als vorhin- noch mehr Heu klebte an ihm, hing verschönernd in seinem ansehnlichen Gesicht, gab seinem blonden Schopf eine neue Farbe und zusätzlich war das Zeugs auf unergründlichem Wege in seine schokoladenbraunen Stiefel gelangt. Dummheit wird bestraft fiel ihm ein und gleichzeitig fragte er sich, ob er denn so dämlich wäre, dass dieses sagenhafte Pech auf ihn niederfiel. Aber nein, sagte Link zu sich selbst, du bist schließlich ein Held, und Helden machen sich gerne die Finger schmutzig, nicht wahr? Link ließ sich ausgebreitet auf das Heu fallen und spürte plötzlich ein übles Pieksen in seinem Rücken. Hatte er etwa die sagenumwobenen Nadel im Heuhaufen gefunden, oder war dies die nächste Strafe dieses Tages, der ihm spätestens am Abend den Rest geben wollte? Und dieser Abend würde so einige Überraschungen für ihn bereithalten... Link tastete in dem Heu herum und spürte tatsächlich etwas sehr spitzes, kleines darin. Er entzündete das Licht seiner Öllampe ein weiteres Mal und leuchtete umher. Dann allerdings rückte ein hinterhältiges Grinsen in sein Gesicht. Bis an den Hinterkopf stießen seine Mundwinkel, als er eins und eins zusammenzählte und dem Heu, welches in vorhin so barbarisch an den Klamotten hing, eine lehrreiche Lektion verpassen wollte. Feuer und Heu ergaben eine wunderbare Mischung, so Links ausgeflippter Möchtegernverstand. Das Grinsen in seinem Gesicht wurde breiter. Auf diese Art und Weise ließ sich die Nadel im Heuhaufen doch schneller finden, oder nicht? Frech und andererseits sehr raffiniert, steckte Link den Haufen Stroh einfach in Brand. Ein schönes Feuerchen bildete sich und in wenigen Minuten war das gesamte Heu heruntergebrannt. Zwei Dinge blieben übrig: Das unversehrte Medaillon der Mächtigen, das nicht aus Gold bestand, aber so aussah als ob und ein kleiner, sehr schmaler blauer Splitter von jenem Gestein, welches sich bereits in Zeldas Besitz befand. Link nahm sich den Splitter und blickte hinein, konzentrierte sich darauf Zelda zu sehen und sah sie zu der Tür des Häuschens schauen. Ein Glück, dachte Link, es ging ihr gut. Der junge Kerl, welcher manchmal eher den Namen unreifer Kasper verdient hätte, sah sich dann ausschweifend in dem Keller um, entdeckte Unmengen von Türen, Gittern und kindsgroßen Löchern in den Wänden. Schon wieder so viele Wege, murrte Link in seinen Gedanken. Aber jammern konnte er auch noch, wenn er Zelda die verhexten Zustände in dem Haus mitteilte. Oh ja, vielleicht brachte es etwas, Zelda um ein wenig... Trost zu bitten. Himmel Link, bist du doch heute schwachsinnig, sagte er zu sich selbst und kam sich immer zerstreuter vor, als wäre er mit seinen Gedanken nicht dort, wo er sein sollte. Und er wusste genau, wo seine gesamten Hirnzellen im Augenblick hinschwebten... Er gab sich einen leichten Klaps auf seinen Hinterkopf und versuchte sein verliebtes Gemüt unter Kontrolle zu bringen. Wachsam nahm Link seine Lampe in die rechte Hand und das Schwert in die linke, tapste hinein in eine weitere Dunkelheit. In dem Moment, als ob Zelda seine Stimme gehört hatte, nahm sie ebenfalls einen blauen Splitter des merkwürdigen Gesteines in die Hand und konzentrierte sich auf Link und ihre Gefühle für ihn, auf das sie ihn sehen konnte. Und sie sah ihn, schweigsam, aber tapfer befand er sich in einem Keller und klapperte dort einige Räume ab. Hoffentlich fand er den Ausgang wieder, dachte Zelda und beobachtete ihn weiterhin, grinste ein wenig bei dem Gedanken, dass er möglicherweise gar nicht wusste, auf welche heimtückische Art und Weise seine Prinzessin ihm zu sah. Nach einer Weile brach sie die Stille und versuchte mit ihm Kontakt aufzunehmen. ,Link, kannst du mich hören?’ Erschrocken blieb jener stehen und starrte ins Nichts. Dann setzte sein gesunder Menschenverstand wieder ein und er erkannte das leise Säuseln als Zeldas liebliche Stimme. „Zelda?“, sagte er laut, und besann sich auf das blaue Steinchen. Aha, dachte er, jetzt, da sowohl er als auch sie einen solchen Edelstein besaßen, könnten sie vielleicht über größere Entfernungen hinweg miteinander kommunizieren? Er kramte den Splitter hervor und sprach zu ihr: ,Hey, ist dort draußen alles in Ordnung, Zelda?’ ,Es geht mir gut. Aber wo bleibst du denn solange?’ ,Nun’, murmelte er und machte eine kleine Pause, als er eine schwere Tür zur Seite schob. ,Ich glaube, dieses Haus macht mir das Suchen der Steine schwerer als ich dachte.’ ,Was? Willst du damit andeuten, in dem Haus spukt es?’ ,Nicht unbedingt, aber es ist innen wesentlich größer als von außen vermutet. Ich beeile mich, okay?’ ,Mmh, bis gleich, Link.’, waren ihre letzten Worte, bevor sie den Kontakt abbrach. Link suchte weiter und so wurde aus der einen Stunde in dem Haus ungewollt zwei. Der Nachmittag war angebrochen und eigentlich wollten die beiden Auserwählten zu dem Zeitpunkt schon das Gebirge im Norden erreicht haben, um über Pfade und über die gefährlichen Stromschnellen hinweg den Eingang zu Zoras Reich wieder zu finden (Ich habe eine sehr, sehr von Okarina of Time abweichende Vorstellung über die Flüsse, Wasserfälle, das Gebirge und die Schluchten in Zoras Reich, wie auch von anderen Orten Hyrules, bitte nicht wundern...). Doch das Schicksal hatte erneut andere Pläne und so war Link inzwischen der blöde andere Stein in diesem Haus egal, Hauptsache er könnte nur endlich das Tageslicht wiedersehen... Murrend und mit blankliegenden Nerven ging er voran und erreichte ein Gewölbe mit alten Pfeilern, die nicht nur alt, sondern auch einsturzgefährdet aussahen. Es war still hier unten, so leise, wie in den Hallen der Weisen im Tempel des Lichts. Als Link sich vorwärts bewegte, erkannte er auch, warum nicht einmal das Klappern seiner Stiefel zu hören war. Er lief nicht auf Gesteinsboden, sondern auf einfacher Erde. Er kniete kurz nieder und vergewisserte sich, dass jenes falsche Haus hier aufhörte. Link nahm einige Erdkrümel zwischen Zeige- und Mittelfinger und zerrieb das Material darin. Tatsächlich Erde. Erneut glühte des Medaillon um seinen Hals, schillerte grünlich und gab ein fast unerträgliches, gleißendes Leuchten von sich. Noch ehe der Held reagieren konnte, wurde er einige Meter weiter in dem Raum teleportiert. Krachend landete er an einer der vielen Säulen und spürte einen gemeinen Schmerz in seinem Rücken. „Na prima...“, entkam seinem verärgerten Mund und prüfend lief er mit dem Medaillon in dem Gewölbe umher, hörte ab und an ein quietschendes, bröselndes Geräusch, welches er aber wieder ignorierte. Es gab im Moment wichtigeres als kleine, dumme Geräusche, die einen auf den Geist gehen konnten. Und einige weitere Male wurde Link unfreiwillig durch andere Pforten getragen. Man könnte es auch als ein durch die Luftschleudern bezeichnen, denn anders fühlte sich Teleportieren für Link im Moment nicht an. Mit seinem Vermögen schwere Hürden zu bestehen, machte der junge Kerl die Stelle ausfindig, an welcher sich das Stückchen Stein befinden musste. In der Erde vermutlich, dachte Link und buddelte mit seinen Händen in dem kalten Erdreich herum, fühlte sich wie ein Maulwurf bei der Arbeit und doch leicht überfordert. Das machte einfach keinen Spaß mehr, sträubte sich sein junges Herz dagegen. Unerwartet und Link aus seiner archäologischen Arbeit reißend, fiel ein Stückchen zerbröseltes Gestein auf seinen Schädel. Überrascht und mit einem unguten Gefühl blickte er nach oben und sah, wie sich an der Decke gefährliche, kleine Risse bildeten. Link sah nur erstarrt zu, sah, wie die kleinen Risse wuchsen, bis sie in die Nähe der Säulen trafen und auch dort Brüche zum Vorschein kamen, die davor noch nicht waren. „Das Haus hat was gegen mich.“, fluchte der Hylianer und grub schnell und hastig in der Erde herum, hoffend, er würde das Steinchen schnell finden und dann den erstbesten Weg nach oben nehmen. Und wirklich. Das grüne Steinchen tauchte auf. Schnell ließ Link es in seiner Gürteltasche verschwinden, verblüfft, dass es ihn nicht wieder in die andere Ecke des Raumes beförderte, nahm das Medaillon wieder um seinen Hals und sah aufgeregt nach oben. Größere Risse bildeten sich in dem Gestein und alles bebte. Kleine und große Gesteinsbrocken fielen herab... Jetzt war es vielleicht schon zu spät für Link, die Kurve zu kratzen... Er kniff seine Augen zusammen und wartete auf die ersten Gesteinsbrocken, die ihn trafen... Kapitel 80: Fordere das Böse nicht heraus... -------------------------------------------- Kapitel 63: Fordere das Böse nicht heraus... Aber es gab keine Gesteinsbrocken, die auf ihn herabsegelten. Verdutzt öffnete er seine Augen und fand sich mitten auf der gepflasterten Straße, dort wo das farbenfrohe, lustige Haus noch vor wenigen Sekunden stand. Zelda kam lächelnd auf ihn zu gelaufen und reichte ihm eine Hand. „Hey, was ist denn geschehen, Link? Das Haus war plötzlich weg.“ „Das Haus war plötzlich weg?“, wiederholte Link und sah mehr als ungläubig um sich. Konnte es sein, dass dieses verhexte Gebäudchen tatsächlich nur mit ihm gespielt hatte und nun, da er die Steine fand, es ihm irgendwie gnädig gestimmt war? „Keine Ahnung.“, meinte Link, nahm grinsend Zeldas warme Hand und ließ sich aufhelfen. „Aber ich habe die beiden Steine gefunden, die sich hier befanden.“ „Schön, dann können wir ja weiter. Es wird Zeit, dass wie aufbrechen.“ Link nickte und lief wieder zu dem Brunnen, schaute mit wachem Blick hinunter in die Stille und grübelte nach, wie sie beide wohl aus der verhexten Stadt verschwinden sollten. Dann jedoch hatte Zelda eine mehr oder weniger gute Idee. „Da fällt mir etwas ein“, fing seine Prinzessin an. „Diese Stadt müsste eigentlich ein weitverzweigtes Kanalisationssystem haben. Vielleicht könnten wir über den Untergrund einen Weg hinausfinden. Und so weit ich weiß, führt dieser ausgetrocknete Brunnen in den Untergrund dieser Stadt.“ Und Zelda schaute an der rutschigen Leiter in das Brunneninnere hinab. „Die Idee klingt gut, ich hoffe nur, dort unten gibt es keine Monster oder ähnliches.“, erwiderte Link nachdenklich und prüfte mit einer Hand das Holz der Leiter, die nach unten führte. „Allerdings“, fügte er hinzu und blickte sie eindringlich an, „frage ich mich, ob dort unten tatsächlich ein Ausgang sein wird.“ Zelda zuckte mit den Schultern. „Aber einen Versuch ist es wert“, murmelte sie. Link kletterte vorsichtig die Leiter hinunter und kam wohlbehütet am Grund des Brunnens zum Stehen. Er winkte Zelda zu, die sofort folgte und fast schleppend die Leiter hinabtaumelte. Wunderbar lächelnd umklammerte der junge Held die Taille seiner Prinzessin, um ihr auf sicheren Boden zu verhelfen. Sie hauchte ein schüchternes „Danke“, vor sich hin und kam mit einem lauten Seufzer neben Link an. Er hielt sie immer noch fest und blickte nach den richtigen Worten suchend neben Zeldas rechtem Hylianerohr vorbei. „Zelda... ich... du...“ Sein Griff wurde strenger und nur ein Schritt trennte ihn von ihr in der tiefen, unterirdischen Dunkelheit. Im Hintergrund plätscherte es feine Wassertropfen von der rauen Decke herab. Es zerstörte mit einem Blubb die trügerische Ruhe in dem verzweigten Kanalisationssystem. „... es ist...“ Und Link schüttelte genervt von seiner Feigheit den Kopf. Der verdammten Feigheit ihr zu sagen, was der tiefe Grund war, sie zu beschützen, bei ihr zu bleiben, ihr zu vertrauen, wie schwierig und hürdenreich ihr weiterer Weg auch sein würde... Zelda aber blickte nur irritiert drein, ließ ihren hübschen Schädel auf eine Schulter nieder. „Was ist Link?“ Rasch lösten sich seine Hände von ihr und er wand ihr den Rücken entgegen. „Schon gut...“, sagte er trübsinnig und lauschte wieder den hallenden Geräuschen in der Tiefe. Ein mulmiger, nach Verwesung riechender Gestank stieg den beiden in die Nase. Trotzdem liefen sie weiter und suchten ihren Weg in der zunehmenden Dunkelheit. Wie Zelda diese Finsternis doch verabscheute! Sie klammerte ihre Finger fest in Links Hand hinein und schlich nah neben ihrem Helden durch den Untergrund. Das Licht der Öllampe war nur verschwindend hilfreich, sodass die blonde Hylianerin kurz überlegte, ihre magischen Kräfte spielen zulassen, um die Gänge zu erleuchten. Im nächsten Augenblick dachte sie aber ungewollt an ihre Verletzung und entschied sich dagegen. Suchend wandelten die beiden in der Kanalisation herum, wurden hin und wieder von Fledermäusen belästigt, spürten kleine harmlose Schlangen an ihren Füßen vorbeizischen und stapften durch kalte Pfützen. „Es gibt so einige Dinge, die ich dir noch erzählen wollte, Link, weil sie wichtig sind.“, erklang Zeldas glockenhelle Stimme in der Tiefe und hallte in den Gängen umher. „Mmh?“ „Es geht um das Medaillon.“ „Du redest von seinen mysteriösen Kräften?“, fragte Link und bog an der nächsten Kreuzung rechts ab, da ein milder, frischer Luftzug von dort herrührte. „Früher... in Hyrule... da hatte ich häufig Träume, die sich um das Medaillon rankten. Aber dummerweise erinnere ich mich nicht an diese.“ „Das ist ärgerlich.“ „Ja, vor allem, weil ich mich sonst an jeden von meinen Träumen erinnern kann. An jeden!“, betonte sie. Und das war wirklich so. Prinzessin Zeldas bedeutsame Fähigkeit, die nahe Zukunft zu ahnen, der Stimme der Göttin der Träume zu lauschen, wann immer sie zu ihr sprach. Und die einstige Königstochter erinnerte sich tatsächlich an all ihre Träume, egal ob sie guten oder bösen Ursprungs sein sollten. (Beneidet werden sollte derjenige, der seine Träume nicht erinnert...) „Soso“, meinte Link und wusste nicht, worauf Zelda damit hinauswollte. „Damals habe ich in Büchern der Schlossbibliothek stundenlang nach Hinweisen gesucht. In einem stand einmal, das Medaillon wäre eine Art Urne zur Aufbewahrung böser Energien. Aber das kann auch ein Gerücht sein.“ „Das wäre witzlos, Zelda. Denn Ganondorf würde sicherlich auch aus diesem Gefäß einen Ausweg finden. Ich habe mir von dem Medaillon eigentlich mehr erhofft.“ „Ich auch“, nickte sie bestätigend. „Wenn jene Fähigkeit, böse Seelen einzusperren, alles gewesen ist, was diese Uhr kann, hätte wir uns damals das Recherchieren sparen können.“ Link schmunzelte leicht und hielt die Lampe langgestreckt von sich, für eine bessere Sicht in das Dunkel. „Was ist damals eigentlich genau geschehen, Zelda. Wie kam Ganon frei? Ich dachte, er wäre im Reich der Hölle eingesperrt gewesen...“ „Die Schattengötter waren daran beteiligt. Sie haben mich in einer Nacht heimgesucht, in welcher ich, wegen meinem weitsichtigen Vater“, murrte sie ironisch, „mein Fragment ablegen musste. Sie wussten von dem alten Geheimnis im Blut der Königsfamilie, welches besagte, dass sich darin Magie verbirgt. Sie wollten wohl damit das Siegel öffnen.“ „Heißt das, es hat nicht funktioniert?“ Sie schüttelte mit dem Kopf und blickte zu einem Rinnsaal mit dunklem Wasser, welches sich hier ansammelte. „Sie haben mich zwar angegriffen, aber mein Blut hat nicht gereicht, um das Böse vollständig zu befreien. Allerdings frage ich mich, ob Ganon vielleicht vergessen hat, dass die Weisen an der Schaffung des Siegels beteiligt waren. Weil er sich nicht einen Deut um die Weisen scherte. Das Ziel seiner Rache waren immer nur wir beide.“ Sie gelangten an eine weitere Kreuzung, wo die Entscheidung leider nicht so einfach war, den richtigen Weg zu finden. Sie nahmen die goldene Mitte. Ab und an erklangen morbide Laute von altem Ungeziefer, welches in der Unterwelt zu leben gelernt hatte. Manchmal klirrte etwas und schuf sich seinen Weg zu den beiden Hylianern, die lieber nicht so genau wissen wollten, was jene Geräusche zu bedeuten hatten. „Als sie dich angegriffen haben, Zelda... ich meine, sie haben dich doch nicht ernsthaft verletzt, oder?“, murmelte Link und zerstörte die unangenehme Stille hier unten. „Nein“, sagte sie knapp. „Aber... ein wenig später, da...“ Und Zelda suchte nach den richtigen Worten, um Link nicht zu schocken, oder zu verletzten. „Ganons Schatten bedrohte mich einige Tage später...“, endete sie schwach. Es war ein sehr grausamer Tag für Zelda gewesen, als jener Schatten von einem der angesehenen Adelsmänner Besitz ergriff und sie bedrohte. Etwas war damals geschehen, was die innere Kälte in Zeldas Herzen möglicherweise noch verstärkt hatte. Sie lächelte ihren Helden zaghaft an, in dem kurzen Moment der Gewissheit, dass Link diese innere Schutzmauer langsam zum Einstürzen brachte. „Möchtest du es mir erzählen, wenn nicht, ich verstehe das“, sagte er und wich dann ihrem Blick aus. „Danke“, hauchten ihre roten Lippen. Und sie entschied sich für das Schweigen, um Links Willen. Vielleicht verletzte ihn das, was sie noch zu erzählen hatte nur... In dem Augenblick begann Zelda herzhaft zu gähnen. Allmählich wurde sie müde, allmählich schwanden ihre Kräfte. „Wir haben es sicherlich bald geschafft, Zeldaschatz.“, sagte Link und drückte ihre Hand ein wenig fester. Tief einatmend blieb Zelda kurz stehen und rieb sich über ihre Stirn. „Bist du müde?“ „Ja, ich hätte jetzt gerne ein großes, gemütliches Bett...“, gab sie zu. „Und ich würde dieses gerne mit dir teilen“, sagte er unverfroren, wusste, dass Zelda diesen Satz genauso spaßhaft auffassen würde, wie Link ihn gemeint hatte. Er grinste sie hämisch an. Aber sie gab nur ein ausgelassenes Schnaufen von sich und stapfte weiter. Schade, dachte Link, gerade jetzt hatte er gehofft, Zelda würde auf seine Provokationen anspringen, sich wie eine wütende Klapperschlange wehren und ihn beißen. Langsam verloren sich seine Gedanken wieder... Sie tapsten voran, erschraken leicht bei dem Auffinden von etwa zwanzig Hylianerskeletten, die teilweise in den pechschwarzen Pfützen lagen. Link kniete nieder und sah Sperre, Pfeile, durch die jene Leute gestorben sein mussten. Einige hatten zertrümmerte Schädel, andere wiesen überhaupt keine Verletzungen auf. Aber eines hatten diese toten Hylianer alle gemeinsam. Sie alle besaßen mehr oder weniger zerfetzte Ritterrüstungen, trugen verrostete Helme und Schwerter sowie Schilde, die neben den Toten ausgebreitet auf dem Boden lagen. „Was diese Leute hier unten nur wollten?“, sagte Link in seine Gedanken versunken. „Ich würde meinen, wir verweilen hier nicht länger“, entgegnete Zelda und legte eine Hand auf Links Schulter. „Ja, du hast Recht. Vielleicht haben sie hier unten gegen irgendetwas gekämpft, Zelda.“ Sie nickte: „Gewiss.“ Und auch Link überkam jetzt ein mulmiges Gefühl. Er lief jetzt ein wenig schneller und blickte häufiger zurück als vorhin. Und jeder Schritt schallte durch die Dunkelheit, jeder Schritt hinterließ verräterische Geräusche. Plötzlich spürte Link ein paar Augen in seinem Nacken. Er packte Zelda fest an ihrer Hand und wirbelte sie stürmisch herum, sodass sie an der Wand lehnte und er direkt vor ihr stand. „Link? Was ist denn?“, wisperte sie. „Irgendetwas lauert hier.“ Dann zog er sein Schwert aus der Schwertscheide und prüfte sorgsam die Dunkelheit der Gänge. Dann hörte auch Zelda etwas klappern. Ein Tapsen, ein schlürfendes Klingen… „Lauf weiter, Zelda und warte nicht auf mich.“, sagte Link und schob sie ein Stück vorwärts. Sie schüttelte mit dem Kopf, aber auf dieses Spielchen ließ sich der Held jetzt nicht ein. Er schämte sich dafür, sie anschreien zumüssen, aber es ging nicht anders. „Ich sagte, du läufst jetzt weiter. Keine Widerrede!“, fauchte Link. „Mach schon.“ Und er schob Zelda weiter. Sie nickte, wissend, dass er diesen Kampf alleine durchstehen wollte. „Ich warte trotzdem auf dich.“, hauchte sie schwach und bewegte ihre schlappen Beine so schnell sie konnte vorwärts. Link blickte ihr hinterher, bis er das Licht ihrer Öllampe nicht mehr sah. In dem Moment bröckelten einige Steinchen in dem Keller der Villa von Impa an den Wänden herab. Wilde, starke Schläge gegen die dunkle Stahltür waren zu hören. Allmählich mussten die Weisen sich etwas einfallen lassen, um nicht von den Kreaturen außerhalb gefangen zuwerden. Sian trat langsam an die große, schwere Tür heran und horchte mit seinen Ohren, lauschte dem Schlürfen und Kratzen der Monster... Seine roten Augen weiteten sich plötzlich, als sich eine Hand von hinten auf seine Schulter legte. Sara stand mit ihrem frechen Grinsen direkt hinter ihm und kicherte. „Bei den Göttern, hast du mich erschreckt, Sara.“ „Das war ja auch meine Absicht“, meinte sie unverfroren und legte ein Ohrläppchen an die kalte Stahltür. „Wann werden wir eingreifen müssen?“ „In den nächsten Minuten ist die Wand gebrochen.“ „Gut, ich wecke die anderen. Stell’ dir mal vor, Impa schläft endlich mal ne Runde. Die ist ja schon wieder seit drei Tagen auf den Beinen.“ Sian grinste. „Tja, was soll’ man machen, Shiekahblut bleibt Shiekahblut, nicht wahr?“ „Sieht so aus“, lachte Sara und hüpfte in dem dunklen Gang davon. Sie wusste, wovon sie redete, denn auch Sian hatte schon mehr als fünfzig Stunden die Augen offen... Frohen Herzens trat Link aus einem kleinen Ausgang hervor, der versteckt zwischen zwei Bäumen lag und mit viel Moos und hohem Gras bewachsen war. Er hatte gegen fünf Kreaturen in der Dunkelheit kämpfen müssen, die jedoch über mangelnde Schwerttechnik, keine Verteidigungsmöglichkeiten oder ein wenig Gehirnschmalz verfügten und somit einfach zu besiegen waren. Es schien der erste Kampf seit langem zu sein, von dem er keine Verletzungen von sich trug. Lächelnd entdeckte er Zelda neben dem schwarzen Hengst stehend. Nanu, wie kam der denn schon wieder hierher? Sie striegelte liebevoll dessen Hals und flüsterte etwas vor sich hin. Namenlos war der erste, der Link bemerkte und ein freudiges Wiehern von sich gab. In dem Moment drehte sich Zelda zu ihm, fühlte mehr als nur Erleichterung und tiefe Freude, dass ihr Heroe direkt vor ihr stand und nicht einen zusätzlichen Kratzer hatte. Sie lief lächelnd auf ihn zu und suchte seine Umarmung. „Du glaubst nicht, welche Angst ich um dich hatte“, murmelte sie in seine Schulter. „Warum? So langsam müsstest du doch wissen, dass ich dich nicht alleine durch Hyrule wandern lasse…“ „Ja, so langsam müsste ich wissen, wie gut deine Schwertkunst geworden ist.“ Er gab ein amüsiertes Lachen von sich. „Wirklich? Denkst du ich bin besser geworden. Das…“ „… gibt dir Mut, nicht wahr?“ „Mmh…“, entgegnete er und gab ihr einen verträumten Kuss auf die zarte Haut ihrer Stirn. „Was genau ist eigentlich passiert?“ „Da waren einige Kreaturen. Ich weiß nicht genau, wie sie aussahen. Ist jetzt auch nicht mehr wichtig…“ „Richtig, nicht mehr wichtig.“ Link half seiner leicht kränkelnden Begleiterin auf den schwarzen Hengst und setzte sich mit einem Sprung hinter sie. Zelda lehnte sich entspannend an ihn und schloss einen Moment ihre sanftmütigen und doch entschlossenen Augen. Als Link dann noch ungemein vorsichtig seine beschützenden Arme um ihren schmalen Bauch legte, um die ledernen Zügel zu ergreifen, fühlte sich Zelda erst Recht wohlbehütet und so gut wie schon lange nicht mehr. Sie genoss wie noch nie zuvor seine Nähe und murmelte irgendetwas vor sich hin, dass der junge Mann glücklicherweise nicht verstanden hatte. „Wohin soll es jetzt eigentlich gehen, Zelda?“ Link riss sie aus ihrer wunderbaren Trance. Wie blöd, dachte Zelda und ärgerte sich, dass sie ihre allmählich zu ihr dringenden romantischen Träume in der Minute nicht festgehalten hatte. Mit einem Seufzen sagte sie: „Hol’ doch mal bitte die Karte hervor.“ Und Link wühlte in der kleinen hellbraunen Ledertasche an seinem Gürtel herum, bis er die abgenutzte Karte des hylianischen Königreiches in der Hand hatte. Er hielt Zelda die Karte vor den Kopf, sodass sie auf ihren nächsten Bestimmungsort deuten konnte. „Auf zu Zoras Reich…“, sagte sie. „Es ist Frühling und um diese Jahreszeit haben wir dort noch halben Winter. Ich glaube, wir brauchen dicke Kleidung, mein Held.“ „Gut. Wozu noch warten?“ Link gab dem Pferd die Sporen und geschwind ritten sie über die weite hylianische Steppe, die in goldenen Farben erstrahlte, als der Abend anbrach und alsbald endete, dort, wo ein verwinkeltes Gebirge mit vielen Quellen, Flüssen und anderen gefährlichen Strömungen begann… Kurz nach Mitternacht entdeckte ein in einer pelzigen Decke eingewickelter Link inmitten einer verschneiten Landschaft erste Hinweisschilder, die einen Weg zu Zoras Reich beschrieben. Es war eisig und schon so dunkel, dass Link nicht viel von der Umgebung sehen konnte. Hohe, mit Schnee bedeckte Bäume lagen auf seinem Weg, eine morsch- aussehende Brücke, die Link aber trotzdem passierte, vorbei an einer verlassenen Hütte, auf welcher das Dach fehlte. Und ein schlimmer Schneesturm wehte ihm ununterbrochen kleine, beißende Schneebälle in das Gesicht. Zelda schlief bereits in seiner Umarmung, ließ sich durch die zunehmende Kälte nicht aufwecken und gab ab und an ein Geräusch von sich, das an ein schnarchendes Feengeschöpf erinnerte. Wenig später fand Link zwischen dem Schneegestöber den Eingang zu einer kleinen Höhle eines hohen Felsen, der ihnen beiden Schutz gewähren konnte. Die Öffnung schien so groß, dass Namenlos gerade so hineinpasste und doch wehte der Wind den Schnee nicht in das Innere der Höhle. „Ein Glück…“, murmelte der blonde, ansehnliche Hylianer und dachte kurz daran, was er getan hätte, wenn sie die Nacht im Freien hätten verbringen müssen… ein fröstelnder Gedanke, noch kälter als sich Link bereits schon fühlte… Er trug Zelda, die auch in einer dicken Decke eingewickelt war, ein Stückchen weiter in das Höhleninnere und lehnte sie sachte mit ihrem Oberkörper gegen die Wand. Ihr Umhang bedeckte fast vollständig ihr Gesicht und nur einige blonde Strähnen fielen aus dem dunklen Kopfbezug heraus. Link legte ihre Kapuze zurück und fühlte, wie angenehm warm ihre Wangen doch waren. Ihr war bestimmt nicht kalt… Ein schöner Gedanke, aber Link hatte das untrügliche Gefühl, dass er sich seine Zehen halb abgefroren hatte. Zermürbend rief er sich die Hände und ging noch einmal schnell nach draußen, um einige, hoffentlich weniger feuchte Stöcke für ein ordentliches, wärmendes Feuer zusammenzusuchen. Dem Glück noch mächtig fand er diese und bereitete alles für das Feuerchen vor. Und tatsächlich, er brachte ein kleines, aber wärmendes Feuerchen zustande und legte seinen nassen Umhang, wie auch eine durchgeweichte Jacke zum Trocknen daneben. Namenlos stand am Eingang der Höhle und wieherte laut, so als suchte er Aufmerksamkeit. Grinsend ging Link hinüber und streichelte dem schönen Hengst über den schwarzen, starken Hals. „Hey, mein Guter. Du bist klasse, weißt du das?“ Und der Hengst wippte zufrieden mit seinem Kopf auf und ab. Denn irgendwie hatte nicht Link diese Höhle entdeckt, vielmehr hatte er diesen Unterschlupf dem sechsten Sinn dieses gottesgleichen Wesens zu verdanken. Auch Link wärmte sich eine Runde an dem Feuer, zog seine braunen Stiefel aus und stellte diese neben der hitzigen Feuerstelle ab. Er aß etwas, trank einen Schluck und kramte die Schlafsäcke von ihm und Zelda heraus. Die Minusgrade waren zu ertragen, wenn das Glück ihn nicht verließ. Und dass Link immer noch Glück hatte, bewies die Tatsache, dass es Zelda trotz ihrer schweren Verletzung wieder gut ging, dass er ihr helfen konnte, dass sie beide bereits in Zoras Reich gelandet waren und die Chance für eine erfolgreiche Mission sehr gut standen. Zufrieden brach Link einen Happen einer Vollmilchschokolade ab und hielt diesen der neben ihm an der Wand lehnenden Prinzessin unter die Nase. Aber Link konnte sie damit nicht wecken, sie befand sich wohl schon weit in ihren Träumen. Sie wachte auch nicht auf, als Link das Stückchen leckere Schokolade über ihre roten, für ihn sicherlich teuflisch anziehenden Lippen wandern ließ. Schmunzelnd aß er es selbst und setzte sich mit der Decke seines Schlafsackes neben seine Zelda. Doch Link war nicht müde. Es gab Dinge in seinem Kopf, die sich einfach nicht mehr verdrängen ließen, so zum Beispiel seine Gefühle für seine Seelenverwandte, die mit jeder Sekunde, die er mit ihr verbrachte, stärker wurden. Er legte einen Arm um ihre Schulter und beobachtete die hungrigen Flammen in dem kleinen Feuer inmitten von Eis, Schneesturm und erbarmungsloser Kälte. Ihr Kopf lehnte inzwischen an seiner Schulter, was er wohl unbequem fand, denn schließlich wanderten seine Hände über ihren gertenschlanken Bauch und er drehte sie vollständig zu ihm. Er empfand ihre unbeschreibliche Wärme, nahm ihren nach Rosen duftenden Geruch wahr und spürte ihren gleichmäßigen, beruhigenden Herzschlag, als sie in seinen beschützenden Armen lag. Sie war so zerbrechlich und doch unberechenbar stark, wenn sie jene leuchtende Kraft in ihrer Seele nach außen hin zeigte. Vielleicht war das ihr großes Geheimnis, dachte Link. Sie wirkte gewöhnlich, wie ein hübsches Mädchen mit besonderen Idealen und doch lag etwas in ihren Augen, was, wenn man genau hinsah, soviel über Stärke und Wissen verriet. War es das, was sie für ihn so anziehend machte? Gewiss nicht, es gab mehr Gründe als diesen einen, weshalb Link so empfand, wie er empfand… weshalb er soviel für seine Seelenverwandte fühlte. Es spielte keine Rolle, ob er wusste, wer er war, wusste, wer sie war- diese Rolle war nebensächlich. Da war etwas viel Mächtigeres zwischen ihnen- ein undurchtrennbares Band der Zuneigung, das ihre Grenzen niemals finden wollte. Dann bemerkte er plötzlich Wärme auf seinem rechten Handrücken, verwundert, was das bedeuten sollte. Ein Kribbeln, dass süchtig machte, ein Gefühl, das sich beinahe anfühlte, wie eine himmlische Droge… Und so langsam verstand Link, dass jene pure Empfindung Zelda selbst als unausweichbare Ursache hatten. Verträumt sah Link dem Wesen in seinem Armen beim Schlafen zu, schwelgte in seinen Vorstellungen, und spürte das Nagen der Realität an seinen Empfindungen für seine Prinzessin. Unbeachtet der möglichen Konsequenzen, der erinnernden Abweisung, überschüttete er sie mit sanften Berührungen, die aber sehr beherrscht und zurückhaltend waren. Link wollte auf keinen Fall riskieren, dass sie aufwachte. Er kraulte mit seinen warmen Händen über ihren Rücken, über ihren Bauch und dann wanderte eine seiner kühlen Hände zu ihrem Gesicht. Er streichelte über die zartrosa Wange, dann strich er einige kupfernschimmernde Haarsträhnen aus ihrem im Schlaf lächelnden Gesicht. Er berührte mit seinen Lippen das seidene Haar, genoss wie nie zuvor, ihre Anwesenheit. Aber er stoppte seine Liebkosungen nicht und begann sie auf ihrer Stirn zu küssen, sanft und kurz, aber doch liebevoll genug, ausdauernd genug, dass er in ihrer Nähe ertrinken konnte. Er küsste sie immer wieder, aber dennoch distanziert und bedacht. Seine Lippen wanderten weiter, zu ihrer kühlen Wange und er küsste auch ihre Wange wieder, mehrmals, aber nicht aufdringlich oder hungrig, sondern mit soviel Gefühl. Und es beflügelte ihn, stärkte die Gefühle, festigte sie. Link konnte über die Maßen umsichtig und auf seine Weise unglaublich zärtlich sein. Nur schade, dass Zelda diese Seite von ihm nicht kannte oder kennen durfte... „Zelda...“, flüsterte er in einem Ton, der noch liebevoller klang, als seine Berührungen ohnehin schon waren. „Ich würde sterben, um bei dir zu sein... Ich liebe dich, Zelda, Prinzessin von Hyrule.“ Eine Träne lief an Zeldas Wange hinab, die der junge Held nicht bemerkte, oder bemerken wollte. Aber Zelda schlief, vielleicht hörte sie seine Worte trotzdem und entschied sich dafür, sie als einen Trauminhalt zu belassen… Er zog sie fester an sich, gab ihr einen weiteren Kuss auf ihre seidige Wange und ließ sie dann los. Er umwickelte Zelda mit ihrem Schlafsack und kroch ebenso in den seinigen. Die Nacht würde nicht mehr lange dauern und allmählich müsste auch Link ein wenig Schlaf finden. Wenige Minuten später schlief er ein, träumte vieles, was niemals Wirklichkeit sein sollte. Spät in der Nacht wachte Zelda dann auf. Irgendetwas hatte sie geweckt. Und ganz benommen, noch mit dem Schlafsand in ihren kristallblauen Augen erkannte sie die erstickende, kalte Dunkelheit vor ihren Sinnen. Sie schreckte hoch und fühlte dann einen beschützenden Arm um ihren Bauch, der sie davon abhielt sich vollständig aufzurichten. Ihr Gesichtsfeld wurde klarer und sie erkannte den Ort als Höhle. Ob sie schon in Zoras Reich waren? Sie ließ sich wieder auf den Boden sinken und spürte langsam die Kälte, die Nähe von Schnee und Eis... Und schließlich drehte sie sich sanft lächelnd zu ihrem Helden um, der schlafend, fast schnurrend, neben ihr ruhte. Sie blickte ihn verträumt an und vergas in dem Augenblick die Zeit. Nach einigen Minuten, in denen das Mädchen vergeblich versuchte Schlaf zu finden, hörte sie erneut ein leises Geräusch. Ähnlich dem Stapfen von Lederstiefeln durch den Pappschnee, ein Knirschen und Knarren. Plötzlich ein lauter dumpfer Schlag und das Geräusch erstarb. Irgendjemand war da draußen. Irgendetwas schlich durch die Dunkelheit... Zelda konnte nicht anders. Sie mussten dem Geräusch auf den Grund gehen. Sie richtete sich wieder auf und hörte ein ärgerliches Gebrummel aus dem Mund Links. Aber anstatt seine Augen zu öffnen und sich auf zu bequemen, verstärkte er seinen Griff um sie und seufzte: „Was ist denn, Schatz?“ In dem Moment begriff die einstige Königstochter nur zu gut, dass er sich keineswegs in einem wachen Zustand, wohl aber in komatösen Wunschvorstellungen befand. Sie schnaufte angesichts der Bezeichnung ihrer Persönlichkeit und packte seinen Arm und entfernte diesen zunächst von ihrem Bauch. ,Schatz?’, dachte sie. Wie kam Link nur dazu, sie so zu bezeichnen? ,Schatz’... tz. tz. Kopfschüttelnd ignorierte sie dieses liebliche Wort. Dann richtete sie sich auf und rüttelte den neben ihr mit dem Schnarchen anfangenden Helden, bis er erneut Töne von sich gab, die sie jedoch mit Nichten ihrem Lieblingshylianer zugeordnet hätte. „Link?“, summte sie mit ihrer süßen Stimme, sodass er dies als Grund nahm, seine Augen dennoch zum Blinzeln zu bringen. „Mmh?“ „Da draußen waren Geräusche...“, murmelte sie. Aber Link tat nicht dergleichen, sondern kuschelte sich an sie heran und machte frech seine Augen zu. Sie beugte sich näher und summte wieder, summte leise ihr einzigartiges Lied, welches selbst Riesen zum Einschlafen bringen konnte. Und sie summte einfühlsam, liebevoll, wie ein verzaubernder Klang letzter Feen, die in den Nächten zu Hyrules Glanzzeiten zu ihren wundersamen Reigen so voller Leben und Sehnsucht tanzten... Die Prinzessin rückte näher zu ihm, und konnte ihm jetzt nicht mehr widerstehen. Und vielleicht könnte sie ihn mit einer einfachen, angenehmen Geste zum Wachwerden bringen. Grinsend beugte sie sich über sein Gesicht und selbst die goldenen Haarsträhnen, welche streichelnd auf seine Wangen fielen, rissen ihn nicht aus seinen ach so angenehmen Träumen. Spielerisch berührte Zelda mit ihrer Nasenspitze diejenige von Link und musste sich selbst zusammenreißen, um nicht mit dem Lachen anzufangen. Sie berührte seine Nasenspitze weiterhin, wie ein kleiner Hund, der mit seiner kalten Nase an einer anderen schnupperte. Erstaunlicherweise hielt es der Schönling dann doch für nötig einen Blick zu wagen und sah ein wunderschönes Gesicht, an dessen Mund sich gemeine Lachfalten bildeten, direkt vor ihm. „... Zelda?“, sagte er sanft und wartete wohl in dem Augenblick auf eine weitere liebevolle Geste, die ihm Zelda aber nicht geben würde. „Link, bitte, wir müssen nachsehen, was da draußen ist.“ Er gähnte und wollte sich gerade umdrehen, als seine himmlisch hinterhältige Prinzessin aber schnell reagierte und ihn in seine rechte Wange kniff. „Link“, und ihre Aussprache hatte sich gewandelt, von einem Liebsäuseln zu sturer Warnung. „Okay, okay... ich werde nachsehen“, sagte er endlich und krabbelte mit einem Fluchen aus seinem Schlafsack. „Aber du bleibst hier, ja?“ Zelda nickte und reichte ihm sein Schwert. Doch da wusste Link noch nicht, dass er es draußen nicht benötigen würde... Einige Minuten später kam der Held Hyrules zurück in die zugeschneite Höhle, aber er war nicht mehr allein. Er trug etwas auf seinen Armen. „Zelda. Wir brauchen Licht, sofort“, sagte er beinahe befehlend. Sie nickte und leuchtete mit ihren magischen Kräften in der Höhle umher- ein kühles, bläulich- schimmerndes Licht durchzog den Raum und fiel auf Link, der niederkniete und preisgab, was sich auf seinen Armen befand. Erst jetzt fiel auf, dass der junge Held seinen Umhang nicht mehr trug, sondern etwas Kleines darin eingewickelt hatte. „Link, was...“, entkam es einer entsetzten Zelda, als er vorsichtig den grauen Umhang aufdeckte und ein vielleicht zehn Jahre alter Junge mit blondem Haarschopf und einer kleinen, edlen grünen Tunika zum Vorschien kam. Zelda krabbelte schnell aus ihrem Schlafsack und legte eine Hand auf die Stirn des kleinen Kerls, beugte sich näher, um seine Atmung zu hören. Seine kleine Stirn glühte... Während sich Zelda um den kleinen Mann kümmerte, schürte der junge Mann ein kleines Feuer, damit sie den Knirps nun besser sehen konnten. Der blonde Hylianer wuselte mit einem Stock in den Flammen umher, als Zelda panisch aufschrie und nach Link rief. Überstürzt schnellte er auf und war mit einem Sprung bei Zelda und dem Bengel. „Was ist denn los?“, entkam es Link. Und als er schließlich in Zeldas Augen sah, konnte er nichts als Angst und Hilflosigkeit darin ablesen, fühlte im nächsten Moment dieses Ungewisse, wenn Dinge geschahen, die er nicht wahrhaben wollte. „Link... er ist verletzt.“ Und auch Link prüfte den kleinen Kerl nun eindringlich. Eine große Wunde zierte seine rechte Seite, knapp neben seiner Brust. „Verdammt“, fauchte Link und wurde nervös. Es war nicht nur die Tatsache, dass er den Kleinen sehr gut leiden konnte und sich Sorgen um ihn machte, nein, vielmehr beunruhigend war, dass er eine Wunde an der gleichen Stelle wie Zelda besaß. Link brachte den Kleinen näher an die Feuerstelle und legte ihn auf eine Decke. Im Anschluss erhitzte er Wasser in einem grauen Kessel über dem Feuer. Schnell und ohne wertvolle Zeit zu verlieren, zog Zelda dem Kerlchen die grüne Tunika aus und das kleine weiße Hemdchen, dass er darunter trug. Sein Wunde sah alles andere als gut aus... ähnlich einem Pfeilschuss, dachte sie. Und so blass wie der Junge war, musste er eine Menge Blut verloren haben… „Link, wo haben wir das Heilwasser?“, sagte sie energisch und sah ihren Helden sofort in seinen Taschen herumstöbern. Aus irgendeinem Grund machten sie sich beide beinahe höllische Sorgen um den kleinen Bengel und dies, ohne zu wissen, dass er sehr viel mit ihnen beiden zu tun hatte... Zelda riss Link die Flasche ungeduldig mit dem Wasser aus der Hand und schüttete langsam, tropfenweise, das wertvolle Gut über die tiefe Wunde des kleinen Wesens, welches im Moment mehr als wirklich erschien. Link konnte sich daraus keinen Reim machen. Hatte der Junge nicht immer wieder betont, dass er keine Existenz besaß und nun war er verletzt, besaß Blut in seinen Venen, als ob er doch mehr war, als man vermutete und als er selbst mit seinem Unschuldsgrinsen preisgegeben hatte? Zelda drehte den kleinen Kerl dann sachte auf seinen Rücken und bemerkte eine weitere für sie, mehr als unheimliche Tatsache. Knapp unter seiner Brust, nur wenige Zentimeter von seiner Wunde entfernt, zierte ein kleines, aber auffälliges Muttermal seine sonnengebräunte Haut. Ein Muttermal in Form eines Dreiecks, welches in der Königsfamilie Hyrules von Generation zu Generation an den nächsten Thronfolger weitervererbt wurde. Ihre Augen wurden groß und sanft strich sie darüber, fühlte die merkwürdig raue Haut des Mals und legte vor Schreck eine Hand über ihren Mund. Dieser Junge... er besaß dasselbe Muttermal wie sie selbst. Er besaß das Mal, welches ein über die Maßen bedeutsames Mitglied in der Königsfamilie auszeichnete. Er trug einen unleugbaren Beweis... er war... Nur schwerlich konnte Zelda ihre Gedanken ordnen und schaute abermals diesen dreieckförmigen Fleck an, vergewisserte sich über dessen Echtheit und sah dann fassungslos in Links nachdenkliches Gesicht. „Zelda? Was ist los?“, sagte der Held und verfolgte ihren Blick, der immer noch auf jenem Mal gerichtet war. Auch Link bemerkte jenen Fleck und prüfte dann fast streng den Ausdruck auf dem schönen Gesicht seiner Prinzessin. Aber sie schwieg. Zu entsetzt. Zu verzweifelt. Link packte Zelda an ihren Oberarmen und näherte sich ihrem Gesicht so weit wie er konnte. „Was ist mit dem Mal?“ Denn der Held der alten Welt hatte aus irgendwelchen Gründen jenes Muttermal bei Zelda noch nicht gesehen, oder sehen wollen, auch dann nicht, als er ihre Wunde versorgte. Die blonde Hylianerin wich seinem Blick aus und schüttelte mit dem Kopf. Dann stand sie auf und ballte die Fäuste. Mit einer einzelnen Träne, die über ihre Wange lief, begann sie sagen: „Er besitzt mein Muttermal...“ „WAS?“ Auch seine Augäpfel wurden riesig und sein Blick verlor sich auf dem Knirps. So viele Gedanken gingen im Augenblick durch Links Kopf. Aber vieles davon sollte sich nicht bewahrheiten... „Heißt das...“ ergänzte er, aber Zelda nickte nur. Auch wenn sie nicht genau wusste, ob Link eine Verbindung des Bengels zwischen ihm selbst und Zelda meinte... Aber allem Anschein nach hatte der Junge auf jeden Fall eine Verwandtschaft zu der einstigen Prinzessin Hyrules. Und wenn Link die Sache richtig interpretierte und das Aussehen des Kerls mit seinem verglich, so konnte man ohne Umschweife annehmen, er hatte ebenso eine klare Verbindung zu Hyrules einstigem Helden der Zeit. Unheimlich... Sie setzten sich wieder schweigend zu dem kleinen Kerl und kümmerten sich in der eisigen Kälte um ihn, auch wenn jetzt durch sein Erscheinen einige große Fragen aufgeworfen wurden. Link legte eine Hand hinter den Rücken des Knirps und richtete ihn auf, damit Zelda ihm etwas des kristallenen Heilwassers einflößen konnte. Er seufzte etwas und kippte seinen kleinen Kopf zur Seite, als ob ihm das Wasser nicht mundete, aber schließlich zwangen die zwei Hylianer ihm mehr als genug von der Flüssigkeit in seinen kindlichen Magen. Der Heroe verband wortlos die Wunde des Jungen, ahnte, in welcher Verbindung dieser Knilch mit Zelda und ihm stehen könnte und fand diesen Gedanken zwar überraschend, aber keinesfalls unangenehm... Auch die blonde Hylianerin schwieg. Was gab es jetzt schon zu sagen? Eine Diskussion könnte falsch sein, voreilige Schlussfolgerungen könnten gezogen werden und vielleicht alte Wunden aufreißen oder neue entstehen lassen. Also entschieden sie sich für das Schweigen, trauten sich im Moment nicht einmal einander anzusehen und taten so, als wäre nichts. Das Spiel des Ignorierens spielten Zelda und Link schon so lange, dass es nicht unbedingt etwas Neues war. Nicht zu ertragen war es... ja, ignorieren, das konnten sie beide gut, besonders, wenn es um das Thema Liebe ging und die starken Gefühle zu einander. Und sowohl Zelda als auch ihr Held sahen den Jungen nun mit anderen Augen, in etwa als Beweis für die gegenseitigen Gefühle der Zuneigung... „Was machen wir jetzt?“, meinte Zelda nach einer Weile, die das Schweigen nicht mehr ertrug. „Warten. Du kannst schlafen, wenn du möchtest. Ich bleibe wach und kümmere mich um ihn.“ „Du hast ihn wohl liebgewonnen?“ Das allerdings war ein sehr unpassender Kommentar... „Entschuldige“, setzte sie hinzu und verkroch sich in ihrem Schlafsack, der nun so einkalt wie eine Kühlbox aus der modernen Zeit war. „Bei Din, ist das kalt“, zitterte sie. Sie krabbelte wieder heraus und setzte sich mit einer Decke direkt an das wärmende Feuer, vielleicht ein wenig zu nah... „Zelda, sei vorsichtig, du verbrennst dir deine wunderschönen Haare sonst noch daran.“ Sie lächelte ihn an, wusste, es gab eigentlich genug Gründe, welches ein Ausbrechen der Gefühle für Link begünstigen konnte. Seine beruhigenden Worte, sein besorgtes Gemüt, dann diese hypnotisierenden tiefblauen Augen und die fesselnde Macht einer Berührung von ihm... und nun, da sie diesen Jungen mit anderen Augen sah, bestärkte auch das ihre Gefühle und den Wunsch, ihm alles zu sagen... Sorgsam und vorsichtig umwickelte Link den kleinen Kegel, von dem er leider nicht ahnte, dass er eben seinen Namen trug in eine dicke Decke und setzte sich mit dem Kleinen in seinen Armen zu Zelda an das Feuer. Nur der blonde Schopf des kleinen Wesens ragte schlapp aus der nachtgrauen Decke hervor. Ein winziges Anzeichen seiner Existenz, die doch nur eine Lüge war, ein Experiment vielleicht, ein unleugbarer Beweis des Einmischens von etwas Mächtigerem in die Geschehnisse. „Wie geht es eigentlich deiner Wunde?“ meinte Link leise und beobachtete die hungrigen Flammen lodern. Zelda zog ihre Knie zu sich heran und legte ihre Arme darauf. Sie erwiderte: „Es geht… so einigermaßen.“ „Sag’ einfach, wenn ich danach schauen soll…“ „Mmh…“, murmelte Zelda leise und ihr Blick verlor sich wieder auf dem nur halb aus der Decke hervorlinsenden Gesicht des Knaben ohne Namen. Er sah ihrem unwiderstehlichen, charmanten Helden wirklich ähnlich, bedenke man die markanten Gesichtszüge, hohen Wangenknochen oder die eher spitze Nase und seine Augenbrauen, die zu dem oftmals ernsten Blick Links beitrugen. Nur seine Augenfarbe war eine andere, das wusste Zelda, seine kleinen blauen Augen waren nicht so ozeanblau wie die Links, gingen eher in etwas leuchtenderes über und funkelten stärker… Die blonde Hylianerin beugte sich über das kleine Etwas in dem Schoß ihres besten Freundes und vergrößerte den Spalt, in welchem sein kleiner Kopf ansatzweise herauslugte. Zelda fing unbewusst an zu grinsen, und sah erstmals, wie ähnlich dieser kleine Junge jenem Link war, der einst unverblümt und frech in dem Schlossgarten vor ihr stand. So ungeheuer ähnlich, als wäre es ein und dieselbe Person… „Zeldaschatz, vielleicht musst du mir erst einmal beweisen, dass auch du dieses Muttermal besitzt.“, fing Link an, dem das Schweigen reichte und der Lust auf ein wenig feine Ablenkung hatte. „Was soll das denn heißen?“ „Nichts…“, betonte er und drehte seine Augen an die Decke. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Kopfschüttelnd bekräftigte er das einfallslose ,Nichts’ aus seinem vorlauten Mund. In dem Moment zuckte der Bengel in Links Armen und bewegte rudernd seine Arme hin und her. Er japste und schien erschrocken, als ob er zur Besinnung kommen wollte, aber es nicht sofort schaffte. Wortfetzen kamen aus seinem Mund, Bruchstücke in Althylianisch, dann ein undeutliches Goronisch, schließlich Worte in einer Abwandlung der Zorasprache, die jene Fischmenschen, welche am Rande Hyrules lebten, benutzten und einige bei den Shiekah geläufige Redewendungen. Zelda strich mit der Außenseite ihrer Hand über seine blasse Wange und murmelte etwas, wollte ihn bitten, seine Augen zu öffnen und summte ein altes Lied aus der Überlieferung der Königsfamilie, mit der stillen Hoffnung, er würde das Lied kennen. Seine Augenlider schnellten nach oben, sofort stürzte er auf, zog sein aus teuersten Stahl bestehendes Kurzschwert aus der reichlich blau-gold verzierten Schwertscheide und hielt es langgestreckt vor sich. Seine Atmung kam flach und kurz und doch hielt er sich auf den Beinen, berief sich auf seinen edlen Willen und Kämpfermut und brauchte einige Sekunden um zu begreifen, dass er sich nicht in Gefahr befand. „Hey…“, sagte Zelda ruhig und stand auf, um zu ihm zu gehen, „Wir sind es…“ Er blinzelte aus seinem tränenden Blickfeld, erinnerte sich an seine Wunde und an die beiden Gesichter, die er kannte. Die einstige Prinzessin Hyrules kniete nieder und umschloss mit ihren Händen beide seiner Arme. Er blieb stumm und ließ sein Schwert zurücksinken. Sein Blick kreuzte den von Link und dann Zeldas, bis er schließlich einen lauten Seufzer von sich gab und sich auf den Beinen nicht mehr halten konnte. Ganondorf entkam seinen Lippen. Leise, ungewollt, als stände jener Teufel direkt vor ihm. „Er…“, stöhnte der Knirps, beendete aber das Sprechen wieder. Zelda ergriff die Initiative und schleppte ihn wieder zu dem Feuerchen und reichte ihm die Flasche mit dem Heilwasser. Gierig nahm er sie entgegen und wusste sofort über deren Inhalt Bescheid, trank und trank wie eine verhungernde Pflanze, die in der trockensten Wüste stand. „Du warst bei Ganondorf?“, fragte Link und packte den Kleinen an seinen Schultern. Schüchtern nickte er und wendete seinen Kopf zur Seite, dass er nicht in die anklagenden Augen Links sehen musste. „Hatte ich dir nicht untersagt, dich dort ein weiteres Mal blicken zu lassen!“, fauchte Link plötzlich und konnte sich nicht mehr beherrschen. „Er hätte dich töten können!“ „Link!“, warnte Zelda scharf. „Halt’ deinen Mund. Er hat genug durchgemacht, dass er nicht noch deine Predigten gebrauchen kann. Also bitte, beruhige dich.“ Und die Prinzessin legte eine Hand auf seine Schulter. „Unterstützt du das etwa noch?“, meinte er gekränkt und war mit einem Satz aufgesprungen. „Nein, Link. Aber du weißt nicht, was passiert ist, also urteile nicht so voreilig über Dinge, die du nicht wissen kannst.“ Eingeschnappt, aber dennoch einsichtig ging Link zu Namenlos und unterhielt sich zähneknirschend mit ihm, führte seine Selbstgespräche und fand es nur recht, wenn der Hengst ab und an mit dem großen, schmalen Kopf wackelte. „Was ist geschehen, Kleiner Mann?“, sagte Zelda eindringlich und machte ihm mit einem Blick klar, dass sie jetzt alle Antworten haben wollte. Restlos alle. Er würde sich nicht mehr herauswinden können, erst Recht nicht wegen seines königlichen Muttermals. „Ich wurde verletzt und konnte mich danach nicht mehr… unexistenziell fortbewegen.“ „Wie wurdest du verletzt?“ Seine hellblauen Augen blickten trotzig zu Boden, als ob es dort auf dem eisigen Gestein eine Fluchtmöglichkeit gäbe. „Bilde dir nicht ein, du könntest, dich um diese Frage herummogeln. Ich kenne diesen unschuldigen Blick nur zu gut, aber das wirkt bei mir nicht.“ Aber er druckste fortan herum und verzog seine Lippen. „Du bekommst eine Schüssel Eintopf, wenn du deinen Mund aufmachst.“ Zelda hatte ihre Techniken… Der Bengel blickte auf und begann nervös an seinem linken Daumennagel zu kauen. Linkshänder, dachte Zelda… Auch vorhin schon, hatte er sein Schwert in die linke Hand genommen. Er nickte und suchte dann mit seinem Blick die Taschen durch, als hätte er so etwas wie einen Röntgenblick, damit er ja die erstbeste Büchse erblickte. Link setzte sich wieder zu den beiden, wenn auch mit einem strengen Ausdruck, und half Zelda bei der Vorbereitung des Eintopfes. Sie stapelten einen Kessel über dem Feuer auf, öffneten mit einem modernen Öffner zwei drei Büchsen und schütteten den Inhalt in den Kessel. Nach einigen Sekunden fing es fröhlich in dem schwarzen, runden Topf an zu blubbern und die spitze Nase des Kegels rutschte soweit in das Behältnis, dass er beinahe selbst hineingefallen wäre. „Wie geht es dir?“, fragte Zelda, als sie ihm einen Teller gefüllt mit Kartoffelstückchen, Erbsen, Möhrenstückchen und Bohnen reichte. „Lecker.“ Nur Link wusste wohl, wie man sich fühlte, wenn das Wort lecker dem Gemütszustand entsprach. Und er stopfte sich das Essen in den kindlichen Bauch, als gäbe es in ganz Hyrule nichts Besseres, aß einen Teller voll nach dem anderen und schaute nur verdutzt, als Link und Zelda seinen Essmanieren beschämend zusahen. „Warum bist du verletzt?“, meinte die Prinzessin einfühlsam und startete ihren zweiten Versuch. „Du bist auch verletzt“, entkam es seinem vollen Mund, der wohl alles lecker fand und schaufelte mit dem Löffel Möhren in sich hinein. „Ja, aber das beantwortet meine Frage nicht.“ Er sah auf und funkelte Zeldas blaue Augen an, sagte aber nichts, sondern blickte überlegend in jenes kräftige Blau ihrer Augen. „Meine Verletzung war ja nur ein… Unfall.“. sagte sie abtuend. Daraufhin packte Link Zeldas rechte Hand und sprach warnend ihren Namen. „Okay… kein Unfall…“, ergänzte sie. „Ja, du hast deinem Helden das Leben gerettet, und nichts anderes.“, betonte der erwachsene Held und gab Zelda ein kleines Lächeln. „Du bist verletzt, das war mein Problem“, schmatzte der Knilch, ohne zu registrieren, dass er sich halb verraten hatte. „Du wurdest verletzt, weil ich es wurde?“ Und ein besorgter Blick sprach Bände… „Jep“, meinte der Bengel und genoss die letzten Bissen des Eintopfes. „Wer zum Kuckuck bist du?“, sagte Link laut. „Rück’ endlich raus damit, sonst können wir dir auch nicht helfen.“ Und Zelda gab dem quarrigen Unruhestifter einen Klaps auf seinen Hinterkopf. Jetzt hatte sie fast geduldig die Worte aus dem Knilch herausgelockt und nun machte Link mit seinem Tatendrang alles wieder zunichte. Manchmal wünschte sie, sie könnte ihren Schatz mit einem ordentlichen Ich-kann-nicht-mehr-reden- Fluch belegen, damit er sein vorlautes Mundwerk nur ansatzweise hielt. „Wofür war das denn?“, schimpfte er und rieb sich den Kopf. „Das weißt du ganz genau.“, erwiderte Zelda giftig und hielt ihm ihren Zeigefinger unter die Nase. In dem Augenblick begann der Winzling zu lachen, freute sich an dem dummen Gezänke der zwei und gähnte. „Moment mal, Kleiner Mann, du schläfst jetzt nicht ein“, wetterte Zelda, als er sich die erstbeste Decke suchte und sich darin einwickelte. Link folgte desinteressiert seinem Beispiel und krabbelte zufrieden in seinen Schlafsack. „Link“, zischte Zelda. „Du kannst doch nicht so tun, als ginge dich die Sache nichts an!“ Aber jener winkte mit seiner Hand und schloss vergnügt und Zelda auf die Bohne bringend die Augen. „OH, na warte!“, fauchte sie und hüpfte zu ihren Heroe mit hochrotem Kopf herüber. Die beiden Taugenichtse ignorierten sie einfach, machten ihre Augen zu und taten als wäre sie Luft. Sie beugte sich über Link, zog an seinen blonden Haarsträhnen und grölte ein lautes Aufstehen in sein Ohr. Aber er fluchte nicht, sondern drehte sich zu Zelda und murmelte leise: „Ach, mein Engel, kriech’ in deinen Schlafsack und dann können wir immer noch reden.“ Und der kleine Bengel in der dicken Decke, welcher inzwischen neben Link ruhte, nickte nur bestätigend. Sie zog die Nase eitel nach oben: „Hoffentlich!“ Nach einigen Minuten, und auch Zelda ruhte jetzt in ihren dicken Schlafsack, begann der Junge dann, ein wenig ernster mit seiner unglaublichen Geschichte. Beide Achtzehnjährigen lagen umgeben von dem Kerlchen, als müssten sie ihn behüten. „Als der Pfeil dich traf, traf er auch mich“, meinte er leise. Zelda drehte sich auf ihre rechte Seite und sah dem Bengel damit genau in seine immer noch vorwitzigen, charmanten blauen Augen. Sie lächelte mitfühlend. „Wie meinst du das?“ „Ich verstehe das auch nicht so sehr.“ Und das Kind kannte sich selbst nicht, verstand den Grund nicht, warum es existierte, kannte nur seine Geschichte, aber nicht deren Sinn. „Also warst du nicht bei Ganon?“, meinte Link und drehte sich auch auf eine Seite, sodass er in Zeldas Augen sehen konnte. Das kleine Ebenbild Links schüttelte mit dem Kopf. „Doch, aber nicht freiwillig. Dieser Dreckskerl hat mich eingesperrt, in einem Keller, mit lauter Ratten und dann habe ich mich wieder unsichtbar gemacht und bin abgehauen. Blöder Idiot, der denkt, er bekommt alles. Böser Mann“, schimpfte er. „Ja, das denkt er…“, stimmte Zelda zu und erinnerte sich an einige unerfreuliche Begegnungen mit ihrem Erzfeind. „Aber er wird niemals alles bekommen, dafür sorgen wir.“ Und Zelda warf ihrem Helden einen tapferen Blick zu. „Wir kämpfen, egal, was auch der Preis ist“, meinte Link entschlossen und strahlte sehnsüchtig Zelda an. Der kleine Kerl zwischen ihnen schaute von einem lachenden Gesicht zum anderen und fand das mehr als interessant, sich diese zwei Gestalten anzusehen, aus deren Essenz er im Grunde bestand. So interessant, dass er sich witzige, oder weniger witzige Bemerkungen erlauben konnte und wollte. Sein schmaler Mund zog sich in die Breite und die dämlichdreinblickenden Augen leuchteten in einem erstaunlich aufmerksamen, hellen Glühen. „Ihr könnt euch ruhig küssen, ich schau’ auch nicht hin.“ Zeldas Mund klappte entgeistert auf und Links Augen wurden riesig. Entsetzt schauten sie beide in das grinsende Gesicht des kleinen Bengels. Er war nicht nur dreist, er hatte ein erstaunlich unverschämtes Gemüt, bedenke man seine unverfrorene Wortwahl. „Du Schlingel!“, zürnte Zelda. „Ich gebe dir gleich ,küssen’. Wie alt bist du Dreikäsehoch überhaupt, solche Wörter in den Mund zunehmen?“, murrte sie verärgert. „Ja, genau, du kleiner Unhold. Wie konntest du nur?“, setzte Link ironisch hinzu. „Ich bin im Augenblick stolze zehn Jahre alt. Das reicht doch, oder?“ „Du wirst auch noch frech? Ich verbiete dir…“ aber Link unterbrach Zelda. „Oh ja… wie konntest du nur?“, meinte er erneut und nun verstand auch die hübsche Hylianerin, dass diese zwei sie zum Affen machten. „Link, fang’ jetzt bloß nicht mit mir an, ich habe keine Lust auf deinen Humor.“ Er rutschte näher und hauchte ihr frech ins Gesicht: „Oh ja, wie konnte ich nur.“ Der kleine Gast fing herzhaft an zu lachen und Zelda drehte sich wütend um. Sie war sprachlos. Das war eindeutig zuviel und sie war sauer. Pah, sagte sie zu sich selbst. Das habe ich nicht nötig. Sie machte trotzig die Augen zu und zog die Schlafsackdecke über ihren Kopf. „Nimm’s ihr nicht übel, Kleiner Mann. Sie tut nur manchmal so, als ob es ihr keinen Spaß machen würde, sich mit mir abzugeben.“ „Schauspielerin.“ „Jep. Schauspielerin“, ergänzte Link und konnte beinahe fühlen, wie Zeldas Wut wuchs und wuchs. „Und stell’ dir mal vor. Oft tut sie dann noch so, als ob sie mich nicht leiden könnte und ich sie um Kopf und Kragen bringe. Und wenn sie dann ihre Fäuste anspannt und ihre Stirn runzelt ist das ein erstes Anzeichen, so schnell wie möglich die Flucht zu ergreifen. Ihre Wutattacken hacken alles kreuz und klein.“ „Ist das eine Warnung?“, meinte der Bengel mit seiner glockenhellen Stimme und prüfte mit seinen Augen die neben ihm ruhende Zelda. „Jep, aber…“ Und auch Link betrachtete sich den Rücken seiner Seelenverwandten. „… wenn es anders wäre, würde mir sicherlich etwas fehlen.“ Sein Satz endete mit einem Schmunzeln, angesichts der Erinnerungen vergangener Tage. „Hehe…“, eiferte der Kleine. „warum holst du dir dann nicht, was du haben willst? Also euch Erwachsene soll’ man erst einmal verstehen… grummel… grummel.“ Link blickte den Kleinen in seine himmelblauen Augen und erkannte in dem Augenblick Zeldas Augenfarbe darin. Sein Blick wurde ernster. „Du hast Zeldas Muttermal und ihre Augenfarbe, wie kommt das?“ „Also...“, begann er leise. „... die Götter waren es.“ „Die Götter?“ In dem Moment hörte man Zeldas leises Atmen. Sie befand sich wohl endgültig in ihren Träumen. „Jep. Die haben mich aus euren beiden Essenzen gemacht. Ich weiß gar nicht, wieso, oder wann. Ich glaube, die wollten mich älter machen, das konnten sie aber nicht, da Ganon sie um ihre Kräfte beraubt hat, dieses eklige Schwein.“ Link hörte mit Erstaunen zu. „Deshalb besitzt du Zeldas Muttermal, siehst aber nicht ihr, sondern mir ähnlich. Aha. Und ich dachte schon…“ Link atmete laut und erleichtert aus. Der Knirps war doch kein Nachfahre von ihm und keiner von Zelda. Wäre ja auch peinlich gewesen… „Und ich sollte mich Ganon entgegenstellen, das kann ich aber mit dieser Gestalt nicht.“ Link starrte an die dunkle Höhlendecke und versuchte sich in das Schicksal dieses kleinen, nichtexistenziellen Wesens hineinzuversetzen. „Ich hätte gekämpft, wirklich.“ Link legte eine Hand auf seine kleine Schulter und setzte hinzu: „Ich weiß. Überlass uns das, ja?“ Und ein grinsendes Nicken sagte dem Helden wie dankbar der Kegel ihm war, wohl auch, weil er und Zelda sich so rührend um ihn kümmerten. „Ich erinnere mich daran, dass du irgendwann einmal sagtest, dein Vater würde dir diesen Dolch schenken, den du mit dir herumträgst. Wie ist es möglich, dass du einen Vater haben könntest, wenn du doch von den Göttern erschaffen wurdest.“ „Es ist nur ein Wunsch…“, meinte er sachte und verzog sein Gesicht. Etwas trauriges, bekümmertes stach aus seinen Augen hervor. „Du hast niemanden, oder?“, fragte Link. Der Winzling nickte schwerfällig und scheute Links Blick wieder. Was hatten die Götter diesem unschuldigen Kind bloß angetan? „Aber weißt du was?“ „Nein…“ „Du hast doch uns, ich meine mich und Zelda… auch, wenn sie zur Zeit in ihren süßen Träumen schwelgt.“ Seine Kinderaugen strahlten wieder. „Du kannst uns so oft besuchen, wie du möchtest“, sagte Link und gab ihm einen Stups. Aufheiternd und frech rubbelte Link dem Kerlchen über den blonden Schopf. „Danke“, murmelte er und machte seine kleinen Augen mit einem lauten Gähnen zu. „Aber bevor du schläfst, möchte ich eine weitere Sache wissen.“ „Ja?“ „Wie heißt du?“ „Im Moment genauso wie du… gähn.“ „Oh… na dann.“ Link akzeptierte auch diesen Umstand und verkroch sich ebenso in seinem Schlafsack, um noch einige Minuten Schlaf zu finden. Kapitel 81: Schnee, Schnee, so viel Schnee und Eis -------------------------------------------------- Kapitel 64: Schnee, Schnee, soviel Schnee und Eis Früh in den Morgenstunden stapfte ein schwarzer, glänzender Hengst durch hohen Pappschnee. Nur schwerlich konnten sich die beiden Hylianer fortbewegen und doch war es durchaus angenehmer als selbst durch den kalten Matsch zu watscheln. Der kleine Junge, welcher aus den Essenzen Zeldas und Links bestand, war irgendwann inmitten der Nacht verschwunden, so wie er es immer tat. Nichts Neues also... Die Jugendlichen erreichten auf Namenlos eine weitere, gefährlich- rutschig anmutende Holzbrücke, die über eine breite Schlucht führte. Link stieg ab und half seinem Engel auf festen Boden. Zaghaft überquerten sie die Holzbrücke, die im kalten Wind von Zoras Reich unaufhaltsam hin und her schwankte. Aber die Sonne schien vom Himmel herab, ein wenig Sicherheit sendete sie aus, bescherte nicht so wie jene dunklen Wolken unaufhörlich Flocken des weißen Schnees... Erleichtert erreichten die beiden mit einem wiehernden Namenlos an ihrer Seite das andere Ende. Link seufzte, als er einen Fuß auf festem Boden setzte und schaute dann nachdenklich zu der in Schnee und Eis verborgenen Landschaft vor ihnen. Ein Weg führte zwischen drei größeren Hügeln hindurch und rechts wie auch links des Weges standen merkwürdige Hecken, Büsche mit weißen Früchten, ähnlich einer Kirschfrucht und doch mit spiralförmigen Mustern auf der weißen Schale. „Ich denke, hier ist es Frühling, kann der dämliche Schnee nicht wieder schmelzen?“, murrte Link und lief voran. Zelda lächelte sanft. „Keine Sorge, mein Held, dass Frühling wird, sieht man schon...“ Und sie stapfte auf jenem schmalen Weg, welcher zwischen steilen Hängen versteckt lag zu einem der kahlen Sträucher. Prüfend zupfte sie einige der lilienfarbigen Beeren von den kahlen giftgrünen Sträuchern. Sie reichte eine handvoll der Früchte einem verdutzten Link, der diese merkwürdigen Beeren nur misstrauisch beäugte. „Iss“, meinte sie und stopfte sich selbst einige der weißen Früchte in den Mund. „Kann man das wirklich essen? Ist irgendwie seltsam mitten im Winter Früchte zu finden...“, entgegnete er und hielt eine der merkwürdigen Beeren gegen das Sonnenlicht. Sogar das blendende Sonnenlicht strahlte durch die weiße Farbe der Beere hindurch. „Die entstehen nur im Winter hier in Zoras Reich und sind sehr gesund. Was glaubst du, wer mich darauf gebracht hat, diese Früchte zu probieren?“ Link zuckte mit den Schultern und stopfte sich die Beeren mit zusammengekniffenen Augen in den Mund. Überrascht über den wunderbaren, wenn auch fremden Geschmack öffnete er die Augen wieder und kaute zufrieden auf den Früchten herum. Süßlich und doch schmeckten sie leicht nach Fisch, aber nicht so offensichtlich. Vielleicht eine Mischung aus Sternfrucht, Orange, Zimt und anderen Dingen. „Du hast mich auf den Dreh gebracht. Sonst hätte ich dieses Zeug bestimmt nicht angerührt.“ Link zeigte mit seinen Zeigefinger auf seine unschuldige Miene. „Ich war das? Da hatte ich damals aber einen guten Geschmack“, meinte er erheitert. Zügellos pflückte er sich weitere Beeren und verstaute einige in seiner Gürteltasche. „Link, ich...“, fing Zelda an und lief die wenigen Meter zu ihm hinüber. Verlegen wich sie seiner begutachtenden Mimik aus und drehte sich seitwärts. Sie wusste ja selber nicht einmal, worauf sie hinauswollte. „Was ist los?“, murmelte er leise und hob mit einem Zeigefinger ihr Kinn nach oben, nur damit sie seinem Blick nicht ausweichen konnte. „Ich wollte...“ Links Blick wurde unsicherer und tiefgründiger. Aber er schwieg. Laut ausatmend drehte sich Zelda um und striegelte ein bisschen die Mähne des schwarzen Hengstes... Wie dumm, sagte sie zu sich selbst. Wie dumm, dass sie es einfach nicht schaffte, zu sagen, was ihr auf dem Herzen lag. Sie wollte es ihm endlich sagen, endlich zugeben, was sie fühlte, was sie sich von seiner Seite erwidert wünschte, und doch war sie zu feige dafür... „Lass uns weiterziehen“, sagte Link dann leise und hievte seine leichte Begleiterin mit einer Bewegung auf den Hengst, sodass sie die Zügel ergreifen konnte. „Da fällt mir noch etwas ein, Zeldaschatz.“, fing Link an. Er bewegte seinen Schädel nach vorne, sodass sein Kinn beinahe auf Zeldas rechter Schulter lag. Und auch seine Prinzessin wand sich zu ihm, sodass ihre Nasenspitzen kurz aneinander stießen. „Unser kleiner, aus unseren Essenzen bestehender Freund, sah irgendwie älter aus, als das letzte Mal, da er uns besuchte.“ „Ich verstehe, was du meinst. Als er uns in Schicksalshort besuchte, war er vielleicht fünf Jahre alt und nun sieht er aus wie zehn oder elf.“ „Ja, heißt das, die Götter sind immer noch an seiner Existenz beteiligt? Können sie ihn nicht einfach in Ruhe lassen.“ Leicht verärgert gab er Namenlos die Sporen, damit dieser ein wenig schneller trabte. „Dieser Junge hat es nicht verdient, ein Spielzeug der Götter zu sein. Ich wünschte...“ „Du bist einfach zu edelmütig, weißt du das?“, murmelte Zelda erheitert und lehnte sich genüsslich an seine starke Brust. „Liebst du das denn nicht?“, fragte Link, dessen Gehirn in dem Moment mal wieder abgeschalten hatte. Denn eine solche Frage zu stellen, war alles andere als selbstverständlich. Und beinahe hätte Zelda darauf eine eindeutige Antwort gegeben. Stattdessen schwieg sie... Sie reisten weiter, vorbei an übernatürlich und gespenstisch wirkenden Stromschnellen von gigantischer Größe, in der Nähe von riesigen Wasserfällen vorbei, bis sie beide schließlich einen gefrorenen, in die Länge gezogenen See unter aller Vorsichtsmaßnahmen und sehr langsam überqueren wollten. Sorgsam blickte Link an den steilen Felshängen hinauf, die den See fast schützend einnahmen. Nirgendwo ein Ufer oder eine Brücke. Es gab keinen anderen Weg, außer eine Umkehr... Links tiefblauen Augen wanderten weiter, erblickten die weißen Hänge in tausend Metern Höhe und allmählich wurde ihm ein wenig mulmig zumute. Aber, wie gesagt, einen anderen Weg gab es nicht. Und Umkehren wäre eine schlechte Idee, da sie ohnehin unter Zeitdruck standen. „Was hältst du davon, Zelda?“ „Vielleicht sollten wir dennoch umkehren“, meinte sie. In dem Moment hörten die Beiden ein merkwürdiges Geräusch, etwas Dumpfes, das sich ihnen näherte. Ähnlich Schritten oder einem in wohlgeordneten Rhythmus schlagendem Stapfen auf den kalten Boden. Beunruhigt sprang Link von Namenlos und blickte mit seinen scharfen Augen zurück, erkannte weit in der schneeweißen Landschaft Unmengen von dunklen Punkten, die sich unaufhaltsam in ihre Richtung bewegten. Ergriffen von Hast sprang der Heroe wieder auf das Pferd und ergriff die Zügel. „Wir können nicht umkehren.“, sagte er und machte Zelda damit unmissverständlich deutlich, dass sich etwas näherte. „Eine Dämonenarmee Ganons ist bereits hinter uns.“ Vorsichtig führte Link das Pferd am Rand des Sees entlang, während das Eis unter ihnen sich bog und leise Splittergeräusche von sich gab. Langsam tapste der schwarze Hengst voran und nur seine Hufe, die auf der kalten Eisschicht aufschlugen waren hörbar. Erneut ein Splittern und hastig brachte Link das Pferd zum Stehen, blickte über den zugefrorenen See und dessen rauer Oberfläche. Riss um Riss bildete sich auf der gefrorenen Oberfläche, wo Schnee den See bedeckte und nur ein guter Beobachter überhaupt einen See wahrnehmen konnte. „Link, beeil dich“, sagte Zelda aufgeregt. Und Namenlos galoppierte sachte über den See. Inzwischen drangen Trommelgeräusche mit unverkennbarem Moblingesängen an die Ohren der beiden Hylianer. Trommeln auf einer Wüste aus Eis, die ein mattes und doch gefährliches Echo über die Weiten des Zorareiches schickten und von Mordlust, Wahnsinn und Herzlosigkeit erzählten. Töne, die noch mehr Elend heraufbeschwören konnten. „Wie haben die uns bloß gefunden?“, sagte Link laut, als Namenlos zunehmend schneller über das Eis preschte. Zelda antwortete nichts darauf und starrte angsterfüllt hinauf zu den Hängen, wo sich die Trommelwirbel in puren Naturgewalten niederschlagen konnten. Nicht nur das Eis und der zugefrorene See machten ihr Angst, wohl eher die mit Schnee bedeckten, steilen Hänge rechts und links von ihnen. War das vielleicht die Absicht der Moblins? Die Erschaffung von Schneelawinen, anstatt sie beide endgültig einzuholen? Die Trommelgeräusche näherten sich, wurden wilder, stürmischer und riefen nach einem Sieg des Bösen, der doch nicht allzu weit entfernt sein konnte. Erschreckende Laute, angereichert mit Missgunst für gute Seelen. Ein Splittern und das Eis brach auf. Ein Riss breitete sich aus wie Blut, welches über gestorbenen Erdboden entlang sickerte. Und Namenlos kämpfte weiter, hetzte so schnell er konnte über den See, doch das Ufer würde es nicht mehr erreichen. Ein greller Schrei aus Zeldas Kehle erklang, als Namenlos den Halt verlor und mit den Hinterhufen im gnadenlos kalten See versank. „Spring ab!“, brüllte Link und riss seine Prinzessin ruckartig mit ihm hinab. Nur schwerlich fanden sie beide liegend Halt auf einigen Schollen des Sees. Entsetzt schaute Link zu dem hilflosen Pferd, dass halb unter der Wasseroberfläche versank und kämpfte. Ein aufgeregtes Wiehern, ein kläglicher Laut, den es aussendete, fast einem Hilferuf. Wassertropfen wurden aufgewirbelt und weitere Laute des Pferdes schallten umher. „Verdammt!“, brüllte Link fassungslos, als der Pferd plötzlich sich nicht mehr wehrte, endgültig unter ging und sich nicht mehr zeigte. Es hatte den Kampf mit dem kalten Eiswasser absichtlich verloren. „Es ist unsere Schuld“, setzte Link hinzu uns schlug mit einer Faust auf das Eis ein. Zelda tastete nach Links eisiger Hand und schenkte ihm einen tröstenden Blick. „Wir können es doch nicht einfach ertrinken lassen“, sagte er energisch. Link krabbelte näher an die Stelle, an welcher Namenlos versank und blickte in die tiefe, stumme Dunkelheit des Sees. „Mist“, brüllte Link erneut und schaute hinab, wünschte, er könnte irgendetwas tun. Schon fast dabei in das eisige Wasser zuspringen, fühlte der Heroe plötzlich einen Stups von Zelda an seine Schulter. „Du wirst es nicht glauben, aber schau doch mal nach vorne“, meinte sie. Und Link erhielt beinahe den Schock seines Lebens. Zufrieden stand Namenlos am Ufer des Sees und wartete auf die beiden zur guten Seite gehörenden Hylianer. „Was ich mir überhaupt Sorgen gemacht habe...“, grummelte Link und schüttelte den Kopf. „Eben das Pferd einer Göttin. Es ist sicherlich nicht sterblich...“, meinte Zelda und atmete tief ein, angesichts der Kälte und Nässe ringsherum. Damit krochen die beiden liegend über den See, hoffend, die Risse in dem See würden sich nicht noch vervielfältigen. Und weiterhin schallten Trommelgeräusche durch die Luft, brachten die Schollen in dem See zum Vibrieren, erzeugten weitere Risse. Zelda verlor langsam die Geduld, zog sich nur unter Aufbietung aller Kräfte vorwärts. Das Rauschen in ihren Ohren wurde schlimmer, ihre Atmung gezwungener und pfeifender. Ihre Wunde brannte erneut, was sicherlich mit dieser Anstrengung zu tun hatte. Aber sie wollte kämpfen, sie wollte stark sein und krabbelte weiter, zog sich über das glatte rutschige Eis und blickte Link hinterher, der sich immer weiter von ihr entfernte. Ihre Arme wurden tauber und ein ungewolltes Zittern überkam sie. Die einstige Prinzessin Hyrules hielt an und schnappte nach Luft. Kleine Nebelschwaden bildeten sich vor ihrem Gesicht, die sie nur noch verschwommen wahrnahm. Zelda blickte zu Link, erkannte ihn nur noch verblichen vor sich und hörte fortwährend die beunruhigenden Trommelgeräusche. Sie schloss ihre Augen und blieb mit einem Schlag erschöpft liegen. In dem Augenblick splitterte das Eis erneut und Link sah wie sich die Risse verteilten, sah, wie die Risse länger wurden. Dann wanderten seine Augen erschrocken zu seinem Engel, der sich nicht mehr rührte. „Zelda!“, fauchte Link und hastig zog er sich auf seinen Armen abstützend in ihre Nähe. Aber sie reagierte nicht und Link sah zu, wie sich das Eis um sie herum stückchenweise von dem restlichen Eisbrocken ablöste. Link krabbelte schneller und brüllte ihren Namen, aber Zelda schien endgültig das Bewusstsein verloren zu haben. Ein berstender Ton, ein weiteres Splittern und das Eis unter ihrem mitgenommenen Körper gab nach. Mit einem Schlag zerbrach die Stelle, auf der Zelda ruhte. Entsetzt sah Link zu, wie auch Zelda langsam in dem See verschwand. Link sprang auf, kümmerte sich nicht darum, dass nun auch der Rest des Sees splitterte und hetzte zu ihr, sprang in das eisige Wasser hinein. Link versuchte den Schmerzeffekt zu unterdrücken, als das kalte Wasser sich um ihn legte. Ein Gefühl, als ob jede Körperzelle aufhören wollte zu leben, ein Gefühl, wie als ob das Herz stehen bleiben wollte, begleitet von Qual und Lähmung. Link tauchte in der erbarmungslosen Kälte, spürte des Schlagen der Kälte in sein Gesicht, an seinen bloßen Händen, das Schockgefühl, und sah Zelda langsam nach unten gleiten. Sie rührte sich nicht. Ihre blondes Haar umhüllte wie ein Schleier ihr Gesicht und mit jeder Bewegung bewegten sich die goldenen Haarsträhnen in dem Wasser zu einem stummen Rhythmus. Kleine und große Luftbläschen stiegen von ihren blassen Lippen nach oben. Link schwamm so schnell er konnte, packte sie unter ihren Schultern und zerrte sie nach oben. Viele Minuten später brach ein erschöpfter, zitternder Link mit Zelda auf seinen Armen am Ufer des Sees auf seine Knie. Er hatte sich durch die Kälte und die Eisschollen hindurchgekämpft und kein Gefühl mehr in seinen durchgefrorenen Gliedern. Hastig tankte er Luft und fror am ganzen Leib. Aufgewühlt gab er Zelda sanfte Ohrfeigen an ihre eisigen, schwachrosa Wangen, bis sie blinzelte und Wasser spuckte. Sie sah ihn an, erblickte einige Schürfwunden an seiner Stirn und sah, wie fertig er sich fühlte. „Entschuldige...“, brachte sie Wasser spuckend hervor und spürte die Kälte und Nässe ihrer durchgeweichten Kleidung. In dem Moment versagten jegliche Kräfte, die Link noch hatte, und er fiel rücklings auf den kalten Schnee, schloss seine Augen und versuchte nicht an die bittere Kälte zu denken. Und im Hintergrund erklangen die gefährlichen Trommeln, kamen näher, bis in etwa fünfzig Vasallen Ganons am anderen Ufer des Sees standen und hämisch zu Link und Zelda gafften. Doch sie wagten sich nicht über den See, blieben, wo sie waren, schlugen todbringend mit ihren Waffen auf den mit Schnee bedeckten Boden ein, stapften mit ihren eisenversehenen Lederstiefeln auf dem Boden herum und trommelten, was das Zeug hielt. Mit letzter Kraft stiegen die beiden bis auf die Knochen durchgefrorenen Hylianer auf das Pferd, rieben sich die Hände, zitterten und hofften auf Wärme in der Nähe des anderen. Ohne einen weiteren Blick zu den Vasallen Ganons verschwanden sie in der grauen Wüste aus Schnee und Eis. Kapitel 82: Die Stätte des siebten Weisen ----------------------------------------- Kapitel 65: Die Stätte des siebten Weisen Mit Eiszapfen in den Haaren, rotgekühlten Nasen und frostigen Beinen und Armen trampelten Link und Zelda die Tür zu einer kleinen, alten Schmiede ein. Zwei Stunden waren sie ziellos umhergeirrt, auf der Suche nach einem Häuschen oder einer anderen Möglichkeit sich aufzuwärmen, bis sie schließlich diese aus Holz gebaute Hütte, mit einem kaputten Stall und einigen eingeschlagenen Fensterscheiben fanden. Zelda hetzte auf den Kamin zu, wedelte mit ihrer Hand in der Luft herum, schnitt Kreise bis eine gewaltige Stichflamme aus ihren Fingerspitzen brodelte und das gesamte Kaminloch in Feuer setzte. „Oh... das ging schnell“, murmelte Link und vergaß für einen kurzen Augenblick, wie kalt er sich doch fühlte. Seine Prinzessin rieb sich über ihre Oberarme, fühlte die unangenehme, schwere Nässe des dicken moosgrünen Pullovers, den sie trug und ignorierte Links Kommentar. Mit einem lauten Seufzer hockte sie sich vor die munter vor sich hin lodernden Flammen, begann zu zittern und fror sich halb die Seele aus dem Leib. Link war da mutiger. Es gab keinen Grund in dieser Situation irgendetwas peinlich zu finden. Also ließ er das Schwert mit einem lauten Schlag von seinem Rücken fallen, rasch lösten seine kalten Hände die kupferne Gürtelschnalle, eilig riss er sich die waldgrüne Tunika über den Kopf, entledigte sich des weißen Hemdes, das er trug und beließ nur noch seine Stiefel und die weiße Hose. Mit einem Sprung landete er neben Zelda vor der Wärmequelle. Zeldas Schädel wanderte auffallend langsam zu dem halbnackten Hylianer neben ihr. Unabsichtlich biss sie sich auf ihre Lippe und starrte Link mit roten Wangenbäckchen an, der gerade seine Stiefel von den nassen Füßen zog. „Was ist?“, fragte jener unschuldig, der Zeldas genauen Blick nicht zu deuten wusste. Ihr Kopf zuckte in die andere Richtung und erneut begann die Schöne zu bibbern. Der junge Heroe zwinkerte kurz mit den Wimpern und holte sich die erstbeste Decke aus seiner magischen Tasche. „Worauf wartest du eigentlich?“, sagte er dann und verschwendete keinen Gedanken daran, dass es Zelda vielleicht ungeniert fand, vor ihm ihre Kleidung abzulegen. „Du holst dir noch den Tod in diesen nassen Klamotten.“ „Du Rüpel, ich kann mich nicht einfach vor dir ausziehen. Das hättest du wohl gerne!“, giftete sie. Link verleierte die Augen und drehte sich um. „Mach schon, ich guck’ auch nicht hin.“ „Nein“, sagte sie kühl. Und ihr Held schüttelte mit dem Kopf, drehte sich zu ihr und packte sie fest an ihren Oberarmen. Seine Augen bahnten sich einen zuvor versteinerten Weg zu Zeldas geheimsten Gedanken vor, rückten näher und näher und hypnotisierten. „Hast du Angst vor mir?“, sagte seine tiefe Stimme in nie da gewesenem Klang. „Nein...“, flüsterte sie schwach und konnte nicht vor diesem Blick fliehen, den er ihr schenkte. „Also... worauf wartest du? Oder soll ich dir vielleicht dabei helfen?“ Und der fast melancholische Blick wandelte sich zu purer Abenteuerlustigkeit und Dreistigkeit. „Deine Impertinenz schlägt noch hoch bis zum Himmel, du Lausbub.“ Verlegen und extrem fuchtig riss sich Zelda von seinen inzwischen warmen Händen los, während Link lediglich lachte. Er streckte sich, ließ seine starken Arme ausdauernd in der Luft kurbeln, fühlte das Spannen seiner Muskeln und gähnte dann. Und die blonde Hylianerin fühlte erneut die durchgeweichten Klamotten, ekelte sich ein wenig vor ihrer eigenen durchgeweichten Haut. Sie seufzte und meinte bestimmend: „Aber du wagst es nicht zu schauen, sonst...“ Links tiefblauen Augen wanderten genüsslich zu ihrer schlanken Figur. „Sonst?“ „... sonst belege ich dich mit einem Fluch“, sagte sie protzend und schnallte ihr Schwert und sonstigen Waffen von dem zarten Körper. Aber Link blickte sie immer noch halb schmachtend an. Vernehmbar räusperte sich Zelda und legte beide Hände an ihre Hüften, klapperte mit den Absätzen ihrer teuren Stiefel auf dem steinigen Boden herum. „Willst du jetzt schon den Fluch auf dem Hals haben?“, fragte sie spielerisch. „Kommt darauf an, was der Fluch zu bieten hat“, erwiderte er gehässig. „Stehst du auf Schmerzen, mein Held?“ „Das wiederum kommt auf die Betrachtungsweise und die Definition der Schmerzen an.“ Zelda zog die Nase hoch und brach ab. Sie kannte diese Art der Gespräche, die sie mit Link führte... sie kannte diese Geschichten zwischen ihnen und die Tatsache, dass sie nicht einfach nur mit ihm redete. Schon damals, in Hyrules Vergangenheit lebten sie beide in diesen Worten ihre Gefühle aus... sie mochte dieses Hin und Her. Sie liebte es, sich so mit ihm zu unterhalten. Und doch stoppte sie sich selbst dabei, wissend, sie konnte diese Wortgefechte mit ihm nicht weiterführen, ohne nicht irgendwann... die Wahrheit über dieses unabsichtliche Flirten zu verraten. Sie blickte traurig lächelnd zu Boden. „Habe ich was falsches gesagt, Zelda?“, meinte er leise und wendete sein Gesichtsfeld den Flammen zu, sodass er Zelda nun nicht mehr im Blickfeld hatte und sie sich ohne Scham ihrer Kleidung entledigen konnte. „Ja... und ich ebenso“, flüsterte sie zögerlich. „Sorry...“, entkam es seinen erkalteten Lippen. Ein schwacher Trost. Ein Stückchen Sehnsucht, so ohne Bedeutung. Es sollte einfach nicht sein... Langsam entkleidete sich Zelda ebenso und umhüllte sich sogleich mit einer braunen Baumwolldecke, fühlte wie die Wärme und das Leben in ihren Körper zurückkehrte. Sie ließ sich mit einem zufriedenem Lächeln auf den Steinboden sinken, saß neben Link, der immer noch in das knisternde Feuer blickte als würde er dort etwas suchen, als wollte es ihn verschlingen. „Wollen wir...“, fing er an und starrte immer noch mit seinen ozeanblauen Augen in die gelbe Funken sprühenden Flammen. Etwas funkelte in seinem Blick, ein warmer Hoffnungsschimmer in Begleitung der Flammen, die sich in seinen Augen spiegelten. Ein Glühen, ähnlich dem inneren Feuer und der Leidenschaft, die er mit sich brachte. Er wendete seinen Blick zu der anmutigen Prinzessin, die halb darin versank, so anziehend war dieser Blick in der Minute, fast verführerisch. Erneut dieser Blick, den sie bisher so selten gesehen hatte. Sie wollte wegsehen, begriff aber nicht wie. Sie versuchte zu fliehen, aber es gab keinen Fluchtweg und je langsamer die Sekunden über das Ziffernblatt des mächtigen Medaillons um ihren Hals rannten, umso durchdringender wurde dieser Blick. Aber Link stoppte diesen Blick nicht, unbeherrschte Sehnsucht, Gefühle der Zuneigung. Verwirrt strich Zelda sich eine goldene Haarsträhne hinter das Elfenohr, fühlte Anspannung und ein aufgeregtes, ruheloses Schlagen ihres Herzens. Fast ängstlich schaute sie höflich weg, verschränkte ihre Arme vor sich, da sie nicht wusste, wohin damit. Sie wich dem verlangenden, sicheren Blick aus, fühlte einen gemeinen Knoten in ihrem Hals und im nächsten Moment ein gleichförmiges Kribbeln... zuerst auf ihrer Hand... dann in ihrem Magen... Sie kannte dieses wunderbare Gefühl, wie oft hatte sie sich danach gesehnt, dann, wenn sie in den lauen Nächten in Hyrules Frühling bei offenem Balkonfenster von ihrer Sehnsucht und Liebe träumte... „Wollen wir... nicht endlich...“, sprach Link leise. Fast begierig glitt er näher, suchte ihren verletzlichen Blick, dem sie ihm doch in jener Sekunde nicht gewillt war zu geben. Streichelnd fühlte sie eine warme, raue Hand an ihrem Kinn und fast ein wenig grob hob er ihr Kinn in seine Richtung. „Du hast Angst vor mir...“, murmelte er, als sie seinen vielsagenden Blick wieder traf. „Du hast... Angst vor... deinen eigenen Gefühlen.“ Er ließ seine Hand von ihrem wohlgeformten Kinn gleiten und hinab zu ihrem Hals wandern, streichelte über die weiche Haut, fühlte ein erregtes Zittern, die leichte Gänsehaut, die über ihren Hals lief, nur weil er ihr eine Berührung schenkte. Genießend schloss sie ihre Augen und fürchtete sich doch vor dem, was als nächstes folgen könnte. Erneut seine ruhige, ein wenig raue Stimme. „Wollen wir... es nicht endlich zu lassen?“, sagte er leise. „Wollen wir nicht endlich... aufgeben, uns voreinander zu verstecken...“, ergänzte er träge. Schwachblinzelnd hoben sich ihre Augenlider, zeigten das leuchtende Blau ihrer Augenfarbe und doch die Spur nichtssagende Furcht vor dem, was passierte. Unwiderstehliche Augen mit der Farbe des weiten, unbeherrschten Ozeans darin näherten sich ihr und noch ehe sie begriff, was geschah, löste Link ihre Arme aus der abweisenden, verschränkenden Haltung. Langsam führte er ihre kühlen Arme um seinen eigenen nackten Oberkörper. „Lass’ es zu“, sagte er zärtlich. Er näherte sich ihr, mit Wunsch, ohne Verstand und Vernunft, ließ sich hinfort tragen von den Gefühlen für seine Seelenverwandte, dem Menschen, der ihm mehr bedeutete als sein eigenes Leben. Das Kribbeln wurde stärker, zwingender und ruheloser. Zelda seufzte und nahm an der Empfindung einen nötigen Atemzug. Sorgsam, unheimlich liebevoll legte Link eine Hand an ihren Hinterkopf, streichelte durch das goldene, im Feuer kupfern schimmernde Haar, konnte nicht in Worte fassen, wie einzigartig und magisch dieser seltene Augenblick doch war. Ein vertrautes Gefühl und doch nie geschehen... Sich nähernd fühlte sie überraschend seine tiefen Atemzüge in ihrem Gesicht, wartete so voller Ungeduld, wusste nun, wie unentbehrlich sie sich diesen Moment immer gewünscht hatte- gebetet hatte sie für jene hemmungslose Liebkosung ohne Sinn und Verstand. Und sie ließ es zu, wehrte sich nicht gegen ihre stets unter Verschluss gehaltenen Gefühle, legte soviel in diese leidenschaftliche Empfindung, wie sie nur konnte. Ihre Hände um seinen Hals wurden stärker, fesselnder. Mit ihren Fingerspitzen formte sie Muster auf der Haut seines Halses und in nur wenigen Sekundenbruchteilen geschah, was sie niemals erwartet hatte. Überschäumend, fast quälend war das rufende Gefühl in ihrer empfindsamen Magengegend nun, etwas, was sie noch nie empfunden hatte, was Zelda nicht kannte. Ein erster wahrer Kuss in Hyrules Realität für sie. Eine erste Empfindung so voller Liebe. Links andere, warme Hand bahnte sich seinen Weg unter die braune, strubbelige Decke zu Zeldas schmalen Rücken, streichelte sanft darüber hinweg, steigerte das bedrängende Gefühl fast bis ins Unerträgliche. Ihre Nasenspitzen berührten sich leicht. Ein kurzes Kichern aus Zeldas Mund, gefolgt von einem kleinen Auflachen aus Links. Wie einfach es im Moment schien, einander so nah zu sein... Erneute Stille und nur das Knacken des Feuers in dem Kamin gab den Rhythmus eines sanften, wiegenden Liedes vor. Bedächtig bewegten sich zwei paar Lippen aufeinander zu, sehnten sich nach einem sündenlosen Kuss. Langsam näherten sie sich, offenkundig über die Echtheit ihrer jugendlichen Liebesgefühle. Schwachrote Lippen trafen auf die weichen, roten Zeldas. Kurze Küsse. Ein Herantasten. Link intensivierte den Kuss nach kurzer Dauer und nur zögerlich küsste Zelda ihn zurück, unerfahren, vielleicht eine Spur Ungewissheit und Ungeschicklichkeit verratend. Aber Link störte dies nicht, genüsslich trank er weiterhin von ihren weichen Lippen, schenkte ihr feine Leidenschaft und Liebe, ließ ihr kaum Luft zum Atmen, küsste sie immer wieder, tiefer und inniger. Berauscht stöhnte Zelda leise auf, stoppte die Liebkosung für einen Moment und öffnete schwach ihre Augen, sah etwas Funkeln in seinen tiefblauen, lächelte dann und schenkte ihm wieder feurige, heftige Küsse, als ob sie niemals genug von ihm bekommen konnte. Nach wenigen Minuten lagen die beiden Hylianer Arm in Arm vor dem Kamin und schauten in die hungrigen Flammen. Leicht verlegen und schweigsam stand Zelda mit der pelzigen Decke um ihre Schultern geschlungen auf und schaute, ob ihre Kleidung bereits wieder getrocknet war. Irgendwie konnte sie nach jenen ungestümen Küssen ihrem Seelenpartner nicht mehr in die Augen sehen. Wie konnte es nur dazukommen? Überwältigt von dem Gefühl seiner Lippen auf ihren, jenem Kribbeln im Bauch, hatte sie es einfach zu gelassen... Aber war das richtig? Sie legte aus Scham über die feurigen Küsse, die soeben geschehen waren, eine Hand über ihren Mund. Sachte fuhr sie sich über ihre feuchten Lippen und stand weiterhin mit dem Rücken zu Link. Auch er brauchte Zeit zum Nachdenken... Es war geschehen, einfach so... Warum nicht schon früher, fragte er sich. Er konnte Zelda jetzt irgendwie nicht in die Augen sehen und war vielleicht sogar froh darüber, dass sie ihm den Rücken zuwendete. Einige Minuten vergingen und die Prinzessin zog, diesmal ohne Scham von Link beobachtet zu werden, ihre Kleidung an. Auch Link machte sich bereit für die Weiterreise und war gerade dabei seine Tunika über den Kopf zu ziehen, als Zelda ihn davon abhielt. Ohne ihm in die dunkelblauen Augen blicken zu können, reichte sie ihm ein Kleidungsstück, welches ihm noch sehr helfen sollte. „Ein Kettenhemd?“, sagte er leise und blickte auf das silbrig- glänzende Kleidungsstück. „Mmh... ich finde, das schützt dich besser.“ „Danke...“, murmelte er leise und suchte ihren Blick, sah ein paar leuchtend blaue Augen, deren Farbe von dem Rot von Zeldas Wangen intensiviert wurde. Sie blickte scheu zur Seite und sagte rasch dazu: „Ich habe es in dem Schrank dort drüben gefunden...“ Link nickte, ebenso verlegen, sich fragend, weshalb er jetzt wieder so nervös war. Zelda vernebelte seine Sinne, seinen Verstand und sein Herz... und nur ein Blick, ein Lächeln reichte aus... Sie nahm seine Hände in ihre und flüsterte: „Ich...“ Doch Link schüttelte mit dem Kopf, gab ihr schnell einen Kuss an ihre rechte Augenbraue und umarmte sie liebevoll. „Ich brauche ein wenig Zeit...“, hauchte sie an sein spitzes Elfenohr. „Du hast alle Zeit der Welt... für deine Gefühle, Zelda“, erwiderte er, löste sich von ihr und packte seine restlichen Sachen zusammen. Spät am Nachmittag galoppierte der schwarze Hengst einer Göttin über weiße Feldern in Richtung Norden. Gleißendes Rot schickte seine Ausläufer über die winterliche Märchenlandschaft. An den kahlen Bäumen purzelten pausenlos kleine Wasserperlen hinab. Eiszapfen an den kleinen Häuschen eines Dorfes, welches Link und Zelda passierten, verschwanden durch das warme Sonnenlicht. Der Frühling kehrte ein in Zoras Reich... Irgendwo am Rande jener Hügellandschaft, knapp an der Grenze zu einem weiteren Land befand sich versteckt in einem hohen Turm ein weiteres der Elixiere, das fünfte der Suche nun. „Es ist angenehm warm hier, wenn das Eis wegschmilzt“, meinte Zelda, die sich hinter Link sitzend fest um seinen Bauch schmiegte. Den Kopf an seine feste Schulter gelehnt, hatte sie ihre Augen geschlossen. „Mmh...“, murmelte er und blickte entschieden nach Norden, erkannte von weiten etwas steil in die Höhe ragen. Eine dunkle Flake an der Spitze gehisst, das goldenfarbige Abzeichen des königlichen Adlers auf schwarzem Untergrund. „Zelda, siehst du das?“ Und Link deutete mit einem Arm in die Richtung jenes Bauwerkes, das vielleicht einen Kilometer in der Höhe thronte. „Ja“, meinte sie erfreut. „Wir haben die Stätte des siebten Weisen erreicht. Wunderbar!“, jubelte sie. „Leg’ einen Zahn zu, Namenlos“, meinte Link und klopfte den Hengst an den starken, schönen Hals. Doch hoch oben, dort, wo nicht einmal mehr dunkle oder weiße Wolken vorbeizogen, krochen drei Kreaturen aus ihren ruhenden Verstecken hervor. Der Tag war ihre Nacht, die Sonne ihr Feind, denn jeder Lichtstrahl bohrte sich in ihre Verderben bringenden Körper wie drahtige Gestelle, wie eiserne Klingen. Und so verabscheuten sie den Morgen, liebten den Abend, der jetzt seine tägliche Neuankunft feierte. Schwarze Stofffetzen segelten hinab, durchbrachen Nebel und Gewölk, auf der Flucht vor dem Licht des Mondes. Dunkle Mäntel umhüllten geisterhafte Gestalten, die nicht mehr waren als Schatten, Hass und Siechtum. Mit neuem Mut erreichten Link und seine Prinzessin jenen hohen Turm. Drei Eingänge führten in das Innere des überwältigenden Bauwerkes, drei hohe, gläserne Tore, die weder Griffe noch sonst etwas zum Öffnen besaßen. Der Mond stieg auf, begann seine Kreise und versank halb hinter weißen Schneebergen. Der junge Held warf einen Blick hinauf zu den felsigen, grauen Grundmauern des runden Turmes, blickte angestrengt hinauf, aber konnte das Ende nicht ausmachen. Sorgsam legte er eine Hand auf das glattpolierte Glas und versuchte in das Innere des Turmes hineinzusehen. „Meinst du nicht, wir sollten die Nacht abwarten und morgen früh den Turm besteigen?“, meinte Zelda, die mit einem Stapfen durch den hohen Pappschnee neben Link trat und ebenso in die schwindelerregende Höhe starrte. Mit einem fast gefährlichen Lächeln drehte er sich um, schnappte sich seine Zelda unter ihren grazilen Armen und hievte sie ein Stückchen nach oben, sodass sie sich mit ihm auf selber Höhe befand. Sanft drückte er sie gegen die fugenlose Mauer. Noch ehe Zelda verstand, was geschah, fand sie seinen Mund leidenschaftlich auf ihrem und ungestüm raubte Link ihr jegliches Gefühl für Raum und Zeit. „So...“, flüsterte Link hauchend in ihr Elfenohr und ließ sie los, sodass sie wieder mit den Füßen auf dem Boden stand, auch wenn sie den Boden im Augenblick nicht wahrnahm. Fast flatterhaft fühlte sie sich nach jenem Kuss, ihre Knie schlotterten, das Herz in ihrer Brust gab beinahe Stromstöße von sich, so aufgeladen war es im Moment und sogar in ihren Ohren rauschte es. „... das war ein Ja.“, ergänzte er und blickte schließlich zu einem kleinen Felsvorsprung, unter dem sie vielleicht die Nacht verbringen konnten. „Machst du das jetzt immer so?“, sagte sie und folgte ihm zu dem Felsen. „Was?“, sagte er überrascht. „Deine Art und Weise ,Ja’ zu sagen“, grinste sie überschwänglich und warf ihrem Helden ein bezaubernd schönes Lächeln zu. Seine Augäpfel wanderten schmunzelnd in die Höhe: „Wenn du möchtest.“ „Du bist ein kleiner Lustmolch“, meckerte sie wie eine kleine Ziege. Link war baff. Mit fragendem Gesichtsausdruck ließ er seine tiefblauen Augen an Zeldas Lachfalten entlang wandern und wusste weder ein noch aus. Verlegen und mit einem bedeutungsvollen Rot an seinen Ohren sah er sich den Felsspalt an. „Aber...“, erklang ihre verführerisch verspielte Stimme. „Eigentlich... gefällt mir das ganz gut“, murmelte sie leise. „Und du bezeichnest mich also als Lustmolch?“, entgegnete Link. „Ich glaube, meine liebe Zelda, du bist keinen Deut anders als ich...“ „Deshalb passen wir ja auch so gut zusammen, nicht wahr?“ „Jep, mein kleines, wollüstiges Prinzeschen.“ Nun war es Zelda beschämt drein zu gucken: „Jetzt hast du’s geschafft“, schnaubte sie mürrisch. Wenn Link mit seiner Argumentationsstrategie anfing, hatte auch Zelda manchmal das weite zusuchen. Vielleicht war gerade das einer der Gründe, weshalb sie sich doch so ähnlich waren, einander so vertrauen konnten. Sie kniete flink nieder, schaufelte ein wenig Schnee in ihre Hände und formte einen Ball, den sie Link auf den Pelz schickte. „Lustmolch!“, rief Zelda in die Lüfte. „Lustmolch.“ Lachend rannte Link vor dem Geschoss weg, das Zelda mit ihren magischen Kräften steuerte. Der Schneeball wurde schneller, jagte mit hoher Geschwindigkeit hinter einem wehrlosen Jugendlichen hinterher, der nicht mehr lange fliehen konnte. Gackernd hetzte er mit seinen Armen in die Höhe gestreckt abwechselnd nach rechts und links. Mit einem lauten Schlag traf der Ball den dunkelblonden Helden am Hinterkopf. Fluchend rieb er sich die Stelle und schleuderte Schneebällchen nach Zelda. Und so bewarfen sich zwei jugendliche Hylianer in den Gefilden von Zoras Reich mit weißem Zauber, begannen einander zu fangen und wirbelten lachend in dem weißen Kleid des Winters herum. Ausgelassen und vergnügt bemerkten sie nicht die vielen dunstigen, unreinen Augen, die sich ihnen annäherten, vom Himmel herabstiegen und sich zu Schlitzen verengten, als sie die Beute vor sich hatten. Ein Zischen hoch vom Himmel herabdröhnend, ähnlich einem Kampfschrei. Dunkle Stofffetzen tanzten auf den kaminrotgefärbten Wolken, die am abendlichen Himmel standen. Schwarze, lederne Peitschen schufen sich den Weg durch das Gewölk und blickten zähneleckend zu den beiden vergnügten Hylianern im Schnee. Link lag mit dem Rücken im Schnee und Zelda saß kopfschüttelnd auf seinem Bauch. Grinsend hielt sie seine Arme fest in den Schnee gedrückt und thronte siegessicher auf dem Verlierer der kleinen Spaßaktion. „Du hast dich mit Absicht treffen lassen, oder?“, sagte sie. „Mmh... ich wollte nur wissen, was passiert, wenn ich dich gewinnen lasse.“ „Und?“, fragte sie, hielt seine Hände immer noch in den kalten, nassen Schnee gepresst. „Und?“ „Weißt du nun, was du wissen wolltest?“ „Jep. Du hast mich voll in deiner Gewalt“, gab er grinsend zu. „Das findest du wohl unheimlich spannend, wie?“ Ohne es zu wollen, kaute sie auf ihre Unterlippe und wartete auf eine Reaktion ihres unwiderstehlichen Helden. „Mehr als das...“, murmelte er und richtete sich auf. Nur kurz schaute Link an das dunkler- werdende Himmelszelt und erblickte drei schwarze Punkte weit oben. Drei rauchfarbige Gewänder schwebten wie wütende Schlangen um den langen Schacht des Turmes, bereit zu töten. Stürmisch hetzte Link auf, nahm Zelda fest an ihrer rechten Hand und rannte so schnell er konnte ohne ein Wort zu einem hohen, schmalen Eingang der insgesamt drei Eingänge des Turmes. Zelda begann zu schreien, als sie hinauf in den Himmel blickte und die drei Schreckensgestalten mit ihren todbringenden Peitschen identifizierte. Sie kamen näher, beschleunigten ihr Tempo. Die Luft wurde kälter, gefror, wie das Blut in den Adern, wenn sich diese Schatten breit machten... Den farblosen, gläsernen Eingang im Visier stapfte Link geräuschvoll darauf zu. Mit seinen Fäusten dagegen schlagend, versuchte er in das Innere des Turmes zu gelangen, mit der Hoffnung so vor den Schattengöttern fliehen zu können. Zelda schlich nervös um den Turm herum, suchte nach einer Möglichkeit die Tore zu öffnen, suchte nach Erinnerungen, nach einem Hoffnungsschimmer. Welches Rätsel verbarg sich hinter diesen Wänden? Wie gelangte man durch das robuste Glas? Wutentbrannt trat Link mit dem Fuß dagegen, wurde zurückgeschleudert und humpelte mit einem schmerzenden Fuß in der Gegend herum. Bei Farore und ihrem göttlichen Mut, würde das Glück sie jetzt im Stich lassen? Geschockt beobachtete Link die drei Gestalten, wie sie näher kamen, gefährlich nahe. Ihre verrosteten Stimmbänder vibrierten, kratzen, wann immer ein Laut aus ihren langen, kreidebleichen Hälsen strömte. Ausgebleichtes, dünnes Haar stach aus den dunklen, das Gesicht halb verdeckenden Kapuzen hervor. Knochige Hände umkrallten zerrüttete Hefte von langen Peitschen. Link ließ die Schatten der Gottheiten aus den Augen und sauste zu Zelda hinüber, erblickte Zweifel und die vertraute Angst in ihren sanften Augen. „Zelda, kannst du nicht deine magischen Kräfte nutzen, um eines der Tore zu öffnen?“, fragte Link aufgeregt und stellte sich schützend vor seine Begleiterin. „Ich versuche es...“, meinte sie zitternd, schickte wellenförmige Energiestöße gegen die robusten Tore, solange ihr rechter Handrücken noch nicht durch die Anwesenheit des Bösen schmerzte. Stoßweise prellte Kraft und Stärke gegen die durchsichtige Blockade, wurde aufgesaugt, aber legte keinen Weg frei. „Es klappt nicht“, kreischte sie verzweifelt. „Es klappt einfach nicht“, wiederholte sie und schmetterte weiterhin unsichtbare Kraftfelder gegen die farblosen Scheiben, bis sie vor Kraftverlust zitternd auf ihre Knie sank. „Verdammt!“, brüllte sie und schlug mit ihren Fäusten auf den Schnee. Zornige Peitschen glitten nieder, schlugen auf das raue Mauergestein, hinterließen Spuren im Schnee. Und in Sekundenbruchteilen standen drei mit einer kalte Aura umgebene Kreaturen vor den zwei jugendlichen Hylianern. Schutz suchend klammerte sich Zelda immer fester in Links Hand und wich auf sein Kommando zurück. „Gebt sie her, jene Macht unter den Sternen. Wir wollen sie haben.“, zischten jene grausamen Stimmen gleichzeitig. Näher und näher schwebten sie auf ihren schwarzen Fußsohlen. Der Schnee schmolz in ihrer Gegenwart und erstarrte sogleich zu rutschigem Eis. Und innerhalb von Sekundenbruchteilen starben ringsherum alle Bäume, jeder kahle Strauch- jegliches Leben in ihrer Gegenwart wurde zu Asche, verschwand, so als ob es seiner Existenz entfliehen wollte, um der Grausamkeit jener Schreckensgestalten zu entgehen. „Zelda...“, sagte Link leise. „Ich möchte dich wissen lassen, dass...“, setzte er noch leise hinzu und beobachtete mit einer Spur Mutlosigkeit die Peitschen jener dämonischen Kreaturen. Die einstige Prinzessin Hyrules schüttelte das Haupt, wollte nicht, dass er es jetzt sagte. „Nicht“, sagte sie. „Nicht jetzt!“, sagte sie energischer, teilweise befehlend. Auch ihre Augen wanderten zu den drei Kreaturen und unabsichtlich lehnte sich die blonde Hylianerin gegen das Glas, spürte jedoch keinen Druck, keinerlei Kälte oder Widerstand in ihrem Rücken. Immer weiter lehnte sie sich zurück, bis sie fast vollständig hinter der Glasoberfläche verschwunden war. Fest hielt sie Links Hand in ihrer rechten umklammert und zerrte den überraschten Helden hinter sich her. Verblüfft landeten sie beide auf dem mausgrauen Steinboden im Innenraum des hellen, fast weißen Turmes und schauten unsicher zu den Kreaturen außerhalb. Eine der in dunkle Mäntel gehüllten Bestien setzte zum Sprung an, knallte mit einem hässlichen Knacken an die Scheibe und wurde meterweit zurückgeschleudert. Schrilles Geschrei schallte umher. Gezänke. Wütende Rufe und Flüche. Die Peitschen schossen lautdröhnend an das robuste Glas, und doch gewährten die Scheiben ihnen kein Eindringen. Der Weg in das Innere des weißen Turmes war wieder geschlossen- versperrt für dunkle Seelen, aber offen für all jene, die reine Absichten verfolgten und Hilfe benötigten... Kapitel 83: Geheimnisse der Vergangenheit XII --------------------------------------------- Kapitel 66: Geheimnisse der Vergangenheit XII Ein neuer Morgen brach an. Eine blutrote Sonne stieg auf und prophezeite Feuer, Sturm, Kämpfe, prophezeite Erbarmungslosigkeit und Gewalt, Unheil, wie kein anderer Morgen. Zelda, Kronprinzessin von Hyrule, fühlte die Veränderung und konnte doch nichts dagegen tun. Etwas war im Gange, nicht nur hier, sondern auch an einem anderen Ort, dort, wo Ganon gefährlich, bedrohlich an seinen Ketten rüttelte. Nachdenklich stand sie an einem kleinen runden Fenster des höchsten Turmes von Schloss Hyrule und beobachtete das glühende, pulsierende Rot, das Hyrules Steppe in einem Meer der Flammen erstrahlen ließ. Ja, in der Tat. Dieser Morgen würde Veränderungen bringen, nicht nur der Welt, sondern auch ihr. Es war der Tag, an dem ihre Wahl fallen sollte. Dutzende junge, feine Adelsmänner waren unterwegs zu Schloss Hyrule. Einige wenige waren bereits hier, aber hatten die wunderschöne Hoheit noch nicht zu Gesicht bekommen. Und Zelda, sie fühlte sich genauso... wie ein Preis, der gezeigt werden sollte, an den jeder seine Hand legen konnte. Sie verabscheute diesen Tag der Veränderungen, auch wenn sie sich nicht wehren konnte. Es war ihr Schicksal, ihre Bestimmung Hyrule in eine neue Ära zu führen. Gerechtigkeit, die das Höchste aller Ziele darstellte, oblag nur ihr. Doch niemand fragte nach Gerechtigkeit, wenn es darum ging, einer Prinzessin die Wahl, den eigenen Willen, zu lassen. Niemand fragte... das war wohl der Preis, den man für soviel Ansehen, soviel Anmut und Prestige zu zahlen hatte- man legte die Verantwortung für die Freiheit eigener Gefühle ab. In dem Augenblick wurde ihr schwarz vor den Sinnen und nur mit letzter Kraft krallte sie sich an dem kleinen Fensterrahmen fest, spürte das Nagen des Wissens an ihrer Seele, fühlte Zerstörung, Wut und das Ende einer kostbaren Welt, die niemand so sehen konnte wie sie. Ihr Atem kam stoßweise. Keuchend versuchte sie ihr Gleichgewicht zu halten, auf ihren Beinen zu bleiben und restliche Kräfte zu mobilisieren. Blinzelnd, mit unerträglichem Schmerz in der Seele, im Herzen, sogar in ihren Triforcefragment brachte sie ihren Blick hinaus auf Hyrules gigantische Steppe. Die Last ihrer Verantwortung wurde schwerer, drängender, als ob jene die Prinzessin Hyrules aufsaugen wollte. Kurze Bilder strömten in ihren Geist, kurze Erfahrungen, dem Tode geweiht, beseelt mit den alten Geistern jenes Landes. Kurze Bilder, in denen die weiten saftiggrünen Steppengräser verblassten. Es brannte teuflisch in ihrer Seele, wie namensloses Gift. Verblassende Städte. In dichten Nebeln versinkende Wälder. Bleiche Farben nahm die Welt an, Farben, die doch keine waren. Sie wandte sich vom Fenster ab, fühlte das Zittern ihrer Glieder, den trommelnden Kopfschmerz nach jener Vision und blickte sich ein letztes Mal in jenem Dachboden um, wo sie schon als Kind gerne gespielt hatte. Ein Ort, so voller Erinnerungen an ihre eigene Mutter, ein Ort, wo alte Gegenstände in die Fängen der Vergangenheit rückten. Ein altes Spinnrad. Ein Holzpferd mit goldenem Anstrich und einem rosa Stoffsitzbrett. Alte Portraits vergangener Zeiten, vergangener Könige. Vergänglichkeit, wie schmerzhaft bewusst ihr in dieser Sekunde wurde, wie vergänglich sie doch war, wie vergänglich dieses Zuhause war, wie vergänglich jene Zeit und jenes Hyrule... Sie lief langsam die Stufen der Wendeltreppe hinab, eine Kerze in ihrer rechten Hand. Plötzlich Schritte, die sie erinnerten. Eine bekannte Person suchte bereits nach ihr. Rote Augen, so glühend wie der anbrechende Morgen, erschienen in der Dunkelheit. „Da seid Ihr ja, Prinzessin. Euer Vater und die Hofdamen suchen bereits nach Euch.“ Zelda lächelte schwermütig und lief vorsichtig mit einem einfachen Nicken an ihrem Kindermädchen aus Kindertagen vorbei. „Noch etwas, Prinzessin. Link ließ mir ausrichten, er nimmt die Einladung zu dem Großen Bankett heute Mittag an.“ Überrascht blieb Zelda stehen: „Eine Einladung? Wer hat diese verschickt?“ „Euer Vater bat mich darum und daher...“ Zelda unterbrach Impa verärgert. Selbst ihre Augen glühten nun in dem dunklen Treppenaufgang. „Wie konntest du? Ich habe nicht darum gebeten, dass er hier auftaucht. Ich brauche sein Mitleid für die näherrückende Entscheidung, die ich zu treffen habe, nicht. Ich brauche ihn nicht...“ Impa blickte geschockt drein und glaubte sich verhört zu haben. „Weshalb hegt ihr einen solchen Groll gegen Link?“ „Ich hege keinen Groll gegen ihn, ich will mir lediglich seine Anwesenheit ersparen.“ Impa packte Zelda grob an ihrem Arm. „Dazu habt Ihr nicht das Recht, Prinzessin.“ „Ach ja? Aber das ganze Land hat das Recht auf mir herumzutrampeln, auf meinen Gefühlen, auf dem kleinen Prinzeschen, das nicht das Recht besitzt zu leben wie jeder andere.“ „Prinzessin?“ Impas Stimme wurde lauter, als Zelda in Windeseile an ihr vorbeieilte und zügig die Dunkelheit verließ. „Lass’ mich“, rief sie noch und verschwand. Wenige Minuten später stand Zelda in ihrem Schlafgemach, umgeben von vielen Kindermädchen und Hofdamen, die an ihrem gesamten gottesgleichen Körper herumbastelten. Die Prinzessin sollte heute schließlich aussehen wie das, was sie war- eine Prinzessin. Hübsch. Makellos. Gepflegt und ohne den geringsten Fehler. Zwei Personen machten sich an Zeldas langen blonden Haaren zu schaffen. Eine Hofdame knöpfte mühsam ein viel zu enges Korsett zu und zog bis die blonde Hylianerin fast keine Luft mehr bekam. Eine weitere Hofdame nahm Abmessungen an dem Kleid vor, welches Zelda heute tragen würde- ein schweres königliches Gewand, mit reichlich Details, viel Schmuck und aus dem besten Stoff bestehend, welchen es in Hyrule gab. Wieder ein Kindermädchen tupfte ihr irgendwelche Dinge auf das Gesicht, sodass man Zelda vor lauter Schminke nicht wiedererkennen konnte. Sie hasste es. Aber sie machte gute Miene zum bösen Spiel. Sie verzog nicht eine Falte in ihrem Gesicht und ließ alles über sich ergehen. Sollten sie sie doch ankleiden wie eine Porzellanfigur oder ausstopfen wie eine zusammengeflickte Puppe. Irgendwie war es alles im Moment egal. Zelda ignorierte. Sie verdrängte und zeigte nicht ein Lächeln. Und mit jeder weiteren Minute, die verging, legte sich ein merkwürdiger Schatten über das Blau ihrer Augen, einer Schutzmauer gleich, die sie davon abhielt, Gefühle zu zeigen, die sie letztlich doch nur verletzen würden. Link befand sich gerade mit Malon in der Hauptstadt Hyrules, kämpfte damit, überhaupt nur an den Gedanken zu denken, dass er in weniger als zwei Stunden an einer Tafel mit noblen Leuten und dem König höchstpersönlich saß. Und Zelda... dies schien wohl das schwerste überhaupt für ihn zu sein. Der Gedanke an Zelda. Malon gab ihm plötzlich einen Stups in seine Rippen und brachte den armen Helden damit aus dem Gleichgewicht, sodass er fluchend auf seine Schnauze fiel. „Tz... Tz... Warum ist der Held Hyrules nur immer so gedankenlos, sodass er allein durch seine Unaufmerksamkeit auf die Nase fällt“, sagte Malon und kicherte dann. Link machte ein ärgerliches Gebrummel und stand auf, ignorierte die Hand, die das Farmmädchen ihm gab und wischte sich den Dreck von seiner grünen Tunika. „Sorry, Link. Ich wollte dir nur mal klar machen, dass noch schlimmere Dinge geschehen könnten, wenn du weiterhin so gedankenlos bist.“ „Ich bin nicht gedankenlos.“ „Jaja, das merkt man.“ „Wieso?“ Malon lief zu ihm heran und klopfte an seine Stirn. „Dein Kopf ist wahrscheinlich ausgefüllt von viel zuviel Gedanken, sodass du nichts mehr außer denen in deinem Gehirnskästchen wahrnimmst, mein Freund.“ Link schaute verärgert drein und fauchte lautstark auf dem Marktplatz herum, sodass jeder es hörte: „Na und? Was ist so verkehrt daran, sich Gedanken zu machen, wenn man eine Einladung ins Schloss hat?“ Einige Leute drehten bereits ihre Köpfe. „Alles, mein Lieber. Du hättest die Einladung schließlich in den Wind schieben können.“ „Ja, das hätte ich gerne, wenn ein gewisses Farmmädchen mit Namen Malon nicht so unverfroren gewesen wäre und der Wache, die die Einladung brachte, gesagt hätte, ich nehme die Einladung an.“ „Hängst du mir das immer noch nach, mein armer, armer Held der Zeit?“ Sie kicherte und warf ihr kastanienbraunes Haar zurück. „Ja, ich wollte diese Einladung nicht.“ „Aber ich musste dir schließlich einen Gefallen tun, da du mich ja in gewisser Weise ins Schloss heute Abend schleusen wirst, mein Guter.“ „Das nächste Mal überlege ich es mir reiflich, wenn du mich um einen Gefallen bittest.“ „Wie du meinst“, sagte sie und grinste hämisch. „Wie auch immer Link, ich muss jetzt Impa finden und du gehst treu und brav mit dieser Einladung zu dem Haupttor des Schlosses. Viel Spaß und viel Vergnügen. Bis später.“ Sie hüpfte von dannen, lachte frohen Herzens und wusste, dass sie das Richtige getan hatte, als sie die Einladung für Link annahm... Link schaute Malon hinterher und unterdrückte den Zwang länger auf sie sauer zu sein. Sie wusste, was Zelda ihm bedeutete und hatte wohl einfach nur helfen wollen. Nun gut, sagte er zu sich selbst. Geh zum Schloss, bring’ diese Sache hinter dich. Hauptsache, du überstehst das ohne üble Nachrede und einer Ohrfeige von Zelda, sagte er zu sich, um sich Mut zu machen. Er trabte gemächlich vor sich hin und entdeckte vor den Schlosstoren viele Kutschen und einige Leute, die er noch nie gesehen hatte. Hylianer in strahlenden Rüstungen, mit Abzeichen und Orden. Vermutlich Gäste, die ebenso an dem Bankett teilnehmen wollten. Link verglich dann sein eher gewöhnliches Outfit mit denen, das jene Ritter trugen und kam sich ziemlich unterbemittelt vor, alles andere als vorbereitet für eine Speisung zu Tisch mit der Königsfamilie Hyrules. Was tun? Er schaute sich von oben bis unten an und hatte ein sehr schlechtes Gefühl bei dem Gedanken an das Essen in nun noch einer Stunde. ,Ich will nicht’, schallte es in seinen Gedanken umher. ,Ich will nicht.’, wiederholte er in seinen Gedanken. Unsicher blieb er stehen und schaute weiterhin zu den noblen Adelsmännern vor dem südlichen Schlosstor. Einer der Ritter fing dann seinen Blick ein und blickte eher weniger verächtlich zu ihm. Er lief auf ihn zu. Daher besah sich Link die Person genau. Es handelte sich um einen sehr gutaussehenden Mann, soweit Link das beurteilen konnte. Nicht, dass er sich etwas aus dem Aussehen irgendwelcher Männer machte- das überließ er lieber den Frauen, aber zumindest wirkte der Kerl dort weder abgemagert, noch wie ein kleiner Mönch, der in sein Bierfass hineingefallen war. Der Typ trug eine typische hylianische silbernschimmernde Ritterrüstung mit langem weißen Mantel, der lässig über seinen Rücken lag, hatte braunes, schulterlanges Haar, rehbraune Augen und ein neugieriges Grinsen im Gesicht. Er trat näher und reichte Link die Hand. Überlegen, und doch beherrscht sahen seine Augen aus dem sonnengebräunten jugendlichen Gesicht hervor. Tatsächlich schien jener Kerl kaum älter als der verblüffte einstige Kokiri zu sein. Der junge Held mit der grünen Tunika nahm die Hand des noblen Kerls, worauf dieser sagte: „Mein Name ist Caldrian. Caldrian von Calatia. Ich nehme an, Ihr seid der Held der Zeit, nicht wahr?“ „Wie kommt Ihr darauf?“, sagte Link und schaute misstrauisch in die Augen des jungen Caldrian. „Nun, laut meinem Vater trägt jener Held ein Outfit wie Eures und wirkt ziemlich ungehobelt.“ „Ich wirke auf Euch also ungehobelt, sehr nett. Gestattet, ich könnte Euch meine Ungehobeltheit beweisen, wenn Ihr überhaupt wisst, was man in Eurer Position als ungehobelt definieren sollte“, entgegnete Link ironisch. Er war nicht in Stimmung für einen Möchtegernritter wie diesem... Entgegen aller Erwartung reagierte Caldrian kühl, weder beleidigt, noch verärgert. „Entschuldigt. Es war sicher nicht meine Absicht Euch zu beleidigen. Es ist wohl nur so, dass Ihr unter einigen Rittern kein gutes Ansehen genießt. Ich nahm an, fairerweise, solltet Ihr das wissen.“ „Ich brauche kein gutes Ansehen, nur um Fähigkeiten zu beweisen, die ich nicht habe, so wie einige umwerfende Ritter der hylianischen Tafelrunde.“ Irgendwie tat es gut, seinen Frust auf diese Art und Weise los zu werden, also wetterte Link mit fiesen Sprüchen umher, wie er nur konnte. Caldrian schwieg und schaute eine Spur bedauernd in Richtung der vielen kleinen Wege, die in den Schlossgarten führten, verfolgte mit seinen rehbraunen Augen einige Spatzen, die fröhlich auf den Wegen herumhüpften. Vielleicht hatte Link doch übertrieben... Link beobachtete den Blick Caldrians und konnte irgendwie nicht verstehen, was es war. Aber es schien, als wäre er diesem jungen Mann irgendwann schon einmal begegnet. Zuerst war es reine Neugier, nun jedoch schon hartnäckiges Interesse. Und immer sympathischer wurde ihm jener junge Prinz aus einem der Nachbarländer Hyrules. „Ihr stammt aus Calatia?“, meinte Link nach wenigen Minuten Stille. Inzwischen hatte er das Gefühl, er müsste sich bei Caldrian irgendwie für sein verärgertes Gemüt entschuldigen. „Jup“, entgegnete Caldrian, mit einem Mal sehr reumütig, wohl, weil derartige Wörter nicht in die gebildete Sprache eines Prinzen gehörten. Er räusperte sich und sagte noch einmal: „Ja, so ist es.“ Link war erstaunt und sah ebenso drein, als wäre er überrascht. „Ich war auch einmal für wenige Tage in Calatia, da ich jemanden einen Gefallen tun wollte. Es ist Hyrule sehr ähnlich, nicht wahr?“ Der junge Kerl nickte: „Korrekt. Unsere Gesetzgebung, die Richtlinien bezüglich Gleichberechtigung und die Landschaft, die Berge, Flüsse und Seen ähneln Hyrules. Vielleicht ist das der Grund, dass mein Vater und der König Hyrules sich so gut verstehen.“ „Ist dem so?“, fragte Link und dachte ungewollt daran, dass Caldrian vielleicht der zukünftige König an Zeldas Seite sein könnte. Sein Blick wurde ernster, trauriger und irgendwie verletzlich weich. Allein dieser Gedanke machte ihn krank... Links Kehle entkam ein Seufzen und nur um sein Gesicht zu wahren, drehte er dem Prinzen den Rücken zu. Aber Caldrian empfand dies anscheinend als unhöflich genug und lief um Link herum, um seinen Blick zu treffen. „Ihr kennt die Prinzessin gut, nicht wahr?“ Dieser Satz erweckte etwas in den blauen Augen seines Gegenübers, das Caldrian äußerst verdächtig vorkam. Er hatte wohl das Thema getroffen... „Ich kenne sie wie mein eigen Fleisch und Blut.“, sagte Link, oder besser babbelte er, sodass Caldrian es nicht verstanden hatte. „Ich hatte ebenfalls eine Begegnung mit ihr- vor einigen Monaten“, begann er und drehte sich um. Caldrian lief einige Schritte zu dem Schlosstor, wo nun keine Kutschen mehr standen. „Sie ist eine außergewöhnliche Persönlichkeit, aber... irgendwie sehr unnahbar. Wann immer ich sie sah, war sie ernst, trocken und kühl. Dabei erzählt man sich im Land meiner Väter immer von der Herzenswärme, dem Mitgefühl und der Leidenschaft Prinzessin Zeldas. Es ist nicht so, dass ich ihr gegenüber abgeneigt wäre, das ist wohl keiner, aber sie wirkt so...“ „...traurig?“, meinte Link. „Ja, genau.“ Link folgte dem Burschen eine Weile und blickte angestrengt zu Boden. Caldrian allerdings entwickelte ein immer besseres Bild von jenem Helden, der immer noch, selbst nach vielen Jahren in aller Munde war. Ungehobelt kam ihm der junge Mann mit der waldgrünen Tunika jedoch überhaupt nicht vor, ganz im Gegenteil. Link wirkte sogar sehr ernst auf ihn und scharfsinnig. „Sagt Ihr mir Euren Namen? Nur so?“, sagte Caldrian zaghaft. „Link. Mein Name ist Link.“ „Klingt gut. Knapp und vielversprechend. Seid Ihr denn auch so?“ „Was? Link?“ Nun ja, Link kamen einige Streiche in den Sinn, die als Opfer immer Mido auserkoren hatten. In dem Sinne konnte man ihn vielleicht link, hinterhältig und als falsch bezeichnen, aber Mido hatte es ja manchmal mehr als die Maßen verdient, dass man fies zu ihm war. Link entschied sich für das Gegenteil. Im Großen und Ganzen war er eigentlich ein sehr anständiger Mitbürger Hyrules. „Eigentlich nicht, aber bei manchen Leuten mache ich Ausnahmen.“ Caldrian grinste. „Ich suche jemanden, der mich ein wenig herumführt. Würdet Ihr mir die Ehre erweisen, Link?“ Der Held der Zeit überlegte. Nachdenklich schaute er in Caldrians Gesicht und nickte dann. Gemeinsam folgten die beiden jungen Kerle einem der Wege in den Schlossinnenhof. Nach einer Weile des Schweigens, brach Link wieder die Stille: „Ihr könnt mich ruhig duzen.“ „Du mich auch. Ich halte eigentlich nicht viel von diesem höfischen Getue.“ Das hatte Link schon vorhin bemerkt, ebenso wie die Anstrengung Caldrians sich nicht zu einer minderen Sprache hinreißen zu lassen. „Da verrate ich dir was: Zelda hält auch nicht viel davon.“ „Wirklich?“ „Wenn ich es doch sage.“ „Das ist gut. Vielleicht schaffe ich es ja doch mit ihr in ein Gespräch zu kommen.“ Das anfängliche Misstrauen und die Abgeneigtheit gegenüber Caldrian waren schnell verflogen. Link war sich sicher, dass dieser junge Adlige sein Herz am rechten Fleck hatte. Zufrieden ließ sich Link nicht zweimal bitten und schlug Caldrian auch weiterhin vor, ihm zu folgen. Link führte ihn ein wenig durch den Schlossgarten, vorbei an merkwürdigen Grimassen, die einige Wachen zogen und schließlich zeigte Link ihm das Schloss. „Du bist also auch zum Bankett eingeladen. Klasse. Wenigstens ein bisschen ordentliche Gesellschaft. Freut mich, dich wiederzusehen, Link“, sagte Caldrian. „Ganz meinerseits“, erwiderte Link. „Bis später.“ In aller Seelenruhe lief Link einen Korridor entlang, bis ihm einfiel, dass er immer noch ein kleines oder großes Problem hatte. In welchem Outfit bitte schön sollte er an dem Bankett Teilnehmen? Verflucht, brummte es in seinen Gedanken. Plötzlich tippte jemand mit dem Zeigefinger auf seine Schulter. Link kannte die Gestalt, es war eine der Hofdamen, wie war noch gleich ihr Name? Maia? „Den Göttinnen sei Dank, dass ich Euch noch finde, Sir.“ Link setzte ein verschmitztes Grinsen auf und sagte: „Wie kann ich helfen?“ Sie verbeugte sich kurz und sagte: „Ich bin hier um Euch zu helfen. Impa sagte, ich solle Euch suchen, mit dem Hinweis, Ihr bräuchtet eine neue Garderobe.“ Link zuckte kurz mit den Schultern und folgte der Hofdame ohne Wiederrede. Kapitel 84: Im Haus der Götter ------------------------------ Kapitel 67: Im Haus der Götter „Puh... mal wieder Schwein gehabt“, stellte Link fest und half Zelda auf die Beine. Außerhalb des weißen, gigantischen Turmes schlürften weiterhin die Füße der Schreckensgestalten durch den Schnee, tobten mit ihren schiefen Stimmen, schickten ihre ledernen Peitschen gegen das robuste Glas. Prüfend schauten die tiefblauen Augen Links nach draußen, bis sich ein ausgemachtes Grinsen auf seinem Gesicht regte und er den Schatten beinahe eine Grimasse gezogen hätte. Gerade in dem Moment spürte er einen Stups von Zeldas Ellenbogen an seinen Oberarm. „Du brauchst sie nicht noch zu verhöhnen und ihre Wut zuschüren. Wenn wir nicht solche Glückspilze wären, hätten sie uns schon lange drangekriegt.“ „Ja, aber so ist es nicht, also beruhige dich, Zelda.“ Verliebt führte er ihre rechte Hand an seine Lippen und küsste diese. „Du weißt, mit welchen Waffen du mich umstimmen kannst...“, murmelte sie und schenkte ihrem Helden einen kurzen verträumten Kuss. „Mmh... und ich bin gut darin...“, entgegnete er und lachte leise auf. Der Innenraum des weißen Turms wirkte noch kleiner, als von außen her ersichtlich. Nichts befand sich hier, nur eine schmale, steinerne Wendeltreppe ohne Geländer, die an den weißen, rauen Innenwänden hinaufführte. Langsam tapsten die beiden Spitzohren hinauf, blickten aus den hohen Spitzbogenfenstern des Turmes, sahen weiße Hügel und Berge, die mit grünen Flecken beschmückt waren. Der Winter verschwand, der Schnee schmolz über den mittelhohen Bergen, über den vielen Hügeln in Zoras Reich. Letzte Sonnenstrahlen fluteten den grauen Wolkenhimmel und tauchten das Reich in weiche rote Farben. „Sag’ mal, Zelda...“ „Was möchtest du wissen?“, sagte sie und schaute misstrauisch über die Treppenkanten in die Tiefe hinab, als sie nun schon vielen Minuten emporstiegen. „Haben wir eigentlich den Eingang zu Zoras Reich schon passiert?“ „Ja, schon lange... aber es gibt mehrere Eingänge dorthin. Du möchtest dich dort wohl umsehen, wie?“, fragte sie schmunzelnd. Link fing ihren Blick ein und grinste ein wenig. „Ja, das kann ich nicht verheimlichen... ich bin neugierig, wie es dort wohl aussehen mag.“ Langsam lief er weiter. „Ich bin mir sicher, dass du irgendwann deine Erinnerungen wiedererlangst“, ergänzte Zelda. „Und wenn es dann soweit ist, wirst du dich auch an die Orte erinnern können, die du damals bereist hast.“ „War ich denn wirklich so...“ Sie unterbrach ihn: „Du warst der schlimmste Abenteurer, den ich kannte. Aber du hast es immer vorgezogen, deine Abenteuer alleine zu bestreiten.“ Eigentlich schade, dachte Zelda. Sie hätte schon damals gerne mit ihrem Helden ferne Länder besucht, Herausforderungen angenommen und Dinge über der gewöhnlichen Vorstellungskraft hinaus erleben wollen. Aber zu jener Glanzzeit Hyrules, damals, hatte er stets Wert daraufgelegt, alleine zu sein, wenn er Tempel durchforstete, alleine zu sein, wenn er kämpfte und wenn er... tötete... „Wenn ich ehrlich bin...“, sagte Link und schnappte sich ihre rechte Hand. Ein wenig schneller lief er weiter. „... würde ich es auch jetzt vorziehen, das Elixier alleine zu holen, Zelda.“ Seine Worte klangen ruhig und doch war sie ein wenig verärgert darüber, obwohl sie seine Absichten verstand. „Ich will dich nicht unnötig einer Gefahr aussetzen, Zelda... das ist der Grund. Ich sage das nicht, um dir weh zu tun, oder dich wütend zu machen.“ Aber er konnte ihr trotz allem nicht in die Augen sehen, sondern schaute entschieden nach vorne, blickte in die schwindelerregende Höhe. „Würden die Schattengötter nicht an den farblosen Toren des Turmes verweilen, würde ich jetzt alleine hier hinaufgehen“, sagte er bestimmt und sicher. „Hast du so wenig Vertrauen in meine Fähigkeiten?“, fragte sie leise und löste betrübt ihre Hand aus seiner. „Nein... du bist verwundet, Zelda.“ „Das ist nicht der Punkt“. sagte sie standhaft. Und Link wusste, sie hatte Recht. Ihre Verletzung war nicht der einzige Grund, dass er es vorzog, das Elixier alleine unter den Gefahren zu besorgen. „Schon damals hast du mich bei den Kämpfen nie dabeihaben wollen. Du wolltest nicht, dass irgendjemand dabei ist, wenn du kämpfst.“ Traurig blickte er zu Boden, wissend, dass einige Funken der Vergangenheit, einige Züge seines Charakters geblieben waren, wie auch jetzt. „Ich wollte nicht, dass jemand mit ansieht, wie ich töte. Und ich wollte sicherlich nicht, dass irgendjemand miterlebt, sollte ich einen Kampf... verlieren“, brachte er mit sehr viel Gefühl über seine Lippen. Erschrocken blieb Zelda stehen und sah die Schattenseiten seines Abenteuersinns nun so klar und deutlich wie noch nie. Dumm, sagte sie sich, dumm von mir, dass ich diese winzige Angst in seinem Herzen nie sehen habe wollen... „Warum vertraust du mir in dieser Hinsicht nicht?“, murmelte sie. „Sicherlich vertraue ich dir...“ „Du gibst mir aber gerade nicht das Gefühl, dass du dies tust“, sagte sie abschließend und humpelte zügiger weiter. Nach mehr als einer Stunde gelangten Link und seine Prinzessin an das Ende der Wendeltreppe. Ein steinerner, weißer Altar ruhte dort. In einer kleinen, gläsernen Flasche befand sich ein schimmerndes farbloses Elixier. Das Elixier zur Verstärkung der Kräfte des siebten Weisen. Link nahm es wortlos an sich und verstaute es in der kleinen Ledertasche, wo bereits die anderen Elixiere ruhten, das des Weisen der Geister, sowie Wasser, Wald und Licht. Nur noch Feuer und Schatten fehlten, dann wäre die Mission geschafft und der Rückweg in die neue, moderne Menschenwelt musste gefunden werden. Die Rückkehr und die Vernichtung Ganondorfs. Mit dem Versuch eines Lächelns blickte Link in Zeldas bekümmertes Gesicht, hatte gehofft, die Streitereien zwischen ihnen wären passe. Aber unter den Umständen, zwei völlig verschiedene Welten retten zu müssen, war die gereizte Stimmung zwischen ihnen nur zu verständlich. Es lag nicht an ihnen, dass sie beide unter diesem enormen Zeitdruck standen, mit der Angst im Nacken von Ganons Scharren gefunden zu werden. Es lag nicht an mangelndem Vertrauen... „Entschuldige, Link“, sagte sie leise und suchte seine Nähe. „Ich bin ein wenig angespannt. Ich weiß, dass du mir vertraust.“ Er nickte und gab ihr spontan einen Kuss auf die Wange. „Schon gut...“ Langsam tapste das Pärchen mit leisen Geräuschen die Stufen erneut hinab. Die Nacht brach herein und der kühle Mond stand schon weit am Horizont. Einzelne Sterne leuchteten in jener kalten Frühlingsnacht, Sterne, die ihr Licht durch schwache Wolkenschwaden hindurchschickten. Doch Link und Zelda würden das Ende des Turmes diese Nacht nicht mehr erreichen. Umgeben von alter Magie schwanden sie, wurden hinfort getragen an einen Ort, den sie nicht einmal in ihren tiefsten, geheimnisvollsten Träumen betreten wollten. Sie waren Gäste diese Nacht, bedeutsame Gäste in den Reihen derer, die Hyrule erst zu dem machten, was es war. Nur wenige betraten einst jenes Haus hoch über dem weiten Horizont, nur wenige erwünschte, wie auch unerwünschte Gäste... Als Link seine Augen öffnete, fand er sich benommen in einem kleinen, dreckigen Verlies. Er musste teleportiert worden sein... Kopfschüttelnd sprang er auf seine Beine und blickte sich mit erstaunten Augen um. Schnell suchte er nach der kleinen Öllampe in seinem Besitz und brachte Licht und Wärme in die stickige Dunkelheit. Die kleine Zelle hatte ein Bettchen, ein winziges Fenster mehr einem Guckloch gleich und in der hintersten Ecke befanden sich schwere, teilweise verrostete Eisenstäbe, die gefangen hielten, wer immer hier eingesperrt wurde. Neugierig und eine Spur aufgeregt, man könnte ihn in dieser Zelle seinem Schicksal überlassen, leuchtete er umher und warf einen Schein des Lichtes in den schwarzen Gang außerhalb seines Verlieses. Doch niemand war da. Plötzlich kam eine angenehme, warme Stimme aus der anderen, noch in Dunkelheit gehüllten Ecke des kleinen Gefängnisses. Eine Stimme, die dem Säuseln des Windes sehr ähnlich war, oder wie dem Rauschen eines Stromes, wenn das mürrische Eis taute. „Du fandest mich?“ Und doch war jener Satz mehr eine Feststellung als eine Frage. Erfüllt von einer Spur Misstrauen lief Link in die Richtung jener Stimme, beleuchtete mit der Öllampe mehr und mehr Raum des kleinen Verlieses, umklammerte mit seiner anderen Hand das Heft seines Schwertes. Furchtlos, als gäbe es in dem Moment keinen Grund mehr vor irgendjemanden Angst zu haben, folgte Link dem Licht, das seiner Erscheinung vorausging. Langsam trat Link näher, erkannte in einer Ecke eine in dunklem grün eingehüllt Gestalt. „Wer seid Ihr?“, sagte Link und stellte die Lampe vor dem merkwürdigen Wesen ab. „Niemand, der noch Rechte besitzt in diesem Kerker.“, entgegnete diese angenehme Stimme, die Link irgendwie beruhigte und einen Strom gewaltiger Energie zuführte. Zwei verschrumpelte, alte Hände regten sich und griffen nach der Öllampe, als wäre diese etwas sehr kostbares. Wilder und wilder flackerte das kleine Feuer in jener Lampe, als jene alten Hände sich auf das erwärmte, bräunliche Glas des Gefäßes legten. Neugierig wagte Link einen Blick unter die dunkle Kapuze der Gestalt, sah leuchtend grüne Augen aus dem alten, narbenreichen Gesicht hervorstrahlen. Alte, weise Augen voller Zuversicht, Hoffnung. „Wo sind wir hier?“, fragte Link wieder und schaute nach draußen, suchte nach einer Fluchtmöglichkeit. „In einer Zwischenwelt, Held.“, antwortete diese unwirkliche Stimme. „Ich bin hier schon sehr lange gefangen... doch wie du hierher gelangen konntest, ist mir ein Rätsel, mehr noch als das. Dein Erscheinen bringt die Angst mit sich...“, sagte jene weise, alte Stimme. „Ich weigere mich hier zu bleiben.“ Link hetzte auf, umgriff die kalten Eisenstäbe und fühlte das kalte, scharfe Eisen sich in seine Haut hineinfressend. Ausgerechnet jetzt war er hier gelandet. In einer Zwischenwelt... Mit aller Gewalt rüttelte der junge, couragierte Held an den Stäben, machte immer mehr Lärm und weckte damit vielleicht sogar Tote. Wütend warf sich Link dann gegen die Vergitterungen und ärgerte sich maßlos gerade jetzt, da Zelda ihn brauchte, in diese Falle getappt zu sein. „Wie bist du hierher gelangt, Held?“ „Ich weiß es nicht.“, antwortete er kurz und versuchte sein Glück mit einer Nadel, um das kleine Schlösschen zu öffnen. Nach einigen Minuten wurde es ihm zuviel. „Verdammt“, fauchte Link und trat einmal kräftig gegen die kleine unbequeme Liege, die hier in dem Gefängnis stand. „Zelda braucht mich. Ich will hier raus, verdammt.“, brüllte er, aber in dem Gang außerhalb gab es niemanden, der ihn hörte. Keine Fackel. Kein Vasall seines Erzfeindes. Gerade in dem Moment vernahm Link eine weitere Stimme. Jemand rief ihn und er kannte diese liebliche, glockenhelle Stimme, die seinen Namen rief. Er wusste um sie und liebte diese einzigartige Stimme. Sie rief nach ihm, genauso wie damals, zu Beginn des Abenteuers, am Anfang... „Zelda?“, rief Link in die erstickende Dunkelheit, schloss seine Augen und vernahm wieder den Klang ihrer Stimme. Das seltsame Wesen war inzwischen aus der Ecke gekommen, stand auf den wackligen, geschundenen Beinen und wackelte in Links Richtung. Doch diesmal ging ein schwaches, aber doch auffälliges Licht von ihr aus. Ähnlich jenem Schein der Kreatur, die ihm in der Zitadelle der Zeit begegnet war oder dem silbrigen Leuchten des kleinen Kegels, der seinen Namen trug. „Nimm’ meine Hand, wenn du Vertrauen aufbringen kannst- mir- da ich jenes Vertrauen enttäuscht habe.“ Link zuckte kurz mit den Schultern, hatte aber dann das Gefühl, dieses Wesen würde schon wissen, was es tut. „Du ahnst, welche Macht auch nach deiner Widergeburt noch in deiner Seele ruht... du ahnst und du wirst wissen“, meinte diese flackernde Stimme und schöpfte doch aus der Stärke in Links Seele wieder Kraft. „Diese Macht genügt, um die Fesseln dieser Zwischenwelt zu sprengen. Hab’ dank, Held. Denn mit deiner Hilfe kann ich nach draußen gelangen, wenn dies dein Wunsch ist, mir zu helfen.“ „Ich habe doch sonst nichts zu tun.“, meinte Link ironisch, nun überhaupt nicht in der Stimmung dem seltsamen Gerede dieser, wenn auch mächtigen Persönlichkeit zu lauschen. „Also, bringt uns hier raus.“ Die Person ihm gegenüber nickte und in nur kurzem Bruchteilen von Sekunden leuchtete etwas goldenes aus dem schmalen Gesicht dieser älteren Dame hervor, ein kurzes, machtvolles Glühen und die Dunkelheit in dem Raum verschwand. Erneut fühlte Link wie er von magischen Schwingen getragen wurde, fühlte das Schweben durch die Luft, als würde man auf weißen Wolkenbällchen laufen und die Fußballen die watteweichen Wolken berühren. Und vielleicht befand er sich im Moment gerade dort- weit oben, in einer Dimension, die er für nicht existenziell hielt. Seine Füße berührten den Boden, sanken dann aber wenige Zentimeter hinein in das samtene Material eines Teppichs. Warmer Stoff, der sogar durch seine ledernen Stiefel fühlbar war. Überrascht über diese Empfindung öffnete Link seine Augen und stellte fest, dass er blöderweise seine Lederstiefel gar nicht mehr trug. Mehr noch... Von oben bis unten betrachtete er sich und erschrak leicht, als er feststellte, dass er im Moment gar nichts mehr trug, weder seine waldgrüne Tunika, noch das weiße Hemd oder die weiße Hose, nicht einmal seine Unterbekleidung... „Oh!“, entkam es seiner Kehle, einen leichten Schmerz im Hals verspürend, als er sprechen wollte. Sein Hals tat ihm ein wenig weh, ähnlich dem Schmerz bei einer Erkältung, obwohl er doch noch nie eine Erkältung hatte. Seine Stimme war heiser, auch noch, als er hustete und erneut einige Worte vor sich hin murmelte. Bei dem Versuch seine Gedanken zu ordnen, blickte er sich in dem märchenhaften, gemütlichen Raum um. Das Kämmerchen war nicht besonders groß, dafür aber sehr hoch, sodass Riesen mit ihren Köpfen nicht an die Decke reichen konnten. Erstaunt reckte Link seinen Kopf in die Höhe, betrachtete sich einzigartige Malereien hoch oben, Verzierungen an der mattgelb gemalten Zimmerdecke. Sein Blick wanderte weiter zu einem riesigen Kamin, mit übernatürlich rotem Feuer, welches nicht nur Wärme, sondern pure Energie spendete. Überall hingen riesige amarante Vorhänge, aber nicht ein Schrank befand sich hier oder ein anderes Möbelstück. Nur eine gemütliche Liege mit einigen Kissen in allen möglichen dunklen Farben und zwei drei dicke, pelzige Decken. Wo bin ich denn jetzt schon wieder, dachte Link und fasste sich an seinen trommelnden Schädel. Konnte es sein, dass er bei dem Versuch dieses mächtige Wesen aus der Zelle zu befreien, seine Kräfte verloren hatte. Das würde auch die heisere Stimme erklären... Tiefdurchatmend suchte Link nach einem Fenster, um hinauszusehen, sich zu orientieren, herauszufinden, wo er war. Schnell zog er die Vorhänge zur Seite, aber hatte nur mit bunten Steinen bepflasterte Wände vor sich. Sein Blick schweifte von dem Kamin zu der einzigsten Möglichkeit aus dem Raum zu verschwinden: Eine hohe, in die Länge gezogene goldene Tür. Toll, du Held, sagte er sich. Und was dann? Sollte er etwa nackt durch dieses Gebäude watscheln? Wie peinlich. Wie immer, wenn er nachdachte, fuhr er sich durch seine blonden Haarsträhnen, die ihm ins Gesicht baumelten, bemerkte, dass diese durchgeweicht waren und grübelte nach einer Idee. Na gut, dachte Link und lief hinüber zu der Liege, ließ sich darauf niedersinken und krabbelte unter die Decke, harrte der Dinge, die da kommen mögen. Und tatsächlich. Es dauerte nicht lange und jemand riss Link aus seiner Geduld, den rot bis violett sprühenden Funken der tanzenden Flammen zuzusehen. Jemand klopfte an die hohe, pergamentfarbene Tür. „Sir, seid Ihr aus dem Schlummer erwacht?“, schallte eine piepsige Stimme, ähnlich der eines Kobolden. „Ja“, brachte Link hustend hervor. Doch niemand öffnete die Tür. „Sir?“, schallte die Stimme wieder durch die Tür und verlieh ihrem Klang eine noch morbideren Ton und erneut nervige Klopftöne. Link würgte ein weiteres „JA?“ hervor, sich nicht sicher, ob man dieses verstehen konnte angesichts des heiseren Lautes aus seiner belegten Kehle. Dann wurde die Tür geöffnet und etwas kleines Humpelndes trat in den Raum. Die unglaubliche Höhe der Tür und die noch unglaublichere Größe des Geschöpfes standen im perfekten Widerspruch zueinander, machten das kleine Wesen, welches ein silbernes Tablett auf zwei riesigen, schwabbeligen Händen hatte, noch kleinlicher. Link glotzte blöde, fixierte das sicherlich schon viele Jahre alte Geschöpf und fragte sich, ob er so etwas in irgendeinem Phantasiefilm schon mal gesehen hatte. Graue, dünne Haare schmückten einen großen Kopf, wobei einige kahle Stellen hervorstachen. Faltige Haut, auffallend große, dunkle Augen und ein breiter zu einem Grinsen verzerrter Mund. Spitze, kantige Ohren und eine übertrieben lange Nase. Die gebuckelte Gestalt humpelte näher, trug nur eine ausgewaschene braune Schürze, ein paar verboten aussehende rot und weißgestreifte Strümpfe und zwei linke Schuhe. „Sir, der Tee ist serviert.“, sagte es und stellte das Tablett mit einem großen aus braunem Ton bestehenden Krug und einer gläsernen Tasse vor ihm ab. Link war so erstaunt von dem interessanten Winzling, dass er ganz vergaß zu fragen, wo er sich im Namen der Götter befand, was geschehen war und viel wichtiger, wo Zelda im Augenblick verweilte. „Sir.“, fing das Geschöpf an, als es sich rückwärts aus dem Raum bewegte, stets mit dem großen Kopf auf den jungen Helden gerichtet. „Sir, euer Liebchen wünscht euch zu sprechen.“ Links tiefblauen Augen waren zu fasziniert von jenem Wesen, dass er den Sinn jener Worte nur schwerfällig verstand. „Sir?“ „Äh... dann bitte sie herein“, sagte Link mit seiner rauen Stimme, sich ärgernd, wie bescheuert seine Stimme klang. Liebchen? Der meinte doch hoffentlich Zelda, dachte Link im Anschluss. Mit einem Klack war die Tür zugefallen. Wieder blickte Link um sich, schaute, ob auch ja jedes Detail seines Körpers von der Decke bedeckt wurde und wartete. Genüsslich trank Link einen Schluck des heißen Tees, eine scharfe Kräutermischung, die beruhigend seine Kehle hinabfloss. Gerade als er die außergewöhnlich große, cremefarbene Tasse wieder auf das metallene Tablett stellte, wurde die Tür aufgezerrt und eine junge Hylianerin stand auf der Türschwelle. Links Augen wanderten auffallend von ihren halb entblößten Beinen zu dem goldenglänzenden Bademantel, den sie trug, zu ihren hochgesteckten, nassen Haaren, und dann zu dem angenehmen Lächeln in ihrem Gesicht. Das Blau ihrer Augen leuchtete, schimmerte, als sie erkannte, dass ihr Held sich wieder bei vollem Bewusstsein befand. Leise lachend rannte sie mit wenigen Schritten zu der bequemen Couch und stürzte sich haltlos auf Link, der gar nicht wusste, wie ihm geschah. Beinahe sehnsüchtig drückte sie sich an ihn und schlang regelrecht aufdringlich ihre warmen Arme um seinen Hals. Der junge Held war zu perplex, um nur irgendetwas zu sagen und starrte überrascht an die Decke. „Den Göttinnen sei Dank, du bist aufgewacht“, murmelte sie und küsste Link, der sich immer noch nicht zu rühren wusste, liebevoll auf seine Lippen. Überwältigt von ihrer plötzlichen Attacke der Zuneigung umklammerte auch der Heroe jetzt seine Prinzessin. „Ich habe mir solche Sorgen gemacht... wie fühlst du dich?“, meinte sie leise und stemmte ihren Oberkörper auf ihre Arme, sodass sie Link mustern konnte. Fürsorglich streichelte sie über die sonnengebräunte Haut seines Gesichtes. Womit hatte er solche angenehmen Aufmerksamkeiten bloß verdient, fragte er sich. Zelda war so überaus fürsorglich im Augenblick... war irgendetwas geschehen, von dem er nichts wusste? „Link?“, fragte sie gedämpft und spielte verliebt mit den blonden Haarsträhnen, die ihm halb in seine tiefblauen Augen fielen. „Mir geht’s gut... so einigermaßen“, krächzte er wie ein mürrischer Rabe, der auf dem Bahnhof in Schicksalshort herumgeisterte. Sie blickte mit einem überraschten Ausdruck in seine Augen, hielt ihren Blick bei und meinte: „Deine Stimme ist heiser... kein Wunder“, setzte sie hinzu und legte ihren Kopf zufrieden auf seine Schulter, die halb aus der dicken Decke hervorstach und wanderte mit ihren Fingerspitzen seinen Hals entlang. „Wo sind wir hier eigentlich?“ Seine Worte klangen so quietschend und matt ähnlich einer alten Schranktür, die geöffnet wurde. Zelda blickte auf, schenkte ihm wieder ein schönes Lächeln und entgegnete: „Du wirst es nicht glauben, aber wir sind im Haus der Götter.“ „Im Haus der Götter?“, wiederholte Link leise und doch verrieten seine Worte blankes Erstaunen. „Mmh...“, surrte Zelda, schloss ihre Augen und blieb weiterhin auf ihrem Helden liegen, der leicht fassungslos zu den violetten Funken im gigantischen Feuer blickte. Im Haus der Götter... Sie waren beide tatsächlich dort gelandet, wo Götter über mächtigen Wolken zu ihrem Schaffen hinabblickten, dort, wo noch kein Menschenleben Zutritt hatte. Ein sehr alter Ort, wo Unvergängliches, ja Unsterbliches verweilte... „Du bist so warm...“, murmelte Link dann leise und lehnte sein Kinn an ihre hübsche Stirn. „Das kommt dir doch bestimmt nur so vor, weil du halb durchgefroren warst...“, erwiderte sie. „Ich war durchgefroren? Wie das denn?“, meinte Link sachte und spürte mit einem Mal einen nagenden Schmerz in seinem Kopf. Fast reflexartig griff er an seinen trommelnden Schädel, fühlte sich, als ob dieser zerspringen wollte. „Du erinnerst dich nicht?“, sagte seine Prinzessin sanft und suchte seinen Blick. Er wollte mit dem Kopf schütteln, entschied sich dagegen, als er sich auf den üblen Kopfschmerz besann. „Nein...“, meinte er und schloss seine Augen. Er spielte mit seinen Gedanken, legte seine Arme wieder um seine Seelenverwandte und küsste ihre Stirn zärtlich. „Erzähl’ es mir.“ „Vor etwa zehn Stunden waren wir noch in dem großen, weißen Turm“, fing sie an. Voller Entrüstung richtete sich Link so weit auf, dass die Decke bis über seine Brust und die Narben an seinem Bauch rutschte. Himmel, die Zeit. Zehn Stunden? Sie hätten schon lange in Kakariko sein müssen. Vorwürfe packten ihn. Es musste an seinem Zustand liegen, dass sie noch nicht weitergereist waren. Er war daran schuld, dass sie so viel wertvolle Zeit verloren hatten. „Verdammt“, meinte Link lauter. „Wir müssen sofort weiter. Die Zeit, Zelda.“ Aber sie schüttelte nur mit dem Kopf und drückte ihren Helden entgegen seines Willens wieder zurück auf das amarante Schlafsofa. „Link, an diesem Ort läuft die Zeit nicht weiter. Hier, wo wir sind, gibt es dieses mächtige Gesetz nicht, gibt es die meisten Gesetze Hyrules nicht... Die Wirklichkeit belügt sich in diesem Haus. Also bitte, beruhige dich.“ Verwirrt schaute Link abermals umher, verstand nun langsam, wieso dieser Raum keine Fenster hatte und suchte das Funkeln in Zeldas Augen. Jene Sanftheit, welche von ihr im Augenblick ausging, war überwältigend. Sie war im Augenblick so einfühlsam, so unglaublich behutsam in ihrem Umgang mit Link, wie noch nie. „Wir liefen gerade die weißen Marmorstufen hinab, als du wie versteinert stehen geblieben bist. Ich habe dich gerüttelt, dir sogar eine Ohrfeige gegeben, nur damit du aufwachst... und dann bist du immer kälter geworden, als ob du in Eis gefangen wärst und zusammengesunken.“ „Bei Farore... das klingt wie ein übler Scherz.“, sprach Link geistesgegenwärtig. Verrückt. Hatte er wieder einen seiner Blackouts? „Es ist aber kein Scherz“, sagte sie ernster. „Ich weiß. Hast du nach mir gerufen?“ Überrascht richtete sich Zelda auf und spielte mit den warmen Fingerspitzen an seinen Lippen, worauf Link leicht lächelnd und verschmitzt drein sah. Mit Genugtuung in den Augen nickte Zelda. „Ich befand mich mit einer merkwürdigen Person, eine von diesen gefangenen Gottheiten, in einem dreckigen Verlies. Dann hörte ich deine Stimme... und schließlich hat uns diese Gottheit aus der Zwischenwelt hinausbefördert, indem sie...“ Aber ja, nun wurde alles irgendwie klarer und logischer. Kein Wunder, dass Link die Körperwärme verloren hatte und mit ihr seine Energie. „... sie hat die Kraft aus meinem Körper gezogen, um uns beide aus dem Verlies zubringen. Das würde Sinn ergeben.“ „Ich verstehe“, meinte Zelda leise. „Bei Nayru, weißt du, wie besorgt ich war. Du bist schon blau angelaufen“, setzte sie hinzu und ließ sich wieder beruhigt und sicher niedersinken. „Und dann?“, meinte ihr Held seufzend, als seine Prinzessin die Decke wieder über seine glatte Brust zog. „Dann wurden wir beide teleportiert und an diesen Ort gebracht. Eine der Gottheiten erklärte mir, was vor sich ging. Und schließlich habe ich mich um dich gekümmert.“ „Danke“, meinte Link mit einem beruhigenden Lächeln, spielte mit seinen Fingern in Zeldas feuchtem, weichem Haar und schnupperte daran den unvergleichlichen Duft nach Jasmin. „Gern geschehen...“, sagte sie schmunzelnd. Gerade als Link auf ihr dreistes Kichern reagieren wollte, klopfte es an der reichlich mit Steinchen besetzten Tür. Flink sprang Zelda auf und öffnete die schmale, hohe Tür. Erneut trat ein seltsames kleines Wesen, ähnlich dem von vorhin in den gemütlichen, mit Wärme ausgefüllten Raum. Das Wesen schien weiblich zu sein und trug neben einer grauen, weißen Schürze mit vielen Rüschen eine weiße Haube auf dem kleinen Kopf, wo lange silbrigschimmernde Haare hinabfielen. Die kleine Gestalt hatte einen Stapel Wäsche auf ihren viel zu kurzen, schlabberigen Ärmchen, sodass der Kopf angesichts dessen beinahe zu übersehen war. „Milady und Milord, die Kleidung wurde gesäubert und um magische Fasern ergänzt.“ Link fixierte jenes Geschöpf genauso erstaunt wie jenes, das den Tee brachte und bemerkte nicht, wie er jenes Geschöpf anstarrte. Mit den dunklen Augen beäugte jene Gestalt nun auch Link und wich dann verlegen zurück. „Milady, die Großen Drei wünschen mit Euch zu speisen“, quiekte das Wesen und fürchtete sich fast vor dem Blick Zeldas. Zelda nahm ohne Weiteres den Stapel Kleidung und sagte mit einem Lächeln: „Danke, du kannst jetzt gehen.“ Scheu lief das Wesen rückwärts aus dem Raum, stets darauf bedacht, den fremden Gäste seinen Rücken nicht zu zuwenden, bis es in der Dunkelheit außerhalb verschwand und die Tür mit einem Klacken geschlossen wurde. „Wer war das denn?“, begann Link, korrigierte sich aber: „Ich meine, was war das?“ Mit einem milden Lächeln hockte sich Zelda wieder zu Link auf das Sofa und sortierte ihre Kleidung von dem Stapel, auf dem sich auch Links Tunika befand. „Das waren die Diener unserer Götter, alte Gnomen.“ „Ach so...“, entgegnete Link und blickte zu dem Stapel Klamotten. Sachte richtete er sich auf und packte seine Prinzessin an den Armen, zog sie so flink zu sich heran, dass die gesamte Kleidung von der Schlafgelegenheit herunterfiel und zerstreut auf dem Boden lag. Er umarmte sie und murmelte in ihr spitzes Ohr. „Sag’ mal, wo warst du vorhin, als ich aufwachte?“ „Im Badesaal.“ „Und könntest du mir freundlicherweise verraten, warum ich überhaupt keine Klamotten trage?“ Eine Spur verlegen wich Zelda zurück und blickte verstohlen an das verzierte Deckengewölbe. „Sag’ schon, wieso habe ich meine Klamotten nicht an?“, wiederholte Link energischer. „Du warst nass und durchgefroren, als du von der Zwischenwelt zurückgekommen bist.“ „Erzähl’ mir nicht, du hast...“ Sie nickte, mit einem bedeutungsvollen Rot unter ihren blauen Augen. Link stand kurz vor dem Herzinfarkt. Jede einzelne Faser seines Herzens spannte sich. Jede einzelne Körperzelle kochte. Halbtot vor Scham ließ er sich zurück auf das Sofa sinken, zog ein Kissen über sein Gesicht und ignorierte Zeldas durchdringenden Blick. Bei den Göttern war das vielleicht peinlich. Nie wieder würde Link jetzt sein Gesicht wahrend in Zeldas Augen sehen können. „Ach komm schon, du hast mich auch schon halb nackt gesehen.“ „Das war ja wohl eine ganz andere Situation. Du hattest eine tiefe Wunde, Zelda. Außerdem habe ich wenigstens deine Unterwäsche verschont“, fauchte er aufgeregt und fuchtelte mit seinen Armen zur Unterstützung in der Luft herum. Seinen Mut zusammennehmend schaute er sich Zeldas grinsendes Gesicht an. Beim Heiligen Triforce, sie strahlte über beide Ohren. Sie grinste, hatte ein so außerordentliches Feixen in ihrem wunderschönen Gesicht, dass Link sich fragte, ob sie ihre Magie für diesen Blick eingesetzt hatte. So hämisch, herausfordernd und anziehend war dieser Blick... „Guck nicht so, ich bin ganz nackt, dass ist ja wohl ein gewaltiger Unterschied.“ „Hast du Hemmungen vor mir?“ Link scheute beschämt ihren Blick, und war endgültig sprachlos. Ein wenig verärgert schweiften seine Augen zu dem breiten Kaminloch und verharrten dort. „Deine Kleidung war so klamm... ich musste irgendetwas tun“, rechtfertigte sie sich. „Du wagst dir ja so einiges...“, sagte Link gedämpft und nahm sich wieder die Tasse mit dem heißen Tee. Die Reue stand Zelda nun ins Gesicht geschrieben, obwohl sie sich bei ihrem Handeln nicht viel gedacht hatte. Sie sprang fix auf ihre Beine und ein klares: „Entschuldige“, entkam ihren weichen Lippen. In ihrem Umgang mit Link hatte sich eben einiges geändert. Derartige intime Handlungen und Reaktionen kannten sie beide voneinander nicht, vielleicht war das ein Grund, weshalb sie sich als Folge ein wenig unwohl in ihren Häuten fühlten. Merkwürdig, wie einfach es geworden war, die Dinge zwischen ihnen, laufen zu lassen und sich selbst nicht mehr hinsichtlich ihrer gegenseitigen Zuneigung im Wege zu stehen. Hastig und ohne Link in seine hypnotisierenden Augen sehen zu können, sortierte sie die Kleidung auf dem Boden, legte den Stapel mit Links Klamotten auf das bequeme Sofa und war dabei sich ohne weitere Worte aus dem Raum zu begeben. Aber Link umfasste in dem Moment ihr Handgelenk, als sie aus dem Raum gehen wollte. Ein kurzer aussagekräftiger Blick. Ein sanftes Lächeln. Und ein verstecktes Gefühl. Links Mundwinkel bebten dann. „Hat es sich denn wenigstens gelohnt?“ Zunächst verstand sie seine Worte nicht und starrte Link fragend an. Sein Blick erhellte sich. Und im nächsten Moment ließ er seinen Kopf ratlos auf eine Schulter sinken. „Ich meine das, was du gesehen hast.“, feixte er spaßhaft. Schlagartig, als hätte sie eine gemeine Erleuchtung, verstand sie seine Worte. Und nun war sie sprachlos. Und die Erleuchtung rief ihr zu, wie unverfroren dieser freche Hylianer ihr gegenüber doch war. Seine falsche Zunge. Diese beinahe teuflischen Gemeinheiten und das knisternde Funkeln in seinen tiefblauen Augen, wenn er sehen konnte, welche Wirkung seine Worte hatten. All das zusammen ergab das Bild eines unreifen Hylianers, der mehr Glück hatte als Verstand, der jedoch wusste, wie man einen Menschen aufheitern konnte und ein so rechtschaffenes Herz wie kein anderes Wesen besaß. Ein leicht verzweifelter Blick regte sich auf Zeldas Gesicht, da sie nicht wusste, was sie jetzt sagen oder tun sollte. Ihr Mund stand halb offen, die sanften Wangen kochten... Und alles, was Link tat, war hinterhältig zu grinsen, dann zu kichern und schließlich lauthals zu lachen. „Du bist mir nicht böse?“, sagte sie leise, als ob das, was sie getan hatte nur ansatzweise falsch gewesen wäre. „Quatsch, natürlich nicht, Zelda. Aber du könntest das irgendwie wettmachen“, meinte Link. Ein wenig verlegen setzte sich seine Prinzessin wieder auf das Sofa und spielte mit dem um magische Fasern ergänzten weißen Seidenhemd ihres Helden. Der Stoff war so weich und doch fest und dicker als vorher. War jener Stoff ergänzt worden durch Drachenschuppen, Engelshaare oder etwa Phönixfedernspuren? Link war indes aufgestanden und zog sich hinter Zeldas Rücken einen Teil seiner Kleidung an, streifte die lange weiße Hose über, sowie ein paar warme Strümpfe. Zelda spielte derweil immer noch mit dem weißen Hemd und hielt es einmal rasch gegen das Licht des violetten Feuers, nicht überraschend funkelte es in silbrigen Tönen. Wohl doch Engelshaar, dachte Zelda und erinnerte sich an einige Worte Impas. Damals hatte sie ihr erzählt, wie kostbar und stark doch Engelshaare wären. Sogar von lichtspendenden Fähigkeiten jenes Haares hatte Impa ihr erzählt. Ihre Gedanken wanderten von der weitzurückliegenden Vergangenheit, zu dem heutigen Schicksalshort, wo Impa, ihr Vater, Sian und all die anderen warteten. Sie wusste und fühlte es ging den heiligen sechs Weisen gut, aber wie lange noch. Nachdenklich stütze sie eine Hand an ihren Kopf. Link bemerkte ihr Verhalten, spürte das Nagen der Hoffnungslosigkeit an ihr und die wachsende Angst vor der Begegnung mit Ganondorf... Mit ernstem und doch verständnisvollem Blick krabbelte er über das Sofa bis zu der Stelle, wo Zelda saß, setzte sich wärmend hinter sie und streichelte mit seinen Händen über ihren Bauch. „Sorgen?“, murmelte er. „Nur ein wenig.“ Aufheiternd meinte er: „Ich habe die ultimative Idee, wie du dich bei mir entschuldigen könntest, mein Engel.“ Verträumt liebkoste ihr Helden die anziehende, sanfte Haut an Zeldas Hals. Sofort ein süchtigmachendes Kribbeln auf ihrer Hand und ein kühler und doch milder Schauer, der ihren Rücken entlang wanderte. „Was ist es?“, meinte Zelda mit süßer Stimme und drehte sich in seiner Umarmung ein wenig, sodass sie den Funken Hinterlistigkeit in seinen Augen wieder erkennen konnte. Gedankenlos ließ er sich mit ihr auf das weiche Sofa fallen und träumte vor sich hin, träumte, phantasierte das schönste, was er jemals erlebt hatte. Die Begegnung mit Zelda... und schließlich die Tatsache, dass sie einander endlich so nah waren... Ungewollt entkam seinem Mund ein liebsäuselndes: „Lass uns miteinander schlafen...“ Doch nun hatte er zu viel gesagt und sich um Kopf und Kragen geredet. Sein Mund hatte andere Worte hervorgebracht, als seine Gedanken erschaffen hatten. Er richtete sich ruckartig auf, achtete erst gar nicht auf das schockierte Gesicht Zeldas und griff sich an seine Schläfen. Bist du noch ganz dicht?, fragte er sich. Hab’ ich das wirklich gesagt? Bei allem, was mir lieb und teuer ist, ich wollte das nicht sagen, rechtfertigte er sich und bezeichnete sich in Gedanken als den größten Tölpel Hyrules. „... ich meine, hier.. auf dem Sofa… zusammen einschlafen“, korrigierte er sich, noch ganz benommen von dem, was sein vorlautes Mundwerk hervorgebracht hatte. Zelda biss sich unbewusst auf die Unterlippe und fing dann laut an zu lachen. Bei solchen Peinlichkeiten war Lachen vielleicht der beste Ausweg, das wusste sie. Und Links Worte brachten nichts als Peinlichkeit mit sich... „Du schockst mich immer wieder, mein Held.“ „Und das, obwohl es nicht meine Absicht ist, Zeldaschatz.“ „Das musst du mir erst einmal beweisen“, erwiderte sie herausfordernd. Ohne Umschweife nahm Link diese Herausforderung an. Er wäre schließlich nicht die Reinkarnation von Hyrules wahrem Helden, wenn er vor einer solchen Kampfansage weglaufen würde. Vergnügt drückte er Zelda zurück auf das Sofa und kraulte sie ohne Anhalt unter ihren Armen, wusste sehr genau um ihre empfindlichen Stellen und brachte sie zu mehr und mehr Lachkrämpfen. „Können wir nicht liegen bleiben, es ist gerade so schön...“, meinte Link nach wenigen Minuten, die sie beide auf dem Sofa lagen und sich gegenseitig verwöhnten. Er küsste seine Prinzessin zärtlich, spielte mit ihren roten Lippen und genoss die Empfindung der puren Zuneigung. „Die Großen Drei warten auf uns, wir können doch später noch kuscheln.“ „Wir werden also wirklich mit den Gottheiten speisen?“, fragte Link, sichtlich nervös nur wegen der Vorstellung an sich. „Bist du aufgeregt deswegen?“ Er nickte leicht. „Das sind immerhin Götter. Und du weißt doch, was ich für Tischmanieren habe. Das kann ich nicht!“ „Als ob die Großen Drei das interessieren würde...“, meinte Zelda. „Ich glaube, sie wissen nicht, was Menschsein bedeutet und können somit auch nicht über deine Manieren urteilen.“ Zelda hatte vollkommen recht. Gottheiten wussten nichts vom sterblichen Leben, kannten vielleicht keine Liebe, erfuhren noch nie Trauer. Und doch war die Götterdreiheit in Hyrule vielleicht menschlicher als es den Anschein hatte. „Aber durch meine Manieren könnten sie einen sehr schlechten Eindruck von der Menschheit bekommen“, erwiderte er prompt. Leicht lächelnd schloss Zelda ihre Augen kurz und warf dann einen Blick zu den flammenden kleinen Schauspiel im Kamin. Dann hüpfte sie auf ihre Beine, begutachtete die feine Bluse, die sie als Geschenk der Gottheiten erhalten hatte. Auch Link war nun auf seinen Beinen und nahm Zeldas rechte Hand in seine beiden. „Wir müssen endlich reden“, sagte er gedämpft und einfühlsam. Seine Stimme war so warm, und das kränkelnde Kratzen schien sich zu verflüchtigen. „… über uns“, setzte er hinzu. Langsam und zufrieden legte Zelda ihren Kopf an seine nackte Brust. Nur ein leises „Ja…“, aus ihrem Mund erklang, denn auch sie wusste, dass noch einige Dinge offen geblieben waren, einige Dinge, die nur um sie beide ging. Gefühle. Ungesagte Worte… „Wie geht’s deiner Wunde?“, meinte Link nach langem Schweigen. „Es brennt ein wenig ab und zu… aber nicht schlimm“, sagte sie. „Wir sollten uns jetzt fertig machen“, meinte sie rasch und drückte einen Kuss auf Links Wange. Sie bereiteten sich langsam auf die Speisung mit den Göttern vor. Etwa eine Stunde später klopfte ein weiterer kleiner Gnom an die pergamentfarbene Tür und geleitete das junge Pärchen auf einen langen mit schillernden Farben ausgefüllten Gang, wo Kerzen nicht nötig waren, hinab zu einer hohen, sehr merkwürdigen Tür. Die Tür glich mehr einer alten Pforte, verziert mit einer alten Geschichte, die in dunkles Holz eingebrannt war und jenes Tor vollständig ausfüllte. Eine Geschichte über die weitzurückliegende Vergangenheit Hyrules. Der kleine Gnom, welcher in grünblauem Kleidchen gekleidet war, reckte sich mühsam in die Höhe, nur um seine verschrumpelten Finger auf eine geflügelte Türklinke zulegen. Mit der anderen pochte er auf dem verzierten Holz herum, als wollte er das Tor damit zum Leben erwecken. Plötzlich öffneten sich die hohen Tore wie von Geisterhand und gaben Schleier in violetten Farben preis. Ein Luftzug gesendet von magischer Hand schwang die losen Vorhänge zu den Zimmerseiten und schenkte den Anwesenden die Sicht in einen glänzenden Raum. Eine lange Tafel nahm den Raum fast vollständig ein und nur Kerzenständer und alte Ritterrüstungen standen verschönernd und beschützend in den Ecken des Saales. Aber die Tafel war gedeckt. Beschmückt mit den leckersten Speisen, die man erspähen konnte. Duftende Fleischplatten, Braten über Braten, dampfende Suppen, allerlei Obstteller, Salate mit hylianischen Gemüsesorten und Getränke nach Wahl. Link fielen angesichts so guter Köstlichkeiten beinahe die Augen raus, während Zelda bis über beide Ohren grinste. Doch außer dem gedeckten Tisch gab es niemanden in dem Raum, der den beiden Hylianern Gesellschaft leisten wollte. Der Gnom wies die beiden an, sich an das vordere Ende der Tafel gegenüber zu setzen. Langsam tapste das Pärchen zu den mit rotem Samt gepolsterten Stühlen. „Pst“, meinte Zelda warnend. „Stoße bitte nicht an die Ritterstatuen.“ „Warum denn nicht?“, sagte ihr Held leise, während er den Stuhl für Zelda nach hinten schob, sodass sie Platz nehmen konnte (so ein Gentleman aber auch…). Link setzte sich ihr gegenüber und blickte sie neugierig an. „Wenn du daran stößt, wirst du unsanft merken, dass diese Statuen lebendiger sind, als du denkst.“ „Wachen also.“ „Genau“, endete sie und musterte ihren goldenen, riesigen Teller, schließlich wieder die gesamten Speisen auf dem Tisch. Sie hatte ungeheuren Hunger und allein bei diesem Duft der gesamten Dinge, die sie an das Essen im alten Hyrule erinnerte, lief ihr das Wasser regelrecht im Munde zusammen. „Ob es uns die Gastgeber übel nehmen, wenn wir schon anfangen?“, sagte sie und wanderte mit ihren Blick zu den guten hylianischen Kartoffeln, die so anders schmeckten als jene in der realen Welt. Kein Wunder, hylianische Kartoffeln wurden eben auch grundlegend anders angebaut, und hatten einen Hauch eines anderen Geschmackes. So wie es gang und gebe war, umrahmte eine Schicht eines süßlichen hylianischen Gewürzes die gesamte Kartoffel und verlieh ihr einen glänzenden Anblick. „Ach, bestimmt nicht“, sagte Link und blickte sehnsüchtig zu einer Schüssel mit Karottensalat. Sein Lieblingsgemüse und schon lange hatte er es nicht mehr essen können. Nur kurz kreuzten sich die vielsagenden, grinsenden Blicke Links und Zeldas, bis sie ohne Manieren aufsprangen und ihre Teller vor lauter Hunger mit bloßen Händen füllten. Hastig rannten sie um den gesamten Tisch und bedienten sich, beluden ihre Teller bis diese randvoll waren. Doch damit nicht genug. Die beiden Vielfrasse schnappten sich sogleich weitere Teller für Suppen und nahmen sich dreist einige Schalen mit Pudding, Quark und anderen Süßspeisen. Ohne Scheu stopften sie sich heißhungrig das Essen in ihre Münder, tranken Saft, Wein und heißen Kakao, aßen und aßen, fielen über das Obst her, leerten die Schale mit den Brötchen und räumten das riesige Hähnchen auf, welches verschönernd in der Mitte der Tafel stand. Nach nur einer halben Stunde war die geschmückte Tafel nicht wiederzuerkennen und die beiden lehnten sich zurück, fühlten sich so gut wie schon lange nicht mehr und lachten einander zu. Kichernd hielt sich Zelda ihren Bauch fest, hatte in ihrem gesamten Leben noch nie so zugeschlagen und fühlte sich, als ob ihr Magen explodieren wollte. So mampfsatt war sie, beinahe schlecht fühlte sie sich jetzt und atmete tief ein und aus. Link jedoch rang immer noch damit, die wunderbare Platte mit den Steaks und der leckeren, gut gewürzten Soße darüber endgültig zu verschlingen, aber sein Magen spielte wohl nicht mit… „Himmel, war das gut.“, sagte er und streckte seine Arme in die Breite. Zelda, die sich genießend anlehnte, gähnte schließlich laut auf, eine Hand vor ihren Mund haltend. Ihre andere Hand, die immer noch auf einer weißlichen Tischdecke lag, wurde plötzlich von der linken ihres Helden umschlossen. „Bist du müde?“, meinte er leise. „Ja, immerhin habe ich nicht so lange geschlafen wie du“, entgegnete sie. „Da wird’s aber Zeit, dass du ein wenig Ruhe findest.“ Sie nickte bloß und wischte sich den zunehmenden Schlafsand aus den Augen. Derweil hüpfte Link zu ihr hinüber, schob einen der hohen Holzstühle mit den langen Rückenlehnen näher an ihren und nahm Platz. Zelda verstand seine Absicht und ohne ein weiteres Wort lehnte sie ihren Kopf an seine Schulter, schloss die Augen und ruhte ein wenig. Nur wenige Augenblicke später sammelte sich eine unnatürliche Energie an dem anderen Ende der Tafel. Lichtfunken erhellten drei Plätze an jenem Tisch, begleitet von einem schönen, melodischen Frauenchor. Vergessene Stimmen einer alten Welt, erschaffen für deren reinstes Licht. Und innerhalb von Sekundenbruchteilen bildeten sich drei magische Gestalten in dem Raum, eine an der Spitze der Tafel, die anderen beiden rechts und links von ihr. Zelda hob ihren Kopf von Links Schulter und blickte ehrfürchtig nach vorne. Drei alte Wesen saßen nun an jener Tafel, eines mächtiger als das andere. Eines mit der Macht über Flüsse, Seen und Wälder, Wiesen und Berge, eines mit der Macht über Leben, und eines, das Gesetze, Liebe und Wissen in die Welt bringen konnte. Silbernes, langes Haar fiel über die in Gewänder gehüllten Schultern jener Wesen. Alle drei hatten sich von Ganons Folter erholen können, alle drei waren umgeben von einem goldenen Hauch des Lichtes. Schöne Gewänder trugen sie, Kleider, die ihre perfekten Körper ganz umhüllten. Ein dunkles, schimmerndes rotes Gewand, ein frühlingsgrünes Kostüm und ein tiefblauschillerndes Kleid mit langen Ärmeln. Und das silberne Haar jedes der Gottheiten besaß einen anderen Schnitt, obwohl doch die selben Gesichtszüge aus jedem Gesicht die beiden Hylianer musterten. Tatsächlich waren es drei Schwestern, Drillinge, erschaffen wurden von einem Wesen, welches vielleicht das Schicksal selbst sein mochte. „Seid gegrüßt, ihr, da Euch unser Dank gebührt.“, säuselte sie Stimme jener in grünen Gewändern umhüllten, mächtigen Persönlichkeit, die sich anhörte wie das feine Rauschen des Windes. „Ähm... hallo“, sagte Link und schluckte den Knoten in seinem Hals hinunter. Himmel, war er vielleicht nervös... Sofort erhielt er einen Stups von Zeldas Ellenbogen in seine rechte Seite. Sie flüsterte leicht erzürnt: „Götter begrüßt man nicht mit: ,Ähm... hallo.’“ Link verzog sein Gesicht und brabbelte Zeldas verärgerten Tonfall herunter. Doch überraschend, wie es so mächtigen Persönlichkeiten eigentlich nicht zustand, legten sie alle drei ihre Hände über die Lippen und kicherten leise. Zelda war so erstaunt, dass ihr jegliche Begrüßungsformeln, die sie damals im hylianischen Königshaus gelernt hatte im Halse stecken blieben. Sie kicherten. Die Götter lachten über sie und ihren Helden. Aus Scham vergrub Zelda ihre Hände im Schoss und blickte stumm nach unten. Doch die Mächtigen an dieser Runde lachten ihre Gäste nicht aus, sondern erfreuten sich wohl an ihrem entzückenden menschlichen Verhalten. Schelmisch blickte Link zu den Großen Drei empor und kam sich mehr als nur unterbemittelt und kindisch vor. „Ihr braucht nicht verlegen zu sein... nicht aufgrund Eurer Menschlichkeit...“, flackerte die warme Stimme der Dame an der Spitze der Tafel, die mächtigste und älteste der drei Geschwister, die Hüterin des Feuers, die Wächterin der Kraft. „Gut, und ich dachte schon, ich bin unten durch.“ Ein böser Blick streifte Link von seiner Prinzessin, die wegen seiner natürlichen Wortwahl schon wieder rot anlief. „Wie könntest du, nach allem, was deine Seele für Hyrule getan hat.“ Nun blickte Link mit einem Seufzen weg. Sicherlich hatte er vieles getan, aber die Dinge lagen nicht innerhalb seines Zugriffsbereiches. Er durfte nicht erinnern... noch nicht. „Ich verstehe...“, sagte jene Persönlichkeit, die grüne Gewänder trug, hochgestecktes silbernes Haar besaß und links der Anführerin jenes Schwesternbundes saß. Sie war die letzte, die er befreite, aus ihrem dunklen Verlies in einer Zwischenwelt herausholte. Seine Schutzgöttin. „...du fühlst dich zu unrecht gelobt, da die Erinnerungen an jene Heldentaten dir nicht beschieden sind.“ Sie las es in seinen ernsten, dunkelblauen Augen, in dem leicht schwermütigen Blick. „... doch verzage nicht. Es wird einen Weg geben, für dich und deine Erinnerungen, Held“, meinte sie im Rascheln ihrer Stimme, ähnlich den Laubblättern, die eine Windhose in die Luft wirbelte. „Doch noch ist diese Zeit nicht gekommen.“ „Und doch wählt ihr den Pfad der Antworten?“ sagte die dritte der Schwestern, die nun erstmalig ihre Stimme erhob. Eine warme Stimme, die sich anfühlte wie eine Umarmung, wie Schutz und Liebe. Es war mehr eine Aufforderung, als eine Frage. Zelda nickte, übernahm das Wort mit solcher Klarheit, solcher Entschlossenheit, wie man es nur von einer zukünftigen Königin erwartete. Sie stand auf und blickte den Großen Drei entschieden in ihre alten, weisen Gesichter: „Wir ersuchen jene Antworten. Sagt mir, mit welchem Recht ihr in den Lauf der Dinge eingegriffen habt. Sagt mir, warum Hyrule aufhören musste zu atmen. Erklärt mir, welche Gründe es gab, diese einzigartige, magische Welt sterben zu lassen.“ Noch nie hatte Link sie so deutlich, mit Nachdruck, aber auch feinfühlig reden hören. „Auch wir hatten Aufgaben, wie jene Verantwortung gegenüber dem ungeschriebenen Weltgesetz, gegenüber dem Schicksal. Das Böse, welches in Hyrule geboren wurde, durfte nicht in die Welten gelangen, die folgten und die, welche davor lagen. Es gab immer nur den einen steinernen Weg für Hyrule, egal in welcher Zeit. Hyrule hatte seine Vorzüge, aber auch seine vielen Schattenseiten“, sagte die Älteste. Die Gestalt mit den vielen blauen Schleiern fuhr fort und blickte mit den leeren glasigen Augen in Zeldas Antlitz. „Doch die Schattenseiten brachten das goldene Gleichgewicht in Gefahr, Prinzessin Zelda. Dies wisst ihr ebenso gut wie es die meinige Substanz tut. Ihr habt damals gesehen und Ihr werdet wieder sehen, wie es immer Euer Schicksal war.“ Die letzte der Drei beendete jene Geschichte, die Zelda das Herz zeriss. Sie wusste es und doch hatte sie jene Wahrheit nie verstehen wollen. Die Stimme des Windes säuselte: „Wir schufen die Grabstätte Hyrules und errichteten eine Mauer gegen das gnadenlose Böse, nicht begreifend, wie es uns nun doch besiegen konnte. Hyrule hörte auf existenziell zu sein. Hyrule endete, in jedem der Zeitpfade, da es sein Schicksal war. In jedem der Zeitpfade, einmal durch Verblassen, einmal durch die große Flut... da es Schicksal war...“ „Nein das war es nicht“, fauchte Zelda. „Dazu hattet ihr nicht das Recht“, brachte sie argumentierend hervor. „Ihr habt den Völkern ihr Zuhause genommen, ihr habt ihnen ihre Familien, ihren Zusammenhalt, ihre Schicksale und Bestimmungen gestohlen, wegen dem uralten Bösen, welches wir alle schon einmal zu bekämpfen wussten. Ich kann diese Entscheidung einfach nicht verstehen. Worte. Nichts als Worte, gefolgt von leeren Taten...“ Sie war den Tränen nahe, das spürte Link und das konnte er in ihren traurigen Worten hören. Sie blickte beschämt weg und ballte die Fäuste. „Was seid Ihr? Götter? Und doch schwach, nicht fähig einen Dämon zu besiegen, der doch nur existiert, da ihr seine Macht erschaffen habt.“ Ihre Worte waren lauter und sie brüllte beinahe. Tränen benetzten ihre Wangen. „Ihr habt Hyrule einfach sterben lassen. Ihr habt es getötet und im Stich gelassen. Ihr warte es. Ihr!“ Sie blickte weg und drehte den Gottheiten den Rücken zu. Link stand auf, legte schnell, aber einfühlsam seine Arme umschließend um sie, konnte sie leise weinen hören. Und gerade in dem Moment zeigte sich erneut Zeldas Liebe für das blühende Land Hyrule, welches sie auf ewig beschützen wollte. Sie liebte Hyrule abgöttisch, verehrte jenes Land, welches man ihr doch genommen hatte. „Verzeih’”, sprach sie leise, riss sich los und rannte aus dem Saal hinaus, zurück in den Raum, wo Link vorhin erwachte. Ihr stolzer Held blickte dem Mädchen hinterher, als sie das hohe Tor kraftvoll mit magischen Kräften zuschmetterte. Sie brauchte Zeit, das wusste er und doch hatte er Angst, sie könnte wieder dicht machen und der Schatten über ihren Augen könnte sich erneut einnisten... Rennend folgte sie dem schillernden Gang, hatte Tränen in den Augen, wegen ihrer einstigen Heimat, über deren Verlust sie nie hinweggekommen war. „Hyrule...“, entkam es ihren Lippen flüsternd. „Hyrule...“. Vorwurfsvoll drehte sich Link zu den drei machtvollen Wesen um, die die Reaktion der Prinzessin Hyrules einfach nicht verstehen wollten. Geräuschvoll ließ er sich in einem der Stühle nieder und stützte seinen Arm auf die Tischkante. „So und was wollt Ihr jetzt von uns? Es wird wohl einen Grund geben, dass Ihr uns eingeladen habt, oder nicht?“ „Dank ist unser Grund“, meinte Links Schutzgöttin. „Wir wissen um die Loyalität Zeldas gegenüber ihrem Land, aber sie muss endlich loslassen.“ Link seufzte und fuhr mit seinen Händen durch das wilde blonde Haar. „Ich weiß...“, sagte er. „Uns blieb keine andere Wahl, als Hyrule schlafen zulegen. Weder wollten wir eure Gefühle verletzen, noch unsere Entscheidungen rechtfertigen. Denn unsere Entscheidungen bedürfen keiner Rechtfertigung.“ Sie missbilligte Zeldas Verhalten anscheinend mehr als genug. Energisch schlug Link mit der Faust auf den Tisch, sodass die beschmutzten goldenen Kelche und Gläser wackelten. „Gut. Das ist eine Sache“, sprach Link bestimmend. „Doch es gibt eine weitere Sache, die Ihr getan habt, ohne jegliche Konsequenzen abzusehen.“ Nun redete Link in Rätseln. „Von wem kam die Idee ein kleines Kind in die Welt zusetzen, es aus den Essenzen von Zelda und mir zu machen und jenen unwissenden Sprössling auf Ganondorf loszulassen.“ Die Großen Drei schwiegen. „Fein”, sagte Link ironisch. „Ich hätte mir ja gleich denken könne, dass es nicht Eurer Lebensphilosophie entspricht, einem Erdenbürger derartige Geheimnisse anzuvertrauen.“ Spott lag in seinen Worten und doch konnten die Götter jenen kaum begreifen. „Es war noch bevor das Böse sich in deiner Welt ausbreiten konnte“, sagte die jüngste der Schwestern, seine Schutzgöttin. Sie stand auf und schwebte über den Boden in Links Richtung. „Wir sahen uns gezwungen, einen Helden zu erschaffen, der die Stärke Zeldas und jene des wahren Helden in sich trug, um gegen das Böse zu bestehen. Er sollte weder in der Lage sein, menschliches zu fühlen, was er nun doch tut und er sollte wesentlich reifer sein.“ Sie blieb direkt vor Link stehen und blickte mit echten grünen Menschenaugen, die sich aus dem Nebel der Augenhöhlen preisgaben zu ihm. „Aber das beantwortet meine Frage nicht.“, sagte Link launisch. „Er könnte auch jetzt noch irgendwann existenziell sein.“, sagte jene Dame, die blaue Gewänder trug und inzwischen am Fenster stand. „Wollt ihr mich damit aufheitern oder bei Laune halten?“ „Nein, es ist nur ein Schlüssel zu einem Wunsch in deinem Herzen, Held.“ Link lachte amüsiert auf. „Als ob ihr Götter nur einen Funken des Menschseins verstehen könntet, das in mir ruht.“ Die Älteste, welche immer noch am Tische saß, erhob erneut die Stimme, lauter und energischer. Kein sanftes Flackern des Feuers in ihrem inneren mehr, nein, vielmehr glich ihr Gesäusel nun einem brünstigen Flammenmeer. Sie stützte ihre Arme auf dem Tisch ab, was menschlich aussehen mochte und doch begann ihr Körper in die Höhe zu steigen, geführt von unsichtbaren Schwingen. „Die Absicht, der Plan, entkam meinem Wissen“, sagte sie deutlich. „Denn meine Macht wurde Opfer des Bösen, nicht die, die du oder jene Prinzessin des Schicksals in sich trugen.“ Ihre Augen wurden lebendiger, genauso wie die ihrer einen Schwester. Rot waren sie, glühende Augen aus schmalen Augenritzen. „Und vergiftete mich“, ergänzte sie. Eine ungewöhnliche Stärke brach empor, so gewaltig, dass Link einen Schub davon abbekam und sich plötzlich fühlte, als ob er Berge auseinandernehmen könnte oder ganze Städte versetzen konnte. „Der Plan, der nun doch scheiterte“, fuhr die Älteste fort. „Warum? Er wird immer noch älter!“, sagte Link aufgeregt und sprang auf. Doch dieser Satz brachte eine merkwürdige Verwirrung selbst unter jene, die doch glaubten, mehr zu wissen, als es ein Mensch tun konnte. „So scheint seine Existenz besiegelt.“, sagte jene Dame, die am Fenster stand und mit hellblauen Augen zu Link blickte. „Er hat die Liebe erhalten, die für seine eigentliche Existenz unabdingbar war. Deine und Zeldas menschliche Zuwendung.“ Link nickte und verstand langsam die Zusammenhänge, konnte aber nicht anders, als diesen Groll gegen die Götter zuhegen. Denn wer schon konnte verantworten ein kleines Kind auf das Schlachtfeld zu schicken. Nicht einmal Götter besaßen seiner Meinung nach dieses Recht. Eine Pause entstand, in der die menschlichanmutenden Augen der Gottheiten wieder in den Nebeln ihrer Augenhöhlen verschwanden... Die Älteste der Drei verschwand in silbrigem Licht, hatte gesagt, was sie sagen musste und verabschiedete sich mit folgenden Worten: „Hüte die Kraft in dir, Held.“ Eine weitere lange Pause... „Unsere Schatten wandeln noch immer auf schneeweißem Grund vor dem alten Turm, der dein letzter Aufenthalt war, Held.“ Link lief hinüber zu dem Fenster, wo die Hüterin des Wissens und der Gesetze, Wächterin der Weisheit, stand und wagte einen Blick hinaus, konnte nur weiße Wolkenschleier erkennen, die ihm nicht sagen konnte, ob Tag oder Nacht hier vorherrschte. „Wie kann ich sie besiegen?“, meinte Link leise. „Dieses Wissen ruht schon lange in dir“, sagte die Gestalt mit freundlichen Worten neben ihm. „Doch nun seid ihr geschützt und ihr werdet es von heute an immer gegen jene dunklen Kreaturen sein.“ Erneute Rätsel in den Worten. Diese Geheimnistuerei ging Link langsam oder sicher auf den Geist... „Schön, und wie sind wir geschützt?“ „Durch Licht und Wärme“, entgegnete die Dame am Fenster, blickte in das Spiegelglas und schenkte Link einen Hauch ihrer gigantischen warmen Macht, den er genauso unsichtbar in Empfang nahm wie die Kraft der Ältesten. Befreit und selig fühlte sich der Heroe jetzt, sodass er sich strecken musste. „Beschütze dein Licht und deine Liebe, Heroe.“ Allein durch diesen Satz wusste Link, dass es für diese Dame Zeit wurde zu gehen und so verschwand sie ebenso in einem unwirklichen Licht, stolz und erhaben. Nur noch seine Schutzgöttin leistete ihm Gesellschaft und schwebte langsam zu ihm hinüber. Sie war die Hüterin des Lebens, Wächterin des Mutes. „Sie wartet auf dich“, säuselte die Stimme des Windes in ihr. Ein Lächeln zuckte über Links Gesicht, als er an Zelda dachte. „Und doch lausche meinen Worten noch für einige Augenblicke.“ Er erwiderte ihren Blick, schaute in das kräftige Grün ihrer Augen und nickte. „Ruht Euch beide solange aus, wie es der Wunsch ist. In eurem Zeitbegriff Minuten, Stunden, Monate. Sobald ihr weiterzuziehen gedenkt, sagt einem der Gnomen Bescheid und sie werden euch hinaus geleiten, werden euch die Geschenke übermitteln, die wir für Eure letzte Schlacht vorgesehen haben.“ Geschenke? War in Hyrule jetzt so was wie Weihnachten?, dachte Link überrascht. Trotz allem freute er sich darüber. Was Götter wohl Schönes zu verschenken hatten? Auf dem Gesicht der mächtigen Persönlichkeit, die Link tausendmal sympathischer war als die anderen beiden, zeigte sich ein starkes, zufriedenes Lächeln. „Ich bin menschlicher, als ich es zeigen kann, Link“, sagte sie. „Das habt Ihr mir bereits bewiesen“, erwiderte er, irgendwie wohlig der Gedanke, dass gerade sie seine Schutzgöttin war. „Noch etwas. Ein Gnom wird dir etwas von mir persönlich überreichen. Gib diesen Gegenstand an den Jungen, der aus Euren Essenzen besteht.“ „Klar mach’ ich das.“, sagte Link und lief an der Tafel entlang auf die hohen beschriebenen Holztüre zu, als er sich ein weiteres Mal umdrehte. „Mir fällt noch etwas ein, das mich beschäftigt“, begann er und schaute zu der Gottheit am Fenster. „Es geht um Navi.“ Die weise Frau nickte und sagte langsam und leise: „Sie hatte sich geweigert ein Mensch zu werden, ihr altes Wissen als Fee abzulegen und doch verblasste Hyrule. Entgegen der Prinzessin Hyrules, die in Hyrule blieb, da sie sich für jenes altes Land entschieden hatte, war Navi uneins mit sich selbst und wusste nicht, was sie sein oder bleiben wollte. Nun befindet sie sich zwischen dieser Welt und der Erde und hat gerade soviel Kraft einen Mädchenkörper aufrechtzuerhalten.“ Diese Worte stimmte Link zunehmend traurig. Immerhin hatte Navi ihn stets begleitet und war auch damals ein Freund für ihn gewesen. „Wenn sie sich entscheiden würde, könnte sie in deiner Welt wiedergeboren werden, deshalb obliegt es dir, ob du sie darauf ansprichst, endlich ihren Weg zu gehen.“ Einen entschlossenen Ausdruck in dem Gesicht, nickte Link und begab sich gen Ausgang. Doch einen Kommentar konnte er sich nicht verkneifen. „Übrigens... das Essen war toll.“ Ein typisches, beinahe heimtückisches Grinsen auf dem Gesicht verließ er den Raum, hörte im Hintergrund des raschelnde: „Bis bald, Link“ aus der Kehle jener mächtigen Gestalt. Als Link jenen Raum betrat, in welchem der riesige Kaminschacht für unermessliche Wärme sorgte, fand er Zelda schlafend an der Bettkante sitzen. Ihre Wangen waren feucht von den heißen Tränen, die sie für Hyrule vergossen hatte. Er murmelte verträumt ihren Namen, aber sie schlief tief und fest. Vorsichtig nahm er sie auf seine Arme, ließ ihren ruhenden Körper langsam auf das bequeme Schlafsofa nieder, schützte ihre schlafende Form mit einer Decke vor der Kälte und stieg zu ihr auf jene gemütliche Liege. Er gab ihr nur einen leichten Kuss auf ihre Lippen, streichelte über ihre Wangen und legte schließlich seine Arme vollständig um sie. „Ich liebe dich, Zelda...“, flüsterte er leise, mit der Gewissheit, dass sie diese Worte von ihm noch nie gehört hatte und auch im Moment nicht hören konnte... Kapitel 85: Endlich nah... -------------------------- Kapitel 68: Endlich nah... Und wieder ein langes, romantisches Kapitel mit ein paar Geschehnissen außer der Reihe. Eigentlich das längste Kapitel bisher. Für alle dies mögen. Da es aber nicht unbedingt für die nachfolgende Handlung von Bedeutung ist, kann man es auch leicht überspringen. Einige lange Stunden verstrichen. In jenem gemütlichen Raum, wo ununterbrochen violettes Feuer in dem Kamin knackte und leichte Wärmebrisen in die Luft getragen wurden, lag Link eng umschlungen neben seiner Prinzessin. Er war scheinbar der erste, der gähnte und verträumt, noch mit Schlafsand in den tiefblauen Augen, aufwachte. Doch wirklich aufstehen konnte und wollte er jetzt einfach nicht, auch wenn er seine Gedanken noch nicht geordnet hatte und nicht begriff, dass Zelda wirklich anschmiegsam neben ihm schlief und sich fest an seiner Wärme nährte. Vielmehr dachte er, sich in einem Traum zu befinden, wie in jenem Gebilde der Nacht, wo ein märchenhaftes, hübsches Wesen gleich einem Engel ebenso eine Nacht bei ihm blieb, ihn wärmte und liebte. Eine Erinnerung an diesen unvergesslichen Traum schwebte durch seinen Kopf. Und doch wurde jene Erinnerung nur wachgerufen durch das schreckliche Ereignis von vor wenigen Tagen, als Zelda vor seinen Augen beinahe starb... Er verscheuchte diesen grausamen Moment, indem er seinen Kopf schüttelte und wagte endlich einen echten Blick umher. Und tatsächlich, dachte Links verliebter Verstand. Da lag sie. Ein zerbrechliches, wunderschönes Wesen, ganz nah bei ihm. Sie hatte sich in der Nacht scheinbar zu ihm gedreht und genießend ihren Kopf an seine Brust gedrückt. Ihre warmen Arme hielten sich an ihrem Heroen fest und zusätzlich hatte Zelda ein Bein um ihm geschlungen. Überrascht blickte Link in ihr anmutiges Gesicht und dachte albern, ob sie etwa Angst hatte, er wollte vor ihrer Gegenwart weglaufen. Denn sie hielt sich so angestrengt fest, als ob sie ihn seit Jahren nicht zu Gesicht bekommen hatte. Link versuchte sich langsam aufzurichten, aber in dem Augenblick gab Zelda ein auffälliges, verbietendes Murmeln von sich. „Nicht...“, entkam es ihren süßen Mund. Scheinbar wollte sie ihren Helden daran hindern, aufzustehen. Er sollte es sich gerade jetzt nicht wagen, sie alleine zu lassen. „Nanu? Du bist ja wach?“, flüsterte Link und gab der schönen, fesselnden Hylianerin neben ihm einen langsamen, feuchten Kuss auf ihre samtige Wange. „Ja, schon eine ganze Weile“, entgegnete sie seufzend und schwelgte in ihren angenehmsten Phantasien an einem Ort, wo es nur sie und Link gab und niemand sonst durch das Tor zu der geheimen, sinnlichen Zuflucht gelangen könnte. „Und warum hast du mich nicht geweckt?“ „Es war so schön, dir beim Träumen zuzusehen“, sagte sie leise und holte tief und genießend Luft. Sie blinzelte ein wenig, aber blieb genauso liegen, wie schon vorher. „Hattest du einen angenehmen Traum?“, fragte sie. „Mmh...“, seufzte Link und streichelte durch das lange, weiche Haar seiner Prinzessin. Er würde wohl Tausende Rubine für eine dieser goldenen Strähnen bezahlen... „Erzählst du mir, wovon du geträumt hast?“, säuselte sie und genoss seine nackte Nähe, die unglaublich angenehme Wärme seines Körpers und sogar den leichten Geruch nach Wald, der von Link ausging und immer schon ausging. „Gerne, wenn du möchtest?“ „Ich möchte“, murmelte Zelda kurz und schloss ihre leuchtenden Augen wieder. „Ich hatte einen alten Traum... den ich schon einmal, vor vielen Jahren durchlebte. Ich glaube, damals war ich dreizehn oder vierzehn...“ „Du hattest einen Traum, den du schon einmal träumtest?“ „Jep, mein Engel“, sagte er und küsste sie begehrlich und lange auf ihre zarte Stirn. „Und es war damals wohl der schönste Traum, den ich je gehabt habe.“ Er stoppte kurz und ging mit seinen Augen auf Wanderschaft, erforschte unablässig die ruhende Form des einzigartigen Wesens neben ihm. „Hast du schon einmal richtig geliebt, Zelda, körperlich geliebt? “, meinte Link leise, hoffend, sie deutete seine Worte nicht als wollüstige oder buhlerische Überrumpelungsversuche, denn das waren sie bei weitem nicht. Er meinte diesen Satz genauso ehrlich, wie es seine Gefühle für Zelda waren. Niemals würde er etwas von ihr verlangen, was sie nicht wollte. „Nein, natürlich nicht...“, sagte sie sanft. Und Link hatte im Grunde genommen mit einer etwas verärgerteren Meinungsäußerung gerechnet. Zeldas unvorhersehbares Verhalten überraschte ihn immer wieder. „Ich hatte eine sehr sittsame Erziehung im alten Königshaus Hyrules.“ Zelda legte ihren Kopf nach hinten, sodass sie Link mustern konnte. Dieser jedoch starrte nachdenklich und grüblerisch in die hitzigen Flammen. Er fand im Augenblick einfach nicht die passenden Worte, das sah die junge Lady ihm an. „Hast du in deinem Traum körperliche Freude empfunden?“, sagte sie ohne Scheu, ohne Verlegenheit. Denn es war anders und einfacher zwischen ihnen geworden, sich über intime Inhalte zu unterhalten. Ohne zu antworten schloss der Heroe seine Augen, nicht gewahr dem vielsagenden Grinsen, welches sich um seine Mundwinkel erschuf. Er lachte ausgelassen, fühlte sich lebendig und frei. „Ist das ein Ja?“ Abrupt öffneten sich seine Augen. Verspielt rollte Link sich halb über die blonde Hylianerin in seinen starken Armen und begann sie innig und tief zu küssen. „Jep, das war ein Ja“, sagte er wenig später und wich nur wenige Zentimeter von ihr weg, streichelte mit seinen Handballen über ihre schwachrosa Wangen. Seine tiefblauen Augen weckten ihre Sinne, als jene in ihren lasen, sich Zutritt zu ihren geheimsten Gedanken verschafften. „Ich muss für etwas Buße tun“, sagte Link, grinste aber verdächtig und hielt Zelda gefangen in seinen Armen, sodass sie ihm auf jeden Fall zu hören musste. „Der Held der Zeit möchte sühnen? So soll er mir mit seinem Munde verraten, was es sein möge, das auf seinem Gewissen lastet“, sagte Zelda vorwitzig, genoss das teuflische Werkzeug ihres zügellosen Temperaments und ihrer gefährlichen Zunge. Denn vor Link musste sie nicht schauspielern, musste ihre Gefühle und ihr wahres Ich nicht mehr verstellen, nicht mehr... „Eine unvergleichliche Schande ruht auf den Schultern, die ich besitze, meine Prinzessin.“ Zeldas Mundwinkel zogen sich herrlich in die Breite, wie die eines kleinen Kindes. Zutiefst glücklich über diese wunderbaren, gemeinsamen Minuten rollte sich Zelda geschwind wieder über Link und drückte ihn fordernd mit ihren weichen Händen zurück auf das samtiggepolsterte Sofa, was gar nicht so einfach war. Link ließ sich nicht herumkommandieren und erst recht nicht so leicht überzeugen. Mit größerem Kraftaufwand legte Zelda ihre Hände auf seinen tollen Oberkörper und presste ihn endgültig auf die flaumige Polsterung. „Nana“, sagte sie eifernd. „Ihr müsst schon aufgeben, Held der Zeit, sonst gewährt Euch die Richterin kein Erbarmen.“ Was war hier los, dachte Link... Verkehrte Welt? Noch nie hatte Zelda so verführerisch gehandelt, noch nie hatte sie sich so dominant ihm gegenüber verhalten und gleichzeitig so... fesselnd... Link schluckte umständlich das Wasser in seinem Mund herunter, fühlte sich irgendwie überfordert und fragte sich, was Zelda im Augenblick ersann... Als sie Links erstaunten, baffen Ausdruck bemerkte, setzte sie hinzu: „Wenn Ihr mir Eure Schande gesteht, so könnte die Richterin in mir viel schneller Barmherzigkeit walten lassen.“ Sie saß inzwischen auf ihm und hielt seine Hände unbestechlich fest in das samtene Material der Schlafgelegenheit gedrückt. „Nun, Heroe, möchtet Ihr mir unterbreiten, wofür Ihr Büße tun müsst?“ Derweil begann Zelda hetzend an ihrer teuflisch roten Unterlippe zu kauen, ein Anzeichen dafür, dass sie etwas wollte. Vielleicht eine verbotene Zärtlichkeit oder eine andere angenehme Berührung. Link grinste tückisch, konnte nicht in Worte fassen, wie begeistert er im Augenblick von seiner Prinzessin war, wie wehrlos und gleichzeitig glücklich er sich fühlte, selbst in Gefangenschaft dieser bezaubernden Lady. Ihr weiches, langes Haar fiel lose und beinahe wild über ihre Schultern, wobei einige Strähnen nach vorne, direkt auf seine Brust niedersanken. Ihr morgendlicher Teint, so natürlich und zum Verlieben, dachte Link. Ihr Mund, herrlich, atemberaubend und geschmeidig. Und während er sie ansah fielen ihm weitere faszinierende Dinge an ihrem Erscheinungsbild auf. Die blütenweichen Wangen und die kleine Falte auf ihrer Stirn. Aber das Schönste waren ihre warmen Augen, so kostbar blau wie jene Farbbänder des Himmels... Zärtlich gelangte seine angebliche Schmach über den Mund: „Ich habe Euch noch nie gesagt, wie wunderschön Ihr seid.“ Hysterisch und unkontrollierbar begann Zelda zu lachen und senkte ihre Lippen genüsslich auf seine. „War das Buße genug?“, meinte sie albern. „Das müsst Ihr entscheiden, denn Ihr seid mein Superior, Prinzessin.“ „Wenn das so ist, dann erhältst du eine weitere Ahndung, mein Link.“ Erstaunt packte der junge Mann sie an ihren Oberarmen, umschloss diese fest und nicht zu grob. „Seit wann bin ich denn: Dein Link?“ Langsam ließ sich Zelda wieder niedersinken und zog die Decke wärmend über sie beide. „Das warst du schon immer...“, flüsterte sie. Schwelgend in seinen geheimsten Träumen zeigte sich ein warmes Lächeln auf seinem Gesicht. Er zog Zelda an sich und begann sie sanft zu verwöhnen, mit zarten Küssen auf ihrer rosa Wange, an ihrem anziehenden Hals, bis er schließlich an ihrem empfindlichen Ohr knabberte. Erfüllt von blanker Begierde seufzte sie und erwiderte seine Zärtlichkeiten. „Mein Zeldaschatz...“, murmelte Link, nachdem sie einander wieder tiefe Küsse geschenkt hatten. „Du hast mich schon früher einmal so genannt, weißt du das?“ „Tatsächlich?“ „Jep“, meinte sie lachend, so wie er immer Ja sagte und richtete sich auf. Sie zog schnell ihre Stiefel an und wollte aufstehen, als Link sie davon abhielt. „Wo willst du denn so schnell hin?“ „Entschuldige, aber ich bin total hungrig. Immerhin haben wir mehr als zehn nichttickende Stunden geschlafen.“ „Echt so lange? Habe ich gar nicht als zehn Stunden wahrgenommen.“ „Dachte ich mir, du schienst ja auch sehr zufrieden in deiner Traumwelt.“ „Und ob ich zufrieden war, ich habe schließlich von uns beiden geträumt, mein Engel.“ Zelda lächelte und gab ihm einen kurzen Kuss auf seine Nasenspitze. „Erzähl’ mir deinen Traum nachher, ich hole uns ein Frühstück.“ „Ach was? Jetzt werde ich sogar von der Prinzessin Hyrules bedient. Ich muss einfach umwerfend sein“, sagte er schmunzelnd und steckte seine Arme hinter den Kopf. Zelda hielt ihm drohend einen Zeigefinger unter die Nase. „Bilde dir ja nicht zu viel darauf ein, mein Liebster.“ „Ich weiß, dass ich umwerfend bin...“ „Link!“, zischte Zelda warnend. „Manchmal bist du echt zu selbstverliebt, mein Held.“ „Aber das doch zu Recht“, sagte er aberwitzig und amüsierte sich an Zeldas kommentarloser, bestechlicher Miene. Sie grinste jedoch sofort wieder und hüpfte pfeifend, so zufrieden wie schon lange nicht mehr aus dem Raum. Mit einem lauten Gähnen drehte sich der junge Held auf seinen Bauch und zog die Decke, an welcher Zeldas Parfum haftete, zu sich heran. Nur ihr Duft reichte aus und Link packte kurzum die Sehnsucht nach seinem Engel. Er richtete sich auf und ließ die Beine über dem Sofa hinausbaumeln, saß nachdenklich da und wurde zunehmend ungeduldig. Wo blieb seine Prinzessin denn so lange? Es war schon merkwürdig, dachte Link. Seitdem er den Schatten über ihren Augen verbannt hatte, war sie offener, feinfühliger und konnte endlich ihre Gefühle ein wenig mehr zum Ausdruck bringen. Sicherlich brauchte sie ihre Zeit, dachte er, aber sie waren einander nun endlich so nah, wie er es sich immer gewünscht hatte. Ob er damals schon solche tiefen Gefühle für sie hegte? Was würde geschehen, wenn er sich plötzlich an sein früheres Leben erinnern würde. Könnten sich dadurch seine Gefühle für Zelda ebenfalls ändern, wenn er vielleicht nicht empfunden hatte, was jetzt für ihn selbstverständlich war... Er schüttelte seinen Kopf. „Idiot“, murmelte er. „Zum Teufel, ich bin ganz sicher, dass sich durch die Erinnerungen meine Gefühle nicht ändern werden“, stärkte er sich und verscheuchte die Zweifel. Und Link sollte Recht behalten. Er hatte sie damals schon geliebt, ohne es zu wissen. Neugierig, wo Zelda blieb und was sie als Frühstück vorbereitete, hüpfte Link fröhlich zu der kleinen pergamentfarbenen in die Länge gezogenen Tür. Mit einer weißen hochgekrempelten Hose und einem geöffneten blassblauen Hemd trat Link aus der verzierten Tür hinaus und lugte nach draußen. Doch da war niemand. Leise schloss Link die Tür und folgte dem schillernden Gang rechts von ihm. Nachdenklich tapste er voran und erreichte eine Gabelung in diesem schier endlosen Haus mit den unzähligen Gängen. Einer dieser Wege führte in den Badesaal und der andere sicherlich in die Küche. Aber was war mit dem dritten? Natürlich war Link neugierig, aber er entschied sich dafür, dieser Sache später auf den Grund zu gehen. Zeldas Anziehungskraft wirkte demnach selbst hier und Link lief vergnügt in die Richtung, wo er seine geliebte Prinzessin vermutete. Barfuss trottete er voran, sah Unmengen von Portraits an den dunklen, fast schwarzen Wänden, die silbern schimmerten. Schließlich hörte er Tellergeklapper aus einem Raum am Ende des Ganges. Viele weitere Türen verbargen Zugänge zu anderen Orten, die zu Licht und Nebel führen könnten und nur die eine Tür genau vor Links Nase war angelehnt, sodass ein Schimmer Kerzenlicht in den schillernden Gang fiel. Langsam und leise schob er die Tür zur Seite und sah seine Prinzessin mit dem knappen, goldenglänzenden Bademantel am Tisch herumwerken. Link konnte seine Augen nicht von ihr abwenden und starrte auf ihren schmalen, einfach nur perfekten Rücken. Dann wanderten seine Augen weiter hinab, zu ihrer wunderbaren Hüfte und schließlich zu Zeldas für ihn unheimlich sexy Po. Schamhaft schaute er weg und wollte sich für seine Gedanken am liebsten auf der Stelle selbst bestrafen. Zelda drehte sich überraschend um und meinte: „Machst du uns vielleicht einen Tee...“, sagte sie und schien keineswegs verwundert, dass er sich so schnell hier in der Küche befand. „Und was?“ „Donnerblumen- Pfefferminze oder hylianisches Süßkraut“, sagte Zelda. „Schau einfach in dem Hängeschrank dort drüben nach.“ Und sie deutete in die andere Ecke des Raumes. Zügig lief Link hinüber und kramte kleine tonige Döschen und Gefäßchen mit den unterschiedlichsten Inhalten hervor. „Und welches davon schmeckt jetzt gut?“ „Du hast früher alles gerne getrunken. Aber wenn du mich so fragst, nimm das Süßkraut. Das schmeckt wunderbar.“ Damit kramte er eine gläserne Teekanne hervor, einen Topf und schaute grüblerisch zu der alten Feuerstelle. Ja, und wie jetzt Wasser erwärmen? Zelda blickte zu ihm hinüber, hörte auf mit ihrer Tätigkeit und reagierte schnell. Sie konzentrierte sich kurz und plötzlich fing das Wasser in dem Topf an zu sprudeln. Ohne Feuer. Und ohne, dass Link nur irgendetwas getan hatte. „So langsam wirst du mir unheimlich mit deinen gefährlichen Fähigkeiten“, meinte er schmunzelnd und hängte die süßlich duftenden Beutel in die Kanne, schüttete das Wasser aus dem Topf darüber. Zelda schenkte ihm dafür ein Lächeln und widmete sich wieder ihrer Tätigkeit. Langsam trat Link an sie heran... Er wusste nicht, ob sie ihn bemerkt hatte, aber für Link erschien es mehr und mehr so, als hätte sie ihn mit ihrem Willen angezogen. Vorsichtig wanderten seine Hände über ihren Bauch, wobei sie tief einatmete. Feixend blickte ihr strahlender Held über ihre linke Schulter. Sie hatte ein fast überdimensionales Messer in der Hand und schnitt damit viele Stückchen sahnigen Schokoladenkuchen. „Mann, das sieht lecker aus.“ „Stimmt, der Kuchen schmeckt ja auch gut.“ „Ich meinte eigentlich nicht den Kuchen...“, sagte Link lümmelhaft und dreist. Leise kichernd drehte seine Angebetete ihren Kopf kurz zu ihm, entzog sich ihm aber wieder. Dennoch schaffte es Link immer, das letzte Wort zu haben. Er verlor jede Beherrschung und legte verträumt den Kopf auf ihre Schulter, sodass er ihr beim Kuchenschneiden zu sehen konnte. „Zum Anbeißen süß...“, flüsterte er und begann wieder an ihrem Ohr zu knabbern. Zelda ließ das Messer in ihrer Hand sinken, drehte sich um und verzehrte sich nun fast danach, seine Lippen mit den ihren zu bedecken. Link schob hinter Zeldas Rücken das Tablett mit dem Kuchen zurück und beförderte das Messer außer Reichweite. Liebevoll hievte er seine Prinzessin in die Höhe, sodass sie auf dem Tisch saß und er direkt vor ihr stand. Sie umschlangen einander und tauschten anspruchsvolle Zärtlichkeiten aus, küssten sich beinahe hungrig, als hätten sie seit Jahren nichts mehr von dem anderen bekommen. „Das will ich jetzt jeden Morgen haben“, meinte Zelda und drückte einen weiteren Kuss auf seine Lippen. „Kannst du gerne haben...“, erwiderte Link und nahm sie auf seine Arme. Gerade wollte der Held sie aus der Küche hinaustragen, als Zelda murmelte: „Link, der Kuchen und der Tee... du musst mich leider herunterlassen.“ Er gab sich selbst einen Stups an die Stirn. „Du hast Recht, hätte ich ja beinahe vergessen. In deiner Nähe bin ich eben nicht mehr zurechnungsfähig.“ „Oh, du erschienst mir vor wenigen Sekunden aber alles andere als unzurechnungsfähig.“ Sie spielte auf die heißen Küsse an, die gerade passiert waren. Er gab ihr ein dussliges einsichtiges Grinsen. „Diesmal hast du gewonnen, mein Schatz.“ Zelda nahm das Tablett mit dem Kuchen und Link die gläserne Teekanne. Fröhlich liefen sie den schillernden Gang wieder entlang, bis sie in ihrem gemütlichen Raum angekommen waren. „Was möchtest du heute tun, mein Held?“ Wie zwei Faulpelze saßen sie auf dem Bett und bedienten sich von dem Tablett mit Kuchen und Tee, welches auf einem nahen, runden, einbeinigen Tisch stand. „Weiß nicht. Am liebsten würde ich einfach hier bleiben... und...“ „Du bist gar nicht neugierig, welche merkwürdigen Räume es in diesem Haus gibt und wie es in den ewigen Gärten des Lebens aussieht?“ „Schon, aber wir hatten bisher einfach so wenig Zeit für einander und nun, da es so gut zwischen uns läuft, da würde ich am liebsten länger zusammen mit dir liegen bleiben“, meinte er ehrlich, belud seinen Silberlöffel mit cremigen Schokoladenkuchen und fütterte seine Prinzessin verspielt damit. Sie nahm einen herzhaften Bissen und fütterte im Gegenzug ihren unwiderstehlichen Helden. „Es tut mir leid, dass wir nicht eher...“ „... dass wir uns nicht eher so nah waren?“ Zelda nickte und ließ ihren Kopf fast trübsinnig hängen. „Wir hätten schon sehr lange zusammensein können.“ Link stellte das leere Tellerchen auf das neben ihnen befindliche Tischchen und rückte ein wenig näher zu Zelda heran. „Glaubst du, das hätte nur irgendetwas geändert?“, sagte er und hob sachte ihr Kinn nach oben, damit sie ihn ansah. „Wir waren uns nah, zu jenem Zeitpunkt, als du dich nicht erinnern konntest“, ergänzte er. „Hätten wir es vielleicht einfacher gehabt, wenn ich mich niemals erinnert hätte.“ Sie suchte nach der Zuneigung in seinen tiefblauen Augen und fand diese unbeschreiblich stark vor. „Vielleicht. Aber das spielt keine Rolle mehr. Das war Vergangenheit...“, schloss er ab und ließ die Beine von dem Sofa baumeln. Er wollte gerade seine Stiefel anziehen, um sich endlich in den Badesaal zu begeben, als sich Zelda aber sehnsüchtig an seinen Rücken lehnte und ihre sanften Hände sich auf seiner starken Brust wiederfanden. Sie begann mit dem Kragen seines Hemdes zu spielen, bis ihre Fingerspitzen einfühlsam auf seiner bloßen Haut entlang wanderten. Link hatte schon einige Male das Gefühl, sein Herz würde sich in Zeldas Gegenwart verselbstständigen, aber nun schien es beinahe aus seiner Brust herauszutreten. Dodom... dodom... Verträumt legte Zelda ihren Kopf an seine Schulter und murmelte: „Hältst du mich noch ein bisschen?“ Und plötzlich war der Badesaal aus seinem Kopf verschwunden. Der Stiefel in seiner einen Hand purzelte geräuschvoll zu Boden. Grinsend warf der junge Held seinen Kopf zurück, sodass er die liebliche Prinzessin mit ihrem glänzenden Bademantel wie ein Kind auf einer Decke hocken sah. Er krabbelte über das Sofa zu seinem Engel heran und zog sie an sich. „Ist dir das recht so?“, meinte er leise und vergrub sehnsüchtig sein Gesicht in ihrem duftenden Haar. Seine Frage blieb ohne Antwort, gewiss, denn es war nicht wichtig. Langsam schloss Link seine Augen und verharrte in jenem Moment, genoss die unbeschreibliche Wärme, die von Zelda ausging. Doch seine Prinzessin entzog sich ihm wieder, auch wenn sie sich nicht aus seinen Armen lösen konnte. Sie blickte mit ihren himmelblauen Augen in seine und wanderte mit ihrem rechten Zeigefinger zärtlich über sein Gesicht, bis hin zu seinen Lippen. „Erzählst du mir deinen Traum?“, flüsterte sie. „Gerne...“, entgegnete Link leise und hielt Zelda erneut fest in seinen Armen, nicht bereit sie jetzt gehen zu lassen. Stillschweigend hockten sie einige Minuten auf den weichen, dicken Decken, Arm in Arm, fest aneinander gedrückt. „Es war eines Morgens, als ich mit der Erinnerung an jenen Traum aufwachte, aber ich vergas den Traum wieder, vielleicht weil ich zu jung war, um nur irgendetwas davon zu begreifen oder weil ich es einfach nicht verstehen wollte.“ „Du meintest, du warst zwölf Jahre alt?“ „Ja, und in dem Alter sehen Jungs Mädchen wohl mehr als kleine, böse Teufelchen. Vielleicht habe ich deswegen den Traum wieder vergessen...“ „Und wann ist er dir wieder eingefallen?“ Link löste sich ein wenig aus der innigen Umarmung und blickte Zelda leicht trübsinnig an. Seine linke Hand wanderte über ihren Bademantel bis zu der klaffenden Wunde, die sich Zelda vor wenigen Tagen zugezogen hatte. Sie seufzte überrascht auf und spürte wohl einen hinterhältigen Schmerz unter ihrer Brust, welcher aber nicht von Links leichter Berührung hervorgerufen wurde. Schmerz und Gefühle der Angst lagen versteckt in den tiefblauen Augen, in welchen Zelda so gerne versank. Sachte legte sie ihren Kopf wieder auf seine rechte Schulter und drückte sich suchend nach Schutz und Wärme an ihn. „Ich verstehe...“, sagte sie leise. Gefühlvoll, mit einem Hauch Besorgnis, sprach Link: „Ich hätte mich nie erinnert, wenn...“ Er sprach nicht weiter und drückte Zeldas warmen Körper noch weiter an sich. Überrascht sah Zelda auf, fühlte sich zunehmend eingeengt, auch wenn sie wusste, dass seine fürsorgliche Umarmung nicht dieses Gefühl im Sinn hatten. Link war überaus feinfühlig, das wusste sie. Dieser Moment war wohl eher ein Ausdruck der Angst, die er immer wieder wegen ihr ertragen hatte. Zur Beruhigung streichelte Zelda seinen Hals und dann seinen Nacken. „Link... es geht mir doch gut...“ „Ich weiß und trotzdem...“, fing er an. „Vor wenigen Tagen dachte ich...“ Er wurde nervös, das merkte sie ihm irgendwie an. Es mussten seine Gefühle sein, die er schon damals viel zu selten mit einfachen Worten sagen konnte. „Pst!“, hieß sie aufgeregt und legte einige Fingerspitzen auf seine Lippen. „Denk’ nicht daran, nicht jetzt, Link. Nicht hier...“ „Es lag nur an unserem Traum, Zelda. Ich erinnerte mich an ihn, nur da dieses schreckliche Ereingis geschehen ist.“ „Unser Traum?“, meinte sie fragend und sah ihn tiefgründig an. „Ich war mir sicher, dass du diesen Traum auch irgendwann einmal haben würdest oder vielleicht schon hattest.“ Zelda stemmte sich mit ihren Armen auf das Sofa und sagte neugierig: „Kannst du endlich mal aufhören um den heißen Brei zureden? Du mogelst dich die ganze Zeit um die Details herum, Link.“ Ein tolles Grinsen spielte um seine Mundwinkel. „Du hast mich erwischt. Ich habe mich tatsächlich drum herum gemogelt.“ „Ich kenne dich eben zu gut.“ „Sei dir da mal nicht zu sicher. Auch ich habe meine Geheimnisse.“ Zelda grinste nun auch und ließ sich zufrieden auf der Schlafgelegenheit niedersinken. Sie blickte verliebt zu ihrem Helden, der sich verführerisch über sie beugte. „Dir ist aber schon klar, dass jetzt, da wir zusammen sind, ich auch deine letzten Geheimnisse herausfinden werde.“ „Das ist wohl das Risiko“, sagte er. „Aber ich bin gerne ein wenig risikofreudig. Vor allem, wenn es um dich geht.“ Zelda erwiderte nichts, sondern strahlte ihn über beide Ohren überglücklich an, lud ihn mit einem Zwinkern ein, sich zu holen, was er haben wollte. Denn so deutlich konnte sie Sehnsucht, gemischt mit Drängen nach Leidenschaft in seinem Blick erkennen. Sanft begann er seine Prinzessin zu küssen, auf ihren weichen Lippen, an ihrem Hals und schließlich voller Begierde an ihrer Schulter. „Ich hätte niemals gedacht, dass du so zärtlich bist, mein Held“, seufzte sie, zugegeben ein wenig außer Puste. „Warum denn nicht?“ Link krallte sich die Decke, kuschelte sich an Zelda heran und wickelte sie fürsorglich damit ein. „Ich nehme an, das gehört zu deinen Geheimnissen, die du niemals preisgeben wolltest.“ „Oh... dann habe ich bestimmt noch ein paar Überraschungen für dich auf Lager.“ Zeldas Kichern wurde immer lauter, besonders, da zusätzlich Links Haarsträhnen an ihrer Schulter kitzelten. „Wie deinen Traum?“ „Genau, wie meinen Traum...“ Zelda rollte sich ein wenig zu ihm und fuhr verspielt mit ihrer rechten Hand über seine Brust, dann sogar unter seinem blassblauen Hemd entlang, bis hin zu seinem extrem pulsierenden Herzen. „Erzählst du ihn mir jetzt endlich.“ „Ich kann’s ja mal versuchen. Aber wenn ich plötzlich zu husten anfange, knallrot im Gesicht werde und sich jede Faser meines Körpers verräterisch anspannt, dann sei mir bitte nicht böse, wenn ich nicht weiterreden kann.“ „So schlimm war dein Traum?“ „Nein, so... wunderbar, himmlisch und befriedigend.“ Zelda musterte ihn nachdenklich. „Nun erzähl’ schon, sonst muss ich dich dazuzwingen, mit der Sprache rauszurutschen. Und glaub’ mir, ich habe meine Methoden.“ Sie grinste und hauchte ihren heißen Atem an seine Wange, wissend, in welche Stimmung in dies bringen könnte. „Also: Kurz und schmerzlos: Wir haben uns einfach... geliebt“, sagte Link abschließend und wartete auf eine Reaktion von Zelda, die jedoch nicht kam. Nachdenklich lag sie neben ihm, starrte ins Nichts, aber hatte keine Verlegenheit oder Scham in ihren Augen, nein, es schien, als würde sie es einfach hinnehmen. Es war ja nichts Schreckliches, dachte sie. Ganz im Gegenteil, und es war nichts, wofür sich Link schämen brauchte. Sie hatte nicht davon geträumt, das war vielleicht im Augenblick das, was sie beschäftigte. Möglicherweise war sie ein wenig neidisch, dass Link diesen Traum wohl offensichtlich genossen hatte und sie nicht wusste, was überhaupt diese Form der Liebe mit sich brachte. Sie erinnerte sich. Manchmal hatte sie heimlich Bücher in der Schlossbibliothek gelesen, die sich um das Thema Liebe rankten, egal ob körperliche oder sogar seelische Vereinigungen. Sie war ein pubertierendes Mädchen gewesen, die solche Lektüre verschlungen hatte. Vielleicht war die keusche Erziehung daran Schuld, das ständige Unter- Verschluss- Halten derartiger Bedürfnisse, die Verpöntheit, überhaupt an derartige intime Dinge zu denken, die sie dazu brachten des nachts Bücher über die Liebe zu lesen, sich über alles Wissenswerte zu informieren, erst Recht, da sie mit Shieks Erinnerungen gesegnet war und Shiek eine alles andere als standesgemäße Erziehung genossen hatte- nämlich gar keine. „Hey, woran denkst du?“ „Ich habe einfach keine Ahnung davon“, sagte sie leise. „Du meinst von Liebe und Leidenschaft?“ „Ja...“ Link richtete sich auf und gab ihren einen langen Kuss auf ihre Stirn. „Das macht doch nichts, mein Engel. Du bist noch lange nicht bereit für so was“, sagte er sicher. Er fühlte es einfach, wusste um Zeldas Unerfahrenheit und leichte Scheue, wenn es um dieses Thema ging. Er umarmte sie erneut innig, nicht bereit sie irgendwohin gehen zu lassen. „Weißt du, wenn alles vorbei ist, dann machen wir uns einen richtig schönen Abend, mit allem Drum und Dran...“ Zelda lächelte beruhigend und entschlossen. „Du hast Recht, dann, wenn alles ausgestanden ist.“ Sie schmunzelte kurz und blickte in den vor Mut protzenden Blick ihres Helden. „Irgendwie bin ich jetzt, nach allem, was wir die letzten zwei Wochen erlebt haben, viel zuversichtlicher. Irgendwie weiß ich jetzt, dass alles gut gehen wird.“ „Ja, ich auch, besonders, da du keine Alpträume mehr hast, Zeldaschatz.“ Sie zwickte ihn spielerisch als Strafe für jene Bezeichnung ihrer Persönlichkeit in die Haut seiner Brust. Ein Anfang für ein wenig mehr Hoffnung, ein wenig mehr Mut in zwei auserwählten Herzen, die zwei alte Welten retten mussten. Ein Anfang für mehr und mehr Zuversicht, die Mission und den letzten Kampf heil zu überstehen. „Genau... wir schaffen das“, murmelte Link und streichelte Zelda liebkosend über ihre Wangen. „Ja, wir schaffen das“, stimmte sie zu. Seufzend schmiegte sie sich an ihn und gähnte leicht. „Bist du immer noch müde?“ Ein wenig scheu wand sie ihren Kopf in Richtung Wand und fühlte seit vielen Stunden ihre Wunde wieder schlitzen. Aber sie wollte Link damit einfach nicht belasten und daher schwieg sie. Sie antwortete auch nicht auf seine Frage, die sie nicht einmal richtig vernommen hatte. Sie war in ihren Gedanken, einem Ort weit weg, den Link nur gelegentlich finden konnte. Träge schlossen sich ihre Augenlider und nur um ihren Helden weitere Sorgen zu ersparen, tat sie so, als ob alles in Ordnung wäre und sie lediglich eingeschlafen war. Verfolgt von einem närrischen Beißen unter ihrer rechten Brust schauspielerte Zelda erneut und reagierte nicht weiter auf die wohltuenden Berührungen von Link oder darauf, dass er die dicke, pelzige Decke bis zu ihrem Kinn zog. Sachte beugte er sich über sie, hauchte einen treuen Kuss auf ihre Lippen und murmelte hingebungsvoll: „Ich liebe dich, Zelda.“ Damit verließ er leise den Raum und schloss die schmale Tür. Eine Träne tropfte von Zeldas Augenwinkeln, denn noch nie hatte jemand diese drei Worte zu ihr gesagt. Ein Glücksgefühl in ihrem Inneren begann zu erwachen. Ein himmlisches Gefühl wie das Wandern auf weichen Wolken. Sie wischte sich einige salzige Tränen von den Wangen, aber es half nichts. Diese Worte... so einprägsam, so wunderbar. Sie lachte leise auf und stemmte ihren Körper auf die Arme. Verflucht, sie bekam ihre Tränen einfach nicht weg. Pausenlos tropften kleine Wassertropfen wie Sturzbäche ihre schwachrosa Wangen hinab. Aber es waren alles andere als Tränen der Verzweiflung. Es waren Freudentränen, erfüllt mit ehrlichem Lachen. Sie drehte sich um und fuhr mit ihren Handballen über den warmen Bereich des Schlafsofa, wo Link noch wenige Sekunden vorher lag. Sie fühlte seine Wärme noch, spürte seine Aura noch hier, direkt in ihrer Nähe. „Danke, mein Held...“, flüsterte sie und zog ein weiches, großes Kissen zu sich heran, umarmte es wie ein Kuscheltier und fand doch wenige Augenblicke ihren Schlaf. Link lief derweil in dem großen, labyrinthischen Haus umher, durchquerte zufrieden und zu allem Überfluss schon wieder mit Zelda in seinen Gedanken verschiedene Verbindungstüren zu allerlei komischen kleinen Räumen. Ein Ballsaal, wo er sich sofort eine Dusche gönnte, einige leere in die Länge gezogene Kämmerchen, sogar eine gigantische Bibliothek. Langweilig würde es ihnen bestimmt nicht werden, dachte Link, wenn sie schon einige Tage, vielleicht auch Wochen hier bleiben würden. Aufmerksam durchkämmte Link die riesigen Bücherregale, stieg neugierig auf eine Leiter und klapperte die Buchtitel auf den Rückschlägen ab. Wundersame Schriftzeichen hier und da. Allerlei merkwürdige, geheimnisvolle Titel überall. Nach einer Weile hüpfte der junge Held von der Leiter und ging aus dem verstaubten Büchergefängnis hinaus. Eine kleine Wendeltreppe zog seine Aufmerksamkeit auf sich und langsam tapste er hinab, schlich sich durch zunehmende Dunkelheit. Schon wieder huschte Zelda durch sein verliebtes Gemüt und er schüttelte kurzum seinen Kopf, sich fragend, ob das noch normal war. Zum Teufel, er konnte nicht länger als eine Minute ohne sie sein. Ständig dachte er an ihr süßes Lächeln. Andauernd erinnerte er sich an ihren Geruch, wollte ihre Nähe, ihre Wärme. Er wühlte aufgebracht in seinen Haaren herum und konnte nicht verstehen, dass dieser herrliche verliebte Zustand ganz natürlich für ihn war. Es war keine einfache Liebe, die sie beide hatten, keine jugendliche Schwärmerei, nein, Link wusste, dass dieses Band zwischen ihnen schon ewig bestand... Der junge Kämpfer gelangte in einen kleinen runden Raum. Nur eine feingeschliffene Glaskugel mit goldenem Rauch stand in der Mitte auf einem schwarzen Podest. Ansonsten befand sich nichts in diesem Raum. Nur einige hohe Standkerzen umzirkelten das Podest und verliehen Geheimnisse diesem seltsamen Ort am Rande des normalen Lebens. Gespannt lief Link darauf zu und blinzelte zu den kahlen, harten Backsteinwänden. Kein Fenster. Kein anderes Mobiliar. Was zum Teufel taten Götter eigentlich den ganzen Tag und warum lebten sie, wenn man ihre Existenz überhaupt Leben nennen konnte, so spartanisch? Und was war mit den alten Gnomen? Wo waren die eigentlich abgeblieben? Links Hände legten sich fast von selbst auf das Podest aus Ebenholz und neugierig lugten seine blauen Augen in den zierlichen, goldenen Rauch in der Kugel. Und tatsächlich, etwas geschah. Der Rauch verging, wie zerlaufende Farbe auf Papier, das eben diese Farbe nicht annahm. Kurze Bilder, die aber wieder verschwanden und erneut auftauchten. Der Prozess war jedoch viel zu schnell, sodass Link sie nicht erst wahrnehmen konnte. Plötzlich spürte er einen Luftzug in seinem Rückrat, eine sanfte Brise, die ihn wissen ließ, dass jemand sich ihm annäherte. Aber nichts bedrohliches, das wusste er, also entschied er sich dafür, das Unbekannte als unbekannt zu belassen. Weiterhin starrte der junge Held in die Kugel und ließ sich von dem Wesen im eigentümlichen Raum nicht beeindrucken. Als er dann aber wieder aufsah und ein sehr, sehr erstaunliches Geschöpf vor sich sah, quiekte der junge Held einmal laut auf, stolperte rückwärts und klatschte auf seinen Hosenboden. Er zeigte mit seiner rechten Hand fassungslos zu dem Wesen, welches durch den Raum schwebte und ein unbeeindrucktes Gesicht aufsetzte. „Du bist... du bist. Zum Teufel… du bist ein Gespenst. Bei Farore!“ Und tatsächlich nickte das Etwas und verbeugte sich. Eine unecht gehobene, stolze Stimme sprach eine umständliche Begrüßungsformel. „Sehr wohl, junger Edelmann. Lord Lorringtan, mein Name. Gestatten.“ Und das geisterhafte Etwas verbeugte sich und hob seinen auffälligen, mit Federn besteckten Zylinder von seinem Haupt. Tatsächlich handelte es sich um einen eher zwergenhaften Kerl, der bereits zu seinen Lebzeiten jene winzige Statur besaß. Er trug eine graue Strumpfhose und Schuhe mit extrem langen Kappen, einen viel zu großen Brustpanzer, der seiner ohnehin kleinen Statur einst unheimlich zugesetzt haben musste und ein flauschiges, in verschiedenen Abschnitte eingeteiltes Rockteil stach unter den metallenen Beschlägen der Rüstung hervor. Insgesamt wirkte der in die Jahre geratene Mann mit der eitlen Miene wie ein unreifer Clown oder Kasper, auch wenn er bereits graue Haare besaß, bevor er starb, die gelockt waren und dennoch zurechtgerückt an seinem schmalen, stolzen Kopf klebten. Besonders auffällig war ein unechter Leberfleck an seiner rechten Wange, die Link wissen ließ, dass dieser Clown gerne seine Herkunft als Adliger bezeugte und eine hässliche Warze auf seiner Nasenspitze stach ins Augenmerk. Link richtete sich auf und wischte sich über die weiße Hose, die er trug. „Na prima. Einen Geist gibt’s hier also auch noch.“ Link schüttelte den Kopf und musterte den hochnäsigen Kerl sehr genau. „Nur so zur Info, gibt es denn noch mehrere von deiner Sorte?“ Der Geist formte seinen bemalten Mund zu einem in die Länge gezerrten Fischmaul. „Von meinem Geschlecht gewiss nicht. Aber ja, es gibt weitere Gespenster in diesem wunderbaren Haus. Dazu noch einige Kobolde.“ Links Augenbrauen zogen sich verwirrt nach oben. „Und dann noch die ruhelosen Poltergeister, natürlich die alten Gnomen, und einige Einhörner, die im Garten des Lebens wandeln.“ Link verzog sein Gesicht umständlich zu einem Grinsen. „Und einige Feengeschöpfe, die manchmal zwischen den Wänden herumschweben, um zu lauschen. Und die Zentauren, die ich ganz und gar vergessen habe.“ Link schüttelte abtuend seine Hände. „Äh, ich glaube, ich habe genug gehört.“ „Übringens. Junger Edelmann. Eine hübsche Blüte habt Ihr in eurem Besitz.“, schmachtete der alte Geist und klatschte unreif in die Hände. Sein einsetzendes Gelächter klang wie ein ulkiges Gockeln eines Hahns, der soeben seinen Hahnenkamm verloren hatte. „Wie meinst du das denn?“ „Hübsch... hoho...“, quakte der Geist. Link sah den Typen durchdringend an und wurde das Gefühl nicht los, dass dieser witzige Alte, mehr sehen wollte, als er durfte. Das Gesicht des grauen Gespenstes nahm eine rötere Farbe an und seine eifernden, kasperartigen Augen lugten an die Decke. „So wunderschön ist sie, das Mädchen mit dem langen, honigblonden Haar in dem Badesaal, wo sie badete. Noch nie in jenem Lande sah ich ein Geschöpf von ihrer Schönheit, so edel und anmutig wie sie badete. Wie eine Göttin.“ Die Rasche, Eifersucht und Wut übermannte Link. Zornig rannte er auf den Geist zu und wedelte mit seinen Fäusten in dessen Gesicht. Doch der zum Spannen neigende Alte lachte nur kollernd. „Du mieser Spanner. Wehe du machst das noch einmal!“, fauchte Link. „Nicht doch. Nicht doch. In meinem alten Zuhause war es eine wunderbare Tugend, wenn ein Mädchen badete.“ Link war am Ende seiner Geduld. „Ich bring’ dich um, du mieser Geist!“, brüllte er und trat nach ihm. Die schürende Wut, dass jemand seine Zelda ohne entsprechende Erlaubnis einfach beim Baden beobachtet hatte, machte ihn unverbesserlich närrisch und unfähig, daran zu denken, dass er einen Geist schon lange nicht mehr töten konnte. Wie wildgeworden hetzte Link hinter dem Spanner und Lustmolch Lorringtan her, bis dieser durch die kalten Backsteinmauern verschwand. Voller Wut schlug und trampelte Link an die Wand und konnte nicht glauben, dass ein solcher verdammter Geist ,seine Zelda’, ja genau, ,SEINE ZELDA’, einfach so beobachtet hatte. Beim Baden. Diese Worte ließen ihn noch mehr zwanghafte, überschäumende Wut in den jugendlichen Kopf steigen. Bei Farore, beim Baden! Er selbst hatte sie beim Baden nur einmal in den Mooren gesehen und dann genoss so ein mieser, schleimiger, adliger Voyeur den Anblick, während Zelda sich wusch. „Dieser verdammt Lorringtan... wenn ich den erwische!“, brummte Link eifersüchtig. Kopfschüttelnd blickte der junge Held wieder in die Kugel, während immer noch Schimpfwörter aus seinem Mund sprudelten. Erneut gaben sich goldenschimmernde Bilder preis, die auch wieder schnell verschwanden. Aber die Abstände schienen länger zu werden. Ausgestattet mit einem hohen Maß an Geduld wartete Link darauf, dass etwas geschah. Seine spitze Nase rutschte immer näher an das blanke Glas, bis er genau erkennen konnte, was sich darin spiegelte. Link konnte eine alte Holzwiege erkennen und viele bunte Spielsachen in einem Raum mit langen olivgrünen Vorhängen. Plötzlich vernahm Link lautes Babygeschrei in dem kleinen Räumchen und irgendwer öffnete hastig eine schmale hohe Eichentür, die beinahe versteckt zwischen zwei Vorhängen lag. Link konnte nicht erkennen, wer da in den Raum trat, aber fasziniert belauschte er das Geschehen. „Nicht doch, mein kleiner Harkenia... Wer wird denn schon wieder weinen...“, sagte eine verschwommene Stimme. Aber Link erkannte, dass es eine Frauenstimme war. Die Gestalt, noch immer verschwommen, noch immer silbrig und golden scheinend, beugte sich über die Wiege und nahm ein kleines Bündel umwickelt mit blassblauen Tüchern aus dem Bettchen. Das Kindergeschrei verstummte, als die Person das Baby in den Armen wiegte und sich damit an eines der vielen Spitzbogenfenster setzte. „Schlaf, mein Kind...“, sang die Person warmherzig. In dem Moment nahmen die goldenen Schwaden in der Kugel wieder zu und verdichteten sich. Das kleine, faszinierende Bild eines idyllischen Heimes verschwand in den goldenen Nebeln. Link wich zurück, konzentrierte sich angestrengt darauf, aber der goldene Rauch ließ keine weitere Sicht mehr zu. Schulterzuckend ging Link aus dem Raum und vergas das merkwürdige Ereignis wieder. Lange stand die Zeit still, nichtexistenzielle Stunden verstrichen, hoch über den Wolken. Im Hause der Götter, so gebieterisch und mächtig jene Schöpfenden auch waren, so bedeutungsvoll ihre erste erweckende Handlung der Kreation Hyrules... so dunkel waren ihre Schatten und damit Hyrules finstere Seiten. Niemand sah die Großen Drei in ihrem verwinkelten, mystischen Hause wandeln. Niemand sah sie, denn ihre Schritte waren geräuschlos, ihr magischer Atem unlebendig, ihre Gestalten ohne echtes Blut... und doch waren viele Wesen in jenem Ort der Zuflucht zuhause, die Familien besaßen, die die Vorzüge des Geistes zu schätzen wussten, die zu alten Klängen tanzten. Und auch im Augenblick schallten Klänge in dem magischen Hause umher, gespielt von zwei einfühlsamen Kämpferhänden, so vollkommen in der Minute. Der Held der Zeit spielte sie, erschuf dumpfe Töne mit seiner Okarina, die die Geschöpfe besänftigten und in ihren Schlaf brachten. So wanderte Zeldas Wiegelied auf der Okarina der Zeit geheimnisvoll durch die Gänge, wurde lauter, wenn man sich dem warmen Gästegemach der beiden Hylianer näherte. Mit einer molligen Decke kuschelten die beiden Hylianer vor dem riesigen, violettsprühenden Kamin. Unentwegt über Links wohlgeformte Brust und seinen durchtrainierten Bauch streichelnd genoss die Prinzessin die sanften Flötentöne, hatte ihren Helden dieses Lied noch nie so wunderbar spielen hören und verfiel beinahe dem Schlaf, umwölbt von der Wärme des Feuers, der aufrichtigen Liebe ihres Helden und dem Schlaflied aus vergangenen Zeiten. Sein Herzschlag, denn sie hatte ein spitzes Ohr direkt auf seine nackte Brust gelegt, gab beruhigend den Rhythmus für das Wiegenlied vor... Sie gähnte laut und schaute neugierig zu Link nach oben, wollte sich nicht aus seinen Armen lösen, aber sein konzentrierter Gesichtsausdruck mit den geschlossenen Augen war äußerst interessant. Nur eine kleine Bewegung von Zelda genügte und Link stoppte die magischen Klänge und lächelte ihr sanft, mit ein wenig scheuem Rot unter den Augen entgegen. „Du bist noch wach?“, murmelte er und legte die blauschimmernde Okarina beiseite. „Ich habe dir die ganze Zeit zugehört...“, meinte sie und fühlte sich plötzlich auch wieder ein wenig aufgeregt. Sie wand ihren Blick ab und spürte das Rot wie angemalte, trocknende Farbe auf der Haut ihrer Wangen. „Du bist nervös, Zelda.“, sagte er. „Unsinn, du bist nervös“, entgegnete sie, schaffte es aber aus unerklärlichen Gründen nicht, ihm in die tiefblauen Augen zu sehen. „Scherzkeks“, meinte er trotzig. „Ich spüre doch, dass du nervös bist.“ „Und ich spüre, dass du nervös bist“, meinte sie prompt. Link jaulte beinahe auf: „Und warum bist du nun nervös?“ „Weil du nervös bist...“, sagte sie trocken. Link schüttelte bloß mit dem Kopf, weil dieses nervtötende Gespräch mal wieder überhaupt keinen Sinn ergab. „Schön.“ „Schön“, wiederholte sie und begann unverschämt zu grinsen. „Das erklärt aber noch nicht, warum du angefangen hast, nervös zu sein.“ In dem Moment wanderten Links Hände unter die Decke zu den Handgelenken seiner Prinzessin. Er umfasste diese mit einem kleinen Ruck und zog Zelda somit näher zu sich, sodass sie sich mit ihm auf selber Höhe befand. „Okay.“ Sein unwiderstehlicher Blick in Zeldas Augen hatte wieder Wirkungen, die von ihm selber nicht beabsichtigt wurden. „Ich weiß im Moment einfach nicht...“, und er begann sich mal wieder zu verhaspeln. „... ich weiß nicht, was...“ Seine Augen verleierten sich. „... was du, von mir erwartest.“ Zeldas Augenbrauen verzogen sich irritiert. „Was sollte ich von dir erwarten?“, sagte sie matt. Er schloss seine Augen langsam und entgegnete ruhig. „Gebe ich dir genug?“, meinte er leise. „Ist das, was wir im Moment haben... genug für dich?“ Zelda zwinkerte ein paar Mal, rutschte mit ihrem Gesicht ein wenig näher und untersuchte die verborgenen Sorgen in seinen Augen. „Wie viel willst du mir denn noch schenken?“, erinnerte sie ihn. „Du hast mir mehr gegeben als Hunderte Könige ihrem Volk geben könnten... ich erwarte überhaupt nichts von dir...“ „Aber...“ Doch Link spürte mit ein wenig Druck einen schmalen, zarten Zeigefinger auf seinen Lippen. „Pst...“, flüsterte seine schöne Prinzessin. „Kein Aber.“ Sie lächelte so bezaubernd, dass es dem Heroen Link schon beinahe weh tat... wie lieblich sie das konnte. Dann aber wandelte sich ihr Lächeln in ein fuchsiges Grinsen und sie warf sich Link zügellos in die Arme, sodass er hintenüber fiel. Lachend lagen sie beide auf dem glatten Boden vor dem Kamin und fühlten sich vielleicht noch nervöser als vorhin. „Küss’ mich“, reizte sie ihn. Link umfasste lachend ihre Handgelenke, sodass sie sich nicht rühren konnte. „Und was, wenn nicht?“ „Dann küss’ ich dich eben“, schmunzelte sie. Link rollte sich mit ihr ein Stückchen über den Boden, sodass er auf ihr lag. Gerade als er seinen Mund auf ihren senken wollte, klopfte es hastig und mehrmals an der Tür. Beunruhigt schielte Link zu der Tür, und empfand eine leichte Sorge, dass seine ruhigen Augenblicke mit Zelda schon wieder zuende sein würden. Sorge, man könnte sie beide loswerden wollen... „Wer mag das sein?“, meinte Zelda, deren seidiges Haar über dem Boden verteilt war. Link zuckte mit den Schultern, hüpfte auf die Beine und lief langsam zur in die Länge gezogenen, schmalen Tür mit den vielen besetzten, gelblichen Edelsteinen. „Wir werden es gleich wissen.“ Damit umfasste Link vorbereitet auf alles den Türgriff und riss die Tür zu sich heran. Zuerst sah er niemanden und trat über die holprige Türschwelle. Aber ein Piepsen neben der Tür sagte ihm, dass tatsächlich jemand dort wartete. Im flackernden, warmen Feuerlicht, welches seinen Schein in die Gänge schickte, trat ein kleiner Gnom hervor. Zwei große silbrige Augen gafften zurückhaltend aus einem Gesicht mit junger, glatter Haut hervor. Ein kleines zerschlissenes Streifenhemdchen hing schief an seinem rundlichen Körper und gekräuseltes, graues Haar stand widerspenstig in die Höhe. Aber das, was Link irgendwie wunderte und den kleinen Gnomen sympathisch machte, waren dicke, dunkelblaue Kullern, die an seinen Augenwinkeln hinabperlten. Waren dies die Tränen eines magischen Wesens? Trauerte der kleine ängstliche Gnom? „Hey, was ist denn passiert?“, meinte Link mit einem leisen, sympathieerweckenden Lächeln und sank auf seine Knie. Doch der kleine Kerl schrak furchtvoll nach hinten, während die dicken, blauen Tränenperlen sich beinahe wie Feuer in dem Boden einbrannten. Auch die liebliche Prinzessin trat nun näher und kniff sanft die Haut an Links Schulter, der darauf lächelnd zu ihr blickte. Sie wand sich still und sachte näher, verzauberte das kleine Wesen ein wenig mit ihrem natürlichen Zauber. „Ruhig...“, sagte sie und führte ihre rechte Hand ganz langsam zu den ineinander umschlungenen, langfingrigen Händen des Gnomenwichts. Sanfte Stimmlage wählend sprach sie weiter und funkelte mit ihren kristallblauen Augen in die riesigen hellen Augen. „... fürchte dich nicht vor uns.“ Gerade als Zelda die Hände des Wesens betasten wollte, kreischte es plötzlich ein lautes Schimpfwort in Gnomensprache und rückte fort. Aus irgendwelchen Gründen hasste das kleine Wesen die Hylianer beinahe... Umsonst hatte es nicht ein dreckiges Schimpfwort gewählt. „Aber Milady und Milord sind Hylianer. Und Hylianer waren böse zu den Gnomen, schon immer waren sie böse.“ Zeldas Augen wurden trübsinniger. „Ich verstehe nicht.“ Der kleine Kerl schniefte laut und erneut kullerten riesige, blaue Perlen über seine Wangen. „Mamala und Papala erzählen immer von dem großen Ritter Oredun, dem Verächtlichen.“ „Dem großen Ritter Oredun?“, hakte die Prinzessin nach, worauf der Gnom bloß schnäuzend nickte. Auch wenn sich die erhabene Prinzessin des mächtigen Hyrules in der alten Literatur sehr gut auskannte. Von einem hylianischen Ritter mit dem Namen Oredun hatte sie noch nie gelesen oder gehört. Und Zelda hatte ein langwieriges Studium der verschiedensten Ereignisse der Vorzeit hinter sich. Seit sie lesen und schreiben gelernt hatte, schärften Lehrer und der ulkige Minister ihren Verstand mit der ungewöhnlichsten Lektüre überhaupt. Den Göttinnen sei Dank war dieser Unterricht endgültig vorbei. „Haben Milord und Milady deswegen unseren Noftrem versteckt?“, winselte der Gnom. „Noftrem?“, meinte Link verdutzt. „Mein kleiner Bruderla. Gebt ihn wieder her. Gebt mein Bruderla wieder her“, setzte er keifend hinzu und wich weiter zurück in die Dunkelheit des Ganges. „Böse Hylianer. Verschwindet! Ihr habt Noftrem versteckt.“, fauchte er piepsig und rannte wie als ob mordlüsterne Dämonen der Vorzeit hinter ihm her waren in die Dunkelheit des Gangs. Ein ernster Blick Links streifte die Augen seiner anmutigen Prinzessin, die nur langsam über ihre roten Lippen gleiten ließ: „Ich glaube, wir haben etwas in Ordnung zu bringen...“ Was immer auch dahinter steckte, Prinzessin Zelda wurde den Gedanken daran, dass ein ganzes, kleines Volk die Hylianer verabscheute, sie womöglich sogar bis in die abgrundtiefste Hölle wünschte nicht mehr los. Schon damals in Hyrule war dies eine wunderbare Eigenschaft Zeldas, die sie auszeichnete. Sie wünschte sich so oft nichts sehnlicher, als das alle Völker in Hyrule unter reiner, vernünftiger Harmonie zusammenlebten. Der Zeitkrieg war nur einer der vielen Schandflecke in Hyrules Geschichte, die jene einzigartige Prinzessin am liebsten ganz und gar ausgelöscht hätte. Sie würde herausfinden, was es mit diesem Hassgefühl der Gnomen auf sich hatte. Und sie würde alles in ihrer Macht Stehende tun, damit dieser sinnlose Hass sich legte. Mit geschlossenen Augen ließ sie sich von ihrem Helden in die Arme ziehen, fühlte sich geborgen, fühlte sich sicher. „Wir sollten herausfinden, wo sich die Gnome aufhalten und dann vielleicht versuchen mit ihnen zu reden. Was meinst du?“, sagte er und ließ seine Lippen langsam über ihre Stirn wandern. „Mmh... das ist ein guter Vorschlag für den Anfang. Was aber viel wichtiger ist... warum nimmt dieser kleine Kerl an, wir hätten seinen Bruder versteckt.“ Link schmunzelte. „Du meinst seinen kleinen Bruderla?“ Auch Zeldas Mund verzog sich zu einem Grinsen. „Trollig was?“, sagte sie. Link hievte Zelda daraufhin lachend in die Höhe, griff schamlos an ihre Hüfte um sie zu tragen. „Nicht so trollig wie du...“, meinte der Heroe und trug seine Zelda zurück in das kleine, gemütliche Gemach, damit sie sich beide ihre Kleidung überstreifen konnten, um länger das labyrinthische Haus auszukundschaften. Hand in Hand traten die beiden Verliebten aus ihrem Gästezimmer in den hallenden Flur. Vorbei an der gigantischen Bibliothek, vorbei an dem leergefegten Ballsaal mit den unzähligen, hohen Fenstern, führte sie das Schicksal auf seinen unergründlichen Wegen einmal mehr in den Raum mit der kristallenen Kugel, wo Link das im Glas gefangene goldene Rauchspiel bewundert hatte. Eine weitere, kleinere Tür hatte sich bisher dem Zugriff der beiden Hylianer entzogen. Eine rundliche, mausgraue Pforte, sehr unauffällig, versehen mit den verschiedensten Inschriften einer Sprache, die nicht einmal die wissende Königstochter Zelda beherrschte. Sachte fuhr sie über die Inschriften und murmelte nebenbei: „Diese Zeichen sagen mir nur, dass diese Sprache vor ewigen Zeiten existiert haben musste und anscheinend vergessen wurde...“ Link kniete nieder und suchte nach einem Türengriff, der blöderweise nicht vorhanden schien. Neugierig versuchte er wenigstens unter den Türspalt zu linsen, um den Raum dahinter ansatzweise auszumachen. „Ein Grund mehr, den Raum dahinter zu entdecken.“, sagte Link und stemmte sich so gut es ging, gegen die kleine Tür. Aber nichts tat sich... „Mist, wie geht diese verfluchte Tür bloß auf?“, fauchte er dann und verdrehte die Augen. Von sich selbst überzeugt auf der richtigen Spur zu sein, krallte er sich an einigen herausstechenden, metallenen Kuppen fest und versuchte die eigenartige Pforte zu sich heranzuziehen. Aber wieder tat sich nichts. Daraufhin trat der ungeduldige Heroe einmal kräftig dagegen und murrte etwas unverständliches vor sich hin. „Nicht aufgeben, mein süßer Held.“, neckte die Prinzessin. Zusammen saßen sie nun da, während ihre zwei paar blaue Augen wie die von Kindern nachdenklich die zwergenhafte Pforte musterten, als wäre sie eine Art Trostpreis bei einem verlorenen hylianischen Glücksspiel... „Wir warten einfach so lange, bis jemand sie betritt.“, sagte Link, fühlte sich einfallsreich und verschränkte übertrumpfend die Arme. „Du bist lustig... andererseits haben wir ja sowieso die nächsten Tage nichts zu tun.“ Die Prinzessin stand gähnend auf und untersuchte mit ihren Handinnenflächen die zerklüfteten ziegelroten Backsteinwände, fühlte, schloss ihre Augen, um sich auf die Empfindung in ihren Händen zu konzentrieren. Sorgsam tapste sie geräuschlos weiter, übte Druck und sanfte Magie aus, die sie geschickt in das steinige Material senkte. Hohlräume. Ab und an. Wie Mäuselöcher in den Wänden... „Was tust du?“, sagte Link und erstaunte angesichts ihres Talentes aus jeder Handlung ihres bezaubernden Wesens ein Geheimnis zu machen. „Ich suche... nach...“, meinte sie unbewusst, schloss einmal mehr die Augen und wanderte mit ihren zarten Händen zwischen den geputzten Rillen der Steine entlang. Der junge Held war so beeindruckt, dass er nicht weiter nachfragte und seine Prinzessin lediglich bei ihrer magischen Handlung beobachtete. Er wusste nicht, was sie suchte, wusste aber sehr wohl, dass Zelda die richtigen Entscheidungen treffen würde. „... Suche nach... der Wahrheit...“, flüsterte Zelda melancholisch. Verzaubert beobachtete Link die Prinzessin des Schicksals weiterhin, war so tief beeindruckt von ihr wie noch nie. Wieder eine neue Seite ihres einzigartigen Wesens, so aufregend, so verhexend. Gerade das war es, was ihn möglicherweise so süchtig nach ihr gemacht hatte, die Tatsache, dass er Jahrhunderte bräuchte, um alles von ihr zu kennen, jeden einzelnen Charakterzug und jede ihrer Gaben erschlossen hatte. Sachte trat er an sie heran und streichelte ihre Schultern. „Hast du etwas entdeckt?“, hauchte er gegen ihren honigblonden Hinterkopf. „Diese Mauern sind nicht ganz leblos“, sagte sie zittrig, eine Spur aufgeregt, als sich Links Mund kribbelnd auf ihren Hals legte. „... sie werden uns... ähm... ich meine...“, flüsterte sie und vergas ihre Worte, als ihr Liebster sie verwöhnend weiterhin an ziellosen Hautpartien verwöhnte und seine Lippen in Richtung ihres Ohres wanderten. Abrupt stoppte der junge Heroe die leidlose Berührung und wanderte mit seinen Händen auf ihren Bauch. „Ja?“, hauchte Link wiederum. Sie wurde schlapp und weich und ließ sich in seine wohltuende Umarmung sinken. „Diese Wände erzählen mir, die Pforte wird uns kein Eintreten ermöglichen.“ „Die Wände flüstern dir zu?“ „Mmh...“, sagte sie sanft. „Ich möchte dir etwas sagen...“, entgegnete er. Zelda drehte sich und erhielt einen milden Blick aus den schönsten blauen Augen, denen die Prinzessin von er ersten Stunde an verfallen war. „Was ist es?“ Und Link lächelte tiefgehend. „Du bist so einzigartig und deshalb lass’ ich dich nie mehr wieder weglaufen“, meinte er verzogen und senkte seine Lippen auf ihre, erkundete ihren Mund, rieb seine Zunge süß an ihrer. Als sich Zelda an ihn lehnte und ihre Augen schloss, wurde dem jungen Heroen erstmalig bewusst, dass er in seinem Leben endlich gefunden hatte, was er schon immer suchte. So lange hatte er auf diese Liebe gewartet, daran geglaubt, ihr zu begegnen, fest darauf vertraut, das Schicksal würde ihn irgendwann zu ihr führen, dem Mädchen in seinen Träumen. Er hatte gefunden, was er suchte, denn er hatte ihre Liebe gefunden. „Wir sollten in der Bibliothek nachschlagen um den Ritter Oredun in der Großen Geschichtsschreibung einzuordnen, vielleicht finden wir einen Hinweis, warum die Gnome das Volk der Hylianer so verabscheuen.“ Link wendete seine Augäpfel verräterisch in die Höhe und war nicht verlegen zu sagen: „Schade, dabei hätte ich gerade jetzt Lust auf etwas anderes... viel Besseres...“ „Oh... also...“, murmelte sie und spürte, wie ihre Wangen anliefen. „... später...“, meinte sie noch und löste sich fix aus seiner Umarmung. Link zuckte ratlos mit den Schultern und lief seiner anmutigen Prinzessin wie ein Schoßhündchen treu und brav hinterher. Es dauerte nicht lange und die zwei Verliebten saßen mit zwei Kakaotassen in dem riesigen Büchergefängnis, wo alte Literatur, die nicht einmal in der Schlossbibliothek zu finden war, darauf wartete gelesen zu werden. Geschichten aus der Vorzeit Hyrules, wo es kein staatliches, übergreifendes System gab, welches Richtlinien erstellte, Romane aus Hyrules Märchenliteratur, wissenschaftliche Texte bezüglich der Anwendung Tausender Heilkräuter, Magische Riten, sogar Stammbäume... Link saß Seiten durchstöbernd bei flimmernden Licht einiger Öllampen an einem Eichenholztisch, während Zelda zwischen den Regalen hin und herhuschte und sich wissenswerte Bücher krallte. „Zeldaschatz?“, rief Link in die große Halle und wusste nicht, dass Zelda nur wenige Meter weiter hinter einem Regal stand und die Buchrücken anstarrte. „Ja?“, meinte sie und lugte mit ihrem hübschen Kopf zwischen zerflederten Lederbänden, welche sie alle auf ihren Armen hatte, durch. Gemächlich lief sie näher und freute sich auf einen Zug aus der großen Kakaotasse. „Hier, in der 9. Zählenden Zeit, ist das erste Mal ein hylianischer Ritter aus einem ausgestorbenen Geschlecht der Mereser mit Namen Oredun erwähnt“, sagte Link. Mit einem Plumps ließ Zelda die gesamten, verstaubten Bücher auf den großen Forschungstisch fallen und widmete sich der dampfenden Tasse mit dem süßen Kakao. Zufrieden machte sie es sich auf Links Schoß bequem und blickte überprüfend in das Buch vor ihrer Nase. „Das war, lange bevor unsere Zeitrechnung begann“, erklärte die blonde Hylianerin. „Denn wir lebten in der sogenannten Zeit des Wandels, weil Hyrule nach dem Krieg um die Vorherrschaft durch eine Periode von Veränderungen ging.“ Zeldas helle Stimme schallte ruhig und erhaben umher. „Und diese 9. Zählende Zeit, was war der Sinn dahinter?“, meinte Link und blätterte vor Zeldas perfekter Nase eine vergilbte Buchseite um. „Nach Katastrophen wie Dürreperioden, langen Kriegszeiten oder großen Umbrüchen wie gesellschaftlichen Veränderungen haben die Völker immer wieder neu angefangen die Zeit zu zählen und später, als der Fortschritt über die Welt fegte wie eine niemals endende Windböe, da fingen Gelehrte und Weise an, die Zeiten einzuteilen, um sich einen Überblick über das große Mysterium in Hyrules Geschichte zu schaffen. Es gab 117 Zählende Zeiten“, endete sie und trank genießend aus der großen, heißen Kakaotasse. „Hyrules Geschichte ist ganz schön umfassend, was?“ „Mmh...“, meinte sie und leckte sich den schokoladigen, süßen Kakao von der Oberlippe. Sie überflog schnell den Abschnitt mit besagtem Ritter der Mereser in der 9. Zählenden Zeit und dachte angestrengt nach. Hatte sie nicht irgendwelches Wissen in den tiefen Wurzeln ihres Gedächtnisses, welches ihnen helfen würde, viel schneller zu einer Lösung zu kommen? Sie stützte einige Finger an ihr kleines Kinn und grübelte verbissen. Aber sie fand einfach keine Zusammenhänge, keinen Anhaltspunkt. „Lass’ uns einfach Ausschau nach Texten halten, wo die 9. Zählende Zeit beschrieben wird.“, meinte der Heroe und drückte einen Kuss an Zeldas zu ihm gewandte, rosa Wange. „Und dann finden wir schon was.“ Sein Ehrgeiz sollte eine Auszeichnung erhalten, dachte die Prinzessin schmunzelnd. „Gut, aber nur, wenn ich auf deinem Schoß sitzen bleiben darf“, meinte sie verspielt. „Du solltest lieber aufpassen, dass du jemals wieder von meinem Schoß entkommen darfst.“, entgegnete er spaßhaft und hatte vielleicht wieder das anstößige, ausgeklügelte Wort. Verliebt legte er seine Lippen an ihren Hals und murmelte mehrmals den gleichen Satz: „Du entkommst mir nicht“, worauf die Prinzessin nur kicherte. Alsdann suchten sie stundenlang nach Hinweisen über diesen merkwürdigen Ritter Oredun, dem Verächtlichen, wie die Gnome ihn nannten. Ein Glück, dass Link inzwischen fließend Hylianisch lesen konnte und wundersamer Weise keine Probleme hatte, wenn Goronisch, oder Zoraspracheninhalten in der Literatur verwachsen waren. Wundersam und vielleicht eine Spur beängstigend, denn je länger er in Hyrule die Luft atmete, das Wasser trank und dort lebte, umso mehr zerrte sein altes, vergessenes Ich an seiner Seele... Sie blätterten gerade in einem alten Geschichtsbuch nach, als sie ein weiteres Mal den Ritter Oredun erwähnt fanden. Sogar eine Abbildung von jenem Hylianer aus der 9. Zählenden Zeit zierte das Pergament. Wildes, hüftlanges, kohlenähnliches Haar und ein sehr abstoßender, ignoranter Blick aus schwarzen Augen. Derbe Gesichtszüge und eine breite Narbe, die über das rechte Auge hinweg zur Stirn führte. Eine blutige Klinge hielt er stolz in die Höhe gerichtet und in der anderen Hand präsentierte er übertrieben einen abgeschlagenen Gnomenkopf. Gemeinsam lasen die beiden sich den Abschnitt bezüglich Oredun durch und schienen mit jedem weiteren Wort entsetztere Gesichter aufzusetzen. Denn in dem Text hieß es etwa so: „Vor Hunderten Jahren existierte am Rande Hyrules abgeschieden, so unwissend über die schreckliche Zukunft ihrer selbst, eine kleine Welt, die eigens für sich lebte. Gnome waren es, die dort ihren Tätigkeiten und Freuden nachgingen. Kleine, verschrumpelte Gestalten mit Magie im Blute, Magie im Seelenreich. Bis zu einem Tage... denn an jenem Tage zerschlugen die Tapferen der Hylianer aus Folge einer irrsinnigen, dummen Überzeugung heraus, die kindliche Welt der alten Gnome, der magischen Geschöpfe, die doch nur ihren eigenen Frieden im Sinn hatten. Es hieß einst in der Rechtsprechung, Gnome hätten allein durch ihr Blut die Schuld zu verbüßen, die einer ihrer Vorfahren ihnen auferlegte. Die angebliche Schuld, ein Gnome hätte einem Jungen aus königlichen Geschlechte das Leben geraubt. Eine dumme Geschichte für Kinderohren, denn nichts davon erfuhr Wahrheit, nichts davon war jemals geschehen. Vielmehr hatte der junge Prinzensohn beim Spielen an einem Teich durch Unaufmerksamkeit das Leben verloren, nicht durch die Hand eines unwissenden Gnomen. Ritter Oredun, der Verächtliche, führte in den damaligen Zeiten das Heer an, welches nur ein Ziel hatte, das große Königreich Hyrules von der Gnomenpest, wie man sie nannte, zu säubern. Ein großer Raubzug, eine Welle der Zerstörung ging über das kindliche, kleine Volk, welches nur den eigenen Frieden im Sinn hatte. Die, die überlebten, und es waren nur die Kinder der Kinder, wurden von daher als Sklaven in verschiedenen Haushalten gedemütigt, verspottet und geschunden. Viele Jahre vergingen, ehe gerade das Königsgeschlecht Hyrules diesem furchtbaren Treiben nicht mehr zusehen konnte. Und die Alten erzählten sich, es sei eine kindliche Prinzessin gewesen, die den Göttern Opfer brachte, die Götter anflehte und immer wieder bat, den Gnomen ein anderes Heim zu gewähren. Und so geschah es, dass an einem gewöhnlichen Tage alle Gnomen wie von Geisterhand getragen, wie eine Veränderung im Sein bezeugend, Hyrule verließen, und von da an, im Hause der Götter ihren Frieden wieder finden konnten.“ Zelda wand sich traurig drein blickend zu Link und lehnte ihre Stirn gegen seine. Dieser Textabschnitt ließ genug der Grausamkeit vermuten, die in der 9. Zählenden Zeit die Völker in Angst versetzte. „Was für eine schreckliche Vergangenheit Hyrule doch aufweist“, sagte sie und schloss die Augen. Link schlug das Buch zu und hielt seine Prinzessin fest in den starken Armen. „Wir müssen etwas gegen diese sinnlose Angst tun, die die Gnome vor uns haben“, meinte Link. „Und diesen Ritter Oredun würde ich wohl gerne mal meine Meinung sagen“, setzte er hinzu. „Ich ebenso“, sagte sie. „Wenn ein solcher Ritter in unserer Monarchie eine hohe Rangposition eingenommen hätte, hätte ich ihn eigenhändig aus Hyrule verbannt. Mit allen magischen Mitteln, die dazu nötig gewesen wären. Außerdem ist in seinen Augen, und das nur auf der Abbildung eine solche Mordlust geschrieben, dass man ihn mit Ketten irgendwo hätte einsperren sollen.“ „Das ist meine Zelda...“, meinte der Heroe und küsste sie träumerisch. „Immer auf das Wohl der Völker aus, immer bereit sich für ihr Land einzusetzen.“ Sie begaben sich ruhig und die Lichter in der großen Bibliothek löschend mit ihren leeren Kakaotassen aus dem Raum hinaus, folgten grüblerisch dem Gang, überlegten, was jetzt zu tun war... Konnten sie ein Hassgefühl löschen, welches schon viele Jahrhunderte in den Seelen der Gnome eingebrannt war? Wohl kaum... Aber es kam eben auf einen Versuch an. Und die Freude einer Veränderungen von alten Einstellungen bezüglich Hass und Abscheu war jedem noch so kleinen Versuch überlegen. Auf dem Weg zurück in ihr Gemach blieb die junge Prinzessin plötzlich stehen, drückte ihren Liebsten sanft gegen die rissigen mit Portraits geschmückten Wände und begann ihn in gewisser Weise zu überrumpeln. Da war so viel Liebe zwischen ihnen, dass sie keine Zeit verstreichen lassen konnten, dieser Liebe den Weg zu räumen. Überwältigt von tiefer Zuneigung küssten sie sich, erforschten unablässig den Körpers des anderen. Aber plötzlich vernahmen sie beide zänkische Geräusche von vielen piepsigen Stimmen. Dann aufgeregte Schritte von vielen krummen Füßen. Hastig verstecken sich die beiden Hylianer hinter einer großen, unauffälligen Säule in dem langen Flur und warteten auf die Winzlinge. „Wo ist unser Noftrem nur? Bestimmt haben die verächtlichen Hylianergesichter ihn gestohlen“, sagte eine Stimme pfeifend, worauf viele andere dies scheu bejahten. „Noftrem. Wo ist unser Noftrem?“, wimmerte eine kleine Gnomenfrau und rieb ihre langen, krummen Finger an den großen, dunklen Augen. Ein heftiges Getuschel von vielen quietschenden Stimmen entbrannte in dem Gang, wobei das Gerede sich häufig darum drehte, wie die Gnome die Hylianer loswerden könnten. „Die müssen verbrannt werden, wie sie die Köpfe unserer Papalas und Mamalas verbrannten.“ Geschockt hörten die Spitzohren hinter der Marmorsäule zu. Zeldas Finger krallten sich heftig in die Hände ihres Helden. „Denn Hylianer sind zu hasssüchtig um zu lieben.“, muckte ein anderer. Aber nur weil man hasst, bedeutete das, dass man nicht lieben könnte? War Liebe nichts wert, wenn man jemanden hasste? „Wenn man liebt, hasst man nicht“, sagte eine reine, kleine Stimme, gesprochen von einem jungen Gnomenmädchen mit langen, gewellten Haar, das bis zu Boden fiel. In dem Moment platzte in Link mehr als nur ein Geduldsfaden. Was sollte dieses verrückte Faseln über Hass und Liebe? Als ob Hylianer nicht in der Lage wären zu lieben! Hylianer hatten ihre Familien, ihre Wünsche, Träume und Hoffnungen, ihre Ideale. Wie kamen diese Gnomen dazu, anzunehmen, er und Zelda wären nicht in der Lage zu lieben, nur weil sie Hylianer sind! Verärgert trat er hinter der Säule vor. „Nicht!“, rief Zelda noch, aber Link ignorierte vorerst ihren Kommentar. Als die magischen Wesen ihn entdeckten, wichen sie alle mit angstverzerrten Gesichtern furchtvoll zurück. „Und ihr?“, sagte Link borstig laut. „Gerade ihr seid es doch, die hassen.“ Rechtfertigend breitete er seine Arme auseinander und sprach erzürnt weiter. „Wie wollt ihr dann lieben, wenn ihr so stark von eurem sinnlosen Hass und dieser ungerechtfertigten Abscheu gegen uns zerfressen seid? Wir sind nicht so wie diejenigen, die eure Ahnen auf dem Gewissen haben. Wir sind keine dreckigen Räuber und Mörder, wir lieben genauso aufrichtig wie ihr.“ Und Link reichte Zelda mit einer vertrauten Geste die Hand, bat sie ohne Worte, sich ebenfalls preiszugeben. Ein aufgeregtes Tuscheln entbrannte in dem Gang, einige Gnome hüpften schmollend und hassend von dannen, während andere zickig und zankend in die Gesichter der jungen Hylianer blickten. Zelda gab sich mit einem zierlichen Lächeln preis, versuchte in die Gemüter der vielen magischen Wesen zu blicken, wollte lesen, wie sie eine Brücke zu diesem alten Volk aufbauen konnte. Wieder setzte ein eigenwilliges Gemurmel ein und eine alte Gnomendame mit kurzem Krückstock trat näher, blickte aus schmalen Augenritzen zu Zelda und piepste verärgert: „Und du? Du hylianisches Weib, du willst lieben?“ Murrend angesichts des gemeinen, beinahe vulgären Wortes für eine Prinzessin, trat der junge Heroe vor und legte seine Hände auf Zeldas Schultern. „Ja, ich liebe“, sagte Zelda ruhig und mit einer sehr ungewöhnlichen Gelassenheit. „Auch wenn ich in den tiefsten Abgründen meiner Seele hasse, und hassen gelernt habe, so ist es mein natürliches Recht zu lieben!“ Ihre Worte wurden lauter und eindringlicher als sie es beabsichtigt hatte, worauf wieder eine Schar von Gnomen rückwärts stolperte. „Ich habe immer geliebt, auch wenn es mir die Gesetze meines Standes untersagt haben.“ „Gerade das ist eine Geburtsstätte für euren unnötigen Hass, Weib. Ihr Hylianer stellt sinnlose Gesetze auf, die euch die Liebe verwähren. Was soll’ an eurer Welt liebenswert sein!“, sagte die Alte abschließend. „Eure Welt des Hasses ergibt keinen Sinn für die unseren Geschöpfe. Nur ihr seid schuld an eurem Hass. Widerwärtig“, schimpfte ein jüngerer Gnom mit Glatze, wobei er pfeffernd ein ordinäres Schimpfwort in Gnomensprache hinterher schleuderte. „Verschwindet! Denn nur ihr könnt Noftrem entführt haben.“ Und ein klägliches Wimmern von Dutzenden Kehlen ging durch die Reihen, wobei alle den Namen Noftrem weinend ausriefen. „Ihr bösen Hylianer verschwindet!“, fauchten viele gleichzeitig. Ein schrilles Pfeifen knallte wie ein Befehlsmarsch durch die dunklen, staubigen Gänge. Eine süße Pfeife, hell und aufhorchend. Von der rechten zur linken Wand hüpfend, schwebte eine leuchtende, beinahe grelle, weiße Kugel näher. „Das ist Sylphe von Sylfana. Die Feenadlige. Was will sie hier?“, rief ein Gnom. Und tatsächlich erkannte ein sehr überraschter Link eine überaus hübsche Fee mit rabenschwarzem Haar mit vielen silbernen Strähnen dazwischen. Ein aus unsterblichen Blättern gewebtes Kostüm rahmte ihr phantastisches Bild ein. Aber das erstaunlichste war ihre geschwungene, hornartige Flöte aus Glas, die fast doppelt so groß war wie sie. Der helle, aufhorchende Ton kam also von jenem Instrument und nicht von einer schrillen Pfeife. „Haltet ein“, meinte ihr kindliche Stimme. Mit einem breiten Lächeln flog sie zu Links Nasenspitze und gab dem verblüfften Kerl einen nichtfühlbaren, sanften Kuss auf die Nasenspitze. „Du bist also der einstige Held der Zeit“, quietschte sie erfreut. „Ich bin dein größter Fan.“ Und Schwups setzte sie sich mit ihren schimmernden, kreideweißen Flügeln schlagend auf Links Schulter, und lehnte sich zufrieden an seinen sonnengebräunten Hals. „Navi hat viel von dir erzählt. Du bist so toll, Held der Zeit. Möchtest du das heilige Blütenblatt meiner Familie mit mir beschützen“, meinte sie begeistert und ihre kleinen Wangen schimmerten fiebrig rot vor Augregung. In dem Augenblick packte eine eifersüchtige Zelda die Rasche und sie zerrte beinahe böswillig an Links Arm und schmiss sich halb in seine Arme. „Wage es ja nicht darauf zu antworten, Link.“ „Aber warum denn nicht?“, sagte er belustigt und schielte mit seinen tiefblauen Augen zu den erartungsfrohen der Fee. „Weil die Worte dieser hinterhältige Fee der Frage: ,Willst du mich ehelichen?’ gleichzusetzen sind.“ Beschämt rückte Link sein Gesichtsfeld zu einer fuchtigen Zelda, die trotzig ihre schönen Lippen zusammenzog. Ja, auch sie war eifersüchtig, wenn es um Link ging. Wie sollte sie auch nicht, sie war abgöttisch verliebt in ihn. Liebäugelnd begutachtete die Fee das rotwerdende Gesicht des wunderbaren Helden auf dessen Schulter sie ewig sitzen bleiben könnte, so schön war es dort. Ihre teuren Flügel streichelten sanft, wie das Kitzeln einer trampelnden Mücke auf der Haut, diejenige von Link. „Möchtest du nicht doch mein Feenreich mit mir regieren?“ Und Zelda warf zuerst der Fee und dann ihrem Helden einen bitterbösen Blick zu. „Äh...“, babbelte er bloß, während die Fee lachte. „Aber es gibt ja im Moment etwas wichtigeres zu tun, nicht?“ Unsicher redete er sich heraus und achtete nicht auf das beleidigte Gesicht von Zelda. Und die silbernen Augen der Feenadligen wanden sich zu den vielen Gnomen. Stolz breitete sie ihre Flügel aus, ließ diese flattern und sprach zu den Gnomen. „Verzeiht mir, ihr Gnome, aber ich konnte euren Noftrem nirgendwo finden.“ Schniefend blickten die wimmernden Gnomengestalten zu Boden und betätschelten sich gegenseitig in dem Versuch einander Trost zu schenken. „Nicht in den Hallen der Verlorenen war er. Nicht im Garten des Lebens, auch war er nicht in den Gemächern anderer Wesen und noch weniger befand er sich in Gefangenschaft der Hylianer. Es gibt nur einen Ort, wo noch niemand suchte.“, erklärte die Fee und flog aufhetzend und immer schneller hin und her. „Nur im Verlies der Schaurigen könnte er sein. Nur im Verlies der Schaurigen suchte noch kein Bewohner des Hauses der Götter. Nur in jenem Verlies könnte sich Noftrem verirrt haben.“ Und in der Meute der Gnome brach ein schrilleres und traurigeres Wimmern und Wehklagen als vorher los. „Sylphe, was ist mit diesem Ort?“, sagte Link und legte die überschäumende Eifersucht seiner Zelda dämpfend einen Arm um ihre schmalen Schultern. „Dort hausen schreckliche Kreaturen von Hyrules Urzeit, die die Gottheiten dort eingesperrt haben. Man erzählt, niemand kann aus diesem Verlies entkommen, aber eintreten könnte jeder. Daher scheint es gut möglich, dass der kleine Noftrem dort verschluckt wurde.“ Zelda biss sich auf die Lippe und murmelte leise: „Wie schrecklich...“ Und sie ahnte, dass ihr Held aufgrund seiner Edelmütigkeit nicht anders konnte, als sich einzumischen. Prüfend musterte sie das nachdenkliche Gesicht ihres Liebsten. Entschlossen sah er auf, und durchbohrte mit seinem tapferen Blick alle Anwesende. „Link, du willst doch wohl nicht etwa...“ Aber, noch bevor die Prinzessin zu Ende gesprochen hatte, nickte er. Empört riss sie sich los. „Hast du nicht zugehört? Wenn man diesen Ort einmal betreten hat, findet man nicht mehr zurück. Du bist einfach nur lebensmüde. Ich lasse auf keinen Fall zu, dass du dort dein Leben wegwirfst“, brüllte sie beinahe. „Nicht einmal die Göttinnen würden dich dort herausholen.“ Aber Link schloss nur die Augen und meinte leise: „Zelda, das ist die einzige Möglichkeit diesem alten Streit und dem Hass ein Ende zu machen. Ich werde Noftrem dort herausholen“, sagte er stur. Kopfschüttelnd stand Zelda nur daneben. „Nein!“, fauchte sie. „Zelda, bitte. Ich möchte nicht mit dir darüber diskutieren und erst Recht nicht mit dir streiten. Ich werde dorthin gehen, ob es dir nun passt oder nicht.“ Verzweiflung machte sich in der stolzen Hylianerin breit. „Ist unsere Liebe dir so wenig wert, dass du es riskierst, mich nie mehr wieder zu sehen. Bin ich dir so wenig wert, dass du in deiner dummen Abenteuerlustigkeit bereit bist, mich alleine zu lassen?“ Sie stand nun abweisend mit dem Rücken zu ihm und schlug seine Hand weg, die er beruhigend auf ihre Schulter legen wollte. „Ich verstehe schon... ich stehe zurück...“, murmelte sie. Und Links Blick ging schwermütig zu Boden. „Dann geh’“, sagte sie. Mit Tränen und ohne ein letztes Wort des Abschieds lief Zelda die Nase rümpfend den Gang hinab und verschwand in der Dunkelheit. Erneut ein Tuscheln, ausgesendet von den Gnomen. „Wie wir sagen, Hylianer sind nicht in der Lage zu lieben und stehen sich selbst mit ihren dummen Gesetzen im Weg.“ Ein wütender Blick von Link zerschnitt die Luft und plötzlich verstummten alle Gnome schlagartig. „Nun gut. Wer wird mich in das Verlies der Schaurigen führen?“ Keiner antwortete. „Ich korrigiere mich, wer wird mich zum Eingang des Verlieses führen?“ Doch wieder kam keine Antwort. „Schön, dann suche ich es eben selbst.“ Genervt wühlte Link in seinen Haaren herum. Nicht nur, dass er eine schier unmögliche Aufgabe auf sich genommen hatte, nein, er hatte Zelda erneut enttäuscht... „Also, gut“, meinte Sylphe. „Wenn dich niemand begleiten will, dann mache ich das, du süßer Kerl.“ Link verleierte die Augen und sagte mit kräftiger Stimme, ehe die letzten Gnome aus seinen Augenwinkeln verschwunden waren. „Wenn ich es schaffe, Noftrem aus dem Verlies zu holen, dann müsst ihr mir versprechen, dass der unnötige Hass der Gnome gegen die Hylianer enden wird.“ Einige Gnome bejahten, andere nickten und wenige schwiegen dazu. Alsdann marschierte Link durch den Gang, um seine Waffen zu holen, mit einer begeisterten Sylphe auf seiner Schulter. Trübsinnig stand der junge Heroe vor dem Gemach, in welchem Zelda wartete. Mit der Stirn lehnte er sich an die Tür und grübelten nach passenden Worten, um ihr seine Entscheidung klarzumachen. Aber er wusste nicht, was es überhaupt zu sagen gab. Würde ein ,Ich liebe dich, ausreichen, um sich bei ihr zu entschuldigen. Warum konnte sie nicht einfach akzeptieren, dass er nun mal ein Held war und es in seiner Verantwortung stand zu helfen? Dass es seine Pflicht war, einem sinnlosen, jahrhundertlangen Hass ein Ende zu setzen... Link bat Sylphe darum, zu warten und klopfte dann leise an die hohe, gelbliche Tür mit den vielen Edelsteinchen. Als Link eintrat hockte Zelda entblößt lediglich ein Badetuch um ihre Hüfte geschlungen, und ihm den Rücken zugewandt auf einer Decke vor dem Kamin. Verträumt ließ sie eine Bürste durch ihr seidiges Haar wandern. Sie schwieg und ignorierte Links Anwesenheit, der aber beherzt und mit großen Augen zu ihrem sündhaft schönen Anblick starrte. Sie hatte ja keine Ahnung, was sie ihm mit ihrer Schönheit und plötzlichen Freizügigkeit antat... „Zelda?“, murmelte er leise, aber sie untersagte sich selbst im Moment mit ihm zu reden und kämmte sich ausdauernd die goldenen Haarsträhnchen. Kopfschüttelnd trat er näher und konnte nicht anders als sich hinter ihrem Rücken auf die Knie sinken zu lassen. „Sei nicht so abweisend“, meinte er leise und streichelte mit seinen Fingerkuppen über die samtige Haut ihrer Schulterplatten. Als sie immer noch nicht antwortete, liebkoste Link mit ekstatischen Küssen ihre Schulter. „Bitte sei nicht zickig und beleidigt.“ Aber selbst mit der Grobheit dieses Satzes entlockte Link ihr kein Wort, nicht einmal ein Flüstern. Enttäuscht seufzend tapste der junge Held hinüber zu seinem Schwert und streifte es auf seinen Rücken. Einige Minuten stand er einfach nur da, wartete auf eine Reaktion von Zelda, die melancholisch ins Feuer starrte. „Kannst du nicht wenigstens ein Wort zu mir sagen?“, murrte er. Sie schlang lediglich die Decke um ihre Schultern und erhob sich. Ein Wort war es, was er verlangte? Na gut, sie hatte ein Wort auf ihrer Zunge. Zu Boden starrend tapste sie näher und flüsterte mit beherrschten Worten: „Schicksal...“ Sprachlos wich Link zurück und suchte nach den Gefühlen in Zeldas Augen, aber sie wand sich ab, distanziert, und wärmte sich wieder am violetten Feuerspiel des Kamins. Tief einatmend verließ Link den Raum und als sich die Tür mit leisen Geräuschen schloss, tropfte eine kristallene Träne von Zeldas Augenwinkel. Mit einer sehr dankbaren und begeisterten Sylphe, die herzallerliebst auf der Schulter des legendären Helden der Zeit sitzen durfte, tapste der junge Kerl durch dunkle Gänge, folgte den Stufen einer ewigscheinenden Wendeltreppe und träumte ab und an vor sich hin, bis die Feenadlige die Stille brach. „Liebst du die Prinzessin des Schicksals so sehr?“ Ihre helle Stimme schien selbst die dicken Wänden durchbrechen zu können. Link schloss kurz die Augen, während seine Gesichtszüge schwermütig wurden. „Ich würde für sie sterben“, meinte er bloß und kramte seine Öllampe aus der Tasche und leuchtete die düsterwerdenden Gänge ab. „Und warum bist du dann nicht bei ihr geblieben und hast deinen Willen durchgesetzt, wenn du doch alles für sie tust?“ „Weil es meine Pflicht ist... gegenüber dem Leben, gegenüber meinem alten Ich.“ „Gegenüber deinem alten Ich?“, fragte sie ungläubig. „Durch die Wiedergeburt in der neuen Welt wurden meine gesamten Erinnerungen gelöscht und ich kann bloß Mutmaßungen anstellen, wie ich früher gehandelt habe. Und ich bin ziemlich sicher, dass mein altes Ich mir irgendwann die Karten vorlegen wird, wenn ich entgegen meiner Verantwortung handle“, sagte er, hatte soviel Weitsicht, nicht nur in den Worten, sondern in seinen tiefen Blicken. Noch ein Grund mehr für Sylphe Link über die Maßen toll zu finden. Sie hielt sich dreist kichernd mit beiden schmalen Ärmchen an seinem Hals fest. „Ähm, Sylphe?“ „Jahhh?“, meinte sie und rieb ihre roten Wangenbäckchen an seinem sonnengebräunten Hals. „Wo befindet sich eigentlich der Aufenthalt der Gnome?“ „Kennst du den Ort der lichten Kugel, die die Wahrheit zeigt?“ „Ja. Ist so eine Kristallkugel, was?“ „Genau“, entkam es piepsend ihrem golden, bemalten Mund. „Mir zeigt sie immer das Gesicht von einem Feenjungen, den ich aber überhaupt nicht leiden kann.“ Link grinste daraufhin und dachte sich so seins... „Dort hinter der lebendigen Tür hausen sie.“, endete sie. Wenig später standen die Fee und der Held vor einem großen, offenen Tor. Die Dunkelheit, welche starr und leblos hinter dem Tor herrschte, schickte eine peitschende Windböe hinaus. Links blondes Haar wehte, als er summend sein Schwert aus der Scheide zog. Sylphe wurde quietschend aufgrund des hohen Druckes von Links Schulter gestoßen und drehte sich einige Male kreisend, bevor sie ihr Gewicht fangen konnte und schwebend in der Luft maulte: „Dieser Wind...“ „Ach, dieser Luftzug wird mich doch nicht aufhalten.“, meinte Link, bereit sich in die nächste Gefahr zu stürzen. Und er hatte einen Ansporn für dieses waghalsige Unterfangen, welches nicht einmal die Göttinnen wagen würden. Er wollte diesen Hass beenden und sich dann seine Belohnung von Zelda abholen. „Du bist so toll, Link“, jubelte die Feenadlige. „Aber wie willst du aus dem Labyrinth wieder herausfinden, wenn es doch keinen Weg hinaus gibt.“ „Wenn es keinen Weg gibt, dann muss man sich eben einen schaffen.“, sagte er und der Heroe blickte sie kurz aufheiternd an und entgegnete: „Bis gleich.“ Sylphe winkte und sie winkte auch dann noch, als der junge Kämpfer todesmutig in der Dunkelheit versank. Es war feucht und kühl. Hier, wo die Schaurigen hausten. Eine kleine Öllampe war das einzige Licht hier in der Finsternis. Schatten krabbelten wie Ratten die Wände hinauf und schienen vor dem Hylianer zu fliehen, der furchtlos hier unten wandelte. Seine Augen aufmerksam. Sein Herz ruhig und gelassen... Und so wandelte der junge Heroe weiter durch die Gänge, besann sich auf den Wunsch in seinem Herzen, als erstmalig Geräusche, finster und schleichend, hier an jenem Ort, entlangmarschierten. Nicht viel war es, was die spitzen Ohren erfüllte und doch lebendig. Schreie, ausgestoßen von gefoltertem Fleisch. Schreie, kläglich und irrsinnig, führte sie den Zuhörer an strafende Orte seiner Seele. Und je länger Link lief, umso breiter wurde der Flur und die Schreie hetzender. Ab und an roch die gute Nase des jungen Kämpfers den Gestank nach Säure und Rauch, abgesondert von dampfenden Kehlen, brannte in seinen Augen. Die Gänge wurden verzweigter, zerstreuten sich in alle Himmelsrichtungen und endeten an versiegelten Zellen oder an zerklüfteten Brücken hier unten in der tiefen Dimension der Schaurigen Wesen Hyrules. Links Öllampe strahlte weiter durch die dicke Schwärze. Das Stapfen seiner Stiefel hallte in den Gängen, als er das erste Mal vor einer Sackgasse stand. Nur eine Zelle mit rostigen Eisenstäben und einem glühenden Gitternetz lag vor ihm. Und irgendetwas sagte ihm, dass dieses Gitternetz nicht umsonst so unter Spannung und Hitze stand. Vorsichtig und ausgerüstet mit einer gesunden Portion Neugier lugte er durch die kleinsten Ritze vor sich. Ohne Vorwarnung schlug etwas gewaltsam gegen das heiße Gitternetz und Link wich überrascht nach hinten. Ein Zischen drang aus dem Kerker, Worte, gesprochen in einer Sprache, die Link nicht beherrschte und doch ahnte der Heroe sehr genau, dass es keine freundlichen Worte waren, die das Etwas in dem Kerker an ihn richtete. Augenblicklich drehte sich der Held um und eilte einen anderen Weg entlang. Nach langem Umherschleichen gelangte der Heroe in einen hohen Schacht, wo überall Treppen begannen und mitten in der Luft wieder endeten. Nur spärliche Lichtstrahlen zogen sich orientierend hinauf, und beleuchteten eine riesige, robuste Scheibe, die genauso breit und lang war wie der runde Schacht und mit den verschiedensten schwarzen Symbolen beschmückt war. Die Scheibe war fließend, als ob sie aus Wasser bestände, und die Symbole schwammen wie Schlachtschiffe in einem schwarzen Meer auf ihr. Link musste jene nicht lesen können, um zu begreifen, dass diese Schriftzeichen der Versiegelung und Verbannung der bösesten Geschöpfe Hyrules dienten. Ob Ganondorf genau jene Kreaturen an sich gebunden hatte, um Hyrule zu unterwerfen? Hatte der Fürst des Schreckens hier Verbündete gefunden, die er für seine dunklen Pläne mehr als gut gebrauchen konnte? Link schüttelte den Kopf angesichts dieses unnötigen Gedankens. Für die nächsten Tage war Ganon nebensächlich. Für die nächsten Tage gab es nur Zelda, die für ihn wichtig war… dann, wenn er diese Mission erledigt hatte. Vorsichtig betrat Link eine schmale Leiste aus festen, starken Holz, welches ihn zu einem weiteren Pfad der Nacht geleiten würde. Schummrige Geräusche einmal mehr. Schreie und klägliche Hilferufe, dort, wo doch niemand Hilfe geben wollte. Plötzlich schlüpfte etwas winziges an seinem rechten Knöchel vorbei und Link ahnte mit jedem weiteren Schritt, dass nicht alle Geschöpfe hier hinter dicken Gittern gefangen waren. Einige hatten Wege gefunden, ihren dreckigen Kerkern zu entkommen. Einige waren bereits hinter jenen verhungert und andere wiederum ernährten sich von dem vergifteten, zähen Fleisch derjenigen Kreaturen, die sie zerfetzt hatten. Ruckartig riss Link die scharfe Waffe aus der Schwertscheide und hielt sie kampfbereit, falls das schlangenartige Wesen wiederkäme… Aber nichts geschah. Im Hintergrund nur das leise Wimmern, Flehen und das erstickende Schreien gefolterter Dämonengestalten, die ihr Schicksal für ihre Herkunft nicht immer gewählt hatten. Weiter tapste der Heroe vorwärts, erblickte rechts und links von sich unzählige Kerker mit den eigentümlichsten, moblinartigen Wesen, die entweder schliefen oder bereits getötet waren. Und einige der Kerkertüren standen offen oder waren zerfetzt… Und erneut erreichte Link eine Sackgasse, hatte den Wunsch, er müsste jeden Flur, jede Kreuzung auf einer Karte notieren, um sich eine Orientierung über dieses gefährliche Verlies am Rande der Welt zu machen. Aber das Erkunden könnte Wochen, wenn nicht sogar Monate dauern und das Aufzeichnen von Karten über diesen tückischen Ort könnte die Vorstellungskraft zersprengen. Geduldig lief Link den Weg zurück und folgte hoffnungsvoll dem hellen Schein seiner Lampe. Doch als er aus dem Gang hinaustrat und annahm, der Raum mit der großen Scheibe an der Decke würde vor seiner Nase liegen, musste er leider feststellen, dass dieser Kerker ganz und gar nicht nach menschlichem Verstand arbeitete… Der Raum von vorhin war verschwunden… Dieser Kerker hatte seinen eigenen Willen. Und der Heroe verstand nun den Grund, warum sich Wesen, die sich hier verirrten, die hier ihren Mut testen oder etwas finden wollten, für immer verloren ihren Zweifeln verfielen. Überraschend stand Link vor illusionären, toten Wiesen. Ein alter, knorriger Dornenbaum stand am Ufer eines ausgetrockneten Flussbettes. Verwundert folgte Link den sandigen, leblosen Flächen und blickte an dem Stamm des Baumes hinauf. Sein Blick schweifte umher, fühlte kalten Wind ihm entgegenpeitschten, fühlte Druck und dann schockiert eine Hand auf seiner Schulter. Hastig wand er sich umher, aber nichts war da. Niemand reales verweilte an Orten, die er für seine Kämpfe wählte. Angezogen von einem glitzernden Stein in dem Flussbett sprang er hinein und betrachtete sich eine bunte Scherbe aus Regenbogengestein… Was hatte dieses Bild zu bedeuten? Und warum zeigte man ihm das? Plötzlich setzte das Rauschen von Wasser ein, erfüllte die Ohren mit dröhnendem Gesang. Die Wiesen leuchteten grün, waren nun bewachsen mit den feinsten Gräsern, die ihm Wind wippten und der Dornenbaum trug schneefarbene Blüten, die dank den Luftgeistern tanzen durften. Kinderlachen weckte seine Sinne und der junge Mann versteckte sich lauschend hinter dem Baum, als kristallklares Wasser den Staub des Flussbettes wegschwemmte… Ein junges Mädchen tanzte näher, sang ein altes Lied, getragen von dem Recht ihrer hohen Geburt und sie lachte, als sie begeistert über die weiten Wiesen rannte. Ihre Arme waren ausgestreckt und kurbelten vergnügt in den Lüften. Sie war vielleicht gerade zehn Jahre alt, aber Link kannte sie. Und er hatte sie noch nie so ausgelassen, so glücklich gesehen, geschweige in diesem lilienweißen Kleid mit veilchenfarbener Schürze und einem königlichen Falken eingestickt. Ihr blondes Haar war zu einem engen Zopf geflochten und eine Kette mit Triforceabzeichen lag auf ihrer Stirn. Sie hatte ihn noch nicht bemerkt, das wusste er und doch fühlte er den Drang sich unbedingt preiszugeben. Langsam trat er durch das Gras näher und erhielt ein wunderbares Kindergrinsen aus dem Gesicht seines Engels. „Zelda? Bist du das?“ „Prinzessin Zelda für dich.“, sagte sie und stemmte ihre Hände zickig in ihre Hüften. „Und kennst du mich?“, meinte er und kniete fast ritterlich vor ihr nieder. „Warum sollte ich dich kennen?“ Link schüttelte bloß mit den Händen und kam nicht umher, Zelda in ihrer jetzigen, kindlichen Gestalt grinsend anzuschauen. Bei Farore, sie wirkte so unschuldig und ganz und gar nicht gefährlich auf ihre Weise. Denn, dass Zelda ihre gefährlichen Seiten hatte, das wusste der Heroe… „Nun, ich weiß zufällig, dass du mich irgendwann kennen wirst.“ „Du bist ein Zeitreisender?“, sagte ihre helle Kinderstimme. „So ähnlich.“, lachte Link und dachte angestrengt darüber nach, wie er eigentlich hierher gelangt war. Aber er fand plötzlich nur Leere in seinen Gedanken. „Du bist durcheinander.“, meinte die kindliche Prinzessin und streckte ihm ihre rechte Hand entgegen. „Darf’ ich dir etwas zeigen?“, setzte sie vertrauensvoll hinzu, wusste um das rechtschaffene Herz in diesem jungen Kämpfer und strahlte Wissen mit ihren blauen Augen aus. Link nahm die Hand und nickte lediglich. Alsdann wanderte der erwachsene Heroe mit einer sehr kleinen Prinzessin über eine weite Wiese, bis sie an einem riesigen Hang stehen blieben. Der schier unendliche Abgrund zollte Respekt in Links Augen und nur vorsichtig trat er näher um in die nebulöse Tiefe zu schauen. „Was liegt dort unten versteckt, Zelda?“ „Der Weg.“, sagte sie ruhig. Aus dem Nichts hetzte sie näher und stieß Link kraftvoll in den Rücken, sodass er schreiend ins Wanken kam. Nur kurz blickte er in den weisen Blick der Prinzessin, die nur ein leises: „Vertrau’ mir.“, flüsterte und verlor kreischend den Halt. Geschockt fiel der Held der Zeit hinein in die nebulöse Dunkelheit, schloss die Augen, wünschte sich den Mut, dieses gefährliche Unterfangen zu begreifen, wünschte sich Zeldas Handlung zu verstehen und fühlte nur noch, wie eine merkwürdige Leere sich um ihn legte… Schwitzend wachte Link auf und fand sich in dem merkwürdigen Verlies. Die Öllampe war erloschen… Der Zeitenstrom floss nicht, so wie er es in Erinnerung hatte. Zaghaft entfachte er das Licht und ein heller Schein erleuchtete einen Saal, wo Säulen um Säulen standen und sich viele Kreaturen dahinter verstecken konnten. Verborgen hinter den mächtigen Steinsäulen, einige schon gezeichnet von vielen Rissen, warteten sie. Zeugen der Verdammnis. Der größte Abschaum Hyrules überhaupt... Moblins aus vielen Epochen. Moblins aus den unterschiedlichsten Dämonengeschlechtern. Vernarbt, verunstaltet und nach Tod stinkend. Denn der Tod war das einzige, was sie verstanden, verehrten und liebten... Sorgsam blickte Link um sich, tapste auf Zehenspitzen näher und konnte nicht verstehen, warum Zelda ihn ausgerechnet hier her geführt hatte. Er konnte die Dämonen atmen und die Öllampe in seiner Hand rascheln hören. Er spürte ihre Blicke, wie sie sich neugierig nach um verzehrten, wie sie mit gierigen, schaumigen Nasen sein frisches, junges Fleisch witterten. Zischend hüpften einige in den Schatten umher und doch wagte sich keiner näher. Teilweise aus einer irrsinnigen Neugier heraus, da sie seit Jahrhunderten keinen Hylianer mehr riechen, aussaugen und zerreißen konnten. Vielleicht verharrten sie auch, weil der einstige Held der Zeit einige ihrer Genossen, ihrer Brüder und Kinder mit dem Masterschwert von ihrem jämmerlichen, todeswütigen Dasein erlöst hatte. Beißende Klingen, gewetzte Krallen und spitze Reißzähne jener Dämonen bluteten angesichts der geheiligten, schärfsten Klinge Hyrules... Und so zähmten die Moblins einige Momente ihren Mordtrieb aus Scheue und Angst das gleißende, helle Masterschwert würde sie blenden und mit guter Magie vergiften. Minuten gingen vorüber, in welchen an Links rechter Schläfe langsam und leise der salzige Schweiß hinabtropfte und flüsternd zu Boden rieselte. Sein Herz pumpte das Blut in tosenden Schlägen in seinen vorbereiteten Körper. Dies war der Kampf, den er gewählt hatte. Ein alter Hass hatte ihn zu dem Morden hingerissen, die er jetzt begehen würde. Farore, dachte er, vergib’ mir diese Schuld. Die Klinge, wohl gleich nicht das Masterschwert aus den quälenden Erinnerungen der vielen Moblins, blitzte in der riesigen Halle auf und stach hinauf in die Höhe. „Versteckt ihr euch vor dem, was euch erwartet? Kommt raus, ihr Geburten der dunkelsten Zeit Hyrules!“ Ein Zischen folgte auf die herausfordernden Sätze, gesprochen von der Stimme des Mutes in der alten Seele des Heroen. Giftiges Maulen und Schimpfen zerriss die Luft wie ein Feuersturm aus dem glühenden Blute Dins die Welt. Mit Keulen, Äxten Morgensternen und hässlichen Klingen stürmte eine Meute an giftenden Moblins hinter den Säulen hervor. Zerfetzte Rüstungen schützten sie ungenügend vor der scharfen Klinge des Helden. Rostiges Eisen ihrer selbstgeschmiedeten, billigen Waffen war leichte Beute für das saubere Schwert des Helden, der dieses von Leon Johnson erhalten hatte. Er richtete das Schwert bedrohlich auf die sich nähernden, unklugen Moblins. Orientierungslos und doch sich die verfaulten Zähne leckend schlichen sie um Link umher, der mit dem Boden verwachsen schien. Denn er rührte sich keinen Zentimeter. Nur seine tiefblauen, entschlossenen Augen folgten dem Schleichen der Moblins wie dem Fliegen von Aasgeiern über verwesendem Fleisch. „Was forderst du uns heraus, Held?“ Schmutzig und Verachtend kamen diese Worte aus einer grünlich dampfenden Kehle eines verkrüppelten Moblin. „Ein Gnom ist hier gefangen. Rückt ihn heraus und ich verschone euer unwürdiges Leben.“, sagte Link bissig. Aber die Moblins gafften bloß ungläubig zu dem entschlossenen Haupt des Helden und begannen zu lachen, fühlten sich außer Gefahr, denn das gefürchtete Masterschwert befand sich nicht in der Hand des Helden. Schmunzelnd und kichernd begafften einige die einfache Waffe in der linken Hand des Kämpfers. „Was ist denn so lustig? Denkt ihr diese Waffe könnte nicht töten?“, fauchte Link und beobachtete geschickt und Ruhe bewahrend die mit ihren Fäusten knackenden Moblins. „Das Masterschwert fehlt dir... das Masterschwert ist nicht in deiner Hand.“, lachte ein winziger Moblin mit Rattenfell und verdrehten Pfoten. Ausgelassen und dumm hüpfte jener näher und es genügte ein schneller, lautloser Schwertstreich, der den Dämonen das dreckige Leben dem Körper entriss. Noch bevor er den Boden berühren konnte, flackerten glühende Ascheteilchen in der stehende Luft des großen Kerkers. Link führte die Waffe zügig durch die in der Luft wirbelnden Ascheteilchen und meinte gelassen. „Ich fordere einen Handel. Euer Leben gegen den kindlichen Gnom. Das ist mein letztes Wort.“ „Wir haben keinen dreckigen Gnom.“, fauchte einer und klapperte mit seinen winzigen Dolchen, die er ängstlich vor sich hielt. „Ihr lügt.“ Links Stimme schien beherrscht und alles andere als überrascht. Warum sollten diese Biester zugeben, dass sie einen Gnomen in ihrer Gewalt hatten. Blitzartig erhob der Heroe die Waffe und führte einige wilde Streiche aus, die keiner der Dämonen hätte erahnen oder kommen sehen. „Ein letztes Mal. Wo ist der Gnom? Ich scherze nicht.“ „Wir haben keinen Gnom!“, fauchte ein weiterer Dämon nun misslich und spuckte dem Helden Schleim aus seiner Kehle vor die Füße. Und es war in den wenigen Sekunden, dass das Kämpferblut in den Adern Links die Kontrolle übernahm. Wie ein leiser Luftzug, schnell und lautlos, raste die Waffe zwischen den Geburten des Bösen hindurch, zerschlug Rüstungen, zerfetzte Körper und durchtrennte Adern in denen schwarzes, schimmliges Blut stand. Links Angriff zielsicher und erbarmungslos, denn er hatte keine Wahl... Schon immer lag es in seiner Bestimmung das Böse zu vernichten, ob er nun wollte oder nicht... Als nach langem Kampf in der großen Halle die Stille einkehrte und nur noch die pfeifende Atmung Links zuhören war, wirbelten glühende Splitter aus Asche umher, verfielen der Schuld, die Moblins bereits bei ihrer Geburt trugen... Einige Minuten stützte sich der Held auf den Knien ab, wischte sich Schweiß und trockene Asche von dem Gesicht und begann heftig zu gähnen. Der Kampf raubte die Kraft, vor allem, wenn zwanzig bis dreißig Moblins in seinem Weg standen. Brummend und schlecht gelaunt torkelte Link weiterhin durch die riesige Halle, lugte hinter Säulen, ob nicht doch von irgendwo eine heimtückische Attacke eines Moblins drohte. Schon wieder giftiges Dämonenblut, welches an seinem Schwert, an seinen Händen klebte und eines Tages bis zu seiner Seele vordringen würde. War das sein ganzer Daseinsgrund, fragte sich der junge Held manchmal. Lebte er denn nur für diesen Kampf gegen Dämonen und für den dunkelsten Kampf gegen den Fürsten des Schreckens? In dem Augenblick spürte er hinter seinem Rücken etwas Helles, Warmes. Licht strahlte von einem Bereich der Halle, wo Link sorglos vorüber gehuscht war. Mit schmerzenden Augen suchte er nach dem Ursprung der Wärme und sah, gleich einem Geist, das wohl schönste Geschöpf der Welt für ihn. Nebulös und verschleiert von weißem Licht leuchtete die Gestalt Zeldas auf. Und sie war schön.... so schön... gekleidet in einem teuren Gewand, in welchem Link sie noch nie gesehen hatte. Sogar eine Krone schmückte ihr Haupt und nur spärlich konnte er sich von diesem lichten Bild losreißen. Benommen und verhext bewegte er seine müden Beine in ihre Richtung und wusste, es waren mehr als nur Einbildungen und Visionen, die ihre Gestalt erfahrbar und lebendig machten. Es war uralte Magie zwischen Seelenverwandten, welche in der Lage war, mit fühlbaren Gesten, Brücken in der Nacht des Kerkers zu schlagen. Und so zeigte Zelda ihm den Weg, deutete mit ihrer rechten Hand in die Schwärze des Raumes, schickte eine Woge Licht und Hoffnung hinein in das Schwarz und Links Augen segelten auf dem Strom von wärmendem Licht. Als Zeldas geisterhafte Gestalt im Nichts versank, schlug die helle Magie ohne Laute, sanft, gegen eine in der Nacht verborgene Tür und tapste wie Hunderte leuchtende Tausendfüßler auf deren splittrigen Holz entlang, solange, bis der Heroe die Tür als das erkannte was sie war. Hoffend huschte Link näher und schob einen verrosteten Riegel hinauf, der quietschende, verräterische Geräusche in die große Halle schickte. Sorgsam betrat der Hylianer den angrenzenden Raum, stellte die kleine Öllampe auf den harten Steinboden und hörte ein winziges Wimmern vom anderen Ende des Raumes. „Ist da jemand?“, sagte Link vorsichtig und leuchtete suchend mit der Öllampe den Raum ab. Als sich der schwache Lichtschein trübe auf einer in der Ecke sitzende Gestalt verlor, war es auch Link, der sich näher wagte. „Ist dein Name Noftrem?“, murmelte Link, stellte die Öllampe neben der zitternden, weinenden Gestalt ab, die mit großen olivgrünen Augen aufblickte. Graue, dicke Locken schmückten das zierliche Haupt des kleinen Gnomen. Dunkelblaue, schillernde Striemen heftiger Tränen zogen sich an seiner schrumpligen Haut hinab. „Was will der böse Hylianer?“, wimmerte er und ein tänzelnden Spielzeug neben dem Gnom hüpfte in alle Richtungen und sprang den genervten Link beinahe in die tränenden, müden Augen. Der Kampf von vorhin hatte mehr an seinen Kräften gezehrt als er angenommen hatte. „Das ist ein schönes Spielzeug“, meinte Link und versuchte es mit einem gutmütigen Lächeln. Aber der Gnom bockte und erwiderte rotzfrech: „Du bekommst es nicht, auch wenn du es noch mehr anstarrst.“ Abrupt stoppte das mit Magie gespeiste Spielzeug in Form eines Drachen und Link tat nichts anderes als enttäuscht zu schnauben. „Ich bin hier, um dich zu retten.“, sagte Link und wollte nur, dass dieser Knilch ihm folgte. Aber das schien bereits eine Lebensaufgabe zu sein. Denn der Kleine bockte weiterhin und spielte teilnahmslos mit dem buntbemalten Drachen. Okay, der nächste Versuch, dachte der geduldige junge Mann. „Wie bist du denn hierher gekommen, Noftrem?“ Aber er schmollte und tat so, als ob Link nicht anwesend wäre. „Bist du deinem Spielzeug hinterhergelaufen? Und hast dich deshalb hier verirrt?“ Der Gnom nickte bloß und fummelte ängstlich an seinem Stoffhemdchen. „Folge mir und ich bringe dich aus diesem kalten Kerker heraus.“ Daraufhin schaute der Gnom mit seinen riesigen Augen auf, die nicht einmal ein paar Wimpern besaßen. Er sah Link in etwa so ins Antlitz, als wäre er der erste Hylianer überhaupt, den er erblickt hatte. Er schüttelte kindisch mit dem Kopf. Link atmete tief ein und hatte einfach keinen Nerv mehr für so ein Affentheater. Links durchbohrender Blick wurde hinterhältiger und seine tiefblauen Augen verengten sich zu gefährlichen Schlitzen. „Wer nicht hören will, muss fühlen“, sagte er belustigt und grob packte er einen mit den Schreien anfangenden Gnomen an dem Kragen seines spärlich wärmenden Hemdchens. Der Gnom schrie als ob man ihn auspeitschte, aber Link ignorierte dies. Auch das Zappeln und Wild- um- sich- Schlagen würde dem Winzling hier nichts nützen. Die Schimpfwörter und das kindische Gezänke ignorierend trat Link aus dem Raum und folgte dem erstbesten Weg hinaus aus der Halle. Nach etwa einer halben Stunde hatte der Gnom aufgegeben mit seinem ermüdenden, lauten Brüllen und gaffte den blonden Hylianer nur mit verzogenen Lippen und einer herausgestreckten Zunge an. Auch das ignorierte Link herzhaft bis sich ihm die nächsten Kreaturen aus Hyrules Unterwelt in die Quere stellen. Fordernde Kämpfe erwarteten ihn und er meisterte sie alle unverletzt. Merkwürdigerweise wartete der Gnom bereitwillig auf Link, der sich mit jedem Kampf ausgelaugter fühlte und sich nichts sehnlicher als ein Bett wünschte. Am besten in Gesellschaft seiner Prinzessin... Und je häufiger und länger er an sie dachte, so huschte ein geisterhaftes Wesen umgeben von einem Licht der Hoffnung vor ihm her, zeigte ihm den Weg und führte ihn hinaus aus dem Verderben, welches das Verlies der Schaurigen dem Herzen und der Seele bringen konnte. Ein dunkler, schmaler Tunnel war die letzte Hürde, die Link meisterte, während ihm der Gnom treu und brav, aber wortkarg hinterher schnüffelte. Und es dauerte nicht mehr lange, da trat der Held der Zeit unverletzt, glücklich, aber todmüde und fertig mit den Nerven aus der stickigen, dunklen Hölle hervor, fand das Tor genauso verschluckend vor sich, welches er betreten hatte... „Juhu, der Held der Zeit ist da und hat Noftrem gerettet!“, quietschte die Feenadlige Sylphe und stürmte Feenstaub produzierend zu Link hinüber und schmiegte sich an seinen Hals. „Du bist so toll, Held der Zeit.“, sagte sie. Sogar die Gnome warteten nun vor dem Kerker und blickten mit tränenden Augen zu ihrem kleinen, bockigen Noftrem. Freudig schlossen die Gnome ihren süßen Noftrem in die Arme und bedankten sich scheu und allmählich Vertrauen fassend bei dem Heroen, der sich nur verlegen am Kopf kratzte. Als Belohnung überreichten sie ihm einen Berg mit leckerem Obst, dass die Gnome im Garten des Lebens anbauten, und der Heroe machte sich zufrieden auf den Weg in das Gemach, wo Zelda wartete. Mit Schlafsand an den Augenwinkeln klebend, trat Link in das vom Feuer spärlich erhellte Gemach ein. Gerade als die Tür klappernd zufiel und sich der Riegel wie von magischer Hand hinunterschob, spürte Link die Müdigkeit über ihn hereinfallen, die er bis jetzt bekämpft hatte. Schnaubend ließ er seine Schultern hängen, lud das leckere Obst neben der Tür ab, schnallte den festen Gurt des Schwertes vom durchgeschwitzten Rücken und die Klinge purzelte mit einem lauten Summ auf den glattpolierten Marmorboden. Erschrocken schreckte die Prinzessin aus ihren Träumen, rieb sich über die müden Augen und suchte nach dem Ursprung des Geräusches, welches sie im Augenblick nicht zu ordnen konnte. Dann sah sie Link mit hängenden Schultern und einem genervten, müden Ausdruck in den Augen vor der Tür stehen. Sie sagte zuerst kein Wort, und blickte nur lange und beinahe gehaltlos in den sehnsüchtigen, verlangenden Blick Links. Seufzend stolperte der Heroe hinüber zu dem Sofa, wo die junge Königstochter ihre entblößten Beine von der Kante baumeln ließ. Er sank vor ihr auf die Knie, und befand sich nur in der Höhe zu Zeldas Bauch. Und es war Link, der jetzt ihre Nähe brauchte, den Gedanken an die Kälte und die merkwürdigen Dämonen hinter sich lassend. Seufzend schloss er seine Augen und tat nichts anderes als seinen Kopf gegen ihren flachen Bauch zu drücken. Überrascht und leicht überfordert entkam der Name des Helden ihren schönen Lippen. Aber Link schwieg und atmete den Geruch Zeldas tief ein. Ihre Hände wanderten über seine verspannten Schultern zu der kalten Haut seines Halses und fuhren streichelnd durch die Haare am Hinterkopf. „Du bist… zurück…“, stellte sie fest und brach die Stille. Verwunderlich, dass sie wieder mit ihm redete. Verdutzt und doch befreit fuhren seine Kämpferhände, die gerade eben noch mit dem scharfen Schwert in der linken töteten, um Zeldas schmale Taille. „Ich denke schon… so halb…“ Und er bezog sich mit den Worten darauf, dass er einmal mehr einen Teil seiner Unschuld in diesem Kerker gelassen hatte. Er erinnerte den Geschmack des Mordens, den Todesschrei der Monster… „Entschuldige meinen dummen Dickschädel.“, meinte Link sachte und spürte jetzt, gerade jetzt, das Verlangen nach Zelda in sich aufkeimen. Vielleicht als ein Resultat, dass sie ihm den Weg gezeigt hatte. Vielleicht, weil sie der Lichtpunkt in der tiefen, grausamen Finsternis der Kerker gewesen war. „Wie umwerfend doch dein Dickschädel ist…“, meinte sie schwach und lehnte ihren Kopf an seinen. „Ich muss dir sagen, ich habe mit dem Gedanken gespielt, dich zu verfluchen, damit du dieses Zimmer nicht verlässt, mir eingebildet, dich mit allen Waffen umstimmen zu können, dir eine Vase über den Kopf zu schlagen, damit du deinem sturen Willen nicht nachgehen kannst oder dir deine Kräfte zu nehmen.“ Ein kleiner Kuss benetzte Links Stirn. „Aber ich konnte es nicht, denn darum bist du, was du bist. Deine Entschlossenheit, deine Bereitschaft zu helfen und dich einzusetzen, dein Mut, das Unmögliche zu wagen. Das ist es, was dich auszeichnet. Ich kann dir nicht verbieten, du selbst zu sein...“ Tief ausatmend fuhr der Hylianer zurück und suchte nach Zeldas wunderschönen Augen. Er war so dankbar, dass sie ihm nicht länger die beleidigte, zickige Prinzessin zeigte. „Und außerdem bin auch ich ein ganz schön sturer Bock.“, sagte sie erheitert. „Ich weiß…“, entgegnete er und schloss für wenige Sekunden die Augen. „Hast du den kleinen Gnom finden können?“ „Noftrem ist zurück bei seiner Familie…“, murmelte Link und versuchte die zunehmende Müdigkeit noch ein wenig unter Kontrolle zu halten. Er lächelte seinem Engel entgegen und streifte beinahe ungeschickt und fluchend die schweren Stiefel von seinen brennenden Füßen. Denn das Wandern durch diese verzweigten Kerker war vielleicht noch bitterer für die jugendlichen Füße als das Besteigen des Todesberges. „Und der Hass der Gnome gegen die Hylianer wird nun endlich beendet sein.“, setzte er hinzu und riss sich genervt die grüne, durchgeschwitzte Tunika über den Kopf sowie das blassblaue Seidenhemd. Er tapste langsam zu seinem Engel hinüber. Er krabbelte auf Händen und Füßen zu seiner Betthälfte und brach dann zusammen, sodass die gesamte Schlafgelegenheit wackelte. „Darf’ ich dir etwas verraten… ich bin echt fertig…“ Und Link grinste schon wieder. Amüsiert über diesen Satz kletterte Zelda auf Link, der mit dem Bauch auf dem samtenen Material der Decke lag. Zuerst wollte er sich ein wenig verlegen umdrehen und Zelda gnädigst fragen, was sie im Sinn hatte, aber dann fühlte er einen sanften Druck ihrer weichen Hände auf seinem mitgenommenen Rücken und er ließ es sich gefallen. „Hast du gegen viele Kreaturen kämpfen müssen?“, meinte sie leise, wollte ihn nicht an das Morden erinnern, aber sie hatte schon den Wunsch informiert zu werden. Ein simples: ,Ja’ erklang matt aus Links Mund und Zelda verbot sich selbst weiter nachzufragen. „Und Sylphe? Hat sie aufgegeben, dich mit Komplimenten einzuschleimen?“, sagte sie dann und konnte nicht anders als an seinem Genick mit den Lippen entlang zuwandern. Ein Streicheln ihrer samtenen Lippen, begleitet von dem feuchten Erkunden ihrer warmen Zunge. „Ach… bei den Göttinnen, ist das gut…“, murmelte er in die Kissen, vergas Sylphe und die Frage, die ihm gestellt wurde. Die Hitze in sich wurde zwingender. Zelda sollte lieber mit ihren Liebkosungen aufhören, dachte er, oder er würde Dinge tun, die sie beide später bereuen würden. „Du hast durch deine Selbstlosigkeit doch wieder einmal eine Belohnung verdient, mein Link…“, meinte sie und fuhr fort mit der Umwandlung ihrer Zuneigung in liebevolle Taten. Nach wenigen Minuten war Links gesamter Rücken mit Händen durchgeknetet und mit sanften Küssen eingedeckt und Zelda stoppte. „Nicht aufhören…“, murmelte Link und gähnte zugleich. „Du solltest einschlafen, Link“, meinte sie. „Du kannst dich ja gar nicht mehr wach halten.“ „Zelda?“ „Mmh?“ Sie beugte sich über ihn und forderte mit ihrer Zunge Eintritt in seinen Mund. Ohne Gegenwehr befolgte er ihrem Wunsch. Der Kuss war lange und leidenschaftlich, erfüllte das Herz mit weiteren Wünschen, denen sie beide aber nicht nachgehen würden. „Dieser kleine Gnom… ich weiß auch nicht, aber er hat es mir irgendwie angetan.“ „Was meinst du?“ „Er war einfach nur goldig für ein solches, kleines Geschöpf… einfach nur phantastisch. Ich bin so froh, dass ich derartige Geschöpfe endlich mit meinen eigenen Augen sehen kann. Das war schon immer mein Wunsch… das Unglaubliche zu sehen, die Welt zu sehen. Ich bin von Grund auf dankbar dafür…“ Seine Prinzessin lächelte und hatte für einen Augenblick das Gefühl in seinen Gedanken lag noch etwas anderes. Ähnlich einem Wunsch nach Familie oder nach mehr von Zelda selbst. Wie auch immer, sie wollte jetzt nicht darauf eingehen… „Du solltest schlafen…“, summte sie beinahe und küsste ihn genießend auf seine Stirn. Er richtete sich auf und riss Zelda zu sich heran. „Nicht, bevor du mir eine Frage beantwortet hast.“ „Aber nur eine.“ „Jep, nur eine.“ „Und die wäre?“ „Nun…“, fing er an und grübelte nach den passenden Worten, doch im selben Augenblick wurde Link mal wieder puderrot um die Nase. Zelda wich zurück, grinste hämisch und sagte: „Daher weht der Wind. Hast du wieder eine peinliche Frage auf deiner schurkischen Heldenzunge?“ „So peinlich ist sie aber gar nicht…“, rechtfertigte er sich. „Soso… dann ist es wohl Zufall, dass du schamrot anläufst.“ Er schluckte den Knoten in seinem Hals herunter und würgte dann heraus: „Also… ich wollte bloß wissen…“ Aber Zelda ahnte es irgendwie. Schon vorhin hatte sie Links Gedankengänge durchschaut. Und der Gedanke an den kleinen Gnom war der zweite Hinweis. „… du wolltest wissen, ob ich irgendwann Kinder haben möchte.“ Zack! Das war wohl das Peinlichste, was Zelda überhaupt sagen konnte und Link dachte, er müsste auf der Stelle im gesamten Haus der Götter herumrennen um seine Nervosität unter Kontrolle zu kriegen. Sie hob einen Zeigefinger an ihre roten Lippen und schaute mit den süchtigmachenden blauen Augen hinauf an die weitentfernte Decke. „Bei uns würde auf jeden Fall etwas Schönes dabei herauskommen.“, sagte sie, während Link das Ebengesagte einfach nicht glauben konnte. So etwas Prekäres aus dem Munde einer sittsam erzogenen Prinzessin? Hatte das Haus der Götter ihr die einstige Erziehung oder vielleicht sogar die Unschuld genommen? Sie grinste Link teuflisch an, der seine Stimme verloren hatte. „Schau’ dir doch mal Klein-Link an. Würde dir so etwas als Endprodukt schmecken?“ Link öffnete seinen wortleeren Mund und neigte überfordert den Kopf. Zelda lachte über beide Ohren. „Diesmal hab’ ich endgültig gegen dich gewonnen.“, jubelte sie. Lächelnd schloss der Heroe die Augen. „Wer wäre ich, wenn ich dich nicht gewinnen lassen würde. Und wer wärst du, wenn du nicht gegen einen verlegenen Helden ankommen würdest.“ Sie lachte und nickte. „Aber meinst du nicht, dass ein Kind zu wenig ist?“ Schockiert riss Link die Augen wieder auf. Hatten sie dieses Thema nicht geklärt? „Von mir auf können es ruhig mehrere sein.“, sagte Zelda belustigt. „Wir können auch sofort damit anfangen, wenn du möchtest.“, meinte Link dann gewitzt und wusste doch, dass er jetzt wieder auf der Siegerseite stand. Denn diese Frage würde Zelda wahnsinnig und verlegen machen. Hilflos suchte sie nach einer passenden Antwort. „Übertrumpft?“, lachte Link. Sie nickte: „Übertrumpft. Du kannst das Reden und das Argumentieren einfach zu gut.“ „Du aber auch…“, murmelte Link, gab seiner Prinzessin einen Gute-Nacht-Kuss und versuchte dann, herangekuschelt an seine Liebste einzuschlafen. Es war spät. Wenn die Zeit nicht schweigen würde im Hause der Götter, so könnte man annehmen, dass der helle Mond am Himmel gebieterisch leuchtete. Aber da jegliche Gesetzmäßigkeit der Welt aus diesem Hause gesperrt war, so konnte man nicht wissen, ob Nacht oder Tag, ob früher Morgen oder später Abend vorherrschte... Gähnend wachte Link aus seinen Träumen. Irgendetwas hatte ihn geweckt, er wusste aber nicht, was es war. Auf seinem Bauch liegend, regelrecht murrend drückte er seinen Kopf in das weiche Kissen zurück und wanderte mit seinem linken Arm über die rechte Seite des Sofas. Überrascht öffnete er seine Augen, in denen trockener Schlafsand hing. „Zelda?“, flüsterte er. Aber seine rechte Seite war leer und die Decke dort zurückgeschoben. Link richtete sich auf und schaute schlafsüchtig, ob Zelda wirklich nicht neben ihm lag. Seine tiefblauen, ernsten Augen schweiften in jede Ecke des Raumes, aber sein wunderschöner Engel war nicht anwesend. Link hatte zuviel Sehnsucht nach ihr und nebenbei machte er sich leichte Sorgen um sie, als dass er sich einfach wieder auf die faule Haut hauen konnte. Ohne wertvolle Zeit zu verlieren, zog er seine Stiefel über die Füße und schlich einmal mehr mit seiner weißen Hose und dem geöffneten blassblauen Hemd hinaus in den Flur. Stundenlang hatte Link sich in dem überdimensionalen Haus umgesehen, und man konnte meinen, dass er inzwischen einen guten Plan von der gesamten Architektur des Ortes hatte. Er kannte nach seiner langen Auskundschaft mit Zelda die vielen Korridore, die merkwürdigen Räume, hatte die Aufenthaltsräumchen der Gnome ausfindig gemacht und kurz einen Blick durch ein hohes weißes Tor mit verzierten Pfeilern geworfen, wo sich dahinter der mächtige Garten des Lebens verbarg. Besorgt um Zelda blickte er zuerst in den Badesaal, ob sie vielleicht plötzlich die Lust verspürte sich zu duschen oder dergleichen. Er klopfte an der Eingangstür zu dem großen Badesaal mit den vielen verschiedenen duftenden Becken. Aber niemand antwortete. Leise trat Link hinein, sah viele Kerzen darin brennen, schaute zwischen weißen Säulen hindurch zu den rauchigen Wasserdampf hervorlockenden Becken. „Zelda? Bist du hier?“, murmelte er. Aber es antwortete ihm niemand. Stille. Eine weitere Idee stieg Link zu Kopf und er lief einige Minuten in dem Haus herum, gelangte in einen Ballsaal, wo man von jedem hellen Fenster aus einen anderen gewaltigen Abschnitt Hyrules bewundern konnte. Und es geschah in dem Augenblick, als Link das erste Mal, jemanden singen hören konnte. Eine helle schöne Stimme erklang von weit her und Link wusste genau zu wem diese angenehme, zarte Stimme gehörte. Geführt von der sanften Melodie durchquerte Link einige weitere Türen, nur um diesem traurigen Lied zu lauschen. Ab und an konnte Link während er lief Worte verstehen, verstand den Sinn des Liedes, welches sich einzig und allein um das alte, majestätische Hyrule drehte, das märchenhafte Land mit den vielen Gesichtern. Die Stimme wurde lauter und ein unheimlich drängendes Kribbeln breitete sich beinahe quälend in seinem Magen aus, als der junge Kämpfer der sanften Stimme lauschte. Gespannt schob Link eine weitere quietschende Türe auf und erhielt Zutritt zu dem wohl einzigsten Balkon des Gebäudes. Ein großer Balkon mit Marmorgeländer, wo sich viele Efeuranken um das weiße Gestein schlängelten. Zelda saß einen grauem Umhang um sich geschlungen auf einer kleinen Holzbank und sang verträumt ein Lied zum Gedenken an Hyrule, während sie durch die dunklen Wolkenschleier hier oben schaute, mit der stillen Hoffnung, dass ab und an ein Funken grüne, blühende Landschaft durch die Wolken stach. Wie verzaubert hörte Link ihr zu, lauschte dem einfühlsamen Gesang für Hyrule. Hyrule Is this what you should be? Hyrule Just a dream, not real… Oh my lovely Hyrule Why has this to be so mean? No path will lead to you Even if stories tell us they do… Oh my secret Hyrule Only one word to say… Finally rest in this peace That no one could give you … My heart is still So closed to you Memories reach out trying to touch you then No time a place could be like you I never wanted to live in another world Oh my golden Hyrule Rivers and seas so blue Mountains high and proud, forests so deep we could get lost And every night your moon Is standing on the dark sky again… Hyrule… Hyrule… (Ich hoffe, in dem Englisch sind keine Grammatikfehler oder sonstige Fehler drin... ;) ) Zelda beendete das Lied und schien so gefangen in ihrer Melodie, dass sie ihren Helden noch gar nicht bemerkt hatte. Sie zog den Mantel weiter um sich und stolperte mit einem kleinen Schluchzer zu dem Geländer. Ihre Hände ruhten schließlich auf dem weißen Gestein und sie beugte sich vornüber, um vielleicht einmal durch die Wolkendecke zu spähen. In dem Moment entschied sich Link dafür, seine Anwesenheit endlich preiszugeben. Mit einem Rascheln seiner Stiefel trat er näher, blieb nah hinter der blonden Hylianerin stehen und legte seine Hände über ihre, die immer noch auf dem Geländer ruhten. „Na, mein Schatz.“, murmelte er in ihr Ohr und umarmte sie fest. Zelda entspannte sich unter seiner Berührung, wurde schlapp und weich und lehnte sich an ihn. „Du vermisst Hyrule, nicht wahr?“ „Ja...“, meinte sie schwach und wendete ihren Kopf schräg zur Seite, um Links Blick zu suchen. „Und wenn ich dann hier stehe und durch die Wolkendecke spähe, finde ich vielleicht ein wenig Verständnis für all das, was geschehen ist. Es kühlt meine Wut und lindert... die Trauer ein wenig.“ Link wusste nicht, was er dazu sagen sollte, stattdessen umarmte er Zelda noch ein wenig inniger und schloss seine Augen. „Möchtest du alleine sein?“, sagte er einfühlsam. Daraufhin schüttelte sie schnell den Kopf. „Nein, bitte bleib’.“ „Gerne. Übrigens...“, fing er an und wollte die traurige Stimmung mit einigen aufheiternden Worten verscheuchen. „... du kannst doch nicht so einfach aufstehen, ohne deinem armen Helden etwas zu sagen, ich hab’ dich schon überall gesucht.“ „Ach... hast du mich nach diesen wenigen Minuten schon vermisst?“ „Natürlich hab’ ich das“, meinte er und führte sie zurück zu der kleinen Holzbank. Während sie so da saßen und verträumt in den Himmel sahen, legte Link einen Arm um ihre Schulter. „Weißt du, dass du wunderschön singen kannst, Zelda?“, sagte er leise und blickte lächelnd in das kristallene, leuchtende Blau ihrer großen Augen. Das wohl begehrenswerteste Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht und sie spielte mit den Gefühlen, welche sie damit bei Link erwecken konnte. Ein sanftes Lächeln, nicht übertrieben, eher kühl und doch beruhigend. Ihre Augen schimmerten, während sie ihre Hände in seine legte. „Gibt es eigentlich etwas an mir, dass du nicht wunderschön findest, mein Heroe?“ Er wanderte mit seinen linken Fingerspitzen zu einigen blonden Strähnen, die der einstigen Thronfolgerin über die Stirn und dann über ihre rechte Wange fielen. Verspielt strich er diese hinter ihr Elfenohr. „Da wären zum Beispiel deine Lippen“, sagte er grinsend. „Und natürlich deine langen Beine. Aber vor allem deine weichen Haare.“ „Und was ist damit?“, sagte sie neckisch und reckte ihm ihre Nase entgegen. „Diese Dinge sind nicht nur wunderschön, sondern übertrieben schön...“ Daraufhin legte Zelda ihm beide Hände über die erhitzten, glühenden Wangen. „Du kleiner Spinner“, lachte sie. Link grinste hinterhältig und gähnte dann. „Vielleicht sollte ich zurück auf die Schlafcouch. Kommst du mit?“ Sie nickte und lief zu der Balkontür. „Aber nur, wenn du mich fängst.“, forderte Zelda ihn heraus und warf ihm ein verführerisches Zwinkern entgegen. Link ließ sich natürlich nicht zweimal bitten und hechtete wie bescheuert hinter einer lachenden, die Arme in die Höhe streckenden Zelda hinterher, die ab und an schauspielerisch zu Hilfe rief. Etwa auf halber Strecke hatte Link die flüchtende Schönheit eingeholt und packte sie auf seine Arme. Ohne Gegenwehr ließ sich Zelda zurück zu der gemütlichen Couch leiten, schwebte beinahe vor Glück in den Armen ihres Helden. Die ganze Zeit über träumte sie in den tiefblauen, durchdringenden Augen Links, auch dann noch, als er sie vorsichtig zurück zwischen weiche Kissen und warme Decken legte. „Warum benehmen wir uns nur immer wieder wie kleine Kinder?“, meinte Zelda, als Link vergnügt die Decken ausschüttelte. „Vielleicht, weil es einfach Spaß macht.“, erwiderte er grinsend. „Außerdem ist es ja bei mir noch gar nicht so lange her, dass ich ein Kind gewesen bin“, setzte er hinzu und pflanzte sich mit den frischen Decken zu Zelda auf den Schlafplatz. „Bei mir ist das ein wenig länger her...“, meinte Zelda leise und blickte trübsinnig in die violetten Flammen. „Ich bin Jahre lang durch Hyrule gewandert, ohne körperlich zu altern, wohl aber seelisch...“ Sie legte eine Hand anmutig auf ihr Herz, schloss die Augen und seufzte. Erneut ärgerte sich Link darüber, dass er ein falsches Thema angesprochen hatte. Zelda sollte mit Hyrule endlich abschließen... Sie sollte leben, genießen, von vorne beginnen. Aber jede Kleinigkeit, die man sagte, ohne wirklich darüber nachzudenken, waren einem zweiten Prozess des Nachdenkens untertänig, wenn man Zelda diese Worte schickte. Leicht traurig schüttelte Link seinen Kopf, wusste nicht, was er tun konnte, damit Zelda endlich vergas. Aber ihre seelischen Wunden würden wohl selbst nach vielen Jahren in einer anderen Welt nicht heilen. „Entschuldige...“, begann sie. Sie zog ihre Knie zu sich heran und umarmte sich selbst ein wenig. Da war es schon wieder... der Abstand, die beklemmende Distanz, die sich mit ihren Bewegungen andeuteten. „Mach’ bitte nicht wieder dicht...“, sagte Link leise, traute sich aber nicht sie anzusehen. „... vor mir und deinen Gefühlen, Zelda...“ Sie sah auf, lächelte und reichte ihm eine Hand. „Niemals mehr“, sagte sie und blickte so lange in seinen weichen Blick, bis er in ihren Augen las. Der Versuch eines traurigen Lächelns huschte über das Gesicht der anmutigen, weisen Hylianerin, als Link die ihm angebotene Hand und die Geste, welche mit jener verbunden war, annahm. „Wir müssen reden...“, sagte Zelda und küsste den linken Handrücken ihres Helden. „Mmh...“, erwiderte Link und ließ seinen Kopf in Zeldas Schoß sinken. Verspielt fuhr sie durch seine blonden Haarsträhnen, genoss seine Nähe und er die ihrige. „Ich würde dir gerne etwas erzählen, Link.“ Seine rechte, warme Hand legte sich sanft über ihre schwachrosa, zu ihm gewandte Wange. „Dann leg’ los.“ „An dem letzten Tag, bevor des Siegel riss, bevor Hyrule endete, da ist so einiges geschehen“, begann sie und streichelte vergnügt, entspannt über Links Gesicht, der diese feinfühligen Berührungen mehr als alles andere genoss. Mehr noch als das, diese Zärtlichkeiten waren für ihn wohl neben Zelda selbst ein ultimatives Geschenk. „Du wolltest Hyrule zu dem Zeitpunkt eigentlich verlassen, Link.“ Abrupt öffnete er seine Augen, wollte das nicht verstehen, nicht begreifen. Wie hatte er jemals Hyrule verlassen können, wenn Zelda im Schloss auf ihn wartete? Dieses Geheimnis seines früheren Ichs wollte ihm nicht in den Kopf. „Aber das bestimmt nicht freiwillig, oder?“ „Doch, aber... du hast es nicht verlassen. Mir zuliebe.“ „Hast du mich darum gebeten?“ Sie schüttelte schnell und schlüssig mit dem Kopf. „Bei Nayru, ich hätte dich niemals an mich binden oder dir deine Freiheit rauben wollen.“ Link nickte leicht und blickte liebevoll in die himmelblaue Farbe von Zeldas Augen. „Du warst früher schüchterner mir gegenüber als du es jetzt bist.“ „Aber das hat doch wunderbare Vorteile, nicht wahr?“, neckte er, berührte Zelda an ihrem Kinn und zog sie allmählich zu ihm hinab, sodass sich ihre Lippen trafen. „Wenn du auf diese Vorteile hinauswillst, dann gebe ich dir Recht, Linkchen.“ Er äffte diese Worte nach und schenkte ihr einen kurzen gemeinen Blick. „Aber damals... hatte ich nie das Gefühl, dass du...“ Sie brach ab, senkte ihr Haupt und suchte nach den richtigen Worten, die ihr aber in der Kehle stecken blieben. Sie verstand nicht das Warum und Wieso des Damals und so suchte sie nach Worten für Geschehnisse, die eigentlich nicht in Worte formbar waren. „Wir haben uns früher schon einmal geküsst“, sagte sie dann bereitwillig und entschlossener. „Wie das?“, meinte Link neugierig. Es schien, als ahnte er etwas. „Es war mehr ein Ausrutscher...“, murmelte Zelda und fuhr träumerisch über seine Lippen. „Wie kann ein Kuss ein Ausrutscher sein?“, meinte Link und sah ein wenig vorwurfsvoll drein. Sicherlich, er kannte die Wahrheit nicht, kannte das Damals nicht, aber ein Kuss war für ihn immer schon etwas Besonderes. Er weigerte sich einfach ein solches Gebundensein als irrtümlichen Fehler anzusehen. „Ich... bin in meiner Wanne auf einem Stückchen Seife ausgerutscht, du hast mich aufgefangen und da... ist es dann passiert. Am letzten Tag, vor dem königlichen Ball. Es war mein erster Kuss gewesen.“ „Was habe ich denn in deinem Badezimmer zu suchen gehabt?“, sagte er überrascht. Zelda verdrehte die Augen und nahm einen tiefen Atemzug. „Frag’ lieber nicht... wir haben uns wie Kinder benommen.“ „Damals schon?“, lachte er. Zelda grinste und nickte heftig. „Und?“, sagte er hinterhältig. „War es denn toll für einen ersten Kuss?“ Sie zwickte ihn mit ihren spitzen Fingernägeln und gab ihm einen drohenden, leichten Klaps an seine rechte Wange. „Erlaub’ dir mal nicht zuviel, mein süßer Held, sonst schläfst du auf dem Boden.“ Geschockt sah Link sie an, aber Zelda gab nur einen kleinen Lacher von sich. „Ja... wenn du es wissen möchtest, ich fand’ es wunderschön. Aber, als wir uns dann deswegen ausgesprochen haben, da meintest du, es hätte dir nichts bedeutet und deswegen...“ Sie stoppte, als Link ihr Gesicht wieder zu sich zog. „Du irrst dich, Zelda. Ich habe damals bestimmt nur gelogen“, sagte er stur, gab ihr Vertrauen und Zuversicht mit einem nahen Blick in seine Augen. „Warum und wieso bist du dir da so sicher?“ „Weil ich einfach weiß, dass es mir sicherlich nicht leicht gefallen ist, meine Gefühle für irgendjemanden zuzugeben.“ Zelda wand sich ab und versteckte ihre Hände in den weichen Decken, die um das Paar herumlagen. Erneute Abweisung. Nur wegen der Vergangenheit, die Link nicht erinnerte. Leicht bekümmert schweifte ihr verletzlicher Blick zu dem Kamin. „Zelda... ich weiß nicht, was ich früher für dich empfunden habe, was ich mir getraut habe, für dich zu fühlen. Ich weiß es nicht, aber spielt das denn im Hier und Jetzt eine Rolle? Ich weiß nur, was ich jetzt, in diesem Moment für dich empfinde und es ist soviel mehr als einfach nur Zuneigung. Soviel mehr, egal was damals war.“ Sie nickte still. „Und was hat dir dieser erste Kuss bedeutet? Hast du mir damals gesagt, was du gefühlt hast?“ Traurig schüttelte sie mit dem Kopf. Das Feuer knackte und sprühte seine energiegeladene Wärme in den Raum. Es tanzte wild und ungehemmt. Sanft streichelten Zeldas ruhigen Hände wieder über das Gesicht ihres Helden, der angesichts dieser wunderbaren Zärtlichkeiten seine Augen zukniff und sich überraschen ließ, wohin ihre Hände wanderten und ob ihre Lippen seine wieder fanden. „Erinnerst du dich an unseren gemeinsamen Traum?“, sagte Link leise. „Jenen, als du in Irland warst?“ „Genau den...“, sagte er schmachtend. „Ich erinnere jedes Detail...“, meinte sie. „Ich wünschte, ich wäre nicht so früh aufgewacht.“ „Ach“, alberte Zelda und ein wenig Blut stieg ihr in die Wangen. „Hast du mit mir noch mehr vorgehabt? Hast du mit mehr gerechnet?“ Link öffnete seine tiefblauen, müden Augen soweit, dass er immer noch einschlafen konnte, wenn er doch unbedingt wollte und seufzte: „Wäre das denn für dich zu unmoralisch gewesen?“ „Das wäre einfach nur unkeusch gewesen.“ „Und anstößig.“ „Genau. Schamlos, unanständig und alles andere als standesgemäß.“ „Unschicklich.“ „Ja, ganz genau.“ „Wenn’s weiter nichts ist...“, brummte Link unbeeindruckt und drehte seinen Kopf ein wenig mehr in Richtung von Zeldas Bauch. Die blonde Hylianerin schüttelte erheitert den Kopf. Einmal mehr, wie so oft, hatte ihr wunderbarer, zum verlieben lieblicher Held das letzte, triumphierende Wort. „Ich habe mir damals immer eingeredet, dass ich in deinem Leben nichts zu verlieren hätte. Du warst begehrenswert, genauso wie heute und... damals dachte ich... dass du...“, gab Zelda verlegen zu, stoppte ihre Worte aber, da sie vielleicht nicht richtig waren und zu mehr und mehr verschwiegenen Geheimnissen führen könnten. Geheimnisse, die Link verletzen könnten, die er als Last auf seiner alten Seele empfinden könnte. Er nahm ihre rechte Hand und führte diese zu seinen sehnsüchtig darauf wartenden Lippen. „Dachtest du, ich würde eine andere lieben?“ Nur schwerfällig neigte die anmutige Prinzessin ihr Haupt, sich gewahr, dass Link ihre Gedanken einfach lesen konnte, auch ohne Zuhilfenahme der Telepathiesteine. „Was habe ich damals nur falsch gemacht, dass du diese Dinge dachtest...“, meinte er und öffnete seine blauen Augen einen Spalt. Soviel Verständnis und Verliebtheit stach daraus hervor. „Du warst häufig einfach sehr abweisend, wohl, weil du wusstest, eine Prinzessin vor dir zu haben.“ „Verzeih’ mir bitte dafür“, murmelte er. Der Ausdruck in seinen Augen sagte soviel über Aufrichtigkeit, Rechtschaffenheit und tiefe Zuneigung. „Du brauchst dich doch nicht für etwas zu entschuldigen, was du nicht einmal erinnern kannst“, sagte Zelda ernst und beugte sich näher, sodass blonde, zierliche Strähnen in sein Gesicht baumelten. „Und trotzdem war ich es, mein früheres Ich.“ Langsam schlossen sich Zeldas Augen und sie küsste ihren Helden langsam und leidenschaftlich, erkundete verlockend seinen Mund und schmeckte seinen Geschmack. „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, darauf verzichtet zu haben...“, meinte er grinsend, als Zelda von ihm abließ und ihn strahlend musterte. Genau in dem Augenblick gelangte das Wahre, das bisher nicht Bewusstgesagte wieder über seine Lippen. Vielleicht infolge einer natürlichen Reaktion oder einfach, weil der kostbare Augenblick diese Worte auf seine Lippen legte, sprach Link aufrichtig: „Ich liebe dich, Zelda...“ Sie wich einige Zentimeter zurück, sah jene Worte wohl eher als eine Halluzination, als Wunschtraum... Es war ein wenig Verwirrung, leichte Hilflosigkeit, die aus ihren Augen hervorblitzte. Sachte legte Link eine Hand über das Medaillon, welches an ihrem Hals pendelte und klappte es auf. „Ich erwarte nicht, dass du diese Worte zu mir sagst, Zelda... ich weiß ja, was du fühlst.“ Sie nickte, hauchte ein: „Danke“, über ihre Lippen und schaute verwundert auf die Uhr, welche logischerweise in diesem Haus auch nicht mehr tickte. Indes richtete sich Link auf und streckte sich genüsslich. Gähnend stand er auf seinen Beinen und kurbelte mit seinen Armen in der Luft herum, versetzte seine müden Muskeln in marternde Bewegung und machte bauz und plötzlich einen Rückwärtssalto. „Wenn wir wochenlang faul auf dem Sofa liegen, dann komm’ ich noch aus der Form“, bemerkte Link. Mit einem leichten, schmerzlichen Fluchen ließ sich Zelda in dem Augenblick einfach auf ihren Rücken fallen, hielt sich mit beiden Händen festgedrückt den Bereich unterhalb ihrer rechten Brust fest. „Haben wir noch etwas von dem Heilwasser?“, sagte sie leise. Schneller als sie dachte, war Link bei ihr auf der weichen Liege, beugte sich mit besorgtem Blick über sie und stützte beide seiner Hände neben ihren spitzen Ohren ab. „Hast du immer noch Schmerzen?“ Sie nickte leiderfüllt und schaute abweisend in die Flammen. „Das Heilwasser ist leider ausgegangen...“, bemerkte er leise. „Lass’ mich dir helfen“, setzte seine beruhigende Stimme hinzu. Sachte zog er Zelda an ihren Handgelenken in eine aufrechte Person und innerhalb von wenigen Sekunden saß er beschützend hinter ihr. Er begann damit, ihre blonden langen Haare zur Seite zu streichen, und entknotete die Schnüre an ihrem goldenglänzenden Samtbademantel. „Was wird das denn?“, sagte Zelda entgeistert, als er den warmen Stoff langsam über ihre Schultern hinabgleiten ließ. Halb nackt saß Zelda nun vor ihm, fühlte sich bedrängt und verunsichert. Beschämt verschränkte sie ihre Arme vor der Brust, nur um wenigstens eine Spur Stolz und Eitelkeit zu bewahren, sich keine vollkommene Blöße zugeben. Aber Link antwortete nicht auf ihre Frage, sondern setzte sein Vorhaben fort. Vorsichtig nahm er ihr den Verband ab und endlich begriff Zelda, dass er nichts anderes, intimeres im Sinn hatte als einfach nur, ihre Wunde zu untersuchen. Sachte entfernte Link das große Pflaster und erkannte keine Veränderung an der Wunde. Sie schimmerte immer noch, kein Grind. Alles in allem ein merkwürdiger Heilprozess. „Es hat sich nichts verändert...“, sagte er leise und legte dann einfach, ohne Scham oder Scheue seine Arme um sie, spürte ihre nackte Hat auf seiner, wollte ihr milde Wärme schenken, Ruhe und Entspannung. Mit seinen Fingerspitzen verfolgte er feine, unsichtbare Wege auf ihrem glatten Bauch, spürte das Federn von ganz edlen Härchen, als er ihre Haut kitzelte. Seine sensiblen Fingerspitzen erreichten ihren Nabel und in dem Moment spielten auch seine Lippen in ihrem Nacken, küssten, erfüllten und führten Zelda über jegliches Schmerzempfinden ihrer Wunde hinaus. Ihre sanften Augen schlossen sich als Gefangene seiner Berührungen, die den Schmerz der Wunde absorbieren konnten. „Hilft dir das?“, hauchte er mit seinem warmen Atem an ihren Hals. Genießend reckte sie ihren Kopf zurück, schenkte ihm Zutritt zu ihrer gesamten Schulter. „Ja... bitte... bitte hör’ nicht auf.“, flüsterte sie und ließ sich von seinen Lippen weiterhin verwöhnen. Zelda zog sanft eine Decke zu sich heran, drehte sich in Links Armen und verfiel mehr und mehr einem Schauer feiner Leidenschaft, den sie beide eigentlich nicht kontrollieren konnten. Immer wilder begannen sie einander zuküssen, nicht sofort gewahr zwei weiterer Augen, die sich grinsend, ja beinahe tückisch durch die alte Backsteinmauer bahnten, ständig fasziniert das Pärchen bei ihrer anbahnenden Leidenschaft zu beobachten. Abrupt ließ Link von Zelda ab, die jedoch weiterhin an seinem Hals auf Entdeckungsreise ging. Seine tiefblauen Augen funkelten von einer Ecke in die andere, nicht sicher und doch leicht beunruhigt, jemand könnte sie beide schamlos beobachten. Träge schlossen sich seine Augen wieder. Er wollte sich jetzt voll und ganz auf Zelda konzentrieren, nur auf sie, auf ihre Wärme und sanfte Haut auf seiner. Doch die leichte Brise Befangenheit verging nicht. Ruckartig richtete er sich auf. „Link? Was ist denn los?“, seufzte Zelda, während sie liebevoll an seiner stählernen Brust klebte. „Wir sind nicht allein“, sagte er, legte die Decke vollkommen über Zeldas Schultern und sprang auf. Er schlich in die Nähe des Kaminsims ähnlich einem Privatermittler, der die Spur eines groben, wollüstigen Halunken schnüffelte. Zelda beobachtete grinsend das Schauspiel ihres erwachsenen Helden, war ihm so dankbar in jener Minute, da er mit seinen Zärtlichkeiten tatsächlich, auf wundersame Weise ihre Schmerzen verscheucht hatte. „Link?“, sagte Zelda hörbar, wollte unbedingt wissen, was in ihrem Helden vorging. Link blickte grüblerisch zu ihr hinüber und fand dann die Antwort auf sein merkwürdiges Gefühl, fand den fiesen, spannerischen Übeltäter, der die romantische Stimmung zwischen ihnen beiden zunichte gemacht hatte. „Lorringtan!“, schallte Links Stimme drohend durch den Raum, während seine tiefblauen Augen einen Bereich hinter Zeldas Rücken fixierten. Auch die blonde Hylianerin ließ ihren Kopf rückwärts schweifen und quiekte entrüstet, als ein altes, adliges Gespenst mit glühenden Ohren hinter der bequemen Liege auf dem Boden hockte. Umständlich stand er auf, nahm Zeldas Hand und küsste diese schmatzend. „Gestatten, junge Schönheit, Lord Lorringtan, sehr angenehm.“ Zelda zog leicht verächtlich ihre Hand weg und sagte standhaft: „Link Bravery, früherer Held der Zeit“, und sie deutete mit ihrer Hand auf Link, der nur bitterböse drein sah „und ich bin Zelda, einstige Prinzessin von Hyrule. Was gedenkt Ihr hier zu tun?“ „Was wohl?“, fauchte Link eifersüchtig und huschte schnell wie der Blitz näher, zog eine perplexe Zelda mitsamt der Decke an sich und setzte fort: „Dieser miese Typ, dieser Spanner hat uns einfach zugesehen.“ Zeldas Gesicht verzog sich beschämt. „Außerdem hat er dich beim Baden beobachtet“, sagte Link verärgert und funkelte den lustigen Kerl mit drohendem, bärbeißigen Blick an. „Er ist mir vor einigen Stunden begegnet, als ich mich hier umgesehen habe und hat mir nichts besseres erzählen können als, wie toll du beim Baden ausgesehen haben musst.“ Lorringtan begann mit seiner kläglich schiefen Stimme zugackern. „WAS?“, sagte Zelda wütend. Rot vor Zorn schüttelte sie den Kopf und verkrampfte sich. Schnell zog sie sich den goldenglänzenden Bademantel wieder über und wedelte aufgebracht mit ihren Händen durch die Luft. Ein gleißender Strahl entkam ihren Fingerspitzen. Lorringtan fiel rücklings auf den dicken, samtenen Teppich und konnte sich plötzlich nicht mehr rühren. Seine eitlen, aber in letzter Instanz doch nicht bösartigen, auf seine Weise sympathischen Augen weiteten sich angesichts der starken magischen Kraft Zeldas. Die blonde Hylianerin setzte ein selbstsicheres Grinsen auf, hielt dem Kerl drohend einen Zeigefinger unter die Nase und sagte mehr zu Link als zu jenem Gespenst. „Was wollen wir jetzt mit dem Übeltäter machen?“ Lachend trat Link näher und blickte das magisch eingefrorene Geistchen an. „Weiß nicht. Aber eine Strafe für seinen Frevel muss sein.“, schauspielerte Link, bedacht seine ernste Miene zu behalten und dem Gespenst zu beweisen, dass zwei lebende Gestalten auch einem Geist das Fürchten lehren konnten. Ironisch begann er mit seinen Ideen, fuhr sich nachdenklich über das Kinn. „Wir könnten ihm den Hut wegnehmen.“ Aber Zelda hatte weitaus teuflischere Ideen… „Oder wir könnten ihm die Vorzüge des Geistseins für einige Stunden abnehmen“, sagte Zelda mit einem gefährlichen Funken in den leuchtenden himmelblauen Augen. Link schnippte mit den Fingern. „Meinst du, du könntest ihm das Schweben, durch Wände gehen und jegliche andere Fähigkeiten entreißen?“ „Ja, ich könnte ihn aber auch stundenlang in diesem eingefrorenen Zustand lassen“, erwiderte sie falsch. Währenddessen weiteten sich die ängstlichen, spannerischen Augen zunehmend. „Bitte lasst mich gehen, ich tue es auch nie wieder…“, seufzte der Geist armselig. Link formte seine Augen zu bedrohlichen Schlitzen und funkelte den Geist eindringlich an. Ein bedrohlicher und doch geschauspielerter Blick stach aus den tiefblauen Augen des Helden. „Was meinst du, Liebling?“ Erstaunt wand sich Zelda zu Link und hakte nach: „Äh… Liebling?“ Er zuckte mit den Schultern und murmelte bloß: „Warum nicht?“ Die Prinzessin schenkte ihm ein phantasievolles Lächeln und wand sich wieder dem furchtvollen Gesicht des Geistes zu. „Noch einmal und du kannst deinen grauen Kopf mit dir herumtragen, du Spanner“, sagte sie böse und löste den magischen Bann mit einer winzigen Handbewegung. Schnell wie der Blitz huschte der Geist grölend durch die alten Backsteinwände und würde es sich bestimmt nicht noch einmal wagen, zu lauschen oder zu spannen. Schnaufend stand Zelda auf, gab Link ein kurzes Küsschen auf die Wange und lief zur Tür. „Wo gehst du hin?“ „In den Badesaal. Ich habe Lust auf eine ordentliche Dusche.“ Grinsend nahm Link eine mit dem Schreien anfangende Prinzessin unter seinen Arm. „Du gehst nicht mehr alleine in den Badesaal.“ Zelda schlug um sich und begann schamrot zu werden, als ihr strahlender Held doch tatsächlich vorhatte, sie in die warme, duftende Erholungsstätte zu begleiten. „Aber Link!“, muckte sie entrüstet und zappelte verlegen in seinen Armen herum. Doch jener hatte absolut keine Lust auf lange Diskussionen und so nahm er eine sich sträubende Zelda bauchseitig über seine rechte Schulter. Leichtfertig und lachend trug er sie spazieren, öffnete die Tür nach draußen und lief mit ihr den Gang entlang. „Aber Link“, murmelte Zelda verlegen. „Du kannst doch nicht einfach…“ „Was kann ich nicht?“ Und immer noch hielt er Zelda fest über seiner Schulter, ließ sie nicht hinab und steuerte geradewegs auf den herrlichen, warmen in Dunkelheit gehüllten Badesaal mit den wenigen Kerzen zu. „Geht das denn nicht zu weit?“, fragte sie beschämt. Daraufhin begann Link unkontrollierbar zu lachen und bekam sein Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht. „Bei den Göttern, Zelda, wir haben einander doch schon oft genug halb nackt gesehen, oder?“ Sie schloss die Augen und murmelte verlegen: „Doch… das stimmt. Du hast… ja Recht.“ „Gewöhn’ dich lieber schon mal daran…“, sagte er gewitzt. Zeldas Augen wurden immer größer und ihr rosaroter Mund immer wortleerer. Als sie endlich in dem kleinen Paradies angekommen waren, ließ der gnadenlose Held der Zeit seine Prinzessin des Schicksals auch wieder auf ihre Füße, selbst wenn sie sich ein wenig aufgelöst fühlte. Link öffnete die kleine, braune Buchentür in das ambrosische Reich mit dem niedrigen Gewölbe und den vielen weißen Säulen. Unheimlich romantisch war es hier drin, hier, wo viele bunte Kerzen standen und doch die Dunkelheit vorherrschte. Dampfwolken stiegen unaufhörlich von den vielen duftenden Becken mit unterschiedlichen Füllmengen an Wasser. Ein etwas größeres Becken befand sich in der Mitte. Und viel Seifenschaum lud auf eine tolle vergnügte Schlacht damit ein. Ringsherum befanden sich sechs von Farbe des Wassers und Größe unterschiedliche Becken. Jedes schien eine Besonderheit zu haben… Zelda stand immer noch vor der Tür und bewegte sich keinen Zentimeter. Einen hilflosen Blick warf sie ihrem Schönling entgegen, der sich gar nichts, rein gar nichts dabei dachte, so seine Ausrede, sollte das hohe Gericht im Himmel ihn irgendwann dafür büßen lassen. Aber gegen einen mikroskopisch winzigen Hintergedanken war doch nichts einzuwenden, oder? Grienend schnappte er sich Zeldas rechte Hand und zerrte die wehrlose Prinzessin in das kleine, intime Reich hinein. Er schloss die Tür hinter seiner Angebeteten und schob zusätzlich den Riegel vor. „Jetzt fehlt nur noch romantische Musik“, eiferte Link und erfreut sich an Zeldas hilfloser Miene. Sie blickte ihm fast ängstlich in die blauen Augen, die hier so dunkel schillerten und schluckte umständlich, um den Knoten in ihrem Hals zu beseitigen. Es war nichts außergewöhnliches, dass Link ihre zitternden Hände sofort bemerkte. In dem Augenblick wuchs in ihm mehr und mehr das Gefühl, sich aufrichtig für sein schamloses Benehmen entschuldigen zumüssen. „Hey, du zitterst ja…“, meinte er leise und drückte sie vorsichtig an sich, hauchte einen wohltuenden Kuss auf ihre Stirn und lehnte beruhigend seine rechte Wange an ihre Stirn. „Entspann’ dich einfach, mein Engel.“ So langsam war Zelda sich nicht mehr sicher, was Link eigentlich wollte. Hatte er… andere… intimere… Absichten, fragte sie sich. Nervös wich sie aus der Umarmung und sah Link eindringlich an, doch dieser war wohl ganz und gar irritiert, weshalb sich seine anmutige Prinzessin so merkwürdig und ängstlich verhielt. „Zelda?“ Hastig lief sie wieder zu der Buchenholztür und schob den Riegel zur Seite. „Äh… ich habe doch keine Lust mehr auf ein Bad“, brachte sie umständlich hervor. Sofort spürte sie zwei warme Hände über ihrem Bauch. „Was ist los?“ „Äh… nichts…“, meinte sie verdrehend. „Ja… deshalb läufst du auch vor mir weg, nicht wahr?“ „Link… ich kann das einfach nicht“, sagte sie leise und rückte aus seinen warmen Händen. Sie lehnte sich sachte und den Eindruck erweckend, erschöpft zu sein mit ihrer Stirn gegen die braune Tür vor sich. „In der Vergangenheit… da hatte ich …“, meinte sie betrübt. Und so langsam verstand Link, was seine Zelda sich zusammenreimte, was sie über diese romantische Stimmung hier ersann, was sie über Liebe und Leidenschaft wusste. Dachte sie wirklich, er wäre da drauf aus? Bei Farore, jetzt schlug es aber dreizehn auf der Uhr des Schicksals. Links Kopf wurde so knallrot wie noch nie in seinem Leben. Ein Zischen stieg von seinem Schädel, ähnlich einer Dampflok, die gerade startete, da er das plötzliche Verlegenheitsfieber nicht anders zu neutralisieren wusste. „Ich kann dir nicht geben, was du dir wünschst“, setzte sie hinzu. In dem Augenblick begann Link sich zu verschlucken. Kläglich hustete er, hustete und hustete angesichts dieser großartigen Peinlichkeit, dieses dämlichen Missverständnisses. Zelda wand sich schnell zu ihm und klopfte auf seinen Rücken. Gemächlich ließ er sich auf eine Treppenstufe sinken, während Zelda hinter ihm hockte und lieb auf seinen sonnengebräunten Rücken patschte. Link hielt sich eine Hand vor den Mund und schaute Zelda mit roten Ohren an. Sie hatte soviel Ernst und Beklemmung in ihrem Blick. „Du denkst aber auch nur an das eine, was?“, brachte er mit einem Husten hervor. Empört und schmollend wich Zelda zurück und sah ihren Helden baff an. „Du wolltest wohl nicht… das…“, fing Zelda verlegen an. Link runzelte die Stirn und prüfte, ob seine Prinzessin Fieber hatte. Er schüttelte den Kopf und sagte beherzt, leicht fassungslos: „Beim Heiligen Triforce. Waren meine Andeutungen denn so mehrdeutig?“ Entschuldigend nahm er ihr Gesicht in beide seiner Hände. Ein Lächeln spielte um seine Lippen. „Verzeih’ mir bitte dafür. Ich wollte bloß, dass wir uns hier ein wenig entspannen, nichts anderes“, sagte er aufrichtig und schenkte ihr einen absolut rechtschaffenen Blick. Und es schien, als ob die Erleichterung persönlich, mit all ihren Formen und Farben aus ihrem Gesicht sprach. Sie umarmte ihren Helden daraufhin wie ein kleines Kind und riss ihn zu Boden. „Du bist einfach nur Gold wert, Link.“, sagte sie und schenkte ihm einen sanften Kuss an seine rechte Augenbraue. „Und du bist immer wieder für die abenteuerlichsten Überraschungen gut“, entgegnete er und half ihr Aufstehen. „Hast du jetzt noch Lust auf ein, und ich sage es noch einmal, entspannendes Bad?“ Zelda nickte zufrieden und deutete auf einige Haken und eine kleine Holzbank, wo sie ihre Kleidung ablegen konnten. „Und ich dachte schon, ich müsste wirklich alleine baden gehen“, bemerkte Link, als er langsam die letzten Knöpfe seines blassblauen Seidenhemdes aufknöpfte. „Das macht doch keinen Spaß“, setzte er drollig hinzu. Zelda stand verträumt hinter ihm und sah nur zu, wie er sich des Hemdes entledigte und dieses an einen Haken hing. Schon sein freier Oberkörper, eine Erfüllung für die Augen jedes weiblichen Wesens in Hyrule, war umwerfend. Sie spürte plötzlich den Wunsch, jeder Kontur seiner männlichen Brust und seines durchtrainierten Bauches zu folgen. Sie spürte ein leichtes Drängen, gefolgt von einem starken Kribbeln in ihrem Magen. Himmel, dachte sie, Link machte sie immer wieder aufs Neue wahnsinnig… Sie wand sich höflich um und überlegte, ob sie vielleicht hinter einer der Säulen ihren Bademantel, und sie trug ja nichts weiter als diesen, ablegen konnte. Dann müsste sie nur noch schnell in das mittlere Becken mit dem Schaum springen und sie wäre gerettet. Hatte sie etwa Angst, Link könnte ihren modellhaften, wunderschönen Body nicht toll genug finden? Redete sie sich wirklich ein, er könnte an ihr irgendetwas auszusetzen haben? Was war nur der Grund, dass sie sich vor seinen Augen irgendwie… nicht so wohl fühlte. Die Vergangenheit? Konnte es daran liegen, dass Ganons Schatten sie einst versuchte zu… Nein, befahl sie ihren Gedanken, das gehörte nun wirklich nicht hierher. Derweil kickte Link seine Stiefel von den Füßen und drehte sich nachdenklich zu ihr um. „Worauf wartest du eigentlich? Muss ich erst die Kerzen ausblassen, oder was?“ Und Zeldas unschuldiger Blick sagte ihm, wie gut er ihre Gedanken lesen konnte und wie toll dieser Einfall war. „Das Problem ist nur, dass diese Kerzen ewig brennen. Man kann ihr Licht nicht löschen“, sagte Zelda. Leicht verzweifelt schaute sie zu ihren Füßen. Zärtlich nahm Link daraufhin ihre Hände in seine. „Manchmal verstehe ich dich einfach nicht. Erinnerst du dich an unser kleines Erlebnis in den Mooren?“ Zelda lief die wenigen Zentimeter Distanz auf ihn zu und lehnte sich genießend an seine entblößte Brust. „Ja…“ „Als wir in dem nahen See schwimmen gegangen sind, schien es dir nichts auszumachen, nackt vor mir herumzulaufen.“ „Aber vor zwei Wochen waren wir einander eben noch nicht so nah.“ „Und du glaubst, dass ich dich dadurch mit anderen Augen ansehen würde?“ „Vielleicht…“, entgegnete sie und streichelte mit ihrer einen Hand gedankenlos über seine nackte Haut. „An deinem Körper gibt es aber nichts, das man nicht sehen wollte…“, hetzte Link und vergrub sein Gesicht in ihrem duftenden Haar. „Meinst du das ehrlich?“ „Gaaaannnnnnzzzzzz ehrlich!“, schauspielerte er. Link löste sich von ihr und meinte erheitert. „Also, mein Engel, wie wäre es, wenn ich anfange, dann überwindest du vielleicht früher deine Scheue.“ Zelda fuhr verführerisch mit ihrer Zungespitze über ihre rote Oberlippe und setzte tückisch hinzu: „Lass’ dir aber Zeit, mein Held.“ „Warum?“ „Weil ich mich dann besser einstimmen kann.“ Und jegliches ängstliches Schamgefühl von vorhin schien endgültig verschwunden zu sein. Zelda schmunzelte leise, setzte sich an den Rand eines Beckens und ließ die Füße in dem warmen, angenehmen Wasser baumeln. Hier und da standen extravagante, zerbrechlich wirkende Gefäße mit den erstaunlichsten, die Sinne und die Haut verwöhnenden Inhalten. Einige Bürsten, Schwamme und weiche Lappen hingen an den Rändern der Becken. Maniküre- Sets und sogar altmodische Massagegeräte. In dem Moment wagte Zelda einen Blick nach hinten, denn sie saß mit dem Rücken zu ihrem umwerfenden Helden. Er stand einfach da, ihr den Rücken zugedreht. Ohne jegliche Bekleidung. Sein Anblick verpasste ihr einen so starken Schlag, dass sie beinahe mitsamt Bademantel in das Becken geplumpst wäre. Nicht weil es sie so sehr erschreckte, nein, weil ihr ausgesprochen gut gefiel, was sie sah. Ihre Augen wanderten von seinem breiten, muskulösen Rücken hinab. Sein Po war ja so sagenhaft knackig… Hastig wand sie ihren genauen Blick ab und wartete, dass er in eines der Becken hüpfte. Aber Link tat nichts dergleichen. „Du bist dran!“, sagte er kichernd und hoffte, seine wunderschöne, weise Prinzessin würde sich endlich erheben und den goldenschimmernden Mantel von ihren zierlichen Schultern gleiten lassen. „Wenn du in eines der Becken gestiegen bist“, verlangte sie als Gegenleistung. „Von mir aus“, meinte er und sank zufrieden in eines der kleinen Becken, stützte seinen Ellenbogen an den Rand und schaute interessiert zu Zelda hinüber. Aber ohne Vorwarnung und zu seiner Überraschung fing es in dem Becken an zu sprudeln. „Cool. Zelda schau’ mal. Das ist ein Wellenbad!“ Wie ein kleines Kind freute sich der achtzehnjährige Held der Zeit. Sicherlich… er war nicht das erste Mal hier in diesem schönen Badesaal, aber bisher hatte er bloß das große Becken in der Mitte getestet. Sie blickte kurz nach hinten und kicherte sachte. Elegant folgte sie ihrem Pfad über die glatten, riesigen Fließen in dem Saal und lieferte wohl den Rücken zeigend ihre eigene kleine verführerische Show für Link, vielleicht handelte sie auch in folgender Art und Weise ohne sich bewusst zu sein, was sie tat. Aber ihre weiteren Bewegungen würden Link in eine sehr prekäre und brenzlige Situation bringen. Als erstes öffnete sie extrem langsam den Gürtel an dem goldenschimmernden Mantel, fuhr geschmeidig mit einer Hand durch die zahlreichen goldene Strähnen die sich an ihrer gottesgleichen Figur hinabangelten. „Wenn ich gewusst hätte, dass du so posieren würdest, hätte ich mir bestimmt auch etwas einfallen lassen…“, murmelte Link eingeschnappt. Obwohl es ihm ausgesprochen zusprach, wenn Zelda ihre Schönheit in dieser Art und Weise betonte. „Wenn ich gewusst hätte, dass du so lange und so schamlos zuschaust, hätte ich das bestimmt auch getan.“ Link lachte daraufhin, aber würde keineswegs aufhören, der Prinzessin die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie im Augenblick mehr als verdiente. Ganz langsam schlüpfte Zelda aus den einfachen Sandalen, welche sie im Augenblick trug, während Link im wahrsten Sinn des Wortes das Wasser im Munde zusammen lief. Dann endlich glitt der goldene Bademantel wie ein feines, seidenes Tuch über ihre zarten Schultern und fiel geräuschlos zu Boden. Mit erhitzten Wangen drehte sie sich um, sah höflich zu Boden und verharrte einige Sekunden in ihrer Haltung. Wie auf dem Präsentierteller, dachte Link begehrlich. Er suchte nach seinen Gedanken, wollte sich irgendwie ablenken, aber Zeldas herrlicher weiblicher Körper schien jeden davon absorbiert zu haben. Es waren nicht nur ihre perfekten Rundungen, vollkommenen Formen. Nein, es war einfach alles an ihr… Link rauchte innerlich von dem Wunderwerk, welches in seinem verliebten Kopf, seinem Herzen und in seinem Körper durch Zelda entzündet wurde. Sternchen tanzten um seine Augen, die sich zu riesigen gigantischen Explosionen herausbildeten. Er starrte sie an, als ob es in ganz Hyrule nichts anderes mehr gäbe, als ob sie ihn, wie den Geist vorhin eingefroren hatte. Er wollte wenigstens den Kloß in seinem Hals beseitigen, auch das ging nicht. Bei Farore, er fühlte sich wie gelähmt, gänzlich, von einer auf die andere Sekunde… „Ich glaube, ich bin wirklich im Paradies gelandet…“, sabberte er babbelnd. Zu seinem eigenen Glück hatte Zelda diese Worte nicht verstanden. Flugs hüpfte sie in das große Becken mit dem vielen Schaum und schwamm die wenigen Meter hin und her. Sie fühlte sich jetzt wieder sicher, erleichtert und beinahe glücklich. „Ähm… Zelda?“, murmelte Link und er beugte sich von dem anderen Becken ein wenig näher an ihres. „Ja?“ „Wollen wir nicht die restlichen Becken noch austesten?“ „Das habe ich schon. Das eine ist Salzwasser, das andere nur Dampf. Das dritte, in welchem du sitzt, sprudelt. Das nächste singt, wenn man die Augen zumacht. Das fünfte ist so tief, dass man tauchen gehen kann, wobei ein langer Tunnel sich dort unten befindet und das letzte besteht aus einer merkwürdigen, kalten Substanz, wie kaltes Moor.“ „Du weißt ja schon gut Bescheid…“ „Allerdings.“, meinte sie und warf ihrem Helden ein Grinsen zu. „Und hast du nicht Lust, zu mir zu kommen?“, sagte er dann verhext von ihrer Schönheit und griff nach ihrer Hand. „Nein.“, meinte sie verspielt, schwamm an das andere Ende des großen, selbstschäumenden Beckens und winkte ihm zu. „Warum kommst du denn nicht zu mir?“ Link ließ sich nicht zweimal bitten. Wie bescheuert hechtete er aus dem Sprudelbecken heraus und sprang jubelnd in das andere, schaumige warme Nass, wo Zelda auf ihn wartete. Verliebt schwamm der junge Held näher und riss Zelda ungestüm in seine starken Arme. Er benetzte ihre Lippen mit einem leidenschaftlichen Kuss und ließ sich mit seiner Prinzessin zusammen auf einer flachen Stelle des Beckens nieder. Nur ihre Köpfe lugten über dem Schaum heraus. Entspannend lehnte Link seinen Kopf gegen den Rand und hielt Zelda zufrieden und glücklich in seinen Armen, konnte kaum in Worte fassen, wie überwältigend wunderbar dieser Moment war. Er hatte seine Augen geschlossen und ein beneidenswertes Lächeln auf seinem Gesicht. Sich wünschend, diese Augenblick würde niemals, niemals wieder vergehen, erinnerte sich Link an die ersten Tage mit Zelda, die leisen Erinnerungen, an die ersten Kämpfe, die im Grunde genommen nicht seine ersten Begegnungen mit dem Bösen waren. Alles hatte seinen Sinn. Jeder einzelne Kampf, jede Kleinigkeit. Es war gewaltig, wie diese gesamten Puzzleteilchen sich zu seinem Schicksal zusammenfügten. Und Zelda… sie war der Anfang, der Mittelpunkt und jedes wichtige Steinchen in diesem Spiel gewesen… Sie war sein Zentrum, um das jedes Tun schwebte, für das jede Faser seines Herzens lebte und kämpfte. Sie war das wichtigste Bausteinchen in seinem Schicksalsrad, seine Erinnerung und seine Wahrheit. Was wäre nur geschehen, wenn er ihr niemals begegnet wäre. Würde der Name Held der Zeit, der Name Link, überhaupt noch seiner sein? In dem Moment drehte sich Zelda in seinen Armen und streichelte mit ihren nassen Handballen über seine Wangen. „Ich wäre ohne dich nicht, was ich bin…“, murmelte Link leise, als er seine Augen öffnete und ihr einen so treuen Blick schenkte, ihr sagte, dass sein Herz nur für sie schlug. „Ohne dich wäre ich der einsamste Mensch auf der Welt…“, setzte er hinzu und führte ihre rechte Hand an seine Lippen und küsste diese. „Ich will keinen Tag mehr ohne dich sein, Zelda…“, flüsterte er, während die Kerzen in dem Raum einen sanften Takt anschlugen. „Ich will auch nicht mehr ohne dich sein…“, erwiderte sie gedämpft und blickte aufrichtig, wenn auch leicht traurig in das tiefe Blau seiner Augen. Sie liebte diese Augen so sehr, und konnte diese Gefühle doch nie in Worte formen. Einem Stückchen Papier hatte sie damals anvertraut, was sie für Link fühlte, weil sie es einfach nicht über die Lippen brachte. Einem Stückchen Papier, welches sie sogar in ihren magischen Taschen mitführte… „Ich brauche dich so sehr…“, meinte Zelda schwach und kämpfte mit einer ungeheuren Verlustangst. Was, wenn alles getan war. Was, wenn am Ende ihre Wege wieder unvorhersehbar auseinander liefen. „Sollten wir jemals wieder in Hyrule erwachen, dann möchte ich mein ganzes Leben mit dir teilen…“ „Und was ist mit der Gegenwart, der Erde, Zelda? Das normale Leben, wo wir gewöhnliche Jugendliche sind?“ „Auch da…“, meinte sie und sah ihn mit dem wunderschönsten, tiefsinnigsten Lächeln an, das Link je gesehen hatte. „Wir werden unser Schicksal diesmal selbst bestimmen.“ Link drückte sie weiter an sich und küsste ihre Stirn langsam. „Genau. Diesmal wird uns niemand trennen.“ „Niemand.“, sagte Zelda bestätigend. „Niemand.“, murmelte Link und streichelte liebevoll über den Rücken seiner Prinzessin. Einige Minuten vergingen und noch war die Haut nicht aufgeweicht. Verträumt lagen zwei Hylianer Arm in Arm und beobachteten die flackernden Kerzen oder die vielen Schaumbläschen, die durch unsichtbare Hände in die Lüfte getragen wurden. Link richtete sich ein wenig auf und blickte seine Zelda mit einem umwerfenden Hintergedanken an. Er fuhr mit seinen Fingerspitzen über ihren Rücken und flüsterte übertrieben unwiderstehlich: „Möchtest du, dass ich dir den Rücken schrubbe?“ Verdutzt wich Zelda ein wenig von ihm weg, lächelte dann aber einprägsam und nickte. Sie drehte sich langsam um, während Link ein wohlriechendes Öl auf eine feine Bürste träufelte. „Gut so?“, flüsterte er, als er die Bürste sanft über ihren Rücken gleiten ließ. „Jaaahhh…“, surrte sie entspannend. „Ich stelle gerade fest, dass ich mit dir den größten und tollsten Fang überhaupt gemacht habe…“ „Dann lass diesen Fisch an der Angel aber nicht mehr ausreißen…“ „Selbst wenn er sich wehrt, wird er mir nie wieder entkommen können. Also sollte er sich gut überlegen, ob er es sich zutraut den Köder verspeisen zu wollen, der doch ein tückischer und gefährlicher Köder ist.“, murmelte die blonde Hylianerin, während Link geschmeidig ihren Rücken wusch. „Dem Fisch ist dieses gefährliche Geschmackserlebnis sicherlich genug Belohnung, selbst wenn er sich dann in gnadenloser Gefangenschaft befindet…“ Zelda drehte ihren hübschen Kopf mit einem umhauenden Grinsen zu Link und beförderte ihn einmal mehr mit einem Blick in das Reich der Träume. „Ich liebe das Reich deiner Gefangenschaft…“, setzte Link hinzu und legte die Bürste beiseite, als Zelda lieblich lachte. Wiedereinmal wanderten seine Hände über ihre Schultern und begannen Zeldas leichte Verspannung zu lösen. „Es ist irgendwie seltsam…“ „Was?“ „Eigentlich alles. Für mich, der doch eigentlich ein gewöhnlicher Mensch in einer gewöhnlichen Welt gewesen ist. Und nun, befinde ich mich in dem Haus der Götter, in den Wolken einer alten Welt, an deren Existenz ich immer fest geglaubt habe…“ Er stoppte kurz sein Worte und platzierte einen Kuss an Zeldas Hinterkopf. „Und hier bin ich nun, mit der tollsten Prinzessin, die man sich nur vorstellen kann.“ „Ich kann dir das vielleicht nicht nachempfinden, aber es mag seltsam sein. Hast du jemals ahnen können, dass du eine solche große Vergangenheit haben konntest?“ Link schüttelte das Haupt. „Es gab immer jemanden, der mir ausgeredet hat, an meine Phantasien zu glauben.“ „Das ist schade…“ „Nein, nicht mehr… Denn jetzt ist es wirklich. Unsere gemeinsame Zeit, unser Schicksal. Jetzt erst erkenne ich, wie gewaltig und großartig das alles ist.“ Zelda schloss ihre Augen, ständig ein beruhigendes Lächeln an ihren Mundwinkeln. Seine Worte waren so klar und doch wichtig, unheimlich wichtig. Und es erinnerte sie irgendwie immer stärker an den Link, der ihr damals in den Schlossgärten begegnete. „Wenn man bedenkt, was in dem letzten halben Jahr geschehen ist. Alles nur wegen einem Spiel…“ „Ja, nur ein harmloses Spiel. Nicht wirklich und doch so unbestreitbar real für uns beide.“ „Weißt du, ich liebe dieses Spiel.“ „Ich auch…“, schmunzelte Zelda. „Außerdem…“, begann ihr fürsorglicher Heroe und pflanzte einen langen Kuss an ihre Schulter. „… liebe ich dieses Spiel.“ Sein Mund wanderte an ihren Hals, küsste die dort befindliche Haut tüchtig. „Und dieses Spiel noch mehr…“, seufzte er leise, während er Zelda weiterhin mit zugetanen Küssen verwöhnte. Nach einer Weile wurde die Haut doch noch runzlig und die zwei Auserwählten bequemten sich aus dem Wasser, aber damit nicht genug. Wie zwei kleine, nackte Kinder spielten sie Verstecken und Fangen in dem gemütlichen Badesaal, verbargen ihre Antlitze hinter den weißen Säulen und rannten voreinander lachend davon. Es dauerte eine Weile bis sie sich endlich aufrafften ihre Kleidung anzuziehen und sich wieder, nach einem leckeren Essen in der Küche, in ihr Schlafgemach begaben. Link schlüpfte zu Zelda unter die Decke, umarmte sie innig und fest, streichelte ihre Wangen, und es dauerte nicht lange, bis sie erneut eingeschlafen war. Link sah ihr einige Minuten beim Schlafen zu, so wie sie ihm vor wenigen unechten Stunden, denn die Zeit lief ja in dieser Wirklichkeit nicht weiter, beim Schlafen zugeschaut hatte und schlief irgendwann viel später selbst ein. Kapitel 86: Die Reise geht weiter --------------------------------- Kapitel 69: Die Reise geht weiter In der hylianischen Welt, einem Land, das weit abseits des Hauses der Götter ruhte, war nicht eine Sekunde vergangen und immer noch tanzten die Schatten der Götter mit ihren kräftigen, beißenden Stimmen vor den Toren des weißen Turmes. Zelda und Link jedoch verbrachten so viel Zeit miteinander wie nur irgendwie möglich. Das Paar, welches endlich zu einander gefunden hatte, wandelte hier im Haus der Götter, in den Gefilden einer anderen Dimension. Sie genossen zahlreiche erholsame Stunden in den Gärten des Lebens, einem schier mächtigen Ort am Rande der Wirklichkeit in der Gastfreundschaft machtvoller Wesen, die doch in der Schuld der beiden Hylianer standen. Offen erzählte Zelda ihrem Helden Dinge aus der Vergangenheit, vieles, was sie damals nie über ihre Lippen gebracht hätte. Sie teilte ihm mit, wie ähnlich er mit jeder Sekunde, die vorüberrannte, seinem wahren Ich wurde. Auch erzählte sie ihm viele Momente, die sie für immer in ihrem Herzen aufbewahren würde… Nach über drei Woche in jenem zeitlosen Himmelsgebäude entschieden sie sich aufzubrechen. Link packte gerade seine Sachen für die Weiterreise in dem kleinen, hohen Raum, in welchem sie beide die letzten Wochen nächtigten. Zelda kam mit einem zufriedenen Grinsen in den Raum und meinte zwinkernd: „Ich habe den Gnomen Bescheid gegeben. Sie sagen unseren Gastgebern, dass wir aufbrechen wollen.“ Link nickte stumm und blickte zu den vielen einfachen, ledernen Beuteln, wo Nahrungsmittel vonseiten der Gnomen gelagert waren. Schnell ließ er die Sachen in den magischen Taschen verschwinden. „Ein Glück, dass wir jetzt wieder besser versorgt sind. Unsere Lebensmittel waren schon knapp.“, sagte er und schnallte sein Schwert geräuschvoll auf den Rücken. Zelda ließ sich derweil rücklings auf das kleine rote Schlafsofa sinken und blickte nachdenklich an das archaische Deckengewölbe. „Das waren so schöne Wochen…“, murmelte sie und blinzelte träumerisch zu Link hinüber, der seine Arme kurbelnd in der Luft rudern ließ. „Ja, schön und viel zu erholsam. Ich wusste gar nicht mehr, wie schwer meine Waffe auf dem Rücken war.“ „Du musst dich wohl erst wieder daran gewöhnen, was?“ „Ein bisschen.“, meinte er und lief langsam zu ihr hinüber. „Haben wir auch alles eingepackt?“, fragte Zelda und richtete sich wieder auf. Link kniete vor ihr nieder und legte seine warmen Hände auf ihre Knie. „Ja, alles fertig für die Abreise. Aber bist du denn schon bereit dafür?“ „Ich wäre gerne noch geblieben…“, gab sie ehrlich zu. „Wir hatten so viele schöne, gemeinsame Stunden und…“ Ihre Wangen erhitzten sich ein wenig. „…ich wünschte, wir hätten hier in der Idylle noch ein wenig mehr Zeit miteinander verbringen können.“ „Du kannst wohl nicht genug von mir haben, was?“ „Als ob ich etwas dafür könnte, dass du nun so unwiderstehlich bist, wie du eben bist“, meinte sie schmunzelnd und ein Glitzern strahlte aus ihren Augen. „Du musst gerade reden. Du hast mich doch dazugebracht, so unwiderstehlich zu sein…“ „Ach, ich war das?“, sagte sie grinsend. „Wenn das so ist, sollte ich vielleicht irgendetwas tun, um diese Schuld wieder zu begleichen…“ „Ja, du hast die unweigerliche Pflicht, diese kleine Schuld wieder gut zu machen.“ Zelda ließ sich langsam von dem Sofa auf ihre Knie sinken, sodass sie mit Link fast in Augenhöhe war. „Und was strebt dir da so vor?“ „Wie wäre es mit einem Kuss?“ Lächelnd legte Zelda ihre Arme um seinen Hals und fuhr liebevoll mit ihren Fingerspitzen durch die blonden, frischgewaschenen Haarspitzen an seinem Hinterkopf. „Gute Idee…“, murmelte sie sehnsüchtig. Daraufhin küssten sie sich leidenschaftlich und vergasen in dem Moment, dass sie doch eigentlich ein Ziel hatten. Denn es gab einen Grund, nicht länger in der stehenden Zeit dieses Hauses zu verbleiben. Sie hatten immer noch eine Mission und solange diese nicht ausgestanden war, schien auch die gemeinsame Zeit an manchen Stellen zu unwirklich. Dann aber, wenn alles vorbei sein würde, wenn Ganon in der tiefsten aller Höllen schmorte, dann könnten sie endlich abschalten und die Zeit miteinander wäre nicht mehr besetzt von Sorgen des Morgens. Außer Puste ließen sie voneinander ab und Link half seiner Prinzessin auf die Beine. Zufrieden legte sich Zelda den Gürtel mit ihrem Schwert um die Hüfte und streifte ihren Umhang über. Auch der Heroe war bereit für die Abreise. Wenig später kam ein kleiner, vorwitziger Gnom in den Raum und wies die beiden Auserwählten an, ihnen zufolgen. Es dauerte nicht lange und das Paar wurde in eine riesige, alte Halle geführt, wo viele goldene Platten unter ihren Füßen schillerten. Ein Saal ähnlich einem Ballsaal, groß, mit vielen offenen, hohen Fenstern, die bei einem Blick hinaus jeweils einen anderen Teil Hyrules preisgaben. Und nichts als ein hohes, funkelndes Tor rückte in das Aufmerksamkeitsfeld. Keine Sitze, keine Kerzen, kein anderes Mobiliar in dem Raum, nur diese hohe Tür. Ein matter Luftzug streifte Link und plötzlich erschienen in silbrigem Licht die alten Göttinnen vor ihnen, blockierten alle drei bewusst das gewaltige Tor. Links Schutzgöttin, Hüterin des Mutes, trat vorwärts und legte ihren Umhang zurück. Ihr Bildnis, welches vorher noch an eine alte Frau erinnerte, wurde menschlicher, wärmer und jünger. Dunkles Haar fiel an ihrem schmalen Kopf hinab und dunkelgrüne Augen strahlten aus dem blassen Gesicht hervor. Sie lächelte und legte ihren Zeigefinger auf die Stirn Links. Sachte schloss er die Augen und hatte doch das Gefühl, diese mächtige Person würde ihm erneut einen gewaltigen Strom Energie zuführen. Ein nebenan befindlicher Gnom humpelte mit einem großen, in schwarzem Tuch eingewickeltem Gegenstand heran und hatte Mühe, mit dem grandiosen Gewicht auf seinem kleinen Gnomenrücken stehen zubleiben und nicht vor aller Augen zusammenzubrechen. Das Geschenk an Link verbarg sich darunter und wegen der riesigen Last fiel es dem koboldartigen Wesen trotzdem herunter. Die weise alte Göttin in dunkelgrünem Samt hob es auf und entfernte das Tuch. Link glotzte nicht schlecht, als er einen wunderbaren, glitzernden, neuen Schild als das Geschenk erkannte. Es war ein typisches Hylianerschild und doch war es verzierter. Das Abzeichen des königlichen Falken darauf oder die Farben… alles war edler als bei einem einfachen Soldatenschutzpanzer. Links Augen drückten nur einen Teil der überschwänglichen Überraschung aus, die er fühlte. Gerade so etwas hatte er unbedingt noch gebraucht. Lautstark entkam es seinen Mund: „Das ist echt krass. Wahnsinn.“ Er nahm das Schild, verwundert darüber, dass es nicht so schwer war wie er dachte, an sich. „Vielen Dank!“, sagte er und hätte seine Schutzgöttin dafür am liebsten umarmt. Dann reichte sie ihm ein weiteres Päckchen, in welchem zwei unleugbar wichtige Dinge für den kleinen Kerl, der erwachsener sein wollte, als er aussah, verborgen war. „Hier, gib’ das deinem kleinen Freund. Es wird ein Hinweis für seine Existenz sein“, ergänzte das säuselnde Windgeräusch, welches der Kehle der mächtigen Persönlichkeit entkam. Auch das nahm Link an sich und verstaute es in seiner ledernen Tasche. Die in blauem Samt gekleidete Frau schritt näher und legte Zelda ebenfalls einen Zeigefinger auf die Stirn. „Du besitzt etwas viel mächtigeres, als dir jegliches Geschenk geben könnte. Du besitzt endlich die Fähigkeit Liebe zugeben, zuzeigen.“, murmelte das Rauschen einer fließenden Stromes. „Habt Dank“, sagte Zelda ehrvoll und verbeugte sich nach ihrer Prinzessinnenart. Es war das erste Mal, dass Link diese höfische Geste von Zelda sah. Hübsch, dachte er und kämpfte schon wieder mit dem Gedanken, Zelda einfach in seine Arme zu reißen. Es mochte verrückt sein, dachte er, gerade jetzt, da sie einander so nah waren, kostete es ihn unglaubliche Mühe, nur eine Sekunde ohne ihre Nähe auszuhalten. War er etwa schon süchtig nach Zelda geworden? Es war wohl diese Sucht nach ihr, die die letzten Tage noch schlimmer geworden war… unheimlich angenehme Tage, in welchen sie sich beide einfach gegenseitig verwöhnt hatten. Die Großen Drei wanden sich dem Tor zu und öffneten die alte Pforte, die in den gewöhnlichen Fluss des Lebens zurückführte. Nebel lag dahinter, der endlich wieder in die Wirklichkeit führte… „Lebt’ wohl, Auserwählte“, sagten die Göttinnen sanft und lächelten ihnen entgegen. Auch die beiden Hylianer grinsten: „Lebt’ wohl“, sagten Link und Zelda abwechselnd. Damit schritten sie Hand in Hand durch das gigantische Tor, verschwanden dahinter, bis sie fühlten, dass auch die Zeit wieder zuticken begann… Gerade in dem Augenblick gab es in den Kellerräumen von Impa einen lauten zerberstenden Schlag. Das hohe gewichtige Stahltor prallte mit aller Wucht zurück und etwa zwanzig kahlgesichtige Moblins mit gezackten Schwertern standen davor. Sie grunzten, wieherten mit ihren rostigen Stimmen und stürmten mordlüstern in den langen Gang. Furchtlos stürzte sich Sian mit seinen Dolchen in die Meute aus Abschaum, hetzte zwischen ihnen hindurch und seine Dolche wanderten wie Butter durch die pelzigen, stinkenden Leiber. Er musste sie aufhalten, so lange, bis die Weisen in dem Raum mit dem alten Spiegel eine neue Barriere errichten konnten. Er musste Ganons Brut beseitigen, noch bevor sie ihrem Lord Mitteilung erstatten konnten. Heftig führte Sian seine Waffen gegen sie, wirbelte in dem Haufen bestialischer Kreaturen umher, spielte mit ihnen wie ein Schatten, der ihnen folgte oder ihnen vorausging. In einem nahen Raum hörte Sara die bedrohlichen Laute, konzentrierte sich mit Impa und den anderen auf die verbliebenen Fähigkeiten der Sieben Weisen, sammelte Kraft, sammelte Macht, nur um eine weitere Tür zu errichten, die den hier befindlichen Abschaum daran hinderte, die Kellerräume zu verlassen, und im Gegenzug weitere sich an Blut labende Schrecken fernzuhalten. In wenigen Sekunden breiteten sich unzählige Regenbogenfarben in dem Schutzbunker aus. Sanfte Strahlen des Guten strömten in den Gängen umher, vernichteten die Brut, mit welcher Sian gerade noch gerungen hatte und vereinigten sich mit gnadenvoller Einzigartigkeit dort, wo einst eine robuste Eisentür stand. Ein stabiles Schutzschild wurde produziert, reine Farben, die zu Licht und Wärme verschmolzen und lebendig schienen. Wie ein Lebewesen vermischten sich die verschiedenen Farben einer Palette ständig, unentbehrlich in der undurchdringbaren Wand. Wellenartig. Strömend, wie ein kleiner Bach. Sian lief ungläubig darauf zu und berührte die Farbwand. Kühl und vibrierend. Und doch fest, sodass sie nicht leicht zu durchstoßen sein würde. In dem Moment kamen die Sieben aus einem weiteren Raum und bestaunten ihre umwerfende Kreation. „Wow. Wir sind ja doch noch in der Lage, unsere Mächte einzusetzen“, meinte Sara, die geschwind zu der Wand hüpfte und eine Hand auf das glasige Material legte. Naranda meinte entschlossen mit ihrem englischen Akzent: „Na bitte, und ihr habt euch schon Sorgen gemacht.“ „Es hätte ja auch leicht ins Augen gehen können“, meinte Leon. „Immerhin habe ich nicht Zeldas Gewandtheit als siebter Weise.“ Impa nickte und blickte zu dem Schutzschild. Sie war in ihren Gedanken versunken und dachte einmal mehr an ihren Schützling. Vorhin noch hatte sie beinahe das Gefühl gehabt, sowohl Link, als auch Zelda wären nicht mehr in Hyrule. Aus irgendeinem Grund fühlte sie ihre Anwesenheit nicht mehr. Besorgnis stand in ihren Augen, da sie erstens fühlte, dass Zelda mit Schmerzen rang und zweitens für Bruchteile von Sekunden keinen von beiden mehr ausmachen hatte können. Sie starrte mit ihren blutroten Augen zu Sara, die endlich wieder ein Lachen zustande bekam und dann in die Reihen der letzten Überlebenden. Kapitel 87: Geheimnisse der Vergangenheit XIII ---------------------------------------------- Kapitel 70: Geheimnisse der Vergangenheit XIII Und tatsächlich. Link sah nie besser aus. Ebenso wie Zelda hatte man ihm ein absolut neues Gewand verpasst. Da Link, ohne jeden Zweifel, am besten in einer Tunika aussah, trug er auch eine, aber eine wesentlich edlere als seine bisherige. Die Tunika an sich bestand aus karminroten, samtenen Stoff, war abgerundet mit goldenen kleinen Verzierungen an den kurzen Ärmeln und am Kragen. Ein fein verarbeiteter Gürtel mit schwachen Triforceverzierungen lag um Links Hüfte und hielt eine augenscheinlich einfache, aber teure Hose, die ein sehr edlen silbergrauen Stoff besaß. Ein langärmliges Hemd, das jedoch nicht so eng anlag wie Links weißes Hemd bedeckte seine Arme gänzlich. Zusätzlich trug Link zwei goldene Schulterplatten, an die ein langer, weißlich schimmernder Umhang befestigt war. Stattlich sah er darin aus, heldenhaft, wie es ihm eigentlich zustand. Zusätzlich hatte man ihm statt seiner blauen Ohrringe, die er von Impa bekam, zwei goldene verpasst und ihm die Haare geschnitten. Sein kurzer Zopf wurde ganz und gar entfernt und, da es nicht die feine Art eines Gentlemans war, kürzten die Zimmermädchen ebenso sein Pony. Kurz und knapp gesagt, war Link nicht wiederzuerkennen. Die wichtigste Frage schien wohl... würde Zelda ihn erkennen? Stolz, aber irgendwie bedrängt saß Link an einer langen Tafel, wo zahlreiche köstliche Speisen aufgereiht waren, direkt rechts vom König Hyrules, welcher die Spitze der Tafel darstellen sollte. Viele weitere Gäste, Ladys mit ihren Rittern lauschten einem kleinen Kammerorchester in jenem Saal. Link verzog nicht eine Miene, als er bewundernd und zugleich beneidet angestarrt wurde. Wann hatte jemand schon die Ehre, direkt neben dem König Hyrules zu speisen? Eines war sicher, Link würde das Tagesgespräch bei der hohen Kaste darstellen. Suchend überblickte er die lange Tafel, schaute durch die Reihen und erkannte nicht weit von ihm Caldrian, der sich ein ermüdendes Gespräch von den Mythensteinen Hyrules anhören musste. Als einziger lag sein Kopf freudlos auf der weißen Tischdecke. Link schmunzelte leicht. Vielleicht war er ja nicht der Einzigste, dem die Situation langweilig vorkam... Der junge Held, diesmal ohne irgendeine Kopfbedeckung, suchte weiterhin die Reihen ab... aber nirgendwo ein Anzeichen von Zelda. Er begnügte sich damit, dass ja der König auch noch nicht auf seinem Platz saß und schluckte seine Anspannung herunter. Und dass er nervös war, konnte man vermuten, denn immerhin gehörte er nicht wirklich in die Reihen der Adligen mit ihren weitreichenden Stammbäumen und Bergen voller hylianischer Rubine. Außerdem war er Zelda die letzten Tage aus dem Weg gegangen. Er hatte ganz einfach Bammel sie wiederzusehen und fürchtete sich sogar vor ihrer schlechten Laune diesbezüglich. Ruhig Blut, Link. Die Sache ist nur halb so wild, sagte er zu sich selbst. Dann ertönten die Fanfaren. Graziös schritt Harkenia der VII. mit einem langen Zepter und dem auffälligen majestätischen, königsroten Mantel in den Saal. In seiner rechten Hand ruhte die Hand Zeldas. Galant folgte sie ihrem Vater. Alle Augen ruhten auf ihr. Links Mund klappte vor Schreck auf, als er sie sah. Und blöderweise schaffte er es nicht mehr diesen zu schließen. Die Prinzessin Hyrules trug ihr königliches Gewand, jenes Kleid, das Link an ihr bisher nur einmal gesehen hatte. Das war damals... er erinnerte sich... damals in der Zitadelle der Zeit, in der alternativen Zukunft. Nur, dass ihr Gewand noch detailreicher erschien als damals, prachtvoller, außergewöhnlicher. Link schwärmte und befand sich wohl irgendwo weit weg, wo er nur noch Zeldas Bild vor sich hatte. Die silbernschimmernden Enden von Zeldas Kleid schleiften mit jedem leichten Schritt, den sie tat über dem glänzenden Boden. Links Augen wanderten höher. Das enge, für Zeldas zierlichen Körper geschaffene Kostüm wand sich wie eine zweite Haut über ihrer und betonte Zeldas Zartheit, Anmut und Gottesgleichheit. Feine goldene Stickereien. Unmengen von Schmuck. Lange aus samtenen rosenfarbigen Stoff bestehende Handschuhe, die dieselbe Farbe besaßen, wie das schürzenartige Gewand, das zusätzlich über ihrem lilienweißen Kleid lag. Juwelen glänzten an ihrem Hals. Ihre Tiara besaß mehr Edelsteine und glänzte in jenem Licht, das durch die hohen Fenster des Saals drang. Ihre Haare zusammengehalten durch viele goldene Spangen, die ihr liebreizendes Bild abrundeten. Langsam lief sie zu der Spitze der Tafel und nahm gegenüber von Link Platz, also zur linken Seite Harkenias. Link blickte sie an, nein, er starrte sie an. Doch Zelda ignorierte es. Sie blickte gedankenversunken auf ihren Teller. Ernst. Mutlosigkeit. Trübsinn stach aus ihrem Gesicht hervor. Ob sie Link überhaupt wahrgenommen hatte? Schließlich besah sie sich die Reihen der Gäste, versuchte zu lächeln, begrüßte einige mit einem Nicken und hob ihr Weinglas an. Harkenia stand auf, hob sein Glas und begann mit einer langen Rede (die ich hier lieber nicht ganz ausführen will... bringt den Leser sonst um den Verstand... und mich im Übrigen auch.) Alle Gäste hoben ihre Gläser und warteten auf das Wort des Königs. „Meine lieben Mitbürger Hyrules. Dieser Tag dient uns, dem Volk, den Göttinnen. Auf das Hyrule ewig bestehen werde. Lang lebe Hyrule.“ Alle Gäste hoben ihre Gläser. Ein gemeinsames lautes: „Lang lebe Hyrule.“ erklang. Die Gäste tranken gemeinsam den besten Wein, den es in Hyrule gab. Doch der König war mit seiner Rede noch nicht am Ende. „Lasst uns heute gemeinsam denjenigen feiern, der mehr als jemand sonst den Frieden in Hyrule zu erhalten versuchte. Hoch lebe der Held der Zeit.“ Link verschluckte sich, pustete einen Teil des Weines wieder ins zerbrechliche Glas und hätte beinahe zu allem Übel vor lauter Schreck und Peinlichkeit das Glas fallen gelassen. Hastig fing er das zerbrechliche Glas auf, verwendete nur dummerweise zu viel Kraft und zerbrach das edle Stück. Den Göttinnen sei Dank hatte jeder sein Blickfeld auf den König gerichtet und niemand bemerkte diesen peinlichen Ausrutscher außer Zelda. Doch selbst das brachte ihr kein Lächeln auf das nachdenkliche Gesicht. Und glücklicherweise wusste niemand abgesehen von Caldrian wohl, dass der Held der Zeit persönlich unter den Gästen war. Bis... „Link. Erhebe dich“, sagte der König. Schockiert und demütig blickte der junge Kämpfer in das gutmütige, vielsagende Gesicht des Königs, flehend, unterwürfig, er möge ihn auf seinem Platz sitzen lassen. Link sprang auf, verbeugte sich ungeschickt und setzte sich sofort wieder geräuschvoll. Ein Tuscheln ging durch die Reihen. Der arme Held der Zeit lief purpurrot an. Zelda sah ihn genauso an, wie Link sich im Moment fühlte... diesmal ignorierte er ihren Blick. Der König Hyrules klatschte aufgeregt in die Hände. „Musik. Musik“, sagte er und das Orchester begann mit klassischen Tönen auf Violinen, Flöten und einer Harfe. Während die Gäste sich unterhielten, ab und an der feinen Musik lauschten und auf das Essen warteten, legte Harkenia eine Hand auf jene seiner Tochter und sagte voller Stolz: „Du siehst bezaubernd aus, mein Kind- wie deine Mutter.“ „Danke Vater“, erwiderte sie, aber sah mit harschen Zweifeln in den befangenen Augen weg. „Möchtest du heute an dem Fest teilnehmen, Liebes. Der Tag ist noch lang und unser Festball beginnt erst neun Uhr. Wenn du es wünscht, kannst du mit Link...“ Harkenia fasste den ungeschickten, sich vor Schmach in seinem Stuhl verkriechenden Helden, der gegenüber von Zelda saß, genau ins Auge „... zu dem Fest gehen. Was hältst du davon?“ Die adrette Königstochter sah kühl auf und entgegnete scharf: „Ich bin die Prinzessin. Ich denke nicht, dass es einen guten Eindruck macht, wenn ich mit gewöhnlichem Fußvolk unterwegs bin.“ Eingeschnappt schaute sie zu den in ihre Melodien versunkenen Streichern. Der Knoten in dem Hals des Helden der Zeit wurde größer und größer. Last und Schuld durch die Worte Zeldas... Es tat ihm irgendwie weh, als nicht mehr als Fußvolk von Zelda bezeichnet zu werden. Er schüttelte innerlich mit dem Kopf und versuchte das erdrückende Gefühl in seinem Hals zu umgehen. „Zelda von Hyrule! Ich verbitte mir derartige Töne unter dem Antlitz unserer Gäste“, meinte der König erbost. Angrifflustig sprang sie auf Harkenias Wort an: „Dann pass’ doch auf, dass ich nicht den Ton verliere, Sturkopf. Aber erwarte nicht, dass ich meinen Mund halte. Niemand hindert mich daran, meine Meinung offenkundig darzulegen.“ Harkenia gab auf. Zeldas Temperament musste sie wohl von ihrer Mutter geerbt haben... Link allerdings wusste überhaupt nicht, was in Zelda gefahren war. Er kannte diese Seite nicht von ihr. Waren das die bitteren Folgen, weil er sich tagelang nicht hatte blicken lassen? Tatsächlich wirkte Zelda ihm gegenüber wie ein fremder Mensch mit einem vertrauten Engelsgesicht, das nur Rätsel hinterließ. Die Speisen wurden serviert, oder besser das Essen des Jahrtausends. Dinge, die Link noch nie gesehen hatte. Spezialitäten aus der guten hylianischen Küche. Gerichte der Reichen. Der blonde, hitzköpfige Hylianer packte angestrengt seinen Teller mit gegrilltem Hähnchen, Feinschmeckerwurst, Salaten, einigen frischen Brötchen, Kaviarköstlichkeiten und anderen Sachen voll- bis er vor dem nächsten Problem stand. Welche der vielen Gabeln, die um seinen Teller lagen, verwendete man denn dafür? Egal, dachte Link, die essen doch alle. Er nahm sich irgendeine, spürte aber sofort einen heftigen Tritt spitzer Absätze an seinem Schienbein. Er sah auf und wusste auch so, was Zelda damit bezweckte. Beim heiligen Triforce- die Frau schaffte ihn noch. Nur schwerlich hatte er den lauten Schmerzschrei unterdrücken können... Sie machte vor, Link eiferte nach. So konnte er wenigstens keine Fehler beim Essen und der Auswahl des Bestecks machen. Und erfreulicherweise hatte Zelda ihn endlich wieder in das Blickfeld ihrer Aufmerksamkeit gerückt. Nach den etwa sieben Gängen- Link hörte beim dritten schon auf zu zählen- brachte man einen Nachtisch, worauf das fröhliche Getratsche bei Tisch wieder von vorne begann. Die Zeit verging und verging. Link musste sich bei Tisch einige abfällige Bemerkungen anhören, die sich rund um seine Abenteuer in der alternativen Zukunft drehten. Vor allem Vasard, ein Prinz, dessen Familie schon viele Jahrzehnte mit der hylianischen Königsfamilie in Verbindung stand, bezichtigte Link als Scharlatan, als Schauspieler und sagte frei heraus, man möge ihm erst Beweise dafür liefern müssen, dass ausgerechnet ein achtzehnjähriger, vom Volk stammender, so wörtlich Neunmalkluger, das Land vor Ganondorf gerettet haben wollte. Und Beweise... ja, diese waren schwer zu finden. Nicht einmal Zeldas Wort genügte ihm. Zu Links Unbehagen stachelte Vasard mit seiner Aktion viele weitere Leute gegen ihn auf. Zugegeben, der galante Kämpfer trug das Triforcefragment des Mutes, doch dieses reichte Vasard nicht als Beweis. Es zeige nur, das Link der auserwählte Träger jenes Fragmentes sei, sage aber nichts darüber aus, ob er sich Ganon in der Zukunft gestellt hatte. Weitere Bezichtigungen, Beleidigungen prasselten auf Link nieder, der währenddessen nur die alptraumhaften Bilder jenes grausamen Kampfes gegen den Großmeister des Bösen vor sich hatte. Blut. Feuer. Und Hass. All die Dinge wollte er vergessen, und nun verleumdete man ihn noch, da er keine wirklichen Beweise für seine Heldentaten vorbringen konnte, denn kaum jemand erinnerte sich... Er schwieg. Konnte kaum in Worte fassen, wie wütend ihn das dumme Gebrabbel des Prinzen Vasard machte. Vasard wetterte mit Schimpfwörtern umher. Link schwieg. Vasard lachte ihn aus. Link schwieg weiterhin. Vasard bezeichnete das Wort Zeldas als falsch. Doch diesmal stand Link auf, stützte sein Gewicht auf den Händen ab und versprühte in dem Raum eine unangenehme, bedrohliche Eiseskälte. Außerhalb legte sich eine dunkle Wolke über die Sonne, die zu der Stimmung in dem Saal beitrug. Plötzlich zerbrachen einige Scheiben in dem Raum und Links Triforcefragment, das er immer noch nicht kontrollieren konnte, leuchtete einzigartig auf seinem Handrücken empor. Aber Link sagte nichts. Ohne weitere Worte ging er nach draußen und schlug mit seiner Faust an die kalte Schlossmauer. Wenige Minuten später unterhielt sich eine verärgerte und ohnehin miesgelaunte Zelda mit Vasard in einem abseits gelegenen Empfangszimmer. „Ihr hattet kein Recht, Euch dermaßen über den Helden Hyrules zu mokieren. Schämt Euch, Vasard.“ Prinzessin Zelda stand mit dem Rücken an einem hohen Fenster und schaute Vasard vielsagend an. Sie hatte ihr Arme verschränkt und ihr Gesicht verriet mehr als Wut, wenn nicht sogar Hass. „Seit vielen Jahrzehnten ist Eure Familie dem König treu und seit jeher respektierten die Prinzen, die aus Eurem Geschlecht hervorgegangen sind, die Urteile, welche meine Vorfahren fällten. Und nun stellt Ihr uns in Frage? Ihr stellt den Helden der Zeit in Frage?“ „Ja“, meinte Vasard kurz und eitel. „Ich glaube, Ihr seid diejenige, die das gute, ehrliche Wort eines aufrichtigen Mannes in Frage stellt und stattdessen lieber auf einen unreifen Bengel hört.“ Der in weißem Gewand gekleidete Prinz mit den giftigen, grünen Augen und aschblonden Haaren schritt mutig und herrschsüchtig auf Prinzessin Zelda zu. „Vasard! Was nehmt Ihr Euch raus. Mein Urteilsvermögen ist nicht getrübt. Ich war dabei, ich habe gesehen, was geschah in der Zeit, die vergessen wurde. Ich sah, was Ganon zerstört hatte und ich sah, welche Grausamkeit Link über sich ergehen lassen musste... für Hyrule, für die Menschen und... für mich.“ „So ist das also...“ Vasard grinste hämisch und trat direkt vor Prinzessin Zelda, welche zurückwich und mit ihrem Rücken am blassbraunen Fensterglas lehnte. „Es ist der Bursche, der Euch interessiert, nicht wahr?“ Er legte eine eiskalte Hand grob an Zeldas Hals. Aber sie ließ sich nicht beeindrucken und starrte entschlossen und furchtlos in das Antlitz von Vasard. „Ihr seid krank. Behaltet Eure schmutzigen Finger bei Euch.“ Zelda brüllte nun fast und stieß den Kerl mit einer magischen Attacke in die andere Ecke des Zimmers. Vasard kam schmerzhaft an der Wand auf und wischte sich über eine aufgeplatzte Lippe. „Immer noch so widerspenstig, Prinzessin?“, lachte er auf. „Nur zu denen, die es nicht anders verdient haben“, sagte sie und schaute Vasard überlegen an, einem Blick, der alles in Stücke hauen könnte, wenn Zelda nur wollte. „Und Link... er ist ein aufrichtiger Freund, ein Held, Ihr werdet ihm niemals das Wasser reichen, Vasard. Ihr seid verlogen, unrein, gebieterisch und kalt. Ihr widert mich an. Geht mir aus den Augen.“ Zelda schritt langsam, aber majestätisch zu der Tür, welche aus dem Raum führte. „Vasard, Ihr seid es nicht würdig ein Prinz zu sein.“ „Aber Euer Link ist es würdig, ja?“, fauchte Vasard und griff Zelda schmerzhaft an ihrem Ellenbogen, zog sie mit einer heftigen Bewegung zurück in den Raum, sodass sie auf den harten Boden aufschlug und sagte eisig, so wie sein Herz sein musste: „Ihr bleibt noch eine Weile. Es gibt noch einige Dinge zu klären, Prinzessin.“ Caldrian fand Link in dem Schlossgarten, jenem Ort, wo er einst Prinzessin Zelda traf. Trübsinnig saß er auf einer steinernen Treppenstufe, blickte zu einer alten Holzschaukel, auf der Zelda als Kind immer saß, schaute mutlos zu den weißen Rosensträuchern, ständig begleitet von einem Brennen in seinem linken Handrücken. Er hatte die Kontrolle verloren, hatte erfahren, was es hieß, wenn das Fragment in der Hand Amok lief, so wie bei Ganon in der anderen Zeit. Das war der Preis für die Erweckung der Macht in sich selbst. Man erinnerte sich. Ruckartig kamen die Bilder, der Schmerz, wie die Wunden an jenem Tage an der Oberfläche. Er fühlte sich als würden seine Narben von jenem Kampf wieder aufbrechen. Es war sein Schicksal. Er hatte nicht darum gebeten gegen Ganon zu kämpfen. Er hatte es akzeptiert, da er wusste, es war seine Bestimmung und er war entschlossen, es zu überstehen. Das war nicht einmal das Schlimmste gewesen, der Kampf an sich... das was ihn wirklich belastete, was sich wie ein metallener Splitter in das Herz hineinfraß, war die Erinnerung, die Nächte mit dem Bösen in Visionen, in Träumen, wenn niemand da war, der ein Herz wie es seines war, beruhigen oder lieben konnte... Da war einfach niemand... Link hatte niemanden, mit dem er reden konnte, dem er erzählen konnte, was ihn belastete... Wenn er in der Nacht schweißgebadet aufwachte, war er allein, obwohl ihn viele kannten, obwohl er doch das Recht besaß jemanden zu haben, dem er vertrauen konnte. Aber eines wusste der Held der Zeit nicht, auch wenn er sonst sogar Wunder bewirken konnte. Eine Sache war ihm völlig fremd. Link hatte nie erfahren, was es hieß, was es bedeutete, zu lieben. Er wusste nicht, was Liebe war. Sie war ihm so fremd, wie viele Dinge von der Welt, die er schon lange nicht mehr mit gleichen Augen sehen konnte. Aber redete Link sich vielleicht nur ein, nicht lieben zu können? Und das war der Dank... ein Leben verpfuscht im Sinne des Friedens, im Sinne Prinzessin Zeldas. Der Dank, auf schändliche Art und Weise fertig gemacht zuwerden... Caldrian legte eine Hand auf Links Schulter, der überrascht aus seiner Trance aufsah. Nachdenklich sah er drein. Er hatte wohl mit Zelda gerechnet. „Hey, was machst du denn hier draußen?“ „Ich habe nachgedacht.“ „Wie auch immer. Ich wollte dir nur sagen, der König hat eine solche Wut, dass es mich wundert, wie er diese noch im Zaum halten kann. Er hat gerade ein ausführliches Gespräch mit der Familie Vasards.“ „Echt?“ Links Stimme klang sehr resigniert und interesselos. Wen kümmerte es? „Link, jetzt hör’ doch mal. Lass’ dir doch von diesem Trottel nicht den Tag verderben. Der hat doch keine Ahnung, angeben kann er gut, ist aber auch das einzige, was er kann.“ Link sah auf, hüpfte auf seine Beine und meinte: „Das ist es nicht, was mich beschäftigt. Soll’ er doch soviel reden, wie er will. Das Schlimme ist, dass ich keine Kontrolle mehr über mein Fragment hatte... genau das wurde Ganondorf damals zum Verhängnis. Das Triforcefragment der Kraft hat alles ruiniert, sogar das menschliche Herz Ganondorfs, da er nur nach Macht strebte. Es wäre eine Ironie des Schicksals, wenn der Vernichter Ganons den gleichen Wünschen unterläge, nicht wahr?“ „Ach Unsinn, Link. Du kannst dich nicht mit Ganon vergleichen… Ich glaube, das kann niemand. Du hast kein böses Herz. Das sieht man dir sofort an, auch wenn man dich nicht kennt.“ Link gab ihm ein dankendes Grinsen. „Aber jetzt mal ehrlich...“ „Jep. Was willst du wissen?“ „Ich bin neugierig. Zelda war damals dabei, ich meine, bei dem großen Kampf?“ Link pflanzte sich auf die Schaukel. „Ja, das war sie.“ „Und?“ „Was und?“ „Was war danach? Ich meine, nach dem Kampf?“ „Was soll schon gewesen sein, sie hat mich in diese Zeit zurückgeschickt.“ „Und zwischendrin?“ Links Miene verzog sich. „Verdammt noch mal, Caldrian. Was genau willst du andeuten?“ „Nichts.“ Und das war alles, was er sagte. „Vasard!“, tobte Zelda, die sich mühsam aufrichtete und an die Lehne eines Sessels stützte. „Was ist bloß in Euch gefahren?“ Er stand direkt vor ihr, die Augen erfüllt von blanker Gier, Mordlust und das, was Zelda am meisten anwiderte: Verlangen. Er packte sie derb an beiden Armen und zwang sie ungestüm in seine Augen zu sehen. „Wie oft habt Ihr mich abgewiesen, mich, da ich es verdient habe, Hyrule zu regieren, Hyrule zu besitzen.“ „Mit eurem Wahnwitz werdet Ihr nicht einmal einen Bruchteil davon regieren können. Dummheit hat an der Spitze nichts verloren. Und besitzen wird Hyrule niemals jemand- dieses Land gehört dem Volk und nicht der Königsfamilie- wir leiten die Menschen lediglich. Jetzt geht!“, zischte Zelda und wollte sich aus seinem festen Griff lösen. Doch Vasard ließ nicht los, nicht ehe er bekam, was er wollte. „Prinzessin Zelda. Schön. Stolz und Stark. Warum weist Ihr mich ab?“, sagte Vasard langsam. „Weil Ihr unehrenhaftes Aas seid!“ Zelda riss sich empört los und lief zügig zu der Tür, als sie sich plötzlich nicht mehr zu rühren wusste. Sie versuchte sich zu bewegen, kämpfte mit allem, was sie hatte und doch war da ein Widerstand, wie eine Schicht aus erstarrten Wachs um ihren anmutigen Körper. Zelda war nicht länger empört, nun stiegen Gefühle der Angst in ihr hoch. Sie kannte dieses Gefühl… Geschockt sah sie, wie der kleine goldene Schlüssel, der an dem Schloss der Eichentür steckte, von magischer Hand gedreht wurde. Diesen Raum würde nicht länger jemand betreten können. Vasard lachte laut auf. „Haha… seid Ihr geschockt, Hoheit?“ Doch Zelda bewegte sich keinen Zentimeter. Nicht einmal ihren Mund konnte sie bewegen. Der hochnäsige Prinz lief langsam und schmierig, wie ein Wurm kriechend, um die stolze Hylianerin herum, betrachtete sie sich von jeder Seite, bis seine Zunge flatternd über seine Lippe wanderte. Zeldas Augen erstarrten vor Angst. Sie bemühte sich ihr Fragment zum Leuchten zu bringen- auch das ging nicht. Vasards Augen wurden dunkel, so dunkel wie seine Seele. „Überrascht, meine Herrlichkeit. Ich blockierte Eure Kräfte und nun…“ Er zog Zelda brutal an ihren Haaren zu ihm, griff gefühllos an ihr Genick und las in ihren Augen das, was er begehrte zu sehen, las Furcht und Verzweiflung. „… nun mache ich mit Euch, was ich will.“ Zelda kämpfte innerlich, Schweißtropfen rannen ihr über das edle Gesicht. Mühsam und kraftraubend war der Kampf gegen Vasards dunklen Mächte, anstrengend und gnadenlos. Aber aus irgendeinem Grund erschienen jene Kräfte der Finsternis ihr sehr vertraut. Zeldas Hände begannen zu zittern. Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Etwas zerbrach. Ein lauter Schrei schallte in dem Raum umher. Befreit von dem unsichtbaren Kraftfeld, hob die blonde Hylianerin als erstes ihre Augenlider, sie blinzelte und schnappte nach Luft, die furchtbar in ihren Lungen brannte. „Ihr habt Euch befreien können? Beeindruckend. Ihr scheint doch mehr Macht zu besitzen als es den Anschein hat.“ Zelda wich vor ihm zurück und stand inzwischen vor dem unbenutzten Kamin. „Was… was habt Ihr getan, Vasard?“, brachte sie unter zermürbenden Atemzügen hervor. „Wollt Ihr das wirklich wissen, Prinzessin Zelda?“ Er schritt auf sie zu, gierig, lüstern. Der Wahnsinn blitzte wie ein scharfes Messer in seinen Augen auf, in denen eine pechschwarze Farbe glühte. Er schleuderte Zelda mit einem gleißenden, wuchtigen Blitz erneut durch den Raum. Schreiend klatschte sie an die Fensterscheibe, fühlte Ekel, fühlte Gefahr und die Diener des Bösen. Ein Riss und die Scheibe begann zu zerspringen. Dann fühlte die blonde Hylianerin warmes Blut von ihrer Stirn auf ihre Wange laufen. Ein Schmerz in ihrem Kopf. Wie glühender Stahl drang die Furcht in sie, schockte. Zitternd hob Zelda ihren rechten Arm, wollte Magie einsetzen, wollte ihn aufhalten, aber es ging nicht. Sie versuchte sich auf ihre Kraft zu konzentrieren, aber diese war weg… Tot war das, was einst so hell leuchtete. Tot war ihre reine Magie. Gestorben, wie ein Stückchen Herzenswärme, das man ihr entriss. Entsetzt sah sie Vasard aus einem halb verschwommenen Blickfeld auf sie zu laufen. Ihre Magie war weg. Ihre Macht war verschwunden, vergangen… Sie blickte verwundert auf ihren Handrücken, nur um zu erkennen, das ihr Triforcefragment fast farblos schien. Es löste sich auf, verblasste, wie das Land in ihren Träumen. Sie blinzelte, erkannte Vasard mit geräuschvollen Schritten in ihre Richtung gehend und sah einen riesigen Schatten hinter ihm, dort, wo kein Schatten sein sollte, dort, wo ein Hylianer keinen Schatten haben konnte. Sie begriff. Einer Flut gleich strömte ein einzelner Gedanke auf sie ein, der jedoch so mächtig war, dass es brodelte, innerlich brodelte… „Ihr seid nicht Vasard“, wimmerte sie, geängstigt, zitternd. Jemand, den sie nie vergessen sollte, stand vor ihr, jemand, der einst Unmengen von Flüchen gegen sie aussprach, jemand, der nicht vergessen werden wollte. Zelda ließ sich flehend und machtlos auf den Boden sinken, streckte ihren Kopf in die Höhe, nur um ein Augenpaar zu sehen, welches einst in ihren Träumen den Himmel verunreinigte. Augen, so leer und kalt wie der Tod. Augen voller Hass, Machtsucht und Gier. Augen, in denen das Feuer der Hölle loderte. Ihr wurde schlagartig alles klar. Jetzt verstand Zelda, weshalb diese Gestalt so erbost auf den Helden der Zeit war, sie wusste, warum dieser falsche Vasard Link hasste… er hasste ihn, da er durch seine Hand getötet wurde… „Erinnert Ihr Euch an mich, törichtes Weib?“ Seine Stimme klang tief und selbstherrlich. Zeldas Augen weiteten sich. Wie sehr hatte sie sich gewünscht, jenes Antlitz nie wieder zusehen… gebetet, gefleht hatte sie. Er stand vor ihr, noch immer Vasard, der von etwas Mächtigerem kontrolliert wurde. Ruppig zerrte er Zelda an ihrer Kehle auf die Beine, drückte sie gegen eine Wand und fauchte: „Wirst du wohl stillhalten, dummes Weib!“ Doch die Prinzessin zappelte und versuchte sich loszureißen. Angst stieg in ihr hoch, lähmte sie. Erbost gab er Zelda einen Schlag ins Gesicht, sie landete erneut auf dem Boden, hielt sich eine Hand vor ihre anschwellende Wange und begann zu zittern. „Ihr seid das Letzte, Teufel“, sagte sie gefasst. „Lasst mich in Ruhe.“ Schwach... das einzige Wort krachte wie ein Stahlhammer in ihren Gedanken nieder. Du bist so erbärmlich schwach, sagte diese innere Stimme. Schwach... Wie ein gefährliches Tier stürzte er sich auf sie, zerrte sie an ihren langen, blonden Haaren und fauchte: „Hure. Hast du den Helden in dein Bett gelassen und weist mich deswegen ab?“ Laut kreischend krabbelte Zelda einige Meter über den Boden, sah einen metallenen, spitzen Brieföffner in Form einer Schlange verschwommen vor sich. Aber sie würde ihn nicht erreichen. Noch ehe sie zugreifen konnte, wurde sie willenlos niedergerungen. Vasard packte sie an ihren Armen, zerrte sie herum und wollte das ängstliche Gesicht sehen, das ihm Genugtuung brachte. Zelda spuckte ihm ins Gesicht. Er gab ihr erneut eine Ohrfeige, Blut tropfte von Zeldas Oberlippe. „Ich wollte Euch schon immer, Prinzessin.“ Er legte eine eiskalte Hand über ihren Mund, sodass Zelda nicht in der Lage war, zu schreien, um Hilfe zu rufen oder sich mit Worten zu wehren. Gewaltsam zerrte jene Kreatur, die Zelda nicht mehr als Hylianer erkennen wollte, an den Reißverschlüssen ihres Kleides. Zelda schlug wild um sich. Das Grauen kam über sie. Nein, flehte sie in ihren Gedanken, nein… „Sir, Held der Zeit. Sir!“, rief jemand, worauf Link sich schnell umdrehte und die Stimme einem jungen Soldaten zu ordnete. Er hatte eine versiegelte Papierrolle bei sich, die an Link adressiert war. „Ja? Wie kann ich helfen?“, sagte Link. „Dieser Brief ist für Euch, Sir“, sagte der junge Kerl, der eine zweite Rolle hervorzog. „Und diese ist für die Prinzessin. Könntet Ihr mir mitteilen, wo die königliche Hoheit zufinden ist?“ „Sie befindet sich im Schloss.“ „Vielen Dank, Sir.“ Damit verschwand der Soldat. Link entsiegelte die Rolle und las sich die geschwungene Schrift darauf, die er sehr gut kannte, genau durch. An Link, Eile ist geboten. Das Siegel des Bösen wies heute, als ich es kontrollierte, Risse auf. Ich habe alle Weisen verständigt, lediglich Impa und Prinzessin Zelda müssen noch informiert werden. Komm’ bitte so schnell es geht ebenfalls in die Zitadelle der Zeit. Es gab gegen Mittag einen seltsamen Vorfall, eine kleine dunkle Rauchwolke drang durch die Risse. Bei den Göttinnen… es verschwand. Aber ein seltsames Gefühl hinterließ es. Beeile dich, Link. Rauru, Weiser des Lichtes Link zerknüllte das Stück Papier und sah mit Sorgen in den Augen auf. War es jetzt soweit? Würde der Kampf gegen Ganon seinen Fortgang nehmen? Er blickte auf seinen Handrücken, begleitete von merkwürdigen Gefühlen. Etwas in ihm zerrte. Link schnappte nach Luft, obwohl er keinen Grund dazu hatte. Dann ein taumelndes Gefühl in seinem Gesicht, in seinem Magen. Plötzlich ein derber Schlag an seinem Kopf und der junge, couragierte Held taumelte einige Meter weiter. „Link? Was ist denn los?“ Keuchend rieb sich der junge, blonde Hylianer über die schweißnasse Stirn und murmelte gezwungen: „Ich habe das Gefühl... gefoltert zu werden...“ Er reckte seinen Kopf gegen das Sonnenlicht und versuchte zu begreifen. Sein Triforcefragment glühte auf, dann wurde es blasser und blasser. Was beim altehrwürdigen Dekubaum passierte hier? Fast automatisch lief er zu einen Hintereingang zu dem Schloss hinein. „Caldrian. Wir müssen unbedingt zu Prinzessin Zelda“, sagte Link, der irgendwie wusste, dass etwas Schreckliches im Gange war. Zelda wehrte sich fortwährend, kratzte mit ihren spitzen Fingernägeln in das Gesicht ihres Peinigers, konnte sich aber nicht aus seiner eisigen Fesselung reißen und flehte. Inzwischen waren ihr Tränen in die Augen gestiegen. Ihr Gesicht rot und verweint. Sie bettelte, er möge sie gehen lassen. Aber das Biest in Vasard schien noch Pläne mit ihr zu haben. Er riss an den Knoten von Zeldas Korsett, gab ihr eine Ohrfeige nach der anderen und lachte. „Hör’ auf, Bastard!“, wimmerte sie, und wusste doch, was dieses Schwein mit ihr vorhatte. „Lass’ mich, du Monster. Ich…“ Sie begann zu schreien, in dem Augenblick, wo jener von einer teuflischen Macht kontrollierte Prinz sich mit beiden Händen an Zeldas Rockteil zu schaffen machte. Sie konnte kaum atmen, konnte nicht verstehen, weshalb ihr das passierte. Sie stöhnte vor Angst laut auf. „Link“, winselte sie. ,Hilf’ mir... bitte... hilf’ mir...’ Andauernd kam der Name des Helden der Zeit wie ein flehendes Gebet über ihre Lippen. „Link...“, wimmerte sie. Dann, ihre letzte Kraft zusammennehmend, ein lauter Schrei: „Liiinnkkk!“ Und er hatte den Ruf gehört. Rasend rannte der junge Heroe eine lange Wendeltreppe hinauf. Angst fuhr ihm ins Mark. Noch nie hatte er Zelda so schreien hören. Er rannte, hetzte einen dunklen Korridor entlang und fand den Raum, aus der jener Hall kam, verschlossen vor. Er schlug mit beiden Fäusten an die Tür, rief ihren Namen. Erneut ein Schrei und Links Gefühle gingen mit ihm durch. Er warf sich gegen die Tür, hämmerte dagegen. „Zelda!“, brüllte er. Doch plötzlich war in dem Raum Totenstille. Link rief erneut nach ihr, flehte, sie soll’ die Tür öffnen, aber aus dem Raum kam kein Geräusch mehr. Link holte aus und trat gegen die Tür, die er zum Splittern brachte. Derweil kam Caldrian angerannt. „Was ist los?“, rief er aufgebracht. „Zelda. Etwas stimmt nicht mit ihr. Lass’ uns die Tür aufbrechen!“ Mit vereinten Kräften warfen sich die beiden Hylianer gegen die Tür. Es machte Klack und das Schloss sprang auf. Als erstes sah Link eine eingebrochene Fensterscheibe. Was jener jedoch im Anschluss sah, versetzte ihm einen gewaltigen Schlag ins Gesicht. Zelda saß zusammengekauert in der hintersten Ecke. Ihr Haar war zerzaust und die Spangen fehlten. Ihr königliches Gewand war zerrissen. Maschen liefen an dem edlen Stoff hinunter. Sie hatte ihre Arme schützend um ihren Kopf gelegt und zitterte. Link lief langsam zu ihr, entsetzt und erschüttert. Was war hier nur passiert? Als er näher trat, erkannte er rote und blaue Flecken an ihren Armen. Gerade da sah Zelda auf und ihr Blick sagte Link alles, sagte so vieles, das er nicht wahrhaben wollte. Tränen liefen immer noch ihre Wangen hinab. Ein roter Ringel zierte ihr rechtes Auge. Ein Platzwunde an ihrem Kopf. Und eine aufgesprungene Lippe. Link kniete vorsichtig nieder und blickte ihr direkt in die Augen. „Zelda…“, murmelte er leise und kämpfte nun auch mit den Tränen. Sie wirkte so zerbrechlich, so schwach… noch nie hatte sie jene Eigenschaften in seinen Augen erweckt…ein Stich in seinem Herzen, als große Tropfen aus ihren Augen hervorquollen, ein leises Ziepen, als Zelda beschämt über sich selbst eine Hand über ihre Augen legte und vor sich hin weinte. Link sagte leise: „Caldrian. Hol’ den König.“ Dann wiederholte er lauter: „Sofort!“ Und Caldrian rannte davon. Er wendete sich wieder seiner Prinzessin zu, an deren Wangen pausenlos Tränen hinabtropften. Sie versuchte zu lächeln. Ein erzwungenes Lächeln, doch ihre Augen verrieten sie. „Zelda...“, flüsterte er und wollte sie berühren, aber sie zuckte zurück und legte eine zitternde Hand auf ihre aufgeplatzten Lippen. Entgegen ihres Willen, rückte Link näher und zog sie sorgsam an seine Brust. „Link…“, brachte sie hervor und weinte. „Es ist okay. Ich bringe dich in deine Gemächer“, sagte er, streichelte über ihren Kopf und drückte sie sanft. „Du bist jetzt in Sicherheit. Es ist okay...“, zitterte er, sein Gesicht so bleich wie eine Hauswand. Denn nichts war okay. Link konnte anhand Zeldas Zustand erkennen, was hier gerade passiert war, oder dabei war zu passieren. Wut und Angst packten ihn. Wut auf denjenigen, der Hand an Prinzessin Zelda legte und Angst um sie, es könnte mehr passiert sein, als sie nach außen zeigte. Er nahm sie auf seine Arme und trug sie einige Meter aus dem Raum, als der König herbeigeeilt kam. „Farore im Himmel. Was ist denn hier geschehen“, wetterte der König umher. Sein Blickfeld auf Zelda gerichtet, die sich hilflos an Link herangeklammert hatte. Link schüttelte mit dem Kopf, was soviel hieß, wie, dass jetzt nicht die Zeit war darüber zu reden. Harkenias Augen standen starr vor Entsetzen als er sah, wie Zelda zugerichtet war. „Wir brauchen einen Heiler. Sofort.“, war alles, was er sagte und ging hinter Link her, der Zelda schleunigst in ihre Gemächer bringen wollte, Caldrian, der nur stumm daneben stand, lief erneut ins erste Stockwerk, um einen Arzt aufzutreiben, aber stieß ungewollt mit einem Mädchen zusammen, das unschuldig lächelnd neben Impa herlief… Kapitel 88: In der Falle ------------------------ In der Falle Mit Entschlossenheit in den blauen Augen traten Link und Zelda Hand in Hand aus dichtem Nebel hervor. Erneut lag ein unendlich scheinendes Meer aus Schnee vor ihren Augen. Viele weiße Hügel und ein wenig abseits ein zugefrorener See. Link wand seine Augen gen Osten und erkannte den strahlenden, stolzen Turm des siebten Weisen einige Meilen weiter. Genau studierte er seinen Kompass und deutete mit Entschlusskraft in Richtung Südwesten. „Das ist unser Weg“, meinte der junge Held und zeigte zu einen langen, staubigen Landweg, der sich ein wenig von dem weißen Wintergewand abhob. Zelda nickte, blickte noch einmal zurück und dankte den Göttern erneut in ihren Gedankensphären für die wenigen, aber erholsamen Stunden in jenem Hause. Link und sie waren einander ein wenig nähergekommen und eine kleine Erinnerung an einen Abend vor dem gigantischen Kamin stieg in ihr auf. Ein wenig Romantik, Liebe und Leidenschaft erhellten ihren Geist. Und auch sie hatte sich getraut, ihrem Seelenverwandten ein wenig Liebe zugeben, so wie in keinem Moment vorher. Geredet hatte das junge Paar ebenso. Über die Zukunft... über das Schicksal... und vor allem über sich. Denn das war es, was immer noch offen geblieben war. Einfaches Reden über bisher ungesagte Worte. Reden... Ja, sie hatten sich ausgesprochen, auch wenn Zelda die dringendsten Worte immer noch nicht über ihre roten Lippen brachte. Die wichtigsten Worte, die endgültig sagten, was sie für Link empfand. „Zelda?“ Links angenehme Stimme beförderte sie zurück in diesen Teil der Wirklichkeit. „Alles in Ordnung?“, setzte er hinzu. „Du warst nur so nachdenklich...“ „Schon gut, ich habe nur über unsere gemeinsamen Stunden nachgedacht.“, meinte sie und krallte sich fest in seine linke Hand. „Gibt es denn irgendetwas, das du bereust?“, murmelte Link und lief zügig vorwärts. Daraufhin zwickte Zelda ihren Helden ungestüm in seine rechte Seite. Dieser quiekte laut auf und sah dann das aberwitzige Grinsen in ihrem Gesicht. „Meinst du, ich könnte nur einen Augenblick der letzten Wochen bereuen? Manchmal denke ich, mein Held macht sich zu viele Sorgen, etwas falsches zu tun.“ Ihre Worte klangen vorwurfsvoll, auch wenn hinterlegt mit irrsinniger Narretei. Link kramte gedankenversunken nach dem Päckchen für den kleinen Kerl und lugte hinein. „Das sind doch die Sachen für den jungen Link, oder?“ „Jep“, bestätigte Link. „Und du bist einfach so dreist und guckst dir diese Dinge an. Glaubst du nicht, dass es etwas persönliches sein könnte?“ Link blickte belustigt auf und runzelte die Stirn. „Dieser kleine Kerl besteht aus unseren Persönlichkeiten, meinst du nicht, wir haben das Recht dazu, mal hineinzuschauen?“ Zelda zuckte mit den Schultern und steckte ihre neugierige Hylianernase ebenso in den Beutel. Link kramte die zwei Gegenstände hervor, erstaunt über einen kleinen grünen Stofffetzen. Zelda grinste und lachte erheitert auf. Herzlich nahm sie ein Kleidungsstück an sich, welches so typisch für Link war, egal ob nun für den Helden der Zeit, Helden des Windes oder zukünftigen Kämpfer für Hyrule. Sie strich vorsichtig darüber und sagte erfreut: „Schau’ mal. Eine grüne Mütze für den kleinen Link. Ist das nicht toll?“ Ihr strahlender Held grinste ebenso, ein wenig enttäuscht, dass er von seiner Schutzgöttin keine grüne Mütze bekommen hatte. „Na der wird sich aber freuen, was?“ Zelda lächelte und steckte die typische Kopfbedeckung wieder in das Beutelchen, während Link ein Stück Pergamentpapier ansah. Zelda trat näher und lugte interessiert auf die Schrift. Entgeistert riss sie Link das Schreiben aus der Hand. „Bei Nayru, das ist ja eine Geburtsurkunde!“ „Wie die Göttinnen schon sagten. Seine Existenz ist besiegelt.“ „Verstehe. Er wird also eines Tages geboren werden, wohl dann, wenn der Kampf gegen Ganondorf vorüber ist.“ „Richtig.“ Link lief einige Meter nach Westen und starrte scharfsinnig in den hellen, dämmernden Himmel. Die Sonne würde in wenigen Minuten aufgehen. Derweil besah sich Zelda die Geburtsurkunde und ein Name war darauf vermerkt, auch wenn nicht die Namen der Eltern auf dem Blatt standen. Der zukünftige Name des kleinen Kerls machte sie nicht nur stutzig, sondern nahm ihr für einige Sekunden die Luft. Harkenia VIII. von Hyrule… Das war nun nicht mehr so witzig, dachte sie. Würde der kleine Spund nun doch noch in die Königsfamilie Hyrules hineingeboren werden? Harkenia der Achte? Link riss sie in dem Augenblick aus ihren Gedanken und sagte ernst: „Zeldaschatz, wir sollten uns beeilen. Wie du ja weißt, wandeln die Schatten der Götter noch um die Stätte des siebten Weisen. Ich möchte nicht riskieren, dass sie uns hier sehen.“ Zelda nickte, packte die Geburtsurkunde wieder in die Tasche und hüpfte schwungvoll zu Link herüber. „Lass’ uns die Mission zuende bringen“, sagte sie. Sodann brachen sie auf und folgten einem langen Weg aus tauendem Schnee und schmelzendem Eis. Der sechzehnte Tag war angebrochen und sehr bald standen die Auserwählten wieder im Auge ihres Feindes, dem größten Alptraum auf Erden. Doch bis dahin war noch Zeit, bis dahin gab es noch Aufgaben zu erledigen und auch die ein oder andere Begegnung mit merkwürdigen, liebenswerten oder weniger netten Gestalten würde stattfinden… Gegen Mittag machten Zelda und Link Rast in der Nähe einiger Tannenbäume, setzten sich auf einige Decken unter den dichten Zweigen und genossen ein Mittagessen. „Was, denkst du, eigentlich ist aus Preston geworden? Mich hat es schon gewundert, dass wir ihn in der Stätte des Siebten Weisen nicht getroffen haben“, meinte Link, als er vergnügt seine Suppenschüssel leer schlürfte. „Nun…“, begann Zelda und brach eine Scheibe Weißbrot auseinander. „So wie ich Ganondorf in Erinnerung habe, behandelt er auch seine eigenen Leute, nicht nur seine Feinde, wie niederen Abschaum. Es würde mich daher nicht wundern, wenn Preston schon lange in der Hölle schmort“, endete sie kühl. Es schien, als ob es sie herzlich wenig interessiert, ob dieser Satansbraten von Ganondorf gedemütigt oder gequält wurde. „Du bist nicht gerade gut auf diesen Dreckskerl zu sprechen, was?“ Aufgeregt stellte sie die Schüssel neben sich und meinte erbost: „Preston ist unfähig Gefühle zu empfinden. Ich glaube, ich erzähle dir lieber nicht, wie er sich in der Schule fast jeden Tag an mich herangemacht hat.“ Daraufhin erhielt sie einen sehr tiefgründigen, beinahe wütenden Blick, der aus Links Augen Hass schickte. „Dieser Kerl hat versucht dich zu überrumpeln?“ „Nicht nur einmal…“ Man konnte Link seine teuflische Eifersucht nicht nur ansehen, nein, man spürte eine leichte Brise davon selbst in seiner unmittelbaren Gegenwart. „Entschuldige, ich hätte dir das nicht erzählen sollen“, sagte sie und gab ihm einen leichten Kuss auf die Nasenspitze. „Schon gut…“, murmelte er. „Preston hat sein Schicksal selbst gewählt. Wenn er dem Bösen zugehörig sein will, dann ist das seine eigene Entscheidung gewesen. Er hat sich in Ganons Klauen sein eigenes Grab geschaufelt.“ Zelda nickte, obwohl sie dennoch eine Spur Mitleid mit Preston hatte. Sie wusste, wie gefährlich und unberechenbar der Fürst des Schreckens sein konnte. Eigentlich hatte es niemand verdient durch seine Hand zu leiden oder zu sterben… Sie reisten weiter, und weiter, stapften durch hohen Schnee und blickten erleichtert zurück zu den schweren, mit Schnee bedeckten Hängen der Berge und Hügel hinter ihnen. Kein langer Fußmarsch würde mehr notwendig sein und sie könnten Zoras Reich Lebewohl sagen. Sie gelangten vorbei an einem kleinen Wasserfall, wo viele Tropfen sich in Eis fingen und ihren Weg südwärts bahnten. Sie wollten gerade eine kleine Verschnaufpause einlegen, als Link irgendwo, von weit her, wieder die Trommeln der Dämonenarmee vernahm. „Link?“ Sie konnte den misstrauischen Blick und das Bedenken in Links tiefblauen Augen ablesen. Er führte seinen Zeigefinger an die spröden Lippen und horchte dem Echo des Trommelgewirrs zu. Erneut schallte es umher und auch Zelda hörte nun den Klang. Ihre entschlossenen Blicke trafen sich und schnell hasteten sie Hand in Hand weiter. „Diese verdammte Brut. Wenn sie weiterhin mit ihren Trommeln Krach machen, dann zeigt der Schnee letztlich doch noch seine Gewalt. Wir müssen uns beeilen, Link.“ Er wusste, dass sie die bedrohlichen, hohen mit Schnee bedeckten Berge ringsherum meinte. Eine leichte Erschütterung, ein winziger Funke, ein kleines Schneekörnchen, würde ausreichen und der Schnee könnte ultimativ hinabsinken. Ein kleiner Stein könnte eine gewaltige Lawine in Gang setzen. Das hetzende, beunruhigende Trommelgewirr setzte weiterhin die Luft in Schwingungen, wurde lauter. Zelda gab ihrem Heroen einen skeptischen Blick und sah aufgeregt zurück, ahnte um die näherrückende Gefahr. „Da haben wir mal einige Wochen Ruhe und sofort stürzt die nächste Gefahr auf uns zu“, quengelte Zelda und atmete laut aus. Link drückte ihre Hand ein wenig kräftiger und stach mit seinen tiefblauen Augen zu den grauen, im Licht der Sonne mit Flecken bemalten Hänge. „Nicht jammern, mein kleiner Jammerlappen“, sagte er aufheiternd, lächelte sie kurz an und legte einen Arm um ihre Schulter. „Dein Optimismus in Gottes Ohr...“, murmelte sie genervt mit ihrem nur schmal geöffneten Mund. Ein wohlbekanntes Grinsen ging Link über das Gesicht und er schleifte Zelda weiter den bröckligen Weg entlang. Es war nur etwa eine Stunde später und die beiden Auserwählten bahnten sich vorsichtig einen schmalen Durchlass zwischen zwei Felsspalten hindurch. Der Weg wurde von den Mauern rechts und links eingerahmt, sodass es unmöglich war, neben einander zugehen. Sachte krochen sie an rauen, rissigen Felswänden entlang, stets verfolgt von der eigenen Anspannung und bedrängt von den nahen kalten steinigen Erhebungen ringsherum. Ein ängstlicher Blick ging aus himmelblauen Augen nach oben, sah Schneegewalten und Eiszapfen an den Felsspalten hinabragen. „Bleib’ nicht stehen, Zelda!“, meinte Link anordnend, während er sein Tempo beschleunigte. Sie nickte und konzentrierte sich wieder auf ihren Weg, während es hoch oben ab und an winzige Schneekörnchen hinabregnete. Und obwohl auch hier in Zoras Reich der Frühling überfällig war, so schüttete die Wolkendecke einmal mehr dichte weiße Flocken herunter. Link blickte argwöhnisch hinauf an das graue Himmelszelt, fing mit den bloßen Handflächen einige Schneeflocken auf, die durch seine Wärme in Kürze ihren Zauber verloren und sich in einfache Wassertropfen wandelten. Dann wanderte sein Blick zu dem sandblonden Haar seiner geliebten Prinzessin, die sich sorgsam an den Wänden entlang zog. Wenige Schneekörner sammelten sich in ihren seidenen Haaren, worauf Link schnell den Abstand zwischen ihnen verringerte. Er konnte nicht anders, als ihr die graue Kapuze ihres mitgenommenen Mantels über den hübschen Kopf zu ziehen. Ein Lächeln begegnete ihm, schenkte genug Kraft und Mut auch die Hürde dieser teuflischen Felsspalten zu überstehen. Sorgsam drängten sich die beiden Hylianer durch die enge Passage, wagten keine Blicke mehr an den bedrohlichen Horizont. Doch im Hintergrund, versunken hinter den Bergen, verschmolzen mit Schnee und Eis, erklangen die tosenden Trommeln der Dämonenarmee des Schreckensfürsten… Noch immer war der Ausgang aus dem bedrängenden Labyrinth der Berge nicht gefunden. Die tiefe Schlucht, in welcher beide Hylianer ihrem eisigen Weg folgten, verstärkte den aufhetzenden Rhythmus der vielen Trommeln, des Stapfen untoter Füße auf dem weißen Kleid des Winters und erzeugte ein bedrohliches Echo, das in Risse und Löcher des Mittelgebirges eingebrannt wurde. Vor Zeldas Augen drehte sich inzwischen alles. Das todbringende Echo in den Ohren raubte ihr den Verstand. Und die nahen Felswände schienen sich weiter und weiter anzunähern, schienen zu wachsen und zu wuchern. Trübe schaute sie nach vorne und sah doch nur einen schmalen Weg, der nichts als Dunkelheit verriet. Kein Lichtpunkt befand sich vor ihnen. Sie stützte sich kurz an eine brüchige Felswand und klammerte sich mit ihren Fingerspitzen in das schmutzige Gestein. „Spürst du das auch?“, meinte Link hinter ihr und legte besorgt seine Hände auf ihre angespannten Schultern. „Es ist das Dröhnen der Trommeln, nicht wahr?“ Zelda wand ihren stechenden Schädel zu ihm. „Sie klopfen mit schwarzer Magie auf die pelzigen Trommeln…“, sagte Zelda. Link kniff kurz ein Auge zu, fühlte einen Schlag an seinen Hinterkopf, obwohl niemand hinter ihm dies veranlasste. „Wir dürfen keine Zeit verlieren.“ Sie trampelten weiter, befühlten sich beraubt um die Kraft, die sie in der letzten zeitlosen Woche getankt hatten. „Ich gehe nie wieder nach Zoras Reich, egal was auch der Grund ist“, murrte Link dümmlich, bemerkte aber nicht das kleine Grinsen um Zeldas Mundwinkel. Wenige Meter weiter, auf einer riesigen schneebedeckten Fläche meckerten und zürnten an die Hundert Moblins aus verschiedenen Dämonengeschlechten. Einige waren nackthäutig und klein, andere pelzig und krummgebeugt. Viele der Monsterhorde hatten gewichtige Trommeln, bespannt mit Menschenhaut, um ihre missgeformten, schiefen Schultern geschnallt und schlugen jauchzend mit ihren beißenden Keulen auf die Trommeln ein. Immer wieder der gleiche, erschreckende Rhythmus begleitet von schwarzem Rauch wühlte weiße Schneeflocken auf. Vor der Meute stand der Mischling Troplox und gaffte triumphierend auf die teuflischen, giftigen Rauchwolken, die jene Trommeln des Bösen umhüllten. Er begann zu dirigieren, begleitete seine Leute in ihren lauten Trommeln und glotzte lachend, fast wahnsinnig lärmend, zu den schneeweißen Hängen, die auch das gesamte Dämonenheer umgaben. „Schlagt weiter... bis der Berg einstürzet... auf dass der Berg den Schnee schicket...“, lachte Troplox und jubelte angesichts seines dümmlichen Wahnsinns. Hoch oben, auf den schneebedeckten Gipfeln aber rollten zahllose Schneekörnchen ab und an die steilen Hänge des Mittelgebirges hinab. Einige Moblins stoppten das selbstherrliche, kranke Musizieren auf ihren Instrumenten und blickten mit untoten Augen hinauf zu den gefährlichen, mit grauen Nebelschwaden umgebenden Hängen. „Herr Troplox. Herr Troplox“, johlte ein winziger Moblin mit schiefer Statur, der seinen Platz in der zehnten Reihe hatte. Troplox blinzelte mit seinen zwei verschiedenen Augen, eines ein Schlitz, das andere groß und rund, und gaffte zu dem kleinen Dämon. „Was ist, Witz?“, zischte der Mutant und summte daraufhin seinen unmelodischen Reigen. „Wenn der Schnee herunterrollt, trifft er auch uns. Sollten wir nicht wegziehen?“ Troplox setzte ein zerstreutes Gesicht auf, so als ob er den Versuch unternahm, wahrhaft nachzudenken. Aber es sollte bei dem Versuch bleiben. Ein dümmliches: „Wieso...?“, entsprang seiner staubigen Kehle. „Na, weil uns der Schnee trifft, wenn wir hier bleiben“, antwortete ein weiterer nackthäutiger Kerl, an dessen schmieriger Haut unablässig Schweiß hinabtropfte. Troplox schüttelte abtuend mit einer Hand und gaffte mit wahnsinniger Dummheit hinauf. Tatsächlich zeigte sich hoch oben bereits die erste kleine Lawine. „Zu spät... hehe... wohl schon spät zu“, sagte er lallend. Alle Moblinhäupter schnellten zu dem gigantischen Berg, der hinter ihnen lag. Und dort weit oben, rasten in etwa drei Schneelawinen hinab, die sich auf ihrem selbstgewählten Pfad vom weißen Kleid des Winters nährten. „Oh Oh...“, sagte Troplox und lief stolz und eigenwillig hinter den fliehenden Moblins hinterher. Er schien nicht einmal genügend Gehirnschmalz für ein wenig Angst zu besitzen und trottete lachend, die Gefahr nicht begreifend, über den Schnee, während viele gebuckelte und auch muskulöse Moblins mit angstverzerrten Lauten vor den Lawinen wegstürmten. Und das wilde Geschrei nach Rettung drang auch an die Ohren der beiden Hylianer, die noch unwissend, langsam und sicher, ihren Weg zwischen zwei Felswänden fortsetzten. „Hörst du das auch?“, meinte Link. Zeldas blaue Augen wanderten umher: „Was mag das sein?“ Sie hatte kaum das letzte Wort ausgesprochen, als sie beide ein tobendes Donnergeräusch vernahmen. Ein Vibrieren setzte ein und schließlich ein Summen. Links entschlossener Blick ging hinauf an die Felswände, wo unzählige, kleine Steinchen bröckelten und an den eckigen Wänden hinabregneten. „Weiter!“, fauchte Link und schob Zelda weiter. Die beiden Hylianer begannen zu rennen, mit der Hoffnung, das Ende der dünnen Felsspalte rechtzeitig zu erreichen. „Diese Idioten. Durch ihre Trommeln haben sie sicherlich einige Steine ins Rollen gebracht. Diese Hornochsen!“, rief Link Zelda entgegen, die vor ihm lief. Sie blickte kurz zu ihm und rannte schweigend weiter. Das gefährliche Donnergeräusch wurde lauter. Krachend stürzten sich drei Lawinen hinab und begruben alles unter sich, sowohl das Gute als auch das Böse. Die hohen Felswände und der schneebedeckte, rutschige Boden bebten. Und noch immer kein Ende des Weges in Sicht. Angsterfüllt blickte Zelda hinauf und allmählich regnete es kleine Schneewölkchen in die hohe Schlucht, wo die beiden Hylianer hastend ihrem Weg folgten. Das Donnergeräusch und das Schlagen wurden lauter. Und auch das Beben des Bodens entsetzlicher. Nur ein Blick nach oben genügte und die beiden Hylianer erkannten, wie sich eine weiße Schicht über den Himmel zog, der nur spärlich zu erkennen war. Und plötzlicher stürzte mit krachendem Krawall eine riesige Ladung dichter Schnee hinab, hinein in die kleine Schlucht, wo die letzten beiden Hylianer jener alten Welt ihrem Weg folgten. Das letzte, was Link tat, war sich nach vorne fallen zu lassen und Zelda mit seinem Körper zu beschützen, während das unbändige Echo des grellen Entsetzensschreis der Prinzessin durch die Luft schnitt. Hier mal eine kleiner Hinweis: falls jemand daran zweifelt... ich werde auf jeden Fall weiterschreiben. Die lange Updatezeiten liegen nur an unerträglichem Zeitmangel. XD Kapitel 89: Wenn sich Unsterbliches einmischt... ------------------------------------------------ Kapitel 72: Wenn sich Unsterbliches einmischt... Die Sonne stand hoch im Zenit und blendete. Hier in Zoras Reich. Hier, wo einst stolze Amphibienwesen in den Gewässern schwammen und elegant ihr Leben lebten. Nichts regte sich mehr, dort, wo Fischmenschen sangen, wo alte magische Geschöpfe wandelten und in gegenseitiger Gesellschaft Freude empfanden. Ein einzelnes Schneekorn tanzte hinab und verlor sich in der engen Passage, wo unter dicken Schneemassen zwei junge, edelmütige Hylianer begraben waren. Tief im Herzen der Schneemassen aber atmeten zwei Wesen im gleichen Takt, den ihre Herzen vorgaben. Sie lebten, das richtige, das Entscheidende, was sie tun konnten. Denn wenn ihr Schicksal mit dem Tod besiegelt wäre, hätte die Welt ihr Ende gefunden und das Leben sein fristloses Grab. Verborgen im Schnee atmeten sie beide... Es war dunkel. Nur kalte Nacht vor den Sinnen, als Link seine tiefblauen Augen öffnete. Er blinzelte, schluckte sogleich angesichts der beißenden Kälte um ihn herum und schüttelte sich. Hastig suchte er nach einem Feuerzeug, wühlte aufgebracht in der magischen Tasche herum und fand es glücklicherweise. Sogleich leuchtete der junge Held umher. Da er noch schützend über Zeldas Körper lag, brachte er sein schweres Gewicht erst einmal von Zeldas bewusstlosen Körper und richtete sich auf, so weit wie es ging. Endlich gewöhnten sich seine Augen an die sauerstoffarme Dunkelheit hier unten, hier in der engen Felsspalte, wo tonnenweise Schnee lag. Er befand sich in einem kleinen Hohlraum direkt unter den Schneemassen. Ein Hohlraum, der so nicht sein konnte. Wachsam blickte Link nach oben und fürchtete sich fast ein wenig davor, die gigantischen Schneemassen würden sich auf sie beide stürzen. In dem Augenblick flackerte das Feuerzeug und verlor seinen hellen Schein... Zaghaft und ein wenig besorgt, nahm Link den Körper seiner Prinzessin in die Arme, betastete vorsichtig hier in der Finsternis ihr Gesicht und murmelte leise: „Zelda? Hey...“ Als sie nicht sofort antwortete oder überhaupt reagierte, küsste Link sie behutsam und suchend auf ihre Lippen. Zu mindest war es seine Absicht in der Dunkelheit... Stattdessen erwischte er unbeholfen ein Augenlid. Brummend ließ sich Zelda aus ihrem Schlaf reißen und erschrak, als sie nur die Dunkelheit vor ihren Augen fand. Sie löste sich aus Links liebevollem Griff und atmete nervös ein und aus. „Zelda... ich bin es... beruhige dich.“ Sie tastete langsam voran. „Link? Aber wo sind wir denn?“ „Immer noch in der Felsspalte.“ Als sie Links Hände fand, krallte sie sich in diesen fest und meinte: „Was ist mit uns passiert?“ Aber noch ehe die Prinzessin eine Antwort erwartete, platzten kleine feine Lichtfäden aus ihren Fingerspitzen und erhellten den gesamten Hohlraum hier in der Kälte, mit der knappen Luft und dem merkwürdigen Glück, welches beiden zuteil wurde. „Weiß nicht...“, sagte der junge Held und kam mit einem erdrückenden Gefühl in seinen Gliedern zum Stehen. Gerade so groß war der Hohlraum, dass er stehen konnte. Sein Blick fiel zu dem Weg nach vorne, der noch zu dem Hohlraum gehörte. Mit einem ermutigenden Lächeln half Link seiner Prinzessin auf die Beine. „Kannst du dein Licht ein wenig erhellen?“, meinte Link und suchte etwas in dem eisigen Schneegebilde, wo sie gefangen waren, suchte nach einer Ursache für das Glück in diesem großen, langen Hohlraum überlebt zu haben. Doch die Frage war... wie lange noch. Wie weit würde der Weg reichen? Wie lange konnten sie beide mit diesem bisschen Sauerstoff überleben? „Augenblick... ich konzentriere mich“, flüsterte sie und das Licht hier unten wurde greller und sehender. Einige Lichtfunken schwebten zu der eisigen Schneedecke hier unten. Dichter Schnee, an vielen Stellen geschmolzen und gleichzeitig zu Eis erstarrt hielt vermutlich das Gewicht des vielen Schnees. Aber wie konnte das sein? Was hatte eine solche Wand vor dem Schnee gemauert. Eine stabile, robuste Mauer, die einen Weg hinaus aus dem kleinen Labyrinth erschaffen hatte. Links entschlossener Blick, ach, wie Zelda gerade diesen Blick liebte, ging hinauf an die Eiswand und entdeckte eine weitere faszinierende Eigenheit des gigantischen Gebäudes. Dünne rote Fäden zogen sich über dem Eis entlang. Ähnlich feiner, starker Wollfäden, die ein Kleidungsstück zauberten und zusammenhielten. Link tastete vorsichtig danach und verbrannte sich beinahe an dem Material. Flüssig, und doch erstarrte es hier in dem Eis nicht. Magische Lava? Eine Art Schleim, der das Eis und den Schnee halten konnte? „Was mag das sein?“ „Keine Ahnung. Aber...“ und Link wand sich zielsicher zu seiner angebeteten Prinzessin. „... so lange sich diese Fäden spannen, sollten wir hier versuchen herauszukommen“, endete er, nahm Zeldas rechte Hand fest in seine und folgte mit ihr dem Weg, den der Hohlraum anbot. Während sie hastend und mit weichen Knien den Weg fortsetzten, gab es überraschend immer wieder ein Dröhnen in dem Schneegebilde. Eine kleine Erschütterung hier, ein kurzes Beben da... Besonders an Stellen, die nicht oder nicht mehr von dem roten Fadenspiel belagert, beschützt und gehalten wurden. Link hastete außer Puste vorneweg, spürte schlagartig eine monströse Unruhe in sich aufkommen. Es war vielleicht nur ein Irrtum des Schicksals, der sie leben ließ. Vielleicht nur ein günstiges Zusammenkommen der verschiedensten Umstände. Oder aber ein Freund, jemand, mit dem niemand mehr rechnen würde, gab sich hier durch das Stricken und Spannen feiner Feuernähte zum Vorschein, Feuer, wo auch Eis herrschte. Doch ewig sollte dieser Schutzmauer gegen den gefahrvollen, erdrückenden Schnee nicht standhalten. Er blickte kurz nach hinten, sah in Zeldas banges Gesicht und fühlte allein an diesem Blick, wie schmerzhaft diese große Anstrengung für sie war. Sie atmete unregelmäßig ein und aus, fühlte einen gemeinen Druck auf ihrer Lunge und hatte Angst. Nur kurz blieben sie stehen und Zelda stützte betäubt und die Kraft verlierend ihre Hände auf die zitternden Knie. „Kannst du weiterrennen“, meinte Link leise. „Wir haben es gleich geschafft...“ Sie nickte und ließ sich von Link hinterher zerren. Das Sonnenlicht am Ende des Weges kam nun zum Vorschein. Mit neugewonnener Zuversicht hetzte Link des Weges und schleifte Zelda fordernd und beinahe rabiat hinter sich her. ,Kämpf’ jetzt, dann schaffen wir es’, sagte er in seinen Gedanken. ,Nicht aufgeben...’ Wenige Sekunden später tauchten zwei Hylianer am Rande der Felsspalte auf, kletterten an eisigen Stufen, die der Schnee erschaffen hatte, hinauf in die grenzenlose Freiheit. Erleichtert atmeten sie beide aus und Zelda ließ sich kraftlos auf den Schnee außerhalb der tiefen, gefahrvollen Schlucht fallen. Sie lebten. Bei Nayru, sie lebten. Ein Kichern entkam dem schönen Mund der Prinzessin. Ein herzhaftes Lachen wechselte das kindische Kichern ab, bis Link sie ungläubig ansah. „Alles okay?“ „Ich denke schon...“, antwortete sie und musste erst einmal verarbeiten, dass sie beide schon wieder eine ordentliche Portion empörendes Glück erfahren hatten. „Und du? Alles in Ordnung, mein Link“, sagte sie und reichte ihrem Helden beide Hände. Aber anstatt sich von ihm aufhelfen zu lassen, riss sie ihn ebenfalls zu Boden und ignorierte das Fragende, Überraschte an seinem wunderbaren Heldengesicht. Sie suchte sehnsüchtig seine Nähe, seine Wärme und legte ihre Arme um seinen Hals. „Was meinst du, war das gerade, was uns rettete?“ Links Hände wanderten hinab zu Zeldas schmaler Taille und zogen sie ein Stückchen näher zu sich. „Ich habe so einen Verdacht“, sagte er. „Wirklich?“ „Jep“, murmelte er und streichelte über den Rücken seiner Liebsten. „Ich hatte einen sehr harten Kampf gegen einen Drachen in Irland, weißt du noch?“ „Ja, du hast erzählt, es wäre ein Kind gewesen, welches zu einem Drachen mutierte. Aber worauf willst du denn jetzt hinaus?“ „Klein- Link oder besser gesagt, ein künftiger Harkenia, hatte damals gemeint, Molly würde sich eines Tages revanchieren, dass ich ihre Seele erlöst hatte.“ Zelda lockerte die Umarmung und sah Link eindringlich an. Sie las in seinen schönen Augen, in denen ein Versinken so leicht war. „Bist du dir sicher“, sagte sie und wischte ein wenig geschmolzenen Schnee von seiner Stirn. „Nicht absolut, aber es könnte sein. Gerade hier, wo Feuer und Eis miteinander im Einklang waren.“ „Gerade, weil Drachen in unserer alten Mythologie ohnehin nach ihrem Ableben eine andere Verbindung zu den Lebenden besitzen als es Seelen der Hylianer vorbestimmt ist“, meinte sie und erklärte dem verdutzten Ausdruck ihres Helden zusätzlich: „Alte Geschichten und Legenden erzählen, dass Seelen solch magischer Geschöpfe sich in das gewöhnliche Leben einmischen könnten. Vielleicht hast du Recht und die Seele Mollys wollte sich hiermit bei dir bedanken.“ „Was haben wir doch für ein Glück, Zelda...“, murmelte Link und zog seine Prinzessin schmeichlerisch und verliebt an sich. „Lass’ uns den Weg fortsetzen, mein Engel.“ Er gab ihr nur einen sanften Kuss, unterband die Lust auf mehr und half ihr Aufstehen. Mit einem zum Schweben gedachten Lächeln aus dem hübschen Gesicht der Prinzessin setzten sie beide den Weg fort, marschierten den gesamten Tag über durch Zoras Reich, und ließen die schneebedeckte Einöde alsbald hinter sich... Spät am Nachmittag, die Sonne warf einen roten Mantel über das alte Hyrule, erreichten die Auserwählten mit knurrendem Magen eine alte Mühle, die unweit von Kakariko stand. Nur kurz wollten sie im Inneren der Mühle rasten, schnell die Augen zu machen, ein wenig schlummern und später, dann, wenn bereits die Nacht in Hyrule gekommen war, den Weg fortsetzen. Sie bahnten sich durch ein großangelegtes Weizenfeld und standen schließlich im Innenraum der alten Mühle, wo viele feste Säcke aufgereiht waren, in denen Weizen abgefüllt weilte. Zufrieden und laut gähnend streckte sich der junge Held, schnallte Schwert und Schild von seinem Rücken und blickte sehnsuchtsvoll zu seiner Prinzessin, die lächelnd auf einer Decke saß und sich von dem Brot aus dem Götterhaus bediente. In ihre Gedanken versunken strahlte sie hinaus auf die weiten Wiesen und Felder und dachte nur wenige Momente an altes Glück aus der Vergangenheit. Wie gerne und wie oft war sie früher einfach ausgeritten, hier in ihrer Heimat, war mit einem elfjährigen Link über Stock und Stein gestolpert und nun war aus dieser innigen Freundschaft eine starke, tiefe Liebe geworden... In ihre Gedanken versunken, bemerkte sie nicht Links hinterhältiges Grinsen, der sich tollkühn und streichausheckend an seine Zelda heranpirschte. Plötzlich hielt er ihr die Augen zu, riss sie mit ihm zu Boden und ignorierte das Schimpfen und Fauchen aus ihrem rosaroten Mund. Begehrlich und fest hielt er sie in seinen Armen gefangen und meinte gefährlich, aber kokett: „Da wir die letzte Prüfung so gut gemeistert haben, will ich mir mal etwas gönnen.“ Zelda wollte einige Worte sagen, wollte ihn bitten, sie wenigstens ihr Pausenbrot beiseite legen zu lassen, aber noch ehe ein Wort des Wartens aus ihrem Mund sprudelte, erstickte er diese mit seinen Lippen und küsste sie lange und ausdauernd. Der Kuss war tief und leidenschaftlich, schickte ihr brennende Visionen von den Erlebnissen in den Mooren, während seine Zunge Eintritt forderte. Nur wenige Sekunden dauerte die Liebkosung und doch fühlte es sich für die Prinzessin an, als wären lange Minuten unter der Sündenbelastetheit des Kusses verstrichen. Traumhaft schön... soviel legte ihr Held in diese Empfindung... Zärtlichkeit... Hingabe... Quälend rang Zelda nach Luft, seufzte als ein angenehmes Kribbeln ihren Rücken entlang wanderte. Sie seufzte unartikuliert und beinahe bittend, er möge nicht aufhören ihr zu geben, worauf sie ewig gewartet hatte. Verträumt gelangten Zeldas Hände an seinen Hinterkopf, fuhren durch das blonde, wilde Haar und zogen seinen Kopf fordernder und näher an ihren. Erneut ein Kuss, lustbetont und gierig. „Wenn wir weitermachen, dann... dann verliere ich noch die Beherrschung...“, murmelte Link und saugte ausschweifend an ihrem Hals. Doch Zelda stoppte nicht und riss Link mit ihr zu Boden, sodass sie mit dem Rücken auf Korn und Dreck lag. „Es sei dir erlaubt, jegliche Beherrschung zu verlieren, mein Link...“, provozierte sie. Dieser Satz war genug und er ließ seinen Mund hemmungslos über ihr Gesicht, über ihren Hals wandern und seufzte leise. Es war so angenehm, so unstillbar, dieses innere Bedürfnis Links, eins zu sein mit Zelda und doch... es war zu früh dafür... nicht richtig hier inmitten der Gefahr... In dem Augenblick stoppte Link diese anbahnende Leidenschaft und blickte ein wenig überfordert in das kristallene Blau von Zeldas Augen. Sie schien leicht verärgert, ein wenig irritiert und sogar einen Hauch besorgt, als Link mit seinen Zärtlichkeiten endete. Ihr wundersamer Blick verweilte auf seinen Lippen, bis sie einen Finger darauf legte. „Stimmt etwas nicht?“, flüsterte sie. Er schüttelte den Kopf, beförderte sein Gewicht von ihr herunter und kuschelte sich an ihren Rücken heran, während die Sonne mehr und mehr in feurigem Odem versank. „Warum...“, begann Zelda, drehte ihren Schädel zu ihm und sah doch nur seine geschlossenen Augen. „Warum hast du... nicht weitergemacht...“, sagte sie und fühlte ihren Puls wieder hetzten, als ihre Gedanken etwas erzählten, was gefährlich für die Unschuld war... „Wir sollten einfach nicht...“, meinte er und drückte sie sachte an sich. „Du weißt schon... es ist nicht richtig...“ „Noch zu früh? Nicht der richtige Ort...“, sagte sie sanft und schnurrend. „Jep, nicht der richtige Ort... hier inmitten der Gefahr.“ „Aber beinahe hätten wir uns geliebt, ohne es zu wissen...“, sagte sie und klammerte sich an seine warmen Hände. „In den Mooren... ich weiß“, meinte Link und erinnerte sich an die rätselhaften Geschehnisse dort. Es entsprach der Wahrheit. Beinahe waren sie viel weiter gegangen, als sie es hätten verstehen können. Genau dann, wenn sie sich aus den Klauen der Moorgeschöpfe nicht hätten lösen können. „Ich kann mich nur an einige Bruchstücke erinnern, wie weit sind wir denn gegangen?“, setzte Link hinzu und hauchte einen leichten Kuss an Zeldas Stirn. „Nur zu ein paar Küssen und einem verräterischen Saughämatom am Hals, das ich dir zu verdanken hatte, mein Link.“ Beschämt und seine Stimme verlierend starrte Link an den blonden Hinterkopf seines Zeldaschatzes und hatte doch wahrlich das Gefühl sich dafür entschuldigen zu müssen. „Sorry...“, sagte er schläfrig. „Kein Problem, mein süßer Held...“, erwiderte sie. „Wie spät ist es eigentlich?“ „Schon sieben...“, murmelte Zelda, mit der unanständigen Überlegung, ihren Helden zu bitten, das süße Verführen doch zu wagen. Aber sie entschied sich für das Schweigen. „Ich würde meinen, wir schlafen ein wenig. Ich wecke dich dann, wenn wir weiterziehen sollten, okay?“ „Okay...“, schnurrte sie, drehte sich in seinen Armen und umklammerte seine Taille. Sie suchte seine Nähe, selbstverständlich, immerhin waren sie nun endlich ein Paar. Und doch war es mehr als diese Nähe und das Wärmesuchen. Es war ein Festhalten, der Wunsch nach Schutz und Sicherheit, welcher sie antrieb. „Halt mich ganz fest...“, murmelte sie noch und schlief dann wenige Stunden ein... Umgeben von Licht und Wärme stand Zelda in einem kleinen, runden Raum eines Turmes und alles schien so warm, so angenehm... Pure Freude empfand sie angesichts der reinen, machtvollen Wärme, die sich über ihre nackten Arme legte. Es war nur ein hylianisches Sommerkleid, welches sie trug, versehenen mit der typischen Tracht der königlichen Familie. Sie fühlte sich frei, entspannt und glücklich... Farben schillerten ununterbrochen in dem Räumchen. Helle, warme Farben des Lichts. Eine kleine schokoladenbraune Wiege stand vor ihrem Antlitz und nur um zu sehen, was sich darin verbarg, trat sie näher. Ein helles Kinderweinen drang durch den kleinen, runden Raum und irgendwie fühlte sie sich, als müsste sie das kleine Kind darin beruhigen, mit Worten und Berührungen besänftigen. Sie trat näher und näher, schaute in ein Gesicht, welches sich bei ihrer plötzlichen Nähe erhellte. Das Kindergeschrei erstarb und wandelte sich in ein herzliches, ohrenverwöhnendes Lachen. Auch Zelda lachte, während sie sich über das kleine Baby beugte. Sie lachte, angenehm und zufrieden... Als Zelda aus ihrem Schlaf erwachte, lag eine angenehme Kühle, Frische in der alten Mühle, wo der Geruch nach Mehl in der Luft hing. Der Mond stand bereits am Himmel, aber Link war nirgendwo zu finden. Sie murmelte seinen Namen, aus leichter Beunruhigung, dass er nicht hier war. „Link?“, klang es ruhig aus ihrem Mund. Warum sollte er sie alleine lassen? Gerade jetzt? Seufzend stand Zelda auf, suchte mit ihren weitsichtigen Augen nach den tiefblauen Links und doch ahnte sie, dass er nicht in ihrer Nähe war... Sie stolperte aus der Mühle, stets umfangen von einer leichten Beunruhigung... Es wäre ratsam weiterzuziehen, dachte sie, während sie eine Gestalt auf dem Weizenfeld auf sie zu laufen sah. Zuerst nahm sie an, Link wäre es, der sich ihr annäherte und doch war der Gang der Gestalt so schleppend, so mühsam, ganz und gar nicht wie Link, der Schwäche niemals zeigen würde. Als schließlich ein rotes Funkeln aus einem dunklen Augenpaar inmitten der Nacht leuchtete, wich die Prinzessin erschrocken zurück und stolperte über eine kleine Kante. Sie fiel rücklings zu Boden und blickte angsterfüllt drein, ein Dämon oder Diener Ganons könnte hier sein Unwesen treiben. Sie fühlte sich eingeengt, blickte nach rechts und links und wünschte sich in dem Augenblick nichts sehnlicher als die Anwesenheit ihres Liebsten. Sich selbst ermutigend drehte sie sich um, krabbelte wenige Meter und zwang sich auf ihren zitternden Knien zu gehen. ,Link, wo bist du?’ Die Angst fuhr ihr ins Mark, als sich die schattenhafte Gestalt immer weiter näherte. Schritte schleppend und verräterisch. Sie nahm aufgeregt ihre Beine unter die Arme und rannte zurück in die Mühle, versperrte in der Finsternis die Tür und den Riegel. Ein unechtes Gesinge dröhnte von außerhalb. Dann ein widerliches Schnalzen: „Zelda... oh Zelda...“, sang eine kratzige Stimme, die sie kannte... und anwiderte. „Oh Zelda... lass’ mich zu dir... Schrecken und Traum meiner dreckigsten Träume...“ Ein Lachen hallte über das gigantische Weizenfeld. Dann war es ein Schmerzstoß, den der Kerl aussendete und schließlich ein Würgen aus seinem kranken, vergifteten Mund. Stille... Einige Sekunden wartete Zelda mit hetzendem Puls und einem sehr gespenstischen Gefühl in der dunklen Mühle. Allein. Denn noch immer wusste sie nicht, wo sich Link befand. Aufgeregt kaute sie an ihren Nägeln, versuchte die Spannung in ihrem Inneren wegzuschieben, versuchte sich wieder Mut zu machen und betete in Gedanken zu der Göttin des Mutes, sie könnte ihr jene Eigenschaft zuführen, die sie im Augenblick benötigte. Ruhig, sagte sie sich. Ganz ruhig, Zelda. Das ist nur einer von Ganons Leuten. Lediglich einer... mit dem wirst selbst du fertig... Aber das Unheimliche schien, die plötzliche Stille. Ein sachtes Windrauschen war alles, was von draußen hereindrang. Langsam und vorsichtig näherte sich die Prinzessin der ungenügend versperrten Verriegelung, fühlte Zittern, Herzrasen und die maßlose Wut auf ihre eigene Ängstlichkeit. Zelda stieß einen grellen Schreckensschrei aus, als jemand die Tür öffnen wollte und dann wuchtig gegen das splitternde Holz klopfte. Sie ballte ihre Fäuste aufgeregt, machte sich bereit ihre geheime Magie einzusetzen, bis mit einem Schlag alle Zweifel davongetragen wurden. „Zelda? Was ist los? Mach’ die Tür auf“, sagte eine vertraute Stimme eindringlich. Sie liebte diese Stimme, egal, ob sie aufgeregt klang oder trübsinnig. Ohne weiter nachzudenken öffnete sie die Tür schwungvoll, fiel in die Arme ihres Helden, der nicht wusste, was in seine Zelda gefahren war. „Hey, was ist denn, Schatz?“, sagte er und nahm ihr aufgelöstes Gesicht in beide Hände. Ein kurzer Blick reichte aus und Link erkannte die Angst und Sorgen darin. „Ist etwas passiert“, meinte er ruhig. Sie nickte haltsuchend. Sie verschluckte sich beinahe vor Aufregung. „Da war eine Stimme, draußen in dem Weizenfeld. Bei Din... wo warst du denn?“ Er führte sie zurück in die Mühle. „Nur kurz die Beine vertreten... Entschuldige. Aber nun bin ich ja da.“ „Lass’ uns sofort weiterziehen. Dieser Ort ist mir unheimlich... er verbirgt das Böse“, erklärte Zelda und legte die Decken vom Boden zusammen, ließ jene schnell und schmerzlos in der magischen Tasche verschwinden. „Was sagt die Zeit?“ „Zwölf Uhr. Ich glaube, wir haben lange genug gefaulenzt.“ Link nickte, wusste doch um die wenigen Tage, die ihnen noch blieben, hier in der alten Welt. Denn in wenigen Stunden stand der Vollmond in Schicksalshort blutrot an dem garstigen, stinkenden Himmel, der die gesamte Welt unter sich begraben würde. Der siebzehnte Tag brach nun an in jener alten Welt, die trotz ihrer Realität so unwirklich erschien. Die Luft. Die Tiere. Selbst die Natur... Sie liefen Hand in Hand weiter, kämpften sich durch weitere Weizenfelder, die so hoch standen, dass sie ihnen bis zu den Köpfen gingen. Ein heller Mond leuchtete ihnen des Weges, warf seinen stahlblauen Schein kühlend über die Welt, erschuf dichte Schatten am Rande der weitentfernten Wälder und inmitten der Weizenfelder, welche sich im Wind wogen. Ab und an spähte Link zurück, wurde das Gefühl nicht los, dass sie schon seit längerem verfolgt wurden. Als Link erneut einen ernsten Blick nach hinten wagte, drückte Zelda ihre in seine geschlungene Hand und nahm an seinem entschlossenen Ausblick teil. „Link?“ Plötzlich wieder zur Besinnung kommend, schwang er seinen Schädel zu ihr und meinte: „Was? Hast du etwas gesagt?“ Sie boxte ihn maulend an seinen Arm. „Bin ich so langweilig, dass du dich nur unter Umständen von mir bei deinem Tun ablenken lässt?“ Link gab ihr ein reumütiges Grinsen und wollte sie gerade zu sich heranziehen, als sich Zelda aber sträubte. „So willst du dich also bei mir einschmeicheln, was?“, sagte sie und drohte ihm mit einem Zeigefinger. „Also, was ist der Grund für deine Unaufmerksamkeit.“ „Entschuldige... aber seit geraumer Zeit habe ich den Eindruck etwas verfolgt uns.“ „Wirklich?“ Überrascht wanderten Zeldas schöne blaue Augen über das hohe Weizenfeld. „Wir würden unsere Verfolger ohnehin nicht sehen“, meinte sie. „Besser wir beeilen uns aus diesem Feld herauszukommen.“ Link nickte. Sodann rannten sie hinaus aus dem Feld und landeten auf einer sandigen schmalen Straße. Rechts und links des Weges ragten zunehmend hohe Laubbäume. Knorrige Wurzeln, die sich wie Schlangen auf dem Weg krümmten. Und ohne, dass sie es wussten, beobachtete nebst einem kleinen, schwarzen Vogel sie eine weitere Person die gesamte Zeit. Ein verruchter Todesdiener kroch und stapfte selbstherrlich in unterirdischen Gängen entlang. Ein hetzendes, sattes Augenpaar, nicht menschlich, sondern umzogen mit violetten und roten Splittern in der Regenbogenhaut leuchtete aus einem alten, grünschimmernden Gesicht hervor. Es war Kälte und Abscheu, die aus seinem Gesicht stierte. Denn jenes Böses kannte die Gesetze der Liebe nicht, verstand nicht den Sinn und die Erfüllung, welche Liebe geben konnte. Der schwarze Todesschatten, so wie ihn Schriften nannten, lag über ihm und es erfüllte sein unverständliches Gehirn mit genügend Nährsalzen Tausende von Jahren zu überstehen. Er hasste und dies schien sein Gesetz, seine Materie. Er hasste, kannte und schätzte dieses Wort als die verderbenbringende, gewaltigste Kraft, die ihm zuteil wurde. Nur ihm. Denn nur er konnte hassen wie niemand sonst. Hassen auf seine erniedrigendste, abscheulichste und kränkste Weise... Es war finster in den Gängen und doch sah gerade ein Dämon wie jener Fürst des Schreckens, der, so seine Annahme, der Kaiser jeder Welt sein konnte, alles. Er sah durch die Finsternis, durch Nacht und Tod, nicht fähig die Wahrheit und Besonderheit des Lichts zu erkennen, die seine Gegenspieler verehrten. Vielleicht war es dieser Punkt, dass der ewige Teufelskreis der Kämpfe in Hyrule niemals enden konnte. Das Gesetz, dass jede Welt Licht und Schatten haben musste. Der ewige Teufelskreis, in welchem sich die Triforceträger des Mutes und der Weisheit dem letzten und stärksten Fragment der Kraft entgegenstellten. ,Es konnte nicht enden’, dachte und wusste der Diener des Bösen. Nicht so lange, das Triforce auf seine Weise existierte und dass jene Macht noch irgendwo hauste, das fühlte das Böse, das beflügelte das Böse und trieb es an... Lachend wollte der Todesengel sich den kleinen Bengel mit Namen Link vorknöpfen, hatte Glücksgefühle bei dem Gedanken, den Kleinen zu foltern, zu quälen. Viele abscheulichen Dinge entsprangen seinem Geist, wie die Vorstellung, dass er die Pest erneut ausbrechen lassen konnte, um die letzten Menschen zu unterwerfen. Die Vorstellung den kleinen Link mit allen Mitteln der Kunst zu foltern. Daumenschrauben. Die eiserne Jungfrau. Ein magischer Qualenfluch. Oder auch die Streckbank würden sein Vergnügen anstacheln und ihn erheitern. Nur noch wenige Schritte durch die Dunkelheit und er könnte dem kleinen Kerl zeigen, wie grausam und elend das wahre Gesicht des Bösen sein konnte. Ein markerschütterndes Lachen schnitt durch die leeren Gänge, worauf das Feuer der letzten Fackeln ausging... Zu zweit saßen Maron und die Direktorin am Tisch, während Maron einen Tee schlürfte und schon wieder an Rick dachte. Er ging ihr nicht aus dem Kopf. Ununterbrochen hatte sie sich die letzten Stunden die Augen wegen ihm ausgeweint, hatte von ihm geträumt und wollte einfach nicht glauben, dass er nicht mehr da war. Manchmal ertappte sie sich dabei, dass sie ihn mit seinem Grinsen durch die Tür laufen sah. Er würde ihr erklären, dass alles nur ein dummer Fehler war und er nicht tot sei. Er würde ihr sagen, dass alles nur ein Traum war und dass es keinen Teufel auf Erden gab, der den Weltuntergang vorbereitet hatte. Sie sah sein typisches Lächeln, blickte in seine rehbraunen Augen und wünschte sich so sehr, seine Wärme zurück… Eine Träne fiel, die Impa bemerkte. „Maron?“ „Es ist nur… Rick… Ich will ihn verdammt noch mal wiederhaben… schnief...“, schluchzte sie und kramte nach einem Taschentuch. Impa blickte hoffnungsvoll auf. „Jeder von uns hat etwas, das er zurück haben möchte… Und ich weiß nur eines: Link wird Ganondorf seine Suppe schon versalzen. Ganondorf bekommt sein Fett weg, für alles Grausame, das er getan hat.“ „Ja“, murmelte das Mädchen mit den kastanienbraunen Haaren leise. „Link wird ihn besiegen“, setzte sie hinzu. „Meinst du, es gibt eine Chance für Rick?“ „Das kann ich dir nicht sagen, Maron…“, meinte Impa ernst und sah zu ihrer Kaffeetasse mit der Aufschrift: ,Für unpassende Ereignisse.’ „Ich möchte dir etwas erzählen, Maron“, sagte Impa dann und hatte einen aufmunternden Gedanken aus der Vergangenheit Hyrules. Überrascht sah die Schülerin auf und wartete auf Impas Worte. „Es war einst in Hyrule“, begann sie. „Ich kannte ein junges Mädchen, das sich immer gewünscht hatte, einem Ball beizuwohnen. Ständig träumte sie davon, ihrem eigenen Prinzen zu begegnen und gelegentlich erfreute sie sich an Links Anwesenheit. Bis Link dann eines Tages die schlaue Idee hatte, er könnte seine gute Freundin irgendwie zu einem der königlichen Bälle einladen. Ich erinnere mich, dass er Zelda überredet hatte und das junge Mädchen die Gelegenheit erhielt, einen Einblick in das Schlossleben zu haben.“ Schmunzelnd trank Impa einen Schluck ihres kalten Kaffees. „Und“, sagte Maron, die sich endlich ein wenig von Rick ablenken konnte. „Ein junger Königssohn aus Calatia, einem Nachbarland Hyrules, nahm ebenfalls an den Feierlichkeiten teil. Ein wunderbarer Mensch, mit genauso edlen Idealen, wie es jene Links waren.“ „Eine Liebesgeschichte“, meinte Maron traurig und putzte sich bekümmert mit dem Taschentuch ihre Nase. „Ja, aber nicht nur irgendeine Liebesgeschichte“, fuhr Impa fort. „Das junge Bauernmädchen hatte ihren Prinzen gefunden, einen braunhaarigen jungen Mann… mit rehbraunen Augen…“, beendete Impa leise. In dem Moment blickte Maron leicht schockiert auf. „Rick?“ Und alles, was die einstige Shiekah zusagen vermochte, war ein nickendes: „Ja, so ist es.“ Eine Träne tropfte aus Marons Augenwinkeln. Und Impa legte verständnisvoll eine Hand auf diejenige des jungen Mädchens vor ihr. „Maron… behalte deine Hoffnung bei. Denn ich bin mir sicher, du wirst ihn wiedersehen. Du hast ihn einmal wiedergefunden und du wirst ihn auch ein zweites Mal wiederfinden.“ „Danke”, quiekte Maron vor Aufregung und setzte einen entschlosseneren Blick auf. „Ich werde ihn wiedersehen! Irgendwann…” Damit verschwand Maron erneut in einem Nachbarraum und dachte still und heimlich wieder an ihren Prinzen… Zurück in der Kirche Schicksalshorts. Endlich war die keimende Brut des Bösen an der Zelle des kleinen grüngekleideten Bengels angelangt. Ein violetter Energieball sammelte sich in Ganons rechter Faust und brachte ein furchtvolles Glimmen in die eisige Dunkelheit, während Ratten und Schlangen vorbeizischten und ihre tierischen Laute eine kleine Orgie anstimmten. Und doch sollte Ganon im nächsten Augenblick keinen Funken der perversen Freude empfinden können, nach der er gierte. Denn, und es musste das Schicksal sein, welches am Werk war, denn... die Zelle war leer. Ungläubig fixierten blutige, glühende Augen das Verlies. Aber keine Seele weilte in dem Innenraum. Kein Hylianer. Kein Kind mit dem vorersten Namen Link... Ein tiefes Grölen und Fauchen brachte die gesamte Kirche Schicksalshorts zum Beben. Aus Wut schmetterte der Fürst des Schreckens zahllose Energiebälle umher, giftete über diese Demütigung und fand in seinem Kreuzzug gegen diese bodenlose Frechheit kein Ende... Zelda und Link eilten an einem anderen Ort zügig voran, schauten auf den Kompass, kamen an einer Wegmarkierung vorbei und es dauerte nicht lange, da bildete sich am Rand des Mittelgebirges im Osten ein schmaler Riss rot. Die Morgensonne kam aus ihren dunklen Schlupflöchern und marschierte mit träger Gelassenheit über das alte Land und die traumhafte Steppe. „Wenn unser lieber Namenlos doch nur hier wäre...“, maulte Zelda, ließ ihre Schultern hängen. Sie stoppte kurz, streckte sich und gähnte laut. Wie schön es wäre, gerade jetzt, die Füße mal nicht zu benutzen. Das Wandern durch Hyrules saftige Grassteppe, das Stolpern über Gestein, das Watscheln durch dichte Weizenfelder und viele andere mit dem Laufen belastete Tätigkeiten raubten Kraft und quälten die Fußsohlen aufs Übelste. „Ja, wenn Namenlos hier wäre...“, bestätigte Link. „Ich frage mich schon länger, was wohl der Grund sein mochte, dass die Götter diesem Pferd keinen Namen gegeben haben. Meinst du, er hat bereits einen?“ „Bestimmt. Aber ist dir eigentlich mal was aufgefallen?“ „Und was?“ Zelda zwinkerte Link entgegen, der stehen blieb und zu einem kleinen Baumhaus blickte, das nicht weit von ihnen am Rand eines etwas größeren Waldes stand. „Ich hatte manchmal das Gefühl Namenlos würde uns mehr verstehen, als wir glauben.“ Zeldas blaue Augen wurden ein wenig größer. „Das ist nicht dein Ernst. Namenlos ist doch nur ein Pferd.“ „Ja, Zelda“, sagte Link scherzhaft, nahm ihre rechte Hand und küsste diese verliebt. „Und der Held der Zeit ist nur eine Spielfigur, nicht wahr.“ Sie schüttelte mit dem Kopf und neigte ihr Haupt. Sie dachte, ihr Held hätte sein Schicksal akzeptiert, hätte sich selbst verstanden. Aber dieser Satz... „Link, möchtest du mit mir darüber reden“, fragte sie sanft und legte eine Hand auf seine rechte Wange. Seine Augen erzählten soviel Dankbarkeit, unterstützt mit einem brilliantem Lächeln. Ach, sie liebte diese Lächeln. Er schüttelte bloß den Kopf, vielleicht ein wenig unsicher mit sich selbst, vielleicht nur ein wenig zu verzaubert von Zeldas Verständnis. Verträumt biss sich Link auf die Lippe und nahm seine Zelda auf die Arme. „Ich könnte dann noch eine kleine Mütze Schlaf vertragen“, sagte er und trug sie zu dem kleinen Baumhäuschen, welches zwar am Rande des nahen Waldes stand und damit nicht gerade sehr viel Sicherheit bot, und doch ein günstiger Ort für einige ruhige Momente darstellte. Es war nur ein kleines, klappriges Baumhäuschen mit geringem Platz, aber es erinnerte Link an das kleine Baumhäuschen in den Wäldern Schicksalshorts. Sorgen kamen in ihm auf, Sorgen um Sara, Sorgen um seine Eltern und Rick schlich wieder durch seinen Kopf. Zelda stieg vor ihm die Leiter hinauf und machte es sich auf einer Decke in dem Miniinnenraum bequem. „Also, ich muss sagen, dein Baumhaus bei den Kokiri ist wesentlich größer als dieses hier.“ Link folgte und ließ sich neben Zelda müde auf der Decke nieder. „Jep, aber wir beide passen gerade so hier rein, da geht das schon.“ Schön gesagt, Link... In so einer Situation würde der Held der Zeit sicherlich alles schön reden. Denn im Grunde genommen war die Hütte so klein, dass Link sich mit seinen einsachtzig nicht mal strecken konnte. Regelrecht eingequetscht fühlte er sich im Moment, obwohl diese aberwitzige Sache auch ihr gutes hatte. Aufgrund des engen Innenraums lagen die beiden Verliebten so dicht aneinander gedrängt, dass die fehlende Räumlichkeit ganz gewiss nicht störend war... Mühevoll wollte sich Link lediglich zu Zelda umdrehen, konnte dies aber nicht anders bewerkstelligen, als sich halb über sie zu beugen. Komisch, dachte Link, obwohl sie beide keinerlei Grund mehr hatten sich bei Berührungen zu genieren, verlegen zu werden, wenn sie einander näher kamen, so stieg ihm immer wieder verräterisches Blut in die Wangen, wenn er Zelda so vor sich hatte. Vielleicht war es einfach nur ihre rätselhafte Fähigkeit, das Blut in seinen Venen zum Kochen zu bringen, vielleicht war es einfach nur das Neue an ihrer tiefen Zuneigung für einander. Link wusste es nicht. Aber es interessierte ihn im Moment auch nicht. Denn sein umwerfender Engel sah so verführerisch schön aus, wenn sie auf die Weise strahlte wie in diesem Augenblick, wenn sie ihm mit stummen Worten geben konnte, wonach er sich sehnte. Ihre Augen glitzerten in nie da gewesenem Zartgefühl. Und möglicherweise wollte sie gar nicht, dass Link dieses Aneinandergedrängtsein unterband. Er stützte sich leicht mit den Ellenbogen neben Zeldas göttlichem Gesicht ab und blickte sie minutenlang an, eher er die Stille brach. „Zelda“, flüsterte er leise und fühlte sich auf Wolke sieben. Noch immer lag er halb auf ihr und stützte sich leicht ab, sodass er sie mustern konnte. „Mmh?“ „Als du noch nicht wusstest, wer du bist... ich meine unsere erste Woche in Schicksalshort“, sagte er umständlich und musterte ihr angenehmes Lächeln. „Ja“, fragte sie langsam. „Was dachtest du von mir, ich meine, wie hast du mich gesehen...“ Zeldas Wangen wurden ein wenig röter und sich wich hilfesuchend seinem Blick aus. Sich diese Frage reiflich überlegend starrte sie an die gesprenkelte, braune Häuschendecke. „Also... wenn ich ehrlich bin... ich habe...“ Sie kratzte sich kurz an der Wange und begann von vorne. „Ich habe dich gerne bei den einfachsten Tätigkeiten beobachtet, weißt du...“ „Wie darf ich das verstehen?“ „Zum Beispiel, wenn du ein paar Gläser aus dem Schrank geholt hast, oder wenn du vor dem Fernseher saßt.“ Sie machte eine kurze Pause, in welcher sie seinen verträumten Blick wieder suchte. „Du warst so... attraktiv... ich weiß nicht genau, aber vielleicht war das eine Seite meines Gedächtnisses, die sich unbedingt an dich erinnern wollte.“ Link begann zärtlich ihre Wange streicheln. „Ich glaube, ich war total begeistert von dir...“ „Das, was du empfindest, Zelda... du hättest mir das bereits in dieser Woche sagen können.“ Sie nickte. „Und du hast das früher, ich meine damals, in Hyrule schon gefühlt, stimmt das?“ Erneut ein kleines aussagekräftiges Kopfnicken. „Ich habe so oft von dir geträumt...“ „Sehnsucht?“ „Ja, Sehnsucht...“ Ihr Held küsste sie daraufhin zärtlich und genießend. „Sehnsucht und Liebe..“ Er gab ihr wieder einen Kuss und rollte sich ein Stückchen, sodass seine schlanke Prinzessin nun auf ihm lag. „Ohne dich hätte ich das alles niemals durchstehen können, Zelda. Die Wahrheit... Ricks Tod...“ Sie legte einen Zeigefinger auf seine Lippen und sagte leise: „Pst...“ Sie fuhr verträumt über seine Lippen. „Du wirst ihn wiedersehen, mein Held der Zeit. Daran glaube ich und bitte glaube auch du daran.“ Er schloss die Augen und sagte trübsinnig. „Was macht dich da so sicher?“ „Rick hatte in seinem Inneren keine irdische, gewöhnliche Seele...“ Links Gesicht wurde ernster und er sperrte die Augen munter auf. „Zelda“, sagte er nachdrücklich. „Hast du mir schon wieder etwas verschwiegen“, meinte er bitter. Schon wieder... Die gesamte Zeit hatte Link gehofft, Zelda wäre ihm gegenüber endlich offener. Aber sie schien immer noch ihre Geheimnisse aus der Vergangenheit mit sich herumtragen. Sie nickte lediglich. Daraufhin rutschte Link abweisend weg von ihr und schüttelte bloß mit dem Kopf. „Zelda... warum kannst du mir nicht endlich vertrauen?“, sagte er, ein wenig betreten und trübsinnig. Sie kuschelte sich entgegen seines Willens an ihn heran. „Link, wenn ich dir nicht vertrauen würde, hätte ich bestimmt nicht mit dem Thema angefangen. Ich wollte es dir schon erzählen... seit...“ „Seit dem Pfeilschuss“, meinte er leise und spürte seine Liebste, die sich an seinen Rücken schmiegte. „Verzeih’ mir bitte. Aber ich möchte es dir jetzt erzählen... weil ich dir vertraue...“ „Okay...“, meinte er leise und spürte das Nagen von Zweifeln an sich. Vielleicht gab es noch ganz andere Dinge, die sie ihm verschwiegen hatte. Vielleicht gab es in der Vergangenheit ja doch jemanden, der nicht nur das Schloss und den Tag mit Zelda geteilt hatte... „Rick war schon damals etwas Besonderes und wenn Hyrule nicht verblasst wäre, dann wäre er damals schon dein bester Freund gewesen...“, sagte sie leise und fühlte das leichte Stechen in Links Gedankengänge, das Drücken in seinem Herzen. „Er war Hylianer?“, sagte Link leise und kämpfte mit der stillen Verzweiflung. „Ja, aber er stammte von einem nahegelegenen Königreich, Calatia genannt.“ Überraschend drehte sich Link wieder um und drückte sachte sein Gesicht an ihres. „Erzähl’ mir noch ein bisschen mehr darüber.“ „Wir hatte ein großes Fest, als er Hyrule besuchte. Wir haben mit ihm den Tag verbracht. Und ich erinnere mich daran, dass du eine Zuckerwatte bestellt hattest. Du warst ein Fan von süßem, weil es solche Leckereien in den Kokiriwäldern nicht gab.“ Link krallte sich die Decke, legte sie über sie beide und umarmte sie daraufhin. „Und was noch?“ „Du und Rick hattet ein freundschaftliches Duell gegeneinander...“ Sie stoppte die Worte und ahnte, dass jene Link an den schrecklichen Kampf in Schicksalshort erinnerten. „Bitte sag’ mir nicht, wer gewonnen hat...“ „Okay“, meinte sie sanft. „Danke“, entgegnete Link traurig und wünschte sich doch so sehr, er könnte vieles der Geschehnisse einfach wieder rückgängig machen. Zelda streichelte über sein Gesicht und es dauerte nicht lange, da war der erwachsene Held Hyrules wie ein kleines Kind, umarmt von seiner Prinzessin eingeschlafen. Als er nach zwei Stunden Schlummer mit den Wimpern zuckte, spürte er sofort ein paar weiche Lippen an seiner rechten Augenbraue. Lethargisch blieb der einstige Held der Zeit liegen, brannte aber im selben Augenblick innerlich, verursacht durch das Wandern von jenen teuflisch zarten Lippen an seine Wange, an sein Kinn, an seinen Mund. „Link?“, flüsterte es. „Wir sollten weiterziehen...“ Aber stur und verliebt blieb er in seiner Position. Er wollte noch nicht weiter. Nur ein paar Minuten, raschelte es in seinen Gedanken. Ein paar Minuten... Erneut schenkte Zelda ihm einen liebevollen Knutscher auf die Lippen und doch ließ sich Link davon nicht beeindrucken. „Was muss ich noch tun, damit du aufwachst?“ ,Na, schön’, sagte sie sich. Der Held der Zeit hatte es ja nicht anders gewollt... Ein heimtückisches Grinsen formte sich auf dem engelsgleichen Gesicht Zeldas. Auch wenn man bei einem genauen Blick das Gefährliche, beinahe Teuflische in ihren Augen erkennen konnte. Sie beugte sich sehnsuchtsvoll näher, küsste ihren unwiderstehlichen Helden erneut, wurde dann ein wenig forscher und zügelloser, bis sie schließlich an seinen Hals wanderte. Immer noch unbeeindruckt, aber schon mit einem Grinsen um seine Mundwinkel ließ sich der Mädchenschwarm verwöhnen. Zelda war plötzlich überaus leidenschaftlich, auch etwas, was er in dieser Form nur selten erlebt hatte. Der junge Held erinnerte kurz ein Erlebnis in dem Haus der Götter, in den magischen Gärten des Lebens, wo sie sich beide ein wenig zu sehr aufeinander eingelassen hatten. Es war ein warmer Tag gewesen, so am Rande der Zeit, am anderen Ufer des Lebens, als Zelda ihm einen wunderbaren Vorschlag gemacht hatte, den Link annahm, worauf er sich einließ... ein seelisches Berühren... Hatte sie im Moment etwa genau das vor? Wollte sie mit ihren Küssen ein geistiges kleines Vergnügen vorbereiten? Ausgerechnet hier, wo jeden Moment eine Gefahr drohen könnte? Doch urplötzlich, nicht damit rechnend, biss Zelda ihm ein wenig in die sonnengebräunte Haut seines Halses. Er quiekte auf und riss seine Augenlider erschrocken nach oben. „Herrgott, Zelda!“, meinte er empört, während seine Prinzessin nur schmunzelte. „Was sollte das denn?“ Und Link richtete sich auf, sodass er die kleine Verräterin beäugen konnte. „Werde ich jetzt immer so aufgeweckt?“, sagte er schimpfend und betastete begutachtend die angeknabberte Stelle an seinem Hals. Zelda aber lachte lauthals los, wusste doch, es war nicht einmal der Rede wert, was sie gerade veranstaltet hatte und presste ihren lieben Held der Zeit gegen die robuste Holzwand an seinem Rückrat. Sie küsste ihn zur Entschuldigung und bei jenem verliebten Zungenspiel war Links Ärger schnell wieder verflogen. Versunken in ihrer beider Zärtlichkeit achteten sie zunächst nicht auf das Stiefelgeklapper außerhalb, ignorierten das Seufzen und leichte Kichern aus dem Maul einer angetrunkenen Person, die schwankend die Straße hinablief. „Zelda, oh Zelda, so schön bist du, so herrlich erotisch, so üppig an den rechten Stellen, so zart an den anderen...“ Ein schiefer, lustbetonter Gesang drang von außen in das Baumhäuschen. Erschrocken ließen die zwei Verliebten voneinander ab und funkelten eindringlich und besorgt aus dem schmalen Zugang. „Wer ist das?“, flüsterte Link, als er mit seinen tiefblauen Augen einen Blick hinaus wagte. Zelda schmiegte sich an seinen Rücken und klammerte sich mit ihren Händen an seiner starken Brust fest. „Weiß nicht...“, entgegnete sie gedämpft. „Aber vorhin bei der Mühle war er bereits hier...“ „Diese Stimme kommt mir bekannt vor...“, wisperte Link. „Mmh...“, hauchte sie und schielte besorgt über Links Schulter hinaus. Sicherlich, sie glaubten die Stimme schon einmal gehört zu haben, aber wussten im Moment diese nicht ihrem Besitzer zu ordnen zu können. „Zelda... herrliche Prinzessin Zelda. Lass’ mich dein Kammerdiener sein...“, schnalzte es widerwärtig aus einer mit hylianischen Gebräu belegten Kehle. Links tiefblaue Augen verzogen sich zu Schlitzen und das Gebrabbel brachte sein gesamtes Blut in Wallung. Furchtbare, herausfordernde Gefühle der Eifersucht zogen sich von seinen Herzfasern in jedes einzelne Körperglied. Er tänzelte am Rand, spürte Gefahr von sich selbst ausgehend angesichts dieser brodelnden Gefühle. In der Dunkelheit wanderten seine Augen zu den sanften Zeldas, in der Hoffnung, sie könnten diese Todeswut irgendwie lindern. Aber aus irgendeinem Grund fühlte er mit jedem Moment mehr und mehr Eifersucht und kein Funken seines rationalen Verstandes tat Abhilfe... „Zelda, der Körper einer Göttin, das Haar eines Engels und das Temperament einer Hexe. Oh, du verruchte Göttin der Lust.“ „Das reicht jetzt!“, knurrte Link plötzlich, denn sein Geduldsfaden war am Ende. Verärgert wand er sich zur Leiter und war im Begriff daran hinabzuklettern, als Zelda mit dem Kopf schüttelte und einen ernsten Ton anschlug: „Link, bitte lass’ dich nicht provozieren. Bleib’ hier.“ „Nein“, sagte er schroff und kletterte stur die Leiter nach unten. ,Warum bist du nur so hitzköpfig und so eifersüchtig...’, dachte die Prinzessin still, folgte ihrem Helden nur widerwillig. Es war kühl außerhalb. Der kühle Morgenhimmel hing wie ein Tuch über dem Land und viele Nebelfelder zogen sich südwärts. Die glühendheiße Sonne stand nur knapp über dem östlichen Mittelgebirge und konnte durch den frühmorgendlichen Dunst und die Kälte scharf und genau ausgemacht werden. Als hätte sie nicht mehr die Chance den Nebel sowie die Nacht zu besiegen... Murrend sprang der junge, blonde Hylianer die letzten Treppen des Baumhauses hinab und überblickte den abgetrampelten Warenpfad, sowie die weiten goldenen Weizenfelder rechts von ihnen. Geräuschvoll folgte Zelda, knöpfte ihren grauen Umhang zu angesichts der beißenden Kälte und krallte sich Schutz suchend Links warme Hand. Tonlos wurzelte jemand unbeeindruckt an einem alten, abgestorbenen Baum angelehnt. Die dürre Gestalt, bekleidet von einer dunklen, teilweise zerfetzten Dämonenrüstung, hing mit schmerzverzerrten Gesichtszügen an einem Ast abstützend. Einige Wunden schimmerten durch die aufgerissene Stoffhose, Schürfverletzungen und dunkle Flecke an den Armen und im Gesicht. Ein langer Blutstrahl floss von dem einen Auge der Gestalt hinab. Ein abscheuliches Grinsen im hochnäsigen Gesicht und eine Schnapsflasche in der rechten Hand stand er einfach nur da, gaffte zu Link, zu der Prinzessin, und zu den beiden ineinander verhakten Händen. Die blonde Hylianerin machte einen kleinen Schritt weiter in Links Nähe, suchte seine Entschlossenheit und Furchtlosigkeit, in der Hoffnung, ihr würde ein Funken davon zu teil. „Preston?“, rief Zelda überrascht, legte eine Hand auf ihren roten Mund und hatte nur einen kleinen Funken Mitleid in ihren sanften Augen, während Link mit ernstem Blick zu dem verletzten Jungenkörper schaute. Kapitel 90: Kein Mitleid ------------------------ Kapitel 73: Kein Mitleid Es war einst in der Schule, zu dem Zeitpunkt, als Link schwerverletzt in dem Krankenhaus Schicksalshorts lag. Trübsinnig und mit vielen Sorgen saß Zelda, allein, wie eh und je in der Schulcafeteria. Sie hatte eine Plastiktasse Tee in ihrer Hand und war mit ihren Gedanken bei Link, ihrem Freund, den sie in den letzten Tagen und Wochen aus dem Weg gehen musste, nur um ihn nicht noch mehr zu verletzen als ohnehin... Letzte Nacht war sie heimlich ins Krankenhaus aufgebrochen, war lange Zeit auf einem Stuhl neben ihrem Helden sitzen geblieben, bedacht, dass er keineswegs aufwachte und ihre Anwesenheit bemerkte. Sie erinnerte sein Gesicht, die Schnittwunden, die Beulen und stützte als Folge dieses Bildes, welches ihr in ihrem Herzen Stiche versetzte, ihren schweren, müden Kopf in die Hände. Sie murmelte sehnsuchtsvoll: „Link...“, vor sich hin, leise und irgendwie unwirklich, fühlte sich, als ob sie die Schuld an seinem Zustand trug, fühlte sich schuldig und verantwortlich... Außerhalb lachte die Sonne und die meisten glücklichen, fröhlichen Schüler saßen draußen, so wie Sara Bravery, die mit ihrer überdrehten Clique auf der Wiese vor der Schule hockte. Zelda aber saß in der großen Cafeteria, allein, und es machte den Raum in dem sie saß noch größer, hier alleine zu sein... Sie bemerkte in ihrem Schwelgen, ihren trübsinnigen Gedanken, nicht die neugierige Gestalt Prestons, die einen schmunzelnden Blick zu der Schönheit warf, die alleine und traurig auf einer Bank saß und Tee schlürfte. Er selbst stand ebenso an dem Kaffeeautomaten, grinste tollkühn und warf die klappernden Geldmünzen für einen Kaffee ein. Ein heißer Strahl des Getränks floss in die Plastiktasse, als Zelda erstmalig aufsah und verwundert zu dem Kerl mit rabenschwarzen Haaren blickte. Es war ein verächtlicher Blick, den sie aussendete und doch schien jener Preston erst recht zu animieren, dieser Schönheit gegenüber anzüglich zu werden. „Nanu? So ganz alleine hier, Schätzchen?“, sagte er gehässig und stapfte mit seinen schwarzen Lederstiefeln zu ihr heran. Er bemerkte den bekümmerten Ausdruck in ihrem Gesicht, hielt es aber nicht für nötig nachzufragen und stützte sich aufdringlich auf dem Tisch vor Zelda ab. Doch die junge unerkannte Prinzessin wendete ihren schönen Kopf weg und sagte kühl: „Was willst du?“ Abweisung erklang aus ihren Worten. Aber Preston hatte schon immer die unverbesserliche Ignoranz, sich einzubilden, dass junge Damen vor allem dann dominant und selbstsicher auftraten, wenn sie etwas von ihm wollten. Er fuhr sich eitel durch den kurzen Bart an seinem Kinn und meinte: „Eine Nacht mit dir, Püppchen.“ Angewidert und erschrocken richtete sich Zelda auf und zog die Nase angeekelt nach oben. „Halt’ deinen Mund, du dreckiger Kerl“, giftete sie und nahm ihren Tee in beide Hände. Sie wollte gerade aus dem Raum gehen, als Preston hinter ihr her rannte und den Weg blockierte. „Was ist, du Trampel“, fauchte sie. „Du bist die Freundin von diesem Link, was?“ Irritiert wich Zelda zurück und blickte in die verräterischen dunklen Augen aus seinem blassen Gesicht. „Hab’ ich deinen wunden Punkt getroffen, Puppe?“ Der Gedanke an Links Zustand fühlte sich an, wie ein unerträglicher Dämon in ihrem Herzen. „Stimmt es, dass der blonde Blödmann beinahe gestorben wäre?“ Zelda umkrallte fester und fester die glühend heiße Teetasse in ihren Händen. Doch Preston lachte nur: „Wer immer das getan hat, hätte es mal lieber richtig machen und uns von diesem Heldchen befreien sollen.“ Zeldas Augen standen weit aufgerissen angesichts dieser Worte. Zügellos packte sie die Plastiktasse und pfefferte Preston das heiße Getränk in das hochnäsige Gesicht. Ein heftiger Schrei wurde in der Cafeteria hörbar, zwei Hände rieben erschrocken auf dem verbrühten Gesicht. Nur wenige Sekunden später hatte der schwarzhaarige Jugendliche sein Gesicht mit einem Taschentuch gesäubert und packte erbost und sauer die Oberarme Zeldas, hielt sie fest und grinste nicht die Spur eingeschüchtert aus seinem halbverbrühten, rotglühenden Gesicht hervor. „So widerspenstig?“ Seine Zunge flatterte ekelerregend über seine bleichen Lippen. „Das gefällt mir an dir, Schätzchen.“ Empört zappelte Zelda herum und fauchte: „Lass’ mich in Ruhe, du Dreckskerl, sonst...“ Aber zu Prestons Vorstellungen einer geglückten Anmache gehörte das zänkische Verhalten eines Weibs, so wie er Mädchen nannte, einfach dazu. Es stachelte ihn irgendwie an, wenn junge Dinger sich so wehrten. In dem Augenblick packte ein weiterer Jugendlicher Preston an beiden dürren Armen, riss ihn schnell und mitleidlos herum, sodass er auf dem Boden aufschlug. „Verzieh’ dich Preston“, sagte eine bekannte Stimme und zwei rehbraune Augen funkelten bedrohlich aus einem schönen Gesicht. Preston spuckte genervt auf den Fußboden und trampelte murrend aus der Cafeteria hinaus. Der Jugendliche legte eine Hand auf Zeldas Schulter und meinte freundschaftlich: „Alles in Ordnung?“ Zelda nickte nur und blickte trübsinnig zu Boden. „Möchtest du uns nicht vielleicht Gesellschaft leisten, Maron und Sara warten da drüben“, sagte er. Doch Zelda schüttelte abtuend den Kopf. „Danke Rick... du bist wirklich ein Prinz“, sagte sie und lief wieder zu dem Kaffeeautomaten, um sich einen neuen Tee zu holen... Unschöne Erinnerungen machten sich in Zeldas Gedankengängen breit, als sie Prestons Gestalt hämisch grinsend an dem Baum angelehnt anblickte, hier in Hyrule. Aber was hatte Preston nun schon wieder hier zu suchen und warum war er ihnen gefolgt und in diesem mitleiderregenden Zustand. Vor allem das eine ausgestochene Auge sprang den beiden Hylianern ins Gesicht. „Guten Morgen ihr zwei Hübschen, hattet ihr ein wenig Spaß zusammen, wie“, muckte er belustigt auf und trank aus seiner langhalsigen Schnapsflasche einen großen Schluck. „Was willst du, Preston“, sagte Link und stellte sich halb schützend vor seine Prinzessin. Geschmeidig und vorbereitet auf einen Kampf wanderte der Schwertarm des Helden zu dem Ledergriff seiner Waffe, während er in der anderen Hand fest diejenige Zeldas hielt. Der Schwarzhaarige aber lachte kollernd und schnippte mit den Fingern. „Denkst du ich bin so blöd und lege mich in meinem Zustand mit dir an, Heldchen“, schwatzte er scherzend. „Was ist mit deinem Auge passiert“, meinte Link ohne auf jene herausfordernde Frage einzugehen. Preston torkelte wenige Schritte näher, als aber Link drohend sein Schwert in die Länge streckte und ihm unmissverständlich klar machte, dass er erstens nicht auf sein falsches Spielchen einging und zweitens eine nähere Gesellschaft von ihm nicht brauchte. „Ach das Auge... das war zu verräterisch... haha...“, lachte er und nahm wieder einen heftigen Zug von der Flasche. „Es wollte wohl nicht mehr bei mir sein...“ Dann wanderte sein hungriger Blick, wo Gier gemischt mit Verrat so viel über ein krankes Herz denunzierte, zu der blonden Hylianerin, die sich leicht an Link anlehnte. „Ich habe gedacht, das Heer des Bösen hat dich gefunden und getötet, Prinzeschen?“ Links wütender und doch verletzlicher Blick streifte den Prestons, während jener nur das hängende Gesicht Zeldas prüfte. „Aha“, meinte er und zupfte an dem kurzen Bart seines Kinns herum. „Da scheine ich ja den Pfeil ins Schwarze getroffen zu haben. Wärst du beinahe gestorben, Schätzchen? Wie scheußlich. Das muss deinem Heldchen ja unheimlich weh getan haben.“ Preston lachte wieder rumorend, fühlte Genugtuung angesichts des weichen Blickes in Links Augen, der plötzlichen Angst, die sich allmählich von der Wut darin besiegen ließ, als ob eine Flut die stolzen Klippen an Hyrules Hafen einnahm. „Lass’ dich nicht reizen...“, sagte Zelda leise und drückte seine Hand in ihrer ein wenig. Link schüttelte bloß den Schädel und tobte dann erneut: „Also, was willst du? Geh’ zurück zu Ganondorf. Dort bist du besser aufgehoben als hier.“ „Ach Ganondorf...“, sagte Preston und blickte schmerzverzerrt zu Boden. „Der Fürst des Schreckens findet euch beide sowieso. Ihr werdet niemals gewinnen. Keiner kann gegen ihn bestehen.“ Und Preston ließ die Schnapsflasche aus seiner Hand sinken, sodass sie in einem Scherbenregen zu Boden krachte. „Ihr habt ja keine Vorstellung von seiner Macht.“ Aufgeregt und plötzlich alles andere als widerlich, fuhr der Jugendliche mit dem einen Auge fort: „Ich kenne seine Pläne und ich weiß, was er alles noch tun könnte, um euch endlich auszumerzen. Ihr denkt, ihr hattet bisher Glück ihm noch nicht begegnet zu sein? Hier in Hyrule. Genau das ist ja seine Absicht. Er will euch in Sicherheit wiegen. Denn er wird euch finden, früher oder später, und dann holt er sich die Macht in euch, an die er immer noch ein Interesse hegt.“ „Bist du uns gefolgt, um uns das zu sagen? Um uns zu verunsichern“, fragte Zelda hysterisch. Sie riss sich aus Links Hand los und stürmte erbost zu Preston, der sich wieder an einen hartschaligen Baum anlehnte. „Ist das alles, was du in deinem verdammten, kranken Hirn hast? Willst du uns die letzte Hoffnung nehmen.“ Aufgeregt breitete die Prinzessin ihre Arme aus und sagte laut und eindringlich: „Wir wissen, wie gering die Chancen sind, wie schlecht es um die Welt bestellt ist, aber wenn wir gleich aufgeben würden, so wie du, dann wäre Hyrule schon in der aller ersten Schlacht gegen das Böse gestorben. Du hast kein Recht unsere Hoffnung ins Grab zu bringen. Also verschone uns mit deinem billigen, angetrunkenen Gefasel und geh’!“ Link lief näher und zog Zelda mit seiner freien Hand an ihrem Bauch an sich, und hielt Preston das Schwert vor die Nase. „Rück’ endlich raus mit der Sprache. Was willst du von uns?“ Doch diese liebevolle Reaktion von Link, der seine Prinzessin in die starken Arme zog, hätte der verräterische Preston mit keiner Silbe erwartet. Irritiert beurteilte er die beiden strahlenden Verliebten, schaute sich das plötzlich so sanfte Gesicht einer zukünftigen Königin Hyrules an, die sich zu dem blonden Hylianer drehte und sich an seinem entschlossenen Blick ein Beispiel nahm. „Da haben sich ja zwei gefunden, was“, maulte Preston und bedecke mit einer Hand das blutende Auge. „Hast du’s ihr wenigstens ordentlich besorgt“, setzte er gaffend hinzu. Mit offenem Mund stand Link einfach nur da und fühlte sich auf jede erdenkliche Weise erniedrigt. Teuflisch und makaber sauste dieser Satz in seinem Kopf umher. ,Hast du’s ihr wenigstens ordentlich besorgt.’ Seine Hand, die sich um das robuste, lederne Schwertheft wand, schien plötzlich explodieren zu wollen. Hitze und unhaltbare Energie strömte von seiner Hand in das einfache Kampfschwert hinein, bereit zu töten, bereit sich zu rächen... Puderrot um die Nase wedelte Zelda mit einer Hand und beförderte Preston mit einigen wilden Streichen in die kalte Luft, bis er knackend und bewusstlos auf der Straße aufschlug. Zeldas Körper vibrierte beinahe vor Macht. Ihre blonden, langen Haare standen zerzaust in alle Richtungen und ihre blauen Augen glühten teuflisch. Sich zurücknehmend und ihre magischen Kräfte zurückfahrend, atmete sie hastig ein und aus, legte den Tränen nahe ihre Hände auf den weichen Mund. Sie wollte die Kontrolle nicht verlieren, aber dieser Satz hatte jeglichen funktionierenden Verstand zum aussetzen gebracht. Erschrocken und beschämt über sich selbst torkelte sie einige Schritte rückwärts und suchte die Nähe ihres Helden. „... ich wollte das nicht...“ „Es ist in Ordnung, er hätte uns nicht so demütigen müssen...“, sagte Link, fühlte seine eigene Energie wieder in den Nebeln seiner Erinnerungen versinken, drückte einen Kuss auf ihre zarte Wange und lief vorsichtig zu Preston hinüber. Lachend richtete der Kerl sich wieder auf, spuckte einen lila Schleim aus seinem Rachen und blickte beinahe erfreut zu der Prinzessin, die sich für sich selbst schämte. „So ist’s richtig, Schätzchen. Genau das will Ganondorf...“ „Wie meinst du das“, sagte Link und richtete sein Schwert gefährlich nahe an Prestons aufgeriebene Kehle. „Er glaubt noch an die alte Macht in euch beiden und will um alle Mittel, dass ihr die Kontrolle verliert, denn dann wird er euch finden, dann wird er zuschlagen und dann wird er töten und sich holen, was sein Begehr ist.“ „Warum erzählst du uns das? Und was versprichst du dir davon?“ „Hilfe“, sagte Preston frei heraus. „Wie bitte?“, murrte Zelda und trat neben ihren Helden. Wie zwei stolze Richter standen die beiden hylianischen Seelen vor dem am Boden liegenden Körper Prestons. „Ich will wieder in die wirklich Welt. Ich will wieder ein Mensch sein.“ „Und du denkst, wir würden dir dabei helfen?“ Diesmal war es Zelda, die lachte und ihre hübsche Nase in die Höhe reckte. „Wir sollen Mitleid mit dir haben, nach allem, was du sagtest, was du getan hast?“ Diesmal schwieg Preston und sank mit dem letzten lebenden, schwarzen Auge zu dem sandigen Pfad, auf dem sie standen. Auch Link stimmte zu, kein Funken Mitleid, kein Funken Güte aus seinem edlen Herzen. „Immer wieder hast du andere gedemütigt, dich am Leid anderer erfreut, andere ausgelacht. Denkst du, ich könnte nach allem, was geschehen ist, noch den Versuch wagen wollen, dir zu vertrauen?“, pfiff Link und setzte das Schwert gefährlich nahe an Prestons Kehle. „Wie viele Menschen in deiner Umgebung hast du verletzt, allein in der Schule? Und nun erwartest du Mitleid?“ Preston lachte wieder, stand auf und schüttelte den Kopf. „Ich habe gleich gewusst, dass ihr nicht bereit seid, eure Hände für mich ins Feuer zu legen. Selbst, wenn ihr beide die besten, edelmütigsten und herzensgütigsten Menschen des gesamten Planeten seid... Aber...“ Und Preston zog seine lila Mundwinkel nach oben. „Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen...“ Damit drehte sich der Verräter Preston um und marschierte hinein in das rote Farbenmeer im Osten, verschwand in einer violetten Kontur, bis sowohl Zelda als auch Link ihn nicht mehr ausmachen konnten... „Glaubst du, wir haben das Richtige getan?“, sagte Zelda, während sie verschwommen in das strahlende Rot der Morgensonne blickte, ihre Augen zukniff und wieder öffnete. Link legte einen Arm um ihre zierlichen Schultern und sagte gedämpft. „Ich hoffe...“ Kapitel 91: Geheimnisse der Vergangenheit XIV --------------------------------------------- Kapitel 74: Geheimnisse der Vergangenheit XIV Der König Hyrules öffnete mühsam die große Tür in Zeldas gemütlichen Saal, hielt jenes Tor offen, sodass Hyrules Held der Zeit mit der verletzten Prinzessin auf seinen Armen eintreten konnte. Link, der sich zunehmend hilflos vorkam, lief langsam, mit einer zitternden Zelda auf seinen Armen durch den Saal, hinaus in ihr Schlafgemach. Sachte, mit äußerst gefühlvollen Bewegungen legte er sie auf das Bett und deckte ihren verletzten Körper mit einer flauschigen Decke zu. Er strich einige von Zeldas Strähnen aus ihrem Gesicht, worauf sie ihre Augen öffnete. Ein zaghaftes Lächeln zeigte sich auf seinem und leise murmelte er: „Hey, ich dachte, du wärst eingeschlafen, Engel.“ Aber seine Stimme klang ein wenig verzweifelt, ein wenig zittrig, sodass seine Versuche, die junge Thronfolgerin damit aufzuheitern keinen Sinn hatten. Sie sagte nichts, wie auch. Sie fühlte sich, als wäre jedes Wort, welches sie sagte, belanglos. Dumm. Falsch. Sie sah ihn mit verweinten Augen an, erkannte die Sorgenfalten in seinem Gesicht und hatte den Wunsch, ihm alles zu erklären, ihm zu sagen, dass nicht die eine Sache geschehen war, die sie in seinem Gesicht ablesen konnte. Link beugte sich leicht über sie und gab ihr einen Kuss auf die lädierte Stirn. Er drehte sich um und wollte gerade aus dem Raum gehen, als Zelda ihn an seinem Arm zurückhielt. „Bitte… bitte bleib’ bei mir, Link.“ Er nickte, zog einen Holzstuhl heran und setzte sich darauf. „Ich möchte dir erzählen, was passiert ist…“, begann Zelda. Aber der junge Held schüttelte mit dem Kopf. „Nein, du musst dich jetzt ausruhen, was immer man dir auch angetan hat.“ „Aber es ist wichtig… Link… es war Ganon.“ Auch der König kam jetzt in das Gemach, hatte mit halbem Ohr zugehört und sah drein, als stände der Sensenmann vor ihm. Links Atem stockte, schockiert klammerte er sich an die Stuhllehne und verkrampfte sich. „Ganon?“ Sorgenvoll ließ Zelda ihren Blick schweifen und hielt sich eine Hand an den schmerzenden Kopf. „Ja… sein Schatten ist frei. Oh, Link. Was, wenn er sich schon gänzlich befreien konnte?“ Zelda biss die Zähne zusammen, kämpfe mit ihren Schmerzen und den Erinnerungen an eine lange Zeit voller Schrecken, die sie als Shiekah durchmachte. Jene grausamen sieben Jahre, voller Angst, Qual und Pein. „Warum? Warum muss er schon wieder Unheil säen. Hat er nicht endlich genug?“ Erneut packte Zelda die Verzweiflung und sie kauerte sich unter ihrer Decke zusammen. So spielte das Schicksal mit ihnen, dachte sie. Auf diese grausame, hinterhältige Weise hielt das Schicksal Überraschungen für Auserwählte bereit. Erneut näherte sich, was einem Teufelskreis glich und immer wieder würden Unschuldige in jene Kämpfe hineingezogen werden. Zelda schlug mit ihren Händen verzweifelt auf die Kante ihres Bettes, verabscheute sich selbst, da sie sich so nutzlos vorkam, und nicht einmal mehr ihre magischen Kräfte einzusetzen wusste. Erneut fielen Tränen der Verzweiflung. Link konnte nicht anders. Entgegen dem überraschten Gesicht des Königs, setzte er sich auf das mit weißem Bezug umhüllte Bett, umklammerte seine Prinzessin und hielt sie fest, ließ sie weinen und streichelte ihr über das blonde Haupt. Es war ihm so egal, was Harkenia dachte. „Zelda…“ Ein leises Murmeln des Mitgefühls, der Anteilnahme. „Tut mir leid, Link…“ Sie entschuldigte sich für ihre Tränen, ihre Armseligkeit und Gelähmtheit. „Wie soll’ ich denn schon wieder… das Land vor Ganon schützen? Ich kann einfach nicht mehr…“ Sie hielt sich krampfhaft an seiner roten Tunika fest und weinte ihre Tränen. „Ruhig… Du brauchst vor mir nicht Rechenschaft ablegen“, sagte Link leise und nahm ihre Gesicht in beide seiner Hände. Er blickte tief in diese kristallblauen Augen, aber sie wich dem Blick aus. Harkenia sah nur zu, ein wenig verdutzt, wie nah sich die beiden waren, teilweise sogar neidisch auf Link, da der König selbst seiner Tochter nicht so nah stand, oder stehen konnte aufgrund seiner Aufgabe für das Königreich und seiner Feigheit ihr emotional näher zu sein. Er ging leise aus dem Raum und ließ die beiden alleine. Draußen auf dem hellerleuchteten Gang traf er eine aufgeregte Impa, einen Heiler, ein junges Mädchen und Caldrian. Harkenia meinte leise: „Ich denke, wir sollten die beiden jetzt in Ruhe lassen…“ „Aber mein König? Was ist denn nur geschehen?“, sagte Impa hysterisch. „Zelda wurde übel zugerichtet… ich weiß nicht genau, was geschah. Aber sie redete von Ganondorf…“ Impas Augen platzten vor Fassungslosigkeit beinahe aus den Höhlen. „Wenn Ganondorf etwas damit zu tun hat, dann… dann würde das ja bedeuten, er hat sich befreien können. Heilige Din, wenn dem so ist, dann bleiben uns nur noch Gebete…“ Caldrian sah schockiert drein und drehte sich zu dem Mädchen um, welches sich schon seit vorhin in Impas Begleitung befand. Link lag eng umschlungen neben einer fiebernden Zelda, die Angst davor hatte, Ganondorf würde in der Lage sein, die gierige Rache in seinem kranken Hirn auszuführen. Und seine Rache würde an Grausamkeit die Vorstellungskraft weit übersteigen. Er könnte Hyrule erneut zu einem Ort machen, an welchem Dämonen ihr Unwesen trieben, ein Land geschaffen für das Böse. Der junge Held richtete sich langsam auf, als Zeldas Augen geschlossen waren und legte die weiche, kuschelige Decke erneut über. Er schaute hinaus aus dem Fenster, stellte sich vor, wie es sein würde, wenn der Himmel nicht mehr blau leuchtete, wenn die Bilder der Vergangenheit erneut lebendig wurden. Finsternis. Tod. „Link…“ „Mmh…“, antwortete er und beugte sich wieder über sie, streichelte ihre blassrosa Wangen, wollte, dass die Wunde an Zeldas Stirn verging, wünschte sich, ihre aufgeplatzte Lippe wäre wieder heil und das blauumrandete Auge verschwunden… „Glaubst du… an ein Leben in einer anderen Welt?“ „Wie meinst du das?“ Auch Zelda richtete sich ein wenig auf. Ihr zerrissenes Gewand kam über der Decke zum Vorschein. „Manchmal wünschte ich, dieses Volk wäre in einer Welt zuhause, in der es kein Triforce gibt. Ein Land, in welchem Magie nur in Geschichten ruht und es niemanden gäbe, der seine Klauen über eine Macht legt, die man als Segen bezeichnete… Vielleicht wäre das Leben dann leichter… Glaubst du, es gibt so eine Welt, Link?“ „Ja, ich verstehe. Aber fehlt den Geschöpfen, die das Licht der Welt erblicken, dann nicht etwas?“ Er streichelte leicht über Zeldas offene Lippe. „Wenn sie die Macht, das Schicksal, die Götter, nicht kennen, gibt es möglicherweise keinen Grund, jene zu vermissen und man lebt sein Leben auf eine andere Art und Weise.“ Ein verstecktes Lächeln umspielte Zeldas Lippen. Dann griff sie sich ruckartig an ihren Kopf und stöhnte leise. „Verflucht…“ Link lehnte seine Stirn gegen ihre und lächelte eindringlich. Beruhigt stellte er fest, dass Zelda den schlimmsten Schock überstanden hatte. „Willst du mir immer noch erzählen, was passiert ist?“ Sie nickte und legte ihren Kopf auf seine Schulter. „Ich hatte ein Gespräch mit Vasard bezüglich seiner Einstellung dir gegenüber.“ „Erzähl’ weiter. Ich höre dir zu…“ Zelda schmunzelte leicht. Sie wusste, dass er ihr stets zu hörte. Eines der Dinge, die ihn so außergewöhnlich machten… seine Fürsorge, sein Verständnis für die Menschen in seiner Umgebung. Eine Eigenschaft, die man lieben musste. „Er griff mich zuerst mit Worten an. Erzählte mir von einem Recht, das er zu besitzen glaubte. Er wollte Hyrule und er begehrte mich…“ „Das tun viele, Zelda, ich meine, dich begehren…“, sagte er leise. Doch die Prinzessin Hyrules glaubte, sich verhört zu haben. Diese Worte aus dem Mund von Link? „Erzähl’ mir nicht, du bist einer von ihnen…“, sagte sie stur. Als Link darauf nicht antwortete, versuchte sie eine Verbindung zu seinen Gedanken herzustellen und erschrak ein wenig, als sie nichts als Zuneigung fühlte, die sehr stark war. „Aber unwichtig…“, meinte sie, versuchte zu überspielen, was sie eben an Liebe wahrnahm und erzählte weiter: „Dann blockierte er meine Kräfte, Link. Und ich sah einen Schatten hinter Vasard. Ich erkannte, dass er gesteuert wurde. Wie ein willenloser Sklave stürzte er sich auf mich und versuchte…“ Sie brach ab. Ihre Worte erstaken in einem Gefühlschaos. Sie legte ihre Arme fest um Links Hals und ihr Ohr an sein Herz- wie gut es tat, dem gleichmäßigen, wenn auch sehr hetzenden Rhythmus seines Herzens zu folgen. Links Hände streichelten über Zeldas zerfetztes Kleid, massierten sanft ihren Rücken. „Hat er…“ Und Zelda wusste, was er wissen wollte. „Nein… es kam nicht dazu, du warst rechtzeitig bei mir… Als er deine Stimme hörte, stürzte er sich aus dem Fenster“, erwiderte sie. „Den Göttinnen sei Dank…“, murmelte er sanft in Zeldas blondes Haar, blinzelte kurz und schloss seine Augen. Er hätte es nicht ertragen können, wenn Ganon Zelda tatsächlich geschändet hätte. Links Durst nach Rache wäre gefährlich gewesen, nicht nur für Ganon, sondern besonders für sich selbst und seine Seele. Denn Rachegelüste konnten Dinge tun, die jegliche Ketten sprengten. Und Link hätte sich gerecht- bis zum Blut- bis zum Tod. „Weißt du schon von Rauru, was am Siegel vor sich ging?“ Zelda schüttelte betrübt mit dem Kopf. „Das Siegel hat Risse, Zelda. Eigentlich wollte ich dir das jetzt aber gar nicht sagen…“ „Ich verstehe, hat Rauru die Weisen schon verständigt?“ „Nicht alle…“ „Die Risse müssen ohne weiteres beseitigt werden.“ Link nickte. „Außerdem erzählte Rauru von einer Art schwarzen Rauch, der aus den Rissen drang. Vielleicht war das Ganons Schatten?“ „Ja, das ist möglich“, bemerkte Zelda. „Nur gut, dass es lediglich Ganons Schatten ist… er wird, meiner Meinung nach, nicht lange ohne seinen Meister überleben…“ „Mmh…“, murmelte Link, genoss Zeldas nach Jasmin duftende Haare und bemühte sich die Kontrolle nicht zu verlieren… Zärtlich nahm er ihre Hände in seine, schloss seine Augen, berührte langsam mit seinen Lippen ihre Finger und küsste diese mit ausdauernder Ergebenheit. Und er würde alles tun, damit Zelda die Grausamkeit der letzten Stunde vergas. „Zelda… ich…“, fing Link an und schaute in ein Paar verwirrte Augen, die nicht verstanden, was es mit seinen liebevollen Berührungen auf sich hatte. „Warum bist du mir die letzten Wochen aus dem Weg gegangen, Link? Lag es an mir“, entgegnete sie leise. „Habe ich etwas Falsches gesagt? Habe ich einen Fehler gemacht“, meinte sie, ein wenig niedergebeugt und versuchte Links Gedanken zu verstehen. Er schüttelte nur mit dem Kopf. „Nein, es war nur…“ „Ja?“ „Zelda, du wirst heute deine Entscheidung treffen, nicht wahr?“ Sie versuchte den Schmerz in seiner Stimme zu überhören. Sie konnte sich nicht eingestehen, und wollte nicht sehen, warum es Link so zusetzte, dass sie irgendeinen Prinzen ehelichen würde. „Ich muss, Link. Versteh’ doch, es gibt keine andere Möglichkeit. Ich habe keine Wahl.“ „Genau. Deshalb wollte ich dir aus dem Weg gehen.“ „Aber du bist mein bester Freund.“ Sie klammerte sich wieder fester an ihn. „Und das werde ich auch immer bleiben, Zelda. Nur…“ „Du wirst Hyrule verlassen, habe ich Recht?“, fragte Zelda leise und spürte einen inneren Druck aufsteigen. Es rüttelte an ihr, ein Gefühl der Verlustangst ohnegleichen. Link nickte, auch wenn es ihm das Herz zerriss, Zelda verlassen zu müssen. Auch, wenn dieser Entschluss langsam ins Wanken geriet. „Bis dahin ist noch Zeit“, sagte er, um von der traurigen Situation ein wenig abzulenken. „Mmh… ein wenig“, sagte sie schwach, kämpfte schon wieder mit den Tränen. „Ich will dich wissen lassen, dass ich sehr oft an dich denken werde, Zelda.“ „Ich auch an dich…“ Sie akzeptierten, dass sich, wie immer in jedem Spiel, irgendwann die Wege der Prinzessin von Hyrule und ihrem Helden kreuzten und wieder trennen würden, wie die Pfade, die das Schicksal auf einem steinigen Weg nahm. Es gab kein Zurück und kein Später. Es war Schicksal auseinander zu gehen. Es war an der Zeit… Endlich löste sie sich aus Links Umarmung und stand auf. Sie kramte in ihrem Schrank nach einem Umhang und fand den alten, abgenutzten von Link, den sie sich mit einem Lächeln um die Schultern legte. Link glotzte nicht schlecht, teilweise betreten und blickte suchend nach einer Ausrede für seine erröteten Wangen in dem Gemach umher. „Weißt du… die Sache hatte irgendwie auch etwas Gutes an sich“, sagte Zelda dann. „Wie bitte?“ Und Link wollte sichergehen, sich nicht verhört zu haben. Was sollte schon gut an Zeldas blauem Auge sein, an ihren Tränen und an der Angst in ihren Augen? Sie lächelte aus dem blassen Gesicht hervor: „Wir reden endlich wieder miteinander…“, meinte sie. Link sagte nichts, lächelte nur ein wenig und blickte Zelda besorgt in die Augen. Er sah etwas darin, eine Spur Dunkelheit, Graue, direkt auf dem Blau ihrer Augen. Etwas, das ihm Angst machte, nicht Angst vor Zelda, sondern Angst um sie… und dieser Schatten wurde immer dichter, nebulöser, als ob er nichts mehr zu Zeldas Seele gelangen lassen wollte. Dann klopfte es und Link sprang ebenso vom Bett auf. Impa kam herein und schaute sich Zeldas Wunden genau an. Die Prinzessin erzählte ihr dann alles im Schnelldurchlauf. Alle Ereignisse. Auch die Dinge, die mit dem Siegel geschahen. Restlos alles. „Gut. Dann mache ich Euch jetzt eine Mixtur, die die Verletzungen lindert, dann schließen wir die Risse im Siegel, verdoppeln dort die Wachen und dann…“ Impa sah zu Link und dann wieder zu Zelda. „… dann erhielt ich vorhin einen königlichen Befehl, der mich anweist dafür zu sorgen, dass Prinzessin Zelda mit ihrem treuen Freund Link das Fest genießt.“ Zeldas Mund klappte auf. „Das hat mein Vater gesagt?“ Impa wippte zufrieden mit dem Kopf auf und ab. „Ich würde sagen, damit will er Link danken, dass er Euch half und seinen eigenen heimlichen Wunsch erfüllen.“ „Heimlicher Wunsch?“ „Der Wunsch, dass seine Tochter wieder lachen kann.“ Ein einzelne Träne tropfte von Zeldas Wange. Heute hatte sie wahrlich genug geweint… „Danke Impa. Aber wie bekomme ich das blaue Auge weg?“ „Keine Sorge, ich habe da schon grandiose eine Idee.“ Zelda versuchte zu lächeln. Zum Teufel mit Ganon. Wegen dem durfte man sich das Fest des Friedens nicht verderben lassen… Die Prinzessin drehte sich zu Link und nickte. Kapitel 92: Zwischen Gräbern und Zweifeln... -------------------------------------------- Kapitel 75: Zwischen Gräbern und Zweifeln... Am frühen Nachmittag kamen Zelda und Link trübsinnig in der prachtvollen Stadt Kakariko an. Aber die Schönheit des Ortes, denn die alte Stadt war geschmückt mit Blumen und Gebäck, Luftschlangen und hylianischen Zauberspäßen, die man auch jetzt noch aktivieren könnte, beschworen den beiden Heldengestalten kein Lächeln auf das Gesicht. Denn, wenn Ganon über ihre Pläne wusste, wenn er tatsächlich nur mit ihren spielte und ganz genau erkannte, wie dringend sie ihren Hoffnungsfunken am Leben erhalten mussten, dann... gute Nacht und Ade schöne Welt. ,Aber vielleicht stimmte das auch gar nicht’, dachte Link. Hatte Preston andere nicht immer wieder zum Narren gehalten und versucht überall Zwietracht zusähen? Hatte er nicht ständig über die fiese Tour versucht, seine eigenen, falschen und niederträchtigen Bedürfnisse zu erfüllen? Und was meinte er mit diesen Mächten in dem Inneren der beiden Auserwählten? Sicherlich, sowohl Zelda als auch Link selbst hatten magische, wirkungsvolle Fähigkeiten. Aber waren das denn nicht nur Überbleibsel aus einer anderen Epoche? Oder verbargen sich die geheiligten, machtvollen Fragmente, die Schlüssel zur Existenz in Hyrule, immer noch in ihnen beiden und hatten ihren Dienst in der alten Seele und nicht, so wie immer angenommen, im Elfenkörper? In ihre Gedanken versunken und schweigsam trampelten sie die Hauptstraße in Kakariko entlang, direkt auf dem gepflasterten Weg zu dem weiten, düsteren Friedhof, wo sich ein Hinweis für den Aufenthalt des nächsten Elixiers verbarg. Mühsam und schnaufend nahm Zelda die Karte von Hyrule aus Links brauner Gürteltasche und studierte die kleine Markierung, wo mit schwacher schwarzer Tinte ,Anhaltspunkt’ drüber stand. „Das bedeutet, das Elixier des Schattens befindet sich an einem anderen Ort, nicht wahr?“, sagte Link nachdrücklich. „Ja, aber ich vermute, dass dieses nicht allzu weit von Kakariko entfernt ist... wir haben doch das Recht auf ein wenig Glück, meinst du nicht?“, meinte sie zitternd. Und Zelda schaute tief und forschend in seine anziehenden blauen Augen. Verliebt zog Link sie an sich, streichelte vor ihrem rechten Hylianerohr die honigblonden Haare beiseite, wollte ihre Hoffnung wieder stärken, wollte sie aufmuntern... „Ich mache mir solche Sorgen...“, sagte sie leise und drückte das Gesicht in seine robuste Leinentunika. „Was, wenn Ganondorf uns findet, bevor wir die Mission beendet haben...“, ergänzte sie schwach. Immer leiser wurden ihre Worte, belegt mit dem warmen Atem, den Link durch den grünen Tunikastoff fühlen konnte. „Und wenn Preston uns verrät?“, seufzte sie und hielt sich an ihrem Helden fest. „Das wird er nicht“, sagte Link eindringlich und legte beide Hände auf die schwachrosa Wangen seiner Prinzessin. Er rang sich zu einem ermutigenden Lächeln, welches Hoffnung spendete, welches stärkte und Zeldas Überlebens- und Kämpferwillen forderte. „Und wenn Ganon uns findet, dann bekommt er von mir ein paar auf sein hässliches Schweinemaul“, sagte er anspornend. „Gut?“, meinte er, als Zeldas Augen leuchteten und halb in seinen versanken. „Gut“, bestätigte sie nickend. Ganondorf saß zu dem Zeitpunkt einmal wieder gelangweilt auf seinem selbsternannten Thron in der Kirche Schicksalshorts. Zermürbend rieb er seinen rechten Daumen gegen den naheliegenden Zeigefinger und wartete auf Berichterstattung irgendeines Idioten aus seiner Armee von noch größeren Idioten, die sich Moblins nannten. Denn vor wenigen Stunden hatte er ruckartig wahrgenommen, wie plötzlich Hunderte von Ihnen ausgelöscht wurden und das ohne Zutun irgendeines Helden... Selbstherrlich schritt Ganondorf an eines der zerbröckelten Fenster und runzelte die Stirn. In dem Augenblick trat ein kleiner pelzhäutiger Moblin mit schiefen Zähnen und einem beißenden Gestank in die Kathedrale ein. Neben den angefrorenen Fingern und den aufgerupften Beinen war es das Zittern, welches den Fürsten des Schreckens hellhörig werden ließ. „Ja, was willst du, Ratte?“ „Sie sind alle tot“, sagte er piepsend und wich vor der sicherlich tobsüchtigen Reaktion seines Meisters zurück. „Das weiß ich bereits, Dummkopf.“ Damit wand sich Ganondorf in die Richtung des kleinen Dämons und schnitt mit seinen teuflisch roten Augen durch die Luft. „Wie seid ihr umgekommen, rede gefälligst“, drohte er und schritt langsam und gefährlich auf den wehrlosen Dämonenknilch zu. Schutz suchend blickte der Moblin in alle Ecken der in Dunkelheit gekleideten Kirche und dann schwankend zu seinem Herrn. „Schneelawine“, brachte der Knilch babbelnd hervor. „Und wie kommt es dann, dass du noch lebst, Würstchen?“, fauchte der Teufel, ohne auf diese Frage eine Antwort zu erwarten, und ließ sich deprimiert in seinen Thron zurücksinken. Ungläubig stand der kleine Dämonenwinzling vor dem Eingangstor und blickte verwundert zu seinem Herrn. Er hatte mit einer Strafe gerechnet, so wie es Gang und Gebe war, aber der Gebieter über Dämonenunrat hatte anscheinend heute andere Absichten. „Was ist denn noch?“, wetterte Ganons kraftvolle Stimme umher. Damit hüpfte der Moblin schnell und flüchtend durch einen Seiteneingang und ließ einen angewiderten Ganondorf zurück. Derweil erreichten eine trübsinnige Zelda und ihr Heroe den alten, riesigen Friedhof in Kakariko, wo schon seit vielen Hundert Jahren die verstorbenen Leiber des Volkes ruhten. Eine riesige Grabanlage stand vor ihnen, Hunderte zerfallene Gräber, tiefe Grüfte, monumentale Mausoleen und mit altem Gras bewachsene Totenhügel. Hylianer aus jeder Gesellschaftsschicht ruhten hier, egal ob Kriegsgefallene, frühzeitig gestorbene Kinder, oder auch die Opfer der Pest... Und jeder kleine, aufgestreute Kiesweg, welcher den Weg zu allen Gedenkstätten ermöglichte, führte in letzter Instanz doch nur zu der steinernen, dunklen Totenhalle in der Mitte des gigantischen Friedhofs. „Wir sollten uns vielleicht kurz in der kleinen Friedhofshalle umschauen. Möglicherweise findet wir dort einen Hinweis auf den Verbleib des Elixiers der Schatten...“, meinte Link gedämpft und blickte gleichzeitig sorgenvoll in die grauen Wolken, die tief über dem Gräberanlage hingen. „Ja... wie du meinst“, entgegnete Zelda und war mit ihren Gedanken an einem völlig anderen Ort. Noch immer dachte sie über Prestons Worte nach, grübelte darüber nach, welche Möglichkeiten und Wege sich aufgetan hätten, wenn sie beide dem Kerl doch eine Chance gegeben und ihm geholfen hätten. Einzelne Tropfen fielen vom grauen Himmelszelt herab, sammelten sich in den alten Gräsern und auf den kiesigen Wegen. Schweigsam stapften die Jugendlichen zwischen Gräbern und Totenhügeln hindurch, lasen ab und an die eingemeißelten Schriftzüge auf den Gedenktafeln, fanden aber auch Grabsteine vor, die nicht einen Schriftzug hatten... „Nanu?“, meinte Link neugierig, noch immer bemüht seine Prinzessin abzulenken. „Gibt es einen Grund, warum diese Gräber keine Gedenkworte besitzen?“ Aber Zelda zuckte mit den Schultern, obwohl sie die Antwort wusste. Sicherlich, sie verstand ihren Helden in der Hinsicht, dass er sie ablenken wollte, aber im Augenblick war ihr jegliche Nähe und jegliches aufmunternde Wort zu viel... Sie blieb nachdenklich stehen und löste ihre Hand aus der warmen Links. Betrübt, denn man konnte es in seinen tiefblauen Augen sehen, wand sich Link zu ihr, aber sie blickte zu dem teilweise nassen Boden. „Zelda?“ Er wollte sie wenigstens umarmen und sie um Antwort bitten, aber sie schloss die Augen und rieb sich nur über die Stirn. Nachdenklich, als wollte sie einem alten, tiefen Geheimnis auf die Spur kommen. Sie ließ den Kopf hängen und murmelte leise: „Wir hätten länger im Haus der Götter bleiben sollen...“ Sie machte eine kleine Pause. „Wenn ich daran denke, dass wir vielleicht nur noch diese wenigen Tage zusammen haben... wenn Ganondorf uns findet... wenn er...“ Und Link schwieg, bedacht ihren Worten aufrichtig zu folgen. „Ich will...“ Mit tränenden Augen blickte sie auf und hatte ihre Hände zu Fäusten geballt. „Ich will... dich einfach nicht wieder... verlieren...“, endete sie und wischte sich die salzige Flüssigkeit aus den Augenwinkeln. Traurig und aufrichtig blickte Link ihr entgegen und ließ sich vor ihr auf ein Knie sinken. Mit geschlossenen Augen nahm er ihre rechte Hand und führte diese an seine Lippen heran und dann streichelnd zu einer Wange. Währenddessen ergoss sich der Himmel immer wütender über ihnen und ein Blitz zuckte warnend über die dichten Laubkronen der alten Bäume hier und da, welche seit Jahrhunderten tief in der hylianischen Erde wurzelten. Link küsste ihre rechte Hand erneut, bis sich Zelda zu ihm auf das klatschnasse Gras sinken ließ. Unhaltbar drängte sich eine plötzliche Leidenschaft in ihnen beiden auf und sie küssten sich sehnsüchtig. Alles um sie herum wurde unwichtig, während der kühle Regen sich auf ihren Kleidern wiederfand und an ihren blonden Haaren hinabsegelte. Donner grollte über ihnen, aber sein gefahrvolles Rauschen, der Stoßatem der Götter, den er prophezeite, war so belanglos in jenem Moment. „Ich verspreche dir... Zelda... ich verspreche dir, dass...“ Aber sie unterbrach ihn mit einem fordernden Kuss, während eiskalter Regen niederging. Fest und Wärme suchend zog sie ihren Helden an sich und lauschte seinen einprägsamen Worten. „Wir haben noch Zeit... und wir werden es schaffen... Wir können jetzt doch nicht aufgeben, mein Engel... In jeder Legende, in jeder Generation, wenn das Böse sich zeigte und die Helden Hyrules erwachten, in jeder Epoche... immer stand der Sieg auf der Seite des Guten. Wir werden siegen... wir siegen...“ Er endete leise, bedacht, die richtigen Worte gewählt zu haben. „Ich liebe dich, Zelda... ich werde dich nie wieder alleine lassen...“ „Nie wieder?“, wimmerte sie halb. „Nie mehr wieder... Aber jetzt müssen wir weiter. Wir müssen jetzt durchhalten und kämpfen. Nur wir können das Böse in seine Schranken weisen...“ „Ich weiß...“, sagte sie und wischte sich die plötzlichen Verzweiflungstränen aus dem Gesicht. „Entschuldige...“ „Nein. Du brauchst dich für nichts entschuldigen, Zelda.“ Link löste sich ein wenig von ihr, berührte mit seiner Nasenspitze spielerisch die ihrige und lehnte seine Stirn gegen ihre. „Mein kleiner Jammerlappen...“, murmelte er aufheiternd. Und Zelda schmunzelte leicht, obwohl sie weinte, obwohl sie sich fest vorgenommen hatte, sich nicht wieder so leicht zum Lachen bringen zu lassen. Aber es war anscheinend eine besondere Gabe ihres Helden, die er bezaubernd gut beherrschte. „Mein süßer, kleiner Jammerlappen...“, wiederholte er und blickte direkt und aufheiternd in ihre schönen, blauen Augen. „Du Idiot...“, sagte sie unter ihren Tränen und ärgerte sich heimlich, dass es für Link so einfach war, sie aufzuheitern. „Ist dir eigentlich klar, wie... toll du bist.“ Er grinste und zog seine Zelda mit den patschnassen Klamotten an sich heran. „Ich weiß ganz genau, wie toll ich bin...“ Sie lachte durch ihre Tränen hindurch, sie lachte und fühlte sich wieder ermutigt genug, den Weg fortzusetzen. Als sie sich durchgeweicht in der Friedhofskapelle befanden, war die Trübsinnigkeit von vorhin passe und der junge Held stellte erneut die Frage von vorhin. „Also, mein Schatz, warum hatten einige Gräber keine Aufschriften?“ Währenddessen kramte er in einem kleinen Regal herum, welches versteckt in einer kleinen Ecke stand. Zelda schnüffelte in dem Augenblick in einem Bücherregal herum. „Räuber sowie Geächtete hatten nicht gerade das Recht auf Gnade, selbst nach dem Tode nicht... und daher verdienten sie nicht, dass ihr Name auf dem Grabstein steht“, meinte sie und blies den Staub von einem sehr großen, aber überraschend leichten Buch. Sie nieste herzlich, als der zentimeterdicke Staub ihre empfindliche Hylianernase kitzelte. Link sah mit großen Augen auf. „Was? War Harkenias Herrschaft denn so grausam?“, sagte er überrascht. Aber Zelda blickte sanftmütig zu ihm. Sie schüttelte den Kopf und widmete sich erneut dem sehr leichten Buch. „Nein, selbstverständlich nicht. Wir lebten in einem sehr fortschrittlichen Hyrule... dem gerechtesten Königreich unter der Sonne...“ Link lächelte und kramte in einem kleinen Fach herum, wo neben Scheren, alles mögliche für die Näharbeit zu finden war. Nadeln in jeder Größe, Wolle, Garn und andere Materialien... „Zu deiner Familie, Zelda, gehörte damals noch jemand außer deinem Vater?“ Etwas, worüber sich Link zum Ärger seiner selbst noch nie Gedanken gemacht hatte. Eigentlich wusste er noch überhaupt nichts über das Leben, welches Zelda damals geführt hatte, wusste nichts über ihre damaligen Vorlieben, ihre Sehnsüchte, ihre Freunde... Betrübt schüttelte sie den Kopf. Sich selbst am liebsten eine Ohrfeige geben wollend, weil er seine hübsche Zelda schon wieder zum Traurigsein verführte, kramte er in einer hohen Truhe herum. Plötzlich spürte er Zeldas warmen, zarten Hände auf seinen Schultern. „Du kannst mir ruhig ein paar Fragen stellen... über unsere Vergangenheit. Wenn du es wünschst, ich erzähle es dir gerne...“ Verliebt mit jeder einzelnen Faser seines Herzens küsste er sie und sagte leise: „Was mich wirklich interessiert, ist...“ Er brach ab. Vielleicht teilweise aus Scham. „Ja?“ „Hätten wir uns damals... lieben dürfen?“, sagte er und suchte die aufrichtige Antwort in Zeldas Augen, die er aber nicht finden konnte. Zelda nahm ihn bei der Hand und sie setzten sich zusammen auf eine Holzbank, während sie das leichte, merkwürdige Buch auf ihrem Schoß liegen hatte. „Ich möchte es dir erklären...“ Und sie schickte ihm ein wahnsinnigmachendes Lächeln entgegen. „Mein Vater hat dich damals schon aufrichtig und ehrenhaft respektiert, Link. Wenn es nach ihm gegangen wären, so hätte er dich gerne als einen Sohn betrachtet, aber als...“ „... als Geliebter der Prinzessin?“, sagte er für sie. „... wohl nicht. Die alten Gesetzen haben dieses Verbot erstellt, nicht mein Vater oder ich...“ Grüblerisch sah Link drein und seine tiefblauen Augen wanderten zu den kristallblauen Zeldas. „Und hätte es denn da keine Möglichkeit gegeben, diese Gesetzte außer Kraft treten zu lassen?“ Sie schüttelte den Kopf. „Wohl nicht... nicht einmal deine Heldentaten hätten ausgereicht...“ „Warum denn nicht?“ „Weil ich nun mal... die Prinzessin Hyrules gewesen bin und in gewisser Weise bin ich sie das ja noch...“ Er legte aufheiternd einen Arm um ihre Schultern. „Aber es gibt doch immer einen Weg. Und ich hätte bestimmt bekommen, was ich wollte“, sagte der Held. „Und ich wollte dich...“ Sie lächelte tiefgehend. „Du gibst nicht auf, was?“ „Und ich habe damals bestimmt nicht aufgegeben.“ Er machte eine kurze, notwendige Pause. „Aber ich glaube, dein Vater weiß es...“ Überrascht blickte Zelda auf. „Nein“, sagte sie laut. „Mein Vater kann nicht gewusst haben, wie ich für dich empfinde oder wie du für mich empfindest.“ Link streichelte verspielt über ihre wunderbaren Hände. „Du irrst dich. Als ich ihm in Irland begegnet bin, da hat er bereits Andeutungen gemacht, obwohl wir noch nicht einmal zusammen waren, obwohl er dich auf der Erde noch nicht getroffen hatte und obwohl ich nicht der bin, der ich damals war.“ Zeldas rosaroter Mund öffnete sich einen schmalen Spalt, als suchte sie nach den richtigen Worten. „Das kann aber doch nicht sein... wenn er es weiß und wusste, wieso...“ Sie brach ab. Das ergab alles keinen Sinn für sie. Oder war das vielleicht gerade der Grund, dass ihr Vater es gerne sah, wenn Link sie besuchte, oder wenn sie zusammen in die Stadt gingen? Hatte er damals mehr gesehen als sie beide? Denn sie entschieden sich in der Vergangenheit immer für das Schweigen, wenn es um gegenseitige Gefühle ging... „Zelda?“ Und Link brachte sie aus ihren Überlegungen, indem er sie kurz an der rechten Augenbraue liebkoste. „Aber wenn ich so darüber nachdenke, dann würde dieses Wissen einige seiner Handlungen erklären, einige seiner Entscheidungen aus einem neuen Licht rechtfertigen...“ „Und dein Vater hätte damals Recht gehabt mit uns beiden... nicht wahr?“ Sie schenkte ihm einen herrlichen Blick, der in Link jede Körperzelle in Bewegung setzte. „Du machst mich wahnsinnig mit deinem süßen Lächeln, weißt du das?“, sagte er und küsste sie verspielt auf ihrer seidigen Wange, wanderte zärtlich hinab zu ihrem Hals. „Du mich mit deinen Liebkosungen umso mehr...“ Doch in dem Moment wurden sie beide von zwei dreist dreinblickenden grünen Augen unterbrochen, die aus einem kleinen Mädchengesicht vor ihnen herausragten. Eine ziemlich vorlaute Göre blickte herausfordernd und teilweise überrascht drein. „Nanu? Habt ihr beide endlich mal was gegen eure selbstverschuldete Frustration getan?“, sagte sie mit ihrer piepsigen Kinderstimme. „Hallo Navi“, sagte Link gelangweilt und rückte sofort einige Zentimeter von seiner Angebeteten fort, um nicht rot um die Nasenspitze zu werden. Aber die einstige Fee grinste. „Und ich dachte schon, das wird nichts mehr mit euch beiden. Ist euch eigentlich klar, wie oft ich versucht habe, euch zusammenzubringen? Vor allem während des Zeitkriegs und nun sitzt ihr hier und beknabbert euch.“ Doch die beiden Hylianer blickten nur verlegen zu Boden und wussten nicht, was sie sagen sollten. Sie gab Link eine kleine Kopfnuss und fuhr fast beleidigt fort. „Na sag’ schon, wer von euch beiden hat den ersten Schritt gemacht, du verlegener Möchtegernheld ja bestimmt nicht, oder?“ „Doch Navi“, schimpfte Link und protzte gleichzeitig. „Ich war das!“ Angeberisch und stolz auf seine Handlung zog er die Nase nach oben. „Tatsächlich? Das erste Sinnvolle, was du in deinem achtzehnjährigen Leben getan hast“, neckte sie und wanderte mit ihren giftgrünen Augen zu Zelda, die nur schamhaft wegblickte. „Hey, Zeldalein, er ist gut in allen möglichen Dingen, nicht wahr?“ Doch so rot, wie die beiden Verliebten nun wurden, hatte man das Gefühl sie hätten sich beim Sonnenbaden in der Zeit vertan und ihre Haut angesengt. „Ach nun seid doch nicht so schüchtern, wurde ja langsam Zeit, dass ihr mal richtig über einander herfallt. Selbst die Liebesgöttin konnte euren Ausweichmanövern und Zankereien nicht mehr zu sehen“, sagte sie belustigt und begann hin und her zu tänzeln, sodass ihre zwei blonden Zöpfe in der Luft pendelten. „Kannst du endlich mal den Schnabel halten, Navi!“, knurrte Link wütend. Doch die einstige Fee wanderte grinsend zu Zelda und meinte: „Warum sollte ich?“, neckte sie und nahm das Buch in die keinen Kinderhände, welches gerade noch auf Zeldas Schoß ruhte. „Das ist ein interessantes Buch, und so leicht, was?“, sagte Navi belustigt und schlug das Buch in der Mitte auf, hatte genau die Seite aufgeschlagen, die sie haben wollte und hielt die Schrift der weisen Prinzessin Hyrules unter die Nase. „Was ist das?“, meinte Zelda und besah sich eine kleine Abbildung eines sehr hohen mit den eigentümlichsten und unbekanntesten Schriftzeichen versehenen Grabes. „Euer Hinweis“, sagte Navi frech und tänzelte wieder um die Holzbank herum, während Link und Zelda verwundert die Abbildung studierten. „Heißt das, dies ist der Hinweis auf den Verbleib des nächsten Elixiers?“ „Ganz genau! Du bist ja doch schlauer als ich dachte, Linky.“ Und sie gab ihm schon wieder einen harten Klaps auf den Kopf. Aber noch ehe Link die kleine Nervensäge zu fassen bekam, war sie schon außer Reichweite. „Fang’ lieber deine Prinzessin anstatt mich!“, lachte sie. Zelda las währenddessen die Erklärungen zu dem hohen Grabstein durch, der, wie es in dem Textabschnitt hieß, eine alte Gruft verborgen hütete und in einem gefährlichen Labyrinth zu finden wäre. Na prima, dachte Zelda. Ein großes, schwieriges Stück Arbeit wartete auf sie und ihren Helden... Sorgsam las die Prinzessin der Hylianer die Schrift durch, als sie kurz aufblickte und der erwachsene Held der Zeit aufgebracht hinter der kleinen Navi herstürmte. So hitzköpfig und leicht auf die Palme zu bringen, wie er im Augenblick war, würde sie sicherlich nicht auf den Dreh kommen, diesen verrückten, aber lieben Hylianer als den einstigen, scharfsinnigen Helden der Zeit zu bezeichnen... „Du hinterhältige Fee“, schimpfte er, während er hinter dem wehrlosen Kind her rannte und dieses ihm bloß die Zunge herausstreckte und kicherte. Es dauerte nicht lange und Link hatte seine einstige Begleiterin eingeholt. Erbost platzierte er sie auf der Holzbank neben Zelda und hielt sie an den kindlichen Armen fest. „Du solltest dich entschuldigen, du freche Glühbirne“, murrte er. „Wofür?“ „Für das letzte, was du gesagt hast!“ „Und was habe ich denn über meine Lippen gleiten lassen? Meinst du das, was Zelda glücklicherweise nicht gehört hat?“ Geräuschvoll einatmend schürte sich eine unermessliche Empörung in Links tiefblauen Augen. „Jep, genau das!“ Aber Navi grinste wie eine Speckschwarte zu der unwissenden Prinzessin herüber. „Soll ich dir verraten, was die größte Peinlichkeit des Helden der Zeit in seinem früheren Leben gewesen ist?“ „Gibt es denn etwas noch Peinlicheres, als das, was Shiek gesehen und erfahren hat?“, sagte Zelda tückisch und sie brachte Link nun ebenfalls auf die Palme. Und plötzlich lachte Navi so laut auf, dass sie sich ihre kleinen, klumpigen Kinderhände an den Wanst halten musste. „Das Peinlichste, was Shiek nicht einmal wusste, war, dass ich den armen einstigen Kokiri mit seinen achtzehn Jahren aufklären musste.“ (Tschuldigung, ich musste das einfach mit einbauen... lach...) Rotwerdend drehte sich Zelda zu Link, der nur gedemütigt zu seinen Stiefeln glotzte. „Angefangen hatte alles damit, dass der arme, unwissende Held mich fragte, warum die eine Frau so einen dicken Bauch hatte. Und als ich ihm erklärte, was sich in dem dicken Bauch befindet, hat er mich nur gefragt, wie denn ein Kind überhaupt dahinein schlüpfen kann.“ Link schluckte heftig die Spucke in seinem Hals herunter und schüttelte bloß den Kopf. Himmel, war das peinlich für ihn. Nicht einmal aufgeklärt war der arme einstige Kokiri, als er den Wald verließ. Dass er so wenig wusste, hätte er nun wahrlich nicht vermutet... Munter erzählte Navi weiter: „Und als ich ihm dann abstrakt erklärt habe, wie das ganze denn überhaupt funktioniert, da hat Link mich doch glatt gefragt, ob man so was mal irgendwie beobachten könnte, weil er wissen wollte, wie genau das funktioniert, und ob Zelda denn einwilligen würde, so etwas mal mit ihm auszuprobieren, nur weil er keinen blassen Dunst davon hatte, dass an so etwas viel mehr geknüpft war, als bloß eine Erfahrung! Bei den Drei Göttinnen, hab’ ich gelacht.“ Zelda hielt sich nur schockiert eine Hand vor den Mund und stellte sich diese Szene peinlich genau im Damals vor... Was hätte sie denn gesagt, wenn der arme, unwissende Held der Zeit sie um solch einen Gefallen gebeten hätte? Sie konnte ihm ja nicht einmal böse sein, weil er absolut unwissend war... Grinsend wand sie sich zu Link, der bei einem genauen Blick schon halb im mit Holzplatten belegten Boden versunken schien. ,Der Ärmste, dachte Zelda, hat keine Ahnung von den Tücken seiner früheren Persönlichkeit...’ „Und wenn ich nicht gesagt hätte, dass man jemanden schon lieben und heiraten sollte, um so etwas zu tun, da wären noch größere Peinlichkeiten passiert. Er hat mich nur ungläubig gemustert und gemeint: ,Ist das so schlimm oder warum heiraten die Hylianer denn extra dazu?’“ Navi lachte nicht schlecht und Link schüttelte bloß den schamroten Kopf. Auch Zeldas grinste und begann heftig mitzulachen. Denn allein die Tatsache, dass es etwas Peinlicheres gab, als die kleinen Missgeschicke, die Shiek beobachtet hatte, war einfach nur zum Grölen. „Habt Ihr zwei euch endlich über mich ausgelacht?“, sagte Link bitter, lehnte sich eingeschnappt an eine Wand und verschränkte die Arme. „Haha...“, sagte Link trocken und fühlte sich mehr als gedemütigt. „Also, du Nervensäge, warum bist du nun hier? Nur wegen dem Hinweis für das nächste Elixier oder gibt’s noch einen anderen Grund?“ „Warum bist du denn so unfreundlich zu mir?“, meinte Navi und hüpfte frohlockend, sich im Übrigen der Gefahr eines beleidigten Links nicht bewusst, zu dem unwissenden Helden hinüber. „Hast du mit Zelda noch was Unanständiges vor, weil du mich rausschmeißen willst?“ Link schien zum wütenden Stier zu mutieren. Zornkochend entkam seinem Mund ein lautes: „Navi!“ Doch sie kicherte bloß. „Is ja schon gut. Genug mit diesem Thema“, meinte sie und zog ihren rosa Mund in die Breite. „Ich bin hier wegen Klein- Link. Eigentlich sollte ich euch etwas von ihm ausrichten, aber das hat sich, denke ich, erledigt, weil er euch beide eher gefunden hat als ich.“ Zelda hüpfte auf die Beine und lief in kurzen eleganten Schritten näher. „Ich möchte dennoch wissen, was du uns von ihm ausrichten solltest.“ Die einstige Fee grinste nun nicht mehr so hämisch und herausfordernd, sondern hatte eine Spur Sanftheit in ihren giftgrünen Augen. „Er hat euch beide lieb, das sollte ich euch sagen.“ Doch gerade das brachte Verwirrung unter die beiden Hylianer, die sich daraufhin nur verwundert anblickten. „Vielleicht sieht er euch beide trotzdem als Eltern an, wenn auch auf eine andere Art und Weise“, sprach Navi, nun außerordentlich ruhig und ernst. Kein Funken der Dreistigkeit von wenigen Minuten ließ sie durchschimmern. „Und nun solltet ihr euch wieder auf den Weg machen. Die Zeit hält nicht wegen euch beiden an...“ Link nickte und kniete daraufhin nieder. Sachte und doch bemüht, Navi festzuhalten umschloss er ihre kleinen Mädchenarme. „Navi?“ „Ja, warum bist du denn auf einmal so ernst?“ „Ich möchte, dass du dich entscheidest“, sagte er knapp, blickte durchdringend in ihre leuchtenden Feenaugen und sah darin das Wissen um seine Worte. Navi hatte klar verstanden, was seine nachdrücklichen Standpauken im Sinn hatten. Sie wich trotzig zurück. Ihr kindlicher Kopf wackelte starrköpfig hin und her. „Nein!“, sagte sie stur. Und auch Zelda ließ sich auf die Knie sinken und blickte Navi eindringlich an. „Die Götter haben es euch erzählt, was?“, sagte sie trotzig und voller Unvernunft. Verständnis begegnete der einstigen Fee in Gestalt der schönen Prinzessin Hyrules. „Navi, du kannst nicht ewig zwischen zwei unterschiedlichen Welten hin und her schaukeln. Auch du brauchst ein Heim, einen Halt, Freunde und Liebende... dein Seelengleichgewicht zerbirst eines Tages an deiner Sturheit...“ „Gerade du musst mir das sagen, Prinzessin Zelda. Du bist doch auch in Hyrule geblieben! Ich will mein Wissen nicht hergeben, ich will nicht wiedergeboren werden.“ „Aber entgegen deines Unvermögens endlich eine Entscheidung zu treffen, hatte ich mich für Hyrule entschieden und du wandelst zwischen den Welten hin und her, wie ein Tänzer zwischen dem Höllenfeuer und den reinen Himmelswolken.“ Zelda rutschte näher: „Deshalb triff’ endlich eine Entscheidung... für dein Herz und deinen Seelenfrieden.“ Auch Link mischte sich wieder ein. „Bitte Navi...“ Sie schüttelte trotzig wie eh und je den Kopf und löste sich verärgert in einen Regen aus feinen Lichtfunken auf... Kapitel 93: Erwachen... ----------------------- Kapitel 76: Erwachen... „Wo, meinst du, werden wir diese merkwürdige Gruft finden?“, sagte Link, als sie beide Hand und Hand aus der Friedhofskapelle heraustraten. „Wir sollten uns, so steht es in dem Buch geschrieben, nordwestlich halten, also in Richtung der Todesberge“, sagte sie und prüfte die stummen, grauen Wolken am Horizont. Der Abend war nun nicht mehr fern, auch wenn sich keine Spur einer märchenhaften Abendsonne preisgab. „Möchtest du die Nacht abwarten?“, setzte sie hinzu und schaute in das tiefe Blau seiner Augen. Link schüttelte den Kopf. „Zelda... ich weiß, es wäre ratsamer, uns nicht bei Nacht auf Abenteuersuche zu begeben. Aber... wir müssen in den nächsten Tagen immerhin noch den Todesberg besteigen und das wird uns Zeit kosten. Wir sollten das Elixier des Schattens in den kommenden Stunden unbedingt noch beschaffen.“ Sein Blick protzte nur so vor Mut und Entschlossenheit. Seine Prinzessin war zunächst ein wenig enttäuscht, hätte sie doch gerne einige Stunden in seiner wohligen Umarmung verbracht, willigte aber schließlich ein. Auf dem Medaillon der Mächtigen bewegte sich der Minutenzeiger auf die volle fünfte Stunde zu, als die beiden Hylianer die Stadtmauern Kakarikos hinter sich ließen. Nördlich zogen sich hohe Weizenfelder, Wälder und Wiesen entlang. Doch wo war das Labyrinth, welches in dem magischen Buch benannt wurde? „Was jetzt?“, murmelte Link. Nachdenklich kramte Zelda das ominöse Lederbüchlein hervor und las den Abschnitt bezüglich des merkwürdigen Grabes erneut. Aber sie seufzte bloß, hatte einfach keine Idee und auch zwischen den Zeilen zu lesen, brachte keine Antwort. „Wo könnte sich das alte Grab verbergen? Bestimmt nicht in dem Kornfeld, oder?“, meinte Link und überlegte nach der Ausschlussmethode. „ Und die Grasflächen da drüben...“ Links Schwertarm deutete auf die saftiggrüne Wiesenlandschaft. „... sehen alles andere als labyrinthisch aus.“ „Bleiben nur noch die Wälder... aber das wäre ja ziemlich offensichtlich...“ „... und langweilig“, stimmte der Heroe zu. „Aber wir sollten uns dennoch in den Wäldern umschauen.“ Zelda nickte, hatte aber trotz allen ein mieses Gefühl bei dem gesamten Vorhaben, da der Verfasser des Buches nicht zu hundert Prozent garantieren konnte, dass die Informationen stimmten... Alsdann marschierten die beiden Spitzohren über sandige Wege hinein in einen kleinen Mischwald, gespeist mit den Geschöpfen der Vorzeit, die vielleicht noch das Ende der einzigartigen Welt Hyrule umgangen hatten. Langsam und auf der Hut schlich das Pärchen unbemerkt in den alten, dichten Wald. Überall abhakte Bäume, zerstört und abgeholzt wegen dem Wärmemangel zu Winterzeiten, oder einfach nur gefallen, wann immer die Stürme des Herbstes ins Land zogen. Prinzessin Zelda erinnerte sich, dass hier in der kühlen Nähe zu dem Reich der Zoras aufgrund sehr ungünstiger Klimabedingungen sehr schlimme und katastrophale Stürme wüteten, die jedes Jahr immer zahlreiche Opfer gefordert hatten... Schweigsam stolperten sie über Äste, schlängelten sich unter toten, nadelnden Baumwerk hindurch, welches den Weg versperrte und lauschten den sanften Geräuschen des Waldes. Sie gelangten immer tiefer in den stillen Wald hinein und das Zirpen der Heuschrecken, das Flüstern der Baumgeister und der Gesang der Abendvögel verwöhnten die spitzen Hylianerohren, als der Wald in goldenen Farben erstrahlte. „Es ist wunderschön... so ruhig und friedvoll.“ „Mmh...“, meinte Link leise und suchte verliebt das ungemein verzaubernde Lächeln seiner Prinzessin. „Es ist so schön hier, dass...“ Seine Augen wanderten schmunzelnd in die Höhe. „... ich auf ganz andere Gedanken komme“, feixte er, unterließ es aber, seine liebestollen Hirngespinste auszusprechen oder gar weiterzuspinnen. Es gab jetzt wirklich wichtigeres als Gefühlsduselei und dem Gedanken an Zeldas Wärme, ihre Lippen, ihre Hände... „Ich kann mir sehr gut vorstellen, welche Gedanken du meinst...“, sagte sie und lachte. „Ich würde jetzt auch am liebsten unser Zelt aufstellen, mich in meinem Schlafsack verkriechen und meinen Helden neben mir liegen haben“, sagte sie. „Ich würde meinen, wir setzen uns das als Ziel. Wenn wir das Elixier haben, gönnen wir uns eine lange, schöne Pause“, grinste er und gab seiner Angebeteten einen leichten Kuss auf den Mund. Sie erkundeten weiterhin genau und jeder noch so kleinen Spur nachgehend den friedvollen Ort, erblickten ab und an ein Eichhörnchen, erfreuten sich an den verschiedensten Tieren des Waldes. Noch war nicht die Spur einer Gefahr in Sicht. Noch schien alles idyllisch, spazierend in der Abgeschiedenheit eines so ruhigen, erholsamen Fleckchen Erde. Link und Zelda waren bereits sehr tief in den märchenhaften, dichten Wald hervorgedrungen, fanden eine kleine, mit Holzschnitzereien vollgestapelte Hütte vor, zogen vorüber an einem tiefen, dunkelwässrigen Teich, wo viele, seltsame großwüchsige, blütentragende Pflanzen, die der junge Held noch nie gesehen hatte, das Wasser überwucherten. Als sich der Mantel der Nacht über die Welt senkte, und die Laute der Waldbewohner ebenfalls den Vorzügen des schweigenden Reigens nachgaben, gab sich tief in den Wäldern ein abgetrampelter Pfad aus der Nacht preis. Nur ein schmaler Weg, umgeben von kratzenden Brennnesseln, stachligen wilden Himbeersträuchern lockte einen Besucher näher an den Ort seiner Bestimmung... Das Pärchen, umsungen von einer klaren Nachtigall, die ihr Lied gefühlvoll mit dem Rauschen des Windes verband, folgte jenem Weg, sich den Ort einprägend, um den Rückweg umso besser und schneller wiederzufinden. Der Weg gabelte sich ab und an, und lief an anderen Orten wieder zusammen, während sich hoch über den Kronen der Eichen, Buchen und Kastanien die Welt in ihrem süßen Schlummer wog. Mit dem Licht einer fast abgebrannten Öllampe tapsten die beiden Hylianer beinahe lautlos voran, sich bewusst, der bedeutsamen Mission, der sie beide verpflichtet waren. Sie wussten, sie waren alleine in den Wäldern. Keine Geister, die sich gelegentlich in den Wäldern versteckten, weil ihnen der Friedhof in Kakariko zu langweilig erschien. Keine Abgesandten von Ganondorf... „Jetzt sind wir schon so lange in diesem Wald und haben nichts gefunden. Meinst du nicht, wir sollten umkehren?“, sagte Zelda und schmiegte sich an ihren Helden, der scharfsinnig in die deckende Dunkelheit starrte. Er schüttelte mit dem Kopf, schöpfte Willenskraft aus seiner Entschlossenheit und dem heimlichen Gefühl eines Abenteurers auf dem richtigen Weg zu sein. „Nein, vertrau’ mir einfach. Wir sind ganz nah dran.“ Zelda zog bedenklich ihre Augenbrauen nach oben und nickte und schwieg. Und tatsächlich fanden sie auf einer kleinen Lichtung einen hohen, außergewöhnlich zerbröckelten Grabstein, wo sich Moos und Gräser lebendig angesiedelt hatten. Überrascht trat Zelda näher, untersuchte mit einem hellen magischen Schein aus ihren Händen die graue, verblassende Inschrift auf dem Marmorstein und erkannte jene aus dem Buch haargenau wieder. Aber was war mit dem Labyrinth, in welchem dieser alte, große Grabstein mit den uralten hylianischen Symbolen, versteckt sein sollte? War das nur eine Lüge, eine Erfindung des merkwürdigen Buches? Zur Sicherheit überflog die Prinzessin die Seiten erneut, aber ihr Gedächtnis spielte ihr wahrlich keinen Streich... eigentlich hätten sie und Link ein Labyrinth durchforsten und dann diese Gruft finden sollen! „Das könnte eine Falle sein“, sagte Zelda und wollte wissen, was ihr bester Freund davon hielt. Sie strich mit ihren Fingerspitzen den bröselnden Dreck von dem Stein, während Link konterte. „Es bringt nichts, abzuwarten, Zelda. Selbst wenn dies eine Falle ist, wir haben keine Wahl.“ Genausten beschaute Link den Stein, fand einen unauffälligen, kleinen Hebel aus Kupfer an der rechten Seitenkante und betätigte ihn neugierig. Mit quietschenden Getöse schob ein alter, vergessener Mechanismus den Grabstein beiseite, verscheuchte die Ruhe der Wälder mit dem krachenden Laut, als der Stein wenige Meter weiter einrastete und einen feuchten, halbzugewachsenen Treppeneingang freigab. Wurzeln bedeckten wie Hände von Bewachenden den Weg, schirmten den Pfad ab vor neugierigen Schaulustigen, wollten den Geschöpfen den Eintritt vermutlich verwähren. Gefühlvoll legte Link seiner Zelda beide Hände auf die zarten Wangen und blickte eindringlich in ihre schönen Augen. „Bleib’ hier, während ich das Elixier beschaffe.“ Aber sie riss bloß ihre Augen auf und schüttelte mit dem Kopf. „Bitte, Zelda.“ „Nein!“, sagte sie stur, wand sich ab und fand einfach keine zutreffenden, überzeugenden Gründe, warum Link sie schon wieder schonen wollte. „Du weißt nicht, was du unten haust“, sagte er. „Es ist besser, ich erledige das.“ Aber sie schüttelte einmal mehr das Haupt. „Ob es dir nun passt oder nicht, ich komme mit dir. Denkst du, ich habe Lust, hier allein herumzuhocken und mir Sorgen um dich zu machen?!“ Sie trat einen Schritt näher und wollte Link mit ihren süßen Berührungen anscheinend einwickeln. Ihre sanften Hände griffen in das blonde Haar an seinem Hinterkopf und zogen Links Gesicht zu ihr herunter. Ohne weitere Worte liebkoste sie verträumt seine Lippen. „Bitte Link. Ich kann nicht untätig hier herumhocken.“ Er verdrehte genervt die Augen und wand sich wieder dem unauffälligen Eingang zu. Es war ihm alles andere als recht, Zelda einer weiteren Gefahr auszusetzen, aber hatte er denn eine Wahl? Wenn Ganons Scharen sie fanden, dann könnte sie ebenso am Eingang zu der Gruft in Gefahr schweben, genauso, wie wenn in den Tiefen der Grabstätte eine hochgewachsene Teufelei auf ihr Abendbrot wartete. Er fuhr sich durch die blonden Haarsträhnen und murmelte: „Na gut, aber wenn irgendetwas nicht stimmt, dann halte dich zurück. Du bist immer noch verwundet. Ja?“ Damit lächelte er ihr aufmunternd entgegen. Sie wippte mit dem Kopf, krallte sich seine freie Hand, während er als erster mit der Öllampe vorneweg in die unterirdische Stille eintrat. Mühsam drängelten sich Zelda und ihr Beschützer durch die knorrigen, großen Wurzeln hier unten, hielten sich die Nase zu, um den entwürdigenden Geruch nach Verwesung und Abfall zu entgehen. Der helle, flackernde Schein der bräunlichen Öllampe verlor sich an den klitschigen Wänden, schien vorneweg wie eine kleine Geste der Hoffnung. Und zwischen den Wänden waren es vergraulte Geister, die buhend herumtobten. Ihre Gesänge, ein Chor aus dem Jenseits. Ungeduldig schwebte der Fürst des Schreckens, begleitet in einer neuen, schwarzen Rüstung, die kein gewöhnliches Schwert durchschneiden konnte, durch die zertrümmerte Kathedrale Schicksalshorts. Er wartete... lauerte geradezu abartig auf seine wohl grausamste Kreatur, die er jemals erschaffen hatte... und er hatte viele Grausamkeiten in den letzten Monaten und Jahren getan, an denen er sein vergiftetes Gemüt laben konnte. Er erinnerte befriedigend den Gedanken an das wohl schändlichste, was er der alten Welt Hyrule angetan hatte. Vor wenigen Jahren- der dumme Tropf einer Heldenwiedergeburt hatte noch nicht einmal das Tageslicht erblickt- da brannte in ihm ein neuer verwerflicher Trieb, geboren aus seiner dämonischen Feigheit heraus. Nachdem sich Ganondorf mit den schändlichen, einflusslosen Schatten der Gottheiten Hyrules verbunden hatte- und es gefiel ihm auf eine bestialische Weise- wuchs in ihm ein solcher Vernichtungsdrang, dass er, nicht fähig ein Ende seiner Machtgier zu finden, sich ein neues Ziel setzte. Wie ein Raubtier war er in Hyrule auf Beute gegangen, suchte nach jedem noch so kleinen Hinweis für die Existenz der Götterdreiheit. Und eines Tages fand er dann einen Zugang zu dem hohen Gebäude im Himmel, zu dem Aufenthalt der Göttinnen, die nur den Friede und die Grabstätte der alten Welt im Sinn hatten. Er besann sich, während er das glimmende, schwere Stahlschwert aus der Scheide am Gürtel zog und sich vorstellte, das jugendliche Herz seines Widersachers zu durchstoßen. Er besann sich auf ein Ritual, welches die Göttinnen so selbstlobend und ehrfürchtig in dem höchsten Turm des Hohen Hauses abhielten. Ein Ritual für das ihm der Sinn fehlte. Ein Baby- wie er doch diese Würmer hasste- lag schreiend auf einem steinernen Altar, während die Göttinnen murmelnd und ihre Energie nutzend um es herum standen. Eine der Drei hielt einen Bündel blondes Haar in ihrer Hand. Die andere goss dickes, teures Blut über dem Kind aus einer Schale. Und die dritte stopfte ein Stück Fleisch, vermutlich das Fleisch eines Hylianers, in seinen kindlichen Mund. Gerade da versammelten sich die Schatten jener Götter und überwältigten die einst so lobgepriesenen Drei. Wenig später folterte der König des Bösen die Göttinnen und beraubte sie um ihre Kräfte, beraubte sie ihrer Schönheit und dem Gleichgewicht... Das kleine Kind allerdings, welches nackt und hilflos auf dem steinernen Altar lag, wurde einfach zurückgelassen... Nur kurz darauf hatte Ganondorf die energiegeladenen Bilder erschaffen mithilfe der Energie der Göttinnen und so war es nun ein leichtes für ihn zwischen Hyrule und der wirklichen Welt hin und herzuwandeln, es war ein leichtes für ihn, ein unnatürliches, grausames Feuer in dem Elternhaus eines Kindes zu legen, welches später auf den Namen Link hören sollte... Doch das Schicksal und vielleicht eine weitere unergründliche Macht musste das Kind des Mutes vor dem Feuer gerettet haben. Denn als das Feuer löschte... lag das kleine Baby Link schreiend zwischen verbrannten Gegenständen und den verkohlten Leichen seiner Eltern... Den widerlichen Gedanken an diesen Helden Link abtuend, stiefelte er wieder hin und her, warf einen finsteren Blick hinaus an das blutrote Himmelszelt und zeigte seine gelben Zähne mit einem gehässigen Grinsen. Sein Mutant lebte... das spürte Ganondorf und es befriedigte erneut diesen Drang in seinem Inneren, endlich Genugtuung zu finden, dann wenn jene Teufelsmaschine Link finden und vernichten würde. In dem Augenblick erloschen die wenigen Fackeln und schwarzen Kerzen in der alten Kirche Schicksalshorts. Ganondorfs aufgerissene Mundwinkel zerrten sich genugtuend nach oben. „Bist du endlich zurückgekehrt aus dem Reich der Toten, Troplox?“ Zischend kam aus der alten, abgestandenen Dunkelheit ein abfälliges: „Jah...“, gesprochen von einer tiefen Stimme, so kalt und beherrscht wie ein Henker, der gerade seine grausame Pflicht der Hinrichtung erfüllte. Etwas zog überraschend schnell und gefährlich näher und stand innerhalb Sekundenbruchteilen herausfordernd nah vor der selbstherrlichen Gestalt Ganons, blitzte messerscharf in das hochnäsige Gesicht des Teufelsbarons. „Du bist mutiert“, stellte Ganondorf erfreut fest und rieb seine befleckte, schwarze Zunge an einer aufgeriebenen Mundecke. Langsam und musternd betrachtete der Schreckensfürst seine Kreation, wusste doch, dass jener Mutant gewisse Fähigkeiten hatte, die sich erst nach und nach zeigen würden. Es war nun nicht mehr der unglückliche Mutant eines Moblins und Eisenprinzen... da war vielmehr, was diesen Dämon umgab. Er war nicht mehr das verstandslose Elend mit der einfältigen Sprache. Ab heute zeichnete eine außergewöhnliche, unirritierbare Intelligenz diese Bestie aus und sie würde sich ihre Todeswerkzeuge zu nutze machen. „Und du hast das gesamte Heer in den Tod gerissen, nur um die Kräfte der einfältigen Moblins in dir aufzunehmen.“ Ein sattes, gelber Augenpaar, zornig und doch den Hass der Nacht mit sich führend, starrte angewidert in die Augen des Meisters. Darauf lachte die Kreatur hämisch und grinste ihren Meister verzückt an: „Was wollt Ihr, Ganondorf? Mich bestrafen, weil ich das dümmliche Heer von seinem nutzlosen Dasein befreit habe?“, sagte eine tiefe Stimme, gewetzt von reibenden Stimmbändern. „Nein“, sagte er grob und ließ sich in seinen selbsternannten Thron fallen. „Was bringt es mir, dich zu bestrafen, wo ich erfahren will, was deine Fähigkeiten vernichten können.“ „Ihr wollt Beweise, Meister?“ Ganon lachte und lehnte sich zufrieden an seinen glattpolierten Thron. „Das ist dürftig... ich brauche keine Beweise. Vernichte endlich den Helden, bevor er die Elixiere beisammen hat.“ Der Mutant nickte. „Und lass’ ihn... leiden... ich will spüren, wie der Mut aus seinen Venen herauskriecht!“ „Wie Ihr befiehlt, mein Lord.“ Ein kurzer Windstoß kam auf und Troplox verschwand. In der Zwischenzeit hatten Zelda und Link immer wieder buhende Geräusche von vergessenen Seelen vernommen, die hier in der großen Gruft nach Sühne und Hoffnung suchten. „Wenn wir sie nicht reizen, dann lassen sie uns sicherlich passieren“, sagte Zelda und schaute sich vergewissernd in der Tiefe um, erhaschte Blicke zu den klitschigen Wänden und setzte hinzu. „Es sind nur ruhelose Geister, die ihr Zuhause noch nicht verlassen konnten, oder eine neue Zeit für ihr Seele nicht akzeptieren können.“ Link ließ sein Schwert summen und zerschnitt einige große Wurzeln, die ihnen den Weg blockierten. „Dann würde ich meinen, wir hetzen sie nicht auf und verhalten uns weiterhin so leise wie möglich, Schatz“, sagte er und schielte aufmunternd in ihre Richtung. Lächelnd sah sie auf und drückte sich kurz an seinen Rücken, wo der gewichtige Schild abgeschnallt war. Verwundert musterte er sie in der stickigen Dunkelheit. „Stimmt etwas nicht?“, meinte er besorgt, da sich seine Prinzessin an ihn angelehnt hatte. „Nein... es ist nur...“ Er drehte sich um und streichelte über eine ihrer seidenen Wangen. „Du wirst langsam müde“, sagte er für sie. „Gerade deshalb wäre es besser gewesen, du hättest draußen auf mich gewartet.“ Sie nickte einsichtig. „Aber...“ Er gab ihr einen kurzen Kuss an ihre Stirn. „Wir haben es bald geschafft, mein Engel.“ Erneut nickte sie und das Paar setzte den Weg fort. Es dauerte nicht lange und die beiden erreichten ein in die Erde gehauenes Zimmerchen, sehr klein und extrem niedrig, sodass lediglich Zelda darin stehen konnte. Nur Link, mit seinen einmeterachtzig hatte ein kleines Problemchen... Zelda betrat den kleinen Raum vor ihrer Nasenspitze als erste und fand in einer Kerbe direkt in der Wand ein kleines verstaubtes Beutelchen mit schwerem Inhalt. Sofort nahm sie es an sich und trat aus dem eigenwilligen Räumchen heraus, um es ihrem Helden zu präsentieren. Link öffnete eine dickfasrige Schnur an dem Bund und schielte neugierig in den kleinen Sack hinein. Verwundert schüttete er den Inhalt heraus. Es handelte sich um eine langhalsige Flasche, genau wie diejenigen, in welchen sich die magischen Elixiere der Weisen ergossen. Aber diese Flasche war schlichtweg leer. „Warum ist es leer?“, sagte Zelda aufgeregt. Und sie überprüfte das lila Fläschchen genau. „Eigentlich hätte Impas Elixier hier drin sein müssen“, sagte sie und konnte es einfach nicht glauben. Auch Link war beunruhigt und rieb sich grübelnd über die Stirn. „Meinst du, es hat jemand bereits verwendet?“ „Heilige Nayru...“, schimpfte sie und hatte für wenige Momente das Gefühl die gesamte Mission war umsonst. Impas Elixier war nicht hier. Was nun? „Zelda... vielleicht gibt es ja eine Erklärung dafür.“ „Eine Erklärung? Woran denkst du? Ist dir etwa nicht klar, was es heißt, wenn wir nur eines der Elixiere nicht auftreiben können?“, sagte sie bitter und fühlte eine hetzende Nervosität in sich keimen. Die kommenden Ereignisse liefen innerlich vor ihr ab. Ganon würde sie finden... und der letzte Funken Hoffnung würde von der Dunkelheit überrannt werden. Kein Elixier... keine Zukunft... „Zelda... bitte beruhige dich. Möglicherweise müssen wir uns das Elixier erst irgendwie verdienen.“ Aber sie stützte bloß eine Hand an den Kopf und sah durch den Schein der Lampe von Links klarem Blick zu Boden. „Ich kann mich nicht beruhigen“, schimpfte sie. „Wenn das Elixier schon von jemanden benutzt wurde, dann reichen die Kräfte der Sieben Weisen nicht aus und dann...“ Ihr wurde leicht übel vor Schmerz und Angst vor der nahen Zukunft. Hastig redete sie weiter: „Wir haben nicht mehr viele Tage und können nicht ganz Hyrule nach dem verbliebenen Elixier auf den Kopf stellen. Wir brauchen sofort...“ Aber Link stoppte ihre hetzenden, aufgeregten Worte, drückte sie vorsichtig an die raue, kalte Wand und liebkoste heftig ihre Lippen mit seinen. Der Kuss ging tief und seine heiße Zunge forderte schnell Eintritt, sodass Zelda endgültig mit ihren besorgten Gedanken abschloss. Er rieb zärtlich, wie jede freie Minute, die sie im Hause der Götter hatten, seine Zungenspitze an ihrer und fuhr verträumt und erforschend über ihre glatten Schneidezähne. Als der Kuss endete, sah sie ihren Heroen verwundert an. Aber er grinste bloß verschmitzt: „Habe ich es endlich geschafft, dass du mit deinen voreiligen Schlussfolgerungen aufhörst?“ Ihre Augen waren groß und munter, willig ihm zuzuhören. „Lass’ es mich erklären.“ Und sie nickte. „In der Weisenstätte des Waldes begegneten mir vier Ritter eines alten Ordens, die das Elixier des Waldes hüteten.“ Verständnisvoll wurde sein Blick und butterweich. „Aber ich war zu jenem Zeitpunkt nicht fähig gegen sie zu kämpfen, weil... du verwundet warst und noch bist. Ich war ehrlich mit mir selbst und daraufhin hatten jene Ritter mir das Elixier einfach überlassen.“ „Heißt das...“, meinte sie und ihr Heroe nickte entschieden. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass nun der Kampf bevorsteht, den ich vor einigen Tagen nicht bestreiten konnte.“ Einsichtig wippte die Prinzessin mit dem klugen Kopf auf und ab. „Gut, aber wo wird der Kampfschauplatz sein, wenn nicht hier?“ Erneut untersuchte Link den Beutel, wo sich das Elixier verbarg, aber kein weiterer Hinweis. Aus einer inneren Ahnung heraus, und vielleicht war es auch nur ein letzter Ausweg, der ihn auf den Dreh brachte, weil sie sowieso nichts anderes zu tun hatten, öffnete er einfach einmal die violette Flasche, wo hoffentlich sehr bald des Elixier der Schatten enthalten sein würde. Als er den gläsernen Verschluss aufdrehte, spürte Link noch eine wärmende Umrahmung, ähnlich einer Wolldecke, die den gesamten Körper umhüllte, spürte noch Zeldas zarte Hand in seiner, bis er von geheimnisvollen Wogen weggetragen wurde. Abrupt riss der junge Heroe seine Augen auf, spürte etwas Kaltes, fühlte Dürre... Weißes Licht, gespiegelt von gläsernen Wänden blendete ihn, ließ ihn unruhig werden und langsam niedersinken. Er musste teleportiert worden sein, erneut gegen seinen Willen, schon wieder... Link genoss einen langen, tiefen Atemzug, ehe er sich genau orientieren konnte. Er rieb sich quälenden, trockenen Schlafsand aus den Augen und reckte seinen müden Kopf in die Höhe, orientierte sich, besann sich. Zu seiner Verwunderung befand er sich in einem kolossalen, teilweise zerstörten Steinkreis, aufgebaut aus vielen, vielen Reihen kleiner Findlinge und in der Mitte des Kreises befand sich so etwas wie ein Opferstein. Link spähte genauer hin und erkannte eine Schale auf dem Stein, wo eine lilaschimmernde Substanz eingegossen war. Und die Sonne am märchenhaften, hylianischen Himmel sank allmählich hernieder. Gut, dachte er, das Elixier der Weisen hatte er gefunden, aber wo war Zelda? Besorgt und langsam tapste er voran und blickte in alle Richtungen, aber seine Prinzessin war nirgends zugegen. Sich ein neues Ziel setzend, wollte er zunächst die Flüssigkeit in das leere Fläschchen füllen, welches sich in seiner Hand befand und schließlich ohne Zeit zu verlieren, nach seiner Prinzessin alle Steine auf diesem rituellen Platz auf den Kopf stellen. Zielsicher trat er vorwärts und nahm den erstbesten Weg nach unten, direkt auf den großen Felsen zu, wo das magische Elixier ruhte. Plötzlich fühlte er jedoch einen robusten Widerstand vor sich. Er stemmte seine Hände gegen die glatte Fläche, hauchte seinen Atem dagegen und seine Vermutung bestätigte sich. Überall an diesem Ort, wo immer er auch in Hyrule gelandet sein musste, befanden sich gläserne Wände, die ihm ein leichtes Passieren unmöglich machen würden... Genervt trampelte der hitzköpfige Heroe gegen eine Glasscheibe und wurde durch eine magische, lebendige Böe meterweit zurückgeschleudert. Link schüttelte den Kopf und sah auf. Er saß auf seinem Hintern und schaute ungläubig nach oben. „Frechheit!“, schimpfte er. Alte Mächte mussten hier noch am Werk sein, die sich gegen Hylianer nur gar zu gerne auflehnten. Rote Lichtstrahlen brachen vom Himmel herab und schlugen an jene gläsernen Wände, wurden reflektiert und zu ihrem feurigen Ursprung zurückgeschleudert. Ein Weg gab sich preis durch dieses gigantische gläserne Labyrinth und Link hoffte, er nahm den richtigen, um zu dem Opferstein zugelangen... Nach mühevoller Arbeit und einem Vor- und- Zurücklaufen in dem gigantischen Gebilde kam der junge Heroe an dem Altar an und schüttete die magische Substanz für Impa in das dafür vorgesehene Fläschchen. Vollgefüllt stand die magische Substanz auf dem Steinfels... Gerade in dem Moment erschienen sie- jene vier Ritter, gegen die der junge Heroe nun noch das aufgeschobene Gefecht führen musste um den Altar herum, umzingelten ihren Herausforderer. „Du bist an dem Ort deiner Bestimmung, Held.“ Und Link schien nur gequält und gelangweilt zu nicken. „Vier Kämpfe werden dich erwarten, doch diesmal kann der Kampf nicht verschoben werden. Diesmal testen wir deine Schwächen und deine Stärken.“ Ein weiterer mit dicken Wams unter der robusten Rüstung sagte kühl und beherrscht: „Erneut scheinst du nicht bereit zu sein für einen Kampf. Doch diesmal können wir unseren Gehorsam nicht wegwerfen, unsere Verpflichtung das Elixier das Schattens zu bewachen. Der Kampf ist nötig.“ Elegant wanderte der Schwertarm Links über seine Schulter und er zog die Waffe geschmeidig aus der festen Umhüllung. Ein entschlossener Blick. Wagnis und Zielhaltigkeit. Er würde kämpfen, für seine Ziele, für das Gute und die Welt, die im blutigen Schatten lag. Und er würde für Zelda kämpfen. „Aber sei’ gewarnt. Unsere Kampftechniken sind nicht mit dem vergleichbar, was dir vielleicht in den Gestalten der erbärmlichen Diener der Nacht begegnet ist. Gegen uns zu kämpfen fordert nicht nur Kühnheit und Mut, nein, es fordert Taktik und strategische Geschicktheit.“ Link nickte erneut, umfasste das lederne Heft seiner Waffe mit Spannung, Aufgeregtheit und einer gewissen Vorfreude. Ehrgeiz war es, was nun in ihm erwachte. Eine neue Tugend, bestrebt seine eigene Schwertkunst noch zu verfeinern und das erste Mal den Schild der Götter in einem fairen Kampf einem Test zu unterziehen... Eine steinerne, robuste Plattform schob sich lautlos aus festem Untergrund nach oben. Nur ein Hauch des Windes strich umher, zeugte von vergessener Magie der Geister, die nun fordern und testen würden. Jene steinerne Platte, bemalt mit alten hylianischen Schriftzeichen: der Kampfschauplatz, groß und übersichtlich... Der erste Ritter aus alten Zeiten setzte einen seiner klappernden Eisenstiefel vor den anderen, trat aus der Unwirklichkeit heraus, die ihn umgab, wurde echter, wurde beinahe lebendig erfahrbar... Ein hylianischer Waffenrock stach unter seiner Silberrüstung hervor. Ein aufwendig verzierter Helm schmückte sein Haupt und ein großer Bruchteil seines Gesichtes, überzogen mit Narben und der Erinnerung an tobende Schmerzen, war zu erkennen unter einem kleinen Stahlgitter, dass sein Antlitz spärlich schützte. „Lausche der Stimme des ersten Kampfes. Höre die brennenden Schreie des Schwertes. Fühle, leide im Angesicht deines Mutes...“, murmelte jener Ritter mit träger, tiefer Stimme und schwebte im selben Augenblick auf das Podest. Seine Augen dunkel und kühl, genährt von den Toten, die auf Schlachtfeldern starben. Schlachtfelder einer grausamen Vergangenheit, die Hyrules Licht befleckte... Zögernd betrat Link den Schauplatz des Kampfes, fühlte neben Aufregung und Spannung ein leichtes Angstgefühl... Denn noch nie hatte er gegen einen gutausgebildeten Ritter mit langjähriger Kriegerfahrung gekämpft... Und überhaupt... wie sollte er einen so guten Veteranen wie denjenigen besiegen, der ihm gegenüberstand? Interessiert stützte sich der Kerl auf sein langes, scharfschneidiges Schwert und durchbohrte Link mit seinem Scharfsinn. „Es ist mehr in dir als du denkst. Wenn du dich beweist, wenn du vorsichtig und bedacht bist, brauchst du dich vor diesem Kampf nicht fürchten.“ Link schluckte den Knoten in seinem trockenen Hals herunter, zog langsam das Schwert, formte mit innersten, überlegten Gedanken das Kampfgeschehen... Bereit für die erste Schlacht gegen das Gute stellte sich der Held der Zeit in Kampfstellung. Seine tiefblauen Augen ein Spektakel aus Entschlossenheit und Mut. Der Ritter brachte seine lange Klinge in die Höhe, ein Schwert der Krone, ein Schwert mit hylianischen Schriftzeichen, die sich wie eine Schlange um den glattpolierten Stahl wanden... Fasziniert sah Link zu. Allein die Eleganz, die Technik des Ritters war tausendmal besser als seine eigene... Die Bewegungen des Ritters endeten in einer präzisen Kampfstellung. Sekunden verstrichen langsam, während die Plattform sich in langsamen Takten im Kreis drehte. Unaufmerksam und abgelenkt nur in einer Sekunde, starrte der Heroe auf die Plattform, die sich langsam drehte wie Kettenkarussell. „Überrascht?“, lachte der Ritter und hielt sein Schwert erneut horizontal von sich gestreckt. Die scharfe Spitze der Klinge in der Höhe zur Nasenspitze Links. Spannung knisterte in der Luft wie Holz im Feuer... Link schluckte die Spucke in seinem Hals herunter und wartete mit fiebernder Aufregung auf den ersten Angriff, der aber nicht kam. Er zwinkerte, als eine Schweißperle an seiner Stirn hinabwanderte. Doch nichts geschah... Sollte er etwa zuerst angreifen? Der Ritter aber drehte seinen schweren Stahlhelm ein wenig nach rechts und erklärte, während sein Schwert seinen Worten folgten. „Das Schwert wirst du jetzt nicht benötigen.“ Und noch ehe sich Link versah, wurde die Klinge Leons mit grober Magie aus seiner Hand gerissen und landete außerhalb des Kampfplatzes. Bestürzt schaute der Heroe der Waffe hinterher und hörte den dumpfen Schlag als jene auf dem Steinboden neben den drei anderen schattenhaften Rittern zu Boden fiel. Sein nächster Blick galt dem Ritter, getränkt in Unverständnis. „Dieser Kampf dient nicht deiner Fähigkeit anzugreifen, zu vernichten, sondern nur dem Schutz deiner selbst“, meinte der Ritter und griff nach dem runden, gewichtigen Stahlschild auf seinem Rücken. „Das heißt, ich soll’ lediglich abwehren?“, meinte Link verwundert und umklammerte umso fester den Schild der Götter. Er wollte schon beherzt grinsen, amüsiert über dieses lustige, harmlose Spiel, als der Ritter aber warnte: „Denk’ nicht, dass dies so einfach ist, Held! Ein Schild zu nutzen, einzusetzen mit Ehrgeiz und Mut ist eine eigene Sache, die gekonnt sein will!“ Link nickte, auch wenn er sich diesen Kampf nicht allzu schwer vorstellte... Aber seine Überheblichkeit würde ihm irgendwann vielleicht noch den Hals brechen... Den prachtvollen Schild der Götter schützend vor sich wartete Link auf den Angriff. Sein Blick nun eins mit den dunklen Augen seines Gegenübers. Die große Gestalt des Ritters beugte sich nach vorne, das Schwert lief auf den Wegen der Vernichtung und Link wusste, jetzt würde der Angriff endlich kommen. Und schlagartig löste sich die starre Haltung des Ritters in Luft auf, und er hetzte unberechenbar schnell auf den jungen Heroen zu, der nicht wusste, wie ihm geschah. Der Ritter marschierte nicht auf seinen Beinen, er schwebte mit hoher Geschwindigkeit über den Boden. Überrascht und überfordert hielt Link den Schild vor sich, spürte eine wuchtigen Aufschlag seines Gegenübers. Welche Kraft, dachte er. Nicht einmal die Skelettritter in den Wäldern Schicksalshorts hatten solche erbarmungslosen Kräften. Link wurde einen Meter zurückgestoßen, blieb aber standhaft auf seinen Beinen, würde niemals auf die Knie sinken vor einem Ritter, der doch nichts mit ihm gemeinsam hatte außer der Treue zum einstigen Hyrule. „Na? Das ist wohl nicht das, was dir deine Einfältigkeit weiß gemacht hat, Held“, eiferte der Ritter und nahm den schweren Stahlhelm kurz ab. Der Ritter war ziemlich alt, entgegen der Kraft, die er mit seinen Angriffen einzusetzen wusste. Langes, schneeweißes Haar fiel dem Kerl bis zu den Schultern. Link schnaufte und setzte einen bitterbösen Blick auf. „Aber du besitzt etwas, dass in unseren Reihen nur spärlich zu finden ist, Held... etwas vergessenes.“ Und der Kerl platzierte seinen Helm wieder auf dem Schädel. „So sei es. Kämpfe und halte durch!“ Die Stimme des Ritters ernster und lauter als vorher. Und noch ehe sich Link versah, raste der Bedienstete der Krone wie ein Blitz über den Kampfschauplatz, griff von allen Himmelsrichtungen an und forderte de Einsatz des Schildes. Jeder Schlag kam mit einer solchen Präzision, die Link das Fürchten lehrte... jeder Schlag stärker und gewandter als der vorherige. Und es schmerzte im rechten Arm des Heroen, der den Schild der Götter führte. Verbissen hetzte Link nun selbst auf der Plattform hin und her, beobachtete die kriegerische Gestalt aufmerksam, unhaltbar, ohne Erschöpfung und seinen reißenden Geduldsfaden zu zeigen. Es war neu. Eine Art des Kampfes, die Link in der Form noch nie erfahren hatte und doch schien irgendetwas an dem Kampf vertraut, irgendetwas wollte in ihm aufwachen, während das Schild die herben Schläge abfing... Ein Gefühl unglaublichen Wahnsinns, den nur ein Kampf bieten konnte. Der Wahnsinn über Leben und Tod zu entscheiden... das war die neue Sache, die jener Held nun mit anderen Sinnen spürte... Er sah die Klinge seines Gegenüber wandern, sah, wie sie die Luft zerfetzte... und nur ein Schutzschild war das einzige Hindernis, das jener Klinge verbot, sich an Fleisch und Blut zu laben. Der Kampf zehrte mehr und mehr an Links Nerven und seiner Kraft. Die Wucht des Schildes, der bei jedem Schlag an seinen eigenen Körper drückte, wurde unerträglich. Links rechter Arm zitterte bereits aufgrund der zermürbenden Schläge. In dem Augenblick stand der Ritter still, zog sich zurück in den hintersten Bereich der Arena und nahm einmal mehr seinen Helm ab. „Du bist ein Raufbold, aber du nutzt dein Schild in hilfreicher Weise. Und obwohl Kraft nicht deine Stärke ist, kannst du bestehen. Der erste Kampf ist nun entschieden.“ Mit diesen Worten senkte sich die Plattform und stoppte in den Kreisbewegungen. Der Ritter marschierte erhaben wieder in die Reihe der anderen und der zweite trat hinein. Ungläubig starrte Link zu dem ersten Veteranen und hatte eigentlich eine Antwort erwartet. Hatte er nun den ersten Kampf bestanden oder nicht? Hatten seine Fähigkeiten gereicht für ein Viertel des Elixiers? „Hab’ ich den ersten Kampf nun bestanden, oder nicht?“, fragte er ohne zu überlegen und fixierte den ersten Ritter. Prompt antwortete dieser: „Du lebst noch, nicht?“, lachte der alte Ritter, hob Links Schwert auf und warf es ihm zu. Geschwind nahm jener Veteran in dem Augenblick wieder geisterhafte Gestalt an. Interessiert musterte Link den zweiten gespensterartigen Herausforderer. Ein relativ junger Ritter, vielleicht so um die dreißig, als der Tod ihn überfiel, schaute den jungen Helden ziemlich dreist und vorwitzig an. Sein Gesicht war frisch und narbenlos, sein schwarzes Haar zu einem geflochtenen Zopf verbunden. Er trug keine Rüstung, sondern eine schwarze Lederweste und dazu eine enganliegende dunkle Hose ebenfalls aus Leder, was Link stutzig werden ließ. Warum hatte dieser Kerl nicht einmal ein Kettenhemd unter der Weste und auch sonst nicht den Ansatz einer Rüstung? Aufmerksam wartete Link auf eine Reaktion jenes jungen Ritters. Aber anstatt dem jungen Helden eine Anweisung zu geben oder ihm mitzuteilen, was dieser Kampf ihm bringen sollte, tat der Herausforderer nichts weiter als mit der Nase zuwackeln, zu niesen und sich schließlich ein störendes Haar aus der Nase zu zupfen. Ungläubig musterte Link das Schauspiel und kam sich nicht nur überflüssig, sondern auch verarscht vor. Link beobachtete das Theater mit ungewöhnlicherer Ruhe und kratzte sich kurz an seiner rechten Wange. Als der Kerl aber dann noch mit Dehnübungen anfing, wurde es Link zu bunt. Schnaufend ließ er sich auf den Boden sinken und wartete auf das, was da kommen möge. Er malte mit dem Zeigefinger Spuren in den Sand. Der Ritter knackte mit den Fingern und räusperte sich. Nickend hüpfte der Held auf die Beine. „Kann’ es dann losgehen?“, meinte Link gelangweilt. „Übereifrig. Übereifrig“, keifte der Ritter. „Nein, ich will nur den Kampf überstehen, denn ich stehe unter Zeitdruck“, erklärte Link. „Deshalb möchte ich gerne beginnen.“ Der Ritter lächelte breit und nickte und begann zu erklären: „Der erste Kampf diente dem Schutz deines Körpers. Der zweite jedoch fordert deine Geschicklichkeit, deine Schnelligkeit und deine Bewegungen.“ Alsdann legte der Kerl in jener Lederbekleidung seine Waffen ab, schnallte einen Dolch von seiner Hüfte, zog ein weiteres Messer aus seinem Stiefel und schaute vorwitzig in das verwirrte Gesicht des jungen Streiters, der ihm gegenüber stand. „Was wird das?“, fragte Link wissbegierig. „Das merkst du vor allem dann, wenn es zu spät ist“, konterte der Kerl und machte einen Handstand, schwang sein Körpergewicht in Links Richtung, sodass er direkt vor seinem Antlitz zum Stehen kam. „Versuche mich zu fangen. Wenn du mich einholst, ist der Kampf entschieden.“ „Ich soll Euch einfach nur fangen?“ Und schon wieder musste Link angesichts dieser Herausforderung schmunzeln. Dachte dieser Kerl etwa, Link wäre zu langsam? Und was sollte dieser vorwitzige angebliche Kampf darstellen? Der Ritter aber lachte erheitert auf und reckte sein Haupt dem Himmel entgegen. „So einfältig du bist, so übermütig bist du. So leicht mache ich es dir schon nicht, dass du an Langeweile verendest.“ Link zuckte mit den Schultern. „Dann könnt ihr ja endlich anfangen.“ Der Kerl nickte und hüpfte innerhalb Sekundenbruchteilen in eine andere Ecke der Arena. Er winkte frech und herausfordernd. Ohne zu zögern steuerte Link mit gezücktem Schwert auf den Ritter zu, der nur ein hämisches Grinsen im Gesicht hatte. Aber Link würde ihn nicht so einfach erreichen. Wie der Wind hüpfte der Kerl über den jugendlichen Schädel. Mit aufgerissenen Augen drehte sich Link um und schaute den Ritter erstaunt an. „So wird das nichts, Held“, raunte der Ritter. „Du musst schon ein bisschen mehr deine eingeschlafenen Gehirnzellen in Bewegung bringen, wenn du mich fangen willst.“ Erneut winkte der Ritter ihm auffordernd entgegen. Link zog die Mundwinkel nach unten, nickte und ließ Schwert und Schild von seinem Körper fallen. „Schon wesentlich besser“, lachte der ältere Mann in der ledernen Kluft und zupfte sich an seinem Stoppelbart. „Los!“, fauchte er und Link ging dem Appell nach. So schnell ihn seine Beine trugen rannte Link dem gewandten Kämpfer hinterher, der alles gab, der wie ein Blitz über die Arena fegte. Geschickt wich er zurück, machte Saltos und Rollen, wurde einfach nicht schlapp in seinen Bewegungen, wurde nicht langsamer, während dem jungen Helden allmählich der Atem ausging. Tänzelnd lief der Ritter am Rand der Arena entlang und Link hinter ihm her. Plötzlich blieb jener Kerl stehen und Link witterte schon seine einmalige Chance und hetzte näher. Mit aller Gewalt warf sich Link in die Richtung des Kerls, wollte ihn zu Fall bringen, festnageln und diese überflüssige Testung seiner Schnelligkeit beenden, aber mit einem Mal stand der Ritter in der anderen Ecke des Kampfschauplatzes. Was war das denn schon wieder, dachte Link. Verfügte der Ritter über Magie? Konnte er sich möglicherweise teleportieren? Der junge Held stützte sich verschnaufend auf die Knie und rang nach Luft. „Du bist tatsächlich zu lahm für mich“, stellte der Ritter fest. „Könntet Ihr mir freundlicherweise sagen, wie ich Euch fangen soll, wenn Ihr eine Teleportierfunktion verwendet? Das ist unfair und alles andere als ehrenhaft.“, brachte der Heroe aus seiner trockenen Kehle, wischte sich mit einem Ärmel über die schweißnasse Stirn und fixierte den Ritter erneut mit kühlen Blicken. Der Ritter ließ den Kopf schief hängen und bewunderte heimlich diese beinahe Blaublütigkeit, die diesen Heroen auszeichnete. Ja, der einstige Held der Zeit besaß etwas, das gewisse Etwas eines talentierten, mutigen Helden, der nicht bereit war, seine Ideale jemals im Stich zu lassen... Der Ritter lächelte aufrichtig und besah sich ganz genau die tiefblauen Augen des jungen Streiters, wo Unmenge von Lebenslust, Mut und auch Sehnsüchte ruhten. Er wusste, wofür es zu kämpfen galt. Und er war der richtige Held für eine Welt, die am Abgrund stand. Er hütete die legendäre Seele der Helden Hyrules in sich. Es war sein Schicksal gegen das Böse zu kämpfen... „Du überzeugst mit deinen Worten und auch mit deinem Auftreten. Ich gebe dir einen Hinweis. Beobachte deine Gegner genauer, nutze ihre Schwächen und lerne.“ Der junge Kämpfer konnte zunächst mit diesem Ratschlag nicht viel anfangen und beobachtete stur, wie es der Ritter sagte, dessen Bewegungen. Genau und zielsicher, suchend nach einer Möglichkeit, die Stärke des Ritters auf Schwachpunkte zu testen, suchend nach einer verborgenen Untauglichkeit... Denn jeder hatte seine Schwächen, und doch konnte man lernen jene durch Stärken auszugleichen... Links tiefblaue Augen arbeiteten verbissen, beobachteten mit Respekt und Zuversicht die unterschiedlichsten Bewegungen des Ritters, der sich geschickt über die Arena teleportierte... Zehn Minuten verstrichen und der junge Held fand den Knackpunkt einfach nicht. Dieser Kerl war schnell, war einfach nur unheimlich gewandt in seinen Bewegungen, die seine Schwächen wunderbar kaschierten... Kam der Typ denn nie aus der Puste? Und plötzlich ging dem Heroen das hellste aller Lichter in seinem dussligen Heldenkopf auf! Es war ganz einfach, so simpel, dass es schon weh tat. Der Kerl teleportierte sich nur an die gleichen Stellen des Kampfschauplatzes. Das war es, aber ja, das musste das Geheimnis sein. Der schwarzhaarige Ritter konnte sich zwar gut bewegen, war flink und hatte die Gabe der Teleportation, aber er konnte diese Gabe nur in einem begrenzten Umfang nutzen. Er konnte nur an den gleichen Stellen erscheinen und wieder verschwinden. Link schüttelte vor Dummheit den Kopf, es nicht eher erkannt zu haben. Das Grinsen auf dem Heroengesicht wurde breiter, fast so breit, wie das des kleinen Bengels, der ab und an seinen Weg kreuzte... Geschickt trat Link, im Übrigen mit übertriebener Gelassenheit näher, beobachtete, wie der Kerl verschwand und dann wieder auftauchte. Gut, so leicht mache ich es euch gehässigen Rittern nicht, dachte der Hylianer und platzierte sich mit Besonnenheit in der Mitte der Arena, auf die Gelegenheit wartend, dieses Spielchen zu beenden. Er sah den Ritter erscheinen, entschwinden. Er sah ihn auftauchen aus dem Nirgendwo und im selben Moment, wie er sich auf das nächste Erscheinen vorbereitete. Gerade da witterte Link seine Chance. Mit geballten Fäusten, seine höchsten Schnelligkeit nutzend, wirbelte er näher, sah, den Ritter gerade rechts von ihm entschwinden und wusste, wo er als nächstes erscheinen würde. Der entscheidende Moment war gekommen. Jetzt oder nie... Link hetzte mit schnellendem Puls zu dem Abschnitt der Fläche, wo jener Ritter auftauchen würde, machte sich bereit und spürte einen Luftzug. Es geschah in Bruchteilen von Sekunden, dass Link den Typen direkt neben ihm erkannte, ihn an einem Oberarm packte und festhielt. Überrascht blickte der Kerl aus ein paar hellen, erfreuten Augen nieder, durchbohrte die Augen Links, um Gedanken in seinem Hinterkopf zu suchen. „Da ist wahrlich mehr in dir als du denkst“, sagte er lachend. „Der zweite Kampf ist nun entschieden.“ Und erneut senkte sich die Plattform herab. Zufrieden nun zwei der vier Kämpfe gemeistert zu haben, schnallte sich Link seine Waffen wieder um und wartete auf die nächste Herausforderung... Der Ritter in lederner Gewandung kehrte in die Reihen der Verstorbenen zurück, wurde fast unsichtbar und blass... Der dritte Ritter winkte dem jungen Heroen in dem Augenblick zu, bat ihn, von der Plattform zu treten, begab sich aus dem geisterhaften Dasein, wurde beinahe menschlich in Aussehen und Kraft. Erneut ein prächtiger, älterer Ritter mit einer teuren Rüstung. „Du hast dir eine Pause verdient, Held. So sei es und entspanne dich für den nächsten Kampf.“ Link nickte, machte es sich auf einem der riesigen Felssteine bequem, packte ein Butterbrot aus seinem Rucksack und schielte ab und an neugierig zu den Rittern hinüber... Derweil trat Zelda verzweifelt aus der tiefen Gruft heraus. Verbunden mit einem Wimmern, drehte sie an dem kupfernen Hebel und verschloss die alte unterirdische Anlage wieder. Ihr war zum Weinen zumute, weil sie einerseits nicht wusste, wo Link war und andererseits Angst hatte, ihm könnte etwas zugestoßen sein. Sie schluchzte und zog die Nase nach oben, blickte in das glühende Abendrot, blickte sich beunruhigt um und stapfte mit ihren hohen Stiefeln durch den kleinen Märchenwald, den Link so sehr liebte. Sie umarmte sich selbst, während sie durch den dichten, alten Waldabschnitt wandelte, war in ihren Gedanken weit weg und bemerkte im Hintergrund vorerst nicht das bösartige Knurren eines Untieres aus den Urzeiten Hyrules... Vier Hufe bewegten sich leise voran, jedem Schritt der Prinzessin folgend, die im Moment starke Sehnsucht nach ihrem Heroen hatte. Die Farben des Waldes vermischten sich heimlich mit denen der flammenden Sonne am Abendhimmel. Ein Meer aus Feuer nahm den Himmel ein, tauchte ganz Hyrule in warme Farben, ließ die tiefste Dunkelheit außer Acht... Und Zelda wandelte wie einst in ihren teuren Prinzessinnenkleidern durch jenen Wald. Sie wandelte über das saftiggrüne Gras, streichelte am Vorübergehen mit ihren Fingerspitzen die einzigartigen Gräser des Waldes, berührte Farne und junge Bäume mit ihren weichen Blättern. Dies war Hyrules ganzer Stolz... die Tatsache, dass es so unberührte Flecke in jener Welt gab. Hyrules Besonderheit... wo man in solchen Wäldern einst Feen singen hörte, den Wind tanzen fühlte und die Magie pulsieren spürte... Dies war Hyrule und doch nur eine Erinnerung. Zelda wandelte weiter, trat aus den magischen Wäldern heraus, warf einen letzten Blick durch die vielen dickstämmigen Bäume und sprach in ihren Gedanken ein leises: ,Lebwohl’ zu jenem Ort... Es war Zeit, sich von Hyrule zu verabschieden, das wusste sie. Und vielleicht würde es ihr leichter fallen, ihre geliebte Heimat nach all den Jahrhunderten endlich ruhen zu lassen, wenn sie sich schrittweise von einzelnen Orten verabschiedete... ,Ade, mein geliebtes Hyrule... ich hätte dich bis zum Tode verteidigt...’, sagte sie in Gedanken. Eine Träne tropfte, als sie den Weg fortsetzte und erneut nicht das fletschende Untier bemerkte, welches sich gerissen und biestig an sie heranschlich... Ihr Ziel war Kakariko... vielleicht könnte sie dort in einem der Häuser die Nacht verbringen, vielleicht aber erfüllte das Schicksal ihr den Wunsch, dass sich ihr Heroe dort aufhielt. Denn sie fühlte sich unbehaglich, alleine hier umherzuwandeln in einer Welt, in der es von Monstern nur so wimmelte. Und sie trug schließlich immer noch eine Wunde mit sich herum... ,Link’, sprach sie in ihren Gedanken. Immer wieder... wie eine leise Beschwörungsformel. Sie brauchte ihn jetzt, genauso wie früher und vielleicht noch mehr. Sie wollte bei ihm sein, beschützt werden, wollte seine ermutigenden Worte hören, wollte getröstet werden für das Schicksal, welchem Hyrule mit jedem Tag näher kam... Denn, falls Ganondorf besiegt werden würde, wenn die Erdenwelt erneut zum Leben erwachte und man alle Pforten nach Hyrule schließen würde, dann wäre Hyrule auch in jenem Zeitpfad endgültig vergessen und tot... Erneut dachte die junge Schönheit an ihren Heroen, als sie die monumentalen Stadtmauern Kakarikos, der größten Handelsstadt Hyrules, erreichte. ,Link’, sagte sie sanft in ihren Gedanken, wünschte sich, er wäre in einem der Gebäude und würde sie sofort in die Arme reißen. ,Link’, murmelte sie sanft. ,Link, ich liebe dich.’ Gerade in dem Moment ließ der junge Heroe das Butterbrot aus der Hand fallen und legte eine Hand auf sein Herz. Er fühlte sich innerlich berührt, fühlte sich, als würde eine sanfte Hand sein eigenes Herz betasten. Ein angenehmes Gefühl umfing ihn und er ließ sich einfach hinten über fallen, starrte in den Himmel, während ein wahnsinnig schönes, warmes Gefühl sich in seinem Herzen ausbreitete... eine Berührung von innen. Ein Ausdruck von Sehnsucht und Liebe... nur Zelda hatte diesen Zugang zu ihm. Nur seine Prinzessin. Dachte sie etwa im Augenblick an ihn und wünschte sich seine Nähe? Ein Lächeln umspielte seine Lippen. ,Warte auf mich, Zelda, ich bin in Kürze wieder bei dir...’, sagte er in seinen Gedanken und wusste, dass sie seine Besorgnis um sie fühlen konnte, dass sie seine Gedanken spüren konnte. In Kakariko brach nun die Dunkelheit herein und Zelda schöpfte gerade ein wenig Wasser aus einem der vielen Fässer, die an einer Seitenwand der berühmtesten Wirtsstube von Kakariko standen. Sie hatte eine Holzschale in der Hand und schlürfte davon beruhigend das angenehme, klare Wasser. Vorsorglich zündete sie ihre Öllampe an und lauschte in die Stille der Nacht. Ihre himmelblauen Augen wanderten aufmerksam hin und her. Ein leichtes Unruhegefühl lief in ihren Venen entlang, vielleicht weil in dieser großen Stadt sich viele unerwünschte Geschöpfe einnisten konnten, oder weil die Nacht Hyrule ihren dicken Mantel überwarf... Nacht und Dunkelheit... ihre größte Angst... die sie noch lange nicht besiegt hatte. Zeldas himmelblaue Augen wanderten vorsorglich umher und blieben an dem Mond haften, der auch hier in Hyrule sich immer mehr zum Vollmond vereinigte. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sich etwas warmes in ihrem Herzen von Sehnsucht und Liebe erschuf. Sie fühlte die Nähe ihres Helden, erkannte, dass er nicht weit weg sein musste und sie spürte eine leichte Beruhigung bei dem Gedanken an ihn. Es musste ihm gut gehen... Sie nahm die klappernde Öllampe in ihre linke Hand und trat an die große Holztür zu der großen Wirtsstube heran. Sie wollte sie öffnen und vielleicht in jenem Haus, von wo aus man einen guten Überblick hatte, die Nacht verbringen, aber sie ließ sich nicht öffnen. Seufzend marschierte die Prinzessin mit dem Unruhegefühl von vorhin eine enge, kleine Gasse entlang, blickte zu den kleinen Fenstern rechts und links von ihr, sah die aufgespannten Wäscheleinen, die über die Straße liefen, erfreute sich ein wenig an den zum Verkauf angebotenen Gegenständen in den kleinen Schaufenstern und lief weiterhin ihren Weg entlang. Plötzlich aber war da in der Stille ein anderes Geräusch als das des Windes, der unmerklich wehte. Ein Geräusch ähnlich dem Schaben von Hufen auf lockeren Erdboden. Beunruhigt schielte die junge Prinzessin von einer Abzweigung der Gasse zur anderen, spürte das Ansteigen ihres Pulses. Furchtvoll lehnte sie sich an eine Steinwand, umkrallte die Öllampe fester und zog das Langschwert von ihrem Gürtel. Ihre Augen leuchteten im Schimmer der kleinen lichtspendenden Lampe. Ihr Atem hetzender. Sie ballte die Fäuste, schämte sich aufgrund ihrer Angst vor der Nacht und hetzte schneller die Straße hinab, auf der Suche nach einem Gebäude, welches einen guten Überblick über einen Umkreis der Stadt bieten würden... Sie trat heraus aus der engen Gasse und blieb auf dem Marktplatz Kakarikos stehen. Nicht weit entfernt thronte eine schöne, kleine Villa auf einem grünen Hügel und eine gepflasterte Straße führte direkt dorthin. Zielsicher bewegte die Prinzessin ihre Füße in die Richtung der Villa. Erneut raschelte es verdächtig hinter ihrem Rücken. Nur ein leises Geräusch, das von Gefahr und Schrecken erzählte. Und doch wusste sie nun, dass sie hier an jenem Ort nicht alleine war. Etwas wartete hier auf sie. Eine Herausforderung. Ein Kampf, den sie ohne ihren Heroen bestreiten müsste... Sie klammerte ihre Finger so fest in das lederne Heft des Schwertes wie sie konnte und drehte sich langsam nach hinten. Erneut ein Schaben auf dem Erdboden und ein zusätzlich ein ekliges Grunzen... Angsterfüllt blickte die einstige Prinzessin Hyrules über den breiten Marktplatz Kakarikos und sah ihr gegenüber, nur wenige Meter entfernt, eine entsetzliche, bedrohliche Kreatur seine Zähne fletschten. Zähne, die aus einem löwenartigen Maul herausblitzten. Der Kopf entstellt und garstig mit vielen hässlichen Ausstülpungen, aus denen schwarze Substanz plätscherte. Sein gekräuseltes, dunkles Haar hing bis über zwei kraftprotzende Schultern hinab. Der Oberkörper war menschenartig und übersehen von zotteligem, schleimigen Fell, aber von der Hüfte an abwärts bestand eine solche Bestie aus den muskulösen Beinen eines Pferdes und den schwarzen Hufen eines Teufels... Zelda stolperte schreckhaft zurück. Oh, sie kannte diese Bestien. Sie kannte ihre dreckigen Ursprünge und ihre widerwärtigen Absichten. Lynels, so nannte man sie... Lynels (Anmerkung der Autorin: Wer nicht weiß, wie diese Bestien ganz genau aussehen, sollte mal das erste Zeldaspiel zu Gemüte führen. Ich hoffe, meine Beschreibung trifft das ganze ein wenig...) waren misslungene Verwandte der Zentauren. Und sie erinnerte einen blutigen Angriff auf Hyrules Hauptstadt durch diese Sorte an unreinem Gesocks. Der Prinzessin schoss die Angst durch den Körper, fühlte eine fiese Lähmung, die sich schrittweise in ihren Adern und Muskeln breit machte, als sie verstand, alleine diesen Kampf bestreiten zu müssen. Erneut stolperte sie zitternd einige Meter zurück und ließ die Öllampe fallen, als sich die Bestie langsam in ihre Richtung bewegte. Das Feuer der Öllampe verpuffte und der Lynel näherte sich grunzend der angsterfüllten jungen Hylianerin, der Tausend Gedanken durch den Kopf schossen. Sie hatte Angst, ja, und sie war einfach nicht fähig eine solche Ausgeburt der Hölle zur Strecke zu bringen, nicht nach ihrer flucherfüllten Vergangenheit, nicht ohne ihren Helden... Lynels waren nun mal keine einfältigen Moblins, die leicht zu besiegen waren, und Lynels waren ziemlich gerissen und grausam... Aber hatte sie denn eine andere Wahl als zu kämpfen? Angewidert starrte Zelda in das dreckige Gesicht der abschaumwürdigen Kreatur und suchte nach einem günstigen Fluchtweg. Denn Flüchten war das einzige, was ihr im Moment helfen würde. Wie dumm, dachte sie, dass sie als Prinzessin Hyrules in ihrem momentanen Zustand gezwungen wurde, wegzulaufen. Wie dumm... Sie hatte die Worte nicht zu Ende gedacht, als die Bestie hastig zum Sprung ansetzte und sich mit brausendem Galopp auf sie stürzen wollte. Erschrocken türmte Zelda zu ihrer verbliebenen Fluchtmöglichkeit... zu einer engen, dunklen Seitengasse. Die Kreatur jedoch folgte ihr auf Schritt und Tritt... Link beendete gerade genüsslich seine Mahlzeit und schaute wieder neugierig zu den vier Rittern hinüber. Ob er ihnen etwas aus ihrer Vergangenheit entlocken konnte? Wie waren diese Diener der Krone Hyrules wohl gestorben? Sie schienen im Moment alle wie in Trance. Der dritte Ritter schärfte sein Schwert für den nächsten Kampf. Der andere las in einem Buch und derjenige in der Lederkleidung schien zu schlafen. Und der letzte Ritter meditierte... Link hüpfte vom Felsen herunter und machte sich mit einem Räuspern aufmerksam, als er vor ihnen stand. Sie blickten alle verwundert auf, als ob der junge Heroe gar nicht vor ihnen stand, oder als ob sie ihn zum ersten Mal sahen. „Könnten wir vielleicht mit der Testung fortfahren? Die Nacht bricht herein.“, meinte Link umständlich, aber die Ritter taten nicht dergleichen. „Du weißt anscheinend gar nicht, wie nötig du eine Pause hattest.“ Leicht empört breitete Link die Arme aus und versuchte die Sache zu erklären. „Ich möchte nicht ungeduldig erscheinen, aber die Prinzessin des Schicksals läuft während ich hier untätig herumsitze, alleine und das mit einer Pfeilverletzung durch Hyrule. Und wenn Ganons Scharen sie finden, während ich hier faulenze, könnte ich mir das niemals verzeihen. Also, wollt Ihr nun bitte fortfahren?“ Seine Worte waren aufgeregter und bissiger als vorher. „Deine Prinzessin wandelt alleine durch Hyrule? Deine Prinzessin oder die Hylianerin, die du verehrst?“, fragte der Ritter mit dem Buch in der Hand. Link antwortete sofort: „Beides.“ „Wärst du bereit, ihr Leben für den Frieden Hyrules zu opfern?“ Link blinzelte und sein Mund stand sprachlos offen. ,Wie bitte?’, dachte er. Diese Veteranen fragten ihn, ob er Zeldas Leben für den Frieden des Landes opfern würde? Nicht mit einer Sekunde würde er daran denken, Zelda für irgendetwas zu opfern, zu vergessen oder im Stich zu lassen… „Ihr könnt nicht von mir verlangen, dass ich eine solche Frage beantworte!“, sagte er kühl und drehte sich entschieden um. Sicherlich hatte Link seine Ideale und seine Verantwortung für Hyrule. Aber er liebte Zelda aufrichtig… Eine solche Entscheidung, die entweder zu Gunsten Zeldas oder zu Gunsten der alten Welt Hyrule ausgehen würde, konnte er nicht fällen. „Aber es wird der Tag kommen, da du dich für eines von beiden entscheiden musst, ob du nun willst oder nicht. Das Leben fordert Opfer, vor allem von Helden, vor allem von deines gleichen. Also… wie wirst du dich entscheiden.“ Link fuhr sich durch die blonden Haarsträhnen und schüttelte mit dem Kopf. Er war noch lange nicht bereit für eine solche Entscheidung. Er liebte Zelda viel zu sehr, als dass er sich gegen sie entscheiden würde… aber wäre eine solche Entscheidung möglicherweise der Untergang für viele andere, der Untergang für sowohl Zelda als auch ihn? „Überlege dir diese Entscheidungsaufgabe… denn die Zeit rinnt dir davon. Der Tag der Entscheidung rückt näher.“ Link stützte eine and an seinen Kopf. Der Tag der Entscheidung? Er würde zwischen Zelda und Hyrule wählen müssen? Er sollte darüber urteilen, was er mehr liebte? „Warum erzählt Ihr mir das?“ „Weil dein Schicksal und das dieser alten Grabstätte Hyrules daran geknüpft sein werden. Wir sind Geister, Held, wir wissen mehr über die Zukunft als du oder ein anderes lebendiges Wesen. Deshalb hüte dich vor einer vorschnellen Entscheidung und bedenke gut, was jede Entscheidung mit sich bringen würde…“ Link ließ die Schultern hängen. Sein Blick war weich und einen Hauch verzweifelt. ,Warum würde er immer das verlieren, was er liebte?’ War es die Grausamkeit des Schicksals, die dies bereithielt? Oder war es nur ein dummer Fluchtversuch, um alten Mächten gnädig zu sein… Link schüttelte den Kopf, war uneinsichtig und stur. Er konnte und wollte eine solche Entscheidung nicht fällen. Niemand, nicht einmal die Götter konnte etwas derartig Grausames von ihm verlangen! Doch sehr bald würde jener Tag kommen und Link konnte wählen… Aber würde er Zelda denn jemals wieder für ein Stückchen Frieden verlassen wollen? Seine Gedanken schweiften zu ihr, als der junge Heroe die Pause fortsetzte, die jene Ritter von ihm verlangten… Die Prinzessin des Schicksals hetzte gerade in jener Minute durch eine schmale Gasse, keuchte unentwegt und stützte sich verzweifelt auf ihre Knie. Seit einigen Minuten lief sie vor dem dämonischen Aas davon, hatte sich alle möglichen Zufluchtsorte überlegt, aber nichts war vor dem Lynel sicher... Magische Kräfte hatten diese Biester massig. Ein starkes Schwert und ein kleines, rundes Schild waren ihre Standardausrüstung... Und auch jetzt schabten seine schwarzen Hufe wieder angstprovozierend auf dem trockenen Erdboden. Zelda schärfte ihren Blick, versuchte ihren verräterischen Atem zu unterbinden und spürte das Monster näher und näher kommen. Verzweifelt rüttelte sie an dem erstbesten Hauseingang in der Gasse, fand eine offene Tür und huschte so schnell wie möglich in das dunkle, leerstehende Lehmhäuschen... sie verriegelte die Tür ohne zu zögern, und lehnte sich an die hinterste Wand einer kleinen Wohnstube. Sie fühlte das kalte Gestein in ihrem Rücken und presste sich dagegen, als würde es ihr helfen, Ruhe und Mut zu finden... Angestrengt lauschte sie in die Stille der Nacht, wischte sich goldene Strähnen ihres zerzausten Haares vom Gesicht und biss sich auf die Lippe. Der Lynel war nah... und er gierte nach Blut und Fleisch... Sie umarmte sich selbst, als sie draußen in der engen Gasse ein raunendes, fast schon kicherndes Quietschen vernahm. Eine Schweißperle zeichnete sich auf ihrer Stirn ab, als die Mischung aus Moblin, Elf und Pferd sich in der kleinen, schmalen Gasse entlang bewegte. Er zirpte beinahe, führte einen bohrenden Schlachtgesang an, triumphierte vor Freude, ein hylianisches Geschöpf zu töten, zu zerreißen und verstümmeln zu können. Bilder eines Angriffs auf das Schloss rüttelten an ihrem Gemüt... nur acht Jahre alt war sie damals, als diese Biester in den Königssaal eindrangen und einige der besten Ritter des Landes wie Happen Fleisch von diesen Bestien auseinander gerissen wurden. Sie erinnerte sich, dass ihr Vater sie in einen Geheimgang einsperrte. Auch dort war sie allein. Allein, wie eh und je... aber er hatte sie beschützt... Und nun musste sie selbst eines der widerlichsten Ungetüme ihrer eigenen Welt in die Hölle schicken, aus der man es zurückholte. Sie krallte ihre Fingerspitzen aus Feigheit in die Haut ihrer Arme, schämte sich für ihre Angst und wusste doch, dass Angst nur die Vorspeise eines Mahls mit dem Bösen darstellen konnte. ,Es war Zeit,’ dachte sie. ,Greif’ an’, sagte sie in Gedanken. ,Tu’ etwas, Zelda!’ Erneut zog sie ihr eigenes Schwert, dessen Klinge in der Nacht silbrig schimmerte. Sie schwang es horizontal, lauschte seinem hellen Klang, fühlte die Winde vor ihrer Lieblingswaffe zurückweichen und im Hintergrund wurde das schaurige Wiehern und Geifern immer lauter. Es näherte sich und zückte keine Sekunde vor dem Feind, den er maßlos unterschätzte. Denn es war eine Hylianerin, gegen die er kämpfen würde, die wirkungsvolle magische Attacken besaß, und die mehr als die meisten anderen einen Groll gegen die Diener der Dunkelheit trug... An einem der kleinen Fenster des Häuschens schlich ein Schatten vorbei, der sich vom hellen Mondlicht speiste... Und jener Schatten blieb, spürte ängstliches Leben in seiner unmittelbaren Gegenwart und schnupperte mit einer katzenartigen, entstellten Nase in der Luft den verräterischen Geruch von jungem, reinblütigem Hylianerfleisch... Zelda stieß einen quälenden Angstschrei aus, als die Bestie sich mit ihrem ganzen Körper gegen die kleine Holztür warf, die jene Prinzessin mit Mühe und Not verriegelt hatte. Erneut prallte der wuchtige Kopf des Dämons gegen die kleine, ungenügend gesicherte Tür. Vor Angst stiegen der Prinzessin die Tränen in die Augen und mit jedem gewaltsamen Schlag, mit jeder weiteren Attacke, fühlte sie ein leichtes Aufgeben, ein Nachgeben ihrer Knie... Erneut ein erbarmungsloses Toben und die Tür begann zu splittern. Kleine Holzfunken tanzten in der Luft wie kleine Feengeister, die durch Dämonenhände ihr Ende fanden... Zeldas kristallblaue Augen wanderten in dem Raum umher, suchend nach etwas neuem, suchend nach ihrer Rettung, bis sie auf einem kleinen Fenster verweilten, welches eine eingeschlagene Fensterscheibe hatte... Zitternd wanderte ihre freie Hand an einen rissigen Fenstergriff, spürte Holzspreißel sich in ihre Haut bohren und sie zerrte mit aller Gewalt an dem Fenster. Ein hilfloses Schluchzen entkam ihrer Kehle, als sie wie besessen gegen das Fenster klopfte. ,Warum ging dieses bescheuerte Fenster nicht auf?’ Die Kontrolle verlierend, machten sich Zeldas magische Fähigkeiten selbstständig und ein gleißender Strahl puren Lichts zerriss mit gefährlichem Dröhnen das gesamte Fenster und einen Großteil der Mauer rechts und links des Fensters. Atemlos wand sie sich zur kleinen halbzerfetzten Holztür, und ein Gedanke daran, dass ihr Handrücken nicht mehr schmerzte, erinnerte sie, machte sie aufmerksam, dass sie ihre gesamte, heilige Magie der siebten Weisen diesem Lynel entgegenschleudern konnte. Aber warum war der Stich auf dem rechten Handrücken nun nicht mehr da? Warum war er verflogen? War es das, was die Götter im großen Himmelshaus gemeint hatten? Der Lynel kreischte in jenem Moment, sodass man ihn noch im Kokiriwald hören konnte, er fauchte und stürzte sich mit einer gewaltsamen Attacke gegen das Türchen. Diesmal hielt es nicht mehr stand und das Holz krachte an vielen Stellen entzwei. Doch als der Lynel forschend in die Wohnstube des dunklen Häuschens stampfte, war die junge Hylianerin nicht mehr zugegen... An einem anderen Ort stand Link bereits entschlossen dem nächsten Herausforderer entgegen. Diesmal, so wusste der Heroe, würde es ein Kampf sein der mehr von ihm forderte als ein sicheres Ausweichen und Abwehren von herben Angriffen. „Dieser Kampf fordert nicht deine Fähigkeit zu Schutz oder deine Schnelligkeit. Diesmal zeig’ uns deine Gewandtheit unter allen möglichen Bedingungen“, sprach sein Gegenüber klar und verständlich. Links tiefblaue Augen durchbohrten beinahe mit ausdauernder Geduld den Ritter auf dem steinernen Kampfschauplatz, der den jungen Heroen ebenso zu mustern schien. Währenddessen drehte sich die Arena wieder, die riesige Steinplatte raste schneller und schneller um die eigene Achse, bis Link die Augen schließen musste. Alles drehte sich in seinem Kopf, als die Platte endlich in ihrer Irrfahrt stoppte. Langsam hoben sich seine Augenlider und ihr Besitzer erstaunte angesichts des Ortes, der nun einiges von ihm abverlangen würde. Links Lippen entkam ein überraschter Aufschrei. Irgendwo hoch oben, auf wenigen schmalen Balken, stand der verblüffte Held der Zeit nun unter enormen Druck, das Gleichgewicht zu halten. Er schaute sich um, ignorierte den lachenden Ritter am anderen Ende eines Balkens und versuchte über dem Balken in der Dunkelheit den Boden auszumachen. Aber dies war nicht möglich... Der Ort war einfach nur ein schwindelerregendes Grauen für jedermann... „Scheiße, wo sind wir hier!“, schallte seine Stimme umher. Empörung stach aus seinem Blick. In dem Moment verlor der junge Kämpfer beinahe den Halt, kurbelte mit den Armen in der Luft herum und stolperte einige Meter rückwärts. „Wenn ich das verraten würde, würde es keinen Spaß mehr machen. Also komm’!“ Und der Ritter machte eine auffordernde, winkende Handbewegung und grinste. „Greif’ mich an.“ Link ließ sich nicht zweimal bitten, bewegte seine Stiefel vorsichtig über den schmalen Holzbalken und fand sich wenige Sekunden später in einem ausgeprägten Kampf. Der Ritter kämpfte fair, aber verlangte dem jungen Helden alles ab, was er an Geschicklichkeit, Technik und Ausdauer aufbringen konnte... Nach vielen Minuten stützte sich Link schnaubend und vor Atemnot keuchend auf seine Knie, spürte einen Schweißtropfen über seine Stirn wandern und kniff eine Auge zusammen. „Nicht schlecht, Held“, meinte der Ritter und schnipste mit dem Finger. „Du kannst tatsächlich auf einem Balken über einer tiefen Schlucht dein Talent unter Beweis stellen. Ich muss zugeben, ich hätte nicht mit deinem Mut gerechnet.“ Link hörte den Ritter lediglich murmeln und blickte ermüdend zu dem winzigen Halt hier oben in der Luft. Der Ritter schnipste noch einmal und erneut verwandelte sich der Ort des Kampfes. Link rollte mit den Augen und seufzte. Diesmal war es kein Balken in unerträglicher Höhe, sondern eine Steinplatte umgeben mit tosenden Feuersäulen, die ihren flammenden Schein und ihre Wärme auf die Arena schickten. „Na? Schön warm?“ Der einstige Held der Zeit aber hatte keine Lust auf diese Gehässigkeit zu antworten. Sogleich zückte er sein Schwert und hielt das Schwert appellierend langgestreckt von sich. „Wie wäre es, wenn Ihr jetzt zuerst angreift!“ „Wie du wünscht...“ Auch der Ritter zog sein stählernes Schwert aus der Schwertscheide am Gürtel und ließ sich auf die Herausforderung ein. Ein weiterer Kampf entbrannte zwischen ihnen, während am hylianischen Abendhimmel Tausende Sterne am Himmel leuchteten. Wohlbehütet, aber erschöpft und ausgebrannt hatte der junge Heroe Minuten später den dritten Kampf unter allen möglichen Bedingungen wie einem Balken in der Luft, gefangen im Feuer, auf Eisschollen, in purer Nacht ohne Lichtpunkte und zu guter Letzt in einem schwerelosen Raum gemeistert. Erneut stand er in der Arena inmitten des großen Steinkreises in der Nähe Kakarikos und lauschte den Worten des Ritters ihm gegenüber. „Der dritte Kampf ist nun entschieden.“ ,Wie wahr’, dachte Link. „Du hast nun eine weitere Pause verdient und dann erwartet dich der letzte Kampf.“ Link platzierte sich im Schneidersitz auf der Steinplatte, stützte eine Hand an sein Kinn und dachte sehnsüchtig an seine Prinzessin... Und auch die junge Königstochter dachte verzweifelt an ihren Helden, während sie ihre müden Beine über das Kopfsteinpflaster der engen Straßen Kakarikos bewegte. In ihrem Blickfeld hatte sie unentwegt die große Villa auf dem dunklen Hügel, und im Hintergrund grunzte und fauchte der Lynel lauter und lauter. Er musste sie entdeckt haben. Und doch traute sie sich nicht ihren Kopf eine Sekunde nach hinten zurecken und den Schrecken zu akzeptieren. Sie machte sich Mut, sprach Worte des Ehrgeizes zu sich und hetzte so schnell sie konnte weiter. ,Na, warte, du Höllenkreatur. So leicht mache ich es dir nicht.’, sagte sie in ihren Gedanken, nahm sich ein Beispiel an ihrem Heroen, der in einer solchen Situation auch nicht aufgeben würde. Aber Link würde auch nicht weglaufen... Link würde kämpfen... Während sie flüchtend durch die Gasse rannte, wirbelte ihr blondes Haar in den dunklen Gefilden der Nacht. Ihr Atem kam stoßweise und sie begann zu keuchen, fühlte sich schwächer und elender... Nur noch wenige Meter trennten sie von jenem erhabenen Haus auf dem nun dunklen Hügel, nur noch wenige Meter und sie war in Sicherheit, denn jene Villa schien fest und robust, dort könnte sie sich in aller Ruhe auf ihre alte Magie besinnen. Das Wiehern und Grunzen der Höllenbestie setzte wieder ein, als die junge Prinzessin die reiche Villa beinahe erreicht hatte. Doch irgendetwas schien nun anders. Das Grunzen war heller, wechselte sich zu einem Schnalzen, das morbider klang als vorher und nur aus Neugierde und vielleicht aus Angst, ihre Vermutung zu bestätigen, blickte die Königstochter nun doch nach hinten. Es war nun nicht mehr ein Lynel, mit dem sie schon klar gekommen wäre. Nun waren ihr fünf ausgewachsene Lynels dicht auf den Fersen. Zeldas Augen weiteten sich angstvoll und sie stolperte schreiend, fiel krachend auf ihre Knie und drehte sich ruckartig um. Ihre Knie brannten und sie wollte nicht mehr. Konnten diese fleischsüchtigen Biester sie nicht in Ruhe lassen? Wütend ruderte sie mit ihren Armen in den Lüften, streichelte die Pfade, die Luftgeister auf ihren lautlosen Schwingen einnahmen und feuerte mehr aus Rage als aus Angriffslust einen schneidenden Lichtregen ihrer legendären Macht in die Nacht. Der goldene Lichtregen erwischte ihre jaulenden Verfolger an allen Gliedmaßen und bohrten sich wie glühende Klingen in untotes Fleisch. Aber die Lynels ließen sich davon nicht beirren. Sie schimpften mit ihren schiefen Stimmen, beschleunigten ihr Tempo um so mehr und sonderten weitere zischende Laute ab. Gereizt nutzten die Lynels nun ihre magischen Kräfte und feuerten wütende gleißende Blitze schwarzer Magie auf ihr flüchtendes Opfer. Zelda spürte die magischen Attacken zwischen ihren hetzenden Atemzügen und ihren hoffnungsvollen Blicken zu der stolzen Villa auf dem Hügel. Erneute Attacken. Erneutes Zischen... Und es war in jenem Moment, dass Zelda wusste, ihr Weglaufen hatte keinen Sinn mehr. Ihre Flucht würde sie zum Abendmahl der Lynels machen. Keuchend blieb sie stehen, als die magischen Blitze der Lynels neben ihrem rechten Ohr vorbeirauschten und einen jungen Baum entwurzelten. Langsam wand sie sich den Lynels entgegen, verabscheute jene widerwärtigen Kreaturen, ekelte sich vor ihrem blauschimmernden, dunklen, zotteligen Fell, das im Mondlicht glänzte. Sie hasste ihre moblinartigen Köpfe und das Gegrunze widerte sie an wie der Schreckenslaut eines sterbenden Dämons... Sie zitterte und umkrallte beinahe hilflos ihr Langschwert mit der Rechten, blickte beobachtend zu den fünf Lynels, die sich in einem Kreis um sie herum bewegten. Ihre Kehlen gurgelten, einen Schlachtruf einleitend, der nur ein Austausch von Vieh zu Vieh lobpreiste. Eine scheußliche Kommunikation, sich endlich auf ihre Beute zu stürzen. Zeldas himmelblaue wanderten bedacht und überlegend von einem Lynel zum anderen, bereit und entschlossen. Zelda schluckte den Knoten in ihrem Hals herunter, versuchte innere Ruhe zu finden, ihr Innerstes auf Mut und Weitsicht zu erforschen. Ihre Augenlider sanken beherrscht nieder, als sich alle Lynels gleichzeitig mit wildem Geraune auf sie stürzten. Zu dem Zeitpunkt sprang Link genervt auf die Beine. Schon wieder sollte er sinnlos auf einen weiteren Kampf warten. Es reichte! Er hatte nicht ewig Zeit. Schließlich stand das Schicksal der ganzen Welt auf dem Spiel. Er konnte nicht händeringend darauf warten, dass sich der nächste und letzte dieser Ritter bequemte gegen ihn anzutreten. Links Blick entnervt und missmutig. Er schlich gemächlich zu den Rittern herüber und fixierte den letzten in der edelsten Rüstung der vier ganz genau. „Das reicht jetzt. Entweder ihr tretet gegen mich an, oder ich verschwinde mit dem Elixier. Ich habe keine Lust mehr auf euer sinnloses Geschwafel von Ehre und Ausdauer.“ Link stellte nun endlich das überfällige Ultimatum. „Und ich habe mich schon gefragt, wann du endlich du selbst bist, Link“, sagte der letzte Ritter, trat näher und nahm einen goldenen Helm von seinem Haupt. Das erste Mal, dass einer der Ritter ihn mit seinem wirklich Namen ansprach. „Ihr seid doch derjenige, der mir das letzte Elixier gegeben hatte“, meinte der Heroe verdutzt und fixierte mit einem eher vertrauten Gefühl jenen Ritter. Schulterlanges, dunkelbraunes Haar... ein grobes, aber freundliches Gesicht mit ausgeprägtem Kinn und einer schwach seitlich stehenden Nase. Eine kleine Narbe verlief über der Oberlippe des älteren Mannes. „Ja“, meinte der Ritter freundschaftlich und klopfte Link auf die Schulter, der diese Geste ausgesprochen überraschend über sich ergehen ließ. Links Blick schien verwunderter als bisher, in etwa so verdutzt wie damals als Zelda das erste Mal ihre Augen in seinem Zimmer öffnete. „Du hast leider keine Erinnerungen an Damals, aber lass’ dir gesagt sein, ich kannte dich.“ Links Mund stand sperrangelweit offen und sein Bewusstsein schien vor Überraschung mit dem Träumen anzufangen. „Ihr kennt mich?“ „Ja doch. Ganz gut sogar“, lachte der Kerl und zupfte an seinem Schnurbart. „Und du bist immer noch derselbe kleine Hitzkopf wie damals“, setzte der Kerl hinzu. Auch Link bekam endlich ein Grinsen zustande. „Und wer seid Ihr?“ Link sah zu Boden und bereute diese Frage beinahe. „Nun, du kanntest mich als Kommandant Orson. Und ich stand unter der hylianischen Königsflake mit Stolz und Respekt, auch wenn ich die letzten Stunden Hyrules miterleben musste, ich werde niemals meiner Treue abschwören.“ Links Grinsen wurde immer entschlossener. „Ihr kanntet mich also.“ Link schien diese Information erst einmal verdauen zu müssen. „Und... ich meine... war ich damals besser? Ich meine, im Kämpfen.“ Daraufhin lachte Orson wieder. „Du machst dir Sorgen, Link? Sorgen, nicht der zu sein, der du sein solltest?“ Link nickte bestätigend und einsichtig. Aber der ehrenhafte Ritter beruhigte ihn. „Seit wann macht sich der Held der Zeit Sorgen um seinen Kampfstil? Du hast Talent und du hast Mut. Lass’ dich von den Täuschungen aus vergangenen Zeiten nicht beiirren, Link.“ Der Angesprochene Heroe sah zufrieden auf und grinste breit. „Und du hast immer noch dein dümmliches Grinsen, Link.“ Beschämt schaute er wieder zu Boden und kratzte sich am Haaransatz. „Der Kampf wird fortfahren, aber vorher...“ Und der Ritter setzte sich auf einen Felsen und deutete Link an, es sich neben ihm gemütlich zu machen. Der Heroe ging der Aufforderung nach und besah sich neugierig die Sorgenfalten auf Orsons Stirn. „... vorher hätte ich gerne gewusst, wie es der Prinzessin geht.“ Und diesmal trat ein Lächeln auf Links Gesicht, welches Orson in dem weitentfernten Damals noch nie in dieser träumerischen, sehnsüchtigen Variante gesehen hatte. Sicherlich... auch damals hatte der Held der Zeit einen einzigartigen Funken Sehnsucht in seinen tiefblauen Augen, wenn Zeldas Name fiel, aber die Überzeugung und Gewissheit in dem Blick des Helden war neu. „Ich denke... nein, ich weiß, dass es ihr im Moment gut geht“, sagte er sanft. Orson nickte und erwiderte entzückt, vielleicht weil er sich immer schon als eine Vaterfigur für Link gesehen hatte oder als eine Art Onkel und weil er es wissen wollte. „Also haben die Prinzessin des Schicksals und der Held der Zeit in letzter Instanz doch zueinander gefunden?“ Link bemühte sich nicht rot zu werden und nickte bloß. „Das freut mich für dich und für die Prinzessin“, sagte der Ritter. „Man hat es euch beiden immer angesehen... Auch wenn eine solche Liebe in damaligen Zeiten nie erlaubt gewesen wäre.“ „Deshalb... weil Zelda nun alleine in Hyrule umherwandelt, möchte ich, dass wir den Kampf fortsetzen“, meinte Link leise und hüpfte auf die Beine. „Ich will nur... dass ihr nichts zustößt. Immerhin hausen noch viele unberechenbare Kreaturen hier in Hyrule...“ Orson nickte. „Na gut, Link, wie du meinst. Ich bin dein letzter Gegner, aber in unserem Kampf wird es um etwas völlig anderes gehen als bisher. Den Test hast du bestanden, das bedeutet du bist dem Elixier würdig.“ Und Link blickte überrascht auf. Hieß das etwa, der nächste Kampf hatte nichts mit dem Elixier zu tun? Hatte er sich die Substanz für Impa bereits verdient? „Was mein Anliegen betrifft, so möchte ich dir gerne eine neue Schwerttechnik beibringen, die dir beim letzten Gefecht helfen wird.“ Link war sprachlos... Eine neue Schwerttechnik mit der er eine bessere Chance hatte, gegen Ganon zu bestehen? Er drehte sich vor Freude um die eigene Achse und jubelte wie ein kleines Kind. „Ihr wisst nicht, wie sehr ich Euch danke, Orson.“ Er grinste verschmitzt. „Du solltest mir danken, wenn du die Technik beherrschen gelernt hast, nicht eher.“ Und Link nickte einsichtig. „Trotzdem danke“, sagte er. Es war nicht nur die angebotene Hilfe, die die Last auf seinen Schultern erträglicher machte, nein, es war wohl Orsons Verständnis dafür, dass er sehr bald einen mörderischen Kampf überstehen musste, wo ihm jeder noch so kleine hilfreiche Trick helfen könnte, erst recht eine neue Taktik. Alsdann trainierte der junge Heroe mit Kommandant Orson und übte eine neue Technik ein, bei der er schlummernde, vor allem magische Kräfte endlich sinnvoller nutzen würde. Und irgendwann... dann wenn der große Kampf drohte, würde sich jene neue, hilfreiche Technik bezahlt machen... genau dann, wenn Link sie benötigen würde, wäre sie erfahrbar für die Augen eines Beobachters... Tausende, gleißende Blitze gespeist aus dunkler Magie prallten der jungen Hylianerin entgegen. Und Zelda stand nur erstarrt, aber erhaben und mächtig in einem gefährlichen Kreis der Lynels. Ein runder Schutzschild umhüllte sie. Ihre blonden Haare wirbelte getragen von magischen Winden in der Luft und schwaches, aber machtvolles Licht brodelte entsetzlich und pulsierend aus ihren Fingerspitzen. Erneute dunkle Attacken der Lynels trafen den Schutzpanzer Zeldas, aber sie spürte jene Angriffe nicht, sie ignorierte sie, sich auf ihre alte Macht konzentrierend. Lang schon vergessene Formeln eines Zaubers aus Hyrule erfüllten ihre Gedanken leise, wurden lauter in ihrem Bewusstsein, bevor die Worte einer alten Sprache flüsternd über ihre Lippen gelangten. ,Führe mich, Nayru...’, flüsterte es. ,Leihe mir deine Kraft...’ Und als Zeldas Augen weit geöffnet standen, bereit für das Fest und die Auferstehung alter Macht, brach der Schutzschild tosend entzwei und fünf Sperre aus purem heiligen Licht entsprangen den Händen der Prinzessin. Jene Waffen durchbohrten zischend die entstellten Köpfe der Lynels und alle gingen in einem Regen glühender Asche dem Ende entgegen. Als das Licht um Zeldas Körper erlosch und die letzten Ascheteilchen vom hylianischen Wind hinfort geblasen wurden, sank Zelda erleichtert, aber kraftlos auf ihre aufgeriebenen Knie, reckte ihr blondes Haupt hechelnd dem Mond entgegen und erkannte mit leichtem Entsetzen, dass es die ihr einst anvertraute Macht war... die erneut zum Leben erwachte... Sie warf einen zaghaften, scheuen Blick zu ihrem rechten Handrücken, fühlte es kribbeln in ihrer Hand, fühlte den Nachklang des Einsatzes eines Teils von Hyrules Urkräften, die es zusammenhielten... Die alte Stärke der Göttinnen... Der Grundbaustein Hyrules... Die goldene Macht... Sie lebte... Sie war erwacht... Nach einem harten Übungsgefecht war Link aufgrund der magischen und der körperlichen Anstrengung so geschafft, dass er sowohl Schwert als auch Schild einfach fallen ließ. Aufgereiht standen die vier geisterhaften Gestalten wieder vor dem jungen Heroen. Sie winkten ihm zu und murmelten ein ,Lebe wohl, Link, Held der Zeit.’ vor sich hin, bis sie in einem silbrigen Schimmer übergingen und endgültig verschwanden. Vielleicht, so dachte Link, hatten sie nun ihre Ruhestätte gefunden, jetzt, da das lila Elixier in seinen Händen ruhte und sie den Helden Hyrules, die letzte Hoffnung gegen das Böse, zu besserem Kampfstil angeleitet hatten. Ja, endlich konnte sie dort hingehen, wo ihre Seelen glücklich sein konnten und wo sie vergasen... Versunken in seine Gedanken und unheimlich besorgt über den Verbleib seiner Prinzessin sackte Link vor dem Opferstein zusammen und lehnte sich erschöpft gegen das kalte, trockene Felsgestein. ,Wo bist du nur?’, schallte es durch seine Gedanken. Ihr Name kam beinahe qualvoll über seine Lippen und er fragte sich, ob es auch diesmal den glücklichen Umstand geben würde, dass das Schicksal sie beide wieder zusammen führen würde... In dem Augenblick lösten sich die magischen Wände von der Welt, versanken im Erdboden wie ein flüssiges Gewebe, versickerten wie Wasser und Link erkannte unweit von ihm den Friedhof Kakarikos wieder, und den Märchenwald, wo seine Zelda und er losgezogen waren, um das geheimnisumwitterte Grab zufinden. Ob sie vielleicht noch dort auf ihn wartete? Mit nagenden Zweifeln und einer tückischen Müdigkeit hüpfte der junge Mann auf die Beine, hatte eine starke, brennende Sehnsucht nach Zelda, schier unermesslich und fast folternd war der Gedanke an ihre Wärme und Lippen schon... Nach einer halben Stunde war der junge Heroe an dem alten Grab angelangt, doch kein Hinweis auf den Verbleib seiner geliebten Adligen. Und allmählich legte sich die Nacht über das alte Land, wiegte Hyrule in ein sanftes Schlaflied, das der Wind hinausträllerte. Doch Zelda blieb verschollen. Nicht in der Lage Schlaf zu finden, wanderte der junge Held durch den dichten Wald, trat hinaus auf die weiten Felder, die sich im Nachtwind wogen, lauschte den geheimnisvollen Klängen einer Eule, die ihn auszulachen schien. Trübsinnig und übel gelaunt lehnte er sich an einen alten Baumstamm, aß einen Bissen Brot, obwohl er keinen Appetit hatte und grübelte nach einer Idee. Die blauen Telepathiesteine kamen ihm in den Sinn, aber auch diese waren zu nichts nutze, weil alle zu diesem Zeitpunkt in Zeldas Besitz verweilten. Der siebzehnte Tag war um. Und nur noch wenige Stunden trennten ihn von einem erbarmungslosen Kampf, der nicht so fair und gerecht ablaufen würde wie der von vor belanglosen Minuten gegen rechtschaffene, talentierte Ritter eines alten hylianischen Ordens. Musste er sich nun alleine auf den Weg machen? War die Zeit gekommen, dass sich seiner und Zeldas Weg trennen würden? Hier in Hyrule? „Zelda...“, murmelte er und fiel in einen unruhigen, mit Alpträumen geplagten Schlaf. So, bitte nicht schimpfen, wenn noch ein paar Fehler drin sind... konnte es aus Zeitgründen nicht noch mal durcharbeiten. lg an alle Leser! Kapitel 94: Auch noch Schmarotzer! ---------------------------------- Kapitel 77: Auch noch Schmarotzer! Der Heroe wurde am Morgen durch feine Regentropfen geweckt, die durch die Baumkronen schlüpften. Ein sanfter Frühlingsregen bedeckte das Land mit einem klaren, kühlen Tuch aus reinem Wasser. Link blinzelte, führte eine Hand vor sich um den Regen zu fühlen, der seine Sinne weckte. Er hatte schlecht geträumt. Bilder von seinen Eltern und von Sara huschten durch seinen schweren Kopf und ein erschreckender Gedanke an das, was in wenigen Tagen auf ihn wartete. Im Augenblick fühlte er sich nicht wie Hyrules legendärer Held, sondern nur wie ein junger, gedemütigter Jugendlicher, dem das Schicksal eines ganzen Planeten aufgezwungen wurde. Er wollte am liebsten losschreien und seinen Frust herausbrüllen, wusste er doch, dass ihn niemand hören würde. Er war allein. Und wenn Zelda nicht in sein Leben gekommen wäre, wenn das Schicksal ihm nicht erlaubt hätte, sie zu finden, sich erneut in sie zu verlieben, dann wäre er vielleicht der einsamste Mensch auf der Welt... Kopfschüttelnd brachte er perlende Wassertröpfchen von seinen durchgeweichten, dicken, blonden Haaren und verkrampfte die Fäuste. „Du bist erbärmlich...“, schallte es in seinen Gedanken und ohne es zu wollen, sprach er die Worte aus, geführt von dem stärkeren Ich in sich, welches in den nächsten Tagen die Chance haben würde, zu erwachen. „Steh’ auf und kämpfe.“ Aber auch Helden hatten ein Anrecht auf Trübsinnigkeit, vor allem dann, wenn es ihnen nicht gut ging und sie etwas vermissten. Und so wusste auch Link, dass er wenigstens einige Minuten, angelehnt an dem Baum, nachdenken und träumen durfte... Der Regen plätscherte nicht mehr an den Rinden der Laubbäume herab und der junge Heroe lief bestückt mit einem Wanderstock über einige grüne Hügel, ließ Kakariko hinter sich und hoffte sehnlichst seine Prinzessin auf dem Weg anzutreffen. Nur kurz erinnerte er einen angenehmen Moment im Hause der Götter, wo sie sich beide beinahe aufrichtig und ehrlich geliebt hätten, wenn Zelda es zu dem Zeitpunkt vielleicht zugelassen hätte. Aber der junge Held wusste, dass sie Zeit brauchte und er respektierte das. Und trotzdem war jener Moment in den Gärten des Lebens ein Geschenk gewesen, dachte Link. Zelda hatte ihm auf einer anderen Ebene ihrer beider Bewusstseins eine neue Art der Liebe gezeigt. Sie hatte ihm gezeigt, wie nah sich zwei hylianische Seelen kommen konnten, die sich aufrichtig liebten... Und Link hatte vorher nicht geglaubt, dass es eine Leidenschaft weit ab des Körperlichen in dieser Form gab. Das Berühren und Erkunden, das Liebkosen und Schmecken auf der geistigen Ebene hatte jegliche seiner Erwartungen übertroffen. Zu dem Zeitpunkt fühlte er Zeldas Seele in einer verstandsabsorbierenden Form, er fühlte Lust und Innigkeit, auch wenn es lediglich ihre Seelen waren, die sich beschenkten. In seinen süßen Sehnsüchten träumend überquerte der junge Heroe eine rutschige Holzbrücke, wo viele Balken fehlten und übersah ein wichtiges Schild, welches ihn auf eine besondere Gefahr in dem eher kleinen Fluss aufmerksam hätte machen sollen. Denn auch Hyrule hütete Wesen, die weitaus gefährlicher sein konnten als Moblins, obwohl man sie mit bloßem Auge nicht einmal sehen konnte. Der Held überquerte die Hängebrücke vorsichtig und hielt sich krampfhaft an den Seilen fest, die als Hilfe aufgespannt waren. Und doch wackelte die Brücke mit gefährlichem Reiz hin und her und irgendwo in dem Holz knackte es abscheulich und gefahrprophetisch. Link erschauderte nur kurz und überblickte mit scharfen Augen die Brücke, besah sich die wenigen Meter in das Gewässer und fühlte weder Furcht noch Besorgnis. Entweder die Brücke hielt, was gut war, oder sie tat es nicht, was eben nicht zu ändern war. Die geringe Tiefe zu dem kleinen Fluss hatte nichts Beängstigendes... Also bewahrte der Kämpfer ruhig Blut und folgte weiterhin dem wackligen Weg aus rutschigen Holzbrettern. Ein Knarren und Bersten setzte ein. Und diesmal brach das Holz tatsächlich unter ihm entzwei. Link krallte sich noch eines der Bretter, rutschte aber wegen dessen Feuchte ab und fiel in das kalte Wasser des Flusses hinein. Er kämpfte und schwamm heftig gegen die Strömung, verfluchte währenddessen den Tag, an dem wohl auch noch der Rest schief laufen würde und sah in dem Moment seine Rettung, das Bild für die Götter, das schönste Mädchen überhaupt am Ufer des Flusses mit großen Augen stehen. Link hatte das Gefühl vor Freude ohnmächtig zu werden, als er sie sah und wünschte sich nichts sehnlicher als sie jetzt sofort in die Arme zu schließen. Er rief vor Freude ihren Namen und auch sie musste ihn in dem Augenblick bemerkt und erkannt haben. Doch ihr Blick war nicht erheitert und frohgestimmt. Beinahe entsetzt blickte sie zu ihrem Helden und rannte dann näher an das Wasser heran, rief irgendetwas aufgeregt durch die Winde, brüllte, aber Link verstand sie nicht. Ihr blondes Haar wehte im Wind, als sie näherhastete und ebenso in das Wasser eintauchte. In jenes Wasser, welches eine sehr gemeine, widerliche Gefahr verbarg. Sie schwamm einige Meter und brüllte so laut sie konnte: „Link! Schwimm’ schneller!“ Ihre sonst so nüchterne Stimme donnerte über den Fluss, als müsste sie vor der größten Dunkelheit fliehen. Doch der junge Heroe verstand ihr Verhalten nicht, wie sollte er auch. Er hatte das warnende Schild für die Wandernden nicht gelesen und wusste nichts über die kleinen, gefährlichen Tücken, die es in Hyrule gab... „Link!“, kreischte sie und blieb, wo sie war, hoffte, Link wäre nicht so stur und dickköpfig, sondern würde ohne Wiederrede auf sie hören. „Der Fluss hütet viele Gefahren. Schwimm’ schneller!“, fauchte sie und sie schwamm selbst zurück an Land. Als sie jedoch am Ufer stand, riss sie alle ihre Klamotten, bis auf das nötigste vom Leib und schien sich an allen Körperstellen zu untersuchen. Sie betrachtete sich überprüfend an den schlanken Beinen, beschaute ihre Arme, tätschelte sogar an ihrer straffen, vollen Brust entlang, bis hin zu den Sohlen ihrer Füße. In dem Augenblick trat Link durchnässt ans Ufer und stürmte näher. Er tat nichts anderes als Zelda in seine Arme zu nehmen, egal, ob sie fast nichts trug, egal, warum sie gerade so ein Aufsehen machte. Er verschwendete keinen Gedanken daran, dass irgendetwas in dem Fluss lauerte, sondern genoss unendlich dankbar das Wiedersehen. Hastig löste sich Zelda aus der Umarmung und der erste Satz, den sie sagte, war keine Begrüßung, sondern ein kühles und herbes: „Zieh’ dich aus!“ „Wie bitte?“, sagte Link und wurde feurig rot, bei dem Gedanken, sie hatte irgendetwas intimes vor. „Ich erkläre dir das gleich. Entledige dich bitte deiner Kleidung.“ Link schluckte kurz die Spucke herunter und sagte verwirrt: „Na gut...“ Und damit hüpfe er aus den Stiefeln, zog die Tunika und das Kettenhemd von seinem Körper und die restliche Kleidung bis auf eine Boxershorts. Zelda lief prüfend um ihn herum, streichelte ein wenig über seinen Rücken, kniete nieder und betrachtete sich seine sportlichen Beine. „Kannst du mir endlich sagen, was los ist, Zelda?“, meinte er, ärgerte sich ein wenig über ihr so herzloses Wiedersehen, welches er sich wirklich wunderbarer vorgestellt hätte und blickte nur ratlos der besorgten Miene der Königstochter hinterher. „Gleich. Heb’ doch mal deine Arme.“ Link bejahte und tat wie geheißen. Auch seine Arme schienen ihrer Prüfung standzuhalten und sie atmete erleichtert auf. Das erste Mal seit ihrer Wiederbegegnung regte sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht. „Kannst du mir einen Gefallen tun und bitte meinen Rücken anschauen?“ „Sicher“, meinte er verwundert und besah sich den weißen Rücken seiner Prinzessin. Alles war so sanft wie vorher. Alles war so wunderschön wie immer, dachte der junge Mann, legte seine Arme dann um Zelda und zog sie an sich. „An deinem Rücken ist nichts, was dort nicht hingehört.“ Sie seufze noch einmal erleichtert auf und spürte seine Lippen an ihrer Schulter. Er murmelte während der Liebkosung. „Und jetzt möchte ich erst einmal eine ordentliche Begrüßung, mein Engel.“ Sie wand sich um und lächelte tiefsinnig, den Schock und die Angst wenige Minuten vorher vergessend. Zufrieden senkte sie ihren Kopf an Links feste, nackte Schulter. „Hallo, mein Held...“ „Ebenso hallo…“ Er küsste sie behutsam und zärtlich; und er sog leicht an ihrer Unterlippe und schaute dann verträumt in ihr liebliches Antlitz. „Ich war so besorgt um dich...“, sagte er. „Und ich erst um dich.“ Diesmal suchte sie seine Lippen und streichelte während des Kusses über seine blanke Brust. Sie war so dankbar, dass sie wieder beisammen waren, um diese schwierige Mission weiterhin zu meistern. Sie war so unendlich dankbar, dass ihr Liebster wieder und das unversehrt vor ihr stand und sie verwöhnen wollte. „Sag’ mir, wo du warst“, meinte er und lehnte sein Kinn gegen ihren Haarschopf. „In Kakariko... Lynels attackierten mich...“ Geschockt starrte Link in Zeldas sanftes himmelblau. Aber sie lächelte. „Die Lynels sind jetzt Geschichte...“, murmelte sie gelassen. „Dort, in Kakariko, habe ich die Nacht verbracht und bin am frühen Morgen losgezogen, um dich zu finden“, murmelte sie und wanderte mit ihren Lippen seinen Hals entlang. „Hast du denn gut schlafen können? Ich meine so, ohne mich?“ Sie grinste und blickte verträumt auf. Ein Kopfschütteln verriet ihren Standpunkt. Sie nahm ihren Heroen an der Hand und führte ihn zu den durchgeweichten Klamotten. „Und wo bist du gewesen?“, fragte sie, während sie Hand in Hand zu der feuchten Kleidung liefen. „In einem gläsernen Labyrinth. Dort befand sich das Elixier und die vier Ritter haben auf mich gewartet.“ Verwundert blickte sie ihn an und blieb vor dem Klamottenhaufen stehen. „Ich habe den Test bestanden, Zelda.“ „Ich hätte nichts anderes von dem Helden der Zeit erwartet“, sagte sie in Hylianisch und rückte näher zu ihm. „Ich weiß...“, murmelte er in ihr Ohr und drückte ihren schönen Körper an sich. Er vergrub seinen Schädel auf ihre Schulter, seufzte leise und schloss die Augen. Es war so angenehm in Zeldas Umarmung. Es war wunderbar und tröstend... Sie streichelte ihn an seinem Haaransatz, fühlte Link ruhig werden, und nur seine leichte Trägheit machte ihr deutlich, dass ihn irgendetwas beschäftigte... Sie wich einige Millimeter von ihm, sodass sie ihre Stirn gegen seine lehnen konnte. „Du bist so nachdenklich...“, flüsterte sie und drückte kurze, zarte Küsse auf seinen Mund. Er blickte ernst, aber hoffnungsvoll auf. Seine Hände fanden sich fest und innig auf ihren weißen Schulterplatten und drückten die überraschte Prinzessin so nah an seinen sehnsüchtigen Körper, dass die vielen Feen in ihrer Magengegend gleich doppelt so heftig tanzten... „Erinnerst du dich an Kommandant Orson?“ Seine Stimme leise und irgendwie träumerisch. „Sag’ mir...“, setzte er hinzu, ohne ihre Antwort abzuwarten. „Wenn andere gesehen haben, dass wir uns lieben... warum waren wir damals so dickköpfig und arrogant, es nicht selbst zusehen...“ Zelda fehlten die Worte dafür. Orson hatte mit Link darüber geredet? Orson war einer der Geister gewesen? Sie senkte ihren blonden Kopf nieder und liebkoste ihren Schatz mit den weichen, roten Lippen an seinem Hals. „Ach... Link...“, sagte sie. „Wenn wir die Zeit zurückdrehen könnten... im Hier und Jetzt...“ „Mmh?“ Seine Hände wanderten dann weiter hinab, streichelten an Zeldas Wirbelsäule entlang und stoppten knapp über dem weißen Höschen. „Würdest du anders handeln gegenüber mir... als Prinzessin?“ Er schwieg und küsste sie stattdessen sehnsüchtig. Seine Linke wanderte zu ihrem schmalen Hals, während seine Lippen ihre lange streichelten. Zuerst schien der Kuss unschuldig und an der Oberfläche zu verweilen, bis er begann jeweils ihre Oberlippe und Unterlippe mehrmals mit saugenden Berührungen zu umschmeicheln. Und schließlich ging der Kuss so tief, dass es der Prinzessin vor Liebe und Aufregung schwindlig wurde. Sie stoppte kurz, wich zurück nur um Luft zu holen, aber Link wollte im Augenblick mehr davon. Seine Rechte wanderte an ihr Genick, forderte sie ohne Worte auf, ihren Kopf zurückzulegen, worauf sie dem stummen Appell sofort nachging. Seine Lippen spielten an ihrem Ohr, am Hals und schließlich am Schlüsselbein... „Was sagt dir das?“, flüsterte er, verwöhnte sie weiterhin mit innigen Küssen. „Dass... du anders handeln würdest?“, seufzte sie schwach. Er nickte und lehnte sein Kinn wieder an ihre Stirn. „Ich verlasse dich nie mehr wieder...“, murmelte er, und er drückte seine Prinzessin wieder an sich. Sie lächelte so schön, dass er sie gleich noch mal küssen musste. Schließlich wand sie sich ab und trat behutsam zu der Kleidung. „Wir müssen umgehend nach unserer Bekleidung schauen“, sagte sie streng. „Warum das?“ Entrüstet seufzte sie auf. „Du hast das Schild übersehen.“ „Welches Schild?“ Und dieser Kommentar verriet ihn. Zeldas rechter Arm wanderte zu dem Beginn der Brücke. Sofort schwenkten Links tiefblaue Augen hinüber und tatsächlich stand dort ein Schild und rote Farbe war darauf schäbig und unwirsch aufgekleistert. Er las nur das Wort: Skultula- Parasiten, achtete aber nicht weiter auf die hölzerne Tafel, denn Zelda war viel bezaubernder im Augenblick. Lediglich ein weißes Höschen und ein BH bedeckte ihre empfindlichen Stellen. Grinsend huschte Link näher. Ein irrsinniges Verliebtsein in seinen Augen. Seine Prinzessin durchwühlte schließlich nur mit ihren Fingern die Kleidungsstücke, erschrak plötzlich, hüpfte hastig auf die Beine und wich furchtvoll zurück. Link trat näher und beobachtete gerade noch, dass sie etwas in dem Kleiderhaufen nicht aus den Augen ließ. „Vorsicht! Tritt nicht näher!“, sagte sie scharf und blieb befehlend vor ihm stehen. „Würdest du mir nun endlich mitteilen, was los ist?“ Sie nickte. „Siehst du das?“ Und ihr Zeigefinger deutete auf die grüne Tunika, wo etwas käferartiges, leichfarbenes entlang krabbelte. Ein schwarzes Totenkopfzeichen stach auf dem Rücken durch die Schicht aus farblosem Schleim. „Wäh... was ist das denn?“ „Ein Parasit. Nur an weichen Haustellen nisten sie sich für gewöhnlich ein, haben ein spitzes, scharfes Hinterteil, woran man sich die Finger aufschneiden könnte.“ „Und diese Biester leben in diesem Gewässer?“, sagte der Heroe verdutzt und machte schreckhaft große Augen. „Genauso ist es.“ Sie stoppte kurz und schaute verlegen zu Boden. „Besser du schaust bei... deinem Genital... ob...“ Wie ein Blitz fegte der Heroe von dannen und huschte hinter den erstbesten Baum. Nur wenige Minuten später kam er wieder und hatte die tiefste Form von Erleichterung in seinem Blick. „Alles in Ordnung?“ Er nickte und atmete tief aus. „Und was sind denn nun die Folgen, wenn sich so ein Skultula- Parasit einnistet?“, wollte Link in Erfahrung bringen und überprüfte sorgsam seine Kleidung, aber das Spinnentier war vermutlich verschwunden. „Ich weiß nur, dass sie an der Seele saugen und ihren Wirt allmählich unter ihre Kontrolle bringen, sodass er nur noch den wichtigsten Trieben nachgeht... Essen, Trinken, Schlafen...“ „Aha...“ Und der junge Heroe ließ seine Kleidung links liegen und watschelte zu seiner Prinzessin hinüber, die so offenherzig und besinnlich in seinen dunkelblauen Augen träumte. Sie streichelte langsam durch die blonden, dicken Strähnen seines natürlichen, wilden Haares und hatte solche Sehnsucht nach ihm, seinen Händen und Liebkosungen. „Und was, wenn der Wirt sie nicht bemerkt?“ „Dann erlischt das Leben in seinen Augen und er verwandelt sich in eine lebendige, aber herzlose, menschliche Hülle. Unser Glück ist, dass sie nicht sehr lange an Land überleben können. Das bedeutet, wenn sie keinen Wirt gefunden haben, sterben sie ab. In einer Stunde können wir unsere Kleidung wieder beruhigt anziehen.“ Link grinste plötzlich: „Und was wollen wir so lange halb nackt machen?“ Sie lächelte und reichte ihm die Hand. „Du könntest mich wärmen.“ Geschmeidig nahm er die Geste an. „Hast du Lust auf mich?“ „Ich habe immer Lust auf dich“, sagte sie frech mit einem Wink, der Link beinahe ins Reich der Träume geschickt hätte. Lachend packte er sie und legte sie vorsichtig auf den weichen, erdigen Boden, wo zarte Gräser in ihrem Rückrat kitzelten. Knisternd streichelte er an ihrem Hals entlang, wanderte mit den rauen Fingerkuppen zu dem Spalt zwischen ihren Brüsten und hatte nur eines im Sinn: Zelda zu verwöhnen... „Was tust du denn?“, lachte sie, als seine Fingerspitzen gefühlvoll zu ihrem Bauchnabel wanderten. Auch der junge Heroe musste in dem Augenblick lachen. Sie griff von vorne an sein Genick und zog ihn mit einer Hand zu sich herunter, spürte seine glatte Brust auf ihrer gewölbten, spürte seine Hüftknochen an ihren. Seufzend und genießend reckte sie ihren Kopf nach hinten, während sein Mund an ihrem Hals arbeitete. So süß, empfindlich, einfach unvergleichlich jenes Gefühl... Er rollte sich mit ihr ein Stückchen über das Gras, sodass sie nun auf ihm lag. Ihre nackten Füße spielten miteinander, während sich Zelda leicht auf seiner muskulösen Statur abstützte. „Ich muss dir etwas sagen“, fing sie an. „Mmh?“, murmelte er und spielte verliebt mit einigen honigblonden Haarsträhnen. „Mittlerweile würde ich doch gerne... sehr gerne...“ Sie wurde unausgesprochen rot um ihre Nasenspitze und die Wangenknochen färbten sich. Ungeduldig setzte sie fort: „Ich weiß... ich wollte warten...“ Ihre schönen, blauen Augen wanderten schräg. Plötzlich fühlte Link einen kleinen Stich im unteren Bereich seines Rückens, etwa in Steißnähe. Er fluchte und griff genervt unter seinen Rücken, aber es waren wohl nur spitze Tannennadeln, oder ein kantiger Stein. Dummerweise hatte er gerade den Moment mit seiner Aktion zu Nichte gemacht. „Also, was wolltest du sagen?“, bemerkte er und ignorierte die Steine oder Tannennadeln. Zelda biss sich auf die Lippe, wedelte mit einer Hand und blies einen Luftstrom an ihren Haaransatz. „Ähm... nichts weiter...“, flüsterte sie, ließ sich niedersinken und fühlte erneut, gerade in jenem Augenblick ein pulsierendes Knistern auf ihrem rechten Handrücken. Sie deutete auf ihren Handrücken und Link folgte verwundert ihrem Blick. „Was ist, Zelda?“ „Ich weiß... ich spüre, die Macht der Weisheit wieder in meiner Hand...“, gestand sie leise und berührte mit ihrer Rechten seine Linke. „Das Triforce?“, sagte er ungläubig. Sie nickte entschieden. „Es war die ganze Zeit in uns... und ich glaube, du besitzt dein Fragment auch noch...“ Er richtete sich verwirrt auf und fuhr sich durch die blonden Haarsträhnen. Als Link dann noch die Stirn runzelte, wusste Zelda, dass ihn diese Nachricht nicht gerade erfreute. Sie kuschelte sich an seinen Rücken und legte den Kopf an seine feste Schulter. „Mach’ dir keine Sorgen deswegen... deine Macht des Mutes wird dir helfen... dann, wenn der Tag gekommen ist...“ „Aber ich habe überhaupt keine Ahnung von dem Fragment des Mutes. Ich weiß nicht, wie man es einsetzen kann. Wie also, soll’ es mir helfen?“ „Du wirst es fühlen“, schlichtete sie. „Hab’ Vertrauen.“ Er nickte, beruhigte sich angesichts der wärmenden Worte Zeldas, zog sie einmal mehr mit ihm zu Boden und kuschelte die nächste Stunde freudig mit seiner Prinzessin. Kapitel 95: Geheimnisse der Vergangenheit XV -------------------------------------------- Kapitel 78: Geheimnisse der Vergangenheit XV Das Fest des Friedens war in vollem Gange. Dutzende Schaulustige beobachteten erheitert die Hofnarren mit ihren kunterbunten Bällchen auf ihren großen Einrädern, Kindermünder naschten von den vielen Ständen mit allerlei Süßigkeiten, neugierige Augen besahen sich interessiert das Schauspiel auf der kleinen Holzbühne, wo gerade ein grauer Vorhang zur Seite gezogen wurde und laute Jubelrufe und aufgeregtes Geklatschte durch die Lüfte wirbelten angesichts der verkleideten Darsteller mit ihren aufgemotzten Kostümen. Noch stand die Nachmittagssonne am Himmel und warf ihren roten Schein lieblich über die alte Welt, über jenes blühendes Hyrule. Und doch... wenn man genau hinsah, gab es schon Zeichen, die den näherkommenden Sturm prophezeiten. Niemand sollte wissen, dass heute der letzte fröhliche Tag für viele Völker eines alten Landes gekommen war. Nichtsdestotrotz gingen die Hylianer ihren Vergnügungen nach, lachten und genossen den Frieden, solange man ihn noch hatte. Und das wilde, fröhliche Gelächter schallte in der riesigen Hauptstadt umher, überwand die Stadtmauern und folgte dem bröckligen Weg zu dem königlichen Schloss Hyrules. Mit bangem Blick saß Prinzessin Zelda vor dem kleinen Spiegel auf ihrem dunkelbraunen Schreibpult, dort, wo sie in den Nächten, wenn ein Traum sie heimsuchte, einer von jenen Träumen eben, sich niederließ und mit einer goldenen Feder Worte niederschrieb, die sie später selbst nicht mehr verstand. Das Lachen drang in ihr Schlafgemach, stimmte sie ein wenig fröhlicher und sich über die Begeisterung ihres Volkes freuend, drehte sie ihr blondes Haupt gen Fenster. Nicht eine Wolke verbarg den strahlend blauen Himmel, keine Spur Veränderung an jenem Firmament, wo doch vieles geschehen würde. Sie ahnte schreckliches, hatte immer mehr ohnmachtartige Anfälle, in denen sie das Land verblassen sah, wie ein kleiner Schwächeanfall, der vielleicht nur wenige Sekunden andauerte, jedoch seine tückischen Spuren hinterließ... Ein prächtiger, schwarzgefiederter Adler, der seine Kreise ständig um die Türme des Schlosses drehte, ließ sich auf dem Fensterrahmen nieder. Ein schönes Tier, stolz und über die Dinge erhaben. Langsam wandelte Zelda mit anmutigen Schritten zu dem Herr der Winde, ihrem befreundeten Gast. Sie kannte dieses prachtvolle Wesen, so oft hatte jenes Getier ihr Gesellschaft geleistet, immer dann, wenn niemand sonst da war, dann, wenn niemand sonst zuhörte. Sachte kraulte sie den gefiederten, weichen Hals des anmutigen Geschöpfes, dem diese Art der Zuneigung mehr als gefiel. Er spannte seine kraftvollen, umarmenden Flügel in die Breite, ließ einen lauten Ton verkünden, dem typischen nach Freiheit strebenden Ruf, welchen Adler aussendeten. Mit einem Satz landete er auf Zeldas Schulter und tippte mit schneller Bewegungen des kleinen, aufmerksamen Kopfes mit seinem sattgelben Schnabel an Zeldas Hylianerohr, raunte etwas in seiner hohen, starken Stimme. Leicht kichernd setzte sich Zelda wieder vor ihren ovalen, mit Steinchen verzierten Spiegel und kämmte sich sorgsam das goldene, zerzauste Haar, versucht ihr erbärmliches Spiegelbild mit dem blauen Auge, den geschwollenen Lippen und ausdrucklosem Blick nicht zu beachten, verdrängte die schrecklichen Geschehnisse vor wenigen Stunden... Ganondorf... er war sehr bald zurück... In dem Moment trat ihr Vater, König Harkenia persönlich in den Raum, in Begleitung von Impa, die eine Schale und einen Mörser in ihren Händen hatte, ebenso wie einige merkwürdige weiße Wurzeln, die auffallend aus der Schale herausstierten. Impa, die sich über die Anwesenheit jenes stolzen Königs der Lüfte nicht wunderte, stellte die Schale mit den Wurzeln auf das Pult. Und der prächtige Adler flog geschwind auch auf ihre Schulter, nickte mit dem Köpfchen und musterte Harkenia sehr aufmerksam. Gerade als der König Hyrules jedoch einen Schritt auf das gottesgleiche Wesen zu wagte, erhob er sich und flog erhaben hinaus aus dem Fenster, stürzte sich in die Lüfte und verschwand in Richtung der nördlich liegenden Todesberge. „Du hast ihn verschreckt, Vater“, sagte Zelda stur und wendete sich der weißen Wurzel zu, die Impa mitgebracht hatte. Harkenia sagte nichts dazu und hustete auffällig um seinen verstopften Hals zu entleeren. Stattdessen stellte er sich hinter seine Tochter und legte seine alten, faltigen Hände auf ihre Schultern. „Wie fühlst du dich, mein Kind?“ Zelda warf ihrem Spiegelbild einen schwermütigen Ausdruck zu und atmete laut aus. Sie schwieg und blickte ihren Vater in die blauen, weisen Augen, die sich auf dem Spiegelglas zeigten. „Du brauchst diesen Tag niemanden mehr irgendetwas recht zu machen, Zelda. Geh hinaus, kümmere dich nicht um das Morgen“, sagte er leise und lief zu dem offen stehenden Fenster, um einen Blick zu der Hauptstadt Hyrules zu werfen. Verwundert drehte sich die schöne Hylianerin zu ihrem Vater und fühlte sich fast ein wenig unsicher bei der Art und Weise, wie er dort stand, seine rauen Hände auf die steinerne Fensterbank gestemmt. Auch er hörte die fröhlichen Rufe aus der Stadt, folgte den melodischen, mit Freude gesungenen Reimen vieler Stimmen, die das Leben in Hyrule verehrten. Impa setzte sich mit einem Klappern ihrer schweren Rüstung auf einen kleinen Schemel, direkt vor Zeldas ratloses Antlitz und zerrieb mit dem Mörser die ausgetrockneten, weißlichen Wurzeln in einer grauen Schale. „Was tust du da?“, meinte die Kronprinzessin, die sehr interessiert die sich bildende weiße Salbe in der Schale beäugte. „Ein alter Brauch der Shiekah“, sagte Impa entschieden. „Vielmehr eine Möglichkeit unerwünschte Wunden zu kaschieren. Jedoch...“, sagte sie und legte den Mörser beiseite. Daraufhin nahm sie eine große Portion der weißen Substanz in ihre Handinnenflächen und patschte das klebrige Zeug einer überraschten Zelda ins verletzte Gesicht. „Jedoch hat es eine kleine, kurzanhaltende, aber harmlose Nebenwirkung“, entgegnete sie und schmunzelte leicht. Zeldas Blick wurde ernster und sie bremste Impas Hand, die jene Salbe in ihrem Gesicht verteilen wollte, in dem sie gekonnt zurückwich. „Welche Nebenwirkung?“, sagte die Prinzessin befehlend. „Das werdet Ihr merken, wenn es soweit ist.“ „Impa, ich finde es überhaupt nicht komisch, dass du aus dieser Nebenwirkung ein solches Geheimnis machst“, murrte Zelda und spürte wie die Substanz auf ihren Wangen, an ihrer Lippe und auf ihrer Stirn zu trocknen begann. Ein Kribbeln entstand und im nächsten Augenblick kühlte es die Verletzungen auf eine seltsam angenehme Weise. Gerade als Zelda sich den Rest von der Haut wischen wollte, musste sie allerdings feststellen, dass es bereits in die Haut eingezogen war. Schnell begutachtete sie ihr ebenmäßiges Spiegelbild und kam aus dem Staunen nicht heraus. Jegliche Kratzer, Blutergüsse, selbst die aufgeplatzte Lippe waren verschwunden. Ein Lächeln umspielte Zeldas Lippen, als sie sanft über jene Stellen strich, die vorher noch geschunden waren. „Das ist Zauber...“ „Ja, ein wenig alte Magie...“, meinte Impa und gab Zelda sanft einen Stups an ihre perfekte Nase. „Jetzt kann die Prinzessin Hyrules zu dem Fest gehen, in der Gesellschaft mit wem es ihr gefällt.“ Harkenia winkte jemanden zu, der draußen in den Schlossgärten wandelte und wand sich vom Fenster ab. Ein zufriedenes Grinsen zeigte sich auf seinem väterlichen, in die Jahre gekommen Gesicht, als er Zelda betrachtete. „Nun geh’ schon, Liebes“, sagte er und deutete zu der Tür. „Link wird in wenigen Minuten vor der Tür stehen und du solltest dir schnell ein Kleid aussuchen, dass du zu dem Fest tragen möchtest.“ „Natürlich, Vater...“, entgegnete sie und lief gerade zu der etwas kleineren Tür ihres Badezimmers. Sachte legte sie eine Hand auf die goldene Türklinke, als ihr Vater erneut hinter ihr stand. „Tochter...“, begann er. Sichtlich verwirrt wirbelte Zelda herum und sah etwas Neues in den Augen ihres Vaters, etwas, was erloschen war, als die Königin Hyrules damals dem Tode verfiel. Gerade jenes Stückchen Hoffnung und Liebe war es, was in Harkenias Augen all die Jahre über fehlte. Zelda erinnerte sich an die Tage, als ihr Vater an dem Sterbebett ihrer Mutter wachte, sie erinnerte sich daran, wie kühl sein Umgang mit dem einzigsten Verwandten, den er noch besaß, wurde. Seit jenem Tag war Harkenia nicht mehr derselbe, wich seiner geliebten Tochter emotional aus, da er es nicht ertrug, auch sie irgendwann zu verlieren. Doch nun, in dieser Sekunde kehrte das Stückchen Fürsorge zurück, die er all’ die Jahre verheimlichte. Fast zaghaft nahm er Zeldas Hände in seine. „Mein liebes Kind, ich... niemand wird dich nie mehr wieder zu einer Entscheidung um Liebe und Verlobung drängen“, begann er. Zeldas Augen wurden düsterer und sie sah schockiert in das unglaublich sanftmütige Gesicht ihres Vaters, welche die abweisende Strenge ablegte. Das Lächeln auf Harkenias Gesicht wurde deutlicher und Zeldas Augen größer. „Vater?“, war alles, was Zelda hervorbrachte. „Caldrians Familie wäre dennoch eine gute Wahl, mein Kind“, setzte er widerwillig hinzu, wollte Zelda jedoch nie wieder überreden etwas zu tun, was sie nicht wollte. „Caldrian von Calatia ist ein aufrichtiger junger Mann, Vater.“ „Ja, und seine Familie hat bereits vor langer Zeit darum angehalten, dass unsere und seine Familie sich verbünden.“ Zelda drehte sich wieder um, nicht bereit dem Ausdruck ihres Vaters noch länger bestehen zu müssen. „Aber... wenn...“, murmelte sie scheu. „Wenn du ihn nicht lieben willst... wenn du sein Herz als nicht würdig empfindest über Hyrule zu herrschen, dann musst du in kein Bündnis einwilligen.“ „Danke Vater.“ Überschwänglich warf sich Zelda ihrem Vater um den Hals und schenke ihm einen Kuss. „Ich danke dir...“, wiederholte sie, war so glücklich wie schon lange nicht mehr und hüpfte erheitert, mit einem lauten Lachen in ihr Badezimmer. Während Zelda in dem Nachbarzimmer ihren Morgenmantel ablegte und in ein neues Kostüm schlüpfte, diskutierten Impa und ihr König aufgeregt über eine weitere einschneidende Tatsache. „Ich sah Link vorhin in den Gärten herumwandeln“, meinte der König Hyrules und lief erneut zu dem Spitzbogenfenster hinüber. „Verzeiht die indiskrete Frage, mein Herr, aber was haltet Ihr von ihm?“ Harkenia schloss sichtlich lächelnd die Augen und stellte sich innerlich den jungen, ein wenig unreifen Hylianer vor, der Link doch war. „Nun, Impa. Deine Frage in Gottes Ohr, aber was möchtest du mit dieser Frage bezwecken?“ Impa verschränkte die Arme und nahm neben dem König an dem Ausblick über Hyrules sagenhafte Landschaft teil. „Meine Frage verfolgte keinen Zweck. Es war wohl lediglich die Neugier...“ Harkenia schmunzelte. „Ich finde ihn erstaunlich.“ „Tatsächlich?“ „Ja. Ein so merkwürdiger Hylianer, mit vielen Gesichtern.“ „Ein kriegerisches, dann so oft ein naives, fast unschuldiges und manchmal ein sehr weitsinniges und scharfsinniges...“, meinte Impa. „Nicht nur das... ich bewundere ihn sogar“, gab der König zu. Impa starrte mit ungläubigen Augen in das Antlitz jenes alten Mannes neben ihr, fragte sich, welche Seite an Link es wohl war, die er in jenem Lichte sah. „Wann immer ich ihn zusammen mit Zelda gesehen habe, gab es etwas, das niemand sonst mit seiner Anwesenheit schaffte. Zelda wirkt glücklicher, einem Lächeln näher, wenn er hier ist. Es gibt so wenige, die diese Fähigkeit besitzen, Impa.“ Und auch die starke Shiekah lächelte stolz. „Sie liebt ihn...“, sagte Impa leise und schaute mit ihren scharlachroten Augen hinauf an das blaue Himmelszelt. Der König Hyrules wirkte nicht einmal überrascht, ganz im Gegenteil, nickend drehte er sich zu der Schale mit den seltenen, weißen Wurzeln und beschnupperte die merkwürdige daraus gepresste Substanz. „Nur, aus irgendeinem Grund weiß sie das selbst nicht einmal“, setzte sie hinzu. „Oder kann es sich nicht eingestehen.“ Sachte nahm Harkenia die Schale mit der Salbe in seine rauen Hände und murmelte: „Es wird einen Tag geben, da es anders sein wird... es gibt einen Tag, an dem sie das vielleicht erkennen wird.“ Und der König tauchte seine Nasenspitze in die klebrige Masse aus weißem Baumharz und Rinde. „Das Geheimnis dieser Salbe?“, meinte Harkenia und sah Impa durchdringend an. Doch wieder grinste sie zufrieden und gab dieses Mysterium nicht preis. Und wenn man schon vom Teufel sprach, kam plötzlich ein dunkelblonder Jugendlicher mit einer königsroten Tunika und einem Schwert auf dem Rücken geschnallt durch das Schlafzimmertor gestürmt. Im Schlepptau befand sich der braunhaarige Caldrian, der Link wohl irgendwie daran hindern wollte, einfach so und das ohne entsprechende Erlaubnis in das hoheitliche Gemach Zeldas zu hasten. Denn Caldrian hatte einen Arm mühevoll in den rechten von Link eingehakt und bremste so die Schritte jenes voreiligen Helden. „Lass’ das, ich muss nach Zelda sehen“, brüllte Link und fiel dann aufgrund eines gestellten Beins von dem braunhaarigen Jugendlichen auf sein Hinterteil. Prüfend musterte Link dann die beiden Anwesenden, ignorierte den fluchenden Caldrian hinter ihm und sah beschämt in das kichernde Gesicht Impas und das noch breiter grinsende des Königs. Der junge Held sprang auf, verbeugte sich ungeschickt und setzte ein dämliches Grinsen auf. Ohne Umschweife eine seiner Spezialitäten. „Ich habe dir doch gesagt, du kannst nicht einfach so in die Gemächer der Prinzessin einbrechen“, grummelte Caldrian. „Du bist einfach unmöglich.“ Doch Link setzte wieder ein unschuldiges Grinsen auf und tat so, als ob Caldrians Worte nicht der Wahrheit entsprachen, als ob jener die Worte gar nicht gesagt hätte, oder als ob es des Selbstverständlichste wäre, in die Gemächer einer Prinzessin einzubrechen. Umständlich hob er einen Arm hinter seinen blonden Schopf. Link räusperte sich und benahm sich im Anschluss endlich wieder wie ein reifer Jugendlicher. „Ich möchte Zelda einige Dinge unterbreiten“, sagte Link ruhiger und wunderte sich zunächst, wo seine Prinzessin denn im Augenblick war. „Zelda befindet sich im Badezimmer. Ich nehme doch an, dort wirst du nicht einfach so hineinstürmen?“, sagte Harkenia vorwitzig. Link schaute beschämt weg und lenkte schnell von der peinlichen Situation ab. Er atmete tief ein und aus und setzte eine ernstere Miene auf. Ebenso eine ungewöhnliche Gabe seiner außergewöhnlichen Seele. Von einen Augenblick auf den anderen konnte das Gefährliche an Link erwachen, von einer Sekunde auf die andere konnte er die wahren Fähigkeiten des Helden der Zeit zum Ausdruck bringen- dann, wenn seine naive, unschuldige Seite im Schatten versank, gerade wie in jenem bedeutenden Moment. Seine tiefblauen Augen waren nun beherrschter und ernster... „Vasard wurde gefunden. Tot“, sagte Link kühl und hörte dann Zeldas liebliche Stimme vom Badezimmer her. Sie sang ihr Wiegenlied, verzauberte damit ihren Helden, der sich nur unter Aufbietung seines Willens davon losreißen konnte. „Ganons Schatten hat die letzte Lebensenergie aus Vasard geraubt, um so lange wie möglich am Leben zu bleiben. Auch jener Schatten wurde bereits eliminiert“, sagte Link trocken. Caldrian stimmte zu und wunderte sich über die plötzliche Kälte und Beherrschtheit, über die Link verfügte. „Caldrian und ich waren auf der Spur Vasards und noch bevor eine Stunde verstreichen konnte, fanden wir Vasards toten, ausgesaugten Körper nur wenige Meter außerhalb der Hauptstadt, hinter einigen Felsen.“ „Dann muss die Familie jenes Prinzen sofort verständigt werden“, sagte Harkenia und lief zügig aus dem Raum hinaus. Als die Tür klackte, ging Impa zu Link und legte eine Hand auf seine Schulter. „Wie fühlst du dich?“, meinte sie. „Gut. Wie denn sonst?“, sagte Link überrascht und schaute Impa noch überraschter an. „Ich spreche von deiner Begegnung mit dem Schatten Ganons. Ich liege doch richtig in der Annahme, dass du ihn in der Kürze niedergerungen hast.“ Link nickte bloß, und irgendwie sah man ihm an, dass allein die Begegnung mit dem Schatten seines Erzfeindes genügend alte Wunden in Links Herzen geöffnet hatte. „Das Triforce?“ „... wird schwächer“, sagte Link und betrachtete sich das Symbol auf seinem linken Handrücken. „...aber mit der Anwesenheit des Bösen hat das nichts zu tun, Impa. Dass jenes goldene Symbol nun schwächer wird, läutet etwas anderes ein... deshalb muss ich mit Zelda reden.“ Impa nickte und lief aus der Tür hinaus. Ein lautes: „Ähähm...“, entkam ihrer Kehle, als Caldrian nicht folgte. „Die beiden brauchen unsere Hilfe jetzt nicht“, sagte Impa befehlend und mühevoll schleifte sie Caldrian aus dem Raum. „Nebenbei... es gibt noch jemand anderen, der auf dich wartet“, meinte sie bestimmend. Mit einem zufriedenen Grinsen und sich bewusst, wer da auf ihn wartete, hetzte der junge Prinz aus Calatia hinter der stolzen Shiekahfrau hinterher und ließ Link alleine mit seiner Prinzessin. Kapitel 96: Beschwerlicher Weg... --------------------------------- Kapitel 79: Beschwerlicher Weg... Hinter grünen Hügeln, dort, wo die Berge steiler und höher und die Schluchten tiefer wurden, saßen zwei junge Hylianer schweigsam vor einem kleinen Feuer. Ein Metallkessel war auf dem Feuer gestapelt und eine Kräutersuppe blubberte darin. Heißer, duftender Dampf stieg aus dem Kessel hervor. Von ihrer Suppenschale schlürfend saß Zelda auf Links Schoß, hatte sich angelehnt und schaute kummervoll zu den bleigrauen Regenwolken am nördlichen Horizont. In dem Augenblick setzte der junge Mann seine eigene Schale neben sich, bohrte seinen Kopf in ihre Schulter und seufzte. „Du hast Sorgen...“ „Sollte ich nicht?“, flüsterte sie traurig und wand ihr bezauberndes Antlitz ihm zu. „Nein...“, murmelte er und küsste sie auf die Stirn, wünschte sich er könnte das Gefühl der Sorge um die Welt in ihr löschen. „Nicht so lange, ich dich festhalte...“ Sie lächelte eindringlicher und gab ihm die Geste seines Kusses zurück, schenkte ihm die Liebe, welche damit verbunden war. Schließlich stand sie auf und wühlte knisternd in ihren Taschen herum. „Was tust du?“, meinte er und hüpfte von dem Felsen, auf welchem er saß. „Ich möchte dir etwas zeigen.“ Sie kramte die vielen bunten Steinchen hervor und auch die bunten Elixierfläschchen. „In Kakariko habe ich des Nachts einen weiteren grünen Stein gefunden. In einer einfachen Schatulle.“ „Toll!“, meinte der junge Held und folgte dem Blick seiner Zelda. Ein großer roter Stein, zwei blaue und vier grüne lagen nun vor ihren zwei Nasen. Und die Elixiere der Weisen waren beinahe vollständig. Lediglich das feuerrote Elixier für Darunia fehlte noch in der Sammlung... Die Prinzessin nahm gedankenvoll die drei blauen Steinchen in ihre Hände achtete darauf nicht ohne weiteres Links Gedanken zu lesen und fügte sie stückchenweise zusammen. Link staunte nicht schlecht und grinste. „Was ist das nun? Beinahe eine Pyramide?“ Zelda sah grüblerisch auf. „Ja, aber ich verstehe nicht den Sinn dahinter.“ Verwundert nahm Link den großen, meerblauen Stein in seine Hände, betrachtete ihn von jeder Seite und war sich ziemlich sicher, dass von jenem Stein fast alle Einzelteile beisammen waren. Neugierig puzzelte er auch die anderen, grünen Steine zusammen, die ein großes, pyramidenartiges Gebilde ergaben. „Hier sind alle Teile beisammen... eine exakte Pyramide. Bleibt nur noch die Frage nach der Bewandtnis und dem letzten kleinen roten Steinchen, welches logischerweise noch für die rote Pyramide fehlen müsste.“ „Es könnten auch zwei rote Steinchen sein“, erwiderte Zelda und löschte das Feuer. Ein hitziger, rauchiger Strahl stieg von den glühenden Holzspänen. Sie spähte in die schwindelerregende Höhe der gigantischen Todesberge, konnte sich nicht genau erinnern, wann sie das letzte Mal die Berge bestiegen hatte. Und sie wusste nicht mehr genau, welchen Weg sie damals befürwortet hatte. Sie erinnerte sich an einen großen Handelsweg, den Goronen mit ihren riesigen Karren für den Transport der schmackhaften Dodongofelsen verwendeten, aber sie wusste auch, dass jener Weg viele, viele irrsinnige Umwege nahm und Zeit kosen würde. Außerdem führte die breite Handelsstraße über einige, gefährliche Schluchten, die die Prinzessin lieber meiden würde. „Wir sollten aufbrechen, Zelda...“ Und Link trat leise an sie heran, drückte sie an sich. „Ja...“, murmelte sie und starrte an den düsteren, grauen Horizont, wo ein kleiner, schwarzer Punkt seine Runden drehte. „Link!“, sagte sie freudig. „Siehst du das, dort oben?“ Mit einem glücklichen Funken in den Augen richtete Zelda ihre Aufmerksamkeit vollkommen an den kleinen Punkt am grauen Himmelszelt. „Jep. Was mag das sein?“ Link schärfte seinen Blick und deutete den Punkt als ziemlich gigantischen König der Lüfte. „Das ist ein Adler“, meinte sie. „Und damals, in der Vergangenheit, des zweiten Zeitpfades, besuchte er mich häufig.“ Mit Freudentränen in den saphirblauen Augen erkannte Zelda den stolzen Freund, den sie damals hatte. Wie oft hatte jener Adler sie besucht, dann, wenn sie an ihrem Schreibtisch saß und das kleine Spitzbogenfenster in ihrem Schlossflügel offen stand. Er hatte sie aufgeheitert, dann, wenn Link nicht da war und die Pflichten des Schlosslebens unerträglich an ihr nagten. Der Adler ohne Namen... so hatte sie ihn manchmal genannt. In der Tat ein sehr eigenwilliges, und seltsames Geschöpf. Das seltsamste war wohl sein schwarzes Gewand, die dunklen Federn, die er ab und an in ihrem Gemach hinterlassen hatte... „Ich habe mir so oft gewünscht, ein solches, prächtiges Tier zu sein...“, gestand sie. „Dort oben in der Freiheit... wo man Hyrule und jeden Winkel davon erblicken könnte. Es war... mein größter Kinderwunsch.“ Sie drehte sich langsam um und drückte ihren Kopf an seine feste Brust, während er ihren zierlichen Rücken streichelte. „Genau deshalb... liebe ich dich. Für deine Wünsche... für deine Friedensliebe“, meinte er gedämpft und suchte ihre zarten Lippen, schwelgte in geheimen Zuflüchten, als seine Lippen ihre trafen. Sie waren so sanft und bei jedem einzelnen Kuss überraschte ihn dies von neuem. Sie küsste immer sehr leidenschaftlich und doch behutsam, sodass sich Link manchmal fragte, ob er ein wenig zu grob war. Aber was erwartete er denn von sich selbst? Er hatte so lange darauf gewartet, dass sie einander auf diese Weise berührten und liebkosten. Er hatte so viel riskiert und aufgegeben, nur um Zelda so innig in seinen Armen halten zu können. Entschuldigte seine Ungeduld nicht etwa seine leichte Grobheit? „Ähm... Schatz...“, säuselte er, während des Kusses. „Mmh...“, erwiderte sie, halb ertrunken in dem wahnsinnigen Gefühl eines leidenschaftlichen Kusses. „Bin ich... zu unsanft?“, sagte er behutsam und wich nur wenige Zentimeter von ihr weg. Aber sie schmunzelte irritiert und schaute beinahe belustigt in seine tiefblauen Augen. „Was?“ „Ich meine... bin ich zu...“ Aber sie schüttelte mit dem Kopf und drückte ihren Mund wieder auf seinen. „Du Dummerchen... ich will das genauso, wie es ist... und nicht anders...“, sagte sie. Beruhigt fuhr er fort und ließ seine Zunge in ihren Mund wandern, erkundete die Stellen, die er nun schon Hunderte Male fühlen durfte und doch war jeder Kuss neu und magischer als ein anderer zuvor. In dem Augenblick hörten die beiden Spitzohren ein raunendes, pfeifendes Geräusch begleitet von leisen Federschwingen. Verwundert schauten sie beide zu dem Entstehungsort des Tones und da saß mit seinem glänzenden, schwarzen Gefieder ein großer, schöner Adler auf einem Felsgestein und musizierte den beiden etwas vor, schien sogar leicht verärgert, als wollte er sie mit seiner kräftigen Adlerstimme belehren. Grinsend streckte Link seinen Schwertarm aus, zeigte Vertrauen und lud den Adler ein, es sich auf seinem Bogenhandschuh bequem zu machen. Sofort verstand das schöne Tier die Geste und flog mit einer schnellen Bewegung auf den ausgebreiteten Arm des Heroen. „Wie schön er doch ist“, sagte Link und er bestaunte das Tier weiterhin von allen Seiten. Zelda begann lächelnd den weichen Hals des Raubvogels zu kraulen und lachte, als er einen zirpenden Laut ausstieß, wohl weil ihm diese Aufmerksamkeit gefiel. „Wenn wir irgendwann als Tiere wiedergeboren werden sollten, dann möchte ich auch ein Adler sein“, sagte der Held und sah gespannt in die hellgoldenen Augen des schönen Tieres. Jenes breitete seine Schwingen, stieß sich kräftig ab und glitt langsam wie auf magischen Schwingen hinauf in den weiten Horizont. Das junge, hylianische Pärchen bestaunte noch lange die grenzenlose Freiheit, welches ein solches Geschöpf des Lebens von Geburt an besaß, bis es Zeit wurde, den Weg fortzusetzen. Sie schlugen einen abseits gelegenen Pfad ein, der von vielen nur als Schleichweg bekannt war. Und doch schien jener Weg sicherer als die große Handelsstraße, die der Meister des Bösen vermutlich durch Moblingesocks und seine Dämonenscharen unter Kontrolle gebracht hatte. Stundenlang marschierten sie auf einem anstrengenden Weg hinauf, hatten den riesigen Todeskrater immer wieder als Ziel vor sich, auch wenn jener Pfad noch beschwerlicher sein würde als bisher. Sie überquerten eine kleine Schlucht, die so tief sein musste wie jene vor dem toten Land. Mittels Seilen knüpften sie den Weg über abgetragenes Felsengestein, wo der Weg entlang einer kantigen Felswand ab und an fehlte... Sie erreichten schnaubend eine kleine Quelle, bedienten sich von dem Wasser. Link packte in dem Moment ein solches Durstgefühl, dass er eine ganze Flasche Wasser mit einmal leerte... Der Weg führte sie weiter, vorbei an einer kleinen Goronenmiene, wo man Rubine finden konnte, durch einen Wald mit dichtem Nadelgehölz, bis sie schließlich Tausende Steintreppen, die die Steinfresser vor Jahrhunderten in die Erde gerammt haben musste, hinauftrampelten. „Warte, Link. Können wir nicht eine Pause machen?“, sagte Zelda, griff sich unter ihre rechte Brust und fühlte neben ihrer flachen Atmung die Schmerzen wieder zunehmen. „Zelda, du weißt, wir haben einfach keine Zeit...“ „Ja, ich weiß...“ Sie schnaubte. Ohne weiteres schnallte der Held den Schild der Götter vom Rücken und ließ ihn in einer magischen Tasche verschwinden. Link stand mit dem Rücken zu seiner Liebsten, griff unter ihre Knieskehlen und Zelda landete auf seinem Rücken. Link nahm sie einfach Huckepack. Völlig perplex ließ die Prinzessin die Sache über sich ergehen. „Halt’ dich fest“, forderte er sie auf. „Ähm... okay.“ Sie legte ihre zarten Arme fest um seinen Hals. „Du musst das nicht tun, Link“, sagte sie reuevoll und konnte aufgrund der Edelmütigkeit ihres Helden wieder nur sanft lächeln. „Ich weiß.“ „Das ist wirklich sehr lieb von dir.“ Er blieb plötzlich stehen. „Ich kann noch weitaus lieber sein...“ Sie schmunzelte daraufhin und kniff ihn mit den Zähnen ganz sanft in das linke Ohrläppchen. „Das möchte ich doch gehofft haben...“, murmelte sie. Grinsend lief er weiter. „Danke, mein Held“, sagte Zelda leise. Ihre Wunde brannte wohl ein wenig, doch auch diesmal behielt sie den Schmerz für sich und wollte ihren Liebsten damit nicht belasten. „Wir haben bald die Hälfte des Weges geschafft. Dort suchen wir uns einen kleinen Unterschlupf. Sieht nach Regen aus.“ „Mmh. Ja, sieht so aus.“ Sie begann zu gähnen und legte ihren Kopf auf seine feste Schulter. „Alles in Ordnung, Zelda?“ „Ja, ich bin nur müde. Danke noch mal, Link.“ „Ich bin eben ein Gentleman und hör endlich auf dich bei mir zu bedanken. Das macht mich ganz wahnsinnig.“ „Mmh. Du bist aber auch edelmütig heute.“ „Was? Nur heute?“ Er neigte seinen Kopf zur Seite und grinste. Zelda hatte ihre Augen wahrlich geschlossen und war wirklich dabei auf seinem Rücken einzuschlafen. Als die ersten Regentropfen mit sanftem Blubb niederfielen, erreichte Link ein schönes, mit grünen, langen Gräsern überwuchertes Plateau hier oben. Und obwohl sich dichte Regenwolken um die majestätischen, riesigen Berge zogen, konnte er mit seinen scharfen, blauen Augen durch die Wolkenrisse einen Bruchteil der uralten Steppe Hyrules erkennen. Von hier oben wirkte alles fast enttäuschend klein, dachte er. Viele grüne Hügel, kleine Punkte, die Dörfer und Städte darstellen mussten und viele Wälder... Anhand des Sonnenstandes schätzte Link die Uhrzeit auf nach acht, was ihn noch mehr in der Absicht verstärkte mit Zelda die Nacht auf dieser schönen, übersichtlichen Ebene zu verbringen. Dort, wo die Treppenstufen sie morgen weiter aufwärts führen würden, war nur wenige Meter weiter ein Hohlraum in das feste, kantige Felsengestein geschlagen. Mit Zelda, die tief und fest in seinen Armen schlief, folgte er dem Weg durch das hohe, lange Gras zu dem Felsen und ließ ihren erschöpften Körper davor in das sattgrüne Gras sinken. Er breitete schnell einige Decken aus und wärmte ihren Körper damit, gab ihr einen süßen Gutenachtkuss und widmete sich beruhigt seinem Vorhaben. Vorhin schon, als er von weitem das Plateau ausgemacht hatte, war in ihm der Drang erwacht, sein Schwert zu schwingen, den Klang zu hören, wenn es den Wind trennte... Elegant führte er die Klinge durch kühlen Wind und leichten Regen, trainierte im Auge des Sturmes, fühlte Macht in sich strömen, Energie, die er bisher nur selten fühlte. Er lernte der Sprache des Schwertes zu lauschen, noch mehr als er es bisher wollte. Es flüsterte. Die Klinge in seiner Hand flüsterte, schwang sich von selbst, als ob sein Körper bereits mit dem Stahl verschmolzen war. Nach einer Stunde, Unmengen von Wirbelattacken, neuen Kombinationen und einer ausgefeilteren Kampftechnik, ließ sich der gewandte Kämpfer auf den Boden sinken, fühlte sich durchgeschwitzt und trotzdem irgendwie... mächtiger als bisher. Vielleicht wollte das alte Ich in ihm doch erwachen und das früher als er dachte. Vielleicht war Hyrules legendärer Held der Zeit tatsächlich dabei seine Erinnerungen zurückzufordern... Er streckte sich, gähnte laut, und spürte für einen kleinen Moment ein Jucken und Brennen an seinem Rücken, etwa in Steißnähe. Überprüfend wanderte eine Hand dorthin, kratzte darüber, aber nichts schien dort zu sein... Dann wanderte sein Blick zu seiner schlafenden Zelda, die träumend in dem Hohlraum ruhte, und dann zu den Taschen. Nur eines kam ihm in den Sinn. Hunger. Geschwind hüpfte er näher, kramte allen möglichen Proviant aus den Taschen und aß soviel, wie sein Magen im Moment aufnehmen konnte. Nach einigen Scheiben Brot, Beutelsuppen, die er kalt hinunterwürgte, einigen Tafeln Schokolade, einem Eimer Milch und vielen anderen Dingen hatte sein Magen jeden Platz für weitere Nahrungsmittel aufgebraucht und Link fühlte sich mampfsatt. Kopfschüttelnd lehnte er sich an den Felsen neben Zelda und ärgerte sich im nächsten Moment über diese komische Fressattacke... Sein verträumter Blick fiel wieder zu der wunderschönen Zelda, die so himmlisch in ihren reinen Träumen schwelgte. Ob sie von ihm träumte? Verliebt beugte er sich über sie und drückte kurze, leichte Küsse auf ihre Wangen, an ihre Nasenspitze, und stoppte an ihren roten, begehrenswerten Lippen... Oh, er liebte sie so sehr. So über die Maßen, dass er nicht aufhören konnte, daran zu denken, wie es wohl sein würde, wenn er sie das erste Mal nach allen Regeln der Kunst verführen würde. Manchmal im Haus der Götter, sofern er nachts wach gelegen hatte, überkam ihn dann der Gedanke daran, und seiner Phantasie waren keine Grenzen gesetzt. Er hatte sich ausgemalt, wie er es tun würde, was er tun würde... Und er sehnte diesen Moment irgendwie herbei. Immerhin waren sie schon sehr lange ineinander verliebt. Link, so lange er sie kannte... Und Zelda wohl bereits seit einigen Jahrhunderten. Er durfte ein wenig ungeduldig sein, was dieses Thema anbelangte, das wusste Link. Plötzlich riss ihn ein kleines Stiefelklappern aus seinen Gedanken. Hastig sah er sich um und erblickte einen fettgrinsenden, etwa elfjährigen Knirps mit grüner Tunika wenige Meter weiter auf der Grünfläche. „Habe ich euch bei was Intimen gestört?“, sagte er belustigt, sah aber im selben Moment, dass die Prinzessin der Hylianer tief und schön schlief. Er hüpfte näher und strahlte die schlafende Zelda mit einem süßen Lächeln an, was auch so etwas wie Eifersucht bei Link hätte hervorrufen können. „Sie ist so wunderschön...“, sagte er leise und streichelte daraufhin über ihre linke, schwachrosa Wange. „Ja, sie ist das Schönste, was Hyrule jemals besessen hat“, stimmte der erwachsene Heroe zu. „Wirst du dein Leben mit ihr teilen wollen?“, sagte der Kleine und setzte sich im Schneidersitz neben den Größeren. „Wenn sie es möchte...“ „Würdest du wollen?“ Link lächelte tief und angenehm. „Auf jeden Fall“, endete er und wühlte in seiner Gürteltasche nach den Gegenständen aus dem Götterhaus. „Ich möchte dir etwas überreichen, Kleiner“, meinte der Erwachsene, worauf jener aus Essenzen erzeugter Knilch überrascht aufsah. „Hier!“ Bereitwillig und neugierig schaute sich der junge Link die Sachen an, nur, dass er sehr bald nicht mehr mit dem Namen Link angesprochen werden sollte. Er ließ einen kindlichen Überraschungslaut verkünden, der die bezaubernde Prinzessin beinahe aus dem Schlummer gerissen hätte. Sie seufzte und drehte sich in die andere Richtung. „Das ist ja eine grüne Mütze. Echt krass!“, jubelte er und dann las er sich aufgeregt die Geburtsurkunde durch, wobei seine spitze Name so nah an die Zeilen rutschte, dass das Blatt ihn absorbieren hätte können. „Endlich weiß ich, dass ich eine Zukunft haben werde. Endlich weiß ich, dass ich existieren werde!“ Er hüpfte einige Runden im Kreis und fiel dem erwachsenen Link vor Freude um den Hals. Überraschenderweise war diese Umarmung für den einstigen Helden der Zeit ausgesprochen angenehm, auch wenn er es nicht verstehen und zu deuten wusste. „Danke“, sagte der Bengel. „Du hast mir geholfen real zu sein“, freute er sich, worauf der Heroe dem Kleinen auf den blonden Schopf klopfte. Auch er hatte ein Grinsen im Gesicht und freute sich ungemein für den Kleinen. „Jetzt, da du weißt, dass du existieren wirst, hast du dann vielleicht Lust auf eine Runde Schwertkunst?“, sagte Link, so als wollte er dem Knilch tatsächlich kämpfen beibringen. Er nickte und grinste so breit, als ob man seinen Mund mit Zangen auseinandergezogen hätte. Alsdann übte der erwachsene Heroe vergnügt, ausgelassen und heiter mit dem kleinen Kerl, der jedoch ganz und gar nichts von fair- kämpfen hielt. Ab und an trat er dem Erwachsenen auf die Füße und verpasste ihm einen unfairen Kick ans Schienbein. Trotz allem musste sich Link irgendwie eingestehen, dass es Spaß machte, mit dem kleinen Bengel, wenn auch auf sehr eigensinnige Weise, zu kämpfen. Nach einer Weile hatte der Knirps dann keine Lust mehr mit der Waffe zu spielen und ließ sich von dem erwachsenen Helden der Zeit fangen. Im Nu hatte Link den kleinen Quälgeist und Frechdachs eingeholt und packte ihn leichtfertig unter einen Arm. Sie lachten zusammen, führten sich auf wie zwei beste Freunde, wie zwei Brüder, als sich der Mantel der Nacht über die Welt legte... Es war früh am Morgen. Ein weißes, dickes Nebelgewand trug der Berg des Todes. Der Ort, der vor Hunderten von Jahren, noch bevor Goronen sich hier ansiedelten, von einem widerlichen Dämonenvolk behaust wurde. Zelda gähnte laut, blinzelte und öffnete zufrieden ihre kristallfarbenen, blauen Augen. Es war so warm hier... und sie wusste angesichts der angenehmen Wärme und des Geruches, dass es nur Link sein konnte, der sie so beschützend vor der Kälte abschirmte. Ihr Heroe... nur ihrer... Kurz besann sie sich auf ihre Träume, die sie ihm lieber nicht mitteilen wollte. Sie hatte nur von ihm geträumt, von einer hemmungslosen Form der Leidenschaft, die sie beide in dieser Form noch nie zugelassen hatten. Und sie fühlte sich ein wenig... unpässlich deswegen. Immerhin hatten sie eine wichtige Mission zu erfüllen. Und das einzige, woran die Prinzessin im Moment denken konnte, war die Tatsache, wie schön es sein könnte, wenn sie sich ihrem Heroen körperlich anbot... ,Verdammt, Zelda’, dachte sie. Kannst du nicht an etwas anderes denken? Sie wollte sich am liebsten eine Ohrfeige geben, als sie aber endlich registrierte, dass es nicht nur Link war, der sich an sie herangekuschelt hatte. Im trüben Morgenlicht erkannte die Prinzessin dann überrascht, dass es zwar Link war, der vor ihr lag und an dessen Brust sie sich schmiegte, es aber noch jemanden gab, der sich mit kleinen Kinderhänden an ihrem Rücken festhielt. „Nanu?“, murmelte sie schläfrig und rieb sich den Schlafsand aus den Augen. Sie wand sich um und da lag tatsächlich jemand... Ein kleiner Kerl, vielleicht elf Jahre alt, hatte sich wie ein Kind an seine Mutter an sie gedrückt und suchte anscheinend ihre mütterliche Wärme. Zelda war im ersten Augenblick sehr überrascht, hatte aber nicht den Hang oder die Ärgernis, den Kleinen um seinen Schlaf zu bringen. Er war so niedlich, so süß mit seiner kleinen Stupsnase, den hellblonden Haarsträhnen, die über seine Augenlider fielen und den kleinen Kinderhänden, die sich an Zelda Taille festhielten. Ihre zwei Jungs lagen also beschützend um sie, als müssten sie ihre Zelda- das wichtigste Präsent überhaupt- vor jeglichen anderen Händen bewachen. Schmunzelnd führte sie die kindlichen Arme von ihrer Taille und reckte und streckte sich nach Liebeslaune. Sie nahm einige Scheiben hylianisches Mischbrot, welches die Gnome in ihren riesigen Backöfen zauberten, in ihre Hand, knabberte daran und lief freudig über das grasbewachsene Plateau. Sie konnte die grünen Hügel der Steppe von hier oben nicht ausmachen. ,Wie schade’, dachte sie. Die dichten zuckerweißen Nebelschwaden bedeckten jegliche Sicht. Aber ein kühler Wind pfiff um ihre Ohren und vielleicht könnte er die störenden Schleier wegtragen... Ihr Blick fiel dann auf ihren rechten Handrücken, verwundert, dass sie ihr Fragment zwar spürte und seine Macht kribbelte, es aber nicht materialisieren, geschweige denn auf ihrer Haut erkennen konnte... Vermutlich, so dachte sie, lag es an Hyrules momentanen Zustand, dass die goldene Macht sich nicht zeigen konnte und anscheinend gleich einem lebendigen Wesen ebenso unter dem Verblassen jener Welt gelitten hatte... Zaghafte Schritte näherten sich ihr und als sie sich umdrehte, fühlte sie sich für einen schwindenden Augenblick zurückversetzt in jene Zeit, als sie im Schlossgarten auf den Helden der Prophezeiung wartete. Das mittlerweile elf Jahre alte Götterkind näherte sich mit munteren, himmelblauen Augen. Die Hände hinter den Rücken gesteckt schabte er mit seinen kupferbraunen Lederstiefeln auf dem Boden herum. Die gleiche Angewohnheit wie der elfjährige Held der Zeit damals... das gleiche Entzücken, welches es bei Zelda auslöste... Und noch etwas begünstigte diese immense Ähnlichkeit... er trug seine grüne Baumwollmütze. Das unverkennbare Zeichen des Helden der Zeit. Er sah nur kurz auf und blickte wieder zu Boden, worauf Zelda übermäßig grinsen musste. Sie kniete nieder und sagte aufmunternd: „Nanu? So schüchtern?“ Tatsächlich waren seine Wangen auffällig rosa... „Du bist ein kleiner Prinz“, meinte sie und schaute erwartungsfroh in die Augen, die ihren so unhaltbar glichen. Er verschränkte die Arme und begann zu schmollen. „Du willst gar kein Prinz sein, kleiner Mann?“, lachte sie. Er schüttelte den Kopf und spielte mit dem Zipfel seiner Mütze. „Ich will ein Held werden“, sagte er überzeugend, auch wenn Zelda darauf hin schmunzeln musste. „Das ist kein Scherz. Ich will genauso sein wie er.“ Und der Arm des kleinen Kerls schwenkte zu dem schnarchenden Link, der gerade mit seinen Armen unbewusst nach Zelda neben ihm suchte. „Er ist dein großes Vorbild, nicht wahr?“ Der Bengel grinste wieder und lachte. Sein Lachen war so mitreißend, dachte sie. So herzlich... In Zeldas Augen funkelte ein Schimmer Listigkeit und sie rutschte näher zum jungen Götterkind. Nervös wich er zurück, genauso wie Link damals im Schlossgarten. Die gleiche Angst vor Mädchen. Die gleiche lächelnzaubernde Schüchternheit... Zelda kicherte und packte den Kleinen an beiden Wangen. Verspielt zerrte sie seinen Mund auseinander und schien ihn zu testen. „Weißt du, ich glaube, aus dir könnte ein sehr großer Held werden, du...“ Sie biss sich auf die Unterlippe und suchte nach einem lieblicheren Kosenamen. „Du... süßer Fratz!“, lachte sie. Der Kleine griff sich beschämt an den Hinterkopf und lachte ebenso. Und es geschah in dem Augenblick, dass die junge Prinzessin neben der einstigen Verbundenheit noch weitaus mehr fühlte, wenn es um diesen kleinen Spund ging. Es war Wärme und Liebe... Sie rückte näher und überwand den letzten Abstand. Der Kleine wurde puderrot um die Nase, als Zelda ihn endgültig umarmte. „Wenn ich irgendwann wieder in Hyrule bin, denke ich an dich...“, sagte sie leise. Und der Kleine spielte derweil verblüfft mit den langen, goldbraunen Haarsträhnen auf Zeldas Rücken. „Anders als beim letzten Versprechen?“, sagte er scheu. „Ja, genau. Anders als im Gestern“, meinte sie und ließ den jungen Kerl endlich wieder aus der innigen Umarmung. „Abgemacht!“, murmelte er. „Abgemacht!“ Und zur Bekräftigung schüttelte Zelda die Hand des Bengels. „Und nun? Meinst du, wir sollten Link wecken?“ „Jep. Der hat doch lange genug geschlafen“, erwiderte er und schaute in die nebulöse Tiefe von der Plattform herab. Mit leisen Schritten lief Zelda zu ihrem Heroen hinüber, während Klein- Link erstaunt in die Tiefe schaute. Ausgebreitet lag der einstige Held der Zeit auf seinen Rücken und murmelte irgendetwas in seinen Träumen. Verliebt und schelmisch grinsend rückte Prinzessin Zelda näher, berührte zunächst seine Nasenspitze mit ihrer und streichelte schließlich seine Lippen mit ihren. Sie küsste ihn kurz und behutsam, bis Link zwinkerte und den Kuss erwiderte. Sie stoppte die Liebkosung und flüsterte: „Guten Morgen, mein Held...“ Er zwinkerte und endlich hoben sich seine Augenlider. „Morgen, meine Prinzessin“, sagte er, griff aber im selben Augenblick an ihre Schultern und zog sie zu sich herab. Ihrer Kehle entkam ein Überraschungslaut, ein wenig quietschend, sodass der junge Link weitentfernt verwundert aufsah. „Hey, du Träumer. Wir sind nicht allein“, murmelte Zelda und gab ihm einen kleinen Schmatz auf die Lippen. „Wie?“ Und er drückte sie näher an sich. „Du hast richtig gehört. Unser kleiner Freund ist hier.“ „Ach so...“, nuschelte der Heroe, obwohl er diesen Satz anscheinend nicht richtig verstanden hatte. Zu seinem Unverständnis trug die Tatsache bei, dass er die Augen wieder schloss und seine rechte Hand über ihrer Rücken, zur Hüfte und noch ein Stückchen weiter hinab wanderte. Zeldas Augen waren nun ein Spektakel aus Scham und Schock. Es kribbelte entsetzlich in ihrem Magen, obgleich sie wusste, dass sie derartige Berührungen nicht unter den Augen des kleinen Bengels zulassen konnte. Sie packte seine Hand hinter ihrem Rücken und führte jene fort, bevor sie sich noch unartigere Dinge erlauben konnte als ihren Po zu streicheln, und richtete sich auf. „Hm?“, säuselte Link und öffnete verwundert ein Auge. „Du bist ziemlich ungehobelt heute“, murmelte Zelda und brachte ihn mit ihrer morgendlichen Schönheit dazu, das andere Augen auch noch zu öffnen. Link packte ihre Handgelenke und wollte sie wieder zu ihm hinabziehen und sich endlich einen langen Kuss mit ihr gönnen, aber Zelda hüpfte auf die Beine und sagte eindringlich: „Bitte steh’ auf... Wir müssen den Weg fortsetzen.“ Link brummte etwas, ließ sich aber überzeugen und kroch aus seinem Schlafsack. Währenddessen starrte der junge Knirps mit der grünen Mütze beeindruckt in den Abgrund, wo sich einige Nebelschwaden langsam auflösten... „Morgen!“, rief Link von Weiten und der Bengel ließ sich für einen kurzen Moment aus seiner Trance reißen in die schwindelerregende Tief zu blinzeln. Er winkte dem erwachsenen Heroen zu und pflanzte sich dann auf die Wiese, wartete geduldig, dass sich die Sicht lichtete und er Hyrules traumhafte Steppe von hier oben bewundern konnte. Link streckte sich nach Liebeslaune, gähnte kräftig und grinste seiner Prinzessin erwartungsfroh entgegen, die sich gerade auf eine Decke hockte und das Frühstück aus den Taschen holte. „Du führst doch irgendetwas im Schilde“, neckte sie. Und Links vielsagendes Grinsen wurde breiter. Er krabbelte über die kratzige Decke zu ihr hinüber und überrumpelte sie einfach. Er drückte eine überraschte Zelda mit seinem eigenen Körpergewicht nieder, und seufzte bloß in ihrer Wärme. Sie streichelte mit beiden Händen über seinen Rücken und sagte leise: „Was wird das?“ „Mmh... ich hatte nur Sehnsucht nach deiner Wärme...“ Ihre Augen strahlten bis sie jene schloss und die kostbaren Sekunden in der Nähe ihres Heroen genoss. „Manchmal...“, fing er an, brachte sein Gewicht von ihr herunter und kuschelte mit ihr auf der pelzigen Decke. „Ja?“ Er rollte mit den Augen und rückte die Wahrheit heraus. „Ich wünschte, es wäre alles ausgestanden und wir würden endlich...“ Er richtete sich auf, nahm die rechte Hand seiner Prinzessin in beide Hände und drückte mehrere, kleine Küsse an ihre Fingerspitzen, auf den Handrücken... „Du weißt, dass ich dich liebe...“, sagte er leise. Sie nickte und funkelte mit den schönen blauen Augen in einer verstandsabsorbierenden Weise. Da war Gewissheit in ihrem himmelblau. Liebe. Hingabe... „Du wünschst dir mehr als das, was jetzt ist?“, murmelte sie zaghaft. Seine Augenlider sanken nieder und er erwiderte zaghaft und doch aufrichtig. „Ja... ich will dich.“ Zelda zwinkerte hilflos und wand den Blick ab. Sie richtete sich ebenso auf und schaute zu dem Kleinen Mann drüben auf der hohen Grasfläche. Als Zelda weiterhin schwieg, setzte Link rasch hinzu: „Aber ich will dich zu nichts drängen...“ Ihr hübscher Kopf wand sich zu ihm. „Du brauchst dich nicht rechtfertigen...“ „Also wo liegt das Problem?“, murmelte er. Sie suchte seine Umarmung und legte den Kopf auf seine Schulter. Sicherlich... sie wollte ja eigentlich auch... aber da war immer noch diese winzige Angst... Angst vor Innigkeit und Leidenschaft... und die Erinnerung an jenen Tag als Prinz Vasard versuchte ihr die Unschuld zu nehmen. Vielleicht war gerade das jenes Problem. Die Tatsache, dass sie Link einfach nicht sagen konnte, welche dreckigen Gelüste ein Dämon wie Ganondorf mit sich führte... Sie küsste ihn zur Entschuldigung und sagte leise: „Okay... ich habe eine Überraschung für dich... aber du musst dich gedulden, bis wir im Todeskrater bei den heißen Quellen angelangt sind.“ Link zuckte mit den Schultern und nickte. „Okay.“ In dem Augenblick schaute der junge Held hinüber zu dem Kleinen Bengel, welcher gemächlichen Schrittes näher trat. Er hatte ein ausgemachtes Feixen im Gesicht und verbarg hinter seinem Rücken eine weiße Blume, die er in der Nähe des Abhangs gepflückt hatte. Sein Kindergrinsen galt nur der Prinzessin Hyrules, die er schon seit er sie das erste Mal beobachtet hatte, in sein junges Herz geschlossen hatte. Er erinnerte sich daran, dass er einmal klammheimlich in die Villa der stolzen Direktorin geschlichen und neugierig in das Zimmer der anmutigen Zelda gestiefelt war. Sie hatte ihn zu dem Zeitpunkt nicht wahrgenommen, vielleicht auch bloß, weil sie ihn nicht bemerken wollte. Das goldene, lange Haar offen saß sie vor ihrem Schreibtisch. Ihre Hände verkrampft. Ihr Gesicht verweint... und alles nur, weil sie zu diesem Zeitpunkt die Nähe Links nicht zulassen konnte. Natürlich hatte der kleine Bengel keine ihrer Tränen verstanden. Er war zu jung und zu unwirklich für das Wissen und Liebe, für gebrochene Herzen und die Opfer, die das Schicksal verlangte. Aber er fühlte sich damals zu lebendig und zu wirklich als die Prinzessin des Schicksals nicht irgendwie zu trösten. Und so war er geblieben, beobachtete sie bei allen Kleinigkeiten. Beim Bürsten ihrer seidigen Haare. Beim Harfespielen und sogar beim Umziehen. Gerade da erwachte in ihm die Faszination für Zelda, obgleich er aus ihren Essenzen bestand. Er hatte das Bedürfnis sie zu trösten, vielleicht für das Schicksal auf ihren Schultern. Und so fand die junge Prinzessin gelegentlich eine weiße Blume, manchmal eine Rose, eine Tulpe oder ein Vergissmeinnicht in einer kleinen, schmalen Vase auf ihrem Nachttisch... Auch jetzt hatte er wieder eine Blume in der Hand und wollte sie der schönen Lady schenken, die ihm das Herz gewärmt hatte, und die ihm helfen würde, irgendwann wirklich zu sein. Seine himmelblauen Augen leuchteten, als er langsam zu den beiden verliebten Hylianern hinübertrat. Grinsend wand sich Zelda von ihrem Helden der Zeit ab, der im Moment nicht aufhören konnte sie zu ärgern. Andauernd packte er sie unter ihren Armen und wann immer sie sich abwenden wollte, zog er sie wieder an sich. Sie lachte und blickte lächelnd zu dem kleinen Kerl, der beinahe neidisch das herrliche Liebesglück begaffte. Doch dann standen Zeldas Augen plötzlich starr. Ihr Gesicht verzog sich; und sie kreischte, schrie panisch auf. Auch Link blickte erschrocken hinüber zu dem kleinen Jungen, der nicht wusste, dass ihm in jenem Augenblick seiner Menschengestalt üble Gefahr drohen konnte. Ein Verhängnis seiner körperlichen Existenz. So schnell wie er konnte, rannte der erwachsene Link auf den Jungen zu, der nur seine Augenbrauen verzog. Er wusste es nicht. Er spürte es nicht. Wie angestochen hetzte Link mit gezücktem Schwert und Schild näher und fauchte lauter und lauter. „Link! Lauf’ weg!“, rief der Heroe, sprach den Kleinen bewusst mit seinem eigenen Namen an. Aber der Bengel blinzelte bloß und schaute abwechselnd zu dem aufgeregten Hylianer und der entsetzten Zelda, die hinter Link herrannte. „Lauf!“, rief sie. Verzweiflung und Angst in ihren himmelblauen Augen, welche schreien würden, wenn sie könnten. Wie in Zeitlupe drehte der Knirps den Kopf nach hinten. Seine grüne Mütze schwang im Wind, tanzte mit seinen Bewegungen und sein kleiner Körper erstarrte in dem Moment, da er die Gefahr endlich erkannte. Die weiße Blume in der Hand fiel geräuschlos zu Boden. Nur wenige Meter hinter ihm standen sie, jene teuflischen Boten, die viel zu lange nach den Auserwählten der Macht suchten. Drei schwarze Gewänder zerrupft und hässlich tanzten in der Luft. Zankend und zischend schwebten sie über den saftiggrünen Gräsern des Plateaus. Und lederne, mit Stahl besetze Peitschen wirbelten todbringend über ihren umhüllten, hasserfüllten Köpfen. Der kleine Bengel stolperte einige Schritte rückwärts, blieb mit den Kinderfüßen an einer Kante hängen und fiel. Noch immer hasteten Zelda und Link näher, wollten ihn beschützen, mit allen Mitteln, koste es, was es wolle. Aber je näher die alptraumhaften Gestalten schwebten, je näher sie ihm kamen und der kleine Kerl sich nicht rührte, umso eher spürte und wusste der Heroe, dass er ihn nicht mehr erreichen würde. Wie erstarrt blickten himmelblaue Kinderaugen, so unschuldig und weltfremd sie doch waren, zu den Kreaturen, die zischten und sich an der Angst zu laben schienen, die den Kleinen einnahm. Im Hintergrund schrillte Zeldas tosender Entsetzensschrei umher, als sich die ledernen Peitschen um die Fußknöchel des Jungen wanden, der sich nicht rührte. Schmerzhaft wurde er durch die Luft befördert, landete auf seinem Bauch und blickte angsterfüllt und doch hoffnungsvoll zu den beiden Hylianern, die seine einzigste Zuflucht darstellte. Nun wusste er was Angst war, und auch die Hoffnung auf Rettung und Schutz bohrte sich in sein Herz. Ein neues Gefühl... ein entfesselndes Gefühl. Endlich... menschlich... endlich lebendig... Er versuchte zu grinsen, ein erstes und letztes Mal im Auge der Angst. Einer der dunklen Drei zischte lüstern und gespenstisch, schwang den knöchernen Arm genießend nach hinten. Der schaurige Schrei des Götterkindes schallte durch die Luft, hell und stark war sein Klang, und dröhnte weiter mit dem Schwinden der Dunklen, die sich in die Tiefe fallen ließen und den Jungen mitrissen. Und der Schrei ertönte lange noch, hallte, als die Kreaturen der Nacht in dem Nebel der unendlich scheinenden Tiefe der Todesberge verschwanden, erlosch träge, erlosch in einem schicksalhaften Moment... Die weiße hylianische Blume auf den grünen Gräsern des Plateaus - zuvor noch in den Händen des Götterkindes- verwelkte in Sekundenschnelle und zerfiel zu Staub... Kapitel 97: Geheimnisse der Vergangenheit XVI --------------------------------------------- Kapitel 80: Geheimnisse der Vergangenheit XVI Ungeduldig wartete der junge Held auf seine Prinzessin, die in ihre Gedanken versunken ihr Kinderlied sang. Ihre in vertrauter Melodie gestalteten Worte, sie sang Althylianisch, brachten dem jungen Helden ein angenehmes Lächeln auf das Gesicht. Vielleicht das letzte in jenen Tagen... Was würde geschehen? Würde das Schicksal seiner Grausamkeit wieder huldigen und Ganondorf die Flucht aus der Hölle gewähren? In seine Gedanken versunken trat auch Link an jenes kleine Spitzbogenfenster mit dem steinernen Fensterbrett und dem bemalten Rahmen. Sein Blick wurde ernster, melancholischer und für einen ungewissen Augenblick spürte der junge Heroe, dass die Zeit erneut gekommen war... dass die Zeit vielleicht um war... Das widerwillige Lächeln auf seinem ansehnlichen Gesicht, kniff er seine Augen zu und strich sich einige blonde Strähnen von der Stirn. Genieße den Frieden, solange er existiert, schallte es in seinen Gedanken. Genieße die Ruhe, solange nicht die Stimmen hunderter Moblins und scharenweise anderem Dämonenzeugs durch die Lüfte gellen... Mit einem Seufzen ließ sich Link in Zeldas bequemen, knatternden Schaukelstuhl fallen, wiegte sich zufrieden darin und schloss alle viere von sich streckend die tiefblauen Augen. Er konnte Hyrule jetzt nicht mehr verlassen, auch wenn er diesen Entschluss bis vor wenigen Stunden versucht hatte aufrecht zu erhalten. Aber nicht unter diesen Umständen. Ja, vielleicht war er ganz froh darüber, hier zu bleiben, an der Seite der zukünftigen Königin, vielleicht würde er, nachdem alles durchgestanden wäre, die Möglichkeit haben, am Hofe zu bleiben... Der Entschluss nun vielleicht doch ein Ritterleben zu führen, manifestierte sich immer stärker in seinen Gedanken. Er würde in die Fußstapfen seines Vaters treten, einem Ritter, das einzigste, was er von ihm wusste- dann, wenn hier in Hyrule wieder alles beim alten war. Dann, wenn die Macht des Triforce wieder im Gleichgewicht weilte und wenn der Riss im Siegel des Schreckensfürsten in Vergessenheit geriet. Er konnte Zelda nicht verlassen... so einfach erschien der Gedanke jetzt. Hatte er wahrhaft gedacht, er könnte ohne sie leben, sie vergessen? Link schüttelte seinen Kopf und nahm eines der kuscheligen Kissen mit samtenem Stoff, und den farbigen Stickereien in seine Arme und gähnte herzhaft. Sein Herz würde sehr einsam sein, egal, ob er irgendwann ein neues Leben, in einem neuen Land anfangen wollte, wenn Zelda nicht da wäre... „Ich verlasse dich nicht...“, sagte er gedämpft und wartete auf die anmutige Prinzessin Hyrules. Mit großzügig geflochtenen Haaren, einem olivengrünen langen Kleid um ihre zarte Figur, welches ihre Schultern offen ließ und nur halblange Ärmel besaß, trat die Prinzessin in den Raum und nahm an sich hier alleine zu befinden. Sie bemerkte nicht den blinzelnden Hylianer in ihrem Schaukelstuhl, oder das knackende Geräusch, als er aus dem Schaukelstuhl aufstand. Stattdessen regte sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht, als sie erneut aus dem Fenster schaute. Langsam schloss sie das Fenster, verriegelte das kleine, halbverrostete Schloss und legte einige Fingerspitzen auf das durchsichtige, schwach bräunlich gefärbte Fensterglas und atmete tief aus. Sie fühlte sich ein wenig aufgeregt, dem Fest beizuwohnen und ärgerte sich bei dem heimlichen Angstgedanken, das Siegel könnte in jenen Stunden zerreißen... das Siegel des schier übermächtigen Bösen... doch genug davon, befahl sie sich. ,Du bist heute hier, um dich zu amüsieren’, sprach sie zu sich selbst. Wo Link so lange blieb? So weit sie wusste, wollte er sie abholen, sie zu dem Fest begleiten. Denn alleine, als Prinzessin Hyrules, durch die Menschenmassen zu wandeln, wäre unangenehm. Sie brauchte Gesellschaft und da sie nur einen einzigen Freund hatte, hoffte sie inständig, er würde es nicht als Last empfinden mit ihr das Fest zu genießen. Mit seiner Anwesenheit fühlte sie nicht die vielen unmissverständlichen Blicke, wenn sie irgendwo vorüberlief. Und die Blicke des gemeinen Volkes sagten mehr als Worte es tun konnten. Verträumt summte sie erneut das Wiegenlied aus der Überlieferung ihre Familie, als sie endlich die Anwesenheit etwas Vertrautem hinter ihrem Rücken spürte. Links vertrauter Geruch nach Wald, einen Hauch Harz und Frische kitzelte ihre Nase. Sie hörte Stiefelgeklapper, langsame Schritte, die sich ihr annäherten. Wenn auch eine Spur unsicher, legte Link langsam seine Hände auf beide ihrer nur halb mit grünem Samt bedeckten Schultern und murmelte leise: „Ich verlasse dich nicht...“ Zelda wollte sich zu ihm umdrehen, verwirrt und im nächsten Moment den Sinn seiner Worte begreifend, aber er sagte schnell und auffordernd, bevor sie einen Blick in seine umwölbten Augen werfen konnte: „Warte. Hör’ mir zu...“, sagte seine Stimme in nie da gewesenem einfühlsamen Klang. „Ich hatte es mir fest vorgenommen... aber in den letzten Stunden ist...“ Er brach ab und fand einmal mehr nicht die richtigen Worte, um ihr zu sagen, warum. „Ich kann Hyrule nicht mehr verlassen...“, ergänzte er. Stumm stand Zelda vor dem Fenster, versuchte seine Nähe so zu genießen, wie sie es wollte. Und doch war da dieser Funken Ungewissheit. Sie verstand ihn nicht, sein Verhalten? Woher kam dieser plötzliche Sinneswandel? Vor Nervosität hielt Zelda den Atem an, unterdrückte das durchaus angenehme Gefühl seiner Hände auf ihren entblößten Schultern, kämpfte mit ihrem schnellerwerdenden Herzrhythmus und biss sich auf ihre rotgemalte Unterlippe. Um sich abzulenken sah sie hinaus auf die saftiggrüne Steppe, beobachtete kleine Menschengruppen in Gestalt vieler bunter Punkte, die mit ihren Fackeln am heutigen Tage hinauswanderten. Und doch rührte sie sich nicht, als wäre ein mächtiger Versteinerungsfluch auf sie niedergefallen. Sie traute sich nicht, nur eine Bewegung zu machen... „Zelda... bitte lass’ mich bei dir bleiben.“ Eine Bitte nach Gesellschaft? Ihrer Gesellschaft? Noch nie hatte jemand sie darum gebeten. Schwerfällig begriff sie den Sinn dieser Worte und schämte sich selbst dafür, derartige Worte aus seinem Mund nicht richtig deuten zu können. Wieder schwieg sie und wartete auf eine Reaktion von Link. Und diese kam schneller als sie dachte. Fest umschlangen seine starken Kämpferhände ihren gertenschlanken Bauch. Durchaus eine Reaktion, die sie nicht hatte erahnen können. Sie atmete scharf ein, legte ihre zarten Hände widerwillig, ohne sich im Klaren zu sein, was sie tat, auf seine warmen Hände, die immer noch auf dem olivenfarbenen, leichtschimmernden Stoff ihres Bauches ruhten. „Ich kann dich einfach nicht verlassen“, sagte er knapp und riss sich dann los, als sein Verstand ihm langsam zuflüsterte, was er sich hier erlaubte. Er drehte ihr den Rücken zu, selbst so konnte man seine roten Ohren noch sehen und lief in dem Zimmer auf und ab. Was im Namen der Götter geschah hier? Noch nie erlaubte er sich ihr so nahe zu sein und nun schien irgendetwas an Zelda ihm Mut gemacht zu haben, es doch zu wagen. Weitere Gedanken strömten auf ihn ein, Gedanken an Zelda und ihr liebreizendes Lächeln. Wie er sie einfach in seine Arme nahm und ihr den längsten, leidenschaftlichsten Kuss gab, den sie jemals erfahren hatte. Erschrocken über seine Hirngespinste lief er weiter im Raum umher. Zelda drehte sich vom Fenster weg und schaute höflich zu Boden. Er würde bleiben... er wollte Hyrule nicht verlassen- ihretwegen. Sollte sie sich nicht freuen? Zaghaft lächelnd suchte sie seinen Blick, sah ein intensives Rot unter seinen Augen und einen sehr beschämten Blick. „Danke...“, freute sie sich. Mit einem unüberlegten Sprung landete Zelda in den beschützenden Armen ihres verlegenen Helden. Sie vergrub ihren Kopf in seiner Schulter und murmelte: „Ich danke dir, aber tu’ das nicht nur wegen mir.“ ,Ich würde alles für dich tun, meine Zelda...’, sagte er in seinen Gedanken und schnupperte verhext von ihr den Duft der weißen Wurzel aus den alten Mooren an ihrem Hals. Seine straffe Umarmung war irgendwie anders als sonst. Immer mehr drückte er Zeldas zierlichen Körper an seinen, ließ seine Arme forschend über ihren Rücken wandern, legte sein Kinn auf ihre nackte Schulter und versank halb in jener Berührung. Doch gerade diese innige Zärtlichkeit hatte sich die Prinzessin von ihrem Helden so oft gewünscht, auch wenn er vielleicht Scheu und Scham hatte, dies einfach zu tun. Und gerade in dem Moment wollte er sie anscheinend nicht mehr gehen lassen, schloss seine Augen und verharrte in jener Haltung. „Was macht dein Fragment?“, sagte er leise, nicht bereit Zelda aus seiner Umarmung zu lassen. „Es verblasst... wie das Land in meinen Träumen“, erwiderte sie leise und straffte ihre umschlingenden Arme um seinen braungebrannten Hals. Ohne Bedenken streichelte sie die Spitzen seines dunkelblonden Haares am Hinterkopf, glaubte schon, sie befände sich in ihren romantischsten Träumen und murmelte irgendwelche unverständlichen Worte vor sich hin. „Das Fragment des Mutes...“, fing Link gedämpft an und lehnte seine rechte Wange an ihre linke, sich wundernd, wie sehr ihre Haut doch glühte. „... verblasst ebenso.“ „Und wir können einfach nur zusehen...“, flüsterte sie und lehnte ihr königliches Haupt an seine starke Brust. „Nur zusehen“, bestätigte er und konnte nicht anders als Zelda noch mehr Zärtlichkeit zu schenken als bisher. Aus dem Nirgendwo küsste er ihre warme Wange, umschloss dann ihren Körper wieder mit seinen Armen. „Dennoch“, Links Mut kehrte ihm nun mal nie den Rücken zu. „... es gab immer Hoffnung und gibt sie noch. Ist das nicht dein Spruch, mein Engel...“ Zelda lachte leise auf. „Ja, das ist er.“ „Lass’ uns das beste aus diesem Tag machen“, sagte Link entschlossen und hievte Zelda schlagartig in die Höhe, griff ohne Scham unter ihre Hüfte, sodass er sie ein Stückchen tragen konnte. Doch keinerlei Verlegenheit oder Überraschung stand in ihrem Gesicht geschrieben, als er sich mit ihr zu dem Bett bewegte. Stattdessen schlang sie noch wie ein Kind ihre Beine um seine Hüfte. Glücklicherweise trat gerade Impa in den Raum, worauf das junge Pärchen plötzlich aus dem frischen und doch verschwiegenem Liebesglück aufwachte. Schnell ließ Link Zelda zu Boden und hüpfte mindestens einen Meter aus ihrer Reichweite. Himmel, was war bloß in ihn gefahren? Als ob er sich die allergrößte Frechheit erlaubt hatte, pflanzte sich das schamhafte Rot in seinem Gesicht immer weiter fort. Was war nur los mit ihm? Ein ausgeklügeltes Grinsen auf dem Gesicht trat die stolze Shiekah in das Schlafgemach und blickte abwechselnd zu Link und Zelda. Sie begann edel zu grinsen und dann zu lachen, als sie sich die beiden irritierten Hylianerseelen beäugte. „Übringens, Zelda, diese Wurzel stammt aus den Mooren, wurde früher immer bei Fruchtbarkeitsritualen meines Volkes eingesetzt und hat eine aphrodisierende Wirkung“, sagte sie schmunzelnd. Dann war ja alles klar... „Hättest du mir das nicht eher sagen können?“, schimpfte sie mürrisch und war im nächsten Moment dankbar, dass ihr Kindermädchen noch rechtzeitig in den Raum gekommen war und sie beide daran hinderte mehr als nur einen Fehler zu begehen. Dennoch verärgert schüttelte Zelda den Kopf und goss den übriggebliebenen Inhalt der Schale in Impas Hände. Ironisch meinte sie: „So, meine liebe Impa, versuch’ du doch mal dein Glück mit den Männerherzen in Hyrule Castle. Ich bin mir sicher, diese Mixtur beschert dir die ein oder andere Freude.“ Sauer krallte sich Zelda den Arm, den Link ihr anbot und die beiden Auserwählten gingen gemeinsam aus dem Raum in Richtung des belebten Marktplatzes. Impa allerdings stand noch in Zeldas Gemächern und amüsierte sich über das lustige Schauspiel der beiden Hylianer. Ein Test... nur ein Test, dessen Ergebnis sich in Impas Augen wunderbar bestätigt hatte. Denn sie hätte vielleicht noch erwähnen sollen, dass die verführerische Wirkung vor allem dann eintritt, wenn schon Gefühle der unumstrittenen Zuneigung vorhanden waren... Kapitel 98: Gewebe aus Licht ---------------------------- Kapitel 81: Gewebe aus Licht Hoch über den Wipfeln des Todesberges zeriss ein entsetzlicher, schauriger Angstschrei die Luft und endete in qualvollen Wimmern. Ein Flehen, ausgesendet von einer starken, hellen Stimme. Flüche und Schreie quollen unersättlich aus dem Mund der jungen Hylianerin, die sich auf die Knie fallen ließ und schockiert an der steilen Felswand hinabsah. Ein Kind, er war doch nur ein unschuldiges, unwissendes Kind! Warum hatte er sich nicht in Luft aufgelöst? Konnte er es nicht mehr? Verzweifelt hockten die beiden letzten Hylianer jener alten Welt nun an der Kante des riesigen Plateaus und schauten bestürzt in die nebulöse Tiefe. Das konnte nicht sein. Innerhalb von Sekunden war das unschuldige Götterkind von den widerlichen Schattengöttern mitgezerrt, gefangen von dreckigen Händen. Sie würden ihn foltern, sie würden ihm sein fröhliches Gemüt nehmen, das wusste Zelda, das spürte sie... Sie schlug ihren Kopf mehrmals zur Seite, ihre Fäuste sausten erbarmungslos zu Boden, mehrmals, immer wieder, gewaltsamer. Ein dröhnendes: ,Nein’ entkam ihrer Kehle, bis schließlich Tränen über ihre Wangen tropften. Sie konnte ihn nicht im Stich lassen, sie hatte versprochen, ihm zu helfen, auf ihn aufzupassen. Sie wand ihren Blick zu Link, der stumm und entsetzt neben ihr saß. Seine tiefblauen Augen unheimlich trübsinnig, beinahe leer... „Er war doch nur ein Kind...“, schluchzte sie, ihre Fäuste ballten sich, ohne dass sie es kontrollieren konnte. Eine Bewegung genügte und ihre magische Kraft würde Platz machen für die unausgesprochene Wut in ihrer alten Seele. Sie würde töten in ihrem derzeitigen Zustand, wenn sie niemand daran hinderte... Links tiefblaue Augen sagten alles, was in jenem Moment so schwer fiel... Da waren Zweifel... Schuld, nicht schneller gewesen zu sein... Angst und Schock... Zeldas Hände wanderten zitternd zu ihren Augen um sich die vielen Tränen aus den Gesicht zu wischen und doch tat es keine Abhilfe. Sie weinte. Weinte wegen einem kleinen Geschöpf, das sie schon lange in ihr Herz geschlossen hatte. Unhaltbar drängte sich der plötzlich Drang auf, Macht und Energie zu nutzen, allen Drei Schattenmonstern die widerwärtigen, schleimigen Köpfe abzuhacken... Verflucht sollten sie sein, verflucht! Und wie Zelda fluchen konnte, wenn sie wollte... nicht mehr das sanfte Antlitz mit den gütigen Augen. Nicht mehr das hilflose Prinzeschen, welches man ihr eingeredet hatte zu sein. Sie sprang auf, hetzte zu den Treppen, zog das Langschwert von ihrem Gürtel und raste aus Verzweiflung die steinernen Treppenstufen hinab. Ungläubig sah Link ihr zunächst bloß hinterher, wollte nicht begreifen, was Zelda vorhatte. Sie wollte das Götterkind suchen und die Schattengötter herausfordern? Und was war mit der Zeit? Mit der Rettung der Welt? Sie konnten nach halbem Weg nicht erst wieder ins Tal reisen und dann erneut den Todesberg erklimmen! Sie war nicht bei klarem Verstand, das verstand er, aber konnte sie ihre Sorge um den Jungen denn lediglich mit ihrer tosenden Wut, mit ihrer überwältigenden Verzweiflung rechtfertigen? Konnte sie es verantworten, dass sie bei der Suche des Kleinen nun die Erde und Hyrule opfern würde? „Zelda!“, kreischte Link und rannte dicht hinter ihr her. „Bleib’ stehen!“ Beinahe grob packte er sie an ihrem Handgelenk und zwang sie zunächst dazu, stehen zu bleiben. Aber sie schickte ihm einen vorwurfsvollen Blick, den Link schon lange nicht mehr bei ihr gesehen hatte- so viel lag darin, aber eines tat ihm besonders weg... Anklage... Weiterhin versuchte sie sich loszureißen. „Lass’ mich!“, giftete sie. „Ich muss zu ihm!“ Sie zappelte unaufhörlich und stieß ihn weg. Ihre Schritte wurden schneller und schneller. Ihre Wut schien sie zu überwältigen. „Zelda...“, sagte Link traurig und sah halb gedemütigt zu Boden... Aber sie achtete nicht auf Link und nahm gleich zwei Treppenstufen auf einmal. „Glaubst du, ich bin glücklich, weil Klein- Link in die Tiefe gestürzt ist!“, fauchte Link dann. Jetzt platzte auch in ihm der Geduldsfaden. „Ist es das, was du denkst!“, rief er, erfüllt von Zorn und maßloser Enttäuschung. Ihre Schritte stockten... und Link trat seufzend näher. Seine Arme legten sich beinahe wie von selbst über Brust und Bauch der blonden Hylianerin und drückten sie an sich. „Warum tust du mir... uns... das an?“ Und sie wusste sofort, was er im Sinn hatte. Sie ließ den Kopf hängen, griff an seine Arme und murmelte leise: „Verzeih’... ich bin doch... verantwortlich für ihn... er ist doch nur ein Kind...“ Ihre Wut schlug wieder in Kummer und Tränen um, allein durch seine Worte, seine tröstliche Nähe. „Pst...“, flüsterte er in ihr Ohr. „Es ist okay...“ „Wir sind doch schließlich seine...“ Sie stoppte ihre Worte und biss sich auf die Lippe. „Was?“ „Wir werden vielleicht irgendwann wirklich seine Erzeuger sein...“, sagte sie wimmernd. Aber Link konnte das nicht verstehen, er schwieg und wiederholte die Worte langsam in Gedanken. Also doch... also doch... „Kapierst du nicht... wir sind für ihn verantwortlich... ich muss ihn finden“, sagte sie ernster. „Er besteht immer noch aus unseren Essenzen... wir können ihn doch nicht im Stich lassen...“, weinte sie und schlug ihre Hände wieder ins Gesicht. Er lehnte sein Kinn an ihren Hinterkopf und wünschte sich so sehnlichst, sie beruhigen zu können. „Sch... wir finden einen Weg...“ Aber er wusste, dass seine Worte sie nicht trösten konnten. Seine Worte hatten keinen Sinn... nicht jetzt, wo sehr bald der große Kampf drohte... nicht in dem Augenblick, da sie beide den kleinen Bengel im Stich lassen mussten. Langsam ließ sich Link mit Zelda zu Boden sinken, wippte sie in seinen Armen auf und ab, streichelte über ihren blonden Schopf und vergoss in dem Moment ebenso eine Träne. Nach mehreren Minuten waren Zeldas Tränen getrocknet und sie hüpfte auf die Beine, schwieg und zog die Nase nach oben. Ihr Blick ging hinauf ans Himmelszelt und ihre Gedanken wurden trüber. Vor wenigen Minuten noch war alles in Ordnung gewesen, aber jene kleine heile Welt existierte nicht mehr. „Gibt es nicht doch etwas, was wir tun könnten...“, schniefte sie. Und damit wand sie sich zu Link, der seinen Kopf in die Hände gestützt immer noch auf den kalten Steinstufen saß. „Es tut mir leid...“, murmelte er erstickend. Mit Zweifeln und abklingender Wut sank sie wieder vor ihm nieder, führte seine Hände von dem schmerzenden Kopf und hielt sie sich beide gegen das Gesicht. „Ich fürchte... wir sind gezwungen... einfach weiter zu gehen...“ Ihre Stimme so zittrig und winselnd. „Nicht ganz...“, sagte er und blickte entschieden auf. Verwundert löste sich die Anspannung in Zeldas Gesicht. Seine Augen schienen langsam wieder den Mut zufinden, der in ihnen versteckt lag. „Wir haben Teleportiersteine. Das grüne Gossipgestein.“ „Aber...“ „Nichts aber. Wenn wir herausfinden, wie wir sie nutzen können, dann könnten wir den Kleinen vielleicht finden.“ Zeldas Gesicht wirkte jedoch noch angespannter als vorher. „Aber die Steine hatten bisher immer ihren eigenen Willen. Wie könnten sie uns jetzt helfen?“ „Wir wissen jetzt, dass in uns immer noch die Fragmente schlummern... wenn wir versuchen könnten ihre Macht mit der des grünen Steins zu verbinden...“, erklärte er hoffnungsvoll. „Du denkst, das könnte funktionieren?“ Er nickte. Zelda öffnete ihren Mund, wollte ihren Einwänden Luft machen, aber die Erlebnisse der letzten Minuten waren zu marternd, als dass sie jetzt noch argumentieren könnte. „Und wenn nicht...“, fing Link an. Sein Blick wurde ernster und ernster. „Dann werde ich diese Biester eben herausfordern.“ „Du willst dich mit den Schattengöttern anlegen? Ist dir klar, was du da auf dich nimmst?“ Sie breitete besorgt die Arme auseinander und sagte eindringlicher: „Wir waren bisher nicht in der Lage sie zu besiegen. Wie willst du mit ihnen fertig werden?“ Link hüpfte entschlossen auf die Beine. „Ich schaff’ das. Die sollen es sich nicht wagen, mir etwas wegzunehmen.“ Sein Blick ging in Richtung Himmelszelt, wo sich der Morgenschleier langsam verflüchtigte. Er nahm Zelda fest an der Hand, nickte ihr zu und meinte bestimmend: „Lass’ uns kämpfen.“ Und es schien, als wäre mit seiner Entschlossenheit auch die Hoffnung in Zeldas Herz zurückgekehrt... Später saß das junge Pärchen trübsinnig, aber hoffnungsvoll auf dem saftiggrünen Plateau. Konzentriert hielt Zelda das grüne Steinchen in ihren Händen, wollte das Geheimnis entdecken, welches tief in ihm schlummerte, wollte erkennen für Ideale und für Hoffnung. Link, der mit ernstem Blick vor ihr hockte, legte langsam und gefühlvoll seine Hände auf die ihrigen, begegnete mit einem traurigen Lächeln der Angst und Sorge in Zeldas Augen und hoffte ebenso, bereit zu kämpfen für ein Wesen, das ihm ans Herz gewachsen war... Ein Luftzug tat sich auf, umhüllte die Hylianer leise, führte hinweg, ließ jene guten Herzen verschwinden. Nur wenige Meter weiter erschienen sie wieder. Immer noch auf dem Plateau. Immer noch ohne den geringsten Fortschritt. „Es funktioniert nicht...“, sagte Zelda stockend, fühlte erneut Taubheit in ihrer Kehle und einen beißenden Druck hinter den Augen. „Es funktioniert einfach nicht...“, wiederholte sie, als könnten sich diese Worte in eine Beschwörungsformel wandeln und das weitentfernte Ziel doch noch erreichen... „Lass’ es uns noch einmal versuchen“, sagte Link gedämpft und drückte Zeldas Hände in seinen ein wenig mehr. Traurig sah sie auf. Ein so stiller Gesichtszug, der mehr als Kummer und Furcht auszudrücken vermochte. Ihre Augen... so leer... so verunsichert... Ihr blondes Haupt ging gen Boden und sie konzentrierten sich beide erneut auf ihren Wunsch, einen besonderen, schutzbedürftigen Jungen zu finden. Einmal mehr erschuf magischer Wind eine Pforte, in welcher beide Hylianer untergingen, sie verschluckte; und doch erschienen sie im selben Moment nur wenige Meter weiter... wieder auf dem Plateau, nicht näher an dem Ziel ihrer Wünsche. „Die Steine sind einfach zu schwach... und ich weiß nicht, wie wir unsere Fragment mit ihnen verbinden sollen... Ich weiß es einfach nicht...“, wimmerte sie, worauf Link sie vorsichtig umarmte. Seine tiefblauen Augen schillerten mit Trübsinn, während er Zeldas Tränen an seinem Hals fühlte. „Entschuldige...“, murmelte sie und wollte sich von ihm lösen. „Nicht... ich tröste dich gerne... okay?“ Sie nickte erleichtert und suchte mehr seine Nähe als vorher. „Ich habe eine weitere Idee... aber es wird dir nicht gefallen, Zelda“, murmelte Link in das goldene Haar seiner Prinzessin. Sie wich zurück, sodass sie ihn mustern konnte. „In unserem Besitz befindet sich etwas, was diese Biester schon immer begehrten. Wenn wir einen Handel mit ihnen eingehen würden... und...“ Aber Zelda unterbrach ihn entsetzt. „Du willst ihnen einfach die Fragmente überlassen? Denn das ist das einzige, was sie immer besitzen wollten?“ Link nickte. Doch Zelda konnte es nicht glauben. Diese Idee war Wahnwitz... blanker Irrsinn. Sie konnten den Kreaturen Ganons nicht einfach ihre heiligen Fragmente übergeben, selbst wenn ein Kind auf dem Spiel stand. „Link, bist du des Wahnsinns?“, sagte sie erzürnt, worauf er fest an ihre Oberarme griff. „Nun hör’ mir doch bis zum Ende zu.“ Zelda wich weiter zurück und löste sich von seiner Nähe. „Wer sagt, dass wir uns an einen Handel halten müssen. Hauptsache, sie erscheinen hier und geben uns zuerst das Götterkind. Wenn sie dann auf die Fragmente warten, schlage ich zu.“ „Dieses Thema hatten wir schon mal. Erinnerst du dich nicht an unsere letzte Begegnung mit ihnen? Wir können sie nicht vernichten! Es sind Schatten von Göttern“, zürnte sie. „Ich will nicht, dass du dich in einen so mörderischen Kampf stürzt.“ Seine tiefblauen Augen aber machten ihr deutlich, dass er nicht argumentieren wollte und sein Entschluss bereits feststand. „Ich habe nie behauptet, dass wir sie besiegen können, es reicht aus, wenn wir sie vertreiben.“ Link konnte ihr deutlich ansehen, wie wenig sie diese Idee unterstützte, aber gab es denn sonst noch eine Möglichkeit? Er rückte näher, zog sie an sich und drückte drei kleine Küsse auf ihre roten Lippen. „Vertrau’ mir“, murmelte er. Sie atmete tief ein, schloss die Augen und unterdrückte das mulmige Gefühl in wenigen Augenblicken die Schatten der Götter auf dem Pelz zu haben. „Okay... und was soll’ ich tun?“ „Du wirst diese Biester anlocken.“ Aber Zelda blinzelte bloß und schüttelte entsetzt den Kopf. „Oh, nein...“ „Oh, doch...“, entgegnete er sofort. „Ich soll Versuchskaninchen spielen?“ Aber Link grinste leicht. „Nein, mein Schatz, das würde ich niemals zulassen.“ „Und was dann?“ Sie verschränkte missbilligend die Arme. Ein Zeichen, dass ihre Geduld nun am Ende war. „Ich möchte, dass du einen Strahl deiner Magie in den Himmel schickst. Denn das könnte diese Biester aufhorchen lassen.“ „Na gut...“, meinte sie und lief in die Mitte des Plateaus. „Aber nur, weil ich das tue, heißt das nicht, dass ich deine verrückten Einfälle von jetzt an immer dulde.“ „Schon klar, mein Engel. Ich erinnere dich demnächst an deine Worte...“, lachte er und wusste, dass es bloß einiger süßen Attacken bedarf um seine Prinzessin zu überzeugen. Sie schenkte ihm einen kritischen Blick und brachte sich auf den grünen Gräsern in Position. Langsam sanken ihre Augenlider nieder. Ihre Arme hoben sich ausdauernd dem weiten Horizont Hyrules entgegen. Magischer Wind pfiff um ihre spitzen Ohren und das blonde lange Haar tanzte in der Luft. Ein lauter Schrei entkam ihren schönen Lippen, machtvoll und erbarmungslos. Und plötzlich schoss ein heftiger Strahl puren goldenen Lichts aus Zeldas Armen hinauf, sauste mit schrecklichem Getöse Kilometer weiter, zerschnitt weiße Wolkenschleier, durchbrach den Nebel und sauste zu den unsichtbaren Sternen am Himmelszelt... Erschöpft rang die junge Prinzessin nach Luft, ließ ihre Arme niedersinken und zwang sich dazu auf den Beinen stehen zu bleiben. Aber Link war schneller, er hielt sie fest und schob sie zu der Kerbe im Felsen, wo sie heute übernachtet hatten. „Ich möchte, dass du dich aus diesem Kampf heraushältst. Wenn sie den Kleinen herausrücken, wirst du mit ihm sofort fliehen. Hast du verstanden!“ Seine Stimme weder sanft, noch friedlich, sondern bestimmend und beinahe gefühlskalt... Sie nickte und schaute bedrückt zu Boden. „Gut...“, entgegnete er. Nach einem kurzen Kuss hüpfte Link hinüber auf die große, sattgrüne Grasfläche. „Gut...“, murmelte Zelda leise, legte ihren schweren Kopf auf die Knie und schloss die Augen. Nun blieb lediglich das Warten auf die Ankunft der drei grausamsten Schatten Hyrules widerwärtiger alternativer Welt... Link wollte gerade das Warten aufgeben und richtete seinen Blick erneut gen Himmel, doch weit oben tanzten erschreckend ruhig die drei schwarzen Gewänder in ihrem unheilvollen Rhythmus... Link blickte ernst und ermutigend zu Zelda und deutete mit einem Kopfnicken an, dass der Moment nun gekommen war... Die Schattengötter näherten sich und sie hatten nur ein Ziel: zu töten... Geschmeidig und ehrfürchtig zog der junge Heroe sein Schwert und hielt es langgestreckt in den Himmel, verfolgte mit scharfen Augen die Feinde im schwarzen Gewebe... Das Zischen der Biester verstärkte sich zunehmend, bis jene bloß noch wenige Meter von Link entfernt schienen. Angstvoll beobachtete Zelda die Szene und rang damit näher zulaufen, ihrem Heroen zu helfen und sich damit trotz seiner Warnung einzumischen. Ohne zu überlegen hüpfte sie auf die Beine und trat wenige Schritte näher. „Zelda! Du sollst dich verdammt noch mal zurückhalten!“, fauchte er sie an, ließ nicht mit sich reden und schickte ihr einen drohenden Blick in einer Ausdrucksweise wie sie ihn noch nie von ihm erfahren hatte. Sie erschrak an diesem Blick und taumelte weiter nach hinten, lehnte sich direkt an die kalte Felswand und verfolgte mit Entsetzen das Geschehen. Die Dunklen sanken nieder, schwebten mit ihren schwarzen Fetzen über den lebendigen Grashalmen, die sogleich bei einer Berührung durch die Füße der Bestien zu Staub zerfielen. Egal, was sie berührten... alles versiegte unter ihrem Einfluss... alles erstarb... Sie flogen zischend um den jungen Heroen herum und kreisten ihn ein. Aber nirgends ein Anzeichen von dem Götterkind. „Du forderst uns heraus?“, zischte eines der Biester und schlug drohend mit der ledernen Peitschte nach Link. „Wo ist der Junge?“, erwiderte Link, ohne auf die unnötige Frage seines Feindes einzugehen. Der angesprochene Schattengott aber lachte und nickte gehässig einem weiteren zu. Der zweite Dämon breitete sein hässliches Gewand aus und ließ eine schwarze, runzlige Hand darunter wandern. Ein blonder Schopf kam zum Vorschein und schließlich der gesamte elfjährige Körper des unschuldigen Götterkindes... Seine Kinderaugen waren geschlossen. Er war bewusstlos... „Willst du das hier haben?“, zischte die Bestie und hielt den Jungen grob am Kragen. Links Schwertarm glitt herausfordernd nach vorne bereit ohne Kompromisse die Kehle der Bestie zu durchstoßen. „Mit einem Schwert kannst du uns nicht besiegen... Hast du das schon vergessen, Tölpel?“, zischte die Schattenkreatur und wanderte mit der anderen Hand und den scharfen, schwarzen Fingernägeln genüsslich an der blassen Kehle des Jungen entlang. Daraufhin ließ Link das Schwert langsam sinken. „Wenn ihr ihn laufen lasst, übergebe ich euch die Macht, die ihr begehrt...“, sagte er ruhiger und schaute zweifelnd zu Zelda hinüber, die mit dem Kopf schüttelte. Und alle drei Bestien zischten wieder, ließen ihre Stimmbänder mit Genugtuung vibrieren. „Aber wir wollen auch die Macht der Prinzessin“, zankten sie mit ihren tiefen Stimmen und eine der Bestien schwebte bedrohlich näher in Richtung Zeldas. „Ihr sollt jene Macht haben. Aber zuerst lasst den Jungen frei!“ Sie lachten über diese Forderung und schwebten näher zu der einstigen Prinzessin des hylianischen Reiches. „Nein“, zischten sie. „Zuerst die Macht.“ Und sie hatten weiterhin Zelda im Visier und flatterten zischend zu ihr hinüber. „Haltet euch von ihr fern“, fauchte Link und rannte schnell zu Zelda hinüber. Er trat beschützend vor sie und behielt die Dämonen im Auge. „Ich schätze, so wie ich mir die Sache vorgestellt habe, wird’s wohl doch nicht gehen...“, scherzte er halbherzig und blickte kurz zu seiner Prinzessin. Sie schüttelte den Kopf und brummte: „Wie kannst du in dieser Situation noch Spaß machen wollen?“ Erneut befanden sich Zelda und Link umzingelt von den dunklen Kreaturen, vor denen sie schon einmal nur knapp entkommen waren. Diesmal jedoch gab es kein Riss am Firmament, der den Nebel durchbrechen würde. Diesmal gab es keine alte Urkraft, die die Schatten in ihre Schranken weisen würde... „Was jetzt?“, sagte Zelda aufgeregt. Sie legte ihre Hände nähesuchend auf seine angespannten Schultern. Sollten sie tatsächlich ihre alten Mächte materialisieren, ganz abgesehen davon dass Link möglicherweise nicht wusste, wie er seine Macht des Mutes auf einen Punkt konzentrieren und sich dann aus dem Körper und der Seele reißen sollte? War es das Wert? Aber sie konnten auf keinen Fall zulassen, dass ein Kind, welches auch noch aus ihren Essenzen bestand, von den Schattengöttern gefoltert und verflucht wurde... „Wir können sie nicht mit ihm gehen lassen.“ „Ich glaube, gehen werden diese Bestien sowieso nicht eher, als sie die Macht in uns beiden erhalten. Und du bist dir sicher, dass du sie mit deiner Macht nicht vernichten kannst?“ Zelda schüttelte schnell mit dem Schädel. „Es sind immer noch Schatten von Göttern... sie sind unsterblich... meine Macht ist nicht in der Lage Unsterbliches zu töten...“ „Aber du kannst es versuchen?“, meinte er mit ungesagten, stillen Zweifeln. Zelda schüttelte den Kopf und sah jene Bedenken deutlicher als vorher in seinem Blick... „Her mit der Macht!“, zischten die Teufel erneut, ließen ihre dreckigen Kehlen vibrieren und schwebten schneller und bedrohlicher um die beiden jungen Hylianer. Ihre Geschwindigkeit stieg an, das saftiggrüne Gras auf dem hohen Plateau war beinahe vollständig gebrandmarkt und zerstört von vergifteten, knochigen Füßen... Wie in Zeitlupe sah Link drei todbringende, harte Peitschten niederkrachen. Sie sausten erbarmungslos durch die Luft wie Schlangen auf der Jagd nach ihrer Beute. Schützend hielt er den Schild der Götter als letzte Chance in die Höhe... Doch im selben Moment rissen jene lederne, stachlige Peitschen ihm den Schild aus der Hand und dieser landete mit einem dumpfen Schlag weit entfernt auf dem Plateau... Die Dämonen zischten fordernder und die drei bösartigen Waffen krachten erneut auf Link und seine Prinzessin zu. Es war zu spät... kein Ausweg mehr... die Schattengötter würden in wenigen Augenblicken doch noch siegen... und die Zeit war abgelaufen... Das einzige, was Link tat, war seine Arme schützen vor das Gesicht zu halten, während Zeldas markerschütternder Angstschrei die Luft durchbrach. Er fühlte eine Berührung, ausgehend von den ledernen Peitschten, aber nichts, was mit Schmerz und Angst verbunden war, erfüllte das junge Herz des gewandten Kämpfers. Da war weder Schmerz, noch etwas ähnliches. Verwundert öffnete er die zugekniffenen, tiefblauen Augen und sah im letzten Moment, wie jene ledernen Peitschten bei einer Berührung seiner grünen Tunika zu bröselndem Staub zerfielen. Entsetzen und Wahnwitz funkelten in Links mutigen Augen, denn nicht begreifen konnte er jenes Ereignis ohne Sinn. Die dunklen, zornigen Peitschen der Schatten zerbröselten wie alter Laib bei einer kurzen Berührung durch jenes Gewand des Heroen. Zelda kreischte irrsinnig auf und rief nur: „Aber ja... die Engelshaare in unseren Kleidern... sie besitzen lichtspendende Fähigkeiten... Engelshaare!“ Sie lachte vor lauter Glück... Verwundert blickte Link kurz zu ihr und wartete auf eine ordentliche Erklärung. „Verstehst du nicht, als wir im Haus der Götter waren, wurden unsere Gewänder durch Engelshaare ergänzt und jene Fasern haben nun eine schützende Wirkung auf uns. Die Schattengötter werden uns nicht berühren können, solange wir diese Kleidung besitzen, sondern daran zu Grunde gehen.“ Die dunklen Götter zischten barbarisch, zuckten qualvoll zurück als ihre kostbaren, teuflischen Waffen in glühender Asche vergingen und Link lachte wie ein Verrückter. Er lachte befreiend, schöpfte mehr und mehr Mut aus jenem merkwürdigen Geschehnis und zog mit einem beinahe bösartigen Grinsen die Klinge aus der Schwertscheide. „So, nun lasst uns noch einmal diskutieren über einen Handel! Euer Leben für das des Jungen.“ Mutig schritt Link näher und wusste, dass jene Dämonen genug eingeschüchtert waren, um nicht auf seine Forderung einzugehen. Sie zischten lauter, tanzten wie durchgedrehte Gespenster, die ihren Daseinsgrund verloren hatten über die geschundene Wiese. Sie gifteten morbider mit jeder weiteren Sekunde. Und als Link das Schwert horizontal einem der Schattengötter entgegen hielt, war es jenes Monster, welches sich zuerst mit schnellen Schwingen auf unsauberen Füßen in die Tiefe stürzen ließ, sich von Dunkelheit umarmen wollte und verschwand. Ungläubig sahen die anderen beiden ihrem fliehenden Verbündeten zu, zischten erneut, ließen den unschuldigen, kleinen Blondschopf mit dem elfjährigen Körper knackend auf die Wiese fallen und verschwanden ebenso... Sofort rannten Zelda und Link zu dem kleinen Bengel, der bewusstlos mit dem Gesicht auf der Wiese lag. Angstvoll drehte die junge Prinzessin den Kleinen auf seinen Rücken, führte eine Hand an seine Stirn und legte dann ihren Kopf auf seinen Brustkorb, um das kindliche Herz schlagen zu hören. Erleichterung zeigte sich auf ihrem ebenmäßigen Gesicht. Ein Lächeln, dass auch den Helden der Zeit neben ihr gleich beruhigte und verzauberte. „Sein Herz schlägt... er ist wirklich bloß bewusstlos... den Göttinnen sei Dank...“, murmelte sie, hob den kindlichen Körper an und drückte das wehrlose Götterkind an sich. Gerade in jener wärmenden Umarmung blinzelte der vorlaute Bengel, wurde puderrot an Zeldas Brust und wich erschrocken zurück. „Hey...“, sagte sie sanft lächelnd. Auch der erwachsene Heroe lächelte und klopfte dem Kleinen auf den Kopf. „Jag’ uns bloß nicht noch mal so einen Schrecken ein, du Holzkopf“, sagte er spaßhaft, worauf der Kleine seine Unterlippe schmollend nach oben zog. „Was ist denn überhaupt passiert?“ „Nichts weiter...“, beruhigte Zelda. „Nichts von Bedeutung...“ Mit der Gewissheit den kleinen Bengel demnächst oder aber irgendwann wieder zu sehen, verabschiedeten sich die zwei Hylianer von ihm und setzen den beschwerlichen Weg fort, der noch wartend und gefahrvoll, vor ihnen lag... Kapitel 99: In den heißen Quellen --------------------------------- Kapitel 82: In den heißen Quellen Müde erreichte das verliebte Pärchen einige heiße Quellen kurz vor einem der zahlreichen Eingänge in das glühende Reich des Todesberges, dort wo Magma aus Fontänen sprudelte, wo glühendheiße Lava in Wasserfällen das dunkle Vulkangestein hinabrauschte. Gähnend baute Link das Zelt auf, in welchem sie es sich heute bequem machen würden. Die Hitze hier oben war angenehm, sodass sie sich entschlossen hatten, einfach- und das zur Freude Links vielleicht sogar nackt- ohne ihre Schlafsäcke in dem Zelt zu übernachten. Link klopfte gerade die Nägel in den Boden und das kleine, gemütliche Quartier stand. Ausgelaugt nach dem unnötigen, sinnlosen Kampf gegen die Schattengötter, aber froher Laune ließ der junge Kämpfer die durchgeschwitzte Tunika von seinem ansehnlichen Körper gleiten und hatte wieder ein irrsinniges Magenknurren. Seit den letzten Tagen schon war ihm das aufgefallen. Sicherlich war Links Appetit schon immer nicht zu verachten und größer als der von anderen Jugendlichen, aber so viel wie er in den letzten Tagen in seinen Wanst stopfte, könnte man annehmen, er aß für mehrere Personen... Sein Blick schweifte müde und irgendwie tranceartig zu den heißen Quellen, die von einigen Felsen und hartem, grauem Gestrüpp umrahmt wurden. Erneut schmerzte irgendetwas in seinem Rückrat, was er als Prellung oder kleine Wunde aus den Kämpfen deutete. Aber diesmal war es ein wenig anders. Es war nicht nur der kleine Schmerzeffekt... irgendwie hatte der junge Heroe plötzlich das Gefühl, nicht mehr ganz er selbst zu sein. Er wühlte seine Taschen nach einer kühlen Flasche hylianischem Wasser durch und nahm einen langen Zug davon, trank die halbe Flasche leer, während einige Tropfen an seinen Mundwinkeln hinabrieselten. Dann sank er zu Boden, schüttelte den Schädel und spürte ein leichtes Krankheitsgefühl in seinen Gliedern. Er gähnte und dachte, es sei vielleicht gut, ein schönes Bad in den Quellen zu nehmen, damit er seinen Kopf wieder freibekam... Dann hörte er sanfte Schritte und Zelda trat vor ihn, schielte von oben herab zu ihrem Heroen. Mit einem außergewöhnlichen, einladenden Lächeln. Sie trug ein offenherziges, weißes Korsett, welches ihre schöne Brust betonte. ,Herrlich’, dachte Link. Und ein weißes Höschen, ähnlich einer knappen Schlafanzughose bedeckte ihren Intimbereich. ,Sexy’, war Links erster Gedanke. Sie ließ sich vor ihm auf die Knie sinken und tat nichts anderes als seine Lippen zu suchen. Ein verträumter Kuss... Und schnell war das Krankheitsgefühl des Heroen nebensächlich. „Hast du Lust auf ein Bad? Mit mir? In den heißen Quellen?“, fragte sie leise und hauchte erregend ihren Atem an sein Ohr. Erstaunt sah er sie an und wusste nicht genau, was Zelda im Augenblick wollte. War das ihre Überraschung? „Bitte...“, sagte sie betonend und schien einen geheimen Hintergedanken zu haben. „Ich möchte deine Nähe, deine Wärme...“, setzte sie hinzu und schaute ein wenig scheu zu Boden. Sie nahm seine linke Hand in ihre Rechte und sagte verführerisch: „Komm’!“ Sie zwinkerte und führte den jungen Mann über einen kleinen, steinigen Pfad hinein in das wärmende Paradies. Es war eine schöne, eher flache Wasserstelle und an der hinteren Felswand tropfte heißes Wasser in Form eines kleinen Wasserfalls aus dem glühenden, dampfenden Gestein. Langsam riss Link seine schweren Lederstiefel von den Füßen, fühlte sich dennoch irgendwie unwohl, auch wenn er dies seiner Prinzessin nicht mitteilen würde. Nicht jetzt und hier. Nicht vor dem großen Kampf in wenigen Tagen. Er war sich sicher, dass das belastende Schwächegefühl nach einer ordentlichen Mütze Schlaf wieder verfliegen würde. Zelda band derweil ihre goldenen Haare zu einem Zopf zusammen und schlüpfte aus ihren Sandalen. Zufrieden beobachtete sie ihren Heroen, war verzaubert von seinem wunderbaren Body und konnte nicht anders, als sich zu fragen, ob sie beide vielleicht hier in den heißen Quellen ein wenig stärkere, körperliche Freude genießen konnten, als sie es selbst bisher erlaubt hatte. Liebe in den heißen Quellen. Lust und Leidenschaft. Kein unangenehmer Gedanke, den sie da erschuf. Errötend trat sie näher an ihren Liebsten heran und ihre Arme fanden sich auf seiner Körpermitte wieder. „Link?“, murmelte sie begehrvoll, und sie drückte schmachtend ihren Kopf an seinen Rücken. „Mmh?“, summte er beinahe und streichelte ihre Hände auf seinem Bauch. Überraschend wanderte Zeldas Rechte dann ein wenig weiter hinab in etwa unter seinem Bauchnabel, was einen lauten Seufzer aus seiner Kehle dringen ließ. Zunächst war er leicht überrascht über Zeldas schamlose Streicheleinheiten, im nächsten Moment schon beinahe geschockt. „Ich möchte...“, flüsterte sie, brach aber mit den Worten ab, vielleicht aus Scham ihrer innigen Wünsche und resultierend aus ihrer Unschuld, die sie bisher noch niemandem geschenkt hatte. Ihre Hände wanderten unter das weißliche Hemd ihres Heroen, streichelten über seine braungebrannte Haut, während sie die durchtrainierten Muskeln an seinem Bauch kurz zucken fühlte. Tief und genießend atmete der Held ein, packte Zeldas verwöhnende Hände und wand sich schnell zu ihr um. Ohne Worte zu verlieren presste er seinen Mund auf ihren, hob seine Prinzessin in die Höhe und drückte ihren zarten Körper näher an seinen. Leise aufstöhnend schlang sie ihre Beine um seine Hüfte, spürte seine Hüftknochen in ihrem Bauchbereich und ihre weiche Brust an seiner glatten. Er ließ kurz von ihr ab und musterte sie eindringlich, besah sich die rosaroten, erhitzten Wangen und die Verlegenheit in ihren kristallblauen, sanften Augen. Er ließ sie wieder auf den Boden und hatte nun keinen anderen Wunsch mehr, als das überflüssige Korsett von ihrer tollen, weiblichen Figur zu lösen. Sie musste seine Gedanken gelesen haben, war bereitwillig und offen. Geschmeidig führte sie eine seiner rauen Hände auf ihre rechte Wange, schmiegte sich sehnsuchtsvoll daran und begann von vorne ihm ihren Standpunkt mitzuteilen. „Ich möchte dir gerne etwas mitteilen...“, fing sie an, schien aber irgendwie aufgeregt und unsicher, allein bei dem Gedanken, um was sie ihren Heroen bitten würde. Wieder schwieg er, lehnte sein frischrasiertes Kinn an ihre Stirn und lauschte aufmerksam ihren Worten. „Wir hätten damals vor dem Fest des Friedens beinahe einen großen Fehler gemacht...“ „Wie meinst du das?“ Sie begann fast ungeduldig die Knöpfe an seinem Hemd zu öffnen. „Impa hat uns beide einem gemeinen Test unterzogen.“ „Ach was?“, schmunzelte er. „Unsere gute Impa hat uns getestet. Auf was?“ Sie blickte errötet auf. „Wir hätten uns durch eine Substanz aus den Mooren beinahe zusammen in mein Himmelbett gelegt und...“ Links Mundwinkel zogen sich in die Breite. „So fies war Impa damals zu dir?“, meinte er belustigt. „Wie gesagt, es war ein Test.“ „Aber es ist nichts passiert, oder?“ „Nein...“ „Aber das kann man ja nachholen, oder?“, murmelte er mit verstecktem Begehr in seiner Stimme und senkte seine Lippen wieder auf ihre. Während sie einander küssten und eine intensive Erregung sich in ihren Elfenkörpern steigerte, war Zeldas leiser Gedanke, ob sie dies wirklich zulassen sollte und konnte. Aber hier bei den heißen Quellen war niemand außer sie beide. Und auch sonst schien keine Gefahr in der Nähe zu sein. Was also hinderte sie beide daran, sich jetzt gedankenlos ineinander fallen zu lassen? Ohne ihre verschlingenden Zungenküsse zu unterbrechen, wühlte die Prinzessin an dem Kragen seines Hemdes und sie streifte ein Teil des Hemdes über seine sonnengebräunten Schultern. Innerhalb von Sekundenbruchteilen riss er sich selbst den Rest des Leinenhemdes herab und es landete in einem der kahlen Büsche neben der Quelle. Verspielt folgte die Prinzessin mit Augen und Fingerspitzen den unsichtbaren Pfaden auf seinem durchtrainierten Bauch, streichelte seine Haut und fuhr hinauf zu seiner glatten, männlichen Brust. Er war so schön, dachte sie. Ein Gedanke kam auf, über den sie bisher noch nie nachdachte. Link war außerordentlich attraktiv und sie musste sich eingestehen, dass sie nicht das einzige weibliche Geschöpf war, welches seinen Körper so bewundern würde. Link hatte sicherlich schon... mit einem Mädchen... auf der Erde... engeren Kontakt gehabt und sich an einer Vereinigung, wie die Prinzessin es nannte, erfreut. Sie war möglicherweise nicht die einzige und erste, was Zelda ein wenig traurig stimmte. Aber sie war die einzige, die er liebte... Seine Lippen arbeiteten verführerisch an ihrem Hals, worauf sie genießend ihre Augen schloss. Sie wollte sich jetzt hingeben und jeglichen Gedanken aus ihrer Vernunft verdrängen. Sie stöhnte auf, als seine Fingerspitzen an ihren Oberschenkeln entlang streichelten. „Zelda... möchtest du das wirklich?“, sagte er gedämpft und schickte eine leichte Brise seines heißen Atems an ihr Ohr, knabberte daran wie an einem Stück Lakritze... „Ich weiß nicht genau... was ich will...“, sprach sie schüchtern. „Okay... dann sag’ mir und zeig’ mir, was du willst...“ Sie nickte, überwältigt von seiner Einfühlsamkeit. Er löste sich daraufhin von ihr, ein Glimmen weitreichender Leidenschaft und Vorfreude auf das, was geschehen würde, in seinen tiefblauen Augen. Und doch spürte er im selben Augenblick ein kleines Ohnmachtgefühl, einen beißenden Druck in seinem Kopf, den er aber unter Kontrolle brachte. Wie ein Löwe schlich er um sie herum, betrachtete sich den edlen, wunderschönen Körper seiner Prinzessin von jeder Seite und blieb hinter ihrem Rücken stehen, begann die feinen Schnüre ihres Korsetts aufzuknoten. Ihre Schultern waren so weiß und schmal, beinahe zerbrechlich, obwohl Zelda eine unermessliche Stärke besaß. Etwas, was ihren Geheimnissen untertänig war, denn ihre Stärke entsprang weit ab von körperlicher Muskelkraft... Sie schloss ihre Augen, seufzte und ließ sich von diesem Liebesglück hinfort tragen, wusste, dass sie sicher war in Links Armen, wusste, dass es niemals einen anderen als ihn geben würde, der das bekam. Dieses hier... ihr Innerstes und ihre Wärme. Als das Korsett zu Boden fiel, senkten sich seine Lippen zunächst wieder verwöhnend auf die Haut ihrer Schulter. Seine Hände wanderten über ihren gertenschlanken Bauch hinauf zu der wohlgeformten Wölbung ihrer Brust. Ein Seufzen entkam ihren Lippen. Begehrvoll reckte sie ihr blondes Haupt zurück, schloss die sanften, blauen Augen und ließ sich von schwülen, unschuldigen Berührungen forttragen. Es folgte sogleich ein weiteres sanftes Streicheln, das seine Hände ausführten. Immer näher trat ihr Liebster an sie heran, und wanderte mit den vom Kampf gezeichneten Händen von ihrem Bauchnabel an aufwärts, massierte sie, als ob er eine teure Porzellanfigur in seinen Händen wog... Seine Fingerkuppen spielten mit ihren Brustwarzen, zwickten sie leicht. Sie waren hart und aufgestellt und Zelda schien in dem Gefühl zu ertrinken. Ihre Atmung ging tief und sie seufzte. Erneut zwickte er sie in die Brust, nur ein sanftes Kneten, worauf aus Zeldas Mund ein kurzes Lachen schallte. „Ähm... Entschuldigung...“, sagte er umständlich. „War ich nicht sanft genug?“ Kichernd drehte sie sich in seinen Armen und lachte aufgrund ihrer Unerfahrenheit oder der kindlichen Unschuld, die nicht nur von ihrer Seite ausging. ,Nein’, dachte sie. ,Ihr Heroe hatte bestimmt noch kein Mädchen geliebt.’ Er verzog sein Gesicht und maulte anstrengend: „Zelda... bitte lach’ nicht so...“ Sie drückte sich an ihn und zwickte ihn leicht in die Haut seiner Brust und streichelte genauso unbefangen und verspielt seine rechte Brustwarze. „Link... es hat nur gekitzelt.“ „Ach so...“ „Ja, mein Held... ich glaube, du kannst gar nicht grob sein.“ Sie lächelte ihn verschmitzt an und erkannte eine leichte Beunruhigung in seinem Blick, der sie wissen ließ, dass noch etwas anderes nicht ganz in Ordnung war. Ob Link zu aufgeregt war? Oder war es seine Angst, ihr weh zu tun? Er packte sie daraufhin an den Schultern und murmelte: „Lass’ uns endlich in die Quelle gehen.“ Sie nickte und streifte sich das Höschen herunter. Auch Link entledigte sich der Boxershorts, trat in das heiße, dampfende Wasser ein, und reichte Zelda eine Hand, wollte ihr mit dieser Geste mehr sagen als bloßes Vertrauen in ihre beiden Körper. Sie nahm die Hand entgegen. Elegant und mit stetigem Blick in das ansehnliche Gesicht ihres Heroen schritt sie hinein in die Wonne aus Wärme und Lust. Das Wasser war weich und nicht zu heiß. Nur bis zu den Unterschenkeln stand das Pärchen im Wasser, ansonsten bedeckte angenehmer Wasserdampf ihre Sicht... Und als er sie diesmal an seinen erregten Körper zog, war es nicht nur seine Lust, die sie fühlte, Link zitterte plötzlich merkwürdig, fast unkontrollierbar aus irgendeinem Grund. Sie löste ihre straffe Umarmung um seinen Hals und musterte ihn. Er hatte eine Sorgenfalte auf der Stirn und schien zu grübeln. „Stimmt etwas nicht?“ Er schüttelte den Kopf und begann sofort tief und innig ihr die Luft zu rauben mit berauschenden Küssen auf ihrem Mund. Eines musste sie ihm lassen... er küsste immer so erfahren, dachte sie, als ob er schon Tausend Mädchen geküsst hatte. Doch diesmal wollte er mehr als bloß den Kuss genießen. Seine linke Hand wanderte ergründend über ihren Rücken, was er schon kannte und genauso sanft und rein vorfand, wie er es verlassen hatte. Aber ein Streicheln über Zeldas Rücken war nicht mehr genug... Seine Erregung wuchs, während Zelda nach Luft ringend auf seine Küsse antwortete und seine Hand an ihrem straffen Po entlang wanderte. Vor Lust und Freude unterbrach sie den Kuss, wollte nur genießen und fühlen. Sie stöhnte vor Freude und begann über seinen muskulösen Rücken zu streicheln. „Mehr...“, murmelte sie in ihrem Begehr, aber Link zitterte schon wieder seltsam. Besorgt öffnete sie ihren Blick für seine Verwundbarkeit, für seine plötzliche Schwäche. „Was hast du?“, flüsterte sie leise. Er kniff die Augen zusammen und lehnte sein Kinn an ihre Stirn. „Nichts weiter...“ Und erneut tat er das leise Gefühl der Gebrechlichkeit ab. Warum musste er sich ausgerechnet jetzt schwach fühlen? In diesem kostbaren Moment, da Zelda ihn wollte. Ausgerechnet jetzt... Er wich wenige Zentimeter weg, streichelte ihre schwachrosa Wangen und blickte aufrichtig und liebevoll in ihre Augen. „Ich habe ein wenig Angst dir weh zu tun“, murmelte er vor seinem Gewissen... Es war zwar nicht der einzige Grund für die leichte Befangenheit, aber vielleicht der hauptsächliche Grund. Sie lächelte daraufhin und küsste verträumt seine Oberlippe. „Du bist so lieb...“, flüsterte sie und schlang ihre Arme feste um seinen Hals. Er lachte kurz auf ihre Bemerkung und fuhr fort mit leisen, verwöhnenden Berührungen. Er hob sie in die Höhe und liebkoste fordernder und mutiger ihren Hals, saugte an der weichen Haut, betört von ihrem Geruch... Das Wasser plätscherte, als sich das verliebte Pärchen versunken in ihrer tiefen Gefühle füreinander in das flache, dampfende Paradies sinken ließ. Das Vulkangestein unter ihren Füßen und Knien war glatt und warm. Keine störenden Kanten, keine Pflanzen oder Steinchen, die sich in die Haut drücken würden. Zelda träumte in seinen tiefblauen Augen und lauschte den Geräuschen des Wassers, unterbunden von dem schnellen Takt ihres Herzens. Dieser Moment schien so ewig, so unantastbar und ehrfürchtig. ,Und nichts könnte jetzt mehr zwischen ihnen stehen’, dachte sie. Seine Hände hielten ihren Rücken sanft umfasst, als er sich langsam und zärtlich mit ihr niedersinken ließ. Das klare, warme Wasser umspülte ihren weißen Körper, ließ aber ihre weiblichen Rundungen unangetastet. „Du bist so wunderschön...“, murmelte er, als er sie betrachtete. Seine Augen fixiert in ihrem anmutigen Gesicht. Sie lächelte mit einer unglaublichen Gewissheit, mit Vertrautheit und Sehnsucht, die ihn wissen ließ, dass sie jenen Schritt nun gehen würden. „Lieb’ mich...“, flüsterte sie, fasste mit einer Hand befehlend an sein Genick und zog ihn zu sich herunter. Es war jener Moment, dass sie das erste Mal mehr von ihm fühlte als jemals zuvor... Dieser Inbegriff von Männlichkeit war ihr bisher immer fremd gewesen. Ein Gedanke kam auf an Gestern, nur kurz, aber erinnernd. Bilder von Impa, die in ihrem Schlossgemach neben ihrem Bett saß und mit eigensinnigen, abstrakten, aber lustigen Vergleichen einer zehnjährigen Prinzessin die Bewandtnis von Liebe und Leidenschaft erklärt hatte... Belehrend hatte die Zofe der jungen Königstochter das Liebeswerkzeug eines Mannes erklärt, worauf Zelda- so neugierig wie sie eben war- noch in der selben Nacht in der für sie verbotenen Abteilung der Bibliothek nach Abbildungen und romantischen Büchern gesucht hatte. Zelda erinnerte sich mit einem obskuren Schmunzeln. Beim Triforce, sie war damals vielleicht zehn Jahre alt, noch zu jung, um zu verstehen, wie schön und befriedigend ein romantischer Liebesakt sein konnte. Erst während des Zeitkriegs sah sie dann in echter Lebendigkeit, was jedes Mädchen irgendwann interessierte: den nackten Stolz eines Mannes. Damals am Hylia-See mit ihrem Helden, wo sie dann... durch mehr oder weniger ungewollte Ereignisse, den sogenannten Luststab eines Mannes mit weiten, entsetzten Augen gesehen hatte... Aber sie hatte noch nie ein derartiges Liebesinstrument, wie Impa es damals nannte, in Aktion gesehen. Und nun fühlte sie überraschend, ein wenig entzückt, aber auch mit einer Spur Angst, jene Männlichkeit, die unabsichtlich ihren rechten Oberschenkel streifte. Er war unsicher, das spürte sie, auch wenn er dies verheimlichen wollte. Vorsichtig wanderte sein liebkosender Mund weiter hinab, küsste ihre wohlgeformte Brust und stimulierte sie an ihren Brustwarzen. Grinsend sah er auf, als wollte er wissen, was sie davon hielt. Er war entzückend, dachte sie, puderrot in seinem Gesicht, aber entzückend. „Nicht aufhören...“, schnurrte sie und griff fester an seine Schultern. „Ich will ja auch gar nicht... aufhören...“, meinte er und fiel träge und nach Luft schnappend in ihre Arme. „Es ist nur...“, fing er an, stoppte seine Worte und ärgerte sich über seine eigene Unfähigkeit. Gerade diesen Moment hatte er sich immer gewünscht und nun fühlte er sich kränklich und müde, nicht in der Lage, Zelda jetzt so zu beschenken, wie er sich das immer ausgemalt hatte. Jeden einzelnen Schritt hatte er in seinen Gedanken phantasiert, hatte sich vorgenommen jeden einzelnen Zentimeter ihres Körpers zu genießen, zu empfinden... Aber Link fühlte sich einfach nicht wohl, und das während des gesamten Liebesaktes, sogar sein Gesichtsfeld war nun ein wenig schwummrig. Sie streichelte durch seine feuchten Haarsträhnen, fühlte mit Hitze und Anspannung jede Ecke seines Körpers und wünschte sich in dem Augenblick so sehr, ihn zu spüren, überall und in jedem Winkel... Es knisterte innerlich und sie sah bei einem Blick in seine tiefblauen Augen etwas neues. Wildheit. Hunger... Um seine Lippen spielte ein dreistes Grinsen. „Was hältst du davon?“, murmelte er, packte ihr rechtes Bein unter der Knieskehle und küsste feucht und hemmungslos die Innenseite ihres Oberschenkels. Es war Schock und Vergnügen zugleich... Schrecklich und schön... Ihr stockte der Atem vor Lust und er genoss es, hörte das stöhnende Keuchen aus ihrem süßen Mund, was ihn nur noch mehr antrieb... Er verließ mit den Lippen die zarte Haut ihres Schenkels und wanderte wieder höher, folgte unsichtbaren Wegen der Hingabe auf ihrem angespannten Bauch... ihrer festen Brust... „Zelda... es fehlt noch etwas“, stellte Link fest und dachte an einige hilfreiche Mittel um unerwünschte Folgen einer solchen Nacht zu verhindern... „Und was?“, flüsterte sie und lief mit ihren Lippen über sein Gesicht. „Ich bin ja noch nicht einmal richtig... angezogen... dafür“, meinte er, hoffend, sie verstand das. Aber seine geliebte Prinzessin musterte ihn nur verständnislos. „Wie? Du willst dich wieder anziehen?“ „Na, du bist lustig... wir müssen doch wenigstens... irgendwie…“ Schon wieder schnappte er nach Luft, als ob er lange tauchen gegangen war. „... na ja... du weißt schon...“ „Was?“, unterbrach sie ihn und schaute tiefsinnig in das Blau seiner Augen. Da lag soviel Zuneigung und doch eine Spur Müdigkeit versteckt von seinen Bedürfnissen. Er senkte seinen müden Schädel an ihre Brust und schloss die Augen. „Zelda?“ Seine Stimme war leise, fast kränkelnd. Sie richtete sich leicht beunruhigt mit ihm auf, und machte sich nun noch mehr Sorgen, da ihr Heroe lethargisch und träge in ihren Armen blieb. „Was ist es?“, meinte sie und küsste ihn fordernd auf seine trockenen Lippen. Aber er erwiderte aus irgendeinem Grund nicht. Noch nie hatte er so reagiert. „Link?“, sagte sie lauter. „Wir sollten das hier... ver...“ „Fühlst du dich nicht wohl?“, meinte sie leise und streichelte mit der Rechten über seine Stirn. Tatsächlich war sie ungewöhnlich warm. „Ich... fühle mich plötzlich so...“ Ein wenig bedrückt umarmte Zelda ihn fester und spürte eine ungewöhnliche Schwäche von Link ausgehen. „Link...“, murmelte sie angstvoll. „Geht es dir nicht gut?“ Er blinzelte ihr entgegen und lispelte fast: „Irgendetwas... stimmt nicht...“ Er brach ab und blinzelte heftiger, kniff die Augen zusammen, als ob er eine Schmerzattacke hatte. Etwas überkam ihn, etwas zehrte an seiner Kraft... „Mein Rücken...“, würgte er gerade noch hervor. Er schloss die Augen und fühlte sich mit jeder weiteren Sekunde müder und müder... In dem Augenblick drückte er sie unwirsch, ganz und gar nicht typisch für ihn, an das heiße Vulkangestein und saß wie erstarrt vor ihr. Er keuchte, als ob er keine Luft mehr bekam, und hielt sich nicht länger an ihr fest, sondern fasste an das Felsengestein. Da wusste Zelda, dass irgendetwas nicht stimmte. Etwas, was nicht mit ihrer Leidenschaft in jener Sekunde zu tun hatte. „Link?“, sagte sie bedrückt, näherte sich ihm und hielt ihn bloß fest, spürte, wie er schlapp wurde und auch seine Haut erkaltete... „Was ist denn los?“, sagte sie besorgt, streichelte erneut über seinen Rücken bis hin über seinen Steiß. Doch gerade an der Stelle befand sich etwas, was dort nicht hingehörte. Sie runzelte ihre Stirn und strich mit ihren Fingerspitzen über die erhöhte Stelle. Sogleich schnappte etwas nach ihr; und Blut tropfte aus ihren Fingerspitzen. Zeldas Augen standen starr, während Link gegen irgendetwas ankämpfte, das ihn aussaugte, ihn willenlos und verwundbar machte. Er murmelte leise ihren Namen und schickte fieberhaft entschuldigende Worte hinterher. Dann konnte er sich nicht mehr halten. Das blanke Entsetzen stand in ihrem Blick geschrieben, als sie ihre Gedanken ordnete und sofort wusste, was nicht stimmte. Ein Parasit? Sie handelte schnell, legte seinen rechten Arm um ihre Schulter, und zerrte den kränkelnden Heroen mit magischer Kraft aus dem Wasser heraus. Sie lief einige Meter, als ihr Liebster plötzlich in den Knien nachgab und in eine tiefe Bewusstlosigkeit fiel... Kapitel 100: Geheimnisse der Vergangenheit XVII ----------------------------------------------- Kapitel 83: Geheimnisse der Vergangenheit XVII Gemeinsam lief die anmutige Prinzessin in Begleitung ihres Helden einen der unzähligen Gänge des Schlosses entlang. Zufrieden hatte sich Zelda in ihrem reizenden, olivgrünen Sommerkleid in den linken Arm ihres besten Freundes eingehängt. Sie lächelte vor Freude in wenigen Minuten dem Fest beizuwohnen. Sie lächelte, auch wenn die Angst, Ganon könnte sein Siegel brechen, unleugbar war. Link blieb plötzlich stehen und hielt Zelda an ihren mit grünem Samt bedeckten Oberarmen. Irgendwie musterte er sie und schließlich wanderte sein Blick zu dem goldenen Diadem, welches heute ihre Stirn verzierte. Die Prinzessin verfolgte seinen Blick und sagte verwundert: „Was ist, Link?“ „Ähm... nichts weiter. Ich wollte bloß...“, meinte er verlegen und wanderte mit seinen tiefblauen Augen an das hohe Deckengewölbe. „Also... du...“, brachte er hervor und schüttelte angesichts seiner plötzlichen, katastrophalen Nervosität den Kopf. Und schon wieder ruinierte er den Moment, nur wegen seiner lächerlichen, peinlichen Verlegenheit vor der Prinzessin. „Ich wollte dir nur sagen, dass...“ Farore im Himmel, sagte er zu sich selbst und hustete einmal um seinen verstopften Hals zu entleeren. „Du siehst heute... wunderschön aus“, sagte er endlich und erhielt ein liebes, aber erstauntes Schmunzeln von Zelda. Sie bedankte sich höflich für das Kompliment und suchte seinen verlegenen Blick. Dann wanderten Links Hände in seine Hosentaschen und er blickte mühsam an Zelda vorbei. Er war ja so entzückend, wenn er verlegen dreinblickte. „Aber weißt du, was irgendwie stört“, meinte Link und eine seiner Kämpferhände wanderte zu ihrer Stirn. Er nahm ihr sachte das Diadem ab. „Das brauchst du heute nicht.“ Geräuschlos ließ er das Schmuckstück in einer Tasche verschwinden. „Du hast Recht“, meinte sie und gab ihrem Helden dafür ein Küsschen auf seine Wange. In dem Augenblick kam ein junger Prinz mit einer edlen, aber nicht zu schweren, hylianischen Ritterrüstung um die Ecke gestürmt. Ein silbrigglänzender Brustpanzer, darunter ein dunkles, bläuliches Wams, sowie ein silbernes Kettenhemd, ein weißer Umhang und eine eher schlabberige Hose rundeten sein Bild ab. Caldrian, der junge Königssohn aus Calatia stand vor ihnen, verbeugte sich anständig vor Prinzessin Zelda und sagte beflissen: „Seid gegrüßt, Eure Hoheit.“ Zelda reichte ihm ihre Hand und so wie es die Gesetze der Adligen verlangten, küsste er ihren rechten Handrücken. „Prinz Caldrian. Es ist mir eine Ehre“, sprach Zelda ruhig und erhaben. Dann wanderte Caldrians grinsender Blick zu Link. „Geht Ihr zu dem Fest?“, meinte Caldrian, der neben den beiden Hylianern hertrabte. „Jep“, entgegnete Link und blickte durch ein hohes Spitzbogenfenster zu seiner rechten Seite. „Kann ich nicht mitkommen?“ Doch Caldrian schien schon wieder nicht in der Sprache seiner reichen Familie geredet zu haben. Seinen Kopf schüttelnd wiederholte er: „Ähm, ich meinte, würdet Ihr mir die Ehre erweisen, Euch zu dem Fest zu begleiten, Prinzessin Zelda?“ Doch Link gab Caldrian einen gutgemeinten Klaps auf seine Schulter und grinste tückisch. „Lass gut sein, Caldrian. Keinen Grund für falsche Höflichkeit. Zelda legt keinen Wert auf standesgemäßes, unechtes Getue...“ Und auch die Königstochter nickte bestätigend, als Caldrian ihre Meinung dazu hören wollte. „Nennt mich Zelda“, sagte sie und schenkte Caldrian ein Grinsen. „Euch beide soll man erst mal verstehen“, murmelte der junge Prinz, worauf auch Zelda und Link lachten. Sodann eilte Caldrian hinter dem Helden und seiner Prinzessin her. Lustige, laute Blasmusik dröhnte auf dem riesigen prall mit Hylianern, Goronen, Gerudofrauen und Zoras gefüllten alten Marktplatz herum. Luftschlangen und Konfetti schaukelten heiter in den Lüften. Lautes Lachen, heiteres Getratsche in dem überfüllten Bierzelt, wo Goronen bei einem großen Fässchen Stammesgeschichten erzählten. Kindergekicher auf dem magischen, bunten Kettenkarussell, die jubelten, wann immer die Ketten schlenkerten. Nicht weit abseits wirbelten Klingen mit lauten Summen aneinander, geführt von des Landes besten Schwertmeistern, die ihre begnadete Kämpfertugend in fairen Duellen wiederspiegelten. Und nur wenige Meter weiter in der Mitte des Marktplatzes zeigten Schauspieler ihr Können bei einem amüsanten, närrischen Theaterstück. Ein kleiner Junge mit ausgewaschener Kleidung hüpfte näher, ein wenig Dreck und Ruß in seinem Kindergesicht erzählten von seinen ärmlichen Verhältnissen. Ja, auch in Hyrule gab es viele Menschen, die nicht einmal ein Dach über dem Kopf hatten, so wie in anderen Ländern auch, selbst wenn dieses Land im Gegensatz zu manchen Nachbarländchen fortschrittlicher und reicher war. Auch Hyrule hatte seine Schattenseiten. Der kleine Kerl hatte viele, viele bunte Blumen, die er wohl irgendwo gepflückt haben musste, unter seinem Arm. Er reichte Zelda eine rote Rose und murmelte schüchtern: „Ihr seid so schön. Bitte kauft eine Blume.“ Zelda blickte fast mitleidig in das kleine Knabengesicht, entdeckte ein wenig Schmutz auf dessen kindlicher Stupsnase und konnte nicht anders, als einfach nur ein schlechtes Gewissen zu hegen. Sie war die Prinzessin, sie hatte die Verantwortung für ihr Volk und doch musste sie mit ansehen, wie ein kleiner, abgemagerter Junge, sie darum bat eine Blume für schäbiges Geld zu kaufen. Sie fühlte die Schuld auf ihren Schultern und brachte im Augenblick angesichts ihres Mitgefühls kein Wort hervor. Link bemerkte den Trübsinn in ihrem Blick und handelte schnell. Er kniete nieder und grinste den kleinen Knaben an. „Wir kaufen alle.“ Das Kindergesichtchen erhellte sich und reichte Link den gesamten Strauß Blumen. Im Gegenzug holte der Heroe eine kleine Ledertasche heraus und reichte dem mittellosen Kind fast die gesamten Rubine darin. Erstaunt musterte Zelda ihren Helden, der im Augenblick einen so entschiedenen, aufheiternden Ausdruck im Gesicht hatte und den Kerl beobachtete, wie er fröhlich davon hüpfte. Sicherlich bedarf sein edelmütiges Verhalten keinerlei Rechtfertigung und doch stand Zelda die Überraschung im Gesicht. Auch Caldrian neben der Prinzessin schaute nur irritiert drein. „Ich kenne ihn“, meinte Link und blickte zu den beladenen Ständen mit dem vielen Krimskrams. „Er ist ein Waisenkind, verlor seine Eltern, die einen Blumenstand hatten, durch einen Raubüberfall und nun verkauft er immer wieder Blumen an irgendwelche Leute, um so über die Runden zu kommen. Nicht jeder hat das Glück einer treusorgenden Familie...“ Er sagte nichts weiter dazu, und doch konnte Zelda fühlen, dass er mit dem letzten Satz nicht nur den Jungen gemeint hatte. „Es ist ungerecht, dass ein kleines Kind das Fest des Friedens nicht genießen kann“, sagte Zelda leise. Und doch war das, was sie sagte in ihren Augen nutzlos und dumm. Es war die Gesetzgebung ihrer Familie, die nicht dafür sorgen konnte, ein Waisenkind aus solchen Verhältnissen herauszuholen. „Prinzessin?“, meinte Caldrian fragend, der damit ihre Aufmerksamkeit gewinnen wollte. „Was meint Ihr, Caldrian?“ „Warum ändert Ihr nichts daran?“ Der junge Prinz bemühte sich, seine Worte nicht nach einer Anklage klingen zu lassen. „Entschuldigt meinen rudimentären Tonfall, aber Ihr habt die Mittel und Wege dazu. Beredet diese Sache mit Eurem Vater.“ Zelda erkannte den Scharfsinn in Caldrians rehbraunen Augen. „In Calatia sind wir gerade dabei, einige Waisenhäuser errichten zu lassen. Warum folgt Ihr nicht unserem Beispiel?“ „Ich nehme an, dass wir in all’ der Zeit gezwungen waren, uns um die Überbleibsel des Zeitkrieges zu kümmern und daher die größten Sorgen Hyrules einfach übersehen haben... was einfach nur ignorant gewesen ist.“ Kopfschüttelnd blickte Zelda hinauf an das blaue Firmament und sah ihren Freund, den Adler, weit oben seine Runden kreisen. Sie schwelgte in ihren Gedanken, suchte etwas weit oben... Ihr Blick wurde weicher, sorgenvoller, als ob man sie zwang hinauf in das unendliche leuchtende Blau des Himmels zu sehen. Zwang, gnadenloser Druck, stieg ihre Venen entlang. Sie fühlte und verabscheute, was sie in wenigen Sekunden sehen würde. Sie spürte es in ihren Blutadern. Die alte Macht rüttelte an ihr, zeigte ihr Ungesehenes, ließ sie Entsetzliches durchstehen. Der leichte, dumpfe Schmerz über ihrem Körper, wellenartig und tückisch, nahm zu, beherbergte Wissen und doch Verrat. Blitz und Sturm vor ihren Sinnen. Schlagartig setzte es ein, raubte ihr die Körperkraft, raubte Verstand und Standhaftigkeit. Sie wendete ihr Gesichtsfeld dem Pflastergestein zu, als ihre Atmung unregelmäßig wurde. Sie konnte nicht mehr atmen, hielt ihre Hände schützend an die Ohren und ließ sich machtlos auf ihre Knie sinken. Schon wieder wurden die Bilder real... das Ende... das Verblassen... Weite Wiesen vor ihren Sinnen verschwanden im Nichts. Städte und Dörfer umhüllte der Nebel, als ob er den Saft des Lebens getrunken hätte. Sie fühlte es, fühlte die Stille, den Nebel und das Ende... Sie sah es... das Verblassen der Welt, das Ende Hyrules... Als sie zu sich kam, fand sie sich auf einer alten, mit Löchern durchzogenen Holzbank in einer Seitengasse. Ihre Sinne wurden klarer und die laute Musik des frohen Volkes drang wieder an ihre Ohren. Link kniete vor ihr und hatte seine Hände fest um ihre Oberarme umschlossen. „Zelda?“, sagte er sorgenvoll. Sie fieberte schon wieder mit den Worten, wischte sich über ihre in Schweiß gebadete Stirn und fühlte im nächsten Moment eine warme Hand an ihrem Hals. „Alles in Ordnung?“ Links Blick war so liebevoll, dass sie ihm am liebsten sofort ihr Herz ausgeschüttet hätte. Aber Caldrian stand mit merkwürdigem Blick nicht weit abseits und beobachtete des Schauspiel der beiden Triforceträger. Abrupt stand Zelda auf ihren Beinen, fühlte einen leichten Kopfschmerz, den sie aber ertragen konnte. „Mir fehlt nichts“, meinte sie gedämpft. „Lass’ uns bitte heute abend darüber reden.“ Links Lächeln sprach Bände und beförderte sie sofort aus ihrer trübsinnigen Stimmung. Sie wollte ihn jetzt nicht mit ihren Vorahnungen belasten. Er sollte wie jeder andere gewöhnliche Hylianer auch diesen vielleicht letzten Tag genießen. Denn sie wusste, es dauerte nicht mehr lange und das Ereignis würde geschehen. Sie wusste, etwas war im Gange und kein Teufel, kein Dämon oder hartherziger Mensch mit niederer Gesinnung war allein daran schuld. Hyrule war in Gefahr... Sie klammerte sich wieder genügsam an Links Arm und ließ sich von ihrem Freund über den Marktplatz führen. Gewandt durchquerten die drei Jugendlichen die eifernden, tratschenden Menschmassen und erfreuten sich zunächst an dem lustigen Schauspiel auf der Bühne. Ein lustiges Theater, welches ein altes Ereignis aus den Märchenbüchern beschrieb, wurde aufgeführt. Eine verrückte Liebesromanze zwischen einer kleinen, hübschen Fee und einem ausgewachsenen Steinfresser. Die Geschichte nahm ihren unglücklichen Verlauf beim ersten Date, als der gute Gorone versuchte die sehr verwöhnte Fee von der Schmackhaftigkeit der leckersten Steine seines Stammes zu überzeugen; und endete in einer Tragödie, als die erzürnte Fee dem armen Kerl mittels Feenstaub eine Abfuhr erteilte. Eine lustige, wenn auch unglückliche Romanze, die einer Aufführung zu Theater lohnte. Alle Zuschauer grölten, besonders an jener Stelle, wo der Gorone durch magische Kräfte der Fee durch die Winde befördert wurde und der mit einem dicken Fell überzogene Schauspieler auf seinem Hosenboden landete. Fluchend rappelte er sich auf und hüpfte mit seinen Händen an seinem Steiß quietschend über die Bühne. In dem Augenblick rannte Malon in ihrem neuen, herausgeputzten Kleid über den Marktplatz und haschte den Blick von Link und seiner Prinzessin. ,Toll sah sie aus’, dachte Link. Ihre Haare waren geschnitten worden und ein wenig gelockter. Einige Strähnen ihres kastanienbraunen Haares waren hochgesteckt und geflochten und silberne Spangen hielten wenige Strähnen nach oben. Anstelle ihres farmtypischen Latzkleides verschönerte eine Miederbluse aus rotem Samt mit Schnürung ihre Figur und ein langer, dunkelroter Rock fiel bis zu ihren Füßen. Ein zauberhaftes, beinahe dreistes Grinsen in ihrem Gesicht hastete sie näher. „Bei Nayru, bist du wirklich Malon?“, meinte Link, als sie den Versuch unternahm sich vor den drei Jugendliche zu verbeugen. Das Farmmädchen kicherte. „Ja, Link, ich bin es. Oder vielleicht doch nicht?“, schwatzte sie und blickte unschuldig nach oben. Sie reichte Prinzessin Zelda die Hand und lächelte: „Seid gegrüßt, Prinzessin. Link hat mir so viele Dinge über Euch erzählt.“ „Ach ist das so?“, meinte Zelda und suchte den leicht beschämten Blick von Link, der schon wieder rot wurde. „Hoffentlich nur Gutes“, setzte Zelda hinzu. „Bei den Göttern Hyrules, nur Gutes, nur das Beste“, sagte Malon und grinste, da sie einige Dinge über Links Gefühle für Zelda wusste, die noch niemand wusste, die er sowieso niemals zugeben würde. Sie gab Link einen gutgemeinten Stups mit ihrem Ellenbogen und meinte: „Keine Sorge, du Held, ich sage schon nichts falsches. Wir wollen ja nicht, dass die Prinzessin etwas erfährt, was sie nicht wissen sollte.“ Ein bitterböser Blick setzte sich auf das leichtbeschämte Gesicht des Helden. Seine Augen glühten vor Wut und Aufregung. ,Konnte diese falsche Schlange nicht ihre Klappe halten’, dachte Link. „Sehr interessant. Gibt es denn etwas, dass ich noch nicht weiß?“, meinte Zelda und ohne es zu wissen, brachte sie Link damit in den größten Schlamassel seines bisherigen Lebens. „Oh, diese Dinge gibt es durchaus“, sagte Malon hinterhältig. Doch der Kämpfer unterbrach sie verärgert: „Ich glaube, das reicht jetzt, Malon.“ Das Farmmädchen belächelte ihn nur, wusste sehr gut um die tiefen Gefühle des Helden der Zeit für seine Prinzessin und verstand nicht, warum er dieses Geheimnis anscheinend mit ins Grab nehmen wollte. Malon begann zu kichern und blickte dann eine Spur ernster und verlegener in das gutmütige, sonnengebräunte Gesicht von Caldrian. Jener wusste, dass er bloß ein Farmmädchen vor sich hatte und doch behandelte er sie alles andere als das. Großzügig verbeugte er sich und drückte einen Kuss auf Malons rechten Handrücken. Link und Zelda blickten erstaunt drein und kicherten dann beide. „Ihr kennt Euch bereits?“, meinte der mutige Hylianer, der sich zu einem der Stände bewegte und vorhatte eine Zuckerwatte zu verspeisen. Weiße Zuckerwatte, oh ja, Link hatte wohl eine Vorliebe für Süßigkeiten, was vielleicht damit zusammenhing, dass es Süßigkeiten in seiner Kindheit einfach nicht gab. In den Kokiriwäldern gab es eben nur Früchte, Beeren und ab und an mal Fleisch. Kein Kokiri hatte jemals Zuckerwatte in seinen Händen gehabt. Zelda und die anderen beiden folgten ihm. „Ja, wir haben uns vorhin kennen gelernt, als ich eher ungewollt mit Malon zusammengestoßen bin“, sagte Caldrian, dem wohl der Stand Malons überhaupt nichts auszumachen schien. „Genau“, stimmte Malon erfreut zu. Link bestellte sich unterdes eine Zuckerwatte und aß umständlich davon, sodass das klebrige Zeugs hartnäckig an seinen Wangen haften blieb. „Ihr seid kein gewöhnlicher Prinz, Caldrian“, meinte Zelda, die eben ein Auge für Details hatte. Welcher Adlige besaß schon Spaß daran, sich mit einem Farmmädchen zu unterhalten und sich offensichtlich noch an ihrer Gesellschaft zu erfreuen. Caldrians Blick wurde immer hinterhältiger: „Und Ihr seid keine gewöhnliche Prinzessin“, erwiderte er tückisch. Ein markantes, aussagekräftiges Lächeln spielte um Zeldas Mundwinkel. ,Prinz Caldrian war äußerst sympathisch und besaß ein reines Herz, vielleicht sogar fast so rein wie das von Link’, dachte sie. Sie wendete sich Link zu, der tollpatschig und umständlich mit der Zuckerwatte herumspielte. Sie musste lachen angesichts dieses Bildes eines fast erwachsenen Mannes, der wie ein Kind Süßigkeiten aß. Und doch genoss sie es immer wieder, Link bei den einfachsten Tätigkeiten zuzusehen. Elegant lief sie zu ihm herüber und holte ein seidenes Taschentuch hervor. Sie beachtete Links geschockten Blick nicht, als sie versuchte ihm die Zuckerwatte von seiner rechten Wange zu wischen. Er blickte sie verlegen an, aber die Prinzessin Hyrules lächelte bloß. „Ähm... möchtest du vielleicht mal probieren. Das schmeckt ganz toll“, murmelte Link, der nicht wusste, wohin mit seiner anderen Hand und diese dann an seinem Hinterkopf landete. „Gerne“, sagte sie und biss einmal herzhaft in die weiße, lockere Substanz, worauf auch ihr Gesicht durch Zucker verschönert wurde und klebte. Die Triforceträger lächelten sich an und lachten über ihre eigene Schusseligkeit. „Sieht doch jeder, dass die beiden für einander bestimmt sind“, sagte Caldrian und verschränkte seine Arme. „Ja, und doch können sie nie miteinander glücklich werden“, setzte Malon bestätigend hinzu. „Genau, nur wegen ihrer eigenen Dummheit zuerkennen, wie viel sie einander bedeuten und wegen den alten Gesetzen, dass Zelda eben keinen Bürgerlichen heiraten darf“, ergänzte sie. „Du kennst Link schon lange, nicht wahr?“, sagte Caldrian, der das heitere Farmmädchen ohne Frage duzte. „Ja, eine ganze Weile. Er ist einer meiner besten Freunde geworden.“ „Erzähl’ mir etwas von ihm.“ Malon blickte durchdringend in die rehbraunen Augen von Caldrian. „Warum hegst du ein solches Interesse daran?“ Das Grinsen auf dem Gesicht des jungen Mannes wurde verschmitzter. „Keine Ahnung, aber ich finde ihn einfach interessant. Außerdem würde ich gerne ein wenig mehr über den Helden der Zeit wissen und über seine Motive, sich für das Königreich ins Zeug zu legen.“ Malon blickte sanftlächelnd zu Link, der mit seiner Prinzessin spielerisch den Holzstab mit der Zuckerwatte leerte. „Seine Motive sind so unergründlich wie er selbst, Caldrian.“ „Warum?“ Er suchte den Blick Malons und fand gleichzeitig, wie schön doch ihre Augen waren, dafür, dass sie einfach nur ein Farmmädchen war. Außerdem war es angenehm, dass sie seinen Blick erwiderte und nicht wie jede andere Adlige davor davon lief, als könnte sie durch seine Anwesenheit in Gefahr geraten. „Du musst wissen, dass Link nicht in einer hylianischen Familie groß geworden ist, sondern, nach dem Tod seiner Eltern in dem Wald der Kokiri aufgenommen wurde und daher scheint es nicht verwunderlich, dass ihm einige einfache Fähigkeiten ein normales Leben zu führen, fehlen. Deshalb ist er so naiv und liebenswürdig. Ich glaube, innerlich hat er diese Kindseite nie abgelegt.“ Caldrian bot Malon seinen starken Arm an. „Einer der Gründe, weshalb Zelda ihm so vertraut, nicht wahr?“, sagte er entschieden. Malon nickte höflich und hängte sich bei ihm ein. Aus irgendeinem Grund war ihr Caldrian angenehm vertraut, sie mochte ihn. So langsam begriff sie, dass sie vielleicht dabei war, sich ihren eigenen Prinzen zu angeln. Sie liefen gemeinsam zu Link und Zelda hinüber, die sich zusammen eine weitere Zuckerwatte bestellt hatten. „So, Zeldaschatz, was möchtest du dir jetzt ansehen?“, meinte Link, der sich im nächsten Moment erschüttert auf seine Lippe biss. Bei seiner Schutzgöttin, hatte er gerade verträumt ,Zeldaschatz’ gesagt? Erstaunt wich Zelda zurück, sah aber sofort die unerbittliche, verlegene Reue in seinem Gesicht und war ihm deswegen nicht böse. „Wir könnten uns ein Ritterturnier ansehen“, meinte sie und blickte hinüber zu den Kriegern unter der hylianischen Königsflake. Die stolzen Männer in ihren Ritterrüstungen kämpften innerhalb eines aus Kreide gezeichneten Kreises. Jeder, der aus dem Kreis hinaustrat, ob versehentlich oder als Folge eines Schlages, hatte die Niederlage zu akzeptieren. Viele Elfen standen hinter einer hölzernen Absperrung, pfiffen und klatschten, jubelten und feierten, wenn ihr Favorit einen Sieg davon trug. Link, Zelda, Malon und Caldrian drängelten sich in die erste Reihe und schauten den Kämpfern gespannt zu. Malon stützte sich mit ihren Ellenbogen auf den Holzzaun ab und beobachtete die Kämpfer mindestens genauso interessiert wie Zelda. „Hey, Prinzessin, Link kann das doch besser, oder?“, sagte das junge, quietschvergnügte Farmmädchen neben der zukünftigen Königin, während ein junger unbekannter Söldner gerade einem ausgemachten Bauerntrampel, der mit einer Heugabel rang, die Hölle heiß machte. Verlegen meinte Zelda: „Ich denke schon, dass unser Held der Zeit das besser kann.“ Doch Link hörte im Augenblick einfach nicht hin, sorgsam studierte er die Kampfhandlungen, die Schlagfertigkeit des angeblichen Bauerntölpels und musste leider zugeben, dass dessen Technik besser war, als die das ausgebildeten Söldners. „Wie wäre es, Link. Hast du Lust auf ein faires Duell? Soweit ich weiß, kann jeder teilnehmen, der möchte“, sagte Caldrian und klopfte dem Heroen auf die Schulter. Ein ausgemachtes Grinsen formte sich auf Links Gesicht. „Jep, ich muss sagen, ich hätte Lust dem Königssohn aus Calatia mal wahre Schwertkunst vorzuführen.“ „Und ich hätte Lust, dem Helden Hyrules, beizubringen, dass es noch andere starke Kämpfer gibt, die ihn mit Leichtigkeit schlagen können.“ „Wir werden ja sehen“, sagte Link und sprang über die Absperrung, als der Kampf mit dem Sieg des Bauern endete. Caldrian ließ sich nicht zweimal bitten und folgte. Schnurstracks liefen sie beide zu den Ringrichtern und suchten sich zwei Schwerter aus. „Schaut Prinzessin, unsere Jungs wollen zeigen, was sie können.“ „Unsere Jungs?“, wiederholte Zelda und blickte Malon durchdringend an. Die Prinzessin würde sich niemals einen Besitzanspruch über Link anmaßen... Außerdem lag diese Umgangsprache wohl außerhalb ihres Wissensbereiches. „Ich wette, dass Caldrian auch seine Waffen hat. Link sollte sich in Acht nehmen“, sagte Malon, die sich frech auf den Zaunpfahl setzte und Caldrian anfeuerte. „Link verliert niemals einen Kampf“, sagte Zelda zuversichtlich und strahlte zu ihrem für den Kampf bereiten Helden hinüber. „Pah, den wird er aber heute verlieren“, murrte Malon. „Nein“, sagte Zelda scharf. „Link gibt niemals auf. Seine Kampftechnik ist umwerfend.“ Ihre Meinung bezüglich Link war vielleicht ein wenig festgefahren und konservativ. Sie wollte nicht glauben, dass Link geschlagen werden konnte. Aber Malon hörte nicht auf, die wunderschöne, weise Hylianerin an ihrer Seite zu necken. „Nicht nur seine Kampftechnik ist umwerfend, oder?“ Schockiert funkelte Zelda das Farmmädchen an. „Wie meinst du...“ Malons Grinsen durchbrach jegliche Mauern und erschütterte wohl die ältesten Regeln im Königshaus. „Habe ich Euch Rede und Antwort gestohlen. Ihr wisst doch ganz genau, worauf ich hinaus wollte.“ Zelda schüttelte bloß mit dem edlen Kopf und konnte nicht verstehen, wie ein einfaches Mädchen aus dem Volk so selbstbewusst auftreten und ihre Meinung so klar und unmissverständlich darlegen konnte. „Ihr findet ihn umwerfend, Prinzessin“, sagte Malon selbstsicher. Doch Zelda blieb sprachlos. „Man sieht es an Eurer gepuderten Nasenspitze, dass ihr ihn umwerfend findet“, kicherte Malon, aber sie meinte diese Kommentare sicherlich nicht bösartig. Doch abermals wusste Zelda nichts darauf zu sagen. „Keine Sorge, Prinzessin Zelda, derartige Einstellungen beruhen auf Gegenseitigkeit. Link findet Euch auch umwerfend.“ Und Zelda versank beinahe in ihrer Schamesröte. Warum hatte man ihr nicht beigebracht, auf Kommentare wie diese zu reagieren? Und warum machte es sie so nervös, über Links Einstellung ihr gegenüber zureden? Das herausgeputzte Bauernmädchen aber strahlte und lachte bis über beide spitze Hylianerohren. Nur wenige Minuten später begann das faire Duell zwischen Link und Caldrian. Kampfbereit und mit grinsenden Mienen standen sich Caldrian und der junge blonde Hylianer gegenüber und hielten ihre Langschwerter fest in beiden Händen. Einfache, gute Waffen, die sich für einen Freundschaftskampf hervorragend eigneten. Link machte den ersten Schritt, bewegte sich mit der Waffe senkrecht in die Höhe gestreckt langsam nach rechts, und ließ dabei seinen Kontrahenten nicht aus den Augen. Entschlossen trat auch der junge Prinz aus Calatia nach rechts und verfolgte geschickt die Bewegungen des jungen Helden der Zeit. Spannung lag in der Luft und die Zuschauer fühlten beinahe magischen Wind wehen, fühlten das leichte, aufgeregte Vibrieren der Waffen, die endlich ihre Ziele finden wollten. Aufmerksam und doch überrascht studierte Link die Beintechnik Caldrians. ,Bemerkenswert’, dachte Link. Er war gut, ja, Caldrian war sogar sehr gut. Dann endlich fand Caldrian den Mut Link als erster anzugreifen und zwei starke Schwerter prallten grell aufeinander, schickten eine leichte Böe umher, den die Anwesenden erstaunt fühlen konnten. Sandiger Schmutz auf dem Boden wurde aufgewirbelt und wehte weiter, sammelte sich über dem aus Kreide gemalten Kreis. Beide Schwerter rangen miteinander, während sich die beiden Kämpferherzen grinsend und doch entschlossen in die Augen blickten. Kraftvoll drückte der junge Held die Klinge gegen jene Caldrians und sagte unter Kraftraub: „Du bist gut.“ „Ich weiß“, brachte Caldrian zermürbend hervor. ,Der Held der Zeit schien seines Namens gerecht zu werden’, dachte der junge Prinz. Er hatte eine erstaunliche Kraft, die er sauber in die Klinge legen konnte. Plötzlich zogen sich Links Mundwinkel nach oben und er riss des Schwert gekonnt nach links, sodass er Caldrians Waffe unter seiner vergrub. „Was jetzt, Prinz?“, reizte Link und hielt die Waffe satt unter seiner, wartete auf eine Attacke vonseiten seines Duellanten. Caldrian setzte ein geschauspielertes, unechten Gesicht auf, und hatte doch etwas äußerst hinterhältiges in seinem Blick. Schnell und ohne Vorwarnung riss der braunhaarige junge Mann die Waffe nach oben, überraschte Link damit und hüpfte außer Reichweite. Schnaubend stand Caldrian am Rande des Kreises und schaute zu Link hinüber, der seinen Körper elegant nach hinten fallen ließ, seine Hände auf dem Boden abstütze und geschwind ohne den Boden mit seinem Rücken zu berühren erneut auf seinen Händen stand. Ohne das Anzeichen eines Kraftverlustes winkte Link Caldrian auffordernd zu. Inzwischen versammelten sich mehrere Schaulustige hinter der Absperrung, begeistert von dem Kampf, der sehr vielversprechend werden würde. Wetten wurden abgehandelt und laute Freudenrufe hallten umher. „Siehst du, die jubeln mir zu“, sagte Caldrian hochnäsig. „Oder mir“, sagte Link schnippisch, umkrallte das lederne Heft des Schwertes fest mit seinen Händen und rannte auf Caldrian zu, der schnell und schützend die Klinge in die Höhe hob. So schnell hatte er nicht mit einem Angriff gerechnet. Abwehrend hielt er die Klinge vor sich und konnte nur erstaunt und nach Luft ringend zuschauen, wie Link eine Masse an schlagfertigen Kombinationen entfachte. Es ging ihm so spielend über seine Hände. Geschickt und anmutig schnitt die Klinge durch die Luft, traf summend diejenige des Prinzen, der immer weiter zurückgedrängt wurde. Ein horizontaler Hieb, ein dumpfes Schneiden der Klinge durch stillstehende Luft. Bröselnde, vibrierende Klingen, die aneinander rieben. Malon sah enttäuscht zu, kaute an ihren lackierten Fingernägeln und fieberte mit Caldrian. „Link verliert keinen Kampf“, sagte Zelda voller Stolz. Bei Nayru, sie war ja so stolz auf ihren Helden, der gekonnt und sicher seine Fechtkünste zeigte. Sie klatschte und rief ihm zu, feuerte ihren Helden an und drohte halb aus der Haut zu fahren. „Mach’ ihn alle, mein Held“, rief sie mit ihrer glockenhellen Stimme. Nur kurz schaute Link zu seiner lächelnden, lieblichen Prinzessin hinüber, erwiderte ein kurzes, verträumtes Grinsen und konzentrierte sich wieder auf Caldrian, der nur einige Meter vor ihm stand. „Du hast eine heimliche Verehrerin“, meinte Caldrian provozierend. „Nicht nur eine“, bemerkte Link herzensbrecherisch, achtete erst gar nicht auf das verwunderte Gesicht des Prinzen und begann einfach nur zu schmunzeln. „Wir auch immer, das hilft dir in dieser Situation auch nicht.“ „Meinst du?“, eiferte Link und ließ spielerisch und gekonnt die Waffe in seiner Hand kreisen. „Ich habe alle Orden, die man in meinem Land erhalten kann. Du wirst mich niemals besiegen“, forderte der junge Prinz. „Ein Orden sagt nichts über den ehrenwerten Kämpfermut eines Mannes aus“, erwiderte Link und hielt sein Schwert langgestreckt vor sich, wartete auf den Angriff seines Kontrahenten. Mit einem lauten, tiefen Angriffsschrei stürzte sich Caldrian auf den Heroen, der jetzt begann mit seinem Gegner zu spielen. Geschickt wich Link der scharfen Klinge aus, rollte sich über den Boden und stand in der anderen Ecke der Manege. Mit seinem typischen Unschuldsgrinsen klatschte Link einmal laut in seine Hände und provozierte den jungen Prinzen immer mehr. Erneut rannte Caldrian wie wildgeworden auf Link zu, der die Waffe einfach nur kommen sah, er fühlte es, wusste, welche Strategie Caldrian bezweckte und wich gekonnt den Hieben aus. Unverschämt stellte Link seinem Gegner ein Bein in einem Augenblick dessen Unachtsamkeit. Fluchend landete der junge Prinz auf seinem Hosenboden und brüllte verärgert: „Schon mal was von fair kämpfen gehört, du Hallunke.“ Einsichtig, und doch lachend ließ Link das Schwert in seiner Hand sinken und reichte dem jungen Prinz die Hand. „Entschuldige, du hast recht“, sagte Link. „Ich war wohl zu versessen darauf, einen Prinzen am Boden liegen zu sehen.“ Caldrian funkelte den jungen, blonden Hylianer giftig an, nahm das Schwert in seiner Hand kurzum an der Klinge und brachte Link mit dem Schwertheft zu Fall. Jener fiel rücklings auf den steinernen Boden und erfasste Caldrian mit seinen tiefgründigen, blauen Augen. Sodann rappelte sich Link wieder auf, noch bevor der andere Elfe ihm seine Waffe an die Kehle halten konnte. „Du hast ein freches Mundwerk, Held.“ „Wie Ihr meint, Prinz. Glaubt Ihr nicht, dass man so weiter kommt?“ „Natürlich, wohl weiter in die Nähe des Galgens, Held der Zeit.“ Diesmal gewann Caldrian das letzte Wort und startete einige wilde Streiche. Das Duell schien jetzt erst richtig zu beginnen. Tosender Kampf entbrannte, während zwei scharfe Klingen miteinander rangen. Unerwartete, schnelle Attacken auf der Seite Caldrians und äußerst ausgefuchste, komplizierte Angriffe vonseiten Link, der mit seinem Gegner spielte, ohne dass dieser es verstand. Geschickt schleuderte Link seinem Kontrahenten die Kraft der Klinge entgegen, während Caldrian immer mehr ins Schwitzen kam. Eine wilde neue Attacke. Heftige Kombinationen, die Link spielend beherrschte. Sprungattacken, die jene Waffe des Gegners leiden ließen. Vor Rage über die Kraft des Helden aus Hyrule stieg Caldrian kochendes Blut in den hitzigen Kopf. Seit wann konnte ein Bürgerlicher, nun ja Sohn eines Ritters, bessere Künste im Kampf besitzen als ein Mann königlichen Geblühtes. Schweiß lief dem jungen Prinzen in die Augen, als Link ihm immer weiter auf den Pelz rückte. Caldrian atmete die Zähne zeigend stoßweise aus, fühlte ständig seine Kräfte schwinden angesichts der Gewalt und Schnelligkeit von Links Attacken. Jetzt verstand Caldrian, wie der Blondschopf es schaffen konnte, den Großmeister des Bösen in die Knie zu zwingen. Er besaß unglaublichen Mut, Entschlossenheit und Stärke, die er mit seinen Attacken zu präzisieren wusste. Dann geschah es, Link sammelte nur kurz seine Kräfte für eine entladende Wirbelattacke, führte die Waffe im Drehen mit sich und Caldrian, der jenen gefahrvollen Angriff nicht abzuwehren wusste, wurde jählings durch die Luft gewirbelt und musste einen harten Aufprall außerhalb des Kreises ertragen. Kopfschüttelnd richtete er sich ein wenig auf und blickte bewundernd zu Link, der gemächlich, aber grinsend auf ihn zu lief. Die Menge tobte, pfiff und brüllte laut, da das freundschaftliche Duell entschieden war. Zelda hüpfte erfreut in die Lüfte und ließ laute Jubelrufe umherschallen, während Malon schulterzuckend vom Zaun hüpfte und zielgerichtet auf Caldrian zu steuerte. Link reichte dem armen Verlierer eine helfende Hand, damit er schneller auf die Beine kam. „Scheiße, du hast mich ohne mit der Wimper zu zucken fertig gemacht“, sagte Caldrian. „Es war ein toller Kampf“, meinte Link. „Ich hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß beim Kämpfen. Du hast einen schlagkräftigen Hieb, Caldrian. Ich muss mich bei dir für dieses Duell bedanken.“ Caldrian stand endlich wieder auf seinen Beinen, während die Menge grölte und ihren Sieger feiern wollte. „Nein, ich danke dir, du hast mich aus kindlichen Illusionen, der Beste zu sein, herausbefördert.“ Sie klatschten sich freundschaftlich in die Hände und blickten dann zu den beiden Damen hinüber, die sehnsüchtig auf sie warteten. In dem Moment hievten einige starke Kerle einen verwirrten und dann verlegenen Link auf die Arme, führten einen rotwerdenden jungen Kämpfer herum, der gerade prächtig, erhaben und auf sehr edle Weise sein Können dargelegt hatte. Einige Minuten wurde Link gefeiert, bis ihm endlich die Gnade zuteil wurde, wieder festen Boden unter seinen Füßen spüren zu können. In der großen Menge spürte Link dann unverhofft ein paar warme Arme, die sich um seinen Hals legten. Geschwind hastete er herum und sah Zeldas süße Augen leuchten. „Ich wusste, dass du gewinnst“, sagte sie und drückte einen belohnenden Kuss auf seine Wange. „Wahrscheinlich habe ich nur gewonnen, weil ich auf diesen Preis gehofft habe“, sagte er gewieft und stellte seine geschockte Prinzessin kurz mundtot. Doch dann grinste sie. „Wenn das so ist, hast du wohl einen weiteren dieser Preise verdient.“ Sie lehnte sich vor und hauchte einen weiteren Kuss auf seine andere Wange. ,Noch einen... bitte noch einen’, sagte sein Herz, auch wenn sich dieser kleine Wunsch nicht erfüllen würde. Er schüttelte seinen Kopf und blickte zu Malon hinüber, die Caldrian ebenfalls einen Kuss als Belohnung gab, jedoch direkt auf den Mund. Bei Nayru, was tat sie denn da? Links Augen hasteten ahnungslos zu Malon hinüber. Entsetzt darüber, was sich seine Freundin Malon erlaubte, starrte Link die beiden nur unverhohlen an. „Das ging ziemlich fix mit den beiden, oder?“, sagte Zelda, die Links Gedanken gelesen hatte. „Ja, aber Malon ist ein Bauernmädchen, Zelda, und Caldrian ein Prinz. Das geht doch nicht.“ Aber die weise Prinzessin der Hylianer schüttelte mit dem Kopf. „Doch das geht“, meinte sie, „Ich weiß, dass Caldrians Familie zwar erwartet, dass er eine Adlige ehelicht, aber in ihren Gesetzbüchern ist nichts davon festgelegt. Mit anderen Worten kann er jede heiraten, die er haben will, Link.“ Der junge Heroe verschränkte seine Arme und sah halb beleidigt drein: „Schön, und warum ist das in Hyrule nicht so? Warum, beim Triforce, musst du unbedingt einen Prinzen heiraten?“ Seine Worte wurden immer lauter und eindringlicher. Ein leichter Schmerz verbarg sich dahinter. Zelda hörte beinahe das Bedauern aus seinen Worten. Bedauerte Link es, dass sie einen Prinzen heiraten würde? Doch zu Links Verwunderung strahlte Zelda über beide Ohren. „Mein Vater hat mir vorhin gesagt, ich muss nie wieder in etwas einwilligen, was ich nicht will.“ Geschockt und mit offenem Mund stand Link da. „Was? Heißt das, du musst... du kannst...“ „Vielleicht…“ „Wie das?“ „Ich hoffe inständig, dass mein Vater dieses verschrobene Gesetz unserer Familie ändert...“ Er packte Zelda vor Freude unter ihren Armen und wirbelte sie einige Male durch die Luft und nahm ihr so ihre Worte. „Zelda, das ist phantastisch. Ich freue mich ja so für dich“, platzte es aus ihm hervor, bis er sie wieder auf festen Erdboden setzte. Aber entsprach das der Wahrheit? Freute sich Link nicht eher für sich selbst? Die Leute auf dem Marktplatz beruhigten sich wieder und verschwanden entweder im vollgefüllten, heißen Bierzelt, belauschten die lustigen, aufheiternden Geschichten der Goronen, junge Kerle flirteten mit attraktiven Gerudofrauen, versammelten sich vor den Losbuden und der Bogenschießarena oder genossen einen weiteren Kampf. Zelda packte Link an der Hand und meinte geschauspielert: „Jetzt, da mein Held diesen Kampf gewonnen hat, könnte er mich doch noch ein wenig herumführen, meint Ihr, das wäre gestattet?“ „Oh, ich nehme an, dem Helden wäre dies eine Ehre, Milady“, meinte Link, verbeugte sich und schenkte ihr einen Kuss auf die rechte Hand, bevor er wie bescheuert mit Lachen anfing. Er erhielt ein aussagekräftiges Lächeln von Zelda, beinahe glücklich, dass sie nach dem schrecklichen Ereignis am heutigen Tag, wieder so lachen konnte. Gerade in solchen Momenten geschah es dann, dass Link sich einfach nur aufgehoben fühlte, genau dann, wenn Zelda auf diese Weise lächelte und sich der Schatten über ihren Augen beinahe verflüchtigte. ,Ich danke meinem Helden’, sagte sie leise, flüsterte sie, ohne ihre Lippen bewegt zu haben. ,Und ich danke meiner Prinzessin…’, entgegnete Link in Gedanken, sich dieser einzigartigen telepathischen Kommunikation bewusst, über die sie beide verfügten. „Ich bin glücklich, bei dir sein zu dürfen“, murmelte er und nahm ihre triforcetragende Hand in seine beiden vom Kampf gezeichneten. „Ich ebenfalls…“, sagte sie leise und schaute hinüber zu Malon, die ihnen beiden zuwinkte. „Sie warten auf uns.“ „Mmh“, entkam bestätigend aus Links Mund, der Caldrians rehbraune Augen im Visier hatte. Wenig später saßen die vier jungen Leute in einem Wagen des Riesenrades, wo man hoch oben einen herrlichen Ausblick auf das alte Land Hyrule genießen konnte. Der Abend brach herein. Still und leise sahen die jungen Hylianer die uralte Abendsonne niedergehen, vielleicht ein letztes Mal, dass sie ihre flammenden Arme über die märchenhafte, einzigartige Welt schickte. Lachend klapperten die Vier die Losbuden und Schießstände ab, jubelten zu weiteren Turnieren der königlichen Ritter, bis sie ausgepowert und hungrig an einem dunkelbraunen Holztisch im ,Gefüllten Krug’ saßen. „Ist das okay, dass du hier und nicht im Schloss speist, Zelda?“, sagte Link, der sich schlemmend die Abendkarte anschaute. Er saß auf einer gepolsterten Bank mit Lehne und Zelda direkt neben ihm. „Sicher. Mein Vater weiß, dass du mich begleitest, da geht das in Ordnung“, entgegnete sie und winkte dem Kellner zu. Einem kleinen, dicken untersetzen Mann mit kurz geschorenen Haaren und auffallenden dicken Armen. Er trug einen beschmutzten Küchenkittel und eine lederne Schürze, in welcher seine aufgedunsenen Hände mit dem Trinkgeld spielten. Langsam kam er hinüber gehumpelt und schluckte einmal kräftig, sodass sich sein Saufknoten auffallend erhob. Schließlich sagte er, sicherlich nichtahnend, dass er Prinzessin Zelda persönlich vor sich hatte. „Was wünscht Ihr, junge Lady?“ „Eine Flasche des besten Weines eures Hauses, bitte.“ Er nickte: „Euer Wunsch sei erfüllt, junge Lady.“ Etwas fast gefährliches blitzte in den tiefblauen Augen Links auf, als der Kerl die neben ihm sitzende Prinzessin lustvoll anstarrte. „Habt Ihr einen weiteren Wunsch, bezaubernde Lady? Mit Eurem Antlitz habt Ihr womöglich viele Wünsche, die man Euch erfüllen könnte.“ Caldrian bemerkte den beißenden Blick Links und die Tatsache, dass sein Fragment vor Eifersucht durch den Handschuh durchschimmerte. „Ich würde Euch gerne weitere Wünsche erfüllen.“ Link schloss seine Augen, darum bemüht ruhig Blut zu wahren und nicht vor Zelda aus seiner Haut zu fahren. Warum nur machte ihn dieses anhimmelnde Gebrabbel eines einfachen Kellners so wütend? Schon wieder war sein Blut in Wallung wegen der Prinzessin. Nur wegen ihr… „Ich habe keine Wünsche“, sagte Zelda ruhig. „Jedenfalls keine, die Ihr mir erfüllen könntet.“ Ihr Blick wirkte entschlossen und selbstsicher. Durchdringend schaute Zelda in die dunklen des Dreißigjahre alten Kerls, der vor ihrem standhaften Blick zurückwich. Noch nie hatte ein Weib ihm diesen Blick zugeworfen… Akzeptierend, dass er bei dieser jungen Dame keine Chance hatte, kroch er zurück zu seiner Bar und verschwand schließlich im Weinkeller. Träge ausatmend schloss Link seine Augen und spürte das Triforcefragment des Mutes heftig pulsieren. Er spürte die ungebändigte Energie, die es seinem Körper schickte, ähnlich einem Stromstoß und bemühte sich ringend, diese Energie wieder unter Kontrolle zu bringen. Verwirrt und so langsam erkennend, was in Link vorging, blickte Caldrian zurück auf seine Abendkarte. Er ahnte um die Gefühle des Helden für seine Prinzessin und doch war Caldrian so aufrichtig, diese niemandem mitzuteilen. Links Geheimnisse waren bei Link und nicht in den Köpfen anderer am besten aufgehoben, war Caldrians Motto. „Hast du dich schon entschieden, Malon?“, sagte der junge Prinz und blickte in die strahlenden Augen Malons, die neben ihm genauso wie er selbst auf einen Stuhl saß. Sie schüttelte mit dem hübschen Kopf und die gelockten kastanienbraunen Haare spielten mit den Luftgeistern. „Nein, ich habe schon lange nicht mehr so gut gegessen“, sagte sie bedauernd. „Dann such’ dir aber was feines aus, schließlich habe ich dich eingeladen.“ Ein herrliches Lächeln huschte über ihr schönes Gesicht: „Ja, das hast du. Danke.“ „Du musst mir nicht danken. Ich freue mich über deine Gesellschaft. Genauso wie über die von Link und Zelda.“ Denn auch Caldrian war schließlich ein Prinz, genoss die Anwesenheit Gleichaltriger, die ihn nicht ständig belehren würden, genoss die Nähe von jungen Erwachsenen, mit denen er reden konnte. Nie hatte er die Chance gehabt so einen normalen, gemütlichen Abend zu erleben… In dem Augenblick kam der Wirt des Gasthofs vom Weinkeller zurück und hatte drei verschiedene Flaschen für seine Gäste unter dem Arm, einen mundigen Roten, Honigwein und einen trockenen Weißwein. Langsam kam der borstige Kerl angeschlichen und stellte die Flaschen kraftvoll auf den Tisch. Er haftete seine dunklen, fettigen Augen auf Zelda und sagte zähnefletschend: „So, junge Lady, die drei Besten unseres Gasthofs.“ Der Reihe nach schenkte er Kostproben in die Metallkelche und wartete auf eine Reaktion. „Gute Wahl“, sagte Caldrian und deutete dem Burschen an, dass sie sich für den süßen Honigwein, der aber leicht zu Kopf steigen konnte, entschieden. Er nahm die zwei anderen Flaschen wieder an sich und bemerkte: „Habt Ihr Euch schon entschieden, was Ihr speisen wollt?“ „Ich nehme eine Schüssel Feuerkürbissalat, die Vorsuppe mit Hyrulebarsch, ein Ordoner Würzfleisch und den Herzbraten und zum Schluss ein Eis aller Nayru“, sagte Link schlüssig, schaute aber trotzdem noch einmal, ob er nicht noch etwas dazubestellen wollte. Zelda neben ihrem Helden kicherte bloß angesichts des Appetits von Link und bestellte sich neben einem Salat ein hylianisches Nudelgericht. „Für mich bitte die Fischspezialität des Hauses“, meinte Caldrian und legte die Karte beiseite. Nur Malon hatte Probleme sich zu entscheiden. Schnaubend blies sie sich einige braune Strähnen ihres langen Haares aus dem geschminkten Gesicht. Sie schaute unschuldig auf und murmelte: „Sorry, aber ich konnte mich noch nicht entscheiden.“ „Gut, ich komme dann in fünf Minuten noch mal“, sagte der Kellner und hüpfte hinter eine weitere Tür, die direkt in die Küche führte. Link beugte sich über den Tisch und deutete als kleine Hilfe für Malons Entscheidung auf verschiedene Gerichte der Karte: „Das schmeckt gut und das.“ Er blätterte um und sagte: „Hey, aber das ist auch lecker.“ Er wanderte mit seinen Augen an die Zimmerdecke und murmelte: „Eigentlich ist alles lecker...“ Malon grinste und blickte zu Zelda, die vor lauter Lachen eine Hand vor ihren Mund hielt. „Dass du so ein Vielfrass bist, hätte ich nicht gedacht. Merkt man dir gar nicht an“, sagte Caldrian. „Echt nicht?“ „Nein, natürlich nicht“, entgegneter Caldrian und blickte zu Malon, die sich endlich für eine gemischte Platte mit verschiedenen Speisen aller Art und Geschmacksrichtungen entschieden hatte. Caldrian hob sein Weinglas an und stieß mit Malon an, die entzückt und verlegen wegblickte. „Erzähl’ mir etwas von dir, Malon“, sagte der junge Prinz. „Mein Vater und ich bewirtschaften die alte, große Farm, die von der Hauptstadt ausgesehen im Südosten liegt. Harte Arbeit, aber ich liebe diese Farm.“ Sie lächelte über diesen Gedanken. Denn wie oft hatte sie bei der schweren Arbeit des Stallausmistens geflucht. Wie oft hatte sie sich gewünscht, es im Leben einfacher zu haben. Und doch hatte ein Farmleben gewisse Vorzüge. Da wären zum Beispiel die überreichlichen Tiere und die vielen Kleinigkeiten, an die man gebunden war, die man liebte. Kleinigkeiten wie die frische Milch jeden Morgen oder sogar der farmtypische Geruch, selbst das Gegacker der nervigen Hühner... „Und du, Caldrian?“ Sie blickte ihn beinahe teuflisch an. „Was tut man als Prinz den lieben langen Tag?“ „Wohl nichts, das man mit dem normalen Leben vergleichen könnte. Ein wenig Unterricht in allerlei langweiligen Dingen hier, ein wenig höfisches Benehmen da...“ „Ja, davon kann ich auch ein Lied singen...“, meinte Zelda bitter und schmeckte den süßen Honigwein auf ihrer Zunge. Darauf legte Link eine warme Hand auf ihre Schulter: „Stimmt, aber du bist heute nicht hier, um an das Schlossleben zu denken, mein...“ Gerade wollte er ,Engel’ sagen, stoppte sich aber dabei, da vier weitere Ohren interessiert zuhören konnten. „Ähm... meine Güte, genieße diesen Abend doch“, ergänzte er, machte sich durch sein unglückliches Gefasel aber noch verdächtiger als ohnehin. Zelda lächelte ihren besten Freund an und schaute anschließend zu den anderen Gästen im Gasthof, einige Goronen, weitere Bürgerliche an einem Stammtisch. „Ihr habt Recht. Heute Abend vergessen wir die Vergangenheit und die Gestalt, die sich hinter unseren Gesichtern verbirgt“, betonte Caldrian und hob erneut sein Glas in die Höhe. Tatsächlich galt dieser Spruch für jeden der vier jungen Hylianer in der gemütlichen Runde. Zum einen für Malon, die doch nur ein Bauernmädchen war. Dann für Caldrian, der das königliche Blut in sich schlecht ablegen konnte. Genauso Zelda, die zuviel Verantwortung auf ihren Schultern trug und letztlich galt jener Spruch für Link, der in seinem Leben eine riesige Bürde zu tragen hatte und nie wieder das sein konnte, was er einst im Kokiriwald gewesen war. „Ich war noch nie in Calatia“, meinte Malon. „Wie ist es dort?“ „So herrlich wie in Hyrule. Du würdest dich dort zuhause fühlen. Auch wir haben knapp zehn Meilen von der Hauptstadt ein blühendes Gestüt und ich kenne die Familie von dort sehr gut.“ Ein freches Grinsen huschte über Caldrians Gesicht. Abtuend hielt er eine Hand hinter seinen Kopf und räusperte sich. „Aber das liegt wohl daran, dass ich viel zu gerne aus dem Schloss geflohen bin und dort landete.“ Zelda lachte herzlich über diese erfreuliche Tatsache und vielleicht war es zum Teil dem süffigen Honigwein zu verdanken, dass sie so gelassen war. „Also Caldrian, das hätte ich nicht von Euch erwartet. Und doch steht mir hier der Vergleich mit mir selbst zu. Auch ich bin ständig aus dem Schloss ausgebrochen. Nur hattet Ihr vermutlich niemanden, der sich Impa nennt und die gesamte Stadt nach Euch auf den Kopf stellt.“ Caldrian grinste. „Nein, zum Glück nicht. Sagt’ wollen wir die bösen Benimmformeln: Euch und Ihr, nicht abschaffen?“ „Gerne“, sagte Zelda ausdrucksvoll, funkelte mit ihren saphirblauen Augen eindringlich, sodass Caldrian allmählich verstand, wieso Link große Gefühle für diese einzigartige Person hegte. Prinzessin Zelda hatte hypnotisierende, wunderschöne Augen. Vielleicht waren es die Augen, in die sich Link zuerst verliebt hatte. „Impa, sie ist eine der letzten Shiekah, nicht wahr?“, fragte der junge Prinz neugierig. „Ja, das ist sie.“ „In meinem Land erzählt man sich die unheimlichsten Dinge über Shiekah, zum Beispiel, dass sie sich in dem Schatten eines Hylianers verstecken oder ganz plötzlich aus dem Nichts auftauchen können. Auch sollen sie magische Waffen haben und dem Gedankenlesen mächtig sein.“ Links Kopf wanderte zu Zelda und gefährlich sagte er: „Das stimmt. Habe ich Recht, Shiek?“ Zelda hielt ihm einen drohenden Zeigefinger unter die Nase, da er diesen Namen aus dem alternativen Zeitpfad ansprach und sagte eingeschnappt: „Der Held der Zeit mag Recht haben, denn Shiek hat mehr gesehen, gehört und erkannt, als dem Helden der Zeit lieb ist.“ Fassungslos klappte Links Mund auf: „Wie meinst du...?“ Nervös trank er den Kelch mit dem Honigwein vollkommen leer und starrte verlegen an die Tischkante. Zelda schlug erheitert mit ihrer Faust auf den Tisch und begann herzhaft zu lachen. Viele peinliche Szenen, gelegentliche Ausrutscher des armen Helden der Zeit mit der elfjährigen Seele, der in seinem erwachsenen maskulinen Körper einfach verloren war, erhellten ihren Geist. Es gab Tage, da kam er mit der Kraft seiner Muskeln oder sogar mit seiner Stimme nicht zurecht. Der plötzliche Bartwuchs war nur eines seiner Probleme gewesen... Zelda lachte lauthals, drohte aus der Haut zu fahren und wurde immer lustiger. Vielleicht sollte Link so weitsichtig sein und ihr den hochprozentigen Wein wegnehmen... Doch gerade in dem Moment wurde das herrlich duftende Essen serviert und die vier stopften sich die Leiber voll. Die kleine Wirtsstube wurde voller und Rauch von langen Pfeifen sammelte sich in den Lüften. Die Stimmung stieg und es wurde lauter. Die Fröhlichen feierten, klatschten, spielten Karten und pfiffen und sangen. Nach einer Weile begann auch Zelda mit ihrer hohen Stimme zusingen, begleitet von der reinen, geübten Stimme Malons. Sie sangen ein heiteres Friedenslied, bis auch Link und Caldrian mit anstimmten und mit den beiden Hylianerinnen schunkelten. Es war ein schöner Abend für die Jugendlichen, vielleicht ein letzter Abend in einer geheimnisvollen Welt. Ein Abend, der für den Morgen Graue, Verblassen und Ende versprach... Malon begleitete die anmutige, zu Scherzen aufgelegte Zelda einen dösigen Gang entlang, auf der Suche nach den Toiletten. Selbst von dort hörte man das Singen von Link und Caldrian nach. Kichernd meinte Malon: „Die beiden haben es doch echt drauf.“ „Jep“, sagte Zelda nach Link- Art und zog eine breite Grimasse angesichts dieses Wortes aus ihrem Mund. Abrupt blieb das herausgeputzte Farmmädchen stehen und drehte sich zur Prinzessin Hyrules um. „Prinzessin, bitte beantwortet mir eine Frage.“ Die Spur von Ernst in Malons Worten ließ Zelda aufhorchen. Ernst nickte sie und wartete auf die Frage. „Was empfindet Ihr für Link?“ Fassungslosigkeit sammelte sich in den saphirblauen Augen und schließlich Neugierde, was Malon mit dieser Frage bezweckte. Zelda verkrampfte ihre Hände zuerst und schließlich spielte sie mit den Schnüren an ihrem Kleid. „Genug“, meinte Zelda ehrlich. Überrascht sah Malon drein. „Versteht das nicht falsch, ich will mich bestimmt nicht einmischen, aber Link...“ Sie wand sich um und folgte weiter dem Gang. „Link hat es nicht verdient verletzt zu werden. Ich möchte bloß, dass ihm niemand mehr weht tut.“ „Heißt das, ich habe ihm weh getan. Möchtest du mir das unterstellen?“, fieberte Zelda und konnte nicht verstehen, worauf dieses Bauernmädchen hinauswollte. „Ihr wisst es nicht, aber ja, Ihr verletzt Link. Aber Ihr könnt andererseits nichts dafür.“ Kopfschüttelnd, dass sie sich nicht besser ausdrücken kann, hetzte Malon weiter. Sie bemühte sich es der Prinzessin zu erklären. Sie wollte es erklären und ihr sagen, wie Link für sie empfand, aber schließlich tat sie das ohne Links Einverständnis. „Wenn es meine Anwesenheit ist, die ihn verletzt, dann hätte ich schon lange versucht ihn davor fernzuhalten.“ Zelda ballte ihre Fäuste und sagte verzweifelt: „Ich hatte niemals die Absicht ihn zu irgendetwas zu drängen oder ihn in das Dasein hineinzuzwängen, das er jetzt lebt. Bei den Göttinnen, Malon, ich wünschte, ich hätte ihn daran hindern können, sich für das Königreich und für mich selbst aufzugeben, aber er...“ „Er hat es trotzdem getan. Ich weiß. Link hat mir alles erzählt.“ Mit treuherzigem Blick drehte sich Malon um: „Habt Ihr Euch nie gefragt, warum? Warum hat Link alles aufgegeben? Was waren seine Motive?“ „Sicherlich habe ich das“, meinte Zelda stur. „Gut, und was hat er gesagt“, meinte Malon neugierig. „Er ist mir ausgewichen...“ „Weil er zu feige ist, Euch zu sagen, was der Grund ist“, sagte Malon abschließend. Sie folgten dem Weg zu den Damentoiletten. Malon stand vor einem kleinen Wandspiegel und spielte in ihren frisierten Haaren herum, während Zelda sich zunehmend unwohl in der Gesellschaft des Bauernmädchens fühlte. Aufgeregt wühlte sie in einer Handtasche herum. Es schien Malons wacher Verstand zu sein, ihre freche Zunge oder das einfache Verhalten, das sie an den Tag legte. Sie nahm nun mal keinerlei Rücksicht bei der Wahl ihrer Worte. „Aber ich weiß, was der Grund ist. Mir kann der arme Kerl nichts vormachen“, sagte Malon stolz. „Er ist einfach nur verliebt, Prinzessin.“ Doch Zelda hatte diesen letzten Satz nicht mehr hören können. Zu schwer war die Last ihrer Augenlider. Zu erdrückend waren die Stimmen der Alten in ihren Gedanken. Nagend kamen ein weiteres Mal die Bilder, raubten ihr die letzte Kraft sich auf den Beinen zuhalten. Gewaltsam wurde ihr der Boden unter den Füßen genommen und sie stürzte in sich zusammen. Schreiend schlug sie ihre blassen Hände an die Ohren, versuchte ihre Augen wieder aufzureißen und fühlte das Brennen der Erkenntnis, der untrüglichen Wahrheit in ihrem Kopf. Mehr und Mehr flutete Verblassen ihre Sinne. Sie hörte nichts mehr. Sie spürte nichts mehr und sah nur noch Verblassen. Vergehen. Das grausame Ende. Sie rang nach Luft, während sie versuchte dagegen anzukämpfen. Diesmal war die einsame Vision schlimmer als vorher und es schmerzte innerlich. Ihr Körper war es, der weinte, der gepeitscht und zerrissen wurde. Die reinste Folter schickte man ihr in Form von Visionen, die nur den Tod in sich trugen. Kreischend riss sie ihre Augen auf, und Blut sammelte sich über ihren Wangen. Gefangen in Angst und Verzweiflung schabte sie mit ihren Fingernägeln auf dem kalten Steinboden, kratzte mit ihren bloßen Fingerspitzen bis diese geschunden waren. Hilf’ mir Nayru, murmelte sie in ihren Gedanken. Bitte hilf’ mir... Doch es war noch nicht vorbei. Schwachblinzelnd schaute sie zu ihrem rechten Handrücken, sah das Triforcefragment der Weisheit in grauen Farben glimmen, sah es in Schwärze versinken. Abwechselnd wurde es schwarz und hell glühend, wie ein düsterer, gemeiner Gewitterhimmel, der sich im Moment der Entlandung erhellte. Zelda keuchte, rang mit der Empfindung des Endes, schlug wildgeworden auf den Boden ein und flehte die Götter an, diese Folter zu unterbinden. Ihr Atem kam pfeifend, sie kämpfte, bis sie schwach ihren Mund öffnete. „Link...“, flüsterte sie. Bitte, sieh in mich... Aufgebracht stürmte Malon zurück in die Gaststube und beförderte einen irritierten Link aus seiner heiteren Stimmung. Sie wedelte aufgeregt mit ihren Händen in der Luft herum, brachte aber nichts vernünftiges hervor, sondern zerrte den jungen Helden einfach hinter sich her. Auch als sie Link in die Damentoilette zerrte, verlor sie kein Wort. Derweil kam neugierig der junge Prinz aus Calatia angerannt und blickte über Malons Schulter durch die Tür. Fassungslos ließ sich Link auf die Knie sinken, blickte zu den blutigen Wangen seiner Prinzessin, den geschundenen Händen und vergrub seine linke Hand vor Wut, dass er sie nicht beschützt hatte, in dem kalten Erdboden. Sein Blick wanderte zu ihrem schimmernden Triforcefragment, welches ein gleißendes Licht ähnlich pulsierender Stromstöße von sich gab. Es war die tückische Macht in ihr, die sie quälte, die sie sehen ließ... Schwach und zitternd murmelte Zelda etwas Unverständliches. Ihre roten Lippen zuckten unkontrollierbar und ihre Augenlider wackelten, flogen ständig auf und ab. Sie versuchte sich wach zuhalten und kämpfte gegen das erdrückende Gefühl der Ohnmacht. Ihre linke schlappe Hand wanderte zu ihren Wangen, wischte über das getrocknete Blut, welches striemenartig daran haftete. „Das Fragment...“, keuchte sie und fühlte sich schwerer und schwerer werden. In dem Augenblick sank Zeldas Körper schräg zur Seite, und ihre Sinne verschwanden. Mit der Angst im Nacken nahm Link die bewusstlose Zelda auf seine Arme. Nicht schon wieder... Das Fragment der Weisheit hatte sich gegen seinen Träger gestellt und erkennen lassen, was in seiner Macht lag. Schon einmal hatte es entgegen ihres Wunsches gehandelt und nun schien die Macht in ihr den alten Gesetzen wieder Folge zuleisten. Denn das Triforce, verbunden mit der Seele Hyrules, hatte so oft seinen eigenen Willen. Und wenn die letzten Tage hereinbrachen, würde es erneut nur sich selbst dienen. In dem Falle, so wusste Link, da Zelda ihm persönlich einiges vor seiner Abreise nach Termina mitgeteilt hatte. So wusste er, dass auch ihre beiden Fragmente ihre Fehler hatten, ebenso wie das Fragment der Kraft seine in Ganondorfs blutigen Händen. „Zelda...“, sagte er schwach und zittrig, sich wünschend, er hätte irgendetwas gegen die grausamen Bilder ihrer Visionen tun können. Warum musste sie schon wieder diese Hölle durchstehen? Hatte das Schicksal nicht bald genug? Eine kleine, salzige Träne rannte seine rechte Wange hinab, als er mühsam ihren Namen murmelte: „Zelda...“ Sie blinzelte und löste sich aus seiner Umarmung, torkelte aber zugleich an die neben ihr befindliche kahle Wand und stützte ihr Körpergewicht auf ihre Beine. „Ich bin okay... ich muss nur mit dir reden“, brachte sie hervor und blickte dann mit einem verletzlichen Blick auf. Sie sah das Wasser in Links Augen, aber konnte nicht verstehen, dass nur wegen ihr seine Gefühle mit ihm durchgingen. „Bringst du mich... heim“, sagte sie schwach und ließ ihren Kopf hängen, fürchtete sich fast vor den Augen der anderen beiden Hylianer. Link nickte und legte einen ihrer Arme um seine Schulter. „Sie ist plötzlich zusammengesunken, ich konnte nichts tun, Link“, sagte Malon rechtfertigend, als er langsam mit Zelda neben ihm vorwärts tappte. Das Bauernmädchen fühlte sich ein wenig schuldig, dass ausgerechnet in ihrer Gegenwart die Prinzessin in gewisser Weise gefoltert wurde. „Es tut mir leid“, ergänzte sie schwerfällig und ließ enttäuscht ihren Kopf hängen. „Du hast das einzig richtige getan, du hast mich gerufen“, erwiderte er. In dem Moment versagten Zeldas butterweiche Knie und sie verlor den Halt. „Sorry...“, hauchte sie. Aber Link fing sie einfach und schnell auf. „Meine Beine sind so wacklig...“ „Kein Problem, ich bringe dich ins Schloss und dort reden wir.“ Sie nickte scheu, ein wenig beschämt, dass Malon ihrem Zustand zu sehen konnte. In dem Moment spürte Link eine weitere Hand auf seiner Schulter. Caldrian sah ihn verschmitzt an: „Soll ich Euch begleiten? Wenn nicht, dann leiste ich Malon noch Gesellschaft.“ Glücklicherweise stellte er keine peinlichen Fragen und bemerkte nicht das hinterhältige, erfreute Gesicht Malons, die allmählich seine Verehrerin wurde. „Nein, ich muss unter vier Augen mit Zelda reden...“, meinte Link und blickte in die blutunterlaufenen Augen seiner Prinzessin. Caldrian nickte und lief dann mit Malon hinter den beiden Auserwählten her. Kapitel 101: Verbockt? ---------------------- Kapitel 84: Verbockt? Als der junge Heroe zu sich kam, umhüllte ihn stickige, warme Dunkelheit. Er blinzelte, aber konnte in der Nacht nichts erkennen. Sich orientierend, sich besinnend, wollte er sich aufrichten, aber er konnte nicht. Jegliche Kraft seiner Muskeln schien absorbiert, schien vernichtet. Er murmelte irgendetwas und holte dann kräftig Luft, aber selbst diese körperliche Handlung tat weh. Es brannte in seinen Lungen wie Rauch... Schweißperlen glänzten über seiner Stirn und sein Inneres schien sich vor Schmerz nach außen zu stülpen. Er wollte schreien, aber würgte nur einige Wortfetzen hervor. Er wollte am liebsten weinen, so mies fühlte er sich... Minuten später blinzelte der junge Kämpfer wieder. Seine Augen klebten, tränten bei jedem Blick... Die Wärme des Todesberges war nicht fühlbar für ihn und er wusste, als er sich erinnerte, dass hier niemand frieren konnte, aber alles war ekelhaft kalt im Augenblick... selbst die dicke Decke über ihm, über seinem Rücken... eisig... unerträglich... Erneut wollte er sich aufrichten, aber etwas kühles um seine Handgelenke und Fußknöchel hielt ihn davon ab. Erneut kam ein Murmeln aus seinem Mund. Nur undeutliche Wortfetzen, die aber einem Beobachter mitteilten, wie sehr er leiden musste. Hastig wurde etwas aufgerissen. Link hörte nur ein reißendes Geräusch und schließlich Schritte, sowie ein leises Schluchzen. Eine zarte Hand streichelte über seinen Hinterkopf und irgendjemand rückte die Decke über seinem Rücken wieder zurecht. Er keuchte leise, wollte etwas sagen, nur bekam nichts vernünftiges aus seiner trocken, schlaffen Kehle. Er versuchte es noch einmal, worauf ihm eine vertraute Stimme antwortete: „Sch...“, sagte sie, fast wimmernd. „Du bist in unserem Zelt. Du musst versuchen loszulassen, dich entspannen...“ Er quietschte etwas mit rauheiser Stimme, zu erschöpft um weiter gegen die Schmerzen anzukämpfen. Nicht in der Lage, seine Prinzessin zu betrachten, denn sie musste es sein, lag er da auf seinem Bauch und fühlte gerade noch, dass sie ihm die Decke von dem nackten Körper zog. „Das wird wehtun...“, flüsterte sie betrübt und wanderte mit den Fingerspitzen über seinen schwitzenden Rücken zu seinem Gesäß. „...Was... Zel...“, brachte er wimmernd heraus und kämpfte mit Krämpfen und einem unerträglichen Schmerzgefühl überall... „Nicht reden...“, murmelte sie, wollte ihn beruhigen, ihn auffordern, aufzugeben gegen den Schmerz anzukämpfen. „Sei’ nicht der Kämpfer im Augenblick...“, setzte sie hinzu. Link hörte gerade noch wie Zelda einen tiefen Atemzug nahm und dann... Er schrie panisch auf, kreischte markerschütternd mit allem, was er hatte, als er spürte, dass sie irgendetwas aus seinem Körper riss. Tief in ihm stak ein Geschöpf, saugte an ihm, nahm ihm Kraft und Wärme... Der Prozess dauerte lange, bevor der heftige Schmerz langsam verebbte... Ein Blitz Zeldas reiner Magie erhellte kurzzeitig das Zimmer und ein Quietschen und Piepsen, das jämmerlich erstarb, machte ihm deutlich, dass sie irgendetwas vernichtet haben musste... Der Innenraum des Zeltes wurde wieder erfahrbar und real für Link. Und mit jeder weiteren Minute fühlte sich das Atmen heilsamer und normaler an... der Schmerz verflog und ihm wurde wieder warm, angenehm warm... „Link?“, sagte sie gedämpft, nahm an, dass er eingeschlafen war, aber der junge Heroe war bei vollkommenem Bewusstsein. Er zuckte überrascht auf und wollte sich endlich aufrichten, aber etwas verbat ihm das und zwang ihn weiterhin dazu nackt auf seinem Bauch liegen zu bleiben. „Noch nicht... bleib’ noch liegen.“ Ihre Stimme, besorgt, aber beruhigter als vorher. Dann fühlte er dicken, warmen Stoff einer Decke auf seinem Rücken. Sie deckte ihn zu und umfasste eine sehr lange Zeit seine Schultern. „Entschuldige die Fesseln...“ Nun verstand er, was ihn so festhielt. Zeldas selbsterschaffene, gläserne Schellen wanden sich um seine Handgelenke und Füße. „Du hattest Krämpfe, deshalb musste ich dich fesseln...“ Er wollte etwas sagen, aber es schien, als wäre mehr als nur ein Kloß in seinem Hals. „Zel... Sorry...“ Bei Farore, seine Stimme klang ganz verweint und so untypisch für ihn. Sie lächelte ein wenig, aber Traurigkeit überschattete ihren Ausdruck. „... für...“ „Du solltest nicht reden, mein Link.“ Sie kuschelte sich daraufhin an ihn, was beruhigte, was ihm Kraft schenkte. Er suchte ihren Blick... sein Gesicht fiebrigrot und verschwitzt. Und als sie ihre Stirn gegen seine lehnte, raubte ihm ihre angenehme Nähe die letzte Verwirrung und die letzten Zweifel. Seine Augen fielen zu, während die restlichen Schmerzen abklangen... Eine halbe Stunde später löste Zelda den Bann der magischen Fesseln und sie half ihrem kränkelnden Heroen, sich umzudrehen. Er fühlte sich nun noch ausgelaugter als vor mehreren Stunden. Nicht einmal sich alleine aufrichten konnte er. „Wie... wie lange...“, sagte er und atmete dabei so tief wie er konnte, als hätte er für viele Stunden die Luft anhalten müssen. „Nicht sehr lange... nicht einmal eine Stunde warst du in diesem Zustand“, sagte sie leise. Sie suchte seinen Blick, wollte ein Grinsen aus diesem ansehnlichen Heldengesicht. Er blinzelte und seine Augen wirkten so dunkel, viel dunkler als gewöhnlich in diesem Zelt. Er hob eine Hand zittrig, und griff mühsam in einige von Zeldas honigblonden Haarsträhnen. „Deine Haare sind so zerzaust“, sagte er schwach und seufzte im Anschluss. Sie umschloss seine bebende Hand mit ihren Händen und drückte zärtlich einen Kuss darauf. „Wie spät ist es... genau?“, murmelte der junge Heroe und wand seinen stechenden, müden Schädel von Zeldas mutlosem Antlitz weg. Sie war traurig und schön, aber es machte ihn im Moment nur noch trübsinniger, zu sehen, wie besorgt sie um ihn war. „Mitternacht...“ In dem Augenblick erinnerte er sich daran, was zwischen ihnen beinahe geschehen wäre... und es war seine verdammte Schuld, dass sie einander nicht lieben konnten. Er hatte den Moment einer intensiven Leidenschaft zwischen ihnen einfach... schlichtweg... versaut... „Ich hab’s vermasselt.“ Links Worte, ein Hinweis für Scham und Demut... Sie beugte sich näher und streichelte durch seine blonden Haarsträhnen, die feucht und durchgeschwitzt waren. „Ich habe dich enttäuscht...“, seufzte er und kniff die Augen zu. „Du Dummkopf“, meinte sie streng und wollte am liebsten weinen angesichts seiner idiotischen Worte. „Beinahe hättest du mehr als dein Leben verloren und du...“ Verzweiflung lag in ihrer glockenhellen Stimme. „... und du... machst dir Gedanken darüber, mich enttäuscht zu haben.“ Sie fasste grob an beide seiner Wangen und drehte sein Gesicht zu ihm. „Sieh’ mich an“, fauchte sie. Und Link blinzelte wieder mit dem unermesslichen Trübsinn in dem tiefblau. „Ich will nicht, dass du mir noch einmal verschweigst, wenn es dir schlecht geht!“ Er antwortete nicht darauf. Eine unangenehme Pause schlich sich in ihre Konversation. Eine Weile später stützte sich der junge Heroe leicht auf seine Ellenbogen und beobachtete Zelda, die kindlich in der anderen Ecke des Zeltes hockte und ihre Spieluhr aufzog. Mühsam griff er nach der Wasserflasche neben ihm, die umfiel, als er jene berührte. Erschrocken wand sich die Prinzessin zu ihm und stolperte zu ihm hinüber. „Hier.“ Und sie reichte ihm selber die Flasche. Er nickte dankend, trank einige Schlücke und ließ sich lethargisch niedersinken. Erneut deckte Zelda ihn zu und kümmerte sich um ihren erwachsenen Heroen wie um ein kleines Kind. Im Hintergrund trällerte die kleine Spieluhr in hohen Tönen das zum Schlaf verführende Wiegenlied herunter... „Gibt es etwas, was du brauchst?“, sagte sie sanft und rutschte so nah an sein Gesicht, dass er ihr nicht ausweichen konnte. Er antwortete nicht sofort und besah sich die schillernden Muster in Zeldas sanftmütigen Augen. „Möchtest du Antworten?“, meinte sie und streichelte mit ihrem Zeigefinger sorgsam über seine Stirn. Doch wieder schielte er beinahe hypnotisiert in die warmen Augen seiner Prinzessin. Sie runzelte die Stirn und murmelte: „Link?“ Aus einer leichten Sorge heraus, weil er einfach nicht antwortete. Doch der dusslige Heroe hatte nichts anderes als einen blödsinnigen Kommentar, der ihm murrend über die Lippen kam, zu bieten. Ein Kommentar, der neben einer Welle der Erleichterung, ein herzhaftes Grinsen auf Zeldas Gesicht schickte. „Mein Hintern tut weh“, brummte er. Seine Prinzessin lachte und wischte sich so etwas wie Freudentränen von den Augenwinkeln. „Und ich Idiot mache mir noch Sorgen, weil du so träumst...“ „Sorry...“, hauchte er und brachte selber wieder ein Grinsen zustande. Sie jedoch schüttelte erheitert mit dem Kopf und murmelte: „Was wärst du bloß ohne deinen verdammten Blödsinn?“ „... du liebst das doch...“, entkam müde aus seinem Mund. Suchend nach ihren Händen wanderte seine Linke über die Decke. Sie nickte erfreut, nahm seine linke Hand fest in ihre beiden und pflanzte kurze Küsse über seinen Handrücken. „Kannst du dich umdrehen?“ Er musterte sie und sagte anstrengend: „Warum? Willst du mich schon wieder anketten...“ Und er versuchte zu grinsen. Sie hielt ihm drohend einen Zeigefinger unter die Nase. „Wenn du in deinem kläglichen Zustand nicht bald deine hitzköpfigen Kommentare unterlässt, dann kette ich dich die gesamte Nacht an, du Witzbold...“ Aber er hatte immer noch sein idiotisches Grinsen im Gesicht. „Du weißt, mein Schatz, Fesseln haben durchaus auch was gutes“, murmelte er und gähnte dann. „Wie darf’ ich das nun wieder deuten?“ Er stützte sich auf seine Ellenbogen und hauchte ganz nah an ihr Ohr: „Das offenbart sich dir schon irgendwann...“ Seine tiefblauen Augen waren frech und impertinent. Sein Lächeln begehrenswert. Zelda aber winkte ab und schüttelte den Schädel. Die romantische Stimmung zunichte machend, ordnete sie an: „Dreh’ dich um.“ Bereitwillig befolgte er ihrem Befehl und lag auf seinem Bauch, spürte die angenehme, kühle Masse der Heilsalbe, die neben seinem Steiß schmerzlindernd in die Haut zog. „Was genau ist denn überhaupt passiert?“, sagte er gedämpft, während die junge Königstochter weitere erbsengroße Portionen der Substanz massierend über seinem Rücken und Po verteilte. „Ich... weiß nicht genau... wie es passieren konnte. Aber du hattest einen Skultula- Parasiten, der sich von dir, deiner Seele, deinem Fleisch und deiner Lebensenergie ernährte, knapp neben deinem Steiß sitzen, auf die linke Pobacke zu... Er war ziemlich groß.“ Sie sprach langsam und leise, als ob allein der Gedanke, die Sache hätte schlimmer enden können, zuviel war für ihre besorgte Seele. „Oh...“, seufzte er überrascht. „Ich hätte nicht gedacht, dass diese Biester so viel Schmerz verursachen können.“ In dem Moment kuschelte sich die Prinzessin an seinen Rücken und erwiderte träge: „Hattest du schlimme Schmerzen.“ „Ja...“, murmelte er und gähnte. „Ich war so... besorgt um dich...“ Ihre Stimme leise und klapprig. Ein Hinweis, dass auch sie unheimlich müde war. „Ich hatte einen komischen Traum... während ich in diesem Zustand weilte“, meinte er, wand sich langsam und vorsichtig um und drückte Zeldas Körper an seinen. „Da war ein Fest...“ Verwundert richtete sich die Prinzessin wieder auf und strahlte in seine tiefblauen Augen. „Ein Fest? Erzähl’ mir mehr davon.“ „Ich weiß nicht mehr genau, aber da waren viele Hylianer... auch Rick und Maron mit spitzen Ohren... ich glaube, ein Thronsaal.“ „Wirklich?“, sagte sie, behielt aber den Gedanken, dass es kein Traum, sondern eine Erinnerung war, für sich. „Aber jetzt träumst du von mir“, befahl sie spielerisch und Link antwortete ihr mit einem leichten Grinsen. Nach einem süßen Gutenachtkuss fielen sie beide in einen erholsamen Schlaf nach der anstrengenden, schmerzhaften Nacht... Kapitel 102: Inmitten von Feuerpfeilen und Lava ----------------------------------------------- Kapitel 85: Inmitten von Feuer und Lava Es war früh am Morgen. Über den Wipfeln des gigantischen Todesberges erhellte sich geduldig und sanft der zeitige Himmel. Ab und an klomm dicker Dampf aus vielen Schlupflöchern hier oben und löste sich auf, während er emporstieg. Dicht neben seiner Liebsten schlummernd lag der Held der Zeit in stillen Träumen. Seit dem schrecklichen Ereignis von gestern, hatte sich Link in dem Zelt nicht mehr gerührt, war so fest in seinem Schlaf eingebunden, dass er gar nichts mehr registrierte, bemerkte nicht die verwöhnenden Streicheleinheiten seiner Prinzessin, die gähnend, aber munter über ihn wachte. Er bemerkte nicht die kleinen Küsse, die sie über sein Gesicht verteilte und hörte auch nicht die lieblichen Worte, die sie flüsterte. Mit leichter Beunruhigung dachte Zelda an gestern Abend, und fragte sich allmählich, ob es das Schicksal so wollte, dass immer irgendetwas dazwischen kam, wenn sie sich beide in der Nähe des anderen verwöhnen wollten. Es war schlichtweg gemein, dachte sie... Ihre himmelblauen Augen erforschten den ruhenden Helden neben ihr, bis sie hämisch grinste und eine kleine Teufelei ausheckte. Sie wollte ihn nur ein wenig verwöhnen nach der schmerzhaften Erfahrung von gestern... und was sprach dagegen? Sie selbst würde genießen, und er würde genießen. Sie musste ja nicht zu weit gehen, dachte sie, aber ihre kindliche Neugierde und ihre Naivität in Sachen Liebe waren eben da und sie war zu wissbegierig um es nicht zu wagen. Links Körper war noch nackt von gestern und lediglich eine wärmende Decke lag über ihm. Ganz sanft und listig zog sie ihm die Decke vom Körper, was ihn nicht dazu brachte aufzuwachen. Er brummte etwas und sein Kopf neigte sich ein Stückchen mehr zu ihrem, aber er schlief. ,Link, mein kleiner Liebling.’, dachte sie hämisch. ,Du hast absolut keine Ahnung, was deine Zelda mit dir anstellen könnte, wenn du schläfst.’ Von oben bis unten bewunderte sie seine Entblößtheit und kam nicht umher, ihre leicht erröteten Wangen kaschieren zu können. Er hatte ja überhaupt keine Idee, wie attraktiv er war... Nein, er hatte keine Vorstellung davon, wie er weibliche Geschöpfe in seinen Bann zog. Sie biss sich auf die Lippe, kaute darauf und begann mit wenigen Fingerspitzen über seine Brust zu streicheln. Seine sonnengebräunte Haut war schön und straff. Und ihre Fingerspitzen streichelten verspielt und mutiger über seinen durchtrainierten Bauch, bis er einen Seufzer aus seiner Kehle dringen ließ. Beschwörende Liebesformeln in Hylianisch entkamen Zeldas roten Lippen. Süß und warm hauchte sie jene Worte an sein rechtes Ohr, bis der junge Heroe wieder nichtsahnend ganz still wurde und fest schlief. ,Ich weiß, du genießt das, mein Schatz...’, sagte sie in Gedanken und lief mit ihren Lippen über sein Gesicht, erforschte die Haut seines Halses, wanderte weiter und weiter hinab, bis sie an seinem Bauchnabel stehen blieb. Seine Haut schmeckte süß, dachte sie, ein wenig zimtartig, so wie es in den Kokiriwäldern immer geduftet hatte. Link seufzte wieder, diesmal tiefer und genießender und da wusste sie, dass er sich immens wohlfühlte hier in der trockenen Wärme des Todesberges. ,Ob er auch das genießen würde?’, dachte eine unerfahrene Zelda und streichelte mit ihren unschuldigen Händen zunächst den Bereich unterhalb seines Bauchnabels, bis sie ungeniert und neugierig weiter hinabwanderte. Er seufzte lediglich, als die Prinzessin, sich nichts dabei denkend, seine Männlichkeit mit sanften Händen liebkoste. Sie hatte so etwas noch nie berührt und war ganz verwundert, wie es sich anfühlte... Schon gestern hatte sie das tun wollen, aber der Parasit in Links Rücken hatte ihr abendliches Interlude einfach zunichte gemacht... Wie ärgerlich... Wenn sie irgendwann wieder in einer weitreichenden Zukunft als Prinzessin Zelda von Hyrule die Augen öffnen würde, dann würde sie alle Parasiten dieser gemeinen Sorte mit magischen Mitteln ausrotten... Plötzlich wurde ihre verwöhnende Hand von einer starken ihres Helden umfasst und er öffnete ein Auge, um Zelda zu mustern. „Was tust du...“, murmelte er und gähnte. Sie hüstelte, hauchte einen Morgengruß über ihre Lippen und unterband ihre Feinfühligkeiten. Lächelnd näherte sie sich ihm und kuschelte sich an ihn heran. „Wie fühlst du dich?“, meinte sie und küsste ihn auf die Stirn. „Wunderbar...“, sagte er grinsend und rollte sich, so nackt wie er war, über sie. „Das merkt man...“, eiferte sie und blickte verliebt in seine tiefblauen Heldenaugen. „Und woran merkt man das?“, neckte er. „An... deinem Grinsen und...“ Aber er ließ sie nicht aussprechen und küsste sie leidenschaftlich. Mit einer Hand wanderte er während des Kusses unter ihr helles Hemd und streichelte ungezwungen über ihre Brust. „Wenn du das nächste Mal schläfst, Zelda...“ „Was dann?“, lachte sie, während er sie liebevoll in den Hals biss. „Dann erlaube ich mir noch mehr Dinge als bloß deinen Körper zu streicheln“, entgegnete er grinsend. „Soso... du hast also alles gemerkt?“ „Fast alles“, grinste er und blickte sehnsüchtig in ihre blauen Augen. „Und du kriegst noch deine Rache dafür, Engel.“ Sie streichelte über seinen Rücken bis zu der kleinen Wunde, die von dem Parasit übrig war. „Auf diese Form von Rache freue ich mich jetzt schon...“ Damit lachte er und wollte sie gerade küssen, als er ein paar Augen im Genick spürte. Hastig ließ er von ihr ab und führte seinen Zeigefinger mit einem ,Pst’ an die Lippen. In dem Augenblick huschte ein etwas größerer Schatten am Zelt der beiden Hylianer vorbei. Aufgeregt legte Zelda ihre Hände auf Links Schultern und suchte seine Nähe. Schutzsuchend drückte sie sich an ihn. Mehrere Minuten vergingen und Link reckte vorsichtig und mit Schwert bewaffnet den Schädel nach draußen. Aber in der düsteren Morgendämmerung des Todesberges war nichts Ungewöhnliches auszumachen. Er deutete Zelda an, sich aufbruchfertig zu machen und zog sich schnell seine Kleidung an. So schnell wie möglich räumten sie ihre Sachen in magische Taschen und machten sich auf den Weg in die glühende Weisenstätte, die irgendwo in der Lava einen Eingang hatte. „Wir machen am besten unterwegs frühstück, ich möchte nicht riskieren, dass wir hier von Ganons Scharen gefunden werden“, erklärte Link und zog den Gürtel um seiner Hüfte fest. Zelda nickte und bewaffnete sich mit Schwert, Dolchen und Bogen. Die Ruhe bewahrend baute Link das Zelt ab und Zelda blickte wenige Meter weiter an den Hängen hinab in den dampfenden Lavastrom. Irgendwo dort war ihr Weg. Irgendwo dort unten am Grund des Todesberges war neben dem alten Feuertempel ein alter Eingang zu der Weisenstätte, der, so hoffte Zelda, noch passierbar war. Die Schwierigkeit jedoch, das Ziel zunächst zu finden, war das, was sie im Augenblick beschäftigte. Umgeben von heißem Vulkangestein noch einen möglicherweise verschütteten Eingang zu finden, war nicht das einfachste Unterfangen. Und sie hatte Zweifel, wie sie überhaupt nach unten gelangen sollten. Sie führte einen Zeigefinger an ihr Kinn und grübelte. Einen irrsinnigen Blick, voller Melancholie und Liebe, sendete der junge Heroe aus, während er zu Zelda hinüber schielte. Sie war so anmutig, allein, wenn sie nachdachte und ihre weitreichenden Gedanken erforschte. Ihre Haltung, einfach edel... Er lächelte, räumte die restlichen Sachen in seine magische Tasche und lief langsam zu ihr hinüber. Sie hatten vielleicht nur noch diese wenigen Tage zusammen, bevor der Kampf gegen Ganon in die letzte alles entscheidende Phase ging, bevor sich ihre Wege vielleicht trennen würden. Aber diese gemeinsame Zeit würde er auskosten und genießen. Langsam tapste er näher und griff nach Zeldas Hand. „Kann es losgehen?“, meinte er und lächelte. Sie nickte und grinste breit. „Schau’ mal in Richtung Westen, an der anderen Seite des großen Todesschlundes.“ Sie deutete mit ihrem anderen Arm an die hohe, steile Felswand. Link schmälerte den Spalt seiner Augen und entdecke durch die aufsteigenden Wärmebriesen viele Meter weiter eine gefährliche, uneinladende Metalltreppe die weiter hinabführte, direkt hinein in das gefährliche Reich der Lava. „Du meinst die Treppe?“ „Genau. Ich würde vorschlagen, wir folgen den Treppenstufen und sehen dann weiter, wenn wir näher an dem Grund des Kraters angekommen sind.“ „Gut.“ „Gut“, entgegnete sie, hielt Link aber fest an der Hand, als er weiterstiefeln wollte. „Stimmt was nicht?“ Aber Zelda schüttelte den Kopf, sodass ihre goldenen Strähnen vor ihren Elfenohren baumelten. Sie führte beide Hände an Links Wangen und las eindringlich in seinen Augen. „Betrübt dich das nicht, dass wir nicht mehr viel Zeit haben?“, murmelte sie und drückte den Kopf gegen seine Brust. Als Link nichts darauf sagte, setzte sie hinzu: „Ich weiß nicht, ob ich einfach so zurückgehen kann... Zurück in die neue, moderne Welt.“ Link hob ihr Kinn nach oben. Ernst und Trübsinn in seinem Blick. „Nein... du musst nicht einfach so zurückgehen. Du kannst Hyrule immer wieder sehen. Ich meine, in dir, in deinen Gedanken. Ich kann verstehen, dass es dir nicht leicht fällt, zurückzugehen in eine neue Welt.“ Er umarmte sie innig. „Aber ich helfe dir gerne...“ Sie drückte einen Kuss auf seine Wange. „Wenn ich dich nicht hätte...“, sagte sie leise. „Dann wärst du nicht Zelda und ich nicht Link“, erwiderte er. „Wir gehören einfach zusammen.“ Er lachte und küsste sie zärtlich. Es dauerte Minuten ehe sich das Paar voneinander löste. Arm in Arm betrachteten sie sich die glühende Lava vor ihnen und den weitreichenden Himmel über ihren Elfenköpfen. Schweigend liefen sie dann Hand in Hand einen Pass im Inneren des Kraters entlang. Nur noch wenige Tage und das Schicksal der Welt würde sich entscheiden. Noch wenige Tage bis der letzte Kampf gegen das Böse gekommen wäre... Über den Gipfeln des Todesberges marschierten derweil einige Kreaturen schemenhaft umher, schärften ihre eingedellten, schlitzigen Augen und überblickten zielgenau das Territorium. Es waren einfältige Moblins, die sich wispernd verständigten und von ihrem Meister die Anweisung erhielten die Heimat der Goronen zu bewachen. Grünhäutige Moblins gekleidet in einfachen Stofffetzen, mit krummen Bögen auf ihrem Rücken und rostigen Schwertern an ihren zerschlissenen Gürteln. Bisher waren die beiden Hylianer jenen Augen entkommen, die bereit waren, einen heftigen Feuerpfeilregen auf ihre Opfer niedersausen zu lassen. Nur Link spürte ab und an ein paar Augen im Genick und wann immer er sich umsah, sich zur Besorgnis Zeldas leise und misstrauisch verhielt, so konnte er nichts ausmachen, sah an den Hängen nichts Verdächtiges und so folgten sie weiterhin, aber flinker ihrem vorbestimmten Weg. Inzwischen stand die Sonne an ihrem höchsten Punkt und strahlte spärlich ihren leuchtenden Schein in den riesigen Krater des Todesberges, der vor vielen Jahren das letzte Mal einen reißenden Ausbruch hatte. Zelda und Link erreichten durchgeschwitzt die uneinladende, alte Eisentreppe, die tiefer in den Todesschlund hineinführte, als der junge Heroe erneut misstrauisch zu den vielen Hängen blickte. „Link... Verrätst du mir nun endlich, was dich stört?“ Sie drückte seine linke Hand in ihrer um so die Aufmerksamkeit zu gewinnen, die sie nicht besaß. „Auf dem Gipfel stimmt irgendetwas nicht. Wir sollten uns so unauffällig wie möglich verhalten.“ Sie nickte und kramte das überfällige Frühstück aus einer magischen Tasche und setzte sich einen kurzen Moment auf eine Treppenstufe. Link blickte währenddessen wieder nach oben, versank beinahe in seiner Trance und wünschte sich, er könnte den Todesberg von oben betrachten, wünschte sich, seine Augen wären so etwas wie selbstständig und würden beinahe götterhaft von oben alles erkennen. „Möchtest du Frühstück, Link?“, sagte Zelda und trat an ihn heran. Sie reichte ihm Brot, welches die Gnome ihnen mitgegeben hatten. „Ja, sicher“, meinte er und knabberte an dem Stück Weißbrot, schielte aber beständig hinauf zu den Bergen, wurde sorgenvoller. „Ich weiß es zwar nicht hundertprozentig, aber ich nehme an, dort oben über dem Gipfel halten sich in etwa fünfzig Moblins auf. Und spätestens wenn wir das Plateau am Grund erreichen sollten...“ Link deutete mit seinem Schwertarm nach unten, zu genau dem Punkt, wo die alte Metalltreppe endete. Das Plateau war sehr übersichtlich und hellerleuchtet durch das Magma ringsherum. Ein Häuschen aus schmelzfestem, magischen Metall gebaut und zusätzliche Fackeltürme standen dort. „... spätestens dann werden sie uns entdecken. Was schlägst du vor, Zelda?“ „Wir müssen auf alle Fälle den Grund vor dem großen Lavastrom erreichen, sonst finden wir womöglich die alte Weisenstätte nicht. Ich fürchte wir haben keine Wahl...“ Ihr war mulmig zumute bei dem Gedanken, das spürte der junge Held. Aber einen anderen Weg gab es nicht und die Moblins zu diesem Zeitpunkt herauszufordern wäre ebenso eine Idee für Wahnsinnige. Denn hier auf der schmalen Treppe zu kämpfen, womöglich etlichen Attacken auszuweichen, war lebensmüde. „Okay... dann auf und hinein in die Gefahr“, meinte Link, schenkte ihr ein zweifelndes Grinsen und wies sie an, dicht hinter ihm zu laufen. Vorsichtig tasteten sich die beiden Spitzohren auf der Treppe hinab, überquerten mit Hilfe Zeldas Magie breite Löcher, seilten sich an gefährlichen Bereichen hinab, bis sie ein ganzes Stückchen an Weg zurückgelegt hatten. Je näher sie dem erleuchteten Plateau kamen, umso langsamer bewegten sich die beiden vorwärts, schlichen behände und gebückt die letzten Stufen hinab und hielten die gefährlichen Hänge im Auge. Sie versteckten sich Ruhe bewahrend in dem Schatten, den ein Felsblock bot und blickten um sich. „Kannst du irgendetwas erkennen?“ „Jep... nördlich, neben dem großen Lavastrom, der an den Hängen hinabrauscht, sitzen vier kleine Moblins auf einer Eisenstange.“ Zelda blickte genauer hin und bestätigte mit einem Nicken. „Und ganz oben, direkt auf dem Gipfel des Todesberges, stehen sieben oder acht von der selben Sorte. Außerdem befinden sich in etwa zehn direkt vor unserer Nase, versteckt hinter dem kleinen Häuschen am Grund des Todesberges. „Mmh... aber ich glaube, das waren noch längst nicht alle...“, erwiderte Zelda. Link grinste: „Wie auch immer... Ich würde meinen, wir holen mal unsere Bögen heraus.“ Zelda nickte, bereit und entschlossen. Geschwind suchten sie ihre Köcher und die Bögen zusammen. Sich Mut machend hielt die junge Prinzessin die Pfeile fest umkrallt und blickte hoffend, vielleicht auch schutzsuchend in den tapferen Blick, den Link aufgesetzt hatte. Es war wohl dieser Blick, in den sie sich damals zuerst verliebt hatte. „Wie möchtest du vorgehen?“, fragte sie und suchte die Antwort in seinen Augen, bevor er diese selbst parat hatte. Er umgriff sanft ihre Oberarme, lächelte und sagte entschieden: „Bleib’ hier und gib mir Deckung. Ich werde die Moblins, die auf unserem Weg liegen, ausschalten und du bekämpft diejenigen auf den Hängen. Schaffst du das?“ Sie presste ihre schönen Lippen aneinander und meinte tollkühn: „Natürlich schaffe ich das!“ „Ich hätte auch nichts anderes erwartet“, lachte er, gab ihr einen kurzen Kuss und schlich vorsichtig hinter dem Felsblock hervor. Schritt für Schritt trat Link näher, schaute mit seinen tiefblauen Augen erkundend umher, bedacht jede kleine Bewegung in dem riesigen Todeskrater ausfindig zu machen. Der letzte Tempel lag vor ihnen und der schwierigste vermutlich. Denn bereits die vielen Wachen zeugten von dem, was sich Ganondorf ausgedacht hatte, um die Mission doch noch scheitern zu lassen. Und irgendwo in dem Inneren des Helden schlummerte die Gewissheit, dass Ganon ihn fürchtete. Irgendwo wusste Link, dass er der einzige Gegenspieler sein würde, vor dem Ganon mehr oder weniger Respekt hatte. Ganondorf wartete auf die letzte Schlacht genauso wie Link selbst. Er wartete immer bis zur letzten Stunde und ließ sich bewusst nicht blicken, ließ sich Zeit, seine Feinde zu beobachten. Gerade aus diesem winzigen Gedanke an Übermacht schöpfte Link die Stärke weiterzumachen. Furcht zeigte sich auf beiden Seiten... nicht nur auf der Guten... Und auch die Moblins, die er jetzt ohne Zweifel und ohne Gefühl in ihr Reich der Finsternis schicken müsste, fürchteten sich vor dem Guten. Das Gute in Verkörperung des Helden, der mit jeder weiteren Sekunde seinem wahren Ich näher kommen würde. Inzwischen stand Link herausfordernd in der Mitte des Grundes und von den vielen hohen Fackeln schien ein unheilvoller Schein auf ihn hinab. Als die spärlich bekleideten Moblins ihn entdeckten, stürmten sie leichtsinnig auf ihn zu, zischten barbarisch, trampelten mit ihren schweren Füßen auf dem Boden, sodass er vibrierte. Nur kurz schaute Link zu Zelda, die ihm ein Nicken entgegensendete und ihren Bogen spannte. Und die grünhäutigen Moblins hetzten dröhnend auf ihn zu, riefen zur Schlacht und auch die kleinen Dämonen an den Hängen und auf dem Gipfel des Berges begannen mit ihren schaurigen Rufen, bliesen mit ihren Hörnern zu einem grandiosen Gefecht und im gesamten Todeskrater ertönten die schiefgestimmten Hörner... Im selben Augenblick zischten Dutzende Pfeile auf die Ebene, gefolgt von weiteren, die ihr Ziel zwar verfehlten, aber Links ganze Konzentration forderten. „Zelda! Schieß endlich!“, brüllte Link und kämpfte sich durch die Moblins hindurch, die ihn umzingelten. Weitere Feuerpfeile von oben und der gewandte Kämpfer wehrte einige mit dem Schwert ab. Andere prallten an den Schild der Götter und wurden von ihm aufgesogen, wie eine Pforte, ein dunkles Loch, welches jegliche Materie verschluckte. Zelda währenddessen wurde immer unruhiger, verspürte Angst und Sorge um Link, der wie ein Irrer kämpfte und dem Pfeilregen entging. Sie spannte einen Pfeil nach dem anderen, aber sie trafen einfach nicht. Aus mangelnder Konzentration und aus Angst... „Zelda!“, rief Link. „Mach’ schon. Ich glaub’ an dich!“ Sie schaute hoffnungsvoll und gestärkt hinter dem Felsblock hervor, spannte einen weiteren Pfeil und nutzte ihre Magie um endlich das Ziel zu treffen. Zelda heiliges Licht spannte sich wie ein goldener Spinnweben um die metallene Pfeilspitze und als sie das Geschoss abfeuerte und sich weder Zweifel noch Furcht in ihren blauen Augen spiegelte, blendete das Licht jene Moblins, denen das Geschoss galt. Der Pfeil traf nur eines der Biester, aber das Licht schickte jeden Moblin auf den Hängen hinab in die glühendheiße Lava. Das Licht strafte die mit dunklen Gedanken für ihre Sünden... Weitere Pfeile gingen nach oben und innerhalb von Sekunden erstrahlte der gesamten Todeskrater in Zeldas heiligem Licht der siebten Weise und der Triforceträgerin der Weisheit. Konzentrierter ließ Link währenddessen die Klinge durch die Brut von Moblins wandern, kräftige Kämpferrufe begleiteten sein Urteil, bis schließlich die hellerleuchtete Ebene mit dem Metallhäuschen leergefegt vor ihm lag und nur kleine Ascheteilchen in der Luft tanzten. Zelda trat in dem Augenblick näher, griff nach seiner Hand, lächelte und bedankte sich für den kleinen Ansporn. Link grinste und wusste auch so, dass sein Grinsen alles sagte, was es zu sagen gab. Prüfend beschaute der Heroe nochmals das gesamte Territorium, wollte auf Nummer sicher gehen und gab schließlich Entwarnung. Es schien als hätten sie alle Mitglieder dieser kleinen Moblinbrut in die Flucht geschlagen... Die junge Prinzessin studierte alsdann wissbegierig die Karte und Link trat vor das eigentümliche Häuschen. Als ein interessantes, kleines Hexenhäuschen hätte er jenes bezeichnet, wenn er auf der Erde wäre. Aber hier in Hyrule war dieses Häuschen bis auf das dunkle, fast schwarze, magische Metall nichts Besonderes. Der neugierige Heroe versuchte die Tür zu öffnen, aber sie war verschlossen. Zelda hüpfte erfreut näher und zeigte ihm die Karte. „Hast du etwas herausgefunden, Engel?“ „Jep, dein Engel findet immer die Lösung, Link“, lachte sie und deutete auf die Karte. Dort war direkt auf dieser Ebene eine Markierung von dem kleinen Bengel zusehen. Direkt dort, wo eigentlich das Häuschen sein sollte. „Also müssen wir irgendwie in dieses Haus kommen“, stellte Link fest und schaute dann träumerisch in das verschwitzte Gesicht seiner Prinzessin. „Ist dir auch so warm wie mir?“ „Mmh... ich halt es hier schon fast nicht mehr aus vor Wärme“, stimmte sie zu. „Kein Wunder... wir befinden uns schließlich direkt am glühenden Todesschlund.“ „Und ich hoffe, in der Weisenstätte ist es kühler.“ „Da würde ich nicht drauf hoffen...“, sagte Zelda vernichtend. „Man wird jawohl hoffen dürfen“, sagte Link trotzig und hatte irgendwie Lust sich mit seiner Prinzessin anzulegen. Sie verschränkte die Arme und sagte herausfordernd: „Kein Wunder, dass man den Helden der Zeit auch einen naiven Hoffenden nennt.“ Link setzte einen unverschämten Blick auf, trat einen Schritt näher und packte Zelda innig in seine Arme. „Wenn dein Held der Zeit nicht hoffen würde, hättest du dich doch gar nicht in ihn verliebt.“ „Und wenn deine Prinzessin des Schicksals nicht ihre Hoffnung gebraucht hätte, hättest du ja gar keine Chance gehabt, bei ihr zu landen“, zickte sie und grinste breit. Link rutschte näher und fasste mit einer Hand an ihr Genick, zärtlich, aber äußerst verführerisch. „Prinzessin, ich glaube, du unterschätzt gewisse körperliche Attraktivitäten, die dazu führten, dass ich bei dir gelandet bin.“ Mit der anderen streichelte er über ihren Po und Zelda seufzte angenehm und reckte das Haupt zurück. „Siehst du! Du wirst schwach und wärst schwach geworden auch ohne meine naive Hoffnung...“ Sie grinste: „Ich gebe mich geschlagen...“ „Das heißt, ich kann mit dir machen, was ich will?“, lachte Link und knabberte an ihrem Hals. Zeldas Augen schwenkten nach oben, auf der Suche nach einer passenden Antwort. Aber sie wusste einfach nicht, was sie sagen sollte. Wollte Link das missglückte Ereignis in den heißen Quellen jetzt sofort nachholen? „Ich deute dein Schweigen als unwiderrufliches ,Ja’.“ Und damit suchte er ihre Lippen, raubte ihre die Luft und Standfestigkeit. „Weißt du, was ich jetzt mit dir vorhabe?“, murmelte Link nach dem rauen, fast herben Zungenkuss. Sie schüttelte den Kopf und fürchtete sich fast vor der Antwort. „Ich habe vor mit dir etwas gegen diese irrsinnige Wärme hier zu tun...“ „Und... was... schlägst du vor...?“, fragte sie leise, fast nervös und schüchtern. Er hörte ihre Unruhe aus den Worten und schmunzelte. Er lachte und meinte bloß: „Nicht das, was du denkst, mein Schatz, das... wäre ja alles andere als abkühlend.“ Sie schmollte und blickte verlegen zu Boden. „Idiot...“, murmelte sie. Und Link lachte lauter. „Je lauter du lachst, umso mehr bist du ein Idiot“, sagte sie biestig und verschränkte die Arme. „Und du, meine kleine Prinzessin, bist einfach nur goldig unschuldig.“ Denn ihre Worte verrieten sie mal wieder. In jede kleine Bemerkung von Link schien sie nun Begehr und Lust auf Körperliches, Lust auf Intimität hineinzulesen. „Das musst du gerade sagen“, erklärte sie gewitzt. Sie setzte einen ironischen Blick auf. „Du wirst mir ja wohl nicht erzählen wollen, dass du schon... na ja... schon...“ Sie verhaspelte sich und wurde fuchsrot im Gesicht, so rot wie die Lava, welche um die kleine Ebene herumfloss. Links rechte Augenbraue zog sich irritiert nach oben und die andere nach unten. Aufgebracht wedelte Zelda mit ihren Armen, blickte an Link vorbei und wusste nicht, wie sie diese Worte herausbringen sollte. „Arg... verdammt, du bist doch auch unschuldig!“, platzte es aus ihre heraus. „Oder?“ Link grinste und schaute eindringlicher in den verlegenen, beschämten Blick, den Zelda ihm schickte, damit er verstand. „Wie?“, meinte er. Zelda rollte mit den Augen, verkrampfte die Fäuste und brüllte so laut, dass es im gesamten Krater gehört werden konnte. „Verdammt, Link, du hast doch auch noch mit keinem Mädchen geschlafen!“ Und dann war es aus. Link glotzte dumm aus der Wäsche und benahm sich wie ein versteinerter Hylianer, aus dem jegliches Leben herausgesickert schien. Er wurde leichenblass im Gesicht. Er blinzelte ein paar Mal und fragte sich, ob das seine Zelda schon die gesamte Zeit plagte? „Bei Nayru!“, schimpfte sie und stapfte so lange hin und her, bis Link plötzlich vor ihr stand und sie stoppte. Er schluckte: „Sag’ bloß, das beschäftigt dich?“ Sie aber musterte ihre dunkelbraunen Stiefel und den staubigen Grund, auf dem sie beide standen. „Das ist nicht dein Ernst, oder?“, schmunzelte Link und zog sie fest an seine Brust. „Wenn du es wissen möchtest, Zelda... dann hör’ doch in dich hinein.“ Sie schaute ihn leicht trübsinnig an. „Du hast nicht...?“ Er schüttelte lapidar den Schädel. Daraufhin lächelte die junge Prinzessin tiefgehend, blickte entschieden und sehnsüchtig in seine Augen. Ein Blick für den er sterben könnte... „Du hast keine Ahnung, wie froh ich darüber bin...“ „Ach, Zelda... und du hast absolut keine Ahnung, was du mir antust, wenn du lächelst“, murmelte er dann und drückte sein Gesicht in ihr duftendes Haar. „Ich meinte vorhin bloß, dass wir uns was Dünneres anziehen sollten...“, setzte er brummend hinzu und roch genießend den Duft von Zeldas goldbraunen Haarsträhnen. Hand in Hand stapften sie hinüber zu der kleinen Hütte und die Prinzessin ließ mal wieder den großen Schlüsselbund mit den unterschiedlichsten Schlüsseln in ihren Händen spielen. Geduldig probierte Zelda die Schlüssel durch und schielte ab und an zu Link, der beunruhigt die rauen, schwarzen Hänge im Visier hatte. „Zelda, beeil’ dich.“, meinte er und hielt Pfeil und Bogen bereit. „Schon wieder Moblins?“, rief sie. Und Link nickte nur. Moblins. Er fühlte ihre widerliche, barbarische Aura, roch ihren Gestank nach Verwesung und Dreck von Weiten und hörte ganz leise, zischend, ihre schiefen, kratzigen Stimmen. In dem Moment durchbrach ein einzelner, dicker Pfeil die Stille und prallte mit einem sinnierenden Geräusch auf dem lockeren Boden auf. „In Deckung!“, brüllte der junge Held und beobachtete mit scharfen Augen wie im selben Moment mehrere Pfeile mit glatten Spitzen auf den Grund nieder krachten. Aber Zelda probierte weiterhin wie eine Irre die Schlüssel durch, begann zu zittern, während sie die Pfeile schwirren hörte. ,Ich hab’s gleich’, sagte sie zu sich. ,Gleich.’ Im Hintergrund ertönten währenddessen die schwulstigen Stimmen der Moblins. Und sie kamen näher. „Zelda. Geh’ endlich in Deckung!“, fauchte Link, während er einen Pfeil nach dem anderen spannte. Gerade da krachte ein Pfeil neben Zeldas rechtem Ohr in einen Holzpfeiler des kleinen Häuschens. Sie entließ einen lauten Schreckensschrei und ließ sich zu Boden sinken. Und weitere Pfeile gingen hinab, brausten mordlüstern auf den Grund, wo zwei reinherzige Hylianer standen. So gut wie es ging, suchte Zelda weiterhin nach einem passenden Schlüssel und Link kämpfte verbissen gegen den übermächtigen Pfeilregen. Er wusste noch nicht einmal genau, woher alle der Pfeile regneten, wusste einige der Geschosse nicht zu orten und verließ sich auf sein Gespür. „Link, ich hab’s!“, rief Zelda und öffnete stürmisch die Tür. Sie wedelte mit ihren Händen und forderte ihn auf, sich zu beeilen, näher zustürmen und die blöden Moblins in Ruhe zu lassen. Aber Link konnte nicht. Er war zu beschäftigt mit seiner Deckung, rollte sich über den Boden um den Pfeilen zu entgegen und spannte selbst erbarmungslose Geschosse, die seine Widersacher durchbohren würden. „Link!“, kreischte Zelda. „Es sind zu viele!“ Er blickte hektisch um sich, hüpfte und sprang, bis er einen jaulenden Schrei von sich gab und zu Boden krachte. Zelda schlug die Hände ins Gesicht, schrie auf und stürmte zu ihm. Sie rüttelte ihn an den Schultern, konnte aber nirgends eine Wunde entdecken. Sie klopfte hektisch auf seine Wangen und nannte ihn eindringlich bei seinem Namen. „Link... schnell. Sie kommen näher!“ Er öffnete ein Auge und kniff das andere zusammen. „Schnell!“ Er rappelte sich auf und endlich bemerkte Zelda einen kleinen Streifschuss knapp über seinem linken Knie. Er biss die Zähne zusammen und humpelte mit seiner Prinzessin aufgelöst zu dem kleinen Häuschen. Mit den Nerven am Ende knallte Zelda die Tür zu und verriegelte die Hütte. Es war dunkel im Inneren, so tiefschwarz, dass Zelda sofort ihre Öllampe hervorkramte und ein wärmendes Licht in den Innenraum brachte. Sie stellte die Lampe neben Link ab, dessen tiefblaue Augen in der Dunkelheit schillernd strahlten. Mehr gab der Lichtschein von dem Innenraum nicht preis, bloß den kleinen Punkt, wo Link hockte und seine Prinzessin vor ihm saß. Er fluchte und stöhnte und hielt eine Hand auf sein schmerzendes Bein. „Verdammte Moblins!“, schimpfte er und presste weiterhin die Handinnenfläche auf den Streifschuss. „Pst...“, sagte Zelda leise und wühlte in ihren Taschen nach Verbandszeug. „Den Göttinnen sei dank ist die Wunde nicht schlimm...“, murmelte sie und betrachtete sich liebevoll die Verletzung. „Ja, aber sie brennt wie Feuer“, entgegnete er. Sie tupfte vorsichtig mit einem in Heilkräutern getränktes Tuch über die Wunde und blickte mehrmals von Links Augen zu der Wunde und wieder in seine Augen. Er seufzte gequält und stoppte Zeldas Hände, die jene Wunde versorgten. „Genug... das brennt noch schlimmer als die Wunde allein.“ Sie grinste unverschämt: „Sei nicht so empfindlich.“ Fest schnürte sie einen Verband um die Wunde. „Ich bin nicht empfindlich!“, rechtfertigte er sich und zog das verletzte Bein weg. „Oh... mein süßer, kleiner Jammerlappen.“ Zeldas Augen glitzerten und aus ihrem Lächeln strahlte wieder soviel Zuneigung und tiefe Gefühle. „Hey, das war mein Spruch an dich“, murrte Link. „Du warst mein kleiner Jammerlappen.“ „Ich lerne eben von dir.“ „Wenn das so ist, dann kann ich dir noch viel unverschämtere Dinge beibringen.“ „Hallunke!“ Ihre Stimme war ernst, aber geschauspielert. Sie stützte sich auf ihre Hände und krabbelte näher zu ihm heran. „Betitelst du mich so, weil es dir Spaß macht, dich auf unverschämte Dinge einzulassen“, meinte Link und wich immer weiter zurück, während Zelda ihm mit beinahe gefährlichem Grinsen auf den Pelz rückte. „Nein, weil du einfach nur unverschämt bist, mein süßer Link.“ Sie tupfte mit ihrer Nase an seine und liebkoste sanft und natürlich seine Lippen. „Dein Mund ist so trocken“, murmelte sie während der Liebkosung. Sogleich drückte sie ihn zu Boden, suchte seine Nähe und küsste ihn wieder. „Mmh... ich hab’ Durst“, sagte er. Zelda ließ kurz von ihm ab und grinste wieder. Äußerst neckisch streichelte sie seine Haarsträhnen über den Augen und meinte: „Willst du dann von mir trinken?“ Sie lachte, während Link sich immer dümmlicher vorkam. Kein Wunder, denn Zelda verhielt sich so unvorhersehbar, so ausgelassen, so vergnügt, seit sie zusammen waren. Innerhalb weniger Tage war aus ihr ein ganzer anderer Mensch geworden. Und er liebte jedes bisschen davon, liebte sie trübsinnig und liebte sie noch mehr, jetzt, da sie ihre frohe Stimmung und ihr glückliches Gemüt offen zeigte. Ja, er hatte gerade so eine Seite von ihr vermisst... es war jene Zelda, die sie nun war, bevor sie ihr schmerzhaftes Gedächtnis wiederfand. Jene Zelda, in die er sich in seiner jetzigen Gestalt, mit seinen jetzigen Erinnerungen, zuerst verliebt hatte... „Jetzt mal ernsthaft... das hätte schief gehen können“, sagte sie finsterer und richtete sich auf. „Sicherlich, aber jetzt haben wir erst mal Ruhe vor den Monstern da draußen.“ Link trat vorsichtig auf die Beine und lief leicht humpelnd auf dem verletzten Bein an die nahe Wand. Er klopfe mit dem Heft des Schwertes dagegen und meinte ruhig: „Die Wände sind dick und stabil. Solange wir hier drin sind, sind wir sicher.“ Gelassen suchte er nach seiner eigenen Öllampe und betrachtete sich endlich den Innenraum der seltsamen Hütte. In dem kleinen Innenraum stand lediglich ein alter Holztisch mit zwei Stühlen, ein klappriger Schrank ganz rechts. Zwei mit Wasser gefüllte Schüsseln standen auf dem Boden und ein Körbchen, in welchem ein Haustier oder ähnliches geschlafen haben musste. Neugierig tapste Zelda näher und fand schwarze, abgestoßene Schuppen in dem Strohkörbchen. Ein kratziges Material, leicht feucht und irgendwie magisch. Sie ließ eine der Schuppen in ihre Handinnenfläche sinken und präsentierte sie ihrem Liebsten, der gerade vom Dachboden wiederkam, aber dort oben außer einem Bett nichts gefunden hatte. „Was ist das?“, meinte er und hielt die schwarze Schuppe gegen das warme Licht der rauchigen Öllampe. „Eine Schuppe von einem magischen Wesen. Es könnte sich hier irgendwo noch aufhalten.“ „Ist es gefährlich?“ Aber Zelda schüttelte den Kopf. „Ich denke nicht. Wenn du es sehen oder spüren solltest, dann bitte greif es nicht an, ja?“ „Du tust ja fast so als wäre ich gefährlich“, schmollte Link. Sie gab ihm einen Stups an die Nase. „Das bist du... Für das Böse bist du das. Und es wäre schrecklich, wenn es anders wäre.“ Link zuckte mit den Schultern und ließ sich überzeugen. „Und wie weiter? Wir haben das ganze Häuschen durchgesucht, aber nichts gefunden. Warum hat uns Klein- Link diese Markierung hinterlassen?“ Zelda schaute ratlos auf die Karte. „Weiß nicht... Hast du schon geschaut, ob es hier irgendwo Falltüren gibt?“ Falltüren? Das war ein Gedanke... Darauf hätte der gute Link ja auch eher kommen können. ,Sehr intelligent’, du angeblicher Held, dachte er und schüttelte den Kopf vor Dummheit. Er rollte mit den Augen und zog den kleinen, schäbigen Teppich beiseite, der auf dem Holzboden ruhte und fand tatsächlich etwas Verdächtiges: Eine steinerne Platte mit dem stolzen Goronenzeichen eingraviert bedeckte anscheinend einen Zugang, der tiefer in den Berg hineinführte und die Lavaströme möglicherweise umging. Unter allem Kraftaufwand schob Link die schwere Platte beiseite, fluchte und legte ein rundes, großes Loch frei, durch das sogar ein breiter Gorone passen würde. „Wollen wir?“, meinte Link und reichte seiner Prinzessin die Hand. Sie nahm sie grinsend an und nickte. Zusammen ließen sie sich in eine unendlich scheinende Tiefe fallen, hoffend, sie erreichten den nächsten Tempel, hoffend, dies war keine Falle ihres Erzfeindes, hoffend, der Grund unter ihnen würde nichts Gefährliches hüten... Kapitel 103: Geheimnisse der Vergangenheit XVIII ------------------------------------------------ Kapitel 86: Geheimnisse der Vergangenheit XVIII Es dauerte nicht lange und Link befand sich mit Zelda allein einmal wieder in ihren Gemächern. Sachte öffnete er das hohe Eichentor, nachdem er die Wache vor den hoheitlichen Gemächern aus seinem Dienst entließ. Noch immer hielt sich Zelda an Link fest, um nicht umzukippen oder bewusstlos zu werden. Sei fühlte sich schlapp und elend, als hätte das Fragment jegliche ihrer Kräfte absorbiert. Sie spürte manchmal, dass es sich nach den anderen beiden Fragmenten sehnte, nach purer Kraft und edlen Mut. Da aber das Mächtigste der Fragmente mit seinem Besitzer in der Hölle schmorte, zapfte ihr eigenes Fragment manchmal Kraft aus ihrem Körper ab, vielleicht um seiner Sehnsucht Willen, seiner Hingabe und dem Verlangen nach dem einen anderen Teil der Goldenen Macht. Langsam führte Link sie zu der kaminroten Couch, die an einer der campagnenfarbenen Wände stand. Nur einen Moment ließ er Zelda aus seinen Armen, nur um mit einer Kerze die Dunkelheit zu vertreiben. Doch die junge Prinzessin konnte einfach nicht auf ihren Beinen stehen, wehrlos versagten ihre zitternden Beine. „Vorsicht“, sagte Link und fing sie gerade noch auf. „Entschuldige. Meine Beine sind wie Blei...“ Es war keine Antwort nötig und so brachte ihr Held sie zu dem kleinen Sofa und entzündete alsdann eine der vielen, dickstämmigen Kerzen in dem kleinen Reich der Prinzessin. Mit entschiedenem Blick kniete Link vor der Königstochter nieder und konnte nicht anders, als seine warmen Hände auf ihre Knie zu legen. „Ist dir kalt?“, fragte er leise. Sie nickte schwach, aber sagte nichts, fühlte sich nur gerade so unendlich wohl in Links Nähe. Ein angenehmer Schimmer lag in seinen tiefblauen Augen, die im Moment bei jenem schwachen Kerzenlicht so dunkel waren, wie eine raue See bei Nacht. Diese Farbe war gefährlich und doch lag soviel Unschuld und Herzensgüte darin... Flugs sprang er auf und entzündete ein kleines Feuer in dem Kamin, stocherte beinahe ewig in dem Feuerholz in dem Kamin herum und überlegte angestrengt, ob es richtig war, schon wieder soviel Zeit mit der Prinzessin zu verbringen. Früher hatte er nicht einen Gedanken daran verschwendet, welche Konsequenzen es haben konnte, wenn zwei junge, gleichaltrige Hylianer, die zudem noch diese vielen Gemeinsamkeiten teilten, eine immense Zeit miteinander verbrachten. Es war nicht richtig, dass Link soviel Zeit mit ihr verbrachte, mit ihr- der Prinzessin... Doch jetzt, da er beinahe so alt war, wie bei der Begegnung mit dem Großmeister des Bösen, fühlte er langsam, welche Gründe es waren, die ihn dazu bewegten, bei der reizenden Prinzessin zu bleiben, welche aberwitzigen und albernen Gründe es waren, dass er über die Maßen gerne mit diesem attraktiven Wesen zusammen war. Nachdenklich fuhr er mit seinen Händen durch seine blonden Haare und schüttelte den Kopf angesichts dieser Gedanken. Was tut sie nur mit meinem Seelengleichgewicht, sagte er zu sich... Hastig stand Link auf und lief wieder zu dem Sofa, wo seine Prinzessin saß und gedankenverloren zu einer hohen Pendeluhr schaute. Links Blick verfolgte ihren. Kurz nach Acht. „Der Ball beginnt in einer Stunde...“, meinte sie gedämpft. Selbst ihre Stimme zitterte. Sie führte eine Hand an ihren stechenden Schädel und hatte einmal mehr etwas Tieftrauriges in ihrem Blick. In dem Moment lief ihr ein eisiger Schauer über die nackte Haut ihrer Unterarme und nur um nicht noch mehr zu frösteln, rieb sie sich mit ihren Händen darüber. „Immer noch kalt?“ Schwach erklang ein: „Ja...“, aus ihrer Kehle, auch wenn ihre Lippen mehr formen wollten. Doch sie entschied sich einmal mehr für das Schweigen. Vielmehr wünschte sie sich seine Wärme, statt der fremden Hand des alten Feuers in ihrem Gemach. Link kramte eine dicke Wolldecke aus der alten, abgenutzten Truhe die gleich neben ihm stand. Fürsorglich legte er Zelda die Decke um die Schultern. „Vielleicht brauchst du einen heißen Tee und ein warmes Bad, um wieder zu Kräften zu kommen.“ „Aber der königliche Ball...“ „Ach, Zelda. Es ist doch noch Zeit bis dorthin. Da warst du doch zehnmal in der Wanne.“ Der Versuch eines Lächelns gelangte über ihr blasses, im Kerzenschein flackerndes Gesicht, wo immer noch dunkelrote Striemen ihre Wangen bedeckten. Sachte fuhr Link mit seinen Fingerspitzen über die Blutlinien. Ein angenehmes Gefühl für Zelda. Eine derartige Berührung war es, von der sie in den Nächten träumte... Link fuhr fort, und streichelte weiterhin über ihre Wangen, war sich vielleicht nicht im Klaren darüber, was er tat. „Du hast Blut geweint...“, murmelte er mit für Zeldas Ohren unbekanntem liebevollen Klang. Ihre Augen versanken in seinen, als er mit seinen tröstlichen Berührungen fortfuhr und verzaubert von Zelda einige Zentimeter näher rutschte. „Blut für Hyrule...“, sagte sie schwach und fuhr mit ihrer rechten, zitternden Hand über die feinen Züge seines Gesichtes. Eine kleine Narbe hier, eine kleine Narbe dort, die sie vorher noch nicht gesehen hatte. Doch trotz dieser Narben war Links Gesicht rein und ungeschunden. Und manchmal, wenn sie genau hinsah, konnte sie den elfjährigen unreifen Jungen in seinem Gesicht noch entdecken. Ein kleiner frecher Spund, aus dem nun ein begehrenswerter, starker Mann geworden war. Plötzlich klopfte es an der hohen Eichentür und Impa kam mit einem Tablett herein. Sie musste entweder Gedanken gelesen oder eine andere ihrer Shiekaheigenschaften verwendet haben, denn zur Freude Zeldas hatte sie eine Kanne mit heißem Tee auf dem kleinen Tablett. Ohne sich etwas dabei zu denken, trat sie in die kleine Wohnstube Zeldas und glotzte verblüfft angesichts der Tatsache, wie gering der Abstand zwischen den zwei Gesichtern der Auserwählten war. Link wich so schnell zurück, dass er rücklings auf seinen Hintern fiel und erstmals den gewienerten, harten Boden in Zeldas Gemächern verspürte. „Guten Abend, Prinzessin“, sagte sie mit jener tiefen, beherrschten Stimme. „Impa...“, sagte Zelda leise, versuchte die Überraschung in ihrer Stimme zu überspielen und blickte ihre Ziehmutter nachdenklich an. „Guten Abend...“, ergänzte die junge Prinzessin schwerfällig und sah in das ruhelose Schlagen der kleinen Flamme. „Was ist geschehen?“, sagte die stolze Shiekah, als sie die roten Blutlinien auf Zeldas Wangen entdeckte. Schnell hetzte sie näher, stellte das Tablett klappernd auf den neben Zelda befindlichen Tisch und begutachtete die Prinzessin nachdrücklich. Gerade als Impa sie berühren wollte, wich Zelda zurück und sagte schnippisch: „Hör’ auf mich zu bemuttern. Es ist nichts weiter.“ Die Prinzessin hetzte auf und lief schwankend zu der kleinen Tür, die in ihr Schlafgemach führte und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Schon wieder wehrte sie sich gegen die Nähe anderer. Schon wieder fühlte sie sich emotional zu kalt, als das sie eine Berührung von ihrer Zofe ertragen konnte. „Entschuldige“, sagte sie leise und ließ ihr Haupt hängen. „Es ist das Triforcefragment... es hat sich einmal mehr gegen mich gestellt.“ Impa heftete ihre scharlachroten Augen auf Link, der sich endlich vom Boden aufgerappelt hatte. Er bestätigte mit einem Kopfnicken und lief zu Zelda hinüber, während er sagte: „Aber das Fragment des Mutes hat sich noch nicht bemerkbar gemacht.“ „Braucht Ihr etwas, Prinzessin?“ „Ja, Ruhe und ein Bad...“, seufzte sie schwach. Impa warf Link einen aufsässigen, beinahe warnenden Blick zu und folgte dem roten Teppichläufer zur hohen Eichentür. „Gut, aber der Ball wird in wenigen Minuten beginnen. Beeilt Euch Prinzessin und...“ Sie blickte unverschämt zu dem Helden der Zeit. „... und macht keine Dummheiten.“ Damit verschmolz sie mit den Schatten ohne die Tür geöffnet zu haben. „Was sollte das denn? Als ob wir kleine Kinder wären“, murrte Zelda. „Wir stellen doch keinen Blödsinn an.“ Aber Link war sich nicht sicher, ob die Weise der Schatten mit den Dummheiten etwas grundlegend anderes gemeint haben könnte... Derweil kam die rundliche Maia, das etwas ältere Zimmermädchen, in die große Stube und folgte ihrem Geheiß, eine heiße Wanne für Zelda herzurichten. „Trink.“ Link reichte Zelda eine Tasse des wärmenden Tees und führte seine Prinzessin wieder zu dem Sofa. Sie nahm die Tasse in beide Hände, spürte die brühende Wärme in ihren Handinnenflächen und schaute in die helle, bräunliche Farbe des Tees. „Also, was wolltest du mit mir bereden?“, sagte Links angenehme Stimme. Zufrieden ließ er sich neben Zelda auf die kleine Couch sinken und nahm sich selbst eine Tasse des süßen, duftenden Tees. Zeldas schwerer, trübsinniges Blick verweilte auf ihrer Tasse und je länger sie in die klare, wässrige Substanz starrte, umso mehr begann sie zu begreifen. Auch das Teewasser verblasste kurzzeitig vor ihren Sinnen. Und je länger sie einem Gegenstand zu sah, der sich auflöste, unwirklich wurde, umso mehr wühlte die Erkenntnis an ihrer Selbst. Die Wahrheit rüttelte. Die Zukunft öffnete sich ihrem reinen, weitsichtigen Geist. Verblassen... Es war nur eine kleine Träne, die Zeldas rechte Wange hinabrollte und in dem Tee aufkam. Kleine Ringel bildeten sich in der Tasse. Nur eine einsame Träne reichte aus. Zelda stellte die Tasse zurück auf das Tischchen in ihrem Gemach und blickte in dem Raum umher, als ob sie das erste Mal hier wäre. So viele Kleinigkeiten waren es, die sie vermissen würde. Der Blick zu den hohen Todesbergen, wenn sie auf ihrem Balkon stand. Die kleine Bibliothek und die unzähligen Bücher, die sich in den hohen Regalen sammelten. Sie würde die Abende vermissen, wenn sie in der Bibliothek bei Kerzenschein schrieb oder den Kamin in ihrem Zimmer, wo immer ein munteres Feuer flackerte. Sie würde alles vermissen, ihr kleines eigenes Reich hier drinnen, die weiten Wiesen Hyrules, die reißenden Ströme oder die tiefen, dunklen Schluchten. Es würde nichts geben, dass sie nicht vermissen würde... Es war Hyrule, das sie liebte. Es war immer nur Hyrule, was sie vermissen würde. „Zelda?“, murmelte Link, nahm die Serviette von dem Tablett und wischte endlich über ihre blutigen Wangen, damit diese wieder so rein aussahen wie normalerweise. Er wollte sichergehen, dass mit ihr alles in Ordnung war. Denn irgendetwas verheimlichte sie ihm. Irgendetwas nagte an ihr, denn ihr stiller, zweifelnder Blick sagte ihm mehr als sonst jemanden. Es war nur Link, der durch den Schatten über ihren Augen sehen konnte. „Versprich mir etwas“, sagte sie sanft. „Was ist es?“, sagte er und nahm ihre Hände mit dem Anflug das Versprechen einzugehen in seine. „Wenn etwas geschieht, das selbst der Held der Zeit nicht ändern kann, bitte, bitte, dann akzeptiere das“, begann sie. Ihre Worte waren verworren und wurden immer konfuser. „Wenn etwas geschieht, so mach’ dir bitte keine Vorwürfe...“, ergänzte sie. „Wovon redest du eigentlich, Zelda.“ Irritiert wich er zurück und doch verstand er den Ernst dieser Situation. „Hyrule wird enden. Es wird verblassen...“, meinte sie schweren Herzens und drückte ihre Augenlider zu. Kurze klare Sätze, die alles besiegelten, woran Link glaubte. Sätze... nur wenige Worte, die den Tod in sich trugen. „Das ist es, was mir das Fragment seit Tagen schon sagt. Verstehst du nicht? Hyrule wird untergehen“, brachte sie lauter hervor, bis ihre Wut darüber in Verzweiflung umschlug. Link schüttelte ungläubig den Kopf. „Verdammt, Zelda! Wie soll’ ich das verstehen? Hyrule wird untergehen? Es gibt keinerlei Anzeichen dafür.“ Zermürbend murmelte sie: „Dann ist das Verblassen unserer Fragmente kein Hinweis?“, fauchte sie. „Es wird geschehen. Vielleicht in hundert Jahren, vielleicht in wenigen Wochen oder vielleicht sogar Morgen und niemand wird etwas dagegen tun können.“ Verärgert sprang Link auf. „Oh doch! Es gibt immer einen Weg. Wer sollte wollen, dass Hyrule endet? Es wird immer jemanden geben, der kämpft, genauso wie ich!“ Auch der junge Heroe fühlte die Wut über Zeldas Worte. Er wollte das nicht glauben. „Ist es Ganondorf, der das Siegel brechen könnte?“, sagte er stur und schaute in Zeldas tränenden Blick. „Nein...“, seufzte sie schwach. „Was dann?“ „Etwas, wogegen sich nicht einmal deine Stärke stellen könnte. Das Schicksal...“, endete sie und hüpfte ebenso auf ihre Beine. „Glaubst du wirklich, ich würde dir das erzählen, wenn ich es nicht ernst meinte, wenn ich nicht wochenlang darüber nachgedacht hätte? Warum kannst du mir nicht glauben, so wie sonst auch?“, brüllte sie gekränkt und wischte sich die Tränen von den Wangen. „Ich habe mir diese Visionen des Endens nicht ausgesucht. Hyrule verblasst ständig. Vor mir, in mir, überall... Warum sollte ich dich damit belasten?“ Sie drehte sich verletzt um und weinte vor sich hin. Link blieb stumm und sah langsam ein, was sie ihm versuchte mitzuteilen. „Ich fürchte mich davor, aber es wird geschehen... bitte vertrau’ mir nur noch das eine Mal“, seufzte sie. „Und vorhin... als das Verblassen sich mir zeigte, da war es schlimmer als bisher. Es endet. Es geschieht“, wimmerte sie wehleidig. Ohne Vorwarnung fühlte sie zwei warme Arme, die sich um sie legten. Link lehnte sein Kinn an ihren Hinterkopf und sagte leise: „Verzeih’ mir...“ Er glaubte ihr doch, auch wenn jene Worte ihn total aus der Fassung brachten und sich hinterhältig und gemein in die eigene Seele gruben wie Dornenspitzen in bloße Hände. „Natürlich vertraue ich dir... und werde dir immer vertrauen...“ Zelda drehte sich zu ihm, nickte und hauchte leise: „Egal, was auch immer geschehen wird, egal was morgen ist... bitte denk’ nicht an die Vergangenheit, Link.“ Er nickte lediglich. „Und wenn es das Schicksal so will, dann bitte ich dich: Vergiss mich...“ Einmal mehr verletzt riss er sich los und verkrampfte seine Hände. Er schüttelte das Haupt, sodass die blonden Haarsträhnen in seine tiefblauen Augen pendelten. „Denkst du, ich könnte nur irgendeinen Moment unserer Zeit einfach wegwerfen? Ist dir klar, was du da von mir verlangst?“ Ein verunsicherter Blick streifte seinen, während das Feuer in dem Kamin unruhig knackte. „Für keine Macht dieser Welt würde ich dich vergessen wollen!“ Unterstützend spannte er seine Arme in die Breite. „Was erwartest du von mir, Zelda? Wie soll’ ich das anstellen, dich vergessen. Wie soll das gehen? Nur wegen dir bin ich hier in Hyrule. Nur wegen dir bleibe ich in Hyrule. Ich tue alles nur wegen dir!“, brüllte er und blickte entsetzt über seine eigene Wortwahl zu Boden. Geschockt darüber legte Zelda die Hände über ihren roten Mund und sah mehr als fassungslos in seine tiefblauen Augen. Traurige Anklage stand darin, aber auch tiefe Zuneigung. Er hatte genug gesagt. Dinge gesagt, die er niemals sagen konnte, doch nun kamen diese einprägsamen Worte so leicht über seine Lippen, federleicht. Und nichts hinderte ihn, keine Feigheit mehr vor Liebe und Gefühlen... „Ich kann nicht mehr ohne dich sein...“, sagte er bestürzt. „Also hör auf, von mir zu verlangen, dich zu vergessen.“ Mit zusammengekniffenen Augen, einer ungeheuren Wut und Verzweiflung in seinem Bauch blickte er zu Boden und hörte in seinen Gedankengängen ständig diesen flehenden Satz. ‚Bitte vergiss mich. Vergiss mich... vergiss mich...’ Es tat weh. Dieser irrsinnige, dumme Versuch eines Versprechens, das ihm das Herz zerriss. Er konnte dieses Versprechen nicht eingehen. Er konnte und wollte es nicht. „Ich werde mich immer an dich erinnern“, seufzte er schwach und blickte verärgert weiterhin zu Boden. „Niemand wird mir dieses Recht absprechen können. Kein Hylianer. Kein Zauberer. Und kein Gott.“ In dem Augenblick hörte Link eine Tür knacken und Zelda verschwand aufgeregt in ihrem Badezimmer, um sich in die Wanne sinken zu lassen. Sie ertrug diese Worte nicht, obwohl sie sich diese immer gewünscht hatte... Geradezu fürchten tat sie sich vor Link, seinen Worten, seinen Berührungen... Sie konnte diese unglaubliche Sturheit von ihm nicht verstehen. Was sollte es ihm schon kosten, wenn er sie vergaß? Sie hatte ihm sein Leben genommen und einen Helden aus ihm gemacht. Wie konnte er nach allem, was er in seinem Leben wegen ihr erdulden musste, noch solche Reden schwingen? Mit einem einfachen Versprechen hatte es damals begonnen. Und so sann sie darüber nach, ein Versprechen das Ende finden zu lassen. Ein Versprechen mit dem ihre gemeinsame Zeit begann. Ein Versprechen, mit dem ihre Zeit endete... „Vergiss mich...“, flüsterte Zelda ihrem melancholischen Spiegelbild zu, während hinter ihrem Rücken Dampf aus einer heißen, ovalen Metallwanne brodelte. Der Duft einer seltenen Nadelpflanze hing in dem Raum. Eine alte Heilpflanze mit aromatischem Duft, in dem man ertrinken konnte. Süßlich, beflügelnd und beruhigend. Das Kraut der Alten, so hieß die Pflanze in der Umgangssprache. Sie liebte diesen Geruch nach Wald und Frische, ähnlich dem von Link. Zart hauchte die Prinzessin ihren Atem an das kleine Wandspiegelchen vor ihrem verzweifelten Antlitz, sich wünschend, der Spiegel würde nicht die Wahrheit wiedergeben. Keine Prinzessin. Kein trauriges junges Mädchen... Sie wünschte der Spiegel zeigte ihr die Person, die hinter den königlichen Abzeichen stand, denn sie wusste um die Schwäche jener Person, ihres wahren Ichs. Wie in Trance schrieb sie mit zitterndem Zeigefinger die Buchstaben: „Vergiss’ mich...“, auf das glatte Spiegelglas, sich wünschend, die Worte würden nicht vergehen. Es würde geschehen. Ein Ende wurde für Hyrule vorgesehen; und sie rang mit einer schweren Entscheidung. Wenn Hyrule nicht mehr wäre, würde auch sie vielleicht nicht mehr sein und so sollte ihr Seelenverwandter sie vergessen, um seiner Selbst willen. Er sollte seine Gefühle verschließen, vor allem jene, die sie von ihm nie erfahren hatte. Doch die feinen Schriftzüge verschwanden auf dem Glas, als ob eine fremde Macht nicht wollte, dass Link sie vergessen würde... Langsam wand Zelda sich um, rieb sich über ihre Schläfen, fühlte das Verblassen erneut in ihrem Geist und suchte den Kampf gegen die ihr zugetragene Weisheit. Das Fragment in ihrer zarten Hand verblasste erneut, als hätte man ihm die Kraft gestohlen, die es doch niemals hergab. Die Prinzessin entkleidete sich vorsichtig, bedacht und kämpfend durch jenes Fragment nicht der Ohnmacht zu verfallen. Barfuss lief sie über die klitschigen weißen Fließen ihres Bades, atmete tief ein, den entspannenden Duft in ihre Lungen einsaugend. Das wohltuende, heiße Wasser umspülte ihre Haut, als sie in die Wanne stieg. Gerade in dem Augenblick, als sie sich an die kantigen Enden der Wanne lehnte, verlor sie durch einen Streich ihres Fragmentes einmal mehr kurz das Bewusstsein... Aufgebracht lief Link in Zeldas Schlafgemach umher, trampelte frustriert hin und her. Das bittende: ,Vergiss’ mich.’ begleitete ihn fortwährend, als hätte man es ihm eingebrannt. Zappelig dachte er darüber nach, der lieblichen Zelda alles zu gestehen. Seine Gefühle für sie, von denen er ahnte, dass es nicht mehr Freundschaft war, die ihn zu ihr führte. Er rang mit der Vorstellung bestimmte drei Worte über seine Lippen kommen zu lassen. Drei Worte... es sind doch nur drei Worte, sagte er zu sich. Geräuschvoll ließ er sich auf den Schaukelstuhl sinken und vergrub seinen Kopf in den Händen. Er konnte es ihr doch nicht sagen... aber vielleicht wären diese Worte genau die beste Medizin gegen Zeldas irrsinnigen Wunsch, dass er sie vergaß. Zum Teufel, er konnte es einfach nicht. Nur drei Worte... Händeringend hüpfte er zu dem Balkonfenster und blickte hinüber zu den Todesbergen. Greifvögel schwebten hoch oben in den Lüften, die er mit seinen scharfen Augen gerade noch erkennen konnte. Sie verschmolzen mit dem dunklen Nachthimmel, der seine Ausläufer auch in seine Richtung schickte. Links tiefblaue Augen gingen auf Wanderschaft in Hyrule, schwenkten von stummen Tälern zu steilen Felshängen des Todesberges, verfolgten in der Schwärze der Nacht erhellte Bruchstücke eines sich schlängelnden Flusses. Er konnte einfach nicht glauben, dass Hyrule eines Tages enden würde. Diese Welt, dieses Land, es war so einzigartig, so märchenhaft schön, wie keines der Länder, die Link in seinen monatelangen Reisen besucht hatte. Warum sollte man Hyrule wegsperren, im Stich lassen und dem Tode überlassen? „Es darf’ nicht enden, es darf’ nicht geschehen...“, murmelte Link vor sich hin und betete heimlich zu seiner Schutzgöttin, sie möge ihm die Erkenntnis geben, warum Zelda jene Prophezeiungen erhielt... Doch etwas hatte auch der Held der Zeit gerade nicht bedacht. Für ihn stand im Moment keine Verbindung zwischen dem Ende Hyrules und einem möglichen Zerreißen des Siegels, welches die Ausgeburt des Bösen von Hyrule fernhielt. Link dachte nicht an die unleugbaren Schattenseiten einer Welt der Magie... und so spielte das Schicksal einmal mehr sein grausames Spiel mit den Auserwählten. Mit ernsten Augen beobachtete Link die Welt außerhalb, sah viele Fackeln über die Steppe ziehen, eines der Rituale am Fest des Friedens. Die Hylianer wanderten mit Fackeln über die weiten Wiesen, riefen nach Freiheit und verehrten den Frieden. Er legte seine bloßen Handflächen auf das kalte, steinerne Fensterbrett des kleinen Spitzbogenfensters und schloss verträumt die Augen. Die Sehnsucht ergriff schon wieder Besitz von ihm, wurde zwingender und ruheloser. Zelda geisterte in seinen geheimsten Gedanken umher und doch hatte Link ein wenig Angst, sie Nebenraum könnte im Nebenraum diese Gedanken telepathisch hören... Er versuchte sie abzuschalten, aber es ging nicht. Drei Worte formten sich auf seinen leicht spröden Lippen, bis er die Worte ganz und gar, unglaublich gefühlvoll aussprach: „Ich liebe dich...“ Doch in diesem Moment hatte Zelda, begleitet mit einem langen samtigweißen Bademantel, den Riegel zu ihrem Badezimmer hochgeschoben und stand einfach nur da, mitten in der Tür. Sie reagierte nicht, nachsinnend über die Worte, die seinen Lippen widerwillig entkommen waren. Vor Schreck biss sich Link auf seine vorlauten Lippen, drehte sich langsam um und scheute Zeldas durchdringenden, verwirrten Blick. Sie regte sich nicht und verharrte weiterhin auf der Türschwelle. Noch nie hatte jemand diese Worte in ihrer Gegenwart erlauten lassen... Rasch wand sich Link zu dem kleinen Fenster und versuchte das verzweifelte, dringend nach einer Ausrede suchende Gesicht irgendwie vor Zeldas Augen abzuschirmen. Bei Farore, überleg’, sagte er zu sich selbst. Denk’ nach, Link. Wenige Sekunden vergingen, bis er die zündende Idee hatte. Leise, bemüht ernst und ehrlich zu klingen sagte er: „Ich meine, ich liebe Hyrule...“ Es stimmte ja, rechtfertigte er sich vor seinen Gewissen. Er liebte Hyrule, auch wenn er im Moment nur noch Augen, Ohren, Verstand, Vernunft und sogar jegliche Herzfaser für Zelda übrig hatte. Er bemerkte nicht den überraschend enttäuschten Blick der Prinzessin, die sich doch wahrlich gewünscht hatte, irgendjemand würde diese drei Worte einmal zu ihr sagen. Und diese Worte von Link zuhören, schienen einer der sehnlichsten Wünsche einer Prinzessin zu sein, die sich in ihrem Leben, trotz ihres begehrenswerten Äußeren, ihrem graziösen, anziehenden Blick und der reinen Seele in ihrem Inneren, ungeliebt fühlte. Bemüht standhaft und unbekümmert zu wirken trat sie näher, nahm sich schweigsam Kleidung aus einem quietschenden Holzschrank und verschwand damit hinter der Umkleidewand. Zutiefst irritiert, dass Zelda einfach stur blieb und kein Wort mit ihm wechselte und beschämt, dass sie seine drei Worte richtig deutete, sank Link an der Bettkante nieder, sah und spürte nur Zeldas Schatten hinter der Umziehmöglichkeit durch das schimmernde Flackern der Kerzen. Das Medaillon der Mächtigen lag unbedeutend auf dem Nachttischschränkchen und ließ nichts seiner angeblichen Macht bekunden. Link warf einen Blick darauf. Kurz vor Halb. Noch Zeit, sagte er zu sich, um sich von der hinter der Wand raschelnden Zelda abzulenken. Noch Zeit, für ungesagte Worte. Noch Zeit, für einander. Erst jetzt bemerkte er den fruchtigen, unheimlich angenehmen und vertrauten Geruch nach Nadelwald in dem Gemach. Angezogen von diesem Duft stolperte Link zu der Badezimmertür und sofort schlug ihm eine wohlige Frische entgegen, die von jenem herrlichen Geruch gefärbt war. Link schloss seine Augen, und atmete so tief es ging ein, fühlte Entspannung und Ruhe in sich aufkommen. Er stiefelte mit seinen Lederschuhen in den Raum und beugte sich leicht über die Wanne, ließ eine Hand in das warme Wasser sinken. Dieser wunderbare Duft nach Wald und Heimat, ließ ihn einfach nur schwach werden. „Möchtest du vielleicht auch ein Bad nehmen? Das Wasser ist noch heiß“, sagte Zelda leise hinter ihm. Zu in seine Gedanken versunken, hatte Link ihre Anwesenheit erst gar nicht bemerkt. Vor Schreck verlor er den Halt am Wannenrand und plumpste kopfüber in das entspannende, gutduftende Wasser. Er rappelte sich auf, schüttelte den Kopf und hielt sich mühsam an den Kanten der gläsernen Wanne fest. „Ich glaube, meine Frage hat sich erübrigt“, meinte Zelda trocken und ein wenig schmunzelnd. Links Oberkörper war durchnässt und seine Frisur ruiniert. Goldig und verlegen blickte er drein und schaute Zelda liebäugelnd an. „Also, möchtest du nun ein Bad nehmen, oder nicht?“ Link nickte lediglich und fuhr mit seinen Fingerspitzen wie ein Kind über das grünlichschimmernde Wasser, spielte mit dem Schaum. „Und worauf wartest du?“, meinte Zelda, die vor den Spiegel trat und ihre hochgesteckten Haare von den Spangen befreite. „Darauf, dass du aus dem Bad gehst.“ Kichernd wand sie sich zu ihm. „Du meinst, ich kriege noch nicht einmal etwas geboten dafür, dass du in meinem Badezimmer baden darfst?“ „Ich glaube, ich könnte dich erschrecken mit dem, was ich zu bieten habe“, erwiderte er frech. Noch vor wenigen Sekunden hatte Zelda das Kind in Link gesehen, welches am Badewannenrand saß und mit dem Schaum spielte. Und in der nächsten Minute war dieser gefährlich scharfzüngige Mann ausgebrochen. „Denkst du, ich könnte Angst vor dir haben?“ „Alles in allem: Ja, ich denke, das könntest du.“ „Und warum?“ „Immerhin weiß ich, dass du keusch erzogen wurdest.“ Zelda verschränkte die Arme und protzte: „Aber auch eine keusche Erziehung hat ihre Fehlerchen und Tücken.“ Interessiert begegnete Link ihren Blick. „Wie darf ich das verstehen?“ „Meine Augen gehören immer noch mir. Und in den sieben Jahren der alternativen Zukunft gab es niemanden, der mich keusch hätte erziehen können. Shiek hat genug gesehen...“ „Soso“, sagte Link. „Genau so und nicht anders.“ „Dann macht dir das ja auch nichts aus.“ Und ohne mit der Wimper zu zucken, öffnete Link seinen Gürtel, zog sich die edle Tunika über den Kopf und riss sich das Hemd herunter, das seinen stählernen Körper bedeckte. Er kickte seine Stiefel von den Füßen und schups war die lange Hose ebenfalls unten. Nur noch eine knielange, weiße Hose bedeckte den nötigen Rest seines Abbildes. Nun wurde es Zelda wohl doch ein wenig zu heiß. Mit roten, auffälligen Wangenbäckchen drehte sie sich von Link weg, erhaschte aber ab und an einen Blick in den Spiegel, wo sie den gutaussehenden, jungen Mann hinter ihr mehr als genau beobachten konnte. „Wohl doch zu keusch erzogen worden, nicht wahr, Prinzessin?“, sagte Link lümmelhaft, der genau ahnte, wie beschämt sich Zelda fühlte, und dass es ihr mehr ausmachte, als sie zugab, einen halbnackten Mann zu sehen. „Und das sagt mir ausgerechnet der Held der Zeit, der vor jedem Mädchen wegläuft“, murrte sie. Doch jetzt hatte sie ins Fettnäpfchen getreten. Verärgert darüber nahm Link Wasser in seine Handinnenflächen und bewarf die Schönheit im Badezimmer damit. „Link!“, fauchte Zelda und rannte wildgeworden auf den klatschnassen, rutschigen Fließen hinter ihm her. Die Arme in die Lüfte rannte Link davon, lachte und musste leider zugeben, dass er auch jetzt wieder vor einem Mädchen davonlief. Wildgeworden und mit lautem Krach in dem Badezimmer rannten sie hintereinander her, bewarfen sich mit Schaum, rutschen gelegentlich auf den Fließen aus, die sich anfühlten wie Schmierseife. Zelda die Zunge herausstreckend blieb Link dann stehen und wartete, dass die junge Thronfolgerin in ihrem Bademantel den nervenden Helden einholte. Doch genau das hatte Link mit seiner Aktion bezweckt. Noch ehe Zelda verstand, was der fiese Kerl vorhatte, packte er sie leichtfertig unter dem Arm und schleifte eine um sich schlagende und lachende Zelda mitsamt ihrem Bademantel in das warme, duftende Wasser. Sie brüllte und kicherte mühevoll, als sie sich seinem festen Griff nicht einziehen konnte und sie beide mit einem Plumps in der Wanne landeten. Mehr als genug des Wassers spritzte nach draußen und sorgte für Flut und blankes Chaos in dem Badezimmer. Die Gefäßchen und langhalsigen Flaschen mit den Kräuterextrakten wurden umgeworfen. Einige der Kerzen erloschen. Selbst ein ganzes Schränkchen hatten die beiden durchgeknallten Hylianer mit ihren Späßchen umgehauen. Außer Atem und lauthals lachend saßen sie nun beide mit durchgeweichten Klamotten in der Wanne und blickten unschuldig nach draußen. Ein Bild, das dämlicher nicht aussehen konnte. Vier blaue Augen sahen knapp über dem Wannenrand nach draußen, auf der eingeschränkten Suche nach dem Sinn dahinter, was gerade passiert war, nach einer Ausrede sollte Impa oder der König plötzlich in dem Raum stehen. „Was jetzt?“, sagte Zelda, die sich inzwischen genervt fühlte, da der schwere, vollgesogene Bademantel auf ihre Haut drückte. „Wir sagen einfach, dass ein Moblin sich hier eingeschlichen hat und wir uns vor ihm versteckt haben“, meinte Link kindisch. „Genau“, erwiderte Zelda mit schauspielerisch erhöhter Stimmlage. „Und als er im Badezimmer gesucht hat, sind wir untergetaucht.“ Eine schweigsame, scheinseriöse Minute verging, bis Zelda kichernd die Stille brach. „Und wie erklären wir, dass du nur deine Unterhose anhast.“ Link hob einfallsreich einen Zeigefinger in die Höhe. „Wir wollten den Moblin erschrecken, indem wir ihm Haut gezeigt haben. Daraufhin ist er ganz plötzlich zu Stein erstarrt und hat sich in Luft aufgelöst.“ Aber wirklich einleuchtend und logisch fand Link diese Erklärung selbst nicht. „Oder doch nicht“, sagte er und zog eine überlegende, unreife Jungen Schnute. Zelda schüttelte den Kopf und meinte nur: „Bei Nayru, sind wir doch bescheuert.“ „Aber du musst zugeben, dass es Spaß gemacht hat“, sagte Link und suchte ihren Blick. „Ja, in der Tat. Du hast es wiedereinmal geschafft mich anzulenken“, sagte sie und hauchte ein verträumtes: „Danke“, hinterher. Doch die kleine Show sollte noch lange nicht vorbei sein. Ein Beobachter würde sich vermutlich ärgern, wenn nicht noch etwas ausgesprochen Tolles folgen würde. Mühsam krallte sich Zelda mit beiden Händen am Badewannerand fest. Unter enormer Kraftanstrengung versuchte sie ihr Gewicht mit dem schweren Bademantel aus der Wanne zu befördern. Sie spürte ein Stückchen Seife unter ihren Füßen, welches sie vorhin einfach in der Wanne liegen lassen hatte. Krachend rutschte sie auf dem schmierigen, glatten Material weg, drehte sich während des Fallens und fiel direkt auf Link, der gar nicht wusste, wie er der Situation Herr werden sollte. Abrupt stieß Zelda ihren Helden unter die Wasseroberfläche, sodass sie beide ganz und gar in der hohen Wanne verschwunden waren. Ihre Gesichter befanden sich in unglaublicher Nähe, und nur aus Neugierde öffnete sie beide unter dem Wasser ihre Augen. Sie träumten in ihren Blicken, sahen die Luftblässchen hinaufsteigen, die von ihren Mündern stammten. Und doch waren beide im Moment so fixiert aufeinander, so erstarrt, dass die wenigen Sekunden sich zu langen Minuten formten. Hemmungslos wanderten Links Hände um den Körper seiner Prinzessin, während sie hier unten, im Dunkel des Wassers, mit den feinen Haarsträhnen spielte, die an Links Kopf herumwirbelten. Die Last des Bademantels wurde immer schwerer, sodass sich Zelda endgültig fallen ließ und ihren erstaunten Helden damit zwingend an den Grund der Wanne beförderte. Doch gefangen in der Nähe des anderen, unternahm keiner den Versuch aufzutauchen. Das Gefühl der Nähe war seltsam und doch angenehm. Link spielte aufgelöst und versunken in einer andersartigen Materie der Trance mit den blonden Haarsträhnen seiner Prinzessin, die sich kitzelnd über sein Gesicht und seine nackte Brust legten. Link wollte gerade etwas sagen, vergaß das Wasser um ihn herum, vergaß ganz und gar, wo sie sich befanden und ihm quoll Wasser in den Mund. Weiterhin träumte Link in Zeldas Augen, sah den Schatten darin auch hier im Wasser und wünschte sich, er könnte diesen verbannen. Ein Schatten, der Zelda vor den Menschen, die ihr am Herzen lagen, abschirmte. Und vielleicht schirmte er Zelda sogar vor sich selbst ab, erschuf Kälte und Selbsthass. In dem Moment rutschte Zelda näher zu ihm. Ein Impuls der Liebe jagte seine Venen entlang. Er konnte es nicht kontrollieren und spürte nur den schnellerwerdenden Puls, sein wildhämmerndes Herz. Sein beschämter Blick versuchte sich von den saphirblauen Augen Zeldas zu lösen und sank hinab. Doch damit nicht genug. Unbewusst wanderten seine Augen zu Zeldas Ausschnitt und er sah zuviel durch die Öffnung des Bademantels. Bei den Göttinnen, er hatte das Gefühl an diesem Einblick zu ersticken. Er brauchte Luft und doch wollte er einfach nicht weg von diesem Ort, hier in der warmen Wanne, in dem duftenden Wasser... Zeldas rechte Hand wanderte sehnsüchtig über seine unbeharrte männliche Brust, fühlte den schnellenden Herzschlag, der sie ungemein irritierte. Sein Herz schlug so schnell, so ohne Rast. Es hämmerte wild gegen ihre blanke Hand, als ob es zerspringen wollte. Doch auch ihr Puls wurde hetzender, bis sich ein wunderbares, beinahe schmerzhaftes Kribbeln in ihrem Magen einstellte, welches den ruhelosen Herzschlag übertönte. Ihr sanfter Blick wanderte zu seinen Lippen. Sie begehrte. Sie wollte diese Empfindung jetzt. Träge schlossen sich ihre Augen, warteten darauf, dass sich ihre Lippen zu einem Kuss versiegelten. Doch niemand würde sie diesmal unterbrechen. Aus dem Nichts heraus trafen sich ihre Lippen und beide beschenkten sich gegenseitig mit Luft, umarmten sich inniger, sammelten die Erfahrung eines ersten Kusses. Denn keiner von beiden hatte jemals geküsst und keiner von beiden, so redeten sie es sich immer wieder ein, wusste, was Liebe war. Und doch hatten sich ihre Münder gefunden, spielten genüsslich miteinander, schmeckten und erforschten, um der Erfahrung willen. Wenige Sekunden später tauchten sie beide auf, sammelten heftig Luft in ihre verbrauchten Lungen, trauten sich nicht sich anzusehen und rückten einige Zentimeter weg voneinander. Gerade in dem Augenblick stand Impa kopfschüttelnd in der Tür. Sie lehnte sich gegen den Rahmen und machte den unverbesserlichen Eindruck schon länger hier zustehen. „Hatte ich euch nicht gesagt, keine Dummheiten zu machen.“ Sie musste das Schauspiel unter Wasser sehr genau beobachtet haben. Denn ihre scharlachroten Augen erzählten eine lange, herausfordernde Geschichte, die jedoch nicht für fremde Ohren bestimmt sein sollte. „Ich nehme an, es ist besser nicht danach zu fragen, was sich hier in der gläsernen Badewanne gerade abgespielt hat!“, meinte sie und warf jeweils Link und Zelda ein Handtuch zu. „Trocknet euch jetzt.“ Sie drehte sich halb um und sagte: „Am besten jeder alleine!“ Schweigsam und beschämt stiegen Link und Zelda aus der Wanne. Sie fühlten sich wie zwei unartige Kinder, die gerade den größten Fehler ihres Lebens gemacht hatten. Mit erröteten Wangen schaute Zelda in ihr verwirrtes Spiegelbild, während Link sich hinter der Wanne verkroch und am liebsten im Boden versunken wäre. Wie konnte das passieren? Warum war das passiert? „Der königliche Ball wurde um eine Stunde verschoben, da Euer Vater noch einige Dinge mit der Familie Caldrians beredet.“ Die Prinzessin folgte Impa aus dem Raum, sodass sich Link in aller Ruhe, ohne nervende und ausgefuchste Blicke zurechtmachen konnte. „Was beredet mein Vater denn mit dem König aus Calatia?“ Impa seufzte. „Die Familie von Caldrian wünscht, dass er um Eure Hand anhält, Zelda.“ „Aber mein Vater hat mir doch versprochen, dass...“, meinte sie schwach und fürchtete sich vor den Worten Impas. „Erzähl’ mir bitte nicht, dass er sein Versprechen so schnell schon wieder gebrochen hat...“ „Er wünscht es sich für Euch, Prinzessin, auch, wenn er Euch nicht zu einer Heirat zwingen will.“ Zeldas Wut ging wieder mit ihr durch und das Fragment begann abwechselnd zu schimmern und dann zu verblassen. „Aber ich liebe ihn einfach nicht!“, brüllte sie. „Sagt das Eurem Vater, Prinzessin. Ich fürchte, ich kann rein gar nichts dagegen tun.“ „Und ich? Was kann ich schon dagegen tun? Er gab mir sein Wort und nun beredet er meine Zukunft wieder hinter meinem Rücken. Was habe ich ihm getan, dass er so wenig Achtung vor mir und so geringes Vertrauen in mich hat?“ Verärgert und erneut die innere Kälte schürend wand sie sich ans Fenster. Ruhiger fuhr sie fort: „Und ich dachte, es würde sich etwas ändern...“ Nun gut, doch jetzt schien Zelda endgültig zu wissen, was sie tun musste. Es würde niemals zu einer Heirat kommen, weil die Welt, wie sie und ihr Vater, nein, das gesamte Volk sie kannte, nicht länger bestehen bleiben wird. Ihre Entscheidung, für Hyrule immer dazusein, manifestierte sich in ihren Gedanken. Die Entscheidung die letzte Wächterin, der letzte Geist der Welt zu sein, war beinahe gefallen... „Es tut mir leid, Zelda“, sagte Impa traurig. „Ja, mir auch...“, entgegnete sie. Auch wenn Impa es nicht wusste, aber Zelda tat es leid, dass sie niemanden sagen konnte, wie ihr innerlich zumute war. Vor wenigen Sekunden noch, in welchen sie erheitert mit Link im Badezimmer ihrem Wildfang freien Lauf ließ, ging es ihr gut. Sie spürte die innere Kälte nicht, spürte den Selbsthass nicht. Doch nun... „Lass’ mich bitte allein, Impa“, sagte sie und ließ sich kopfhängerisch an ihrem kleinen Schreibtisch nieder. Impa nickte trübsinnig. Schon immer fühlte sie sich Zelda gegenüber wie eine Mutter, nicht wie ein Kindermädchen oder eine Beschützerin und Impa kannte ihren Schützling viel zu gut. Es gab Momente, da wünschte sich die stolze Shiekah, Zelda würde sich nicht verschließen, sie würde jemanden an sich heranlassen. Aber ständig wies sie die Menschen in ihrer Umgebung ab. Nur Link war es vielleicht möglich zu ihr durchzudringen. Aber Impa fürchtete, dass Zelda auch dieses Vertrauen in einen ihr lieben Menschen, ablegte, verspielte und lieber verdrängte... Impa wusste Bescheid über die Sehnsüchte der Prinzessin, doch mit jeder Minute, die verrann, mit jedem neuen kleinen Konflikt und mit jeder Minute in Angst und Kummer, sträubte sich Zelda gegen das, was sie doch begehrte... Nachdenklich verschwand Impa, indem sie wie ein Geist durch die Tür huschte. Die Prinzessin begann sich zu trocknen und schlüpfte in ein edles tiefblaues Ballkleid mit aufwendiger Schnürung und nur schwachblauen Ärmeln. Hauteng lag das bis zu dem Boden reichende Kostüm an, wirkte vielleicht zu aufreizend, da es viel ihres Rückens und ihre Arme durch das dünne, durchsichtige Material vollständig preisgab. Schulterzuckend ignorierte sie den Gedanken, ihr Vater könnte dieses Kleid nicht gut heißen. Als ob sie sich von ihm Vorschriften machen lassen würde. Nein, diese Zeiten waren vorbei. Sein ewiges Gesocks um Verantwortung, adliges Benehmen und Pflichten hing ihr einfach nur zum Halse raus. Und wenn Zelda dieses Kleid mochte, sich damit präsentiere, auch wenn es nicht den verschrobenen Kleiderregeln der Schönen und Reichen dieses Zeitalters entsprach, so war dies allein ihre Entscheidung. Passend dazu streifte sie kurze Handschuhe über und schlüpfte in ein paar dunkle Sandalen mit Absatz. Sie blickte in den Spiegel, hielt einige ihre blonden Strähnen mit einer goldenen Spange zusammen und ließ die goldenschimmernden Haare ansonsten über ihren Rücken, fast bis zur Hüfte fallen. Eine mit Saphiren bestückte Tiara, eine feine Halskette, ovale Ohrringe und fertig war das Bild einer jungen, attraktiven Lady. Sie nahm sich vor den Ball zu genießen, auch, wenn die Zeichen für ein bestehendes Hyrule schlecht standen, auch, wenn die Zeit gegen Hyrule tickte... Eine kleine Geste Handzauberei, nur ein Wedeln mit dem Zeigefinger genügte, und drei unterschiedlich große Kerzen brannten hier auf dem kleinen Schreibpult, wo neben Siegelwachs, Tusche und Feder auch Bücher und ein Spiegel jenes verzierten. Langsam tauchte Zelda ihre goldene Feder in das pechschwarze Fässchen mit der Tusche und schrieb ihre Gedanken auf ein Blatt Pergament. Sie setzte die Feder an und stoppte sofort wieder. Ihre Gedanken wurden immer leerer, obwohl sie noch vor wenigen Sekunden das Bedürfnis hatte, diese hier darzulegen... Stattdessen begann sie einen Brief zu schreiben. Sie schrieb einen kleinen Brief an ihren Helden, vielleicht ein Abschiedsbrief, wenn ihre Entscheidung sich in die Tat umsetzen sollte... Denn sie ahnte, was geschehen würde. Die Göttinnen würden an jenem alles entscheidenden Tag jegliche Seelen aus Hyrule fortschicken und in eine andere Welt entlassen. Nur sie... Zelda, die Kronprinzessin Hyrules, würde bleiben... Sie wollte für Hyrule da sein, sie wollte über ihre Heimat wachen. Es war wie ein Bündnis Hyrules mit ihrer eigenen Seele. Sie konnte kein neues Leben, ohne ihre Erinnerungen beginnen. Sie konnte Hyrule mit all seinen Eigenheiten nicht vergessen. Eine einsame Träne fiel nieder, als sie mit den Sätzen begann. „An die Seele, die ich liebe... Es spielte nie eine tragende Rolle, was war und was sein würde... Es waren Momente, die ich nicht zu leugnen wusste, die ich ewig in Erinnerung behalten werde. Unsere Momente, die glückliche Zeit, wie auch die weniger schönen Dinge, die wir erlebt haben. Unser Schicksal. Wir waren Kinder, Leidende, Erwachsene und vielleicht noch mehr als Freunde... Es spielte nie eine Rolle, wer du warst oder wer ich sein würde, nicht für mich, nicht in diesem Hyrule. Und doch... so hoffe ich, solltest du diese Zeilen eines Tages lesen, dann möchte ich, dass du mich verstehst, für die Entscheidungen, die ich treffe, mit dem Wissen, dass sie dich traurig stimmen werden. So bitte ich dich, hab’ Verständnis für das mangelnde Vertrauen, welches ich selbst dir entgegenbrachte. Verzeih’ mir für das Heute und das Morgen, wann immer meine Entscheidungen uns beide in die Verdammnis schickten. Behalte deinen Mut, auch dann, wenn ich nicht da sein werde, um dir beizustehen oder dich zu stärken. Halte an deiner Hoffnung fest, auch ohne eine Prinzessin, die dieselbe Hoffnung teilt. Im Rad des Schicksals gibt es sicherlich Brücken, die geschlagen werden könnten, es gibt neue Wege, neue Pfade für ein anderes Menschsein, aber nicht für mich. Denn wenn diese Welt endet, ist, was mir bleibt, nur das Wissen um meine Erinnerungen. Neue Wege und Pfade sind dir beschieden und ich bitte dich, trauere nicht um deine Seelenverwandte, die sah, ohne die Augen zu öffnen, die fühlte, ohne zu empfinden und die dich liebte, ohne an diese Liebe glauben zu können. Geh’ den neuen Weg und erinnere dich, aber bitte vergiss’ mich. Denn ich kann nicht sein, ich kann nicht mit dir sein und ich werde niemals sein können, was wir uns beide wünschen. Wie ein kleiner Splitter steckt, selbst nach all den Momenten, der wunderbare Augenblick unserer ersten Begegnung, einem magischen Augenblick am Rande dieses Hyrules, im Traum des Kindseins, in meinen Gedanken und ich wage nicht zu schreiben, was es mir bedeutete, dass gerade du mich gefunden hattest. Es bedeutete mir mein Leben und so schreibe ich hier die Worte nieder, die ich nicht über meine Lippen tragen werde. Worte, die ich, wenn Hyrule endet, für immer in mir versiegeln werde. Ich liebe dich. Es gab keinen Moment, in welchem ich anders empfand. Und so sage ich es mit geschriebenen, stummen Worten erneut. Ich liebe dich... und ich verlange nur diese eine kleine Bitte. Mehr entsinne ich nicht für mich oder für uns: Vergiss’ mich... Werde glücklich an einem anderen Ort, wo das Schicksal dir nicht seine Grausamkeit aufzwingt. Vergiss mich... In ewiger Liebe, Prinzessin Zelda...“ Als sie den Brief beendete, tropften weitere Tränen auf das Stückchen Pergament und die Tinte verwischte an manchen Stellen. Schluchzend tupfte sie sich die Tränen aus dem verweinten Gesicht und versuchte ihre vorgetäuschte Stärke wieder zu erwecken. Zitternd krallte sie sich das Siegelwachs und entzündete es an einem Docht. Sachte rollte die den Brief zusammen, ließ das heiße Wachs auf die Rolle tropfen und presste das königliche Siegel auf den Brief. Der alles Sagende Brief verschwand in einer kleinen Schublade und vielleicht galt er nicht nur für dieses Leben, vielmehr für eines, was noch folgen sollte. Link kam mit trockener Kleidung schweigsam aus dem Badezimmer und sah Zelda nachdenklich vor ihrem Schreibtisch sitzen. Sie verlor kein Wort, obwohl sie doch wusste, dass Link auf sie zulief. Er schluckte seine Anspannung herunter und dachte nach, wie er sich am besten für das Verhalten vorhin in der Wanne entschuldigen konnte. Es war sein Fehler, dachte er... „Wegen vorhin...“, begann er umständlich und fühlte, wie sich seine Kehle zusammenzog. „Ich meine das, was geschehen ist...“ Und schon wieder verhaspelte er sich. Konnte er ihr nicht endlich gestehen, dass er es genossen hatte ihr so unglaublich nahe zu sein und dass er diesen Kuss nie wieder vergessen wollte. Anmutig, mit kühler Haltung, erhob sich Zelda und blieb ihm immer noch den Rücken zugewandt stehen. „Vergiss diesen Kuss. Es war nur ein dummer Ausrutscher, auch von meiner Seite. Ich wollte wohl lediglich wissen, wie es sich anfühlt, einen Mann zu küssen“, sagte sie kalt und abweisend. Auch, wenn sie sich selbst belog. Traurig über diese Worte sah Link zu Boden und torkelte einige Schritte rückwärts. Diese Kälte von Zelda. Diese Abweisung... so stark waren jene fremdartigen Empfindungen, die sie ihm entgegenschickte. Und gerade in dem Moment fühlte sich Link in seinem jungen Leben verraten, betrogen, wie zu jenem Zeitpunkt, als Zelda ihn in der Zeit zurückschickte. „Ja...“, sagte er mit trockener Stimme. „Genau das wollte ich auch sagen.“ Nicht mehr der liebevolle, angenehme Klang in seiner Stimme oder das Kribbeln, welches sich in Zeldas Magen ausbreitete, wenn sie seine Stimme hörte. Es schien, als wäre gerade in dem Augenblick die Empfindung für Link in ihr gestorben. „Du hast Recht. Nichts davon hatte eine Bedeutung, weder für mich, noch für dich. Also vergessen wir diesen Kuss so schnell es geht wieder“, ergänzte er ernster. Doch in seinen tiefblauen Augen lag etwas anderes. Liebe lag darin, verschmolzen mit der starken Sehnsucht, seine Prinzessin um die Wahrheit zu bitten. Zelda nickte mit ihrem Kopf, sodass auch Link es sehen konnte. „Und die Worte, die ich sagte...“ „Ja?“, sagte sie kalt und eine Spur genervt. „Als ich sagte, ich bin nur wegen dir in Hyrule. Als ich sagte, ich tue alles nur für dich. Und...“ „Und als du mir unterbreitest hast, du wolltest mich niemals vergessen.“ „Genau. Ich nehme die Worte zurück...“, sagte der junge Held, verblüfft, wie einfach es war, zu lügen und diese schmerzenden, herzlosen Wörter über die Lippen gleiten zulassen. „Ich habe das nicht so gemeint. Vergiss es einfach wieder...“ „Dann wäre ja alles geklärt.“ „Stimmt, dann ist alles geklärt.“ „Gut.“ „Gut.“ Mit schmerzendem Kopf, stiller Verzweiflung, Enttäuschung und einem gigantischen Liebeskummer, hetzte Link aus dem Raum. Zelda stand immer noch wie erstarrt vor ihrem Schreibtisch, während sich das Wasser in ihren saphirblauen Augen sammelte und der Schatten darin gefährlicher und dichter wurde als jemals zuvor. Beinahe krankhaft begann sie zu lachen. Sie lachte über ihre Unfähigkeit jemandem zu vertrauen, ihre Unfähigkeit zu lieben. Sie lachte, schlug mit ihren Fäusten verzweifelt auf den Schreibtisch und ließ sich gekrümmt zu Boden sinken, nur um weitere Tränen fallen zu lassen... Kapitel 104: Willkommen im letzten Tempel ----------------------------------------- Kapitel 87: Willkommen im letzten Tempel Seit mehreren Minuten rutschten zwei murrende Hylianer einen nicht enden wollenden Tunnel hinab. Die Wände waren glattgeschliffen und auch sonst befand sich nirgendwo ein Haken, ein Vorsprung oder etwas ähnliches um Halt zu finden. Und so schlitterten sie schreiend den Tunnel hinunter und hofften auf eine baldige Landung am Bestimmungsort des Verlieses. „Wenn dieser verdammte Schacht nicht bald ein Ende hat, verliere ich jede Beherrschung meiner Magie“, grummelte Zelda und hielt sich angestrengt an Link fest, vielleicht aus winziger Angst ihn zu verlieren. Sie hatte ihre Worte kaum ausgesprochen, krachten sie beide mit einem lauten ,Blubb’ in eine warme Brühe aus abgestandenem Wasser eines wenigbeleuchteten Raumes tief im uralten Todeskrater. Schwerfällig schwamm Link ans Ufer und half Zelda mit ihren schweren durchnässten Klamotten ebenfalls auf trockenen Boden. „Danke“, murmelte sie. „Gern geschehen...“, erwiderte er lächelnd und schüttelte den Kopf wie ein Hund, um so das Wasser aus seinen Haaren zu vertreiben. Ruhe bewahrend und vorsichtig sahen sie sich beide ihre Umgebung um, wo im Anschluss an die tiefe Wasserstelle breite Treppenstufen zu einem gigantischen Eingang führten, versehen mit einem komplizierten, rostenden Verschlussmechanismus mit schweren Ketten, ähnlich dem Siegel für die Waffenkammer in Hyrules Königsschloss. „Kennst du dich mit so was aus, Zeldaschatz?“, meinte Link und prüfte sorgfältig die wuchtigen Ketten der Pforte in die heilige Weisenstätte des Feuers. Die Prinzessin trat mit wachen Augen näher, wischte sich einige Wassertropfen von der Stirn und nickte. Sie schloss ihre Augen gemächlich und führte ihre Handinnenflächen langsam zueinander, so, dass sie sich nicht trafen und murmelte Worte aus dem Reich der Magie vor sich her. Ihre Stimme schwoll an, wurde lauter und lauter, während es an dem großen Tor anfing zu rascheln. Die Ketten klapperten, schwangen hin und her und die ersten kleinen Schlösser öffneten sich. Weitere unsichtbare Schlüssel spielten mit dem versperrten Zugang und plötzlich krachten alle schweren Gehänge dröhnend und quietschend von der großen Tür und der Weg war frei. Mit einem ermutigenden Blick nahm der junge Heroe Zeldas rechte Hand in seine und führte sie beschützend hinein in den gefahrvollen Tempel. Ihre raschelnden Öllampen verscheuchten die Finsternis vor ihnen. Schweigend tapste das junge Pärchen in dem niedrigen Tunnel vorwärts, verwundert über die vielen abgeschlagenen Kanten links und rechts von ihnen, erfüllt von leichtem Misstrauen angesichts der überwältigenden Hitze in jenem Verlies. Als der Weg endete, sahen sich Zelda und Link konfrontiert mit einer schweren Aufgabe, die auf sie wartete. Ein extrem hohes Gewölbe lag vor ihren unschuldigen, blauen Augen. Ein gigantisches Gewölbe, wo teilweise Treppenstufen und Seile bis zum mindestens achten Stockwerk hinaufführten. In der Mitte des Gewölbes sprudelte zornig eine lange gefährliche Feuersäule hinauf in die Höhe, umgeben von feinem Draht hielt dieser Besucher und Neugierige zurück. Und eine Kleinigkeit sprang dem jungen Heroen sofort ins Auge. Aufgeregt schnellte er näher an die Feuersäule und erblickte kreisartig um sie herum siebzehn Einkerbungen für runde Gegenstände. „Was mag das sein?“ „Weiß nicht“, antwortete Zelda, kniete nieder und fuhr mit ihren Zeigefingern an den runden Kerben entlang. „Nicht für unser Medaillon, dafür sind die Löcher zu klein, aber so etwas wie Kugeln oder ähnliches könnte dort hineinpassen.“ „Lass’ mich raten“, erklärte Link. „Irgendwo in diesem Tempel lassen sich siebzehn Gegenstände finden, die wir in diese Kerben setzen müssen, damit wir an das Elixier gelangen.“ Zelda nickte, war aber alles andere als begeistert. Sie blies einen Luftstrom aus ihren Lungen und schaute in die schwindelerregende Höhe. „Die Erbauer dieser Stätte machen es uns nicht gerade leicht. Wenn wir jeden Raum durchsuchen müssen, dann kann dieses Tun Stunden dauern. Aber wir müssen unbedingt in wenigen Stunden wieder im Schloss sein, sonst...“ Link drückte sie in seine starken Arme und streichelte durch das lange, honigblonde Haar seiner Prinzessin, das er so liebte. „Wieviel Zeit werden wir wohl zu Fuß von hier aus zum Schloss benötigen, Zelda?“ Er küsste ihre Stirn. „Wenn alles gut läuft, mindestens einen vollen Tag...“ Sie wiederholte ängstlich: „Wenn alles gut läuft...“ „Und heute ist bereits der zwanzigste Tag, den wir in Hyrule verbringen.“ Sie blickte beunruhigt auf und suchte seine eigenen Sorgen in der tiefblauen Farbe. Er sprach leise und ehrfürchtig: „Das bedeutet, dass wir spätestens morgen abend im Schloss sein müssen, denn morgen ist der letzte Tag vor Vollmond.“ Es schien als dachte Link einige weitere Male über die Worte nach, die aus seinem eigenen Mund gekommen waren. „Der letzte Tag vor dem großen Kampf...“, setzte er zweifelnd hinzu und sein Satz klang eher wie eine Frage als eine simple Äußerung. Allein daran erkannte Zelda Links Unruhe, die Furcht vor dem Bösen, die er niemals zugeben würde. „Ich dachte nicht, dass uns die Zeit so schnell davon läuft. Und, dass uns das Schicksal einholt...“, sprach sie und erneut funkelte in ihren schönen blauen Augen die Angst vor dem, was das Schicksal ihren Seelen vorbestimmt hatte. Es war so weit und der Kampf würde sehr bald wieder in die entscheidende Phase gehen. Erneut würde sie Ganons barbarische Teufelsaugen sehen. Erneut würde sie Todesangst verspüren, wenn Link- der junge Mann und Held, den sie über alles verehrt und liebte- gegen seinen Erzfeind antreten müsste. Warum konnte dieser dumme Teufelskreis von Kampf um Macht nicht endlich durchbrochen werden? Er legte seine rauen Kämpferhände auf ihre sanften Wangen und blickte seine Prinzessin durchdringend an. „Es könnte zwar knapp werden, aber wir haben gute Chancen, wenn wir morgen früh aus dem Todesberg verschwunden sind.“ Sie nickte und schloss ihre Augen für einen Moment. „Und trotzdem habe ich mehr und mehr ein mulmiges Gefühl dabei zum Schloss aufzubrechen.“ „Wir haben keine andere Wahl...“, sagte er leise und wand sich näher, wollte nicht grob klingen, aber es war nun mal ihr vorbestimmter Weg. Es war ihr Schicksal. „Ich weiß“, murmelte sie und küsste ihn auf die rechte Wange. Ihr Blick lief ungeduldig zu den beiden Treppenanfängen, wobei eine der Treppen wendelartig in die Höhe führte und die andere kreuz und quer, immer neben der Feuersäule ihre Bestimmung fand. „Du spielst mit dem Gedanken, dass wir uns aufteilen sollten, oder?“, fragte er leise. Sie nickte. „Wenn du einverstanden bist.“ „Ich muss einsehen, dass es die beste Lösung, auch wenn ich dich nicht unbedingt alleine hier umherwandeln lassen möchte.“ Er grinste halbherzig. „Es ist okay. Ich kann mich mit dem Fragment besser verteidigen als dir lieb ist, mein Link.“ „Gut, möchtest du die drei Räume im Erdgeschoss durchsuchen? Ich werde die teilweise durchbrochene Treppe nehmen, die kreuz und quer im Gewölbe entlang läuft.“ Sie nickte. Er umarmte sie noch einmal und murmelte zögerlich: „Sei vorsichtig. Ich will nicht ohne dich auf die Erde zurückkehren“, sagte er matt. „Keine Sorge, ich lass’ dich auf keinen Fall alleine gehen.“ Sie lächelte und küsste ihn verträumt. „Bis nachher, mein Herz.“ Und damit lief Zelda muterfüllt und schnellen Schrittes zu der ersten Tür des Erdgeschosses und verschwand dahinter. Mit einem tiefen Atemzug schloss Zelda eine erste in die Länge gezogene Tür hinter sich und erforschte mit ihren himmelblauen Augen den vor ihr liegenden Raum. Ein stickiger, kahler Flur lag vor ihr und hielt sie davon ab, sich sofort auf Entdeckungssuche zu machen. Denn der Flur sah uneinladend aus mit stinkenden Rattenkadavern auf dem pfützenreichen Boden. Verwesende Skelette schliefen ihren trostlosen Schlaf an den Seitenwänden. Aber das Schlimmste war die hohe Temperatur und die feuchte Luft. Klappernd hielt Zelda ihre bräunliche Öllampe vor sich und tapste langsam vorwärts. Jeder Schritt hallte in dem langen Gang und jeder eigene Atemzug beunruhigte sie, machte sie verdächtig. Lebendes Fleisch in einem alten Verlies wie diesem war schließlich immer Willkommen, vor allem dann, wenn ohnehin Knochenreste hier und da umherlagen und von einem grauenvollen Schicksal berichteten. Wie viele derer, die hier ihre Neugierde einnahmen, kamen wohl ums Leben? Zaghaft trottete Zelda voran. Ihre blauen Augen schillerten voller Erwartung und ihr Herz tobte in einem beklemmenden Rhythmus. Sie blickte nach rechts und links und erkannte auf jeder Seite drei Kerker, bevor der Flur mit einer weiteren Wand abschloss. Sie stellte ihre Öllampe vorsichtig am hinteren Bereich der Örtlichkeit ab und untersuchte zunächst die hinterste kahle Steinwand. Mit einem erleichterten Seufzen stellte sie fest, dass hier kein weiterer Zugang vorliegen konnte. Die Wände erzählten nichts von irgendwelchen Wegen und die Augen jener Geister, die in den Wänden hausten, zeigten der Prinzessin ebenso die lückenlose, endende Wahrheit über diesen Raum des Tempels. Denn Zelda sah mit den wissenden Augen der Geister, sie fühlte und erkannte. Zufrieden packte sie wieder ihre geräuschvolle Öllampe und trat langsam in jedem der insgesamt sechs Kerker ein, wo feuchtes Heu, Pritschen mit durchlöcherten Laken und die abschreckendsten Folterinstrumente lagen. ,Wie ekelhaft’, dachte die junge Prinzessin und beschaute sich lederne Peitschen, quietschende Daumenschrauben und glühende Zangen, mit denen man hässliche Male auf die Haut rechtloser Opfer drücken konnte. Aber eines verwunderte sie schon... Ihr Vater, Harkenia der Siebte, hatte damals jegliche Foltermethodenanwendungen untersagt, sogar die Todesstrafe hatte er abgesetzt. Weil sie als Prinzessin dies so wollte. Damals in ihrem geliebten Land Hyrule... Warum also befanden sich derartige Instrumente in diesen viel zu engen Käfigen? Für einen kurzen, erschreckenden Moment blickte sie zurück durch die Zeit und sah aufgezwungen von der Vergangenheit, die entsetzlich in diesen Wänden hauste, Bilder der Qual. Sie sah, wie man Männer folterte, die nach sittenlosen Schandtaten strebten, um dunkle Gelüste zu befriedigen. Und eine merkwürdige Gewissheit schlich sich durch Zeldas Gemüt. Diese Folterungen waren weit vor der Zeit der Herrschaft ihres Vater Gang und Gebe gewesen. Es war Vergangenheit und oftmals war es gut, jene ruhen zulassen, um einen neuen Weg zufinden. Genauso, wie Prinzessin Zelda Hyrule, ihr geliebtes Land, ruhen lassen müsste, wenn sie mit Link auf der Erdenwelt glücklich sein wollte. Und wie sie sehr dies wollte... Ein verträumtes Lächeln setzte sich auf ihr ebenmäßiges Gesicht und sie begann den ersten kleinen Kerker zu durchsuchen. Link balancierte sein Gewicht derweil mühsam und geschickt an breiten Abgründen, dort wo die Treppenstufen fehlten, an Wänden entlang, schwang sich mit Seilen über gefährliche Löcher und erreichte auf der halbzerstörten Treppe zunächst den dritten Stock. Und hier erkannte er mit einem Blick in die Höhe auch, dass es unumgänglich schien, die halbzerrüttete Treppe zu nutzen, weil sonst kein anderer Weg zu manchen Stockwerken führte. Ein weiterer entschlossener Blick ging aus den tiefblauen Heldenaugen umher, bis er eine ausgedehnte Tür öffnete, vor der er stand. Link trat behutsam ein und als er die Tür schließen wollte, stieß eine unsichtbare Macht jene zu und der Riegel sank nach unten. Verwundert und mit der Absicht sich den Fluchtweg offen zu halten, probierte Link feste, die Tür erneut zu öffnen. Aber sie war dicht. Ganz und gar verschlossen. „Verfluchter...“, grummelte Link und zerrte wie bescheuert an dem dichten Schloss herum, bis er seufzte und seinen unerträglichen Hitzkopf unter Kontrolle brachte. ,Na gut. Vielleicht ist hier irgendwo ein anderer Fluchtweg oder ein Schalter’, sprach er zu sich und erforschte zunächst in aller Ruhe das große Gewölbe. Der Ort strahlte eine Form von Beruhigung aus, wirkte wärmend in den tiefen Verliesen eines Tempels, wirkte beinahe märchenhaft. Ein faszinierender, traumhafter Ort mit verzierten und goldenumrahmten Pfeilern und einer ungewissen eigensinnigen Faszination. Denn die alten Säulen waren umwuchert mit dem dürren Gestrüpp von verwelktem Efeu. Aber das Merkwürdige an diesem Raum war, dass jene Pfeiler nicht durchgängig waren, sondern wie Stalaktiten zapfenförmig von der Decke hingen und den Boden nicht erreichten. Erstaunt wand sich der junge Heroe näher, war fasziniert und begeistert... Zusätzlich war in der Mitte ein Springbrunnen angelegt aus feinstem Marmor. Grinsend tapste Link in die Mitte des Raumes, konnte nichts Verdächtiges oder Ungewöhnliches hier ausmachen und hielt seine rauen, trockenen Kämpferhände erfrischend in das kühle Nass des Brunnens. Einige erfrischende Tropfen des springenden Wassers wirbelten in der Luft und befeuchteten sein Gesicht. ,Genüsslich. Einfach nur genüsslich’, dachte Link und schaute sich nach der kurzen Verschnaufpause weiter in dem mysteriösen Raum um. Er untersuchte die von der Decke hängenden Balken, beschielte jeden Ritz in den Wänden und lief nach Minuten des vergeblichen Suchens erneut zu dem weißen Springbrunnen. Wiederholt führte er seine warmen Hände in das kühle Nass, als dem Helden am Grund des Springbrunnens etwas auffiel. Ein Gegenstand lag dort in der Mitte des Brunnens, der sich nur verschleiernd im Wasser preisgab. Ohne zu überlegen hüpfte Link hinein in das kalte Nass und stand bis zur Hüfte in dem Brunnenbecken. Er beugte sich nieder, umfasste den schillernden Gegenstand und hob ihn mit einem Ruck aus dem Wasser heraus. Link stapfte aus dem Brunnen heraus, hielt die Öllampe näher an den metallenen Gegenstand und betrachtete sich das Objekt von jeder Seite. ,Erstaunlich’, dachte er. Eine Münze. Er hielt eine goldene Münze mit einem hylianischen Zeichen aus der Vorzeit in seinen Händen. Eine alte Münze... ,Stimmt ja’, dachte der Heroe. Zelda hatte ihm berichtet, dass man zu früheren Zeiten in Hyrule auch mit Münzen gehandelt hatte, bevor man sich auf Rubine beschränkte. Ein altes, wertvolles Zahlungsmittel hielt er in den Händen. Was jene Münze wohl in dem heutigen Hyrule wert wäre? Egal, jetzt müsste er erst mal einen Ausgang finden und dann würde er weitere von diesen Münzen sammeln. Denn von der Form und Größe her passten jene perfekt in die vielen Einkerbungen rundum die gigantische, hitzeverströmende Feuersäule. Zelda plagte sich immer noch mit dem mühevollen Durchsuchen der sechs Gefängniszellen herum. Schnaubend erreichte sie die letzte und freute sich schon ironischerweise darauf, die dreckigen Laken, rostigen mit Blut behafteten Folterinstrumente und das müffelnde, schimmelnde Heu zu durchsuchen... Aber dieser Zelle war aus irgendeinem Grund verschlossen, nicht so wie die anderen, wo quietschende Gittertüren Besucher einluden. ,Merkwürdig’, dachte die junge Prinzessin und probierte der Reihe nach ihre Schlüssel durch. Als sie einen richtigen gefunden hatte, stoppte sie plötzlich und schielte beunruhigter in die kleine Zelle hinein. Sie blickte genauer hin und glaubte schon, sie hätte wieder Halluzinationen oder andere Einbildungen, die sie in ihrem langen Umhergeistern im alten Hyrule schon oft genug durchlebt hatte. Als Folge ihrer goldenen Macht. Oder als Folge ihrer verwundeten Seele... Denn sie hatte wahrhaft das Gefühl das Häufchen Heu hätte sich bewegt... ,Blödsinn, Zelda’, dachte sie. ,Du wirst verrückt.’ Zaghaft öffnete sie die schäbige Zelle. Und plötzlich raschelte es erneut und diesmal wusste die junge Königstochter: Es war alles andere als Einbildung. Mit einem Quieksen stolperte Zelda zurück und krachte an die gegenüberliegenden Eisenstäbe. Sie zog einen blitzenden Dolch von ihrem dunkelbraunen Gürtel und wartete darauf, dass sich das mutmaßliche Ungetüm preisgab. Erneute Funkstille. Das Rascheln war verschwunden. Und die junge Prinzessin hörte nur das leise Tropfen von dreckige, Wasser von der Decke. Sie biss sich auf die Lippe, umfasste den Dolch fester. „Ich weiß, dass du da bist“, sagte Zelda tapfer und trat vorsichtig näher. Ihr Dolch blitzte gefährlich durch die stickige Finsternis der Zelle und war bereit dem vermeintlichen Monster die Kehle durchzustoßen. Aber wieder raschelte es bloß in dem verhältnismäßig kleinen Heuhaufen. „Du hast es nicht anders gewollt!“, zischte Zelda, stürmte näher und trat rasch mit einem spitzen Absatz ihrer Stiefel auf das Heu und folglich auf die barbarische Ausgeburt der Hölle, die sich ein Spiel mit ihr erlaubte. Überraschenderweise piepste es mäuseartig und Zelda verzog die Augenbrauen. Dieses leise Piepsen klang so kleinlich und süß, dass es niemals von einer Bestie stammen konnte. Wissbegierig trat sie näher und murmelte leise: „Ist da jemand?“ Erneut ein süßes Piepsen, das sich in das rechtschaffene Herz eines guten Hylianers bohren konnte. „Was bist du?“, sagte Zelda sanft und sie kniete jetzt nieder, überwand ihr Misstrauen und schob mit ihren bloßen Händen den Heuhaufen weg. Es schnurrte unter dem Heu und im nächsten Moment war es ein verzweifeltes Winseln. Vorsichtiger zupfte Zelda die Heustangen weg und erkannte ein schuppiges Gewand eines kleinen Wesens unter dem getrockneten Gras. „Hey...“, sagte Zelda verwundert und ein Lächeln regte sich auf ihrem Gesicht. Schwarzes schuppiges Fell gab sich preis und ein kleiner, schmaler Kopf hob sich in die Höhe. Dunkle, schimmernde Augen schauten suchend in ihre. Und ein Piepsen kam erneut aus einem schlangenartigen Mund mit vielen kleinen Reißzähnen. Zwei gekrümmte Hörner trug das Wesen auf dem Köpfchen und als Zierde besaß es eine weiche, buschige Mähne. Aber das, was dieses Wesen auszeichnete, waren zwei kleine schwarze Flügel auf der Rückenseite. Und die junge Prinzessin wusste, was sie vor sich hatte. Ein kleiner schwarzer Drache... Nicht untypisch hier im Todeskrater. Denn dieser Ort war berühmt für die Anwesenheit jener magischen Wesen. „Ach, bist du süß. Komm’ her!“, freute sich Zelda und sie nahm das kleine Drachenbaby auf ihren Schoß. Es war fast schon so kugelrund, dass Zelda es als dick oder fett bezeichnen könnte. Aber es war einsam, das spürte sie. „Was machst du denn so alleine hier?“ Die schwarzen Augen des Drachen sahen zu ihr auf, als ob es sie verstehen könnte. Es schnüffelte und hüpfte stolpernd zu der magischen Tasche an Zeldas Hüfte. Es quietschte und raunte, schlug mit den dürren, knochigen Flügeln und hüpfte hin und her. „Ich verstehe, du hast Hunger und Durst.“ Zelda holte ein Stück Pökelfleisch aus ihrer Tasche und eine Flasche Wasser. Ohne zu warten verschlang der kleine Zwergendrache das Essen und schielte wieder mit großen, erwartungsvollen Augen in das hübsche Gesicht Zeldas. Mehrere Minuten verstrichen, in denen das kleine Wesen die Prinzessin musterte, bis sich ein genügsames Lächeln auf Zeldas Gesicht regte. „Was ist?“ Plötzlich piepste es und japste heftiger. Aufgeregt hüpfte es hin und her und kroch in die hinterste Ecke der Zelle. „Hey... was ist denn los, Kleines?“, sagte sie. Es wedelte unruhig mit den Flügeln und zappelte ständig. Den Wink so allmählich begreifend schaute Zelda nach hinten. Und da türmten sich zwei hochgewachsene Knochengänger hinter ihr auf und stießen mit ihren Speeren unbeholfen nach vorne. Schreckhaft hüpfte Zelda nach oben und überwand mit der magischen Kraft ihres Fragmentes für einen Augenblick die Schwerkraft. Wie eine Göttin schwebte Zelda in den Lüften. Ihr blondes Haar aufgewirbelt und schimmernd. Ihre Augen leuchteten erhaben und spektakulär. Eine Handbewegung mit jener Hand, die das Abzeichen tief verborgen in sich trug, genügte, und zwei goldene Seile aus Zeldas Licht schnürten sich um die beiden lebenden Skelette, rissen ihre durch Böswilligkeit zusammengehalten Knochen wieder auseinander und zerfetzen sie genugtuend. Zelda berührte mit ihren Zehenspitzen wieder den Fußboden und hörte immer noch das Trommeln ihrer Macht in den Gliedern. Wenn sie nicht aufpasste, dann würde jene Macht sich selbstständiger machen als es der Trägerin des Fragmentes für Weisheit lieb war... Das Drachenbaby kam angehüpft und segelte unbeholfen mit dem runden Bauch auf Zeldas Schultern und krallte sich an ihrem Umhang fest. „Du möchtest mit mir kommen?“ Die dunklen Augen leuchteten wieder und Zelda griente herzhaft. „Sicher“, sagte sie und nickte. „Ich hätte dich sowieso nicht hier gelassen. Aber vorher müssen wir den letzten Kerker noch durchsuchen. Es wird Zeit, dass ich finde, wonach ich suche.“ Das kleine, magische Wesen gab ihr einen Schlecker mit der schwammigen Zunge, worauf Zelda breit grinste und laut auflachte. Wie mit einer Lupe suchte Zelda akribisch den Kerker durch und fand tatsächlich etwas Ungewöhnliches, was in keinem der Kerker bisher vorhanden war. Unter der stinkenden Pritsche stand eine kleine Schachtel aus Holz gefertigt. Ohne weitere Überlegungen öffnete die Prinzessin den Behälter und entdeckte in müffelnden Tüchern eine glänzende, goldene Münze in dem Innenraum, versehen mit einem Schriftzeichen aus einer Vorzeit... Genau in jenem Moment kletterte Link behände ein sicheres Eisengitter hinauf, das Erbauer am hinteren Bereich des märchenhaften Raumes mit den Säulen an die Wand gezimmert hatten. Schnaubend zog er sein Gewicht nach oben, verharrte einen Moment und schielte besorgt hinab, hoffend, das Eisengitter hielt sein Gewicht und die Schrauben, Klammern und ähnliches, mit dem man das Gitter befestigt hatte, würden ihn dulden. Zug und Zug kletterte der Heroe nach oben und entdeckte fast am Ende des Gitters freudig eine Tür, die ins Leere führte und die sich nach innen öffnen ließ. Mit einer Hand umfasste er die Klinke und schob die Holzplatte der Tür ins Innere. Seufzend bewegte der Held sein Gewicht in den Eingang und tat als erstes nichts anderes als sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. ,Was für eine Hitze’, murrte er in Gedanken. Denn mit jedem höheren Stockwerk stieg die Temperatur verdächtig an. Mit einem gehässigen Grinsen erschuf der Heroe den Gedanken daran, dass es im achten Stockwerk wohl ziemlich unangenehm sein könnte... Ein langer Flur lag vor ihm, wo sogar eine alte, von Holzwürmern zerfressene Kommode stand. Überall waren die Löcher des Gewürms zufinden. Wahrlich ein Wunder, dass jene Kommode noch nicht in alle Einzelteile gefallen war. Sorgfältig schaute Link die vielen Schubfächer durch und fand eine zweite Münze, ähnlich zu der, die bereits in seinem Besitz verweilte. Aber eine andere Eingravierung war darauf zusehen. Ein anderes hylianisches Zeichen. Zufrieden verstaute er es in einer ledernen Gürteltasche und begab sich zu dem anderen Ausgang des Korridors. Einmal mehr erreichte der Heroe das hohe Gewölbe mit der langen, verschlingenden Feuersäule. Von hier oben aus, dem nunmehr vierten Stockwerk der Weisenstätte sahen die kreuz und quer verlaufenden Treppenstufen noch verwirrender aus und endeten gelegentlich an der metallischen Wendeltreppe, die dicht an der festen Seitenwand hinaufführte. Einige Seile waren hier oben gespannt und überbrückten Bereiche, zu denen man mittels der Treppen nicht hingelangen konnte und bis oben an der Decke gab es eine zusätzliche Tür, die wie eine Dachluke aussah... Mit leichter Besorgnis blickte Link nach unten und hoffte inständig, dass mit Zelda alles okay war. Wie gerne hätte er sie jetzt direkt hier, in seinen Armen... Ein verliebtes Grinsen setzte sich auf sein Heldengesicht, als er Zeldas märchenhafte Augen vor sich sah. Ihr sanftes Lächeln. Ihre teuflisch roten Lippen. Er schüttelte den Kopf und begab sich zum nächsten Raum hier im vierten Stockwerk. Denn dann, wenn alles ausgestanden wäre, wenn sie Ganondorf besiegt hätten, könnte er seine Prinzessin so lange in den starken Armen halten wie er wollte. Und dann würde er sie nie wieder gehen lassen... Er überprüfte die Stärke und Rissfestigkeit eines Seils, welches knapp neben der Feuersäule zu einem kleinen Vorsprung führte, wo sich die zweite Tür des Stockwerkes befand. Link zerrte mehrmals daran, bis er den Mut fasste sich an dem Seil über die nahe Feuersäule zu hangeln. Stückchenweise hangelte er sich voran, spürte die lästige Hitze des Tempels beinahe unerträglich werden. Schweiß tropfte von seiner Stirn und lief ihm in die Augen. „Verdammt“, brüllte er, weil er keine Hand frei hatte, sich über die Augen zu fahren. Er verharrte einige Sekunden in seiner Haltung und seilte sich weiter über die erschreckende Höhe, kämpfte und kämpfte. Für seine Ehre und das wahre Gesicht des Helden der Zeit. Nach mehreren Minuten hatte er das kleine Plateau erreicht und sank erst mal erleichtert auf die Knie. Er trank einen Schluck Wasser, riss sich die durchgeschwitzte Tunika vom Leib und trottete bloß noch bekleidet mit dem Kettenhemd, dem weißlichen, langärmligen Wams und der blassblauen Hose umher. Genervt stopfte er die Tunika in die magische Tasche, schöpfte neue Willenskraft durch einen Gedanken an Zelda und trat vor die nächste Tür. Es handelte sich um ein Tor, so groß war der Eingang vor ihm und viele Verzierungen waren in das Holz eingearbeitet. Die Pforte wirkte beinahe unnötig hier in einem gefahrvollen Tempel wie diesem und es schien als gehörte jene Tür überhaupt nicht hierher. Voller Erwartung riss der Heroe die kunstvolle Pforte auf und verschwand mit Entschlossenheit dahinter. Und da wusste er noch nicht, dass in jenem Moment für ihn ein verwirrender Alptraum in diesem Tempel begann... Ein entsetzlicher Alptraum, den eine vernichtungssüchtige Kreatur nur für ihn vorbereitet hatte. Nur für ihn und die Sehnsüchte in seinem Herzen. Entscheidende Momente würden geboren werden. Momente, in denen der Held sein Grab finden könnte und alles hing von seinem Handeln ab. Alles war nun an sein Urteilsvermögen, seine Ideale und die wahren Gefühle der Liebe in seinem Herzen geknüpft... Gerade schloss er die Tür und wand seinen Blick simultan zu dem mit kleinen Lichtquellen erhelltem Raum vor ihm. Wie benebelt blieb er an Ort und Stelle stehen und schaute irritiert umher. Ein Himmelbett mit vielen rubinroten Schleiern lag vor ihm und rundherum waren für romantische Stimmung unzählige Kerzen aufgestellt. Link nahm einen tiefen Atemzug und trat näher, erkannte eine schattenhafte Gestalt, die sich in jenem Bett befand und sie war nur andeutungsweise sichtbar durch die vielen roten Schleier. „Hallo... Ist da jemand?“ Aber Link erhielt keine Antwort, obgleich er sehen konnte, dass die Gestalt in jenem Himmelbett sich bewegte. Selbstbewusst wagte sich der junge Heroe näher und öffnete vorsichtig die Schleier. Welche wunderbar weicher Stoff. So samt umspülte er abgenutzte Kämpferhände... Als er das rotfarbene Gehänge zur Seite geschoben hatte, entdeckte er mit herrlicher Verwirrung und ohnmachtsverführerender Überraschung einen anmutigen, wunderbarweiblichen Mädchenkörper. Nackt und ohne Harm. Sie kämmte sich lange, goldene Haare, die offen über ihren Rücken fielen und begann mit einer lieblichen Stimme zu summen, die Link jede Beherrschung verlieren ließ. Diese einprägsame Stimme, so zart und einschneidend wagte sie sich in tiefste Kämmerchen seines Herzens. Diese sehnsuchtsvolle Stimme, mit der ein ganzes, großes Abenteuer angefangen hatte. „Zelda? Was machst du denn hier?“, murmelte er und krabbelte über das Bett zu seiner Prinzessin heran, nahm sich die Bettdecke und legte jene über ihren vollständig entblößten Körper. „Bei Nayru, Zelda. Du bist ganz und gar entkleidet und das in diesem Tempel?“ Link konnte noch gar nicht fassen, was seine Prinzessin hier tat. Was, wenn sich ein Monster mit dunklen Gelüsten hier herumtrieb. Sie konnte doch nicht einem ahnungslosen Moblin ihr sündhaft schönes Abbild zeigen! In dem Augenblick drehte sie sich verwundert nach ihm um und lächelte so tiefgehend, dass Link das Gefühl umfing, er würde auf der Stelle zerschmelzen. Dieser Blick ließ ihn auf Wellen von Lust und Leidenschaft segeln und sie wusste es noch nicht einmal... „Mir war einfach zu... heiß...“, murmelte sie. „Die Temperatur ist nicht zu ertragen...“ „Und da setzt du dich vollkommen nackt in dieses Bett und kämmst dir seelenruhig deine Haare. Herrje, Zelda.“ Sie ließ die Decke wieder von ihren Schultern sinken, drehte sich um und umschlang ihren Liebsten. „Außerdem brauchte ich eine Pause.“ Link schoss vor plötzlicher Anspannung und Überforderung angesichts ihres nackten Körpers das Blut in den Kopf. „Wie bist du überhaupt hierher gekommen?“, wollte er wissen und ignorierte zunächst ihre Anzüglichkeiten. Sie antwortete nicht und knabberte an seinem Hals. „Zelda...“, murmelte er, hin und hergerissen auf ihre Zärtlichkeiten zu antworten. Aber er konnte nicht, nicht unter diesen Umständen. Immerhin befanden sie sich in einem gefährlichen Tempel. Ausgerechnet hier mit Zelda Zärtlichkeiten auszutauschen, war alles andere als richtig. Er umfasste sanft ihre Handgelenke und blickte tief und durchdringend in ihre Augen. „Zelda. Unsere Mission geht vor. Das weißt du...“ Sie blickte traurig auf. „Aber ich hatte doch bloß Sehnsucht nach dir... nur ein wenig... okay?“ Noch ehe er sinnvoll antworten konnte, streichelte sie mit ihren Lippen die seinen und wurde mit jeder weiteren Sekunde grober. Sie drückte ihn auf die weiche Matratze und saß in ihrer herrlichen Nacktheit nun auf ihm, spielte ungeduldig an dem Kettenhemd. Aber Links Blick finsterte sich. Er war sich sicher, dass seine Zelda hier in dem Himmelbett lag und ihn gerade verführen wollte und doch war an der Situation irgendetwas gekünstelt, unecht... Irgendetwas stimmte nicht... Er richtete sich wieder auf, drückte sie sanft von sich weg und ließ langsam die Beine von der Bettkante baumeln. Er grübelte verbissen nach Sinnhaftigkeit, konnte nicht begreifen, was hier vor sich ging und spürte erneut Zeldas Hände, die begannen auf seinem Bauch zu spielen. Ihr nackter Körper lehnte sich anschmiegsam gegen seinen Rücken und ihre Lippen senkten sich an seinen Hals. „Link... sag’ mir, was dich bedrückt.“ „Spürst du das nicht? Irgendetwas an der Situation ist mir schleierhaft... Dieses Schlafzimmer in einem Tempel?“ „Vielleicht träumst du ja bloß, mein Held.“ „Ich träume?“ „Mmh...“, seufzte sie und umschlang ihn von hinten mit ihren Beinen. Er konnte nicht anders als über die weiche Haut ihrer Schenkel zu streicheln und spürte ihre Gänsehaut verursacht durch seine Berührung. „Ist das nicht zu schön, um Realität zu sein?“, summte sie und fuhr mit einer Hand unter das Wams und mit der andere wollüstig zu seinem Schritt. Indes schlüpfte die wahre Zelda durch ein kindsgroßes Türchen, zwängte sich fluchend hinein und erreichte einen leergefegten Innenraum. Nichts befand sich hier. Kein Schrank. Keine Truhe. Keine andere Tür. Nur ein leerer Raum mit sandigem Boden. Das Drachenbaby hüpfte piepsend von Zeldas Schultern und flog in die Mitte des Raumes, wo es sich hinhockte und mit aufmerksamen Augen zu der jungen Prinzessin schaute. „Was willst du mir jetzt damit sagen, Kleines?“ Der kindliche Drache piepste, raunte und jaulte, bis er mit seinen Vorderpfoten auf dem Boden scharrte. „Soso... Ich soll’ wahrscheinlich mitmachen, was?“ Der kleine, kugelrunde Drache nickte, worauf die junge Prinzessin stracks damit begann von vorne nach hinten den trockenen Sand des kleinen Raumes mit bloßen Händen umzugraben. Sie buddelte seit nunmehr zehn Minuten in dem staubigen Sand umher, fühlte das trockene Zeug überall kleben und fand schließlich als Belohnung ihrer mühevollen Maulwurfarbeit eine weitere goldene Münze. Link vergnügte sich inzwischen in irgendwelchen Traumgebilden mit viel angenehmeren Dingen. Zusammen lagen er und seine Prinzessin aneinandergekuschelt in dem gemütlichen Bett, küssten sich und liebkosten einander in nie da gewesener Wonne. Sie verwöhnten sich und beließen es bei zärtlichen Streicheleinheiten. Nicht mehr... und nicht weniger... „Zelda.“ „Mmh?“, murmelte sie entzückt und küsste ihn träumerisch. „Diese Minuten mit dir waren schön, aber ich finde, wir sollten jetzt aufbrechen.“ „Ich kann dich nicht gehen lassen“, sagte sie ernster und ihre Augen funkelten immer ungewöhnlicher, so als ob sie tatsächlich nur ein Traumwesen war, nicht erfahrbar, bloß real in einem Traum, wo sich seine Sehnsüchte erfüllten. „Warum nicht?“, murmelte er, richtete sich auf und zog sich Hose, Wams und Kettenhemd wieder an. Sie lachte und lächelte verspielt. „Zelda... Das ist nicht lustig. Die Mission!“, meinte er ebenso ernster und schaute verwundert umher. „Wo sind überhaupt deine Kleider hin?“ Wieder lachte sie, richtete sich auf und ihr Körper zerflog plötzlich in Tausend kleine Scherben. Es klitterte in dem Schlafzimmer. Es krachte donnernd und Link wurde von magischen, dunklen Böen quer durch das Zimmer geschickt und landete knackend an einer Seitenwand. „Verflucht!“, kreischte er schmerzverzerrt und schüttelte den Kopf. Er richtete sich auf. Sein Blick fiel umher. „Zelda?“, rief er entsetzt und hastete zu dem Bett, aber auch jenes löste sich plötzlich auf und die Gegenstände des Raumes, in welchem er vorher noch sinnliche Wärme genossen hatte, waren verschwunden. „Zelda!“, rief er erneut, so laut, dass seine Prinzessin, die im ersten Stockwerk stand, eine Spur des Rufes gehört hatte. Verwundert richtete Zelda sich auf, fühlte Sorge um Link erwachen und trat zunächst aus dem kleinen Räumchen heraus, schaute mit Unruhe hinauf zu der langen Feuersäule und fragte sich inständig, in welchem Stockwerk ihr Heroe wohl angelangt war. Sie liebte ihn aufrichtig, auch, wenn sie es bisher noch nicht fertig gebracht hatte ihm dies zu sagen. Zudem freute sie sich nahezu fieberisch auf den Abend... auf seine Nähe... die Stärke seines Körpers... seine Küsse... Zielstrebig nahm sie sich den nächsten Raum vor und suchte nach einer weiteren alten Münze. Der junge Heroe stand nun alleine in einem leeren Raum und nirgendwo war eine Spur von Zelda oder ein Bett. Auch die vielen Kerzen waren verschwunden. Er erinnerte sich langsam daran, was Zelda ihm gesagt hatte, was sie vor wenigen Minuten mit ihrer süßen Stimme erklingen ließ. ,Vielleicht träumst du ja bloß, mein Held.’ Hatte er tatsächlich für wenige Minuten geschlafen? Wie unsinnig... Er musste wohl einfach eingepennt sein, die einzige Erklärung für die momentane Verwirrung, die ihn umfing. Obwohl sich Zelda in jenem Traum mal wieder so nah und so real anfühlte. Aber er hatte ja schon mehrere Träume von Zelda und ihm. Konnte es sein, dass die unerträgliche Hitze ihn verlockt hatte, einzuschlafen? Und was gab es schöneres als von einer wundervollen Prinzessin zu träumen, die ihn verführen wollte? Link schüttelte den Kopf und grinste. ,So ein Quatsch’, dachte er. Es gab im Augenblick soviel Wichtigeres als Zelda und ihren reizenden Body. Und das Lustigste war, dass sie selbst nicht einmal wusste, wie herrlich erotisch sie auf ihn wirkte. Erneut schüttelte Link den Kopf und kratzte sich an der Stirn. ,Himmel, was war er doch verliebt.’ Denn andauernd dachte er an die vielen faszinierenden Eigenheiten seiner Prinzessin und konnte einfach nicht genug davon bekommen. Ob das noch gesund war, fragte er sich. Und gerade in jenem Augenblick krachte ein kleiner Gegenstand von oben direkt auf seinen blonden Schopf. „Autsch“, fluchte er und rieb sich über den Schädel, hörte es hinter sich klimpern und entdeckte eine der goldenen Münzen, die die Mission ein Stückchen voranbrachten. Aber so schön diese erste Herausforderung des Schreckens gewesen war, so wusste im Hintergrund eine teuflische Kreatur sehr genau, wie sie weiterhin vorgehen würde um die zwei edelmütigen Hylianerherzen zu zerstoßen. Es war alles nur eine Frage der Taktik. Eine Frage huldigender, bösartiger Illusionen. Illusionen, die den Wahnsinn in einen rationaldenkenden Verstand tragen konnten. Illusionen, die man von der Wirklichkeit nicht unterscheiden konnte und die nur einen Zweck erfüllten: zu verwirren, zu foltern und das Vertrauen in liebende Menschen zu zerstückeln... Erwartungsfroh und guter Stimmung wagte sich die junge Prinzessin in einen weiteren düsteren Raum hinein, den letzten Eingang, der hier im Erdgeschoss zu finden war. Es handelte sich um eine verschlossene Holztür. Sie knackte unangenehm, als Zelda an dem Türgriff rüttelte. Sie knackte so merkwürdig, als würde sie gleich in sich zusammenfallen. Ein kleiner Schlüssel mit vielen Zacken passte und die junge Königstochter trat vorsichtig herein, entschlossen die nächste Hürde zu meistern. Das kleine Drachenbaby hüpfte wie ein Hündchen hinter ihr her und piepste leise. Als sie in der Dunkelheit des Raumes ihre Öllampe entzündete, staunte sie nicht schlecht. Vor ihr lag ein langer Saal, genauer ein Esszimmer mit einer geschmackvollen Tafel. Der gesamte Saal war geschmückt und überall standen die faszinierendsten Gegenstände. Ein Globus. Ein Mikroskop. Bücher. Teller auf dem langen Tisch mit goldenem Besteck. Holzscheitel gestapelt in einer Ecke. Und überhaupt sah der Raum sehr unordentlich aus, so als hätte jemand ihn hektisch verlassen müssen. Selbst die zwei Schwerter, die eigentlich an den Wänden hingen, lagen auf dem kalten Steinboden... Und eine weitere Sache rückte in Zeldas Aufmerksamkeit. Die vielen Gegenstände standen immer dort, wo sie nicht unbedingt hingehörten. So zum Beispiel das Besteck. Es lag kreuz und quer in der Mitte der Tafel anstatt neben einem Teller. Ein Stuhl mit hohen Lehnen war in eine Ecke geschoben worden. Und das war nur ein Bruchteil dieses gesamten Wirrwarr. Zaghaft lief die junge Prinzessin in Richtung des Kamins, wo sogar noch glühende Kohlen dampften. Echt seltsam bei den ohnehin hohen Temperaturen in diesem Tempel. Mürrisch krallte sie sich einen nahestehenden Wassereimer und löschte die glühenden Kohlen damit. Feuchter Dampf schlug ihr entgegen und die glühenden Kohlen erkalteten. Sie wand ihr Abbild wieder dem langen Saal zu und überlegte. Irgendwo in diesem Raum musste sich eine goldene Münze verbergen. Und so begann die Prinzessin Hyrules den Raum sorgfältig zu durchsuchen. Viele verschwendete Minuten vergingen und Zelda wusste sich keinen Rat mehr. Sie hockte sich auf einen der breiten Stühle und grübelte. Sie ärgerte sich... Jede Ecke und jede Schublade hatte sie erkundet, aber nirgends war eine Münze. Dabei war sie sich beinahe felsenfest sicher, dass sich hier in diesem gemütlichen Raum eine verbergen musste. „Weißt du einen Rat?“, murmelte sie und schaute ergründend in die schwarzen Drachenaugen. „Du hast ein paar merkwürdige Augen für einen Drachen.“ Sie streichelte über sein Köpfchen und durch die glänzende, etwas hellere Mähne. Zeldas himmelblaue Augen wanderten wieder in jenem Raum umher und sie suchte nach einer Erklärung. Im Grunde war der Raum eine einzige Katastrophe. Nichts war an seinem Platz, alles würde man umräumen müssen, damit jener Ort wieder eine ordentliche Funktion erfüllen konnte. Umräumen... Das Drachenbaby quiekste wieder, öffnete sein Maul und entließ einen Dampfstrom. Eine hässliche, müffelnde Wolke entkam seinem Mund und vielleicht ärgerte es sich selbst darüber noch zu junge zusein, um Feuer zu spucken. Es hüpfte piepsend auf die lange Tafel, nahm sich einen Löffel und schob diesen mit der feuchten Nase zu einen der Porzellanteller. Es räumte auf, dachte Zelda. Das Drachenbaby ordnete die Gegenstände in jenem Saal. Aber warum? War das etwa das große Rätsel? Einfach alles an seinen Platz räumen? Wie ein geölter Blitz hetzte Zelda auf und begann damit die vielen Löffel, Gabeln und Messer in richtiger Reihenfolge um die Porzellanteller zu legen. Dann machte sie sich daran alte Bücher, die auf dem Boden lagen nach dem hylianischen Alphabet in das Regal einzusortieren. Derweil jubelte das Drachenbaby und es schien beinahe so, als wollte es Zelda den Weg weisen, ihr mit kleinem Kopfnicken oder anderen niedlichen Gesten sagen, was es nicht konnte. Das Drachenbaby schien sich an jenem Ort auszukennen und es würde auch in den nächsten Stunden, vielleicht in anderer Form, sehr hilfreich sein... Mühevoll hängte Zelda die Schwerter, Speere und Äxte an die Seitenwände, wo verschiedene Haken dafür angebracht waren. Was fehlte noch, fragte sie sich. Ah ja, der Stuhl. Und sie schob mit irrsinnigem Quietschen die altmodische Sitzgelegenheit an seinen vorbestimmten Platz an der langen Tafel. Richtig... das Feuerholz musste auch noch neben den Kamin gestapelt werden. Auch diese Aufgabe bewältigte Zelda, aber erneut gab es kein Ereignis, kein Mechanismus, der durch dieses Umsortieren in Gang gebracht werden konnte. Und die Münze jenes Raumes blieb weiterhin verschollen. Bedacht schielte die Prinzessin in jede Ecke und beobachtete dann den kleinen Drachen, der seine Flügel einsetzte, ein Stück flog und dann piepsend auf den Globus krachte, der nicht weit entfernt vom Kamin stand. „Ja, aber wohin räumen wir diesen Globus?“, meinte Zelda und setzte eine Hand an ihr kleines Kinn. Das Drachenbaby setzte wieder zum Flug an, hob sich spärlich mit dem dicken Bäuchlein vom Boden ab und purzelte unglücklich hinein in den kalten Kamin. „Du Dummerchen.“, rief Zelda, hastete näher und nahm das mit Ruß beschmutzte Drachenkind wieder auf ihren Schoß. Sie wischte mit einem Tuch über sein schuppiges Gewand und es fing allerliebst mit Schnurren an. „Was mach’ ich nur mit dir? Ich werde dich wohl kaum mit auf die Erde nehmen können... aber hier im toten Hyrule kann ich dich auch nicht lassen“, seufzte sie, worauf die großen, schwarzen Augen sie wieder musterten. „Schon gut, Kleines. Wir finden eine Lösung. Link wird sicher wissen, was zu tun ist“, sagte sie festigend und dachte erneut an ihren Heroen. „Also, was wolltest du mit dem Kamin?“ Und Zelda schwenkte ihren rechten Arm wieder zu dem alten Globus. Der Drache piepste und schlug mit den fächerartigen Flügeln. Sein Köpfchen reckte sich in die Höhe. Er brachte sein schweres Gewicht einige Zentimeter in die Höhe und flog wieder genau auf den Kamin zu. Diesmal landete es auf dem Kaminsims und strahlte die Prinzessin mit frohen leuchtenden Augen an. „Aha, verstehe... der Globus gehört auf dieses Brett.“ Zelda räumte den Globus und schließlich auch das altertümliche Mikroskop auf jenes. Aber immer noch tat sich nichts. Daraufhin suchte Zelda nochmals in aller Ruhe die Schubladen eines kleinen Regals in der hintersten Ecke durch und fand eine weitere Sache, für die es einen Platz gab. Über dem Kamin waren zwei Haken und dieser Gegenstand passte perfekt dorthin. Es war eine alte, große Karte des Tempels. Genügsam befestigte die Hylianerin die Karte an ihrem vorbestimmten Ort und erkundete mit neugierigen Augen die Karte. Aber jene war ziemlich grob und weniger hilfreich, dachte Zelda. Plötzlich gab es ein lautes Geräusch direkt vor ihrer Nase. Im Kamin öffneten sich zwei schwere Türen, klapperten und etwas kleines, rundliches purzelte hinein in die erkaltete Kohle. Zaghaft nahm Zelda den Gegenstand an sich, lächelte und hielt eine weitere Münze in ihren Händen. Seit mehreren Minuten hing der erschöpfte Heroe nun schon an nervtötenden Seilen und beförderte sein Gewicht über Abgründe hier und da. Mühevoll versuchte er einen Weg in das sechste Stockwerk zu finden. Aber weder die Wendeltreppe an der Steinwand führte zu jener Tür des sechsten Stockwerkes, noch die merkwürdigen Treppenstufen, die sich hin und wieder finden ließen. Der einzige Weg führte über Seile und diese brachten Link bald zum Wahnsinn. Ausgelaugt hangelte er sich neben der glühendheißen, zornigen Feuersäule entlang, die wie eine Fontäne in die Höhe schoss und versuchte durch die brütende Hitze nicht das Bewusstsein zu verlieren. Gerade da kam Zelda aus dem verwirrenden Speisesaal herausgetreten und blickte in die schwindelerregende Höhe. Freudig entdeckte sie ihren Liebsten an einem Seil hängen und er bewegte sich stückchenweise voran. „Link!“, rief sie und machte sich mit Handbewegungen kenntlich. Er hörte ihre sanfte Stimme. Wie sollte er auch nicht? Es war ihre milde Stimme, die ihn dazu brachte unmögliches zu tun. Grinsend schaute er in die Tiefe und entdeckte seine Prinzessin ohne Harm dort unten stehen. Sie hatte etwas auf dem Arm, aber er konnte nicht erkennen, was es war... „Wie viele Münzen hast du?“, rief sie. „Drei“, brüllte Link und beförderte sein Gewicht hangelnd weiter. „Und du?“ „Auch drei. Halte dich ran, mein Held!“, rief sie anspornend und nahm die Wendeltreppe, die sie ins erste Stockwerk führte. Denn hier im ersten Stockwerk war ebenso eine Tür vorhanden, von wo aus man in einen weiteren Abschnitt der Weisenstätte gelangte. Und über eine steinerne Brücke würde Zelda eine zusätzliche Pforte erreichen. Zwei neue Gefahren, die auf sie warteten. Geduldig verschwand sie mit dem Drachenbaby hinter einer runden, kleinen Tür. Eine brenzlige Aufgabe wartete hinter der runden Tür auf sie. Ein kleiner tiefer Teich lag vor ihr und verschiedene Sensen schoben ständig gewaltige Wassermassen zur Seite. Scharfe Klingen, die sie umgehen müsste, wenn sie an den Grund tauchen wollte. „Bleib’ hier, okay!“, sagte Zelda lächelnd und wies das Drachenbaby an, sich nahe der Tür aufzuhalten. Stolz und standhaft blieb Prinzessin Zelda vor dem Teich stehen, faltete ihre Hände mit kleinen Abständen zueinander und schloss die Augen. Es prickelte in den Händen. Macht floss wie flüssiges Metall an ihren Händen entlang, tropfte wasserförmig nieder und kroch schlangenartig hinein in das gefährliche Nass mit den vielen Fallen. Die Sensen stoppten durch dünne Fäden der heiligen Magie der siebten Weisen. Ruhe bewahrend umhüllte sich die Prinzessin mit einem zusätzlichen, blauschimmernden Schutzschild und tauchte langsam an den Grund des stinkenden Tümpels. Ausdauernd suchte die Hylianerin am Grund nach etwas auffälligem und fand einer weitere Münze für ihre Sammlung. Mit einem lauten, tiefen Atemzug tauchte Zelda auf, schwamm an den Rand des Teiches und krabbelte auf festen Boden. In dem Augenblick schossen die Sensen wieder gierig und mörderisch durch das dreckige Wasser und setzten ihr grausames Tun fort. Zelda hingegen lief mutig und strotzend vor Kraft zu dem Drachen, der schwanzwedelnd auf sie wartete. Als sie aber vor der runden Tür stand, war irgendetwas anders. Sie fühlte ihren Kopf schmerzen und stützte sich zaghaft an einer Steinwand ab. Sie schnappte nach Luft und fasste zitternd an den Riegel der Tür. Sie rief nach ihrem Liebsten und knickte dann wehrlos mit ihren Knien ein. Ein Sturz und ein Poltern und der Körper der Prinzessin Hyrules lag leblos hinter verschlossenen Türen des ersten Stockwerks... Endlich hatte der junge Heroe nach mühseligem Klettern die Tür seines Wunsches erreicht. Der einzige Eingang im sechsten Stockwerk. Er schnaubte und tankte heftig Luft in seine Lungen. Dieses Gehangel über dem Abgrund machte nicht nur nervös, sondern zehrte extrem an seinen Kräften... Link öffnete die vor ihm liegende Öffnung vorsichtig und wurde ebenso wie Zelda von finsteren Gedanken und Abgründen verschluckt. Seine schmerzenden Füße suchten nach der Erde hinter der Tür. Aber es gab keinen... Noch ehe Link verstehen konnte, was vor sich ging, stürzte er schreiend in die Tiefe und kam krachend wenige Meter weiter auf. Längs lag er da. Seine Knochen taten ihm alle weh und er richtete sich gerade so auf. ,So was gemeines’, dachte er und rieb sich zunächst die Augen. ,Die Baumeister des Tempels hatten wohl Lust ihre Besucher sehr schnell loszuwerden’, zürnte Link in Gedanken und zwang sich auf seine Beine. Das Licht der kleinen Öllampe warf den wärmenden Schein umher und in dem Augenblick erkannte Link auch, in welchen Schlamassel er nun hineingestolpert war. Und dieser Schlamassel war alles andere als harmlos... Ein riesiger Käfig mit breiten Gitterstäben umgab ihn und nur ein Weg führte hinaus. Die kleine Tür wenige Meter oben. Link schüttelte den Kopf, dachte aber gleichzeitig selbstlos daran, wie gut es war, dass er dieses Hindernis überstehen müsste und nicht seine Prinzessin... Sorgsam machte er sich auf die Suche und lief von einer Ecke des Käfigs in die nächste, fühlte die Anwesenheit von bösartigen Dämonen mit ihren rüstigen Kämpferstaturen, ihren peinigenden Blicken und dem dummen Gezische. Irgendetwas lauerte hier und Link blickte überprüfend hinauf an die Decke. Auch dort war die Luft sauber. Was also sollte er in diesem Riesenkäfig? Sich keinen Rat wissend, kletterte er wieder zurück zu der Tür. Aber gerade, als er jene erreichte, wurde sie von unsichtbaren Kräften geschlossen, und der Käfig wackelte. Schreiend fiel Link hinab, rollte sich geschickt über den Boden und zog das scharfe Stahlschwert von Leon Johnson aus der verzierten Schwertscheide. „Willkommen in diesem Tempel!“, zischte eine tiefe Stimme und ihr absurder Klang hallte in dem Käfig umher wie ein Kuckucksrohr. „Wer bist du?“, rief Link der Stimme ohne Gestalt entgegen. „Willst du das wirklich wissen, armselige Wiedergeburt eines Helden?“ Link knurrte auf diese Worte und rief drohend: „Ob du dich nun preisgibst oder nicht. Sterben wirst du sowieso durch meine Klinge!“ „Das werden wir sehen, Nichtsnutz.“ Link setzte das Schwert in die Höhe. Der blanke Stahl blitzte auf, als hätte er eine Seele. „Hör’ auf zu quatschen und mach’ dich kenntlich!“ „Weißt du, was deine ach so geliebte Prinzessin in dem Augenblick erleidet?“ Entsetzten trat in Links Augen und Angst um Zelda. „Wenn du es wagst, sie anzufassen, ist das dein Todesurteil.“ „Anfassen?“, klang er hallend. „Nein, das ist mir zu wider. Das einzige, was ich beabsichtige, ist, ihre Seele zu zerbrechen. Wie ein Strohhalm wird sie brechen. Und wie schöner geht das als mit einem gebrochenen Herzen?“ „Gib’ dich endlich zu erkennen, du Biest!“, rief Link und blickte hastig in jede Ecke des Käfigs, aber der Unhold war nicht hier, war möglicherweise nur auf einer anderen Ebene überhaupt erfahrbar. „Keine Sorge, du wirst mich schon noch sehen. Aber vorher spielen wir!“ Die Stimme lachte zänkisch, lachte selbstherrlich und dunklen Mächten huldigend. In dem Augenblick türmten sich Dutzende Knochengänger in dem Gefängnis auf. Sie zischten mit hohen Stimmen und stießen mit alten Speeren nach Link. „Verdammt!“, fauchte er und rannte wie besessen durch die unreine Brut, schickte ihnen die Kraft des Schwertes entgegen und kämpfte mit allem, was er hatte... Zelda war währenddessen tief in gefährlichen Träumen gefangen, in krankhaften Illusionen, die man ihr folternd auferlegte. In einem gespenstischen Labyrinth von Verrat und dummen Lügen. Dunkelheit umgab sie wie ein schwarzer Schleier und allmählich zog der Bote des Traumes den Schleier von ihren verwirrten Sinnen. Sie erkannte ein eindrucksvolles Tal vor ihren Augen. Sattgrün war die Farbe der Natur und doch überschattet von unreinem Rot. Die Farben des Lebens waren vertrocknet. Und viele alte Kirschbäume verwelkten hier an einem warmen Tage. Hier in einer alten Welt. Sie umfasste ihre Oberarme, fühlte einen beißenden Wind, der ihren Körper umspielte... Aber eines störte mit entehrender Schrecklichkeit. Der Himmel war trügerisch, verräterisch. Eine teuflische, rote Farbe rührte sich dort oben zusammen und ein dreckiggelber Feuerball sendete Brisen neuer Teufeleien auf das geschändete Land... Sie war nun dort, wo niemand ohne Essenz des Bösen existieren konnte. Sie war in Ganondorfs selbsterschaffener, vergewaltigter Welt... Sie war dort, wo der Himmel nie wieder blau sein würde... Ihre Beine waren taub und sie trampelte ziellos zu den vielen alten Kirschbäumen, von denen blutigscheinende Blüten fielen und im beißenden Wind fortgeweht wurden. Es war warm und trocken. Die Luft unrein und säureartig. Jeder Atemzug brannte. Die Luft benetzte brennend die Augen und zwang jene sich zu schließen. Aber Zelda lief vorwärts, suchte einen Weg, suchte nach Orientierung und Erklärungen für diesen Ort, den sie nicht freiwillig aufgesucht hatte. Aber überall, wo ihr Blick sich hinhaftete, so sah sie doch nur weite Wiesen in unnatürlichem Licht. Nur Landschaft ohne Sinn, die den letzten Lebensrest aushauchte... Langsam lief sie zwischen den vielen, großen Kirschbäumen umher und hörte endlich zwei Stimmen, die sich beide vom rauschenden Wind und trügerischen Gemurmel dieses Scheintraumes abhoben. Es waren vertraute Stimmen und die eine fühlte sich schon immer an wie Balsam auf ihrer Seele. Sie liebte es, wenn jene Stimme erklang, egal zu welchen Zeiten und in welchen Situationen. Aber eines störte sie. Das Gekicher jener Stimme. Es war so untypisch für ihren Helden, so unecht, gekünstelt... Und die zweite Stimme machte sie nervös. Irgendwo in ihren Erinnerungen gab es ein Gesicht zu jener unechten Stimme. Ein Gesicht, an das sich Zelda nur schwerlich erinnern konnte. Aufgeregt folgte sie den Stimmen und gelangte in einen Bereich der Kirschbaumplantage, wo die Bäume näher aneinander standen und man nur mit Mühe noch einen Weg herausfand aus jenem kleinen Labyrinth mächtiger Bäume. Und überall sammelten sich die vielen rötlichen Blütenblätter und bedeckten wie Sand den Boden. Erneut das ungewisse, dümmliche Lachen und Zelda wand verwundert ihren Kopf nach hinten. Ihre Augen standen starr vor Schreck. Sie taumelte benommen wenige Zentimeter rückwärts und hob zitternde Hände an ihr Gesicht, fühlte sich plötzlich entehrt und gedemütigt. Sie brach auf die Knie und erblickte weniger Meter weiter ein scheußliches Bild für ihre alte Seele, die nur schwerlich jemandem Vertrauen schenken konnte. Vor einem der riesigen Bäume lag ihr Heroe. Der Mann, den sie über alles liebte. Der Hylianer, der ihr so viele Dinge versprochen hatte, mit einer anderen Gestalt fest umschlungen. Und sie kannte das widerliche Mädchen in seinen Armen. Sie kannte sie und erinnerte sich mit Abscheu an einen schicksalhaften Tag, wo jenes Mädchen sie in der modernen Welt eine Treppe hinuntergestoßen und nicht einmal irgendeine Strafe für ihren Frevel erhalten hatte. Zelda erinnerte sich mit Zweifel und Angst... Sie verwöhnten sich, waren sogar nackt und lagen nichtsahnend dort an dem Baum angelehnt, küssten sich. Und Zelda stand einfach nur daneben, fühlte ihr Herz spannen, fühlte sich erniedrigt und gekränkt. Genau diese Verletzung ihres Herzens wollte sie sich immer ersparen. Und vielleicht war es gerade der Grund, warum sie Link so spät an sich herangelassen hatte, warum sie ihm immer die kalte Schulter gezeigt hatte. Nun aber waren ihre schrecklichsten Befürchtungen wahr geworden. Er hatte sie betrogen und verraten, ebenso wie andere vorher... Sie brachte stockend seinen Namen aus dem Mund, worauf die beiden in ihrer körperlichen Freude aufsahen und sie schmunzelnd beäugten. „Nanu? Was machst du denn hier, Zelda?“ Eine Unverschämtheit, dass er es sich wagte, sie derartiges zu fragen. Sie blickte angewidert in seine tiefblauen Augen und dann in die hellen, trüben von Ilona. „Mehr... hast du nicht zu... sagen...“, brachte die junge Prinzessin hervor und starrte den Tränen nahe zu Boden. „Du... vergnügst dich mit... einer Schlange... wie dieser...“ Ihre Stimme war schwach und verweichlicht. Sie fühlte gerade, wie man ihr das Herz zerbrach. Sie hatte ihm vertraut. Sie hatte Link immer vertraut und nun? Das konnte nicht sein... Das konnte doch nicht Link sein, der sich gerade von Ilona küssen ließ. Das konnte nicht der Held sein, für den sie sterben würde. Link richtete sich auf und erneut lag diese bekannte Unverschämtheit in seinen tiefblauen Augen. Jener Blick, der sie immer wieder schwach werden ließ. Und Ilona hüpfte mit ihrem mageren Körper ebenso auf die Beine. Beide waren sie nackt und es widerte Zelda noch mehr an, sodass sie sich umdrehte. Sie hörte ihn nähertreten durch die raschelnden Blüten, die auf dem trockenen Gras lagen. Sie fühlte seine Nähe und hasste sich leise dafür ihn überhaupt an so etwas dummen wie kleinen Schritten erkennen zu können. „Zelda? Warum leistest du uns nicht Gesellschaft. Das würde dir und deinen altmodischen Einstellungen wahrlich gut tun“, sprach er, verhielt sich so unglaublich unsensibel und idiotisch. Und obwohl dieser junge Mann genauso aussah wie Link, so sprach wie er, sie so anblickte wie er, so konnte sie nicht glauben, dass er es war. Ilona kicherte schon wieder im Hintergrund und hüpfte näher, klammerte sich an Link fest und meinte surrend: „Lovely Hero, mach’ doch noch mal was unanständiges mit mir!“ „Gerne. Gerne!“, erwiderte er sofort und Zelda war einfach nur nebensächlich, unwichtig, als wäre sie ein Gespenst. „Ihr seid beide so billig!“, flüsterte Zelda gehemmt, wollte von dieser schrecklichen Situation fliehen, wollte solche Demütigungen nicht länger ertragen. Aber sie wusste auch, dass eine Flucht vor dem Schrecklichen nur einem Feigling einen Gefallen tat. Sie konnte nicht länger fliehen. Sie konnte nicht. Und als Link mit Ilona wieder zu dem Baum lief und die beiden begannen sich zu küssen, murmelte Zelda leise: „Ergeht es denen, die lieben so, dass sie irgendwann immer verletzt werden? Ist das der Sinn von Liebe und Innigkeit? Ein gebrochenes Herz?“ „Sieh’ es wie du willst, aber was nicht da ist, kann man nicht brechen“, sagte Link, während Ilona an seinem Körper spielte. „Das ist es also... Ich habe kein Herz?“ Link nickte und grinste abartig. „Schön, dass du es endlich erkannt hast. Welch’ Weisheit von der legendären siebten Weisen.“ „Ich habe kein Herz...“, wimmerte Zelda und schlug ihre Hände vor die Brust. „Ja, verdammt. Was dachtest du denn, warum du so kalt bist, so unfähig bist zu lieben“, sagte sicher und fest jene Stimme, die doch genauso wie die von Link klang. Nayru, er sagte diese Worte so leicht, als ob es eine Selbstverständlichkeit wäre... Bei Nayru, das konnte nicht sein... „Und ich dachte...“ Mitgenommen von diesem grausamen Wahnsinn sank Zelda auf die Knie und krallte ihre Hände in die vielen Blütenblätter auf dem Boden. „Ich dachte... du liebst mich...“, wimmerte die junge Prinzessin und endlich tropften erbarmungslose Tränen von ihren Wangen. „Ich habe dir vertraut...“ „Tja, dann war das wohl ein dummer Fehler einer dummen Prinzessin aus einem dummen Hyrule.“ Zelda schwieg und hörte erniedrigt diesen verletzenden Worten zu und sah in ihren Gedanken das sonst so verliebte Lächeln aus dem Gesicht ihres Helden. „Link...“, murmelte sie gezwungen und schlug die Hände an ihre spitzen Ohren. „Du sagtest du liebst mich.“ „Was? Hast du jemals an solche Worte geglaubt. Komm’ schon. Menschen lieben ebenso ihre Haustiere, sie lieben ihren Besitz. Sie lieben ihr Geld. Denkst du, ich hätte für dich jemals anders empfunden? Du bist einfach nur eine frigide, erbärmliche Prinzessin, die jegliche Lebensfreude ausgehaucht hat, indem sie sich für Hyrule aufopferte. Dachtest du wirklich, ein junger Mann wie ich hat es nötig sich mit so etwas abzugeben? Du bist bejammernswert und du küsst wie eine ausgetrocknete Pflaume.“ Sie fühlt wie in ihrem Körper alles zerriss. Weitere heiße Tränen flossen über ihre Wangen hinab und tropften auf die Handrücken. Erneut murmelte sie den Namen ihres Helden, wollte nicht glauben, dass dieser Alptraum irgendetwas bedeutete und lauschte mit jeder weiteren Sekunde mehr und mehr der Stimme des Vertrauens. Link war nie so kalt und unsensibel. Link würde niemals solche herzlosen Worte sagen können. „Ach bitte, Zelda. Dachtest du, ich würde ewig darauf warten, bis ich von dir bekomme, was ich verdiene?“ „Ewig darauf warten?“ Zelda drückte sich mit den Händen zurück auf die Beine und blickte mit tränenden Augen auf. „Verdammt, ich wollte dich schon so lange. Und wenn ich von dir nicht kriege, was ich will, hol’ ich es mir bei einer anderen.“ Zelda schluckte und trat wieder einige Schritte rückwärts. Aber sie hatten doch darüber geredet, zu warten und er hatte zugestimmt... Sie gab ihm nicht genug? Wessen Traumwelt war das? Die von Ilona, der falschen Schlange, die sie am liebsten dafür köpfen würde, bedenke man die lustvollen Blicke, die sie Link entgegenwarf. Nein, Zelda würde nicht gegen diese Dummheit argumentieren, soviel Stolz war ihr geblieben. Und sie würde ihm und dieser billigen Hure Ilona keinen Grund geben über sie zu lachen. Sie würde sich keine Blöße geben. Zumal dieser unechte Link sich mit seinen Worten mehr und mehr verriet. Das war nicht Link. Ihr Held würde niemals in solchen Tönen reden, nicht gegenüber ihr und nicht gegenüber einem anderen Menschen... „Ihr seid geistlose Kopien der Wirklichkeit.“ Sie trampelte näher an Link heran, rief nach den alten Mächten des Vertrauens und der tiefen Zuneigung zwischen Seelenverwandten. Verurteilend deutete sie direkt auf seine Nase. „Du bist kein Held.“ Sie formte in ihren Händen goldene Energiebälle und ließ jene in den unechten Lüften tanzen. „Du bist nicht Link!“, rief sie laut. „Und was bin ich dann? Seh’ ich etwa nicht so aus wie Link? Ist das nicht seine Stimme, die dir dein Herz zerreißt?“ „Das ist es. Deine Worte erzählen mir, dass du nicht Link bist.“ Und mit diesen Worten rammte Zelda die goldenen Energiebälle zunächst in den unechten Körper des Mädchens, welches an dem Baum angelehnt dem Streitgespräch zuhörte und darüber lachte. Wie auch immer, als die goldenen Lichter ihren Körper trafen und sie in einem Regen aus Asche zersprang, verging ihr das abartige Gekicher. „Sieh’ einer an. Die sind wir los“, meinte Link, stützte seine Hände an die Hüfte und lachte lauthals. „Was ist? Wollen wir uns vielleicht doch noch vergnügen?“ Diesmal lachte Zelda und trat näher an diese Witzfigur heran, auf die sie nicht mehr hereinfallen würde. „Woher der plötzliche Sinneswandel. Meintest du nicht, ich wäre eine ausgetrocknete Pflaume, die nicht küssen kann?“ Die nackte Hylianergestalt zuckte mit den Schultern und lief wieder zu dem Kirschbaum hinüber. Wieder ein Beweis, dass dies auf keinem Fall Link sein konnte, dachte Zelda. Ihr Held hätte argumentiert. Er hätte mit irgendeiner Spitzfindigkeit das letzte Wort gehabt, was dieser Typ nicht für nötig ansah. „Was immer du auch bist, du schaffst es nicht, mir mein Vertrauen in denjenigen zunehmen, den ich seit Jahren liebe. Du schaffst es nicht uns zu entzweien“, sagte Zelda und verschränkte die Arme. Doch der nackte Hylianer lachte wieder und lehnte sich an einen Baum. „Hörst du? Deine Fähigkeiten sind dumm und erreichen ihr Ziel nicht. Hörst du! Du bist nicht Link!“ „Ach was? Wenn ich nicht Link bin, warum schaffst du es dann nicht endlich mich umzubringen und bewirfst mich ebenso mit deinen Energiebällen. Sieh’ es ein, Prinzessin. Tief in dir weißt du, dass ich vielleicht doch dein lieber Held sein könnte.“ Und der Kerl lachte erneut unverschämt, lachte und setzte sich im Schneidersitz zufrieden an jene Stelle, wo die Asche Ilonas noch auf dem Boden glühte. „Nein... du bist nicht Link“, sagte sie hoffend, machte sich Mut damit und schloss ihre Augen, suchte nach Empfindungen, nach Essenzen des Lebens, suchte nach Link an einem anderen Ort, welcher jenen barbarischen Alptraum nicht erreichen sollte. Wie eine Beschwörungsformel sagte sie immer wieder zu sich den einen Satz: ,Du bist nicht Link... Du bist nicht Link...’ Es konnte kein Fehler sein, ihm zu vertrauen... Sie wusste, dass er sie tief und ehrlich liebte, dass er sie aufrichtig liebte. Ihre Erinnerungen an kostbare Momente mit ihm nahmen sie ein, stärkten das Vertrauen und die siegende Wahrheit. „Du bist nicht Link!“, sprach Zelda nun klar und verständlich, sprach sie so laut wie möglich und streckte ihre rechte Hand gegen das grinsende Abbild, welches sie in tiefe Höllen wünschte. Und sie würde diesem gehässigen Abbild eine Spur Erbarmungslosigkeit zeigen, die man in Hyrule nur gegen Moblins und anderes Gewürm richtete... Spitze Sperre brachen aus Zeldas Fingerspitzen, wuchsen auf dem Weg zu demjenigen, der sich Link nannte, zerstießen ihn fordernd und entsetzlich und zerrissen seinen Körper in viele Stücke. Zelda schoss ihre Augen, wand ihren Kopf seitlich und versuchte die Zweifel, es könnte doch ihr Heroe gewesen sein, nicht näher dringen zu lassen. Sie hörte seinen Schrei des Todes, als die scharfen Klingen ihn zerfetzten. Sie hörte sein Röhren und das Zappeln seines sterbenden Körpers und flehte heimlich zu den Göttern, sie mögen sie aus diesem Alptraum herausholen. Schweißgebadet schreckte sie auf und zitterte unerträglich. Immer noch lag sie in jenem Raum vor der runden Tür. Aber weitergehen konnte sie nach dem höllischen Alptraum jetzt nicht. Sie brauchte einige Minuten Ruhe. Schluchzend zog sie sich an den Händen über den Boden und lehnte sich gegen die Tür... Bei Nayru, warum tat Liebe nur so weh, dachte sie. Tränen tropften über ihre Wangen, als sie den Alptraum erinnerte. Link und Ilona... Das konnte nur ein dummer Alptraum sein. Link würde doch niemals mit Ilona... Sie weinte weiterhin, hockte sich zusammen und fühlte plötzlich das kleine Drachenbaby, welches aufmunternd an ihrem rechten Ärmel zerrte. „Hey...“, sagte Zelda und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Du warst bestimmt noch nie verliebt, Kleines...“, sprach Zelda leise. Das Wesen quiekte wieder, als wollte es lachen. Dann hüpfte es auf Zeldas Knie und leckte mit der schwammigen Zunge über ihr Gesicht. „Ist ja schon gut... ich höre auf zu weinen. Es war nur ein Traum...“, sagte die Prinzessin. Aber der kleine Drache leckte ihr weiter über das Gesicht. „Aufhören... ich bin okay...“ Es piepste wieder, krabbelte auf Zeldas Schultern, und wollte mit allen Mitteln, dass die Königstochter selbstbewusster ihren Weg fortsetzte... Dennoch war dieser Traum sehr beunruhigend, nicht der Inhalt an sich, sondern die Tatsache, dass sie überhaupt geträumt hatte. Genauso wie die Träume in Kokiri, bevor sie den Pfeilschuss, der Link galt, abfing... Oder war es vielleicht mehr als ein unsinniger Traum. Eine Halluzination? Eine Illusion? Wenn ja, wer schickte diese und hatte Freude daran, ihr das Herz zu brechen? Zelda Blick finsterte sich. ,Na warte, wer immer du auch bist, so leicht zerstörst du mich nicht’, sagte sie zu sich und stapfte weiter. In dem Moment spaltete Link die letzte knochige Kreatur des Bösen. Gerade jener Knochengänger hinterließ eine goldene Münze, die Link zufrieden in seiner Gürteltasche verstaute. Plötzlich aber fühlte der Heroe, wie sich der Käfig immer weiter nach unten bewegte. Hinein in einen Sumpf aus dampfender, glühender Lava. „Auch das noch...“, grummelte er und zog sich so schnell wie möglich an den Gitterstäben hinauf, suchte nach noch so kleinen Ecken und Kanten und sah mit Entsetzten, wie sich die rettende Tür immer weiter entfernte. Er blickte hin und her und musste sich schnellstens etwas einfallen lassen, oder er würde hier sein Grab im Feuer finden... Nur eine Idee stieg in seinen Kopf und er befolgte sie ohne zu Überlegen. Zielsicher warf er das feste Seil hinauf und es wand sich um den rundlichen Griff jener Tür, die seinen Fluchtweg darstellte. Link kletterte um sein Leben, fühlte wie sich das kratzige Material in seine Hände bohrte und doch umfasste er das Seil so stark wie er konnte, hoffend, es würde nicht zerreißen. Als der Käfig mit lautem Getöse nach unten krachte, hing Link ungläubig dreinblickend an dem Seil und sah fassungslos zu, wie der Käfig in der Lava unterging. Zelda erreichte besorgt die zweite Tür im ersten Stockwerk und fürchtete sich vor der nächsten Herausforderung. Es handelte sich um ein kleines Labyrinth, ähnlich einem verwirrenden Kornfeld nur bestehend aus dicken Mauern. ,Na toll’, ein zusätzliches Labyrinth in diesem blöden Tempel. Sie schnaubte: „Auf und hinein in die Gefahr. Genau das würde Link jetzt sagen.“ Das Drachenbaby lachte und hüpfte mit der jungen Prinzessin hinein in das Labyrinth des großen Raumes vor ihren Sinnen. Drei Eingänge gab es in jenem kleinen Irrgarten und nur einer davon, das war klar, würde zum Ziel führen. Vorsichtig tastete sich die Prinzessin näher und blickte mit scharfen Augen in die drei verschiedenen Eingänge hinein. In dem Portal ganz rechts war nichts ungewöhnliches auszumachen. Im mittleren müsste die Hylianerin eine lange, tiefe Wasserstraße überwinden und im Gang links bewegten sich drei schwere Beile hin und her... Zelda grübelte nicht lange und entschied sich für die goldene Mitte. Sachte tastete sie sich voran und untersuchte das Wasser. Sie ließ eine goldene Haarsträhne in die schmale Straße aus Wasser sinken und trat im selben Moment zwei Schritte rückwärts. Denn als das goldene Haar die Wasseroberfläche erreichte, verbrannte es wie ein Stück Papier im Feuer. Das war kein gewöhnliches Wasser... Seine Gesetzmäßigkeit kühl und nass zu sein, war gänzlich umgekehrt. Sein Zweck und sein Dasein waren ins Gegensätzliche verkehrt. Dieses Wasser wirkte heiß und zerstörerisch wie loderndes Feuer... Mit hoher Konzentration erschuf die Königstochter eine goldene Brücke, gewebt aus Licht, über jenes verunstaltete Wasser, und erreichte mit einem Seufzen die andere Seite. Schwitzend sank sie einige Sekunden an Ort und Stelle nieder und fühlte ihre magischen Kräfte langsam schwinden. Sie wunderte sich zumindest nicht darüber. Immerhin hatte sie seit dem Eintreffen in diese Weisenstätte schon so viel magische Kraft verbrauchen müssen und sie musste darauf achten, gewisse Grenzen einzuhalten. Es war so ein Leichtes, die gesamte Lebensenergie herauszupulvern, das wusste sie und das hatte sie in der Vergangenheit Hyrules durch bittere Übungsstunden mit Impa lernen müssen... Macht musste man im Zaum halten, oder sie machte sich selbstständig, das waren einst Impas Worte und jene hatten sich in Zeldas Bewusstsein eingebrannt wie glühende Male auf unschuldiger Haut. Erschöpft, aber zielsicher tapste die Prinzessin weiter. Der Weg führte sie tiefer hinein in das Wirrwarr, nahm einmal eine Biegung nach rechts, dann wieder nach links bis sie schließlich eine Gabelung des Weges erreichte. Und an beiden Wegen war nichts Auffälliges... Sie blickte besorgt hin und her und nahm die linke Seite des Weges. Nur wenige Schritte lief sie vorwärts und hinter ihr wurde mit lauten Getöse eine Zwischenwand geschoben, die den Rückweg versperrte. Sie rollte mit ihren Augen und ärgerte sich über ihre Unfähigkeit, Schalter und andere Gefahren zu spüren. Link aber konnte es und hatte nicht einmal die Spur einer Ahnung, dass diese Fähigkeit von seinem Fragment des Mutes herrührte... Zaghaft setzte sie den Weg fort und sah an der nächsten Kurve einen Schatten im fahlen Licht hin und her tapsen. Jener Schatten beunruhigte sie. Denn sie erkannte sofort an einer hohen, ungewöhnlichen Statur, an einem schmalen, langen Kopf und dem langen Hinterteil, um welche Bestie es sich handelte. Zeldas Vermutung bestärkte sich zum Unwohl ihrer selbst, als sie mit ihren hübschen Kopf um die Ecke schaute. Bei Nayru, wie sie diese Biester verabscheute. Und Respekt hatte sie vor ihnen. Mutierte Echsen... Sie lehnte sich zurück, presste sich an die Wand und atmete leise ein und aus, versuchte Ruhe zufinden für einen Kampf, der ihre ganze Aufmerksamkeit verlangte. Sicherlich, sie könnte sofort wieder ihre Magie spielen lassen. Aber allmählich wurde sie müde und unkonzentriert davon. Sie musste mit körperlicher Anstrengung kämpfen. Sie musste ihr Lieblingsschwert endlich zum Einsatz bringen. Ein letzter Atemzug und lächelnder Blick zu dem kleinen Drachenbaby neben ihr und Zelda wirbelte herum, stand kühl und bereit vor dem Wesen der Finsternis. Es rülpste und zischte und hüpfte schlagartig näher und stieß mit einem gezackten Schwert auf die junge Thronfolgerin ein. So wie Impa es ihr gelernt hatte, wich Zelda aus, setzte gezielte Hiebe und versuchte die Schwachstellen des Ungetüms zu treffen. Der Kampf wurde fordernder und die Schwertstreiche des Echsodorus schneller. Es kämpfte wie verflucht, als würden ihm im Tod noch weitaus schlimmere Strafen erwarten. Und Zelda konnte neben dem beißenden Gestank des Dämons seine Angst vor dem Dasein im alten Höllenfeuer wittern. Erbarmungslos schlug Zelda auf den Dämon ein, während jener sie immer weiter zurückdrängte und ihr mehr und mehr die Luft ausging. Erneut ein Schlag, der an dem Eisenschild der Bestie abprallte. Noch ein Hieb und wieder einer, die alle ihr Ziel nicht erreichten. Ungeduld wechselte die vorherige Entschlossenheit in Zeldas Gemüt ab und wuchs zu der bitteren Einrede, sie würde es nicht schaffen, sie würde das Biest nicht erledigen können. Nicht ohne Link. Nicht hier... Zelda kreischte, sie schrie und schickte der Bestie den Zorn ihrer Seele entgegen, den sie sich für den letzten Kampf gegen Ganondorf aufheben wollte. Aber diese erzdumme Echse machte sie einfach wahnsinnig. Wie nur konnte ein alberner Dämon, der nur aus verdammter Asche den Weg ins Leben wiederfand, auf diese Weise kämpfen? Und es schien mit jedem weiteren Schlag an Stärke zu gewinnen. Schreiend wirbelte Zelda herum und schützte sich mit einem geringen magischen Schutzschild, konnte diesen Kampf nicht länger durchstehen und rannte, was das Zeug hielt hin und her, versuchte die Bestie zu verwirren, um so an ihre Schwachstelle zu gelangen. Ein weiterer Stoß. Ein kräftiger Hieb mit Zeldas Langschwert direkt auf das starke Hinterteil der Missgeburt und es zersprang in einem endgültigen Ascheregen. Die Prinzessin atmete tief ein und ihr Schwert krachte zu Boden. ,Sie hatte es geschafft’, dachte sie. Sie hatte einen Echsodorus erledigt und das im Grunde ohne ihre magischen Kräfte. Das blauschimmernde Schutzschild war nicht einmal nötig gewesen. Ihre roten Mundwinkel verzogen sich zu einem Grinsen. ,Sieh’ einer an. Die verhöhnte Prinzessin Hyrules ist doch nicht so schwach, wie man ihr immer glauben machte. Und das ohne den Einsatz des heiligen Lichts der siebten Weisen.’ Und im nächsten Augenblick begann Zelda lauthals zu lachen. Sie lachte herzhaft angesichts der Erleichterung eine verdorbene Echse besiegen zu können. Sie lachte und fühlte den kleinen Drachen um ihre Knöchel herumschleichen. „Ist gut, Kleines. Wir gehen weiter“, sagte sie sanft, kniete nieder und nahm das winzige Geschöpf in ihre Arme und küsste zur Überraschung ihrer selbst des Wesens feuchte Nasenspitze. Erneut lachte sie und lief weiter. Nach einer Ewigkeit unsinnigen Laufens erreichte sie jenen Abschnitt des Irrgartens mit den drei Beilen, die in dem Gang hin und herbaumelten. „Na prima“, brummte sie. Sie war genau am Anfang herausgekommen. An jenem Eingang ganz links mit den drei Mordinstrumenten. Geschickt umzirkelte die Prinzessin die baumelnden Klingen und stand schlussendlich wieder am Anfang. Zelda sank erschöpft nieder und dachte erneut an den schrecklichen Alptraum von vorhin. Der Schmerz, der bittere Liebeskummer, saß immer noch in ihren Gliedern, obwohl sie wusste, dass Link sie niemals betrügen würde. Das würde er doch nicht, oder? Sie aß etwas, teilte mit dem Drachenbaby eine Wasserflasche und nahm den zweiten Anlauf in diesem Gebilde aus Mauern. Den letzten Weg, der sie zum Ziel führen würde. Erneut verging annähernd eine Stunde und diesmal hatte die Prinzessin Hyrules keine weiteren Gefahren vor sich, die sie mit Klinge, Magie oder Übermut meistern müsste. Bereit zum Abholen lag auf einem Podest die nächste Münze nur für sie... Wer hätte gedacht, dass der sicherste Weg, auch gleichzeitig der richtige sein würde... Link hatte Ewigkeiten gebraucht um aus dem höllischen Gefängnis mit dem Käfig herauszugelangen und war frohen Mutes, endlich wieder festen Boden unter seinen Füßen zu spüren. Gemächlich tapste er eine Treppe hinauf, die wieder kreuz und quer, von einer Seitenwand zur nächsten verlief und in dem Mittelpunkt des achten Stockwerk endete... Ein kleines fünfeckiges Plateau bescherte ihm einen guten Überblick zu genau fünf Türen und einen nahezu gespenstischen Blick von oben herab. Unter ihm schlug die lange Feuersäule erbarmungslos in die Höhe. Das hieß, ein falscher Schritt und das Feuer würde hylianische Körper zerfetzen wie eine Fliegenklatsche die Mücke. Er überlegte nicht lange und nahm die erstbeste Tür... Hinter der Pforte, die der junge Heroe beschritt, befand sich bereits ein weiterer Gast des Tempels. Ein besonderer Gast, der sich selbst einen viel absurderen Namen geben würde. Er sah sich mehr und mehr als Gastgeber hier in einer einzigen großen Illusion, die für ihn den Himmel auf Erden brachte. „Ein weiteres Willkommen, Held“, rief eine Gestalt mit trockener Stimme, als der junge Heroe langsam in das Zimmer eintrat. Der Raum war rund und in der Mitte stand ein Tisch mit zwei Stühlen. Ein vertrautes Spiel lag auf dem Tisch. Jenes Spiel, welches er einst mit Zelda in ihren Gemächern gespielt hatte. Das Spiel der Sieben Weisen. Aber das Spiel war nicht der Grund für die zunehmende Unruhe und die Überraschung in den ungläubigen Augen des Jugendlichen. Der Grund für Links leichte Beklemmungsgefühle war die Person, die auf einem der dunklen Stühle mit hohen Lehnen saß. Etwas schier Teuflisches ging von dem Wesen aus, welches sich in einem zerschlissenen Ledermantel bedeckt hielt. „Wer bist du!“, sprach Link drohend und zog sogleich die teure Klinge aus der Schwertscheide. Der Mann in jener dunklen Kutte schüttelte den Kopf. „Nana... wer wird denn gleich so unfreundlich sein. Das...“ Noch ehe Link reagieren konnte, schnipste die Kreatur mit den Fingern, entriss dem Heroen mit dunkler Magie das Schwert und beförderte es außer Reichweite. Mit einem Surren und Brummen stak die Waffe nutzlos in der Wand hinter Link fest. „... brauchst du hier nicht.“ „Was willst du von mir?“ Die Kreatur aber lachte abartig und zeigte unter der dunklen Kappe spitze, krummstehende Zähne aus seinem Maul wuchern. Er deutete auf den freien Platz gegenüber Link. „Lass’ uns spielen, Held.“ „Pah... und was, wenn ich mich weigere?“ Damit trat Link zwei Meter zurück und schaute ohne den Kopf zu bewegen zu seinem Schwert. „Dann habe ich eine böse Überraschung für deine unschuldige, kleine Prinzessin vorgesehen. Schau’ genau her!“ Und der Dämon unter dem schwarzen Ledermantel bewegte fächerartig seine in Handschuh gepackte Hand und zeigte auf eine schwarze Fläche, die sich von der rauen Felswand abhob. Wie in einem magischen Spiegel erschien Zelda darauf, während sie gerade murrend die Treppe hinauftapste. Aufgeregt hetzte Link hinüber zu der spiegelähnlichen Fläche und legte seine Hände darauf. Er beobachtete seine Prinzessin schweigsam, beobachtete sie mit Sorge, verharrte an Ort und Stelle und ballte seine Hände schließlich zu Fäusten. Murrend stapfte Zelda indes die steinerne Wendeltreppe hinauf, fühlte sich schlapp und müde. Sie wollte am liebsten ein Bett und Link direkt neben ihr haben. Sie wollte ruhen und von ihm verwöhnt werden. Aber dieser anstrengende Tempel würde die Erfüllung dieses Wunsches noch einige Minuten, wenn nicht gar Stunden, herauszögern. Sie warf einen Blick auf die Uhr und erschrak an dem Gedanken, wie schnell die Zeit doch vorangelaufen war. Denn es war mittlerweile Nachmittag im märchenhaften Hyrule... Sie blieb kurz stehen, rieb sich über ihre Stirn, wischte sich mit einem Ärmel den belastenden Schweiß vom Gesicht und fühlte plötzlich ein seltsames Gefühl in ihrem Magen... so als ob sich in ihrem Inneren etwas bewegte, etwas lebte... Erneut nagte etwas an ihrem Geist, wollte sich an ihren Erinnerungen und Gefühlen laben. Sie fühlte kalte Hände in ihren geheimsten Sehnsüchten herumwühlen als wären es Maulwürfe, die im Erdboden gruben. Sie schlug ihre Arme um den Kopf und schrie wie am Spieß. „Aufhören. Hört auf, euch in meine Gedanken einzunisten.“ Außer Kontrolle schlug Zelda mit goldenen Lichtkugeln um sich, rannte im Kreis, rannte hin und her mit geschlossenen Augen, fiel zu Boden und wurde ohnmächtig. Entsetzt stand der Heroe vor dem Glas und beobachtete, was passierte. Aber Zelda regte sich nicht, sie träumte eine der schurkischen Wunschbilder, über die sich jene Kreatur so sehr amüsierte. Erneut wurde die Hylianerin in ein verwirrendes Reich der Träume gerissen, in welchem tief ihre verborgenen Sehnsüchte schlummerten. Ihr Körper beruhigte sich langsam. Ihre Stimme versagte und sie wachte in einem großen Schlafzimmer auf. Alles war in weißen Farben gehalten und sie fühlte sich plötzlich frisch und frei. Von einem Nebenraum drangen lachende Stimmen und ein Kribbeln durchfuhr sie, als sie hörte, dass ihr Heroe sich äußerst affig mit irgendjemanden unterhielt. Noch in einem weißen, samtenen Nachthemd bekleidet trat die junge Prinzessin heraus aus dem Schlafgemach und erreichte ein kleineres Zimmerchen mit großem Fenster. Sie lächelte angesichts des Bildes eines erwachsenen Mannes, der ein kleines Kind, vielleicht ein oder zwei Jahre alt, in den Händen hielt und mit jenem lachend umherwirbelte. Link hatte sie noch nicht bemerkt und lachte weiterhin, schaute direkt und das niedliche Kindergesicht eines Jungen mit himmelblauen Augen und streckte ihm die Zunge heraus. Das Kleinkind imitierte ihn, streckte die kurze Kinderzunge nach draußen und babbelte. „Wenn deine Mama herausbekommt, dass wir schon wieder Blödsinn machen, wird sie uns zurechtstutzten...“, lachte er und drehte sich weiterhin mit dem Jungen im Kreis. Zelda lächelte tiefgehend und trat näher. „Ich glaube, die Mama hat es schon lange herausbekommen.“ Link wand sich verwundert zu ihr, lächelte und ließ das Baby in eine alte Holzwiege sinken, wo das Zeichen der Königsfamilie Hyrules eingraviert war. Er umarmte sie und meinte: „Was macht die Mama des Kindes nun mit ihrem unartigen Heroen?“ „Mmh... ich glaube, du hast mehr als eine Bestrafung verdient.“ Zelda grinste und fasste sich in dem Augenblick an ihren Bauch. Sie fühlte Leben darin, fühlte Bewegung... „Stimmt etwas nicht mit dem Baby?“ Ihre Augen wurden größer. Doch Link tat nichts anderes, als sie auf die Arme zunehmen und zurück in das Schlafgemach zu tragen. Sanft legte er sie in das weiche Himmelbett. Er küsste ihre Stirn und murmelte: „Ich hole Impa, okay?“ Zelda nickte und begann mit beiden Händen ihren dicken Bauch zu streicheln. Ja, sie fühlte es... Da war ein Herzschlag und ein Trampeln. Aber sie war besorgt. Sie war schwanger? Und sie und Link hatten bereits ein Kind? Einen Sohn? War das jenes Götterkind? Fassungslos richtete sie sich wieder auf und schaute umher. In welcher Zeit lebten sie? Und war dies denn wirklich noch ein Traum? Erneut wanderte ihr Blick zu dem kugelrunden Bauch. Alles fühlte sich so real an. Das seidene Nachthemd und ihr Bauch... Sie lächelte, während sie darüber streichelte. Sie lächelte fortwährend, schloss die Augen und fand sich plötzlich wieder auf den Beinen, bei völligem Bewusstsein, in dem Tempel. Scham stand in ihren weitgeöffneten Augen angesichts dieser abartigen Halluzinationen, dieser Wünsche, die tief in ihr steckten. Und vielleicht begann sie diese Wünsche gerade erst richtig zu begreifen. Sie wünschte sich nichts sehnlicher als ein glückliches Leben mit ihrem Helden. Und da gehörten Kinder wohl einfach dazu... Kinder... Zelda lächelte tiefsinnig über diesen Gedanken. Sie legte eine Hand auf ihr Herz und dachte an ihren Helden. Sie wollte ihn gerade eben wieder mit ihren Gedanken erreichen... Trotz der Verwirrung dieser Illusion, wärmte sie ihr das Herz und Zelda machte sich weiter auf den Weg. ,Liebe Nayru’, dachte Zelda. Wie sollte sie Link davon nur berichten? Wie sollte sie ihm diese Illusionen erklären? Wütend trat Link an das Glas und wand sich zu der selbstherrlichen Kreatur, die es liebte andere zu verwirren und ihre Opfer in dumme Illusionen zu schicken. „Was hast du mit ihr gemacht, du Scheusal?“ „Nichts Schlimmes. Ich habe ihr nur eine... sagen wir... wärmende Illusion geschickt. Es könnte weitaus schlimmer sein. Und wenn du nicht kooperierst, dann ist es wohl eine Frage meiner Geduld und Mildtätigkeit, ob ich sie aus dem Traumlabyrinth entlasse oder sie vielleicht in dem Gefängnis ihrer Vorstellungen verenden lasse. Es könnte sogar deine Hand sein, die ihr das Herz mit einem Löffel aus der Brust schält... Eine amüsante, befriedigende Vorstellung, nicht wahr?“ Der Hass in Links tiefblauen Augen schien für jemanden, der seinen Blick sah, unbeschreiblich. Eine nie da gewesene Kälte erfror die Wärme in den blauen Augen. Eine Kälte geboren aus Hass und ebenso aus Liebe zu Zelda. Wütend zog Link einen Dolch aus seinem Stiefel und vergrub jenem mit einem Jauchzen in dem hinter ihm befindlichen schwarzen Spiegelglas. „Ist das etwa ein albernes, unüberlegtes: ,Nein’, Held?“ Doch Link schwieg und nahm Platz auf jenem Stuhl ohne Polsterung. „Brav. Brav“, höhnte die Bestie, worauf Link knurrte und auf die glattpolierte Tischplatte schaute. Der Heroe aber würde sich diese Worte ganz genau merken... „Du kennst das Spiel?“ „Ja“, meinte Link eisig. „Gut, dann sollten wir sofort beginnen mit unserer wunderbaren Stunde des Schreckens. Ein Fest. Ein Tun, das nicht einmal der mächtige Ganondorf für möglich hält. Lass’ uns spielen, kleiner Held.“ Link schlug seine Hände auf die Tischplatte und versetzte die gesamte magische Platte mit der ringsherumverlaufenden Uhr in Bewegung. „Was geschieht, wenn ich gewinne?“ „Dann erhältst du eine Münze von mir und du darfst diesen Raum verlassen.“ Link grinste tückisch. „Aha... und wenn du gewinnst oder wir beide verlieren, darf ich hier warten, bis ich grau und alt werde?“ „Nein, dann bist du meine eigene, persönliche menschliche Hülle, der ich meine neusten und kühnsten Phantasien schicken kann.“ „Was, du willst mein Gehirn manipulieren?“ „So ähnlich.“ Link lachte und finsterte den Blick. „Du bist dumm und abartig, genauso wie Ganons andere Kreaturen, mit einer Ausnahme, du redest noch mehr Müll als die anderen“, schimpfte Link. Aber der Dämon ließ sich dadurch aus der Reserve locken, und trat auf die Beine. „Dummer Held. Ich bin Ganons beste Kreation, pass’ auf, was du sagst“, drohte er und breitete seinen Mantel aus, ließ seine muskelbepackten Arme auf die knackenden Stuhllehnen sinken. „Ich bin zwar ein Mörder, aber ich bevorzuge eine saubere Form des Tötens“, zischte jener. „Und jetzt will ich mit dir spielen, Held. Aber wir spielen heute nach anderen Regeln.“ „Welche Regeln?“ „Nach meinen Regeln!“ „Wer hätte das gedacht“, murrte Link ironisch und suchte sich die Farben grün, blau und rot aus. Die Farben für Wald, Wasser und Feuer. Er betete heimlich zu den Weisen jener Elemente, sie würden ihm helfen, das Spiel zu meistern. „Gut, dann wird mir Schatten, Geist und Licht dienen.“ Alsdann begann das Spiel um Freiheit oder Gefängnis für den jungen Heroen Hyrules. Die erste Minute auf der Uhr des Schicksals begann zu verstreichen und Link begann mit der Komplettierung des Weisen für Wald. „Ein guter Zug“, meinte die Kreatur und begann ihren Zug. Die farbigen Felder änderten sich erneut und es gab nirgendwo eine Möglichkeit einen Weisen seiner Farben zusammenzusetzen. Der Dämon schaute mit teuflischen schwarzen Augen auf die vielen Karten in seiner Hand und zog plötzlich seine Mundwinkel nach oben. Stolz präsentierte er eine Karte in seiner Hand, die sich böses Schicksal nannte. Und Link wusste tief in seinem Bewusstsein, wofür sie stand... Mit dieser Karte konnte er einen Weisen des Gegners, der aus zwei oder auch aus drei Steinen zusammengesetzt war, erneut verteilen und dafür einen eigenen komplettieren. Link beobachtete genervt diesen Spielzug, ahnte Schreckliches, wenn das Spiel bereits so düster für ihn begann und haftete seinen Blick zu der magischen Uhr am Rande des Spielfeldes. Zeit... wenn sie ihm doch nur wieder dienen würde... Denn, er war der Held der Zeit. Warum also konnte sie ihm nicht erneut einen Gefallen tun? Zeit, oh Zeit halt an... Mühsam erreichte die Thronerbin mit dem Drachen auf ihren Schultern das achte Stockwerk mit den vielen Brücken, die zu fünf Türen Wege bildeten. ,Wo war ihr Heroe nur’, dachte sie und trat langsam in die Mitte des Plateaus. Es war ziemlich luftarm hier oben und die Hitze schien noch unerträglicher als in einem Stockwerk vorher. Sie ließ sich müde und schlapp auf dem Plateau auf die Knie sinken, umarmte sich selbst und murmelte den Namen des Helden der Zeit, wollte ihn irgendwie telepathisch erreichen, aber es schien beinahe, als wäre er in eine andere Dimension gezogen worden. Mit Gedanken und vielleicht auch mit seinen Gefühlen... Und es geschah in dem Augenblick, dass Zelda eine weitere Gestalt spürte, eine weitere Aura an ihrer Schamlosigkeit erkannte, die sie niemals erwartet hätte. Hastig drehte sie ihr durchgeschwitztes Gesicht zurück und erkannte wenige Meter weiter mit Entsetzten einen Jugendlichen auf der bröseligen Steinbrücke stehen. Ihre Augen weiteten sich und sie krabbelte auf Händen und Füßen rückwärts. Das Drachenkind flog schnell und heftig an eine der Türen und piepste ständig. „Was willst du!“, fauchte Zelda. Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. „Haben Link und ich dir nicht klar gemacht, wie wenig wir von deinen Einstellungen halten. Du hast dein Schicksal selbst gewählt, Preston!“ Der Jugendliche tapste näher und trat hinein in den lodernden Schein, den die Feuersäule unter ihnen warf. „Schätzchen... das weiß ich doch. Aber deshalb bin ich nicht hier.“ „Und warum dann?“ „Ich hab’ schon gesagt, dass ich wieder ein Mensch sein will. Und wenn ihr mir nicht glauben könnt, was ich euch nicht gerade verüble, dann kann ich trotzdem beweisen, wie wichtig mir das ist.“ Zelda lachte gekünstelt. „Soso... du willst beweisen, dass in dir tief drin doch noch ein guter Kern steckt?“ Sie reckte ihr blondes Haupt zurück und richtete sich langsam auf. „Ich muss dir leider mitteilen, dass ich als Seelenleserin nicht einmal einen kleinen Kern gutes entdecken konnte. Falls du einen guten Kern hast, dann hast du jenen so lange versteckt, das sich seine widersprüchliche Existenz aufgelöst hat.“ Er rollte mit den Augen und trat näher. Seine Wunden von dem Kampf gegen Ganondorf waren immer noch geblieben und das eine Auge fehlte weiterhin, aber es schien als hätte er genügend Kräfte gesammelt um sich mit einem Feind oder aber auch mit Zelda anlegen zu können. „Ach bitte, Schätzchen. Nun fang’ doch nicht wieder mit deiner Zickigkeit an. Ich weiß, dass ich kalt bin und so wirke, als würde ich für niemanden in meiner Umgebung wahre Zuneigung empfinden können. Aber ich weiß, dass es Leute gibt, die mich bei sich haben wollen, die mich mögen.“ „Du sprichst von Zuneigung? Du weißt ja nicht einmal, was das ist“, patzte Zelda und trat stolz und edel auf ihre Beine. Mit sanften Schritten trat sie näher, strotzte vor Ruhe und Wissen. „Hey! Das stimmt nicht, Schätzchen. Auch ich hatte eine Familie, die ich zumindest respektiert habe. Ich hatte eine Schwester und zwei kleine Brüder. Erzähl’ mir nicht, ich wäre zu krank und zu böse um zu lieben!“ „Dann sag’ mir doch, ehrlich und aufrichtig, warum du dich jemals Ganons Armee von leblosen Trotteln angeschlossen hast!“ „Ganz einfach... ich war ein Feigling. Ich bin nun mal kein Held. Ich bin ein Mensch und damit bin ich eben ein Egoist und arroganter Schnösel. Denkst du, deswegen verkrieche ich mich?“ „Aber du hättest versuchen können etwas daran zu ändern. Ein Mensch kann sich ändern.“ Preston schaute halbherzig zu Boden. „Ein Mensch kann sich ändern. Das mag sein, aber ich konnte es einfach nicht. Man ist wie man ist...“ Zelda schüttelte den Kopf und fragte sich allmählich, warum sie sich überhaupt mit Preston abgab. „Nun sag’ schon, was du von mir willst. Und ich verbitte mir wieder solche anzüglichen Gemeinheiten, die ich sonst von dir gewohnt bin.“ „Nein, meine Hoheit. Ich versuche mich zu beherrschen, auch wenn ich dich nun mal verlockend und erregend finde.“ Zelda stellte ihre Hände in einer Kampfstellung auf, die Preston nur gar zu gut kannte. Eine Handbewegung und sie würde ihn mit ihrer magischen Vielfalt von der Brücke hinunterstoßen. „Gerade das macht dich für mich so anziehend. Ich mag Mädchen, die so biestig sind, so selbstbewusst, und die sich wehren können.“ Zelda verzog das Gesicht immer mehr und ließ einen warnenden Wind an Preston vorbeirauschen. „Ist gut, ich hab’s verstanden, Prinzeschen...“ Zelda ließ ihre Hände sinken und murrte: „Sag’ schon, was du willst, Bastard!“ „Ich will beweisen, dass ich euch helfen kann.“ „Und wie?“ Zelda verschränkte die Arme und wartete neugierig auf die Beweise, die Preston vorlegen konnte. Beweise für eine Hilfestellung. Beweise dafür, dass man ihm mit Einschränkungen vertrauen konnte. „Was sind deine sogenannten tollen Beweise?“, zischte Zelda und klapperte ungeduldig mit ihren Stiefeln. Preston setzte ein Grinsen auf, genau jenes Grinsen, welches die junge Prinzessin schon immer anwiderte. Diese unmögliche Wolllust verbunden mit einer unreifen Teufelei. Er wühlte in einer Seitentasche seiner zerschlissenen Jacke und holte sechs klappernde Münzen daraus hervor. Perplex schaute Zelda auf das goldenglänzende Zahlungsmittel und fixierte schließlich wieder das übriggebliebene Auge Prestons. „Du kannst sie haben. Unter einer Bedingung!“, meinte er. „Und die wäre“, murrte sie. Sie hatte schon mit einer üblen Bedingung gerechnet. „Gib’ mir einen Kuss, Schätzchen.“ „Niemals“, rief sie sofort und wich wieder zwei Schritte rückwärts. „Nur ganz kurz.“ Aber Zelda schüttelte den Kopf, was Preston missmutig stimmte. „Hörst du nicht zu? Es ist mir einfach zu wider, jemanden wie dich nur ansatzweise zu berühren. Du bist dreckig, vergiftet vom Bösen und dazu noch ein Monster!“ „Das mag’ sein. Aber ich verlange trotzdem einen Kuss für die Münzen, oder du und Link können mich hinterm Mond suchen um an die wertvollen Münzen zu gelangen. Und habt ihr die Münzen nicht, könnt ihr euch das Elixier ebenso abschminken.“ „Das bezweifle ich!“, fauchte Zelda. „Es gibt andere Wege, die Link und ich beschreiten können.“ Doch Preston schüttelte den Kopf. „Ha, du weißt, dass es nicht so ist. Das kann ich an den Zweifeln in deinen hübschen blauen Augen erkennen. Du weißt genau, was auf dem Spiel steht.“ „Aber ich werde dir diesen absurden Gefallen nicht tun“, zickte Zelda und verschränkte die Arme. „Ich werde dich nicht küssen. Nicht heute und nicht hier!“ Wütend stapfte Preston mit seinen schweren Lederstiefeln auf dem staubigen Gestein umher und zischte: „Verdammt. Bist du noch nicht einmal für die Rettung der Welt bereit, deinen überheblichen Stolz und deine Mittelalterlichkeit wegzuwerfen?“ „Ich...“ „Hab’ ich mal wieder einen angerissenen Nerv getroffen, Schätzchen?“ „Aber ich kann das nicht. Ich kann Link nicht einfach betrügen...“ „Das nennst du bereits Betrug. Ach, komm’ schon, Zelda. Das ist nur ein kleiner Kuss. Nicht einmal der Rede wert.“ „Er wird’s dir schon verzeihen! Außerdem, ich habe kapiert, dass ich bei dir nie und nimmer landen werde. Du liebst Link und er liebt dich mehr als irgendjemand sonst jemanden lieben könnte. Oder liebst du ihn etwa nicht?“ „Natürlich liebe ich ihn“, sagte Zelda leise, blickte zu Boden und war selbst überrascht, dass sie diese Worte über die Lippen brachte. Es war kein Geheimnis zwischen ihr und Link, dass sie jene Worte noch nie zu ihm gesagt hatte. Und warum? Weil sie es einfach nicht konnte. Angst vor gekünstelten Reaktionen hatte. Sich davor fürchtete. Diese drei Worte waren heilig für sie und sie hatte sie bisher nur einem kleinen Briefchen anvertrauen können. „Aber du hast es ihm noch nicht gesagt, was?“ „Haha... du fürchtest dich vor den Worten, was?“ Verzweifelt blickte Zelda auf und langsam sank ihre kühle Mauer vor Preston nieder. Noch nie hatte er diesen Verzweiflungsblick gesehen. Nach Hilfe und Antworten suchend schaute die Prinzessin in die dunklen Augen des kleinen Drachenbabys und meinte dann lauter, aber mit Überwindung. „In Ordnung. Ich tu’s!“ „Ha!“ Preston schnippte mit den Fingern. „Dann komm’ her. Ich freu’ mich schon.“ Angewidert trat Zelda näher, stellte sich auf die Zehenspitzen und rümpfte die Nase angesichts der kalten Nähe und barbarischen, dämonischen Aura, die Preston umgab. Sie kniff die Augen zu und drückte kurz und schmerzlos den Kuss für die Münzen auf Prestons kalte, vernarbte Lippen. Zelda trat rückwärts und wischte sich mit einem Ärmel die Lippen ab. „Ich hätte nicht gedacht, dass du so mutig bist, Schätzchen.“ Zelda erwiderte nichts und öffnete ihre rechte Handinnenfläche. „Gib’ mir die Münzen.“ Er nickte und legte jene in ihre warmen Hände. Er lächelte das erste Mal auf eine Weise, die Zelda bei ihm noch nie erfahren hatte. Er lächelte dankbar und beinahe rechtschaffen. „Danke“, meinte Zelda. Und vielleicht dankte sie ihm nicht für die Münzen, sondern für die Tatsache, dass er ihr die Augen geöffnet hatte. Sie musste Link endlich die Worte sagen, die schon lange überfällig waren... Er nickte bloß und in einem Wimpernschlag war er verschwunden. Das Drachenbaby hüpfte wieder auf Zeldas Schultern und rieb sein Köpfchen an ihrer Wange. „Es ist in Ordnung. Er ist fort“, sagte sie. „Du fürchtest dich vor dem Bösen, nicht wahr, Kleines?“ Es nickte und schnurrte, als Zelda ihm sanft unter dem Maul graulte. Währenddessen verrann die Zeit trügerisch für den selbstlosen Helden, der wusste, was passierte, wenn er dieses Spiel nicht meistern würde. Nicht nur seine Seele hätte er verkauft, sondern die Erde und Hyrule wären für alle Zeiten gefangen in Ganons gierigen Händen. Bisher hatte Link es gerade mal geschafft den grünen Weisen zu komplettieren, wo sein Gegner bereits den zweiten abgeschlossen hatte. Und Link wusste um die Regeln des Dämons. Er verwendete unfaire Karten. Karten, die er zusätzlich in das magische Spiel mit eingebaut hatte. Wenn Link sich also nicht etwas einfallen ließ, dann würde er das Spiel sehr erbärmlich verlieren. Links Hände schwitzten bereits und seine Anspannung wuchs, als die Uhr des Schicksals zur Hälfte abgelaufen war. „Sieht so aus, als müsste ich den letzten Weisen nehmen. Aber...“ Und der Dämon funkelte gehässig mit seinen abstoßenden, schwarzen Augen. „Aber dafür habe ich eine schöne Karte.“ Er grinste und seine spitzen Zähne blitzten aus dem verschlagenen Gesicht mit der fahlen Haut auf. „Die Karte der Ungerechtigkeit. Sie besagt, dass du den letzten Weisen nehmen darfst oder musst, Held.“ „Welch’ Überraschung“, murrte Link trocken. Und nahm es einfach hin. Was sollte er auch sonst tun? Er musste sich zusammenreißen, er musste einen kühlen Kopf bewahren und Vertrauen in jenes Spiel, das Zelda und ihn in einem Traum zusammengebracht hatte. Er atmete tief ein und spielte weiter, komplettierte wie besessen die Steine, bis ihm etwas Entscheidendes auffiel. Etwas Besonderes, welches nur dem Wissen seiner früheren Persönlichkeit entspringen konnte. Er handelte intuitiv und doch, so wusste er, war dieser Spielzug die einzige Waffe, das einzige Mittel, diesen Dämon in die Flucht zu schlagen. Die Zeit war nun fast abgelaufen und Link war im Rückstand. Er hatte alle Weisen komplettiert, aber der farblose war übrig. Noch alle drei Steine des Farblosen lagen weit verteilt auf der glatten Spielfläche. Doch etwas stimmte nicht. In Links Augen lag nun kein Grund mehr zur Beunruhigung, obwohl die letzte Minute angebrochen war. Ein tapferer Ausdruck lag auf seinem ansehnlichen Heldengesicht. Ein Ausdruck voller Macht und Mut. „Was grinst du so, Held? Freust du dich so sehr über deine Niederlage?“ Links Mundwinkel zogen sich verräterisch und belustigt nach oben. Der Dämon jedoch deutete diese Geste lediglich als Verzweiflungstat. „Wer spricht von Niederlage. Ich habe einen kleinen Bonus.“ Überlegenheit sprach aus Links Worten. „So genau scheinst du die Spielregeln doch nicht zu kennen, oder? Es gibt viele Tricks im Spiel der Sieben Weisen. Tricks, die fast niemand kennt. Tricks, die man nur herausfindet, wenn sich Zufall oder Schicksal einmischen. Auf meiner Seite, so weiß ich, steht heute das Schicksal.“ Link legte seine letzte Karte auf das Brett und plötzlich blieb am Rande der Uhr der Minutenzeiger stehen. „Ich bin die Wiedergeburt des Helden der Zeit. Warum sollte ich nicht über die Macht der Zeit verfügen können?“, lachte Link. „Du hast mich gewaltig unterschätzt.“ „Aber wie hast du...?“ „Ganz einfach. Es gibt Drillingskarten im Spiel der Sieben Weisen. Eine Karte des mutigen, des weisen und des kraftvollen Herzen. Mit diesen drei Karten konnte ich die Zeit anhalten. Und dreimal darfst du raten, was als nächstes passiert.“ Die rabenschwarzen Augen des Dämons weiteten sich und er beobachtete mit Entsetzten, was geschah. Die Farben leuchteten auf und bildeten eine Straße aus farblosem Gestein. Ein Weg für die drei Teile des farblosen Weisen. Ein Weg, damit jene sich finden konnten. In Sekunden schoben sich die drei Teile zu einem ganzen zusammen. Link lachte, als seine vier Weisen komplettiert vor seiner Nase standen. Und die Zeit nicht abgelaufen war. Er hatte gewonnen, auch mit den unfairen Karten seines Feindes. „Sieh’ es ein, du nichtsnutzige Kreatur des Bösen. Dieses Spiel ist nicht für dreckige Hände wie deine geeignet und nicht einmal deine gefälschten Karten haben dir den Hals gerettet.“ In dem Moment klappte sich das Spiel wie von Geisterhand zu einer runden Kugel zusammen, dankte dem Gewinner für das Spiel. „Ich habe gewonnen. Also sei’ so fair und gib’ mir die Münze.“ Der Dämon starrte ungläubig in das Gesicht des Heroen, und holte eine goldene Münze aus seiner Tasche. Link nahm sie an sich, hüpfte auf die Beine und lief zu seinem Schwert, welches noch immer in der Wand steckte. „Ach und ja... Ehe ich es vergesse“, sagte Link belustigt. „Brav. Brav!“ Höhnend wiederholte Link jene Worte, die der Dämon ihm vorhin unterbreitet hatte. Damit breitete die Gestalt des Bösen erzürnt den Mantel aus und verschwand im Nichts. Mit einem Jauchzen zog Link sein Schwert aus der Wand, blickte noch einmal zu dem Spiel der Sieben Weisen und dankte dem Schicksal und der Zeit. Er wusste nicht, woher er den Trick kannte. Aber jener hatte ihm den Hals gerettet... Zufrieden trat der junge Heroe aus der Tür heraus und entdeckte als erstes zur größten Freude seiner selbst, seine Prinzessin in der Mitte auf dem kleinen, steinernen Plateau hocken. Sie hatte etwas auf ihrem Schoss, was ihn im Moment nicht interessierte. Freudig rannte er in ihre Richtung, lächelte und rief ihren Namen sehnsuchtsvoll. Zelda blickte verwundert auf und lächelte ebenso. Das Drachenbaby wurde plötzlich unwichtig, sie hüpfte auf die Beine und rannte direkt in Links starke Arme. Er hatte nicht einmal die Lust irgendetwas zu sagen, hob Zelda an ihrer Hüfte in die Höhe und küsste sie leidenschaftlich und wild. Zelda murmelte während des Kusses: „Ich bin so... froh...“ Er unterbrach sie wieder. „...so froh...“ Und er stoppte ihre Worte mit einem weiteren Kuss. „... so froh, dass du lebst...“ Er ließ sie zurück auf die Beine und blickte besorgt in ihre müden, blauen Augen. Sanft strich er einige Strähnen hinter ihr Elfenohr. „Ich frage mich gerade, wie ich es nur jemals ohne dich ausgehalten habe...“, murmelte er und drückte sie näher an sich. Zelda schloss ihre Augen und lehnte ihren Kopf für einige Minuten an seine feste Schulter. Link fixierte dann endlich das kleine Drachenbaby, welches piepsend um Zuneigung bettelte. Erstaunung zeigte sich in irritierten tiefblauen Augen. Wie sollte er auch nicht? Link hatte noch nie ein kleines Drachenbaby gesehen. Sicher, in Irland war ihm ein ausgewachsener Drache von der bösen Sorte über den Weg gelaufen. Aber dieses Baby sprengte gerade seine Vorstellungskraft. Er löste sich langsam von Zelda, schenkte ihr ein verliebtes Grinsen und widmete sich dem kleinen magischen Wesen. „Wo hast du das denn gefunden, Zelda.“ „In einem Kerker... ich konnte es nicht dort lassen.“ Sie lächelte schwermütig und kniete neben Link nieder, lehnte sich haltsuchend an ihn. „Was sollen wir bloß tun? Es ist so ziemlich allein hier...“ Link nahm das winzige Wesen auf seine Arme und streichelte über die gräuliche Mähne. „Es ist so niedlich...“, meinte er und blickte lächelnd in Zeldas Augen. „Aber es erinnert mich irgendwie an Namenlos. Weiß zwar nicht warum, aber das ist es...“ Verdutzt schaute Zeldas das kleine, schwarze Wesen wieder an und blickte suchend in die dunklen Augen. „Du hast Recht. Das mir das jetzt erst auffällt. Es ähnelt von dem Ausdruck in seinen Augen tatsächlich dem Pferd ohne Namen...“ „Ob dieser Drache so etwas wie ein göttliches Wesen ist, wie das Pferd?“ Zelda nickte. „Wir werden es sicherlich bald herausfinden und ich hoffe, wir finden eine Lösung für das kleine Drachenkind. Ich würde es ungern hier lassen.“ Link stand auf und das kleine Wesen hüpfte um seine Stiefel. „Dann würde ich meinen, wir nehmen es einfach mit.“ Zelda nickte und suchte ein weiteres Mal seine Umarmung. Arm in Arm standen sie nun hier im achten Stockwerk, genossen die Nähe des anderen, nachdem der gesamte Tag für die nervtötende Suche nach den Münzen verloren schien. „Ich bin ziemlich müde...“, gab sie zu. „Und ich erst...“ „War deine Suche erfolgreich?“, murmelte sie in die grüne Tunika seiner Brust. „Mehr oder weniger...“ Sie sah mit ihren schönen blauen Augen auf und blickte ihn durchdringend an. „Und das heißt?“ Sein Blick war anziehend und doch lag unermessliche Besorgnis darin. „Ich hatte ein paar unangenehme Begegnungen.“ Zelda legte eine Hand auf seine rechte Wange und ihr Blick wurde trauriger. „Ich hatte einige unangenehme Träume...“, meinte sie daraufhin. Er umzirkelte ihre Körper wieder mit seinen Armen, dachte an diesen Dämon, der etwas von Illusionen gefaselt hatte und wurde besorgter. „Zelda... das waren keine Träume. Es gibt in diesem Tempel ein Wesen, welches Illusionen spinnt und uns diese auferlegt.“ Sie sah überrascht auf. „Du hattest auch solche Illusionen?“ Er nickte. „Waren sie unangenehm?“, fragte Zelda und fürchtete schon die Antwort, aber Link lächelte. „Nein, ich wurde von einer hübschen Blondine mit blauen Augen und dem perfektesten Body überhaupt verführt.“ Zeldas Blick wandelte sich und Link konnte auch so erkennen, welcher Ernst und welche Wut sich in ihre anstaute. „Aber keine Sorge... die Blondine warst du, mein Engel.“ Zelda schüttelte den Kopf, hob ihren Zeigefinger und löste sich von ihm. „Das ist nicht lustig, Link. In meiner Illusion hast du mich mit einer hässlichen Blondine namens Ilona betrogen.“ Da war Kälte in ihrer Stimme und Kränkung, obwohl der junge Heroe ihr diese Illusion nicht geschickt hatte, obwohl Link überhaupt nichts dafür konnte. Zelda trat wenige Meter weiter und spürte plötzlich Links Hände, die an ihrem Bauch entlang streichelten. „Zelda... ich würde niemals... nicht einmal daran denken...“ Er liebkoste mit seinen Lippen das blonde Haar an ihrem Hinterkopf und hörte einen leisen weinerlichen Ton von ihren Lippen entkommen. „Zelda?“ Er drehte sich zu ihr und nahm das bildhübsche Gesicht in beide seiner Hände. „Entschuldige... es war nur so entsetzlich...“, meinte sie leise und wischte sich selbst die Tränen fort. Es war nur eine Illusion, aber sie tat immer noch weh... „Diese Illusionen, die wir beide hatten, sind nicht gewöhnlich... Und ich begegnete diesem Dämon vorhin, der sich als Herr und Meister über diese krankhaften Phantasien berufen fühlt.“ Beunruhigt küsste Zelda ihren Heroen auf die Lippen. „Meinst du, er versucht uns dadurch zu beeinflussen, sodass wir...“ „.. die Mission nicht vollenden können.“ „Gewiss... Wir sollen einander misstrauen, damit wir scheitern.“ „Hast du ihn besiegen können?“, meinte sie hoffnungsvoll, aber Link neigte das Haupt und schüttelte den Kopf. „Er liebt ein Katz- und Mausspiel...“ „Nebenbei... wie viele Münzen hast du, Link?“ Stolz präsentierte er ihr die fünf Münzen, die er unter Willens- und Körperkraft errungen hatte. „Wie viele hast du?“ Er lächelte und Zelda wusste, dass ihm das Lächeln gleich wieder vergehen würde... Aber sie musste ihm von Preston berichten und ihm diesen dummen Kuss gestehen. Auch, wenn es lediglich eine unsinnige Bedingung Prestons war. Eine Bedingung ohne Bedeutung. Ein Kuss ohne Leidenschaft und Zuneigung. Zelda blickte beinahe ängstlich in seine tiefblauen Augen, biss sich auf die Lippen und darreichte ihm einen Stapel Münzen, die ihn als Helden Hyrules ziemlich arm aussehen ließen. „Bei den Göttern, Zelda. Wie hast du das angestellt?“ Fassungslos zählte er die Münzen in ihrer Hand. „Du hast bereits elf Münzen!“ Sie trat wenige Schritte rückwärts und suchte Abstand. Allein daran erkannte und spürte Link, dass seine Prinzessin ihm etwas verschwieg. „Ich habe diese Münzen nicht alle alleine gesammelt.“ Ihr Blick blieb am Steinboden der Brücke haften. „Du hattest Unterstützung.“ „Preston war hier und überreichte mir die sechs anderen.“ Links Augen wurden größer. „Wie bitte? Preston?“ ,Aber das war anscheinend noch nicht alles’, dachte Link. Er ahnte sorgenvoll, dass Zelda ihm etwas verschwieg. Und es war nichts Einfaches, nichts Leichtes, was sich von selbst klären würde, oder was man schnell vergessen konnte. Link wand sich seitlich und sagte kühl, aber auch beflissen. „Was hast du ihm dafür gegeben?“ In seinen Worten lag Schmerz und Frust. Zelda nahm einen tiefen Atemzug und suchte weitere Schritte Abstand. Sie wusste, dass Link sie schon lange durchschaut hatte. Das spürte sie an der Kühle seiner Aura und an der Haltung. Abweisend. Herzlos stand er vor ihr und sein unruhiger Blick ging an die Decke, wo eine Dachluke zu einem weiteren Raum führte. Sie konnte ihm doch nicht einfach an den Kopf werfen, dass sie Preston dafür küssen musste. Aber sie musste ebenso ehrlich und aufrichtig sein, wenn ihre Beziehung zu Link einen Sinn haben sollte. „Sag’ schon, was hast du getan, damit er dir ganze sechs Münzen anvertraut hat?“ Ob Link es verstehen würde? Oder würde sein Dickkopf dafür sorgen, ihre Beziehung erkalten zu lassen? „Dein Schweigen sagt mir jedenfalls nichts Gutes...“, meinte er und wand sich um. Sein Blick war traurig, aber auch ein wenig sehnsüchtig. Eine Träne tropfte über Zeldas linke Wange und sie sprach leise: „Er verlangte einen Kuss...“ Link wich zurück und fiel aus allen Wolken. Er breitete die Arme auseinander, wollte etwas sinnvolles sagen, aber drehte sich nur um und lief wenige Schritte. Er versuchte sein Haupt zu wahren, das kochende Blut in seinen Venen unter Kontrolle zu bringen und lief zu jener Tür, durch die er vorhin getreten war. Er stützte sich an dem Holz der Tür ab und sprach im Flüsterton: „Und du hast eingewilligt?“ „Ja...“, sprach sie gequält und schaute beschämt zu ihren Füßen. „Ich kann das nicht glauben... Zelda...“, sagte er verletzt und schüttelte den Kopf. „Wie konntest du nachgeben? Wie konntest du ihn... küssen?“ Seine Worte wurden lauter und wütender. „Am besten noch einen ordentlichen Zungenkuss, oder was?“, rief er. „Es war nur ein kurzer Kuss...“, schluchzte sie. Zelda blickte mit Tränen in den Augen auf, und hoffte auf Links Verständnis. Aber er blieb stur und würde ihr vermutlich nicht verzeihen wollen. „Ein Kuss ist ein Kuss...“ Er stapfte weiter hin und her. „Denkst du, ich vergesse das einfach auf die Schnelle. Da kennst du mich aber besser!“, kreischte er, trat wieder näher und Zelda sah erschreckend den Schmerz gemischt mit tosender Wut in seinen Augen. Und jener Schmerz war neu, von einer unheimlichen Art, den sie noch nie in dem tiefen Blau seiner Augen erkannt hatte. „Wir hätten eine andere Lösung gefunden“, meinte er. „Ach ja? Wann? Morgen früh etwa? Wie lange hätten wir noch in diesem Tempel herumirren sollen?“ Sie legte ihre Hände gefaltet auf ihre Brust und meinte leise: „Ich habe das nur für die Mission getan. Denkst du, es hat mir Spaß gemacht!“, rief sie und weitere Tränen tropften von ihren Wangen. „Ich weiß nicht...“ „Bist du verrückt? Traust du mir wirklich zu, ich würde an so einem Ekel Gefallen finden? Es hat mich angewidert und ich hasse mich dafür. Aber, Link... ich musste das tun... Es war eine simple Entscheidung für Hyrule und die Erde. Wir brauchten doch die Münzen. Wir könnten die Rückkehr zur Erde vergessen, wenn wir die Münzen von Preston nicht hätten.“ Aber ihre Rechtfertigung ergab für Link im Moment einfach keinen Sinn. „Verdammt Zelda... Es ist einfach nur abartig, dass du diesem Widerling den Gefallen getan ist, dass du dich ihm angenähert hast, dass du ihn berührt hast. Allein der Gedanke, du würdest ihn küssen, ist...“ Link brach mit den Worten ab und trat an die Holztür. Er wurde mit jeder Minute rasender und Zelda konnte es ihm nicht einmal verübeln... „Link, bitte lass’ uns in Ruhe darüber reden“ „Es gibt nichts mehr zu bereden“, sagte er kühl. Zeldas Augen standen starr. Was meinte er mit diesen Worten? Sie trat näher und suchte die Wahrheit in seinen Augen. Und erneut hatten ihre Entscheidungen sie beide in eine Sackgasse geführt. Wie damals... ,Es gibt nichts mehr zu bereden?’ War das etwa das Ende ihrer Beziehung? Wegen einem dummen Kuss, der an die Bedingung der Missionserfüllung geknüpft war? „Link... was meinst du... damit?“ Sie kämpfte mit den Tränen und sah auf, spürte Zorn und Kälte von ihm ausgehen und wagte sich nicht einmal in seine Nähe. „Ich muss mich beruhigen. Eine Münze fehlt noch.“ Sein Blick ging hinauf an die Luke ganz oben im zehnten Stockwerk. „Ich schau’ mich dort oben um.“ Zelda nickte und hockte sich wieder zusammen mit dem Drachenbaby auf das Plateau, beobachtete Link, der an einer Kette hinaufkletterte und weinte über ihre eigene Dummheit, als er durch die Luke verschwand. ,Was habe ich nur getan...’, sagte sie in stillen Gedanken. ,Warum hab’ ich das nur getan?’ Sie presste ihre Hände auf die roten Lippen und begann sich mehr und mehr für diese ekelhafte Berührung Prestons zu schämen. Sie war eine Prinzessin, und was hatte sie getan? Das Verlangen eines Verräters gestillt. Damit machte sie sich selbst zu einer Verräterin. Einer Verräterin ihrer Liebe zu Link... Außer sich vor Zorn und einem unersättlichen Gefühl der Demütigung in seinem Herzen erreichte Link die Luke am dunklen, kantigen Gewölbe. Mit einer Hand hing er an der großgliedrigen Kette und mit der anderen schob er die robuste Eisenplatte ins Innere. Gekonnt schwang er sich anhand der Kette hinein in den Raum und hatte zunächst eine Treppe vor sich, die weit hinaufführte. Verletzt stiefelte er nach oben, stellte sich ohne es zu wollen den Kuss Zeldas mit Preston vor und fragte sich die Spur eines Augenblicks, ob er in ihrer Beziehung etwa zu wenig verlangt hatte. Verdammt, vermisste seine Prinzessin irgendetwas, was er ihr noch nicht gegeben hatte? Sollte er vielleicht gröber sein ihr gegenüber? War er etwa zu liebevoll? Und warum sonst küsste sie diesen Widerling, der keinen Hauch von Zärtlichkeit oder Zuneigung hatte. „Verdammt!“, rief er, trampelte verbittert an die Seitenwand und schlug mit der linken Faust auf das harte Gestein ein. Was erwartete sie denn von ihm? Sollte er sie überrumpeln, oder was? Und mit jeder weiteren Minute kam der großherzige Heroe auf unsinnigere Gedanken gegenüber seiner Prinzessin, hatte Angstgefühle, dass seine Küsse ihr nicht ausreichten, ihr vielleicht nicht einmal etwas bedeuteten, fürchtete, er gab ihr einfach nicht genug... Aber den einzigen Grund für Zeldas Entscheidung schlug er in alle Winde. Und irgendwo tief drin wusste Link, dass sie Prestons Bedingung nur wegen der Mission erfüllt hatte. Aber der Sturkopf und die schürende Eifersucht in seiner jugendlichen Birne machten im Augenblick anscheinend jeden vernünftigen Gedanken zunichte. Murrend stapfte er weiter und erreichte weit oben das Ende der Treppe und zusätzlich viele, kleine viereckige Ebenen, über die er springen müsste um in einer hintersten Ecke eine strahlende Münze in seine Hände nehmen zu können. Unschuldig und wartend lag die siebzehnte Münze auf einem viereckigen Plateau. Aber irgendetwas an diesem Ort beunruhigte den Heroen und die alte, mutige Seele, die tief in seinem Bewusstsein schlummerte. Gefahr und ihre böswilligen Gesichter kroch hier umher, schlang sich wie eine kalte Haut um die vielen viereckigen Flächen, die von magischen Schwingen getragen in der Luft standen. Und Link war sich nicht ganz sicher, ob diese Vierecke alle so fest und sicher waren wie sie aussahen. Er suchte in einer magischen Tasche nach einem unnötigen Gegenstand und fand eine Brotbüchse, die er sowieso nicht mehr benötigte. Das Brot war ihnen am heutigen Tage ohnehin ausgegangen. Er warf die Büchse auf eines der vielen Plateaus vor seiner Nase, aber seine Vermutung bestätigte sich nicht. Das Plateau sank nicht hinab, so wie er annahm. Anscheinend war der Weg über die Luft doch sicherer als er glaubte. Vorsichtig sprang er auf den Felsblock, der in der Luft schwebte, fühlte unter seinen Füßen, wie dieser wackelte und vibrierte. Aber er hielt sein Gewicht. Auf diese Weise- durch vorsichtiges Herantasten- legte der junge Heroe ein ganzes Stück an Weg zurück, und war im Nu auf der Hälfte des Weges, hatte die glänzende Goldmünze direkt in seinem Blickfeld und warf erneut die alte Brotbüchse auf einen der schwebenden Felsblöcke. Das Plateau wackelte, aber hielt die leichte Brotbüchse aus. Zaghaft trat Link auf jene Möglichkeit des Weges. Zuerst geschah nichts anderes als vorher. Die viereckige Platte wackelte und schien ihn auszuhalten. Plötzlich aber und ohne die geringste Vorwarnung, rauschte der Felsblock so schnell in die Tiefe, dass Link nicht rechtzeitig reagieren konnte. Ein lauter Schrei donnerte in dem langen Schacht umher. Ein angstverzerrtes Rufen eines Kämpfers. Link suchte nach einem Halt, rutschte kläglich an glattgeschliffenen Wänden anderer Felsblöcke ab und schien in der Tiefe zu verschwinden. Genauso überraschend wie das Einstürzen des Felsblocks, fühlte Link mit einem Mal eine feste, starke Hand, die ihn an seinem Unterarm umfasste und mit Leichtigkeit erneut nach oben hievte. Ein paar bösartige, glühende Augen sahen belustigt in seine tiefblauen. Dunkles Haar hing in einem vernarbten jugendlichen Gesicht. Es war Preston, der letzte Kerl, den Link im Moment sehen wollte. Sofort als Link auf sicherem Boden stand, riss er sich los und maulte: „Du! Du bist der letzte, von dem ich mich retten lassen wollte, du Schwein!“ „Tja, ändern kannst du es ohnehin nicht mehr, Link“, lachte jener Jugendliche. „Warum hast du mich nicht einfach in Ruhe gelassen, ich hätte mir zuhelfen gewusst!“ „Jaja... ist gut, Zwergenheld!“ Preston schlug erheitert seine Hände hinter den Kopf und meinte: „Der Rest des Weges ist sicher. Also hol’ dir die Münze und rette mit deiner Prinzessin die Welt.“ Preston grinste und hatte nicht den Hauch einer Chance auf das zu reagieren, was folgte. Eine starke Faust bohrte sich in Prestons Gesicht und jener wurde aufgrund der Wucht einer mit Macht gefüllten Hand an einer der kalten Wände geschleudert. Schockiert sah er auf und blickte in das wutverzerrte Gesicht des Heroen. „So... das tat gut!“, murrte Link und atmete tief aus. Preston richtete sich auf und wischte sich über die blutigen Lippen. „Und bevor du fragst, das war für deine widerliche Bedingung, die du an Zelda gestellt hast“, dröhnte der Heroe, fühlte sich fast ein wenig besser, jetzt, da er Dampf abgelassen hatte. „Für diesen dreckigen Kuss!“ „Sie hat es dir sofort gestanden... hätte ich nicht gedacht“, meinte Preston und trat dummerweise wieder näher an einen sehr mürrischen, eifersüchtigen und wütenden Link heran. „Ja, es gibt eben noch Leute, die aufrichtig zueinander sind“, sagte Link, obwohl er Zeldas Aufrichtigkeit anzweifelte. „Aber du kannst ihr jetzt vermutlich nicht mehr so vertrauen, wie vorher, was?“, lachte Preston. Als Link darauf nicht ein Wort erklingen ließ, lachte Preston noch lauter. „Haha... du bist vielleicht ein Idiot“, kicherte der schwarzhaarige Jugendliche. Link ballte die Fäuste und fühlte erneut etwas Seltsames in sich. Eine monströse Energie, die er nicht einmal richtig kontrollieren konnte. „Ein riesiger Idiot“, lachte Preston. Derweil zog Link vor Zorn und Rage sein Schwert. Die Klinge klirrte gefährlich, aber Preston ließ sich nicht einschüchtern. Im Gegenteil, er trat noch näher. „Was für ein Idiot, dass du ein solches Affentheater machst, wegen einem einfachen, oberflächlichen Kuss. Sieh’ dich doch mal an. Ist das etwa dem Helden der Zeit ähnlich? Sich wegen einem kleinen Kuss so aufzuregen, und deine Prinzessin hat das noch nicht einmal freiwillig gemacht. Und ihre Zunge hat sie auch in ihrem hübschen Mund gelassen.“ Link war im wahrsten Sinn des Wortes sprachlos und ließ die Klinge wieder sinken. Er gab es nicht zu, aber Preston hatte Recht, auch wenn er ein riesiges Ekel war. Link führte sich auf wie ein unzurechnungsfähiger Blödmann, nur wegen einem Kuss... „Zelda liebt dich, und du hängst ihr diesen dummen Kuss nach. Du bist wirklich ein Idiot!“ Preston trat näher, hatte immer noch dieses unverblümte Grinsen in seinem Gesicht. Link dagegen wurde fahl und leichenblass... „Sie hat es dir gesagt?“, fragte er ungläubig. „Was, dass sie dich über alles in der Welt liebt?“ Verlegen schaute Link zu seinen Stiefeln. „Jaha, und mit einer Hingabe“, amüsierte sich der Schwarzhaarige. „Sie hat es dir noch nicht gesagt, was?“ ,Ja, das stimmte leider’, dachte Link. Diese drei kleinen Worte hatte Zelda noch nie über ihre Lippen gebracht. „Schon mal dran gedacht, dass sie sich vor diesen drei Worten mehr fürchtet als vor Ganondorf?“ „Und warum erzählst du mir das überhaupt? Warum hast du mir den Hals gerettet?“, murrte der Heroe und hüpfte mit einer großen Portion Leichtsinn auf die nächste viereckige Fläche. Aber er hatte Glück. „Ach... ich weiß auch nicht. Ich hatte den Drang, mal nett zu sein. Außerdem will ich wieder ein Mensch sein, das weißt du hoffentlich noch. Ein anderer Grund ist, dass Zelda dich liebt und ich wohl schlecht zulassen kann, dass du in diese mörderische Tiefe stürzt.“ Link nickte gelangweilt, hatte keine Lust mehr auf diesen Smalltalk mit Preston und erreichte endlich die letzte Münze. Als er sich umdrehte, stand Preston plötzlich direkt vor seiner Nase und gab ihm eine richtig gemeine Kopfnuss. „Wofür war das, du verdammter Hurensohn?“, fauchte Link und holte erneut mit der Faust aus, aber Preston bückte sich, so schnell er konnte. „Dafür, dass du so ein Idiot bist. Ich glaube, eine größere Hohlrübe gibt es nicht. Echt mal, du wirst von der tollsten Frau Hyrules geliebt und bist so dermaßen misstrauisch, dass du noch nicht einmal bemerkst, wie du sie mit deiner Eifersüchtigkeit verletzt. Du Arsch, sie liebt dich. Also verhalte dich dementsprechend und zeig’ ihr, das sie diese Zuneigung nicht bereuen muss.“ Preston grinste, und hatte wohl das erste Mal in seinem Leben für derartige Worte den Nerv. „Kapiert, du Idiot?“ Link schnaufte und umfasste fester die Klinge in seiner Hand. Preston trat langsam weiter und setzte leiser hinterher: „Ach und ja, Ganondorf erwartet euch beide schon. Er schärft seine Waffen. Sei’ also auf der Hut, Zwergenheld.“ Damit erzeugte der Schwarzhaarige ein dunkles Feld vor seinem Antlitz und verschwand in dreckigen Nebeln, wurde verschluckt wie ein bisschen Materie von einem schwarzen Loch... Link hangelte sich bedacht die lange Kette hinab und trat langsam vor seine Prinzessin, die das Drachenbaby verwöhnte. Nicht einmal einen Blick in ihre himmelblauen Augen brachte er über sich. Und so trat Link wenige Schritte weiter und murmelte gezwungen: „Wir müssen weiter. Ich habe die letzte Münze...“ Zelda nickte, lief zu ihm hinüber und wollte annähernd nach seiner Hand greifen, aber Link zog diese weg, schüttelte stur mit dem Schädel und machte ihr mit einer so einfachen Geste deutlich, wie nötig er ein wenig Abstand hatte. Zelda legte ihre Hände auf ihr Herz, blickte traurig zu Boden und lief einfach nur hinter ihm her. Auch sie sagte nichts, bekämpfte ihre taube Kehle und versuchte nicht schon wieder mit so etwas Dummen wie dem Weinen anzufangen. Sicher, sie verstand sehr gut, wie verletzend ihre Handlung gewesen war, aber hatte sie denn eine Wahl gehabt? Warum konnte Link das nicht nachvollziehen. Es war doch nur ein oberflächlicher, kleiner Kuss... Schweigsam erreichten die beiden Hylianer erneut das Erdgeschoss und setzten ohne irgendein Wort zu verlieren, die Münzen in die vorbestimmten siebzehn Einkerbungen. Ein lautes Dröhnen wurde hörbar unter ihnen und im selben Augenblick bebte der Boden wie bei einem Vulkanausbruch. Die Seitenwänden bröselten und einige Treppenstufen krachten von oben herunter. Und der Boden begann so entsetzlich zu beben, dass jene Erschütterung Zelda und Link zum Hinlegen zwang. Es war ein Mechanismus, gefertigt von den klügsten Architekten Hyrules. Ein Triebwerk, welches durch viele kleine Rädchen und anderes Werkzeug tief im Vulkangestein Energie freisetzte, die plötzlich und gewaltig die gesamte Feuersäule verschlang. Es röhrte und donnerte und mit einem Tosen rauschte die gewaltige Feuersäule schnell und brutal hinab, als würde sie von einem Feuerfresser verschlungen... Es wurde wieder still in der gewaltigen Weisenstätte des Feuers, still genug, um die eigene Atmung wahrzunehmen, den schnellen Herzrhythmus des anderen zu spüren. Link vergewisserte sich mit einem kühlen, unauffälligem Blick über seine Schulter, ob mit Zelda alles okay war, fühlte sich erleichtert deswegen und schaute dann trügerisch zu dem freigelegten Weg. Der Pforte, welche die Feuersäule erst versperrt hatte. Eine merkwürdige Treppe führte tiefer in den Tempel. Treppen, die kreisförmig in dem Loch angeordnet waren und sich tief am Boden trafen. Ohne Blick. Ohne Gefühl und den Versuch von Nähe zu Zelda tapste Link die Treppenstufen hinab und hörte hinter sich nur die klappernden Stiefel seiner Prinzessin und das aufgeregte Piepsen des kleinen Drachenbabys. Als Held und Prinzessin das Ende ihres Weges erreichten und es anscheinend keinen weiteren Weg gab, brach unter ihnen der Boden entzwei und sie landeten schreiend an dem Ufer eines gigantischen Lavasees hier im Untergrund der Weisenstätte. Ein robustes Boot aus einem merkwürdigen, magischen Material war an dem Ufer angelehnt und wartete auf seine Gäste. Aber ihr Weg war versperrt. Jemand wartete bereits auf ihr Erscheinen. Der Gastgeber in seinem widerlichen Spiel mit krankhaften Illusionen. Ein breiter Dämon stand mit dem Rücken am Ufer, direkt vor den zwei Hylianerherzen und breitete seinen Ledermantel aus. „Ihr erscheint recht spät, meine Gäste“, schnalzte er und hob die dunkle Kapuze von seinem Haupt. Das Abbild eines starken Mutanten gab sich preis. Die bedeutsame Kreation des Schreckensfürsten. Der Mischling aus Moblin und Eisenprinz, der sich die vergifteten Seelen, dunklen Gedanken und spärlichen Fähigkeiten vieler unnutzer Moblins eingehaucht hatte. Ein einzelner Moblin aus Ganons Armee war vielleicht dumm und einfältig, aber viele von ihnen bildeten ihre eigene Horde der Besessenheit und des Todestriebs. Eine Horde von ihnen im eigenen Kopf krönte und erfreute den Mutanten und machten ihn stärker als es selbst dem Meister des Bösen recht war. Troplox, der Mutant, war nun stark genug, um sein eigener Meister zu sein... Intuitiv rückte Link einige Meter zurück und drückte Zelda entgegen ihres Willens ebenfalls nach hinten. „Wir sind nicht deine Gäste. Wir schlagen deine Einladung aus“, sagte Link trocken und kalt. Denn er wusste, wen er vor sich hatte und diesen Gegner durfte er nicht unterschätzen. „Wer sagt, dass die Einladung eine freiwillige ist, Held“, zischte der Mutant und trat einige Schritte näher. Erneut wichen Link und Zelda rückwärts und der Kämpfer schaute hilfesuchend zu der einzigen Fluchtmöglichkeit. Dem Boot, welches sie über den gefährlichen Lavasee bringen könnte. „Aber ihr habt Respekt vor mir!“, zischte der Mutant und grinste biestig. Seine schwarzen Zähne gaben sich aus einem vernarbten Maul preis. „Daher möchte ich mich bescheidenerweise mit Geduld und Eitelkeit vorstellen.“ Er breitete muskelbepackte Arme auseinander und die wenige Lederbekleidung um seinen kräftigen Oberkörper und die Hüfte straffte sich reibend. „Mein Name ist Troplox und ich bin ein Illusionsspinner. Eine Freude für Geist und Seele. Ein Genuss für den Körper in traumhaften Illusionen gefangen zu sein und eine Schande für das verliebte Herz. So wie die Magd an dem Spinnrad sitzt und ihren Garn erschafft, erschaffe ich Illusionen in allen Farben und Formen... Illusionen des Leids und der Freude in aller Lebendigkeit. Und alle fallen sie auf meine Illusionen herein...“, feixte das Ungetüm und heftete seinen Blick zu der jungen Prinzessin. Er leckte sich über seine fleischigen Lippen und murrte ein wenig düsterer: „Aber mir scheint, die Prinzessin Hyrules flieht lieber vor ihren Illusionen, obwohl sie doch nicht immer unangenehm waren, nicht wahr?“ „Was soll das heißen?“, antwortete Zelda prompt und dachte heimlich an diese Phantasie ihres dicken Bauches, dem Schlossgemach und dem Baby in der Wiege. „Nun...“ Troplox lief einige Meter rückwärts und fixierte den riesigen Lavasee mit seinen glühenden, teuflischen Augen. „War es nicht Genuss für dich verwöhnt zu werden von einem liebevollen Verehrer in dem eigenen Schlossgemach?“ Erschüttert und erneute Enttäuschung wachrufend drehte sich Link zu Zelda und konnte nicht verstehen, dass sie ihm wieder etwas verschwiegen hatte. „Damals in den Kokiriwäldern... das warst auch du?“, meinte Zelda entgeistert und dachte an die vielen Halluzinationen, die ihr damals wiederfahren waren. Nun ergaben sie Sinn. Nun verstand sie deren Zweck der Verwirrung und deren Grausamkeit bis ins kleinste Detail. „Jahhh“, schnurrte der Illusionenspinner. „Aber meine Fähigkeiten zu dem Zeitpunkt waren alles andere als ausgereift. Hast du diese Illusionen vom Tod deines Liebsten wenigstens genossen, Prinzeschen?“ Zelda blickte gedemütigt zu Boden, kniff die Augen zusammen und erinnerte sich ohne Kontrolle an die Bilder ihrer Illusionen. Bilder, als Links Kopf auf Speeren aufgespießt von Moblingesocks trophäenartig umhergetragen wurde. Es schmerzte in ihrem Herz. Und es schmerzte so sehr, dass ihr salziges Wasser in die Augen stieg. „Sieh’ einer an. Sie weint. Die stolze, eitle Prinzessin Hyrules weint. Welch’ eine Schande. Ihr gebt Euch Blöße, Eure Hoheit.“ Zelda sah mit einem Blick auf, der Link das Fürchten lehrte. Ihre blauen, tränenden Augen leuchteten stark und attraktiv. Irgendwie gespenstisch und anziehend. Majestätisch und einzigartig. Sie trat nur einen Schritt nach vorne und plötzlich schossen Strahlen puren Lichts aus ihrem Körper, und durchbohrten das Monster unersättlich. Sie stoppte nicht mit ihren Attacken der Verzweiflung und sogar Link, der versuchte einzugreifen, der versuchte sie zu beruhigen, wurde durch eine magische Böe zurückgedrängt. „Zelda! Hör’ auf. Du tust dir nur selbst weh!“, brüllte Link und kämpfte strotzend gegen den starken Wind ihrer Schöpfung. Er rief nach ihr, forderte sie auf, zu stoppen. Diesen Irrsinn bleiben zu lassen. Aber sie wollte ihn nicht hören. Und plötzlich wurde das gesamte Ufer von ihrer heiligen Magie beleuchtet, flutete die Szenerie und bannte, betäubte, verletzte das Ungetüm Troplox so verschwenderisch und gnadenlos wie es nur ging. Link hetzte näher und spürte ihre Magie schwächer werden, fühlte, wie Zelda ihre gesamte Kraft in dieser wahnsinnigen Attacke verpulverte. Er rannte näher und sah seine Prinzessin plötzlich reglos und starr vor dem Ufer stehen. Sie keuchte und hechelte, sank auf ihre Knie und landete bewusstlos mit einem dumpfen Schlag seitlich auf dem warmen, kantigen Erdboden. „Zelda!“ Der junge Heroe kniete nieder und suchte zuerst nach ihrem Puls, fand ihn beruhigt und drückte sie an sich. Sie hatte ihre ganze Kraft in einen einzigen unkontrollierbaren Ausbruch ihrer Macht gelegt, hatte sich Wut und Zorn hingegeben und damit einen gefährlichen Preis bezahlt. Link konnte nur hoffen, dass sie in wenigen Stunden wieder bei Bewusstsein und noch die alte Zelda war. Die Zelda, die er doch brauchte, die er liebte. Zum Teufel mit diesem dummen Kuss, der Preston bestimmt war. Preston... Nur ein Gedanke an ihn reichte und er erschien wie gerufen. Er trat wie aus dem Nichts heraus näher und überprüfte mit einem gehässigen Blick den Zustand der Prinzessin. „Meinst du, sie schafft es, Zwergenheld?“ Link rollte die Augen und blickte den Jugendlichen erbost an. Zaghaft trat Link selbst auf die Beine und trug seine Prinzessin auf den Armen. „Zelda ist nur bewusstlos...“, sprach Link leise. Troplox lag regungslos aber lebendig in der Nähe und es war nur eine Frage von wenigen Minuten, bevor sich das Ungetüm wieder regeneriert hatte. „Ist er am Ende?“, meinte Link. Aber Preston schüttelte warnend den Kopf. Dann grinste jener und holte etwas aus seinem dunklen Mantel, womit Link nie und nimmer gerechnet hatte. Preston hatte einen richtigen Sprengkörper in seiner Hand. Eine dunkelbraune Bombe, die von den starken Goronenhänden gefertigt war und so einiges in Stücke hauen könnte. „Was willst du denn damit?“, murrte Link und trug seine Prinzessin ohne Zeit zu verlieren zu dem Boot. „Ich mach’ dir einen Vorschlag, Zwergenheld.“ „Und der wäre?“, meinte Link und löste die Befestigungen des Bootes, während Zelda tief schlafend in dem Boot lag. Und das Drachenbaby an ihrem Ärmel zerrte und ihre Hände anknabberte. „Ich nutze dieses hübsche, bombige Ding und versperre somit den Weg. Du fliehst mit Zelda und dem Drachenbaby und beschaffst dir das Elixier, welches irgendwo auf diesem Lavasee zufinden sein müsste.“ „Ja und?“, meinte Link ungläubig. „Du versperrst damit blöderweise den Rückweg.“ Aber Preston grinste: „Keine Sorge, es gibt über den Lavasee eine weitere Möglichkeit dem Tempel zu entkommen. Und ich kann dir schon mal verraten, dass jener Weg mehr Spaß macht als der, den du zurücklässt.“ Link schaute immer noch ungläubig und konnte diese plötzliche Selbstlosigkeit Prestons nicht verstehen. „Warum tust du das?“ „Nun, in gewisser Weise bin ich genau wie du... Wir sehen uns sogar ein wenig ähnlich, falls dir das mal aufgefallen ist. Ich bin bloß kein Held und habe einige Fehler begangen. Es wird Zeit, dass ich beweise, dass auch ich etwas drauf habe.“ Preston grinste. „Ich werde mich Troplox in den Weg stellen. Und mal schauen... vielleicht überlebe ich diesen Kampf sogar.“ Link schüttelte den Kopf aus Unfassbarkeit, reichte Preston die Hand und meinte: „Du tust das bloß für Zelda, nicht wahr?“ Preston nickte. „Scheint, als ob sie mich bekehrt hat. Und ja, sie zieht Kerle wie uns eben in einen magischen Bann und merkt es nicht einmal.“ Der Schwarzhaarige schüttelte die Hand des blonden Heroen. „Wenn sie aufwacht, werde ich ihr das mitteilen, was du mir gerade eben gesagt hast.“ Preston nickte. Er holte ein Streichholz aus einer Gürteltasche und entzündete es witzigerweise mit seiner dunklen Magie. „Jetzt flieht. Troplox regeneriert sich sehr schnell.“ Link nickte, grinste und hüpfte mit einem Sprung in das rettende Boot hinein. Als sich das Boot langsam über die Lava bewegte, schaute Link erneut zurück, blickte zu Preston, der grinste und das Streichholz zu der Zündschnur der Bombe führte. Und auf seinen Lippen stand ein leises Danke. Plötzlich explodierte das gesamte Ufer. Die Erschütterung war so gewaltig, dass sie auf dem See zu spüren war. Dutzende Felsblöcke und dunkler Staub versperrte den Zugang zu jenem Bereich des Tempels, wo Preston sich dem Mutanten und Illusionenspinner entgegenstellte. Link hörte nur ein zerfetzendes Schreien, ausgestoßen sowohl von Preston als auch von Troplox und wusste instinktiv, dass der Kampf der beiden einstigen Diener Ganondorfs zum Nachteil für sie beide ausgegangen war. Beide waren jene Kreaturen Opfer ihrer selbst und bezahlten den Preis des Lebens... ,Nun hat er doch noch eine gute Tat vollbracht...’, dachte der junge Heroe, verabschiedete sich mit diesen Worten von Preston und ruderte langsam über den See, sah besorgt in das kreidebleiche Gesicht seiner Prinzessin und setzte den Weg fort. Link ruderte nunmehr eine halbe Stunde über den in die Länge gezogenen unterirdischen Lavasee. Manchmal wurde der Weg schmaler und der Heroe musste höllisch aufpassen nicht an die Kanten der Höhle zu stoßen. Und ab und an gab es kleine Inseln auf dem See, die seinen Willen stärkten und ihm eine Verschnaufpause gönnten. Wenig später erreichte er mit dem Boot eine kleine Kreuzung. Von dem Weg ganz rechts drang ein feuchter, kühler Wind. Frische Luft. Ein Segen hier in der Dämpfe des gigantischen Sees. Link stoppte das Boot und atmete tief ein, roch die süße Luft der Steppe und lächelte. Dies war also der Ausgang. Demzufolge müsste sich irgendwo auf dem Weg geradeaus das Elixier des letzten Weisen finden lassen. Er ruderte weiter und sein Blick fiel zu der schlafenden Prinzessin und dem kleinen Drachenbaby, welches sich an sie herangekuschelt hatte und ebenso schlummerte. Auch Link fühlte sich elend, wollte Schlaf und seinen hungrigen Magen füllen. Aber er musste das Boot zuerst nach draußen bringen. Dorthin, wo der frische, hylianische Wind wehte. Nach langer Suche erreichte er ein großes Gitter und darauf ruhte in einer einfachen Schale das rettende Elixier des Weisen mit der Macht über Feuer. Zufrieden verstaute der Held das Elixier in der Gürteltasche und hatte nun alle kräftesteigernden Substanzen in seinen Händen. Es war soweit. Dem letzten Kampf stand nichts mehr im Wege. Und wenn er die Elixiere mit Zelda rechtzeitig zu Leon, Impa und den anderen bringen konnte, so würde es eine sehr große Chance geben, dass sie den Kampf gegen Ganon alle unbeschadet überstehen würden. Die Welt könnte wieder die gleiche sein, dann, wenn man das Triforce nutzen und ihm einen Wunsch nach Frieden abverlangen könnte. Er hüpfte auf das Boot, welches verräterisch schaukelte. Er setzte den Weg fort und steuerte das magische Boot in die Richtung, wo der segenspendende Wind herrührte und sein Gemüt erhellte. Link hatte sich mit dem Boot nur wenige Meter vorwärts bewegt, als er kühle Lichtstrahlen bemerkte, die in die heiße, dampfende Höhle fielen. Er blickte angestrengt hinauf, blickte um sich und sah direkt vor seinen Augen einen hellerleuchteten Ausgang, geschmückt mit alten Statuen, die aussahen wie Biggoron... Gemeißelt aus robustem Gestein schienen jene Statuen hier zu wachen... Link passierte den Ausgang vorsichtig und ruderte schnell und heftig ans Ufer. Denn wenige Meter weiter rauschte die glühende Lava hastig und unüberschaubar steile Hände hinab. Es war nur ein kleiner Anlageplatz und so weit das Auge reichte türmten sich massive Felswände und kantige Hänge hier auf. Der Weg würde beschwerlich werden, dachte Link. Der junge Hylianer trug sowohl Zelda, als auch das Drachenbaby aus dem Boot, lehnte Zeldas erschöpften Körper an eine Felswand und verschnaufte selbst einige Minuten, genoss den frischen Wind und beobachtete die Sonne, welche sich weit im Westen langsam herabsank. Die vermutlich letzte abendliche Dämmerung vor der Rückkehr in die moderne Welt der Menschen war gekommen... Kapitel 105: Geheimnisse der Vergangenheit XIX ---------------------------------------------- Kapitel 88: Geheimnisse der Vergangenheit XIX Mit schwachen Tränen in den Augen rannte der junge Held der Zeit durch die dunklen Schlossgänge, fühlte sich verbittert und unfähig. Unfähig für seine Wünsche zu kämpfen, unfähig um und für seine Prinzessin zu kämpfen. ,Alles geklärt...’ Wie gnadenlos, wie grausam, dieser Satz doch klang. Und vernichtend... Aber gar nichts war geklärt. Seine Gefühle für die Prinzessin Hyrules waren noch lange nicht geklärt und sie würden sich niemals mehr klären. Hetzend rannte er weiter, schob das kümmerliche Wasser in seinen Augen auf die Wogen der Luft, die an seinen Augen vorbeizog. Er verkrampfte sich bei dem Gedanken, dass er sie ohne die Spur von Scheu geküsst hatte. Er hatte die Prinzessin Hyrules geküsst. Was würde ihr Vater dazu sagen, wenn er davon erfuhr? Was würde Impa sagen? Er hatte getan, was stets verboten war. Verboten. Untersagt mit Strenge des Kodex, der einen solchen Kuss verwehrte. Und doch... Hatte sie nicht erwidert? Hatte Zelda nicht selbst diesen Kuss gewollt? Wütend und verzweifelt wegen der sturen Frostigkeit seiner Prinzessin rannte Link weiterhin durch die Schwärze, bog einfach irgendwo ab und wartete darauf, irgendeinen Ausgang aus dem großen Wirrwarr Schloss Hyrules zu finden. Stattdessen erreichte er einen alten Königssaal, der eigentlich unbenutzt sein sollte. Ein Saal, welcher noch von Harkenias Vorfahren genutzt wurde, aber nicht von den lebenden Mitgliedern der Königsfamilie... Stimmen waren dort zu hören. Eine abgestumpfte, nüchterne, dann eine laute, eindringliche Frauenstimme und des weiteren eine sehr vertraute, die des jungen Königssohns aus Calatia. Neugierig und sich von Zeldas Gefühllosigkeit ablenkend trat Link näher und hörte Groll und Ärgernis aus den Worten heraus. Die hohe Eichentür mit Triforceverzierungen war nicht ganz geschlossen und lediglich angelehnt. Nur wenige Zentimeter ließ sie einen Einblick in den alten, teuren Saal zu, der halb verstaubt vergangenen Zeiten lobpreisen wollte. Links markante Nasenspitze stieß an das Holz, während er aufmerksam lauschte und seine tiefblauen Augen einen raschen Blick hinein werfen konnten. Ein winziger Herr mit fettiger Ritterrüstung und einer Haube auf dem Kopf stand aufgebracht, die schlabberigen Arme auseinander haltend, vor Caldrian, dessen rehbraune Augen erfüllt waren von grober Wut. Eine schicke, lange Dame, gekleidet in einer außergewöhnlichen dunklen Königstracht stand abseits und blickte streng und eitel drein. Sie besaß genau die gleichen rehbraunen Augen wie der junge Königssohn aus Calatia. Also waren dies Caldrians Eltern, dachte Link und lauschte wissbegierig. Caldrians unvergessliche Stimme schmetterte laute Töne der Unverständnis durch den Raum. „Vater, so versteht doch, es liegt nicht in meinem Interesse der Prinzessin meine Hand aufzuzwingen.“ Der kleine Kerl gegenüber Caldrian schien teilnahmslos und stur zu sein. „Wie kommt Ihr dazu, unseren Worten zu wiedersprechen? Was sind die Gründe für Eure dumme Fehlbarkeit?“, sagte der Kerl und richtete eine Anklage gegen seinen Sohn. „Die Prinzessin...“, fing der junge Caldrian an und blickte wie ein Adliger aus Calatia entschlossen und aufrichtig auf. „... interessiert mich nicht.“ „Aber sie ist Eurem Stand würdig, sie entspricht dem, was wir für Euch erhoffen“, sagte die Lady mit dem braunen, langen Haar und trat ohne jede Miene an ihren Sohn heran. Keine Gefühlsregung in ihrem kühlen Blick. „Die Prinzessin Hyrules könnte Euch gesunde Kinder gebären, denn sie ist schön, stark und von göttlichem Aussehen“, sagte die Königin Calatias. Gerade dieser Satz brachte Link leicht aus dem Gleichgewicht. Trübsinnig lehnte er sich gegen die Tür, die sich daraufhin wenige unbemerkte Zentimeter bewegte. „Selbst wenn ich sie lieben würde, sie könnte niemals erwidern, was ein Königssohn ihr zu Füßen legt“, sagte Caldrian und blickte aufrichtig in die Augen seiner Mutter. „Wie meint Ihr?“ Aber Caldrian biss sich in dem Augenblick auf die Lippe. Welcher frevelhafte Skandal wäre es, wenn er seinen Eltern sagen würde, dass er davon überzeugt war, dass Prinzessin Zelda bereits ihr gesamtes Herz verschenkt hatte. „Weil Prinzessin Zelda keine gewöhnliche Prinzessin ist...“, antwortete Caldrian kühl und schritt mit seiner klappernden Rüstung an das Fenster. „Es ist dieser Held, der im Wege steht“, sagte Caldrians Mutter scharfsinnig. Gefährlich berechnend blitzten ihre klugen Augen auf. „Die Prinzessin Hyrules hat ihr Herz bereits verschenkt“, sagte sie und zeigte nicht die Spur von Anteilnahme oder Herzenswärme. Frostig und eigensinnig verriet ihr ein Blick in die Augen ihres Sohnes, wie ungemein recht sie hatte. „Ich werde den König Hyrules sofort über diese Umstände berichten“, sagte sie und schritt näher an die verzierte Tür. Aber Caldrian hetzte hinter ihr her und sagte auffordernd. „Was bringt Euch das? Wollt Ihr den König demütigen? Wollt Ihr die Prinzessin mit Eurer verräterischen Haltung demütigen?“ „Nehmt in meiner Gegenwart nicht das Wort Verrat in den Mund. Ihr, mein Sohn, seid der, dem Verrat ein schöneres Vergnügen ist als das Festhalten am eigenen Land!“, drohte sie und blickte belehrend und herausfordernd in Caldrians Augen. Angewidert blickte er weg und verkrampfte die Fäuste. „Es sei denn, Ihr würdet der Prinzessin Eure Hand anbieten. Dann bleibt die unreife, dumme Liebschaft der Prinzessin mit dem Helden der Zeit ein Geheimnis vor dem Volk“, sagte der kleine, kleinwüchsige König Calatias, der ein langes Zepter in der Hand, damit auf dem Boden quietschte. „Ihr wollt mich erpressen?“ „Unterstelle deinem König und deiner Königin nicht diese Vermessenheit!“, sagte die stolze Lady zischend. „Und was soll ich dann sonst Eurer Dummheit unterstellen!“, brüllte Caldrian, der alles andere als ein Sohn aus vornehmen Kreisen zu sein schien. „Ihr werdet um die Hand Zeldas anhalten!“, sagte der Winzling im Raum drohend. „Geht! Und wenn Ihr zur vernunftgeladenen Besinnung gekommen seid, dann kehrt wieder mit der Einwilligung der Prinzessin!“, sagte die Königin im Anschluss und drehte ihr eitles Haupt gen Saal. Laut und unmanierlich schnaubend hetzte der junge Prinz in Richtung des Tores. Noch ganz verwirrt, ungläubig angesichts der Worte, die er zufällig hören durfte, stand Link neben dem Tor, rührte sich nicht und blickte das erste Mal auf, als Caldrian die Eichentür zu knallte und geräuschvoll an ihm vorbeiging. Entsetzt blickte er in das bleiche Gesicht des Helden und wollte anfangen dieses gesamte Gespräch zu erklären. „Link?“, meinte der Prinz aufgeregt. „Was machst du denn hier? Ich dachte, du wärst...“ „Was?“, sagte er schnippisch. „Bei Zelda?“ Erzürnt kam der Name der Prinzessin über Links Lippen. „Um was?“, meinte er gekränkt. „Mich zu amüsieren? Um mich an körperlichen Vergnügungen zu erfreuen?“ Aber Caldrian blickte unweigerlich seitlich und schwieg. Doch gerade diese Reaktion des jungen Caldrian brachte Link zum unbeherrschbaren Wutanfall. Schmerzhaft packte er ihn am Kragen, auch wenn er ein Prinz war, auch wenn er nicht wie Dreck behandelt werden sollte, und drückte ihm krachend die Steinmauern, die schon Tausende Jahre überstanden hatten, in den Rücken. „Wer, bei Farore, gibt dir und deinen Eltern das Recht anzunehmen, ich hätte eine Affäre mit der Prinzessin!“, dröhnte Link auf, sodass seine aufgebrachte Stimme durch die alten Gänge drang. „Zelda hat kein Herz, das sie verschenken könnte!“, fauchte er und hatte schon wieder verräterisches Wasser in den blauen, ernsten Augen. „Von mir aus, kannst du sie gerne haben!“, brüllte er, ließ ruckartig von Caldrian ab und stolperte mit einem brennenden Triforcefragment auf dem linken Handrücken die Gänge hinab. Caldrian stand traurig einfach nur da und fühlte sich, als hätte er gerade den Fehler seines Lebens begangen... Kapitel 106: Scheinbare Sackgasse --------------------------------- Kapitel 89: Scheinbare Sackgasse An der südlichen Seite des Todesberges, wo graue, steile Hänge einst von Nayrus Macht geformt und seither durch gewaltige Vulkanausbrüche und eine gefährliche Witterung verändert wurden, sahen besorgte blaue Augen erforschend umher. Ein starker, pfeifender Wind wehte um die spitzen Ohren Links, der in die schwindelerregende Tiefe starrte. Nirgendwo hier gab es einen sicheren Weg, einen gefahrlosen Abstieg. Nichts... nur steile, unüberwindbare Hänge... Wie sollte er mit einer bewusstlosen Zelda diese irrsinnige Höhe bewältigen? Hinzu kam die knappe Zeit... Er atmete tief ein und schaute mit wachsender Unruhe zu dem glühenden Sonnenuntergang im Westen. Nur noch ein Tag trennte ihm von der Begegnung mit Ganondorf und allmählich steigerten sich die Gefühle des Zweifels zu hemmender Anspannung und Angst. Wie nur sollte er den Fürsten des Schreckens in die Knie zwingen? Link wusste einfach, dass er mit seinen momentanen Fähigkeiten einen Kampf nicht überleben würde. Er fühlte es mit Entsetzten. Er fühlte es mit Scham... In dem Augenblick wuselte das kleine Drachenbaby um seine Stiefel herum. Es schnurrte und blickte mit seinen großen katzenartigen Augen zu dem Heroen auf. „Du willst mich anscheinend ablenken, was?“ Link kniete nieder und fuhr durch die glänzende Mähne und tippte neugierig an die verknöcherten Hörner des magischen Wesens. „Was bist du?“, murmelte Link leise und blickte eindringlich in die Augen des Wesens. Es brummte, schloss seine Augen und hüpfte wieder freudig um Links Stiefel. In dem Augenblick blinzelte die junge Prinzessin, und sah zunächst durch ein glasiges Blickfeld nicht sehr fiel. Die Eindrücke waren verschwommen und lichteten sich langsam. Ihr Schädel brummte und sie zitterte, wusste, als sie ihre Gedanken ordnete, aber sofort, woher ihr schwacher Zustand herrührte. Sie hatte sich ihrer Macht hingegeben, das getan, wovor Impa sie immer gewarnt hatte. ,Wie weise, du Dummkopf’, beschimpfte sie sich selbst in Gedanken. Ausgerechnet heute, wo irgendwie alles schief gegangen war, was schief gehen musste, war sie noch so unvernünftig und pulverte ihre Macht nach draußen. Sie seufzte und stützte sich langsam mit ihren Händen auf dem rauen Felsengestein ab, worauf sie lag. Auch die harten Kanten des steinigen Materials, die sich in ihren Rücken bohrten nahm sie war. Sie blinzelte erneut und ihre Umgebung wurde klarer, deutlicher. Erleichtert fand sie sich unter freiem Himmel, roch genießend die kühle frische Frühlingsluft und schaute mit wachsenden Zweifeln hinüber, wo Link mit dem Drachenbaby spielte. Sie murmelte seinen Namen leise und ungewollt, aber es genügte und Link horchte auf. Blickscheu lief er zu ihr hinüber und meinte abstandhaltend: „Bist du in Ordnung?“ Sie nickte, obwohl seine abweisende Haltung ihr gegenüber sie das Nicken überdenken ließ. Garnichts war in Ordnung, wenn Link sich so abstoßend verhielt und sie nicht einmal anlächeln konnte. „Was ist geschehen?“, meinte sie leise und schaute sich immer verwunderter um. „Weißt du nicht mehr?“, murrte er und setzte sich im Schneidersitz neben sie- mit genügend Abstand sollte man erwähnen. „Du hast deine ganze Kraft unnötig herausgepulvert und dich selbst damit in mörderische Gefahr gebracht! Sag’ bloß, das hast du so schnell wieder vergessen!“ Sie schwieg dazu und hörte sich seine Vorwürfe an. „Wie konntest du nur so unüberlegt handeln? Du hättest dich mit dieser Attacke umbringen können!“ Seine Stimme schwoll an und wurde lauter. „Entschuldige...“, murmelte sie leise und drehte sich von seinem anklagenden Blick weg. „Verdammt Zelda, du musst dich nicht bei mir entschuldigen. Du musst dich zusammenreißen, bis wir diese Mission hinter uns gebracht haben. Und bitte... bitte... setz’ dein Leben nicht für einen dummen, miesen Dämon wie Troplox aufs Spiel.“ Link war aufgesprungen und stand mit geballten Fäusten ebenso mit dem Rücken zu ihr. „Sag’ mir... warum...“, meinte er leise. „Warum hast du dich so reizen lassen? Warum haben die Worte dieses Ungetüms dich so verletzt, dass du deine Magie ausbrechen lassen hast?“ Zaghaft drehte sich die Prinzessin um, blickte zu dem blonden Hinterkopf ihres Liebsten und dann schwermütig zu Boden. „Du hast mir etwas verschwiegen?“, fragte er einfühlsam. Er sagte diese Worte mit soviel Ruhe und Sensibilität, dass sie sich traute einige Schritte näher zu treten. „In Kokiri... hatte ich bereits solche Phantasien, die er mir geschickt hat“, begann sie leise und zitterte mit ihren Worten ebenso wie ihre geschwächten Glieder zitterten. Haltsuchend lehnte sie sich wieder an eine raue Felswand. „Eine der Visionen war...“ Sie erinnerte sich noch einmal an jenes schreckliche Bild mit Links aufgespießten Kopf. „Es war... man hat mir...“ Ständig suchte sie nach einem neuen Anfang. Aber sie bekam die Worte nicht sofort über ihre Lippen. „Zelda?“, bohrte Link nach. „Man hat mir deinen Tod gezeigt...“, flüsterte sie weinerlich. Erschrocken drehte sich Link um und durchbohrte sie mit einem Blick, der jenem gleich kam als sie ihm den Kuss mit Preston gestand. Derselbe Schmerz, dieselbe Wut, aber jene Gefühle richteten sich diesmal nicht gegen sie. „Meinen Tod?“, flüsterte er ungläubig. „Einen möglichen Tod“, entgegnete sie. „Kannst du nicht nachvollziehen, dass ich dir diese Halluzination verschwiegen habe?“ Er trat einige Meter weiter und atmete ärgerlich aus. „Wir wollten aufrichtig zu einander sein, unabhängig von möglichen Konsequenzen. Kannst du es nicht einfach mal mir überlassen, was ich ertrage und was nicht? Kannst du nicht endlich mit deiner Geheimnistuerei aufhören, Zelda!“ „Verzeih’ mir bitte. Ich sehe es ein... ich hätte dir diese Bilder alle mitteilen müssen, ohne Ausnahmen.“ „Richtig. Deshalb’ sag mir, was hast du mir noch verschwiegen?“ Zelda wand ihr Blickfeld erneut zu seinem blonden Hinterkopf und seufzte: „Also gut... Troplox schickte mir eine romantische Phantasie über uns beide, in den Gemächern des Königsschlosses und das, als wir noch nicht einmal zusammen waren. Wie hätte ich dir das erklären sollen? Manchmal ist es vernünftiger, und das weißt du so gut wie ich, Dinge zu verschweigen, für sich zu behalten, auch wenn man anderen damit schadet. Und du weißt, dass die Wahrheit nicht immer der harmlose Weg ist, die Realität zu meistern. Erspar’ mir endlich deine Vorwürfe!“ Ihre Worte wurden eindringlicher und lauter, bis sie näher trat, ihre Nase rümpfte und erneut einen Anfang suchte. Sie wollte nur ein wenig von seiner Nähe. Nicht einmal einen Kuss verlangte sie. Aber Link wirkte abweisend wie vorher. „Lass’ das. Ich brauche ein wenig Abstand...“ Und sie wusste ganz genau, warum. Ein dummer Kuss. Ein dummer, unnötiger Vertrauensbruch. Zelda schaute traurig zu ihren Füßen, nickte schwerfällig und zwei Tränen tropften von ihren Wangen. Sie verstand ihn sehr gut, aber... sie brauchte ihn, sie liebte ihn... Sie hatte nie im Leben einen anderen geliebt wie Link... Tief in seinem Inneren wusste er das. Doch sein Dickkopf versuchte dieses innere Gefühl im Augenblick zu betäuben. „Ich nehme an, du möchtest wissen, was mit Troplox geschehen ist“, meinte Link kühl. „Ja... was ist passiert?“ Und ihr Blick haftete sich neugierig auf das Boot an dem kleinen Ufer vor dem flüssigen Lavafall, der rauschend steile Hänge hinabflutete. „Preston hat den Weg blockiert, sodass ich mit dir fliehen konnte und hat sein Leben für die Vernichtung von Troplox gegeben.“ Geschockt lagen Zeldas Augen auf Links Lippen. Sie musste die Worte langsamer verarbeiten und schüttelte den Kopf. „Aber Preston wäre niemals so edelmütig...“ Link unterbrach sie. „Doch... das ist er, aber nur wegen dir, Zelda.“ Verwundert verzogen sich ihre hellen Augenbrauen. Eine neue Form von Verwirrung legte sich in ihr blasses Gesicht. „Wie meinst du das?“ Link lief einige Schritte hin und her um die passenden Worte zu finden. „Er hat einen Narren an dir gefressen, ganz einfach. Was glaubst du, warum er diesen dreckigen Kuss wollte? Zum Spaß?“ Und erneut stachelte die Wut und Gekränktheit den Heroen an, den Tonfall zu erhöhen. „Warum wohl, Zelda? Er wollte dich, was denn sonst? Dein Aussehen, dein Herz, deine Ideale waren es, die aus ihm einen anderen Menschen gemacht haben.“ Aufgeregt blickte Link in das kreidebleiche Gesicht seiner Prinzessin. Eine Pause ihres Streitgesprächs entstand, in welcher Zelda ermüdet, aber ein wenig dankbar zu dem Drachenbaby lief und es in ihre Arme nahm. „Ich soll dir von ihm ausrichten, dass du ihn bekehrt hast. Er hat sich verändert und zu guter Letzt doch noch eine gute Tat vollbracht. Das Elixier habe ich ebenso beschaffen können.“ Und so langsam schlich sich in Links verärgertes Gemüt, der Gedanke ein, dass vielleicht gerade jener verbotene Kuss den Stein ins Rollen gebracht hatte. Dass jener dumme Kuss Prestons Selbstlosigkeit bewirkt hatte. War Zelda so voraussehend und hatte dem Kuss etwa nur deswegen zugestimmt? „Zelda?“, murmelte Link und die Verbitterung in dem kühlen Blau seiner Augen erlosch langsam. „Was ist?“ Nun war sie es, die abweisend reagierte und einer Versöhnung abgeneigt war. Denn Link sah Missmut in ihren saphirblauen Augen und Beklemmung. Um eine ganze Achse drehte sich ihr Inneres gerade und Link, der sich mehr und mehr unbeholfen und dümmlich vorkam, war Schuld daran. Er trat näher an den Abgrund, schaute hinunter in die grünen Täler am Fuß des Berges. „Hast du eine Idee, wie wir den Todesberg überwinden können?“ „Nein“, sagte sie matt und schaute ebenso in die Tiefe. „Kennst du einen anderen Weg. Irgendeine Handelsstraße oder eine Höhle, die nach unten führt?“, meinte er vorsichtig. Aber Zelda murrte wieder ein genervtes: „Nein“, und verschränkte trotzig ihre Arme. „Meinst du, wir sollten die Nacht hier verbringen?“ Sie trat streitsuchend näher und schüttelte den Kopf. „Bist du ganz und gar von allen guten Geistern verlassen? Ich habe keine Lust hier umgeben von Gefahren und dutzendweise Moblinbiestern die Nacht herumzubringen.“ „Gut, ich auch nicht“, knurrte er und setzte beflissen hinzu: „Deshalb frag’ ich dich ja, ob du eine Idee hast.“ „Ich sagte bereits, dass ich keine Idee habe. Also zerbrich’ du dir doch mal deine neunmalkluge Heldenbirne.“ Link schnaubte. Na prima, da waren sie nun gelandet. In genau denselben Streitereien, die sie zu Beginn ihrer Mission so wundervoll dämlich und meisterhaft durchlebten. Dieselbe Tonlage Zeldas und dieselben unnötigen Kommentare von ihren hübschen roten Lippen. „Es wäre gut, wenn unsere kleine, weise Prinzessin auch mal eine sinnvolle Idee entwickeln könnte und nicht alles auf ihren Helden abwälzt. Denn, so zur Information, ich habe heute genug getan, um unsere Hälse zu retten. Also heb’ dir deine Gemeinheiten für andere Gelegenheiten auf!“ Zeldas Blick sprach Bände. Angriffslust, pure Verständnislosigkeit und ein ungeheure Portion Temperament standen darin. Und Link sollte gut überlegen, ob er sich schon wieder mit den aufgezählten Eigenschaften seiner vergötterten Prinzessin anlegen sollte. „Zelda...“, murmelte er. „Bitte beruhig’ dich. Ich möchte nicht mit dir streiten.“ „Ich soll’ mich beruhigen? Wie denn bitte schön?“, murrte sie zickig und warf ihm ein gekünsteltes, eitles Grinsen entgegen, worauf Link nur den Kopf schüttelte. „Zu deiner Information, Link. Wir stecken hier fest. Und es gibt keinen Weg nach unten. Keinen sicheren Pfad, der uns diesmal unsere Hälse rettet. Wie, zum Teufel, sollen wir nun von hier entkommen?“ „Ich weiß es nicht...“, meinte Link und blickte hoffnungsvoll zu dem Drachenbaby. Er nahm es in seine Arme und streichelte es liebevoll. „Was soll’ das denn jetzt bedeuten? Denkst du, dieses kleine Drachenbaby könnte uns nach unten transportieren?“ Link blickte kurz auf und dann in die katzenartigen Augen des magischen Wesens. Und Zelda lachte erschüttert. „Das ist ein Baby, kein ausgewachsener Drache!“, rief sie erklärend. Gerade da geschah etwas seltsames... Die Augen des magischen Wesens veränderten sich langsam und die schmalen Pupillen wuchsen, wurden breit und rund. Link ließ von dem Wesen ab und trat ehrfurchtsvoll einige Schritte rückwärts. „Link? Was ist denn nun schon wieder?“, maulte Zelda, aber ihr Liebster, den sie im Augenblick am Liebsten Köpfen könnte, packte sie ziemlich grob am Arm und forderte sie auf stehen zu bleiben. „Sieh!“, rief der blonde Hylianer. Sie befolgte seinem Appell und beobachtete das magische Wesen sehr genau, fixierte ihre blauen Augen ausdauernd auf dem kleinen Wesen, welches nun raunte und lauter als gewöhnlich piepste. Es zuckte, bewegte sich sehr unregelmäßig, zitterte und schreckte auf. Die Flügel des Wesens wippten und wippten und verschwanden plötzlich in seinem Rückrat. Die kleinen Gliedmaßen wuchsen schnell und brummend zu ungeheurer Größe heran und das schlangenartige, gestreckte Maul verlängerte sich noch weiter. Das Wesen wuchs und wuchs. Das Gewand aus starken, knochigen Schuppen verging und nahm stattdessen ein glänzendes, schwarzes Fell an. Das Wesen veränderte sich und das junge, zanksüchtige Paar beobachtete fortwährend das ungewöhnliche Geschehen. Nach wenigen Minuten stand eine vollkommen andere Kreatur vor den Hylianern. Ein Wesen ohne Namen. Eine vertraute Gestalt, die ihnen schon mehr als einmal aus der Patsche geholfen hatte. Das Pferd der Göttin Din... Zelda legte vor Schreck eine Hand auf ihren Mund und begaffte das starke Getier mit Freudensprüngen. Namenlos stand vor ihnen. Jenes Pferd, welches einer schier göttlichen Rasse entsprang. Und Zelda erkannte darüber hinaus, dass es mehr war als bloß ein göttliches, heiliges Pferd. Es war ein Ausdruck aller Gestalten, die atmeten. Es war ein Produkt aus Magie und Heiligkeit. Denn sein wahrer Name, so wusste sie, war Leben... Lachend hüpften Link und Zelda näher und betätschelten das ungewöhnliche Getier. „Zelda, weißt du, was hier vor sich geht?“ Sie nickte erfreut. „Es hieß einst in alten Mythen, dass aller erste Lebewesen, welches von den Göttinnen erschaffen und auf Hyrule entlassen wurde, wäre eine Gestalt, die doch keine Gestalt besitzt. Es wäre ein Getier mit vielen Gesichtern. Ein Wesen ohne Namen. In anderen Worten ein Geschöpf, welches beliebig viele Gestalten annehmen konnte. Und aus jenem entstand über die Jahrhunderte das Leben, wie es in Hyrule gesetzmäßig leben, herrschen und sterben sollte. Dieses Geschöpf ist die alte Wahrheit, der Ursprung, die Symbolisierung des Lebens...“ Auch Link rang sich zu einem Grinsen und erhielt sofort vom dem göttlichen Pferd einen Stups mit der langen Schnauze an seine Schultern. „Wir sollten aufsteigen“, sagte Link. „Aber warum?“ „Ich glaube, Namenlos wird uns sicher auf die Steppe bringen“, meinte er. „Komm’ schon, Zelda.“ Mit einem beherzten Sprung saß Link im Sattel und reichte Zelda eine Hand, obwohl er sie nach den Ereignissen im Tempel immer noch nicht so verträumt wie sonst ansehen konnte. Kopfschüttelnd ließ sie sich in den Sattel helfen und klammerte sich an ihrem Heroen fest. Link gab dem Pferd die Sporen und die Talfahrt über steile und gefährliche Abgründe sollte beginnen. Zielgenau steuerte Link das Pferd in Richtung des Abgrundes, wusste nicht warum er dieses auswuchernde, unbedachte Vertrauen hegte und dieses übermütige Risiko einging. Er wusste es nicht, fühlte aber eine innere Stimme zu ihm sprechen. Eine Stimme des Hochmuts, der Gefahr und der Erkenntnis. Entsetzt rief Zelda nach einem Ende dieser gefährlichen Stupidität, und sie schrie panisch auf, fauchte, bat Link diesen Irrsinn zu stoppen, aber er überhörte sie stur. Erschrocken bohrte sie ihren Kopf in seine Schulter, hielt sich immer angespannter fest und kniff verzweifelt die Augen zu. Der Abgrund war in greifbarer Nähe, aber Namenlos scheute nicht, er wieherte aufgeregt und hetzend und befolgte den Anordnungen seines Meisters, des steuernden Hylianers. Der Abgrund kam näher und näher und plötzlich hob des starke Getier ab, durchquerte unsichtbare Wege in den Lüften, durchbrach die Gefahr, den Irrsinn in unmenschlichen Höhen emporzusteigen. Er galoppierte weiterhin in den Lüften, nahm scharfe Kurven und prallte mit einem lauten, knackenden Schlag auf einem ersten steilen Felsen auf. Erschrocken riss Link die Augen auf, hatte schon die Befürchtung seine Vermutung Namenlos könnte die Schwerkraft unschädlich machen, wäre eine falsche. Doch da schnellte der Hengst in satten Bewegungen weiter, kämpfte gegen die Höhe und den Druck des Luftzugs. Link spürte nur das kräftige Rauschen des Windes, die starke Bewegung des Hengstes, der die Schwerkraft strotzend von einer steilen Felswand zur anderen sprang. Es war der Inbegriff des Abenteuers, getragen von einem starken, göttlichen Wesen, das die Gesetze Hyrules vergessen ließ. Es war Adrenalin in reinster Form. Sie durchbrachen weiße Wolkenschleier, erblickten ganz Hyrule, fühlten sich als würden sie auf Wellen von Magie reiten und ließen sich von dem fabulösen Wesen bis hinab auf die Steppe tragen. Als sie beide auf einem grünen Hügel angelangt waren und schweigend von Namenlos abstiegen, hatten sie heftig damit zu kämpfen überhaupt den Boden unter den Füßen zu spüren, nicht ohnmächtig zu werden oder sich übergeben zu müssen. Denn dieser Ausflug, diese neue Erfahrung von einem Streifzug in die Freiheit war atemraubend und tausendmal anstrengender als die größte Achterbahnfahrt. „Ich kann es immer noch nicht glauben...“ murmelte Zelda. „Wir sind tatsächlich auf der Steppe angelangt und das in ganzen Stücken.“ Sie klopfte dem starken Hengst auf den straffen Hals und hörte ein freudiges Wiehern aus seiner Schnauze. „Danke, mein Guter“, meinte Link und drückte den Schädel gegen die andere Seite des Halses. „Woher wusstest du diesen Umstand, Link?“ „Ich wusste es nicht, ich habe mich nur auf ein Risiko eingelassen“, erwiderte er. Als sie beide von dem göttlichen Wesen abließen, transformierte es sich ein weiteres Mal, nahm diesmal die Gestalt eines vertrauten, schwarzgefiederten Adlers an, der Zelda in ihren trübsinnigen Stunden so oft besucht hatte... Er rief nach Freiheit in dem typischen, hellen Schrei eines Adlers, dem König der Lüfte. Er stieg empor und kreiste in den Lüften. Sein ungetrübtes Rufen schallte über das Land und er würde mit seiner Einzigartigkeit nicht vergessen sein. Denn sein Name war Leben... Kapitel 107: Böswilliges Götterkind... -------------------------------------- Kapitel 90: Böswilliges Götterkind... Seit vielen Stunden folgten die beiden Hylianer schweigsam einem Flusslauf, der irgendwann in Nähe des Schlosses in jenen großen Strom mündete, der teils den Hylia- See speiste. Sie hatten nicht viel geredet und wenn sich über belanglose Dinge unterhalten. Nach ihren dummen Kontroversen, hatte sich Zeldas Temperament und ihre Streitlust wieder gelegt. Sie ertrug es einfach nicht mehr. Diese Abweisung von Link schmeckte bitter und ließ ihr Herz leiden... Sicher, sie hatte viele Male versucht ihn in ein Gespräch zu verwickeln, einen Blick aus seinen tiefblauen Augen zu treffen, aber er reagierte kühl und distanziert. Und streiten wollte sie sich nicht schon wieder mit ihm, sie wollte sich versöhnen und diesen dummen Kuss Prestons damit besiegeln. Doch Link war mit seinen Gedanken woanders und achtete nicht auf Zelda, registrierte ihre Zweifel nicht, suchte ihre Empfindungen und Gefühle des Moments nicht... Zielstrebig lief er voran und blickte in den klaren Abendhimmel. Einige Sterne erleuchteten den Himmel und die Sonne versank vollständig in einem Meer aus warmen, roten Strahlen... Er dachte fieberisch an den Kampf in wenigen Stunden, schämte sich für die vielen Zweifeln in seinem Gemüt und fragte sich inständig, ob er wirklich in der Lage war den Fürsten des Schreckens zu besiegen. Sicher, er hatte schon Unmengen von Dämonen und Monster in die Knie gezwungen, aber Ganondorf war von einem gänzlich anderen Kaliber. Und auch die Übungsstunden mit den vier Rittern Hyrules, sowie die neue Schwerttechnik, die Orson ihm beigebracht hatte, wären nicht ausreichend. Er brauchte seine Erinnerungen, das realisierte er nun. Er musste sich selbst treffen. Sich selbst gegenüberstehen und sein wahres Ich kennen lernen, sonst hätte der Kampf gegen Ganondorf keinen Sinn... Die vier Stiefel der Hylianer bewegten sich durch feuchtes Gras hier an dem Ufer des Flusses und gelangten an ein großes Flussbett, welches das Wasser geschaffen hatte. Eine alte Steinbrücke führte über das Gewässer und wenige Meter war ein Wasserrad an dem Strom angebracht worden. Umzingelt von schönen Laub- und Nadelbäumen, wirkte der Ort idyllisch und beruhigend. Eine alte Holzhütte mit Stroh wäre die Unterkunft der Hylianer, falls der Regen kommen würde... Die Sonne schien schemenhaft von Westen über das Land, bedeckte es mit ungewissen Farben, so ungewiss wie der letzte Abend in jenem Hyrule für Link und Zelda sein würde... Und Links Blick schwenkte unheilvoll zu dem düsteren Horizont auf der Suche nach dem Lichtstreif, der ihn von der Verantwortung als Wiedergeburt des legendären Helden erlösen würde. Er suchte die Hoffnung in Gestalt eines Hinweises. Aber die Hoffnung gab sich ihm nicht preis, nicht auf erfahrbarem Wege... Schweigend zog er sich die Stiefel aus und trat barfuss in das kühle, aber angenehme Wasser des Sees, vergewisserte sich noch einmal, ob in der Nähe nicht irgendwo ein Hinweisschild stand, das ihn vor Skultula- Parasiten warnte, aber die Luft und vor allem das Wasser war rein. Genüsslich lief er über die glatten, abgeschliffenen Steine hier am Ufer und beobachtete das Rauschen und gemächliche Fließen des Wassers, genoss die Freiheit in Hyrule, dem letzten bisschen davon, welches er in sich aufnehmen würde. Er wirkte so unschuldig und verwundbar in seinem freiheitlichen Streben, in seiner Sehnsucht nach Frieden und Innigkeit. Sein blondes Haar war aufgewirbelt und zerzauste durch seine großen Schritte und sein Hüpfen in dem kniehohen kühlen Nass. Einige Wasserperlen setzten sich an seine Kleidung und doch störten sie sein Spiel mit dem Nass nicht, hinderten ihn nicht an seiner wundervollen Ausgelassenheit... Zelda stand trübsinnig vor der einengenden Heuhütte und warf einen scheuen Blick zu ihrem Heroen, visualisierte, sie würde zu ihm laufen, direkt in seine Arme rennen und von ihm aufgefangen werden. Aber Prestons Kuss steckte immer noch in seinen Gehirnwindungen. Mit all der daran geknüpften Wut. Mit all den unschönen Gefühlen des Vertrauensbruchs. Auch wenn der Kuss nichts zu bedeuten hatte. Und jener Wunsch in ihrem Kopf, dass Link sie jetzt auffangen und sich mit ihr versöhnen würde, war ein dummer Wunsch, war voreilig und würde Wunschtraum bleiben. Sie rieb sich über ihre Stirn, zog die Nase nach oben und wischte sich mit einem seidenen Taschentuch über ihre Augenlider. Zaghaft trat sie in die offenstehende Holzhütte ein. Mehrere Heuhaufen trugen einen süßlichen Geruch in die Luft. Und in den Ecken standen viele Heugabeln und andere Geräte. Nicht einmal ein Holzbrett versperrte den Zugang in das Innere. Und das Dach schien auch nicht mehr sonderlich dicht zu sein... Aber es war wahrhaft gemütlich hier drinnen. Die Prinzessin machte es sich auf einer Decke bequem, direkt hier auf dem feuchten, duftenden Heu, während sie das ausgelassene Treiben ihres Helden von außerhalb hörte. Es war so wunderbar, wenn er lachte. Er wusste tatsächlich nicht einmal, wie angenehm seine Stimme klang, wenn er lachte. Gedankenverloren wühlte sie in ihren Taschen herum und zauberte das kleine Tagebuch hervor, wo sie ihre kostbarsten Erinnerungen und Träume aufbewahrt hatte. Voller Sehnsucht nach der Vergangenheit schlug sie das Büchlein irgendwo auf und entdeckte einen Eintrag von ihrer Kinderhandschrift zu einem Datum noch vor dem Zeitkrieg. „Wir haben heute den Tag der Nayru, ein Tag, an dem sich die Erwachsenen immer Geschenke überreichen, weil sie einander so lieb haben. So ein Quatsch, mein liebes Tagebuch. Weil die Erwachsenen einander so lieb haben. Als ob solche dussligen Geschenke wie ein Herz aus Papier irgendeinen Sinn hätten. Oder man denke an diese Kränze hergestellt aus der Liebesfrucht, wie sie die alte Hexe Asa immer anbietet. Ha, wenn mein Vater wüsste, dass ich von dieser blöden Frucht schon mal probiert habe, der würde mich einsperren (obwohl, das macht er ja schon seit ich denken kann.) Und stell’ dir mal vor, ich weiß nicht einmal, welchen Sinn es haben sollte von dieser blöden Frucht zu essen. Die Leute sagen zwar immer, man könnte dem Geschmack dieser Frucht nicht wiederstehen, aber ich wundere mich immer noch. Irgendwie ist gar nichts weiter passiert, bloß, dass sich Link irgendwie komisch benommen hat, als er mich heute besuchte. Der hat gegrinst wie eine hohle Nuss, war puderrot im Gesicht und hat mich komische Sachen gefragt, die ich nicht verstanden habe. Und dann ist das ulkigste passiert. Der hat sich nämlich verbeugt. Das muss man sich mal vorstellen, der Witzbold kommt da in den Schlossgarten gestiefelt und hat als erstes nichts besseres zu tun als sich vor mir zu verbeugen. Dieser Zwerg! Bei den Göttinnen, habe ich geflucht. Der weiß doch ganz genau, was ich von irgendwelchem dummen höfischen Getue halte und dann hat er noch gelächelt. Was für ein Idiot, der lächelt, weil ich ihm eine Standpauke gehalten habe. So ein Dussel, aber der liebste Dussel, den ich mir vorstellen kann. Zur Entschuldigung habe ich ihm natürlich einen Kuss gegeben. Was soll man denn sonst machen in dieser nervigen, königlichen Position? Und was ist passiert? Mein Seelenverwandter ist einfach abgerauscht und wusste Stunden später überhaupt nichts mehr von dem, was zuvor passiert ist. Schon komisch. Jungs soll’ man erst mal verstehen!“ Sie lachte mit Tränen in den Augen über diese kindlichen Gedanken, die sie damals geäußert hatte. Sie schämte sich beinahe ein bisschen für diesen Unsinn, den sie damals niedergeschrieben hatte und doch wärmte es ihr das Herz. Wenn sie Link diese Zeilen eines Tages zeigen würde, wenn er sie lesen würde, so dachte und hoffte sie, könnte sie ihm endlich beweisen, dass er der einzige Hylianer jemals war, dem sie ein derartiges Vertrauen, woran ganz Hyrule und ihr Leben als Prinzessin geknüpft war, entgegenbrachte. Und diese Zeilen erheiterten sie, bedenke man die verrückten Wirkungen auf den Verstand eines Menschen durch die Liebesfruchtkränze. Ein solcher Kranz wäre in der jetzigen Situation wahrlich hilfreich. Ein weiteres Schriftstück fiel ihr in die Hände. Ein Brief von Damals. Der alles sagende Brief über ihre Gefühle für Link, den sie am letzten Tag Hyrules verfasst hatte. An vielen Stellen des Briefes war die Tinte verwischt, und einige Worte waren dadurch so unleserlich, dass Zelda sie einfach noch einmal schrieb oder... an manchen Stellen einfach ein neues Wort niederschrieb, so dass der Brief nicht für die Vergangenheit, sondern eher für die Gegenwart galt... Sie las den Brief erneut und eine Träne tropfte auf das Pergament, als Zelda die Worte las. Denn sie erinnerten sie immer noch mit Schmerz an Damals, nahmen ihr die Zuversicht und schickten sie auf eine Reise, die sie nicht wählte. Dorthin, wo ihre Erinnerungen sie anlogen... Vergangenheit... lass’ sie ruhen. Vergiss’ sie. Vergiss’ Hyrule... Wenige Minuten später entkam sie der trostlosen Vergangenheit, die ihr von falschen Hoffnungen und einem glücklosen Leben mit Prinz Caldrian erzählen wollten. Sie schüttelte abtuend den Kopf und trat wieder aus der Hütte heraus. Gähnend und erschöpft. Sie streckte ihre Arme in die Höhe, als ihr auffiel, dass Link nicht mehr da war. „Link?“, rief sie panisch und schaute sich hastig in diesem kleinen Waldverschlag um, aber sie konnte ihn nirgends entdecken. Ein erneuter Ruf nach ihrem Heroen drang durch die Luft, aber ihr Liebster antwortete nicht... Zu exakt jenem Zeitpunkt richtete der Fürst des Schreckens zischend und altes Hexengemurmel flüsternd sein Haupt gegen das schwarze Bild, welches in der alten Kirche die kahle Wand befleckte. Er flüsterte und flüsterte eingehüllt in seiner schwarzen Rüstung, in welcher er seit Stunden schon auf seinen Erzfeind wartete. Den Heroen im grünen Gewand. Den Helden in seiner lächerlichen Aufmachung, die jenem Helden angeblich als ein treues Gewand voller Hoffnung und Mut dienen würde. Und wie viel Ganondorf über die verschwenderischen Geschichten von Hyrules Helden wusste. Er war jedem einzelnen von ihnen bereits begegnet... Gerade deshalb bereitete er nun in seiner finsteren Abscheulichkeit eine neue teuflische Überraschung für den selbstlosen Heroen Link vor, der zusammen mit seiner dummen Prinzessin gerade in Hyrule verweilte. Eine bösartige Überraschung, die die Flucht zum Schloss nicht gerade leicht machen würde. Eine Überraschung gefüllt mit seinem Zorn und dem alten Bösen in seinen schwarzen Venen. Monster um Monster erschufen sich in jenem schwarzen Bild, wuchsen und wurden lebendig, bis sie dann erfahrbar und real die Pforte nach Hyrule bestreiten würden und jene Diener, auch wenn sie scheitern würden so wie Troplox und Mortesk vorher, würden den Helden mit seiner Prinzessin direkt in Ganondorfs Arme treiben... Zelda hastete aufgeregt in dem alten Mischwald umher, drohte sich zu verlaufen, aber sie fand Link einfach nicht. War er so sauer und so verletzt ihretwegen, dass er irgendeinen dummen Entschluss getroffen hatte? War er womöglich allein auf dem Weg ins Schloss? Sie rief erneut nach ihm und blieb in der zunehmenden, dämmrigen Dunkelheit des Waldes stehen, war außer Puste und erschöpft. Sie rief ein weiteres Mal laut und eindringlich nach Link, bis sie unerwartet eine Hand auf ihrer Schulter fühlte. „Hör’ auf so zu kreischen. Ich bin nicht taub.“ Erleichtert drehte sie sich um und sah Link mit einer Ladung Feuerholz unter seinem rechten Arm vor ihr stehen. „Wenn du weiterhin so herumbrüllst, kannst du Ganondorfs Monster auch gleich zum Abendbrot einladen!“, meinte er grantig und trat vorwärts, in Richtung der Heuhütte. Noch immer lag diese unbeschreibliche Wut in seinen tiefblauen Augen und noch immer forderte er Abstand. Zaghaft lief Zelda ihm hinterher und murmelte leise: „Entschuldige... ich war nur besorgt um dich.“ Er grunzte gehässig, als wollte er darüber lachen. „Was ist daran so komisch?“, meinte sie borstig. Aber Link ignorierte sie und meinte bloß: „Nichts.“ Damit folgte er stur seinem Weg und erreichte im Nu erneut die Heuhütte. Er errichtete ein Lagerfeuer nur wenige Meter weiter in der Nähe des Stromes und stapelte einen Kessel darüber. „Was möchtest du essen?“, meinte er lediglich, traf aber wieder keinen ihrer Blicke. Als Zelda nicht antwortete, setzte er im Flüsterton hinzu: „Wir haben noch rote Kartoffelsuppe mit dem selbstgeräucherten Speck der Gnome vom Götterhaus.“ Zelda nickte und holte stumm, aber mit verletzlich weichen Blick zwei klappernde Metallteller aus den Taschen. Wenig später schlug das Feuer munter vor sich hin und die dampfende Suppe in dem Kessel blubberte. Sie aßen schweigend und schauten ab und an hinüber zu dem Fluss und hinauf in das nunmehr klare Sternenzelt. Die grauen Wolken von vorhin, die den Regen vermuten ließen, waren vorübergezogen und die herrlichen Abendsterne am hylianischen Firmament schauten wie unzählige, silberne Augen auf die beiden Hylianer nieder. Stille Minuten vergingen. Ohne Sinn zogen sie an den beiden Hylianern vorüber. Link nahm sich noch einen Teller der Suppe und murmelte: „Möchtest du noch etwas davon?“ Zelda aber schaute wie ein Häufchen Elend angesichts seines trotzigen Abstandes und seiner unbedeutsamen Worte zu Boden und schüttelte den Kopf, sodass ihre blonden Strähnen vor den Elfenohren baumelten. Mit geballten Fäusten trat sie auf die Beine und sagte leise: „Können wir nicht wieder vernünftig miteinander umgehen, uns vertragen?“ Link stellte die Suppe zu Boden, ohne einen Happen davon genommen zuhaben. „Sag’ mir wie und ich tue es!“, murrte er, setzte sich in einen Schneidesitz und stützte sein Kinn an einer Hand ab. „Wir haben noch so viel vor uns. Diese Streitereien sind unsinnig und das weißt du“, meinte sie. „Die nächsten Tage werden alles andere als leicht für uns sein, kannst du deshalb deinen Trotzkopf nicht abstellen?“, verlangte sie und drehte sich zu ihm um. Er durchbohrte sie mit einem argwöhnischen Blick. „Schön, Zelda. Dann vergessen wir die Tatsache, dass du bis heute einfach kein Vertrauen zu mir hast und tun so als wäre nichts gewesen. Ist es das, was du für richtig hältst?“ Sie schwieg darauf. „Wir können nicht so weitermachen“, sagte er und schloss die Augen. „Du musst endlich beginnen mir vollständig und ohne Einschränkungen zu vertrauen, sonst kommen wir nicht weiter. Wenn du das nicht schaffst, dann weiß ich nicht, ob es Liebe ist, die du für mich empfindest...“, murmelte Link, dachte aber bei zweimaligem Überdenken seiner unüberlegten Worte, wie unsinnig diese waren. Dieser Satz war so unbedacht, dass er sich ohrfeigen konnte. „Keine Liebe?“, sagte sie leise und rückte weitere Zentimeter weg. „Ist dir die Tatsache, dass ich mein Leben für dich geben würde, nicht Liebesbeweis genug? Was, glaubst du, ist das hier?“ Sie riss sich mit einem Schlag die Bluse herunter, stand nur mit BH gekleidet vor ihm und deutete auf das rote Mal an ihrer rechten Seite. Noch immer lag ein silberner Schimmer über der Pfeilwunde... Entsetzt stand Links Mund weitgeöffnet und er starrte in die himmelblauen Augen seiner Prinzessin. „Ich kann dir nicht verargen, dass du sauer bist... Aber ich würde alles für dich tun... und dieser dumme Kuss mit Preston... er hat mir überhaupt nichts bedeutet...“ Sie schlug ihre Hände ins Gesicht und wimmerte. „Ich hatte niemals jemanden... okay... ich war immer allein... ich bin deshalb vielleicht nicht vertrauenswürdig... ich weiß gar nicht, wie das funktioniert, zu vertrauen... genau... und ich mache ständig Fehler, dumme Fehler, weißt du... unsinnige Entscheidungen... aber ich muss diese doch treffen... ich muss meine Entscheidungen treffen... und daher ich bin uneinsichtig... ja, und eine eigensinnige, temperamentvolle Prinzessin... und ich weiß nicht, wie ich das abstellen soll...“ Und mit jedem weiteren nervösen Wort redete sie unsicherer, wusste nicht mehr, was sie noch sagen sollte, bis sie kurz mit ihren Worten abbrach und dann bitterlich versuchte ihre Tränen zu unterdrücken... Gerade sie als Thronerbin stotterte und verhaspelte sich. Wie armselig... „Ich kann verstehen, wenn du dich von mit trennen willst...“, schluchzte sie. Doch dieser Satz war wie ein Hammer, den man auf Links Kopf donnerte. Es war der Schlussstrich seiner eitlen Eifersucht. Der Endpunkt und gleichzeitig der Anfang von Versöhnung und Zärtlichkeit... Zelda umarmte sich selbst, fühlte sich beschämt und gedemütigt, halb nackt hier am kühlen Abend vor ihm zu stehen. Und es geschah in dem Moment, dass sich Links dummer Trotzkopf endgültig verabschiedete. Unsicher trat er näher, hob Zeldas braunen Umhang auf, der unnütz auf dem Boden lag und tat nichts anderes, als sie mit dem warmen, dicken Stoff zu umhüllen. Er sagte nichts, streichelte mit seinen großen Kämpferhänden ihren schmalen Rücken und drückte sie endlich samt Decke an sich. „Du Dummerchen... Ich würde mich niemals von dir trennen wollen... Für nichts in der Welt...“, murmelte er schließlich und drückte sie enger und enger an sich, fühlte jedes Detail ihres Körpers, der ihn verzauberte und hilfloser machte, als es ihm recht war. Sie schluchzte: „Verzeihst du mir...“ „Shhh... es gibt überhaupt nichts zu verzeihen...“ Zelda blickte erleichtert auf und suchte seinen Blick durch ihr tränenüberströmtes Gesichtsfeld. „Oh Nayru, wir sind beide so ziemlich die größten Trottel Hyrules... wir und unsere Sturköpfe...“, meinte er leise. Zelda krallte sich an seiner Tunika fest und drückte den schweren Kopf an seine Brust. „... einer schlimmer als der andere...“, sprach sie leise. „Ganz genau...“, lachte er unsicher. Er umarmte sie fester, konnte nicht verstehen, wie er es den gesamten Abend ohne ihre Nähe ausgehalten hatte, und war der erste, der sich nach dem belastenden Streit traute, seine Lippen ihre Stirn streicheln zu lassen. „Ich hatte Angst, du wolltest mich verlassen...“, meinte sie und suchte mit diesen Worten Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit. „Nicht... sag’ so etwas nicht. Für kein Gold in der Welt würde ich dich verlassen, Zelda... meine Zelda... nicht wegen einem einfachen Kuss.“ „Aber ich hatte dennoch die Befürchtung. Du warst so abweisend“, murmelte sie erneut und fühlte sich plötzlich von Links starken Armen leicht und behände in die Höhe gehoben. Sie verlor ihre Worte und wartete auf das, was er nicht sagen konnte, was er mit einer anderen Art und Weise, mit einer zärtlichen Form verdeutlichen würde. Er lief einige Meter zwischen den starken, kräftigen Bäumen umher und ließ sich dann mit der Prinzessin in seinen Armen niedersinken; begann sie verträumt zu küssen und verwöhnte sie, hier, wo der Fluss sanft im Hintergrund rauschte und ein warmer Frühlingswind sie beide umschmeichelte. Die anfängliche Unschuld seiner Küsse ließ sich sehr schnell von Leidenschaft und Wildheit bezwingen und so war das Misstrauen und die unsinnige Streiterei bald vergessen. Link ließ kurz von ihr ab, lächelte sanft, genoss ihre körperliche Wärme und wirbelte mit seinen Fingern in ihrem goldblonden Haar umher, war entzückt und glücklich über diese Nähe zu seiner Liebsten. „Ich möchte mich bei dir entschuldigen, Link...“, sagte sie leise zwischen seinen fordernden Liebkosungen, aber es schien als wollte er nicht auf diese Worte eingehen und senkte seine spröden Lippen an ihren samtenen Hals, küsste sie ganz liebevoll, nicht hungrig. Sorgfältig blickte er auf, wollte, dass sie schwieg und auf seine Küsse und Streicheleinheiten antwortete; aber Zelda fühlte immer noch den inneren Drang, den Kuss mit Preston erklären zu müssen, sich zu rechtfertigen, sich zu entschuldigen. „Ich hätte verstehen können, wenn du unsere Beziehung beendet hättest...“ Darauf drückte er beinahe grob ihre Hände mit seinen über ihrem Kopf in das kalte Gras. In seinem Gesicht funkelte erneut ein Funken Wut, aber jene passte nicht zu der Unverschämtheit in seinen hypnotisierenden blauen Augen. „Kannst du nicht endlich still sein?“ „Aber ich habe unsere Liebe mit Prestons Kuss beschmutzt.“ „Das reicht jetzt!“, äußerte er verärgert. „Sag’ so etwas nicht noch einmal... das macht mich völlig rasend...“ Er küsste sie leidenschaftlich, genoss ihr leichtes Murmeln. „Ich küss’ dich so lange, bis du diesen dummen Kuss Prestons vergisst“, flüsterte er liebevoll und lächelte verdächtig. Zelda seufzte daraufhin und ließ sich endgültig in seinen tiefen, berauschenden Küssen fallen. Sie berührten einander ungeniert, küssten sich innig und lachten über die dummen Streitereien von vorhin. Und während sie einander verwöhnten, schauten zwei beobachtende blaue Augen aus einem Grasbüschel hervor. ,Und ich dachte schon, die kriegen sich nicht wieder ein’, entkam es dem Verstand eines kleinen Bengels, der sich nichts sehnlicher als eine Existenz wünschte- wohlgemerkt eine Existenz mit allem drum und dran, ein Zuhause, Geschwisterchen und ähnlichem- und diese beiden Hylianer selbstverständlich als Eltern. ,Dank den Liebesgeistern, dass sie noch zusammen sind, sonst ständen die Karten schlecht dafür, dass ich irgendwann ihr Kind sein würde’, dachte er. Und seine Mundwinkel zogen sich nach oben, während Zelda und Link damit begannen sich gegenseitig zu streicheln. ,Tun die’s jetzt endlich?’, fragte sich sein kindliches Gehirn und beobachtete äußerst aufgeregt und fasziniert das Geschehen. Und welcher Gott sollte es ihm verübeln? Immerhin wartete er schon lange darauf, eine Existenz zu besitzen. Eine richtige, vollkommene Existenz, mit der er spüren konnte, wie es ist richtig zu leben, zu atmen und zu fühlen. Und wenn er seine jetzige Lebensenergie mit Zeldas oder mit Links verbinden könnte, dann... ja dann... dann würde er irgendwann geboren werden. Sein größter Wunsch. Seine ultimative Sehnsucht nach Familie und Geborgenheit. Außerdem wusste das kleine, kindliche Herzchen in seinem unexistenten Körper nicht oder noch nicht, was Erwachsene so anstellten oder wie sie das anstellten, wenn sie Kinder erzeugten. Seine blauen Augen schillerten als die Hylianer weiterhin ihren Liebespielen nachgingen und sich flirtend unterhielten. „Du bist viel zu gut darin geworden...“, murmelte Zelda, straffte ihre zärtliche Umarmung um ihren Liebsten und küsste ihn auf die Stirn. Link ließ zufrieden seinen müden Kopf an Zeldas Brust sinken und erwiderte leise: „Worin?“ „Zu küssen...“, sagte sie scheu. „Ich hatte ja auch genug Übung, mein Schatz.“ Schockiert blickte sie auf und zwickte ihn energisch mit den Zähnen in das linke Ohrläppchen. „Wie meinst du das denn?“ Link grinste und begann schließlich damit sich die Tunika über den Kopf zu ziehen. „Na wie wohl. Ich hatte genug Training mit dir, Zeldaschatz.“ Die Tunika war das erste Kleidungsstück, welches unbedacht und folgenschwer ohne einen sicheren Gedanken der beiden Hylianer in der Dunkelheit landete. Und wie sie es später bereuen würden, dass ihre Kleidungsstücke in wenigen Minuten keinen Gedanken mehr wert schienen. Sie umarmte ihn wieder und spielte mit silbernen Gliedern des Kettenhemdes, in das sein ansehnliches Abbild eingewickelt war. „Und ich dachte schon, du meintest auf der Erde mit irgendwelchen Mädchen“, sagte sie und fühlte seine Lippen saugend an ihrem Hals arbeitend. „Und du wirfst mir vor, eifersüchtig zu sein. Du bist nicht anders als ich, mein Engel.“ „Ich weiß...“, entgegnete sie sachte. Sie hatte Probleme, ihm das Kettenhemd zu rauben, also entledigte er sich selbst dem nunmehr zweiten Kleidungsstück, welches so augenscheinlich sicher seinen Weg in die Dunkelheit fand, wo zwei blaue Augen sehr wohl beobachteten, wo die Kleider abblieben. Link schaute tiefsinnig auf, streichelte das zerwühlte blonde Haar von ihrer Stirn und ließ seine Hände an ihren Hüften hinabwandern, löste die Gürteltaschen von Zeldas dunkler Hose. „Aber du weißt auch, was du lernen musst?“, meinte er und streifte unerträglich langsam die dunklen Stiefel von ihren Füßen und arbeitete weiterhin an der Stoffhose. „Zu vertrauen?“, murmelte sie mit geschlossenen Augen und ließ seine Berührungen fortfahren. „Ja, ich weiß, dass ich dies lernen muss. Gibst du mir die Zeit dafür?“, sagte sie und half ihm weiterhin bei der Entkleidung ihrer und seiner eigenen Wäsche. „Immer“, entkam es zärtlich seinen Lippen. Fasziniert beobachtete der kleine Bengel das Geschehen, während Zelda und Link beide nur noch mit ihrer Unterwäsche bekleidet aneinander herumspielten, knabberten, sich küssten und verwöhnten. Und ganz und gar verwunderte ihn das leichte Stöhnen und Murmeln des Namen vom Helden der Zeit aus Zeldas süßen, roten Lippen. Wie auch immer, diese beiden Liebenden waren im Moment nicht der Gegenstand seines Interesses, sondern die Kleidung war das, was ihn erpichte. Sorgfältig machte er die Strümpfe, die Hose, die Bluse, das Kettenhemd und die grüne Tunika in der Dunkelheit ausfindig und hegte einen bitteren Plan, der, so redete ihm sein kindliches Gemüt ein, dafür sorgen würde, dass diesmal nichts zwischen den beiden Hylianern stand, die seine Eltern werden könnten. Er grinste und lachte neckisch. Seine Kinderwangen glühten rötlich, aber nicht aus Scham, vielmehr aus Freude und ein wenig Hochmut angesichts seines, so wörtlich, genialen Plans. Und wie wundervoll sie waren: Seine geheimen Attacken, den die beiden Hylianer sicherlich nicht wiederstehen konnten. „Aber weißt du was? Du solltest dein Training im Küssen nicht schleifen lassen“, meinte Zelda, während sie beide Arm und Arm zwischen den trockenen Grashalmen lagen und von der Wärme des anderen naschten. „Keine Sorge. Meinst du nicht, dass es Zeit wird, das Training zu steigern?“, erwiderte er spitzfindig. „Was hast du vor?“ Damit richtete sich die Prinzessin leicht auf und drückte ihren Liebsten auf seinen Rücken. „Lass’ uns zusammen schwimmen gehen“, meinte er und grinste. „Aber das Wasser ist doch viel zu kühl...“, sagte sie prompt. „Keine Sorge, ich wärme dich.“ Sie lächelte schmuckhaft und ließ sich von ihm aufhelfen. Und auch die Unterwäsche der beiden jungen Hylianer landete auf dem Boden, was dem kleinen Bengel ungeheuer wertvoll für die Situation erschien und ihn zunehmend erfreute. ,Vielleicht klappt es ja!’, hoffte er innerlich, klatschte in die Hände. Er jubelte und hüpfte hinter dem Busch in die Höhe. Und er würde sich noch mehr freuen, wenn sein kindlicher, einfältiger Plan sich in die Tat umsetzen ließ. Auch, wenn seine kindlichen Schlussfolgerungen ein wenig umständlich und sehr merkwürdig schienen, so hielt er sie für richtig... Seine spitzbübischen Schlussfolgerungen, dass eine verschwundene Wäsche zu dem körperlichen Vergnügen der beiden Hylianer beitragen würde. Zelda hüpfte dann freudig in die Arme Links und so trug ihr entblößter Heroe seine nackte Prinzessin hinein in das kühle Wasser des Flusses. Selbst von weitem hörte man das freudige Rufen und Lachen Zeldas, die von ihrem Liebsten nach allen Regeln der Kunst verwöhnt wurde. Und gerade da sah der kleine Kerl die Gelegenheit für seinen perfiden Plan. Mit einem Grinsen, das dämlicher nicht sein konnte, trat er aus dem Geheimversteck hervor und vergewisserte sich, dass seine ,fast’ Eltern in dem klaren Nass ihre Versöhnung feierten. Seine himmelblauen Augen strahlten und die blassrosa Mundecken seines unverschämten Grinsen zogen sich soweit in die Breite, dass ein Beobachter denken könnte, man hätte ihm das freche Schandmaul aufgeklebt. Er schlich näher, so in der Art und Weise wie er es sich von dem erwachsenen Link abgeguckt hatte. Fast lethargisch bewegte er seine Beine in die Richtung der zerstreuten Klamottenhaufen und kicherte fast unmenschlich. Als er alle Klamotten eingesackt hatte, hüpfte er quietschend von dannen und kam plötzlich vor einer fuchtig dreinblickenden Navi zu Stehen. Er hüpfte nach hinten und überschlug sich fast vor Schreck. „Ich habe die ganze Zeit zugesehen. Warum machst du das und stiehlst die Kleidung von Zelda und Link. Du weißt doch ganz genau, dass sie solche Hindernisse nicht gebrauchen können. Sie müssen schließlich die Welt retten.“ Sie belehrte ihn, aber das passte ihm nicht in den Salat. „Du bist wirklich der erwachsene Link mal drei. Du hast noch schlimmere Gemeinheiten als er in deinem dummen Gehirnskasten.“ Sie klopfte mit ihren Fingerknöcheln an seine Stirn und setzte ein drohendes Gesicht auf. Aber Klein- Link verzog seine Lippen und murrte: „Was soll ich dir etwas erklären, was du sowieso nicht verstehst, du Glühbirne.“ Damit stapfte er weiter, aber Navi hüpfte feenhaft hinter ihm her. „Du böswilliger Kerl. Erklär’ es mir oder sonst verrate ich den nackten Hylianern in dem Fluss sofort von deiner Schandtat.“ Das Götterkind aber grinste halbherzig. „Das traust du dir sowieso nicht!“ „Das werden wir ja sehen.“ „Du bist doch viel zu blöd dafür“, äußerte er energisch. „Das werden wir ja sehen!“, schimpfte sie ein weiteres Mal und hüpfte schnell und mit ausgestreckten Armen in die Richtung des Flusses. Sie rief bereits nach Link und Zelda, als das Götterkind ihr von hinten den Schnabel zuhielt. „Du glühende Pute. Lass’ das gefälligst!“ „Nur, wenn du mir sagst, warum du solche Gemeinheiten planst!“, forderte Navi. Klein- Link verschränkte die Arme und die Kleidung fiel zu Boden. „Ganz einfach. Ich will, dass sie meine Eltern werden?“ Navi verzog das Kindergesicht und zog die hellen Augenbrauen in die Höhe. Da war pures Unverständnis in ihren giftgrünen Augen. „Und du glaubst, das ergibt sich, wenn die keine Klamotten mehr haben?“ Sie grübelte und kratzte sich am Kopf. „Ganz genau.“ „Aber wieso denn?“ „Na, weil sie dann nackt sind.“ „Und was soll’ das bringen?“ Das Götterkind schaute grübelnd in die Höhe zu den Kronen der Bäume. „Wenn die nackt sind, dann könnten die es endlich tun“, sagte er. Darauf errötete Navi und lachte neckisch. „Ach so... Sag’ das doch gleich, ich helfe dir doch dabei!“ „Wirklich?“ „Na klar!“, lachte sie und nahm die Hälfte des Stapels in ihre kleinen Kinderpfoten. „Dann müssen wir bloß noch abwarten“, schunkelte sie, lachte und kicherte abartig. Aber, die doch sehr einfältigen und unreifen Schlussfolgerungen der beiden Zwergengestalten waren alles andere als zielführend. Und ihre Böswilligkeit könnte sich schneller gegen sie beide verkehren, als sie dachten. Zusammen versteckten sie sich hinter einem Strauch und schauten neckisch zu dem Fluss, wo Link seine Zelda gerade in die Höhe hob und sie lachten. Sie legte ihre Arme um seinen Hals, während er sie langsam wieder herabsinken ließ. „Und?“, meinte er grinsend. „Was und?“ „Ist dir kalt hier in dem kühlen Wasser?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nicht bei dir...“ In dem Moment schaute der Heroe zurück zum Ufer und wurde argwöhnisch. „Stimmt etwas nicht?“, murmelte die Königstochter. „Nein... ich hatte nur kurz das Gefühl, wir würden beobachtet werden, aber... ich weiß, dass sich dort keine Monster verstecken können. Wohl nur ein Fuchs oder ein Reh.“ Sie lächelte. „Umso besser für uns“, meinte sie und drückte ihren Mund auf seinen. Versunken in ihrer beiden Liebeslust, bemerkten sich nicht die zwei frechen Gestalten, die sie sehr genau beobachteten. Ja, geradezu fieberisch darauf warteten, dass ein überfälliges Ereignis eintreffen würde. Lachend traten die beiden Hylianer aus dem kühlen Nass heraus und achteten nicht auf die Wäsche, die entführt wurde, nahmen immerhin an, unter sich alleine zu sein und rannten in ihrer herrlichen Entblößtheit hintereinander her. Zelda war an der Reihe ihren lachenden Helden zufangen, der schauspielerisch wie ein ausgebüchstes Huhn vor ihr floh. Er streckte seine Arme in die Höhe und rannte, was das Zeug hielt. „Du kriegst mich ja doch nicht!“, rief er, wand sich kurz zu ihr und grinste. Sie stützte ihre Hände auf die Knie und murrte: „Kein Wunder, du bist eben viel zu athletisch. Ich habe ja überhaupt keine Chance...“ Er trat wenige Schritte näher und musterte jedes kleine Detail ihres nackten Körpers, welchen er in der Düsternis des Abends nur spärlich ausmachen konnte. „Okay, mein Schatz. Ich gebe mich geschlagen...“, murmelte er, trat näher. „Du gibst dich geschlagen? Einfach so?“, meinte sie verwundert, als er direkt vor ihr stand. Sie sah nur das Schillern des tiefen Dunkelblaus seiner Augen und es genügte um ihr eine Gänsehaut über den nackten Rücken sausen zu lassen. Sie konnte in diesen Augen mehr lesen als der Besitzer zugab. Und in seine Augen hüteten immer stärker diesen Wunsch nach ihrer Unschuld. „Nein, nicht einfach so...“, flüsterte er mit einem zärtlichen Unterton, der Zelda einige Feen in die empfindliche Magengegend schickte. „Sondern deswegen...“ Verführerisch trat er um sie herum, streichelte ihren Bauch und die Hüfte und schmiegte sich an sie. Eine Hitzewelle schoss von überallher auf sie ein und sammelte sich in ihrem Bauchbereich. Und die Gründe waren neben den starken Händen, die sie verwöhnten, seine warmen Lippen auf ihrem weißen Nacken, aber hauptsächlich die Berührung seines weichen Gliedes nur knapp über ihrem Gesäß. Sie wusste, dass er sich zurücknahm, dass er versuchte sich zu beherrschen. Und sie ahnte beinahe, wie schwer sich dieses Vorhaben für ihn gestaltete. „Ich liebe dich... Vergiss’ das nie...“, säuselte er und umarmte sie fester von hinten. „Niemals“, meinte sie. Sie wand sich langsam um und tupfte ihre Nase an seine. „Link...“ „Mmh?“ „Sag’ mal... Hältst du es überhaupt aus, dass wir noch nicht bis zum Schluss intim miteinander waren?“, fragte sie scheu. Ihre saphirblauen Augen sahen zu Boden und auf ihrer Nasenspitze bildete sich ein zaghaftes Rot. „Soll ich ehrlich sein?“ „Ganz ehrlich...“ „Also...“ Er fuhr geschmeidig über ihre perfekte Brust. „Wenn du mir so nahe bist wie jetzt, oder wenn du neben mir schläfst, dann... eigentlich nicht.“ Sie nickte. „Und jetzt...“ „Ich...“ Link wurde mal wieder verräterisch rot um die Nasenspitze. „Möchtest du nicht mehr warten?“ Aber Link legte schnell einige Fingerspitzen auf ihre roten, süßen Lippen. Er schüttelte den Kopf. „Shhh... nicht hier, Zelda...“ Er umarmte sie innig. „Wenn wir einander so nah sind, dann möchte ich nur an dich denken... und nicht diese Mission im Hinterkopf haben. Oder... willst du etwa?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, nicht heute... aber ich hatte das Gefühl, dass du nicht mehr warten wolltest.“ Sie sah aufrichtig in seine mitfühlenden Blicke und lehnte sich dann schutz- und wärmesuchend an ihn. „Unsinn... Warten steigert die Vorfreude, mein Schatz.“ „Soso“, sagte sie lachend. „Mein Link...“, setzte sie sanft hinzu und teilte einen verträumten Kuss mit ihm. Im Hintergrund kämpfen Navi und Klein- Link gerade mit gemeinen Zwickattacken um die beste Aussicht aus dem kleinen Himbeerstrauch heraus. Sie zankten sich beinahe so laut, dass es von Link und Zelda gehört werden konnte. „Verdammte Pute, lass’ mich mal schauen, wie es voran geht.“ Er schob Navi beiseite, sodass sie auf ihrem feenhaften Hinterteil landete. „Du grüner Zwerg!“, schimpfte sie. „Gerade jetzt, wo’s spannend wird, schiebst du mich weg.“ Und die eitle Fee schnipste mit dem Finger und beförderte Klein- Link mittels Feenmagie nach hinten. Und so zankten sie sich beide weiterhin um den besten Platz des liebesträchtigen Schauspiels der beiden Hylianer, ohne zu bemerken, dass die Liebenden gerade voneinander abließen und sich Hand in Hand auf die Suche nach ihrer Kleidung begaben. „Das gibt’s doch nicht. Unsere Kleidung ist verschwunden.“, entkam es Links sonst so frechem Mundwerk. „Das ist ein Scherz, oder?“ „Und du bist dir sicher, dass es hier war, wo wir sie abgelegt haben“, fragte sie Zelda und blickte sorgenvoll umher. „Aber ja doch.“ „Aber wer sollte unsere Kleidung stehlen. Das ergibt keinen Sinn...“ Doch da war Link schon auf dem Weg zu einem verdächtigen, wackelnden Himbeerstrauch, wo sich zwei zänkische Stimmen preisgaben. Missbilligend sah er von oben in den dichtgewachsenen Strauch hinein und verzog seine Augenbrauen aus purem Unverständnis. „Sieh’ einer an, Zelda. Wir haben Gesellschaft von einer hinterhältigen Fee und einem dreisten Zwergenhelden mit deinen Augen.“ Entgeistert hockte sie sich zu Boden und bedeckte ihre jungfräulichen Bereiche. „Wo sind unsere Klamotten?“, fragte Link scharf und entdeckte hinter den beiden Witzfiguren einen Haufen Wäsche. Link schüttelte den Kopf und blickte dann aus reiner Intuition heraus zu dem jungen Spund mit dem blonden Schopf und dem linkischen Gesichtsausdruck. „Was hast du dir dabei gedacht, Klein- Link?“, murrte der Erwachsene und nahm sofort die Kleidung von sich und Zelda in seine Hände. „Nun antworte schon!“ Der Kleine schaute trotzig nach oben. „Na was wohl? Wenn ich nix unternehme, braucht ihr ja Ewigkeiten dazu, ein Kind zu zeugen!“ Links Augen wurden immer größer angesichts dieser Dreistigkeit und er zwinkerte ein paar Mal. Es war eines der ersten Male, dass er nicht mehr wusste, was er denken sollte. Klein- Link wartete auf eine belehrende Predigt seines ,fast’- Vaters und Navi begann abartig zu kichern. Sie war die erste, die intuitiv zurückwich und sich langsam verkrümelte. „Hey, ich bin dann mal weg. War ja schließlich nicht meine Idee...“ Und damit war sie von dannen. Nur noch der kleine Spund blieb und blickte ausredensuchend in die tiefblauen Augen des Erwachsenen. Er kreischte, als Link ihn am Kragen packte und mit zu seiner Prinzessin hinübertrug. Der kleine Bengel strampelte und zappelte, aber Link ließ sich jetzt nicht auf irgendwelche Spielchen ein. Was dieser böswillige Wicht konnte, das beherrschte der erwachsene Heroe noch umso besser. Grinsend brachte er einer dankbaren Zelda ihre Kleidung und trug den kreischenden Bengel mitsamt seines kleinen Heldenoutfits hinüber zu dem kalten Wasser des Flusses. „Strafe muss sein“, sagte Link gehässig und warf das ungezogene Götterkind mit einem beherzten, liebevollen Wurf direkt hinein in das kühle Nass. Er planschte und kreischte, Link jedoch lachte nun noch draufgängerischer als der Bengel vorhin über seine ach so ausgeklügelten Ideen. Wenig später wärmte sich das Götterkind vor den glühenden Kohlen in der Wildnis auf und aß etwas von der Kartoffelsuppe, während Link und Zelda den Bengel Arm in Arm beobachteten. „Kein Wunder, dass er sich so verhält“, sagte Zelda. „Er ist eben wie du.“ „Ist das ein Kompliment oder eine Belehrung?“ Verdutzt schaute Link in die müden Augen seiner Prinzessin, wo sich die feurigen Funken des Holzes spiegelten. „Keines von beiden. Nur ein Gedanke...“, sagte sie. „Du warst damals als Elfjähriger in Hyrule ganz genauso durchtrieben.“ „Nun... das wundert mich nicht mehr, Engel“, sagte er und küsste sie auf die Stirn. Zelda lächelte. In dem Moment trat das Götterkind vor die beiden Hylianer, spielte mit den kindlichen Händen und brachte eine schamhafte Entschuldigung über die blassrosa Lippen. „Schon gut, Kleiner Mann“, sagte Zelda. „Wir tragen dir das nicht nach. Aber sei’ ein wenig bedachter, wenn du das nächste Mal solchen Unsinn planst.“ Er nickte. „Darf ich dann mitkuscheln?“, sagte er scheu, worauf Zelda irritiert, aber irgendwie erfreut in die Augen ihres Liebsten blickte und das fand, was sie selber dachte. Den Gedanken, diesem Jungen einen Platz zu schenken, wo er sicher war. „Komm’ her!“, meinte sie liebevoll und nahm das Götterkind in eine warme Umarmung. Vielleicht war es das, was sich das von Götterhand erzeugte Kind wirklich wünschte. Eine Umarmung einer Blutsverwandten. Die Umarmung einer Mutter. Und es war nur wenige Minuten später, dass der kleine Bengel in der gemütlichen Decke und in der wärmenden Nähe der Prinzessin Hyrules eingeschlafen war. Er atmete ganz ruhig und leise, als ob er überhaupt nicht Luft holen müsste... „Er macht mich traurig...“, sagte Zelda leise und streichelte ihm über den kindlichen Schopf. „Ich kann nicht verstehen, wie er die letzten Wochen und Monate in dieser Einsamkeit überstanden hat. Er ist ein Kind, nur ein Kind... mit so kleinen Bedürfnissen nach Nähe und nach Liebe. So unschuldig.“ „... er wünscht sich nichts sehnlicher als ein Zuhause. Können wir ihm diesen Wunsch nicht erfüllen, wenn alles ausgestanden ist?“, sagte Link ermutigend und hoffte, er würde Zelda mit diesen Gedanken nicht verärgern oder überfordern. Sie blickte hoffnungsvoll auf und öffnete ihren Mund einen schmalen Spalt. „Du würdest... es zulassen?“ „Nur, wenn du möchtest“, sagte Link, voller Ehrlichkeit und Herzenswärme. „Ich habe den kleinen Bengel liebgewonnen und kann mir das Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen. Also, warum können wir nicht irgendwann wirklich seine Eltern sein?“ „Was für eine Frage?“, lachte Zelda erleichtert und drückte mehrere kleine Küsse auf Links Lippen. „Natürlich können wir. Nein, ich denke, wir werden es sein!“, sprach sie ermutigend. Link lächelte tiefsinnig und legte seine Arme um Zelda und den Jungen, besiegelte und beschützte diese unwirkliche, aber angenehme Familienidylle... Es war spät in der Nacht. Inzwischen lag Link, umarmt von Zelda, die sich sehnsüchtig an seinen Rücken presste in der kleinen Heuscheune. Klein- Link war irgendwann in der Nacht aufgewacht und ohne ein Wort des Abschieds verschwunden. Es war nun mal seine Masche und Link verstand ihn in dieser Hinsicht sehr gut. Denn jeder Abschied könnte der letzte sein. Und die Ungewissheit einen Abschied erst gar nicht zuzulassen, war eher zu ertragen als ein schmerzhaftes Lebewohl... Link gähnte und wand sich langsam zu seiner Prinzessin um, die in ihren stillen Träumen schlummerte, und die sich krampfhaft an ihrem Heroen festhielt. Er wagte einen Blick auf das leuchtende Medaillon auf ihrer Brust, es war kurz vor drei, sehr früh am Morgen... Er streichelte seiner Prinzessin über die blütenweichen Wangen mit der Gewissheit, dass er diese Stunden voller Innigkeit in Zeldas Armen genießen sollte. Es könnten die letzten sein. Das letzte Mal, dass er mit diesen Händen ihre samtene Haut liebkosen konnte. Das letzte Mal, dass er ihre mit seinen Lippen streicheln konnte. Er rückte näher und drückte einen verträumten Kuss auf ihre Lippen, umarmte sie innig und fest und realisierte immer mehr, dass vielleicht ein Ende auf sie beide zukam, welchem sie noch nie begegnet waren. Wie sollte es nur weitergehen nach dem großen Kampf? Selbst wenn Link in der Lage wäre, den Fürsten des Schreckens in die Knie zu zwingen, so herrschte ein bitteres, elendes Chaos auf der Welt, in die er als gewöhnlicher Jugendlicher hineingeboren wurde. Würden Zelda und er endlich das Leben zusammen führen können, was sie sich wünschten? Oder plante das Schicksal bereits jetzt schon sein verwerfliches Spiel? War es nicht so, dass sich die Wege der Prinzessin und des Helden nach den Kämpfen trennten? Würden die Götter ihnen erneut Steine in den Weg legen? Und ein Zusammensein bis ans Lebensende würde wieder nur ein lächerlicher Wunschtraum bleiben? Er wusste nicht warum, aber Link fühlte sich im Augenblick unheimlich traurig. Diese Gedanken fühlten sich so real an, als wäre das trostlose Ende für sie beide bereits geschehen. Er drückte Zeldas schlafenden Körper noch ein wenig näher an seinen, und vergrub den Kopf auf ihrer Schulter, genoss ihren Geruch und wünschte sich, er könne sie festhalten bis zum Ende aller Tage... Er wollte doch nur für immer bei ihr sein. Hier direkt neben ihr. Aufrichtig in den Armen seiner ,wilden Rose’. Kapitel 108: Geheimnisse der Vergangenheit XX --------------------------------------------- Kapitel 91: Geheimnisse der Vergangenheit XX ,Sie war wie eine wilde Rose’, dachte Link. Immer distanziert, immer kühl und unnahbar. Eine wilde, rote Rose, an der man sich nicht nur die gesamte Hand aufschlitzen könnte und im selben Augenblick keine Reue angesichts des teuren Preises zeigen oder empfinden würde. Sie war es wert, diese wilde Rose. Ihre Einzigartigkeit, Gewandtheit und faszinierende, eigensinnige Schönheit. Und gleichzeitig diese Beherrschtheit und strenge Kälte. Eine wunderschöne Rose, eine unter vielen, die nicht allein durch ihre Schönheit auffiel, eher durch diese Wildheit, die nicht in ihre Reihen passte... und er begehrte diese Rose, immer schon, vom ersten Tag an, und die Aufopferung, das Leid, jene Rose nur einmal berühren zu dürfen, war ihm sogar das Opfer des eigenen Lebens wert... Mit ernstem Blick stand der blonde, einsame Hylianer auf einem weißen Marmorbalkon, hatte sich niederbeugend seine Arme auf das glatte Geländer gelegt und lauschte den Klängen der Nacht, die sich mit den Tönen des hylianischen Streichorchesters im Hintergrund vereinigten, während der Wind sein blondes, weiches Haar umwehend zerzauste. Er war schuldig, das wusste er. Schuldig von Anfang an, weil er in der Gestalt einer so faszinierenden Hylianerin gefunden hatte, was er in seinem Leben vermisste. Und die Grausamkeit Hyrules, vielleicht auch jene des Schicksals, welches bewachte und regierte, verbat ihm gerade das Glück, das Recht, einzufordern, was ein edelmütiges Herz wie seines verdient hatte. Deshalb war er schuldig, für seine Gefühle, für seine Empfindungen gegenüber dem einflussreichsten Wesen in ganz Hyrule. Schuldig, weil er etwas verlangte, was die Gesetze des Königshauses untersagten. Schuldig, weil er sie liebte... Ja, er liebte sie... Er gestand es sich ein, nach all den Erlebissen, den Abenteuern mit ihr, den Stunden mit ihr... Er liebte sie und getraute sich nicht, sie anzusehen und an das Morgen zu denken. Denn der Schmerz, sie nicht festhalten zu können, so wie jeder andere seine Liebste festhielt, sie nicht einmal mit den seinen ehrlichen, aufrichtigen Empfindungen ansehen zu dürfen, der Schmerz, niemals das zu sein, was er für sie sein wollte... Jener gefahrvolle Schmerz brächte nicht nur Zweifel und Trauer über seine Seele. Jener Schmerz war dem grausamsten Tod noch höhergestellt... Mit dem halbherzigsten Lächeln überhaupt, ein Lächeln, das sich auf seinem ansehnlichen Gesicht schon so oft abzeichnete, trat er hinein in den riesigen, mit Magie hellerleuchteten Saal, wo bereits viele edle Gäste ihre teuren Weingläser in den mit Handschuhen gekleideten Händen hielten. Die Schönsten der Schönen. Die Reichsten der Reichen. Gerade sie waren es, die das Recht besaß, welches man ihm verwährte. Die Gesellschaft Zeldas... Die Töne der Friedenshymne herunterträllernd, konzentrierten sich die Musiker nur auf die Instrumente in ihren Händen, schafften ein Wunderwerk mit den Ohren verwöhnenden Melodien der Vergessenheit. Eine als Adlige verkleidete Malon streifte die traurigen Augen Links, der sich nickend zu ihr wand. „Du siehst noch toller aus als vorhin...“, sagte er und wollte sein zerbrochenes Herz mit allen Mitteln vor dem Farmmädchen kaschieren. „Tatsächlich“, sagte sie grinsend und mühte sich trotz allem eine adlige Haltung anzunehmen. Sie flüsterte leise in Links Hylianerohr: „Die Zimmermädchen haben bloß noch mal an meinen Haaren herumgebastelt und mir Schminke aufgetischt.“ Sie lachte und hielt sich mit dem Versuch einer Lady eine Hand vor den Mund. „Soso... wollen wir den Eindruck erwecken, dass wir tanzen?“, meinte Link. Aber Malon blickte bereits scharf und mit einem unwiderstehlichen Lächeln zu Caldrian von Calatia, der scheu ihren Blick einfing. „Sorry, du Held, aber ich habe Lust mit jemand anderem zu tanzen. Man sieht sich.“, sagte sie und sprang froh und munter zu dem anvisierten Königssohn hinüber, der sich gekünstelt verbeugte und sich auf einen Tanz mit der geschauspielerten Adligen Malon einließ. Link zuckte mit den Schultern, dachte daran, dass Caldrian ja wahrlich nichts anbrennen ließ und das in der Gegenwart seiner Eltern, die nur misstrauisch und tückisch dem Farmmädchen nachsahen. Die Musik wurde weicher und milder und der helle Saal schien in wärmere, gedämpftere Farben einzutauchen mit Magie im Sinne der angenehmsten Form der Zauberkunst. Betrübt blickte Link zu dem hohen Thron des Königs von Hyrule, konnte nicht anders als der wunderschönen Prinzessin mit scheuen Blicken zu begegnen, die mit schwermütigem Anblick und einer unermesslichen Strenge in ihren mit Schatten belegten Augen ahnteilnahmslos das Geschehen verfolgte. Wenn Links Herz reden könnte, dann hätte es in dem Moment nach ihr gerufen, so laut gerufen, dass jegliche Fasern darin zerrissen wären. Sein Blick wurde schwermütiger, mit jeder Minute, da er Prinzessin Zelda in ihrem seidenen blauen Kleid thronend neben ihrem Vater sitzen sah, ganz und gar nicht, wie die wilde Rose, ganz und gar nicht wie das, was sie wirklich war... Sie ließ den Schmerz nicht an die Oberfläche, das sah ein jeder Magier, der in anderen lesen konnte. Aber je länger sie sich an sich selbst erinnerte, je länger sie genau das verleugnete, was ihr gehörte, was sie begehrte, umso kälter wurde das einst so heitere Gemüt. Und sie wusste, was ihr gehörte... Mit Kopfschmerz und die dringenden Visionen des Verblassens ständig bekämpfend, wann immer sie sie einnahmen, lehnte sie sich mehr und mehr in den hohen Königsthron, sank immer weiter zusammen und spürte den besorgten Blick Impas, die neben ihr stand. „Wollt Ihr nicht einen Tanz wagen, Prinzessin?“, meinte die Zofe. „Wozu?“, murrte sie schnippisch, so, dass ihr Vater nebenan, es nicht gehört hatte. „Um Euch abzulenken, Prinzessin.“ „Falls du wünscht, für heute entlassen zu werden. Bitte Impa, vergnüge dich.“, sagte sie streng und beobachtete die heiteren Gesichter der vielen Gäste, die keine Ahnung hatten, wie nah Hyrule bereits dem letzten Sonnenaufgang entgegenstand. „Das habe ich mit meiner Frage nicht bezweckt.“, sagte die Shiekah stur, kniete vor der Prinzessin nieder und linste mit ihren roten Augen scharf in die jungendlichen blauen. „Es ist nicht meine Aufgabe, das zu verstehen, was du mit deinen Fragen bezweckst. Entferne dich endlich!“, muckte die Prinzessin und drehte ihren Schädel eigensinnig gen Orchester rechts von ihr. Aber Impa packte Zelda eher grob am Kinn und rückte sie in ihr Aufmerksamkeitsfeld zurück. „Hört endlich auf, Eure Wünsche in den Schatten zu stellen, Prinzessin.“ „Wünsche?“, entgegnete Zelda laut, sodass auch ihr Vater neben ihr zu den ernsten Worten lauschte. „Welche Prinzessin hat schon Wünsche, die ihr ein Königreich erfüllen könnte!“, zischte sie ballend. „Das einzige, was ich mir wünsche, werde ich niemals besitzen können. Hör’ auf mit deinen besserwisserischen Einfällen. Ich will doch nur...“ Den Tränen nahe brach sie ab und blickte verzweifelt zu dem in einer Ecke, neben einen Vorhang stehenden Link, der trübsinniger als jemals zuvor zu Boden blickte. Impas rätselhafte Augen verfolgten die Wege, welche Zelda mit einem einfachen Blick geschlagen hatte. Verständnisvoll legte sie eine warme Hand auf die Schulter der Jungendlichen. „Er wartet auf Euch...“, sagte sie leise und Harkenia hörte mit halbem Ohr zu, unterließ es aber vorerst sich einzumischen. Angestrengt rieb sich die schöne Prinzessin über die Stirn und kam unabsichtlich an die königliche Tiara mit den großen Saphiren und Verzierungen. „Und was soll ich ihm sagen?“, schluchzte sie halb. „Wie wäre es mit der Wahrheit zur Abwechslung...“, murmelte Impa und scheute nicht den wissenden Blick Harkenias, der sich an seinem grauen Bart zupfte. „Nun mach’ schon, mein Kind...“, sagte der König und hatte ein ausgelassenes Grinsen im Gesicht. „Wo ist denn meine eigensinnige, temperamentvolle Tochter geblieben?“, sagte er vorwitzig und ignorierte das ungläubige Gesicht seines bildschönen Kindes. Ihre Fäuste ballend stand sie auf, umarmte ihren Vater, seine Majestät, seit langer Zeit das erste Mal auf ehrlicher Weise und wischte sich eine Träne aus den Augenwinkeln. Verständnisvoll blickte der würdevolle Herrscher Hyrules auf und sagte: „Genieße diesen Abend, Zelda...“ „Danke...“, murmelte sie und wand sich wieder den Gästen zu. Aber als sie einen Blick zu ihrem in teuren Sachen gekleideten Helden werfen wollte, war dieser bereits verschwunden... Trübsinnig folgte Link den weißgepflasterten, kleinen Steinwegen im riesigen, märchenhaften Schlosspark, bis er dort hingelangte, wo er einst die Prinzessin das Schicksals treffen sollte. Aber er hatte damals keine Prinzessin gefunden, nein, er hatte eine Freundin gefunden, eine Gleichgesinnte, jemanden, der wie niemand sonst sein einzigartiges Schicksal teilte, und vielleicht hatte er in jener faszinierenden Gestalt sogar seinen Frieden gefunden... Von Anfang an war es nicht nur Schicksal sie zu finden, das erkannte Link, als er die verlassenen Gänge durchquerte und im Hintergrund immer noch die fröhliche, klassische Musik lief. Er hatte sein Schicksal gefunden... und gleichzeitig sein größtes Verhängnis... Ein Blick zu den weißen Heckenrosen. Ein kleines Beschauen etwas so einfachem, etwas so kostbarem. Genüsslich roch er an der süßen Rosenblüte und ein kleines Lächeln lief ihm über das Gesicht. Er musste grinsen, bitterlich grinsen, weil er sich verliebt hatte. Ja, endlich hatte er sich verliebt, ohne zu wissen, was Liebe war... Kurz vor der alten Holzschaukel, die an einem verzweigten, riesigen Apfelbaum hing, machte er Halt, erinnerte sich als die kindliche Prinzessin mit ihrer eigenwilligen und beinahe bübischen Art dort saß und ihn trotzig anschaute, weil er irgendeinen Streich ausgeheckt hatte, an den er sich nicht erinnern konnte. Er erinnerte das schmuckhafte Grinsen und die frechen Kinderaugen Zeldas... und doch... tat es einfach nur... weh... Sich ärgernd schloss er seine Augen, fuhr sich mit der linken, triforceverbergenden Hand durch das wilde blonde Haar und tapste durch das hochstehende Gras zu einem alten Brunnen. Zelda hatte einst erzählt, dass Impa sie darin am liebsten eingesperrt hätte, nur um zu wissen, dass sie überhaupt da war. Denn so oft war die kindliche Hoheit ausgebüchst, war über Stock und Stein gestolpert um ihr eigenes Land zu entdecken... Mit einigen Fingerspitzen berührte er das kühle Nass, während ihn seine Erinnerungen einnahmen, er sich zurück wünschte in seine Kindheitstage mit Zelda. Denn alles war einfacher gewesen als heute... seine Gefühle für sie waren einfacher gewesen... In dem Moment wurde der goldene Mond am Firmament von einem kurzen, hauchenden Schatten übersegelt. Nur ein Luftzug in Begleitung von vertrauter Macht türmte und verwandelte sich hinter dem Rücken des Hylianers zu einer schlanken Gestalt mit einem tiefgrünen, samtigen Umhang. Denn es war Wind, den sie beherrschen und befähigen konnte. Es war Macht, die in ihrem Ursprung entkam... Ohne sich umzudrehen sagte der blonde Hylianer freudlos: „Was führt dich zu mir, Göttin des Mutes?“ Er machte sich nichts daraus, dass eine Göttin hinter ihm stand. Sie säuselte, ähnlich dem Wind, der durch raschelnde Laubblätter zog: „Du hast mich gerufen, ohne dir dessen bewusst zu sein...“ „Ach sie einer an... eine Göttin weiß wieder einmal besser bescheid über mich, als ich selbst.“, sagte er sarkastisch und wand sich mit anklagendem Blick um. Die Gottheit, verborgen in den Schatten, verborgen unter ihrem magischen Mantel wusste doch, wie wenig Wert ihr Schützling auf die Anwesenheit ihrerseits legte. „Zähme deine eigenen Gefühle der Wut und des Zorns, denn du hast selbst Verschulden, dass die Prinzessin dir mit Abweisung begegnet. Nicht allein des Schicksals Schuld ist es, dass ihr, die Auserwählten, nicht zu einander findet.“ Link verleierte die Augen und fragte erneut kühl und bedacht: „Was willst du, du wirst ja nicht hier sein, um mir Beziehungstipps geben zu wollen!“ Sie schwebte näher und glühend grüne Augen stachen aus dem Umhang hervor. „An einem Ort, den nur ein Wahnsinniger, ein Toter, ein Ungetüm betreten könnte und wollte, geschieht unermessliche Bedeutsames für das Leben hier, das Leben in der Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart... und das Leben an einem anderen Ort, wo man das Leben mit neuen Augen erfahren und sehen kann. An einem Ort, der nicht sein sollte, führt ein kleiner Weg zu dem letzten Atemzug dieser Welt.“ Als sie die letzten Worte ausgesprochen hatte, trat Link aufgebracht näher und sagte energisch: „Hör’ auf in deiner unmenschlichen Sprache zu sprechen und erkläre mir, was du damit bezweckst, worin der Sinn deiner Worte liegt!“ In Rasche breitete er seine Arme auseinander und wartete auf eine Antwort seiner Schutzgöttin. „In wenigen Minuten geschieht das, woran der Frieden Hyrules und einer ganz anderen Welt aufgegabelt sind... doch du wirst nicht verhindern können, dass das Schicksal seinen neuen Weg findet.“ „Nicht verhindern?“, fragte Link entsetzt und ahnte, was sie versuchte ihm mitzuteilen. Langsam zogen sich die Schnüre der grünen Kapuze wie von Geisterhand zurück und wildes giftgrünes Haar fiel an den Schultern der mächtigen Gestalt hinab. Kühl und ohne die Spur Mitleid raschelte die Stimme des Windes in ihr. „Das Siegel wird zerbersten. Wie die Zeit zu ticken aufhören wird. Wie das Leben enden wird. In jedem der Zeitpfade, wo die Flut Hyrule einnehmen wird, jene Zeit, wo der Held der Zeit nicht mehr existent ist.“ Entsetzt und sprachlos stand Link einfach nur da... Zeldas Visionen... es war also bestimmt zu geschehen... „Das könnt ihr nicht tun!“, fauchte Link. „Es ist die einzige Möglichkeit, zu schützen, was noch geschützt werden kann. Das Böse hat sich mit uns selbst verbunden... das Böse ist zu stark... vielleicht so stark wie eine der Großen Drei...“ „Moment!“, brüllte der Held und schüttelte ungläubig mit dem Kopf. „Du kannst mir nicht wirklich sagen wollen, dass das Böse inzwischen so stark ist, dass nicht einmal ihr es aufhalten könntet. Ihr, wo ihr seine Macht selbst erschaffen habt!“ „Zähme deine voreiligen Überlegungen und bedenke meine Worte, Heroe. Das Böse hat sich mit uns selbst einen Vorteil verschafft, der über alle Wege hinausgeht. Die Zeit ist gekommen, da die Schöpfung ihr Ende gefunden hat.“ „Ist dir, wo du nur eine unwissende, feige Göttin bist, eigentlich klar, was du den Geschöpfen dieses Zeitalters antust! Verdammt! Du bist eine Göttin, als verhalte dich auch so!“ Link war kurz davor, seine Schutzgöttin mit dem Schwert zu bedrohen. Gerade heute musste sie sich mit ihm anlegen. Erst diese Demütigung Zeldas, die ihre wahren Gefühle einfach nicht zeigen konnte, und nun teilte ein besserwisserisches unsterbliches Wesen ihm mit, dass Hyrule in wenigen Stunden seinen letzten Atemzug nehmen könnte. Immer wieder schüttelte Link mit dem Kopf, wollte diese Mitteilung nicht glauben, wollte diese Bestimmung nicht verstehen, nicht annehmen. „Nein.“, sagte er eindringlich. „Das kannst du nicht tun...“ „Es ist unsere Pflicht gegenüber dem Schicksal, das noch mächtiger, dem am höchsten steht, was in unserer Pflicht liegt.“, sagte sie raschelnd und schaute scharf und unecht in die tiefblauen Augen Links, der sich am Steinbrunnen abstützen musste. Ein simples „Wann?“ entkam seiner trockenen Kehle, unsicher, beinahe gelähmt... „Morgen wird Hyrule enden... die Seelen seien erlöst, bereit für eine neue Welt, eine andere Zeit, eine Wahrheit, die sie in Hyrule niemals finden werden...“ „Zelda wird diese Entscheidung nicht akzeptieren können...“ „Nein... das wird sie nicht... Daher schweig, solange, wie es dein Herz ertragen kann...“ Festgemauert stand Link da und fühlte sich gerade wie das nutzloseste, dümmste Geschöpf einer Welt, die er, da er doch ein Held war, der Held der Zeit, nicht retten konnte. Gab es denn keinen anderen Weg? Gab es keine Hoffnung? „Hoffnung gab es immer und es gibt sie noch...“, sprach die Wächterin des Mutes, denn sie las seine Gedanken ohne verschwenderische Mühe. Sie sprach beinahe sanft, beinahe menschlich. „Daher behalte deine Hoffnung bei, denn Hoffnung und Mut... bewirken oftmals die Wunder, die selbst Götter nicht ersinnen können... Leb’ wohl, Link.“ Er nickte bloß, unterband die maßlose, grenzenlose Wut in sich. Als sich die Göttin mit leisen Schwingen, mit Rascheln von Blättern und Unwirklichkeit davonstahl, trat Link erbost und zornig gegen den Brunnen, schlug mit der blanken Faust aus das raue Gestein und reagierte sich erbost auf seinen eigenen Unwert, Hyrule nicht länger beschützen, nicht erneut retten zu können, ab... Im Königssaal ahnten nur einige Wenige, dass am nächsten Morgen nichts mehr sein würde, wie es war. Die Zeit war nun endgültig gekommen, da das Böse einen Sieg davon tragen würde... denn die Zeit in Hyrule würde in wenigen Stunden still stehen... Und doch wusste nicht einmal der König des hylianischen Landes, dass an der Pforte in die tiefste Hölle Schreckliches im Gange war. Nicht einmal der, der das höchste aller Ziele in Hyrules wahren sollte, wusste um das Ende, welches die Götter vorhersahen, da sie es mussten- als Rettung des Schicksals und der Zukunft... Prinzessin Zelda saß erneut auf ihrem Thron, richtete ihre Aufmerksamkeit auf einen ernsten Caldrian, der demütigt und mit einem sehr verräterischen Blick auf dem Prinzengesicht, Worte erklingen ließ, die die junge Thronfolgerin zwar hörte, aber einfach nicht verarbeiten konnte. Denn überall verblasste erneut Hyrules vor ihr... die Menschen bleich und leer, die Gegenstände... unwirklich... „Prinzessin? Fühlt Ihr Euch nicht gut?“, meinte Caldrian, der einmal mehr höfische Rede anwand, denn seine strengen Eltern standen knapp nebenan, hörten aufmerksam zu und belehrten ihren Sohn mit erwartungsvollen Blicken. Zelda stemmte zitternd eine in Samt gekleidete Hand an ihre Stirn und sagte: „Habt Dank für Eure Besorgnis, Caldrian, aber es geht mir ausgezeichnet.“ Du Lügnerin, schallte Links warme Stimme in ihren Gedanken, du kleine... Lügnerin... „Was sagtet Ihr gerade?“ Und Caldrian wies eine kleine, aufwendigverarbeitete Schatulle vor. Seine rehbraunen Augen sagten der Prinzessin, wie leid es ihm tat, diese Bitte äußern zu müssen, und dass sie zum Wohle des Volkes mitspielen möge... „Caldrian?“ Zeldas Stimme klang fragend und ungläubig. „Nehmt dieses Präsent, diese Spange, als ein erstes Verlobungsgeschenk an.“ Und seine gedemütigten rehbraunen Augen blickten schräg seitwärts. Verbittert warf die schöne Prinzessin einen Blick zu ihrem lächelnden Vater und schließlich zu den auf Siegeszug schwebenden Hoheiten Calatias. „Vielen Dank, Caldrian. Es ist mir eine... Ehre.“, sagte Zelda trocken, würgte sie beinahe hervor, platzierte die Schatulle ohne einen Blick darauf zu werfen auf den Thron, und hetzte kopfschüttelnd in die Masse der Leute. Als sie an Caldrians Gestalt vorüberging und er ihren Blick streifte, bezeugte er die kümmerlichsten und traurigsten blauen Augen, die er jemals sehen würde. Tränen waren darin verankert und die Wahrheit, die Caldrian wusste... Wie ein Verräter fühlte er sich, fragte nach der Hand der schönsten Lady in Hyrule, die ein anderes Herz liebte, die das teure Herz eines Hylianers liebte, der ihm selbst ein Freund geworden war... Als der junge Held erneut in den Ballsaal trat, zauberten die Musikanten einen hübschen Klassiker in den überfüllten Raum, spielten einen schnellen Rhythmus für die Dutzenden Hylianerohren, wozu die Adligen mit ihren teuren Gewändern und edlen Rüstungen vakant tanzten. Mit ernsten und doch hoffenden Blicken suchte Link den gesamten, geschmückten Kronsaal nach der Prinzessin des hylianischen Landes ab. Vergnügt bewegte sich eine lächelnde Malon mit ihrem selbstgeangelten Prinzen Caldrian durch den Prachtsaal, lachte und ließ sich von ihrem Verehrer ausgelassen herumführen. Auch der König war von seinem hoheitlichen roten Thron in die Reihen der Tanzenden gezogen, und tanzte mit einem Lächeln auf dem Gesicht mit einer älteren Lady, deren Name Link unbekannt war. Aber nirgends die Spur seiner vergötterten Prinzessin... Er wollte sie finden, nicht um ihr von der Begegnung mit Farore zu berichten, nein, der Untergang Hyrules würde sich auch ohne seine Worte ankündigen... er wollte ihr etwas anderes sagen, etwas, was er noch nie mit irgendjemanden besprochen hatte. Traurig sahen seine tiefblauen Augen auf. Erdrückt fühlte sich Link von den lachenden Hylianern, die all das bekamen, was sie besitzen wollten. Nur er... wo er als Held doch ein Außenseiter war, ein nichtiger Zeitgenosse, der irgendwann vielleicht in Vergessenheit geriet, er, würde das, was er nun schmerzhaft begehrte, niemals festhalten können... Plötzlich tippte jemand auf seine Schulter und brachte ihn aus seinen schweren Gedanken heraus. Impa stand mit einem obskuren Grinsen neben ihm und sagte: „Solltest du dich heute nicht endlich überwinden, deine Tanzkünste anzuwenden?“ Aber Link wurde bloß verlegen, wackelte mit der rotumrahmten Nasenspitze und kratzte sich kindisch am Kopf. „Na, mach’ schon!“, sagte sie und gab ihm einen starken, schmerzhaften Klaps an seine linke Schulter. „Bitte sie um einen Tanz, Link.“, setzte die tiefe Shiekahstimme belustigt hinzu. „Sie wartet auf dem großen Balkon auf dich.“ Link bekam nicht ein vernünftiges Wort zustande und sah schüchtern zu Boden. „Heute sei alles erlaubt, denn morgen...“ Doch Impa brach ab. „Du weißt es bereits.“ „Ja, immerhin gehöre auch ich zu den Sieben Weisen, Link. Und deshalb...“ Impa verschränkte ihre Arme, hatte einen eher melancholischen Funken in den scharlachroten Augen und wand sich in Richtung der weit offen stehenden gläsernen Balkontür, wo dicke Vorhänge aus goldenen Chiffon hinein in den Prachtsaal wehten. „... deshalb sei euch beiden, dir und Zelda, wo ihr doch Auserwählte seid, heute erlaubt, was immer auch in euren Wünschen liegt.“ Beinahe erschrocken türmte Link herum, besah sich das stolze Grinsen aus der Gesandten der Schatten und wusste ihre Worte doch nicht richtig zu deuten. „Wie meinst du...?“ Erneut bekam der fassungslose junge Mann einen Klaps, diesmal auf den Hinterkopf. „Nun tu doch nicht so belämmert, Link. Geh’ endlich zu ihr. Sie braucht dich jetzt. Nicht den Helden, der du bist, und vielleicht nicht einmal den Freund, der du für sie bist. Sie braucht dich in Gestalt ihrer Sehnsüchte. Abmarsch!“ Impa schnippte mit den Fingern und zwei kraftvolle Sehnen aus Schatten, Impas Gewächs, ihrem Ursprung, legten sich wie Schlangen um Links starre Fußgelenke. Ohne Gegenwehr, mit weitaufgerissenen Augen und entsetzten Gesichtszügen wurde Link, der einen erschütterten Angstschrei ausstieß, von den Schattenboten durch den Saal gezerrt, bis er stolpernd vor der Balkontür landete. Den Göttinnen sei Dank war die fröhliche Musik so laut, dass kein Anwesender den schrecklichen Klagelaut des verschreckten Link gehört hatte. Noch einmal blickte Link, fast dankend zu der Ziehmutter Zeldas, die mit ihrem klugen Kopf wippte. Der junge Held nickte und trat endlich nach langer Überzeugungsarbeit auf den weißen, glänzenden Balkon, wo die Trägerin des Fragmentes der Weisheit, seine Prinzessin, die er über alles liebte, wartete... Derweil klatschte Harkenia von Hyrule neben seiner langjährigen Vertrauten Impa in die Hände. „Bravo, Impa.“, sagte seine starke Stimme. Erstaunt hängte die Shiekah ihren Schädel schief. „Wie meint Ihr, mein König?“ „Nun, ich habe mich schon die gesamte Zeit gefragt, wann es denn endlich so weit sein wird...“ „So weit?“ Aber Harkenia klopfte der Zofe nur belustigt auf die Schulter. „Glaubst du, meine liebe Impa, ich kann mit meinen lebenserfahrenen Augen nicht sehen, was hier vor sich geht?“ Und der gutmütige Harkenia schüttelte bloß mit seinem Kopf. „Auch ich war schon einmal verliebt, Impa.“ „Und Ihr habt keine Bedenken?“ „Bedenken?“, lachte der König Hyrules. „Welche Liebe hat denn keine Bedenken, Impa. Es war bloß eine Frage der Zeit. Liebe kennt keine Grenzen, nicht einmal zwischen den Gesellschaftsschichten. Und ich kann Zelda nicht ihre Gefühle verbieten... „Nein, das könnte nicht einmal das Schicksal. Heißt das... ihr habt nichts dagegen?“ Harkenia zupfte sich am Kinn und schien zu grübeln. „Zelda weiß um die Gesetze der Königsfamilie. Wenn sie sich daran hält, dann dürfte sie Link niemals lieben. Aber Zelda... sie hat soviel Glück verdient. Impa...“ Er blickte angestrengt auf. „Wenn Zelda zu mir käme und mir erzählen würde, dass sie ihren Helden liebt. Wenn sie mich darum bitten würde, ich könnte ihr nicht wiedersprechen.“ „Ihr würdet Link annehmen?“ „Ich mag ihn, Impa. Das kann ich nicht verschweigen. Aber es gäbe viele Einschränkungen für ihn bei Hofe.“ „Und der kluge Junge würde diese Einschränkungen alle annehmen, wisst Ihr das?“ Der König zuckte mit den Schultern. „Es liegt alles in Zeldas Händen.“ „Dann hoffen wir, dass sie ihre Gefühlskälte und ihre Sturheit zu bekämpfen weiß.“ Damit endete Impa, worauf in kürze der stolze König mit einer starken, sogar einen Kopf größeren Impa tanzte. (oder besser... Impa hatte den König vollsten im Griff...) Über Hyrule senkte sich die kühle Sommernacht geräuschlos nieder. Nur einige Singvögel durchbrachen die Stille, als der junge, blonde Hylianer andächtig auf den Vorbau schritt. Seine Stiefel klapperten leise, gaben seine Anwesenheit preis, und doch bemerkte die Prinzessin sein Zugegensein in dem Moment nicht. Ihm den nur halb verdeckende Rücken zugewandt stand sie einfach nur da. Das honigblonde, lange Haar schlängelte sich an ihrem schmalen Rücken hinab und lockte sich leicht an den weichen Enden. Ihr Blick galt dem klaren Sternenhimmel. Anmutig und standhaft ging das Leuchten ihrer Augen hinauf ans Himmelszelt zu dem glänzenden Großen Triforcesternbild. Auch Link rührte sich nicht und starrte sie einfach nur an. Sie war schlichtweg... wunderschön... Gerade jetzt fiel ihm das auf, ihre göttliche Ader, ihr gefährlicher Reiz. Und immer wahnsinniger, drängender erfüllte den Heroen das Gefühl, dass er ihr auf der Stelle, ohne Zweifel, gestehen musste, dass er sie liebte. Er wollte plötzlich mit seinen Knien nachgeben, wollte sich vor sie hinwerfen, sich ihr möglicherweise sogar unterwerfen. Kopfschüttelnd gaffte und bestaunte er sie weiterhin. Ihr Blick sank nieder, ein Seufzen entkam ihren roten Lippen und Halt suchend klammerte sie sich an das weiße Geländer, vor dem sie stand. Magnetisch angezogen tapste er dichter, und vielleicht waren es nicht nur die starken Gefühle für sie, die ihn näherlockte, sondern die Anziehung ihrer beider Triforcefragmente... Sachte legte er seine rissigen Kämpferhände auf ihre entblößten Schultern. Sie zuckte kurz auf und wand sich aber nicht zu ihm. „Hey...“, flüsterte er. „Hey...“, entgegnete sie, ein wenig angespannt, ein wenig scheu, sich an das Gespräch von vorhin erinnernd. War denn nicht alles geklärt? „Was machst du hier?“, fragte sie und wartete darauf, dass sich seine warmen Hände distanziert von ihren Schultern lösten. „Nichts...“ „Und was erwartest du?“ „Nichts.“, sagte er wieder und rang damit, die Wahrheit herauszubrüllen. Die Prinzessin wich nach vorne, ein Signal, dass sie seine Nähe nicht ertrug und doch drehte sie sich einfach nicht um. „Aber es ist doch alles geklärt.“, sagte sie zittrig. Und allein der unsaubere, beschwichtigende und kalte Klang ihrer Stimme verriet das Gegenteil. Nichts war geklärt... Links tiefblaue Augen schlossen sich lethargisch. Er wusste doch, dass sich nie wieder etwas zwischen ihnen klären würde. „Bist du dir da sicher?“ „Nein.“ Kurz und schmerzlos war ihre Antwort, denn sie verbat sich selbst die Wahrheit zuzugeben. Uneins mit sich selbst, was er tun sollte, wie er anfangen sollte, seine Gefühle ihr gegenüber zu erklären, verkrampfte Link mehr und mehr die Hände. Kurzum kniete er nieder, streichelte über Zeldas rechte Hand, die er fest in seine beiden nahm und meinte fast ehrerbietig: „Tanz mit mir.“ Erstaunt wich die anmutige Prinzessin zurück und schaute irgendwie unwirklich in den ernsten Blick ihres Heroen. „Das kannst du doch gar nicht...“, murmelte sie kindlich und riss ihre Hand von seinen los. „Wir werden sehen.“ Die Musik, sanft und melodisch rührte sie vom Saal her, wurde milder und weicher. Ein gefühlvoller Takt... Romantik... Wie Impa es ihm beigebracht hatte, zog er Zelda in eine nahe Umarmung und legte seine Hände auf ihre schmalen Schulterplatten. Ganz im Takt der ruhigen Töne führte er seine Prinzessin in den Tanz hinein. Von klein auf lehrte man die Königstochter des Tanzen, aber so genossen hatte sie ein paar Schritte begleitet von zarter Musik und geführt von einem wahren Gentleman noch nie. Sie wollte weinen... so sicher und verzaubert fühlte sie sich... „Ich wusste nicht, dass du tanzen kannst...“ „Impa hat es mir beigebracht...“, murmelte er und führte seine Prinzessin weiterhin in diesen Tanz hinein, träumte mit ihr und verführte sie sanft dazu, sie selbst zu sein Als der Reigen endete, standen sie einfach nur da, beobachteten den letzten Märchenhimmel in Hyrule, denn das Alte, und auch die guten Seiten dieser Welt der Magie, würden sehr bald schweigen... „Ich möchte mit dir reden...“, sagte Link leise, doch nicht mehr verlegen, nicht mehr uneins. Er wand sich ab und trat neben die Prinzessin an das glatte Steingeländer. „Was möchtest du bereden? Gibt es denn noch etwas zu klären?“, meinte sie schnippisch und neigte ihr königliches Haupt weg. Schwermütig ließ Link den Kopf hängen, und stemmte seine Ellenbogen am Geländer ab. „Du kannst auch einfach bloß zu hören...“ „Wer sagt... dass ich zu hören kann?“, äußerte sie bissig und starrte vorn über das Geländer, fühlte den Wind schwinden, fühlte das Altern des Lebens allmählich stoppen... Link seufzte angesichts ihrer verdammten Sturheit und hatte das Gefühl, er müsste sie auf der Stelle in seine Arme reißen, damit sie ihm zuhörte. Er fühlte den Zwang, er müsste sie augenblicklich küssen, nur damit sie verstand... „Dann hör’ eben nicht zu“, murrte er, klammerte sich fest an das Geländer und fragte sich inständig, was in ihn gefahren war, was ihn geritten hatte. Er wollte ihr so viele Dinge erzählen, die er noch niemandem mitteilen konnte. Er wollte seinem Herzen endlich Luft machen und Zelda war die einzige, mit der er reden konnte und reden wollte. Er seufzte und suchte nach einem Anfang für die vielen Geheimnisse in seiner Seele, die ihn schon so lange belasteten. Tiefe Geheimnisse, die an ihm zehrten, sich von wachsender Ungeduld und Schwermut ernährten. „Dann hör’ nicht zu...“, wiederholte er leiser. „Dann rede ich mit dem Wind...“ Seine Augen schlossen sich und öffneten sich einen winzigen Spalt, nur um diese Sehnsucht darin durchschimmern zu lassen. Er stützte sich mehr und mehr auf das weiße Geländer, wühlte mit seinen Händen in den goldblonden Haarsträhnen und begann sich mehr und mehr zu ärgern. Seitdem er zurückgekehrt war, hier in dieses alte Heimatland, zermalte er sich den Kopf darüber, wie er Zelda erklären konnte, warum er überhaupt jemals den Wald der Kokiri verlassen hatte. Die Götter wussten, der Grund war nicht alleine seine große Aufgabe, die der Dekubaum an ihn herantrug. Und er wollte Zelda so gerne sagen, ihr verdeutlichen, warum er nach Hyrule zurückgekehrt war, obwohl niemand hier auf ihn wartete und obwohl er hier vielleicht nur ein Unbekannter, ein Außenseiter war... Aber Link fand im Moment keinen Beginn für die dringenden Worte, die sein Herz entlasten würden... „Ich bin ein Feigling, Zelda...“, sagte er schließlich, ohne nachzudenken. Er schlug mit einer Faust auf das Geländer und wiederholte die schmachvollen Worte erneut. Immer wieder, wie eine dumme, kleine Beschwörungsformel. Zelda stand schweigend daneben, faltete ihre Hände vor der Brust und blickte augenscheinlich teilnahmslos zu Boden. Zumindest für Link schien es so, als interessierte sie sich nicht für seinen Seelenkummer. Und vielleicht empfand Link es ebenso, obwohl das Mitgefühl in Zeldas Innerem, einzig für ihn bestimmt, seine Sorgen immer verstehen wollte und verstanden hatte. „Als ich den Wald der Kokiri verließ... damals... als alles begann, zu diesem Zeitpunkt glaubte ich, ich würde etwas finden, was ich bis dahin immer vermisst habe. Ich dachte, ich würde verstehen, was es ist, das mir fehlt. Denn ich hatte ständig diesen Zwang auf der Suche zu sein. Auf der Suche nach irgendetwas, was ich nicht einmal definieren konnte.“ Mit feuchten, tiefblauen Augen strahlte der junge Heroe in die grenzenlose Nacht und sah Tiere durch die nahen Wälder schleichen, sah das Leben schlafen, dort, wo es glücklich und behütet schien. Es war seltsam, dass selbst Tiere das besaßen, was er nicht hatte... „Ich habe es gespürt, seit ich den Wald verließ. Es war ständig bei mir... diese Sehnsucht, dieses Verlangen...“, sagte er trüb. Seine Worte nur ein Widerhall seines Herzens. „Ich habe so oft darüber nachgedacht... mit wem ich reden sollte, wie ich es irgendwem erklären sollte. Aber ich war ein Feigling. Ein Angsthase vor meinen eigenen Empfindungen und Gefühlen...“ Er lachte gequält auf und suchte einen vorsichtigen Blick in das rätselhafte Blau von Zeldas Augen. Sie verstand ihn nicht, oder verstand sie? Sie wirkte so teilnahmslos und uninteressiert an seinem Seelenleben. Das einzige, was sie tat, war düster zu Boden zu starren. „Und jetzt, wo ich bei dir bin, da... da ist alles so klar. Seit ich bei dir im Schloss bin, habe ich es verstanden...“ Seine Stimme klang ein wenig wahnwitzig, plötzlich so aufgeweckt und überrascht. Link lachte wieder auf. „Es ist klar.“ „Link...“, flüsterte sie. „Bitte schweig. Bitte sag’ es nicht...“ Und er erkannte, dass ihre angebliche Teilnahmslosigkeit nur ein nichtiger Ausdruck von Angst war, einer Angst davor, zu fühlen und zu leben, zu genießen und zu lieben. Er verschränkte seine Arme und murmelte, nicht bereit sich den Mund von ihr verbieten zu lassen. „Ich wollte dir das schon die ganze Zeit sagen... ich wollte es nur dir sagen...“ Sie trat heftig zu der gläsernen Balkontür, wollte fliehen und seine Worte nicht zulassen, sie betäuben. Aber er blieb davon unbeeindruckt und hielt sie an ihrem Handgelenk fest, massierte ihre Haut mit seinem Daumen und versuchte dem Druck seines Fragmentes nicht nachzugeben. Es war brennend, das Gefühl, Zeldas rechte Hand in seiner linken zu halten. Und doch forderte es ihn irgendwie heraus, weiterzugehen, ihr alles zu sagen. „Bitte bleib’. Bitte lauf’ nicht weg. Ich muss es dir sagen“, bat er, worauf sie die Augen schloss und nachgab. Sie seufzte, nickte und lauschte den Worten, die sie nicht ertrug. „Als ich dich im Schlossgarten fand, als ein elfjähriger Junge, ich wusste nicht, dass du mein ganzes Leben bestimmen würdest...“ „Hör’ auf damit, Link. Ich bestimme dein Leben nicht! Nicht mehr“, sagte sie verbittert und drehte ihm den Rücken zu. Ja, dachte er, sie konnte sich wünschen, es wäre nicht so, aber die Wahrheit ließ sich nicht länger verschmähen, sie ließ sich nicht foltern und betrügen, so wie die Zeit, die beide Auserwählten mehr als einmal zu ihrem Spielzeug gemacht hatten. Zelda würde in Links Leben immer eine sehr bedeutende Rolle spielen, ob sie es nun wollte oder nicht. „Aber ich will, dass du mein Leben bestimmst... ich will es so...“, war seine ehrliche Antwort, unterlegt mit dem halbherzigen Grinsen, das um seine Mundwinkel spielte. „Genau, das will ich, und das wollte ich damals, als ich dich das erste Mal besuchte. Damals im Schlossgarten, das... war der Moment, wo ich es mehr als sonst gespürt habe. Diese Sehnsucht und dieses Suchen nach etwas Unwünschbarem.“ „Link...“, murmelte sie, beinahe verzaubert von seinen Worten und einer unbeschreiblichen Einfühlsamkeit von seiner Seite. Sein Name, gesprochen von der sanften, helle Stimme seiner Prinzessin, war alles, was er sich in diesem Moment wünschte, was er wollte. Wenn sie seinen Namen sagte, mit dieser Faszination, mit soviel Schwermut, dann fühlte er sich geborgen, dann fühlte er seine Sehnsüchte erfüllt. „Ich war ständig auf der Suche und habe mich doch nur selbst belogen... ich war auf der Suche nach Liebe, nach einem Zuhause... deshalb kam ich zurück... nur deshalb.“ Link schloss die Augen, erleichtert, die Worte endlich gefunden zu haben, und doch nagte an ihm die Ungewissheit, wie Zelda mit diesen Worten umgehen würde. Sie musste ihn dafür hassen, dass er solch verweichlichte Worte in ihrer Gegenwart über seine Lippen gleiten ließ. „Du wolltest einmal von mir wissen, was mich bedrückt... nun weißt du es...“ Er ließ sich zu Boden sinken und lehnte sich an das Geländer, schämte sich schon beinahe dafür, Zelda dieses Geheimnis gestanden zu haben. Bei Farore, er hatte gerade die ganze Stärke verraten, die in ihm schlummerte, alles nur wegen einem so verführenden Wunsch nach einem Heim. Nach Schutz und Geborgenheit. „Und es ist deine Sache, was du mit diesem Wissen anstellst...“, setzte er hinzu und kramte die Okarina der Zeit aus einer Seitentasche. Das alte Musikinstrument aus der königlichen Familie hatte ihn ebenso ständig begleitet, ebenso wie diese Sehnsucht, die eine Sehnsucht nach Zelda verkörperte. Ihre eigene Magie haftete an dem Instrument, verlockte ihn immer wieder dazu, das Instrument zu spielen. Und immer wenn er es spielte, drangen Bilder von Zelda und ihm in seinen Geist, besänftigten die quälende Sehnsucht ein wenig, die gerade jetzt am stärksten zu sein schien. „Ich habe eine verdammte Sehnsucht nach einer Familie, Zelda...“ In dem Augenblick setzte sich die junge Prinzessin neben ihn und zog ihre Knie zu sich heran. „Link... ich weiß... ich weiß es.“ Er schaute verwundert zu ihr, war aber keineswegs verärgert, sondern eher beruhigt. Sie wusste es, warum jedoch konnte sie ihm dann nicht einfach schenken, was er begehrte, zumal sie es ebenso wünschte? „Ich frage mich ständig, ob mir so etwas irgendwann zuteil wird. Ich meine, ich will Liebe, ich will Wärme... und dann frage ich mich immer, ob das zuviel verlangt ist“, sagte er und atmete tief ein. „Nein, das ist nicht zuviel verlangt, Link...“, sprach sie ruhig, aber hielt seine Nähe im Moment nicht mehr aus. Sie hüpfte auf die Beine und starrte hinaus in die Dunkelheit, beobachtete die vielen brennenden Fackeln der Hylianer über den dunklen Hügeln aufleuchten. „Meinst du, es gibt irgendwo jemanden, der mich lieben würde. Ich meine, nicht weil ich das Heldenblut in mir fließen spüre, oder wegen irgendwelchen Äußerlichkeiten.“ Links Stimme ließen ihre Nackenhaare aufstehen, schickten ihr all’ die Gefühle entgegen nach denen sie sich sehnte und doch... sie konnte nicht einfach auf dieses Begehren antworten. Beinahe weinen musste Zelda wegen dieser naiven Dummheit ihres Helden. Natürlich wurde er geliebt, von mehr Menschen als er dachte... „Es wird immer jemanden geben, der dich liebt, Link... Die Hylianer sehen zu dir auf, und Tausende respektieren dich mehr als meinen Vater. Du bist in ihren Herzen, auf eine Weise, die man als Herzensträger nicht verstehen kann.“ „Was bringt mir das, wenn ich von ihnen nicht so geliebt werden kann, wie ich es ersuche, Zelda? Ich will ein Heim, eine Familie!“ Link redete nun lauter, fühlte das Blut wallen, fühlte seine Macht hervortreten. „Aber es ist nicht dein Schicksal“, flüsterte Zelda und drehte ihre tränenreichen Augen zu ihm. „Von allen, die ein großes Schicksal erwartet, sind die am reichsten beschenkt, die bestimmt sind, zu lieben. Darum... ist Liebe das schönste Schicksal...“, sagte sie. „Aber dein Schicksal ist der Kampf. Und meines ist die Herrschaft Hyrules...“ Ihre Worte erstarben angesichts dieser großartigen Dummheit. Diese verdammte Schicksalsgläubigkeit machte sie krank, aber sie hatte keine Wahl als daran festzuhalten. ,Liebe war das schönste Schicksal.’ Dieser Satz, so wundervoll. Diese Worte wie ein Hoffnungsschimmer, aber er tat auch weh. Eine Träne tropfte von Zeldas Augenwinkeln. Ja, Liebe war das schönste Schicksal. Ein mögliches unter vielen. Aber keines kam ihm gleich. Und Zelda wusste schon immer, mit all’ den unschönen Gefühlen daran geknüpft, dass Liebe niemals ihr Schicksal wäre... „Sag’ mir, warum du weinst, Zelda...“ Link tupfte mit seinen Fingerspitzen über die warmen Tränen auf ihren samtenen Wangen, als sie ihn endlich wieder anblickte. Es tat so gut, von ihm berührt zu werden. Verzehren tat sie sich danach... „Liebe ist das schönste Schicksal...“, sagte sie. „Es gilt nicht für dich. Nicht für mich. Und niemals für uns.“ Damit strich sie die Falten auf ihrem Kleid zurecht, aber ihr leises Schluchzen blieb von dem Heroen nicht ungehört. „Zelda... Geh’ nicht. Lauf’ nicht schon wieder vor mir weg“, meinte er und war mit einem Schwung in ihrer Augenhöhe, hielt sie fest und blickte sie durchdringend an. „Liebe ist das schönste Schicksal...“, murmelte er. „Warum kann es das nicht trotzdem für dich und für mich sein?“ „Weil es nicht für uns gilt“, weinte sie. Link öffnete seinen Mund, wollte etwas Absurdes sagen, aber konnte Zeldas vorsichtige Andeutungen nicht wirklich begreifen. „Für uns...“, wiederholte er. „Nein... nicht für uns“, endete sie. Wortlos sah Link seine Prinzessin an, hielt den Moment fest, wünschte sich, er könnte die Zeit auf der Stelle einfrieren. „Und wenn es nicht für uns zusammen gilt, dann gilt es für keinen von uns.“ „Geh’ nicht“, murmelte er, als sie sich in Richtung Tür wand. „Ich will bei dir sein, verdammt, das wollte ich immer!“ Sein Murmeln wandelte sich in erschreckendes Rufen. „Von mir aus soll es der gesamte Königssaal wissen und dein Vater gleich mit! Ich will einfach nur bei dir sein!“ Zelda konnte seine Worte erst gar nicht begreifen, sie sah keinen Sinn darin und sie wollte nicht schon wieder zu diesen scheußlichen Gefühlen hingerissen werden, sie hätte das Königreich mit einer angeblichen Affäre mit einem Bürgerlichen beschmutzt. Ja, sie wusste, was Calatias Hoheiten von ihr hielten. Und Zelda musste ihre Ehre als Prinzessin wahren. „Aber ich kann und ich will nicht länger bei dir sein!“, giftete sie. „Weißt du, was du mir antust?“ Link blieb stumm und fühlte sich betäubt angesichts ihrer Worte. „Du bringst mein ganzes Seelenleben durcheinander! Und du begreifst es einfach nicht! Es tut uns beiden nicht gut, was hier geschieht. Ich will, dass du mich einfach in Ruhe lässt! Du bringst mich in Ungnade!“ Aber für Link war durch ihre abweisenden Worte in dem Augenblick, so intensiv wie nie zuvor, vollkommen klar, was er tun musste. Er würde Zelda nicht weglaufen lassen. Nicht schon wieder! Die Geduld endgültig verlierend packte der junge, couragierte Held seine Prinzessin beinahe grob an den entblößten Oberarmen, folgte mit einem leeren Blick der verwunschenen Wahrheit in Zeldas Augen und hätte beinahe angefangen, sie anzuflehen, ihm zu sagen, was er hören wollte. Denn er wollte klar und deutlich hören, dass sie ihn im Gegenzug ebenso liebte, begehrte... genauso wie er sie. „Küss’ mich“, sagte Link stur. Zeldas Gesicht verzog sich unverständlich, schockiert und seine Worte einfach nicht begreifend. „Wie bitte?“, sagte sie, sichergehend, sich verhört zu haben. „Du hast mich ganz genau verstanden“, sagte Link deutlich, funkelte mit seinen tiefblauen Augen in ihre sanften, verwirrten. „Küss’ mich, Zelda.“ Sie wollte sich losreißen, empört und halbwegs die Beherrschung verlierend. Aber Link umfasste ihre Oberarme umso fester. Die schöne Prinzessin wollte gerade mit Ausflüchten und einer ordentlichen Standpauke anfangen, als Links rechter Zeigefinger sich auf ihre bemalten weichen Lippen legte und sie angesichts dieser warmen Zärtlichkeit die Worte verlor. „Wenn ich dich küsste... weiß ich, du würdest erwidern. Also, was spricht dagegen? Gerade heute, wo alles erlaubt ist.“ Die blonde Hylianerin war einfach nur sprachlos... Ohne weitere Sekunden zu verlieren, riss Link die Prinzessin stürmisch in seine Arme, begann verträumt ihre Lippen zu liebkosen, auch wenn sie zunächst vor Entsetzen nicht erwiderte. Sie war so angespannt im Augenblick, nicht wie zu dem Zeitpunkt, als sie beide in der Wanne gelandet waren... Ihre Hände krallten sich zitternd in den Stoff auf Links Brust. Ihre Lippen schienen wie zugeschweißt und doch unternahm Zelda keinen Schritt zurück, um sich aus seiner Umarmung zu lösen. Stattdessen regte sich eine Gänsehaut auf ihren nackten Schultern, dort wo Links raue Hände einfühlsam entlang streichelten. Das war falsch, dachte sie. Sie konnte es nicht zulassen. Das durfte sie nicht... „Lass’ mich dich tief und innig küssen“, murmelte Link gegen ihre feuchten Lippen, die immer noch geschlossen waren, ihm den Eintritt für eine hemmungsloserer Liebkosung verweigerten. „Nicht...“, war alles, was sie sagte, bevor seine Lippen sich festigend auf ihren wiederfanden. Er ignorierte das Verbot aus ihrem königlichen Mund. Es war ihm so egal, wen er vor sich hatte. Denn er sah Zelda schon lange nicht mehr als Prinzessin an, nein, vielmehr als Freundin. Verdammt sein soll dieser Titel, dachte Link. Leidenschaftlich presste er seine Lippen stetig auf ihre, wollte sie damit überzeugen, sich zu entspannen, loszulassen, endlich sie selbst zu sein. Und diesmal, als Zelda absolut wehrlos in seiner Umarmung ruhte und er ausdauernde Küsse auf ihre Lippen verteilte, gab sie sich ihm endlich hin, ihre Lippen öffnend, den Kuss intensivierend, die Liebkosung steigernd. Während sie einander halb verschlangen und sich zu dem Kuss bewegten, blickte Impa zuerst überrascht und dann irgendwie gerührt durch die Glasscheibe der Balkontür. „Sorry...“, hauchte Link bereuend, als sich sein Mund wenige Minuten später an ihrem Hals entlang seilte und er die Liebkosung endlich enden ließ. Aber Zelda stand einfach nur da und fühlte sich beschämt und entsetzt. Und dennoch war dieses wahnsinnige, schöne Gefühl alles, worauf sie gewartet hatte. „Hasst du mich... jetzt...“, murmelte der Heroe nach mehreren Minuten schwermütig und wünschte sich, er hätte die Prinzessin gerade nicht geküsst und er hätte das gerade nicht gesagt. Hastig riss sich die stolze Prinzessin los. Ihre Augen starr und aufgerissen. Ihre schönen, rotgemalten Lippen öffneten sich für Worte, die Link nicht hören wollte. Entsetzt und zittrig blickte die schöne Prinzessin in seine Augen und wollte gerade beginnen sich zu rechtfertigen, sie als Thronfolgerin, wo sie sich doch für keine Entscheidung rechtfertigen müsste, höchsten vor ihrem königlichen Gewissen. Aber Link hob eine Hand und sagte abtuend. „Hör’ auf damit... ich brauche deine Ausflüchte nicht... ich brauche deine Lügen nicht... ich brauche bloß...“ Entschieden und ernst sah er in das Blau ihrer Augen. „Antworte nur einmal aus deiner Ehrlichkeit heraus. Hasst du mich? Hast du angefangen mich zu hassen?“ „Wer hat dir das Recht gegeben, mir eine solche Frage zu stellen?“, fauchte sie beinahe. Ihre sonst so nüchterne Stimme drohend und gewaltig. „Als ob ich mir für meine Worte dir gegenüber ein Recht holen müsste. Was, bei Nayru, ist bloß los mit dir? Kannst du mir nicht nur einmal aufrichtig, diese dumme Frage beantworten? Musst du aus jeder Laus einen ausgewachsenen Drachen machen?“ Sie verzog hochnäsig ihr Gesicht, äffte kindisch seine Worte nach und war dabei trotzig in den belebten Saal hineinzustürmen. Aber Link packte sie schon beinahe schmerzhaft an ihrem rechten Handgelenk und sagte erneut mit Wut in den Augen: „Hasst du mich inzwischen so sehr, dass ich nicht einmal mehr deine Gesellschaft verdient habe? Läufst du wieder weg? Wie damals in der alternativen Zukunft?“ Sie hielt inne und Link ließ von ihr ab, blickte traurig aus tiefstem Herzen zu Boden. Sein Fragment des Mutes kochte vor Energie, gespeist aus seinen Sehnsüchten, gespeist aus seinen Gefühlen... „Du willst wissen, was los ist?“, fauchte sie und hatte plötzlich Verzweiflungsspuren in ihrem schönen Gesicht. Angst und Trübsinnigkeit... „Ja, Zelda, sag’ mir endlich, was los ist...“ „Schön, ich sag’ dir, was los ist!“, brüllte sie und trat nah und gefährlich nah an Link heran. „Ich, die armselige, kindische Prinzessin Hyrules, erkläre hiermit, was LOS ist.“ Gekränkt und belehrend hob sie einen Zeigefinger in die Höhe und wirkte so unecht mit dem Schmerz in ihren himmelblauen Augen. „Hyrule stirbt, wie eine Leiche, aus der das dickflüssige Blut tröpfchenweise herausquillt.“, fauchte sie, unterließ es Link in die Augen zusehen und blickte beschämt zu Boden. „Prinzessin Zelda, Konstanzia von Hyrule, darf in den nächsten Monaten, solange Hyrule noch besteht, einen Prinzen ehelichen, mit ihm ein Bett teilen, ihm den nutzlosen Körper hingeben, in dem sie gefangen ist, und ihm am besten einige Kinder gebären.“ Erstarrt stand Link nur da, hatte das unverwüstliche Bedürfnis Caldrian in Tausend Stücke zu reißen und fühlte sich wie das dümmste Stück Fleisch, welches in Hyrule Leben erfuhr. Tränen standen plötzlich in ihren Augen und Link fühlte sein Fragment angesichts der Worte aus seiner Hand herauspochen. Zelda wischte sich die Tränen von den Augen und begann nun so laut zu schreien, dass Link fürchtete, es könnte in dem Saal gehört werden. „Und der einzige Hylianer, der einzige Freund, den ich habe... fragt mich...“ Leiser und leiser wurden ihre Worte und endeten in einem anbahnenden Weinkrampf. „... fragt mich, ob ich ihn hasse... wegen einem Kuss...“ Sie zitterte plötzlich heftig, torkelte rückwärts und lehnte sich mit ihrem schmalen Rücken an die robuste Glasscheibe. „... verständlich... denn das einzige, was Prinzessin Zelda kann, ist hassen... Hassen... Hassen...“ Links Sprachlosigkeit überwältigte ihn, als im Hintergrund die ersten Feuerwerkskörper am dunklen Nachthimmel einen Flickenteppich aus allen existierenden Farben zimmerten. „Nun weißt du, was los ist...“, wimmerte sie, ließ sich von den Schatten einnehmen, ließ sich erkalten, denn es war ein Rezept gegen Einsamkeit und gegen das unerträgliche Gefühl, nicht verstanden zu werden. Eine Woge der Macht nahm Zeldas zerbrechlichen, schönen Körper ein, hell und gleißend. Hylianische Formeln gelangten flüsternd über ihre Lippen, die bereits ein Abschied im Sinn hatten. Wind umhüllte sie, geboren aus der Magie in ihrem Inneren. „Zelda! Nicht!“, fauchte Link und hastete zu ihrer magischen Umhüllung, versuchte gegen diesen Schirm aus Energie anzukämpfen. Erneut ein tosender Schrei aus seinem Mund: „Zelda! Warte!“ Aber sie würde nicht bleiben. Ihre Augen schlossen sich, als kleine, kristallene Tränen an ihren Wangen hinabtropften. Link warf sich gegen den Umhang, gewebt aus der Macht der siebten Weisen und der Triforceträgerin der Weisheit, aber sie konnte ihn nicht zu sich lassen, vielleicht in einem anderen Leben, aber nicht in diesem Hyrule. Ihre schönen, blauen Augen öffneten sich traurig. „Triff’ mich ein letztes Mal morgen auf den grünen Hügeln...“, war alles, was er verstand... Und die kostbarsten Worte überhaupt formten sich wie ein kleiner Reigen aus Hoffnung auf ihren Lippen. „Ich liebe dich...“, schallte es sehr leise und undeutlich, als Zelda sich von Farores Wind wegtragen ließ... „Ich habe dich immer geliebt... Darum bitte ich dich: vergiss’ mich…“ Doch der Heroe sollte jene Worte im Rauschen des Windes nicht hören dürfen... Damit verschwand sie... In dem Augenblick gingen weitere, dröhnende Feuerwerkskörper hinaus an den dunklen Nachthimmel und niemand hörte in jenen Stunden die flehenden Schreie von Dutzenden Soldaten, die wachend im Tempel des Lichts standen, um ein furchtbares Siegel zu bewachen, am heutigen Tage aufgereiht dem sich befreienden Bösen gegenüberzutreten. Niemand sah das Blut, welches die Hallen verdreckte, da das Böse in Gestalt eines Dämons, den Weg gefunden hatte, sich zu holen, was er begehrte. Und niemand würde in den nächsten Tagen eine Träne für die vielen Toten vergießen, die in dieser Nacht noch vor die Göttinnen treten müssten, denn das Ende kam mit dem Bösen auf die Völker zu... und nur eine reine, einsame Seele würde in Hyrule bleiben, wachen und beschützen, was immer in ihrer Pflicht ruhte... (Das, was jetzt noch folgt ist der Prolog und damit enden die Vergangenheitskapitel...) Kapitel 109: Flucht zum Schloss ------------------------------- Kapitel 92: Flucht zum Schloss Feine Lichtstrahlen der satten Morgensonne schillerten hinein in die kleine Heuhütte, wo die beiden letzten Hylianer der alten, magischen Welt Hyrule schliefen. Links schlafendes Bewusstsein träumte erbarmungslos und sein Körper schwitzte. Unruhig wälzte er sich hin und her. Schaurige, schleppende Laute in Hylianisch entkamen seinen trockenen Lippen. Er wusste nicht, wo er sich aufhielt, konnte den Ort nicht beschreiben, denn er hatte nur erdrückende, kalte Nacht vor sich. Alles war so dunkel wie in jenem Zeitalter des Schreckens, wo nicht ein Lichtstrahl die Wolkendecke flutete und für sich gewinnen konnte. Und diese Finsternis raubte Atem, Wärme und Geduld. Link bewegte sich vorwärts, rannte irgendwohin, nur um aus dieser Dunkelheit zu fliehen, aber es half nichts. Es fand sich kein Weg ins Licht. Kein Weg zurück und kein Weg in die Freiheit. Und im Hintergrund trällerte laut und dumm das barbarische Gelächter Ganondorfs umher. Er lachte und lachte mit seiner unmenschlichen Stimme. Er lachte und lachte, geweiht von den Dämonen, an die er seine Seele verkauft hatte. Er lachte gehässig und mordlüstern. Mit einem keuchenden Atemzug schreckte Link aus seinem Schlaf und richtete sich so abrupt auf, dass er die neben ihm schlummernde Prinzessin mit seinen stürmischen Bewegungen unsanft wegdrückte. Link atmete schlürfend und seine tiefblauen Augen starrten ungläubig, unecht und teilnahmslos in die Leere. Selbst jetzt im wachen Zustand konnte er Ganondorfs dreckige Stimme noch hören. Sein absurdes Gelächter zog ihm den Mut aus den Knochen, sodass er fröstelte. Link stützte seinen schweren Kopf mit einer Hand ab und versuchte seine heftige Atmung zu beruhigen. Dieser Traum... lehrte ihn Angst und Zweifel, die er bisher immer wieder unterdrückt hatte, wenn sie aufgekommen waren. Er konnte es auch weiterhin ignorieren, abstellen und so tun, als ob es gar nicht da wäre. Er konnte sich selbst belügen. Aber das änderte nichts daran... Er hatte Angst... Der widergeborene Held der Zeit hatte eine verfluchte Angst, sich dem Fürsten des Bösen zu stellen. Plötzlich schlangen sich ein paar warme Arme um seinen nackten Oberkörper und Zelda schmiegte sich tröstend an ihn und murmelte sanft: „Guten Morgen, mein Link...“ „Morgen“, erwiderte er leise. Seine Stimme klang durcheinander und ließ die junge Königstochter aufhorchen. „Geht es dir nicht gut?“, fragte sie leise. Link atmete tief ein und schüttelte den Kopf, aber verhielt sich immer noch so eigenartig, dass Zelda ein zweites Mal nachbohrte: „Link... was ist los?“ „Es ist nur... ich habe nur...“ Er schloss die Augen und begann Zeldas einfühlsame Hände zu streicheln. „Hast du schlecht geträumt?“, murmelte sie und legte ihren Kopf seitlich an seinen Hinterkopf. „Ja... sehr schlecht“, gab er zu, sich wünschend, er könnte die Zeit einfrieren und diese Minuten mit Zelda genießen. Aber es ging einfach nicht mehr. Die wachsende Unruhe, tiefe Besorgnis und marternde Angst vor dem letzten Gefecht ließen einfach keinen anderen Gedanken mehr zu als den einer Niederlage. „Du fühlst es, träumst... weil deine letzte Begegnung mit Ganondorf näher rückt“, sprach sie ruhig und verständnisvoll. „Ich habe Angst, Zelda...“ Und es war das erste Mal, dass sie dieses Eingeständnis von den Lippen des Heroen hören konnte. Nicht einmal in der alternativen Zukunft, in der Maskerade Shieks hatte sie diesen Satz von seinen Lippen gleiten hören. Link drehte seinen Schädel zu ihr und sie erkannte die vielen Zweifel in seinen tiefblauen Augen, die er vorher immer unterdrückt hatte. „Ich habe Angst um dich, um die anderen Überlebenden, um die Welt und eine verdammte Angst vor Ganondorf.“ Sie schloss ihre Augen langsam und drückte Link sanft zu Boden, bis sie schließlich auf ihm saß und ihre warmen Hände an seine Wangen führte. „Hör mir zu, Link“, sagte sie fest und mit einem ungewohnt ernsten Tonfall in ihrer Stimme. Und wie er ihr zuhören würde, wenn sie ihn so wie im Moment in ihre himmlische Gewalt zog. Link nickte nur und schaute durchdringend in ihre Augen. „Glaubst du, dein wahres Ich, der Held der Zeit, hätte keine Zweifel gehabt, wenn er in wenigen Stunden seinem Todfeind gegenübertreten würde.“ Sie machte eine kleine Pause und rutschte näher an sein Gesicht, sodass sie ihn mit ihrem Glauben an das Gute durchdringen konnte. „Ein Held, Link, ist nicht geboren um keine Angst zu empfinden. Auch ein Held ist menschlich und hat das Recht soviel Angst und Zweifel zu empfinden, wie er möchte. Der Mut des Heldentums resultiert nicht daraus, keine Angst zu spüren. Nein, deinen Mut schöpfst du daraus, weil du weißt, wofür du kämpfst, weil du deine Angst besiegen kannst...“ Sie drückte einen Kuss auf seinen Mund. „Es ist in Ordnung, mein Heroe. In Ordnung Angst zu haben. Nur weil du dich fürchtest, heißt das nicht, dass du schwach bist.“ Er schloss ebenfalls die Augen und umarmte seine Prinzessin, die inzwischen auf ihm lag. „Du bist stark genug für diesen Kampf. Ich weiß, dass du es schaffst“, sagte sie festigend und spürte, wie Link sich entspannte. Jetzt war sie einmal die Tapfere von ihnen beiden, diejenige, die an die starke Hand der Hoffnung glaubte. „Besser?“, meinte sie. „Ja, danke...“, flüsterte er leise und drückte sie mehr und mehr an sich. „Danke für deine Ermutigung. Und noch etwas, Zelda...“ Sie hob ihren Kopf und schaute zu ihm. „Kannst du nicht immer so sein?“, sagte er mit einem leichten Lächeln. „Gerne. Ab heute“, erwiderte sie und lächelte ebenso. Ihre Augen schlossen sich wieder und Zelda schlummerte noch ein wenig. Link ließ sie langsam zurück auf das Heu sinken und richtete sich auf. Er streckte sich, gähnte sinnenfreudig und rieb sich den Schlafsand aus den Augäpfeln. „Ich geh’ ne Runde schwimmen, okay?“, flüsterte er nah an Zeldas spitzes Ohr, worauf sie schnurrte. Er deutete ihre komischen Laute als ein ,Ja’ und hüpfte aus der Hütte, sich auf eine Runde im kühlen Nass freuend. In Schicksalshort wehte ein glühender Wind gerade unbedeutende verwelkte Blätter über die leergefegten Teerstraßen. Im Hintergrund schallten die mordlüsternen Stimmen hungriger Kreaturen des Dunklen Reiches umher, auf der Suche nach dem letzten Leben trachteten sie nach blutigem Fleisch... Und auch in der einst so strahlenden Villa der Direktorin Ines Schattener gierten diverse Geräusche umher. Einzelne verseuchte Ratten und sich schnell vermehrendes Gewürm des Bösen trieben hier ihr Unwesen, fürchteten sich aber vor der Barriere, welche Sieben Weisen errichtet hatten um sich selbst zu schützen. Zusammen saßen jene Sieben mit Sian Johnson in dem kargeingerichteten Raum mit dem großen Beratungstisch in der Mitte. Ein letzter Tag war geblieben und alle rangen sie damit, ob die beiden Auserwählten am heutigen Tage zurückkehren würden, oder ob die gefährliche Seite der alten Welt Hyrules sie bereits verschlungen hatte. „In wenigen Stunden wird sich das Schicksal der Welt entscheiden...“, sprach Leon leise, beinahe andächtig und faltete seine Hände auf dem Tisch. „Ich bin froh, diese Minuten der Niederlage oder des Sieges mit euch teilen zu können. Lasst uns an den Sieg und vor allem an Link glauben.“ Jeder nickte und setzte ein ermutigendes Lächeln auf. Leon Johnson richtete sich auf. Seine blauen Augen gaben ein Spektakel aus Zuversicht und Ehre wieder. „Es wird Zeit, dass wir den Spiegel zur Rückkehr von Link und meiner geliebten Tochter Zelda vorbereiten.“ Erneut ging ein Nicken durch die Reihe und auch die anderen Weisen standen auf. Sie sammelten sich in dem leeren Raum mit dem undurchdringbaren Spiegel und warteten auf das Zeichen, warteten und beteten... Zufrieden hechtete der junge Held der Zeit beinahe nackt hinein in das kühle Nass. Das Wasser war nahezu eisig, aber es erweckte seine Lebensgeister und die eingeschlafenen Körperzellen für den Kampf, der vor ihm stand. Er tauchte so tief wie er konnte und schwamm einige Runden am Grund des Flusses entlang, schloss seine Augen und bereitete sich in Gedanken langsam auf das letzte Gefecht vor. Der Kampf- sein Lebensinhalt... Doch er bemerkte versunken in seinen inneren Zweifeln, welche durch Hoffnung und Mut verdrängt wurden, nicht die ersten Ableger Ganons, die sich mit brennenden Fackeln an ihn und zunächst an seine schlafende Prinzessin heranpirschten. Sie huschten durch den Wald. Kleine einfältige Moblins waren es, die nur eines konnten, ihre Fackeln nutzen. Sie unterhielten sich schlurfend und zischend in ihrer schwarzen Sprache des Bösen und hüpften wild und ängstlich näher an das Flussufer. Sie kommunizierten weiterhin, doch diesmal über ihre schlitzigen Augen, die mordlüstern aus ihren vernarbten Fratzen herausplatzten. Sie hasteten näher an die morsche Holzhütte, und das schlummernde Wesen darin hörte nicht die vielen grünen, nackten Füße auf trockenem Gras schaben. Sie lachten barbarisch und steckten die Hütte in Brand, ließen ihre Keulen und Fackeln fallen und hetzten schnell von dannen. Das Feuer verbreitete sich langsam. Dicker Rauch bildete sich und schlug in die Luft und noch immer schlief die unwissende Prinzessin in der kleinen Hütte und träumte. Link schwamm derweil um alte Findlinge, die am Grund des Flusses lagen und entdeckte nahe derer etwas Glitzerndes, Leuchtendes. Sofort erweckte dies sein Interesse und er griff hinein in den weichen Sand am Boden. Schnell schwamm er hinauf an die Wasseroberfläche und betrachtete sich seine Errungenschaft. Ein Grinsen formte sich um seine Mundwinkel, als er das dreckige Objekt wusch. Es war ein grünes Stück des Edelsteins, der Teleportiereigenschaften besaß. Noch ganz beeindruckt von dem Gestein watschelte der junge Heroe ans Ufer und hielt den grünen Splitter gegen das warme Sonnenlicht. Gerade da sah er mit Entsetzen auf und erblickte pures Feuer über der Hütte lodern und dicke, schwarze Wolken stiegen daraus hervor. Verdammt! Zelda war noch in der Hütte. Ohne Zeit zu verlieren rannte er näher und brüllte Zeldas Namen. Das Holz war inzwischen dunkelgebrannt und einige Bretter lösten sich. Er hetzte hinein in die brennende Hütte und fand seine Prinzessin immer noch schlafend in dem Heu liegen. Um sie herum glühte das Heu bereits und sie lag seelenruhig dort. Link rüttelte sie, packte sie unsanft und brüllte ihren Namen. Sie regte sich zunächst jedoch nicht. Gerade da krachten hinter ihm einige Bretter nach unten und blockierten den Ausgang. Die Hitze wurde unerträglich, und allmählich sammelte sich der Rauch beißend in den Lungen. „Zelda! Verdammt, wach auf!“, rief Link, worauf sie brummte und ihren Kopf neigte. Aber ihre Augenlider blieben geschlossen. Mit einem Anflug der Verzweiflung ersann der junge Heroe eine letzte Idee. Zügig riss er das Medaillon von Zeldas Hals los und konzentrierte sich auf den grünen Stein, den er eben erst gefunden hatte. Er spürte die Luft vibrieren, hörte die Stimmen von Macht in seinem Kopf wirbeln und fühlte allmählich die alte Magie jenes Gesteins wirken. Er klammerte sich an Zelda fest und umfasste mit der anderen freien Hand das Gepäck. Als die Hütte endgültig in sich zusammenfiel, bildeten sich wenige Meter weiter auf der Steinbrücke die Umrisse von Link, dann kam Zelda und die Taschen, sowie die Kleidung aus grünem Licht zum Vorschein. Link seufzte und wischte sich Schweiß und Ruß von der Stirn. Das war gerade noch mal gut gegangen... Er trug seine Angebetete zu dem sonnigen Ufer des Flusses, streichelte ihre sanftrosa Wangen und sagte ihren Namen eindringlich, bis sie ihre schönen blauen Augen öffnete. „Hey“, meinte sie. Link schüttelte den Kopf. „Du lässt dich wirklich durch nichts aufwecken, was?“, murrte er und zog sie an ihren Händen in einer aufrechte Position. Sie zwinkerte einige Male und schaute ihren Helden mit putzmunteren Augen an. „Irgendjemand muss die Hütte abgefackelt haben“, erklärte Link unmissverständlich. Zeldas Schädel schwenkte fassungslos hinüber. Link schlug daraufhin seine Fäuste in die weiche Erde und brummte: „Das waren Ganons dumme Ergebene. Wir müssen sofort aufbrechen!“ Sie nickte. Ohne weiteres packten sie ihre Sachen und setzten ihren Weg fort. Die Flucht zum Schloss nahm ihren unausweichlichen Anfang... Hand in Hand rannten Zelda und Link ihres Weges, durchquerten eine steile Schlucht und erreichten einen dichten Waldverschlag. Nur noch einen kleinen, braunen Pfad durch die vielen Laubgeschöpfe würden sie überwinden müssen und dann würde sich im Hintergrund, weit im Nordwesten das stolze Schloss der gütigen Königsfamilie zeigen. Zelda drückte seine Hand in ihrer ein wenig und schenkte ihm ein zweifelndes Lächeln. „Noch wenige Stunden und wir werden zurückkehren...“, sprach sie ruhig. Eine matte Bestätigung erklang von Links Lippen und er tat nichts weiter als seine Prinzessin vorwärts zu schieben. „Wir sollten nicht verweilen. Ganons Monster sind hinter uns.“ Erschrocken wand Zelda den Schädel zu ihrem Heroen. „Viele?“ „Viel zu viele...“, sagte er bitter und drängte sie beide zu schnellen Schrittes. Rechts und links des Weges thronten mächtige alte Laubbäume in die Höhe. Und es schien als wären aus dicken Knubbeln an ihrer Rinde beobachtende Augen gewachsen. Weise Augen, die sich vor näherrückender Gefahr fürchteten. Das Sonnelicht schien spärlich durch die dichten Kronen und tauchte den Waldabschnitt in ein uneinladendes Labyrinth der Verhängnis... „Unser Abenteuer wird in wenigen Stunden enden“, meinte Link leise, unterband seinen schnellen Schritt aber nicht. „Ich bin stolz dieses Abenteuer mit dir erlebt zu haben“, setze er murmelnd hinzu. Seine Worte klangen beinahe wie ein vorsichtiges Lebewohl. Zelda stoppte und löste ihre Hand aus seiner. „Link...“ Er drehte sich zaghaft um, aber schaute nicht in ihre Augen, wo sich Angst und Kummer über seine eben gesagten Worte spiegelten. Aber auch viel Verständnis für seine Zweifel. „Wir werden immer unser Abenteuer erleben... in jedem Leben... gemeinsam.“ „Ich weiß... vielleicht ist das der Grund, warum ich mich dafür bei dem Schicksal bedanken muss. Ich hätte diese Abenteuer ohne dich niemals überstehen können.“ Sie trat näher und führte ihre beiden sanften Hände auf seine Wangen. Betrübt wartete sie auf weitere seiner Worte. „Egal... was auch geschieht, ich werde es niemals vergessen. Unsere Zeit. Unser Schicksal...“, setzte er hinzu. „Die Legende von Zelda... wird niemals vergessen sein.“ „Nein, das wird sie nicht. Man wird sich immer an unsere Namen erinnern“, sprach sie und suchte seine Hände. Sie streichelte jene einfühlsam. „Egal, was geschieht... wir werden unvergänglich sein. Hyrules Märchen. Hyrules strahlende Zeitalter werden von unseren Taten erzählen und wir werden immer in diesen Geschichten aufleben.“ Sie umarmte ihn vorsichtig und drückte seinen Kopf auf ihre Schulter. „Und du wirst immer... immer... mein Held bleiben...“ „Und du wirst immer meine Prinzessin bleiben...“, sprach er betrübt, aber aufrichtig. So standen sie einige Minuten da. „Bist du in Ordnung?“, meinte sie leise und streichelte seinen blonden Haaransatz. „Ja, sicher...“ Link hatte seinen Satz kaum ausgesprochen, als unter ihnen der Boden vibrierte. Sand wurde aufgewühlt. Mit einem Angstschrei hüpfte Zelda nach hinten und stieß ihr Rückrat an einen alten Baum, dessen Wurzeln über dem Boden hinauswucherten. Link rollte sich geschickt über den Boden und zog schnell sein Schwert, bereit zu töten. Er blickte vorsorglich zu Zelda, wollte nur sichergehen, dass sie in Ordnung war und schaute dann misstrauisch zu dem sandigen Erdreich. Es geschah in dem Augenblick, dass sich aus dem Boden mehrere leichfarbene Hände herauswühlten. Todesmutig stieß Link danach und vernichtete einige, bevor sich die Körper der unmenschlichen Kreaturen aus dem Boden wühlten. Er rannte hinüber zu seiner Prinzessin und schleifte sie hinter sich her. Sie flüchteten, wussten, dass es nicht ratsam war, sich erneut in mörderische Kämpfe zu stürzen. Sie flohen und hasteten so schnell wie möglich aus dem Waldverschlag hinaus. „Was waren das für Geschöpfe, Zelda?“ „Ich denke, es waren Würmer oder ähnliches...“, schnaubte sie und sammelte heftig Luft in ihre Lungen, während sie des Weges hasteten. Sie verloren keine Zeit und bewegten ihre Beine zielstrebig nach Nordwesten. Es dauerte nicht lange und sie traten atemlos aus dem Wald hinaus. Eine weite, grüne Ebene lag vor ihnen. Im Hintergrund zeigten sich schemenhaft die Risse des stolze Königsschlosses von Hyrule... Link blieb kurz stehen und wischte sich den herben Schweiß von der Stirn. Ein Grinsen formte sich auf seinem Gesicht. Der Anblick des Schlosses in der strahlend hellen Sonne, bedacht vom blauen Himmel war ein Zeichen der Hoffnung. Die roten Banner, worauf ein stolzer goldener Adler bestickt war, wehten würdevoll im leichten Wind. Link war fasziniert davon, hielt eine Hand vor dem blendenden Sonnenlicht schützend über seine Augen und blickte muterfüllt zu dem stolzen Anblick des alten majestätischen Palastes. „Wir haben das Schloss erreicht. Endlich“, sagte Zelda erfüllt von neuem Mut und lächelte ihrem Heroen entgegen. Plötzlich sah sie etwas aus ihren Augenwinkeln schimmern. Eine Kreatur der Dunkelheit. Instinktiv drückte sie Link zur Seite. Mit einem dumpfen Schlag landete der junge Heroe auf langhalsigen Grasbüscheln und seine Prinzessin direkt auf ihm. Zischend rauschte ein schwarzes Wesen der Dunkelheit an den Hylianern vorüber. Link hielt Zelda sanft in den Armen, schenkte ihr ein dankbares Grinsen und blickte streng und todernst hinüber zu dem Dämon aus Ganons Armee. Es war ein fledermausartiges, schuppiges Geschöpft mit rotglühenden Augen. Erneut stürzte es sich auf die beiden Hylianer, worauf Link seine Prinzessin packte und mit ihr einige Meter über den Boden rollte. Der junge Held hüpfte auf die Beine, zog das Schwert mit einem Surren aus der Scheide, die er wie immer auf dem Rücken trug. Sein Mut begleitete ihn wie ein Panzer und er stürzte sich mit einer kraftvollen, zerstörerischen Attacke auf das zischende Monster. Er kletterte an ihm hinauf, und der Kreatur der Kreatur des Bösen würde kein weiterer Gedanke mehr vergönnt werden. Link drehte eine Rolle in der Luft und spaltete es gekonnt, vernichtete seine Lebensgeister. Als die Überbleibsel zu seinen Lederstiefeln lagen, blickte er hinüber zu Zelda, die schnaubend auf dem Boden hockte. „Schnell!“, fauchte Link und rannte hinter Zelda her, die zielstrebig in Richtung des Schlosses stürzte. Schrittweise kamen Link und Zelda dem Schloss näher. Der schwarze, namenslose Adler, die Verkörperung des Lebens, begleitete sie und schwebte hoch über ihren Köpfen hinweg. Und mit jedem Schlag seiner kräftigen Flügel, mit jedem Raunen aus seiner pfeifenden Kehle, taten die jungen Hylianer einen Schritt über das saftige Gras der weiten Ebene. Ihre Stiefel klapperten. Ihre Herzen schlugen schneller im gleichen Rhythmus, sich der Gefahr bewusst, die sich hinter ihnen heranpirschte. Aber sie waren sich nicht der mörderischen Gefahr bewusst, die in den Schlossmauern auf sie warten würde... Weit im Osten, direkt hinter ihnen, erhob sich aus dem kleinen Waldabschnitt, den Link und Zelda gerade erst passiert hatten, eine Armee der Untoten. Dutzende Bokblins bekleidet mit schürzenartigen Gewändern und spärlichen Stahlschutzpanzern trotten voran auf ihren pelzigen Füßen. Scharenweise kriechende Dämonen pendelten auf vergifteten Wegen der Erde. Link wagte nur einen kurzen Blick rückwärts und drängte Zelda schneller und schneller vorwärts. Nur wenige Meter trennten sie noch von der robusten Zugbrücke in die alte Hauptstadt Hyrules. Und die Monster kamen näher und näher. „Lauf schneller, Zelda!“, rief Link und drängte sie weiterhin zur Eile. Er war bereits einige Meter weiter gerannt und schaute mit bangem Blick zu der monströsen Armee des Bösen. Nur zu einem Ziel wurden sie gezeugt, trainiert und bewaffnet: sie beide auszulöschen oder sie geradewegs in das alte Schloss der Königsfamilie zu drängen. Letzter Gedanke erreichte den jungen Heroen leise und doch beständig. Entsetzt schaute er zu den vielen Kreaturen der Nacht auf einem Haufen. Knochige Soldaten. Moblins jeder Rasse und vieles anderes untotes Getier. Nur ein Narr würde eine solche Brut auf zwei junge Hylianer schicken, wenn es um deren Vernichtung ging. Etwas anderes steckte dahinter und Link zweifelte immer mehr daran, dass eine Rückkehr zum Schloss den richtigen Weg darstellen würde... Abrupt blieb der junge Heroe nochmals stehen und spähte über seine Schulter zu Zelda und schließlich wieder nach vorne. Er spürte die Gefahr von allen Seiten und hatte ein sehr sanftes, leichtes Druckgefühl auf seinem linken Handrücken... Gerade da schossen einige Riesenkreaturen, pelzige Spinnen, schleimige Würmer und sonstige Ausgeburten der Hölle aus dem Boden direkt vor der schweren Zugbrücke. Sie grölten und stapften todbringend in die Richtung der beiden Hylianer. Zeldas Angstschrei zerriss die Luft und sie blieb stehen, schaute nach vorne und zurück und krallte sich Links Hand. „Was jetzt? Diese Biester machen unseren Weg unpassierbar!“, kreischte Link unter den tosenden Entsetzensgeräuschen, die die Armee hinter ihnen und die Teufelskreaturen vor ihnen produzierten. Zelda zerrte an Links Arm und deutete auf eine Gruppe einzelner dickstämmiger Bäume. „Folge mir!“, rief sie und bog nach rechts, direkt auf die Bäume zu. Hinter einer dickstämmigen Eiche stoppte sie und ließ sich schnaufend auf ihre Knie sinken. Zelda wühlte zwischen trockenem Gras umher, bis sie unverschämt grinste und einen Eisenring in ihren Händen hatte. „Hilf’ mir mal, mein Herz“, sagte sie unter Kraftanstrengung und zerrte mühevoll an dem Eisen. „Was wird das?“ „Wirst du gleich sehen“, erwiderte sie. Link packte mit an und plötzlich erhob sich in dem Holz der alten Eiche ein kleiner Zugang. „Ein Geheimgang?“ Sie nickte. „Er wird uns unter die Zugbrücke führen. So können wir die Monster umgehen.“ Furchtvoll blickte sie zu der sich ihnen nähernden Armee. „Schnell!“, fauchte sie. Und so wurden sie beide von der kleinen unauffälligen Tür, die direkt in den Stamm der Eiche führte verschluckt. Als sie beide mit ihren Öllampen in einem unterirdischen Gang standen, fiel die kleine Tür hinter ihnen von alleine zu. Und kein Monster würde um ihren Verbleib wissen. „Es ist schon komisch, wie viele Geheimgänge du kennst, mein Liebling“, lachte Link und wagte sich in dem unterirdischen, feuchten Gang wenige Schritte voran. Zelda folgte dicht hinter ihm. „Nun, das hat dich doch immer am meisten gefreut. So konnten wir als Kinder den Tag zusammen verbringen, ohne, dass du dich mühevoll ins Schloss schleichen musstest.“ Link grinste. „Tatsächlich.“ „Nur blöderweise wusste Impa um diese Geheimgänge ebenso wie ich.“ Zelda schaute beschämt zu Boden. Link legte einen Arm um ihre Schultern und meinte aufmunternd. „Sag bloß, sie hat dich daran gehindert, mit mir Blödsinn anzustellen.“ „Nicht so direkt.“ „Aha... deshalb hat sie auch ständig versucht uns beide zusammenzubringen.“ Verwundert schaute sie auf. „Als du dich von mir abgewiesen hast, nachdem deine Erinnerungen zurückkehrten. Zu dieser Zeit hat sie ständig eingegriffen, erinnerst du dich.“ Zelda nickte. „Ja, und heute bin ich ihr unheimlich dankbar dafür.“ „Sag’ ihr das, sobald wir zuhause sind, okay?“ Sie nickte, auch wenn sie Zweifel fühlte und sich nicht sicher war, sobald zurück in der Villa von Ines stehen zu können. Sie fühlte einen Umbruch in ihrer alten Seele. Ein Ereignis wartete auf sie beide, welches Links Entscheidungen fordern würde. Und dieses Ereignis rückte mit jedem Schritt näher, war ohnehin unausweichlich in der großen Geschichte von Hyrule und der Legende Zelda... Zügig trotteten sie voran, durchquerten das unterirdische verzweigte System unter Hyrules Hauptstadt. Die Pfützen wurden größer je tiefer sie sich in die unterirdische Dunkelheit wagten, bis sie beide keine andere Wahl hatten als sich schwimmend voranzukämpfen. Als Link und Zelda tropfend die Zugbrücke erreichten und passierten, waren die Monster zu nah. Zelda blieb stehen, rief ihre magischen Kräfte und zog mit gewaltigen, goldenen Händen die Ketten hinauf. Mit einem Brummen und Zischen prallten die Monster an der geschlossenen Mauer ab. Ihr Gezänke und ihre Schreie geboren aus Mordlust und Fleischgier umzingelten abklingend die schweren Mauern. Nach der Attacke stürzte die junge Prinzessin auf ihre Knie und saugte heftig nach Luft. Ein ausgelaugter Blick ging hinüber zu Link, der misstrauisch zu bröselnden Mauern starrte. Immer wieder krachten die unmenschlichen Kräfte der Moblins dagegen und zeugten von Wut und Hass. „Zelda? Alles okay?“ „Ich bin total außer Atem... zwei Minuten“, erwiderte sie, worauf Link zu ihr niederkniete und sie skeptisch beäugte. „Ich mache mir Sorgen wegen dieser Horde Bestien da draußen.“ „Weswegen? Wir sind sie ohnehin bald los.“ Zelda zwinkerte, wischte sich das Wasser von der Stirn und ließ sich von ihrem Heroen auf die Beine helfen. „Ja, aber meinst du nicht, es ist seltsam, dass Ganondorf ausgerechnet jetzt, nach all’ den Schlachten, so viele Bestien nach uns aussendet?“ „Eine Falle?“ „Ich hoffe nicht...“, murmelte er und drückte einen kurzen Kuss auf Zeldas Wange. „Lass’ uns zum Schloss aufbrechen.“ Alsdann folgten sie der sandigen, teilweise mit Pflastergestein ausstaffierten Straße hinauf zu der Geburtsstätte der Mächtigen und hinterließen nasse Fußspuren im Sand. Eine Stunde später liefen sie hektisch einen langen Korridor des Schlosses entlang, der geradewegs zu dem alten Königssaal führte. Schwere goldenfarbene Behänge hingen an zahllosen Türen mit Spitzbögen. Und die durchdringenden, farbenprächtigen Strahlen der am Horizont versinkenden Sonne wärmten den Gang. Und weit im Hintergrund wurden die entsetzlichen, drohenden Stimmen der Moblins hörbar, die sich dem Schloss näherten. Nur noch wenige Schritte und die Hylianer hätten den Königssaal erreicht, wo ihr Vater Harkenia der Siebte gerne seine Feste und Bälle abhielt. Von dort wäre es ein Leichtes den Rückweg zu finden. Denn, von dort aus würde eine dunkle, verdreckte Treppe hinab in die Küche führen, wo das Abenteuer vor wenigen Wochen begann und gleichzeitig würde für Zelda hier nicht nur ein Kampf enden. Es war vielleicht ihr letzter Moment, der einzigartige Augenblicke des letzten Atemzugs in der alten Heimat, bevor die neue Wirklichkeit sie und Link erneut verschlucken würde. Ein letztes Fühlen und Leben in Hyrule, dem märchenhaften Land, welches durch die goldene Macht, die doch eigentlich ihr Grundstein war, erst dieses Grab erhielt, in welchem es nun verweilte. Ein Grab am Rande der Existenz. Eine unwürdige Ruhestätte, die Zelda niemals, ja niemals solange Leben ihren Körper erfüllte, akzeptieren könnte. Dieses Land. Ihr Land... es war soviel mehr als einfach nur ein Fleckchen Erde mit seinen sieben legendären Völkern, mit seinen vielen Gesetzen und seiner alten Magie. Es war wohl das gefährlichste und dennoch anziehendste Zuhause, was sich eine hylianische Seele wünschen könnte. Hyrule war unvergänglich. Auch jetzt noch, da das letzte Leben aus ihm wich. Je mehr Gedanken an ihre Liebe zu Hyrule aufkamen, umso langsamer wurden ihre Schritte. Erneut fiel ihr das Lebewohl so schwer wie Damals. Und sie zögerte. Ihr hübsches Gesicht wand sich in Richtung des großen Fensters, durch das die mächtigen Todesberge sichtbar waren. Zaghaft lehnte sie sich stirngerichtet dagegen und führte ihre Hände an das Glas. „Zelda...“ „Ich brauche nur noch einige Minuten.“ Sie schenkte ihm einen traurigen Blick, dessen Aussagekraft den jungen Heroen binnen Sekundenbruchteilen überzeugte. Er wusste, dass sie ein Lebewohl über ihre Lippen gleiten lassen wollte. Etwas, was sie im weitentfernten Damals nicht konnte. Link fühlte, wie das Band zwischen Zelda und ihrem Hyrule langsam dünner wurde, mit jedem Gedanken an das überfällige Lebewohl... „Leb’ wohl, mein geliebtes Hyrule... Schlaf endlich deinen Schlaf, den man dir nie gönnte... Träume die Träume, die deine lange Geschichte nicht erfüllte... und ruhe mit der Hoffnung auf das Glück eines neuen Zeitalters... Ade Hyrule... Ade.“ Zeldas Worte erstarben mit einer kristallenen Träne die über ihre rechte Wange tropfte. Mit einem Zeigefinger wischte sie sich diese von der Haut und atmete tief ein. „Damals...“, sprach sie und hauchte ihre Worte an das saubere Glas des Fensters. „Damals, als ich mich von dir verabschiedete, um Hyrule als Wächterin einen letzten Dienst zu erweisen.“ Sie machte eine Pause und reichte ihm eine Hand. „Ich hätte beinahe...“ Link trat näher und nahm die Hand mit einem Lächeln und küsste sie. „Ich hätte dich beinahe darum gebeten, bei mir zu bleiben.“ Link wollte etwas darauf sagen, entschied sich dann aber für das Schweigen und lauschte andächtig ihren aufrichtigen Worten. „Ein Teil von mir wusste immer, dass du mich liebst.“ Ihre Augen versanken in seinen tiefblauen, so wie in vielen Momenten vorher. „Aber der andere Teil hat sich immer davor gefürchtet, hat geglaubt, ein Leben an der Seite der Prinzessin wäre ein trostloses und wollte dich davor schützen. Aber ich habe nicht einmal daran gedacht, diese Entscheidung dir zu überlassen...“ Sie schmiegte sich an seine linke Hand. Wortlos hörte Link zu und wusste nun, dass er die wahre Prinzessin des Schicksals vor sich hatte. Dies war Zeldas wahres Gesicht und es war überwältigend für ihn. Neu, anziehend auf eine Weise, die er bisher nie gespürt hatte. „Meine Entscheidungen... sie haben uns immer dorthin gebracht, wo es keine Zukunft für uns gab. Deshalb...“ Sie löste daraufhin das Medaillon der Mächtigen von ihrem Hals und reichte ihm die wenigen bunten Steine, die noch in ihrem Besitz verweilten. „Deshalb möchte ich dass auch du deine Entscheidungen triffst, wenn du sie treffen musst. Ich möchte, dass du es mir überlässt dir zu vertrauen, mit all’ den Konsequenzen deiner Entscheidungen...“ Sie drückte das Medaillon in seine Hände. „Nimm’ es an dich, mein Heroe.“ „Warum?“, meinte er verwundert und hatte für einen schwindend geringen Augenblick das Gefühl, Zelda wollte ihn erneut verlassen. „Ich möchte es einfach...“; sprach sie aufrichtig. Link nickte und legte die Kette um seinen Hals. „Und ich möchte, dass du mir verzeihst für mein geringes Vertrauen von Damals, das ich in dich hatte...“ Link schüttelte den Kopf und zog Zelda in seine Arme. „Sag’ so etwas nicht, Zelda. Ich kann mich zwar nicht erinnern, aber ich weiß, ich fühle einfach, dass jeder Funken Vertrauen, den du mir entgegenbrachtest genug war, ausreichte, um an dich zu glauben. Bitte entschuldige dich nicht dafür. Ich...“ und damit brach er mit den Worten einfach ab. Er genoss das Gefühl so wie beim ersten Mal als er sie in seinen Armen hielt und erinnerte sich glückerfüllt an die erste Woche in Schicksalshort. An den wunderbaren Augenblick als Zelda in seinem Zimmer ihre Augen aufschlug. An die Himbeerpuddingschlacht in der Stube der Braverys. An den magischen Traum in Irland, der sie beide zusammenführte. Und besonders an die romantischen Momente im Haus der Götter, daran geknüpft ihre glücklichen Stunden zu zweit und die vielen ungeschickten Peinlichkeiten, denen sie sich nicht entziehen konnten. „Ich liebe dich... und wenn es das letzte Mal ist, dass ich diesen Satz sagen kann. Dann sage ich ihn gleich noch mal... Ich liebe dich, meine Prinzessin.“ „Nicht so sehr wie ich dich...“, sprach sie leise, worauf Link sie bestürzt anschaute. „Was war das?“ „Eine Provokation.“ Und Zelda zwinkerte. „Das ist mir klar, aber wofür?“ „Dafür...“, murmelte sie und reckte ihre Lippen seinem Mund entgegen. Sie schlossen ihre Augen, teilten freudevoll einen leidenschaftlichen Kuss, und ließen ihre Münder immer wieder sanft aneinander gleiten, als wäre es der letzte Kuss, den sie einander schenken würden. Auch wenn die Zeit drängte, so liebkosten sie einander. Ein Kuss hatte immer etwas Magisches, dachte Zelda. Es war einfach ein wunderbarer Liebesbeweis. Eine so schöne Zärtlichkeit, die Liebe einen tieferen Ausdruck verleihen konnte. Ein Kuss verband zwei Wesen ebenso wie es das Triforce tun könnte und dabei war ein Kuss so unschuldig, dachte sie... Doch dieser Kuss war aus irgendeinem Grund anders. Kaum verließen ihre Lippen einander, öffnete die junge Prinzessin ihre Augen, und hatte keine Form von Befriedigung ihrer Bedürfnisse in ihren Augen. Sie wollte mehr. Ein Hunger nach Küssen stand in ihren schönen Augen, den Link darin sehr selten erblickte hatte. Grob schlang sie ihre Arme um Links Genick und suchte ein weiteres Mal seine spröden Heldenlippen. Sie küsste langsam und genießend, hitzig und sehnsüchtig und drückte seinen Kopf beanspruchend zu ihrem. Link hatte Mühe auf ihre Zärtlichkeiten zu antworten und murmelte während ihre Lippen sich befehligend auf seine legten: „Zelda... stimmt etwas nicht?“ Sie schüttelte den Kopf und küsste ihn erneut. Grob drängte sie ihn an die harte Steinwand hinter ihm und umarmte ihn mit einer Intensität, die ihn zugleich überraschte und verwirrte. „Schatz...“, brachte er hervor. „Denk’ doch an die Zeit.“ Geschwind packte er sie unter der Hüfte, hob sie so weit nach oben, dass ihre Füßen den Erdboden nicht mehr berührten und drehte sich, sodass Zelda nun mit ihrem Rücken an der Steinwand lehnte. Verführerisch stand Link vor ihr und presste ihren Körper an seinen. „Es ist das Fragment...“, murmelte sie atemlos. „Unsere beiden Fragmente...“ Sie lehnte ihren Kopf ins Genick und fühlte seine Lippen an ihrem Hals entlang gleiten. „Sie reagieren aufeinander, da sie erwachen...“ Es war nicht alleine Zeldas geheiligte Macht der Weisheit, die auflebte. Es war ihr Ruf nach dem Fragment des Mutes, der sie zu diesen Küssen drängte. Ihre Fragmente begannen beide zu atmen und verlangten nach dem Einssein aller Machtbestandteile. Erschrocken wich Link wenige Zentimeter zurück und schaute desorientiert und leicht fassungslos auf seinen linken Handrücken. Er fühlte Wärme darauf, wie schon einige Male zuvor. Aber das leichte Kribbeln und der regelmäßige Druck, den er in Momenten der Wagnis wahrgenommen hatte, hatte sich gewandelt. Macht war es nun, die er spürte. Energie in Form von einem Vibrieren und einer fast unglaublichen Hitze. Wie Feuer und Eis zugleich, welches sich über der Haut bis hinab zum Fleisch ausbreitete. Zelda lächelte und berührte mit ihren Füßen den Boden erneut. „Dein Fragment des Mutes lebt auf... deshalb diese zwanghaften Küsse.“ Erschrocken durchbohrte er sie beinahe mit seinen tiefblauen Augen. „Das Fragment? Aber warum ausgerechnet jetzt?“, meinte Link und sah etwas schwachgoldenes durch seinen Handschuh schimmern. „Macht sucht sich immer Momente, die das Schicksal verlangt. Wir als Sterbliche haben keinen Einfluss darauf. Und...“ Sie legte eine Hand auf ihr Herz. „Und manchmal tut Macht Dinge, die wir nicht kontrollieren können, Link.“ Sie reichte ihm ihre rechte Hand, die von seiner linken umschlossen wurde. Triforceabzeichen bildeten sich wie Narbengewebe auf ihren beiden Handrücken. Ein helles Glühen, das sich von Mut und Weisheit nährte, schickte Brisen von Licht in den langen Korridor. „Wie fühlt es sich an?“, fragte sie leise. „Phantastisch...“, erwiderte er und schaute fassungslos auf die mit sonderbarer Energie aufgeladene Hand. Das untere rechte Dreieck glühte stärker und schneller. Ein Beweis für das Fragment des Mutes, welches sich nur die Seele Links als Meister wählen würde. In jedem Leben und dann, wenn Hyrule ihn brauchte. „Wie kann ich es nutzen und welche Fähigkeiten eröffnen sich mir damit?“, wollte er wissen. „Unheimliche und mysteriöse. Und alle wirst du erkennen, wenn du sie benötigst“ sagte sie hetzend, worauf Link seine Prinzessin erneut mit seinem Körper an die kalte Mauer drückte. Irgendetwas bestärkte ihn gerade in dem Gefühl, ihren Körper an seinen zu spüren, ihre empfindlichen Bereiche, wie die jungfräuliche, junge Haut an ihrem Hals zu schmecken. Etwas drängte ihn dazu, sich mehr zu nehmen als er durfte. Ein Trommeln setzte in seinem Kopf ein. Ein heftiger, schmerzhafter Rhythmus, der danach bettelte beendet zu werden. Es war wie die Stillung einer Sucht, gegen die er nicht ankam. Nicht einmal mit seiner Rechtschaffenheit konnte er dagegen gewinnen. Glich Macht und ihre Verwendung nicht ebenso einer Sucht? Und dann wenn die ersten ungeduldigen Symptome des Entzugs einsetzten, musste man sie erneut aufleben lassen, ihre Freiheit anregen und sie nutzen. Dann machte sie krank und raubte die letzten Funken Gutes aus dem Herzen... „Link...“, entfuhr es ihr vor Hitze und Aufregung, als seine triforcetragende Hand sich an ihrem Rücken entlang schlich und über ihren Po wanderte. Mehrere kleine Vibrationen verteilte des Fragment des Mutes, die Zelda auf ihrer Haut und in ihrem Fleisch spüren konnte. Es war zugleich schön, als auch erschreckend, beinahe hemmungslos. „Nicht...“ Er erstickte ihre Worte mit weiteren heißblütigen Küssen, strafte sie beinahe für ihre ernüchternden Worte. Plötzlich wich er zurück und schaute verwirrt in ihre himmelblauen Augen. „Es ist leicht den Wünschen des Fragments zu verfallen, wenn es sich nach einem anderen Fragment sehnt und sich die beiden Träger lieben...“, meinte sie und grinste halbherzig. „Wie haben wir es jemals geschafft, diese Anziehung der beiden Fragmente zu kontrollieren?“ Link nahm sie an der Hand und wollte sich mit einem Kuss darauf für seine plötzliche Grobheit entschuldigen. „Ich weiß es nicht... wahrscheinlich war unser Respekt voreinander einfach zu groß, um die Fragmente ihren Lauf gehen zu lassen.“ „Aber warum... warum passiert uns das und nicht...“ Link schaute zu Boden. „Du meinst mit Ganondorf?“ Zelda lachte plötzlich hysterisch. Sie umarmte Link liebevoll. „Kraft ist das mächtigste der Fragmente... deshalb steht es an der Spitze. Es würde sich niemals nach einer anderen Macht verzehren wollen. Und Ganondorf vertraut nur auf sich selbst und auf seine Kraft. Er würde sich niemals in diesem Maße wie wir beide nach anderen Fragmenten verzehren. Gewiss, er möchte sie besitzen. Aber nicht, weil er sich mit ihnen identifiziert, nicht, weil er sie nutzen würde, sondern, weil er Alles begehrt. Genau das ist sein Verhängnis und immer gewesen.“ Link nickte. „Ich verstehe... Mut und Weisheit sind sich anscheinend immer näher als Kraft mit ihnen in Verbindung stehen könnte.“ Zelda nickte. „Sie stehen nicht umsonst nebeneinander“, murmelte sie. Noch einmal trat Zelda an das robuste Glasfenster und stemmte sich dagegen. Langsam ließ sie alle glücklichen Momente in Hyrule wie eine sanfte Windbrise ihre eigenen Sinne umschließen und schaute beständig hinaus zu den grünen Ebenen des alten Landes. Kehrten sie zurück, würde Hyrule erneut grau und blass werden. Und dann würde es für alle Zeit schlafen... „Zelda, es ist Zeit...“, sprach er sanft, so wie Damals, als sie sich beide voneinander verabschiedeten. Ja, nun war einmal mehr die Zeit Lebewohl zu sagen. Aber dieses Lebewohl galt ganz allein Hyrule... Sie suchte seine Umarmung und legte den Kopf an seine feste Schulter. „Es tut weh...“, schluchzte sie. „Ich weiß...“ Er streichelte ihre Schultern und führte seinen rechten Zeigefinger langsam unter ihren feuchten Augenlidern entlang, tupfte die Tränen hinweg, küsste sie schließlich hinweg. „Bist du soweit? Uns rennt die Zeit davon“, hauchte er an ihr rechtes spitzes Ohr, worauf sie ein schwaches ,Ja’ über ihre süßen Lippen gleiten ließ. „Also, dann“, wisperte sie, versuchte zu lächeln, auch wenn es weh tat Hyrule vielleicht für immer zu verlassen. Mit langsamen Schritten traten sie vorwärts, durchquerten die Pforte in den alten Königssaal, wo einst Harkenias Thron von seiner Herrschaft zeugte. Im alten Saal herrschte eine rührselige Stimmung. Kleine Staubkörner tanzten umgarnt von den hellen Lichtstrahlen, die sich durch die vielen Fenster wagten. Es glitzerte hier. Ein Ort der Ruhe. Friedvoll und harmonisch. Zielstrebig hasteten Link und Zelda voran und hatten nur eines im Sinn. Einen hinteren Abschnitt in dem Saal, dort, wo eine kleine, unauffällige Treppe in die größte der Schlossküchen führte, zu erreichen. Sie waren auf halber Strecke, als sich das Ereignis anbahnte, worauf Zelda immer wieder wartete. Das Ereignis ihrer eigenen Qual und ihres großen Schicksals. Überall im Saal verdunkelte sich das Licht, schlug in Rauch um als hätte jemand das Licht vergiftet. Eine Mauer baute sich stückchenweise vor den beiden Hylianern auf und schlang sich windenartig um jeden möglichen Fluchtweg hier im Thronsaal. Es war die Zeit gekommen, da Links Entscheidung die ganze Welt retten oder sie zur Verdammnis bringen konnte. Sein Heldentum und sein Mut würden in wenigen Augenblicken gefordert werden. Schritte erklangen ehrfürchtig in dem Saal. Ein gemächliches, eingebildetes Taptap. Ein gefährlicher Reiz begleitet von dumpfem Stiefelgeklapper... Schweißperlen glänzten auf Links Stirn, der eine unfassbare böse Energie spüren konnte. Sie breitete sich ungeheuer schnell aus, wuchs und überwucherte jeden muterfüllten Gedanken. Langsam wich er gemeinsam mit Zelda zurück. Gelächter wurde hörbar in dem alten Saal. Ein jauchvolles Schnalzen und ein teuflisches Sinnieren über angebliche Siege, verfolgt vom Wahnsinn und einer absurden Einbildung für die eigene Überlegenheit. Link kannte dieses Gelächter, hatte sich gewünscht, er hätte es niemals kennen gelernt, hatte gefleht, gehofft und den Gebieter dieses abscheulichen Lachens verflucht... „Zelda“, brüllte er und schaute zu den letzten verbliebenen Ausgängen. Einer direkt hinter ihnen und einer vor ihnen. Von vorne kam das lauterwerdende Lachen eines von Gier und Macht zerfressenen Dämons, der nicht wusste, was Liebe war. „Lauf!“ Sie schüttelte mit dem Kopf, worauf Link sie von sich wegstieß. „Ich sagte, du fliehst! Tu gefälligst, was ich dir sage!“ Er schämte sich dafür, sie so zu behandeln, aber es ging nicht anders. Sie wich fassungslos zurück, fiel sogar auf ihr Gesäß und hatte einen angstvollen Ausdruck auf ihrem schönen Gesicht, den Link in seinem Leben nie vergessen würde. Sein Blick wurde daraufhin weicher. „Bitte geh’, meine Prinzessin.“ Seine tiefblauen Augen schillerten sanft und herzenswarm, erfüllt mit dem Ausdruck des Lebewohls. „Flieh, mein Engel.“ Sie nickte, unterband nur schwerfällig die Tränen in ihren Augen. Aber sie zögerte dennoch. Sie wollte ihn nicht alleine gehen lassen. Hinein in den großen Kampf. Sie wollte Link nicht wieder verlieren. Schweren Herzens rannte sie zu dem verbliebenen Ausgang, wo noch für wenige Sekunden ein Fluchtweg bestand. Als sie jedoch den Ausgang passieren wollte, prallte sie heftig zurück und landete nur wenige Meter vor Link. Sie jauchzte und spürte sofort Links warme Hände, die unter ihre Arme griffen und ihr aufhalfen. Ein zweifelnder Blick und sie drehten sich beide erneut dem absurden Gelächter entgegen, welches vom hinteren Bereich des Saales drang. Es fror das Blut in unschuldigen Adern und stieß Dolche direkt in das Herz des Mutes... Die Schritte hallten gröber und unheilvoller in dem großen Thronsaal und ihr mattes Echo klang umher wie ein nie enden wollender Fluch. Schützend stand der junge Heroe vor seiner Prinzessin und zog vorsorglich das Schwert von Leon Johnson aus der verzierten Schwertscheide am Rücken. Dann stoppten die Schritte und im selben Moment erschien umhüllt von schwarzen Wolken eine kolossale Kreatur direkt vor Link und seiner Prinzessin. Gnadenlose, düstere Augen blickten herabwürdigend heraus aus einem pechschwarzen Feld, welches allmählich eine Gestalt formte. Die jungen Hylianer wussten, wer vor ihnen stand. Wie könnten sie seine barbarische Aura auch jemals vergessen? Das Triforce des Mutes und auch das der Weisheit lebten auf, ohne, dass ihre Träger es beabsichtigten. Ein weiterer Beweis für die Anwesenheit des Fragmentes der Kraft und mit ihm war sein Gebieter. Der Fürst des Schreckens Ganondorf... Mit einem quietschenden Surren verflog die schwarze Materie um ihn und gab das abscheuliche Abbild preis, das Link immer wieder verfolgen würde. Ganondorf stand vor ihnen. Wahrhaftig und lebendig, solange das schwarze Blut in seinen Adern floss. Er trug eine schwarze Rüstung und wie immer seinen blutroten Mantel, der lässig über seine Schultern fiel. Ein breites Schwert getragen an seiner linken Seite versetzte einem Gegner Angstzustände, verführte zur Flucht und zum erbärmlichen Aufgeben. Auf seinem vernarbten, grünen Gesicht zeigte sich ein gehässiges Grinsen und aus den unheimlichen dämonischen Augen drang Hass und Rache. „Ganondorf“, entfuhr es Zelda. Und sein Name hallte todbringend umher, kündigte die Stille an, die folgte. Kapitel 110: Umsonst -------------------- Kapitel 93: Umsonst In ganz Hyrule nahm eine sonderbare Stille dem letzten Leben die Kraft. Die magischen Winde Hyrules versanken in einer trostlosen Dürre, stoppten ihr Rauschen und Brausen. Die wenigen Tiere unterlagen dem Flüstern der Vergänglichkeit Einmal mehr färbte sich ungewollt der reine, unschuldige Himmel. Auf der Erde, so nun auch in Hyrule. Wie zwei riesige Schlangen oder Fangarme nahmen zwei glühende Bänder den Himmel ein, bewegten sich als Vorboten und Ursache einer geschändeten Welt. Und der Himmel, der einst in natürlichem Blau erstrahlte, er wandelte sich wieder, wurde finster, wurde dreckig und dunkel... erneut in Hyrule... Und direkt vor ihnen stand Ganondorf. Ihr alter Feind. Auch er schwieg, unterband sein absurdes Gelächter in jener schicksalhaften Minute, in der ganz Hyrule in eine Stille getauft wurde, die in die Geschichte eingehen sollte. Und doch schien es, als wollten Ganondorfs dämonische Augen sprechen, als wollten seine Blicke die beiden Hylianer aushöhnen und schänden. Sie waren so kalt. Diese bestialischen Augen, die Zelda niemals vergessen würde, von dem Tag an, als sie jene in ihren Träumen sah. Inmitten eines Meeres aus Flammen erschienen sie, verunreinigten den Himmel und zerstießen liebe Menschen vor ihren Augen. Diese Augen waren eisig, mit einem bitteren Nachgeschmack, der die Seele betäubte. Blickte man einmal in diese unmenschlichen Augen, hätte man den grausamsten Tod jenem Schauen und Bestaunen vorgezogen. Angewidert blickte Zelda seitlich und stolperte zusammen mit Link, der seinen Körper als ihren Schutzmantel anbot, nach hinten. „Nun treffen wir uns erneut. Hier im toten Hyrule, Prinzessin“, zischte Ganondorf und starrte messerscharf in das verängstigte Gesicht Zeldas. Gefährlich und rasend, abtuend und verachtend ließ er das letzte Wort über seine aufgeplatzten, schwarzen Lippen gleiten. Er stapfte mit seinen Eisenbeschlagenen Stiefeln näher. Seine Schritte warnend und heißungsvoll. Verächtlich ließ er das mit Flüchen belegte Stahlschwert an seiner linken Seite unter seinem Mantel hervorblitzen. Seine muskulösen Beine spannten sich mit jedem zielsicheren Schritt in die Richtung des jungen Paares. Angestrengt stierten Links tiefblaue Augen zu der Bestie, die das Pärchen freudevoll und genießend das Fürchten lehrte und zurückdrängte. Eine Erinnerung schlich umher, fesselte Link leise, verbunden mit dem Wunsch, dass es seine erste Begegnung damals in Schicksalshort mit dem Meister des Bösen wäre, dass er ihm entkommen, vor ihm weglaufen konnte. Er fühlte stückchenweise, wie er den Mut in sich nicht mehr festhalten konnte. Er realisierte von neuem. Sein jetziges Dasein. Seine verbliebene Macht und das bisschen Heldentum in seinen Venen wäre für eine Herausforderung seines Erzfeindes einfach nicht genug. Link gehörte nicht zu denen, die so dumm waren, Ganondorf zu unterschätzen, ihm womöglich zu huldigen, oder zu jenen, die ihm ein menschliches Herz zu gestehen würden... Denn, was in der Seele lag, konnte man nicht unterdrücken. Ganons Machtgier, seine dämonische Seite, die er lange bevor er sich schwarzer Magie bediente, entdeckte, entsprang tief aus eben diesen Gefilden. Er könnte dagegen ankämpfen, gewiss, aber er konnte und wollte nicht. Er konnte es nie. Nicht in Hyrule und nicht auf der fortschrittlichen Erdenwelt. Er würde für den Rest seines Daseins der Dämon bleiben, der er war, sich seiner Kraft bedienen und sie auszehren bis sie seinen letzten Rest Seele aus dem alternden Körper gerissen hatte. Link schluckte vor Aufregung und Anspannung die Spucke in seinem Mund zwanghaft hinunter. Krampfartig hielt er Leons Schwert quer vor sich, spürte seine Zweifel neu aufleben. „Ist es nicht seltsam, dass uns das Schicksal ausgerechnet an diesem Ort zusammenführt. In dem erbärmlichen Königssaal deines Vaters, kleine Prinzessin. Wäre Harkenia nicht so armselig gewesen, hätte ich ihn in der alternativen Zukunft sicherlich leben lassen...“ Mit ausgebreiteten Armen trat er selbstherrlich und seine eigene Macht lobpreisend an eine Seitenwand und berührte dort einen der dicken Steinquader. Ein Geheimweg gab sich preis, worauf der Fürst des Bösen erneut sein abartiges Gekicher umherwallen ließ. „Sieh’ einer an, Hoheit.“ Er warf ein vergnügliches, aber gefährliches Feixen zu ihr und lachte wieder mit seiner tiefen Stimme. „Ist dies nicht der kleine Geheimgang, in welchem dein Vater dich einsperrte, bevor er in der alternativen Zeit von meinen Händen zerhakt wurde?“ Schmerzhafte Bilder drangen in Zeldas wehrlose Seele, nisteten sich ein und raubten ihr die Standfestigkeit. „Ich fühle heute noch sein warmes Blut über meine Hände laufen. Ein Vergnügen wird es sein, wenn ich Harkenias Kopf genauso wie damals am Stück von seinen Schultern reißen kann. Gewinselt hat er wie ein Lamm auf der Schlachtbank.“ Er lachte so laut und durchdringend, dass er sich daran verschlucken konnte. „Gefleht hat Harkenia um das Leben seiner einzigen Tochter. Gebettelt...“ Er lachte immens als alte Erinnerungen ihn heimsuchten. Zelda schlug ihre Hände ins Gesicht, versuchte die bitteren Bilder vor ihren Augen zu verschlucken, sie zu verschließen, aber es ging nicht. Überall war Blut an jenem Tage. Hier im Königssaal floss das Blut in Strömen und lief hinab in die Kanalisation, wo sich Ratten daran labten. „Hör’ auf...“, bettelte sie leise, so leise, dass Ganondorf es nicht gehört hatte. Er verschloss den Eingang wieder und breitete schwungvoll den Mantel aus. Seine kalten Augen, aus denen schon während des ersten Krieges in Hyrule das Leben gesickert war, funkelten in einem heimtückischen Glanz neuer Befriedigung. Er lebte davon, weh zu tun. Er liebte es, denn es war seine einzige Leidenschaft. Zu töten besänftigte ihn. Das Morden hatte einen süßen Geschmack für ihn, den er nicht missen wollte. „Sein Blut hat herb geschmeckt, Prinzessin. Nicht so wie das Blut eines Königs schmecken sollte.“ Es war typisch für den Gebieter über Kraft, sich am Blut seiner Opfer zu ergötzen. Es war eines der Rituale von damals, die sich in sein verwelktes Gehirn eingebrannt hatten. „Hör’ endlich auf!“, rief Zelda und schenkte dem Fürsten des Schreckens einen hasserfüllten Blick, den Link in den sonst so sanftmütigen Augen nie gesehen hatte. Nicht gegenüber Preston. Nicht gegenüber Mortesk oder Troplox, die sie zusammen besiegt hatten. „Noch immer so temperamentvoll wie damals, kleine Hoheit?“ Bei den Göttern, wie es sie anwiderte, dass dieses viehische Etwas hier in diesem Saal stand und die Frechheit besaß über die trostlose Vergangenheit zu spotten. Es war immer seine Schuld gewesen und nun zog er sich daran auf, befriedigte sich an seinen blutdurstenden Gedanken, weil es sonst nichts gab, was er fühlte. „Wie damals als ich dich in meinen Händen hatte! So widerspenstig und rebellisch. Ganz und gar nicht wie eine wohlerzogene Königstochter sein sollte. Erinnerst du dich mit Freuden an unsere Begegnung in dem kleinen Saal, wo ich dein süßes Blut schmecken konnte!“ Er spielte auf nur einen Tag an, auf seine Versuche ihr die letzte Würde zu nehmen. Damals, als er sich in Gestalt des Prinzen Vasard zeigte. Links Mund stand sperrangelweit offen angesichts dieser demütigenden Worte. Fassungslos und verletzt blickte er in die verzweifelten Augen Zeldas. Scham stand darin und erneut eine Entschuldigung für etwas, was sie ihm verschwiegen hatte. Nur, weil sie dachte, Link könnte mit dem Wissen nicht umgehen, dass Ganon neben seiner Machtgier perversen Freuden nachging. Nur, weil sie dachte, es würde ihn zutiefst verletzen, wenn er erfuhr, dass der Gebieter des Bösen ihr beinahe die Unschuld geraubt hätte. Mit genau denselben eisigen, gefühllosen Händen wie er sie heute besaß. Mit genau derselben markerschütternden Böswilligkeit wie er sie heute versprühte, überall dort, wo er wandelte. Ganondorf lachte abartig und zufrieden. Er hob seine rechte Hand in die Höhe, wo sich auf seiner verseuchten Haut das glühende Symbol für Kraft erschuf. Hell leuchtete es und doch war es verschmutzt und unrein... „Hör’ endlich auf...“, flehte Zelda und brach auf die Knie. Diese abscheulichen Erinnerungen, die sie niemals verarbeitet hatte, sie alle brachen wieder auf. Sie taten so weh. Bei Nayru, sie wimmerte. „Lass’ deine Frevel in deiner dummen Kehle stecken, du herzloses Vieh!“, brüllte sie. Er lachte wieder und blickte dann das erste Mal in den entsetzten Ausdruck auf Links Gesicht, der jegliche Farbe darin und jede Sprache seines sonst so freien Mundwerkes verloren hatte. Ganons eisige Augen waren das Schrecklichste und Schockierendste, was Link in seinem Leben jemals erblickte hatte. Es nahm ihm einfach alles. Diese abscheuliche Farbe in der Regenbogenhaut verschluckte Licht und Mut, unterband Wissen und Liebe... Eine schreckliche Gänsehaut lief über Links Rücken, nötigte ihm zu einem mutlosen Zittern und Frösteln. Diese bösartige, barbarische Energie Ganons war so mächtig, so überwältigend wie kaum etwas, was er gespürt hatte. Link war nahe dem Abgrund mit seinen mutlosen Gedanken, fühlte sich erschlagen von seiner Dummheit nur einmal geglaubt zu haben, er würde den Mut finden, gegen Ganon zu bestehen. Wie dumm, flüsterte es in seinem Kopf. Wie dumm... „Na, Heldchen?“, murrte er gehässig. „Nicht einen Streich deines Masterschwertes habe ich vergessen. Diesmal jedoch stehst du mit einem billigen Stück Stahl vor mir, das mich beschämt. Rührt es dich nicht dazu, über deiner selbst zu lachen? Besiegen willst du mich mit einem aus Menschenhand geschmiedeten Stück Stahl?“ Er schüttelte langsam den Kopf und hob einen Zeigefinger mit schwarzem Fingernagel. Langsam pendelte der rechte Zeigefinger hin und her. „Nicht doch!“, jauchzte Ganondorf und schickte mit einer heftigen Attacke das Schwert aus Links Kämpferhänden. Wortlos, wie erstarrt, sah der junge Heroe der Klinge zu, die von schwarzer Magie direkt in Ganons Hände getragen wurde. Wahnwitzig betrachtete der Dämon es, lachte darüber und brach die Klinge über seinem rechten Knie entzwei. Sprachlos sah Link zu und hatte beinahe das Gefühl an der Klinge wäre seine eigene Seele zerbrochen. „Schäbig. Wahrhaft Schäbig...“, schnalzte der Fürst des Schreckens und warf dem jungen Heroen erneut das hasserfüllte Starren entgegen, das er meisterlich beherrschte. Nur seinem Todfeind galt dieser Hass. Nur dem wahren Helden Hyrules. „Ich will dir etwas verraten, falls es deine Prinzessin nicht für nötig befunden hat. Die einzige Klinge, die mir schaden kann, ist das Masterschwert, welches sich seinen Träger selbst wählt. Du jedoch, wo du nur eine nutzlose Wiedergeburt bist, du... kannst allein schon deswegen das Masterschwert niemals so führen, wie du es solltest, da du nicht von den Göttern als Held erwählt wurdest. Auf der Erde herrschen andere Regeln als in Hyrule. Du trägst das Fragment des Mutes, sicherlich, aber du wurdest nicht prophezeit, du wurdest nicht erwählt, nicht gerufen, so wie deine früheren Erscheinungen.“ Ganondorf grinste angesichts seines Triumphes. „Du bist nur ein lächerlicher Erdenbürger, nicht mehr...“ Erstarrt stand Link einfach nur da und ließ sogar das Schild der Götter in seiner rechten Hand sinken. Ganondorf brauchte ihn über diesen Umstand nicht belehren, das wusste er selbst. Er wusste, dass er bloß ein Jugendlicher war, dessen großartige Seele tief in ihm verschlossen wurde... Erbost hüpfte Zelda auf ihre Beine, fühlte ihr Temperament brodeln. Sie ließ sich dieses einschüchternde Geschwätz nicht bieten. Und sie wollte verhindern, dass der Teufel hier sein suggestives Spielchen beendete. Er wollte Link nur zum Aufgeben bringen, das wusste sie. Denn auch Ganon fürchtete Link, selbst wenn er bloß ein Erdenbürger war... „Hör’ auf mit deinem billigen Gefasel! Ganon, du niederträchtiges Stück Vieh. Du weißt sehr wohl, dass du unrecht hast.“ Sie blickte ermutigend zu ihrem Heroen. „Du fürchtest Link, das ist die Wahrheit und ist sie immer gewesen, sonst hättest du uns schon lange ausgelöscht. Aber das Gute war bisher immer stärker als du. Das einzige, was dich antrieb ist dein Machtwunsch. Was ist, wenn du alle Mächte des Weltenreiches absorbiert hast, willst du dann dich selbst töten, weil du deine Macht nicht mehr kontrollieren kannst!?“ Der Dämon schwieg zunächst darauf, blitzte mit seinen teuflischen Augen durch den Raum und fokussierte schließlich Link und Zelda abwechselnd. Er lachte erneut. „Du enttäuschst mich, Prinzessin. Ich hätte besseres von dir erwartet als einen nutzlosen Helden zu verteidigen, dich mit diesem schwächlichen Helden abzugeben, der nicht einmal ein Bruchteil seiner wahren Natur erkannt hat.“ Gedemütigt sah Link zu Boden und verkrampfte seine Hände. Das Fragment des Mutes glühte unbeherrschbar, schickte eine leichte Schockwelle durch den Raum, der das magische Schutzfeld, welches alle Ausgänge blockierte vibrieren ließ. „Was willst du?“, rief der junge Heroe energisch und erhob das erste Mal das Wort seit Ganon hier sein lächerliches Geschwätz umherwallen ließ. „Dachtet ihr einfältigen Kreaturen tatsächlich, ich würde euch mit den Elixieren einfach entkommen lassen? Dachtet ihr euer Plan würde aufgehen? Ihr wollte meine Gegner sein? Einfältige, kraftlose Geschöpfe seid ihr! Billig!“ Er ließ das letzte Wort langsam über die Lippen gleiten, zischte, und zeigte seine dunklen Zähne während der wenigen Buchstaben. „Habt ihr beide euch herzlich vergnügt hinter dem Rücken deines Vaters, Prinzessin? Ich weiß von Hyrules Gesetzgebung und ich weiß noch mehr über eure dümmliche Liebschaft.“ Ganondorf leckte sich über seine vernarbten Lippen. Link trat währenddessen immer wieder einige Meter rückwärts und drängte seine Prinzessin so weit nach hinten wie nur möglich. „Sag’ endlich, was du willst, du Schwein!“, fauchte Link und bewaffnete sich mit einem Dolch als minderwertigen Ersatz für sein Schwert. Mit großen, höhnenden Augen begaffte Ganondorf den Dolch und lachte noch lauter, grunzte, wieherte beinahe. „Was soll dieses Spielchen? Du kannst mich nicht mehr besiegen, du armseliger Tropf... du bist nicht einmal ein Funken des Helden, der du damals in der alternativen Zukunft warst. Du beschämst mich, deinen Erzfeind und die Götter, die deine Seele im ersten Kampf auserwählten. Mir scheint, die Menschen sind alle so niedere Geschöpfe, dass sie nicht einmal einen rechtschaffenen Helden hervorbringen können. Schwach sind sie. So schwach wie du!“ Der Fürst des Schreckens zürnte, ruderte in wilden Bewegungen mit seinen Armen und ließ seine rechte Faust niederkrachen. Das Fragment der Kraft glühte, wollte foltern und töten unter Ganons Anweisung. Eine Schockwelle schoss aus der geballten Faust, erreichte den Heroen, gegen die er nicht bestehen konnte. Schreiend wurde Link durch den Raum befördert, verlor den Schild und den Dolch und landete knackend vor einer alten Marmorsäule. Nur unter Mühen hielt er das Bewusstsein, rappelte sich auf und schmeckte das Blut aufgerissener Lippen. Er kniff ein Augen zusammen und wurde erneut durch den Raum befördert. Zelda rannte hinüber zu Link, rief nach ihm, flehte, Ganon sollte aufhören, diesen Wahnsinn beenden. „Hör’ auf, Bastard!“, kreischte sie und schleuderte einen goldenen Regen ihrer geheiligten Macht auf den Schreckensfürsten. Grunzend hielt er seinen rechten Arm dagegen und die Macht der Weisheit prallte an den dunklen Armpanzern ab. Doch diesen Moment nutzte Zelda und hetzte zu Link hinüber, half ihm auf die Beine. „Verzeih’ mir, Zelda...“, murmelte Link unter heftigen Atemzügen. Er röchelte und schmeckte erneut Blut in seinem Mund. „Ich bin nicht der, der ich sein sollte...“, keuchte er und sank wieder hinab auf die Knie. Tränen sammelten sich in Zeldas Augen, obwohl sie es schon die ganze Zeit ahnte, so bitter spürte wie nie zuvor. Link war nun mal nicht ihr Held der Zeit. Er war nicht der, den sie in der Vergangenheit kannte. Er war nur ein Schatten davon, ein Bruchteil... und er würde mit seinen jetzigen Mitteln scheitern. Ein schwarzer Fangarm wucherte um Zeldas zerbrechlichen Körper, riss sie zu Boden, nur, damit der Weg zu Hyrules einstigem Helden frei war. Und Ganondorf lachte barbarisch, denn der Moment seiner Rache war nun gekommen. Jeden Schmerz von damals, den er ertragen musste könnte er dieser nutzlosen Heldenwiedergeburt erfahren lassen. Ja, jeden Schwertstreich des Masterschwerts sollte Link mit Ganondorfs schwarzer Todesklinge spüren. Spüren und leiden, wenn sie sich in Haut und Fleisch ritzte. Befriedigend war diese Vorstellung nach all den Jahrhunderten, die Ganondorf von den Helden Hyrules gedemütigt wurde. Und erneut erfasste eine übernatürliche Macht, erschaffen vom Fragment der Kraft den Heroen, wirbelte ihn durch die Lüfte, bis er an der magischen Mauer Ganondorfs aufprallte. Reglos hing Link dort, gefangen mit einem schwarzen Fluch konnte er sich nicht rühren. Er starrte ungläubig zu Zelda, sagte mit Blicken ein verheißungsvolles, friedliches Lebewohl und wünschte sich nichts anderes als sie bloß noch einmal in den Armen zu halten, bevor Ganondorf ihm den Todesstoß versetzte. Zelda winselte, lag umschlungen von schwarzen Farbbändern auf dem Boden und schaute hoffnungslos zu ihrem Helden. Sie weinte bitter, riss an den dunklen Ketten, die sie zu Boden zwangen. Und doch konnte sie sich nicht rühren. Vor wenigen Minuten noch war alles in Ordnung. Sie hatten beide ihre ungebändigte Hoffnung, ließen jene leben und atmen und wussten, dass sie zumindest eine Chance gegen Ganondorf hatten. Doch nun war es aus. Es war zu spät... Sie waren zu spät in das Schloss gelangt. Und die Mission scheiterte in diesen wenigen grausamen Sekunden. Es war umsonst. Alle Schicksalsproben der letzten Tage. Die ganzen erbarmungslosen Kämpfe und die mühevolle Sucharbeit in den Weisenstätten. Umsonst... Zelda wand sich hin und her, während ihr Fragment verzagte. Das Licht erlosch und sie fühlte sich wieder schwach, verloren, wie das kleine Kind in den einsamen Schlosstürmen. Sie sah auf und erblickte direkt vor ihrer Nase einen Bund schwarzer Lederstiefel. Höhnend stand Ganondorf vor ihr und nahm einen Bündel des blonden Haares in seine Hände. Schön waren sie, soviel Geschmack hatte Ganondorf noch. Er fühlte beinahe die Weichheit ihres Haares, obwohl jegliches Empfinden und Fühlen aus seinen schmutzigen Fingern gewichen war. Zelda flehte und kämpfe mit Gefühlen der Erniedrigung, als er seine eisige Hand an ihre Kehle wandern ließ und die wehrlose Prinzessin ruppig nach oben zerrte. „Lass’ sie!“, rief Link und versuchte sich ständig von dem schwarzen Fluch loszureißen, der ihn an die magische Wand fesselte. „Lass’ sie laufen. Das ist eine Sache zwischen mir und dir. Lass’ Zelda gehen!“ Ganons wahre düstere Augen blitzten aus seinem Gesicht wie ein Spiegel seiner schwarzen Seele. „Halt’s Maul, Held!“, zürnte er und ließ einen Stoß schwarzer Magie direkt in Links Magen sausen. Er wand sich vor Schmerzen, spuckte Blut und keuchte. Sein Schädel sank vornüber und die blonden Haarsträhnen bedeckten sein ansehnliches Gesicht vollständig. „Link!“, winselte Zelda, während Ganon sie an ihrem Hals in die Höhe. „Link!“ Zaghaft schauten seine tiefblauen Augen durch die durchgeschwitzten, verschmutzten Haarsträhnen, beobachteten mit Schrecken das Schauspiel, bis er Zeldas Blick traf. „War es in dieser Weise als Zarna, meine hübsche Dämonenkriegerin, dich leiden ließ und dir dein Leben raubte. Noch heute frage ich mich, wie du ihren Angriff überleben konntest.“ Mit aller verbliebenen Kraft drückte Zelda gegen die eisige Hand, die ihr die Luft raubte. „Link hat mich wiederbelebt. Er hat mich gerettet, so wie er eines Tages wieder die Welt retten wird“, sprach sie leise. Und obwohl ihre Situation ausweglos erschien, waren ihre Worte klar und verständlich. Nicht aus einem Wahnsinn der Verzweiflung resultierten ihre Worte. Nein, sie waren ein Grundstein für ihren Glauben. „Du wirst schon sehen“, sagte sie stockend. „Du wirst erneut fallen, noch ehe die Lichter erloschen sind. Du wirst fallen!“ Ganondorf lachte verächtlich, verpasste ihr eine heftige Ohrfeige, worauf sie wenige Meter weiter neben Link an der von Ganondorf erschaffenen Wand aufkam. Sie kreischte markerschütternd und sackte mit dem Rücken angelehnt an der Mauer zusammen. Sie presste eine Hand auf ihre anschwellende Wange und beobachtete jeden Schritt, den der Fürst des Schreckens unternahm. „Wo sind die Elixiere, Eure erniedrigte königliche Hoheit“, wollte er wissen und trat langsam, beinahe herausfordernd zu den an der Mauer gefesselten Heroen heran. „Verrate es mir!“, zischte der Dämon. „Niemals!“, fauchte sie. „Das dachte ich mir schon, dass du so rebellisch und dumm bist“, lachte er und zog genüsslich das breite, schwarze Schwert von seiner linken Seite. Er selbst hatte die Flüche auf das Schwert gesprochen mit denen er Verwundeten eine bösartige Überraschung bereiten konnte. Selbst ein kleiner Schnitt würde die Flüche des Schwertes auf das Fleisch des Opfers übertragen. Link ächzte und kniff die Augen zusammen als der blanke, dunkle Stahl an seiner Kehle entlang tanzte. Er hatte noch nie eine solche Angst vor dem Tod verspürt wie in diesem Augenblick... „Ich sage es noch einmal! Wo sind die Elixiere, oder dein lieber Link ist gleich Geschichte!“ Welch eine Erniedrigung für den Heroen Hyrules, dass er als Druckmittel für die Preisgabe der Elixiere herhalten musste. Und absolut nichts konnte er tun, gefangen in diesem fesselnden Zauber hatte er nicht einmal die Möglichkeit sich ansatzweise zu wehren. Und das wenige Licht seines Fragmentes wollte nicht auf ihn reagieren... Es war nun stumm, so stumm wie die mächtige Seele in Links Körper, die sich eine solche Demütigung nicht bieten lassen würde... Zelda zögerte, wusste sie doch, dass an diesen Elixieren das Überleben der ganzen Erde hing und doch... Der einzige, der Ganondorf zurückhalten, ihn herausfordern könnte unterlag gerade seinen Flüchen. Ohne Link hätten auch die Elixiere keinen Sinn. Wenn Link Ganondorf nicht in die Schranken weisen würde, dann könnten die vervielfältigen Kräfte der Weisen nichts ausrichten. Impa, Saria, Naboru, Ruto und Rauru sowie Darunia könnten Ganondorf nicht bannen, wenn er nicht geschwächt wäre... „Haha...“, entfuhr es dem Fürsten der Dunkelheit. „So sei es, Prinzessin. Übergibst du mir die Elixiere nicht, stirbt dein Held, dein bester Freund und dein Geliebter!“ Link richtete seinen Kopf wenige Zentimeter nach oben, blinzelte und schüttelte mit dem Kopf. „Tu’ es nicht, Zelda! Denk’ an die Zukunft“, bat er leise, beinahe undeutlich, aber sie verstand ihn gut genug in ihrer eigenen Sprache. Ein Blick reichte aus und sie wusste, was er dachte, und was er vielleicht sagen wollte. „Tu’ es nicht...“, keuchte Link und fühlte den schwarzen Fluch um seinem Körper wieder zunehmen. Es war wie eine zweite Haut, die den eigenen Körper langsam umrahmte. Sie drückte und kniff furchtbar. Sein Körper würde diese Folter nicht länger mitmachen, das spürte Link... Tränen standen in Zeldas Augen und sie stützte ihre Hände in einer anflehenden Haltung auf dem kalten Gestein ab. „Sie sind...“ Sie zögerte ein wenig und blickte traurig lächelnd in die erschütterten Augen des Heroen. „Zelda! Denk’ nicht an mich. Sag’ es nicht.“ Link kämpfte, um die Worte überhaupt sagen zu können. Er würgte und röchelte und wurde wieder so schlapp wie vorher. „Sie sind... in Links rechter Gürteltasche...“, murmelte Zelda. Sie wollte am liebsten lachen über ihre Feigheit. Aber sie konnte nicht mit ansehen, wie Link vor ihren Augen in den Tod ging. Sie konnte es nicht. Ganondorf schnipste mit den Fingern. „Na, bitte... Geht doch!“ Lachend, denn es war ein Triumph, der folgenschwerer nicht sein konnte, holte er die sieben kleinen, gläsernen Gefäße aus der Ledertasche und hielt besonders das farblose Elixier für Harkenia in seinen Händen. Ganondorf warf einen gehässigen Blick hinüber zu der jungen Prinzessin, die ungläubig das Schauspiel begaffte. Es befriedigte seine dunklen Gelüste in unvorstellbarem Ausmaß, als er die erste der kleinen Flaschen in seinen Händen zerquetschte. Wenige Glassplitter fielen zu Boden, gefolgt von der schimmernden dickflüssigen Substanz, die am Boden verdampfte, je nachdem, wie lange sie dort lag. Dann folgten die anderen Gefäße... und alle Elixiere waren wertlos... Nur ein Wort hatte Zelda in ihren trüben Gedanken. Umsonst... es war alles umsonst... Sollten denn alle Opfer umsonst gewesen sein, die sie und Link brachten? „Nun zu dir, Gartenzwerg!“, grunzte Ganondorf. Verzweifelt richtete sich die junge Prinzessin auf und schlürfte hinüber zu Link. Herausfordernd stellte sie sich vor ihn, würde nicht zulassen, dass Ganon ihn berührte oder mit seinem verfluchten Dämonenschwert verletzte. „Rühr’ ihn nicht an“, beschwor sie. Nichts amüsierte den Fürsten des Schreckens in dem Moment mehr als ihre warmherzigen Augen. Wie konnte man als Hylianerin nur soviel Ausdruck und Güte in einen Blick legen? Sie waren stark und befehligend, ihre blauen Augen, gewebt aus Farbbändern des Himmels. Und doch interpretierte Ganondorf dies nur als Schwäche, als Minderwertigkeit und als ein Aufgeben. „Keine Sorge, ich werde ihm kein Haar krümmen. Immerhin bin ich doch ein Ehrenmann.“ Zelda grinste und lachte teuflisch über diesen Zynismus. „Hör auf zu scherzen, Ganondorf. Das Wort Ehre ist einem wie dir so fremd wie die Liebe!“ Er verengte seine schlitzigen Augen missbilligend und ein argvolles Glühen funkelte daraus hervor, geboren aus seiner abscheulichen Seele. Er schüttelte den Kopf. „So rebellisch wie immer.“ Seine tiefe, markerschütternde Stimme jauchzte, als er einmal mehr seinen stolzen Mantel ausbreitete. „Du kennst keine Ehre, dazu muss man nicht rebellisch sein. Es gibt hier nur einen, der ehrenvoll ist, der seine Ideale nicht verrät und der für andere sterben würde. Es gibt hier nur einen Ehrenmann. Und das ist Link!“ Gerade da öffneten sich Links tiefblaue Augen wieder einen Spalt, schlossen sich sogleich angesichts des erdrückenden Fluches, der sich an seinen Gliedmaßen zur Körpermitte bewegte. Aber er war wach, lauschte den Worten so lange das Rauschen in seinem Kopf es nicht übertönte. Ganondorf drehte sich, lief einige Meter und zupfte sich grübelnd am Kinn. „Na gut, Prinzessin. Ich werde deinem Link eine Chance geben sich zu beweisen.“ Er lachte unecht auf. „Soll er mir doch beweisen, ob er ehrenvoll ist!“ Noch immer stand Zelda beschützend vor Link, der sich dafür schon schämte. Es sollte umgekehrt sein. Musste er andauernd von Zelda beschützt werden? „Tritt zur Seite, Prinzessin, oder ich mache mir Platz.“ Zelda biss sich auf die Lippen und zögerte weiterhin. „Dann eben anders!“ Mit einer heftigen magischen Attacke schlug er die junge Königstochter seitwärts und verschaffte sich den notwendigen Platz um seine neuen Teufeleien durchzuführen. Er nahm seine Klinge in die Hände und führte jene haarscharf über Links Kehle, sodass er sachte den Kopf hob. Link blinzelte, ausgelaugt von den Schmerzen des Fluches. „Wenn du dich entscheiden kannst, gebe ich dir die Chance deine Ehre wieder herzustellen, kleines Häufchen Dreck.“ Link tiefblaue Augen starrten ausdruckslos in die des Schreckensfürsten und doch zeigte der junge Held keine Anzeichen von Furcht oder Hass. Link war nun gefasst und vorbereitet. „Beweise, dass du dich entscheiden kannst!“, schnalzte der Dämon und ließ seine schwarze Zunge über seine aufgeriebenen Mundecken wandern. „Entscheide dich für dein eigenes Leben, für eine Rückkehr auf die Erde oder... entscheide dich für deine Prinzessin und flieh’ zusammen mit ihr aus dem Schloss bis ich euch finde!“ Der teilnahmslose Ausdruck auf Links schweißgetränktem Gesicht wurde abgewechselt von Überforderung und dem unausweichlichen Gefühl das wichtigste in seinem Leben sogleich zu verlieren. „Geh’! Aber dafür bleibt Zelda bei mir!“, rief er. „Zeig’ mir deine Ehre!“ Ganondorf lachte wieder und trat wenige Schritte zurück. Zelda oder die Erde... Nun stand Link vor der Alternative, vor der großen Entscheidungsaufgabe, vor der die vier geisterhaften Ritter ihn gewarnt hatten. Zelda konnte ihm ansehen, wie sehr er sein inneres Gefecht führte und doch wusste sie schon lange um den Ausgang... In Links Augen schienen sich die beiden Seiten einer Waage zu spiegeln. Er wog ab, dachte an die vielen Konsequenzen und daran, wo sich ihm, Zelda und der Welt die besten Karten aufdecken würden. Die anfängliche Gleichheit der Waagschalen änderte sich, sehr schnell hatte eine der Seiten mehr Gewicht. Link wusste es und Zelda wusste es von Anfang an... „Zelda oder die Welt! Entscheide dich!“, brüllte Ganondorf und stach mit seinen Augen umher, freute sich auf ein baldiges Gemetzel, ob nun auf der Erde oder in Hyrule war ihm gleichgültig. „Entscheide dich endlich!“ Links Augen wanderten zu seiner geliebten Prinzessin. Und sie konnte darin lesen, was das unausweichliche Ende für sie beide sein würde. Sie nickte. „Tu es für Hyrule und die Erde... Liebe... war nie unser Schicksal“, flüsterte sie und lächelte so bezaubernd, dass es ihm weh tat. Link atmete tief ein, während der schwarze Fluch über ihm langsam wich. Zweifel standen in seinen Augen, aber er hatte keine Wahl. Die hatte er nie... „Ich entscheide mich... für die Erde... für das Leben...“ Zelda schloss ihre Augen, aber lächelte tiefgehend. Ganondorf lachte wieder. „Wahrhaft ehrvoll!“ Er klatschte mehrmals in die Hände und packte die junge Prinzessin mit einem energischen Griff an ihrem Genick. „Bitte... erlaub’ mir ein Lebwohl...“, flüsterte sie. Ihre Stimme zittrig und unsicher. Bemüht war Zelda nun, den letzten Moment mit Link so weit wie möglich hinaus zuzögern. Ganondorf grinste. „Wie rührselig. Von mir aus, dann verabschiede dich, du kleine Hure“, lachte er und trat in Richtung des einstigen Throns. Zaghaft trat Zelda an Link heran, der noch immer an der Wand hing. Sein Blick war schwer und er schaute bewusst an ihr vorbei. Sie führte ihre sanften Hände an seine kalten Wangen, wischte mit einem Zeigefinger das getrocknete Blut von seinen Lippen und lächelte wieder. „Du musstest tun, was dir bestimmt ist, mein Held...“, sprach sie leise, während eine Träne ihre Wange hinabtropfte. „Es ist gut... Es ist richtig...“, setzte sie zitternd hinzu, während der Kloß im Hals ihr die ganze Kehle zuschnürte. „Verzeih’ mir...“, waren seine einzigen Worte an sie. Zelda schüttelten den Kopf und forderte ihn erneut auf, sie noch einmal, nur ein letztes Mal, so intensiv und liebevoll wie sonst anzublicken. „Das ist die Grausamkeit unserer Entscheidungen... Auch ich musste jene erst verstehen lernen, damals, so wie du im Heute.“ Link kniff die Augen zu, schämte sich dafür, seine Prinzessin nicht beschützen zu können, hasste sich, dass er sie Ganondorf überlassen musste. Zelda presste ihre Lippen aneinander und wühlte in ihrer Gürteltasche umher. Sie verstaute einen Brief und das kleine Tagebuch in seiner eigenen Gürteltasche. „Zelda...“, murmelte Link. Sie drückte einen kleinen Kuss auf seine Lippen. Vielleicht der letzte, den sie jemals teilen würden. „Ich liebe dich... auch für deine Entscheidungen... Ich liebe dich...“, sagte sie mit soviel Ausdruck und Fülle. Das erste und das letzte Mal. Sie flüsterte nah an sein Ohr, so nah, dass es Ganondorf nicht hörte. „Lies den Brief und erinnere dich... Leb’ wohl, mein Held.“ Damit trat sie zur Seite, atmete noch einmal tief ein und lief dem Fürsten des Schreckens mit geschlossenen Augen direkt in seine Arme. Ein dunkles Feld baute sich auf, als sich Links Fluch vollkommen löste. Und als auch das dunkle Feld verging, waren sowohl Zelda als auch Ganondorf verschwunden... Ungläubig starrte der Heroe in die Leere des Raumes, konnte es nicht begreifen, konnte nicht mehr klar denken. Er hatte Zelda verloren... er hatte sie im Stich gelassen. Seine wackligen Füße berührten den Boden, konnten aber das Gewicht auf ihnen nicht halten. Link brach nieder. Seine gesamte Kraft schien aus dem Körper gezogen zu sein. Lethargisch lag er dort auf seinem Bauch, verwundet am Körper und tief in seiner Seele, und starrte ziellos umher. Seine tiefblauen Augen schwammen in einem Meer der Trübsinnigkeit und blieben bei dem kleinen Scherbenhaufen liegen. Die großartigen Elixiere verdampften immer noch und kleine Tropfen von den regenbogenfarbigen Substanzen waren übrig... Aber was brachten diese ihm? Was sollten die Sieben Weisen mit einem Tropfen Elixier, wo er nicht einmal in der Lage war Ganondorf die Stirn zu bieten? Glückliche Momente mit Zelda zogen an seinen Sinnen vorüber als wären sie nie geschehen und nun war es vorbei. Die glücklichen Stunden mit ihr, ihre körperliche Nähe, ihre Küsse, all’ das würde vielleicht nie wieder kehren. Und alles war seine Schuld. Er war ein Tölpel, kein Held... Wut wechselte die plötzlich Trauer; und der junge Heroe richtete sich mit dem letzten bisschen Leben in seinen Gliedern auf, begann zu schreien und trommelte mit den Fäusten auf dem Erdboden umher, bis seine Haut wund war. Es war umsonst... umsonst! Und er hatte mehr als nur eine Schlacht verloren. Er hatte die Liebe seines Lebens verloren... Link trommelte weiterhin mit den Fäusten auf den Boden ein und vergoss bittere Tränen, bevor der Fluch von vorhin ihn überwältigte und sich ein Meer von dunklen Farben in seinen Sinnen ausbreitete. Bewusstlos lag der junge Heroe im Saal der stolzen Königsfamilie als die Sonne das Ende ankündigte, welches die Auserwählten sonst immer verhinderten. Es war zu spät für neue Entscheidungen. Zu spät für ein Wiedersehen. Und vielleicht schon lange zu spät für die verbliebene Hoffnung... Kapitel 111: Ein Tropfen durchmischtes Elixier... ------------------------------------------------- Kapitel 94: Ein Tropfen durchmischtes Elixier... Mit geöffneten Augen lag der junge Heroe noch immer in dem alten Königssaal, wo warme, tiefrote Sonnenstrahlen durch die mit Staub beschlagenen Fenster fielen. Und obwohl seine Augen offen standen, war nicht ein Funken Leben in ihnen. Ziellos blickte er umher, während das Medaillon um seinen Hals kleine Tickgeräusche von sich gab. Es tickte heimlich und leise, und doch tickte es, rief nach dem Leben, welches in Links erstarrtem Körper wallte. Es tickte... Aber er konnte sich nicht regen, fühlte sich betäubt und auf eine Weise gedemütigt wie er es noch nie empfunden hatte. Alles, woran er dachte war Zelda... Sie war verschwunden. Hinfort. Entführt... ausgerechnet aufgrund seiner Entscheidung. Nur, weil er die Pflicht hatte die Weltenrettung vor jegliche andere Bedürfnisse zu stellen. Er wusste, dass es notwendig war. Er wusste, dass es richtig war. Aber es fühlte sich nicht so an... Das Tiefblau seiner Augen verschmolz mit letzten Tränen der Verzweiflung, als er jene wieder schloss. Von weitem hörte er das liebliche Lachen seiner Prinzessin, hörte ihre glockenhelle Stimme nach ihm rufen in Momenten der Freude... von weiten Ufern her, irgendwo dort in der alten Vergangenheit. Ihre Augen erzählten ihm immer soviel von Liebe, auch wenn sie es bis vor wenigen Tagen nicht zulassen konnte, ihren tiefen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Und nun, da er sie endlich gefunden hatte, da sie endlich ein Paar waren, gerade jetzt musste er mit ansehen, wie sein Todfeind sie mit sich nahm. War das noch fair? Ein gefährliches Schluchzen entkam seiner rauen Kehle. Konnte das Schicksal ihm nicht endlich eine Zukunft mit ihr gönnen? Wie viele verdammte Schlachten mussten sie noch schlagen, um endlich ihren Frieden zu haben? Hatten ihre alten Seelen nicht schon genug gelitten? Ein Moment im Haus der Götter schlich durch sein zerwühltes Gemüt und durch sein verletztes Herz. Es war ein sonniger Tag gewesen, den er mit Zelda in den großartigen Gärten des Lebens verbrachte. Es war beinahe das Schönste, was er jemals gefühlt hatte, als sich seine und Zeldas Seele auf einer anderen Eben des Bewusstseins berührten... aber es war nur einmal... nur ein einziges Mal, dass sie einander so nah waren. Und dann das unglückliche Ereignis in den heißen Quellen... Immer kam etwas dazwischen und nun hatte er sie verloren, hatte sich sogar gegen sie entschieden... Er konnte immer noch nicht richtig begreifen, dass es tatsächlich geschehen war. Er konnte und wollte nicht fassen, dass Zelda nicht mehr da war... Nicht einmal das verdammte Fragment hatte ihm geholfen! Diese dumme Macht, die er nie haben wollte! Und was war mit seinen merkwürdigen Blackouts, die er sonst immer hatte? Was war mit dieser kämpferischen Seite seiner Seele, die sonst immer eingeschritten hatte, wenn er nicht weiterkam... Ein verschlucktes ,Warum’ entkam seinem trockenen Mund. Warum war er nur so ein verdammter, feiger Schwächling. ,Ich bin kein Held’, schallte es in seinen Gehirnwindungen. ,Ich bin nur Link... ein einfacher Jugendlicher. Ich bin kein Held...’ Er zweifelte immer mehr an sich und an der Liebe, die Zelda ihm geschenkt hatte. Besaß er überhaupt noch das Recht, Zelda zu lieben mit dieser verlogenen Schwäche! Mit diesem entehrten Gesicht, welches er trug? In dem Augenblick hörte Link von irgendwoher Schritte. Es war Stiefelgeklapper, das konnte er gerade noch ausmachen durch das vom Fluch nachwirkende Trommeln in seinem Kopf. Schritte. Ein leises Taptap. Unter Mühen zwang sich der junge Held dazu, seine Augen wieder zu öffnen. Es brannte, bis seine Augen tränten. „Ist... da jemand...“, hechelte er, zog sogleich durch tiefe Atemzüge Luft in seine Lungen. „Hallo...“, keuchte Link und versuchte sich aufzurichten. Aber es gelang ihm nicht so richtig. Er stemmte seinen Körper auf die Arme und brach im selben Moment wieder zusammen. Ein klägliches ,Zelda’ entkam seinen Lippen. ,Komm’ zurück...’ Gerade da kniete jemand zu ihm nieder; und Link spürte eine kleine, kühle Hand auf seiner Stirn. Der Heroe blinzelte und sah dann Zeldas Augen, die auf ihn herabsahen. Er wollte lächeln und begriff erst wenige Sekunden später, dass es ihre Augen waren, aber nicht sie selbst. Es war Klein- Link, der mit den gleichen besorgten Augen auf ihn nieder sah. „Kann ich dir helfen?“, murmelte der Junge im elfjährigen Körper. Aber Link schüttelte so gut es ging den Kopf. „Er hat Zelda...“, seufzte Link wehleidig und kniff die Augen wieder zusammen. „Ich weiß...“, sagte der Kleine traurig. „Ich habe alles beobachtet...“ Er schniefte und Tränen tropften von seinen Augen auf die roten Wangen. „Was soll ich jetzt tun?“, meinte er. „Die Elixiere...“, hauchte Link. „Kümmere dich um... die Elixiere... nicht um mich.“ Geschwind hüpfte der kleine Zwerg in der grünen, teuren Tunika auf seine Beine und überblickte seine Lage. Er entdeckte einige regenbogenfarbene Tropfen auf dem Boden, nur wenige Meter neben Link. Rasch hüpfte er hinüber und überlegte, während das magische Elixier verdampfte und sich ein rauchiges Gemisch in die Luft bewegte, wo es endgültig verging. „Was soll’ ich damit machen?“ „Hast du irgendein Gefäß?“, murmelte Link und versuchte sich zu bewegen. Mit einem Keuchen stemmte er seinen Oberkörper in eine aufrechte Position. Aber es ging nicht, der Fluch steckte noch in seinen Knochen. Er konnte sich einfach nicht halten... Seine Arme zitterten, bis ihm die Kraft versagte, und er erneut zusammenbrach. Besorgt blickte Klein-Link nieder und tupfte mit einer kleinen Hand auf Links blonden Schopf herum. „Was ist...“, murmelte Link. „Hast du ein Gefäß?“ „Nein...“ „Dann schau’ in meinen Taschen, da muss noch irgendwo eine Glasflasche mit Wasser sein.“ Klein-Link tat wie geheißen und wühlte heftig in den Taschen herum bis er die Flasche fand. Er schüttete sie aus und versuchte das übriggebliebene, durchmischte Elixier in die Flasche zu füllen. Er schabte regelrecht mit seinen kleinen Händen, fing sich sogar einige Glassplitter ein, bis es nicht mehr ging. Es war nicht viel von der Substanz in der Flasche. Aber immerhin ein Teil... „Bring’ die Flasche so schnell wie möglich... zu den Weisen, okay?“, hechelte der Heroe. „Und was ist mit dir?“, fragte Klein- Link und wirkte so verletzt und besorgt um den Erwachsenen. „Tu’ was ich dir sage, bitte!“ „Aber...“, stammelte der Kleine. „Hör’ auf mich... bitte bring das Elixier zu den Weisen.“ Klein- Link seufzte und schniefte. „Aber ich kann dich nicht einfach hier lassen, Papa!“ Link hustete angesichts dieser Bezeichnung. Seine Augen waren plötzlich groß und munter. Angestrengt blickte er zu dem jungen Spund, der dieses Wort wahrhaft ernst meinte. Meinte der Bengel das wirklich ernst. Himmel, dieser Zwerg hatte ihn wirklich Papa genannt... „Du musst!“, befahl Link. „Du musst das Elixier fortbringen...“ „Aber was wird aus dir?“ Link grinste abartig und atmete schlürfend ein und aus. „Ich komm’ schon klar... ich kann mich ohnehin... nicht bewegen...“ Das Götterkind zog die Nase nach oben und sagte fest: „Ich hole Hilfe.“ Klein- Link war erfüllt von dem Gedanken zu helfen, stolz, dass er etwas tun konnte. Link bejahte mit einem beschwörenden Blick und sein Kopf sank wieder nieder. Daraufhin materialisierte sich der kleine Bengel in der grünen Tunika und suchte in seinem Bewusstsein nach der Villa von Ines. Währenddessen herrschte im großen Beratungszimmer von Impa Trubel und Hektik. Besorgt schielten die sechs Weisen auf den Spiegel, einschließlich Sian, der seine Hände gegen die matte Oberfläche gestemmt hatte. „Wo bleiben die denn nur solange?“, fragte Sara energisch und lief im Raum auf und ab. Seit Tagen schon machte sie sich höllische Sorgen um ihren Bruder. Ob mit ihm alles okay war? Und was war mit Zelda passiert? Schließlich hatte Impa den Weisen mitgeteilt, dass die Prinzessin des hylianischen Landes irgendeine Verletzung mit sich herumschleppte. Und was war vor einigen Tagen passiert? Es war wie als wären die beiden Auserwählten plötzlich vom Erdboden verschluckt gewesen? „Sie hätten schon längst durch den Spiegel treten müssen!“, äußerte Sara laut. Sie lief hinüber zu Sian und starrte ebenso in die raue Oberfläche. Impa stand mit Harkenia ein wenig abseits und hatte ihre Arme verschränkt: „Was meint Ihr dazu, Leon?“ Der Angesprochene zupfte sich an seinem grauen Bart und begann nachdenklich einige Schritte hin und her zu laufen. Man merkte ihm an, dass er sich Sorgen um seine Tochter machte, auch wenn Link sie begleitete. Natürlich war Link wie ein Sohn für ihn und er hatte ihn heimlich immer respektiert und auf eine Weise geachtet, die Zelda nicht begreifen wollte. Aber für Harkenia, der das Beste für seine Tochter wollte, kam eines bisher nicht wirklich in Frage... Er wusste, dass sie einander liebten, gewiss, aber er wehrte sich immer noch gegen den Gedanken, dass die beiden in dieser Welt tatsächlich ein Paar werden könnten. Dieser Gedanke war so unerreichbar für ihn, auch wenn er Link als Schwiegersohn akzeptieren würde. Und in der Vergangenheit hätte ein Satz von Zeldas hübschen roten Lippen genügt. Nur ein Satz hätte genügt, um Harkenias festgefahrene Meinung zu den Heiratsgesetzen der Königsfamilie zu ändern. Hätte Zelda ihm ausdrücklich, ehrlich und mit Standfestigkeit mitgeteilt, dass sie Link liebte, dann hätte er vermutlich mit sich reden lassen. War es Zeldas eigene Feigheit, dass sie ein Leben mit Link an ihrer Seite nicht für möglich hielt? Vielleicht war es das... „Ich befürchte schlimmes, Impa...“, murmelte der ältere Mann. „Und in wenigen Stunden steht der blutrote Vollmond am höchsten Punkt. Wenn Link und Zelda nicht hier sind und uns die Elixiere übergeben können, dann...“ Er senkte sein altes Haupt. „Dann werden wir versagen.“ Dann würden die letzten Lichter der Welt ausgehen. Nicht nur die Weisen würden versagen. Die Sieben in Gestalt des Guten hätten ihre eigenen Kämpferideale verraten und wären zu den Kampflosen geworden, die sie verachteten. Die Welt würde versinken in einer Dunkelheit, die nicht einen winzigen Lichtstrahl mehr zuließ und die altehrwürdigen Gesetze von Licht und Schatten, die von einander abhängen, wären gebrochen... Nur Dunkelheit würde regieren. Und das Ungleichgewicht würde für Jahrtausende oder sogar für alle Ewigkeit fortbestehen... Naboru trat näher und rüttelte aufgebracht am Spiegel. „Verdammte Sauerei, ich geh’ jetzt dort rüber!“ Denn auch sie machte sich Sorgen um Zelda und Link, die sie beide sehr gut leiden konnte. Gerade da sammelte sich in dem Raum ein merkwürdiges, gleißendes Leuchten. Es vereinigte sich mit einem heimlichen Ziehen, Brummen und Zischen in der Zimmermitte, erschuf Form und Lebendigkeit. Ein kleines Wesen sammelte sich in dem silbernen Licht, bis schließlich große, muntere, himmelblaue Augen aus einem niedlichen Kindergesicht herauslugten. Zuerst begafften alle das kleine Geschöpf, waren verwundert über die Kleidung des kleinen Mannes- besonders wegen der edlen, grünen Tunika- und noch erstaunter über die Ähnlichkeit des Kleinen mit dem erwachsenen Link. Sara stolperte einige Meter rückwärts. Naboru grinste wie ein Speckschwarte. Ruto war entsetzt. Impa regte nicht eine Falte auf ihrer Stirn, als hätte das Ereignis sie nicht im Geringsten beeindruckt, während die anderen nur teilnahmslos den Jungspund betrachteten. Aufgeregt hüpfte Sara hinüber zu dem Bengel und packte ihn an seinen Armen. „Link! Bist du das? Was ist mit dir passiert? Die Magie der Kokiri?“ Der Bengel schaute mit großen, erwartungsvollen Augen in die graublauen Saras und wusste nicht, auf welche Frage er zuerst antworten sollte. Harkenia trat näher und legte eine runzlige Hand auf Saras Schulter. „Nein, das ist nicht Link...“ Er kniete nieder und sah freundlich in die himmelblauen Augen des jungen Kerls. Die Augen, die seinen eigenen unhaltbar glichen. „Seht!“, rief Harkenia und erfreute sich immer mehr an dem kleinen, würdevollen Erscheinungsbild. „Er hat Zeldas Augen.“ „Was soll das heißen?“, äußerte Ruto und stapfte mit ihren blauen Absatzschuhen näher. „Ist dieser Bengel vielleicht der Sohn von Zelda und Link?“ Plötzlich herrschte eine unangenehme Funkstille in dem Raum und von außerhalb drang das Zischen und Raunen der sich vermehrenden Monster. Das Schweigen in dem Raum, bekräftigte das Ja, welches niemand aussprechen konnte. Sara grinste abartig und begann schließlich zulachen, während Ruto vor Schreck auf ihr Gesäß fiel. Impas Blick entsprach in etwa dem schadensfrohen Satz: „Ich hab’s gewusst!“ und der Rest der Meute schwieg mit Bewunderung. „Bist du tatsächlich ein Kind von meiner Tochter?“, fragte Harkenia einfühlsam und sah erst jetzt den Schwermut und die Besorgnis in den blauen Kinderaugen. Er schüttelte den Kopf und wimmerte dann. „Weiß nicht... so richtig...“ „Du bist nicht in irgendeiner Weise mit ihnen verbunden?“ „Doch...“ „Dann sag’ mir, wer bist du!“ „Ich weiß nicht so genau...“ Harkenia atmete tief aus und versuchte Ruhe zu bewahren in jener Minute, wo die letzten Minuten der Welt ablaufen könnten. „Bist du durch die Zeit gereist?“ Das Götterkind schüttelte den Kopf. Er presste seine Lippen aneinander und meinte dann trotziger: „Das ist komplizierter!“ „Okay, erklär’ uns das später, aber warum bist du hier, Junge!“ Klein- Link brachte zunächst kein weiteres Wort aus seinem Mund und Tränen tropften von seinen Wangen. Zaghaft reichte er das übriggebliebene durchmischte Elixier an Harkenia. Fassungslos starrte der einstige König auf die wenigen Tropfen Elixier, die zudem auch noch vermischt waren. Das Götterkind sah weinend auf und winselte: „Das Schwein hat die Elixiere kaputt gemacht. Er hat Zelda einfach mitgenommen und Link... liegt regungslos im Königssaal. Bitte, ihr müsst ihm helfen... Bitte!“ Der Kleine drückte seine mit kleinen Kratzern übersehenen Hände ins Gesicht, während Harkenia seinen verstopften Hals leeren musste. Das war es also. Ganondorf hatte die Elixiere zerbrochen... und erneut befand sich die Prinzessin des hylianischen Landes in seiner Gewalt. Geschichte wiederholte sich, ja, Leon wusste es, wusste um dieses alte, verfluchte Gesetz... Sprachlos nahm Harkenia das regenbogenfarbene Elixier an sich, wusste er doch, dass diese vermischte Substanz niemals genügen würde, um die Kräfte der Weisen zu stärken. Mit diesem Elixier konnte man Ganondorf nicht mehr bannen. Selbst wenn Link Ganondorf die Stirn bieten und ihm den Todesstoß versetzen könnte, so würde sich der Fürst des Bösen regenerieren, noch ehe man sich versah. Ein Verbannen seiner schwarzen Seele in eine andere, karge Dimension war unausweichlich. Schon die alten Weisen waren sich diese Sache bewusst... Und mit dem letzten Rest Elixier wäre ein Verbannen nicht mehr möglich. Hatten die wenigen Guten auf der Erde bereits versagt? Hastig trat der ältere Mann an seinen Sohn Sian heran und bat ihn beschwörend: „Sian. Bitte durchquere den Spiegel, suche nach Link und bringe ihn zu uns.“ Sian nickte ohne zu überlegen. „Ich will mit. Link ist schließlich mein Bruder in dieser Welt!“, rief Sara und trat herausfordernd zu dem einstigen Shiekah. Doch Sian schüttelte den Kopf, ebenso wie Impa. Mütterlich und nicht wie die einstige Horrorbraut, die sie sonst immer für Sara war, trat sie näher und sagte leise: „Sara, überlass’ Sian diese Sache. Wir können nicht riskieren, dass Ganondorf nur einen von uns zwischen seine Finger bekommt!“ Die Fünfzehnjährige nickte und ließ bekümmert das Haupt hängen. Wie ein Schatten glitt Sian dann hinein in das milchige Spiegelglas und hinterließ besorgte Gesichter, auf der Suche nach dem einzigen Helden, der Ganondorf noch stoppen konnte. Kapitel 112: Vergiftete Macht ----------------------------- Ihre Augen waren leer... Das Leben darin stand still, wusste es doch um die Grausamkeit des Schicksals, in dem es gefangen war. Und doch waren jene Augen so schön, so schön und traurig wie seit eh und je. Himmelblau und unvergesslich. Gewebt aus Farbbändern des Himmels, wo wie ihre Mutter es immer gesagt hatte, wenn sie in diese Augen blickte... Weitgeöffnet beobachteten sie ihre finstere Umgebung, erkennend die Mitleidlosigkeit der blutroten Strahlen von außen, die in diesem kargen Zimmerchen mit der unnatürlichen Nacht spielten, sich ihr aber immer wieder entrissen. Sie war so vertraut, diese bösartige Dunkelheit, diese erschreckende Realität, und dann erschien sie ihr in jenem Moment atemlos befremdend... Die Besitzerin der Augen, welche erforschend in dem Räumchen umherwanderten, kannte dieses Schauspiel der Macht des Schreckensfürsten und sie erinnerte den Geschmack dieser stinkenden Gefährlichkeit, über die Ganondorf verfügte. Schmecken konnte sie die Gewürze seiner Macht auf ihrer pelzigen, trockenen Zunge. Irgendwo hörte sie eine weitentfernte, angenehme Stimme nach ihr rufen, und wusste doch, das jene Stimme, die sie erfüllt, die sie wärmte und beschützte, weit weg war. Außer ihrer Reichweite, gefangen in der anderen Welt, die an ihren eigenen grausamen Gesetzen zerbrochen war. ,Link, wie konnten wir unsere Entscheidungen nur jemals rechtfertigen...’, summte es in ihren Gedanken. ,Sind sie denn nur einmal richtig? Sind sie für uns beide zu entschuldigen?’ Fragen wie diese spannen sich unhaltbar in ihren abgestumpften Gedanken, und erschufen eine mögliche Antwort, die von den blassrosa Lippen Links glitten. ,Du wusstest es... und ich wollte es nie verstehen... unsere Entscheidungen sind nur da, um den endlosen, alten Teufelskreis voranzubringen. Inmitten des Kreises der Macht stehen wir und treiben das Laufwerk weiter.’ Sie visualisierte seine Lippen, um die sich ein schwaches Lächeln legte. Er versuchte zu grinsen, so wie er es immer tat. Sie versuchte sich seine Augen vorzustellen, wünschte sich, sie würden in diesem dreckigen Kämmerchen auf sie herabsehen, sie erfüllen, ihr Mut schenken, so wie ein Blick aus diesen tiefblauen Augen es immer vermochte. ,Wir sind mit unseren Entscheidungen die treibende Kraft, sehen unsere Seelen zu Spielzeugen werden und haben doch keine andere Wahl’, sprach Link in ihrer Vorstellung, berührte sie mit unechten Händen, streichelte über ihre eisigen Wangen und rückten ihr Aufmerksamkeitsfeld direkt in seine blauen Augen, die doch die Blicke eines wahren Helden aussenden konnten. ,Denn dies ist unser Schicksal. Der Kampf... der Kampf...’, stimmte sie zu, worauf er nickte. Sie sah ihn sich hinabbeugen und gerade als er seine Lippen auf ihre legen wollte, sich dem seidigen Gefühl ihrer Lippen aussetzen wollte, gerade da, verschwand sein Abbild und Zeldas Träume endeten. Sie krümmte sich wild und ein schauerlicher Laut durchbrach die Stille des Kämmerchens. Ein Seufzen. Ein gequältes Stöhnen. Nur ein kurzer Klagelaut, den niemand hören würde. Dann waren ihre Augen das einzige an ihrem Körper, was sich bewegte. Hastig hüpften sie von einem Punkt des spärlich eingerichteten Raumes zum nächsten, nahmen jedoch den runden Tisch, das muffige, nach Schweiß und Schweiß riechende Bett an das man sie band, den klapprigen Schrank und die angelehnte dunkle Tür nicht sonderlich wahr. Es war wie ein Gefangensein im eigenen Körper. Keine Vorführung eigener Kräfte. Keine zur Schaustellung ihres Temperamentes, welchem sie im Moment so gerne Ausdruck verleihen würde... Einzig ihre Augen bewegten sich, während ihr Bewusstsein erinnerungslos - denn sie wusste nicht mehr, wie sie hierher gelangt war- und ihr Körper lethargisch auf dem unsauberen Lacken lag und dem harrte, was man für sie vorbereitet hatte. Sie wusste nur noch einige Bruchstücke der Erlebnisse der letzten Minuten und erkannte nicht einmal, an welchem Ort man sie in ihrer Einsamkeit und Trauer zurückließ. Aber sie wusste, dass es so kommen musste. Egal, wie viele Entscheidungen sie traf, egal wie viele Opfer sie brachte. Dieser Ausgang, dieses Schicksal, ein Baustein einer großartigen Legende, war immer wieder bestimmt zu geschehen... Eine Träne tropfte von den himmelblauen Augen, wanderte hinab über eine blasse, samtene Wange, lief weiter über einen trockenen, jugendlichen Mund und endeten im Nichts. Nun war sie hier, Gefangene, und erneut ein verächtliches Druckmittel für den Fürsten des Schreckens. Und sie wusste, dass ihr Held hier erscheinen würde. Es war nur eine Frage von Minuten, von wenigen Stunden. Er würde hierher finden und doch... könnte er Ganondorf niemals mit seinen einfältigen Mitteln niederringen. Sie hasste sich, dass sie es sich eingestehen musste. Immer wieder hatte sie geglaubt, ihre einstigen Träume von Links Tod hätten nichts zu bedeuten, sie hatte gehofft, mit ihrer selbstlosen Tat im Kokiriwald, hätte sie seinen Tod abgewendet. Aber nun standen die Karten schlecht. Schlecht für Hyrule. Für die Erde. Und ebenso für sie... Eine weitere Träne tropfte und ein leises Wimmern entbrach den Lippen der jungen Prinzessin, die wehrlos angekettet auf diesem schäbigen Bett ruhte und nicht wusste, was man mit ihr vorhatte. Sie schluchzte, verfiel letztlich dem Drang den Namen ihres Liebsten über die Lippen gleiten zu lassen, während sie ihn im Nirgendwo noch immer nach ihr rufen hörte. Sie antwortete auf das leise: ,Zelda...’, das sich in ihren Gedanken abspielte. Sie antwortete darauf, drehte sich ein wenig auf ihre rechte Seite, soweit es die Fesseln zuließen, und kniff die Augen zusammen. Sie erwiderte das Rufen mit einem bitteren: „Link...“ und hörte schließlich ein grobes Stapfen mit Metall beschlagener Stiefel näherkommen. Jeder Schritt war gefahrvoll. Jeder Widerhall dieser verdammten Stiefel ließ eine Schweißperle über ihre Stirn gleiten, während es gleichzeitig eine Gänsehaut über ihre Haut schickte. Sie betete, er möge nicht näherkommen. Er möge sie in Ruhe lassen, aber sie wusste ebenso, dass die Götter ihres Hyrules sie auf dieser Erde nicht erhören würden. Ihre tränenden Augen wanderten vorbereitet zu der dunkellackierten Tür, die immer noch angelehnt einen dreckiggelben Lichtschein in das kleine Zimmerchen ließ. Ungeduldig, und das laute Taptap weiterhin verfolgend, begann sich das Mädchen hin und herzuwälzen. Die Eisenketten klirrten, während sie daran riss und das kleine, müffelnde Bett knarrte und bog sich durch ihre ausrudernden Bewegungen. Und immer noch ertönten diese gefährlichen Schritte in dem Gang außerhalb. Sie bewegte sich hin und her. Das kalte Eisen der Fesseln schnitt und schlitzte sich tief und beißend in die Haut ihrer Füße und Handgelenke. Aber sie musste doch etwas tun, sie konnte sich diesem verdammten Widerling nicht auf diese Weise aussetzen. ,Hilf’ mir, Nayru... Bitte!’, sagte sie in Gedanken und keuchte vor Angst und Aufregung. Die Schritte wurden wieder lauter, endeten plötzlich. Und es wurde still hier in der alten Kirche von Schicksalshort, denn das konnte der einzige Ort sein, an dem sie sich befand. Ungläubig starrte sie zu der angelehnten Tür und schließlich spähte sie zu der grauen Kerze in dem Zimmerchen, die auf dem runden Holztisch in der Mitte angebracht war. Unruhig flackerte ihr Feuer, umweht von nichtfühlbaren Winden des Bösen... Mehrere Minuten vergingen und ihre blauen Augen starrten weiterhin direkt in den lieblosen düsteren Schein, den ein bedrohliches Licht von außen in das Zimmerchen ließ. Ihre Erinnerungen kamen wieder... Der alte Thronsaal. Der schwarze Fluch, den der Fürst des Schreckens auf Link hetzte und dann der kohlenfarbene Nebel, der sie absorbierte. Dann war da nichts mehr... nur noch das unerträgliche Gefühl gefangen zu sein. In diesem Kämmerchen und im eigenen Körper. Zumindest konnte sie sich jetzt wieder regen, dachte sie. Ihre Augen wanderten zu dem Fragment auf ihrem rechten Handrücken. Es war blass und doch konnte sie es pulsieren, ja beinahe atmen hören. Warum aber konnte sie das verdammte Fragment nicht nutzen? Wohin war ihre Magie? In dem Moment knarrte die Tür. Mit einem Quietschen schob jemand den Zugang beiseite und hinderte den dreckiggelben Lichtschein in das kleine Zimmerchen zu dringen. Zelda wand die Augen ab und starrte zu der Kerze, wo ein helles Licht gehrte. Sie brauchte die Gestalt an der Tür nicht ansehen, roch sie doch an seiner Aura, wer es war. Die Kerze flackerte heftiger bei seiner Anwesenheit, wurde kleiner und ihr Licht schwächelte, als glühende, blutfarbene Augen auf sie niederfielen. Seine Stiefel klapperten und zuerst nahm er den Weg in Richtung der grauen Kerze, deren Feuergeist sich vor dem übermächtigen Bösen zu fürchten schien. Schweigend stand ein breiter Körper, eingehüllt in einer dunklen Rüstung vor dem Licht, welches er nie verstehen konnte. Was fanden Menschen nur an dieser Helligkeit? Was fanden Geschöpfe des Lichts nur an der Sonne, die so furchtbar in den Augen blenden konnte? Er hatte es nie verstanden. Simpel war es. Dieses Gesetz, das Licht und Schatten auf ewig zusammenhingen. Nur der Fürst des Schreckens war unfähig dies zu verstehen. Es war dumm und einfältig, dass Ganondorf nicht bemerkte, wie abhängig er vom Licht war. Und was er erreichen würde, sollten alle Lichter ausgehen, wäre nur das Schaufeln seines eigenen Grabes. „Sag’ mir, kleine Hoheit. Warum kämpft du überhaupt noch?“ Grunzend wand er sich zu ihr. Glühende, hässliche Augen stießen auf sanfte, himmelblaue. Sie hielt seinem barbarischen Starren stand, zuckte nicht einmal mit der Wimper. Aber die Abscheu in ihrem Blick amüsierte ihn schon wieder. „Warum kann deine Seele nicht endlich aufhören zu kämpfen? Gib endlich auf!“ „Die gleiche Frage könnte ich dir stellen.“ Verbittert warf sie ein hylianisches, vulgäres Schimpfwort hinterher. „Aber im Gegensatz zu dir, habe ich einen Grund zum kämpfen. Du bist nur in diesem Kampf aus Machtbesessenheit, aus Gier und - was am absurdesten ist- aus Langeweile. Du kennst nichts anderes, hast keine Ahnung von Lebenszielen, von Liebe und von Glück.“ Angewidert trat der Fürst des Schreckens an das Bett und verengte seine Augen boshaft. Wahrhaft eindrucksvoll. Selbst nach all den Jahrhunderten wusste die Prinzessin Hyrules immer noch, wie sie gegen ihn argumentieren konnte. „Du solltest dein gefährliches Maul halten. Anscheinend ist dir entgangen, in welcher Lage du dich befindest.“ Diesmal lachte Zelda auf. Sie hob den Kopf und schwenkte mit mühevollen Bewegungen ihr blondes Haar aus dem Gesicht. Sie war müde und erschöpft. Man konnte es ihr ansehen, aber sie würde vor diesem Widerling nicht ihr Wort verlieren. „Als ob dies das erste Mal ist, dass ich dein Druckmittel bin. Du langweilst mich, Mistkerl.“ Ganondorf sonderte einen abstoßenden Laut aus und fühlte sich schon wieder erniedrigt von diesem schwachen Weibsbild, wie er sie nannte. Er war wütend darüber, dass sie nach wie vor, auch in dieser niederen Position keinerlei Respekt vor ihm hatte. In ihm wuchs der Drang ihr weh zu tun, wusste er doch, dass jeglicher Schmerz, den er ihr zufügen konnte, seinen Groll gegen sie niemals aufwiegen würde. Er ballte seine rechte Hand zur Faust. Das goldene Dreieck darauf glühte und trat beinahe aus der Haut, bebte und pochte, ähnlich einer alten, dicken Ader, die man durch blasse Haut pulsieren sehen konnte. Zielgerichtet hielt er die Hand zu Zelda, bis sich ein schwachroter Abdruck seiner kalten Finger an ihrer Kehle entlang schlich. Es amüsierte ihn, wie die Prinzessin anfing zu zappeln, erfreute ihn immens, wie unabsichtliche Tränen ihre Wangen hinunterrannen. „Wirst du nun schweigen, Prinzessin. Oder muss ich deine Kehle erst wie eine reife Pflaume in meiner Hand zerquetschen?“ Er lachte und ließ von ihr ab. Sie blinzelte, doch noch immer lag in dem himmelsblau ihrer Augen dieser gefährliche Stolz, der Ganondorf zur Weißglut brachte. „Glaubst du, ich habe Angst vor dem Tod? Jeder Tod ist süßer als eine Gefangenschaft in deinem Kerker!“, schrie sie und riss erbarmungslos an den schweren Ketten. Der Fürst des Schreckens brüllte darauf hin, wirbelte um seine eigene Achse und konnte seine Wut über ihre scharfe Zunge nicht länger im Zaum halten. Es machte ihn rasend und er fühlte erstmals seit langem wieder, wie sich das erfrorene Blut in seinen schwarzen Adern erhitzte. Die wenigen Gegenstände in dem spartanisch eingerichteten Raum klapperten, bis sie durch wuchtige Energie auseinanderbrachen. Das Licht der Kerze erlosch, als auch jene Quelle von Wärme und Hoffnung auf dem Boden aufschlug. Ein Beben setzte ein, bis die Stille in den Raum zurückkehrte. Nur Ganondorfs schauriges Hecheln legte sich über die sanfte Stille und seine rotglühenden Augen brachen die Schleier der Dunkelheit... „Soll mich das beeindrucken?“, giftete Zelda mit ihrer hellen Stimme und starrte immer noch angewidert in das bösartigste Augenpaar, welches jemals existieren würde. „Das ist nur ein Vorgeschmack!“, zürnte er. „Worauf?“ „Auf das, was ich mit dir mache, wenn du mir nicht endlich den Respekt entgegenbringst, den ich verdiene.“ Zelda lachte mit aller Luft, die in ihren Lungen ein- und ausströmte. Sie lachte abartig, konnte sie doch diesem Geschwätz keine Ernsthaftigkeit entgegenbringen. „Respekt?“, wiederholte sie, beinahe ungläubig. „Nicht einmal eine einfache Stubenfliege hat vor dir Respekt, Ganondorf.“ Und schon wieder stachelte sie jeden Funken Macht in seinem Körper an, sich auf sie zu werfen, sie so zu erniedrigen, dass ihre Seele daran zerbrach. Aber was hatte er davon? Sicherlich könnte er sie jetzt so demütigen, wie sie und der grünbemützte Heroe es ihm immer wieder angetan hatten, aber er hielt sich zurück. Ertrunken in einer unmenschlichen Vorfreude, gierte in ihm der Wunsch sie genau dann auf die schrecklichste Weise fügsam zu machen, wenn ihr Held dabei zusehen konnte. Ganondorf freute sich auf das kreidebleiche Gesicht seiner Erzfeindes, wenn er seine Prinzessin wie die machtvollen Elixiere in seinen Händen zerbrechen konnte. „Fragst du dich eigentlich, warum deine Magie nicht tut, was sie sollte?“, erklang es durch die Dunkelheit des Raumes. Zelda antwortete nicht, ekelte sich sogar davor, mit diesem Widerling Worte auszutauschen und ahnte auch so den Grund für die Schwäche ihres Fragmentes. „Ich will es dir verraten, Prinzessin.“ Seine Stimme war ruhiger als vorher und sie fühlte, wie er sich neben sie setzte. Die Matratze bog sich und ein knarrender Laut wurde hörbar. Angstvoll blitzten Zeldas himmelblaue Augen dorthin wo sie den Fürst des Schreckens in dieser pechschwarzen Dunkelheit vermutete. Ja, sie fürchtete sich. Und dennoch, nach all’ den Jahrhunderten, nach all’ den Entführungen, die sie über sich ergehen lassen musste, war da eine neue Form von Ruhe in ihrem Gemüt. Er könnte das Fragment der Weisheit an sich reißen, sicherlich. Er könnte ihren Körper in Tausend Einzelteile zerfetzen. Und er könnte sie demütigen, in jeglicher Form, er es wollte. Aber eines würde er niemals bekommen. Ihre Seele. Und ihre Hoffnung... „Dann verrate es endlich. Man kann ja riechen, dass du es eh gleich tun wirst.“ Daraufhin wand sich eine kalte Hand um ihre rechtes Knie. Erst da bemerkte sie, dass der Stoff ihrer Hosen an manchen Stellen zerfetzt war. Nicht einmal ihre Stiefel trug sie mehr, stattdessen zeichnete die Kälte dieses Ortes an ihren Füßen kalte Spuren. Er fasste grob zu und zugleich erregt über diese sensible, samtene Haut ihres Schenkels. Er hatte schon einige Gerudoweiber zu seiner Herrschaft über das Wüstenvolk haben können, und wahrhaft nicht die hässlichsten. Er hatte sich immer genommen, was ihm gefiel. Aber eine solch weiche, warme Haut hatte keine seiner Freudenmädchen gehabt. Zelda schluckte und kniff die Augen zu, versuchte sich von ihrem Bewusstsein wegzusperren, aber nicht einmal das erlaubte ihr das Fragment. „In deinen hübschen Adern, Prinzessin, fließt ein kleines Giftchen. Nicht giftig für deinen Körper, wohl aber giftig für das Fragment. Deshalb wirst du es in den nächsten Minuten nicht nutzen können. Jedoch...“ Er beugte sich über sie, sodass sie den beißenden Gestank aus seiner Kehle riechen konnte. „... jedoch verliert das Gift schnell seine Wirkung, sodass ich dir nachher gleich eine neue Ration spritzen muss, Hoheit.“ Er lachte, begeistert von ihrer Verwundbarkeit. Er löste mit einem Schlag die Ketten, fasste sie gebieterisch an ihren rechten Knöchel und schleifte sie hinter sich her. Sie schlug wild um sich und hielt sich angestrengt an den Holzbalken des Bettes fest. Ihre Fingernägel schabten an dem Holz, bis jene brachen. Sie wimmerte. „Komm’ wir haben einige Dinge vorzubereiten! Meine Nacht legt sich über die Welt wie ein seidenes Tuch... und in wenigen Stunden regiert hier nur noch die Finsternis“, fauchte der Beherrscher der Dunkelheit. „Aber dazu haben wir wichtige Dinge vorzubereiten, bis dein Held erscheint, falls er jemals aus dem Thronsaal fliehen kann.“ Zeldas Augen standen starr. Aus dem Thronsaal fliehen? Ganondorf bemerkte ihre Fassungslosigkeit, lachte und grunzte angesichts der Angst, die in ihren Augen geschrieben stand. „Ich sagte, dass ich ihm kein Haar krümmen werde. Das heißt aber nicht, dass es meine Monster nicht könnten.“ Er lachte, zerrte sie ruppig weiter, ignorierte ihr anhaltendes Winseln und ihre schäbigen Versuche, sich von seinem Griff zu befreien. Er schleifte sie den Gang hinab, bis er den Altar in der Kirche Schicksalshorts erreicht hatte... Kapitel 113: „Lasst uns kämpfen!“ --------------------------------- Die Finsternis verschluckte die letzten warmen, rotglänzenden Strahlen eines märchenhaften Sonnenuntergangs hier in Hyrule. Das alte Schloss der Königsfamilie spiegelte den feurigen Schein nicht länger ab. Dunkel färbten sich die grauen Steinquader, aus denen der stolze Palast vor Hunderten Jahren erschaffen wurde und nie mehr wieder würde seine Pracht von der Steppe aus zu sehen sein. Denn es war die augenscheinlich letzte Nacht, die Hyrule erleben sollte... Schlürfend, ja beinahe qualvoll, zog sich der junge Heroe auf seinen zitternden Armen in Richtung der wenigen Stufen, die ihn hinab in die größte der Schlossküchen führen würden. Seine Beine gehorchten ihm nicht, fühlten sich an, als wären sie gelähmt, was ihn zum Schwitzen und Herzrasen brachte. Er hatte seine Augen zugekniffen, stöhnte und ächzte. Ihm war übel und zugleich strömte eine merkwürdige Kälte von seinen Beinen an aufwärts. Der schwarze Fluch, den Ganondorf auf ihn verhängte, hatte anscheinend bittere Nachwirkungen. Er bemühte sich zu kämpfen und kroch weiterhin über den glatten Boden im alten Thronsaal, als die letzten roten Strahlen von den vielen riesigen Fenstern ihren Schein verloren und es dunkel wurde... Von außerhalb hörte Link die vielen widerlichen Stimmen der Bestien des Schreckensfürsten lärmen, was ihn nur noch nervöser machte. Irgendwo dort in der Küche schlummerte der Schlüssel, der Zugang in die Menschenwelt und seine letzte Rettung. Sicherlich hatte Klein- Link das Elixier schon lange den Weisen übergeben, das wusste der Heroe. Er vertraute ihm genauso wie er Zelda vertraute. Für all’ ihre Entscheidungen. Und jede Entscheidung hatte sie liebenswerter gemacht. Ein Gedanke an sie und der junge Heroe schöpfte neuen Mut. Er kämpfte weiter, zog sich erbittert über die glänzenden Marmorplatten. Verdammt, er musste sie retten, genauso wie er die Welt vor Ganondorf beschützen würde. Er musste durchhalten, so lange, bis er durch den magischen Spiegel gelangt war... Im Zentrum des Saales hatte der junge Held eine Pause nötig und lag einfach da. Sein rechtes spitzes Ohr drückte gegen den kalten Marmor und seine mutlosen Augen schielten zu dem winzigen Geheimverschlag in der neben ihm liegenden Wand. Es trommelte an sein Ohr. Das todbringende Stapfen des Heeres aus Moblins und anderem Gesocks näherte sich dem Schloss. Auch ihre Vernichtungsrufe und ihr schiefer Schlachtgesang drang von außen herein, ließen Links verletztes Herz schneller schlagen, verführte es zu Angst und Leichtsinn. Nicht mehr lange würde es dauern und sie würden das große Tor in den alten Saal aufstoßen. Link nahm einen schweren Atemzug und zog sich weiter vorwärts. Aber selbst seine Arme wollten ihm nicht mehr gehorchen. Langsame Zuckungen zogen sich durch seine Armmuskeln, hinterließen nichts als ein Gefühl von Taubheit... „Verdammt!“, fauchte er mit letzter Kraft und lag schließlich still und regungslos da. Mit geöffneten Augen. Aber er war lautlos und schaute benommen zu dem großen Tor. In dem Moment schlugen Dutzende Äxte gegen das alte, dunkle Eisentor. Markerschütternd krachten die Waffen dagegen in Begleitung von lärmenden Stimmen. Ungläubig beobachtete der junge Held, wie das Tor mit einem wuchtigen Schlag davon schlug und nicht einmal weit neben ihm aufprallte. Er wollte schon lachen, weil er gegen die vielen Kreaturen des Bösen keine Chance mehr hatte. Nicht in seinem mitleiderregenden Zustand und erst recht nicht ohne sein Schwert... Die Bestien strömten näher, auf Siegeszug. Auf einem Weg der Vergeltung jubelten sie, ertrunken vor Freude den einstigen Held der Zeit mit Hunderten Waffen zu durchstoßen. Der Tag war nun gekommen. Der Durst nach Rache hatte nicht gelogen. Schwere Stiefel rasten näher, wirbelten den Staub in dem alten Thronsaal auf, entweihten ihn mit Schimpfwörtern der Sprache des Bösen, die Link nicht kannte. Und der Boden bebte von ihrem pelzigen Füßen. Lethargisch schloss Link die Augen. Er war nun dem Aufgeben nicht mehr fern. Es war einfach, sich fallen zu lassen, dachte er. Er hatte in seinem Leben nie aufgegeben. Vielleicht war es deshalb umso einfacher, endlich der Stimme von Farore in seinen Gedanken abtrünnig zu werden. Süß war es. Diese Verlockung einfach aufzugeben. Stillzustehen... Die Stimmen wurden lauter, aber plötzlich war da etwas anderes als die belustigten Schlachtrufe des Abschaums Hyrules. Der unverkennbare Gesang des Schwertes tanzte im alten Saal. Stahl trat auf Stahl. Dann traf jener auf Fleisch und zerstörte Leben. Link fühlte nicht einmal mehr, dass es nicht sein eigenes Fleisch war, das zerstoßen wurde. Auch hörte er nicht die energische, vertraute Stimme, die ihn anbrüllte. Sein Geist war schwer und er hieß das Aufgeben willkommen. Und als die Stille den Saal erneut einnahm und viele Ascheplättchen die Luftgeister umwirbelten, so dachte Link, war er endgültig dort im Himmelsreich angelangt. Endlich frei von dem Teufelskreis des Kampfes. Endlich frei von seiner grausamen Bürde. „Ich bin frei...“, murmelte der junge Held, als er ein paar starke Arme spürte, die ihn mühelos nach oben wuchteten. Das musste ein Engel sein, der seinen toten Körper irgendwo einbetten würde, dachte er. Und so wehrte er sich nicht und ließ sich davon tragen, bis es noch dunkler vor seinen Augen wurde... Derweil saß der kleine Spund, der Zeldas himmelblaue Augen trug, beinbaumelnd auf dem großen Tisch in der Zimmermitte bei den Weisen. Zwei dicke Kerzen standen auf dem großen runden Beratungstisch, wo Sara und die anderen grübelten. Harkenia saß direkt vor Klein- Link und versorgte dessen von Glassplittern geschundenen Hände. Das Götterkind blickte währenddessen immer wieder in die ernsten Herrscheraugen ihm gegenüber, schien sogar etwas auf dem Herzen haben, aber wusste nicht, wie es beginnen sollte. Harkenia bemerkte diesen unsicheren Ausdruck in Klein- Links Augen. Es war dieselbe Verschwiegenheit, Neugierde und die selben Zweifel, die er damals in Hyrule in den Augen Zeldas gelesen hatte. „Was liegt dir auf der Seele, kleiner Junge?“ Auf diese Bemerkung hin verengten sich seine Augen zu Schlitzen, er grabschte an den kurzen grauen Bart des Älteren und zog kräftig. Zusätzlich trat ihm das Götterkind zanksüchtig ans Schienbein. Ein fluchender Schmerzlaut drang aus Leon Johnsons Kehle, worauf auch die anderen Weisen das Schauspiel belustigt beobachteten. „Benimm’ dich, Junge!“, schimpfte Leon und rieb sich mit der flachen Hand über das schmerzende Schienbein. „Noch einmal und du wirst in der Nebenkammer eingesperrt!“ Welch eine Demütigung für den einstigen König, dass sich der Fratz ihm gegenüber so unverschämt verhielt. Nicht einmal Zelda hatte sich erlaubt ihm einen Kick ans Bein zu verpassen. Sicherlich, sie hatte alle möglichen Streiche ausgeheckt, um ihn zur Weißglut zu bringen. Man bedenke nur, ihre sich wiederholenden Fluchtversuche aus dem alten Residenzschloss der Königsfamilie. Aber eine solche Frechheit war dem Blaublütigen noch nie wiederfahren. „Und jetzt sag’ mir, warum du dich so abfällig verhältst.“ Leons Stimme war trotz seiner Ärgernis auffallend ruhig. „Du sollst mich nicht Junge nennen. Mein Körper ist immerhin elf Jahre alt!“, schmollte der junge Kerl. „Und wie möchtest du dann genannt werden?“ „Kleiner Mann. So nennt mich Zelda immer!“ Harkenia lächelte daraufhin und schloss gemächlich die Augen. „Du bist Zelda sehr ähnlich.“ Der Knirps grinste breit. „Ich will ja auch, dass sie meine Mama wird. Sie ist unglaublich warmherzig und so wunderschön.“ Harkenia erwiderte nichts darauf, konnte er den Worten des Bengels kaum wiedersprechen. Vorsichtig tupfte er mit Jod über die Kinderhände, als der Junge wieder ein trübsinniges Gesicht aufsetzte. „Bist du eigentlich böse auf Zelda und auf Link?“, fragte er. Verwundert sah Harkenia auf. „Weshalb sollte ich?“ Der Kerl schaute zu Boden und presste seine blassrosa Lippen aneinander. „Na, weil sie sich so gerne haben.“ Der Ältere lachte auf. „Damit erzählst du mir nichts neues. Es war schon immer ersichtlich, dass sich Zelda und Link gerne haben.“ „Aber jetzt ist es anders“, erklärte das Götterkind. Nun hörten auch die anderen Ohren in dem Raum zu, besonders Impa, die ihren wissbegierigen Schädel näherrückte. „Sie haben sich ganz doll gerne. Sie verhalten sich so wie Erwachsene, wenn sie sich gerne haben. Und sie stecken sich ihre Zungen gegenseitig in den Mund. Bist du deswegen böse mit ihnen, weil sie das tun?“ Harkenia ließ seiner Fassungslosigkeit einen auffälligen Ausdruck und wich einige Zentimeter zurück. „Und manchmal...“, sagte der Knirps lauterwerdend. „... da befummeln die sich. Macht dich das wütend?“ Hyrules einstiger Herrscher zwinkerte vor Verwunderung. „Sie verbringen die Nacht immer unter einer Decke, weil sie sich so lieb haben“, sagte er belehrend und schaute in die Runde von entsetzten Fratzen, die es niemals für möglich gehalten haben, dass Link und Zelda doch noch ein Paar werden würden. Wie auch immer, Klein-Link genoss diese Form von Aufmerksamkeit und hatte vor munter weiter zu plappern. „Und letztens, da haben sie...“, begann das Götterkind. Harkenia umfasste die Arme des Bengels und redete auf ihn ein. „Was haben sie?“ „Stopp. Stopp. Stopp”, rief Impa. „Das geht uns nun wirklich nichts an.“ Energisch stützte sie sich mit ihren starken Armen auf dem Tisch ab. „Und Euch, Harkenia, ebenso nicht.“ Wie immer fuhr Impa dem König über den Mund. Sie hatte in Hyrule nie Halt gemacht, um dem König ihre Meinung zusagen. Und heute, in dieser modernen, aufgeklärten Welt, würde sie es erst recht nicht tun. „Seid glücklich, dass Zelda endlich mit Link ihr Glück gefunden hat anstatt Euch noch über die Details schlau zu machen“, setzte sie kraftvoll hinzu. Ihre tiefe Stimme schallte durch das Haus, sodass es auch die Monster außerhalb hören konnten. „Sie lieben sich schon so lange. Es wurde endlich Zeit, dass sie ein Paar sind.“ „So beruhige dich doch, Impa...“, meinte der Alte. Er klopfte dem Götterkind auf die Schulter und grinste. „Ich hatte nie vor, mich einzumischen.“ Impa funkelte drohend mit ihren roten Augen und ließ sich wieder auf ihren Platz sinken. „Das hoffe ich“, meinte sie herausfordernd. ,Nicht gut Kirschen essen mit diesen Shiekahfrauen’, dachte der Ältere. Sowohl damals als auch heute... Wenige Minuten später trat ein fluchender Sian mit dem bewusstlosen Link mühevoll über seiner Schulter hängend durch den matten Spiegel. „Link!“, kreischte Sara, hüpfte von ihrem Stuhl und warf diesen mit lautem Getöse um. Sie stürzte auf Sian zu, der den jungen Heroen langsam zu Boden sinken ließ. Sara war zum Weinen zumute, als sie ihren Bruder erblickte. Sein Gesicht war bleich wie eine Hauswand. Er zitterte, obwohl er nicht im wachen Zustand weilte. Sie führte ihre Hände an seine kalten Wangen und verkniff sich schwerlich die Tränen. Sie war glücklich ihn wiederzusehen, ihn lebend zu sehen und doch... „Link?“, sprach sie leiser. Inzwischen standen auch die anderen Weisen um ihn herum. Impa kniete nieder und überprüfte seinen Herzschlag, sowie seine Atmung. Sachte hielt sie ein Ohr an seinen mit trockenem Blut bekleideten Mund. „Er lebt... aber Ganondorf hat ihn mit einem schwarzen Fluch belegt“, sagte sie. Immerhin kannte sich die einstige Shiekah in allen Varianten von Flüchen aus, die Ganondorf zelebrierte. „Was er jetzt vor allem braucht, ist Schlaf. Ein paar Stunden und er wird wieder fit wie ein Turnschuh sein!“ Neugierig betrachtete sie sich den leuchtenden linken Handrücken des ohnmächtigen Helden und schüttelte arglistig den Kopf. „Sieh’ einer an...“ Sie hätte Link am liebsten in die Seite geboxt. „Dieser Schweinehund hat sein Fragment zum Erwecken gebracht.“ Impa lachte. Sara aber weinte Freudentränen und meinte leise: „Wie lange können wir ihn schlafen lassen?“ „Drei Stunden... in vier, fünf ist Mitternacht. Er wird sich Ganondorf vor Mitternacht stellen müssen, denn dann ist jedes Licht erloschen... aber vorher haben wir noch einige Dinge vorzubereiten. Der Kampf wird fortfahren.“ Sara nickte und schleppte Link mit der Unterstützung von Sian in das Nebenzimmer, wo sie sich um ihn kümmern würde. Der dunkle, verheißungsvolle Mond stieg auf, zog an den Wurzeln des Lebens... Beinahe fühlen konnten die Weisen, dass jene Mondnacht die vielleicht letzte auf der Erde sein würde. Nur noch wenige Stunden und die Welt wäre leer von den letzten Lichtstrahlen, geraubt von ihrem reichen Leben, entseelt wäre sie. Licht wäre nicht länger rein, unschuldig und wärmend. Und die Nacht wäre nicht länger beruhigend und verbergend. Sie wäre nicht länger die sanfte Wiege für alle Lebewesen, die zu den Stunden schliefen, wo Sterne am Himmel hinabregneten. Nur die Brut der tiefsten schwarzen Magie würde sich auf der Erde noch geborgen fühlen, dann wenn undurchdringbare Gewänder aus hässlicher Nacht auf der Welt tanzten und die Wolken stillstanden... Auf dem großen, schwarzen Holztisch stand das wenige, durchmischte Elixier der Weisen. Alle Augenpaare fielen darauf, wussten sie doch, dass diese wenigen Tropfen nicht mehr ihren Daseinsgrund erfüllen würden. Sie waren ratlos, ohne Ausnahme. Die einzigen Waffen gegen Ganon, die das Gute noch besaß, waren die kümmerlichen Kräfte der Weisen, ein durchmischtes Elixier und ein bewusstloser Held, der fast nichts seiner wahren Kämpfernatur erkannt hatte. War das schon alles? „Was machst du denn für ein Gesicht, Großvater?“, sprach Klein-Link, kletterte frech wie er eben war auf den Tisch und setzte sich im Schneidersitz vor den einstigen Herrscher Hyrules. Harkenia konnte nicht anders als den Bengel für seine Wortwahl schockiert zu mustern. Seine blauen Augen begegneten denen des Bengels. „Du bist doch Zeldas Papa. Warum machst du denn dann so ein Gesicht?“ Harkenia packte den jungen Burschen unter den Armen und platzierte ihn auf dem Fußboden. „Schau’ nach Link, okay. Überlass’ das Grübeln doch den Erwachsenen.“ Darauf streckte das Götterkind ihm die Zunge heraus. „Bloß weil ihr erwachsen seid, heißt das noch lange nicht, dass ihr mehr wisst als ich“, schmollte er. Trotzig hüpfte er wieder auf den Tisch und ließ sich auch nach nochmaliger Aufforderung Harkenias nicht wegschicken. „Ihr seid vielleicht ein paar hohle Nüsse“, lachte Klein-Link und fuhr sich nach Linkart durch das goldblonde Pony. „Was heißt das?“, murrte Naboru, die mit einem Bleistift unidentifizierbare Gebilde auf ein Stück Papier zeichnete. „Weil ihr erwachsen sein wollt, aber nicht wisst, was nun zu tun ist!“, sagte er dröhnend. „Kind, das ist kein Scherz. Die ganze, moderne Welt wird im Nichts versinken, wenn wir nicht handeln. Das ist kein Spiel. Deshalb geh’ bitte ins Nebenzimmer.“ Das Götterkind zog die Nase nach oben, verschränkte die Arme und starrte an die Decke. „Lasst ihn reden, Sir“, sagte Impa daraufhin. Sie beäugte den Kleinen ausgesprochen scharf. Da lag etwas in seinen Augen, was sie äußerst stutzig machte. Und Impa ahnte, dass es auch Harkenia nicht ferngeblieben war. Ein Funken Mut. Eitler Stolz. Und eine beinahe gespenstische Gewissheit. „Du verschweigst uns doch etwas, Kleiner Mann“, sagte Impa sanft. Das Götterkind grinste und nickte. Seine Wangen schimmerten und die blauen Augen glitzerten beinahe unnatürlich. „Mir hat ein Engel etwas ins Ohr geflüstert“, sagte er drollig und spielte mit seiner grünen Zipfelmütze. „Wusstest du, dass Zelda ein Engel ist?“, sagte er zu Harkenia gewandt. „Jetzt red’ nicht um den heißen Brei, Knirps!“, murrte Naboru wieder und zog ihm seine grüne Mütze vom Kopf. „Gib’ das her. Gib das wieder her!“, quengelte das Götterkind und hüpfte auf Naboru, riss den Stuhl samt der armen Frau darauf um. Naboru quietschte und packte den Jungen am Kragen. „Was für ein süßer Fratz du bist, auch ohne Mütze“, lachte sie. „Jetzt sei so gut und erzähl uns, was du weißt.“ Er strampelte und zappelte, bis Naranda ihn zu Boden ließ. „Aber erst, wenn du mir meine Mütze wieder gibst!“ Sie streckte ihm den Kopfschmuck mit einem Zwinkern entgegen, worauf der kleine Kerl rotwerdend zu Boden blickte. „Na gut...“ Wie ein König schritt Klein- Link hin und her und blieb direkt vor dem Elixier stehen. „Ich weiß, wozu dieses durchmischte Elixier gut ist“, erklärte er und schaute in eine Runde skeptischer Gesichter. „Ihr könnt damit vielleicht nicht Ganondorf bannen, aber ihr könntet etwas anderes tun, etwas, was uns einen gigantischen Vorteil verschafft.“ Interessiert hörten die Weisen zu, auch wenn sie nicht ganz verstehen konnten, dass ein Kind ein Wissen besaß, das sie nicht ersinnen konnten. „Das Elixier der Weisen besteht aus alten magischen Essenzen Hyrules. Es ist Magie in flüssiger Form. Und da es vermischt ist, hat es keinen Nutzen für euch Weisen. Denn ihr sucht nach einer Verstärkung eures eigenen Elements. Licht. Feuer. Wald. Schatten. Wasser und Geister. Es hätte keinen Sinn die Kräfte, die in dem verbliebenen Elixier pulsieren, für die Kraft der Weisen zu verwenden.“ Aufmerksam folgten die Weisen. „Es hat viele Fähigkeiten, verstärkt die Kräfte, vervielfacht sie, lässt sie neu aufleben, lässt sie erinnern...“ Verwundert hörten sie alle zu, konnten nicht fassen, dass sich ein elfjähriges Kind so gebildet ausdrücken und eine Kette schlüssiger Folgerungen aufzeigen konnte. „Erinnern...“, wiederholte er. Seine glockenhelle Stimme wurde lauter. „So versteht doch... es kann erinnern. Es erinnert sowohl alte, schlummernde Kräfte, als auch alte schlummernde Gefühle und Gedanken.“ Da erkannte Harkenia, dass dieser Junge auf wundersamer Weise mit seiner geliebten Tochter kommunizierte. Es schien, als wäre es Zelda, die diese Sätze mit ihrer bewundernswerten Weisheit sprach. Als wären es ihre Lippen, die diese verheißungsvollen Sätze erschufen. „Erweckt den Helden der Zeit!“, rief er in die Runde. „Erweckt Links wahres Ich. Erweckt seine wahre Natur!“ Er machte eine kleine Pause, ballte seine Kinderhände zu Fäusten und schaute hoffnungsvoll in die Runde erbleichter Gesichter. „Lasst uns kämpfen! Mit allem, was wir haben. Lasst uns das Böse erneut in die Schranken weisen! Denn das ist unsere Bestimmung. Kämpft, ihr Erwählten Hyrules!“ Stille legte sich in das Zimmer und auch auf die erstarrten Gesichter der legendären Weisen... Im kleinen Nebenzimmer rauschte die Heizung und sanfte, unsichtbare Wärme strömte in den Raum. Ein blasser Lichtschein einer Kerze verlor sich auf der knarrenden Schlafgelegenheit, wo Link ruhte. Sara setzte sich sachte zu ihm und tupfte mit einem feuchten Tuch über seine schwitzende Stirn. Sie musste zugeben, dass sich Link in diesen drei Wochen unheimlich, beinahe gespenstisch, verändert hatte... Erst jetzt rückten ihr eine Menge Details ins Gesicht. Seine Statur hatte sich ein wenig gewandelt, war kämpferischer, stärker, als ob er länger als nur drei Wochen fortgegangen war? Verlief in Hyrule die Zeit langsamer als auf der Erde? Seine Arme waren muskulöser, dachte sie. Sein dunkelblondes Haar war gewachsen und er trug einen kleinen Dreitagebart, auch etwas, was er sonst nie tat... Er war immer ziemlich eitel, wenn es um sein Äußeres ging, das wusste Sara... Aber das auffälligste war seine grüne Tunika. Wo er die wohl herhatte, fragte sie sich. In dem Moment zuckte Links Körper zusammen. Er stieß die Luft durch seine Zähne aus, erschuf einen pfeifenden Ton damit und zitterte schon wieder. „Link?“, redete Sara auf ihn ein. „Reiß’ dich zusammen. Du bist wieder auf der Erde“, setzte sie leiser hinzu. Sie zog eine Decke über seinen erschöpften Körper, als sie sein Murmeln und das leise Ächzen erstmals verstand. Er murmelte Zeldas Namen... Wie sollte er auch nicht, dachte Sara. Kaum hatte er sie gefunden, hatte er sie auch schon wieder verloren... Wie sehr er sie doch liebte, dachte Sara. Er hatte es nicht verdient, sie schon wieder verlieren zu müssen. Hätte sie als einstige Weise des Waldes doch eher dafür gesorgt, dass sie beide zueinander finden würden. Ja, sie hätte vielleicht etwas tun können. Und nun hatte er gerade mal ein paar Tage mit ihr verbringen können. Nur wenige Tage, in denen sie beide endlich Liebende waren... Link schlug seinen Kopf von einer Seite auf die andere und rief immer lauter nach seiner Prinzessin. Ob es mehr war als bloß seine Sehnsucht nach ihr, fragte sich seine jüngere Schwester? Konnte es sein, dass er Zeldas Schmerzen fühlte? Und die Prinzessin gerade in dem Augenblick litt? Als dann noch sein Fragment anfing zu glühen und seltsame Dinge anstellte, holte Sara erneut die Direktorin. Nur zur Sicherheit, dachte sie... Sie stürmte zurück in den großen Raum, wo die Weisen bezüglich des verbliebenen Restes Elixier diskutierten. „Impa“, rief Sara. „Links Fragment glüht pulsierend und schickt sogar einen leichten Lichtschein in den Raum. Das Licht bleibt dann wie Farbe an den Wänden haften. Ich weiß nicht, ob das noch normal ist.“ Impa schritt sofort hinter Sara her und stürmte in einen mit Lichtfunken erfüllten Raum. Überall tanzten kleine goldene Gebilde, unterschiedlicher Größe, bewegten sich wie Feen in ihrem alten Zuhause wirbelnd. Einige der Gebilde schwebten gemächlich auf Links regungslosen Körper zu, sanken hinein in den zerrütteten Stoff seiner Tunika, durchdrangen seine Haut und wanderten tiefer bis zum Fleisch. „Was mag das bedeuten?“, meinte Sara und griff nach einer goldenen Kugel, die aussah wie eine Seifenblase. Sie zerplatzte in Saras Hand und goldene, wärmende Farbe blieb an ihrer Haut haften. „Wie fühlt sich diese Substanz an?“, fragte Impa. „Wie Luft, eigentlich“, meinte die Fünfzehnjährige. „Aber es ist warm“, setzte sie hinzu. Vorsichtig begutachtete Impa die Macht des Mutes, fühlte Links Hand vibrieren. „Alles okay, Sara. Es scheint, als ob ihm das Fragment hilft, die Reste des Fluches zu beseitigen. Wir müssen uns keine Sorgen machen.“ „Er hat vorhin nach Zelda gerufen“, meinte Sara daraufhin. Bekümmert sah das junge Mädchen dann zu Boden. „Ich hätte nicht gedacht, dass er sie in dieser Welt so sehr lieben würde. Er hat sie ja sogar schon vermisst, bevor er sie überhaupt kannte. Es tut mir so leid um sie beide...“ Impa legte mitfühlend eine Hand auf Saras Schulter. „Wusstest du, dass sie am letzten Tag Hyrules beinahe aufgegeben hätten ihre Liebe voreinander zu verstecken?“ Verwundert sah das junge Mädchen auf. „Nein, woher auch...“ „Hätte Hyrule nur wenige Tage länger bestanden, ja, vielleicht...“ Sara grinste verräterisch. „Du meinst, sie hätten sich beide zum Trotz gegen Harkenia und gegen die althergebrachten Bräuche des Königshauses gestellt?“ „Ja, gewiss.“ „Das freut mich!“, lachte Sara. „Und mich erst“, erwiderte Impa. „Wir sind schon ein durchtriebener Haufen“, lachte die Direktorin. „Was wären wir auch sonst?“ „Sonst wären wir nicht die sechs heiligen Weisen... und deshalb...“ Sie verschränkte die Arme. „Lass’ uns kämpfen, Sara.“ Impa blickte stolz und erhaben auf. „Lass’ uns hoffen. Das Gute hat immer über das Böse gesiegt. Es kann nicht anders sein.“ Sara rang sich zu einem ermutigenden Lächeln. „Du glaubst noch immer mit einer solchen Festigkeit an unseren Sieg?“ Impa grinste. „Nicht nur glauben, sondern wissen.“ „Stimmt, jetzt, wo Link hier ist... kann ich auch wieder fühlen, wie reich das Gute ist, wie groß die Hoffnung ist. Sie lebt. Sie atmet immer noch, solange wir hier sind.“ Impa nickte ermutigend. „Wir haben einen neuen Plan, Sara. Folge mir, die Weisen werden ihn dir erklären!“ Ja, die Weisen würden kämpfen, so wie immer. Bis zum Tod. Für den Frieden. Für die Erde und für Hyrule... Kapitel 114: Ermutigendes Wiedersehen ------------------------------------- „Zeit sich zu erinnern...“ Gewiss, es war an der Zeit... und oblagen seine Erinnerungen doch nur ihren unverwüstlichen Gesetzen, zu verrinnen, zu vergehen. Ausgebreitet lag er da. Inmitten von vielen sattgrünen Schleiern auf Hyrules märchenhafter Steppe. Die langen Gräser spielten mit dem Wind, bewegten sich wie viele weiche Wellen. Er hatte einen Grashalm im Mund, kaute darauf herum und seine tiefblauen, eigensinnigen Augen waren verschlossen. Er schlief, fühlte sich frei und irgendwie nicht wie das, was er war... Link war fort, das wusste er. Link war weit weg. Sozusagen nach irgendwohin abgereist. Weit weg. Er war schlichtweg unauffindbar. Und doch hatte der junge Mann, der träumend auf den weiten Wiesen Hyrules ruhte, das Gefühl, er müsste ihn unbedingt finden. Er musste das finden, was er vergessen hatte. Musste sich selbst finden und seine eigene grausame Wahrheit... Ein kühler Wind schickte seine Ausläufer nach Osten, kitzelte seine markante Nase und trug einen feinen Duft der Frische mit sich. Langsam öffneten sich seine Lippen, murmelten etwas von Erinnerungen, die er nicht besaß. Und als sich seine Augen endlich öffneten, hatte er seinen eigenen Namen vergessen. Er wusste nur, dass er Link finden musste. Mit einem gewieften Sprung hüpfte er auf seine durchtrainierten Beine, nutzte eine Hand als Schirm um von dem grellen Sonnenlicht nicht länger geblendet zu werden. Stark waren sie. Diese herrlichen, warmen Strahlen, die ein Erdenbürger für so selbstverständlich hielt. Dennoch... selbstverständlich waren sie bei weitem nicht... Wenn man nur einmal den blutenden Himmel erblickt hatte, sich ihm nur einmal ausgeliefert hatte, würde man ihn nie wieder vergessen. Ein einziger wagnisvoller Blick würde das ganze Leben verändern. Das erfuhren die Unschuldigen, die in ihren Träumen von dem Meer aus Dunkelheit heimgesucht wurden. Und auch erfuhr es Link, nach dem der junge Mann suchte, der seinen eigenen Namen vergessen hatte. Jener rannte, hetzte mit braunen, schweren Lederstiefeln über saftiges Steppengras, suchend nach etwas Vergänglichem und doch nach sich selbst. Er erreichte einen schmalen Trampelpfad, folgte auch jenem Pfad mit einer Zielgenauigkeit als hätte er diesen Weg mehr als nur einmal benutzt. Er rannte so schnell ihn seine Beine tragen konnten, wirbelte den feinen, hellbraunen Sand auf, der den kleinen Pfad beschmückte. Er konnte nicht einmal ansatzweise begreifen, was vor sich ging, wusste nur, dass er Link finden musste. Link, den wahren Helden, über den das ganze Volk Hyrules sprach. Link, die Wiedergeburt des legendären Helden, der im allerersten Kampf gegen das Böse bereits gesiegt hatte. Aber wer war dieser Link, dem man so vieles unterstellte? Den man bewunderte für seine Tapferkeit und sein unglaubliches Gespür den rechten Weg von Tausenden auszuwählen? Was schlummerte im Herzen von diesem Link, der für die Prinzessin Hyrules in den Tod gehen würde? Das Volk Hyrules kannte viele Antworten auf diese Fragen, zerrissen sie sich doch so gerne den Mund über ihn. Doch wirklich kannten sie ihn nicht, bemerkten ihn im Vorübergehen und wussten doch nicht, dass der unauffällige Jugendliche mit dem angenehmen Lächeln der Held war, den sie feierten. Sie liebten ihn, mit jeder Faser des Herzens, und doch kannten sie ihn nicht... Der junge Mann jedoch, der ihn mit allen Mitteln finden wollte, kannte ihn. Manchmal sah er ihn im Nebel versinken und manchmal stand er klar und ohne Harm ihm gegenüber. Er kannte ihn und doch wusste er dieses Wissen nicht in sich aufzunehmen, leugnete vielleicht sogar ihn zu kennen. Denn würde er ihn kennen, würde er auch sich kennen. Vielleicht war das die große Herausforderung, die Grenze, die er nicht überschreiten wollte. Vielleicht war das sein Verhängnis. Jeder möchte sein wahres Gesicht kennen, schöpft seine Identität aus Erinnerungen. Jener junge Mann aber, dem das Schicksal etwas sehr kostbares gestohlen hatte, er hatte immer Angst davor, sich selbst zu kennen. Was würden andere von ihm erwarten, würde er das sein, was er sein sollte? Wie würden sich seine Gefühle verändern, wenn er plötzlich erwachen würde? Wären die Gefühle für liebende Menschen ausgelöscht, weil sein wahres Ich diese Menschen vielleicht nicht mit den seinen Augen ansehen konnte? Schwer atmend blieb der junge Mann an dem kleinen Fluss in der Nähe Kakarikos stehen. Trotz seiner geringen Tiefe war jener Fluss, ausgefüllt von kristallklarem Wasser, von einer so ungewöhnlichen Tiefe, dass man sich selbst auf der glänzenden Wasseroberfläche betrachten konnte. Der junge Hylianer kniete nieder, schöpfte mit der linken Hand das kühle Nass, bezaubert von den Düften der Natur, die ihm Hyrule bot. Es war so friedvoll hier, so unbeschwert. Wäre nicht die große Suche nach Link in seinem Hinterkopf, würde er womöglich für immer hier bleiben, inmitten der Natur, hier auf Hyrules grünen, weiten Niederungen... Viele kleine Wassertropfen fielen von seinen erfrischten Händen zurück in den klaren Wasserlauf, nahmen der harmonischen Fläche für wenige Sekunden ihre Ruhe und vereinigten sich doch wieder mit dem klaren, lebensnotwendigen Element. Neugierig blickte der junge Mann in sein verwaschenes Spiegelbild. Langsam erschufen alte Kräfte sein Ebenbild, zeichneten sein ahnsehnliches, markantes Gesicht. Seinen schmalen Mund. Die vorwitzige Heldennase und seine eindringlichen Augen... Ja, er kannte dieses Gesicht und verstand doch nicht wirklich, dass es sein eigenes war. Auch eine grüne Mütze trug er auf dem Kopf, unter der sein dunkelblondes, wildes Haar hervorstach. „Bin ich Link?“, murmelte er benommen und sank immer näher an die Wasseroberfläche. „Bin ich wirklich Link? Das kann nicht sein...“, seufzte er. Er stützte sein gesamtes Gewicht auf den Armen ab und starrte hilflos und uneinsichtig auf die ehrliche Wasseroberfläche. „Was ist das für ein Zauber?“, murrte er und klatschte seine Hände auf das verwirrte Spiegelbild, welches ihn so anstarrte, wie er sich fühlte. Er wollte doch nur Link finden, und was fand er stattdessen? Sich selbst... Er wich zurück, hockte sich wie ein Kind auf der ungeschundenen, grünen Wiese zusammen, legte den Schädel auf die Knie und weigerte sich weiterhin diese Wahrheit anzunehmen. Noch einmal blickte er in das plätschernde Nass und sah erneut das Bild eines vergessenen Helden, der er niemals sein wollte. „Aber du bist nicht wirklich“, sprach er dem Bild entgegen. „Ich jedoch bin es. Ich bin wirklich. Du bist nur Link. Du bist eine Spielfigur. Nur eine Spielfigur, nicht mehr. Und du wirst niemals mehr sein. Hörst du!“ Er fauchte und fiel beinahe kopfüber hinein in den tiefen Flusslauf. In dem Moment packte ihn eine starke Hand von hinten und hielt ihn am grünen Kragen zurück. Geradeso hatte der Mann hinter ihm verhindern können, das Link vor Entsetzen in das Wasser fiel. Rasch drehte sich Link herum und erblickte einen Mann in strahlender hylianischer Silberrüstung direkt hinter ihm stehen. Link traute seinen Augen nicht. Er kannte diesen jungen Menschen nur zu gut... und er hätte gewiss nicht erwartet ihn hier vorzufinden. Es waren nicht die braunen Haare oder seine rehbraunen Augen, die die Gestalt Link gegenüber so vertraut machte, nein, es war eher das verräterische Grinsen auf dessen Gesicht. Dieses wohlbekannte, besserwisserische Feixen... Der junge Heroe wollte aufstehen, es zumindest versuchen, aber er schaffte es einfach nicht. Erstarrt blickte er hinauf zu dem Hylianer, dem Freund, den er sehr vermisste. Der Freund, der durch Links Hand den Tod fand. „Nun guck’ nicht so, Waldmensch“, grummelte der junge Mann und pflanzte sich mit seiner schweren Rüstung direkt neben einen ungläubigen Link, der mit keiner Silbe verstand, was hier passierte. Erst als ihm sein Freund aus alten Zeiten auf die Schulter klopfte konnte Link ansatzweise begreifen, dass jener wirklich neben ihm saß. Zwar in einer vollkommen neuen Bekleidung für Link und mit spitzen Ohren, aber es war dieses Vertraute in den rehbraunen Augen, die jeglichen Argwohn unterbanden. „Rick!?“ Jener blickte dümmlich und gelangweilt drein und gab dem jungen Helden eine Kopfnuss. „Jawohl, Waldmensch...“ „Du bist wirklich Rick?“ „Zum zweiten Mal. Ja.“ Link aber hatte es immer noch nicht gänzlich begriffen. „Aber wie?“ „Wie ich hierher komme?“ Link nickte nur. „Wir sind in deinem Kopf, mein lieber Freund. Kein Wunder, dass ich da drin abgespeichert bin.“ „Aber wir sind auch in Hyrule. Bedeutet das...“ Rick nickte ebenfalls und deutete mit einem Zeigefinger auf Links Stirn. „Alles, was du über Hyrule wissen musst, ist direkt hier drin. In deinem Kopf, oder sagen wir, vielmehr in deiner Seele.“ „Und wo sind wir jetzt? In einer Art Vergangenheit oder in einer möglichen Zukunft?“, bemerkte Link verwirrt und starrte hilflos in Ricks grinsendes Gesicht. „Ich würde meinen, es kann keine Vergangenheit sein. Vielleicht planst du, oder besser: Vielleicht plant dein wahres Ich tatsächlich ein Fortleben in dem Hyrule, welches du vergessen solltest.“ Der junge Held rollte mit den Augen und murmelte bloß: „Ich verstehe gar nichts mehr...“ Ratlos ließ er sich hintenüber fallen und starrte ziellos in den märchenhaften blauen Himmel, bis er seufzte und seine Augen dichtmachte. „Alles ist so kompliziert und so undurchsichtig. Ich weiß einerseits, wer ich bin, weil es mir die Wahrheit eingeredet hat, aber ich kann es einfach nicht akzeptieren. Hinzu kommt, dass ich nicht weiß, was der Held der Zeit in diesem Moment tun würde.“ Link seufzte erneut. „Du fühlst dich hilflos und überfordert?“ „Ganz genau...“ „Aber du hast keinen Grund dazu...“ „Doch, den habe ich...“, seufzte er, diesmal mit einem Anflug von Verzweiflung, mehr als er es beabsichtigt hatte. Rick drehte seinen Kopf zu ihm. Das braune, schulterlange Haar wehte in der sanften Windbrise und verlieh dem jungen Prinzen umso mehr eine natürliche, vollkommene Aura. „Ganondorf hat Zelda...“, brachte Link über seine Lippen. „Und ich konnte nur zusehen... ich habe sie im Stich gelassen. Ich bin kein Held. Ein Held hätte sie beschützt, hätte sein Leben für sie aufgegeben, stattdessen sitze ich hier in der Nachmittagssonne eines toten Hyrules und unterhalte mich mit einem Geist.“ Rick legte eine Hand auf Links zu ihm gewandte Schulter und schüttelte langsam und warnend den Kopf. „Zieh’ dich nicht so runter, Link.“ Jener stützte seinen schweren Schädel auf beiden Händen ab. „Ich weiß, dass Prinzessin Zelda dir alles bedeutet, dass du sie liebst, dass du dir eine Zukunft mit ihr wünschst, so wie ich gerne eine Zukunft mit Maron gehabt hätte... und genau das besitzen wir im Hier und Jetzt. In deinen Wünschen. In deinen Gedanken. Du bist in einer von Millionen möglichen Zukunftsvorstellungen Hyrules. Ein friedvolles Hyrule, in dem Zelda im Schloss der Königsfamilie auf dich wartet.“ „Aber genau diese Zukunft wird niemals geschehen“, fauchte Link nun. Er war am Rande von Geduld und guter Laune. Der Gedanke an Zelda und die Tatsache, dass sie gerade in diesem Moment mit einer Bestie zusammen war, schickte ihm einen eisigen Schauer über den Rücken. „Weil ich ein verdammter Feigling bin!“ Link sprang auf seine Beine und breitete aufgeregt die Arme aus. „Ich bin nur ein gewöhnlicher Jugendlicher auf der Erde, der nicht einmal ein Schwert so führen kann, dass es mir eine Chance im Kampf gegen Ganondorf bringen könnte. Ich- bin- nicht- Link! Es war Zufall, dass ich seinen Namen trage und es war Zufall, dass ich so aussehe wie er. Aber ich bin es einfach nicht!“ Auch Rick stand auf, rieb den Dreck von seiner Rüstung und hatte nichts besseres zu tun, als dem Heroen neben ihm einen so deftigen Schlag in sein Rückrat zu verpassen, dass es ihn zu Boden zwang. „Bei den Göttern, was bist du nur für ein elender Jammerlappen geworden, Link!“ Eingeschüchtert schaute der Angesprochene zu den grünen Grashalmen. Link, der alle viere von sich gestreckt auf dem Gras hockte, drehte sich seitlich, hatte nicht einmal ein Gefühl dafür sich zu schämen, stattdessen begann er über sich selbst zu lachen. „Was weißt du schon, Rick? Was weißt du über den wahren Helden der Zeit?“ Link verschränkte die Arme, zog nicht in Erwähnung, dass Rick sehr wohl Ahnung vom wahren Helden der Zeit hatte. „Und was trägst du überhaupt so einen geschmacklosen Fummel? Kann man sich in so etwas überhaupt bewegen?“ Rick sagte nichts dazu, trat von einem Fuß auf den anderen und überlegte. Er setzte eine Hand an sein Kinn und blickte ab und an zu Link, der wie ein Häufchen Elend dem Vorbeirauschen des Wassers zusah. Wie sollte er ihm seinen außerordentlichen Sturkopf nur wieder ausreden? Sicherlich... Rick hatte genug Erfahrung darin, Link alle möglichen Hirngespinste auszureden. Das war schon in der Grundschulzeit so... aber diesmal war es anders. Link hatte kein einfaches Hirngespinst. Er hatte Angst zu scheitern... „Du willst also alles wegwerfen?“ Trübsinnig sah Link auf. Seine tiefblauen Augen schillerten mit einem demütigenden Eingeständnis. „Du willst alles hinter dir lassen? Deine Seele? Dein Schicksal?“ Link schwieg. „Willst du alles vergessen? Du hast eine großartige Vergangenheit, Link. Die Geschöpfe Hyrules stehen alle hinter dir, blicken zu dir auf. Sie lieben dich wie ihren König. Sie feiern dich, beachten dich, vertrauen auf dich. Willst du jeden einzelnen von ihnen enttäuschen?“ Als Link nach mehreren Minuten nichts dazu sagte, und nur gedankenlos ins nirgendwo starrte, wurde Rick missmutig. Er schnaufte und lief einige Meter weiter. „Na gut. Prima, Link. Dann rufe es hinaus auf die Welt. Sag’ den Göttern und den sieben Völkern Hyrules, dass du wegläufst, dass du niemals mehr für sie kämpfen wirst.“ Ricks Stimme wurde lauter. „Und ehe ich es vergesse: Sag’ Zelda, dass der Held, den sie liebt, dem sie vertraut, zu einem feigen Monster geworden ist. Brich’ ihr das Herz und lass’ sie ihm Stich. So willst du es doch, nicht wahr?“ Rick schickte ihm einen Blick, der kälter nicht sein konnte. „Verleugne dich weiterhin und Zelda wird sterben ohne dich...“ In Link schien sich mit diesen letzten Worten sein ganzer Magen umzudrehen. Es schien ihm beinah so, als würde er mit jeder weiteren Sekunde aus einem Alptraum erwachen. Gerade da tanzten tausende kleine Lichtkugeln, geboren aus seinem Fragment um ihn herum, stärkten ihn für den blutigen Kampf, der auf ihn warten würde... Benommen torkelte Link zu seinem Kumpel hinüber, wusste nicht, was er sagen sollte, oder wie er sich für diese Standpauke von Rick bedanken sollte. Es war notwendig, dass ihm jemand die Meinung sagte. Es war sein rettendes Ufer ehe er sich in mehr und mehr Selbstmitleid gestürzt hätte. „Rick...“, meinte Link leise. „Danke.“ Jener nickte. „Dazu sind Freunde doch da, oder?“ Link rang sich zu einem typischen Grinsen und schüttelte den hängenden Kopf. „Ich war so sehr mit mir selbst beschäftigt, dass ich alles andere ausgeblendet habe. Du hast Recht, ich kann meiner Verantwortung nicht entsagen. Ich muss mich endlich... selbst verstehen...“ „Ja, und es wird noch eine Weile dauern bis du soweit bist. Aller Anfang ist schwer.“ „Wie konnte ich nur so blind und voller Zweifel sein?“ Link lehnte sich stirngerichtet an einen Apfelbaum, der wenige Meter vom rauschenden Fluss wurzelte. Es war wie ein zweifelhaftes Erwachen, wie ein Ruf, den er eingehen musste. Selbst wenn die Götter ihn nicht prophezeit hatten, selbst wenn er auf der Erde geboren und ein gewöhnliches Leben verbracht hatte. Sein bisheriges Leben änderte doch nichts an seinem wahren Ich. An seiner Verantwortung. An seinen Idealen und an seinen Talenten... „Ich muss sofort aufbrechen...“ Rick nickte. „Zelda braucht mich“, murmelte der Heroe. „Merk dir das für die Zukunft, Link...“ „Für eine mögliche Zukunft...“, korrigierte der Heroe. Rick reichte ihm die Hand und schüttelte seine linke mehrfach. „Zelda, sie ist bei Ganondorf... Hol’ sie dort raus, okay?“ Links Grinsen schien von Minute zu Minute typischer für ihn zu werden, seinen Mut erneut aufleben lassen. Die vielen Zweifel versanken langsam im Nichts, dort, wo sie hingehörten... „Zeig’ Ganondorf, wer du bist und was du kannst!“ „Das werde ich“, sprach Link tapfer und ballte seine linke Hand zur Faust, hob sie in die Höhe und das Triforcefragment des Mutes lebte auf, schickte einen goldenen Schein hinaus auf die weiten grünen Wiesen, erleuchtete sie, ließ die grünen Gräser tanzen... Nur schwerlich fand der junge Heroe den Weg zurück aus der zukunftsträchtigen Traumwelt, seufzte und kämpfte gegen einen beengenden Druck hinter seinen Augen. Seine Lider schossen nach oben und ein Meer aus verschwommenen Farben gab sich ihm preis. Er murmelte irgendwelche hylianischen Laute, die er nicht einmal in eine Erdensprache übersetzen konnte und hielt seine müden, schweren Augenlider angestrengt offen. Seine linke Hand pulsierte heftig, glühte und fror zugleich. Langsam nahm seine Umgebung wieder Gestalt an und das kleine Zimmerchen spendete Vertrauen und Ruhe. Er war in Ines Villa, dachte er. Auch, wenn ihn im Augenblick nicht interessierte, wie er hierher gelangt war. Er richtete sich gemächlich auf, rieb den tiefsitzenden, trockenen Schlafsand aus seinen Augen und schaute dann verwundert zu dem jungen Mädchen, das neben dem Sofa wachte. Es war Sara, die auf einem Stuhl saß und schlief. Ein friedvolles Lächeln huschte über Links trübsinniges Gesicht, wusste er doch ganz genau, wie wunderbar seine kleine Schwester war. Nach all den Streitereien, die sie beide hinter sich hatten, nach all den Dingen, die sie erlebt hatten, stand sie immer noch fest hinter ihm, stärkte sein Rückrat und half ihm immer wieder aus der Patsche... ,Sara war eben ein Schatz’, dachte er und ließ vorsichtig seine tauben, zitternden Beine von dem Sofa baumeln. ,Okay’, dachte Link. Er war hier in dem Keller von Impas Villa. Ganondorf wartete auf ihm in der Kirche Schicksalshorts und hatte womöglich schon einen widerlichen Empfang für ihn vorbereitet. Unwichtig, dachte Link. Er musste sich ihm stellen. Er musste sofort aufbrechen, egal, wie viele Fallen auf ihn warteten. Er konnte Zelda nicht einfach Ganons dreckigen Händen überlassen. Mit einem quälenden Gejaule stand der junge Held auf den Beinen und bewegte seine Füße einige Zentimeter, als Sara aufwachte. Ohne ein Wort zusagen, schmiss sie sich in Links Arme und ließ eine kleine Freudenträne ihre rechte Wange hinabtropfen. „Ach, mein Brüderchen, was machst du denn für Sachen...“, schluchzte sie. „Nur Dummheiten, was?“, meinte er zweifelhaft, genoss ihre Umarmung und blickte sogleich überrascht zu den vielen goldenen Punkten an den kahlen Wänden. Sara wich einige Zentimeter zurück und lächelte ihn kopfschüttelnd an. Sie lächelte so wie immer, ein wenig verdutzt, ein wenig verräterisch und besserwisserisch. „Wie fühlst du dich?“ Link starrte zu Boden und murmelte gezwungen: „Das hängt davon ab, wie lange ich geschlafen habe...“ Er rieb sich über seine Stirn und erinnerte Zeldas Entführung im Thronsaal, sowie das Zerstören der Elixiere, wie auch den Traum als Rick ihm erschien. „Nur knapp zwei Stunden“, sagte Sara und deutete auf die goldenen Flecke an den Wänden. „Weißt du, was du getan hast?“ „Ich dachte, ich hätte geschlafen...“ „Das stimmt wohl nicht ganz.“ „Und das bedeutet?“ Er hatte keine Lust auf Rätselraten, zumal er sich höllische Sorgen um Zelda machte, aber es war Saras Blick, der ihn verunsicherte. Er wollte Schwermut darin sehen, vielleicht auch so etwas wie eine Beschuldigung, dass er nicht der Held war, der er sein sollte. Stattdessen lag Ruhe in ihren Augen, Gewissheit. Hoffnung... Es war ein Grummeln, das er absonderte, als Sara verräterisch grinste: „Ja, mein Brüderchen, diese goldenen Farbflecke stammen von deinem Fragment.“ Vergewissernd schaute er auf seinen linken Handschuh, der ebenso von dieser Farbe bekleckert schien. Sorgsam riss er sich den Lederhandschuh herab und staunte nicht schlecht über eine wahnsinnige Intensität, die das Fragment von sich gab. Auch seine Haut fühlte sich sehr komisch an, beinahe flüssig. „Es lebt, Link. Dein Fragment atmet...“ „Ich weiß... aber das ist jetzt nicht von Belang, ich muss mich sofort auf den Weg machen.“ Sara nickte. Und noch ehe sie das Nicken beenden konnte, stürzten weitere Personen in den kleinen Raum, allen voran der kleine Bengel, der dem erwachsenen Heroen sofort in die Arme fiel. Link war dankbar, dass dieses Kind hier war, wenn schon Zelda es nicht konnte. Er drückte das Kind an sich, als wäre es tatsächlich sein eigenes. „Geht es dir gut?“, murmelte der kleine Bengel. „Ja, jetzt geht es mir eigentlich ganz gut...“ Link kniete nieder und blickte in die strahlenden, aufgeweckten Augen des Jungen. „Du musst Zelda retten“, sagte der Kleine Mann. „Ich weiß...“, sagte Link klar und tapfer. Er trat auf die Beine, schaute mit einer ungewöhnlichen Ernsthaftigkeit in die Augen der Weisen, die um ihn herum standen. „Das Elixier ist zerbrochen...“, begann Link. „Und es wäre dumm von mir, nicht zugeben zu können, dass es meiner Verantwortungslosigkeit zuzuschreiben ist, dass es geschah. Ich war nicht stark genug. Ich werde mich daher auf den Weg machen. Meine Fehler wieder gut machen...“ Links Blickt sank nieder und jegliche Angst vor Ganondorf schien auf einmal wie weggewischt. „Ich werde mich sofort auf den Weg machen...“ Link trat in Richtung Tür. Nun war es Harkenia, der ihn daran hinderte, weiterzugehen. „Leon? Was ist?“ „Du bist noch nicht ganz... sagen wir aufgeklärt über die letzten Ereignisse. Es gibt noch etwas, was wir für dich tun können, bevor du aufbricht. Bevor der Kampf gegen Ganondorf in die heiße Phase geht.“ Verwundert sah Link von einem Augenpaar zum anderen. „Du hast es mal wieder viel zu eilig, Held“, sagte Impa und gab ihm einen gutgemeinten Klaps auf die Schulter. „Wie willst du Ganondorf ohne Schwert gegenübertreten?“ Links Blick senkte sich. Das war ein mehr als berechtigter Einwand. „Und da nur das Masterschwert Ganondorf vernichten kann, wird es diese Waffe sein, die du schwingen musst.“ Link verzog seine Augenbrauen. „Aber das geht nicht, Impa. Ich kann das Masterschwert nicht führen. Es gehorcht mir nicht.“ „Das denkst du“, erwiderte sie spitzfindig. „Folge uns.“ Damit trat der junge Heroe in das große Beratungszimmer ein, erblickte auf der zerschlissenen Tischplatte das durchmischte Elixier. Impa nahm es in ihre Hände und überreichte es Link, der nur verwundert auf diese vielen Regenbogen in der Flasche schaute. Sie tanzten. Tausende kleine Regenbögen... „Was soll ich damit?“ „Es kann uns nicht mehr dienen, Link. Aber es könnte dir nun einen entscheidenden Vorteil verschaffen.“ Gespannt hörte Link zu, folgte jeder Silbe, als Impa das Mysterium Elixier erklärte und konnte es dennoch nicht begreifen. Impa wiederholte es noch einmal und blickte erwartungsfroh in Links tiefblaue Augen. „Wenn ich es trinke, dann könnte ich mich an mein früheres Leben erinnern?“ Es war Schock, Wahnsinn und eine irrsinnige Erleichterung. „Ich kann mich dann an Hyrule erinnern?“ Link musste den Satz einige Male wiederholen, um ihn tatsächlich zu verstehen. „Ich könnte mich erinnern?“ „Ja, an alles. Vor allem aber daran, wie du Ganondorf bezwingen könntest.“ Link war für Momente sprachlos. Wenn er sich erinnern würde, dann würde er endlich wissen, wie es einst war, der Held der Zeit zu sein. Er würde sich endlich selbst kennen. Er würde seine damaligen Sehnsüchte, Gefühle, Gedanken erforschen können. Er würde seine und Zeldas Vergangenheit kennen. Link wollte gerade einen Luftsprung machen, als er sich einer weiteren Sache klar wurde. Die Erinnerung hätte vielleicht einen sehr bitteren Preis... „Aber wenn dein wahres Ich erweckt wird, könnte es sein, dass all’ das, was du jetzt bist, verloren geht“, sagte Harkenia. „Bist du bereit dieses Risiko einzugehen? Für Hyrule, die Erde und für Zelda?“ Tapfer sah der junge Held auf, wusste um die Dringlichkeit seiner Entscheidung. Und er würde jetzt bestimmt nicht wieder vor sich selber weglaufen. Er hatte genug gejammert und seine Zweifel hatte er lange genug vor sich hergeschoben. Er musste endlich etwas tun. „Ja, das bin ich. Wenn ich der Welt hiermit meinen Dienst leisten kann, bin ich bereit, mein jetziges Ich aufzugeben.“ „Und alles, was daran geknüpft ist?“ Alles, was daran geknüpft ist... Sehr viel hing von seinen Erinnerungen im Jetzt ab. Zelda... und die vielen gemeinsamen Stunden waren an das geknüpft, was er im Hier und Jetzt erlebt hatte. Seine gigantischen Gefühle für sie lebten im Hier und Jetzt, womöglich aber nicht in der Vergangenheit. Impa sah das kleine, traurige Funkeln in Links Augen und legte eine Hand auf seine Schulter. „Selbst wenn du Zelda und deine Gefühle für sie vergisst, so zweifle nicht, Link. Ihr ward euch damals schon näher als es gut für euch beide war. Verzage jetzt nicht, denn deine Gefühle für deine Prinzessin werden bleiben. Vertraue darauf.“ Link nickte, fühlte sich aber plötzlich äußerst unwohl in seiner Haut, bedenke man die vielen Ohren, die interessiert zuhörten. Sie wussten es alle, oder, dachte Link. Sie wussten allesamt, dass er und Zelda ein Paar waren? Auch Harkenia? Vorsichtig wanderten Links Augen zu Leon, der nur nickte. Hatte er als König Hyrules nichts mehr gegen ihre Beziehung einzuwenden? „Was ist, Link? Bist du bereit, alles aufzugeben?“, wiederholte Impa ungeduldig. „Alles, was an dein jetziges Leben geknüpft ist?“ „Restlos alles.“ Es war wie ein Schwur, ein altes Gelübde... Ohne einen weiteren Gedanken, ohne Zweifel, sondern mit unbeschreiblichem Mut, nahm der Heroe das Elixier in seine Hände, öffnete den Schraubverschluss und setzte die Flaschenöffnung an seine Lippen. Deutlich fühlte er die Substanz seine Kehle hinablaufen, spürte etwas neues in sich, für einen kurzen Moment. Und als er die Flasche geleert hatte, sank er zu Boden, fiel hinein in das großartige Labyrinth seiner Seele. Fiel hinein in das Irrgarten der Zeit, wo Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ein ungewisses Spiel spielten... Kapitel 115: Der Turm, wo er wartet... -------------------------------------- Um Links Nase wehte ein frischer, salziger Wind. Und als sich seine tiefblauen Augen öffneten, fand er sich an einem alten Ufer Hyrules wieder. Die Möwen schickten ihre vertrauten Gesänge in seine Richtung und nur wenige Meter vor ihm schlug die Gischt tobend an steile, abgetragene Felsklippen. Hinter ihm herrschten weite, grüne Wiesen vor und nirgends gab es einen Weg oder eine Markierung, die ihm Orientierung bot. Es war ein Tag, an dem der Himmel mit dicken, grauen Wolken bedeckt war und nur ab und an gleißende Lichtstrahlen durch die Wolkendecke drangen. In Richtung Osten ragte ein alter Turm, erbaut auf einem flachen Felsen inmitten der See in die Höhe. Ein Triforce auf grünem Hintergrund war auf dem Banner bestickt, der im heftigen Sturm flackerte. ,Wo bin ich gelandet?’, dachte Link. Er wusste noch, dass er das Elixier getrunken hatte. Und nun? Er warf einen Blick hinab ans Ufer. Ein Boot lag dort ankernd, sogar mit einem Steuermann, der Link zuwinkte. Der junge Held erwiderte die Geste und schielte genauer zu dem in braunen, zerflederten Umhang gekleideten Mann, der sogleich in das Boot hüpfte. Irgendetwas an diesem Kerl war mysteriös, mächtig, ja beinahe aufregend... Und ein steiniger Weg führte direkt vor Links markanter Heroennase hinab. Ungeduldig hüpfte er auf seine Beine, klopfte den Staub von seiner grünen Tunika und griff sich in die blonden Haare, die der Wind in sein Gesicht blies. Verwundert wanderten seine Hände zu einer grünen Stoffmütze, die er auf dem Schädel hatte. Rasch nahm er sie ab, betrachtete sie von jeder Seite und wog die Kopfbedeckung in seinen Händen. ,Ich bin also ich... oder doch noch nicht gänzlich’, dachte er zweifelnd. Er pfropfte die Mütze wieder auf seinen Kopf und wand sich in Richtung des steinigen Weges. Irgendetwas sagte ihm, dass er auf das Meer hinausfahren müsste, dort zu diesem hohen Turm inmitten der stürmischen See. Zu dieser kleinen verwunschenen Festung, wo ein stolzer Banner, stehend für das Triforcefragment des Mutes, nach dem wahren Helden rief. Ohne weiter zu überlegen setzte er seine Beine in Bewegung, hetzte den steinigen Pfad hinab und schaute hoffnungsvoll zu dem Turm, der sich zu nähern schien. Auf halber Strecke stützte er sich kurz auf seinen Knien ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Plötzlich wurde er von zwei warmen Armen umschlungen. Mit blassrosa Stoff bezogene Händen umarmten seinen durchtrainierten Bauch und ein sanfter Satz von so wundersamen, süßen Lippen ließ ihn entspannen. „Nicht so schnell, mein Held.“ Verdutzt drehte er sich um und erblickte seine Prinzessin ermutigend lächelnd in ihrer königlichen Tracht direkt vor ihm stehend. Sie lächelte so schön und irgendwie so friedvoll wie noch nie. Es war so anmutig, wie das lange, feine Kleid sich um ihren Körper wand. „Zelda...“, brachte er hervor und riss sie gleich noch einmal innig in seine Arme. Das Kleid war so dünn, dass er Angst hatte, sie würde hier am kalten Ufer Hyrules frieren. „Was machst du hier, ich dachte du wärst...“ Sie rückte wenige Zentimeter von seiner Brust, an die er sie drückte, blieb aber wärmend in seinen Armen. „Schsch...“ Sie legte einen Zeigefinger auf seine blassen Lippen und fuhr hinab zu seinem Kinn. „Ich bin immer bei dir, habe immer eine Verbindung zu dir, mein Held. Auch deswegen...“ Sie streichelte seinen linken Handrücken und verwies auf das Triforce, das hell leuchtete. „Ich muss dir noch etwas sagen, bevor du dich zu dem dunklen Turm begibst, wo... er... auf dich warten wird“, meinte sie dann. „Wer wartet dort auf dem Meer?“ Link nahm ihre Hände in seine und küsste diese. „Jemand, den du vermisst hast“, meinte sie andeutungsvoll und küsste ihn sehnsüchtig auf seine Lippen. „Aber, wer es ist, wirst du in wenigen Minuten erkennen.“ „Du möchtest mir noch etwas sagen...“, murmelte er und streichelte durch das seidene Haar, das er von ihr so liebte. Sie nickte. „Hab’ keine Angst vor dir selbst, Link... und erinnere dich mit Mut, mit Hoffnung an das, was damals war.“ „Keine Sorge, Zeldaschatz, ich habe keine Zweifel mehr...“ „Wirklich?“, fragte sie sanft. Er grinste tapfer. „Rick hat sie mir ausgeredet.“ Zelda lachte leise auf. „Rick...“ „Ich weiß jetzt, dass wir eine Zukunft haben werden, meine Prinzessin“, sprach er leise und drückte sie noch einmal innig in seine Arme. „Aber dafür muss ich mich jetzt auf den Weg machen.“ Sie schloss die Augen und drückte noch einen kleinen Kuss auf seine Lippen. „Ich werde immer auf dich warten, mein Held.“ Sie trat einige Schritte rückwärts, lächelte und legte ihre Hände verschränkt auf die Brust. „Ich liebe dich, Link.“ „Ich liebe dich seit ich denken kann, Zelda...“ Sie lächelte tiefgehend. Und mit diesem Satz, drehte er sich um, folgte weiterhin dem steinigen Weg, bis er außer Atem vor dem Boot stand. Von weitem sah das Boot ziemlich klein und unbrauchbar aus. Aber dies schien ein Irrtum zu sein. Die Verkleidung des Bootes war intakt und die Paddeln waren ebenso in gutem Zustand. Gerade da kam der vermummte Mann aus dem Boot gehüpft. Sein Umhang war an manchen Stellen verdreckt und hatte viele Flicken. Die Kapuze lag soweit über seinem Haupt und hing soweit hinab, dass Link nicht einmal seine Augen erkennen konnte. „Fahrt Ihr hinaus zu dem Turm?“, fragte Link und wurde immer misstrauischer bezüglich der Gestalt. Aber er musste diesen Versuch wagen. Eine andere Möglichkeit als mit dem Boot hinauszufahren gab es nicht. „Ja, in der Tat“, sprach sein Gegenüber rau. Seine Stimme war vertraut, auch wenn man deutlich hören konnte, dass er seine Stimme verstellte. „Würdet Ihr erlauben, dass ich mitfahre?“, fragte Link und schielte beunruhigt zu den grauen Wolken, die den Sturm fortwährend ankündigten. „Was zahlt Ihr als Preis?“ Link sah auf und überlegte. Hastig durchwühlte er seine Taschen und fand nicht einen Rubin darin. Nur die Okarina der Zeit fiel in seine Hände. Aber er konnte doch nicht diesen teuren Schatz als Zahlungsmittel missbrauchen. Zelda würde ihn köpfen, wenn er diesen königlichen Schatz verscherbeln würde. „Ich verlange die Okarina“, sagte der Mann düster und reckte eine mit Handschuh umhüllte linke Hand dem Heroen entgegen. „Ist dir die Reise zum Turm dieses Opfer wert?“ Link stutzte. Was wollte dieser Händler, der womöglich seinen Lebensunterhalt mit billigen Bootsfahrten verdiente, mit der Okarina der Zeit? Sorgsam betrachtete Link die Okarina und versuchte unter die dunkelbraune Kapuze des Mannes zu schielen. „Die Okarina kann ich nicht hergeben“, sagte Link versichernd. „Kann ich etwas anderes als Zahlungsmittel entrichten?“ Der Mann in seiner Kutte schüttelte den Kopf. „Ich will diese Okarina, oder sonst verleihe ich dir das Boot nicht. Gib’ sie schon her, immerhin steht dir noch Wichtigeres bevor.“ Der Kerl klang unduldsam und leicht gereizt. Aber woher wusste er, dass Link noch viel vor sich hatte, was sonst niemand schaffen konnte? „Ich verbinde viel mit dieser Okarina...“, argumentierte Link. Es erinnerte ihn immer an Zelda... „Ich ebenso“, antwortete der verkleidete Mann. „Auch ich besaß einst eine Okarina.“ „Aber... mein teuerster Freund gab sie mir.“ „Nur ein Freund?“, erwiderte er spitz, so als wüsste der Kerl genau, dass der teure Freund mehr war als bloß ein Freund. Link schwieg daraufhin und überreichte das Flöteninstrument nur schweren Herzens. „Gute Wahl“, murrte der Kerl und stieg in das knarrende Boot ein. Link folgte und das Boot schwamm in gleichmäßigem, ruhigen Bewegungen hinauf auf die See. Näher und näher rückte der hohe, dunkle Turm, in welchem oberen Stockwerk sich viele langgezogene Fenster befanden. Aber nirgends drang ein Licht aus dem Gemäuer und auch sonst deutete nichts daraufhin, dass hier jemand lebte. „Lebt auf dieser kleinen Insel jemand?“, fragte Link leise, traute sich aus irgendeinem Grund fast nicht, diesen Kerl vor ihm anzusprechen. Irgendetwas Mysteriöses, Großartiges umgab ihn. „Nein, nur manchmal sucht der Besitzer dieses Turms dort seine Ruhe. Dann, wenn seine Pflichten ihn überfordern oder er einfach mal Stille und die Einsamkeit sucht. Aber innerhalb von wenigen Tagen vermisst er dann immer seine Liebste und kehrt zurück in die Hauptstadt Hyrules. Gelegentlich nimmt er seine Gemahlin auch mit hierher. Eine wunderschöne Lady, für die man sterben könnte. Und am schönsten ist es hier im Herbst... man kann vom Turm aus die bunten Bäume der östlichen Wälder entdecken, wenn man durch das Fernrohr sieht. Das Leben ist sehr friedvoll hier.“ Link stützte seine Hände ans Kinn und blickte erstaunt nach vorne. Trotz der unheimlichen Aura, die den Mann umgab, war da etwas Herzensgutes, dass von ihm ausging. Vertrautheit. Verständnis. „Wer ist der Mann, der dort lebt?“ Darauf schüttelte der Mann, der vermutlich auch zu den Hylianern gehörte, den Kopf. „Ich kenne seinen Namen nicht... und viele Leute in der Gegend sagen, er wäre zwar ein sehr bekannter Mann, der sich für die Völker Hyrules einsetzt, aber seinen Namen kennt man hier nicht. Vielleicht ist das auch gut so.“ Link nickte und starrte hinauf an das östliche Himmelszelt. Dunkle Wolken zogen von dort heran. Wenn sie den Turm erreicht hätten, würde wahrscheinlich ein Sturm heraufziehen. Besser der dienstleistende Bootsfahrer beeilte sich. „Ihr wisst ziemlich viel über den Mann, der hier manchmal seine Tage verbringt“, meinte Link. „Man beobachtet die Leute eben, wenn man am Ufer auf Kundschaft wartet. Viele wollen gerne aufs Meer fahren, dabei unterschätzen sie das Wetter und die Meeresströmungen gewaltig. Von daher bin ich manchmal wachsam und mache die Hylianer darauf aufmerksam, wie gefährlich ein Sturm sein kann. Ebenso wie die Stürme, die in der eigenen Seele leben. Ihr seht so aus, als hätte Euer Sturm schon lange begonnen. Und Ihr steht nun vor dem Auge des Sturmes.“ Verwundert richtete Link seine ganze Aufmerksamkeit auf sein Gegenüber. Lebenserfahrung. Weisheit. Melancholie. Soviel spiegelte sich in den Worten dieses Mannes. In dem Moment durchbrach ein gleißender Blitz den stürmischen Himmel und kündigte den Donner an, der folgte. Zorn der Götter nannte man Gewitter hier in Hyrule. Und die Leute in ihren Heimen, oder die Männer in ihren Kneipen bei hylianischen Gesängen erzählten dann immer von irgendwelchen kleinen Zwistes, die die Göttinnen untereinander auszutragen hatten. „Der Sturm naht...“, sprach der Mann andächtig. „Ein Gewitter kann beruhigend sein... wenn man weiß, dass es viel Schlimmeres gibt.“ Da war soviel Melancholie in seinen Worten, dass Link immer neugieriger wurde, wer eigentlich vor ihm saß. „Warum sagt Ihr das?“ Daraufhin stoppte der Mann das Boot und schielte mit dunkelleuchtenden Augen unter der Kapuze hervor. „Sein Schicksal wählt man hier in Hyrule nicht. Und selbst wenn man es wählen könnte, so sollte man dies nicht leichtfertig tun. Aber folgt man seinem Schicksal, so hat man viele Hürden zu meistern, erst Recht, wenn Bedeutsames Blut in den Adern fließt.“ „Ich weiß nicht, worauf Ihr hinaus wollt.“ Er lachte daraufhin und trieb das Boot weiter voran. Sein Lachen war lebendig, nicht so wie seine augenscheinliche Unnahbarkeit. „Ganz einfach... Bedeutsames Blut ist meist mit Blutvergießen verbunden. Darum kann es Schlimmeres geben, das eine Seele überstehen muss als ein einfaches Gewitter.“ Link nickte einsichtig. Gerade da legte das Boot an dem schmalen Ufer der Insel an. Ein Ring aus Gischt umgab die kleine Insel, die aus flachem, glatten Felsgestein bestand. Das salzige Meerwasser schlug immer wieder sanft an die steilen Hänge des Turms. Links Augen wanderten an den dunklen Steinquadern hinauf und blieben an einem dunklen Eisentor haften, welches mit Striemen von Rost durchzogen war. Eine schmale Holztreppe führte außen hinauf zu eben diesem Eingang. ,So, was jetzt?’, dachte er sich. Ratsuchend drehte er sich zu dem Mann um, der ihn begleitet hatte. Rasch wand sich Link nach hinten, schaute zu jeden Zipfel der Insel, aber der seltsame Fremdling war wie vom Erdboden verschluckt worden. ,Na Prima’, murrte der junge Held in Gedanken. Wo war der Kerl hin verschwunden. Aber seltsamerweise lag das Boot nach wie vor am Ufer. Einige kühle Tropfen fielen vom Himmel als die dunklen Wolken nahten. Blitze zuckten vorüber und vereinigten sich mit dem Donner, der sogleich die Geschöpfe Hyrules erschaudern ließ. Mühsam zerrte sich Link am Geländer der Treppe nach oben, umweht von einem eisigen, starken Wind, der ihn mitreißen wollte. Er war fast vollständig durchgeweicht, als er das große Tor erreichte. Er klopfte mit beiden Fäusten dagegen und bat um Eintritt. Doch niemand antwortete... Ohnehin war der Innenraum nicht erleuchtet, was darauf hindeutete, dass niemand in dem Turm hauste. Umso unsinniger, dass Link überhaupt hierher gekommen war. Vielleicht war es auch einfach nur so eine Neugierde, oder Intuition. Jedenfalls fackelte Link nicht mehr lange, hatte ohnehin keine Lust noch länger in dem nassen Regen zustehen. Er schob das Tor einfach auf, trat geschwind hinein und schloss es wieder. Er schüttelte sich, rieb sich seine erkühlten Arme und atmete mehrmals mit Erleichterung ein und aus. Ungemein still war es hier drin, obwohl draußen ein garstiger Sturm tobte. Links tiefblaue Augen wanderten erforschend durch den Raum. Ob es hier in dieser Schwärze irgendwo eine Lichtquelle gab? Zaghaft tastete er sich voran, spürte anhand von Formen einen runden Tisch und zwei gepolsterte Stühle in der Zimmermitte. Auf dem glatten, antiken Tisch stand etwas. Ja, die Formen ergaben Sinn. Da waren spitze Kanten. Eine runde Fläche und Karten. Ein Spiel? Sachte schlich Link hinüber an die Wand direkt vor ihm, entdeckte so etwas wie einen alten Sekretär. Er tastete nach einer Kerze und fand stattdessen einen ganzen Kerzenständer. Na gut, eine Lichtquelle hatte er gefunden. Wo war hier ein Streichholz? Link stolperte weiter und gelangte an ein schlichtes, aber wunderbar weiches Ehebett. Seufzend ließ er sich hintenüber sinken und schlug seine Arme hinter den Kopf. Irgendwie fühlte er sich wohl hier. Dieser Ort war so wunderbar, dass er sofort einschlafen könnte. Wenn doch nur Zelda auch hier wäre, träumte er. Zelda... Genüsslich roch er an den sauberen Lacken, die erst frisch gewaschen sein mussten. Er schwelgte ihn geheimen Sehnsüchten, verzehrte sich nach Zeldas Lippen, ihren Händen, nach ihrem Körper... Seufzend schüttelte er den Kopf. Irgendetwas an diesem Ort verführte ihn dazu, nur noch an Zeldas zu denken, obwohl er einen Auftrag hier hatte. Link schloss nur kurz seine Augen und als er sie wieder öffnete war der Raum wärmend und gemütlich von zwei dickstämmigen Kerzen und dem Kerzenständer an der anderen Wand erleuchtet. Das musste Magie sein, dachte Link. Er hüpfte wieder auf die Beine und schaute sich noch genauer um. Tatsächlich. Auf dem Tisch stand das legendäre Spiel der Sieben Weisen. Das Spiel, welches Link so gerne mit Zelda spielte. An einer anderen Wand hing eine ganze Ausrüstung. Drei Schwerter, eine Axt. Pfeile in einem Köcher verborgen. Eine Tunika hing dort, die dieselbe grüne Farbe trug wie seine. Sein Blick schwang wieder zu dem Sekretär. Dort waren einige Bücher gestapelt und eine Menge Pergamentblätter mit irgendwelchen hylianischen Schriftzeichen. Einige waren mit Zeldas Unterschrift gezeichnet. Aber das Absurdeste war, dass unter einigen der Verträge sein eigener Name stand. Sir Link? Was war das denn? Link hielt das Stück Pergament näher an seinen Kopf um das Unfassbare zu glauben. Ein gewisser Sir Link unterzeichnete hier frohlockend irgendwelche Verträge. Ja klar... Das konnte nur ein übler Scherz sein. Sorgsam tupfte Link über die wenigen Buchstaben seines Namens und fand dieses Geschehnis zu verrückt, um es nur ansatzweise verstehen zu können. Tatsächlich schrieb dieser Sir Link in der gleichen Handschrift wie er selbst... Der junge Heroe musste plötzlich lauthals lachen und blickte ungläubig zu einer weiteren Entdeckung. Ein mit Ölfarbe gemaltes Bild seiner Prinzessin stand auf diesem Tisch. Sie hatte eine Krone mit teuren Edelsteinen in ihrem goldblonden Haar und lächelte, als ob sie alles Glück der Welt erfahren hatte. Noch nie hatte sie so gelächelt. Es rührte Link zunehmend, sänftigte ihn und ließ ihn ruhiger werden. Doch was war das? Neben Zeldas Bild standen zwei weitere. Eines mit einem kleinen Jungengesicht, der blonde Haare trug und so aussah wie Klein-Link. Das andere Bild zeigte ein kleines Mädchen mit gelockten hellblonden Haaren. Das Mädchen hatte tiefblaue Augen, so wie er selbst... Neugierig betrachtete Link die Bilder von jeder Seite. Harkenia und Lia? Ihm wurde in Sekundenschnelle so warm ums Herz, und er fühlte sich gleichzeitig so durch den Wind, dass er sich auf den Stuhl sinken lassen musste. Diese Kinder... ,Wo bin ich nur?’, fragte er sich und hielt das Bild des kleinen Mädchens schockiert in den Händen. Es war irgendwie die Art und Weise, wie dieses Mädchen ihn aus dem Bild heraus anblickte, der ihn wissen ließ, dass er eine Verbindung zu ihr hatte. Verbundenheit... Zuneigung... Liebe... In dem Moment wurde der junge Heroe durch irgendetwas abgelenkt. Sorgfältig besah er sich jede Ecke des Zimmers. Seine Augen blieben bei der Ausrüstung haften. Der elegante Einhänder wackelte plötzlich, als ob ihn jemand gerade erst dort hingehängt hätte. Dabei hing er vorhin schon an seinem Platz. Link trat näher und strich neugierig über den glänzenden Stahl. Und noch etwas rückte in sein Aufmerksamkeitsfeld. Der braune Umhang des Fremden, der ihn hierher gebracht hatte. Jener Umhang hing nun sorgfältig ebenso an einem Haken. Das war schräg. Hauste dieser Fremdling etwa hier? Erlaubte er sich einen Scherz mit ihm? Was hatte dieser Kerl mit Zelda und was hat dieser Kerl überhaupt mit ihm zu schaffen? Misstrauisch untersuchte der junge Heroe die dunkle Wand direkt vor seiner spitzen Heldennase. Er klopfte einige Male dagegen und seine Vermutung bestätigte sich. Hinter der Wand musste sich ein Zugang befinden, der ihn womöglich wieder nach unten bringen würde. Link kniete nieder und entdeckte im schwachen Kerzenlicht, wie sich eine unauffällige kleine schwarze Tür nur ganz undeutlich von dem dunklen Mauerwerk abhob. Sorgfältig öffnete er ein winziges Schloss und kroch auf allen vieren durch die kindsgroße Pforte. Wie von Geisterhand fiel das Türchen zu und der junge Heroe befand sich in einem schmalen Schacht mit einer Wendeltreppe, der ihn hinab in die Tiefe führte. Neugierig wie immer, krallte sich Link eine Fackel von der Wand und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Auf halber Strecke gelangte ein sanftes Flötenspielen an seine spitzen Ohren. Zart waren sie. Dumpf und magisch. Töne erschaffen von der kostbarsten Okarina, die es in Hyrule gab. Der Okarina der Zeit, die angeblich von der Zeit selbst geformt sein sollte. Abrupt blieb Link stehen. Seine blauen Augen schillerten so dunkel, man hatte das Gefühl das tiefblau wäre von Schatten verschluckt worden. Er kannte sogar das Lied, wusste aus irgendeinem Grund, dass dieses Lied das Bedeutsamste seines ganzen Schicksals war. Es war die Melodie, die dem Helden der Zeit gebührte. Im Hintergrund spielt die Flöte die Hymne der Zeit. Aufgeregt tapste Link die Treppenstufen hinab. Das konnte eigentlich nur Zelda sein, die diese Melodie mit ihren sanften Händen spielte. Wer sonst kannte die wahre Natur dieses Musikstückes außer Link selbst? Als die Treppenstufen endeten fand sich Link in einem hohen Gewölbe wieder. Außerhalb tobte noch immer das Gewitter erbarmungslos und versprühte seine gleißendhellen Funken in den Innenraum. Auch die Flötentöne wurden lauter und klangen beinah gehaltlos und nichtig angesichts des heftigen Donnergrollens um den Turm herum. Link trat langsam näher, hielt die lodernde Fackel warnend vor sich und erschrak in dem Augenblick, da er die Person, sitzend auf einem großen Stein, erkannte. Ungläubig stand Link genau vor ihm. Seinem rechtschaffenen Gesicht. Seinem wahren Ich. Er trug ein edles Heldengewand. Aus sattem Grün. Kunstvolle Stickereien waren in dem teuren Stoff verarbeitet. Sein Gesicht war konzentriert und angespannt, während er die Töne auf seiner Okarina erschuf. Ja, der Jugendliche, der noch immer die Fackel in der Hand hielt, verstand. Deshalb also verband dieser Mann soviel mit der Okarina der Zeit und deshalb verhielt er sich so merkwürdig, als er Link über das Meer geleitete. Er wollte seine Tarnung nicht zu früh auffliegen lassen... Kein Zweifel. Dies war der legendäre Held der Zeit, der irgendwo in seiner eigenen Seele schlummerte. Dies war Link, der Ganondorf bezwingen konnte. Träge öffneten sich seine Augen, während die letzten dumpfen Töne der Okarina, die auf der Zeit spielte, im Rauschen des Windes untergingen. Mit einem ernsten, kampfbereiten Grinsen starrte das wahre Gesicht des legendären Helden in die ungläubigen des Jugendlichen, der vor Schreck die Fackel fallen ließ. Wortlos stand er da, beeindruckt und gefangen von diesem Ehrgeiz, diesem erschreckenden Mut, in den Augen seines Gegenübers. „Es wurde Zeit, dass du kommst!“, sagte der wahre Held der Zeit, nun nicht mehr mit verstellter Stimme. Nein, nun klang jene genauso wie die des Jugendlichen, der sein wahres Ich vergessen hatte. „Du bist... Ich?“, sprach der unwissende Jugendliche, der wie in einen Spiegel zu starren schien. Sein wahres Ich sprang geschwind auf die Beine und hängte den Kopf schief. „Ich habe dir nun wahrlich genügend Hinweise gegeben. Was meinst du, ist das hier für ein Ort?“ Der wahre Held verschränkte seine Arme. Sprachlos blickte Link zu Boden und stotterte: „Ich... weiß nicht so... genau.“ Darauf lachte der andere und grinste unverschämt. „Haben dich die Bilder von Harkenia und Lia so sehr verunsichert?“ Link war derweil irgendwie knapp vorm Herzkasper. Er ließ sich einfach zu Boden sinken und stützte den Kopf an seinen Händen ab. „Ich bin du... alles, was du hier siehst, gehört dir...“ Der wahre Held drehte dem Jugendlichen den Rücken zu und lächelte. „Diese Dimension kannst du erschaffen, wenn du nur willst. Du könntest hier mit Prinzessin Zelda eure erste gemeinsame Nacht in Hyrule erleben, du könntest hier ab und an die Einsamkeit finden, die dir ein Leben bei Hofe nicht mehr bieten kann. Aber diese Zukunft erfordert einige Opfer, vor allem von dir. Alles liegt bei dir.“ Erste Nacht, dachte der Jugendliche schamhaft. Irgendwie ließ ihn der Gedanke schon wieder so zappelig und nervös werden, obwohl es doch langsam keinerlei Beschämendes mehr darstellte. „Wo sind wir jetzt genau?“, fragte ein ungläubiger Link. „Zuhause...“, murmelte der andere. „Aber die Frage ist nicht ganz richtig. Eigentlich müsstest du fragen, wo du bist. Denn ich bin du.“ Verärgert sprang Link auf die Füße und griff seinem Gegenüber energisch am Kragen. „Ach ja? Wenn ich du wäre, warum habe ich dann zugelassen, dass Zelda von diesem Dreckschwein entführt wird? Warum hast du nichts getan? Warum hast du Zelda nicht gerettet?“ Link zürnte vor Angst und Wut. Er rüttelte sein wahres Ich, fauchte ihn an, beschuldigte ihn gnadenlos: „Ganon hat Zelda! Nur, weil du nicht aufwachen wolltest. Du bist ein verdammter Feigling!“ Auf diese Bemerkung bekam Link eine saftige Ohrfeige von dem im edlen Gewand gekleideten Helden der Zeit. „Wofür war das?“ „Für deinen kindischen Hohlkopf!“ Der Held der Zeit lief hin und her. Seine tiefblauen Augen waren erschütternd wach, so eindringlich, dass sich der Jugendliche vor diesem Blick fürchtete. „Bin ich dir Rechenschaft schuldig? Du hast die gesamte Zeit geschlafen. Hätte ich nicht ab und an eingegriffen, wäre Zelda schon lange durch deine Unzuverlässigkeit gestorben.“ Link griff sich an seine Stirn und schloss die Augen. „Du bist eingegriffen? Wann?“ Ein Lachen drang durch die Luft, gefolgt von einem weiteren Kopfschütteln. „Wann immer es nötig war, um dich oder deine Liebende zu beschützen.“ Link ging in dem Moment ein Licht auf. Die vielen Blackouts. Seine plötzliche gnadenlose Kämpferseite. War das ein Eingreifen von dem wahren Helden? „Die Blackouts?“ „Es waren keine Blackouts, sondern so etwas wie Seelensprünge. Für wenige Minuten warst du nicht mehr der Erdenbürger. Du warst ich...“ „Aber wie kann das sein? Bin ich denn nicht du?“ Erneut standen sich die beiden gegenüber, sahen aus wie perfekte Zwillinge und doch lag in den Augen etwas sehr, sehr unterschiedliches... „Natürlich bist du ich... aber du musst dich erst wieder erinnern. Um das ganze einfacher zu machen, habe ich dich hierher geschickt, an einen Ort der Phantasie. Einen Ort einer möglichen Zukunft für mich... und für dich... aber vor allem für Zelda.“ Das Lächeln des Helden wurde verträumter und verträumter, als der Name der Prinzessin über seine Lippen kam. „Du liebst sie... und ich liebe sie.“ Link nickte beschämt. „Und was muss ich jetzt tun, damit ich mich erinnern kann?“ Der Held der Zeit hängte den Kopf schon wieder schief, setzte einige Finger an sein Kinn und meinte entschlossen: „Nun, ich sehe einige Möglichkeiten deine Erinnerungen wieder... aufzufrischen, aber einige sind sicherlich nicht ganz schmerzfrei, vielleicht nicht für deinen Körper, aber für deine Seele.“ Der Sprechende schnipste elegant mit den Fingern. Sogleich veränderte sich die Szenerie und Link fand sich in alten, wenigbeleuchteten Katakomben wieder. Dort in der mächtigen Zitadelle der Zeit, wo das Masterschwert auf den wahren Helden wartete. Auch das Schwert steckte tief und fest in seinem Stein, atmete, flüsterte. „Du hörst die Stimme des Schwertes, obwohl dir Ganondorf eingeredet hat, du könntest es nicht führen.“, sprach es klar und sachlich hinter ihm. Link brauchte sich nicht umdrehen, erkannte er doch seine eigene Stimme in dem Hylianer hinter ihm. „Du hast es schon einmal in deinen Händen gehalten, erinnerst du dich?“, sagte er. Nachdenklich wand sich Link nach hinten und erforschte die ungeheure Tapferkeit in den tiefblauen Augen seines wahren Ichs. Es stimmte, dachte Link. Ja, er hatte das Schwert einmal berührt, zu jenem Zeitpunkt als Zelda und er das Elixier des Lichts aus dem alten Tempel bringen mussten. Vor wenigen Wochen, als ihr Abenteuer in Hyrule begann. „Also warum denkst du, das Schwert gehorcht dir nicht?“ Link zuckte mit den Schultern, hatte er doch kein entsprechendes Argument darauf. „Probier es. Teste dich...“, flüsterte der Held der Zeit und trat einige Schritte rückwärts. Zaghaft trat Link an die alte, von Weisen geschmiedete Waffe heran. Seine Fingerspitzen zitterten, während sie sich langsam auf das lederne Schwertheft legten. Er kannte das Gefühl. Diese angenehme Empfindung von der Macht des Masterschwertes durchströmt zu werden, spürte einen Druck wachsen, irgendwo in seinen Erinnerungen. Die Bilder kamen plötzlich und intrusiv. Bilder eines blutigen Masterschwertes, eingekleidet von schwarzem Blut. Kälte. Tod... Der Jugendliche wich erschrocken zurück, seine Hände betasteten nicht länger das alte, sagenumwobene Schwert des wahren Helden. Nicht einmal das Schwert und sein Podest lagen vor seinen tiefblauen Augen. Unter Links unschuldiger Berührung war das alte, meisterhafte Schwert wie ein lebendiges Geschöpf zu Staub zerfallen. Er sackte zu Boden, strich mit seinen Fingerspitzen in dem kalten Aschehaufen umher bis der Wind die Asche hinfort trug... Eine starke Hand packte ihn am Kragen und im nächsten Moment standen beide Heldengestalten wieder in dem Turm, wo der wahre Held der Zeit auf einen Teil seiner selbst wartete. „Was ist passiert?“, meinte Link, der noch unwissend über seine eigene Vergangenheit nach der Wahrheit suchte. „Das Masterschwert...“, entkam es geschockt aus Links Mund. Aber der wahre Held schüttelte bloß den Kopf. „Ja, es zerfiel zu Staub... aber nicht, weil du es nicht führen kannst, sondern weil du glaubst, dass du es nicht kannst. Dein einziges Problem ist, dass du dich von Ganondorfs Geschwätz beeindrucken lassen hast.“ Der wahre Held der Zeit ballte seine linke Faust und schickte einen goldenen Lichtregen umher. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass dich das Schwert nicht annehmen würde? Dein Herz ist rein, Link. Du bist der Held, der diese Welt in diesem Zeitalter vor der uralten Finsternis Ganons bewahren wird.“ „Warum fühle ich mich dann so hilflos?“ Der Jugendliche stützte sich auf alle viere und reckte sein Haupt in Richtung der Lichtfunken, die der wahre Held in die Stille schickte. „Das ist es... wir müssen deine Hilflosigkeit besiegen, indem wir deine Erinnerungen zurückholen, bevor Mitternacht vorbei ist.“ „Und wie?“ Link kniff seine Augen zusammen und schämte sich schon beinahe für seine Armseligkeit. „Lass’ den Kopf nicht so hängen. Mir scheint, als war das Masterschwert der falsche Ansatz für deine Erinnerungen. Nun gut, versuchen wir uns am nächsten Schritt.“ Nachdenkend und mit einer ausgeprägten Falte auf der Stirn lief der junge Mann hin und her, bis er wiederum schnipste. Ein Lächeln zeigte sich auf dessen jungen, frischen Gesicht. „Wusstest du, dass es Tradition ist, jedes Mädchen, das in die Königsfamilie hineingeboren wird, Zelda zu nennen?“ „Nein...“, murrte Link genervt. Wen interessierte diese Nebensächlichkeit, wo es um das Überleben aller ging? „Ich jedoch wünschte mir ein Mädchen, das ich benennen darf...“, sprach der Held leise. „Ein Mädchen, das so aussieht wie seine Mama Zelda... Familie ist das schönste Geschenk, das man erhalten kann.“ Seine Stimme wurde richtig weich entgegen der anfänglichen Unnahbarkeit und der Strenge, die er verkörperte. „Ich habe mir immer ein Mädchen gewünscht...“ Er schloss seine Augen. „... das meine Augen trägt...“ Verwirrend, dachte Link. Wohin wollte dieser Held ihn damit führen? Sicherlich, auch er wünschte sich eine Zukunft, ja, eine Familie mit Zelda, aber er hatte bisher noch nie glauben können, das dieses Glück vielleicht schon vor der Tür stehen könnte. „Ich durfte sie nach mir benennen und gab ihr den Namen Lia...“, endete er. Erneut schnipste der Heroe mit den Fingern und getragen von der Magie des Mutes schwand der Raum erneut, formte sich, änderte sich, bis Link in einem kleinen Kämmerchen mit Wiege stand. Seidene, leichte Vorhänge wehten von Fenster hinein und brachten ihm Kunde über einen milden Frühling im magischen Hyrule. Der süße Duft der Steppe hing in der Luft. Vorsichtig, so leise wie möglich tapste Link näher an die Wiege und erblickte das wohl märchenhafteste kleine Wesen darin, welches er jemals erblickt hatte. Ein Baby lag darin, kaum ein Jahr alt, schlief ruhig und friedvoll, bis es ihre tiefblauen Augen öffnete. Es war ein Mädchen, das ahnte Link an dem rosa Nachtkleidchen, das es trug. Er blickte sich um, fand aber keine Tür, die ihn aus dem Raum bringen konnte. Auch gab es niemanden sonst, nur dieses winzige Geschöpf und ihn. Es strahlte ihn an. Ihre kleinen Kinderarme streckten sich ihm entgegen, als wollten sie etwas von ihm. Unverständliche Babbellaute entkamen ihren Lippen, aber sie lachte. Na toll, dachte Link. Er hatte nun wahrlich keine Ahnung von Kindern, er wusste ja noch nicht einmal wie man ein Baby richtig im Arm hielt. Und nun stand er hier vor der Wiege der kleinen Lia, von der der Held der Zeit sogar ein Ölbild in diesem Turm stehen hatte. Link schloss die Augen, überwand seine Angst, er könnte diesem kleinen Wesen irgendwie wehtun und begann ihre kleinen Kinderwangen zu streicheln. Es fühlte sich irgendwie grausam an, so grausam... die Wangen dieses Kindes zu streicheln, das vielleicht sein eigenes in irgendeiner Zukunft darstellte, wenn er nicht als Held versagen würde. Wie vergänglich sie war... dieses kleine Mädchen. Wie unglaublich zerbrechlich sie war, ebenso wie die Zukunft, die allein von Link abhing. Eine Träne tropfte von Links Augenwinkeln. Golden war sie. So golden wie sein Fragment des Mutes... Lia, dieses Baby, würde niemals existieren, wenn er nicht kämpfen, wenn er sich nicht endlich erinnern würde. Weitere Tränen tropften und erneut kamen schmerzhaften Bilder aus den Erinnerungen, die weit, sehr weit zurücklagen, vor Link wie dichte Nebelgebilde in einem verschlingenden Meer tanzten. Undeutlich waren sie. Nur hinterlegt mit Schmerz... furchtbarem Schmerz... „Es tut mir leid...“, murmelte er. „Verzeih’ mir, dass ich nicht weiß, wie ich mich erinnern soll...“ Als er das Kind ein weiteres Mal berühren und vielleicht sogar auf seine Arme heben wollte, zerfiel auch es zu Staub, hörte auf zu sein, schwand mit Links weiterem Fehlgriff auf seine Erinnerungen. Aufgelöst, geschockt, fand sich Link wieder in dem alten Turm. Er fühlte sich so schwer, als ob Steine auf sein Herz drücken würden. „Ich konnte sie nicht... beschützen...“, sprach er trüb und hämmerte mit der linken Faust auf den Boden. „Lia... sie ist doch so klein und unschuldig... sie ist einfach zu Staub geworden.“ Der Held der Zeit schnaufte, hatte aber den Eindruck, das dieser Versuch Links Erinnerungen wiederherzustellen schon näher das Ziel rammte als der vorherige. Vielleicht war Seelenschmerz das beste Mittel um sich zu erinnern. Vielleicht war der rastlose Schmerz alter Narben das der einzige Weg. „Hör’ mir zu, Link.“ Kreidebleich sah er auf, schämte sich nun noch mehr für sich selbst. „Ich glaube, wir sind einen Schritt weiter.“ „Was soll das heißen? Willst du mich fertig machen, damit ich mir irgendwelche wahnsinnigen Hirngespinste einbilde? Denn so weit bringst du mich noch.“ Wut war es nun, die aus ihm herauskroch. „Beruhige dich. Du besitzt etwas, dass du noch nicht gelesen hast... etwas sehr Kostbares... einen Brief, den Zelda geschrieben hat. Lies ihn jetzt.“ Zaghaft durchsuchte der Jugendliche seine Gürteltaschen und pflanzte sich auf den großen Felsen, der hier inmitten des feuchten Gewölbes stand. Er las die ersten Zeilen mit Bedacht, las die Überschrift noch einmal und wusste, an wen dieser Brief damals adressiert wurde. „An die Seele, dich ich liebe...“ Links tiefblauen Augen füllten sich mit Wärme, ertranken beinahe an diesem einfühlsamen Adressat. Wann hatte Zelda diesen Brief wohl geschrieben, fragte er sich. Er blickte auf und erschrak an dem eisigen Blick, den der Held der Zeit in seiner Unverwundbarkeit umherwarf. „Lies ihn!“, sagte er scharf, duldete anscheinend keine weiteren Ausflüchte und hob seinen linken Arm auf das Papier deutend. Link seufzte und ließ seine Augen wieder auf Zeldas einzigartige Handschrift wandern. „Wir waren Kinder, Leidende, Erwachsene und vielleicht noch mehr als Freunde...“, hieß es in dem Brief. Ein trauriges Lächeln umspielte Links Lippen. Mehr als Freunde waren sie immer, gewiss. Und während er las, so bemerkte er nicht das leise, sich anschleichende Gefühl, das ihn nun einholte. Es waren keine Bilder wie vorher, die sich in seine Gedanken schlichen. Es waren Gefühle, Erfahrungen, tiefe Sehnsüchte, die sich damals nicht erfüllen konnten. Er stoppte das Lesen. Seine Hände zitterten und Link wusste nicht den Grund dafür, konnte er nicht ahnen, dass dieser Brief den Schlüssel zu einer riesigen, grausamen Vergangenheit symbolisieren sollte. „Lies weiter!“, forderte der Held der Zeit. Unsicher setzte Link sein Tun fort, starrte auf die wunderschönen Buchstaben, geschrieben mit schwarzer Tinte, und doch hielt ihn etwas zurück. Angst vor der Erinnerung. Angst vor dem selbst... Sein Atem ging schneller. Sein Herz pochte unleugbar, ahnte um die Welle der Erinnerungen, die sich in wenigen Sekunden unhaltbar ausbreiten würde. „Und doch... so hoffe ich, solltest du diese Zeilen eines Tages lesen, dann möchte ich, dass du mich verstehst, für die Entscheidungen, die ich treffe, mit dem Wissen, dass sie dich traurig stimmen werden.“ Trauer. Schwere grausame Trauer... Zeldas Entscheidungen riefen ihn heim. Zeldas Pflichten. Ihre Gefühle, tief verborgen in ihren himmelblauen Augen, erzählten sie ihm immer soviel von ihrer Liebe. Es brannte innerlich, bis Link das kostbare Pergament an manchen Stellen zu grob anfasste. Seine Vernunft versagte und das Jetzt arbeitete rückwärts. „Hör’ nicht auf“, fauchte der Held mit seiner Stimme im Hintergrund. „Lies weiter! Weiter!“ Link holte hektisch Luft, las weiter, zwang sich, fühlte, wie die Worte in seiner Seele schlitzten, fühlte sein wahres Ich näherkommen. „Neue Wege und Pfade sind dir beschieden und ich bitte dich, trauere nicht um deine Seelenverwandte, die sah, ohne die Augen zu öffnen, die fühlte, ohne zu empfinden und die dich liebte, ohne an diese Liebe glauben zu können.“ „Nein!“, schrie Link, hob den Blick vom Blatt Papier. Schmerz... nicht enden wollender Schmerz. Es nistete sich ein, saugte an seinem jetzigen Ich, zerstörte es langsam, löschte es. Er würde an diese Liebe glauben, er würde immer daran glauben. Er würde sterben... nur für diese Liebe... Blut tropfte von seinen Augen, vermischt mit dem Wasser vorher. Er ließ dem Schmerz freien Lauf, die eine Seelenfindung verlangte. Ohne Zweifel ließ er sich führen, als seine Augen leerer wurden. Und im Hintergrund dröhnte diese Stimme: „Lies weiter. Immer weiter!“ „Geh’ den neuen Weg und erinnere dich, aber bitte vergiss’ mich. Denn ich kann nicht sein, ich kann nicht mit dir sein und ich werde niemals sein können, was wir uns beide wünschen.“ Hass... Glück... Wahrheit... sie riefen ihn zurück. Wie der gefährliche Sturm außerhalb brausten die Erinnerungen in ihm, stießen mit Blitzschlägen nieder und ertränkten die Seele mit gewaltigen Regenmassen. Der Sturm war nah... der Sturm in der eigenen Seele. ,Lass’ mich gehen. Lass’ mich allein, winselte die zerrissene Seele, die sich vor ihren eigenen Erinnerungen fürchtete. „... und so schreibe ich hier die Worte nieder, die ich nicht über meine Lippen tragen werde. Worte, die ich, wenn Hyrule endet, für immer in mir versiegeln werde. Ich liebe dich. Es gab keinen Moment, in welchem ich anders empfand. Und so sage ich es mit geschriebenen, stummen Worten erneut. Ich liebe dich... und ich verlange nur diese eine kleine Bitte. Mehr entsinne ich nicht für mich oder für uns: Vergiss’ mich... Werde glücklich an einem anderen Ort, wo das Schicksal dir nicht seine Grausamkeit aufzwingt. Vergiss mich... In ewiger Liebe, Prinzessin Zelda...“ Ein grölender Schrei zerriss die Stille in dem Turm, wo er wartete, wo das wahre Ich auf Erfüllung wartete. Link ließ den Brief fallen, krümmte sich, bis ein weiterer ahnungsvoller Schrei aus seiner Kehle stieß. Er wusste es, er wusste, dass es war und dass er selbst als ein Teil davon die Geschehnisse zu verantworten hatte. Er erinnerte sich... an alles... ,Komm’ zu mir. Komm’ nach Hause...’, rief eine innere Stimme. ,Wehr’ dich nicht gegen dich selbst. Komm’ nach Hause...’ Im Hintergrund raschelte nur noch die Stimme des Helden der Zeit, der an Links verwundete Seele trat, ihm eine Hand auf die Stirn legte und leise und sanft, wie ein besitzergreifender Geist in ihn überging... Und eine Sache hatte dieser Geist noch zu erledigen, bevor er sich auf den Weg zu Ganon machte. Nur eine Kleinigkeit für eine andere Realität. Für eine andere Zukunft. Links tiefblaue Augen öffneten sich schnell, wurden geblendet von goldenen, ja fast weißem Kerzenlicht. Er blickte um sich, fühlte eine schwere Last auf seiner Seele, die er schon lange vergessen hatte. Er versuchte sich zu orientieren und doch war im selben Moment alles so klar. Er war hier. In Zeldas Gemächern am letzten Tag Hyrules. Kurz nach ihrem ersten Kuss in der gläsernen Wanne. Er wusste nun, wann sie diesen Brief geschrieben hatte. Damals... nach dem leidenschaftlichen Kuss, den sie beide teilten. Denn jetzt war er erneut hier, in genau der Situation, die ihre Beziehung zu einander erst so fatal und so missverständlich werden ließ. Nachdenklich saß Zelda vor ihrem Schreibtisch, wunderschön, gekleidet in samtenen Dunkelblau... Er wusste, dass sie geweint hatte. Er wusste es einfach. Die Tränen waren auf den Brief getropft, den er gerade erst lesen durfte. „Wegen vorhin...“, begann Link und er wusste doch, dass er einst schon einmal mit diesen zwei Wörtern begonnen hatte. „Ich meine das, was geschehen ist...“, setzte er hinzu, genau wie damals kamen die Worte über seine Lippen, doch diesmal würde er alles anders machen. Er würde es richtig machen. Langsam trat er näher und seine braunen Lederstiefel klapperten verräterisch. Zelda erhob sich, stützte ihre Hände auf ihrem antiken Schreibtisch ab und holte Luft für die Worte, die Link doch schon kannte. Aber er würde ihr widersprechen, er würde sie daran hindern, ihn abzuweisen. Er nahm ihr das Wort, bevor sie mit ihrer grantigen Gefühlskälte beginnen konnte. „Ich weiß, was du sagen willst: Vergiss’ diesen Kuss, Link. Es war nur ein dummer Ausrutscher, auch von meiner Seite. Ich wollte wohl lediglich wissen, wie es sich anfühlt, einen Mann zu küssen.“ Entsetzt wand sie sich zu ihm. Ihr Blick glich jenem, als er ihr nach den Feuerstürmen in der Steppe seine Lippen aufgezwungen hatte. „Aber du weißt besser als ich... dass dies eine schmerzhafte Lüge ist, Zelda...“ Er trat näher, spürte einen verbitterten Hauch von Eis, den Zelda ausströmte. Aber er würde sich davon nicht einschüchtern lassen. Nicht mehr. Zelda war nun leichenblass. Vor Schreck musste sie sich auf den Stuhl sinken lassen und starrte ungehemmt in die verliebten, butterweichen Blicke, die Link ihr schickte. „Ich weiß, du liebst mich, meine Prinzessin“, murmelte er und kniete vor ihr nieder. „Darum sage ich dir jetzt, ehrlich und mit allem, was ich dir schenken kann... Ich liebe dich genauso... Ich liebe dich, Zelda, Prinzessin von Hyrule...“ Noch im selben Augenblick begann Zelda hemmungslos zu weinen, presste ihre Hände an die Augen, aber es nützte nichts. Sie weinte vor Glück... Sie ließ sich zu ihm auf die Knie sinken, betätschelte sein Gesicht, als müsste sie prüfen, ob er nicht nur eine Sinnestäuschung war. „Und darum bitte ich dich, lass’ uns für eine gemeinsame Zukunft kämpfen, denn sie ist nicht unmöglich. Nein...“ Link lächelte und lehnte seine Stirn gegen ihre. „... nein... denn sie steht schon fast vor unserer Tür...“ Damit küsste er sie, fühlte ihre Kälte schwinden, fühlte sich selbst bereit. Bereit für den Kampf und bereit dafür sein wahres Ich anzunehmen... Kapitel 116: Der große Kampf beginnt ------------------------------------ Sooo, jetzt wird's langsam ernst. Nach folgendem Kapitel fängt endlich der große Kampf an. Ich hoffe, ich werde den Erwartungen an dem Kampf von Link gegen Ganondorf gerecht... XD _____________________________________ Als Link seine Augen langsam öffnete, stand er inmitten des Beratungszimmers von Impa und den anderen. Umgeben von goldenen Funken hatte ihn alte Magie zurück in die alte Villa gezogen. Etwas neues lag in seinen Augen und doch war das Alte, sein jetziges Ich, noch perfekt erhalten. Er hatte nichts des Lebens auf der Erde vergessen, nicht seine Familie, nicht seine Freunde, und auch nicht die Gefühle für Zelda. Sie waren klarer, seine Augen, ernst und muterfüllt wie immer... und doch unterlegt mit einer erschreckenden Form von Macht. „Wo warst du, Link?“, meinte Sara und schaute ihn skeptisch an. „Nachdem du das Elixier getrunken hast, hast du dich plötzlich aufgelöst oder teleportiert.“ Sie verschränkte die Arme und wartete auf eine Erklärung. Ja, Link konnte ihr ansehen, dass sie sich schon wieder Sorgen gemacht hatte. „Zuhause...“, murmelte er und starrte dann ungläubig auf seine Hände. Er ballte die Linke zur Faust und begann lediglich unverschämt zu grinsen. „Ja, ich denke, ich war in einem möglichen Zuhause. In einem anderen Hyrule... einem anderen Ausgang der Ereignisse.“ „Kannst du dich erinnern?“, fragte Impa ungläubig und beschielte ihn sorgenvoll. Er nickte und meinte bloß: „An sich ja. Zur Vollständigkeit fehlen mir nur... ein Paar Handschuhe...“ „Idiot!“, schimpfte Sara und boxte ihn in die Seite. „Hast du keinen besseren Kommentar abzugeben als diesen?“ Link lachte: „Ja, ich bin zurück, Schwesterchen.“ Sein Gesichtsfeld ging durch die Reihe von Weisen und blieb dann auf Shiek haften: „Es ist seltsam, dich wieder zusehen. Jetzt realisiere ich es... ich habe dich vermisst, Shiek. Nicht nur Zelda... auch dich...“ „Dass du so sülzen kannst, Link“, meinte Sian und klopfte ihm auf die Schulter. „Ich muss mein Schwert holen. Würdest du mich begleiten?“ „Sicher. Aber da fällt mir noch was ein...“ Sian hüpfte an eines der Regale, durchwühlte eine Box und hielt letztlich ein grünes Kleidungsstück in seinen Händen. „Fühlst du dich denn wohl, so ganz ohne Mütze?“ Dankbar nahm Link die Mütze in seine Hände, pfropfte sie auf seinen Schädel und sah endlich wieder aus wie er selbst. Die wiesengrüne Tunika war zwar an manchen Stellen geflickt und der Stoff an einigen Stellen zerrüttet. Und doch stand nun ein ganz neuer Link vor den Weisen. Links Stärke war beinahe fühlbar... „Wo hast du die Mütze denn gefunden?“ „In der Schlossküche. Keine Ahnung, wer die dort abgelegt hat.“ Link rückte die Mütze weiterhin zurecht. „Die Zeit drängt, ich muss sofort in die Zitadelle der Zeit und das Masterschwert holen und dann Zelda befreien“, meinte er, und schnappte sich kommentarlos und ohne zu fragen, ein frisches, unangebissenes Sandwich mit viel Käse und Salat vom Tisch und stopfte es in seinen Mund. „Tschuldigung“, murmelte er, obwohl er nicht wusste, wem es gehörte, nahm ein Kurzschwert an sich, was unnütz an der Wand hing und rauschte wie der Blitz durch den Spiegel. „Was war das denn?“, murrte Naranda. „Kaum kann er sich erinnern, benimmt er sich wie der größte Klotz überhaupt.“ Sie rümpfte die Nase und starrte zu ihrem leeren Teller. Kopfschüttelnd pflanzte sie sich auf ihren Stuhl und brütete weiter. Sian folgte dem erwachten Helden schließlich wortlos. Mit lauten Kampfschreien rangen Sian und Link die Kreaturen des Bösen nieder, die ihren Weg kreuzten. Heftig und stürmisch gingen die Schritte der beiden Helden über die alten Straßen der Hauptstadt Hyrules. Verfolgt von den Bestien des Bösen, umzingelt, erreichten sie den Aufenthaltsort des machtvollen Schwertes und verbarrikadierten die Tür. Die Brut des Bösen rüttelte und stieß gegen das alte Tor und doch schien eine unsichtbare Kraft ihre Finger im Spiel zu haben. Denn noch hielt sie... „Schnell!“, rief Sian und drängte Link zu den düsteren, kalten Katakomben, wo das machtvolle Schwert ruhte. Links Stiefel hallten geheimnisvoll in der Zitadelle, wo zahllose Fackeln loderten. Er stürmte nach vorne. In Richtung Altar, wie damals, als er mit elf Jahren diesen Ort das erste Mal aufsuchte. Wie damals... Gemeinsam erreichten sie das alte, geöffnete Tor der Zeit, als die ersten Äxte sich durch das Holz der Pforte in die Zitadelle bohrten. „Was jetzt?“, rief Sian und schnellte wie der Wind in Richtung des Schwertes, welches schon immer auf seinen Träger wartete. Link sah nachdenklich zu, wie sich weitere Klingen an dem Tor zu schaffen machten. Nicht mehr lange und Dutzende Biester Ganons würden in der Zitadelle der Zeit ihren schiefen Schlachtgesang singen und sie damit entweihen. Link rieb sich über die Stirn und wühlte dann in seinen Gürteltaschen nach irgendeinem Gegenstand, der ihnen helfen würde. Ein glatter, blauer Gegenstand fiel in seine Hände. Muterfüllt betrachtete er jenen Schatz der Königsfamilie. Die wertvolle Okarina der Zeit. Zelda hatte vor wenigen Tagen gesagt, sie hätte ihre Macht verloren. War es möglich, dass Link mit seinen jetzigen Mitteln, nun, da er als wahrer Held der Zeit erwachte, ebenso der Okarina ihre Macht wiedergeben konnte? Einen Versuch war es wert. Sachte führte er die Okarina an seine Lippen und blies den gleichmäßigen Luftstrom hinein, erfüllt von den reinen, dumpfen Tönen. Die Melodie der Zeit erklang und ging in den lärmenden Stimmen der Moblins unter. Link spielte erneut, tief konzentriert bewegten sich seine Finger. Mehr und mehr war er abseits der Ereignisse und begann seine eigene Magie des Mutes in die Okarina zu legen. „Verdammt noch mal, Link!“, rief Sian. „Nimm’ das Schwert und dann raus hier. Wir haben keine Zeit für ein kleines Ständchen.“ Link öffnete seine Augen und murmelte: „Hab’ etwas Geduld, Shiek.“ Doch jener rollte bloß mit den Augen. Und das alte Holz an der großen Zitadellenpforte splitterte weiter. Ruhe finden, sprach Link zu sich selbst. Ruhe... Die Geräusche des Moblinsheeres schwanden immer weiter, wurden unwichtig und nebensächlich für den jungen Helden. Erneut erklang die Okarina der Zeit und ihre dumpfen Töne erhoben sich langsam über die lärmenden Stimmen der Biester... Die alte Pforte wurde zerstoßen und scharenweise Dämonen schnellten mit klappernden Rüstungen und tobenden Klingen hinein in den heiligen Ort. Erneut spielte Link seine Okarina. Sanft, hoch konzentriert... Seine Augen öffneten sich gemächlich, beobachteten die Biester der Nacht in Zeitlupe näher stürmen. Ihre Bewegungen gleichmäßig. Aus ihren Lungen strömte Rauch, der sich nur träge in der stehenden Luft der Zitadelle fortschlich. Und noch immer tanzten die alten, magischen Töne an dem heiligen Ort, verschmolzen mit Links eigener Magie, die er nie kontrollieren wollte. Vielleicht versuchte er sich deshalb daran, um sein Gewissen zu erleichtern... So viele Dinge hätte er tun können, damals schon, wenn er nur einmal dem Fragment in seiner linken Hand vertraut hätte... Schimmer. Funken wie geschmolzenes Silber. Eindrucksvolle Farben geboren aus dem Nichts erfüllten die alte Okarina, legten verheißungsvolle Magie in die Töne. Und es geschah in dem Augenblick, dass nicht nur die Monster Ganons still standen. Ganz Hyrule stand still... „Link?“, meinte Shiek verwundert und wedelte fächerartig vor seinem muterfüllten Gesichtsfeld herum. „Bist du noch da?“ „Mit Leib und Seele, Shiek“, sagte er kühl. Mit seinen Fingerspitzen streichelte er die Okarina. „Was hast du getan?“ „Einfach nur der Okarina der Zeit ihre Kräfte zurückgegeben... und ich weiß jetzt auch, warum ihre Kräfte jemals erloschen sind.“ Grinsend drehte sich der junge Heroe um und fokussierte das Masterschwert mit wachen, tiefblauen Augen. „Farore sagte einmal zu mir, ich wäre ein sturer Dummkopf. Ja, sie hatte Recht.“ Link begann über sich selbst zu lachen. „Und ein Feigling war ich ebenso. Ich meine, nicht im Kampf, nein, sondern immer dann, wenn es um Gefühle ging.“ Er blies einen weiteren, warmen Luftstrom in die meerblaue Okarina der Zeit und ließ ihren dumpfen Ton mit Würde ausklingen. „Ich war immer so voreingenommen, so naiv... und die Okarina...“ Schillernd wanderten seine Augen zu dem einzigartigen Instrument, in welchem nun wieder die magische Seele lebte, die die Zeit manipulieren konnte. „Nach meinem letzten Abenteuer, fern abseits von Hyrule... ich war so wütend auf mich selbst, nicht gefunden zu haben, was ich wollte, dass ich die Okarina beschimpft habe. Ist das nicht dumm? Ich habe eine Flöte für mein miserables, rastloses Leben verantwortlich gemacht.“ Beeindruckt hörte der junge Sian Johnson zu und hatte diese Seite von Link bisher nicht kennen lernen können. Tatsächlich überraschte Link ihn immer wieder. „Und mit meiner Wut auf jenes magische Instrument verschwand mehr und mehr ihre Macht. Erst jetzt, da ich weiß, was ich immer gesucht habe, da ich wieder an sie glauben kann, hat sie jene Macht zurückerhalten.“ Damit endete Link leise, ließ die Okarina in einer magischen Ledertasche verschwinden und widmete sich endlich dem Schwert, welches einst von den ersten Sieben Weisen geschmiedet wurde. „Und auch an dieses Schwert kann ich jetzt wieder glauben.“ Geschmeidig umfasste er das lederne Heft des Schwertes, welches in seiner linken Hand seinen Kreuzzug gegen das Böse führen würde. Es war genüsslich... Dieses machtvolle Gefühl jenes Schwert einmal mehr in den Händen zu halten, es zu schwingen, zu lauschen, wenn es die Luft an der scharfen Klinge trennte. Vorfreude... Mut... Link schloss seine Augen, während er das heilige Schwert sachte aus dem Felsen führte. Es flüsterte beinahe leidvoll, als wollte es weiterhin ruhen. Unzählige, tiefe Stimmen erklangen in Links Gedanken als seine Augenlider nach oben schossen und er die machtvolle Waffe emporhob. Stimmen, die ihn warnten und ihm den Mut wünschten die Schlacht gegen Ganondorf siegreich zu meistern. Er schwang die Waffe einige Male erfüllt von der Erinnerung an damals und das Flüstern endete leise... „Jetzt bin ich bereit“, sagte der Heroe tapfer und streckte die Klinge ein weiteres Mal in die Höhe. „Ganondorf! Die letzte Schlacht beginnt!“, rief er tosend hinaus in die alte Welt Hyrule, rief Link in seinem Unterbewusstsein und ahnte, dass seine Worte auch zu jenem Geschöpft drangen, dem diese Drohung galt. In der alten Kirche Schicksalshort pochte in jenem Moment des Fragment der Kraft unsäglich vor sich hin. Ganondorf schwankte und ließ sich grunzend auf seinen selbsternannten Thron sinken. Fluchend stieß er ein stumpfes Messer in seinen rechten Handrücken, besänftigte Schmerz mit Schmerz, versuchte den bitteren Geschmack seiner glühenden Rache abzutöten. Aber es brachte nichts. Das Fragment spielte verrückt und schien auf die Drohung zu reagieren, die so eben irgendwo in anderen Gefilden ausgesprochen wurde. Zelda war nicht weit von Ganondorf entfernt auf einem Stuhl festgekettet. Ihre Augenlider flatterten nach oben, um sich zu orientieren. Sie hatte für wenige Minuten das Bewusstsein verloren und fand sich selbst erneut gefangen in dem Angsttraum, der ihre Seele begleitete. Sie hatte Links Stimme in ihren Gedanken gehört. Aber er sprach nicht mit ihr, er hatte gemahnt, hatte ein Warnung seinen Lippen entkommen lassen. Eine regelrechte Drohung nahm seine Stimme an, was die junge Prinzessin wunderte. Diese Kälte und kämpferische Seite von Link hatte sie sehr lange nicht mehr in dieser Ausdrucksform wahrgenommen. Mit einem tiefen Atemzug orientierte sich Zelda weiterhin und warf einen abscheuwiderspiegelnden Blick zu ihrem Entführer, dem Fürst des Bösen. Beinahe erbärmlich war er in den Thron hineingesunken. Seine rechte, grüne Hand war von einem Messer durchstoßen und glühte dennoch mit einer solchen Stärke, dass es Zelda einen Schauer über den Rücken schickte. Ganondorfs Gesicht war wutverzerrt, schweißbenetzt und erneut so mitleidig wie damals in der alternativen Zeit. Sein dünnes rotes Haar schimmerte nass, aber entgegen Ganondorfs winzigen Schwächezeichen war alles an ihm erschreckend kraftvoll und kampfbereit. Sie wollte sich rühren, spürte jedoch im selben Moment zwei eiserne Schnallen, die sie an den Handgelenken an rissige Stuhllehnen band. Ihr Hals war ebenso mit einem Eisenring an den Stuhl gekettet. Ihre himmelblauen, müden Augen wanderten zu ihrem rechten Arm. Ihre Hand lag ausgebreitet auf einem kleinen Tisch festgeklemmt. Die Ketten schnitten sich in ihre sanfte Haut, unmöglich, dass sie ihre Hand von diesem Tisch wegführen könnte. Der kleine Tisch bestand aus einer tiefen Kerbe, worauf Zeldas Handinnenfläche ruhte. Überall zogen sich schwarze Schriftzeichen in das Holz, die nichts Gutes bedeuteten. Schriften einer alten Gerudoteufelei, die Tausende Jahre hinter sich hatten. Einst hatte die junge Prinzessin Texte in jener Schrift gelesen, hatte aber sich selbst von Schutzgeistern kontrollieren lassen müssen, um nicht dem Wahnsinn der Gerudoschriften zu verfallen... Auch ihr Fragment pochte stark und unnatürlich, es glühte, materialisierte sich auf ihrer Handfläche. Ein gezackter Dolch lag neben ihrer Hand und Zelda fürchtete genau zu wissen, wozu jener gedacht war... Angst spiegelte sich in ihren blauen Augen, während sie die schwarze Klinge neben sich begutachtete. „Sieh’ einer an, Ihr seid wieder aufgewacht, Prinzeschen“, raunte der alte Dämon und zog kreischend das Messer aus seiner blutleeren Hand. Nichts floss. Kein Lebenssaft, keine andere Körperflüssigkeit. Das Fragment der Kraft musste vor Rachsucht seines Meisters alles Leben in der rechten Hand Ganondorfs aufgefressen haben. Angewidert senkte sie den Blick. „Du hast ihn gehört, nicht wahr?“, lachte Zelda wehleidig. „Fröstelt es nicht in deinen verdorbenen Venen?“ „Erwartest du, dass ich nach all’ den Jahrhunderten des Kampfes um Macht noch Angst vor einem grünbemützten Kind verspüre? Du weißt rein gar nichts, Prinzessin. Ich habe Kämpfe gegen dich und gegen deinen Helden gekämpft, die du nicht einmal erinnern kannst. In leiderfüllten Leben zuvor, in Welten fern abseits, in Geschichten, die nicht geschrieben wurden. Das Hyrule, wie du es kennst, ist nur eines von vielen... Kein Wissen besitzt du, keine Weisheit, diese Dinge einzusehen, um dich und deinen Helden vor einem weiteren grausamen Leben bewahren würden. Stattdessen kämpft ihr, immer und immer wieder in diesem Kreis des Wahnsinns. Ihr seid Ausgelieferte, Puppen, die nach den Spielregeln der Götter tanzen.“ „Und das maßt du dir an, mir zu unterbreiten?“, fauchte sie und schickte ihm einen weiteren abwertenden Blick entgegen. „Der einzige Grund, warum Link und ich noch kämpfen bist du. Ist deine Machtsucht. Deine widerliche Existenz. Du hast Schuld an all den Kämpfen nicht die Götter.“ Ganondorf grunzte wieder und stemmte seine linke Faust an sein Kinn. „Wie auch immer... heute werdet ihr nach meinen Regeln tanzen, ihr, da ihr keine Kraft besitzt.“ Zelda verstummte und blickte hilfesuchend um sich. Sie spannte ihre rechte Hand, versuchte ihre heilige Kraft einzusetzen. Ihre Schwingungen der Magie arbeiteten, brachen innerlich auf. Alte Formeln in ihrem Kopf summend, Gebete herbeirufend und innere Helfer aktivierend verstärkte sich das Flüstern ihrer Macht. ,Hilf! Bring’ mich hinfort’, sprach Zelda innerlich zu der goldenen Macht, die sich auf ihrem Handrücken materialisierte. ,Bring mich fort.’ „Ich würde das nicht versuchen“, sprach Ganondorf gehässig. Aber Zelda schloss ihre Augen, ignorierte ihn und sprach fortwährend mit der Stimme Nayrus. „Ich befehle dir, das zu unterlassen.“ Innerhalb von Sekundenbruchteilen schnellte der Fürst des Schreckens näher, platzierte sich hinter den fesselnden Stuhl der Königstochter und zog ihren Kopf an den goldblonden Haarsträhnen zurück. Zelda kreischte und kniff ein Auge zusammen. „Hörst du nicht? Deine erbärmlichen Teleportationsversuche nützen dir hier nichts. Hast du geglaubt, ich bin nicht auf deine Lumperei vorbereitet? Diesmal wird alles anders sein. Diesmal erwarten dich und deinen Gartenzwerg einige Überraschungen. Mit dem Gift in deinen Venen wird das Fragment nicht arbeiten.“ Sogleich zog er den Eisenring, der ihren Hals umfasste enger, beraubte sie eines Wimmern und einer Angstträne, die ihre Wange hinabrieselte. Er beugte sich näher und hauchte seinen beißenden Atem an ihr Menschenohr. „Ihr zittert, Hoheit“, grunzte er. „Und du... du wirst fallen, Bastard...“, würgte sie hervor und blickte hoffnungsvoll zu dem dunklen, morschen Tor der alten Kirche, stellte sich vor, Link würde es öffnen und würde ihr beistehen. „Sicherlich nicht durch die Hand deines Helden, Prinzessin. Denkst du wirklich, dass er als einer dieser einfältigen, egoistischen Menschen, die auf der Welt leben, in der Lage ist, mich zu bezwingen. Dies hier ist nicht Hyrule. Diese Welt ist ein Paradies für Dämonen wie mich. Ich habe diese Welt studiert, noch bevor ich mich hier einnisten konnte. Eine Welt, die an ihren eigenen Seuchen ersticken wird.“ Zelda warf ihm weiterhin einen verabscheuenden Blick entgegen, brachte aber keine Wort aus ihrem Mund. So schmerzhaft war der Eisenring um ihren Hals. So unmöglich die Stimme zu erheben. „Das ist keine Welt für Seelen wie deine oder die deines rechtschaffenen Helden. Denn diese Welt ist noch machthungriger als ich es bin. Ich bin umhergezogen, habe Grausamkeiten gesehen, die es in Hyrule nicht gab, habe menschliches Versagen und Hassen mitangesehen. Warum also willst du diese Welt, in die du doch nicht gehörst, retten?“ Brauchte man dazu einen besonderen Grund, dachte Zelda. In jeder Welt musste doch ein Funken Gutes stecken. Und nicht alle Menschen waren schlecht. Aber genügte das? „Muss in einer Welt wie der Erde erst ein blutiges Gewand am Himmel stehen, damit die Menschen aus ihrer Selbstsucht aufwachen? Wissen denn einige von diesen sogenannten Menschen noch, wie kostbar der Frieden ist, in dem sie leben?“ Ganondorf schwieg und wartete des weiteren keine Antwort auf diese Frage. „Wohl nicht, sonst würden sie ihre eigene Welt nicht so unnötig zerstören.“ „Was soll diese... Rede?“, würgte Zelda hervor und reckte ihren Kopf weiter in den Nacken, um Luft zu schnappen. „Ich will dir nur klar machen, dass sich dieser Kampf, den du für die Erde kämpfst, nicht lohnt.“ „Jeder Kampf gegen dich... ist lohnenswert, wenn man dich wegsperren kann...“, seufzte sie. Erneut wiedersprach sie ihm und stachelte das schwarze Blut in seinen Venen an. Der Fürst des Schreckens grunzte wieder, holte mit der Hand aus und verpasste ihr für ihre vorlaute Klappe eine Ohrfeige. Der Schlag hallte unsicher umher, vermischte sich mit dem Klagen des Windes, der das Gemäuer erschütterte. Sie biss die Zähne zusammen, bemüht jeden noch so winzigen Schmerzlaut zu unterdrücken und senkte wieder ihren Blick. Amüsiert über den roten Handabdruck auf ihrer linken Wange, entspannte sich der Dämon wieder, knackte mit seinen knochigen Fäusten und war überaus zufrieden die junge Königstochter damit zum Schweigen zu bringen. Und in wenigen Minuten würde er ihr noch mehr weh tun können und dem grünbemützten Helden gleich mit. Er lachte wieder barbarisch und schwebte geisterhaft zu seinem Altar, wo noch immer Dins schwarzes Bild hing, in welches er die Kräfte jener Göttin eingesperrt hatte. Hilflos blickte Zelda dem Fürsten des Schreckens hinterher, versuchte das Brennen ihrer linken Wange zu ignorieren und fürchtete sich vor jeder weiteren Bewegung, die Ganondorf tat. Irgendetwas an ihm war noch grausamer als in Hyrule. Eine Verbitterung, ja beinah dämonische Rachsucht hüllte den Dämon in das dunkle Gewand, welches Zelda als Seelenleserin erkennen konnte. Damals in der alternativen Zeit hatte er noch Spuren von Respekt vor gewissen Geschöpfen gezeigt. Damals, bevor Link ihm den Gnadenstoß erteilte, war noch so ein winziger Funken Ehre in Ganondorf. Heute aber, da jener Dämon Jahrtausende seinen Körper durch dunkle Energie am Leben erhalten und seine Seele damit gefoltert hatte, war auch das bisschen Hoffnung aus seinem erfrorenen Herzen gewichen. Momentan, und das wusste Zelda jetzt, war Ganondorf in der Lage alles zu tun, jede Form von Erniedrigung walten zu lassen, die er ersann. Erneut rief sie in ihren Gedanken nach der ihr anvertrauten Macht, flüsterte mit ihr, wollte sie erwecken. Aber sie antwortete nicht auf Zeldas Flehen... sie schwieg aufgrund des Giftes in Zeldas Venen, das die Macht an ihrer Ausübung hinderte. Verzweifelt schaute sich die junge Prinzessin um, suchte nach irgendeinem Gegenstand, der ihr helfen konnte, sich von diesen widerlichen, rostigen Fesseln zu befreien. Aber sie konnte in diesem Gemetzel aus lebendigen Schatten tanzend in der Kirche nichts ausmachen. Sie war gezwungen zu warten und vielleicht gezwungen weitere Schmerzen zu erleiden, bevor Link hier erscheinen würde... Er war der einzige, der Ganondorf stoppen konnte, auch wenn er nicht der selbe Held war wie damals. ,Link...’, sagte sie zu sich selbst. ,Bitte beeil dich...’ Mit einem leuchtenden Masterschwert in seinen Händen durchquerte Link zusammen mit Sian den Spiegel. Sie wurden bereits von Impa und den anderen erwartet. Ohne noch mehr Zeit zu vergeuden, bereitete sich Link auf den großen Kampf vor. Er aß etwas, trank noch ein stärkendes Getränk aus der Schlossküche von Hyrule und begann sich auszurüsten. Er durchsuchte seine Gürteltasche nach wertvollen Gegenständen. Er fand ein blaues Elixier, welches er ebenfalls aus der Schlossküche entwendet hatte, einen prallgefüllten Köcher mit Pfeilen, die sogar ein Kettenhemd durchstoßen konnten, seine magische Okarina und den Schild der Götter, bis ihm die merkwürdigen Steinchen in den Farben rot, blau und grün wieder in die Hände fielen. Beinahe allein saß der junge Held in dem Beratungsraum, während sich die Weisen ebenso vorbereiteten und ihre Kräfte sammelten. Nur Klein- Link war anwesend und beobachtete Link bei seinem Tun. Das Götterkind setzte sich zu ihm an den großen, runden Beratungstisch und blickte mit großen Kinderaugen auf die vielen Steinchen. „Was ist das?“ „Gossipgestein in allen möglichen Farben. Aber ich weiß einfach nicht ihre Bewandtnis...“, erwiderte Link. „Nur, dass dieses Medaillon auf sie reagiert, ist mir klar.“ Sorgsam nahm er das Medaillon der Mächtigen ab, öffnete die triforceartige Klappe und legte es ausgebreitet auf der Tischplatte ab. „Siehst du, es erzählt uns jede Form von Zeit... das Ticken der Sekunden, der Minuten, der Stunden. Aber auch, welche Jahreszeit gerade herrscht und ob Tag oder Nacht ist.“ Link klappte das Objekt wieder zu und blickte zu den vielen Steinchen. Das blaue Gossipgestein ergab nun eine perfekt Pyramide, ebenso die grünen bildeten eine. Nur die vielen roten Steinchen ließen sich nicht perfekt zu einer Pyramide vereinen. „Es scheint als fehlt hier noch ein Steinchen. Zelda und ich müssen diesen bei unserem Kreuzzug durch Hyrule übersehen haben... sonst hätten wir das Rätsel vielleicht lösen können...“ Link seufzte und wollte das Medaillon gerade in einer Gürteltasche verschwinden lassen, als das Götterkind mit beiden Händen Links Schwerthand festhielt. „Stimmt etwas nicht, Kleiner?“ Das Götterkind grinste, wühlte in seiner Hosentasche umher und hielt dem überraschten Erwachsenen einen winzigen roten Stein vor die Nase. „Ich glaub’s nicht...“ Link schüttelte den Schädel und grinste währenddessen. Er packte den Bengel und rieb ihm spielerisch über den blonden Schopf. Der Bengel quiekte und schimpfte, ließ sich aber gerne von Link ärgern. „Du bist unmöglich, weißt du das?“ Er wippte mit seinem blonden Kinderschädel auf und ab. „Das hättest du mir wahrlich eher sagen können, kleiner Mann.“ „Tschuldigung.“, piepste er neckisch. „Nicht Tschuldigung.“ „Ich wollte eben mal genauso link sein wie du.“ Der Held der Zeit zwinkerte und schüttelte drohend den Zeigefinger. „Versuch’ lieber nicht so zu sein wie ich. Das erspart dir ne Menge Ärger.“ Das Götterkind grinste. „Gerade deswegen will ich ja so sein wie du.“ „Dann würde ich annehmen, hat meine Erziehung jetzt schon versagt“, lachte Link und setzte endlich den letzten roten Stein mit den anderen zu einer dritten Pyramide zusammen. So, und was jetzt? Alle Steine waren zusammengesetzt. Aber es passierte aus irgendeinem Grund nichts. Klein- Link hüpfte auf die Tischplatte und grinste immer noch so hinterhältig. Auf eine Weise, die den Helden der Zeit wissen ließ, dass er mehr wusste als er zugab. „Was verschweigst du mir?“ „Das wirst du gleich sehen, Papa“, sagte er erfreut. Er hatte ein übernatürliches Funkeln in seinen Augen, wenn er Link so betitelte, also entschied sich der Erwachsene wieder dagegen es ihm auszureden. In gewisser Weise gefiel es Link sogar ganz gut, so bezeichnet zu werden. Und Klein- Link gehörte zu seiner Zukunft, einer anderen Zukunft in Hyrule... Wie sollte Link sich darüber ärgern, Papa genannt zu werden? Zumal er sich damals in Hyrule immer eine Familie gewünscht hatte? Das Götterkind spielte dann mit den Steinen und versuchte etwas sehr Simples, etwas, was schon beschämenden Charakter hatte. Aber es war gut. Auf dem alten Medaillon befanden sich die Einkerbungen für ein Triforcezeichen. Die einzelnen Dreiecke hatten genau dieselben Größen wie die Pyramiden. Ungläubig schaute Link zu, wie der Knirps mit Zeldas blauen Augen die rote Pyramide in das obere Dreieck, das grüne ins rechte und das blaue ins linke einsetzte. Wie die Faust aufs Augen passten die Pyramiden in das magische Relikt, und wurzelten sich mit zauberischen, unsichtbaren Fasern fest. Link zwinkerte über dieses simple, entwürdigende Rätsel und wollte sich für sein mangelndes Kombinationsvermögen am liebsten in die Ecke stellen. „Farore, was bin ich doch blöd“, murmelte Link und betrachtete sich das einzigartige Schmuckstück. „Das bedeutet von Anfang an haben diese Steine und das Medaillon zusammengehört.“ Der Knirps nickte. Überwältigt von Freude nahm Link das Kind in eine väterliche Umarmung. „Du bist einmalig...“, lachte Link. „Genauso schlau wie Zelda.“ „Ich weiß...“, kicherte der Kleine. „Weißt du auch, wozu ich das Medaillon verwenden kann?“ „Nein, das musst du selbst herausfinden.“ Link nickte und rüstete sich weiterhin aus. Wenige Minuten später standen die Weisen und Link mit seinem Ableger in dem langen Gang, wo die regenbogenfarbene Pforte in die düstere, zerstörte Stadt Schicksalshort führte. „Ich muss jetzt unbedingt zu ihr... Sie ruft nach mir...“, sprach Link leise. Muterfüllt sah er noch einmal zu jedem einzelnen Weisen und zu dem Götterkind. „Ich gehe alleine vor. Folgt bald nach, aber überstürzt nichts. Wenn es Zeit ist, werde ich einen Lichtblitz in den Himmel senden, den ihr sehen müsst. Dann erscheint in der Kirche und wir werden sehen, wie und ob wir Ganondorf verbannen können.“ Impa und die anderen nickten, wünschten ihm alles Gute für die letzte Schlacht, die vielleicht den Teufelskreis um Macht beenden konnte. Link kniete nieder, legte beide Hände auf die Schultern des Götterkindes und murmelte: „Bleib’ hier, okay? Ich will nicht, dass du dich in diesen Kampf einmischst!“ Es war nicht nur ein Hinweis, soviel verstand der Junge. Es war ein Verbot, sich der Kirche anzunähern. „Ich möchte, dass du dieses Verbot nicht in den Wind schlägst, ja?“ Aber Link ahnte bereits, dass das Götterkind diese Vorschrift nur unter Widerwillen annahm. „Du könntest getötet werden. Das ist kein Spiel.“ Der Bengel blickte mit seinen himmelblauen Augen zu Boden und verzog die Lippen. Es war nun der Zeitpunkt gekommen, da das regenbogenfarbene Tor erstmals geöffnet wurde. Mit seinem Schwert in der Hand trat Link aus dem Keller, blickte nicht zurück, verließ die alte Villa von Ines und hielt das leuchtende Masterschwert als ein Symbol für die Freiheit in die Höhe. Er rannte über die geteerten, dampfenden Straßen in der puren Nacht, begleitet von dem Licht seines Mutes. Immer weiter rannte der junge Held, hatte keine Pause nötig und schickte jedem Monster, das sich ihm nähern wollte die Macht seiner Heiligen Klinge entgegen. Die letzte Schlacht brach an. Eine Schlacht, die weitaus mehr war als ein Baustein in den Kämpfen um das Triforce. Ein letzter Versuch die Seele Hyrules endlich ruhen zu lassen... Links Dasein führte immer zu dem Kampf gegen Ganondorf. Und dieser Kampf würde der Letzte, vielleicht auch der Grausamste sein... Kapitel 117: Blutiges Ritual ---------------------------- Aller Anfang ist schwer… nach der langen Pause geht’s mit ,Nur ein Spiel’ endlich weiter und so langsam zu Ende. Und eine Kleinigkeit vorneweg… da das Kampfgeschehen noch im Prozess ist, könnte es sein, dass ich Kleinigkeiten an den Kapiteln noch einmal ändern werden. Nichtsdestotrotz hier die erste von mindestens sieben Phasen im Kampfgeschehen. Grüße an alle treuen Leser. Sorry, dass es so öange gedauert hat. Faylen7 _________________________________________ Vom blutgetränkten Himmel tanzten glühende Ascheblättchen. Geboren aus Überbleibseln des Erdenlebens vermischten sie sich mit dem feinen Nieseln eines weinenden Horizontes. Es war an der Zeit. Zeit für Wandlung und Schicksal... Denn heute war die Nacht gekommen, da sich Gutes und Böses einmal mehr die Zähne zeigen sollten. Ab und an durchbohrte ein gleißender, pulsierender Blitz die Dunkelheit über der fortschrittlichen, eingebildeten Welt. In Asche lag sie, geschändet von gierigen Dämonen, erstickt an abergläubischen Dingen, deren Schrecklichkeit sie elendig fürchtete... Wie teuer Furcht und Tapferkeit doch waren. Wie beispiellos reizvoll... Erneut zuckte ein Blitz durch jene erbarmungslose Finsternis, im Besein der Göttin über dieses Universum, die ihre tränenreiche Wut der Erde mit Jauchzen und Balgerei entgegenschleuderte. Rötliches Licht umwölkte die alte Kathedrale Schicksalshorts, verlieh ihr das Antlitz einer Geburtsstätte für Elend und Teufelei. Noch ein Blitz ging nieder, traf auf bröselnde Steinmauern, ließ das Gotteshaus erschüttern, entwürdigte es. Ein weiterer glühender Strahl aus der finsteren Wolkendecke zersprang noch auf dem Weg hinab zum Erdboden. Rote Funken aus purer Energie tanzten in den Lüften wie blutige Schmetterlinge, entließen morbide Laute. Sie breiteten ihre Flügel gehorsamst, stiegen durch den stinkenden Nieselregen und umrahmten wie Tausende Krabbelkäfer die vielen raubtierähnlichen Zierdenstatuen der Kathedrale. Zum Leben erweckten sie die Gesteine, denen vor vielen Jahren die Gestalt von Schlangen, Tigern und Greifvögeln verliehen wurde. Das alte Gestein schmolz, erhielt dämonische, katzenartige Augen, die glühten mit dem Unheil verdorbener Gelüste. Pfoten wuchsen. Gebisse. Krallen... Leise, schaurige Klauen bewegten sich sodann hinab, lösten sich geräuschlos von den Fundamenten der alten Kirche und schickten ihre drohenden Blicke zu einem unscheinbaren Fleck wenige Meter vor dem Gebäude. Der Regen wandelte sich. Als ob die Götter der Erde ihre letzten Tränen vergießen wollten, kamen Sturzbäche vom Himmel herab. Aber jener Regen hinderte nicht den ehrfürchtigen heldenhaften Jugendlichen, dessen tiefblaue Augen warnend zu den vielen kriechenden Geschöpfen der Nacht starrten. Seine wiesengrüne Tunika war durchgeweicht. Das silberne Kettenhemd lag belastend und träge auf dem feuchten Hemd, welches seine braungebrannte Haut ebenso wenig vor dem kalten Regen schützen konnte. Tropfenweise perlte sich der säuerliche Regen an seinen goldblonden Haarsträhnen und lief ihm störend in die herben, tiefblauen Augen, die im Augenblick keinem wärmenden Gefühl, noch einem Anflug von Mitleid oder Erbarmen Ausdruck verleihen konnten. Der junge Heroe konnte kein Mitleid mehr empfinden, wenn er Ganondorf gegenüberstand. Nicht einmal einen Funken Respekt, keine Menschlichkeit. Ganondorf hatte jeden Hauch Gefühl der Seelen, die sein Schicksal teilten, nicht verdient, und immer ins Lächerliche gezogen. Schrille Schreie erklangen. Gesteuert von schwarzer Magie fielen die Geschöpfe aus Stein an den Kirchenwänden hinab, rekelten sich, wuchsen zu prächtiger Größe heran. Seelenlose Geschöpfe umzingelten den jungen Helden, der erhaben und machtvoll auf das Ticken der Zeit achtete. Denn in ihm lebte die einstige alte Macht der Zeit. In ihm lebten Dutzende Bruchstücke der legendären Helden Hyrules. Sie alle waren versammelt, das Böse diesmal für immer auszulöschen. Mit allen Opfern, die der Kampf verlangte. Mit allen Zweifeln. Mit Blut, Fleisch... und Tod... Die Geschöpfe aus Stein ergötzten sich aneinander, drehten ihre Kreise, spitzten ihre harten Krallen und hungerten danach, sich in Sekundenschnelle auf ihre menschliche Beute stürzen. „Ganondorf! Zeig’ dich!“, rief Link durch den tosenden Regen und zog das leuchtende Masterschwert von seinem durchnässten Rücken. Es sang makellos und so hell wie noch nie in einem Kampf. „Ganondorf! Öffne diese Pforte!“, brüllte Link und wusste, dass Ganondorf ihn gehört hatte. Er wusste, dass jener Dämon nur darauf wartete sein mit Flüchen gesegnetes Schwert an der alten Klinge des Lichts reiben zu können. Aber es blieb still. Jene Pforte in das Innere der Kirche, die sich mit dunkler Magie speiste, blieb verschlossen... Gemächlich blickte der junge Held um sich, beobachtete die Biester aus Gestein, die sich immer schneller um ihn herum bewegten. Närrisch und wahnsinnig war ihr Tanz zu Ganondorfs Melodie der Gier... Der Kreis, den sie um Link schlugen, wurde kleiner. Aber der Held der Zeit trat vorwärts, unbeeindruckt von jenen alten Geschöpfen, deren Köpfe er einst zu Hunderten von dämonischen Körpern gehakt hatte. Im Rhythmus eines alten Marsches setzte er einen Fuß vor den anderen. Gleichmäßig. Tapfer und erfüllt mit einer Furchtlosigkeit, die er lange nicht mehr gefühlt hatte. Die Geschöpfe folgten grölend. Einige setzten zum Sprung an, prallten noch im selben Augenblick an unsichtbaren Mauern der Macht des Mutes ab. Verwundert blickte Link um sich und blieb für kurze Augenblicke stehen. Immer wieder prallten die dämonischen Geschöpfe auf ihn, aber berührten nicht einmal seine Kleidung als läge eine unsichtbare Energie um ihn. Eine Energie des Guten. Nur zaghaft suchten die tiefblauen Heldenaugen das blendende Fragment des Mutes auf seinem linken Handschuh; und der Heroe ahnte zögerlich, dass in diesem Kampf das Fragment des Mutes endlich die Geburtstunde seines ersten und vielleicht einzigen Einsatzes feiern würde. Diese Nacht würde das Fragment und nicht nur das Masterschwert Links Kampf begleiten... Giftend rissen die Steinbestien den jungen Heroen aus seinen Überlegungen, verfolgten ihn weiterhin, wollten sich an seinen Beinen laben, suchend nach jungem Frischfleisch. Doch jedes Wesen, geboren aus tiefstem Hass, erlag noch im selben Moment an unsichtbaren Wunden... Link konnte nicht genau definieren, was ihn vor den Angriffen der Steinbestien schützte, aber dieses mächtige Etwas in seinen Venen fühlte sich gut an, extrem gut... Warum sollte er nicht endlich auch von seiner eigenen Macht kosten dürfen? Erneut schallte Links warnender Ruf nach dem Fürsten des Schreckens durch die Finsternis. Diesmal lauter. Drohender. Erfüllt mit kühner Standhaftigkeit. Der Ruf blieb nicht ungehört. Weitere Geschöpfe aus Gestein versammelten sich, bewachten den Eingang in das alte Gotteshaus. „Ist das alles, was du zu bieten hast, Ganondorf?“, rief Links starke, tiefe Stimme durch die vielleicht letzte Nacht der Erdenwelt. „Ihr haltet mich nicht auf!“, fauchte der junge Held und richtete einige Steinkreaturen mit seiner heiligen Klinge. Wozu nur dieses Aufgebot an verdorbenen Schreckensgestalten? War es möglich, dass der Fürst des Schreckens bloß Zeit schinden wollte? Die Geschöpfe aus Stein bäumten sich vor Link auf, kreischten mit der Stimme, die Ganondorf ihnen verliehen hatte und verbaten ihm den Eintritt. Aber Link würde sich nichts verbieten lassen. Nicht, wenn es um die Rettung der Welt und um das Leben seiner Prinzessin ging. Niemand würde ihn daran hindern können, seinen Idealen zu folgen. Seinem Mut treu zu sein und seine große Liebe zu retten. Seine tiefblauen Augen beobachteten das mürrische Gewitter am Himmel und schauten sogleich tapfer zu der heiligen Klinge in seiner linken Hand. So fest wie er konnte, umkrallte er das Schwertheft, gefertigt aus dem feinsten lederartigen Material, welches es in Hyrule gab. Er liebte dieses Schwert, ja, so abstrus dies klang. Er verehrte es... Schon damals in der alternativen Zukunft war es ein unbeschreiblicher Genuss, ein wahnsinniges Hochgefühl, dieses Schwert in der Hand zu halten. Keine andere Waffe kam dem Masterschwert gleich. Es war nicht die Empfindung an sich, nicht die Stimme des Schwertes, die der wahre Held belauschen würde. Das Masterschwert hatte seinen eigenen gefährlichen Reiz... Sein heller Klang- wie die Stimme einer weinenden Göttin... Die Klinge- so scharf, dass sie ein Haar spalten konnte... Seine Macht- brennend, pulsierend und einnehmend... Ob die ersten Sieben Weisen, die dieses Schwert schmiedeten, ahnten, dass es viele Tausende Jahre einen Kampf beeinflussen würde, der sich durch Hyrules gesamte Geschichte ziehen würde? Und als Link das Schwert des Lichts in die Höhe reckte, wurde der nächste blutrote Blitz von der heiligen Magie der Klinge absorbiert und gereinigt. Ein Spektakel aus Lichtfunken brach empor. Weiße Magie, gespendet von der legendären Klinge aus Hyrule. Die Lichtfunken erfüllten die vielen Geschöpfe aus Stein, zwangen sie nieder, drückten ihnen Fesseln des Lichts auf. Die Wesen zankten närrisch, als sie durch heiliges Licht gebannt wurden. Sie gifteten barbarisch, rüttelten an ihren Fesseln und doch würde das silbrige Licht sie nun zu ihrem vorbestimmten Weg geleiten. Link schwang seine Waffe nur einmal horizontal ins Nichts und plötzlich folgten alle überwältigten Steinwesen seinem Befehl. Sie stürmten näher, begleiteten den Heroen auf seinem tobenden Weg hinein in die alte Kathedrale. Links Schrei glitt durch die Luft, während er mit gezücktem Schwert auf die Pforte zustieß. Steinklotz um Steinklotz krachte gegen das beängstigende, hohe Tor. Noch einmal schwang Link sein Schwert und die durch Magie gespeiste Pforte brach entzwei zusammen mit den Geschöpfen aus Stein, die ihr unechtes Leben dafür opferten. Link nahm einen tiefen Atemzug und trat langsam zwischen Steinhaufen hinein in das kalte Bauwerk. Seine Schritte hallten und der Innenraum war in einer noch erstickenderen Finsternis gehüllt als die Welt außerhalb. Zaghaft trat er näher, begleitet von einer zuschnürenden Gänsehaut, aber bereit, sich dem Schicksal zu stellen, welches man seiner Seele vor Tausenden Jahren auferlegt hatte. Er wusste, dass ihn das Schlimmste erwartete. Denn so wie Link selbst, war auch Ganondorf nicht mehr derselbe. Er war an seiner dämonischen Gier gewachsen, hatte sich mit schwarzer Magie genährt und er hatte gewartet. Und im Warten sich jeden seiner Hassempfindungen gegen Link für diesen einen Kampf aufgehoben. Vorsichtig durchquerte Link die ersten, teilweise umgeworfenen Bankreihen, als plötzlich der Raum von dem dunkelgelben Licht einiger Fackeln geflutet wurde. Wie von magischer Hand schloss sich die zerstörte Eingangspforte wieder und drängte den stürmischen Regen nach draußen. Gefasst wand der junge Held sein Blickfeld endlich gen Altar. Unnötige Gerudosakramente schmückten die Kirche. Überall hässliche Holzskulpturen mit entstellten Gesichtern zur Huldigung böswilliger Gottheiten, die nur im Dienste noch grausamerer Wesen ihr Dasein fristeten. Äxte, Bögen und kurze Klingen hingen angeberisch an den grauen Steinwänden. Eine Erinnerung schlich sich in Links Gedankengänge beim Anblick dieser geistlosen zur Schaustellung wahnhafter Gerudovorlieben. Das war Ganondorfs abartiger Geschmack, dem er seit der alternativen Zeit frönte. Seine tiefblauen Augen schillerten verwundbar, als jene alten Tage in seinem Geist vorüberzogen. So viel war geschehen. Die vielen Grausamkeiten von damals, die vielen Narben. Ganons Verbannung. Zeldas eigene Härte... All’ dies steckte tief in Links alter Seele und er hatte genug. Genug von diesem unentrinnbaren Teufelskreis. Genug von den vielen Schmerzen, die seine Seele bald nicht mehr ertragen konnte. Dieser Kampf in der heutigen Nacht musste einfach anders enden als mit einer zweifelhaften Verbannung des Bösen. Dieser Kampf musste einfach der letzte sein... Ein weiterer Einrichtungsgegenstand in diesem Innenraum zog Links Aufmerksamkeit auf sich und wirkte mehr als absurd auf ihn: eine lange Tafel. Direkt vor dem Altar verlief jene von einer Seitenwand zur anderen. Zwei Gedecke und ein Kerzenständer mit herabgebrannten Lichtquellen standen auf dem schwarzen Holz jenes lächerlich langen Tisches, an welchem man sein Gegenüber nicht mehr scharf erblicken konnte. Und im Hintergrund hing eine einfache Uhr an der Wand, die geräuschvoll tickte. Sie schlug gerade zur vollen elften Stunde und zeigte dem Helden an, dass nur grob sieben Stunden übrig blieben, ehe der neue Tag anbrach. Der letzte Tag vor dem glühenden, blutroten Vollmond aus Zeldas Vision war gekommen. Nur noch sieben Stunden Zeit, in welcher der junge Held seinen alten Widersacher unschädlich machen musste. Links Erzfeind saß währenddessen hämisch grinsend auf dem majestätischen Thron Harkenias. Genüsslich lehnte er sich hinein in den dicken roten Samtstoff, mit dem der Thron ausgekleidet war. Er trug eine einfache, schwarze Rüstung und wie immer seinen blutroten Umhang. Sein feuerrotes Haar lag offen über seinen kräftigen Schultern. Lässig sah er drein und stützte sein bärtiges Kinn an der rechten Faust ab. In dem Augenblick trafen teuflische Augen auf engelsgleiche. „Willkommen, Gartenzwerg...“, lachte Ganondorf. „Ich hoffe, ich konnte dir einen gebührenden Empfang bereiten.“ „Spar’ dir deine Gehässigkeit!“, murrte Link und hielt sein Schwert herausfordernd vor sich. „Wenn diese schwächlichen Steinklötze da draußen alles waren, was du zu bieten hast, bist du dieser Klinge in meiner Hand nicht einmal würdig.“ Links Mundwinkel verzogen sich zu einem provokativen, jäh bedrohlichen Grinsen. Ganondorf grunzte und erhob sich. Sein mit Gerudozeichen bestickter Umhang flackerte, getragen von einer Welle schwarzer Magie, die er ausströmte. Sein Dämonenschwert trug er links und mehrere Dolche waren um seine muskulösen Beine geschnallt. „Noch dieselbe große Klappe wie damals, Heldchen.“ „Nein, noch genau der gleiche, dumme Dämon, der vor mir steht“, antwortete Link ausdruckslos. Ganondorf hängte den Kopf schief, als wollte er Link mustern. Sicherlich, er kannte ihn gut genug, aber irgendetwas an dem jungen Heroen war gänzlich eigentümlich. Irgendetwas war selbst Ganondorf, wo er Hunderte Kämpfe gegen ihn geführt hatte, vollkommen fremd. Tausende Wunden hatte er dem jungen Helden bereits zugefügt, hatte ihn seelisch zerstört, sich an seinen blutenden Malen ergötzt. Doch nun schien diese wahnsinnige Freude den Herrscher über das Böse nicht mehr zu befriedigen, nicht mehr zu erfüllen. An Link haftete im Moment etwas so außergewöhnliches, etwas so starkes, was Ganondorf ein wenig einschüchterte. Aber was es war, daraus konnte er sich im Moment keinen Reim machen. Furchtlos trat Link näher und blieb nur wenige Meter vor seinem Duellanten stehen. „Wo ist Zelda!“, forderte der junge Held. Er ließ sich auf keine Kompromisse ein, ließ sich nicht beirren. Entweder Ganondorf ließ sie frei, oder Link würde den letzten Funken Anstand verlieren. Er war immer Mensch geblieben, in jedem Kampf. Von Scheußlichkeit und erbarmungsloser Grausamkeit im Kampf hielt Link nun mal nicht viel. Nein, ein fairer freundschaftlicher Kampf gegen einen gut ausgebildeten Kämpfer war sogar etwas, was dem Helden der Zeit viel bedeutete. Es machte ihn stolz, kämpfen zu können aus Ehre und daraus, seine Kunst und Tapferkeit damit zu demonstrieren. Er hatte damals in Hyrule nie gerne das Schwert gezogen um zu töten. Und bis heute hatte der rechtschaffene Heroe keinen Gefallen am Vernichten gefunden entgegen denen, die am Morden einen süßen Geschmack erfuhren. „Wo ist Zelda?“, wiederholte Link schärfer. „Du wagst es mir Befehle zu erteilen?“, zürnte der Dämon und blitzte mit seinen teuflischroten Augen umher. Messerscharf war sein Blick, durchbohrend und lähmend, genauso wie damals in der alternativen Zeit. „Du siehst deine Prinzessin nie wieder, wenn du deinem lächerlichen Mut weiterhin so treu bist.“ Link schwieg darauf, wusste er doch, dass es keinen Sinn machte Ganondorf unnötig zu reizen. Seine dämonische Wut brachte ihm nur mehr und mehr Kraft, die er Link entgegenschleudern würde. Es war wie ein zweites Herz, welches grausame Energie in Ganons Venen pumpen würde. Link schluckte seine Schimpfwörter zornkochend hinunter und blickte suchend in jeden Winkel der alten Kirche, konnte aber seine Prinzessin nirgendwo ausmachen. Furchtlos stachen seine blauen Augen schließlich in jene hasserfüllten des Schreckensfürsten, lasen eindringlich, lasen Mordlust und Gier. „Du wirst noch früh genug erfahren, wo die Prinzessin Hyrules ist. Im Moment aber...“ Ganondorf deutete auf die gedeckte Tafel. „... speise mit mir dein letztes Mahl.“ Link verzog seine Augenbrauen daraufhin und hätte am liebsten angefangen zu lachen. Dachte Ganondorf tatsächlich, Link würde nur einen Bissen eines vom Teufel persönlich angerichteten Essen zu sich nehmen? Was dachte sich Ganondorf bei dieser einfältigen Einladung? Was bezweckte er damit? Welch ein Irrtum des Schicksals, dass das Gute und Böse an einer Tafel sitzen sollten... „Glaubst du, ich merke nicht, wie du versuchst Zeit zu schinden?“ murrte Link und hielt dem Fürsten des Schreckens das leuchtende Masterschwert direkt an die grünhäutige Kehle. Ganondorf zuckte nicht einmal mit der Wimper und reckte Link sein Kinn immer weiter entgegen. Seine spröden vernarbten Lippen blähten sich auf als wollten sie von dem Heroen kosten, ihn demütigen und verschlingen. „Niemals würde ich deinen Fraß anrühren und mich deinen dunklen Machenschaften ausliefern“, zischte der Heroe angewidert. „Kein Mensch mit gutem Herzen würde sich an deine lächerliche Tafel setzen. Ich lasse nicht zu, dass die letzten sieben Stunden der Hoffnung sinnlos vorüberziehen.“ Die Tonlage in Links Stimme gefiel dem Dämon vorzüglich. Wut war eine Essenz des Bösen, eine Nabelschnur, die biestiges Leben säugte. Innerlich jubelte ein bereits gestorbener Teil seines Körpers. Zähe Körperflüssigkeiten flossen wieder, wallten und strömten hinein in vergiftetes Gehirn. ,Nein, du wirst noch früher mein Spielzeug sein als du erahnen könntest und wenn diese wenigen Stunden verstrichen sind, wird es keine Menschen mehr geben’, erklang es in des Dämons tiefsten Hassempfindungen. Ganondorf hob seine linke Faust und umfasste die Klinge des Masterschwerts. Es zischte und kleine Rauchfetzen stiegen von seiner giftgrünen Hand empor. Noch nie hatte er das lichterfüllte Masterschwert mit seinen eigenen Händen berührt, war aber soeben entzückt von dem Schmerz, den es ihm bot. Es floss kein Blut, sondern roch nur widerlich nach verbranntem Fleisch. Jauchzend zog Link das Schwert zurück und beobachtete Ganondorf grunzen, dann lachen und schließlich brüllen. „Ich verrate dir, wo deine geliebte Prinzessin ist, wenn du mit mir speist! Auf dein letztes Mahl, Heroe“, sagte er erpresserisch, während er seine linke Handinnenfläche begutachtete. Ein oberflächlicher Schnitt, eine minderwertige Verbrennung. Mehr war es nicht, was das Masterschwert ihm zugefügt hatte. Link schwang das Schwert und zerschnitt die stehende Luft mit dessen hellen Klang. „Es wird nicht meine letzte Mahlzeit sein, es wird deine!“ Lachend schlich der Dämon um seinen Widersacher umher und flüsterte ihm ins rechte Menschenohr. „Wir werden sehen, Heldchen!“ Sein beißender, ekelerregender Atem zog warnend an Links spitzer Nase vorüber und Ganondorfs Schwerthand wanderte zu dem Heft seiner Dämonenklinge. Link blieb weiterhin ruhig, spürte Ganondorfs Vorhaben, dessen unfaire Bewegung aus seinem Instinkt heraus. Es war nicht das erste und das letzte Mal, dass der Fürst des Bösen versuchte sich einen Vorteil aus Überraschung zu schaffen. Link kannte Ganons Schwertstil, seine Pläne, seine unfaire, schwarze Magie. Das lederne Schwertheft knarrte als sich Ganondorfs kalte Finger darum legten. Gerade da rollte sich der junge Heroe geschickt nach vorne und ließ seine Klinge des Lichts ohne sein Gesichtsfeld darauf zu winden, nach hinten rauschen. Stahl traf auf Stahl. Mit einer Kraft und Gewandtheit, die beide Duellanten auszeichnete. Kleine Funken Energie brachen hinab von jenem Punkt an dem sich die Schwerter berührten. Schwarze und weiße Fetzen, wie Staubkörner umwirbelten sie die beiden Waffen und fielen unsichtbar zu Boden. Ganondorf grinste zufrieden und unzählige Falten bildeten sich auf seinem giftgrünen Gesicht. Er zog seine Klinge zu sich heran, begann sie langsam an seinen Lippen entlang zu führen und leckte mit gespaltener Zunge über den dunklen Stahl. Er schmeckte einen Hauch des Lichtes an der Klinge, das vom Schwert seines Widersachers stammte. Ein übler Geschmack. Süß, beinah menschlich... „Was bringt dir eine Speisung mit mir?“, murrte Link. Nur widerwillig stapfte der junge Heroe an jene lange Tafel und ließ sein getreues Schwert in dessen Scheide sinken. Er hatte keine Wahl. Entweder Zeldas Wohlergehen oder sein Stolz... Link entschied sich dafür letzteres herzugeben. Um Zeldas Willen... Behutsam nahm er an einem Ende des Tisches Platz. „Ich will verstehen...“, zischte der Dämon. „Deinen unsinnigen Kämpferstolz und Glauben an das Gute verstehen und dir ein vorzügliches Angebot machen.“ Auch Ganondorf nahm Platz an der Tafel, schnipste mit den Fingern und die Gläser von ihm und Link füllten sich von Geisterhand mit einer roten Flüssigkeit. Sogleich zog der Fürst des Schreckens das Glas an sich, nahm zaghafte Schlücke, leckte sich über eine breite Narbe auf seiner Oberlippe und fokussierte den Helden eindringlich. Jener wusste, woher Ganondorf besagte kleine, verquollene Narbe hatte, die seine Oberlippe zierte. Bei seiner ersten Begegnung mit ihm, hatte Link als Elfjähriger gerade soviel Kraft besessen, den Fürsten diesen Schandfleck zu bereiten. Noch heute erinnerte sich Ganondorf bei einem Blick in den Spiegel an den jungen Helden der Zeit, und seinen Übermut. Hätte er ihn nur damals als elfjährigen, naiven Trampel ausgelöscht. Damals, als er noch nicht einmal wusste, was in ihm steckte. Und der Herrscher über das Böse hatte schon viele Kinder auf dem Gewissen. Bis heute bereute Ganondorf den Tag als der grünbemützte Bengel das Tor der Zeit öffnen und dann sieben Jahre Schlaf erfahren sollte. Er hatte ihn verfolgt, gewiss, nur darauf wartend, dass er den Weg zur goldenen Macht ebnen sollte. Aber als Ganondorf den Knaben vernichten wollte, war er verschluckt worden von der Macht jenes Weisen, der im Tempel des Lichts wartete... Mit einem dunklen Ärmel wischte sich Ganondorf über seine mürben Lippen, die die Farbe des Getränks trugen. Link konnte nicht erkennen und wollte nicht wissen, ob es Blut oder Wein war, was Ganondorf trank. Und er würde es nicht austesten. Misstrauisch stützte Link eine Hand auf dem dunkellackierten Tisch ab. Mit der anderen umfasste er einen der Dolche, die er an seiner linken Wade festgeschnallt hatte. Er war nicht so dumm, an Ganondorfs angebliche Ehre zu appellieren und war auf jedes noch so kleine intrigante Spiel vorbereitet. Die drei Lichter des Kerzenständers brannten gemächlich herab. Von den wenigen Fackeln in der Kirche drang ein Knacken und Bersten. Kein Wort fiel zunächst zwischen den Kontrahenten. Sie starrten einander nur mitleidlos und eisig in die Augen, darauf wartend, wer als erster mit der Wimper zuckte. Ganondorf schnipste noch einmal mit den Fingern und auf dem Silberteller vor Links Nase bildete sich eine saftige, aber schlecht gewürzte Hähnchenbrust. Uninteressiert starrte der Heroe weiterhin zu seinem Gegner, ignorierte den fettigen Dampf, der von dem Stück Fleisch nach oben stieg und seinen Geruchssinn quälten. Was sollte dieses Spielchen, fragte sich der Heroe. Ganondorf brach das Stück Fleisch mit den Händen entzwei, führte das Hähnchen an seine toten Lippen und leckte zunächst das Fett von der goldgebratenen Haut. Geduldig, ja beinah unheimlich, liebkoste der Fürst des Schreckens seine Mahlzeit. „Ich nehme den Geschmack nicht mehr war, aber eine gewisse Würze hat totes Fleisch...“ Plötzlich rupfte Ganondorf dem Hähnchen die Flügel und Beine herab, stopfte sich das Fleisch hastig in den Mund und verschlang alles malmend. Angewidert sah Link zu und hörte nicht auf, Ganondorf abgeneigt und undulderisch in die Augen zu starren. „Iss!“, befahl der Schreckensfürst. „Denk’ an dein kleines Freudenmädchen...“ Er schmatzte laut und widerlich, saugte an dem Stück Fleisch wie ein Vampir und besiegelte den Geschmack mit der roten Flüssigkeit in seinem Silberkelch. „Zelda ist kein Freudenmädchen...“, erwiderte Link kühl und ließ seine Fingerkuppen kurz, jedoch eher unwillig, über das fettige Hähnchenfleisch auf seinem Teller wandern. „Ach, ich vergaß... du bezeichnest sie als ,Lady’...“, lachte sein Gegenüber kollernd. „Was weißt du schon über Frauen?“ Ganondorf provozierte, gewiss. Dachte er wirklich Link würde so leicht aus der Fassung zu bringen sein? Der Heroe ballte die Fäuste um seine anwachsende Wut unter Kontrolle zu bringen. Wut war menschlich, das hatte Farore ihm einmal ans Herz gelegt. Jene aber, die nach ihr handeln und sie verehren, sind schwach. Link war nicht schwach, dennoch spürte er im Moment den Drang seiner Wut über Ganondorfs dreckiges Gefasel Ausdruck zu geben. Sei es mit Worten oder mit Fäusten... „Du bist doch noch viel zu jung, um derartige kleine Luder zu verstehen“, zischte der Dämon und versuchte mehr und mehr Wut in Links Herzen einzunisten. Aber der Heroe blieb ungemein ruhig. Keine Spur mehr seines kindlichen Hitzkopfes oder seiner Naivität. Das war nicht der unscheinbare, einsame Erdenbürger, dachte Ganondorf. Dieser Link war neu, aus einem ganz anderen Ursprung, mit einer Erfahrung in der Schlacht gegen das Böse und strenger Kühle, die selbst Ganondorfs Wut überschattete. „Was soll dein Geschwätz, Ganondorf?“, sagte Link klar, nahm den mit alten, hylianischen Zeichen verzierten Kelch in die rechte Hand und roch an dem Getränk. Tatsächlich war es ein bitterer Weingeruch, der Link in die Nase stieg. „Du kennst Zelda nicht so wie ich, hast keinen Hauch einer Ahnung von ihren Gefühlen, ihren Sehnsüchten, ihren Träumen, weil in dir derartige Dinge nicht mehr atmen können; und du maßt dir an, über sie zu urteilen? Du bist ein armseliger, alter Mann...“, setzte der Heroe hinzu. Der Fürst des Schreckens grunzte und schickte mit seinen Augen eine unsichtbare, frierende Schockwelle auf seinen Widersacher. Als die Welle Link traf, reckte er sein Haupt nach hinten, schloss die Augen und wurde mitsamt dem Stuhl, auf welchem er saß, nach hinten befördert. Er entließ keinen Laut, nicht einmal einen Schmerzschrei… Zu jenem Zeitpunkt tickte die Uhr im der riesigen Bibliothek im Hause der Götter, dort wo die machtvollen Göttinnen wandelten, langsamer als gewöhnlich. Und doch war sie ein Instrument um den Herzschlag des Lebens anzuzeigen. Die in grünem Samt gekleidete Göttin des Mutes starrte mit weißgefärbten Augen auf einen Fleck der goldglänzenden Wand. Sie sah, blickte über Hyrules saftige Wiesen, überwand das duftende Meer, welches Hyrule wie ein blaues Band umrahmte und durchbrach Dimensionen, die ein gabenloser Mensch nicht überwinden konnte. Sie sah hinein in die Kirche Schicksalshorts als unsichtbares Wesen und ahnte um den grausamen Kampf, der in wenigen Minuten aufflammen könnte. „Es ist Zeit, Schwestern, nicht wahr?“, sprach sie säuselnd und plötzlich erhoben sich ihre giftgrünen Augen wieder aus den vorher weißen Nebeln in die sich jene zurückgezogen hatten. Ein roter und ein blauer Blitz erhoben sich hinter Farores Gestalt wie sprudelnde Feuersäulen und die beiden älteren Göttinnen standen in voller Blüte da. „Alles endet mit einem Spiel…“, säuselte die Stimme Farores. „… lebt weiter in einem Spiel…“, summte die Stimme Nayrus. „… und beginnt vielleicht mit einem neuen Spiel…“, knisterte die Stimme Dins. Sie waren sich einig, es war nun die Zeit gekommen, in der nichts mehr sein würde. Hyrule… und all seine Besonderheiten durfte nicht mehr sein. Sie wussten es, sie wusste es schon immer und doch waren die Überbleibsel Hyrules genug um einen verheerenden Schaden im Gefüge des gesamten Weltenreiches anzurichten. Denn bei dem vermeintlichen Untergang des alten Landes Hyrule wurde ein fataler Fehler gemacht, vielleicht weil die Götter es nicht anders ersannen, vielleicht, weil man Hyrule noch eine Chance geben wollte. Und dennoch war dieser Fehler genug um viele weitere Welten in elendes Chaos zu stürzen. Die Götter ließen das Triforce zurück… und damit das Unrecht Hyrule als begraben zusehen… „Es ist Zeit…“, stimmten sie alle noch einmal ein, entschieden sie sich nun endgültig für den Tod des Triforce und ihren eigenen… Zurück in der Kirche Schicksalshorts ging das Schauspiel, der große Kampf um den Frieden weiter. Noch immer drang kein Schmerzschrei aus Links Kehle, obwohl er vor wenigen Sekunden einen von Ganondorfs Energieausbrüchen auf seiner Haut gespürt hatte. Als Links Stuhl an einer kalten Wand zum Stehen kam, öffnete der Heroe drohend seine tiefblauen Augen und wand seinen Schädel wieder nach vorne. Ein gehässiges Grinsen zierte seine ansehnlichen Gesichtszüge, was Ganondorf überhaupt nicht gefiel. Wie von magischer Hand bewegte sich Links Stuhl wieder an den Tisch heran und ließ selbst Ganondorf Verwunderung annehmen. „Meine Energie hat dich nicht getroffen...“, stellte der Dämon fest und aß den letzten Happen seines Fleisches. „Nein, diesmal nicht“, meinte Link, beängstigt von seinen eigenen Fähigkeiten. Es war vermutlich eine einfache, einseitige Reaktion seines Fragmentes gewesen, auf die er nicht zugreifen konnte. Denn das Triforce des Mutes als Waffe gegen das Böse einzusetzen, hatte Link noch nie beherrscht. „Hat da jemand gelernt, Macht endlich dazu zu verwenden, wozu sie geboren wurde?“, stierte Ganondorf und kaute zu guter letzt wie ein Hund an den Hähnchenknochen. Link wusste nicht, ob es Sinn machte, überhaupt auf Ganondorfs Fragen einzugehen. Der Fürst des Schreckens interpretierte sowieso alles seinen Wünschen entsprechend... „Oder bist du dir selbst nicht einmal bewusst, wie man das Fragment kontrollieren kann?“, lachte er und spukte zerkaute Knochen aus seinem trockenen Mund. „Bedauerlich für dich, kleiner Held. Für dich und deine Prinzessin.“ Erneut eine Andeutung, die Links Blut kochen ließ. Aus Anspannung und einer üblen Angst um Zelda... „Iss’ endlich!“, murrte Ganondorf und füllte sein Glas von magischer Hand wieder mit blutroter Flüssigkeit auf. „Lieber sterbe ich als deinen billigen Fraß anzurühren“, meinte Link standhaft, ließ sich keinen Hauch Furcht anmerken. Er hatte immer Angst empfunden, Ganondorf in einem unfairen Duell niederringen zu müssen. Aber diese Angst vor der Teufelsklinge oder jene Angst vor dem Tod war im Moment nicht mehr fühlbar für ihn, als wäre sie mit dem alten Land Hyrule untergegangen. „Ich bin hier um gegen dich zu kämpfen, nicht um mit dir zu quatschen!“ Diesmal lag Zorn in Links Stimme und leichte Unruhe. Es keimte, dachte Ganon. Seine giftgrünen Mundwinkel verzogen sich freudevoll. Sein erkaltetes, totes Herz unternahm einen einfältigen, schwachen Schlag. Rache... Kampflust... Hass... Auch in dem rechtschaffenen Herzen des Helden Hyrules lebten diese Eigenschaften. Ein Kitzeln, ein Streicheln. Mehr bedarf es nicht, um jene uralten Dispositionen zum Hervorbrechen zu bringen. Und dann, wenn er jene opferwilligen Empfindungen ans Licht bringen würde, wenn der Heroe sich selbst nicht mehr kontrollieren könnte, dann hätte Ganondorf seinen ersten Trumpf in der Hand... Die Ruhe wiederfindend lehnte sich Ganondorf in seinem Stuhl zurück und ließ seine blutunterlaufenen Augen hinauf ans Deckengewölbe wandern. „Bist du nicht endlich vom Kämpfen müde, kleiner Held?“, fragte der Dämon, suchend nach neuen Wegen Links ganzen Hass gegen ihn zu aktivieren. „Was stellst du mir eine Frage, deren Antwort du schon lange kennst, Ganondorf“, sagte Link gefasst. „Solange du existierst, wird es immer einen Helden geben, der auserkoren ward, dein Vernichter zu sein. Ich bin so lange nicht müde vom Kampf, bis das schwarze Blut in deinen Venen geronnen ist.“ Und doch hast du noch immer nicht bemerkt, dass wir nur Spielbälle sind...’, dachte der Dämon. Ganondorf leckte sich geräuschvoll über seine dunklen Fingerkuppen. Seine eisigen Augen ruhten nun auf dem Teller mit den wenigen Hähnchenknochen. Mmh, überlegte er. Jetzt war er sich sicher, dass dieser Held ihm gegenüber nicht jener aus der alternativen Zukunft war. Und er schien auch nicht mehr der bemitleidenswerte Erdenbürger zu sein. Was nur hatte diese Veränderung bewirkt? „Was bezweckst du mit deiner geschauspielerten Freundlichkeit?“, riss Link den Fürsten aus seinen dunklen Gedanken. „Einen neuen Weg...“, erwiderte der Dämon. „Red’ keinen Stuss, Ganondorf. Willst du mir mitteilen, dass du keine Lust mehr am Kämpfen, keine Freude mehr am Töten und plötzliche Reue verspürst?“ Link lachte auf, mehr aus Unverständnis als aus Hohn. „Nein, gewiss nicht. Aber ich biete dir ein Geschäft an, Held.“ Link verengte seine Augen zu Schlitzen, bewegte sich unruhig in seinem Stuhl hin und her. „Sprich’!“, sagte der Heroe kühl, wusste aber, dass er sich niemals auf eine Abmachung mit dem Bösen einlassen würde. Egal, was Ganondorf ihm anbot. Es war Verrat an seiner eigenen Seele, mit Ganondorf ein Abkommen zu schließen. „Das Gute und das Böse sind sich nicht einmal so unähnlich... jedes strebt nach der Vernichtung des anderen. Und auch du bist ein Träger einer besonderen Macht. Ich biete dir an, das Triforce der Kraft zu nutzen für einen Wunsch. Für dich und deine Prinzessin. Wenn ihr Hyrule neu aufleben lasst, werde ich Hyrule in Ruhe lassen. Im Gegenzug überlässt du mir die Erdenwelt und verschwindest.“ Skeptisch musterte Link seinen Duellanten und konnte die Worte zunächst nicht unter einen Hut bringen. „Du willst, dass ich das vereinte Triforce um einen Wunsch bitte?“ Ganondorf nickte. „Deinen Wunsch. Für ein reales Hyrule und deine Prinzessin.“ „Du willst, dass ich von der Erde verschwinde und dir die gesamte Menschheit überlasse?“, fragte Link vergewissernd hinterher. Ganondorf stand auf und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Ja, verdammt. Was ist so schwer daran zu verstehen? Diese Welt ist nichts für dich. Sieh’ sie dir doch an, die Menschen sind willenlos und schwach, ignorieren die Magie, die um sie herum lebt. Einfältige, ignorante Geschöpfe sind sie.“ Link schüttelte warnend mit dem Kopf und lachte amüsiert auf. „Du bietest mir tatsächlich Macht an? Ganondorf, du bemitleidenswerter, kranker Mann. Wie weit du gesunken bist, um es immer noch nicht zu verstehen.“ Wie ein König erhob sich Link, während das Medaillon der Mächtigen um seinen Hals klapperte und stützte sich mit den Händen auf das dunkellackierte Holz. „Es geht nicht um Macht. Darum ging es nie für mich. Ich kämpfe, weil ich nach meinem Glauben an das Gute handle. Und du hast eine Sache vergessen... ich bin auch ein Mensch dieser Welt. Ich schlage dein Angebot aus!“ Seine Stimme wurde lauter, als er sprach. Der Dämon stützte lediglich seine Hand ans Kinn und wand seinen Blick hinein in eine abgedunkelte Ecke der Kirche, als ob sich dort jemand verbarg. Verwunderung sprach aus seiner alten Fratze. „Warum? Warum glaubst du eigentlich mit einer solchen Entschlossenheit an das Gute? Glaubst du, du bekommst dadurch jemals etwas zurück?“ „Ich brauche keinen Grund um an das Gute zu glauben. Das Gute an sich... ist schon Grund genug...“, meinte Link und sah kurz, aber beständig Zeldas bildhübsches Gesicht vor seinem inneren Auge. Ganondorf grunzte erneut, ließ seinen Kopf auf eine Schulter sinken, sodass seine verstaubten Knochen knackten. „Ist das dein letztes Wort?“ „Gewiss. Der Tod ist reizender als ein billiges, falsches Abkommen, unterzeichnet mit deinem Lug und Trug, Ganondorf!“ „Wie du willst...“, zischte er. „So sei es. Dann sei erneut ein Spielball des Schicksals.“ In Sekundenbruchteilen baute der Fürst der Dunkelheit ein graulichschimmerndes Energiefeld vor sich auf und schwebte wie ein Geist zurück zu seinem selbsternannten Thron über die Menschheit. Er streckte seine triforcetragende Faust nach rechts in einen bisher abgedunkelten Winkel. Rötliches Licht rauschte hinein in jene finstere Ecke und erfüllte die restlichen Fackeln der Kathedrale mit unnatürlichem Feuer. Der Schein flog in Strömen umher wie lebendige Feuergeister und blieb auf einem angeketteten Mädchenkörper haften. An ihren Waden, hinauf zu ihrem Becken, dann an ihren Armen und Handgelenken, sowie an ihrem Hals lagen rostige, schwere Ketten. Einige Fesseln hatten sich bereits in ihre weiche Haut geschnitten oder die Kleidung zerrissen. Ihre himmelblauen Augen waren weit aufgerissen, erfüllt mit Angst, aber auch Erleichterung als sie ihren Helden in der Kathedrale wahrnahm. Sie konnte nichts sagen. Ein Pflaster lag über ihrem Mund. Aber sie brauchte auch nichts sagen, sondern drückte alles, was sie wollte über ihre müden, blauen Augen aus. „Zelda!“, rief Link verzweifelt und torkelte besorgt einige Schritte näher zu ihr. „Bist du okay?“ Sie zwinkerte ein ,Ja’, was ihm eine Welle der Erleichterung über den Rücken laufen ließ. Ohne auf Ganondorf zu achten, hetzte Link zu ihr und legte beide seiner warmen Hände auf ihre kalten Wangen. Eine Träne tropfte von ihren Augen. Beinahe eine Freudenträne. Link war aus dem alten Thronsaal entkommen. Nichts beruhigte Zelda im Augenblick mehr ihn so lebendig vor sich zu sehen. „Hallo, mein kleiner Jammerlappen...“, meinte er und grinste. Zelda wollte ihm dafür am liebsten eine Ohrfeige geben... unter der Vorraussetzung, dass sie nicht gefesselt wäre. Gerade als Link das Pflaster von Zeldas Mund lösen wollte, mischte sich Ganondorf wieder ein. „Welch herzliches Wiedersehen...“, lästerte Ganondorf, hob seine rechte Hand in die Höhe und schmetterte belustigt einen leichten Energieball in Links Richtung. Der gewandte Kämpfer sah den Energieball im letzten Moment kommen, schlug einen Rückwärtssalto und rollte sich geschickt ab, um der zielsicheren Kugel zu entgehen. Mit knarrender Wucht prallte die Kugel hinein in blankes Gestein und hinterließ einen schwarzen Schandfleck. „Sieht so aus, als wärst du nicht ganz der Jugendliche, der du bei unserer letzten Begegnung warst...“, sagte der Dämon und verengte seine Augen zu Schlitzen. „Schon vorhin habe ich deine Veränderung bemerkt. Du trägst nun wieder deine dämliche Mütze und du hältst das Masterschwert in deinen Händen. Wie kommt das?“ Ganondorf trat von einer Ecke in die andere, achtete aber streng darauf, dass der junge Held seiner Prinzessin nicht wieder zu nahe kam. Link reckte die Klinge in die Höhe und schmetterte die nächste einfältige Energiekugel aus Ganondorfs Händen leichtfertig zurück. Es war nur ein Test, ein Spiel. Nichts im Vergleich zu Ganons und Links wahrer Macht. Ihrer wahren Fähigkeiten... „Etwas an dir ist anders“, bemerkte Ganondorf. „Gut erkannt. Dachtest du, ich würde zulassen, dass du die letzten Menschen dieser Welt in den Tod stürzt. Dachtest du, ich würde meine Prinzessin einfach im Stich lassen?“ Nur kurz, aber doch beständig und zärtlich genug blickte der Held der Zeit zu Zelda, sich wünschend, er könnte sie endlich von diesen Fesseln befreien. Sie erwiderte den Blick, obwohl sie im Augenblick am liebsten Verzweiflungstränen vergießen wollte. Sie ahnte bereits, was Ganondorf mit ihr vorhatte und es würde alles andere als schnell vorüber und zu ertragen sein. „Du siehst aus, als könntest du es kaum abwarten gegen mich zu kämpfen“, sagte Ganondorf mit seiner kellertiefen Stimme. Er schnalzte mit seiner Zunge und leckte sich über seine aufgeriebenen Mundecken. „Ich brenne darauf, dich zu vernichten, Scheusal“, rief Link ihm entgegen und wagte sich erneut in Zeldas Richtung. Der Fürst des Schreckens lachte mordlüstern und zeigte dem Heroen seine gelben Zähne. „Zugegeben, ich hätte nicht damit gerechnet, dass du zu deiner Stärke zurückfindest, aber besiegen wirst du mich nicht. Denn du hast nichts gelernt, Heldchen.“ Der Dämon ließ seine rechte Faust in die Höhe gleiten. Es vibrierte in der Kathedrale, die Fensterscheiben klirrten. Die alte Orgel spielte ein schauriges Lied mit schiefen Tönen. Feine violette Fäden aus Ganons rechter Faust spannten ein Netz von oben. Und als das Netz fertiggestellt war, rissen die vielen Fäden in Sekundenschnelle zu Ganons Fragment ab. Ein violetter Vorhang tanzte nieder und zimmerte eine durchsichtige, aber gefährliche Mauer direkt vor Ganondorf und Zelda. Aufgebracht stürmte der junge Heroe näher und schlug mit den Fäusten an die magische Wand. „Ganondorf, lass’ dieses Spielchen und kämpf’ gegen mich!“, fauchte Link. Der Fürst des Schreckens grunzte: „Gewiss, werden wir kämpfen, aber vorher...“ Ganondorfs eisiger Blick ging hinüber zu Zelda, die noch immer angekettet auf dem Folterstuhl saß. „... werde ich dir vorführen, was deine größte Schwäche ist, Heldchen.“ Seine Mundwinkel zogen sich schmierig nach oben und er setzte seine muskelbepackten Beine langsam in Zeldas Richtung. „Denn du hast nichts gelernt. Prinzessin Zelda ist und bleibt deine größte Schwäche.“ „Meine größte Schwäche?“, murmelte Link leise und sah mit angsterfüllten Gedanken in die müden Augen seiner Prinzessin. Eine Träne tropfte von ihrer Wange. Sie machte ihm damit nur noch klarer, dass Ganondorf Recht hatte. Fassungslos sah Link zu und begann zu begreifen. Seit dem ersten Kampf gegen Ganondorf hatte Zelda immer die eine bedeutende Rolle gespielt, in Gestalt der Prinzessin, die Hyrule mit Ehrgeiz, Liebe und Gerechtigkeit führen wollte. Sie war sein Licht gewesen und er hatte neben dem alten Land hauptsächlich für sie gekämpft. Die vielen Gefühle für sie hatten damals angefangen und nun würde Ganondorf gerade diese Gefühle der Zuneigung als Waffe gegen Link einsetzen. ,Meine größte Schwäche... ist meine Liebe?’, dachte Link in seinen Gedanken. Er beharrte nicht auf dem Gedanken, wollte ihn loswerden und abschütteln. Er hatte sich immer eingeredet, Zelda wäre sein Antrieb, seine Waffe. Wenn nicht wegen ihr, warum hätte er angefangen der Held der Zeit zu sein, den man ihm einredete? Und doch, so schmerzhaft und untragbar der Gedanke war, für Zelda hätte er in vielen Situationen zuviel riskiert und damit eine Schwäche gezeigt, die einem auserkorenen Helden nicht stand. Widerwillig gestand er sich ein, dass Ganondorf diesmal nicht argumentieren musste... „Was hast du mit ihr vor?“, rief Link, ballte seine Hände zu Fäusten und fühlte sein ohnehin aufgeregtes Herz immer schneller schlagen. „Das wirst du gleich sehen...“, lachte der Dämon. Grinsend stand Ganondorf vor der jungen Prinzessin Hyrules. Ihr liefen brennende Schweißperlen von der Stirn, als der Fürst des Schreckens mit seinen eiskalten Fingern ihre Wange streichelte. Sie konnte sich weder mit Worten noch mit Fäusten wehren und ihre Magie war taub durch ein hässliches Giftgemisch in ihrem Körper. Sie kniff die Augen zu, als er sie in die Wange zwickte. „Wie hübsch sie doch ist, diese kleine Prinzessin. So hübsch, dass man ihr nichts zuleide tun sollte. Vielleicht würden einige Narben dir stehen, Prinzessin.“ Ganons dreckige Augen funkelten und er führte langsam seine rechte Hand über ihren Körper, suchte nach verwundbaren Punkten und fand einen direkt unter ihrer rechten Brust. „Du trägst eine nichtgeheilte, aber von Feenwasser beschützte Wunde mit dir herum“, erklärte er. Hilflos sah Zelda um sich und blieb mit ihrem Blickfeld bei Link haften. Alles an Link schrie förmlich danach ihr helfen zu wollen. Aber er konnte nicht und Zelda wusste es. „Was wohl passiert, wenn diese Wunde wieder aufreißt?“ Sie hob ihren Kopf ein Stückchen an, soweit es die Fesseln zuließen, und starrte unentwegt, sicher, gefasst und noch immer mit hoheitlichem Stolz in Ganondorf Dragmires niederträchtiges Augenpaar. Sie konnte nicht reden, aber Ganondorf hätte im Augenblick zu gerne gehört, welche hylianischen Schimpfwörter sie ihm entgegenschleudern würde. Der Dämon triumphierte über die versteckte Angst in ihren atemberaubenden Augen und nahm zunächst den Dolch in seine Hand, der auf dem kleinen Tisch ruhte: Der Hexendolch mit der eingravierten Teufelssprache. „Prinzessin Zelda, du hast bestimmt schon eine Ahnung, wozu dieser Dolch geschmiedet wurde.“ Sie wollte schreien, sie wollte weinen, aber es würde ihr nichts nützen, es würde sie nur schwächer machen. Gefasst starrte sie weiterhin in Ganons verdorbene rotgelbe Augen. Natürlich ahnte sie um den Zweck dieses Teufelsinstrumentes. Allein schon ihre auf dem kleinen Tisch gefesselte Hand verriet Ganons dreckiges Gelüst. „Falls du es doch nicht vermutest, so erzähle ich es dir gerne.“ Ganondorf hauchte die Worte gebieterisch an ihren blutroten Mund. „Und dein Held möchte ja sicherlich auch erfahren, wozu dieser Dolch von den Gerudohexen erfunden wurde.“ Stiefelgeklapper begleitete den einstigen Gerudokönig auf seinem Auf- und Abgehen. Er rieb sich mit der rechten Hand über seinen feuerroten Bart und begann zu erzählen. „Schon damals, in der alternativen Zukunft, wurden die Hexen in meinem Volk beauftragt, einen Dolch zu schmieden, ihn mit dunkler Magie zu belegen, nur um einen großartigen Zweck zu erfüllen. Wie auch immer, in jener Zeit, konnte ich dieses Spielzeug nicht testen. Die Zeit stand gegen meine Pläne.“ Beide Hände streckte der Fürst des Schreckens in die Höhe, triumphierend, seinen Wahn genießend. „Doch heute werde ich es wagen.“ Ein schmieriges Grinsen glitt zu Zelda hinüber. Sie begann herumzuzappeln, versuchte sich loszureißen und schrie in das Pflaster über ihrem Mund. „Hass ist...“, begann der Dämon und ließ den verzauberten, schwarzen, gläsernen Dolch in seiner rechten Hand kreisen. „Hass ist...“ Er zog die Worte in die Länge, genoss wie jene Buchstaben über seine Lippen kamen. „Hass ist ein Wunderwerk, wenn man schmeckt, wie mächtig er ist.“ Ganondorf blitzte mit seinen Augen zu Link und lachte erneut. „Auch dein Held wird hassen, wenn ich mit dir fertig bin, kleine Hure“, grunzte er, an Zelda gerichtet. Die junge Königstochter zog ihre rechte Hand gewaltsam zu sich, hoffend, sie könnte jene aus den rostigen Fesseln lösen. Zelda wollte schreien, fühlte alles in sich verkrampfen und spürte den heftigen Schmerz der Fesseln, die sich in ihre Haut und dann in ihr Fleisch bohrten. Koste es, was es wollte, aber sie musste ihre Hand von diesem kleinen Tisch mit der Kerbe wegführen, ehe Ganondorf tun konnte, wonach ihm gierte. „Ärmliche Prinzessin des Schicksals, du musst dir die Hand schon abhacken, um aus dieser Fessel zu entkommen.“ Er machte sich wieder lustig über sie, wusste aber mit Gewissheit, dass Zelda gegen die Fessel an ihrem rechten Handgelenk nicht ankommen konnte. „Gib’ auf“, sang der einstige Gerudokönig und führte die giftige Klinge des Dolches langsam an Zeldas Kinn, dann zu ihrer Kehle, hinab zu ihrer rechten Schulter und weiter träge über ihren festgeschnürten Arm. Aber ohne, dass sich der Dolch in ihre Haut grub. „Du wirst schon sehen... es ist ganz einfach. Aus Schmerz folgt Wut. Aus Wut folgt Hass und wenn der Hass in dem Körper deines einfältigen Heroen zu atmen beginnt...“ Er flüsterte jene Worte bedacht an ihr linkes Menschenohr, sodass Link es hinter dem blassen, violetten Tuch nicht hören konnte. „Was glaubst du, wird das Fragment des Mutes dann bewirken?“ Erschrocken starrte Zelda dem Fürsten des Bösen direkt in seine eisigen Augen. „Oh, du beginnst zu begreifen? Vorzüglich... Denn ich schlage mit diesem Ritual zwei Fliegen mit einer Klappe.“ Ihre himmelblauen Augen wanderten angstvoll zu Link, der wie ein Irrer an die magische Mauer trommelte, welche ihn von ihr abschirmte. „Ich nehme dir deine Macht und lasse deinen Helden einen gefährlichen Geschmack kosten. Denk’ daran, was mit mir passiert, wenn mein Hass wächst...“, hauchte er so leise wie möglich in Zeldas Ohr, entlockte ihr ein flehendes Zittern und ersticktes Wimmern. „Es beginnt immer mit einem Kribbeln in den Venen, einem Gefühl, als ob man verliebt ist, und doch ist das Empfinden viel schlimmer, ja beinahe schmerzhaft. Die Knochen wachsen. Organe stülpen sich um, wandern. Und alles, was man noch wünscht, ist der Tod. Die Sinne setzen aus. Das Herz bleibt stehen und zerreißt den Körper innerlich mit einem unsäglichen Druckgefühl. Man hört die eigenen Schreie nicht mehr, denn es gibt keine menschlichen Ohren mehr, die eigenes Flehen und Wimmern hören könnten. Alles, was man noch fühlt ist Schmerz. Ein barbarischer Schmerz einer Verwandlung in die eigene dunkle Seite, in die eigene Bestie.“ Noch immer sprach Ganondorf so leise wie möglich, sodass Link nicht folgen konnte. „Ich freue mich auf das Gesicht der Bestie, welche dein Held annehmen wird, falls sein Fragment ihn verwandelt und besonders auf seine Verzweiflung, wenn er sich nicht mehr unter Kontrolle hat. Nicht immer ist die Welt der Schatten nötig, um den inneren Schatten hervorzubringen. Hass ist ausreichend. Die Karten stehen gut für mich... Denn, wenn ich das Ritual beende... bleibt nichts anderes für ihn übrig als Hass... und in seinen Hassgefühlen wird er alles zerfleischen, was ihm in der Quere steht. Auch dich, Hoheit.“ Damit wand sich Ganondorf von ihr ab, nur um ihren qualvollen Moment weiterhin hinauszuzögern. Gehässig trat er an die magische Wand. Sein schmieriges Gesicht, überzogen mit dunkelgrüner Haut schaute herablassend in die tiefblauen Augen Links. Hilflos hatte jener seine beiden Hände an den violettschimmernden Umhang gestemmt und beobachtete zwanghaft das Geschehen. „Hörst du mich, Heldchen?“, provozierte der Dämon. Mit zusammengepressten Lippen ließ Link das heilige Masterschwert an die Mauer krachen. Aber es brachte nichts. Das Licht der heiligen Klinge tat der Mauer keinen Harm. „Ganondorf, du mieser Feigling. Wie lange willst du dich noch hinter dieser Mauer verstecken?“ Link war außer sich. Konnte dieser Teufel seine dummen Spielchen nicht endlich unterlassen? Der Dämon lachte erheitert auf. „Du unterschätzt mich, Gartenzwerg...“ Zielsicher lief der Fürst des Bösen wieder zu der angeketteten, jungen Prinzessin, die nicht wusste, ob sie nach jenem Ritual noch etwas fühlen würde. „Du unterschätzt meine Pläne, kleiner Held.“ Erneut ließ Ganondorf den verfluchten Dolch mit seinen alten Hexenzeichen in der rechten Hand kreisen. „Hast du denn keine Ahnung, nicht den Hauch einer Befürchtung dessen, was ich vorhabe?“ Link ließ das Masterschwert sinken und blickte erneut trübsinnig in Zeldas verängstigte Augen. „Was glaubst du, wozu die zarte rechte Hand deiner Prinzessin dort auf dem kleinen Tisch liegt. Warum wohl fließt in ihren Venen ein Gift, welches ihre Macht unterbindet und das Fragment sich materialisieren lässt? Und dieser Dolch...“ Kollernd lachte Ganon auf, war sich seines Triumphes schon sicher und hörte nicht mehr auf warnende Zeichen... „... der Hexendolch, erschaffen von meinen Ziehmüttern Kotake und Koume... hat nur eine Bestimmung.“ Entsetzt sah der junge Heroe zu, als Ganondorf sich neben dem kleinen Tisch platzierte, wo Zeldas Hand festgeschnallt war. Geschmeidig ließ er den alten Dolch über die kratzenden Fesseln wandern, die Zeldas Hand beschmückten. „Er wurde einzig geschmiedet, um das materialisierte Fragment aus menschlicher Haut wie den Kern aus einer harten Pflaume herauszuschälen.“ (kurzes Statement: jawohl, Zelda wird das Fragment entrissen. Aber ich weiß nicht Recht, ob das überhaupt möglich ist. In Windwaker wurden die Fragmente von Link und Zelda ja bloß von Ganondorf benutzt, jedoch nicht gestohlen Wer mehr darüber weiß, bitte in Kommentaren abzuklären… und ja, ich weiß, dass diese Szene in der Geschichte ziemlich übertrieben wirkt.) Links Hände glitten lahm und träge hinab von der Mauer und sein heftiges Trommeln, seine wüsten Bewegungen, das Kraftfeld Ganons zu durchbrechen, erstarben. Verzweifelt und erstarrt stand er da. Tief versteckt in seinen tiefblauen Augen schimmerte eine ungewollte Hilflosigkeit. Auskostend wiederholte Ganondorf sein dunkles Gelüst: „Jawohl, heute ist endlich der Tag gekommen, da ich Zeldas Fragment in mir aufnehmen werde.“ Sein Blick glitt schadenfroh zu Link: „Geschockt, Heldchen?“ Link schwieg darauf und versuchte lediglich seine Gedanken zu sortieren. Er musste etwas tun! Er musste diese Mauer überwinden! Aber wie? „Mag sein, dass es andere Wege gäbe, um die Macht der Weisheit an mich zu nehmen, aber ich will nicht nur jene Macht um das Triforce zu vervollständigen, ich will es ganz. Nur deshalb schneide ich es ihr nun aus der Hand!“ Ganondorf lachte fortwährend. "Sieh’ es ein, du kannst nur zusehen und hast deine Prinzessin nach all den Kämpfen doch nicht retten, nicht beschützen können. Denn du kennst die Gefahr, wenn das Fragment nicht mehr im eigenen Körper weilt. Du ahnst, was geschehen könnte. Du weißt um ein mögliches Zerbrechen der Seele Zeldas...“ Link rührte nicht einen Finger. Noch immer lagen seine Augen auf denen seiner Prinzessin, traurig und vergebungssuchend. Ein Moment aus der alternativen Zukunft huschte durch seine Gedanken wie ein erinnernder Frühlingshauch. Ein Augenblick voller Vergänglichkeit... „Sag’ mir, was geschieht mit uns, wenn uns das Triforce entrissen wird? Werden wir dann nicht mehr sein?“, fragte ein elfjähriger Junge, der im Herzen doch schon ein Mann war. Sein Blick war getrübt. Seine Gedanken in tiefsten Sphären. Es vergingen Minuten hier im stillen Schlossgarten, denn seine Gesprächspartnerin zögerte die Antwort weit hinaus. Vielleicht wollte jene selbst die Frage vergessen. Es war ein Rätsel. Etwas, worüber sich die Gelehrten in Hyrule gerne den Kopf zerbrachen. Manch Weiser behauptete ein Leben ohne ein dem Geschöpf anvertrautes Fragment käme dem Zerstückeln der hylianischen Seele gleich. Andere deuteten dieses als bloßes Gerücht und meinten, auch ohne es wäre Leben möglich. Viele aber sagten frei heraus, es käme auf den Träger selbst an, ob er den Verlust der eigenen goldenen Macht als etwas schändlich schlimmes empfinden und als Folge das eigene Leben für undenkbar halten würde. Es war das Unwissen, die beklemmende Unsicherheit, die das junge Mädchen des Knaben Frage nicht beantworten ließ. Welche Antwort lohnte, wenn sie so ungewiss wie die unlesbare Zukunft war? Sein Kopf drehte sich fast unmerklich zu seinem Gesprächspartner, der jungen Prinzessin Hyrules, die eingehüllt in ein althergebrachtes Prinzessinnenkostüm beinbaumelnd auf ihrer weißen Kinderschaukel saß. Sie starrte friedvoll, aber nachdenklich in die vielen lichten Wogen des Himmelsdaches und begann ihre Kinderschaukel hin und herzuschwingen. Statt einer Antwort begann sie nun ihr Wiegenlied zu summen und schloss die Augen. „Zelda...“, murmelte der Junge und hüpfte auf seine kräftigen Beine. Warum antwortete sie ihm nicht darauf? War etwas dran an dieser möglichen Auslöschung der eigenen Seele, wenn man das Fragment dem Körper entriss? Zaghaft umfasste der elfjährige Hylianer mit der grünen Mütze ein Seil der Schaukel und stoppte diese. Zeldas Augen öffneten sich verwundert und blickten verträumt, ja beinah verliebt, in seine tiefblauen. Schon damals hätte er ihre Zuneigung für ihn sehen müssen... stattdessen machte ihr Blick ihn furchtbar verlegen und tollpatschig. „Link?“, murmelte sie. „Was meinst du dazu?“ Er kratzte sich am Kopf und zuckte mit einer Augenbraue. „Ähm... du willst wissen, was ich...“ Sie hängte den Kopf schief. „Wie du deine Frage von vorhin beantworten würdest, wenn du sie an dich selbst richtest.“ Sie hüpfte mit ihrem rosa Kleidchen von der Schaukel, versteckte ihre Kinderhände hinter dem Rücken und blickte ihn neckisch an. Er neigte sein Haupt und sagte ehrlich: „Ich glaube nicht daran, dass man von einem Fragment so abhängig sein kann... ist doch Unsinn anzunehmen, ohne es könnte man nicht existieren.“ Zelda nickte. „Siehst du, damit hast du doch deine Antwort.“ Sie drehte sich seitwärts, aber der elfjährige, unbeholfene Link stammelte weiterhin, und umschloss ihre rechte Hand mit seiner Linken. „Du verstehst das nicht, Zelda. Ich wollte unbedingt eine Antwort von dir...“ Sie lächelte wieder. „Brauchst du diese denn noch?“ Er nickte und versuchte ein beleidigtes Gesicht aufzusetzen. „Gib’ dir keine Mühe, Link, du kannst nicht böse dreinschauen...“ Er seufzte ertappt: „Zumindest nicht in deiner Gegenwart...“ Sie überhörte diese Andeutung und trat einige Meter seitlich. Ihr Blick ging in Richtung eines Greifvogels in den Lüften. „Weißt du, Link, falls es jemandem gelingen sollte mein Fragment zu rauben, dann...“ Sie lächelte ihn wieder an mit ihren kindlichen Gesichtszügen, obwohl in ihren himmelblauen Augen soviel Lebenserfahrung und überwundene Schicksalsschläge standen. „... dann weiß ich doch, dass du da bist...“ Wie geohrfeigt hörte der junge Hylianer zu und wurde nur noch verlegener. „Du würdest auf mich warten, nicht wahr? Egal, wie lange es dauern sollte, dass ich wieder aufwache... ohne mein Fragment...“ Sie schaute zu ihren Sandalen und spielte mit den Kinderhänden hinter ihrem Rücken. „Du bist immerhin der Held der Zeit...“ Link hatte währenddessen das Gefühl, er müsse aus dem Schlossgarten fliehen. Es machte ihn so schwebend, wenn Zelda solche Worte sagte. „Würdest du auch auf mich warten, wenn ich meines verlieren sollte?“, fragte der Knabe schließlich, vielmehr um sich von seiner Nervosität abzulenken. Sie nickte: „Ich vertraue auf deine Stärke...“ Er klatschte in die Hände und rief überschwänglich: „Dann vertraue ich auch auf deine Stärke, Zelda.“ Sie lächelte wieder. „Gut“, meinte sie. „Gut.“ Ganondorfs irrsinniges Gelächter riss Link aus seinen Erinnerungen. Nicht einmal Zelda konnte ihm einst sagen, was geschehen mag, wenn das Fragment den eigenen Körper verlässt. Er wünschte, sie hätte ihm eine klare Antwort gegeben dort im Damals. Aber in der Vergangenheit war so viel einfach nicht klar zwischen ihnen gewesen. So viele Bilder. So viele Erinnerungen... Frustriert begann Link wieder an die magische Wand zu hämmern und ließ sich dann einsichtig und machtlos an die Begrenzung sacken. „Wie schmerzlich schön Verzweiflung ist“, höhnte der Fürst des Schreckens und konnte kaum in Worte fassen, wie entzückt er sich fühlte, wie selig ihn das Leid des jungen Heroen einnahm. Eine Welle der Genugtuung kam über ihn, Schadenfreude und Wahn. Noch einen Moment länger genoss Ganondorf Links Verzweiflung, die bitter in seinem Gesicht geschrieben stand, bevor der Dämon sich Zelda zuwendete. Er wollte den Dolch gerade an dem goldenen Dreieck auf Zeldas Hand ansetzen, als der junge Heroe ihn unterbrach: „Ganondorf! Warte!“ Grunzend sah er über seine rechte Schulter. „Was ist?“ „Nimm’ meins!“, rief der Heroe und sah mehr als wehleidig in Zeldas kristallblaue Augen. Sie konnte kaum glauben, was sie da hörte. Wenn Link es wagen würde, dem Bösen das Fragment des Mutes auszuliefern, wäre diese Welt für immer verloren. Nie wieder würde es einen Helden geben, der die Macht des Mutes in sich tragen könnte. War er von allen guten Geistern verlassen? „Was willst du mit Weisheit? Diese Macht bedeutet dir noch weniger als Mut. Nimm’ meins...“, sagte Link, nun weniger standhaft, beinah beschämt. „Ich habe Zelda niemals vor der Auslieferung an dich retten können, aber ich kann nicht zulassen, dass du ihr das Fragment stiehlst.“ Ganondorf reckte seinen hochnäsigen Kopf nach oben und konnte diese Selbstlosigkeit schon wieder nicht verstehen. Was nur gefiel den Menschen an der Liebe? Sie machte nur abhängig, sie machte schwach. „Ich flehe dich an, lass’ Zelda gehen...“, murmelte Link leise, beinahe undeutlich. Er ließ seinen Kopf hängen und schämte sich angesichts seiner Feigheit. Aber Zelda war nun mal alles, was er hatte, was er jemals wollte. Und jetzt da er sich erinnerte, waren die Gefühle für sie noch stärker geworden als ohnehin schon. „Du willst mir den Genuss einer magischen Folter nicht gönnen?“, lachte Ganondorf. Link schwieg dazu und schloss demutsvoll seine Augen. ,Was bin ich nur für ein schwächlicher Held?’, fragte er sich. ,Farore würde sich für mich schämen...’ Alles, was nun noch zu bewältigen war, schien das Ertragen der eigenen Schande... „Geh’ auf deine Knie!“, triumphierte der Dämon. „Verbeuge dich vor dem Kaiser der Welten.“ Er schwebte einige Meter über dem Boden angesichts des Genusses, das eine Wiedergeburt des mächtigen Helden ihm zu Füßen liegen würde. Als Link sich langsam zu Boden sinken ließ, den Kopf nach vorne neigte und seinen eigenen Stolz endgültig wegwarf, konnte Ganondorf nicht mehr länger an sich halten. Er lachte wahnhaft, verfiel in einen regelrechten Krampfanfall und lachte sich halb die Seele aus dem Leib. Roter Speichel tropfte aus seinem Mund, während er sich vor Lachen beinah übergab. „Denkst du wirklich, dass es so einfach ist?“, grunzte Ganondorf und hielt sich vor Spottgelächter seinen Wanst fest. „Zugegeben, dass du dich so demütigend niederwirfst, alles nur für deine Prinzessin, schmeckt mir mehr als gut, aber damit ist noch lange nichts satt gegessen, armseliges Abbild eines Helden.“ Link blinzelte und stützte seine mittlerweile eiskalten Hände auf dem noch kälteren, verstaubten Steinboden ab. Er presste seine Lippen aneinander um nicht das nächste Schimpfwort über seine Lippen gleiten zu lassen. „Ich vergesse keinen der Schwertstreiche des Masterschwertes, geführt von deinen Händen. Nicht einen... Glaubst du, ich will keine Rache dafür? Woher kommt die Einbildung, ich würde dein Fragment lieber nehmen als das von Zelda? Du weißt doch ganz genau, dass ich von euren erbärmlichen Mächten nichts halte.“ Und damit setzte er den Dolch erneut auf die blasse Haut der rechten Hand Zeldas. „Ich will dich leiden sehen und selbst wenn du dich vor mir umbringen würdest, mit deinem eigenen Schwert des Guten, wirst du mich nicht stoppen können.“ Wie vom Blitz gestreichelt sah Link dem Geschehen zu und fand einfach keinen Weg Zelda aus dieser Hölle zu befreien. Er fühlte sich schlichtweg wie gelähmt. Genießend atmete der Fürst des Schreckens durch die Nase ein, sog die kalte Luft in seine halbtoten Lungen und benetzte Zeldas Gesicht mit nach Verwesung riechendem Strom, der seinen Lungen wieder entglitt. „Hast du Angst, Hoheit?“, zischte er. Fast zärtlich setzte er den pechschwarzen Dolch an den goldenen, feinen Linien an, die das Fragment von dem Fleisch abhoben. „Ich kann dir versprechen, dass es brennen wird, dass es weh tun wird!“ Etwas Abartiges blitzte in Ganondorfs Augen auf. Es war nicht länger nur Gier oder Machtsucht. Es war eine perverse Form von Lust und Triebregung. Die Sekunden kamen Zelda vor wie eine erbarmungslose Ewigkeit. Nicht nur, dass Ganondorf den Moment ihr den Dolch in die wehrlose Haut zu stoßen immer weiter hinauszögerte. Nein, das Scheusal begann sie mit einem fettigen Grinsen anzuekeln. Sie brüllte etwas in das Pflaster auf ihrem Mund, riss erneut an den Ketten und schaute hilflos zu Link, der sich überhaupt nicht mehr rührte. Ganondorfs dreckige Augen ruhten nun auf dem Triforcefragment der Weisheit. Erfüllt mit unbeschreiblicher Vorfreude waren all seine Bedürfnisse gestillt. Der Held war an seiner eigenen Hilflosigkeit zu Stein geworden. Und das Fragment der Prinzessin wäre in wenigen Minuten seines. Der Dämon grinste wieder, zappelte ein letztes Mal mit seinen dunklen Fingern, die den Dolch führen würden. „Bereit, Prinzessin, einen Schmerz zu erfahren, der alles überschreiten wird, was du jemals ertragen musstest?“ Sie schimpfte, wackelte mitsamt dem schweren Stuhl, auf dem sie saß. „Nana... nicht so ungeduldig. Ich fange ja gleich an“, grunzte er ironisch. Er lachte wieder und ließ den Dolch ganz sanft die drei gleichen Seiten des Fragmentes abwandern, noch immer ohne die Haut nur geringfügig zu verletzen. Aber bereits dieses Streicheln der kalten Klinge reichte aus und schickte eine unangenehme eisige Welle Zeldas rechten Arm hinauf und blieb wie eine gefühllose Dämonenhand an ihrem Kinn haften. Verzweifelt hafteten Zeldas sanftmütige Augen auf Link, der gekrümmt vor der undurchdringbaren Mauer saß. „Schau’ nur hin, Mädchen!“, röhrte der Fürst des Schreckens. „Wie ein Häufchen Feigheit sitzt dein Liebhaber dort und kann vor Hilflosigkeit nicht einen Finger krümmen. Vielleicht werden deine Schreie ihn aus seiner Lethargie herausreißen.“ Mit einem Ruck zog der Dämon das Pflaster von ihrem Mund, worauf sie einen jauchzenden Klageton ausstieß. Ungläubig starrte die junge Prinzessin in Ganondorfs zufriedenes Gesicht und dann zu ihrem Liebsten. „Link!“, rief sie laut und deutlich, jetzt, da sie reden konnte. Noch einmal rief sie seinen Namen, diesmal in Hylianisch, bis er den Kopf hob und sie traurig ansah. Sie lächelte schwach. „Ich vertraue auf deine Stärke...“, murmelte sie mit trockenheiserer Stimme. „Fürchte dich nicht länger vor deiner eigenen Macht...“ Gerade da nahm Ganondorf ihr die Sicht und gab ihr eine Ohrfeige. „Ich habe dieses Pflaster nicht entfernt, damit ihr beide zärtliche Worte austauschen könnt.“ Aber Zelda ignorierte die Unterlegenheit der Situation, in welcher sie sich befand, war ohnehin aufmüpfig genug, und schleuderte Ganondorf für die Schelle ein wenig Spucke direkt in sein hochnäsiges Gesicht. Seine teuflischen Augen loderten auf. „Genug, kleines Miststück!“, zischte er angewidert. Es war nun der Moment gekommen, da sich Ganondorfs jahrtausendwährende Sehnsüchte erfüllen sollten. Ein grausames Ritual, das die Vorstellungskraft überging. Ein Schmerz, der die eigene Seele folterte wie ein Erdbeben die Welt teilen konnte. Und er wäre Zeuge, Richter und Verteidiger in einem. Er hätte alle Fäden in der Hand. Er nahm den Dolch fest in seine Hand, seine sündenvollen Gedanken inmitten eines Stromes unberechenbarer Rachsucht. Sein Herz schlug wieder rasend. So schnell und rastlos wie einst als er noch Leben in seinen Adern hatte. Und so absurd es auch klang, seit Ewigkeiten fühlte er einen Funken Dankbarkeit, ja, schöne, erfüllende Dankbarkeit, einzig dafür, dass ihm das Schicksal diesen Genuss gewährte. Schicksal... War er nicht beinah so mächtig wie das Schicksal selbst? Und mit diesem absurden Gedanken schloss er ab, umkrallte das Teufelsinstrument elegant, hörte die Klinge rauschen, betteln, sich endlich in junges Fleisch zu bohren. Genüsslich setzte er an, blickte ein letztes Mal in die verängstigten schönen Augen der Prinzessin und dann gehässig zu Link, der inzwischen vom Boden aufgestanden an der magischen Wand klebte. Mit einem heftigen Ruck bohrte sich die Teufelsklinge tief in sanfte Haut, durchstieß gesundes Fleisch und junge Knochen und stak an einer Seite des goldenen Fragmentes fest. Im ersten Moment konnte die junge Prinzessin vor Schmerz nicht einmal schreien. Sie wurde fahl und leichenblass in ihrem Gesicht. Aus ihren roten Lippen zog sich das Blut zurück und feine Äderchen in ihren starrstehenden Augen platzten knisternd. Rinnsaale aus Blut tropften ihre Wangen hinab, während sich der Dolch langsam an der ersten Kante ihres Fragmentes entlangbewegte und es mit fieberischer Genauigkeit von ihrem Körper trennte. Ihr Atem setzte plötzlich aus, bewirkte nur, dass sie anfing wie ein erstickender Fisch nach Sauerstoff zu röcheln. Sie röchelte mehrere Sekunden, doch Ganondorf kannte keine Gnade und sah befriedigt zu, wie sie sich quälte. In dem Augenblick donnerte ein impulsiver Schrei aus Links Kehle. Gesteuert von seiner tiefen Zuneigung zu Zelda schlug er wie wahnsinnig mit dem Schwert wilde, stürmische Linien in den violetten Umhang. Aber der Umhang verdichtete sich nur umso mehr. Er begann mit den blanken Fäusten dagegen zu hämmern, bis jene wund waren, verfluchte Ganondorf, schickte ihm alles an Hass entgegen, den er fühlte. Aber an der magischen Mauer tat sich nichts. Kein Riss bildete sich. Kein schmaler Weg der Hoffnung. „Hör’ auf damit, du Schwein! Hör’ auf damit!“, schrie Link verzweifelt. Er trampelte gegen die Begrenzung und wurde plötzlich erbarmungslos durch den Raum geschleudert. Mit einem beherzten Wandsprung fing er sich ab und rannte wieder in Zeldas Richtung. „Ich habe dir nicht zu viel versprochen, was?“, lachte der Fürst des Schreckens und begann den Dolch an der zweiten Seite des Fragmentes entlang zu führen. „Das ist sicherlich schlimmer als eine Vergewaltigung, Hoheit...“ In dem Moment drang der erste markerschütternde Schrei aus Zeldas Kehle, sie wimmerte, bettelte nach Link und hatte ihre Augen geschlossen. Sie nahm nicht mehr wahr, dass er hier war. Alles, was sie nun noch fühlte, war Schmerz. Überall. Auf ihrem Körper. In ihrem Inneren. Schmerz, der die Seele folterte. „Link...“, winselte sie und rüttelte so heftig an den schweren Ketten, dass sie sich mehr und mehr äußerliche Wunden zufügte. Sie zitterte, wimmerte immer lauter und ihre rubinroten Tränen wandeln sich in klare blaue... Dem Heroen stieg das Wasser in die Augen, als er mit ansehen musste, wie sie litt. Hatte sie nicht schon genug durchgemacht. Warum nur war das Schicksal so grausam zu ihr? „Zelda!“, rief er. „Ich bin hier, hörst du! Ich würde dich nie alleine lassen.“ Er versuchte zu ihr durchzudringen, wusste er doch, dass sie ihn nicht hören konnte. „Zelda! Ich vertraue auf deine Stärke... Zelda...“ „Gib dir keine Mühe, Heldchen. Sie hört dich nicht mehr. Der Schmerz hat ihre Sinne betäubt“, unterbrach ihn der Dämon. „Drecksschwein. Dafür zahlst du!“, fauchte Link und fühlte jenen Hass, welcher bei seinen bisherigen Seelensprüngen, oder Blackouts wie sie ein anderer Teil seines selbst bezeichnet hatte, immer ausgebrochen war. Nur diesmal schien es noch schlimmer zu sein. Wie oft, schon damals in Hyrule hatte er gerade jenen Zorn versucht unters Joch zuzwingen, hatte seine linke Hand mit der anderen unterdrückt, hatte sie, wenn nötig irgendwo in den Erdboden gerammt. Alles nur um die eigene Macht unter Kontrolle zu halten. Alles nur, weil sich Link vor seinem eigenen Fragment des Mutes fürchtete. Ja, er wusste, was das Fragment der Kraft in Ganondorf bewirkt hatte. Macht war eben ein gefährliches Spielzeug. Um zu verhindern, dass sein eigenes Fragment ihn so wie Ganondorf in eine Bestie verwandeln würde, hatte er es stets und ständig gefesselt und sich niemals auf es verlassen... Zelda schrie nun wie am Spieß und die eine Kette an ihrer rechten Wade zersprang aufgrund ihrer wüsten Bewegungen und Krämpfe. Und als Zelda den letzten, heftigen Schrei ausstieß, starb in Links Innerem endgültig das kleine Etwas, das sich Kontrolle nannte... Das Fragment auf seiner linken Hand glühte abscheulich und leuchtete mit einer Stärke wie es noch nie konnte. Und diesmal würde Link nichts tun, um dem Ausbrechen eigener Macht im Wege zu stehen. Er konnte nicht mehr. Zeldas unersättlichen Schreie in seinen Ohren quälten auch seine eigene Seele. Ihre mittlerweile wundgeschriene Stimme zerriss jeden Funken Menschlichkeit in ihm. Die Prinzessin des Schicksals erzählte einst, das Fragment hätte viele Fähigkeiten. Und Link würde die Gefährlichste, ja Schrecklichste überhaupt zulassen... „Du hast dich vor deiner eigenen Macht gefürchtet... lass’ sie atmen, lass’ sie frei...“, sprach die Stimme des Mutes in seinen tiefsten Gedanken. Und als müsse Link dieser inneren Stimme antworten, erklang es flüsternd: „Farore... Hab’ dank...“ Das Fragment des Mutes tickte nun, zischte beinahe und schickte viele kleine nadelartige Lichtfunken gegen den violetten Umhang, der Link noch immer von Zelda abschirmte. Löcher bildeten sich. Viele. Allesamt erschufen sie eine Pforte, aber noch war der Weg nicht geebnet. In dem Augenblick hatte Ganondorf seinen Teufelsdolch an jeder Seite des Fragmentes entlang laufen lassen. Kichernd nahm er das blutbefleckte Fragment in seine Hände. Es war ein neuer Meilenstein in seiner verdorbenen Hassgeschichte. Endlich besaß er das Fragment der Weisheit, jenes Fragment, welches viele Prinzessinnen Hyrules immer beschützt hatten. Nun war es seins und er würde begehrlich von seiner Macht kosten... Zelda sah nur noch verschwommen, wie der Fürst des Schreckens das Fragment in die Höhe reckte, ihr eigenes Blut tropfte schwerlich von dem Stück Gold hinab. Und endlich fiel die Prinzessin in die Bewusstlosigkeit, die ihre Schmerzen unfühlbar machte. Ganondorf lachte wie ein Wahnsinniger und hielt das Fragment glücklich in seinen Händen. Doch es wollte ihm plötzlich entgleiten. Es schwebte in der Luft wie ein lebendiges Wesen, begann zu tanzen, sich zu drehen. Mit einem Klack fiel es zu Boden, rollte einige Meter. Von allen Sinnen verlassen hetzte der Fürst des Schreckens hinter dem Fragment her, hatte nur noch Augen für dieses kleine goldene Dreieck, das ein heiliges Licht aussendete. Ganondorf vergaß sich selbst, vergaß alles und achtete nicht mehr auf Link, der im Moment jeden Funken Menschlichkeit aushauchte. Nur noch die Macht zählte. Jene, die er auf dem Handrücken trug und jene, die vor ihm floh... Währenddessen vibrierte das Fragment des Mutes aufgeregter, veranlasste den Helden zu ruckartigen, heftigen Bewegungen, bis er auf die Knie brach. Link begann zu schreien, stützte seine Hände an die Ohren und hörte nur noch ein Trommeln in sich. Die Götter trommelten auf ihren gigantischen Instrumenten in seinen Ohren und das Fragment war nun ihr Sprachrohr. (Ja, hier ein wenig Twilight Princess Feeling…) Sein Herz schlug schneller und ein Feld aus purem goldenen Licht umzog ihn, entriss ihm die Kleidung des Helden. Auf magische Weise wurde er entkleidet und hockte nackt und angreifbar vor dem violetten Umhang... Er brach zusammen, rappelte sich wieder auf, gequält von eigener Macht, verzweifelt und gefoltert von der eigenen Bestie, die in diesem Moment ausbrechen wollte. Schweiß tropfte wie Wasser von seinem Gesicht und alles in seinem Inneren verschob sich schmerzhaft. Ein eisiges Gefühl glitt seine Adern entlang, bohrte sich tiefer und tiefer und verließ ihn mit einem Zittern als wäre der zoranische Winter in die Kirche Schicksalshorts eingezogen. Sein blondes Haar wurde dunkel, zerrte sich zurück und bedeckte nicht länger die tiefblauen Heldenaugen. Das verwandelte Haar verdichtete sich, wuchs über seinen gesamten Körper wie eine pechschwarze Schicht aus Wachs. Dann folgte mit einem tiefen Schrei die endgültige Metamorphose und nicht länger kniete der Heroe Hyrules vor dem violetten Umhang, sondern eine zähnefletschende Bestie, die nur noch den Tod bescheren wollte. (Statement: sicher, Link hier ist nicht der Link von Twilight Princess, aber es wurden mit dem Schwertmeister in TP genug Andeutungen gemacht, dass vermutlich auch frühere Helden der Blutlinie sich in einem Wolf verwandeln können, von daher scheint es sinnvoll, den Wolf als etwas, was nach TP Link zugeschrieben wird, hier mit einzubauen, außerdem konnte ich nicht widerstehen. XD) Ein starkes Wolfsgeheul drang durch die stehende, trockene Luft. Vier leise Pfoten setzen an und das Getier prallte knurrend an den violetten Umhang. Im ersten Moment wusste man nicht, ob diese Bestie nur noch einen Funken des jungen Mannes in sich trug, der Link doch war. Hatte dieses Biest das gute Herz Links vielleicht aufgefressen wie seine menschliche Hülle? Würde Link seinen tierischen Tötungsinstinkten wiederstehen können? Oder behielt der Fürst des Schreckens Recht und diese blauäugige Bestie konnte nicht mehr zwischen den ihn liebenden Menschen und dem Bösen unterscheiden? Erst da sah Ganondorf auf. Seine niederträchtigen Gesichtszüge weiteten sich schon beinahe angstvoll, als sich eine geifernde Bestie mit lautem Knurren und weitaufgerissenem Maul immer wieder donnernd gegen den violetten Umhang warf. Und was für eine Bestie in diesem Helden steckte. Das war es also, Link hatte sich verwandelt, in ein schnelles Getier, das wahrhaft meisterlich töten konnte. Ein muskelbepackter, großer Wolf. Noch ehe der Dämon wusste, wie ihm geschah, durchbrach die Bestie die violette Mauer. Scherben klirrten. Böse Magie war gebannt. Fasziniert sah Ganondorf zu wie sich jenes Geschöpf auf leisen, klappernden Pfoten in seine Richtung bewegte. Beinah lautlos. Einzig das Hecheln trübte die Stille hier im eisigen Gemäuer. Das gigantische Vieh thronte vor dem Fürsten des Schreckens mit strotzender Überlegenheit. Zotteliges schwarzweiß geflecktes Fell hing an muskulösem Bau herab und herbe, tiefblaue Augen klagten den Teufel an. Einzig das Medaillon war von Links Kleidung und Ausrüstung geblieben. Pendelnd hing es unter seiner Wolfskehle. „Soso... du hast die Mauer durchstoßen. Beeindruckend“, grunzte Ganondorf, überzeugt, dass Links gutes Herz mit der Verwandlung gestorben war. Denn das war sein Ziel, sein Plan, seine Erfüllung. Provokant leckte er Zeldas Blut von ihrem Fragment, das im Augenblick untertänig von seiner linken Hand umschlossen wurde. „Ihr Blut schmeckt herrlich, willst du nicht selbst davon kosten?“ Als reagierte der Wolf auf Ganondorfs Befehle, tapste er zu der angeketteten Prinzessin hinüber. Seine kalte Schnauze schnupperte an ihrer rechten Wade. Interessiert sah Ganondorf zu. Seine Lachmuskeln waren bereits angespannt. Ein heftiges Gefühl stieg in ihm auf. Erregung und Befriedigung geboren aus seiner Überzeugung, dass dieser Wolf nicht mehr zwischen Gut und Böse unterscheiden würde. Bestien kannten keine Gnade und keine Zügelung ihrer Triebe, sagte er sich immer wieder. Und auch das wenige Häufchen, was im Inneren dieser Bestie noch Link geblieben war, würde dem Geschmack von unschuldigem Menschenfleisch nicht entgegentreten können. Höhnend sah der Teufel zu, hoffte und wartete darauf, dass sich Link in dieser Form endlich auf die wehrlose Prinzessin stürzen und sie ausweiden würde. Ein helles, schallendes Heulen drang aus der Wolfskehle, doch Link blieb ruhig und standhaft. Auch als er seine Vorderpfoten auf Zeldas Schoß legte und ihr über das in kalten Schweiß getränkte Gesicht schleckte, ging kein hässlicher Mordtrieb von ihm aus. Ganz im Gegenteil. Selbst in dieser Form war er fähig zu Zärtlichkeit und tiefer Zuneigung. Es war wohl das erste Mal, dass Ganondorf zwinkerte und eine beachtliche Überraschung seine Gesichtszüge überwucherte. „Wie... wie kann das sein?“, sagte er, mehr zu sich selbst als zu Link, der endlich von Zelda abließ und erneut mit fletschenden Zähnen vor ihm stand. „Er sollte sie zerfleischen! Das kann nicht sein. Wie schafft er es, sich selbst zu kontrollieren?“ Tatsächlich hatte Ganondorf die Macht des Guten vollkommen vergessen. Seine Rechnung ging nicht auf. Wut und Hass hatten Link verwandelt, sicherlich, aber deshalb war er noch lange nicht unfähig zu wissen, was er tat, so wie Ganondorf in seiner Bestienform. Selbst im unendlichsten Hassgefühl, besaß Link die Stärke seine Handlungen zu kontrollieren, wusste um seine Ideale und seine Ziele. Er hatte sich dem Guten verschrieben. In jeder Form... Ganondorf trat wenige Meter zurück, das Fragment der Weisheit noch immer fest von seiner linken Faust umschlossen. „Na gut, ich muss mir eingestehen. Mit deiner Kontrollfähigkeit über dich selbst hätte ich nicht gerechnet. Aber was soll’s, Heldchen? Denkst du, ich werde nicht mit dir fertig?“ Und als wollte der Wolf Antwort geben, knurrte er bedrohlich und fletschte seine scharfen Zähne. „Sieh’ einer an... du verstehst anscheinend sogar, was ich sage...“ Der Fürst lachte wieder. Diesmal aus Nervosität. Und erneut entglitt das Fragment der Weisheit seinen eigenen Händen. Gehetzt blickte er von der Bestie zu dem Fragment, welches hinter eine umgefallene Bankreihe schwebte. Er brauchte das Fragment, koste es, was es wolle... Ganondorf wurde unkonzentriert, grunzte und schmetterte einige Energiebälle auf Link, dachte, sie würden ihn treffen und verwunden. In Sekundenschnelle stürmte der Dämon in Richtung des Fragmentes, ertrunken an seiner eigenen dummen Machtsucht schien Link für ihn vollkommen nebensächlich zu sein. Und da war es aus. Der Wolf knurrte, ließ seine spitzen Zähne aus dem Maul herausstechen, die beinah wie Licht funkelten, und rannte wie besessen hinter Ganondorf her. Schnellend sprang das Getier auf die lange Tafel, sprang hinab auf den Steinboden und über umgeworfene Bankreihen. Was folgte war ein lauter Schrei aus Ganondorfs Kehle, denn der Wolf stürzte sich heimtückisch auf seinen Rücken und biss zu, was das Zeug hielt. Ganondorf kreischte, schlug wild um sich und löste sich in einem glühenden Spektakel dunkler Punkte auf, nur um direkt am Altar zu erscheinen. Warum konnten diese Zähne ihn verletzen? Einst waren es nur Lichtpfeile, die seine Haut verwunden konnten. Licht und das Masterschwert… „Wenn du sie nicht tötest, töte ich sie!“, zankte der Dämon, zog sein Dämonenschwert und glitt mit gezückter Waffe in Richtung der bewusstlosen Prinzessin Hyrules. Er hatte es nun endgültig auf sie abgesehen, stürmte näher und wollte ihr das Schwert endgültig ins Herz rammen. Der Wolf glitt durch die Luft, machte hohe Sätze und sprang direkt vor die junge, bewusstlose Prinzessin. Verwundert stand Ganondorf einfach nur da und blickte dem stolzen Getier, welches auch jetzt noch seine Prinzessin bis zum Blut verteidigen würde, in die anklagenden Augen. Der Dämon seufzte, wischte sich sauren Schweiß von Gesicht und Stirn und griff mit seiner freien Hand in seinen Nacken, fühlte dort sein schwarzes, kaltes Blut tropfen. Er atmete heftig. Auch der Wolf hechelte und ließ seine bedrohlichen blauen Augen auf Ganondorfs feurigen ruhen. Die Ruhe wiederfindend entbrach Links verwandeltem Körper ein goldenes Licht, umgarnte ihn und machte jene unheilvolle Metamorphose rückgängig, schenkte ihm sein Heldengewand wieder und einen Schuss Stärke, die der Wolf hinterließ. Geschwächt rümpfte der Fürst des Schreckens die Nase, führte eine zitternde Hand an sein Schwertheft und wusste doch, dass er sich zuerst von den Bissen der Bestie erholen müsste oder der Held in seiner wiedergewonnenen wahren Gestalt hätte leichtes Spiel. Link wischte sich mit einem Ärmel über die Lippen und spuckte Ganondorfs schwarzes Blut aus seinem Mund. Noch immer spürte er, wie sich seine Zähne in Ganondorfs breiten Nacken gebohrt hatten. Sein Blut schmeckte wie Gift. Gnadenlos nahm der Heroe den Bogen von seinem Rücken und spannte einen Pfeil. „Nähere dich Zelda nur noch einmal und dieser Pfeil durchbohrt dein schwarzes Herz mit gnadenloser Wucht. Ich zerfetze dich, Teufel.“ Ein Gewebe aus Licht bildete sich sogleich um das tötende Geschoss und warnte den Dämon. „Ein Lichtpfeil?“, lachte der Dämon. „Du denkst, ich reagiere immer noch allergisch auf diese dummen Geschosse?“ Link grinste. Sicher, Ganondorf dachte, er könnte jenen Pfeil stoppen. Aber auch er hatte nichts gelernt. „Wart’s ab!“ Und damit ließ Link das rasende Geschoss los. Es verfehlte knapp Ganondorfs rechtes Ohrläppchen und sauste zischend in die Dunkelheit der alten Kirche. „Nicht mal zielen kannst du, Gartenzwerg!“ In dem Augenblick legte Link seinen Kopf schräg, bewegte seine triforcetragende Hand auf eine absurde Weise, schien nach jemandem zu winken. Es war Instinkt. Link wusste nicht einmal was er tat oder wie er es tat. Jedenfalls begann er mit dem Fragment in seiner Hand das Licht des Pfeils zu steuern. Ganondorf begriff zu spät seine Lage und der Pfeil, der in den Lüften die Richtung wieder änderte, prallte direkt in jene Fleischwunden, die der Wolf dem Dämon vor wenigen Sekunden zugefügt hatte. „Wer kann hier nicht zielen, kranker Mann...“, sprach Link kühl. Mit einem ekelerregenden Grunzen fiel Ganondorf direkt vor Link auf die Knie und würgte. Mit der linken Hand umschloss er das kleine inzwischen blauleuchtende Triforcefragment der Weisheit, gaffte den Heroen noch einmal herablassend an und verschwand... Link nahm einige befreiende Atemzüge und begann sich mehr und mehr vor sich selbst zu ekeln. Noch immer lag ein säuerlicher Geschmack auf seiner Zunge. Ganons verseuchtes Blut hing störend in seinem Mund. Er spuckte einige Male, aber der Geschmack verging nicht. Er schüttelte den Schädel, bemüht auf jedes kleine Detail in der Kirche zu achten. Ganondorf schien verschwunden zu sein. Egal, wie lange... Link hatte im Moment nur noch einen Wunsch. Ruckartig wirbelte er herum und tapste mit wackligen Beinen, denn die gnadenlose Verwandlung steckte noch fühlbar in seinen Venen, direkt auf Zelda und den hässlichen Folterstuhl zu. Mit qualvoll verzerrten Gesichtszügen stand Link direkt vor ihr. Schuld und Angst um seine große Liebe spannen sich um ihn und stachelten erneut den gefährlichen Reiz sich in ein Biest zu verwandeln an. Er konnte den Wolf rütteln hören in seinem Inneren, spürte sein Hecheln und Heulen... Vorsichtig legte Link eine Hand auf ihre rechte, kalte Wange, wischte mit dem Daumen die dünnen Blutspuren ihrer rubinroten Tränen fort und kühlte den gefährlichen Reiz sich zu verwandeln mit Herzenswärme, die nur Zelda galt. „Zelda...“, sprach er leise, bemüht seine eigene Verzweiflung über ihre Bewusstlosigkeit zu bekämpfen. „Zelda? Hörst du mich? Ich bin es...“, sagte er durchdringender, aber nichts tat sich. Die junge Prinzessin der Hylianer blieb fortwährend bewusstlos... Machtlos sank der Heroe auf seine Knie und ließ eine nötige Träne seine rechte Wange hinab tropfen. „Vergib’ mir...“, seufzte er kummervoll. „Ich war nicht rechtzeitig bei dir...“ Viele entschuldigende Worte entkamen seinen trockenen Lippen. Sein Kopf ruhte nähesuchend auf Zeldas Schoß, bis er durch ein kleines dumpfes Geräusch in der alten Kirche aufgeschreckt wurde. Er blickte hastig um sich und dann wieder zu Zelda. Aber das Geräusch schien keine bedrohliche Ursache zu haben. Vielleicht der kalte Wind, der an die Steine des Gemäuers klopfte oder ein verirrter Moblin, der sich nicht einmal zehn Meter in Links Nähe begeben würde... Der Heroe kniff die Augen zu, sammelte seine Kräfte und überwand die Angst nach Zeldas Puls zu suchen. Zittrig wanderte seine Linke zu ihrem Hals. Als er den Puls nicht fand, sagte er noch einmal deutlich ihren Namen. Doch nach wie vor, blieben Zeldas himmelblaue Augen fest geschlossen und ihr Lächeln verschwunden. Links Blick wanderte schließlich zu ihrer rechten, blutüberströmten Hand, die noch immer angekettet auf dem verdammten Teufelstisch lag. Auch der schwarze, gläserne Dolch lag daneben, begann stückchenweise ihr reines, magisches Blut aufzusaugen. Angewidert schleuderte Link das verfluchte Instrument vom Tisch und begann es mit einem gezielten Stoß des Masterschwertes zu richten. Ein zischender Dampf entstieg den Glasscherben des Dolches, bis er sich in Asche wandelte. Der Heroe löste vorsichtig Zeldas rechte Hand aus der rostigen Kette, die jene auf den Tisch festschnallte, dann kniete Link nieder und begann die restlichen Fesseln an ihrem Körper zu entfernen. Alle Fesseln waren geöffnet, da fiel die junge, bewusstlose Zelda einfach von dem Stuhl und direkt in Links erwartende Arme. „Zelda?“, hauchte er an ihr rechtes Ohr und drückte sie innig an sich. „Wir haben uns einst versprochen, dass, wenn einem von uns das Fragment geraubt wird, wir auf die Stärke des anderen vertrauen... erinnerst du dich?“ Seine tiefblauen Augen schillerten so trübsinnig wie damals. „Ich vertraue dir... deshalb... bitte komm’ zurück zu mir...“ Verzweifelt drückte er sie näher an sich, küsste sie auf ihren Mund mit der stillen Hoffnung, dass sich ihre weichen Lippen bewegen würden. Aber sie blieben regungslos. Zelda blieb leblos. Erneut spürte Link irgendetwas in seinem Nacken. Etwas war hier in der Kirche. Aber es war nicht - oder noch nicht- Ganondorf, der sich von seinen Wunden erholt hatte. Irgendetwas lauerte hier und beobachtete Link mit Schärfe. Ohne weitere Zeit zu verlieren, suchte Link Verbandszeug aus seiner magischen Gürteltasche und verband die blutige Hand seiner Prinzessin. Er rüttelte sie wiederholt, aber kein Lebenszeichen kam von ihrem zerbrechlichen Körper. In dem Augenblick klirrten die Scheiben der Kathedrale erneut und zersprangen in einem grandiosen Silberregen. Link handelte, ehe er mit seinen Augen wahrnahm, was geschah. Er packte Zelda und stieß sich mit magischer Kraft seines Fragmentes ab. Geschwind raste er unter einer der umgefallenen Bankreihen und schützte Zelda zusätzlich mit seinem eigenen Körper. In dem Moment stürzten sich Hunderte von Ganondorf gesandte Todeskrähen in den Innenraum. Ihr Krächzen und Wimmern glich einem verbitterten Schimpfen, da sie ihre vermeintlichen Opfer in der Kirche nicht vorfanden. Gerade da rauschte Links Energie des Mutes wie ein gigantischer goldener Sturm in der Kathedrale auf und ab, zerstörte alle Vogelbestien, bis erneut die Stille einkehrte. Einige Minuten verrannen, während Link unter der umgefallenen Bankreihe nur seine eigene Atmung hören konnte. Sachte richtete er sich auf und hielt Zelda erneut innig in seinen Armen. „Zelda, Liebste... ich weiß, dass du ohne das Fragment leben kannst, dass du ohne es atmen kannst. Denn du bist stark, du bist mächtig auch ohne die goldene Energie. Bitte wach’ auf...“ Er vergrub seinen Kopf auf ihrer Schulter, und war zunächst ein wenig verwundert, dann beruhigter über die Wärme ihrer Haut. Erneut tastete er nach ihrem Puls und fand ein kleines, verheißungsvolles, wunderliches Klopf... Klopf... ein kleines Pochen unter seinen Fingerspitzen und noch eines. Mit einem befreienden Atemzug lehnte sich Link mit der ohnmächtigen Königstochter in seinen starken Armen zurück und wartete auf den nächsten Wink des Schicksals... Kapitel 118: Eine neue, alte Feindin ------------------------------------ Auch hier wieder der Hinweis... es könnte sein, dass dieses lange Kapitel noch ein wenig verändert wird, je nachdem, wie ich Lust und Laune habe... Oh, und ehe ich es vergesse, wer Lust hat auf ein RPG zu "Nur ein Spiel", bitte mitmachen! Es gibt noch so viele freie Rollen, und wer gerne eine Rolle spielen würde, die schon vergeben ist, auch kein Problem... schreibt mir ne Ens! lg Faylen7 _________________________________________________________ Die Stille kehrte ein in jene kleine Kirche, die im Herzen Schicksalshorts erbaut alte Zeiten verherrlichte. Kein Laut drang aus ihrem Inneren, wo sich Gutes und Böses gegenüberstanden und wo vor wenigen Sekunden schwarzgefiederte Vögel mit erschreckenden Lauten von guter Magie vernichtet wurden. Noch immer war Ganondorf verschollen, schien sich irgendwo in einem seiner Verstecke auf der Erde langsam zu erholen, aber beobachtete seine Widersacher zielsicher, und würde sich preisgeben, sobald es das Schicksal verlangte. Link lag währenddessen noch immer tief einatmend unter einer der umgeworfenen Holzbankreihen, hörte den Regen außerhalb trommeln und spürte nun deutlich Zeldas Atemzüge an seinem Hals. Tröstend lag sie in seinen Armen, verwöhnt von beschwörenden Worten, die Link in ihre Ohren flüsterte, und gestreichelt von warmen Händen, die sie aus ihrer Bewusstlosigkeit reißen wollten. Zelda atmete leise, und ihr fühlbarer Herzschlag war für Link ungemein beruhigend. Sachte richtete sich der auserwählte Held auf, nahm die Prinzessin Hyrules auf seine Arme und kroch vorsichtig unter seinem Versteck hervor. Seine tiefblauen Augen schienen wacher als jemals zuvor. Sein Körper kampfbereit und seine Seele durch die Erinnerungen an Hyrule gewachsen. Es war ein vertrautes Bild, das ein Beobachter sehen konnte. Gefasst stand der in grünen Gewändern gekleidete Heroe inmitten einer düsteren Umgebung und hielt die Prinzessin des Schicksals auf seinen Armen. Sein Fragment des Mutes strahlte als winziger Lichtblick in der alten Kirche und sendete einen Lichtschein über Zeldas blasses Gesicht, wo Tausende lange Haarsträhnen in Richtung Boden abfielen. Er blickte wieder um sich, schaute von Zelda zu den Seitenwänden und entdeckte in der hintersten Ecke einen reichlich verzierten Beichtstuhl. Geschwind hastete er hinter jenen Beichtstuhl, sodass er noch geschützter sich mit Zelda dort verstecken konnte als unter den Bankreihen. Wenn der Kampf fortfahren würde, wäre dies ein Ort, um Zelda in Sicherheit zu wissen. Link ließ sich wieder zu Boden sinken, drückte seine Liebste an sich und verharrte einige Momente. Seine Gedanken wurden schwerer, gingen ungewollt auf Reisen... Wie viele Kämpfe sie schon hinter sich hatten! Wie viele Kämpfe wohl noch folgen mögen... Wann nur war dies alles einmal vorbei? Wann war diese Suche nach dem Triforce und diese Machtgier schändlicher Gemüter endlich vergessen? Link schüttelte den Kopf um jene Gedanken abzuwürgen. Was brachten diese? Ja, er fühlte sich niedergeschlagen, ein wenig ausgelaugt, ein wenig müde, aber wer nahm ihm das übel? Link wollte im Moment einzig, dass sich sein Erzfeind wieder zeigen würde. Nur damit dieser dumme Kampf endlich zu Ende ging. Stattdessen versteckte sich Ganondorf Dragmire und trank womöglich noch einige Gifte, die seine immense Wut und Stärke schüren würden. Trinken... Sachte ließ er Zelda neben sich sinken und durchwühlte seine magische Tasche nach einer Flasche Wasser, genehmigte sich einige Schlucke und fühlte sich tatsächlich besser. Er setzte die Flasche an Zeldas Lippen als ein Versuch sie aus ihrer Ohnmacht zu reißen. Ein kleines Rinnsal aus Wasser floss an ihren Lippen abwärts, benetzte ihr Kinn und tropfte auf die mit lichtspendenden Engelshaaren durchsetzte Bluse, die enganliegend auf ihrer Haut lag. „Zelda?“, sprach der junge Held klar und streichelte ihre Wangen. Sein Blick wanderte zu ihrer rechten Hand. Inzwischen war das Blut bereits durch den Verband gedrungen und lief langsam an ihren Fingerspitzen entlang. Sein Blick verweilte zu lange darauf, um zu bemerken, dass Zeldas lange Wimpern zuckten. Er nahm ihre Rechte in seine beiden, entfernte den durchtränkten Verband und schaute sich das dreieckförmige Loch an, wo das Blut nahezu stand und nicht einmal mehr die Haut erhalten war. Es tat ihm weh, diesen Schandfleck zu sehen... Erneut umwickelte er ihre Hand mit einem frischen Verband, als seine Prinzessin seufzte. Erschrocken ließ Link von der Hand ab, näherte sich ihrem Gesicht mit seinem und sagte ein weiteres Mal tiefsinnig ihren Namen. Ihre Lippen bewegten sich zu einem Lächeln, noch bevor sie ihre Augen aufschlug. Es sagte Link vieles, aber vor allem, dass sie immer zu ihm zurückkehren würde. Mehr als ihr Lächeln brauchte er nicht, verlangte er nicht, um die Grausamkeit des Weltenendes zu überstehen. Sie murmelte ein leises: „Hey...“, vor sich hin und öffnete endlich ihre schönen, saphirblauen Augen. „Hey...“, flüsterte Link zittrig, begann zu lächeln, begann beinahe zu lachen und gleichzeitig zu weinen, allein weil sie in ihren Augen genau dasselbe Leuchten hatte wie vorher und weil sie lächelte. So schön wie immer. Im nächsten Moment fiel der junge Heroe fast über sie her, umarmte sie fest, ignorierte ihr daraus resultierendes Gebrummel und Gemeckere und lachte leise. „Link?“, brummte sie spielerisch, aber glücklich. „Du zerdrückst mich noch...“ Anstatt sie aus der Umarmung zu lassen, suchte er ihre Lippen und küsste sie leidenschaftlich. „Bei Farore... ich bin ja so froh...“, sagte er und drückte mehrere kurze Küsse auf ihre rechte Wange, dann an die Ecken ihres Mundes und auch auf ihre linke Wange. „Den Göttinnen sei Dank, dass du lebst...“, seufzte er und küsste sie wieder drängend auf die Lippen. „Link?“, sagte sie erneut, rückte einige Zentimeter weg und blickte ihn durchdringend an. Irgendetwas war anders an ihm... neu... und doch vertraut... Es war sein Blick... Seine tiefblauen Augen schillerten besorgt. Er nahm ihre geschundene Hand in seine Linke und führte jene zu seinen Lippen. Behutsam küsste er das getrocknete Blut von ihren Fingern. „Entschuldige, dass ich nicht eher da war...“ Wie vom Blitz getroffen erinnerte Zelda die Ereignisse der letzten Minuten. Irritiert sah sie um sich, ihre Augen hetzten im Innenraum der Kirche umher und dann unheimlich verängstigt in Links Gesicht, welches sie in der Düsternis jedoch in allen Einzelheiten erkennen konnte. „Wo ist Ganondorf?“, fragte sie aufgeregt und hielt sich sogleich unzart an Links Tunika fest. Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und erklärte: „Nachdem ich die violette Mauer durchbrochen habe, konnte ich ihn schwächen... dann hat er sich dein Fragment geschnappt und ist geflüchtet.“ Sie schloss die Augen, fühlte sich beruhigter und lehnte ihren Kopf wieder an seine Brust. „Es tut mir leid, Zelda... wahrscheinlich wird er sich erholen...“ „Schon gut, Link... rechtfertige dich nicht dafür... und nicht vor mir“, murmelte sie. „Was ich jetzt möchte, ist zu wissen, wie du aus dem Thronsaal in Hyrule fliehen konntest.“ Ihre Stimme hallte tückisch in dem kalten Gebäude, während außerhalb weiterhin der Regen trommelte. „Dein Alter Ego hat mich ohne mein Einverständnis fortgetragen...“ Link lachte beinah und streichelte ihr goldenes Haar. „Sian?“ „Ganz genau...“ „Das ist wunderbar...“ Schließlich fiel ihr Blick zu der grasgrünen Mütze, die Link auf dem Haupt trug. Sie grinste ein wenig. „Dann hast du deine Mütze auch von Shiek?“ Er nickte bloß, war aber ein wenig verwundert, dass sie noch nicht bemerkt hatte, dass er seine Erinnerungen wieder hatte. Spürte Zelda nicht sonst auch jede Kleinigkeit an der Seele eines Menschen? Gerade da entdeckte der junge Heroe eine räuberische Gefahr in der Nähe der Kirche herumwerken. Es war noch weit weg, aber näherte sich unberechenbar schnell. Er sprang auf, ohne auf Zeldas verdutzte Fragen einzugehen, die er im Moment nicht einmal hören konnte. Kaum stand er auf seinen Beinen, rauschte ein weiterer Strom von teuflischen Krähen durch die zerbrochenen Fensterscheiben. Zelda begann die Augen zusammenzukneifen und kreischte. Link jedoch blieb gelassen, spannte lediglich einen Lichtpfeil und ließ jenen hinauf an das Kirchengewölbe prallen. Ein Regen aus Lichtscherben tanzte nieder. Die Bestien verwandelten sich in Asche, noch bevor sie den Boden berühren konnten. Link entließ einen erleichterten Atemzug und blickte grinsend zu Zelda, deren Augen ihm viele Komplimente erzählten. Es schenkte ihm Kraft, ja Kraft für den grausamen Kampf, der noch vor ihm stand. Sie lächelte ich ununterbrochen an, während er es sich wieder neben ihr bequem machte. Ihre Augen leuchteten so extrem, dass er sich schon verlegen vorkam. Bewunderung stand darin. Sie legte eine Hand auf seine rechte Wange. „Link… du bist unglaublich, mein Held…“ „Ich weiß, dass ich der unglaublichste Held dieses Planeten bin.“ „Übertreib’ bloß nicht“, erwiderte sie spitz. Er deutete auf seine spitze Nase. „Das muss ich nicht, ich bin auch so unglaublich.“ Sie grinste daraufhin und er hatte seinen Willen durchgesetzt. Er konnte sie mit seinen Worten aufheitern, ausgerechnet hier am kältesten Ort der Welt. Hier in der Gegenwart des Bösen. Er rückte näher, schloss die Augen und murmelte: „Ach Zelda… meine Zelda…“ „Ach Link… mein Link…“, äffte sie ihn nach. „Ich bin Dein… auf ewig“, meinte er dann und gab jeglichen Besitz seiner selbst damit auf. Sie lächelte. „Was wäre ich nur ohne dich…“, sagte er leise. „Das, was ich ohne dich wäre…“, meinte sie daraufhin. „Ach Zelda… meine Zelda…“ Sie drückte ihren Zeigefinger auf seine Lippen und unterbrach ihn. „Du wiederholst dich“, schmunzelte sie und brachte ihn mit einem Kuss zum Schweigen. „Wie fühlst du dich ohne dein Fragment?“, meinte Link leise und stützte sein Kinn an Zeldas zarte Stirn. Sie befanden sich noch hinter dem Beichtstuhl hier in der kalten Kirche Schicksalshorts. Immer wieder schielte der junge Heroe wachen Auges in Richtung Altar, wo das schwarze Bild hing, welches Din ihre Kräfte geraubt hatte. Sollte er sich nicht auf die Suche nach Ganondorf machen? Jetzt, da jener geschwächt war? „Schläfrig, aber...“ Sie machte eine kleine Pause und unternahm einen tiefen Atemzug. „Aber ich fühle mich besser als ich dachte...“ „Brennt deine Hand sehr schlimm?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, es fühlt sich fast taub an...“ „Ich verspreche dir, ich hole dein Fragment zurück, okay?“ Sie nickte, hob ihren schweren Kopf ein Stückchen an und begann in seinen tiefblauen Heldenaugen zu träumen. Da stand soviel Wärme und Güte. Liebe und Mut, dass sie sich darin verlieren könnte. „Ich liebe dich, mein Held...“, sagte sie, diesmal nicht unter Druck, diesmal aus ihrem Inneren heraus, weil es ihr ein Bedürfnis war. „Schon immer, nicht wahr?“ Sie nickte, hätte sich aber gerade im Moment ein: ,Ich dich auch’ gewünscht... „Auch schon damals, als wir Kinder waren... in Hyrule...“, meinte er vorsichtig und hielt dem Blick ihrer Augen stand. Aber noch sah er keine Verwunderung darin, obgleich er diese provozieren wollte, damit sie verstand, dass nicht mehr der gleiche Link vor ihr stand wie vorher, sondern ein Teil hinzugekommen war, den er vergessen hatte. „Sicher...“ „Auch, als wir uns damals versprochen haben, einander zu vertrauen, auf den anderen zu warten, falls einem von uns das Fragment entrissen wird?“ Und damit berief er sich auf eine Erinnerung, die der auf der Erde wiedergeborene Link nicht wissen konnte. „Ja, auch damals schon...“, sagte sie leise und erinnerte jenen Augenblick der Vergänglichkeit. Sie wusste noch, dass sie auf ihrer weißen Kinderschaukel saß und Links Frage ignoriert hatte. Ja, schon damals war sie verliebt in ihn gewesen. „Es war ein sonniger Tag, damals, als der alternative Zeitpfad begann...“ „Genau...“, bestätigte Link und begann sich noch mehr zu wundern. Warum bemerkte Zelda nicht, dass nur der Link von damals diese Erinnerung besitzen konnte? Sie aber grinste mit einem Hintergedanken. „Auch schon in der alternativen Zeit... als du in Kakariko verwundet wurdest“, begann sie. Wohin will sie mich damit bloß führen, fragte er sich. „Das war der erste Tag, an dem ich dich berühren dürfte, ohne dass du...“, setzte sie fort. „... mich durchschaut hättest“, flüsterte sie und blickte sorgenvoll um sich. Wie lange es wohl dauern würde, ehe sich das Böse wieder zeigte? „Moment mal...“ Die Entrüstung in Links Stimme war kaum zu überhören. „Du... du hast mich damals...“ „... Mmh...“ Zelda schmiegte sich wieder näher an ihn und flüsterte in sein Ohr. „... ohne dein Wissen gestreichelt...“ „Gestreichelt?“ Links Stimme war nun so laut, dass Zelda Angst bekam, er würde damit irgendwelche Abgesandten Ganondorfs auf ihre Spur locken. „Ich habe dich sogar geküsst.“ „Geküsst?“, rief er noch lauter. „Brüll’ doch nicht so“, schimpfte sie. „Du hast damals im Schlaf gezittert, Link. Du hattest Alpträume und du hast...“ „... ich habe dich vermisst...“ Zelda lächelte und schließlich wurden ihre schläfrig anmutenden Augen ein wenig größer und bissiger. „Also doch...“ Sie tippte mit dem Zeigefinger an Links Nase und offenbarte ihre Vermutung. „Du weißt, welche Verletzungen du nach dem Angriff auf Kakariko hattest.“ Link nickte. Noch heute hörte er die Klagerufe der Menschen, die in der Handelsstadt ihre Familien und ihr Hab und Gut verloren. In der grausamen alternativen Zeit, wo Link der einzige Hoffnungsschimmer für viele Hylianer darstellte. Seine ansehnlichen Gesichtszüge wandelten sich zu Erstaunen und schienen noch anziehender für die Prinzessin in seinen Armen zu sein. „Zwei gebrochene Rippen. Eine Platzwunde. Einige Brandwunden. Ich weiß es, denn...“ „Denn du... bist...“, flüsterte sie. „Ja, Zelda, ich bin es... dein wahrer Held der Zeit...“ „Du kannst dich erinnern?“ Sie umarmte ihn gleich noch einmal. „Wie ist das möglich?“, flüsterte sie verwundert an seinen Hals. Link schloss die Augen und begann ihr zu erzählen, dass er das durchmischte Elixier mit dem Risiko getrunken hatte sein jetziges Ich zu verlieren. Aber seinen Ausflug in die mögliche Zukunft verschwieg er vorerst. Er legte seine Hände auf Zeldas Wangen und sah Schwermut, ja beinah Angst darin. „Freust du dich denn gar nicht?“ „Doch... es ist nur...“ „Was?“, sprach er leise. „Deine Gefühle... für mich... sind diese jetzt... anders?“ Sie scheute seinen Blick und zog sich ein wenig von seiner Nähe zurück. Butterweich blickten ihre sanftmütigen Augen zu Boden. Sie fürchtete sich vor der Antwort, hatte Angst, der Link, den sie liebte, war vielleicht nicht mehr. „Zelda!“ Er sprach eingehend und grob. Links Stimme warnte sie davor, wieder dicht zu machen. In dem Moment wurden sie beide von einem aufschreckenden Poltern unterbrochen. Von der kleinen Krypta drangen heftige Geräusche die kaputte Steintreppe hinauf, so als ob jemand dort unten alles zu Kleinholz verarbeitete. Das Poltern wurde lauter und beängstigend. Es zischte. Es knarrte. Link und Zelda schreckten beide auf und traten vorsichtig hinter dem Beichtstuhl hervor. „Was mag das sein?“, murmelte sie hinter seinem Rücken, während Link sich schützend mit Schwert bewaffnet vor sie platzierte. „Vermutlich eine Bestie Ganondorfs...“, sagte er düster. „Ich bezweifle, dass es Ganondorf persönlich ist.“ Gemächlich tapsten sie in der Düsternis in Richtung Altar, fühlten beobachtende Blicke in ihren Nacken und lauschten den Hunderten tückischen Geräuschen, die von der zerstörten Welt außerhalb nach innen drangen. Als sie an der seitlich liegenden Hintertür angelangt waren, die nicht weit vom Altar entfernt erbaut wurde, hielt Link inne. Geschwind wand er sich zu ihr und streichelte mit der Rechten eine ihrer samtigen Wangen. „Hör zu, Zelda. Ich möchte, dass du fliehst.“ Ihre Gesichtszüge wurden grimmig und erzählten ihm von keinem Hauch Einsicht oder Einverständnis. „Zelda, sei nicht albern. Du hast dein Fragment verloren und du bist geschwächt. Ich muss diesen Kampf alleine überstehen, wenn dir etwas zustößt, könnte ich mir das niemals verzeihen... Das ist mein Kampf.“ Sie schaute bekümmert zu Boden und allein das Wasser in ihren Augen verriet ihm, wie ungern sie ihn alleine ziehen lassen wollte. War es denn nicht ihr gemeinsamer Kampf in jedem Leben? Der Kampf um das Triforce, und die vielen Kämpfe in Hyrule- es waren doch nicht alles alleine seine Kämpfe! Ohne die Menschen, die ihn liebten. Ohne seine Freunde. Ohne Zelda... Ohne sie alle wäre er doch niemals der Held der Zeit geworden... „Link, das ist nicht alleine dein Kampf!“, sagte sie stark, aber riss sich von ihm los. „Wie soll das hier weitergehen, Link? Du brauchst Verbündete, du hast sie immer gebraucht. Und bevor der neue Tag anbricht, muss Ganondorf verbannt sein. Es sind höchstens noch sechs Stunden, bis sich das Schicksal der Welt entscheidet. Führe diesen Kampf nicht alleine!“ Sie machte eine notwendige Pause und sprach so schnell, dass Link sie erst gar nicht unterbrechen konnte. „Erinnere dich an die Worte von Klein-Link... Wenn wir Ganon heute nicht stoppen können, dann... hat diese Welt keine Zukunft mehr. Die Erde wird brennen. Wir müssen ihn stoppen, wir zusammen, aber nicht du alleine!“ Es war beängstigend, dass Zelda dieses Alptraumszenario nun offen aussprach. „Und dennoch will ich, dass du hier verschwindest, Zelda. Es ist wie Ganondorf sagte, du bist nun mal...“ Er seufzte und blickte kopfschüttelnd zu Boden. „Sag’ es ruhig...“ Sie tat es ihm gleich und starrte traurig zu Boden. „... du bist meine größte Schwäche...“ Link ließ die Worte leise ausklingen und blickte seitlich, direkt an seiner Prinzessin vorbei. Aus Scham. Vielleicht auch aus Angst, sie verletzt zu haben. „Entschuldige...“, flüsterte der Heroe und drückte sie noch einmal an sich, überreichte ihr einen seiner Dolche und zwei Wurfsterne. Nur zur Sicherheit... „Ich will dich außer Gefahr wissen... deshalb flieh’ durch die Hintertür.“ Sie schluchzte, sagte kein weiteres Wort, riss sich los und stapfte mit ihren langen, dunklen Stiefeln durch die einfache Holztür in einen kleinen Keller, wo Link vor vielen Wochen Ganondorf das erste Mal ausspioniert hatte. Sie blickte noch einmal zurück, sah noch einmal die Schönheit der tiefblauen Augen, welche sie auch jetzt noch immer wieder verzaubern konnte, und schloss dann die Tür hinter sich. Mit einem verbitterten Schluchzen lehnte sich die Thronerbin Hyrules an die kleine knarrende Tür und stemmte ihre linke Hand an den schweren Kopf. Eine kristallene Träne kullerte über ihre rechte Wange. ,Du Feigling’, sagte sie zu sich. Kein Wunder, denn sie fühlte sich wie einer, auch wenn sie vermutlich keine Wahl hatte als wegzulaufen. Warum musste sie auch dieses verdammte Fragment verlieren? Sie stoppte kurz, unterdrückte ein unangenehmes, flaues Gefühl im Magen, als sie an den Schmerz dachte, den Ganondorf ihr zugefügt hatte. Was, wenn er sich auch des Fragmentes des Mutes bemächtigen würde? Sie konnte Link doch nicht einfach ohne Hilfe diesen ungewissen Kampf beschreiten lassen! Sie humpelte mit schweren Schritten einige Steinstufen nach unten und sah zunächst nicht einen Funken Licht in dem kleinen Keller leuchten. Sachte trat sie vorwärts, griff mit ihren Händen in die Dunkelheit, nur um nicht irgendwo anzustoßen. „Verdammt!“, wimmerte sie und suchte vorsichtig die Tür nach draußen. Der Mann, den sie liebte, war hier drin und würde in wenigen Minuten den grausamsten Kampf seines Lebens führen! Sie konnte doch nicht einfach von hier verschwinden! Sie atmete tief ein, drehte sich um und lief wieder zurück. Sicher, sie konnte in ihrem Zustand nichts für Link tun, ihm nicht beistehen. Aber sie wollte ihn einfach nicht alleine lassen. Zaghaft blickte sie durch das Schlüsselloch der Tür, wo sie angesichts des dunkelgelben Lichtscheins vom Inneren der Kirche den Altar begutachten konnte. ,Wo war Link?’, fragte sie sich. Unsicher, ob sie die Tür nicht wieder öffnen sollte, oder ob sie vielleicht hier bleiben sollte, kämpfte sie mit einer keimenden Angst um ihren Helden. ,Unsinn’, sagte sie zu sich. ,Hast du vergessen, mit wem du zusammen bist? Link hat Ganondorf schon einmal niederringen können. Du musst ihm vertrauen...’ Sie ballte die Fäuste, kniff die Augen zusammen und trat diesmal schneller und muterfüllter in Richtung des Ausgangs. Sie hatte die Tür ins Freie erreicht, als sie jemanden hier in dem kleinen Keller leise kichern hörte. Es war eine eitle, hohe Stimme. Ein wenig unecht, geschauspielert hoch. Eine Schweißperle lief Zelda über die Stirn. Hatte Ganondorf hier einen seiner Abkömmlinge postiert? Die Nerven verlierend drückte sie den Türgriff nach unten, als sie feststellte, dass die Tür verschlossen war. Zelda rüttelte am Schloss, aber es half nichts. Und noch immer kicherte es makaber und scheußlich hinter ihr, als hätte eine Puppe Leben eingehaucht bekommen. „Wo willst du denn hin, little Princess?“, summte jemand. „Lässt du deinen ,lovely Hero’ einfach alleine?“ Derweil trat Link vorsichtig mit einer rauchenden Öllampe die Treppen in die Krypta der Kirche hinab. Mit der anderen Hand umfasste er das Medaillon mit den drei kostbaren Edelsteinen um seinen Hals und fragte sich, ob er das Geheimnis jenes Reliktes für diesen Kampf noch erkennen würde. Eine Erinnerung an das alte Hyrule nahm in ein, während er einem fluchenden Geräusch hinein in die Tiefe folgte. Als er nach Hyrule zurückgekehrt war, hatten er und seine Prinzessin nächtelang über Büchern gehockt, soviel gelesen, soviel versucht zu verstehen, nur um den Sinn dieses Medaillons zu erkunden. Erst heute realisierte er, warum er sich damals in Zeldas Nähe so unglaublich aufgehoben gefühlt hatte. Und in all der Zeit hätte er vieles anders machen sollen. In all den abendlichen Stunden, die geradezu nach Nähe... Geborgenheit... und Innigkeit geschrien hatten. Nur Zelda und er wollten es nicht hören... Dabei war Intimität etwas, was sie schon ewig teilten. Ihre Seelen waren bereits bei ihrer beider Geburt unzertrennlich miteinander verwoben gewesen. Sie teilten Träume... Sehnsüchte und sogar körperliche Empfindungen. Denn floss eine Träne, floss jene nicht nur auf Zeldas Wange. Schmerzte eine Wunde, hervorgegangen aus einem Kampf, schmerzte sie für Link und für Zelda... Seine Mundwinkel zogen sich nach oben, während er über diese Gedanken phantasierte und weiterhin konzentriert dem Weg nach unten folgte. Zelda hatte immer anmaßend behauptet, Liebe wäre nicht ihr Schicksal. Aber das stimmte nicht... Zwei Seelen, die soviel teilten, denen das Schicksal so viel abverlangte und die sich in vielen Leben immer wieder begegnen würden, waren bestimmt zu lieben... Gewiss, das waren sie... Aber eine Sache wunderte den jungen Heroen. Er hatte vor wenigen Stunden in den Fluss der Zeit eingegriffen und Zeldas inneren Kältefluch, der sich in ihren Augen manifestiert hatte, bereits in der Vergangenheit beseitigt. Ja, er hatte die Zukunft verändert. Aber aus irgendeinem Grund konnte dieses Ereignis sich nicht ins Hier und Jetzt ausbreiten... Warum war sein Liebegeständnis in Zeldas Gemächern nicht wirksam im Hier und Jetzt? Wie auch immer, darüber könnte er sich nach diesem Höllenkampf den Kopf tausendmal zerbrechen. Er musste den Fürsten des Schreckens aufspüren. Und das rechtzeitig... Erneut polterte es angsteinflößend in der Krypta der Kirche. Diesmal folgten grölende Schreie. Hohe, vibrierende Stimme, wie die von kleinen Kindern. Hell und schmerzlich erklangen sie in Links Ohren. Die Stimmen widerten ihn an, aber nicht, weil es kindliche Laute waren, die die Stille trübten, nein, weil jene verzerrten Schreckenslaute nach Gemetzel und Tötungsgier klangen... Hatte der Fürst des Schreckens Kinder in seiner Krypta eingeschlossen? Oder waren es weitere seiner absurden, widerlichen Schöpfungen? Mit allem rechnend, denn Link hatte schon etliche Grausamkeiten erleben und ertragen müssen, die Ganondorf so selbsthuldigend genoss, trat der Heroe vorwärts. Die Öllampe flackerte mehr und mehr und es würde nur noch Sekunden dauern, ehe sie ihr Licht verlor. Links tückisches Stiefelklappern verriet ihn und plötzlich endeten die grausigen Geräusche und verbündeten sich mit der kühlen Stille. Der Held der Zeit stoppte kurz, wanderte mit seinen tiefblauen Augen umher, drehte sich geschwind nach hinten, aber da war niemand... Merkwürdig, dachte er, für einen Moment hatte er das Gefühl gehabt, irgendjemand würde ihn beobachten, ja beinah im Hintergrund verspotten... Mit Angstschweiß auf der Stirn hielt die junge Prinzessin zitternd den Dolch von Link in ihren Händen. Sie konnte in der dicken Dunkelheit des kleinen Kellers nichts erkennen, aber sie wusste, dass sie nicht alleine war. Anhaltend war dieses unkeusche Gekicher irgendeiner Marionette des Schreckensfürsten. Unerträglich... und ihr sechster Sinn sagte ihr, dass die dämonische Gestalt in der Dunkelheit mehr sah als sie... „Ein hübscher Dolch, little Princess, ist der von deinem ,lovely Hero’?“ Zelda konnte in dem Augenblick bloß spüren, wie eine schwarze Energie den Dolch in Windeseile aus ihren Händen gleiten ließ. Zelda keuchte und entließ einen Schreckenslaut. Sie wedelte mit ihren Händen und suchte nach der einzigen Verteidigungsmöglichkeit, die gerade in fremde dreckige Hände geführt wurde. „Wer bist du?“, rief Zelda und trat einige Schritte zurück, sodass sie an der eisigen Steinwand aufkam. „Du kennst mich. Wie demütigend, dass du mich vergessen hast.“ Nun klang auch die Stimme nicht mehr so schief und hoch, gesprochen mit Klarheit und naher Besonnenheit, hörte sie sich sogar menschlich an. Zelda antwortete nicht, sondern suchte in ihren Gedanken nach Hinweisen. Ja, sie kannte diese Stimme von irgendwoher. Sie dachte zurück… an ihre erste Woche mit Link in Schicksalshort. Damals waren ihr einige Menschen begegnet, herzensgute wie Josh und Hendrik, die beiden Zwillinge, die ihr vor Ewigkeiten beim Einkaufen geholfen hatten. Maron, Rick… Sie grübelte, aber konnte jene Stimme im Augenblick nicht ihrer Gestalt zuordnen. Zitternd krallte sie sich mit jeweils einer Hand einen der Wurfsterne, die Link ihr zum Schutz hinterlassen hatte. „Du enttäuscht mich, little Princess“, sprach die Stimme höhnend. Aufdringlich trat jene Gestalt näher und hauchte einen geruchslosen Atem in Zeldas Gesicht. Die junge Prinzessin kreischte und rannte in der Dunkelheit des Kellers irgendwohin. Sie wusste nicht, wohin sie rannte. Sie wusste ja nicht einmal mehr, wo die Tür sich befand, durch die sie gekommen war. Sie rannte und blieb plötzlich an irgendetwas hängen. Ein rupfendes Geräusch erklang und ihr rechtes Hosenbein war zerrissen. Sie fiel und wanderte mit ihren blauen Augen erneut hinein in die Finsternis hinter sich. Erneut kicherte es abartig, ja beinah unecht. Und gerade da brodelten Zeldas Erinnerungen auf. „Na? Immer noch keine Idee, wen du vor dir hast? Aber keine Sorge, ich helfe deinem Gedächtnis gerne auf die Sprünge.“ Etwas Kaltes packte die Thronerbin Hyrules an ihren Füßen und zerrte sie hinterher. Zelda stiegen die Tränen in die Augen, sie begann zu schreien und krallte sich mit ihren Fingernägeln hinein in den kalten Erdboden. Warum ausgerechnet jetzt? Warum musste sie gerade jetzt ihr Fragment verlieren? Sie begann zu schimpfen und befahl der Kreatur sie loszulassen. Erstaunlicherweise wurde ihrem Appell entsprochen. Verwundert blieb Zelda einfach auf dem Boden hocken, atmete hastig und drückte die Wurfsterne in ihren Händen verbergend hinter den Rücken. Es wurde hell in dem Keller. Das Licht einer Fackel glomm und tanzte fast schmerzhaft näher an Zelda heran. Sie blinzelte und sah schließlich einen abgemagerten Mädchenkörper vor sich sitzen. Es war Ilona. Das Mädchen mit den unechten Augen. Jene, die Zelda in der ersten Woche in Schicksalshort beinahe durch einen Treppensturz getötet hätte… Link trat beunruhigt die Steintreppen in die Krypta hinab. Irgendetwas stimmte nicht, das fühlte er und es fühlte sich mehr als beängstigend an. Ob Zelda es geschafft hatte, diese Teufelskirche zu verlassen? Ob sie in Sicherheit weilte? Er zweifelte langsam daran. Sicherlich vertraute er auf ihre Stärke, aber ein leises Flüstern in seinem Herzen machte ihn nervös. Es flüsterte Worte der Furcht, des Wahnsinns. Für einen Augenblick dachte er daran umzukehren, jedoch würde er erneut Zeldas eigene Stärke schmälern, wenn er sie schon wieder beschützte. Bei Farore, sie konnte kämpfen. Ja, sie konnte wie eine Wahnsinnige kämpfen, wenn man sie reizte. Eine weitere Eigenschaft an ihr, die Link bewunderte, die er verehrte… Er schüttelte den Kopf und plötzlich verglomm das wenige Licht seiner Öllampe endgültig. Was tun? Seine schillernden Augen blickten ratsuchend auf das Fragment des Mutes, welches sich schwach leuchtend in der Dunkelheit preisgab. Konnte er diese Macht nicht einfach zum Leuchtend bringen? Schriften erzählten davon, dass Fragment wäre ein Licht in der Dunkelheit. Ja, er hatte sich von Zelda einst alles erzählen lassen, was mit dem Fragment zusammenhing. Und seit vorhin, als sich Links Gestalt in die einer Bestie verwandelte, war ihm klar, dass er das Fragment mit seinen eigenen Gefühlen und Empfindungen aktivieren konnte. Aber wenn er jetzt jeglichen Hass gegen Ganondorf erinnerte, würde er sich womöglich nur in eine Wolfskreatur verwandeln. Und die Dunkelheit in diesem Keller wäre unangetastet… Dennoch hielt Link an dem Gedanken fest. Er schloss langsam die Augen und versuchte sich an etwas sehr schönes zu erinnern. Vielleicht half ihm seine Liebe zu Zelda die Dunkelheit in der Krypta zu vernichten. Er erinnerte langsam, erinnerte mit Sehnsucht und hörte Zelda leise lachen... Seine Liebe führte ihn zu einem Augenblick in den gigantischen Gärten des Lebens, dort wo Din, Nayru und Farore lebten. Sonnenstrahlen schienen besinnlich durch großes, dickes Geäst tropischer, riesiger Bäume. Große bunte Schmetterlinge flatterten hier wie Feen umher. Und ein kleiner Bach floss vor links Nase abwärts. Link folgte dem Fluss barfuß durch weiche Gräser und Farne und hörte erneut Zeldas liebliches Lachen. Als er sie damals fand, trug sie ein weißes kurzes Kleid und hatte einen selbstgeflochtenen Kranz mit goldenen Blumen in den Haaren. Sie war glücklich gewesen in den wenigen Wochen, die sie im Haus der Götter verbracht hatten. Und das war alles, was er sich jemals gewünscht hatte. Es war zu jenem Zeitpunkt, da das prickelnde Gefühl auf seiner linken Hand beinah unerträglich wurde. Ursächlich war das gemeinsame Glück, Zeldas besinnlichen Worte über Vergangenheit und Schicksal und zu guter letzt ihre seelische Nähe… Link konzentrierte sich wie verbissen auf den Gedanken und als er seine Augen öffnete, strahlte das Fragment des Mutes so intensiv, dass die gesamte Krypta in purem Gold erstrahlte. Das Licht hielt an und entfachte die wenigen Fackeln an den Wänden, verlieh dem Ort Wärme durch gute Magie. Link grinste daraufhin, beeindruckt von sich selbst und der Tatsache, dass es wirklich funktioniert hatte. Der Gedanke an Zelda ließ sein Fragment aufleben… Wenn es so einfach war, warum hatte Link dies nicht schon früher bemerkt? Gemächlich blickte er sich in dem Gewölbe um, entdeckte den Seelenfänger, der Zelda einst gefangen hatte, noch immer an der gleichen Stelle. Aber er war erneuert worden. Er war wieder ganz… Wozu mag Ganondorf dieses scheußliche Etwas benötigen oder bereits schon verwendet haben? Nur kurz legte der Heroe seine linke Hand auf die glatte Oberfläche des Seelenfängers und wünschte sich im selben Augenblick er hätte es unterlassen. Für einen Moment hörte er widerliche Schreie, Klagelaute geboren aus tiefen Verletzungen der Seele. Link taumelte zurück und hielt sich für wenige Sekunden die Ohren zu. Sicherlich, er hörte diese vergifteten Schreie bloß in seinen Gedanken, aber sie fühlten sich so echt an. Noch im selben Moment knackte er mit seiner linken Faust und stieß jene mit geballter magischer Kraft hinein in den seelenfressenden Glasbehälter. Er zersprang und hinterließ nicht einmal Scherben. „Du?“ Zelda war geschockt, nicht über die Tatsache, dass es Ilona war, die hier als eine Bedienstete Ganondorfs falsche Spielchen spielte. Vielmehr war es Ilonas Gestalt, ihr Aussehen, was sie erschreckte. Ilona war extrem mager geworden, noch magerer als während der Schulzeit. Hässliche giftgrüne Schnittwunden zierten ihre blassen Wangen. Und ihr rechtes Auge und ein Teil von Stirn und Nase waren von einer schwarzen Maske bedeckt. Sie trug eine schwarzgebrannte Rüstung und unter dem schlitzenden Stahl noch nicht einmal ein Hemd oder eine Schürze. Ein knapper Rock lag um ihrer Hüfte und sie war barfuß. „Ilona?“ Mitleid regte sich in Zeldas Innerem, ähnlich wie damals, als Link Ganondorf in der alternativen Zeit getötet hatte. „Was ist mir dir passiert?“ Ilonas Augen stellten sich quer. Jede Pupille blickte in eine andere Richtung. Erst jetzt fiel Zelda auf, dass das wasserstoffblonde Mädchen eine Armbrust auf ihrem Rücken geschnallt trug und ein Stilett befand sich in ihrer rechten Hand. „Ich habe meinen Meister gefunden“, sagte sie wahnhaft und grinste so bitter, dass ihre gelben Zähne aus dem Mund blitzten. „Deinen Meister?“, murmelte die Prinzessin ungläubig. „Meinen Meister Ganondorf.“ Zelda krabbelte einige Meter rückwärts, achtete aber darauf, dass die Wurfsterne noch immer von Ilona unbemerkt blieben. „Das kann nicht dein ernst sein! Warum?“ „Du fragst mich warum? Ausgerechnet die Prinzessin Hyrules mit ihrer bergeversetzenden Weisheit fragt mich warum?“ Wütend richtete die verunstaltete Ilona sich auf und ließ einen rauchigen Energieball um Zelda herum tanzen. Es war wie als machte sie die Nebel der Welt zu ihrem Spielzeug. „Du enttäuschst mich, Hoheit. Ganondorf hat soviel von deiner wunderbaren Klugheit und deiner Besserwisserei erzählt und nun fragst du mich warum?“ Sie sprach eklig hoch, sodass es ihrem Gegenüber in den Ohren rauschte. Zelda senkte das Haupt und blickte trübsinnig zu Boden. Sicherlich, sie hatte Ilona aufgrund ihrer Falschheit immer verabscheut, aber deswegen hatte jenes Mädchen nicht das Schicksal als Freudenmädchen Ganondorfs verdient. Und Zelda konnte sich gut vorstellen, welchen Zweck sie in Ganons Scharr von Dämonen hatte. „Ich bin seine Königin, little Princess. Der Platz bei ihm ist das Beste, was mir passieren konnte.“ Zelda nahm die Wurfsterne nun in lediglich eine Hand, sodass sie ihre Rechte frei hatte. Ein Anflug von Wut festigte sich in ihren blauen Augen und klagte Ilona für ihre Fehler an. „Das ist es, was du willst?“ „Ja, das ist es. Ein Leben an Ganondorfs Seite ist königlich, reich an allen Schätzen, die man begehrt. Ein Leben erfüllt mit Achtung und Macht und Ehre.“ Zelda schüttelte den Kopf und versuchte angesichts dieser dummen Worte nicht ihre Ernsthaftigkeit zu verlieren. Mit entschlossenem Blick richtete sie sich auf, ging haltlos auf Ilona zu, die nicht wusste, wie ihr geschah. Die Bitterkeit in Zeldas Augen ließ Taten folgen. Sie hob ihre rechte Hand und gab Ilona eine so wuchtige Ohrfeige, dass sie aufschrie. „Du willst wissen, was meine Weisheit zu deinem billigen Gefasel sagt? Das war meine Antwort!“, zürnte Zelda. „Wenn ein Leben an Ganondorfs Seite alles ist, was du noch als Wunsch in dir trägst, bist du des Lebens auf der Welt nicht mehr würdig.“ Zelda trat wieder einige Schritte rückwärts, aber sprach ruhiger. „Komm‘ zur Besinnung, Ilona. Du hast es nicht verdient Ganondorfs Spielzeug zu sein.“ „Ich will es aber so!“ „Nein, das willst du nicht. Ich kann es in deinen Augen sehen…“, sprach Zelda sanft. „Du glaubst, es ist dein letzter Ausweg um zu überleben. Tief in deinem Herzen steht anderes geschrieben als der Wunsch Ganondorfs Dirne zu sein.“ „Was weißt du schon über meine Wünsche! Du hast sie mir ja alle kaputt gemacht! Du hast mir Link weggenommen.“ Jener Gedanke war ausreichend und plötzlich drang tief aus den Nebeln der Augen Ilonas eine Kälte, die Zelda nicht kommen sah. Ein wenig unsicherer als bisher trat die Prinzessin weiter zurück, sodass sie an der hinteren Wand ankam. „Ich hab‘ dir Link nicht weggenommen… es war seine Entscheidung, mit wem er zusammen sein will.“ Ilona drehte sich seitlich und begann krankhaft zu lachen. „Denkst du das wirklich, little Princess. Dass er dich liebt, ist doch bloß, weil er denkt Held und Prinzessin gehören nun mal zusammen. Ich hatte schon Verabredungen mit ihm, da warst du ja noch nicht mal in Schicksalshort.“ Zelda legte zur Verwunderung Ilonas eine Hand auf ihr Herz und lächelte. „Das mag sein… aber das ändert nichts an seinen Gefühlen. Mag sein, dass dieses Traumpärchen Link und Zelda irgendwie seinen Reiz verloren hat. Mag sein, dass viele Menschen denken, wir würden nicht zusammenpassen, aus welchen Gründen auch immer. Aber unser Band…“ Erhaben hob sie das Haupt und wurde in ihren Worten immer stärker, vielleicht auch zärtlicher. „… dieses eine Band… es kann nicht zerschnitten werden und die Gefühle zwischen uns gehen über Liebe weit hinaus… egal, wer wir sind, egal, in welchem Hyrule wir existieren, egal, ob sich unsere Wege kreuzen oder nicht…“ Ilona fauchte undeutliche Worte, begann an ihrem kurzen blonden Haar zu ziehen und zog das Stilett von ihrem Gürtel. „Tu‘ das nicht, Ilona“, sprach Zelda leise. „Ich will und kann nicht gegen dich kämpfen.“ Sie versteckte die Wurfsterne in der Innenseite ihres Gürtels, auch wenn sie sich ein wenig in die Haut schlitzten. Mehr als diese Waffen blieben ihr nicht. „Du brauchst auch nicht gegen mich kämpfen“, erwiderte sie wahnsinnig. „Du brauchst dich bloß von mir aufspießen zu lassen.“ Mit diesem letzten Satz brach Ilona die Stille und stürzte sich in Begleitung ihrer schwarzen Magie auf Zelda… Link beobachtete nachdenklich die vielen Scherben des Seelenfängers, die sich sogleich in glitzernden Funken auflösten. Nichts zeugte mehr von seiner Existenz und doch, so ahnte Link, hatte Ganondorf jenen Behälter noch vor wenigen Stunden benutzt. Sachte kniete der Heroe nieder und strich über den kalten Steinboden. Einige blonde Haare lagen zerknüllt dort, aber es waren nicht die Haare von Zelda. Sie waren kürzer und strohig… Während Link niederkniete, sprang ihm in der Krypta aber noch eine Kleinigkeit ins Auge. Aus einem weniger auffälligen Abflussloch stieg ein grünlicher Rauch empor und an einem darüber gestülpten Gitter hing eine schwarze Substanz, die nach Säure roch. Vorsichtig zerrieb der junge Heroe die Masse zwischen seinen Fingerspitzen und erkannte, es war nichts Geringeres als Ganondorfs böses Blut. Aber Link konnte sich nicht vorstellen, dass der Fürst des Schreckens durch dieses weniger große Abflussloch kriechen würde. Schon der Heroe passte mit seiner Gestalt geradeso in den Schacht. Link blickte noch einmal um sich und entfernte langsam das Eisengitter von dem Weg hinein in die Kanalisation. Noch einmal sah er um sich und kletterte dann vorsichtig hinein in den Schacht. Es war glitschig und schleimig in jenem Rohr und doch krabbelte der junge Held langsam weiter, bis die Öffnung breiter wurde und er wieder stehen konnte. Noch immer muffelte es nach Säure, stank nach Ganondorfs verdorbenem Blut. Auch die Schreie von vorhin, die in der alten Kirche deutlich hörbar waren, kehrten zurück an Links Ohren, erfüllten ihn mit leiser ungesagter Furcht und warnten vor dem Weg, der nun noch zu beschreiten war. Stimmen wie jene von weinenden Kindern. Dämonisch und abartig. Link kniff die Augen zusammen und versuchte jene Klagelaute zu überhören. Jene Stimmen schlitzten in den Ohren und machten mürbe. Langsam tapste Link vorwärts, trat unabsichtlich in große Pfützen und nutzte sein leuchtendes Fragment des Mutes als Lampe in der Nacht. Ihm fiel eine Blutspur auf, die sich wie schwimmendes Fett auf dem dreckigen Wasser hier unten abhob. Er entschloss sich jener Spur zu folgen, ahnte aber, dass es nicht Ganondorf sein würde, den er damit finden sollte. Nach vielen Minuten erreichte Link eine verschlossene, rostige Tür. Und die Stimmen, die wie jene von Kindern klangen, wurden lauter. Bedacht legte er ein Ohr an das kalte Eisen der Tür und lauschte. Die Stimmen redeten unsinnige Worte, keine Sprache, die auf der Erde nur einen Sinn hätte. Geraune mit Mordlust. Getuschel um bösartige Pläne zu schmieden. Paranoides Gezischel. Und umso deutlicher die Stimmen klangen, desto mehr wusste Link, dass jene Kinder nichts Menschliches an sich hatten, vermutlich aus dämonischem Brei zusammengerührt wurden. Link zögerte noch einen Moment und legte dann seine Rechte auf den Türgriff. Die Tür quietschte, als er sie langsam nach innen schob. Die Stimmen waren nun deutlicher als jemals zuvor, gifteten und begannen zu brüllen. Das Licht des Fragmentes verlor sich wärmend in dem Innenraum, verlieh der Finsternis ein Gesicht und offenbarte die Grausamkeit, die Links Blut zum Kochen brachte. Ein wenig fassungslos trat Link in den verborgenen Raum hinein und zückte sein Schwert. Überall hingen kokonähnliche, große Beutel von der Decke wie Fledermäuse. Sie waren durchsichtig, sodass der Heroe einen Blick in das Innere dieser Fruchtblasen schauen konnte. Kleine, grünhäutige Wesen mit feuerrotem Haar befanden sich schlafend darin. Einige blickten ihn von den Kokons aus mit rotglühenden Augen an und schrieen mit entsetzlichen Stimmen. Einige aßen mit winzigen Pfoten von einer Art Mutterkuchen. Link wusste nicht, was diese ungeborenen Kinder darstellten, aber ihre Ähnlichkeit mit dem Fürsten des Schreckens war nicht zu übersehen. Sie hatten seine giftgrüne Haut, seine roten Haare, und seinen bösen Blick aus machttrunkenen Augen. Einige gifteten wieder, schrieen undefinierbare Laute in die Nacht. Was zum Teufel züchtete Ganondorf hier, fragte sich Link und hatte Mühe sich angesichts der vielen dämonischen Mädchen und Jungen nicht zu übergeben. Angewidert durchquerte Link einige der Kokons und entdeckte in der Mitte des Raumes einige jener Wesen, die bereits geschlüpft waren. Sie krochen wie Würmer über den Boden und als sie den Heroen entdeckten, klammerten sie sich nach Zuneigung sehnend an seine Stiefel. Link schüttelte sie ab, stieß jene mit dem Schwert zurück, aber sie blieben unbeeindruckt, öffneten ihre Münder aus denen spitze, raubtierähnliche Zähne hinaus blitzten und stießen schiefe, hohe Laute aus. Das war so krank, dachte Link. Wollte Ganondorf hier eine Armee seinesgleichen züchten? Mitleidig sank der Heroe auf seine Knie und wieder krochen die Geschöpfe in seine Nähe, klammerten sich mit krallenartigen Händen an seine braunen Lederstiefel, zupften, rochen mit winzigen Nasen den Geruch des Guten an ihm. Sie schrieen wieder, aber diesmal klang ihr Wimmern fast menschlich… Wie hatte der Fürst des Schreckens diese Kinder erzeugen können? Etwa mit dem Seelenfänger? Nein, dachte Link… Irgendetwas hatte Ganondorf gut verheimlicht, seitdem er die Herrschaft über die Erde an sich gerissen hatte. Irgendetwas hatte ihm geholfen diese Wesen in die Welt zu setzen. Irgendjemand… Unsicher begann der Held dem einen Kind, welches klammernd an seinen Füßen hing, über den roten Schopf zu streicheln. Mit riesigen Augen schaute es ihn an, war jener Zuneigung nicht abgeneigt. Und Link fühlte sich scheußlich, immer mehr. Er hatte einen grausamen, fordernden Kampf durchzustehen und nun musste er mit ansehen wie Ganondorf Hunderte kleine Wesen in die Welt setzte, die geradezu nach Zuneigung bettelten. Es waren doch nur Babys, genauso wie Klein-Link irgendwann vielleicht sein eigenes wäre. Trübsinnig erinnerte der Held das Bild der kleinen Lia, die auf dem Schreibtisch in dem Turm stand. Dort auf dem Meer, in einer ungewissen Zukunft, die Link mit Zelda teilen könnte. Ganons Kinder waren unschuldig, so unschuldig wie jene Lia, die den Namen tragen könnte, den Link ihr geben würde. Zweifel überkamen den Heroen. Auch wenn diese Wesen nur Babys waren, sie trugen den Keim des Bösen in sich. Noch waren es harmlose Geschöpfe, aber in wenigen Tagen, Wochen oder Jahren würden sie so sein wie ihr Erzeuger… Eine Armee von Ganondorfs Kindern wäre das letzte, was Link für den Frieden auf der Erdenwelt zulassen konnte… „Euer Vater ist ein kranker Mann…“, sagte Link leise. „Verzeiht mir…“, murmelte er und kniff die Augen zusammen. „Ich habe keine Wahl…“, bekräftigte er sich und trat langsam auf seine Beine. Das Masterschwert in seiner Hand wanderte wie in einem Traum um Sieg und Errungenschaft umher und irgendwo im Hintergrund hörte Link die vielen sterbenden Stimmen ihr letztes Lied singen, fühlte das junge Blut der vielen Geschöpfe an seinen schuldigen Händen und schmeckte den Zorn seines eigenen Verstandes… Mit schweren Schritten trat der junge Held zurück in die Krypta der Kirche ein. In seinen tiefblauen Augen lag nun eine neue Schuld, die seine Seele belastete. ,Mörder‘, erklang es kalt in seinen Gedanken. ,Nur ein Mörder‘. Manchmal fragte er sich tatsächlich, ob der alt her bekannte Unterschied zwischen Gut und Böse nur eine billige Ausrede darstellte, um das gegenseitige Töten zu rechtfertigen. Bedachte man das Töten, hatte Ganondorf vielleicht sogar recht. Gutes und Böses tötete sich gegenseitig. Wo war die Rechtfertigung sich gut oder böse zu nennen… Mit hängenden Schultern stapfte Link die Steinstufen in die Kirche hinauf, fühlte sich dreckig und wünschte sich gerade nichts sehnlicher als einen Kuss von Zelda, der ihm seine Zweifel wieder nehmen würde. Hoffentlich war sie in Sicherheit… Als Link erneut in die alte Kirche eintrat, war jedoch nichts mehr wie zuvor. Er hatte gerade die letzte Stufe hinauf genommen, als der gesamte Innenraum zu vibrieren begann. Im letzten Moment klammerte sich der junge Held an eine Säule und beobachtete beunruhigt, wie alle möglichen Gegenstände mit Poltergeräuschen herunterfielen. Die Holzbänke rasten umher. Der Steinaltar löste sich aus seinen Verankerungen und bewegte sich in Richtung der großen Eingangspforte. Der Beichtstuhl raste in die Mitte des Saals. Und plötzlich spürte Link einen großen Druck, der von den kalten Bodenplatten in der alten Kirche ausging. Seine Ohren wurden erfüllt von einem lauten, rupfenden Geräusch, als ob man einen Berg versuchte zu teilen. Vorsichtig bewegte sich der Heroe an eine Seitenwand und erhaschte einen zögerlichen Blick nach draußen, dorthin, wo der glühendrote Himmel leuchtete. Link stieß einen Seufzer aus, als er sah, dass sich die Kirche von dem Boden erhoben hatte und allmählich in die Lüfte stieg. Die Parkanlage um jenes alte Gebäude wurde kleiner, ebenso die dampfenden Teerstraßen. Es dauerte nur Sekundenbruchteile und die Welt sah von hier oben erschreckend klein aus. ,Ganondorf und seine dummen Spielchen‘, dachte Link genervt, wand sich wieder dem verschobenen Innenraum der Kirche zu, zückte erneut das weißleuchtende Masterschwert und trat mit geschärften Sinnen umher. Er stand gerade mit dem Rücken zu jenem Folterstuhl, wo vor wenigen Minuten Zelda ihr Fragment verloren hatte, als im Hintergrund eine verstimmte Orgel ein vertrautes Lied zu spielen begann. Erneut saß der Fürst des Schreckens vor dem Instrument des Todes und lobpreiste seine eigene Symphonie. Link nahm einige beruhigende Atemzüge, wirbelte mit dem Schwert in der Hand umher und erblickte auf einem Podium im zweiten Stockwerk den Teufel aus seinen Erinnerungen auf der Orgel herum werken. Wie in Trance wanderten Ganondorfs verdreckte Hände über die schweren Tasten der Orgel. Die Melodie Ganondorfs klang mächtig und übertrumpfend, vielleicht auch überschätzend, so wie er sich selbst fühlte. Vielleicht hatte der Held ihn vor wenigen Minuten geschwächt. Ganondorf aber erholte sich sehr schnell mit dem Fragment der Kraft in seiner Hand und schöpfte Befriedigung aus dem Wissen, dem Fragment der Weisheit, welches er zwar nicht beherrschen konnte, welches aber nun ebenso seinen rechten Handrücken zierte, mächtig zu sein. Er lachte, während die schaurigen Töne den gesamten Innenraum erfüllten. „Ganondorf!“, rief Link tosend und streckte sein Schwert in die Höhe. Er würde diesem Schwein gleich sein dummes Gelächter aus dem Gesicht prügeln und seinem verfluchten Dasein ein Ende machen. Erneut heulte Links eigene Bestie in seinen Gedanken, bereit seinen Erzfeind niederzustrecken. Die Uhr schlug zur vollen zwölften Stunde, als der Fürst Ganondorf die letzten Töne seiner Orgel ausklingen ließ. Mit einem hochnäsigen Grinsen wand sich der Dämon in Richtung seines Widersachers und kam nicht umher, den Helden von dem Podest aus als mickrig ansehen zu müssen. Er lachte wieder und streckte dem Heroen seine rechte Faust entgegen, ließ ihn teilhaben an seinem Triumph. Entsetzt bestaunte Link das Fragment der Weisheit auf Ganondorfs Handrücken. Wie hatte er es geschafft sich diesem zu bemächtigen? „Wer wird denn gleich bleich wie ein Käsekuchen werden?“, lachte er, breitete die Arme aus und schwebte von oben hinunter. Erhaben schritt er auf Link zu, lachte und zeigte nicht einen Funken Furcht vor seinem Erzfeind. „Selbst wenn Zeldas Fragment nun auf deinem Handrücken ruht, du kannst es nicht beherrschen“, sagte Link tapfer, bemüht seinen eigenen Worten zu glauben. „Wer sagt das?“, murrte Ganondorf und leckte sich über seine spröden Lippen. Bis auf den zerfetzten Umhang und das fehlende Stück Stoff im Nacken zeugte an Ganondorf kein Funken Schwäche von Links Attacke, was den Heroen beunruhigte. „Das Fragment. Es flüstert nur zu seinem wahren Meister. Und der bist du nicht“, antwortete Link vorsichtig und schluckte seine Nervosität mit seiner Spucke den Hals hinunter. Wenn Ganondorf das Fragment kontrollieren und sogar befehligen konnte, und jenes Fragment mit demjenigen der Kraft zusammenarbeitete, standen die Chancen für ihn wahrlich schlecht. Zumal Link sein eigenes Fragment noch immer nicht ausführlich benutzen konnte. Ganondorf schwieg dazu und blickte mit seinen teuflischen Augen auf das Fragment der Weisheit in seiner Hand. Gewiss, es verbarg sich ein wenig, leuchtete nicht. Und dennoch hatte er es vor wenigen Minuten mit Gewalt in sich aufnehmen können. Fast zärtlich zog der Dämon sein breites, dunkles Stahlschwert aus der Schwertscheide, ließ es summen und reckte es dem grünbemützten Helden entgegen. „Lass‘ uns kämpfen, Wiedergeburt…“, zischte Ganondorf und schwang sein Schwert einmal horizontal. Doch in dem Moment zuckte Ganondorf zurück und bemerkte den Geruch nach Verwesung an der Klinge des Masterschwertes. Ganondorfs eigenes Blut hing daran. Sein Schwert sank in dessen Schutzhülle zurück. „Überrascht, Ganondorf? Die Bestien, die du in die Welt gesetzt hast, sind Geschichte. Es scheint, als hätten wir beide etwas, was wir zurückhaben wollen.“ „Du hast sie getötet?“, fauchte Links Gegenüber. Doch der Held zeigte ihm nur ein überlegenes Grinsen, hatte sowieso keine andere Wahl als ein Nest von unreinen Biestern, die allesamt Kinder des Schreckensfürsten waren, zu vernichten. Und für Ganondorfs Trauer hatte Link ohnehin keinen Sinn mehr. Link schwang das Schwert einmal so schnell, dass jenes geronnenes Blut der Dämonenkinder an Ganondorfs Gesicht spritzte. „Das wirst du büßen, kleine Made!“ Anstatt der Trauer zeigte sich maßlose Wut in Ganondorfs Gesicht. Er wischte sich das Blut langsam von seinem Gesicht und schmeckte es. „Nun tu‘ nicht so, als ob es dich in deinem erfrorenen Herzen trifft, dass ich deine Abkömmlinge aus dem Weg geräumt habe. Du bist nicht zu Liebe fähig, Ganondorf. Weshalb sollte der Verlust deiner Kinder dir irgendetwas bedeuten?“ Ein Sturm von wuchtigen Energiebällen platzte aus dem Körper des Dämons. Er kreischte mit seiner kellertiefen Stimme: „Weil sie Teil meines Plans waren!“ Einige der Geschosse steuerten mit hoher Geschwindigkeit auf den Helden zu. Geschickt rollte sich dieser über den Boden um einigen Kugeln zu entgehen. Wenige Geschosse prallten in die Steinmauern. Einige in den Boden und andere rasten noch immer auf den grünbemützten Helden zu. Rasch zog Link das absorbierende Schild der Götter vor sich und die Kugel wurde von dem Schild verschluckt. Für die Kürze eines Augenblicks fragte er sich, wo die Geschosse wohl hin verschwanden, aber da prallten die nächsten Energiebälle in dem Raum umher. Es waren so viele, dass Link sie nicht alle im Auge behalten konnte, geschweige denn seinen Widersacher. Ob Link jetzt schon die geheime Schwertkunst von Orson einsetzen sollte, dem geisterhaften Ritter? Nein, entschied er. Dafür blieb einfach keine Zeit… Aufgeregt hetzte Link im Innenraum der Kirche hin und her, spürte seinen heftigen Puls in der Kehle und blickte immer wieder zu dem Fürsten des Schreckens, der kollernd lachte. Immer wieder entkam seinen Handinnenflächen eine Kugel. Ob Eis, Feuer oder pure Energie… er spielte mit allem und schickte dem Helden alle bösartigen Geschosse entgegen, die er besaß. „Tanz! Tanz! Tanz zu meiner Magie!“, rief der Dämon und lachte. Mit jedem einzelnen Ton aus seinem verdorbenen Mund, schickte er eine Kugel in den Kircheninnenraum. Link hüpfte über Bankreihen, wehrte einige der Geschosse mit seinem Schwert ab, ließ andere von dem Schild absorbieren, aber es wurden einfach nicht weniger. In dem Augenblick raste eine der mörderischen Kugeln so nah an ihm vorbei, dass sie einige blonde Haarsträhnen verkohlte. Nach Atem ringend rief der Heroe: „Jetzt reicht’s!“ Und mit einem Anflug von törichtem Mut rannte der Held direkt auf Ganondorf zu, der erstaunt zurückwich. Er stoppte seine Attacken und teleportierte sich direkt zu dem Altar, schnaubte und starrte dem Heroen einmal mehr missachtend in seine tiefblauen Augen. Ein Moment der Ruhe trat ein. Links heftige Atmung war das einzige Geräusch neben dem rauschenden Wind außerhalb, welches die Ruhe trübte. Kurz stürzte er sich auf seine Knie, ließ aber seinen Feind nicht aus den Augen. „Wer hat dir eigentlich geholfen, diese Bestie ins Leben zu holen?“, sagte Link eindringlich. „Das würdest du wohl allzu gerne wissen, was?“ Mit großen, stolzen Schritten trat Ganondorf wieder einige Meter näher. Er zupfte sich an seinem roten Bart und ließ seinen Kopf in den Nacken sinken. Amüsiert stützte sich der Fürst des Schreckens dann auf sein Stahlschwert. „Wenn du es wissen willst, schau‘ doch mal, wer gleich durch die Holztür neben mir treten wird, armseliges Abbild eines Helden!“ Und als ob Ganondorf die Ereignisse tatsächlich steuern konnte, öffnete sich vorsichtig mit einem Knarren die alte Holztür, die in jenen Keller führte, der eigentlich als Fluchtweg für Zelda dienen sollte. Allen voran trat schwerfällig eine vertraute Gestalt, die Link mit Angst in den Augen musterte und gleichzeitig ein nicht hörbares ,Verzeih‘ mir‘ über die Lippen gleiten ließ. Geschockt starrte Link sie an, erkannte einige Kratzer und Kampfspuren an ihren Armen und wanderte dann mit seinen tiefblauen Augen hinab zu ihren mit Seilen verbundenen Händen. „Bei den Göttern, Zelda…“, sprach er. Er sah die Sorge in ihren Augen und gleichzeitig die vielen Entschuldigungen für ihre Schwäche, obgleich Link nie einen Gedanken aufkommen ließ, der Zelda in irgendeiner Weise mit Schwäche verband. Er verehrte sie für das, was sie war, nicht dafür, ob sie in allen Situationen kämpfen konnte. „Verzeih mir, Link…“, wiederholte sie wehleidig. „Ich wollte wirklich fliehen, aber…“ In dem Augenblick legte sich von hinten eine bleiche Hand auf Zeldas Mund. Und aus den Schatten kam eine weitere Figur gekrochen, kroch schleimig und unterwürfig. Wie ein Sklave senkte jene Gestalt ihr Haupt, sodass Link sie zuerst nicht erkannte. Die freie Hand der Person war hinter Zeldas Rücken. Vermutlich hielt sie einen scharfen Dolch in ihr Rückgrat gepresst. „Sieh‘ einer an, meine kleine Hexe hat uns sogar etwas mitgebracht“, griente Ganondorf. „Wo wolltest du denn hin, Prinzessin? Uns einfach so verlassen?“ Zelda warf mit einem Blick dem Fürsten Ganondorf alles an Hass entgegen, was sie jemals gefühlt hatte. Es beeindruckte ihn sogar. Dieser Ausdruck von Erhabenheit und Stolz, selbst nach allem, was er ihr angetan hatte. Dieses Rebellische an der Prinzessin des Schicksals war anziehend, selbst für ihn, einen Dämon, der eigentlich Frauen bevorzugte, die weniger rein und heilig waren als Zelda. Erstaunlich war ihr Mut, selbst nach all‘ der Zeit, in der er jene Prinzessin und ihre Vorfahren schon kannte. „Beachtlich, dass du noch am Leben bist, kleine Hoheit“, schnalzte er und trat erneut wenige Schritte näher. Ganondorf gab seiner Sklavin ein Zeichen, worauf jene ihre eisige Hand wieder von Zeldas Mund entfernte. „Beachtlich, dass du noch durchgehalten hast, Ganondorf!“, rief Zelda und begann ihrem Heroen mit Blicken Zeichen zu geben. Link jedoch war noch immer zu entsetzt darüber, was hier passierte. Er wollte diesen verdammten Kampf endlich hinter sich bringen. Und nun war Zelda schon wieder hier und zu allem Übel ein weiterer Vasall des Schreckensfürsten. Wie sollte er sich, verdammt nochmal, auf den Kampf gegen den Herrscher über alles Böse konzentrieren, wenn er ständig an Zeldas Wohlbefinden denken musste? Er wurde unruhig und schenkte seiner Prinzessin einen eher mutlosen Ausdruck. Sie hieß jenen nicht willkommen, das wusste er. Und als er sie ansah, blickte sie zu Boden, schämte sich sogar ein wenig für ihre Unfähigkeit nur einmal das zu tun, was Link von ihr verlangte. „Meister“, sprach dann endlich der Vasall Ganondorfs. Und jene Mädchenstimme klang wohlvertraut in Links Ohren, wenn auch sehr weinerlich. Ja, dachte der Heroe. Er kannte diese Stimme. Link wurde nachdenklich und blickte eindringlich in Richtung des Dieners Ganondorfs. Er suchte nach Merkmalen an der rappeldürren Gestalt, die sie verraten würden. „Die Kinder sind tot… ich habe gespürt, dass sie verendet sind…“, sagte die Mädchenstimme noch weinerlicher als vorher. „Das kann nicht sein… du bist…“, mischte sich Link ein und trat näher an die Gestalt heran, die noch immer das Haupt gesenkt hatte. Allmählich begann er zu begreifen… Ein Geistesblitz zischte durch seine Gehirnwindungen. Dieses Mädchen… das war… Schockiert blickte Link sie an. Und endlich hob sie ihr Haupt. Ein unheimliches Glühen entkam den hellen, trüben Augen, die jenes Mädchen doch besaß. Das erste, was Link anstarrte, war die Maske, die einen Teil ihres Gesichts umhüllte. Dann blieben seine tiefblauen Augen an ihren eisigen, unbeteiligten haften. „Ilona…“, sprach er leise und eher ungewollt. Aber seine Stimme war warm, so warm und verträumt, wie sie es früher gerne einmal von ihm gehört hätte. „Überraschung, Link“, sprach sie eisern und hängte den Kopf schief. „Warum bist du hier?“, sagte er leise. Wie schändlich das Herz von Ilona mit Hass und Neid zerfressen sein musste, dass sie soweit ging in Ganondorfs Armee einzutreten und ihm sogar dabei zu helfen, Dämonenkinder in die Welt zu setzen. Erstmals seit langem fühlte Link Mitleid für sie. Er dachte kurz an frühere Zeiten. Als Ilona ihn ständig angehimmelt, mit Komplimenten überschüttet und sogar penetrant verfolgt hatte. Ja, er gab zu, dass er sie in vielen Situationen nicht fair behandelt hatte. Er fühlte sich sogar ein wenig schuldig an dem, was nun aus ihr geworden war. „Du fragst mich warum? Du stellst mir die gleiche dumme Frage, wie deine blöde Prinzessinnenschlampe, der ich gerade genüsslich einen Dolch in den Rücken rammen könnte!“ Link schnaubte und fühlte die Wut des Wolfes in sich keimen. Noch eine Beleidigung an Zelda und er würde den Verstand verlieren. „Beantworte dir deine dämliche Frage selbst. Du hast mich schließlich soweit gebracht!“ Sie stieß Zelda von sich weg, sodass jene unsanft auf dem kalten Steinboden aufschlug. „Zelda!“, kreischte er. Sie rappelte sich auf und hockte nun auf dem Steinboden. „Ich bin okay, Link…“ Sachte krabbelte sie rückwärts in Links Richtung. Er trat näher und half ihr Aufstehen. Mit einem besorgten Lächeln löste er ihre Hände aus den Seilen. Schützend zog er sie hinter sich und nutzte den Schild der Götter um sich und seine Prinzessin vor einem sicheren Angriff zu bewahren. Währenddessen tänzelte Ilona an ihren Meister heran und strich ihm über die rechte Wange. „Bevorzugst du den Namen Ilona überhaupt noch, meine Hexe?“, sprach dieser und packte sie an ihrem Genick. Es schien als hätte er die Schülerin der Oberstufe vollkommen unter seine Kontrolle gezogen. Und wenn er sie stückchenweise ausweiden würde, es wäre ein Genuss für sie… „Wer hat die jüngsten der Kinder ermordet, mein Herr?“ Die jüngsten der Kinder? Existierten etwa noch mehr Abkömmlinge Ganondorfs in dieser Teufelskirche, die inzwischen etliche Meter über dem Boden schwebte. „Das fragst du noch?“ Sein Griff wurde straffer und schmerzhaft. Ganondorfs Teufelsaugen wanderten verachtend zu den beiden Heldengestalten, die gerade unruhig im Hintergrund standen. „Der Gartenzwerg dort, den du einst angehimmelt hast, er hat die Brut einfach ausgelöscht…“, sagte er zischend und schickte den nächsten Kugelhagel auf Link und seine Prinzessin. Link riss Zelda ohne Vorwarnung zu Boden, sodass die Kugeln in der Steinwand untergingen. „Zelda?“, flüsterte er und packte sie an ihrer linken Hand. Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln, fühlte aber inzwischen den Verlust ihres Fragmentes marternd, ebenso der Blutverlust ließ sie ein wenig taumeln. „Hab‘ ich richtig gehört? Ilona und Ganondorf reden von den jüngsten Kindern?“ Sie nickte zögerlich, musste sich an Link festhalten, um nicht umzukippen und fühlte eine schwere Last ihrer Augenlider. Ein wenig verschwommen war ihr Gesichtsfeld. Bei Nayru, sie wollte diesen Kampf genauso hinter sich bringen wie Link und dann tagelang schlafen… „Ganondorf hat also mit Ilona Kinder in die Welt gesetzt?“, fragte sie leise und zitterte ein wenig. „Und möglicherweise noch mehr?“ „Ich will lieber nicht wissen, auf welche Weise sie davon Dutzende erschaffen konnten…“, erwiderte er leise und fühlte eine Schweißperle über seine Stirn wandern und beobachtete den Fürsten des Schreckens mit seiner missgestalteten Hure, die sich gerade mit ihren pelzigen Zungen abschleckten. „Du hast die jüngsten von ihnen getötet?“, fragte Zelda ihn leise. „Ich musste…“ Link blickte schwer zu Boden. Es machte ihm gewaltig zu schaffen, das Masterschwert für das Töten von kindlichen Geschöpfen nutzen zu müssen, das sah sie ihm deutlich an. Sie legte eine leicht kühle, zittrige Hand auf seine Wange, wollte ihn damit beruhigen, ihm seine neugewonnenen Zweifel ausreden. „Sie trugen Ganondorfs böses Blut in sich… es ist okay, Link…“ „Aber das Schlimme ist, dass Ganondorf irgendwo noch mehr von dieser Brut versteckt hat.“ Link biss sich auf die Lippe und schaute zu Ganondorf und Ilona, die ihm beide einen gespenstisch starken Blick schenkten. „Wir wäre es mit einem kleinen netten Abkommen?“, fragte Ilona gehässig und spannte einen Pfeil auf ihre schwarze Armbrust. „Ich kämpfe gegen dich, little Princess“, sprach sie belustigt. „Auch wenn ich nicht denke, dass du eine Chance haben wirst.“ Sie schwenkte ihre trüben, grünlichen Augen zu Link. „Und du, Mister Gartenzwerg, kämpfst gegen meinen Herrn.“ Zögerlich musterte Link Zeldas Augen und hatte Sorge, dass sie auf ihren schwachen Beinen mit dem Verlust des Fragmentes überhaupt nicht in der Lage war, Ilona die Stirn zu bieten. „Eine Regel soll es geben“, zischte Ilona. „Wir mischen uns nicht in die Kämpfe unserer Verbündeten ein. Und wenn einer verliert, verliert das ganze Team.“ „Traust du dir das zu, Zelda?“, sagte Link sanft und drückte ihre linke Hand in seiner rechten kurz. Sie nickte und versuchte einen wacheren, entschlosseneren Gesichtsausdruck aufzusetzen. Welche Wahl hatte sie denn? Sollte sie mit ansehen, wie ihr Held von Ilona und von seinem größten Feind Ganondorf fertig gemacht wurde? „Ich kann doch meine große Liebe nicht allein in ihr Unglück rennen lassen…“, sprach sie und versuchte zu lächeln. Wenn das Gute unterging, dachte sie still, dann nicht Link alleine, der für es kämpfe. Sie würde ihm folgen, wohin auch immer. Link grinste. Ja, wenn einer von ihnen beiden unterging, dann auch der andere. So sollte es sein. Weg waren seine Zweifel. Weg war jeder Hauch von Furcht. Mehr als kämpfen und durchhalten konnten sie beide nicht. Er reichte ihr dann den anderen der Dolche und seinen Bogen mit den Pfeilen, damit sie sich verteidigen konnte. „Gut“, sagte Link mit der Stimme eine Anführers. „Wir nehmen an.“ Daraufhin schallte Ganondorfs dreckiges Gelächter durch den Innenraum und er winkte Link mit einer auffordernden Handbewegung zu sich. „Link…“, sagte seine Prinzessin jedoch und hielt ihn krampfhaft an seiner Hand fest, bevor er seinen entscheidenden Kampf begann. Verwundert blickte er zu ihr und erhielt einen innigen Kuss von ihren Lippen. Es fühlte sich an wie ein erster und letzter. „Ich will nicht, dass dies der letzte ist, den ich dir schenken kann…“, sagte sie traurig, löste ihre Hand aus seiner und trat in Richtung Ilona, die inzwischen auf den Altar zu schwebte. Link setzte seine Beine langsam in Bewegung und schritt in einem opferwilligen Marsch in Richtung seines größten Alptraumes. Es war sein Schicksal, ja, und doch… wie viele Menschen würden ihr Schicksal so wie Link seines niemals akzeptieren? Noch während er lief, zog er sein leuchtendes Masterschwert aus der Schwertscheide und ließ den Zauber seiner Waffe wie eine Nebelwand in Richtung Ganondorf wandern. Zuerst lief Link in langsamen Schritten. Sein Blick, unberechenbar und zornig, haftete jener auf seinem Erzfeind. Doch in einem Wimpernschlag beschleunigte er seinen Schritt, ließ seinen Mut aufleben und raste ohne Zögern direkt auf seinen Erzfeind zu. Es geschah in Sekundenbruchteilen, dass sich die Schwerter erstmals mit voller Gewalt trafen. Die Kampfschreie von Link und Ganondorf schallten umher in Begleitung ihrer Klingen, die das Spektakel der Macht symbolisierten. Ein Schlag mit Gefahr und die Erwartungen der beiden Kämpfer an den Kampf wurden übertrumpft. Ein weiterer Schlag. Scharf trafen sich die Klingen, rieben verbissen aneinander, bis Link das Schwert herumriss. Der Heroe setzte wieder an und schickte seinem Kontrahenten die Kraft entgegen, an die jener so sehr glaubte. Link biss die Zähne zusammen und drückte mit allem, was er hatte, gegen Ganondorfs Waffe, entließ einen markerschütternden Schrei und stieß seinen Gegner zurück. „Mmpf…“, entließ der Dämon aus seiner Kehle rauschen. „Du bist wahrlich zu deinem alten Ich zurückgekehrt, Heldchen.“ „Was du nicht sagst!“, rief jener und stürzte sich mit dem nächsten Angriff auf seinen Gegner, den er in jedem Leben duellieren würde. Diesmal starteten sie beide Kombinationen von schlagkräftigen Antworten und entfachten den Kampf erst richtig. „Ich hab‘ keine Lust mehr mit dir zu quatschen!“, brüllte Link so heftig, dass Ilona und Zelda den Heroen vom Hintergrund aus erschrocken musterten. Und plötzlich schossen die beiden Kämpfergestalten in einem Lichtspektakel von Rot und Grün umher, waren nun so ungeheuer schnell in ihren Bewegungen und ihrem Kampfeswahn, dass man sie nicht mehr vollständig verfolgen konnte. Sie waren nun nur noch zwei Punkte, die sich abwechselnd bedrängten… Verfeindet auf ewig. Bereit zu sterben… Während sich Ganondorf und Link heftig duellierten, platzte auch in Ilona der Knoten. Sie knackte mit ihren Gelenken und murmelte mit ihrer hohen, verstellten Stimme. „Und jetzt, little Princess, geht auch unser Kampf los. Bereit entstellt zu werden?“ Ilona kicherte und kicherte. Dann zog sie grinsend ihre Armbrust und spannte den Pfeil direkt auf Zelda. Gefasst starrte die Prinzessin des Schicksals auf die Pfeilspitze, war es doch nicht der erste Pfeil, der sie treffen würde. Sie spürte plötzlich, wie abhängig sie doch von ihrem Fragment der Weisheit war. Ohne es zu kämpfen, bedeutete sterben… das fürchtete sie. Rat suchend schaute sie zu den anderen beiden Kämpfergestalten und beobachtete ihren Helden, der alles in seine Attacken legte, was er hatte. Ab und an brach ein silberner Magieschauer von dem Masterschwert, aber es war nur ein Nebeneffekt. Link nutzte seine Magie nicht, immer noch nicht… Ob er sie sich für den entscheidenden Moment aufhob? „Was ist, willst du nicht einmal versuchen vor dem Pfeil wegzulaufen?“, murrte Ilona und ärgerte sich gerade maßlos darüber, dass die Prinzessin des Schicksals nach wie vor keinerlei Angst vor ihr hatte! Dabei hatte Ilona als eine Vasallin Ganondorfs beeindruckende Fähigkeiten erwerben können. Mehr noch, sie waren ein Daseinsgrund, den sie vorher nie gespürt hatte. Zelda nahm einen tiefen Atemzug, ignorierte das Zittern ihrer Glieder und versuchte sich mit stetiger Geduld wachzuhalten. Sie wischte sich über ihre brennenden Augen und nahm Links Bogen in ihre Hand. Ilona grinste abartig. „Oh, Spielen willst du?“ Sie lachte wie besessen. Die Kräfte schlichen aus ihrem Körper, das spürte Zelda. Und sehr lange würde sie einen Kampf gegen Ilona nicht durchhalten können. Aber sie hatte eine Idee… Sie spannte ihren Pfeil, lauschte dem Zirpen der Sehne, fühlte, wie das Holz in ihren Händen sich spannte bis zum letzten Punkt. Trotz allem fühlte sie Magie, spürte ihre Schwingungen, ihre Existenz, die bis in tiefe Adern drang. Sie rief nach ihr, die leise Macht des Fragmentes der Weisheit raschelte nach wie vor in ihren Gedanken, auch wenn sie jene Macht nicht einsetzen konnte. Das Gefühl dafür ging nie verloren. Magie der Weisheit war Schicksal und ihr eigenes Heiligtum… Sie spürte die Anwesenheit des Fragmentes noch in ihrem Geist und gemischt mit der Magie ihres königlichen Blutes, würde sie dem Teufel in der Kirche eine bitterböse Überraschung bescheren. Sie musste sich bloß ein wenig darin fallen lassen, in jener Magie, musste lauschen und verstehen. ,Na warte, Ganondorf, du wirst leiden, so wie du mich leiden lassen hast…‘, sagte sie finster in ihren Gedanken. Gefahrprophetisch schloss und öffnete Zelda ihre saphirblauen Augen. Der Pfeil auf ihrem Bogen war gespannt. Und ihr Herz schlug im gleichen aufgeregten Rhythmus mit einem anderen. „Was jetzt, little Princess, willst du testen, welcher unserer beiden Pfeile zuerst auf sein Ziel trifft. Ich sag‘ dir, du hast die schlechteren Karten.“ Zelda lächelte schwermütig. „Glaubst du, die Angst vor dem Tod bestimmt nur irgendeine meiner Handlungen? Ich habe keine Angst vor deinem Pfeil, Ilona.“ Zeldas plötzliche Ansage, die doch mehr Stärke verriet als vermutet, erschreckte die Dienerin Ganondorfs ein wenig. In einem Ausbruch von Verwunderung tastete Ilona die Maske ab, die die Hälfte ihres Gesichtes verdeckte. „Wovor hast du denn Angst?“, fragte Ilona kindisch. Und es war der Augenblick gekommen, da sich Zeldas heimliche Vermutung bestätigte. Ihre Idee von vorhin keimte auf… und wandelte sich in einen reifen Plan. Noch immer hielt die junge Prinzessin den Pfeil fest gespannt und achtete auf Ilonas Bewegungen, die immer mehr einfroren. „Ich habe Angst davor, das wichtigste in meinem Leben zu verlieren“, sprach Zelda ruhebewahrend. „Hä?“ „Du hast richtig gehört, Ilona…“ Jene schnalzte mit ihrer Zunge und ließ die Armbrust ein Stückchen sinken. „Aber du hast doch das wichtigste in deinem Leben schon verloren“, rief Ilona, deutete auf Zeldas rechten Handrücken und verstand es immer noch nicht. Zelda wusste, sie konnte nicht verstehen, nicht in ihrem jetzigen Zustand. Irgendetwas hatte Ganondorf mit diesem Mädchen angestellt. Sicherlich, Zelda ahnte, dass Ilona wahrhaft freiwillig zu Ganondorf gekommen sein musste. Aber sie hatte sich sicherlich nicht freiwillig dafür benutzen lassen Dutzende Dämonenkinder in die Welt zusetzen. Nicht mit dem Wissen, dass Ilona einst in Link verliebt gewesen war. Nicht mit der Tatsache, dass sie vielleicht ein sehr arrogantes und egoistisches Gemüt besaß, aber immer noch menschlich gewesen sein mochte. „Ilona…“, sagte Zelda mit einer Spur Mitleid. Auch in ihren Augen stand dieses Gefühl nun geschrieben. „Hör‘ in dich hinein, ist das Wichtigste für dich Macht? War es nicht irgendwann einmal etwas Besseres, etwas Wertvolleres?“ Erneut fasste sich das Mädchen mit den wasserstoffblondgefärbten Haaren an die Maske und zauderte. „Blödsinn“, rief sie dröhnend und hielt ihre Armbrust wieder gefährlich in Zeldas Richtung. Das Visier war perfekt, dachte sie. Sie brauchte bloß noch schießen und aus wäre es mit der Prinzessin aus dem hylianischen Reich. Aus wäre es mit ihrer Liebe zu Link. Und Link wäre frei… Es summte noch immer nach Link in Ilonas Gedanken. Und obwohl sie ihre Schwärmerei für Link schon lange als begraben ansah, noch immer steckte irgendwo ein Bruchstück von ihm. Ein Bild seiner tiefblauen Augen und seiner perfekten Figur. „Ilona, ich glaube, du tust dies alles nicht freiwillig… er hat dich manipuliert, nicht wahr?“ Immer wieder redete Zelda auf sie ein, versuchte ihren Kern zu wecken, versuchte das bisschen Menschlichkeit in ihrem Inneren wieder zu aktivieren. Sie schwieg auf Zeldas Frage. „Hat er dich mit irgendetwas beeinflusst? Hat Ganondorf dir irgendetwas versprochen?“ Zelda ließ nicht locker und tat alles, um die erfrorenen Herzfasern in Ilonas Innerem wieder mit Wärme und Erinnerung an einstiges pulsierendes Leben zu füllen. „Hat dich Ganondorf in den Seelenfänger gesperrt?“ Diesmal zupfte das Mädchen gegenüber der Prinzessin bereits an der Maske, sie begann zu kreischen und Tränen brachen von ihren Augen hinab. „Und wenn schon, ich hab‘ jetzt Macht!“, rief sie. „Wer braucht schon…“ Sie ließ ihren Kopf mit einer knackenden Bewegung in den Nacken sinken. Eine Bewegung, die jedem anderen Menschen die Wirbelsäule gebrochen hätte. Dann setzte sie wieder mit ihrer schwarzlackierten Armbrust an, doch diesmal waren ihre Arme nicht unmenschlich starr. Ihre Arme zitterten. „Sag‘ mir“, sprach Ilona leise. „Vor welchen Verlust fürchtest du dich am meisten?“ Ein Glühen loderte bestimmender und einnehmender als vorher in den tiefsitzenden Augenhöhlen Ilonas. Zelda Blick sank nieder und wanderte dann in Richtung der beiden Kämpfergestalten, die Gutes und Böses symbolisierten. Aussagekräftig war jener Blick. Sie legte zu viel hinein in eine Geste wie diese. Zu vieles, was Ilona nicht verstehen konnte… Dankbarkeit. Aufrichtigkeit. Verträumte Liebe, selbst wenn der Tod sie beide- den Helden und die Prinzessin- mit einem Wimpernschlag ereilen konnte… Noch immer rangen Link und Ganondorf um die Oberhand, kämpften ohne Gnade, kämpfen brutal und mit allen Tricks, die ihnen das Schlachtfeld beigebracht hatte. Wie Tiere gingen sie aufeinander los und ließen ihre Schwerter die Hörner sein, mit denen sie das Fleisch des anderen zerstießen. Link schwang das Schwert plötzlich so schnell, dass Ganondorf Mühe hatte mit seinem gewichtigen Schwert mitzuhalten. Und gerade in der Minute verschaffte das Schicksal dem Heroen einen entscheidenden Vorteil. Nur einen Moment lang war Ganondorf unkonzentriert und verfehlte das Ziel des Masterschwerts. Mit einem lauten Ausruf stieß der Heroe das Schwert gegen seinen Wiedersacher. Und jener taumelte, verlor das Schwert und starrte mit bitterem Blick in die anklagenden Augen Links. Link rang nach Atem. Sein Ausbruch an Schnelligkeit und Gewandtheit hatte ihm Kraft und Energie gekostet. Aber Ganondorf ohne Schwert vor ihm stehen zu sehen, erfüllte ihn mit neuem Mut. Gerade das trieb ihn an, gerade dieses Gefühl in seinem Inneren stärkte ihn, half ihm, schenkte ihm die Zuversicht, Ganondorf schlagen zu können. Grunzend wischte sich der Schreckensfürst den Schweiß vom Gesicht und entließ einen unbefriedigten Laut. Auch er hechelte und saugte die Luft um sich stoßweise ein und aus. Beide waren bereits vom Kampfgeschehen gezeichnet. Ganondorf trug eine blutige Lippe und an seinem linken Knie floss eine schwarze Substanz aus seiner Haut abwärts. Link hatte es ein wenig mehr erwischt. Aber seine Wunden waren harmlos im Vergleich zu dem, was Ganondorf erwartete, würde er ihn in die Hölle schicken. Seine grüne Tunika war ein wenig zerfetzt und an den meisten Stellen kam das silberne Kettenhemd zum Vorschein. Ein Kratzer zierte seine rechte Wange und ein tiefer Schnitt ging an seiner rechten Schulter abwärts. Auch ihm stand der Schweiß im Gesicht und vermischte sich brennend mit dem Blut, welches aus der Wangenwunde rann. Nur kurz blickte der Heroe zu seiner Prinzessin und fand jene tapfer dreinblickend vor. Noch immer spannte sie ihren Bogen gegen Ilona, die wiederrum die Armbrust straff auf die hylianische Thronerbin richtete. Zelda nickte, bewegte ihre Lippen um Link etwas wissen zu lassen. Er verstand sie nicht, war ohnehin zu sehr auf seinen Erzfeind fokussiert, um länger Zeldas Blicke zuzulassen… „Nun Ganondorf? Immer noch zu machtbesessen um zu bemerken, wie schwach du in Wahrheit bist?“, reizte Link. Er erhob das Wort laut und stark. „Du wirst schon früh genug den Vorzug von Kraft gegen Mut erfahren lernen“, zischte er und blickte auf das dunkle Schwert, welches weit neben ihm auf dem Boden lag. „Ehe das geschieht, wirst du Kaiser dieser Welt, Ganondorf. Ich werde meinem Mut niemals abtrünnig werden.“ „Sei dir deiner selbst lieber nicht so sicher…“, murrte der Dämon und zog seine steifgewordenen Mundwinkel nach oben. Denn noch immer hatte Link keine Ahnung von Ganondorfs weitreichenden Plänen… und das war gut so… Link verfolgte Ganondorfs Blick mit wachem Auge und trat vorsichtig in Richtung jenes Schwertes, nur um zu verhindern, dass der Dämon seine Waffe wieder zu fassen bekam. Ganondorf beobachtete mit einem einfältigen Grinsen, dass Link genau verfolgte, wie nah er seinem Schwert kommen wollte. Er entschied sich das Schwert erstmal Schwert sein zu lassen. Er hatte genug Kraft in seiner Faust um Links Gesicht spalten zu können. Wozu auch brauchte er dieses Schwert? Erneut winkte er dem Heroen zu, diesmal noch auffordernder als vorher. Königlich reckte Link das Masterschwert in die Höhe und ließ es elegant in seiner linken Hand kreisen, vollführte sein Können eher angeberisch und richtete die Waffe erneut direkt auf seinen Todfeind. Links Blick senkte sich, ließ Bedrohung sprechen, ließ die eigene Bestie für Bruchteile aus den tiefblauen Augen hindurch schimmern. Sein Angriff würde kommen, ohne Gnade würde Link das Masterschwert gegen Ganondorf führen, der mit seinen blanken Fäusten kämpfen würde. Link schwang das Schwert einmal in die Luft, lauschte seinem hellen Klang mit Stolz, mit Ehre, schwang es noch einmal und ließ einen hellen magischen Wirbel von der Klinge sausen. Magie des Mutes war ein gefährliches Spielzeug, ja, das war sie. So gefährlich, dass sie bisher kein Held der Blutlinie so einsetze, wie es ihre Bestimmung verlangte. Mut hatte seine tückischen Seiten, vielleicht noch mehr als jene der Kraft. Denn wo man den Mut überschritt, folgte Übermut und mit ihm der Tod… Vor allem für jene, die dem Herz des Mutes nicht treu bleiben konnten. Doch Link, ein Kämpfer, der schon seit Urzeiten in Hyrule jener erstrebenswerten Eigenschaft ein Denkmal setzen konnte, würde der Macht des Mutes endlich die Chance geben sich zu beweisen… Die Zeit gefror unter der Führung Links und die Sekunden wandelten sich in lebendige Wesen, tanzten wie Lichtgeister vor seinen Sinnen. Das Triforce befehligte sie und zog ihr Licht an… Es verschmolz auf dem linken Handrücken des Helden zu einem starken Glühen des Fragmentes, tiefleuchtend, hell, beinah brennend. Das Licht der umgebenden Fackeln wurde von Link Fragment geraubt und erlosch mit der Gefahr, über derer das Fragment des Mutes nun siegen sollte. Auch Ganondorf aktivierte das Fragment seines Schicksals, spürte wie die Kraft durch ihn hindurch glitt, wie sie ihn stärkte und nährte. Seine rechte Faust spannte sich; und das Fragment entließ einen wahnsinnigen Strahl, der gleich einem Schrei durch die inzwischen dunkle Kathedrale glitt. Ein barbarisches Zischen. Ein Laut, der in den Ohren aller Anwesenden das Leid Dins erfühlen ließ. Und es kam der Moment, wo die Zeit weiter tickte und die Magie des Mutes und die der Kraft mit starkem Aufprall aufeinander trafen. Link schrie aus Leibeskräften um dem Sturmgewitter, welches seinem Handrücken entkam mehr Geschwindigkeit und Zerstörungskraft zu geben und folgte dem Sturm mit seinem Schwert. Ganondorf lachte. Er lachte wieder und wieder, als er die Front aus heller, warmer Magie in seine Richtung steuern sah. Und er würde nicht ausweichen. Weglaufen war etwas für schwache, auch wenn es häufig weise war. Dennoch war Schwäche das größte Übel für einen Mann wie Ganondorf, der sein Leben lang nur auf seine Kraft baute. Auch sein brennend pulsierender Strahl an Magie brach in die Ferne, suchte nach einem Weg, den jungen Heroen zu zerfetzen, ihm jedes bisschen Ehre zu nehmen, auf das er einst so stolz gewesen war… Er lachte und lachte und doch… Mit einem Mal fühlte er etwas anderes, warmes… etwas, was sich von der Kälte abhob, die er schon Hunderte von Jahren genießen lernte. Etwas schmerzte in ihm, plötzlich und gefährlich, es machte ihm Angst. Erschrocken stand der Fürst des Schreckens einfach im Raum, die Magie des Mutes umfing ihn und vermischte sich mit der schwarzen Magie, die er gerade eben aktiviert hatte. Mit einem Puff verschwanden die magischen Nebel, der Sturm von Link und auch Ganondorfs Strahl… Er trat einen Schritt rückwärts, konnte sich das Gefühl nicht erklären, welches ihn so verwundbar leiden ließ. Es war so warm, so… unerträglich heftig, es wuchs an, es rief, es jagte und trieb ein kleines Feuer hinein in sein erfrorenes Herz. Der Fürst des Schreckens zitterte und nun bemerkte auch Link, dass irgendetwas an Ganondorf nicht stimmte. Etwas machte ihn verwundbar, etwas ließ ihn Menschlichkeit spüren. Der Dämon schluckte, drehte sich um seine eigene Achse, starrte zu der Prinzessin des Schicksals, die ihn einen mitleidigen Blick entgegenwarf. Dann schaute er zu Ilona, die ihn mit ihrer unmenschlichen Merkwürdigkeit anstarrte. Mit einem Mal konnte er ihre Kälte erkennen, und das, was er nicht ertrug… es brannte in ihm… nahm ihm die Luft und redete mit ihm. Stimmen flüsterten in seinen Ohren, die er noch nie hören wollte. ,Was hast du mir angetan‘, sprachen jene Stimmen laut und immer wieder. ,Warum hast du mich eingesperrt, ich war dein freiwilliges Fleisch. Ich war dein Abschaum in starren Nächten. Ich war dein Nährsaft für die Existenz abscheulicher Bestien. Was hast du mir angetan?‘ Noch einmal starrte der Dämon in die anklagenden Augen der Prinzessin des Schicksals, sah Gewissheit darin, sah Überlegenheit. Verdammt sein soll sie mit ihrer verfluchten Weisheit, mit ihrem Wissen über alte Wurzeln der Magie und ihrer Wahrheit! Verdammt sein soll sie, da sie ihn bestrafte! Ganondorf brüllte plötzlich und schlug mit der linken Faust wie besessen auf seinen rechten Handrücken. Es brannte. Es tat so weh… diese Menschlichkeit… sie roch so bitter, sie vergiftete seinen Verstand, sie ließ ihn leiden! Und Link begriff nun auch, was Ganondorf beeinflusste. Das Fragment der Weisheit trieb ein Spielchen mit ihm. Das Fragment Zeldas hörte noch immer auf seinen wahren Herrn und würde einem neuen Meister niemals ergeben sein. Link grinste so heftig in Zeldas Richtung, dass sein Blick vor Erstaunen hätte dröhnen können, würde man ihm ein Sprachrohr geben. Also das hatte sie ihm vorhin mit Blicken verdeutlichen wollen. Zelda kontrollierte noch immer ihr Fragment, selbst wenn es auf Ganondorfs Handrücken festsaß. Und was sie nicht alles tun konnte, um Ganondorf in den Wahnsinn zu treiben. Zelda lächelte ihrem Heroen zu, der verstand. Ja, sie würde den Meister des Bösen in den Wahnsinn treiben, würde seine Machtsucht einmal mit furchtbaren Mitteln bestrafen. Er sollte erfahren lernen, was Grausamkeit bedeutete. Link nickte. Selbst wenn Zelda seine größte Schwäche darstellte, ohne sie in den Kampf zu ziehen, war für Link nicht vorstellbar… Und dann ging Link mit dem Masterschwert in seiner Hand auf Ganondorf los, während auch die vielen Fackeln in der Kirche wieder aufloderten. Er stürmte näher in Begleitung eines weiteren Sturmes, der seinem Fragment entsprang. Wirbel seiner Macht. Golden. Windig… Ein Bündel Energie traf Ganondorf mit einem schrecklichen Getöse. Und auch Link rannte mit dem Schwert in der Hand gegen ihn, ließ es vollstrecken und siegen. Der Fürst des Bösen hatte Mühe, die Magie Links abzuwürgen. Von allen Seiten umzingelte sie ihn, brannte bereits auf seiner giftgrünen Haut und verbunden mit dem neuen Gefühl der Menschlichkeit, welche das Fragment Zeldas ihm bescherte, fühlte der Schmerz sich nun endlich wieder an, wie Schmerz sein sollte. Warnend. Betäubend. Ganondorf ahnte, dass Zeldas Fragment ihn an der Ausübung seiner eigenen Mächte hindern würde. Er schwang seinen Umhang und ließ den goldenen Sturm von Link dagegen prallen. Noch im selben Moment stürzte sich Link mit dem Masterschwert auf ihn, erwischte ihn gefährlich, aber gewiss nicht tödlich. In Begleitung eines Kampfschreis stieß der Heroe das Masterschwert in die erstbeste Stelle an Ganondorfs Körper, die sichtbar wurde, jetzt, da der goldene Sturm und die vielen Funken um ihn herum sich verflüchtigten. Ganondorf grunzte, würgte und fühlte ihn, jenen Schmerz, der nach Menschlichkeit stank. Er spürte das Ziepen, das Kneifen, das Brennen und hörte in seinen Gedankensphären noch immer die vielen anklagenden Stimmen. Stimmen seiner Opfer und seiner Widersacher… Link starrte dem Dämon gefasst in die Augen, sah Verwunderung darin. Erschrecken und beinah Entzücken. War Menschlichkeit etwas, was Ganondorf genoss? Genoss er den Schmerz, den Wunden wirklich darboten? Der Heroe spürte schwarzes, dickflüssiges Blut an der Klinge des Masterschwertes entlang laufen und auf seine Hände tropfen. Links tiefblaue Augen sanken nieder. Ein tiefer Schnitt. Das war es, was er dem Dämon zugefügt hatte. Ein Stich direkt hinein in die linke Schulter Ganondorfs. Eine hässliche Rauchwolke stieg empor, dort wo das Masterschwert Ganondorfs Fleisch anbohrte. Jauchzend zog Link das Schwert zurück, machte sich bereit für einen weiteren Stoß. „So nicht, Heldchen…“, zischte der Dämon schmerzverzerrt, brüllte und verpuffte in einer schwarzen Wolke, nur um wenige Meter weiter wieder aufzutauchen. Erzürnt rannte Link seinem Erzfeind hinterher. Erneut diese feigen Spielchen. Erneut versuchte sich Ganondorf mit solchen lächerlichen Mitteln aus der Schlinge zu winden. „Feigling!“, rief Link tobend und raste geschwind hinter seinem Widersacher her. So verfolgte Link den Teufel Hyrules fortwährend. Doch der Verfolgte, so wusste Zelda im Hintergrund, würde sich aus einer anderen Schlinge nicht mehr so einfach winden können. Er hatte das Fragment der Weisheit mit allen Gefahren an sich genommen und würde auch den Wahnsinn ertragen müssen, dem es ihn bescherte. Und nur ihm… In ihren Gedanken redete Zelda mit ihm, verführte ihn zu einem schmerzhaften Gefühl von Schuld und Schmach, ließ ihn Bilder sehen, die sich in ihm einbrennen würden… so lange, bis er das Fragment sich aus dem Körper reißen würde… Und noch immer stand Zelda gefasst vor Ilona, die unbeteiligt, ja beinah hypnotisiert drein sah. Sie schaute einmal nach links, dann nach rechts, schien etwas zu suchen, was nicht da war. Sie hob wieder ihre Armbrust, aber murmelte plötzlich Unverständliches daher. Zerstückelte Worte. Laute ohne Sinn… Sie wusste nicht, dass sich Zelda entgegen der Regeln in den Kampf von Link gegen Ganondorf eingemischt hatte, aber sie hatte keine Wahl, als Ilona im Unklaren zu lassen. Zumindest war es die einzige Möglichkeit an Ilonas Seele noch zu retten, was zu retten war… Zelda spannte erneut ihren Bogen, ließ die alte Magie nebenbei knistern und fühlte, wie sie Ganondorf innerlich zerriss… „Ilona!“, rief Zelda stark und fest. „Bitte hör‘ mir zu… du musst versuchen, dich von dem Bösen in dir zu lösen. Hörst du!“ Inzwischen war Ilonas Hilflosigkeit nahezu spürbar. Ängstlich sah sie drein. Sie weinte sogar, obwohl sie noch immer die Armbrust direkt auf Zelda gespannt hatte. „Denk‘ an das, was dir einmal wichtig war…“, sagte Zelda leiser werdend und entgegen ihrer Eifersucht, erinnerte sie Ilona an ihre einstige Schwärmerei für Link. „Denk‘ an Link…“, sagte Zelda leise. „Er wird niemals Dein sein, aber erinnere dich daran, warum du ihn einst gemocht hast. War es nicht mehr als sein Aussehen?“ Ilona begann plötzlich zu brüllen. Dutzende Energiekugeln platzten aus ihren Armen und Beinen und gingen kreuz und quer in der Kirche unter. Eine der Kugel raste direkt auf die junge Prinzessin zu. Geschwind ließ sie sich fallen und beobachtete die Kugel aus Boshaftigkeit sich glühend in eine Steinwand bohren. Zelda seufzte und rappelte sich wieder auf. Sie torkelte ein wenig und fürchtete, ihre Kräfte wollten sie immer mehr verlassen. Für einen Moment war ihr Gesichtsfeld verschwommen. Sie rieb sich mit der freien Hand über die Augen und hoffte inständig, es würde vergehen. Dieses unangenehme Schwächegefühl sollte verdammt noch mal vergehen! Zelda konnte sich gerade noch so auf den Beinen halten, um zu bemerken, dass Ilona den Pfeil abfeuerte. Sie lachte und weinte zugleich, als sie ihr mörderisches Geschoss losließ. Sie wollte es nicht, und doch wollte sie es. Sie konnte es nicht tun und doch musste sie es… Zelda stolperte erschrocken nach hinten, aber der Pfeil verfehlte sie um viele Meter. Ilona schien nicht mehr zu wissen, was sie wollte. Ihre Ambivalenz war rätselhaft. Kehrte sie zurück zu einem guten, menschlichen Kern, der ihre Handlungen wieder leitete? Oder steckten noch zu viele Dornen des Bösen in ihr? Sie ließ die Armbrust fallen und betastete erneut die schwarze Maske, die ihr halbes Gesicht versteckte. „Ilona“, flüsterte Zelda, hoffend sie würde sich an diesen Namen so erinnern, und dass er gleichzeitig andere Erinnerungen an ihr gewöhnliches Erdenleben weckte. „Wach‘ auf!“, sagte Zelda lauter. Aber das Mädchen ihr gegenüber begann lediglich zu schreien. Heftig presste sie ihre Hände an die Ohren und rannte schließlich wie angestochen durch die Kirche, direkt zwischen einem kämpfenden Link und Ganondorf hindurch. Zelda schnappte nach Luft und stürzte sich kurz auf die Knie… sie zitterten heftig und erinnerten sie marternd daran, dass Ganondorf ihr fast alle magische Kraft aus dem Körper gesaugt hatte. Sie blickte auf und hatte eine neue Idee. Ilona rannte immer noch, rannte erneut auf Zelda zu, beachtete sie jedoch mit keiner Silbe mehr. Im Tanz des Wahnsinns war sie nicht mehr gefügig, nicht Ganondorf und nicht einmal mehr Herr ihrer selbst. Jetzt oder nie, dachte Zelda und kramte die Wurfsterne aus dem Gürtel, wo sie jene versteckt befestigt hatte. Erstmals besah sie sich die kleinen Waffen. Kunstvoll geschmiedet besaßen sie sogar ein kleines rundes Zeichen in der Mitte. Viele Zähne trugen sie, die sich in Fleisch wie ein Gebiss in reife Äpfel fressen konnten. Flach lagen sie auf Zeldas rechter Handinnenfläche, wo der dicke Verband schon wieder mit viel Blut vollgesogen wurde. Sie schloss die Augen, fühlte das Aufbrechen alter magischer Wurzeln in ihrem Inneren. Ihre Seele trug mehr als dieses eine Gesicht, das wusste sie, seit sie denken konnte. Schon in Zeldas Kindheit, damals im sagenhaften Schloss Hyrule, hatte sie Fähigkeiten, die sich einfach von denen anderer Kinder abhoben. Im königlichen Blut Hyrules lag Magie, das wussten schon die Schattengötter in jenen verfluchten Monaten vor dem Ende Hyrules… Geduldig konzentrierte sie sich auf das Stückchen Magie, welches schon vor Ewigkeiten vergessen ward, welches sie nie wieder benötigt und daher auch nicht trainiert hatte… Zauber lebte in so vielen Dingen. In tanzenden Winde. In Gefühlen, die im Licht entstanden. Sogar im Gehör, wenn die Feen mit ihren hauchenden Stimmen singen würden. Zauber lebte sich aus und lebte doch nie um zu vergehen… Und einer der kleinen Wurfsterne hob sich durch magische Schwingen von Zeldas Hand empor, stieg an und drehte sich lautlos um seine eigene Achse. Zelda liebte diese Form der Magie, sie liebte, wie jene durch ihre Adern strömte, auf der Suche nach einem Gefühl, so tief versteckt lag es unter Zeldas Haut. Die Magie ihrer Familie war sicherlich weit entfernt von den Fähigkeiten, die das Triforce versprach und doch… es wärmte sie ein wenig in der eisigen Kirche, unter dem Zorn Ganondorfs und im Auge des Todes… Ruhig, summte Zelda in ihren Gedanken, sprach das Wort dann laut aus. „Ruhig“, flüsterte sie. Ganz langsam drehte sich der Wurfstern in ihrer Hand, wanderte in den Lüften, sank ab und an hinab wie ein Schmetterling, dem die Kraft verließ, bis er wieder in die Luft stieg. Sie leitete die kleine Wurfwaffe auf das Schlachtfeld, dort, wo Ilona zwischen Link und Ganondorf auf und ab rannte, als wollte sie jenen Kampf stören... Das kleine Geschoss wurde schneller und schneller. Zelda konzentrierte sich, legte all‘ ihre übrige Kraft hinein, nur um Ilona damit außer Gefecht zu setzen. Sie brauchte sie bloß ein wenig am Hinterkopf treffen und sie würde bewusstlos umfallen. Oder sie musste diese Maske von Ilonas Gesicht niederreißen, sie musste dieses Teufelsding zerstören. Vielleicht war es ja die Ursache der Gehirnwäsche, die Ilona über sich ergehen lassen musste. Und noch immer rannte Ilona wie angestochen durch das Schlachtfeld derjenigen Kämpfer, die sich bis auf den Tod verfeindet hatten. Derweil steuerte Zelda das kleine magische Geschoss mit hoher Geschwindigkeit in der Kirche umher. Inzwischen musste sie ihre Hände als magische Unterstützung für den Wurfstern einsetzen, steuerte ihn mit unsichtbaren Fasern, die in ihren Händen lagen. Handmagie war nun mal einfacher und weniger belastend als jener Zauber, den man bloß mit den Gedanken ausübte. Aber sie genoss es, genoss die Genugtuung nicht hilflos zu sein, sondern die Magie aus ihrer Familie aktivieren und einsetzen zu können. Nein, sie war nicht schwach. Sie konnte kämpfen, so, wie Link es immer behauptet und ihr begreiflich machen wollte. Erst jetzt realisierte sie, tief in ihrem Inneren, dass Schwäche anders definiert werden sollte als über die Definition, die absurde, mittelalterliche Erziehung ihr auf diktiert hatte. „Link, lauf‘ weg…“, sprach Ilona plötzlich zittrig und rannte dann wieder auf Zelda zu, die nicht wusste, wie ihr geschah. Ilona begann um die junge Prinzessin herumzutänzeln, überschlug sich fast und stürzte zu Boden. Sie rappelte sich wieder auf, kreischte und rief noch einmal: „Link, lauf‘ weg… du kannst nicht gewinnen. Ganondorf… er hat einen bösen Plan, er wird dich…“ Doch da verlor auch Ganondorf die Geduld Ilonas Gefasel mit anzuhören, warpte sich wieder in der Rauchwolke, die nach Säure roch, tauchte direkt vor seiner Vasallin auf, und verpasste ihr eine so gewaltige Ohrfeige, dass Ilona durch die gesamte Kirche geschmettert wurde. Sie kam knackend an einer steinigen Seitenwand an, stand mit verdrehtem Kopf und einer hässlichen Entstellung der Gelenke ihres rechten Armes wieder auf. „Dumme Göre“, fauchte Ganondorf und teleportierte sich wieder zu dem Mädchen hin, welches nun Stücke ihre Seele wiedergefunden hatte. Sie atmete noch… sie lebte noch… Irgendwo tief vergraben schlug das menschliche Herz Ilonas, die vielleicht nie der Mensch sein wollte, der sie doch war. Mit einem unmenschlichen Lachen stand Ganondorf vor ihr. An seiner linken Schulter tropfte stetig schwarzes Blut hinab. Dann packte er sie gnadenlos an der Gurgel. „Halt‘ dein Maul, Miststück…“, zischte er und hievte die Schülerin in die Höhe. Sie strampelte und umfasste Ganondorfs große, olivgrüne Hand, die zwei Machtabzeichen hielt, die sich wiederrum nicht vertrugen… „Bitte nicht…“, winselte sie. Und schwere, schwarze Perlen rannten an ihren Augenlidern abwärts. Sie schlug um sich und zappelte mit ihren nackten Beinen. Sie begann wie ein kleines Kind zu wimmern. „Bitte…“, weinte sie. „Wie jämmerlich du bist, wenn ich dir von meiner schwarzen Macht nichts gegeben hätte, welchen Zweck hättest du schon für mich haben können. Du wirst niemals nur ansatzweise so stark sein wie jene, die du beneidest…“ Ganondorf wand den Schädel zu Zelda, die eifrig den Wurfstern steuerte. Doch unbemerkt von Ganondorfs Auge schimmerte der Stern plötzlich golden, wirkte in den Lüften, wo er sich drehte, tatsächlich wie ein Stern, der als ein letztes Licht die Erde beleuchtete. „Sieh‘ sie dir an, Ilona. Du bist zu mir gekommen, weil du sein wolltest wie Zelda. Doch alles, was du bist, ist eine menschliche Missgeburt, du wirst niemals nur ansatzweise so sein wie dein Idol…“ Zelda seufzte und der goldene Stern verlor ein wenig an seiner Geschwindigkeit. Sie legte eine Hand auf ihre Lippen und Mitleid sank hinein in ihre himmelblauen Augen. Ilona war nur zu Ganondorf gekommen, um so zu sein wie sie? Warum, schallte es in der Prinzessin unheilvollsten Gedanken. Warum… Zeldas Blick traf jenen Ilonas, die in ihren trüben, nunmehr menschlichen Augen tatsächlich um Hilfe bettelte. Ihre pechschwarzen Tränen wurden grau. Dann schwand das grau zu weiß und schließlich wurden sie klar. So klar wie Regentropfen… „Es tut mir leid…“, winselte sie und flehte Zelda mit klagenden Blicken an, ihr zu helfen. „Alles…“, wimmerte sie und rang nach Luft. „Bitte hilf‘ mir…“ Und Ilona wusste nur zu gut, wie sich die Prinzessin Hyrules entscheiden würde… Nach allem, was Ilona ihr angetan hatte, wie sie sie beschimpft hatte. Ganondorf begann plötzlich wieder lauthals zu lachen über Ilonas Unterwürfigkeit. Das war so typisch für das Menschenvolk, welches er für so schwach hielt. Das war ein so überzeugender Ausdruck der Unterwürfigkeit, der Hilflosigkeit, der Unehre, des Unnutzen… Hunderte andere Wörter würden ihm einfallen um das Menschenvolk zu beschreiben. Einfältig, unfähig sich um die dringendsten Probleme des Planeten zu kümmern. Und als Krönung oben auf: Menschen waren genauso machtsüchtig wie er… Vielleicht war es das, was ihn am meisten amüsierte… Und Ganondorf lachte wieder über den Gedanken, lachte und lachte wieder. „Meinst du nicht, die Prinzessin könnte denken, dass deine Hilferufe bloß einer meiner bösartigen Pläne sind?“, flüsterte er. Zu nah ließ der Dämon seinen Atem an Ilonas rechtes Ohr wandern. „Sie wird dir nicht helfen, und du weißt es… du hast ihr schon oft genug weh getan, sogar versucht das Leben zu nehmen… Erinnere dich…“ Und blitzartig kamen die Bilder von dem Modegeschäft mit der Rolltreppe in Ilonas Geist zurück. Ja, sie hasste Prinzessin Zelda für ihre Reinheit, für ihre Heiligkeit. Aber am meisten hasste sie sie wegen Link und der Tatsache, dass sie in seinem Herzen immer den größten Platz haben würde. Auch Link trat näher und beobachtete das Geschehen mit geweiteten Augen. Er zückte sein Schwert und würde nicht zulassen, dass Ganondorf dieser Schülerin noch mehr antat als bisher. „Ganondorf, lass‘ Ilona gehen!“, befahl Link und trat mit der scharfen, weißleuchtenden Klinge näher. „Ich ramme dir das Schwert in deinen verdorbenen Rücken, wenn du sie nicht in Ruhe lässt! Auch ich kann unfair kämpfen!“ Fassungslos, weil Link sich für sie einsetzte, starrte Ilona ihn an. Sie hätte niemals damit gerechnet von ihm verteidigt zu werden, nicht in diesem Leben. Aber sie schüttelte den Kopf, was Link zunächst nicht verstand. Grunzend wand der Dämon seinen Schädel umher und sah Link mit einem bereiten Masterschwert in seine Richtung stürmen und obwohl der Wahnsinn des zweiten Fragmentes auf seiner Hand ihm nicht alles erlaubte, was in seiner Kraft lag, so sammelte er Böswilligkeit und Hass in seinen Gedanken an. Es war schwer für ihn, Zeldas verurteilende Stimme in seinen Gedanken zu unterdrücken, aber für einen kurzen Augenblick funktionierte es. Er stärkte sich. Er verführte die Kraft auf seiner Hand zu grausamen Taten, ließ Kraft sprechen, ließ sein eigenes Fragment bluten. Mit einem donnernden Schrei stieß der Dämon ein schwarzes Gestrüpp aus seiner Hand. Dornen des Hasses. Lebendiger Abschaum, so bestialisch und blutdurstend wie die Kinder, die er erzeugt hatte. Die Pflanzen wuchsen an, und schossen direkt in Links Richtung. Gerade noch rechtzeitig zog der Heroe den Schild der Götter vor sich. Mit einem lauten Schlag prallten einige der spitzen Dornen an dem goldenen Schild ab, anderes Gestrüpp wurde von dem Schild absorbiert und doch wuchsen die Pflanzen in einem so rasenden Tempo, dass Link Mühe hatte gegen sie anzukämpfen. Er ließ durch einige schwarze Pflanzen das Schwert rauschen. Klebriger Saft spritzte umher und traf zunächst den Schild der Götter, und dann brennend und zischend Links Gesicht. Links überraschter Aufschrei vermischte sich mit dem der erschöpften Prinzessin der Hylianer. Der goldene Stern in ihren Händen wurde unwichtig. Erschrocken hetzte sie auf ihren Heroen zu, der mit geschlossenen Augen- denn der Saft der Pflanzen brannte wie Feuer darin- weiter kämpfte. Mit aller Gewalt drückte er gegen die Pflanzen, setzte schon sein Fragment dagegen ein, aber das Licht des Mutes wurde einfach verschluckt. „Link!“, rief Zelda besorgt und der goldene Wurfstern stand in den Lüften als wäre er unter der Macht der Zeit eingefroren. Sie wollte ihm helfen, sie wollte ihn erneut beschützen. Würde sie ihn verlieren, das wusste sie, dann wäre auch ihre Seele tot. Sie wollte nicht mehr sein, wenn er nicht da wäre… „Bleib‘ weg, Zelda! Ich schaff‘ das!“, brüllte Link mit geschlossenen Augen und drückte mit aller Kraft gegen jene Pflanzen, die sich mit scharfen Spitzen in den Schild der Götter drückten. „Kümmere dich um Ilona!“ „Aber deine Augen…“ „Es geht schon…“, seufzte er. Zelda nickte schweren Herzens, versuchte ihre letzte Kraft zu aktivieren und den goldenen Wurfstern wieder zu steuern. Inzwischen riss ihre Verbindung zu dem Fragment der Weisheit immer mehr ab, sie wusste, sie konnte Ganondorf beeinflussen, aber er stärkte sich im Gegenzug an seinem Fragment. Und je stärker er wurde, umso weniger konnte sie ihm in ihrer jetzigen Verfassung schaden. Und im Hintergrund lachte der Fürst des Schreckens erneut barbarisch. Weiterhin brodelten aus seiner rechten Faust die schwarzen, zerstörenden Sträucher und mit der linken hielt er die Schülerin straff in die Höhe gedrückt. „Siehst du, wie sehr die beiden sich lieben? Das wirst du niemals haben. Du weißt doch, wie nutzlos du bist. Erinnere dich an deine Familie… erbärmlich war sie, zerrüttet und niemand hat dich beachtet…“, sprach er giftend. „Keiner wird dir helfen…“, sprach er einnehmend und hypnotisierte die wehrlose Schülerin damit. Sie weinte. „Du warst so sehr in Link verliebt, um zu bemerken, wie abscheulich er dich fand, trauriges Ding…“ Seine Worte streichelten und brannten zugleich, tief in Ilonas Herzen. „Kehre zurück, meine Dienerin…“, hauchte der Dämon an Ilonas rechtes Ohr, hauchte die Worte immer wieder, bis die trüben Augen der Schülerin erneut den böswilligen Funken erhielten, den sie vor Sekunden besiegt hatte. „Oder soll ich dich erneut in den Seelenfänger stecken“, setzte er leise hinzu. Es war eine Warnung und Ilona würde sicherlich nicht noch einmal in dieses Ding steigen. Ja, sie hatte erfahren, wie weh es tat, wenn die Seele in dieser Maschine gefoltert wurde und das würde sie sich ersparen. Der glühende Funken Böswilligkeit in ihren Augen wurde stärker, bis er jede Menschlichkeit aufgesaugt hatte. „Gut so, meine Hexe…“, murmelte der Dämon und ließ seine pelzige Zunge über ihre schwarze Maske wandern. Langsam ließ Ganondorf das Mädchen wieder auf ihren eigenen Füßen ruhen, während sie teilnahmslos da stand und träumerisch zu Link und dann zu Zelda blickte. Leichtsinnig wand Ganondorf ihr den Rücken zu und konzentrierte sich auf die schwarze Materie, mit der er den Helden der Zeit in die Enge trieb. Nur noch ein bisschen und der Held der Zeit würde von diesen Pflanzen verschlungen werden. Inzwischen hatte Zelda den Kontakt zu ihrem Fragment verloren. Es war nun nicht einmal mehr ansatzweise auf Ganondorfs Handrücken zu sehen, als wäre es vollkommen erloschen… Zelda fühlte wieder die Taubheit ihrer Hand stärker werden, fühlte sich erdrückt von ihrem Blutverlust und sah erneut verschwommen. Sie stützte sich mit einer Hand an die Steinwand, mit der anderen versuchte sie ihre einzige kleine Waffe, die aussah wie ein goldener Schmetterling, am Leben zu halten. Sie überlegte, wann sollte sie ihn einsetzen? Link damit zu helfen brachte nichts, es würde nur mehr von diesem giftigen Saft der Pflanzen ausbrechen lassen und vielleicht ihrem Heroen noch mehr Schaden zufügen. Hoffentlich waren seine Augen okay… Sie fieberte mit ihm, und spürte bereits deutlich ein unangenehmes Gefühl über ihren Augen, wie eine Schicht aus Schwefel, die sich dem Augenlicht bemächtigte. War jene Empfindung die von Link oder ihre eigene? Aber wie konnte sie das Geschoss noch einsetzen? Ilona damit zu treffen schien immer mehr Zeitverschwendung, denn Zelda spürte noch deutlich das menschliche Herz in des Mädchens Brust schlagen. Außerdem hatte der Schlag Ganondorfs, der sie an die Wand beförderte, sie ebenso wenig bewusstlos gemacht. Ja, dachte die Prinzessin, der Wurfstern würde nur einen einzigen guten Zweck erfüllen. Doch da geschah etwas, was Zelda so nie hätte kommen sehen. Ganondorf, der noch immer mit Link rang, beachtete die hinter ihm stehende Ilona nicht mehr, die plötzlich ihre Mundwinkel nach oben zog. Ist Menschlichkeit nur ein Irrtum, summte das Fragment der Weisheit in Ganondorfs tiefsten Gedanken, es störte ihn noch, auch wenn er es ignorierte. Ist Menschlichkeit nur eine Ausrede? Wenn Menschen nun auf der Erde leben wie Tiere, die ebenso unmenschlich sein sollten. Was machte sie aus, diese Menschlichkeit? War es Empfindung? War es Gefühl? Waren es diese vielen guten Dinge wie Vertrauen, Hoffnung und der Wille zu Kämpfen? Und dort auf der anderen Seite, wo die vielen schlechten Dinge standen, wie Verrat, Lethargie und das bittere Aufgeben… Waren es diese Dinge, die Menschlichkeit ausmachten? Viele verwirrende Fragen entstanden zwanghaft in Ganondorfs Gedankenströmen. Er verabscheute sie, wollte sie sich aus dem Kopf reißen. Für ihn stand doch fest, was Menschen für dumme Geschöpfe waren, die eine Macht nicht erkennen konnten. Er murrte genervt und ließ den Unmut über jene Stimmen an Link aus, der gegen das schwarze Gestrüpp kämpfen musste. Und doch hörte noch eine andere Seele der Stimmen zu. Menschlichkeit war ein Geschenk, summte es in ihren Gedanken. Menschlichkeit war nicht einfach und doch ein Geschenk, wenn man sich auf die guten Dinge beschränkte. ,Sei menschlich, sei stark‘, flüsterte es. ,Beweise dich um deiner selbst willen.‘ Und welchen Beweis sie für eine Rechtfertigung einsetzen würde! ,Beweise dich und dein gutes, geschändetes Herz…‘, rief es irgendwo dort, wo jenes junge Mädchen zuhören konnte. Es rief noch einmal und endlich zog die Dienerin Ganondorfs das Stilett von ihrem Gürtel. Sie grinste. Und plötzlich stieg ein weißlicher Riss von ihrer Maske aufwärts, teilte jene, aber noch fiel das Teufelsinstrument nicht von ihrem Gesicht. Sie grinste wieder, bitter, makaber. Genießend. Es schmälerte ihre Seele in keiner Weise, ließ jene erstarken, sogar ihre seelischen Wunden heilen. Ja, diese warme Stimme Nayrus, welcher sie für wenige Augenblicke lauschen durfte, weckte etwas Vergessenes in ihr, etwas, was Link, als sie ihn das erste Mal gesehen hatte, auslöste. Sie erinnerte sich und während die Erinnerungen auflebten, gigantisch und entmutigend, umfing das Stilett, kostbar und menschlich eine Wärme, die jenes Mädchen vergessen hatte. Ja, sie lebte, ja, sie war menschlich… Sie begann zu kichern, leiderfüllt, weil sie wusste, es gab kein Zurück. Sie begann lauter zu lachen, weil sie ahnte, jene Handlung wäre ihre letzte. Aber dieser Schritt war menschlich und darum tat sie es… Ilona blickte zu Zelda, die nicht verstand, was sie vorhatte. Sie lächelte plötzlich, auf eine Weise, die die Prinzessin von ihr noch nie erfahren hatte. Wann immer Ilona auf Zelda traf hatte sie gelächelt, ja, sie hatte gelächelt, aber niemals menschlich, sondern immer nur auf eine Weise, die nichts mit Menschlichkeit zu tun hatte. Schon in der Schule war das so. Doch heute, wo alles enden würde, wo das Leben des gesamten Planeten am seidenen Faden hing, heute war Zeit, die Menschlichkeit aufleben zu lassen, die Ilona immer verheimlichte… Lächelnd blickte sie auf das reichlich verzierte Stilett in ihrer Hand. Eine Waffe, die Ganondorf ihr geschenkt hatte. Als Gegenstück für den Verkauf ihrer Seele. Ilona lächelte wieder und blickte dann zu dem Rückgrat ihres Herrn, der krankhaft kollernd schwarze, gefährliche Schlingpflanzen auf seinen Widersacher hageln ließ. „Stirb‘!“, brüllte Ganondorf. Auch Zelda mischte sich ein und rannte zu ihrem Heroen, konnte nicht länger mit ansehen, wie er mühevoll und ohne Augenlicht gegen dieses schwarze, dämonische Zeug kämpfen sollte. Und als Ganondorf das süße ,Stirb‘ ausgesprochen hatte, erklang es ein weiteres Mal in der alten, verunreinigten Kirche. „Stirb…“, erklang es matt und ruhig. Und dann noch einmal mit Fülle. „Stirb‘ auch du!“, rief Ilona laut und deutlich. Ihre piepsig hohe Stimme schrillte lärmend umher. Und mit einem heftigen Ruck bohrte sie ihr Stilett in jene Wunde an Ganondorfs rechter Schulter, die Link ihm vor wenigen Minuten zugefügt hatte. Es gab keinen besonderen Grund… nur eine verdammte Menschlichkeit. Leidvolle, unnütze Menschlichkeit… Ilona weinte wieder und ihre Tränen waren klar und menschlich. Sie hatte gerade ihr Todesurteil unterschrieben und für etwas so Wertloses wie Menschlichkeit dem bisschen Stärke entsagt, die sie jemals hatte. Durfte sie etwa nicht weinen? Für sich selbst und ihr bemitleidenswertes Schicksal? Ganondorf grunzte und brach auf seine Knie. Der schwarze Regen teuflischer Pflanzen erstarb. In Asche verwandelten sich jene lebendigen Dornenpflanzen, glühten dann mit einem Hauch Feuer auf und rieselten unsichtbar zu Boden. Auch Link sank zu Boden, seufzte und keuchte nun. Gedemütigt, weil er im Moment nichts sehen konnte und es sich nicht wagte seine brennenden Augen aufzureißen. Verwundet und erschöpft… Er drückte seine Hände ans Gesicht, und spürte plötzlich ein paar sanfte Hände, die jene von seinem Gesicht wegführten. Es konnte nur Zelda sein, die ihn trösten und helfen wollte. Ihre Hände wanderten zu seiner magischen Tasche, die Tausende Gegenstände verschlucken konnte. Hastig nahm sie eine Flasche daraus hervor, schüttete das Wasser sorgfältig in Links Gesicht und dann in seine Augenwinkel. Sie hatte ihren goldenen Stern erneut im Raum stehen lassen und war direkt zu ihrem Heroen gestürmt als das schwarze Gestrüpp verschwand. „Zelda…“, murmelte er. „Brennt es sehr schlimm?“, fragte sie besorgt und tupfte mit einem nassen Taschentuch über seine Wangen. „Wenn du mir sagst, wie schlimm es aussieht, sag‘ ich dir auch, ob es weh tut…“, murrte er, war aber zutiefst dankbar, dass Zelda sich kümmerte. „Nicht schlimm… dein Gesicht ist ein wenig rosa, aber noch immer so ansehnlich wie eh und je…“ Sie küsste ihn kurz auf seine Nasenspitze. „Was ist mit Ganondorf?“, sagte der Heroe ernst. Als Zelda zurückblickte, saß Ganondorf keuchend und erstarrt vor Ilona, die weinend hinter ihm stand. Der Fürst des Schreckens konnte nicht glauben, dass er diesem Weibsbild tatsächlich ihre Schauspielerei abgekauft hatte. Er konnte nicht glauben, dass er so gedemütigt wurde. Und das von einer kleinen Dirne, die in seinen Diensten stand. Einem verdammten Menschenweib, welchem er Macht geschenkt hatte. Zaghaft wanderte sein rechter Arm zu der Wunde und zog das blutüberströmte Stilett aus der Wunde. Und wie es schmerzte. Mit dem Fragment der Weisheit in seinem Besitz schmerzte diese verdammte Wunde so abartig, dass er doppelt so wütend wurde. Der Hass und das Böse loderten mit einem Mal noch stärker in seinen gelben Augen. Feine Äderchen darin begannen zu wachsen und platzten dann, verliehen den dämonischen Augen Farben, die dem Fegefeuer gleich kamen. Blutrot. Entsetzlich und abscheulich… Langsam wand sich der Dämon zu Ilona, trat wieder auf seine muskelbepackten Beine und starrte sie verächtlich an. „Du hast dich entschieden, Menschenweib!“, zischte er. Sie lachte nun, aus Verzweiflung und Angst. Jetzt hatte sie Angst, vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben verschätzte sie die Gefahr nicht… „Für den Tod!“ Er hatte sein Urteil gesprochen, er da er Richter über die Menschheit sein wollte. Und sein Urteil würde niemals erfüllt sein von Gnade… „Auch du sollst den Tod erfahren…“, fauchte er und ließ sein Fragment der Kraft alles an Mordlust ansammeln, was ihm zur Verfügung stand. Er hörte, wie es nach Grausamkeit durstete, weil er danach durstete. Und er roch, wie es sich freute, da er sich an Gemetzel und unstillbarer Gier erfreute. Ilona blinzelte und trat noch einige Schritte zurück. In einem letzten Anflug von Verzweiflung. Einem letzten Anflug von Hoffnung, dachte sie entkommen zu können. Sie rannte, rannte direkt auf Link und auch auf Zelda zu, die mit tränenden Augen zu ihr sah, sich bewusst, zu spät zu sein, um ihr noch helfen zu können. Aber sie wusste eines und würde es in Erinnerung behalten. Am Ende siegte die Menschlichkeit, selbst über Geschöpfe wie Ilona, die nie menschlich sein wollte… Ilona rannte weiter und vielleicht rannte sie hinein in ein glücklicheres Leben nach dem Tod. Nach einem Tod, der grausamer nicht sein konnte. Ganondorf lachte und schwebte in hoher Geschwindigkeit hinter ihr her, erwischte sie tödlich, erfasste sie und bohrte seine rechte Faust hinein in ihren Rücken. Es knackte unangenehm, während Ilona sprachlos vor Link und Zelda stand. Blut tropfte von ihren Lippen, aber sie lächelte, lächelte ehrlich und aufrichtig. Vielleicht sogar dankbar vor dem Tode erkannt zu haben, was Menschlichkeit bedeutete… Sie sank auf ihre Knie und hielt die Prinzessin und den Helden in ihrem Blick, murmelte ein leises ,Danke‘ und brach dann zusammen. Beide hylianischen Seelen waren fassungslos, zu fassungslos um sich weiterhin dem Fürsten des Schreckens entgegen zu stellen. Lachend, mit festsitzendem Wahnsinn in seinen Augen, trat er näher und rannte dann. In letzter Sekunde stieß Link die Prinzessin zur Seite, ließ einen lauten Schrei aus seinem Mund wandern, wurde gepackt von Ganondorf und verschwand zusammen mit ihm in einer schwarzen Wolke. Ungläubig saß Zelda nun fast allein in der Kirche, hörte das hechelnde Sterben Ilonas und begann zu weinen, als sie realisierte, dass Ganondorf Link einfach teleportiert hatte. Weg… Weg aus ihrer Reichweite… Vielleicht sogar weg aus ihrem Leben! Sie rief verzweifelt nach Link, trat auf ihre Beine und lief mit wackligen Beinen in dem Gebäude umher. „Link!“, kreischte sie, fühlte sich wütend, fühlte sich betäubt. Weitere Verzweiflungstränen tropften von ihren Wangen und der goldene Stern, der in den Lüften schwebte, wurde fahl und übrig blieb der kleine Wurfstern, der klappernd zu Boden fiel… „Link!“, schrie Zelda aus Leibeskräften, sackte dann auf den kalten Boden und presste sich die Hände an ihre Augen. Sie wimmerte vor sich hin und die schrecklichsten Ängste loderten in ihrem Inneren hoch. Was, wenn Ganondorf Link genauso folterte wie sie? Was, wenn Ganondorf Link das Fragment raubte? Was, wenn er ihn tötete? Weitere heiße Perlen bildeten sich in Zeldas saphirblauen Augen. Ihr blondes Haar hing zerzaust und verschwitzt über ihren Schultern. Vermischt mit Dreck und Blut in ihrem Gesicht, sah die junge Prinzessin das Ende der Welt geschehen. Feuer würde die Welt einnehmen. Die letzten Menschen würden um ihr Leben winseln, bis es ihnen von dämonischen Kreaturen aus den Adern gesaugt wurde. Und sie, als einstige Prinzessin wäre wieder allein. Allein… Und Link… „Link…“, wimmerte sie, verkrampfte sich, krümmte sich zusammen und ließ einen lauten Verzweiflungsschrei aus ihrem Mund stoßen. Sie klopfte mit den Fäusten auf den Boden, hasste ihr verfluchtes Fragment, weil es sie verlassen hatte, hasste sich selbst und diese unfaire Welt… Warum kämpfte niemand? Warum kämpfte nur Link? Das laute Hecheln Ilonas ließ die Prinzessin aber dann aufhorchen. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und lief sich selbst umarmend zu der Dienerin Ganondorfs, die um ihr Leben keuchte. Sie lebte noch… auch wenn sie wusste, dass das wenige Leben in ihr in wenigen Sekunden oder Minuten vergehen würde. Auch sie weinte, weinte heftig, weil es das einzige war, was sie noch tun konnte. Sie konnte sich nicht einmal bewegen, zerfetzt war ihr gesamter Rücken und neben dem Blut floss das Leben aus ihrem Körper. Versickerte und verschwand… Aber sie spürte keine Schmerzen mehr, sie spürte nichts mehr, was ihren Körper betraf. Sie spürte ja nicht einmal mehr ihre Tränen auf den Wangen. Sie wusste, dass ihre Wirbelsäule kaputt war, sie wusste, dass ihr gesamter Körper entstellt war. Wie lohnte Leben dann noch, wenn man nichts mehr tun konnte? Traurig kniete Zelda neben Ilona nieder und tupfte deren Tränen von den eingefallenen Wangen. Ilona wollte etwas sagen, aber sie konnte nicht. „Sch… Still…“, sagte Zelda leise und nahm Ilonas Hände in ihre eigenen. „Es ist okay, du bist nicht allein. Und du sollst nicht allein in die andere Welt finden, Ilona…“ Zelda sprach ihre Worte leise und mit Bedacht, las in Ilonas Augen die Angst, zu sterben. „Hab‘ keine Angst… Link wird uns retten, auch dich…“, sprach Zelda, mit aller Kraft und Hoffnung, die sie noch aufbringen konnte. Ilona versuchte wieder ihre Stimme zu erheben, aber es war nur ein undeutliches Gefasel, welches aus ihrem Munde entwich. „Du hast immer alles getan, um eine andere zu sein, als die die du warst…“ Mit viel Gefühl sagte Zelda diese Worte, aber nicht vorwurfsvoll, sondern anteilnehmend. „Glaub‘ mir, ich kann das sehr gut verstehen… auch ich wollte nie die sein, die ich war…“ Auch Zelda weinte wieder. Sie weinte für Ilona, in deren trüben Augen nun eine Dankbarkeit stand, die sie noch nie zulassen wollte. Ilona begann kläglich zu schluchzen und die schwarze Maske zersprang, die teilweise ihr Gesicht bedeckte. Zaghaft küsste Zelda Ilonas Stirn, und noch hatte sie eine kleine Aufgabe für sie. Noch konnte sie ihr einen Dienst leisten. Wieder tanzte der kleine Wurfstern in den Lüften, umrahmte sich aus seinem Inneren heraus mit goldenem Licht und die Waffe schmolz dahin, verwandelte sich in ein Licht, welches bestehen würde. Der Stern tanzte nieder und sank in Zeldas Handinnenfläche. „Es sei dein Licht, Ilona… Zahle es als Pfand, um dorthin zu gelangen, wo du Frieden findest… in eine bessere Welt… eine Welt, wo du glücklich wirst…“ Der Stern schwebte von Zeldas Hand und sank hinein in die leblose Handinnenfläche der Schülerin. Sie schluchzte wieder, doch nun schwand allmählich ihr Atem… „Hab‘ dank, Ilona… Leb‘ wohl…“, sprach Zelda mitfühlend und mit dem goldenen Stern in Ilonas Hand verblasste auch sie, bis nichts mehr von ihr blieb. Das Böse hatte sie genommen… und das Gute würde sie auffangen… Das Gute würde ihr Beschützer sein, dort nach diesem Leben. Ein Beschützer auf ewig… Kapitel 119: Der Reiz des Sehens -------------------------------- Danke für die liebe Kommis bisher... Ursprüngllich war das folgende Kapitel um einges länger, aber ich habe den nächsten Part in ein extra Kapitel gepackt... weil es einfach angenehmer zu lesen ist. Hoffe, auch dieses Kapitel sagt euch zu. Grüße Faylen7 ____________________________________________________ „Das Schicksal spielte immer seine Spielchen mit uns… und es spielt sie noch… Wir liebten es, jenes großartige Schicksal, das goldene, große Rad, wo sich unsere Seelen trafen. Das eine Gesetz, das über allem steht. Das Schicksal, von dem so vielen Schriften erzählten. Wir liebten unsere teuren Seelen und vergaßen doch unsere Sehnsüchte. Begierde nach Freiheit. Streben nach Vergänglichkeit und einem Ende des gnadenlosen Kampfes, den wir doch selbst wählten… Warum sind wir die Besitzer solch teurer Seelen, die den Frieden niemals finden sollen? Warum sind wir geboren für den einen Kampf um das Triforce? Unsere Seelen zerbrechen eines Tages daran, das würden sie, wäre nicht der eine Weg noch offen… Nur ein Weg. Ein kleines Gleis. Mehr bleibt uns nicht… Vernichtung ist ein viel zu schönes Wort für das Ende, welches uns doch bevorsteht… Überall liegt das Ende… nur dort, wo der Schicksalsbaum noch seine Blätter trägt und im Verlauf der Jahreszeiten jene verliert, besteht noch Hoffnung… dort, wo die Zeit sich durch Blut dreht… Zeit durch Blut… Leben durch Ende… Frieden durch Vernichtung… Und Liebe durch Hass…“ Andenken an Zeruda… Mit Tränen in den saphirblauen Augen stand die Prinzessin des Schicksals an einem vergitterten Fenster in der schwebenden, kalten Kirche. Ihre Gedanken wurden schwer, ihr Herz litt. Von hier oben wirkte die Welt so unwichtig… der eisige Wind, der um den Planeten tobte, unwichtig… Die vielen herbstlichen Blätter der sterbenden Bäume unwichtig. Die verdorrten Wiesen jenseits der Stadt unwichtig. Die leeren Städte, wo die vielen Untoten wandelten. Allesamt unwichtig. Und das aufbrausende Meer, das die Kontinente voneinander trennte. Mehr als unwichtig… Alles, was im Augenblick noch zählte war das Böse… und das Ende… Weitere Tränen tropften über Zeldas Wangen. Unabsichtlich wischte sie sich mit der rechten, blutüberströmten Hand jene aus dem Gesicht und verlieh ihrem Antlitz damit ein unheimliches Rot… Musste sie endlich akzeptieren lernen, niemals das Glück zu finden, welches sie so sehr begehrte? Musste sie sich endlich damit abfinden, als Prinzessin Zelda immer nur Leid ertragen zu müssen. Alles, was sie sich je gewünscht hatte, war Frieden. Einen wahren inneren Frieden und den Frieden ihres eigenen Landes… War das so falsch? Erbost und wütend, dass sie nie das bekam, was sie wirklich wollte, begann sie an das Fenster zu schlagen. Oh ja, endlich war auch sie einmal selbstsüchtig. Endlich platzte der Knoten in ihr, der sie immer an Genügsamkeit und Aufopferung erinnert hatte. Endlich war sie egoistisch. Sie wollte verdammt nochmal glücklich sein… wollte, dass alles vorbei war… wollte, dass es Link gut ging… Mehr verlangte sie doch nicht. War das zu viel? „Ist das zu viel?“, brüllte sie, so laut und standhaft wie sie nur konnte. „Antwortet mir, Götter Hyrules und Götter der Erde! Antwortet mir verdammt nochmal!“ Sie wusste, dass ihr niemand antworten würde, aber ihr Gefühlsausbruch kühlte die Wut und das Unverständnis über den Fortgang der Ereignisse ein wenig. Vorhin erst war sie mit einer Fackel in der Hand die Treppenstufen hinab in die Krypta geschritten, hatte auch den Zugang gefunden, wo Link vorher die Nachkommen Ganondorfs aus dem Weg geräumt hatte, aber nirgendwo war eine Spur von Link oder von Ganondorf. Sie ahnte, dass sich hier in der Kirche irgendwo noch ein geheimer Zugang an einen anderen Ort befinden musste, aber wo? Sie wand ihr verweintes Antlitz zu dem Altar, wo ihr erstmals das schwarze Bild auffiel, welches einen Zugang nach Hyrule hütete. Konnte es sein, dass Ganondorf und Link ihr weiteres Duell in Hyrule austragen würden. Jedoch würde eine Sache der erschöpften Königstochter dann seltsam vorkommen, wenn dem so wäre. Wozu sollte Ganondorf die Kirche weit über dem Boden schweben lassen, wenn er mit Link an einem anderen Ort kämpfte? Inzwischen fiel der Regen erbarmungslos. Weinende Unwetter über der Welt als Zeichen des Niedergangs… ein letzter Atemzug von Mutter Natur. Ein unnötiger Versuch die Welt reinzuwaschen, die auch vor der Machtübernahme Ganondorfs aus so vielen Dämonen bestand. Blitze erhellten kurzzeitig die alte Kirche, ließen Zelda aufhorchen, ließen das Blut in ihren Venen schneller fließen. Langsam trat sie von dem Fenster weg, umarmte sich selbst, als es in dem Gebäude so kalt wurde, wie noch nie zuvor. Ein weißer Nebel bildete sich vor ihrem Gesicht, genau dann mit stetigem Atemzug… Nebel und Kälte… Dunkelheit und Siechtum… Zaghaft trat sie zu dem schwarzen Bild, welches Dins Kräfte geraubt und absorbiert hatte. Sie spürte noch deutlich Ganondorfs Aura in der Nähe des Bildes, aber das musste nicht heißen, dass er Link irgendwohin verschleppt hatte. Sie traute sich nicht eine Hand auf das Bild zu legen, um zu testen, ob sie eine alte Pforte damit aktivieren konnte. Es würde schmerzen, sie ahnte es, hörte den warnenden Schrei der Göttin Dins schon leise in ihren Gedanken. Ihre Fingerspitzen glitten zitternd zu dem schwarzen Bild, berührten sachte die Oberfläche. Und Zeldas Vermutung, dass es für ihren Körper nicht gesund wäre, dieses Teufelsding zu berühren, bestätigte sich. Es brannte in ihrem Fleisch, in ihren Knochen… Erschrocken wich sie zurück, angeekelt… Angst vor ihren eigenen Prophezeiungen krochen wieder in ihr hoch, auch wenn sie hoffte, die Zukunft von Links Tod mit ihrer selbstlosen Opferung zunichte gemacht zu haben. Was, wenn sie sich irrte, wie so oft… Auch damals erhielt sie ihre Prophezeiungen… aber je mehr sie versuchte jene zu umgehen, umso klarer und realer wurden sie. Ihre blauen Augen schwenkten hinauf an ein zerbröckeltes, ungepflegtes Kirchengewölbe mit morbid aussehenden Gestalten, die den Dämonen aus Hyrule ähnelten. Sie träumte einst immer von diesen Dämonen, die das Königsschloss überfallen würden. Sie träumte, dass sie zusammen mit Impa flüchten würde und Link stand als hilfloser Knabe neben der alten Zugbrücke und sah ihr mit einem besorgten Ausdruck hinterher. Noch heute erinnerte sie sich an diesen Traum, denn er war, obwohl sie alles tat um ihn zu verhindern, wahr geworden. Was, wenn sie sich nur einbildete Links Tod verhindert zu haben? Was, wenn diese Prophezeiung wahr wurde, als er sterbend in ihren Armen lag. Ganondorfs Schwert in seiner Brust. Der liebevolle Ausdruck noch immer in seinen tiefblauen Augen. Erschöpft ließ sie sich auf einer Bankreihe niedersinken, schüttelte den Kopf um diese Gedanken auszuschalten, und stützte ihren schweren Kopf dann auf die Arme… Sie schluchzte und dachte mit großer Angst an Link. Sie wollte noch so viel mit ihm erleben. Tausend Dinge wollte sie noch tun, für die sie bisher nicht die Gelegenheit hatte. Warum konnte dieser dumme Kampf nicht endlich enden? „Ärmliche Prinzessin des Schicksals…“, zischte es plötzlich bedrohlich nicht weit hinter ihr. Zelda schreckte auf, versuchte ruhig zu bleiben, aber drehte sich nicht um. Sie spürte die Kälte jener Aura des Bösen auch so, spürte Gefahr und Bedrängnis. „Was willst du, Ganondorf?“, sprach sie. „Mir sagen, dass Link von deinen Händen zerhackt wurde… Erspar‘ mir das…“ Sie brach in ein ungewolltes Zittern und weinen aus, versuchte sich an einen letzten Strohhalm zu klammern, hoffte, Ganondorf würde ihr widersprechen… Sie hörte sein Stiefelgeklapper. Es klang hinkend und dennoch gefährlich… Wie ein Wurm schlich er näher und musste inzwischen hinter ihr stehen. Dennoch wagte sie es nicht, sich umzudrehen… In dem Augenblick legte sich eine eiskalte Hand an ihr Genick. Die andere strich durch ihr blondes, langes Haar, welches ungewaschen und lieblos an ihr herunterhing. Zelda erschrak, keuchte und stieß ihren Körper nach vorne, brüllte schließlich und fiel zu Boden. Geschwind drehte sie sich um und lag nun zu Füßen des Dämons, den sie mehr verabscheute als den Tod. Seine Augen, ja seine eisigen, teuflischen Augen… würde sie niemals vergessen können. Selbst nach diesem Leben nicht. Erniedrigt fühlte sie sich, da sie hilflos vor ihm saß, dort auf dem kalten Boden hockend, hilflos ohne Waffen ihm ausgeliefert. Seine vernarbten Mundwinkel zogen sich in die Breite. Er trat ungehemmt auf sie zu, beobachtete mit viehischem Gelächter, wie angstvoll sie vor ihm zurückwich. Ein lächerliches Bild gab sie für ihn ab. Die stolze, anmutige Prinzessin des hylianischen Reiches kroch auf den kalten Steinplatten vor ihm weg. Blutbeschmiert. Ängstlich… Gebrochen… Ihr Gesicht war blutbeschmiert und gestreift, dort, wo ihre Tränen das Blut weggewaschen hatten. Wie benutzt sie aussah… „Sag‘ schon, was hast du mit ihm gemacht? Wo ist Link?“, rief sie energisch. Ganondorf grinste noch mehr, verschwand in einer schwarzen Wolke und tauchte direkt hinter ihr wieder auf. Er kniete nieder und ließ seine rechte Hand über ihre Schultern wandern, strich mit dem Zeigefinger ihre Wirbelsäule entlang. Noch immer ruhte das Fragment der Weisheit ihm nicht untertänig auf seinem Handrücken, blass, verwelkt. Zelda krallte sich sofort den anderen Wurfstern und schmetterte ihn in Ganondorfs Gesicht. Er zuckte kurz auf, spürte das Metall, auch wenn es sich nicht wie das Masterschwert in seine Haut bohren konnte. Klappernd fiel er zu Boden. Unbeeindruckt nahm der Fürst des Schreckens den Gegenstand an sich. „Noch immer so widerspenstig, Prinzessin?“ Er grunzte. Zelda krabbelte weiter auf ihren Knien, bloß weg von diesem Widerling, und spürte inzwischen den Drang einfach aufzugeben. Ihre Augen wurden feucht. Denn die Situation war jetzt noch hoffnungsloser als vorher. „Ich spüre den Schweiß deines dummen Gartenzwergs daran…“, zischte der Dämon und warf die kleine Waffe aus einem der offenen Fenster. „Ist das eigentlich alles, woran du denken kannst? Nur an deinen dummschwätzigen Heroen, der es nicht einmal fertig bringt, mich dann zu töten, wenn er die Gelegenheit hat? Und alles nur, weil er mit Ehre kämpft!“ Ganondorf spukte die letzten Worte verächtlich aus seinem Mund. „Ich werde ihm zeigen, was Ehre ist. Ich werde ihm zeigen, wie wertlos sein Mut ist, wenn er Kraft braucht!“ Und erneut teleportierte sich Ganondorf mit seiner schwarzen Magie direkt hinter die erschöpfte Prinzessin, packte sie diesmal an ihren Armen und zerrte sie mit sich zu einem der zerstörten Fenster. Zelda kreischte so laut sie nur konnte und wehrte sich gegen seinen Zugriff, aber wusste doch auch, dass sie keine Chance hatte gegen seine Kraft zu bestehen. Er packte sie am Genick und drückte ihr Gesicht forsch gegen die Eisenstäbe des Fensters. „Schau‘ hinaus, Hoheit!“, hauchte er an ihr Ohr und drückte seinen stahlharten Oberkörper an ihren Rücken. Zelda stieg der Ekel auf. Er roch so gallebitter, war so kalt, dass sie das Gefühl hatte, ihr Körper wollte versteinern. Überhaupt nur von ihm berührt zu werden, war Qual genug. Aber je mehr sie sich wehrte, umso strenger und brutaler griff er zu… „In nunmehr fünf Stunden sind alle Träume der Menschen ausgeträumt… von Westen her wird das Feuer ziehen wie eine Dampfwalze… und es wird alles mit sich nehmen, was noch lebt. Siehst du das Flackern des ersten Feuers im Westen? Siehst du sie noch, die dunklen Wolken aus dem Westen, die deine dreckigsten Kinderträume darstellten?“ Er flüsterte die Worte, aber forderte mit einem starken Unterton ihre Antwort. Verschwommen blickte Zelda in Richtung Westen und ließ ihre Augen dort ruhen. Nichts als Nacht, vermischt mit braunroten, dreckig gelben Farben zierte die Welt. Und dort im Westen wurde das Rot heller, als würde hinter dem tödlichen Gewand des Todes weiterhin die Sonne versinken. „Siehst du noch, Weib?“ Sie wusste, worauf er anspielte. Ganondorf hatte damals schon überall seine Spione gehabt und genau gewusst, dass Zelda die Gabe des Sehens hatte, auch wenn jene Gabe ihrer Seele über viele Jahrhunderte immer mehr verblasst war. „Antworte mir, siehst du noch!“ „Ja“, antwortete sie schwach, kniff die Augen zusammen und begann in ihren Gedanken leise zu Nayru zu beten. „Was siehst du?“ Ganondorf strich mit seiner anderen Hand an ihrer Kehle entlang, spürte, wie Zelda schluckte, spürte, wie ihre Adern vor Anspannung und Angst donnerten. „Nichts…“, flehte sie. Sie wusste, dass ihre Antwort nicht in Ganondorfs Sinn war, aber sie war ehrlich… Daraufhin drückte der Dämon sie nur noch mehr gefühllos gegen die rostenden Fensterstäbe. „Ich warne dich, kleine Hure, treib‘ keine Spielchen mit mir!“, zischte seine tiefe Stimme und erinnerte sie nur gar zu energisch an das, was er wollte. Sein Begehr war Macht. Sein Antrieb die Zerstörung… „Was siehst du!“ Diesmal erhob der Dämon seine tiefe Stimme mit der Gewalt, die er jedem Geschöpf auch am Leib spüren lassen würde. „Sieh!“, zischte er. Zelda zitterte am ganzen Leib, fühlte nun doch Tränen wie Perlen aus Silber über ihre Wangen gleiten und versuchte einen Gedanken zu fassen. Einen klaren Gedanken… „Ich kann nicht auf Kommando sehen!“, murrte sie, dachte an Link und versuchte ihre letzte Stärke mit dem Gedanken an ihren Heroen zu aktivieren. „Einfältig bist du, ärmliche Prinzessin des Schicksals… deine Vorfahren, ja, deine Vorfahrin, die Zelda, die noch den Namen Prinzessin des Schicksals verdiente, sie konnte sehen, war nicht so billig wie du…“ Zelda biss sich auf die Lippe, um nicht ihrem Temperament nachzugeben. Ja, sie hatte in alten Schriften über die legendäre Zeruda gelesen, die erste Prinzessin Hyrules. Und sie wollte nie mit ihr verglichen werden, nicht angesichts der Grausamkeit, die jene Prinzessin des Altertums erleiden musste… „Zeruda… war ihr Name… sie hat mich gehasst… und wie sie mich gehasst hat, noch mehr als du heute… denn ich hab‘ ihr das genommen, was ich dir noch nicht genommen habe…“ Zelda gefror. Er sprach sehr wohl in seinen simplen Rätseln, und doch wusste Zelda sich im Moment zwischen zwei Dingen nicht zu entscheiden… Was war es wert so sehr vermisst zu werden, dass man Ganondorf auf ewig hassen würde? Selbst nach dem Tode noch? Jungfräulichkeit? Zelda lachte in sich hinein, ja, das würde zu diesem Dreckskerl passen! Die wahre Liebe? Link… Die Augenlider der heutigen Prinzessin Hyrules schnellten nach oben. War es das? Hatte Ganondorf Zeruda den Mann ihres Lebens genommen? Das würde bedeuten, dass Link noch lebte… „Du siehst nicht, weil du nicht sehen willst…“, raunte er, genoss, wie sie sich in seinen Händen anspannte und immer mehr ekelte. „Fang‘ endlich an zu sehen, Miststück!“ Seine Aussprache war feucht, so feucht, dass sie seine Spucke an ihrem Hals fühlen konnte. „Nein!“, sagte Zelda stur, schloss die Augen um sich vor dem abzuschirmen, was sie in der nächsten Sekunde erwarten würde. Ohne Vorwarnung legte sich ein öliger Mund auf ihren Hals, biss zu, biss so tief, dass er Blut schmeckte. Sie zappelte, begann zu schreien und rief schließlich verzweifelt nach Link. Aber er würde sie nicht hören, nicht erreichen, wo immer Ganondorf ihn auch hingebracht hatte. Als Zelda das zweite Mal nach Link rief, begann Ganondorf zu winseln und zu fluchen. Es roch nach Rauch und einmal mehr nach verbranntem Fleisch. „Dein Fleisch ist wahrlich so unschuldig, dass man sich daran verbrennt!“, schäkerte er, angetrieben von dem Gedanken, doch tatsächlich eine waschechte Jungfrau vor sich zu haben. „Sieh‘ einer an… hat dein Heroe noch die Finger von dir gelassen?“, lachte er und blickte zu der blutigen Stelle an ihrem Hals. Es gefiel Ganondorf, dass er mit diesem Mal doch tatsächlich den Heroen eins auswischen würde. Er hatte der Prinzessin des Schicksals ein Stückchen Fleisch genommen, genoss, haderte mit der Vorstellung von Befriedigung dieses Erlebnis dem Helden der Zeit unter die Nase reiben zu können. „Nicht ganz, Scheusal…“, raunte sie. Den Gedanken an einige abendliche Stunden im Hause der Götter erinnernd und festhaltend. „Tatsächlich. Und jetzt konzentrier‘ dich und sieh‘!“, sprach er drohend. „Oder ich nehme mir die nächste Stelle an deinem Hals vor!“ Zeldas Schweißperlen vermischten sich mit Tränen, die ihre dreckig gefärbten Wangen hinabflossen. ,Konnte das nicht endlich ein Ende haben… Sie ertrug das nicht mehr. Diese Demütigung. Diese Schmerzen… Zelda versuchte ihr Schluchzen zu unterbinden, aber sie konnte nicht. Inzwischen war es ihr egal, ob Ganondorf sah, dass sie weinte. Sie war eben nicht so stark, wie ihre Vorfahrin aus einem alten Hyrule. Sie war nur eine einfache Prinzessin, die den Namen Zelda bekommen hatte… Was war sie schon ohne Link? Ohne den Helden der Zeit? Wie weit wäre sie denn ohne ihn gekommen? Ihre Augen sanken nieder, hin zu Ganondorfs rechter Hand, die an ihrer Kehle lag. Das Fragment ihres Schicksals lebte auf in ihrer Anwesenheit… Ein schwacher goldener Funke umrahmte es, aber Ganondorf schenkte diesem keine Beachtung. Verzweifelt blickte sie zu ihrem Fragment auf olivgrüner, narbiger Haut, begann in ihren Gedanken mit ihm zu sprechen. ,Komm‘ zurück zu mir…‘ Aber es antwortete ihr nicht, in keiner Weise, in keinem Gefühl und in keinem Wort. ,Bitte hilf‘ mir, ich brauche dich…‘ Es begann kurz zu glühen, aber dann verschwand es wieder unter Ganondorfs dunkler Haut. „Ich sagte, du sollst sehen!“, befahl der Fürst des Schreckens und festigte seinen Griff um ihre Kehle. „Je schneller du arbeitest, umso leichter wird es für dich werden!“ Zelda schluckte angesichts dieser Drohung. Na gut, dachte sie. Er wollte eine Prophezeiung? Er würde eine bekommen! „Du wirst sterben, Bastard, diesmal für immer…“, rief sie laut und wehrte sich wieder gegen seinen Zugriff. „Keine Spielchen mehr, Prinzessin!“, murrte er und drückte ihren Schädel noch ein wenig unsanfter gegen die rostigen Eisenstäbe. „Sieh‘“, hauchte er an ihr Ohr. Sein Atem war kalt. „Sieh‘ die Zukunft, sieh‘ den Tod!“, widerholte er und schnürte ihr ein wenig die Kehle zu. Zelda spürte, wie ihr schwarz vor Augen wurde. Ihre Sinne stellten sich gegen sie, durstend nach mehr Luft… „Sieh‘“, sprach er ein weiteres Mal und da wurde Zelda bewusstlos… Der Wind raschelte bedächtig durch die laubenden Blätter des Herbstes. Und es war sein Geruch, sein einzigartiger Duft nach Freiheit und Magie, der zuerst Zeldas Nase kitzelte. Sie schnupperte, lächelte angesichts des Aromas, welches sie zuletzt auf den großen Wiesen der uralten Steppe genießen konnte. Und als der Wind ihre langen Wimpern streichelte, öffnete sie langsam und verwundert ihre Augen. Sie wusste, dass sie war, dass sie aber nicht diejenige war, die sie sein sollte. Etwas altes erwachte in ihr und sie würde es nicht aufhalten… Sie war nicht mehr Zelda, und doch schlummerte jenes Mädchen irgendwo in ihrer Seele. Sie war gewandert, vollführte einen Seelensprung hinein in ein großartiges Ich. Sie wusste nicht die Vergangenheit oder das Schicksal jener Person, die sie im Augenblick war, aber es war richtig, diesen Sprung hinein in die Vergangenheit zu wagen, hinein in eines ihrer alten Gesichter. Als sie sich orientierte, fand sie sich auf einem grünen Hügel in Hyrules saftiger Steppe wieder. Die Wiesengräser wogen sich im Wind und vom Himmelsdach schien besinnlich und kräftig die Sonne, als hätte sie monatelang nicht scheinen dürfen. Ihr Blick schweifte umher, fand einen sauberen Waldrand nicht weit weg von ihr und hörte sogar das Lachen der Feen von dort erklingen. In der anderen Richtung lag in der Ferne ein Haus an einem Bach und ein Mühlrad drehte sich dort mit ausgewogener Schnelle. Es war idyllisch hier, angenehm. Und von einigen Bäumen fielen leise bunte Blätter, verliehen der Natur die schönsten, prächtigen Farben in allerlei Varianten. Aber eine Kleinigkeit trog das Leben an diesem Ort. Zu den Füßen der Frau lag ein großer Grabstein, verziert mit hylianischen Inschriften. Alten hylianischen Inschriften, die schwer zu lesen waren. Die junge Frau atmete tief ein, erhob ihr stolzes Haupt und da konnte ein Beobachter sehen, dass sie viel Ähnlichkeit mit der heutigen Zelda hatte, sie es aber gewiss nicht war… nicht in körperlichem Erscheinen… Es war eine ältere Frau, die doch irgendwo Zeldas Seele trug. Eine Frau mit tizianblondem, langem Haar, welches geflochten an ihrem Rücken hinab fiel… Ihre Gesichtszüge waren edel, die Haut fast weiß, die Wangenknochen hoch, der Mund blutrot. Ihre Augen blau, so durchdringend blau, dass sie fast schwarz waren… Ein weißes Kleid zierte ihre Gestalt. Einfach geschneidert, ohne jedwede Verzierung. Ein Kleid für besondere Anlässe. Ein Kleid, um den Gestorbenen den letzten Segen zu schenken. Denn in Hyrule entgegen anderer Länder, trug man nicht schwarz um einer verlorene Seele die letzte Anteilnahme zu schenken. In Hyrule trug man weiß, wie die Engel, die im Haus der Götter lebten. Die junge Frau war schön, wunderschön… Aber in ihren Augen, so barmherzig und machtvoll, lag eine tiefe Traurigkeit. Ein Verlust, der ihr Leben nicht so lebenswert machte wie es hätte sein sollen. In ihren Augen lag der Tod… Eine tiefblaue Träne tropfte über ihre Wange direkt auf ihre Handinnenfläche. Bewusst fing sie jene Träne auf, betrachtete die reine Flüssigkeit, fing ihr Glitzern auf, erinnerte… Die Träne wurde zur dunkelblauen Perle. Und ihre dunklen Augen färbten sich himmelblau… „Diese Perle wird mich immer an Eure Augen erinnern…“, sprach sie leise, mit einer sehr angenehmen Stimme. Warm. Zart. Verträumt. Da war Hoffnung in ihrem Herzen. Eine große Hoffnung ihr Herz wieder zu finden, in einem anderen Hyrule, dann wenn die Zeiten nicht so grausam waren. In ihrer Welt herrschte jetzt Frieden. Und doch war jener Frieden für sie leer. Leer. Und einsam… Sie kniete nieder, fühlte das lange Gras unter ihren Knien und las die Inschrift des Grabsteins vor ihrem Antlitz. Besinnliche Worte waren darauf verewigt. „Zeit heilt Wunden nicht, die von Schicksal und Liebe entstehen… Lebe für mich…“ Sachte strich sie mit dem rechten Handballen über die Inschrift als wollte sie einen Menschen mit wonnevoller Berührung verwöhnen. Und als ihre Hand den Grabstein verließ, leuchtete die Inschrift in dem tiefblau der Perle. „Ich lebe für Euch… und für unser Kind, Rinku…“ Mit der andern Hand fuhr sie über ihren nur ein wenig gewölbten Bauch. „Er wird der erste König Hyrules sein… und er wird einen stolzen Namen haben. Auch wenn er seinen Vater niemals kennen wird…“ Sie lächelte zwanghaft. „Rinku… ich vermisse Euch…“, sprach sie leise. „Als der Frieden über Hyrule kam, habe ich für Euch das Heer angeführt, welches mit hellen Klingen in den Frieden geritten ist, so wie ich es Euch versprach. Ich habe Hyrules Flacke in die Höhe gehisst, so wie ich es Euch versprach…“ Sie machte eine nötige Pause um Luft zu holen, den Schmerz in ihrer Brust bekämpfend. „Aber Ihr konntet ein Versprechen nicht halten…“ Sie schluchzte. „Wir hätten nicht ohne Euch siegen können, mein Heroe. Ich werde Euch lieben auf ewig…“, sprach sie leise und hatte dann trotz ihrer Stärke keine Chance ihre Tränen unterdrücken zu können. Sie umarmte sich selbst und ließ den Tränen freien Lauf. Es war dumm, jene unterdrücken zu wollen, wenn sie doch einen so tiefen Ursprung hatten. Und auch Zelda, das Mädchen aus der Zukunft spürte jenen Schmerz, spürte das spannende Herz in Zerudas Körper. Sie war wie verschmolzen mit jener ersten Prinzessin Hyrules… Zerudas Hand wanderte dann von ihrem Bauch an aufwärts, hinauf zu einer besonderen Kette. Und als sie hinabsah, trafen ihre Augen das Medaillon der Mächtigen, welches ausgefüllt mit seinen Edelsteinen um ihren Hals hing. Langsam nahm sie es ab, legte es auf den Grabstein, verschränkte die Arme und begann alte hylianische Formeln zu summen. „Wenn das Ende über das Böse kommt, so kommt es auch über unsere Welt… Findet das Medaillon, meine Nachfahren. Findet seine Edelsteine… nutzt es durch edles Blut…“ Und als sie die Worte beendete, zersprangen die grünen, blauen und roten Edelsteine, schwebten in den Lüften und verließen jenen idyllischen Ort in alle Himmelsrichtungen. Mit einem Schrei öffnete Zelda ihre Augen und fand sich auf einem langen Stein wieder. Einem langgezogenen Stein, der mit einer blutroten Decke geschmückt wurde. Sie kannte jene Steine. Früher standen sie in der Zitadelle der Zeit und die toten Körper wurden darauf verwahrt, wenn Rauru für jene Gestorbenen die letzten Worte sprach und die unsterblichen Seelen in das Reich des Lichts begleitete, wo sie vielleicht wiedergeboren wurden… Noch immer war sie gefangen in der alten Kirche, die viele Hunderte Meter über dem Boden schwebte. Sachte richtete sie sich auf und stützte ihren schweren Schädel an einer Hand ab. Der Traum von eben ließ sie nicht los, schickte ihr einen Kälteschauer über den Rücken und ließ sie im nächsten Moment zweifeln, was er für einen Sinn haben sollte. Und warum wollte Ganondorf, dass sie eine ihrer prophezeienden Träume hatte. Was versprach er sich davon? Sie fuhr sich über den Bauch und konnte auch jetzt noch ein wenig fühlen, in Zerudas Körper zu stecken. Sogar die Traurigkeit war für Zelda fühlbar… diese unendliche Traurigkeit über den Verlust eines geliebten Menschen. Verwundert blickte Zelda umher, hörte Ganondorfs Orgel noch in der Kirche herum werken. Aber sie ignorierte ihn und setzte ihre Fingerspitzen an die Schläfen um nachzudenken. Er hatte ja nicht einmal wahrgenommen, dass sie aufgewacht war. Versunken spielte er seine Orgel und schien auf etwas zu warten… Derweil ließ Zelda ihre zitternden Beine von dem Altarstein sinken und dachte an die schwangere Zeruda in einer anderen Zeit. Sie war es gewesen, die die Steine des Medaillons in alle Richtungen verstreut hatte. Und sicherlich aus gutem Grund. In dem Medaillon musste eine große Kraft stecken, von der nicht einmal die Schriften Hyrules erzählten… Aber was meinte sie mit: ,Nutze es durch edles Blut‘? Als sie dann aber aufstand, bemerkte sie, dass sie etwas an sich trug, was sie vorher nicht besaß. Um ihren Hals hing etwas und es war schwer… Irritiert griff sie daran und erkannte das kostbare Medaillon der Mächtigen. Irgendjemand hatte es ihr überlassen, obwohl es vor Augenblicken noch um Links Hals hing. Aber wie… Wie war es hierher gelangt? Ganondorf bemerkte nun, dass sie wach war und schwebte in seinem pechschwarzen Wolkenfeuer zu ihr hinunter. Schnell verbarg sie das Medaillon unter ihrer Bluse… „Hast du die Zukunft gesehen, Weib? Sag‘ mir, stirbt dein grüner Gartenzwerg?“ Also das war Ganondorfs Begehr? Er wollte wissen ob Link oder er sterben würden? Wie töricht… „Ich werde den Tod nicht sehen, Ganondorf. Ich sehe das Leben… Ich habe keine Zukunft erfahren, Ganondorf, sondern etwas viel wertvolleres…“ Er grunzte: „Und was bitte schön?“ „Wie ich dich vernichten kann, entstelltes Schwein!“ „Widerspenstig wie immer…“ Und damit war klar, dass er ihren Worten nicht glauben würde. Auch wenn Zelda nun das Gespür hatte, das Medaillon irgendwie für Ganondorfs Vernichtung einsetzen zu können. Er leckte sich wie immer über seine Lippen und hängte den Kopf schief. Wie schaffte sie es bloß ihn immer wieder zu reizen? Anziehung. Gewaltige Kraft… „Ich habe ein Angebot für dich, Hoheit!“ Diesmal lachte Zelda. Das war erneut so albern wie Ganondorfs einfältige Denkweise. Wusste er nicht, dass sie sich niemals auf seine Angebote einlassen würde? „Werde meine Königin, Prinzessin, und du hast freie Wahl dorthin zu gehen, wo du hingehen willst. Verbünde dich mit mir und ich lasse deinen schwächlichen Helden am Leben…“ Zelda warf den Kopf zurück und lachte so laut und unecht wie sie nur konnte. Was wagte sich dieses Scheusal noch zu sagen? „Du wagst zu scherzen, Ganondorf? Was würdest du von einem solchen Handel haben?“ Er trat augenblicklich näher und griff mit seiner rechter Hand bedrohlich in ihr goldenes Haar. Angewidert sah Zelda nur zu, fühlte erneut den Ekel von vorhin in sich aufsteigen und hoffte, er würde die Kette über ihrer Brust nicht bemerken. Er zog eine Augenbraue hinauf, was Zelda zu einem weiteren Schweißausbruch führte. Sie biss sich auf die Lippe. Wenn er das Medaillon bemerken würde… was dann? Dann wäre Zerudas Vermächtnis gestorben… „Ich finde dich immer noch anziehend, Prinzessin, selbst in deinen zerfetzten, lumpigen Kleidern.“ Zelda hob ihren Kopf und schaute direkt an Ganondorf vorbei, zeigte ihm damit ihren hoheitlichen Stolz, ihn nicht einmal in die Augen zusehen. „Unwiderstehlich bist du, rebellisch, und gesegnet mit einem unverschämt weiblichen Körper, der jedes Männerherz höher schlagen lässt. Und dein Heroe hat noch nicht von dir gekostet… Dämonen wie ich es bin, bevorzugen deine Natur…“ Seine Hand wanderte hinab auf ihre Schulter und schließlich weiter hinab. Als er ihre Brust berühren wollte, schlug sie ihm auf die Hand und spukte ihm ins Gesicht. Aus seinen Augen brodelte erneut eine gefährliche Wut, die sie nur zu gut kannte. Und es widerte sie an, nach wie vor… „Wer garantiert mir, dass Link überhaupt noch am Leben ist?“, sprach sie dann und trat langsam einige Schritte rückwärts. „Niemand!“, fauchte Ganondorf, tauchte hinab in seine nebligen, dunklen Wolken und stand schon wieder direkt hinter ihr, legte seine Hand an ihr Genick. „Wie ist deine Antwort, Weib?“ Zeldas himmelblaue Augen blickten hinauf an das Deckengewölbe, nur ein Wunsch, es würde den Himmel in seiner Reinheit verkörpern. „Lieber sterbe ich als dein Spielzeug zu sein…“ „Damit hast du entschieden!“ Ruppig zerrte er die erschöpfte Prinzessin an ihren Haaren und schleifte sie zu dem Beichtstuhl, der unbedacht in dem Raum stand. Zelda schrie was das Zeug hielt, strampelte und trat um sich. Aber sie hatte nun endgültig entschieden und keine Wahl mehr… Er sperrte sie in jenen Beichtstuhl ein, schnipste dann mit seinen von Magie geschändeten Fingern und plötzlich öffnete sich für die junge Prinzessin der Boden unter ihren Füßen. Sie fiel und fiel… spürte das Nachgeben der Zeit in ihrem Herzen, hörte die Klänge der Welt, das Rauschen, wie der letzte Atemzug, den das Leben tat. Sie fiel und fiel. Doch der Abgrund, den sie selbst gewählt hatte, würde nicht ihr letzter sein… Kapitel 120: Die Geschichte, die vergessen wurde… ------------------------------------------------- Sooooo... ich hab's geschafft, das Kapitel war wirklich ne Lebensaufgabe... *drop*. Danke für eure Geduld! Und auch hier noch der Hinweis, dass sich das Kapitel irgendwann noch ändern könnte, hängt alles damit zusammen, wie ich den Fortlauf von "Nur ein Spiel" schreibe... Und noch etwas... sobald ich diese Fanfic beendet habe, geht es in "Kampf gegen das Schicksal" weiter. lg Faylen7 _____________________________________________________ Das augenscheinlich elfjährige Abbild des Helden Link saß beinbaumelnd in einer Kammer des Kellers, wo die Weisen im Nebenraum heftig diskutierten. Sei zankten sich beinah aus Sorge um Link, um Zelda und der Welt. Denn noch immer wusste niemand, ob Ganondorf in dieser modernen Welt irgendwie verbannt werden konnte. Der Junge seufzte und dachte an die Worte seines ,Fast-Opas‘, der sich einbildete, er könnte ihn hier einfach einsperren. Er hatte gesagt:, Schlaf‘, mein Junge‘ und dachte wohl wahrlich, er könnte den Zwerg, der sowohl Zeldas Sturheit, als auch Links Rüpelhaftigkeit in sich trug, einfach festhalten. Das Götterkind seufzte noch einmal, gelangweilt von diesem Nichtstun. Er wurde zappelig, und dann baumelten seine Beine vor Unruhe so sehr hin und her, dass sie an das Sofa stießen, auf dem er saß. Er sprang auf und konzentrierte sich auf seine eigenen Mächte, von denen er nicht einmal wusste, woher er sie hatte. Ein Kleid aus silbrigen Funken bildete sich um ihn und transportierte ihn an einen Ort, den er schon vor Ewigkeiten- denn jene wenigen Wochen, die er existierte kamen ihm so vor- betreten hatte. Er teleportierte sich direkt zu den drei Göttinnen, hinein ins Haus der Götter. Als er seine hellblauen Augen aufschlug, befand er sich in jenem hohen Turm, wo seine heilige Erzeugung geschah. Seine kleinen Kinderhände streichelten eine silberne Schale auf einem großen Stein. Heilige Inschriften waren darin verewigt und er kannte sie, konnte jene lesen, da er goldenes Wissen besaß. Das Wissen der Göttinnen, die hier wandelten. „Du bist zurückgekehrt, Vermächtnis der Mächtigen, Kind derer, die auserwählt wurden, immer ein Teil der Kämpfe um das Triforce zu sein“, erklang es säuselnd hinter ihm. Er brauchte sich nicht umzudrehen, wusste er doch auch so, wer hinter ihm stand. Es war keine geringere als die Göttin des Mutes mit ihrem langen grünen Haar und den giftgrünen Gewändern, die ihren Körper einhüllten. „Ja, ich weiß nicht einmal, was ich hier will“, antwortete er und blickte sich neugierig in dem Turmzimmer um. Er betastete jeden Gegenstand und durchwühlte dann eine von Holzwürmern zerfressene Truhe. Schließlich hüpfte er zu der Göttin und schaute sie mit ratlosen großen Kinderaugen an. Die in grünem Samt gekleidete Göttin schlug ihre Kapuze zurück und stechendes grünes Haar fiel an ihren Wangen hinab bis zu ihrer Hüfte. Sie führte einen ihrer extrem langen Zeigefinger an seine Stirn, und las ein wenig in seinem Herzen. „Du bist in Sorge, Kind…“ Er wackelte mit seiner Nase und schüttelte den Kopf. Ihre komische weiße Haut kitzelte auf seiner Stirn, sodass er fast niesen musste. „Link und Zelda sind in der Kirche beim großen Schwein. Das macht mich ganz wuschelig…“, murrte er und rückte seinen wiesengrünen Hut zurecht. Die Göttin kniete nieder und schaute mit ihren giftgrünen Augen in seine. Sie waren schön, edel und freundlich, auch wenn ihre ausgesprochen grelle, grüne Farbe sehr unnatürlich wirkte. „In dir fließt das gleiche Kämpferblut wie in jenen, deren Seelen schon lange geschunden sind. Du willst kämpfen?“ Seine Augen wurden größer und er nickte heftig. „JA“, rief er laut. „Ich kann kämpfen, ich bin immerhin schon elf Jahre alt. Das heißt…“ Er wurde leiser und hängte den Kopf schief. „… der Körper hier ist elf.“ Die Göttin begann zu lächeln und wirkte für einen Moment sehr menschlich auf einen Beobachter. Sie erhob sich wieder und reichte dem Bengel ihre linke Hand. „Komm‘ mit mir. Möchtest du eine Tasse Kakao?“ Klein-Link nickte. „Ich werde dir eine Geschichte erzählen, die in Hyrule noch nie erzählt wurde…“ Gemächlich tapste der Junge mit der Göttin des Mutes den Turm hinab auf dem Weg in die riesige Bibliothek jenes geheimnisvollen Hauses am Horizont eines toten Hyrule. In der hohen Bibliothek im Haus der Götter strahlten gerade die vielen Fackeln und Kerzen in glühendem, grünem Licht. Mit unbemerkbaren Schritten schwebte Farore in die Mitte des Saals und blieb in einem großen goldenen Kreis, der sich wie von Geisterhand auf dem glänzenden Fussboden zeichnete, stehen. Sie reichte dem kleinen Knirps die Hand, worauf er vertrauenssuchend näher tapste. Er ärgerte sich ein wenig, dass seine Stiefel so laute Geräusche hinterließen, hätte er doch gerne solche Sandalen wie die mächtige Göttin. Sandalen, die man auf dem Boden niemals hören würde. Plötzlich hielt sie eine riesige Tasse cremigen Kakao in der Hand, der süß duftete und heftig dampfte. Mit ausgestreckten Armen rannte der Bengel auf die Tasse zu und befand sich nun ebenso in dem großen goldenen Kreis. Er trank einige Schlucke von dem Getränk, betört wie lecker es war, und bemerkte erst, als er es leergetrunken hatte, dass auf dem Boden ein großes Licht in Form eines schwachgrünen Triforce leuchtete. Verwundert sah er auf und in jenem Kreis zogen plötzlich die erschreckendsten, aber ebenso die faszinierendsten Bilder ab. Hologramme, die Hyrule wiederspiegelten, wie es einst war und irgendwann sein würde. Es war die Entstehung des alten Landes, welches der Knirps verfolgen konnte, sowie einzelne Kämpfe bis hin zu verbitterten Schlachten von Hylianern gegen Dämonen, Hylianern gegen sich selbst oder gegen andere Einwohner Hyrules… Klein-Link sah alles. Er sah den Beginn und das Ende. Verwundert drehte er sich um seine eigene Achse und blickte direkt in das Gesicht eines Helden Hyrules, der früher einmal gegen Ganondorf kämpfte. Er war sehr jung, vielleicht so alt wie Klein-Links Körper und in seiner Hand hielt er das Masterschwert. Aber es war nicht der Link, der heute in Schicksalshort lebte. Es war eine frühere Reinkarnation. Er führte sein Schwert mutig und verschwand in geheimnisvollen Nebeln, die das von Farore gezauberte Hologramm bildete. Und dort erschien ein weiterer Held. Der Held des Triforce, der einst in die Schattenwelt eintauchen durfte, mit demselben Schwert in der Hand zog er an Klein-Links Augenwinkeln wie ein Luftzug vorüber. Einige Links zeigten sich und verschwanden wieder. Der Held des Twilight. Der Held des Windes. Und ein neuer Held, der noch keinen Titel trug… Fasziniert blickte der Bengel in die Augen seiner Lieblingsgöttin, die auch ohne viel Zutun, seine Fragen und weiteren Gedanken einsehen konnte. „Sind sie nicht großartig?“, sprach sie säuselnd. „Die Helden, die Hyrule immer ins Licht geführt haben, sie sind die großartigen Wundernisse einer Welt, die am seidenen Faden hängt. Einer Welt, die abhängig ist von gnadenlosen Kämpfen um das Triforce… Aber er ist immer ein Teil der Kriege, lebt so viele Leben ohne begreiflichen Sinn, leidet und mit ihm erkrankt seine Seele.“ Mit großen Augen schaute der junge Link wieder zu den Projektionen der Vergangenheit und Zukunft. Auch die vielen Zeldas, die es einst gab, und irgendwann geben wird, erschienen. „Sie ist wunderschön… immer, wie es in ihrer Seele liegt“, sprach die Göttin leise. „Ihre Seele verehrt Hyrule wie als wäre es ein menschliches Wesen. Und mit jeder Narbe, die das alte Land zu tragen weiß, stirbt ein anderer Teil von Zeldas Seele. Sie erkrankt…“ Gebannt schaute der Bengel wieder zu den grausamen Bildern, die ein totes und ein anderes Mal ein blühendes Hyrule zeigen. Und zum Schluss wurde ein Bild des Dämons, der immer das gleiche Gesicht tragen würde, lebendig. „Und der Teufel, der sich nach der ultimativen Macht verzehrt… er hat seine Seele bereits verloren. Sie war einst erkrankt und ist nun tot.“ Klein-Link wunderte sich, war ihm noch nie in den Sinn gekommen, dass der Fürst des Schreckens tatsächlich einmal ein Mensch mit vielen Gesichtern gewesen war. Gewiss, er war einst König. Er hatte ein Volk, hatte Ziele und Bedürfnisse. Doch gerade an letzterem hatte er sein Verhängnis gefunden… Und Klein-Link würde Ganondorf niemals eine Träne nachweinen. Er hatte sein Schicksal selbst gewählt. Aber warum sprach die Göttin des Mutes davon, dass auch die Seelen von Zelda und Link irgendwann an dem Triforce und den Kämpfen in Hyrule erkranken würden? Plötzlich funkelte auf der Projektion in dem Kreis das Triforce hell und klar. Es wurde größer, näherte sich dem Götterkind mit Schnelligkeit, bis es durch ihn hindurch wehte und verblasste. „Die Seelen, die dem Triforce dienten, fragten sich immer wieder, warum die Welt, die sie liebten, nun nicht mehr als ein Spiel ist, um menschliche Gemüter zu erfreuen… Auch wir stellten uns jene Frage, die das Schicksal zu verantworten hatte, wussten wir doch die Antwort lag in Hyrules Sinn, in Hyrules Ursprung und in seinem Weg…“ Die Stimme der Göttin wurde milder, während sie sprach und vielleicht sogar traurig. „Eine Welt wie Hyrule darf nicht sein, Kind der Götter…“ Klein-Link zwinkerte bloß, war er doch noch zu jung, um zu verstehen, welche Wahrheit Farores Worte ankündigten. „Hyrule war ein wunderschönes Land. Mit vielen einzigartigen Geschöpfen. Es war eine Kreation, die viele andere Kreationen in den Schatten stellte. Aber es hatte einen sehr, sehr…“ Ihre giftgrünen Augen sanken hinab zu denen des Jungen. Erneut kniete sie nieder und packte ihn an seinen Armen. „… sehr bitteren Preis… Hyrule darf nicht länger atmen, nicht einmal mehr irgendwo an einem Ort, wo kein Wesen hinfindet.“ Klein-Link verengte seine Augen. „Worauf wollt ihr hinaus?“, meinte der Knirps gelangweilt. „Hyrule ist doch schon verblasst. Es ist tot.“ „Nein, das ist es nicht ganz. Es ruht… es schläft… und es existiert in anderen Zeitpfaden, und das Triforce existiert weiterhin, sowie die Seelen aus Hyrule sich erinnern und zueinander fanden. Wäre es vollkommen tot, wären jedwede Lebenssäfte aus Hyrule entwichen, hätten die wiedergeborenen Weisen es niemals erwecken können. Ganondorf hätte nicht bekämpft werden können. Ganondorf hätte ja nicht einmal mehr ein Gesicht.“ In dem Moment platzte dem jungen Link irgendwie der Kragen. Er wusste nicht warum, aber er fühlte sich ganz plötzlich irgendwie zornig. Was wollte diese Göttin von ihm? Warum erzählte sie ihm das? „Es tut mir so leid, Kind der Götter…“ „Ich bin nicht euer Kind“, sprach er trotzig. „Ich werde irgendwann das Kind von Zelda und Link sein. Ich will, dass sie meine Eltern werden!“ Es war sein Wunsch, aber die Göttin ihm gegenüber wusste auch, dass jener Wunsch sich niemals erfüllen würde, wenn der einzige und letzte Ausweg gegangen wurde. Er drehte sich um und murrte: „Und was tut dir leid?“ „Um Hyrule endgültig zu vernichten, gibt es nur einen Weg… und dieser Weg hätte alle Seelen, die in Hyrule einst entstanden, entzweit. Dieser eine Weg hätte den Göttern ihre Macht genommen. Deshalb lag es nicht in unserer Macht. Man darf das eigene Leben nicht nehmen, wenn man es sich selbst nicht geschenkt hat.“ „Welcher Weg?“ „Ahnst du es nicht bereits?“ In dem Kreis, wo Farore mit dem Jüngling stand, zeichnete sich erneut das Triforce. Hell und schön war es. Stark und mächtig. Doch plötzlich wurde es fahl. Es bekam Risse und Falten, so wie alternde Haut sich als Opfer der Zeit veränderte. „Alles ruht, wenn das Triforce stirbt…“ Smaragdgrüne Tränen tröpfelten aus ihren Augenwinkeln. „Darum führe ich dir die Geschichte vor Augen, die niemand wissen sollte.“ Mit sanften Worten begann sie zu erzählen, summte leise und spielte mit dem Wind, der ihre Stimme begleitete. „Die Geschichte, die niemand wissen sollte… sie beginnt in einer alten Zeit. Hyrule war noch sehr spärlich besiedelt. Die wenigen Menschen lebten von den Erträgen, die sie auf ihren Bauernhöfen einnahmen. Das Königreich Hyrule hatte eine dürftige Wirtschaft und wenig Beziehungen zu irgendwelchen Nachbarländern… Denn die Grenzen waren unsicher und großläufig. Großteile des Landes waren noch nicht einmal erforscht, geschweige denn besiedelt. Und doch gab es bereits in jenem kleinen Reich Hyrule eine stolze Burg, eine kleine Königsfamilie und eine Scharr von Rittern und Soldaten, die in der Siedlung vor dem Schloss ihr Leben fristeten. Doch eine Sache in jenem Hyrule war bereits zu diesen Zeiten, tausende Jahre vorher, bemerkenswert. Eine Besonderheit, die sich die Magie des hylianischen Volkes schimpfte. Schon damals besaßen Hylianer eine geradezu erschreckende Freude, Bereitschaft und Talentiertheit im Umgang mit Magie. Wisse, dass die Hylianer damals gänzlich verschieden aussahen als jene, die du heute kennst. Die Ohren waren einst länger und spitzer. Und die Bewohner von damals waren allesamt viel größer als heute. Und fast alle besaßen sie beeindruckende, klare, ja tiefe Augen, die, so fühlte man, in der Seele anderer Geschöpfe lesen konnten. Die meisten besaßen, langes, dickes, blondes Haar und eine Ansehnlichkeit, dass man sie auch als göttliche Wesen bezeichnete. Engel Hyrules. Die Engel, die auf der Erde wandelten… Dennoch stachen aus jenem Volk einige heraus, von denen die Götter wussten, dass sie mehr besaßen als ihre gewöhnlichen hylianischen Fähigkeiten. Zwei Seelen waren so bedeutsam, dass sie erwählt wurden, auch noch in Tausend Jahren zu einander zu finden. Zwei Seelen, die über ein starkes Band miteinander verbunden wurden. Zwei Seelen, die mutiger und weiser waren als die anderen. Und mit ihrem Mut und ihrer Weisheit zogen sie sich an wie Magnete in einem leeren Raum. Wie Gutes und Böses, wenn es aufeinander trifft. Wie ein Kind und Süßigkeiten… Es waren zwei Seelen, die vor Ewigkeiten bereits das Triforce in seiner Gesamtheit beschützten, noch bevor überhaupt an Ganondorf zu denken war… Jene Geschichte soll nun die deine sein, Kind der Götter. Jene Geschichte wird nun in dir sein. Erfahre und vor allem: Lerne.“ Damit hob die stolze Göttin des Mutes ihren langen, spitzen Zeigefinger und schrieb ein Triforce auf die Stirn des kleinen Bengels. Er schloss seine Augen schlafsüchtig, fühlte, wie sein Denken, sein Verstand an andere Orte schwebte. Farore würde ihm den Weg weisen und er vertraute darauf, vertraute auf sie. Er lief zurück zu den Ursprüngen des ersten Links und der ersten Zelda überhaupt… (Ach verdammt, ich tue es schon wieder… ich schreibe die Geschichte in der Geschichte… sry, wenn das Ganze immer verwirrender wird.) Als Klein-Link wieder sah, wusste er, dass ihn niemand entdecken konnte. Er war unsichtbar wie ein Geist, der sich einer Maskerade bediente. Verwundert sah er um sich und fand sich in einem sehr einfältig eingerichteten Raum. Sehr spartanisch und mittelalterlich. Nicht so fortschrittlich wie das heutige Hyrule. Sachte trat er vorwärts, hob eine Kerze von dem einzigen Tisch, der bis zum Anschlag an eine Seitenwand geschoben wurde. Vorsichtig führte er die wärmende Kerze herum und entdeckte einen alten Steinkamin, wo ein Kessel voller Suppe mit Hylanor, einer vergessenen mehrfarbigen Kartoffelart, hing. Rechts davon stand ein Schrank, einfach getischlert, aber das hylianische Königssymbol war darauf gemeißelt worden. Jener königliche Falke, der sich über die Jahrhunderte als Zeichen königlichen Blutes erhalten hatte, besaß Magie. Wenn man ihn anblickte, dann leuchtete er und vielleicht bewegten sich sogar seine Flügel... Überall hingen riesige Pelze von Tieren, die der Bengel nicht beim Namen kannte. Gigantische Pelze von Rindern, die heute ausgestorben waren oder Tigern, die der Bengel nicht unbedingt in echt sehen wollte. Und neben der einfachen Holztür lud ein großes, aber einfaches Bett ein, sich in dicke Decken zu kuscheln. Irgendetwas an dem Ort roch vertraut. Klein-Link wusste nicht, was er war. Es war nicht das Gewürz des Hylanors. Es interessierte ihn auch nicht in dem Maße, dass er eine Bezeichnung dafür finden wollte, und dennoch wurde ihm warm ums kindliche Herz. Er schnupperte noch einmal mit seiner Nase und versuchte den Geruch des Hylanors zu überriechen. Nein, dachte er, noch immer konnte er sich aus dem mystischen, eigensinnigen Geruch in dem Zimmer keinen Reim machen… Er suchte nach einem Fenster und fand ein kleines rundes hinter sich. Zaghaft tapste er heran und erblickte draußen eine düstere, eingeschneite Schneelandschaft. Gewaltsam zog der Schneesturm über das wehrlose Land, rüttelte an großen Bäumen und an kleinen Hütten, die die Straße hinab erbaut wie graue Murmeln aussahen. Wie Murmeln mit leuchtenden Augen. Da bemerkte der Junge, dass er sich ziemlich hoch befand, vielleicht in dem Turm einer Burg oder dergleichen. Bin ich in der Burg Hyrules gelandet? In der Burg eines alten Hyrules? In dem Moment öffnete eines der Geschöpfe aus Vorzeiten die Tür und erschreckte den Jungen so sehr, dass er die Kerze fallen ließ. Und obwohl er wusste, Farore ließ ihn in Unsichtbarkeit wandeln, so fühlte er sich bedrängt. Eine schlanke, lange Gestalt trat hinein und blickte mit strengem Blick unter einer grauen Kutte hervor. Es waren ihre blauen Augen, die der Bengel kannte, die sein Herz zum Pochen brachten und es wieder besänftigten. Und das Unheimliche war, dass sie direkt in seine eigenen Augen blickte, als ob dieser Zauber Farores ein fauler war, den sie spielend durchschauen konnte. Und die Stärke ihrer Augen ließ den jungen Spund einige Schritte zurücktaumeln. Erst nach vielen Sekunden wand sie sich ab und legte ihren Umhang über die Bettkante. Ihre Gestalt war stark und schön, kräftiger als er sie jemals gesehen hatte. Ihre Ohren waren etwas anders geformt, breiter und gleichzeitig spitzer, und die Kleidung jener jungen Frau wunderte ihn. Nicht wie sonst trug sie ein Kleid, sondern lange, schwarze Stiefel, einen kurzen Lederrock und eine tiefrote Gewandung, die ihren Oberkörper fest zuschnürte. Ihr langes tizianfarbenes Haar war durch die einfachste Eisenspange hochgesteckt und auch sonst schien alles an ihr weniger prinzessinnenhaft. Sie wirkte in Eile und ungepflegt, obwohl ihre weiße Haut im Kerzenlicht schimmerte und schon in diesem weitentfernten Damals ein Duft von Rosen ihren schönen Körper umfing. Sie trat misstrauisch zu der Kerze, die auf dem eisigen Steinboden lag und zu dem kleinen Docht, wo das Feuer fast erlosch. Klein-Link japste nach Luft, als sie aufstand und mit ihren strengen blauen Augen direkt auf ihn zu steuerte. Sie griff nach ihm, obwohl sie ihn nicht fassen konnte. „Wer verbirgt sich hier?“, forderte sie und schaute ihm weiterhin in seine kindlichen Augen. Das Götterkind war zu beschäftigt gegen ihren durchdringen Blick anzukämpfen und bemerkte erst im letzten Moment ihre eindrucksvollen magischen Fähigkeiten. Sie schwenkte ihren Zeigefinger und das kleine Feuer der heruntergefallenen Kerze tanzte näher, schwang um ihren Zeigefinger, wuchs und floss wie Wasser um ihren Körper. Plötzlich gab es einen lauten Knall und das magische Feuer sprühte in alle Himmelsrichtungen, steckte den Kamin in Brand und rauchte dort, wo es nicht mehr erwünscht war. Der Junge stolperte zurück und entließ einen Angstschrei, den jene Hylianerin nicht vernehmen würde und wunderte sich immer mehr über diese Frau! Bei den Göttern, die konnte man ja nicht auf die Menschheit loslassen und das sollte eine Vorfahrin der heutigen Zelda gewesen sein? Klein- Link kratzte sich umständlich am Kopf und zwinkerte voller Erwartung. Als sich nach diesem verheerenden Schauspiel magischer Fähigkeiten in dem Gemach immer noch nichts tat und sich kein Wesen ihrer zeigte, schien die junge Dame zufrieden, seufzte und schnallte ihre schweren Waffen von dem Körper. Und was sie nicht alles trug! Dolche in Überzahl. Einen Bogen. Einen Köcher. Zwei Schwerter und sogar einige Wurfsterne. Vermutlich lebte sie in einem sehr gefährlichen Hyrule, dachte Klein-Link. Schließlich riss sie sich die langen Lederstiefel hinab, knackte mit ihren Gelenken und gähnte. Erst da fiel ihm auf, dass sie nicht mehr so jugendlich schien wie die heutige Zelda. Ihre Brust war voller, ebenso ihre Hüfte. Sie war mit Sicherheit zehn Jahre älter, hatte sich aber ihre jugendliche Frische erhalten können. Auch ihr Obergewand fiel zu Boden und schließlich… wand sich der junge Bengel verlegen um und starrte die grauen Steinwände an. In der Minute, wo er wieder einen Blick wagte, trug sie ein langes, gelbweißes Nachthemd aus einfachstem Stoff. Aber es war so dünn, dass man die Faszination ihres weiblichen Körpers sehen konnte, wenn man nur den Blick schärfte. Fuchsrot im Gesicht hoffte der Bengel, sie würde die Kutte überstreifen… Sicherlich, er hatte noch kein Interesse an Mädchen, aber es machte ihn eben nervös, die Vorfahrin seiner „Fast-Mutter“ halb nackt zu sehen. Vielleicht hörte sie seine Gedanken sogar. Denn sie lief zu der Bettkante und erfüllte dem Götterkind den Wunsch. Schließlich begann sie zu summen, platzierte sich auf einem dicken weißen Pelz vor dem Kamin, kämmte sich die Haare anmutig mit einer einfachen Bürste und schien irgendwie auf etwas zu warten. Sanft erklang ihre Stimme und die Strenge, die noch vor wenigen Sekunden ihre gesamte Seele umhüllte, verflog. Sie summte leise und doch laut genug, dass der Junge ihre in einem alten Hylianisch gestalteten Wörter verstehen konnte. Es war ein Schlaflied, ja, er kannte dieses Lied und hoffte noch immer darauf, dass seine Mutter ihm jenes irgendwann singen würde. Die Mutter, die er sich so sehr wünschte… „Like a rivers flow Time will one day show What the meaning is about this… About a place like this… About the dream we lived, About you and me and this destiny…“ Und mit jedem weiteren Wort schien jene Prinzessin von damals der heutigen Zelda ähnlicher zu werden. Es war beinah wie als schmolz die kämpferische Maskerade, die sie sich aufgebaut hatte. Und unter der schmelzenden Schale kam die Seele Zeldas zum Vorschein… „Dein Lied wird unvergänglich sein… und in einem neuen Hyrule wird es deine Nachfahrin noch singen…“, sprach es rau hinter Klein-Links unsichtbarer Gestalt. Überrascht stolperte er nach vorne, drehte sich und schaute dann noch überraschter zu einer Person, die sich anscheinend einfach hierher teleportiert hatte. Vor ihm stand ein ziemlich muskulöser Mann, etwa Mitte zwanzig würde das Götterkind vermuten. Sein dunkelblondes Haar war wild und ungewaschen. An seinem Kinn wuchs ein Dreitagebart. Seine Gesichtszüge ernst und unnahbar, als hätte er schon Hunderte Moblinköpfe ohne Gnade von den Schultern geschlagen und wäre nicht verlegen es bei weiteren Hundert zu tun. Auch er führte unzählige Waffen mit sich und Schnee bedeckte seine breiten Schultern und sein Haupt. Das Götterkind erkannte ihn an seiner grünen Tunika, weniger an seinem eisigen Erscheinungsbild. Er trat dürftige Schritte näher und auf seinem todernsten Gesicht schien ein kleiner Lichtschein die Kälte zu verscheuchen. Für Klein-Link war es ein herrliches Schauspiel und über die Maßen ersichtlich, was die Kälte seines Wesen plötzlich zum Einstürzen brachte. Denn der Mann starrte zügellos und nahezu unanständig zu der Prinzessin, die doch noch keine war… Klein-Link hastete daraufhin in die Ecke, wo das Bett stand und beobachtete die beiden von hier aus mit wachen Augen. Farore hatte gemeint, es wäre eine Geschichte, die er als einziger von nun an kennen würde. Er musste zuhören und begreifen… In dem Augenblick trat die Vorfahrin Zeldas auf ihre halbentblößten Beine und blickte den Mann mit einem Grinsen an, dass jeden anderen in die Ohnmacht geschickt hätte. Ihr Lächeln war nun, da sie nicht mehr die Kämpferin mimte, sanft und mildtätig. „Ich wartete sehr lange schon auf Euch…“ Sie trat immer näher, bis sie direkt vor ihm stand und ihn begutachten konnte. „… zu lange…“, flüsterte sie und hielt eine Hand in seine Richtung. Wie erstarrt blickte der Mann in ihre faszinierenden, klaren Augen und spürte, dass sie ihn mit einem dritten Auge musterte. Magie war eine Selbstverständlichkeit zwischen ihnen. Etwas, was sie sich bewahren wollten und etwas, was sie voreinander niemals verstecken konnten. Sie hielt ihre Hand offen, mit wenigen Zentimetern Abstand über seiner Brust und führte jene in der Luft über seinen Oberkörper, bis sie an seiner rechten Schulter haften blieb, und sich ihr Lächeln in bitteren Zynismus wandelte. „Ihr bevorzugt noch immer das Blut der Todgetriebenen vor meiner Nähe…“, murrte sie. Sie machte eine weitere vollkommene Geste mit ihrer rechten Hand und der Mann ihr gegenüber verlor in einer Sekunde seine vom Schnee durchweichte Tunika, das halbzerfetzte Kettenhemd und ein weißes Unterhemd, an welchem sich unzählige Blutspuren zeigten. Sein nun sichtbarer Oberkörper war übersät von dicken, verquollenen Narben, blauen Flecken und in der rechten Schulter war vor wenigen Minuten ein dicker Pfeil durchgebrochen. Er schwieg zu ihren bitteren Worten. Ja, gewiss, er konnte nicht anders als das teuflische Moblanusvolk in die Verdammnis zu schicken, wenn nötig auch im Alleingang. Wozu sollte er ihr widersprechen, wo sie doch fast immer recht hatte. Und wo er doch immer seine Wege hatte, ihr Verzeihen zu erwirken. „Ihr habt nach mir gesucht?“, sprach er leise. Und seine Stimme klang warm mit jedem weiteren Moment, in dem er bei ihr war. „Ich wünschte, ich hätte es nicht getan…“, sagte sie frostig und legte ihre rechte Hand auf seine blanke Haut, fuhr verträumt hinauf zu der verletzten Schulter und grinste teuflisch. „Euer Eigensinn wird Euch dorthin bringen, wo ihr lieber nicht sein mögt.“ Sie ließ einen Strom heilende Magie in die Schulter wandern, worauf der junge Mann seine Augen zusammenkniff und unartikuliert seufzte. Ihre heilende Magie brannte heute ein wenig. Sie bemerkte sein unterdrücktes Schmerzwimmern und ergänzte sadistisch: „Seid froh, dass Eure Verletzung in der Schulter ist.“ Er öffnete tiefblaue, müde Augen und nahm ihre rechte Hand in seine linke. „Verzeiht mir, Liebste“, sprach er sanft. Sie schnaubte und schlang ihre Arme um seine Körpermitte. „Ich mache mir Sorgen um Euch… unterlasst diese unsinnigen Alleingänge in das Gebiet das Feindes.“ „Unsinnig deshalb, weil ich die Dämonen töte, die unser halbes Volk in den Tod geschickt haben?“ „Nein…“, sagte sie leise. „Unsinnig deshalb, weil dieser Krieg nicht allein auf Euren Schultern haftet, sondern, weil Ihr Gleichgesinnte habt, die Euch zur Seite stehen.“ Tatsächlich ein sehr gefährliches Hyrule, stellte Klein-Link in Zurückhaltung fest. War das Farores Auftrag, fragte er sich? Sich an Hyrules Vergangenheit zu erinnern? Des Mannes rechte Hand wanderte verführend zu ihrem Hals, worauf sie aufsah und ihren Kopf ein wenig in den Nacken legte. „Ihr seid von mir abhängig…“, murmelte er, küsste ihre Lippen und wanderte zu ihrem weißen, unschuldigen Hals. „Und Ihr von mir…“, erwiderte sie. Es hatte keinen Sinn darüber zu philosophieren, das wussten sie beide sehr genau. Seit dem Tag, an dem sie sich trafen, vor zehn Jahren in der kleinen Stadt am Fuße der Burg, hatten sie diese Verbindung gespürt. „Verzeiht mir meinen dummen Dickschädel…“, flüsterte er und umarmte sie innig. „Wie umwerfend doch Euer Dickschädel ist…“, schmunzelte sie. Sie griff nach seinen Händen und pflanzte kleine kurze Küsse über jene. „Da ist Schmerz in Eurem Herzen…“, flüsterte sie. „Nicht genug…“, sagte er kühl und wand sich ab. Sachte trat auch er direkt vor den Jungen, der sich hier als Unbeteiligter versteckte. Und auch der Vorfahre Links starrte ihn fieberrisch an, als ob er genau wüsste, dass er hier weilte. „Wäre es mehr Schmerz, wäre ich nicht so unfähig. Egal, wie viele von diesen Biestern durch meine Klinge sterben. Jeden Tag werden Hundert neue für diesen einzelnen geboren… Es ist einfach nicht genug.“ Sie trat an ihn heran und drückte ihren Kopf an seinen starken Rücken. Sanft nahm sie ihm die grüne, zerschlissene Mütze ab, die seinen Kopf bedeckte. „Ihr wisst, Liebster, eines Tages werden die Kämpfe ein Ende haben. Das Böse wird erloschen sein. Hegt nicht diese Zweifel über Eure Taten. Die Göttinnen wissen, und ich weiß, Ihr tut genug.“ Er seufzte. Wie immer sprach sie ihm Mut zu. Aber er hatte dennoch Angst, dass sein Mut, der das hylianische Heer in die Schlacht führen würde, einfach nicht ausreichte. „Doch der Tag ist noch so fern, wo endlich Frieden einkehren wird. Wie viele Jahre fechten wir nun schon, Zeruda?“ Trübsinniger als vorher blickte sie auf, als er sich zu ihr drehte. „Drei lange Jahre…“ „Und glaubt Ihr, dass wir in noch einmal so vielen Jahren siegreich sein werden?“ Sie schloss die Augen und um ihre Mundwinkel bildete sich ein hoffnungsvolles Lächeln. „Wir werden sehr bald Frieden haben in unserem Hyrule“, murmelte sie. „Aber in vielen Jahren, die über das Land ziehen werden wie ein ahnungsvoller Mitternachtsturm werden neue Kämpfe über Hyrule hinwegfegen. Und in einem nächsten Hyrule werden die Kämpfe ebenso fortgeführt werden. Die Kämpfe um die Macht. Die Kämpfe um das dreigeteilte goldene Wesen…“ „… welches wir mit unserem Blut beschützen“, ergänzte er für sie. Sogleich drückte er sie an sich, als würde es das letzte Mal sein oder als würde er ohne sie sterben. „… und welches unsere Nachfahren noch beschützen werden…“, beendete sie leise. Aha, dachte der Bengel im Hintergrund. Die beiden redeten vom Triforce, beschützten es anscheinend sogar. Und was war mit dem Moblanusvolk? War dies eine Sippe, die mit den heutigen Moblins verwandt war? „Ich fürchte um jene Macht, Rinku“, meinte sie ruhesuchend und roch das Schlachtfeld auf seiner bloßen Haut. „Die Herren über das Moblanusvolk werden versuchen sich seiner zu bemächtigen. Sagt, habt Ihr mit den sechs Erwählten gesprochen?“ „Was macht Euch nur so sicher, dass jene Todgeweihten überhaupt von der goldenen Macht wissen?“ Sie verengte ihre Augen zu Schlitzen, tippte ihn an seine verletzte Schulter und ließ einen warnenden Hauch Macht hindurch gleiten. Er schnappte nach Luft angesichts eines kribbelnden Gefühls, welches durch seinen Schulterknochen rauschte. Streitsüchtig schaute er sie an. „Sicherlich ahnen sie davon. Und ihr wisst doch, dass ich Gegenfragen nicht erdulden kann, Liebster…“ Er grinste und fuhr verträumt durch ihr seidenes tizianblondes Haar. „Unter anderen Umständen hättet Ihr Euch nach Gegenfragen aus meinem Munde gesehnt…“, murmelte er süffisant. Ihr gleichmäßiger, ruhiger Gesichtsausdruck wandelte sich in Schock und Scham. Sie wusste genau, auf welche Intimitäten er anspielte. Sie wich zurück, aber ihr Anvertrauter packte sie sogleich unter der Hüfte und hob sie in die Höhe. „Sprachlos, Zeruda?“ „Nur für einen Augenblick…“, flüsterte sie, schon beinah ängstlich. Indes fielen dem jungen Spund, versteckt auf dem Bett, beinah die Augen zu. Das war so langweilig bisher. Konnte nicht endlich was Aufregendes geschehen? Da war ja ein Selbstgespräch interessanter, dachte er. „Aber es stimmt. Ich habe mit den sechs Weisen gesprochen. Die Sechs, die Ihr erwählt habt, werden das Schwert unter Eurer Führung schmieden… habt Ihr einen Namen dafür?“, sagte der Vorfahre Links. Sie fuhr mit den Fingerspitzen über seine trockenen Lippen. „Es wird dazu geschaffen werden, die baldige Krone Hyrules zu beschützen, die wiederum Hüter des Triforce sein wird. Ja, es soll einen außergewöhnlichen Namen tragen. Es soll, wann immer man es irgendwo hört, dem Bösen Ehrfurcht bieten. Und es soll nur einen Meister haben… Einen Herren auf immer und ewig…“ Fasziniert lauschte er ihren Worten. „Noch in tausend Jahren, so flüsterten die Götter, wird es nur einer Seele dienen. Berührt auch nur ein anderer jene Klinge, so soll er vergehen, so soll sein Körper an jener sündenvollen Berührung zerbrechen…“ Der junge Mann trug sie zu dem Kamin, wo noch immer das kräftige Hylanor duftete. Er drückte sie nieder und rollte sich über sie, um sie zu mustern. Ihre sonst so klaren blauen Augen waren fast weißlich gefärbt, wirkten blind für die Gegenwart, wenn sie ihre Weissagungen von mächtigen Mündern empfing. „Kann eine Berührung so sündenvoll sein, dass man daran zerbricht?“, flüsterte er leise und küsste sie schließlich intensiv. Klein-Link zwinkerte und fand dieses Schauspiel allmählich doch ganz interessant. Er wusste nicht warum, aber er wollte schon wissen, wie es weiterging. Nur, um auch wirklich alles zu sehen, rückte er bis zu der Bettkante und beobachtete die beiden weiterhin. „An jenem Schwert wird eine hungrige Seele zerbrechen, wenn sie seiner nicht gewachsen ist. Denn es hat nur einen Master. Nennt es, das Masterschwert, Rinku“, sprach sie und plötzlich leuchteten ihre Augen wieder blau. „Das Masterschwert…“ „Ja, es soll Euer sein. Auf ewig…“ Seine Augen träumten in ihren, erinnerten Wünsche, die in der Zukunft an den Gesetzen Hyrules scheitern würden. Verblassende Trauer. Eine Zur Schaustellung dieses Teufelsspiels, in dem sie beide gefangen waren… „Ich will nicht dieses Schwert oder jenes Schicksal auf ewig… Ihr seid es, was ich auf ewig begehren will…“, sprach er klar. Sein Blick reichte ihr, um die Tiefe seiner Worte zu begreifen. Gebundenheit auf Ewig. Schicksalhafte Zusammenkünfte in jedem weiteren Leben. Es war zu einfach als länger darüber zu sinnen. Sie wünschte es sich auch. Und wie als besiegelte sie jene Aufforderung eines Zauberspruchs oder Fluches, so stimmte sie ein: „So soll es sein… auf ewig…“ Sie küssten einander erneut, umarmten sich innig und blickten mit trübsinnigen Gemütern hinein in die Flammen eines der ältesten Elemente der Welt. „Zeruda?“, murmelte er leise und legte einen nackten Arm um ihre Schultern. Mit seiner freien Hand nahm er ihre Rechte in seine Hände. „Mmh?“, summte sie, richtete sich auf und rührte mit einer Hand die Suppe in dem Kessel. „Würdet Ihr mir etwas versprechen?“ Sanft erwiderte sie ein stilles Lächeln. Er bewegte sich näher und umarmte sie von hinten. Seine Hände wanderten von ihren Armen hinab zu ihrem gertenschlanken Bauch. „Wenn das Heer Hyrules mit hellen Klingen in den Frieden reitet, werdet Ihr bei mir sein?“ Sie wartete auf mehr als jenen Satz von seiner Seite. „Wenn der blutüberströmte Himmel aufbricht, werdet Ihr…“ Er umarmte sie fester. „… werdet Ihr mit mir gemeinsam das Wappen Hyrules in die Höhe strecken? Werdet Ihr…“ Diesmal machte er eine noch längere Pause und Klein-Link hatte das Gefühl vor Spannung gleich zu explodieren. „Werdet meine Begleitung in den alten Tempeln, die erschaffen wurden um zwei Seelen aneinander zu binden. Seid mein zweites Ich… Seid Mein…“ Sie drehte sich langsam zu ihm, sodass ihre spitzen, langen Nasen fast schon zusammenstießen. „Teilt den Frieden mit mir… die Zukunft… das Haus… das Leben…“ Sie lächelte sanft und drückte ihre warmen Lippen an seine. „Wagt Ihr tatsächlich mich um das Band zu bitten, das uns für immer aneinander schmiegen wird?“ Er schäkerte. „Ich wage nicht nur… Ich liebe und verehre Euch, Zeruda.“ Sie schlang die Arme um seinen Hals. „Es scheint, als hätte ich keine Wahl“, lachte sie. Es war himmlisch, wie das Gelächter eines Engels, der am Himmel tänzelte. „Dann geht Ihr mit mir das alte Bündnis ein?“ Sie grinste ihn herausfordernd an und verzog ihren blutroten Mund zu einer demonstrativen Grübelei, obwohl doch ihre Antwort schon feststand. „Wenn Ihr noch einmal einen Alleingang in des Feindes Herz wagt, dann überdenke ich meine Antwort, die doch zu Euren Gunsten ausfallen könnte.“ „Ist das ein ,Ja‘?“ „Ein ,Ja‘ auf ewig…“ „Auf ewig?“ „Auf ewig…“ Schön, dachte Klein-Link. Diese beiden Turteltauben haben sich also gerade das altertümlichste Versprechen überhaupt gegeben. Aber das konnte doch nicht der Grund sein, dass Farore ihn hierher geschickt hatte! Oder doch? Während das Götterkind über diesem Gedanken brütete und keine Lösung fand, fielen die beiden Frühzeithylianer schon halb übereinander her. Anscheinend stießen sie auf diese Weise auf ihre gerade begangene Verlobung an. „Ich wollte Euch noch etwas fragen, Liebster?“ Er summte ein ,Ja‘ und hielt sie innig fest in den Armen. „Das Triforce. Wo ist zurzeit sein Aufenthaltsort?“ Rinku blickte auf und sah die alte Furcht in ihren Augen. „In der antiken Gruft vor den nördlichen Gräbern… dort, wo niemand von böser Gesinnung überleben kann.“ Sie lächelte. „Das ist sehr beruhigend für mich…“, sprach sie. „… beruhigend im Hier und Jetzt. Denn es wird irgendwann die Zeit kommen, da es gefunden wird. Irgendwann kommt der Tag, an dem es in falsche Hände fällt.“ „Sagt dies nicht, Liebste…“ Ihr Lächeln wurde trauriger. „Aber es ist die Zukunft, Rinku. Unsere Zukunft, nicht die der Gestalten, die wir nun sind. Es werden unsere Seelen sein, die den entscheidenden Kampf führen müssen. Den Kampf, wo alles endet, wo das Triforce sein Ende findet…“ Er richtete sich langsam auf und zog sie tröstend in seine Arme. Es gehörte nicht viel Verstand für das Wesen der Liebe dazu, um zu begreifen, wie ehrlich und aufrichtig seine Gefühle waren... Seine Lippen streichelten die blonden Haare, die ihre Stirn bedeckten. Sie würden jene Berührung den süßesten Tod nennen, könnte man an ihr verenden. „Aber sprecht, Zeruda, ist das Triforce nicht unsterblich. Ist es nicht unzerstörbar als wäre es aus dem härtesten Stein überhaupt gemeißelt?“ „Auch das Triforce besitzt eine Seele, so wie wir… zerbricht diese Seele, zerbricht auch es… es erfüllt die begehrenswertesten Wünsche mit seinem eigenen Herz, aber irgendwo ist es menschlich… irgendwo ist es sterblich.“ Wenn sie sprach, so umhüllte ihre Worte immer so ein leiser Zauber, der ihr Gesagtes, so düster und vernichtend es auch war, mit Licht umgarnte. Rinku wusste, sie hat nie umsonst gesehen. Kein Traum ward vergessen. Kein Leben zu viel... „Verratet mir den Weg... und nur wir beide sollen wissen, was der letzte Ausweg erzählt. Sagt es mir, Zeruda...“ Der junge Mann drückte sie an sich und streifte langsam ihre graue Kutte von den Schultern. „Wie kann man es vernichten? Kann ich Euch besänftigen mir das Geheimnis zu verkünden?“ Sein Lächeln war lustbetont. „Es bedarf einiger Kunst um mich zu besänftigen...“ Seine Linke packte sie forsch am Genick und drückte ihren Kopf langsam nach hinten. Heißhungriger als vorher wanderten seine Lippen über ihren weißen Hals. Als sie seine Zähne spüren konnte, riss sie die Augen auf und schickte ungewollt einen Strahl heller Energie durch das Zimmer. „Rinku...“, atmete sie hastig und sackte nach hinten nieder. „Vertraut mir einfach, Hoheit...“, murmelte er und verwöhnte sie, nahm sich Zeit, wie jede Nacht zuvor. „Wenn ich es nicht täte, dürftet Ihr vieles nicht… und hättet Ihr vieles nie tun dürfen...“ „Vor allem dies nicht?“, scherzte er und lief mit seinen Fingerspitzen von ihrer vollen Brust abwärts, über ihren Bauch zum Nabel. Seine Hand erreichte die Innenseite ihres Schenkels und dann den Saum ihres Nachtgewandes. Zärtlich schob er den einfachen cremefarbenen Stoff nach oben. Klein-Link rieb sich währenddessen die Hände. Vielleicht war es doch nicht so langweilig hier zu sein. Er musste zugeben, dass es inzwischen sehr interessant wurde. Der Bengel lachte herzallerliebst, aufgedreht angesichts einer Spannung in seinem Kopf, die er noch nie erlebt hatte. „Dann vertraut mir auch jetzt... und teilt das Geheimnis mit mir...“ Sie öffnete ihre Augen und blickte ihn verträumt an. „Was zahlt ihr als Pfand für das Geheimnis?“ „Meine Seele auf ewig, Milady...“, hauchte er. „Das ist Pfand genug.“ Sie drückte ihren Liebsten an sich und fuhr über die vielen Narben seines Rückrates. Für wenige Sekunden konnte sie fühlen und sehen, wie er jene Wunden erhielt, die im Jetzt scheußliche Narben waren. Sie fühlte Schmerz, Hitze, hörte seine Schreie, die auf dem Schlachtfeld untergingen. „Rinku, ich wüsste keinen besseren Mann an meiner Seite“, sprach sie. „Und ich wüsste keine bessere in Magie talentierte Adlige, die unser Volk regieren und zum Fortschritt führen sollte...“ Sie lächelte erhaben, wusste sie ohnehin um seine Rechtschaffenheit. „So sei es, Rinku...“ Sie rollte sich mit ihm ein Stückchen über den rauen Steinboden, bis sie auf ihm lag. „Ihr werdet etwas wissen, was mit unserem Untergang niemand mehr wissen soll...“ Sie begann seine Wangen zu streicheln, wanderte über seinen kratzenden Bart zu seinem Mund. An der Oberlippe trug er ebenso eine kleine Narbe. Aber die Hylianerin fand nie, dass eine Narbe ihn schändete, vielmehr waren sie ein Beweis seines Mutes... Als sie von ihm abließ und sich auf ihre Ellenbogen stützte, wusste Klein-Link im Hintergrund noch nicht, dass er nun etwas erfahren würde, was die Schriften in Hyrules Zukunft niemals wiedergeben würden. Sachte führte die Vorfahrin Zeldas ihre Handflächen zueinander, lauschte einem Strom, der machtvoller war als die Magie im heutigen Hyrule, flüsterte, schenkte... Und zwischen ihren Handinnenflächen erschien edel und erhaben das Medaillon der Mächtigen, ausgefüllt mit seinen kostbaren Edelsteinen. Rinku blickte verwundert darauf und dann zweifelhaft in Zerudas Augen. „Was ist das, Liebste?“ „Ich nenne es das Medaillon der Mächtigen...“ Sie nahm es an einer langen, grobgliedrigen Goldkette und ließ es in der Luft vor Rinkus Gesicht pendeln. „Es ist der letzte Ausweg... dann, wenn alle anderen Wege steinig werden.“ Der Mann, der bereits schon ein Held war, tippte das Relikt sorgsam an und beobachtete den Schicksalsbaum in der Mitte der Uhr. „Dieser Baum... gerade gewachsen mit seinem prächtigen Laubkleid... ich kenne ihn.“ Die Adlige in seinen Armen lächelte. „Er stand einst im verschlossenen Garten des alten Königsschlosses... und nun ist er hier verschlossen... in einer unerreichbaren Dimension“, sprach sie ernst. „Wer hat dieses Relikt erschaffen?“, entgegnete er und lief mit den Augen die Zeiger der Uhren entlang. Daraufhin bildete sich in ihren Augen ein Glitzern der Gewissheit. Der Zauber ihrer blauen Augen schenkte ihm die Antwort. „So langsam werdet Ihr mir unheimlich mit Euren gefährlichen Fähigkeiten.“ Sie grinste. „Es war kein einfacher Zauber... es kostete mich neben Zeit und Kraft, auch Überwindung...“ Aber Rinkus Gesichtsausdruck verriet neben Bewunderung zusätzlich Kummer und Angst um ihr Wohl. „Ihr sprecht davon, dass ich mich nicht alleine in das Gebiet des Feindes begeben soll, aber mit Euren magischen Ritualen für Hyrule schädigt ihr neben Eurem Körper auch noch die Seele.“ Missbilligend schärfte er seine Worte. „Ihr macht Euch Sorgen um mich und riskiert so viel ohne Euch womöglich zu fragen, wie viele Sorgen ich mir um Euch mache. Sagt, findet Ihr es übertrieben, dass ich Euch bitten muss, mit jenen gefährlichen Ritualen aufzuhören.“ Sie zwinkerte und schien einige lange Sekunden über seine Worte nachzusinnen. „Zeruda?“, murmelte er und begann ihre Hände zu küssen. „Verzeiht... es scheint, als opfern wir beide mehr als wir geben sollten für Hyrule...“ Er schloss die Augen und bejahte zögerlich. „Nun sagt mir, welche Möglichkeiten eröffnen sich uns mit diesem Medaillon.“ Sie schloss die Augen und eine einzelne Träne bahnte sich den Weg ihrer Wange hinab. „Es wird uns dienen, das Triforce zu vernichten, wenn die Zeiten so düster sind, dass der damit letzte Weg beschritten werden muss. Ein Mensch mit guter Gesinnung sollte in das Medaillon hinein hören, sollte sich ihm öffnen... und die drei Eigenschaften der magischen Steine verbünden sich zu großartiger Kraft. Der Träger soll reisen durch Zeit und Raum, soll seine Vorfahren für den einen Kampf rufen können, soll lesen in tiefen Gedanken und Dinge bewegen können. Ferner spendet es Leben, dreht Lebenszeit zurück und verkürzt sie... allein das Blut soll des Medaillons Antrieb sein. Ich möchte, dass Ihr es an Euch nehmt.“ Klein-Link riss sofort seine Augen auf und stolperte wenige Schritte hinüber. Das Medaillon! Es war der Schlüssel. Es war alles, was die Welt retten konnte, indem man das Triforce mit ihm vernichtete. Denn vernichtete man das Triforce, verlor Ganondorf seine Kraft. Und diese ganzen grandiosen Fähigkeiten musste sich der Knirps ebenso gut merken. Und viel wichtiger, fiel ihm ein, er musste dem erwachsenen Link auf der Erdenwelt umgehend diese vielen magischen Nützlichkeiten mitteilen. Das war es also, was Farore ihn erfahren lassen wollte. Doch wie aktivierte man es? Noch ließ Farore ihn hier wandeln. Sollte er noch etwas erfahren? „Aber wenn wir das Triforce vernichten, bezahlen wir den teuersten Preis überhaupt...“, sagte sie leise, schloss die Augen demutsvoll und suchte Halt an ihrem Heroen. Eine weitere, diesmal blaue Träne floss von ihrem linken Augenwinkel. „Ich weiß, Zeruda...“, sprach er gebeugt. Seine Stimme nur ein Nachklang der Schrecklichkeit, die sie eines Tages ertragen lernen mussten. „Aber ist der Frieden es nicht wert, dass auch wir uns nicht mehr finden?“ Er sprach die Worte zittrig und leise, wusste er doch, dass an dem Triforce auch ihr Band gestrickt ward. Sie antwortete nicht darauf, zumindest nicht mit Worten... Sie küsste ihn mit Hingabe, sagte ihm unbewusst, was sie diese Nacht von ihm verlangte. Sie erhoben sich und tapsten Hand in Hand zu dem Bett, ließen sich darauf nieder, streichelten einander in wonnevoller Eintracht... „Das Medaillon… in einem anderen Leben werde ich es Euch wiederbringen“, versprach er, nachdem er die dicke Federdecke über sie beide zog. So wie jede Nacht erschufen sie hier ein kleines Fleckchen Erde, abgeschottet von der Wirklichkeit. Warm und Heilig... „Auf ewig...“, sagte sie leise in dem Begehr zweier Liebender. „Auf ewig...“, erwiderte er, küsste sie und besiegelte auch diese Nacht kostbares Eins sein zweier Liebender. Gespannt lauschte Klein- Link den Worten der beiden Herrschaften und wurde schon beinah tomatenrot im Gesicht, als er verstand, was unter der Decke zwischen Rinku und Zeruda passierte. Gerade in dem Augenblick trug ihn Farores Magie mit sanften Schwingen zurück in einen anderen Teil der Wirklichkeit. Hinein in das Haus der Götter. In die Bibliothek und in den Kreis, wo ein Film sich durch Hyrules Geschichte zog. „Mist!“, schnaubte er laut. „Gerade jetzt, wo es spannend wird! Hättet Ihr mich nicht ne halbe Stunde später zurückbringen können!“ Der Bengel schimpfte schon beinah und blickte streitsuchend und trotzig in Farores forschen Blick. Menschlich wirkend verschränkte sie die Arme und verzog die giftgrünen Augenbrauen. „Mehr hast du, Kind, nicht dazu zu sagen?“ Er schnaufte und zuckte dann mit den Schultern. „Natürlich nicht…“, murmelte er. Die Göttin lachte, hob ihre Hand und auf der Wand, wo die Bilder mehr erzählten als Worte es konnten, zerfiel das Triforce zu Staub und übrig blieb ein Medaillon, welches in seinem Inneren von nun an leer sein würde und keine Uhr mehr das Ticken des Lebens verkündete. „Der letzte Weg, der noch zu beschreiten ist, liegt in der Vernichtung des Triforce. Vernichten wir es, so ist das gesamte Weltenreich von seiner Verderben bringenden Macht geheilt. Aber vernichten wir es, vernichten wir auch alle Seelen, die jemals mit ihm in Verbindung standen. Jeden Hylianer, der einst über das saftige Steppengras wandelte. Jede Fee, die in den duftenden Urwäldern Hyrules umher flog und jeden Kokiri, der von den Feen beschützt wurde. Jeden Goronen, der von seinen schmackhaften Steinen speiste und jeden Zora, der in seinem Element des Wassers tanzte. Die Seelen aller Wesen könnten nicht mehr sein. Und zum Schluss würden auch die Götter sterben, die ihre Macht in das Triforce gelegt haben.“ Klein-Links Augen standen starr. „Aber das geht doch nicht, das kann man doch nicht tun. Das ist doch…“ „Es ist der letzte Weg… und wir, die über allem standen, wussten, dass ein Vernichten des Triforce ohne Zweifel in naher Zukunft geschehen würde. Denn ist das Triforce vernichtet, gibt es keinen mehr, der es für seine Zwecke benutzen könnte. Sehen wir in die Zukunft, sehen wir Nacht und Böses. Der Held kann den Teufel nicht immer stürzen. Eines Tages wird er fallen. Eines Tages wird er fehlschlagen und dann würde sich Ganondorf jeder Welt bereichern, jede Welt zerstören, die er sich aussucht. Es ist Zeit, Kind. Zeit…“ „Zeit?“, wiederholte der junge Link. Farore nickte. „Zeit um zu gehen. Zeit für keine Erinnerungen. Zeit für nichts und niemanden.“ „Aber das ist doch grausam!“, schimpfte Klein-Link. „Dann gibt es keinen Link und keine Zelda mehr!“ Seine kindlichen Gesichtszüge wurden trauriger und er weinte. Er weinte vielleicht das erste Mal, seit dem er erschaffen wurde. Erst jetzt verstand er, was mit dem letzten Ausweg gemeint war. „Und keine Zukunft für ein Hyrule mit Triforce“, ergänzte die in grünen Gewändern gekleidete Göttin. Eine Idee stieg dem Zwerg zu Kopf und er brüllte heftig: „Aber ein Hyrule ohne Triforce, ohne die goldene Macht, hätte vielleicht eine Zukunft.“ „Vielleicht“, antwortete Farore. Und das war es, was dem Bengel ausreichte. „Und das Triforce vernichten wir mit dem Medaillon?“ „Gewiss, es gibt diesen einen Weg das Triforce zu vernichten. Der Weg liegt im Medaillon derjenigen, die die Macht haben…“ „Gut, aber was ist mit euch…“, sagte Klein-Link dann und ballte seine Fäuste. „Wenn ihr schon wisst, dass das Triforce ein Ende haben wird, warum kämpft ihr dann nicht?“ Farore erwiderte nichts darauf, aber in ihren giftgrünen Augen stand eine nahezu menschliche Fassungslosigkeit über die Worte des Götterkindes. „Warum soll immer nur Link kämpfen? Warum kämpft ihr nicht?“ Die stolze Frau ihm gegenüber blinzelte. „Dieser Kampf ist doch genauso euer Kampf…“ Und Klein-Link wurde traurig. „Warum soll Link alleine kämpfen…“ Er wimmerte ein wenig. Sie kniete nieder und packte ihn sehr forsch an seinen Oberarmen. „Als Göttin steht es mir nicht zu, in das Weltgeschehen einzugreifen, aber sei dir bewusst: Er wird Unterstützung haben. Vertrau‘ den Göttern Hyrules, Götterkind.“ Er schniefte. „Hab‘ Vertrauen in Hyrule und dem, was vorher geschah…“ Damit endete sie und sah in ihren Gedanken nach den zwei Auserwählten, die in der Kirche Schicksalshort kämpfen würden. Kapitel 121: Ist Kraft wertvoller als Mut? ------------------------------------------ Mit einem schmerzvollen Schlag landete Zelda endlich auf festem Boden. Die gesamte Zeit hatte sie das alte, kunstvolle Medaillon mit ihrer linken Hand so fest umfasst wie sie nur konnte, hatte gehofft, hatte vertraut. Und doch hatte es ihr bisher keinen Dienst erwiesen… Langsam eröffnete sich vor ihr die Umgebung. Weit war sie gefallen, einen klappernden Schacht hinunter, sogar unter das Erdreich der Kirche, welche teuflisch und beängstigend in den Lüften schwebte. Bis Ganondorf sie schließlich teleportiert hatte. Blinzelnd blickte sie umher und begann zu begreifen, in welcher Lage sie sich befand. Sie war eingesperrt. Wie Vieh verschlossen in einem Käfig, der unter der Kirche mit einer Eisenkette festgeschnallt baumelte. Und mit jedem Windstoß pendelte der Käfig hin und her. Ein kratzender Ton wurde erzeugt, als wollte die Eisenkette brechen und ihr Käfig in die unabwendbare Tiefe stürzen… Hilflos klammerte sich Zelda an die Eisenstäbe und suchte ihre windige Umgebung ab. Und wie der Wind hier oben tobte, so eisig, dass es die erschöpfte Prinzessin fror. „Ist da jemand?“, rief sie, als sich ihre Augen an die blutige Dunkelheit der Umgebung gewöhnt hatten. Doch soweit ihre Augen sehen konnten, erblickte sie nur felsiges Gestein hier unten, auf dem die Kirche thronte. Sie kroch in der kleinen Zelle von einer Ecke in die andere, spürte, wie sich der alte Käfig mit ihrem Körpergewicht tückisch neigte. Sie wusste, dass sie mit ihren Bewegungen das Risiko erhöhte, die rostende Eisenkette zu zerreißen. Sie wusste, dass sie sich nicht bewegen durfte. Und doch war sie im Augenblick so aufgeregt, hier zu hocken, nicht zu wissen, wie sie sich aus dieser Misere herausbringen sollte. In dem Moment ertönte Ganondorfs Stimme nicht weit entfernt… Zelda blinzelte wieder und versuchte seine markerschütternde Stimme einem Ort zuzuordnen. Sie blickte hastig um sich. Und entdeckte ihn plötzlich an einem kleinen Ufer, den das Felsengestein bildete. Er hatte etwas in der rechten Hand, was er hinter sich her schleifte. Etwas Grünes… etwas Vertrautes… Zelda rief panisch Links Namen und griff fester an die Gitterstäbe. Sie war mehrere Meter weg von ihm, keine Chance ihn nur ansatzweise zu erreichen… „Link!“, brüllte sie. Ganondorf blickte mit breitem, kaltem Grinsen in ihre Richtung und ließ den bewusstlosen Heroen unsanft auf den staubigen Boden krachen. „Keine Sorge, Prinzessin, er wird zu sich kommen, die Frage ist nur wann…“, rief er. Zelda schaute besorgt zu Link. Sein Gesicht verbarg sich vor ihr, lag zu Boden gedrückt und seine grüne Mütze verdeckte seinen gesamten Kopf. „Was hast du mit ihm gemacht?“ „Sagen wir es so… er wollte das Schlafmittel nicht nehmen, welches ich ihm angeboten habe, worauf ich zu anderen Mitteln greifen musste.“ Verzweifelt schaute die Prinzessin des Schicksals zu ihrem Liebsten, rief mehrere Male seinen Namen, aber er rührte sich nicht. „Bin gespannt, ob du ihn zum Aufwachen bringst, wenn ja, dann erkläre ich dir mal sorgfältig dieses Spielchen!“ Ganondorf triumphierte bereits wieder, und wusste, hoffte, dass seine Pläne diesmal Früchte tragen würden. Aus seinem Umhang zauberte er dann eine pechschwarz gemalte Sanduhr, die mit kohlenähnlichem Sand gefüllt war. Er dreht sie um, platzierte sie auf dem Ufer neben dem bewusstlosen Link, als sie anfing abzulaufen. Geschmeidig rollte der Sand durch die Öse und sammelte sich im unteren Bereich der Uhr an. „Ihr habt zehn Minuten…“, begann er, ließ seine rechte Hand nach hinten wandern und stieß einen magischen Strahl in das Felsengestein. Eine violette Tür erstrahlte. Ein möglicher Weg in die Freiheit. „Entscheidet sich dein Heroe dafür, dass Kraft wertvoller als Mut ist, werde ich euch beiden diese Tür öffnen. Entscheidet er sich für seinen Mut, wird mit dem Ablaufen des Sandes der Käfig, in dem du sitzt, in die Tiefe stürzen. Verschlossen bleibt die Tür. Beendet ist euer Schicksal…“ Erstarrt starrte die Königstochter ihren Erzfeind an, konnte nicht verstehen, was ihn zu diesen Taten brachte. Ständig entwarf Ganondorf diese Spielchen um Entscheidungen, von denen er doch eigentlich wusste, wie Link wählen würde. Link konnte und durfte seinem Mut nicht abtrünnig werden. Würde er es tun, wäre das Fragment des Mutes nicht mehr sein… Ganondorf lachte wieder, tauchte hinab in seine pechschwarzen magischen Teleportationsfelder und verschwand. „Ganondorf!“, rief Zelda wütend. „Hör‘ endlich auf mit uns zu spielen, du Schwein!“ Zelda kochte nun vor Wut und schlug mit den verdreckten Händen an die kalten Eisenstäbe. Dann hockte sie sich zusammen und schaute zu Link hinüber, der noch immer ohnmächtig an dem Ufer lag… Aber er war sicher und er lebte. Der Gedanke beruhigte Zelda immens. Auch, wenn ihnen nicht mehr viel Zeit blieb… Ihr Blick fiel zu der Sanduhr, wo der Sand trostlos das Ende der Zeit verkündete… Ein Rieseln im Takt der Zeit. Ein unhörbares Ticken, welches sie beide in die Verdammnis schicken würde… „Link!“, schrie sie dann, ignorierte einmal mehr ihre schweren Augenlider und versuchte sich wachzuhalten. „Bitte wach auf!“, sagte sie ruhiger. Aber er regte sich nicht einen Zentimeter. „Link!“, röhrte sie noch einmal, energischer und da erkannte sie, dass sie ihn so nicht wecken konnte. Und die Uhr zeigte ihr, dass nur noch neun Minuten blieben, bevor der Käfig in die Tiefe stürzen würde. Nein, dachte sie, diesmal wusste sie nicht, wie sie ihren Hals aus der Schlinge ziehen konnte. Selbst wenn Link aufwachte… wie sollte er seinen Mut beweisen, um sie zu retten? „Link!“, brüllte sie, nun verzweifelter als vorher, aber forthin schlief der Heroe mit der grünen Mütze einen unsicheren Schlaf. „Bitte… ich brauche dich…“, sagte sie. Hilflos suchte sie nach einer Möglichkeit ihn irgendwie anders aus diesem ungewollten Schlaf zu reißen. Ihr Blick blieb bei dem Medaillon haften. In Hyrule hatten die Steine mit denen es ausgefüllt war, ständig ihre Fähigkeiten bewiesen, warum nicht auch jetzt? Sachte fuhr sie über den grünen Edelstein, konzentrierte sich ein wenig, aber er brachte sie nicht hinweg. Wohin nur war die Kraft der teuren Steine verschwunden? Lag es daran, dass sie die Kraft der Steine auf der Erde nicht entfachen konnten? Klappernd nahm sie das Medaillon ab. Unabsichtlich tropfte das Blut ihrer Triforcewunde darüber. Dann wickelte sie die Kette um es. Wenn es für sie schon keinen anderen Nutzen darstellte, unwichtig, woran es lag, so konnte sie es als Wurfobjekt verwenden. Es passte sogar sehr großzügig zwischen die Eisenstäbe ihres Käfigs. „Okay…“, murmelte sie und hielt den Gegenstand mit Bedenken in ihren Händen. Sie hatte nur einen Versuch und sie musste treffen. Vielleicht Links Hände, die ausgestreckt auf dem Boden ruhten. Oder seine Schultern, vielleicht auch seinen Rücken, wo noch immer seine Waffen festgeschnallt waren. Sie musste ihn treffen, ihn damit wecken. Unsicher schaute Zelda von dem Medaillon zu den Eisenstäben und dann zu Link. Sie würde werfen, sie musste es werfen… Ihre Gedanken kreisten nun um das eine Glück, um das wenige bisschen Zufall, worum sie bat. Sie betete heimlich zu Nayru, betete für die Zukunft der Erde und für das Licht der Sonne. ,Triff‘, summte sie in ihren Gedanken, als könnte sie dem Medaillon mit ihrer Hoffnung Flügel verleihen. ,Hilf‘ mir, nur dies eine Mal.‘ Sie machte sich bereit. Die Bewegung ihres Armes schien so natürlich und doch irgendwie magisch, nicht von dieser Welt. Das Medaillon verließ ihre Hand, steuerte mit Schnelle zwischen den Gitterstäben hindurch, meisterte die erste Hürde und befand sich in der Luft. Lethargisch sah Zelda dem Gegenstand hinterher, sah ihn wie in Zeitlupe direkt auf Link hinzugleiten, und da wusste Zelda, dass jenes Relikt ihn treffen würde. Mit einem Poltern knallte es nun endlich gegen Links rechte Hand und lag nur knapp daneben. Zelda entließ einen befreienden Atemzug, als es seine Hand berührte, spürte die Erleichterung in ihren Venen hinab sinken. „Link!“, rief sie nun noch einmal, nur noch acht Minuten blieben ihr, bevor der Käfig hinabstürzte. Und in dem Augenblick wanderte seine rechte Hand zu dem Schmuckstück, umfasste es, aber noch immer rührte er sich nicht vollständig. „Link, du musst aufwachen… Die Welt liegt in Trümmern. Die Erde braucht den Helden der Zeit. Die Menschen brauchen ihn und sein Schwert. Deine Prinzessin braucht ihren Heroen, und ihren Liebsten…“ Und da ballte sich seine Hand zur Faust und der junge Heroe entließ einen herzzerreißenden Laut. Man spürte, er wollte kämpfen, obwohl das Schlafmittel in seinen Gliedern steckte, ihn betäubte. Keuchend zog er sich auf seine Arme, richtete sich ein wenig auf und hockte endlich auf allen Vieren. Er hob seinen Kopf an und starrte betroffen, aber beruhigt Zelda sehen zu können, in jene himmelblauen Augen, die er in jedem Leben vermissen würde. Er sah noch immer verschwommen und nicht so deutlich, dass es so war wie vorher. Aber immerhin konnte er trotz der Säure von Ganondorfs Teufelspflanzen überhaupt sehen. War das nicht was? Er atmete tief ein, nahm das Schwert in eine Hand und in die andere das Medaillon. Ein wenig schwerfällig zog er sich an dem Schwert aufrecht und stöhnte verärgert auf. Seine gesamten Glieder taten weh, waren wie betäubt. Und da kamen all seine Erinnerungen wieder… Er wusste noch, dass Ganondorf ihn an eine Wand festgeschnallt hatte, nach einem der unfairen Kämpfe. Sie hatten gekämpft bis zur Ohnmacht… und Link hatte den kürzeren ziehen müssen. Link hatte zu jenem Zeitpunkt vermutet, der Fürst des Bösen wollte ihn foltern, ihm die grausamen Werkzeuge mittelalterlicher Zeiten am eigenen Leibe vorführen, aber seine Befürchtungen bewahrheiteten sich nicht. Alles, was Ganondorf wollte, war, dass Link ein Schlafmitteln schluckte. Ein angebliches Schlafmittel. Doch Link verweigerte, worauf Ganondorf doch tatsächlich die Frechheit besaß, es ihm zu spritzen… Endlich vernahm er auch Zeldas Stimme, die ihn rief. Heftig und laut atmend sanken seine Augen zu ihren, nahmen die Umgebung wahr und Zeldas Bedrängnis. „Link… den Göttinnen sei dank…“ Ihre Stimme klang ein wenig zitternd. „Wie geht es deinen Augen?“, rief sie. „Nicht so wie vorher, aber es wird besser…“, seufzte Link und trat schwerfällig auf seinen müden Beinen an den Abgrund heran. Es würde noch eine Weile dauern, ehe das Beruhigungsmittel, welches Ganondorf ihm vor wenigen Minuten gespritzt hatte, seine Wirkung verlor. „Zelda… bist du okay?“, sagte er und schaute mit einem mulmigen Gefühl über den Abgrund. Der Heroe schwankte ein wenig und trat wieder ein paar Meter zurück. Sie nickte, aber in ihren Augen stand für Link ein Hauch Unehrlichkeit. Dieselbe Unehrlichkeit wie damals in Hyrule… „Liebste… was ist los?“, sagte er dann und versuchte hier am Abgrund soviel Zärtlichkeit in die Worte zu legen wie nur möglich. „Siehst du die Sanduhr dort…“, sprach sie mutlos. Stürmisch schaute Link umher und erkannte, dass der schwarze Sand langsam hinab lief. Sieben Minuten blieben noch… „Wenn sie abgelaufen ist, wird dieser Käfig in die Tiefe stürzen“, erklärte Zelda mit Angst in ihren Augen. „Es sei denn, du entscheidest dich dafür, dass Kraft wertvoller ist als Mut… dann stoppt die Uhr und…“ Link schüttelte ungläubig den Schädel und unterbrach sie. „Und was soll ich tun, um Mut zu beweisen?“ Zelda zuckte ratlos mit den Schultern und klammerte sich dann an die Gitterstäbe. Liebevoll und verträumt sah sie ihn an. „Link… bitte hör‘ mir zu.“ Er ahnte, was sie vorhatte, dass sie sich wieder opfern wollte, aber das kam für ihn keinesfalls in Frage. Er schüttelte erneut den Kopf. „Denk‘ ja nicht, dass ich den Frieden nach diesem Kampf ohne dich erleben will“, rief er und grinste. Zelda lächelte und wischte sich eine Träne von den Augen. „Und was willst du tun?“, sagte sie leise. „Uns trennen mindestens zehn Meter…“ Und wieder war eine Minute dabei zu verrinnen. „Ganz einfach.“ Link lachte sogar ein wenig. „Meinen Mut beweisen!“ Und wie er ihn beweisen würde. Ganondorf würde ihm niemals einreden können, dass Kraft wertvoller war als Mut. Ohne Furchtlosigkeit war Kraft so wertlos wie ein Schwert, dem das Heft fehlte… Ungläubig beobachtete Zelda, wie ihr Heroe einige Meter rückwärts trat und dann auffordernd den Käfig anschaute. „Link, bist du des Wahnsinns? Sag‘ nicht, dass du vorhast über den Abgrund zu mir zu springen. Das ist kein Beweis für Mut, das ist Dummheit!“ Zelda fühlte sich wacher als vorher und stand wieder auf ihren Beinen, sodass sich der Käfig bewegte, in dem sie gefangen war. „Wenn du das wagst, geb‘ ich dir Hundert Jahre lang keinen Kuss mehr! Das ist Irrsinn, Link!“ „Ich liebe dich auch, Zelda…“, lachte er, ignorierte ihre Versuche ihn davon abzuhalten und wusste doch, dass sie sowieso keine Wahl hatte als ihm zu vertrauen. Zelda schluckte und verzog bissig das Gesicht, während inzwischen noch knapp sechs Minuten übrig blieben. Nachdenklich wand sich Link in Richtung der steilen Wände und hatte eine Idee, die sicherer schien als der übermütige Versuch auf Zeldas Käfig zuspringen. Er trat heran an das dunkle Felsengestein und berührte es mit seinen Fingerspitzen, blickte dann hinüber zu der steilen Felswand, die ihn näher an Zeldas Käfig bringen würde. „Link. Tu’ das nicht! Nicht in deinem Zustand!“, rief sie panisch. Sie konnte ihn doch nicht an der Felswand entlang klettern lassen. Was, wenn er nur ein wenig abrutschte? Und das mit seinem eingeschränkten Augenlicht! „Zustand?“ Link grinste makaber und begann sich vorsichtig an der Wand hochzuziehen. Sachte setzte der erfahrene Heroe einen Fuß nach den anderen, tastete sich vorsichtig näher zu seiner Prinzessin. „Ja, in deinem Zustand!“ „Ich bevorzuge den Ausdruck: leichtes Eingeschränktsein der momentanen Heldenfähigkeiten. Hör‘ auf zu meckern, Zelda. Ich hab‘ damals in Hyrule genug Felswände für dich erklommen. Auf die ein oder andere kommt es auch nicht mehr an!“ Plötzlich bröckelten einige Steine hinunter und noch hatte sich Link nicht sehr viel weiter seiner Prinzessin annähern können. Zelda entließ einen panischen Schrei, als Link mit einer Hand abrutschte. Gerade so konnte er sich noch fangen und hing mit einer Hand an einer Kante. „Ich schwöre dir, wenn du abstürzt, wirst du im Himmel vor mir keine Ruhe mehr finden!“ Herzensbrecherisch schaute er zu ihr hinüber. „Wer sagt denn eigentlich, dass ich vor dir Ruhe finden will?“ Sie schaute bitterböse zu ihm hinüber, könnte ihn glatt köpfen, dass er sich hier in der trostlosesten Situation überhaupt solche Späßchen wagte. Aber wäre er nicht so unverschämt heldenhaft, so unverschämt gut gelaunt hier am Abgrund, würde sie ihn vielleicht nicht so sehr verehren… Zögerlich blickte Zelda auf die Sanduhr und stellte fest, dass die fünfte Minute angebrochen war… Das Rieseln des schwarzen Sandes war für sie nun fast hörbar, glich sich ihrem trommelnden Herzen an. „Bitte sei‘ vorsichtig…“, flüsterte sie mehr zu sich selbst als zu ihm. Vorausschauend bewegte sich Link an der steilen Felswand hinüber zu Zeldas Käfig und war endlich nur noch wenige Züge von ihr entfernt. Inzwischen war er ihr so nahe, dass sie sich die Hand geben konnten, würden sie ihre Arme nur weit genug ausstrecken. Link lächelte ermutigend und sagte sanft: „Ich bin gleich bei dir…“ Zelda nickte, und warf wieder einen Blick zu der Uhr. Noch ein wenig mehr als drei Minuten. Und was dann? Wie wollte Link diesen Käfig öffnen, selbst wenn er ihn erreichen konnte. „Zelda… schau‘ bitte mal nach oben oder nach unten. Gibt es an diesem Käfig irgendwo eine Klappe?“ „Moment… ich suche…“ Mit ihren Fingerspitzen tastete sie hier in der rotleuchtenden Nacht den Deckel und den Boden des Käfigs ab. Als sie über den Eisenboden strich, spürte sie jedoch überraschend einen Riss, und daneben fanden sich Schrauben, die in das Metall hineingedreht waren. „Link, hier ist etwas… an der Bodenplatte…“ Sie hatte ihren Satz kaum ausgesprochen, da stieß sich Link mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, an der Felswand ab und segelte anmutig und heldenhaft an den Käfig. Er umklammerte die Eisenstäbe und rutschte dann nach unten. Aber er konnte sich festhalten, spürte das Metall dank seiner Handschuhe nicht so ritzend wie er befürchtet hatte. Der Käfig wackelte bedrohlich, während Link am unteren Bereich hing. Und die starre Eisenkette quietschte als wollte sie sofort auseinander reißen. Erschrocken und ein wenig fluchend krabbelte Zelda zu ihm und schaute so gut es ging zu ihm hinunter. „Alles okay?“ Link grinste und versuchte ein wenig mehr Halt zu finden. „Du hättest mich wenigstens vorwarnen können!“, schnaubte sie. „Hätte ich es getan, hättest du mir wieder eingeredet, es nicht zu tun…“, erwiderte er und schaute sich die Bodenplatte an. Tatsächlich war hier eine Öffnung, die mit fünf fetten Schrauben dicht gemacht wurde. „Zeldaschatz… wie viel Zeit ist noch?“ „Noch knapp drei Minuten…“, sprach sie, nun nicht mehr so aufgeweckt wie vorher. Die Angst abzustürzen kroch wieder in ihr hoch. „Okay, das schaffen wir…“, meinte Link sanft, wollte seine Prinzessin beruhigen, auch wenn er ahnte, dass es knapp werden würde. „Du. Sag‘ mal, du hast nicht zufällig einen Schraubenzieher dabei?“, sagte er dann, blickte hinauf und sah Zelda lächelnd den Kopf schütteln. Wenigstens konnte er sie aufheitern, wenn sie schon hier ihr Ende finden sollten. Link schwang seinen Körper dann ein wenig und bekam einen Riegel an der Klappe mit seiner rechten Hand zu fassen, während er mit der anderen noch an der Käfigkante hing. Vorsichtig nutzte er abwechselnd beide Hände um die Muttern der Schrauben aufzudrehen. Die erste war ziemlich einfach zu beseitigen. Die nächste saß etwas fester. An der dritten biss er sich halb die Zähne aus. Die Mutter war festgerostet. Und nur zwei Minuten blieben ihnen noch… „Link… die Zeit ist fast um…“, murmelte Zelda und haderte zusammen mit ihm. Denn, wenn er es nicht schaffte, würden sie nun beide in den Abgrund stürzen. „Beruhige dich, Zelda… Vertrau mir…“, sagte er und spürte seine Arme schwerer werden. Es war ziemlich schmerzhaft so lange an dem Käfig zu hängen, so lange seine Arme zu beanspruchen… Er nahm den Dolch aus seinem Lederschuh und stieß mit dem Heft der Klinge an die rostige Schraube, während weiterhin die Zeit unaufhörlich weiter tickte. Er stieß einige Mal dagegen und die Schraube fiel entzwei. Nur noch zwei Schrauben blieben übrig. Auch die vierte ließ sich leicht lösen. Doch die letzte saß wieder fest… Die Geduld verlierend schwang er sich zurück, mit beiden Händen an die Kante. „Zelda, ich werde versuchen mit den Füßen gegen die Klappe zu stoßen. Halte dich, so gut wie möglich an den Eisenstäben fest, wenn die Klappe aufspringt, okay?“ „Okay!“, sprach sie mutiger und klammerte sich mit aller Kraft an das kalte Eisen. Link schwang mit seinem Körper ein wenig hin und her, bis er seine Füße gegen die Bodenplatte des Eisenkäfigs prallen lassen konnte. Die Platte bewegte sich ein wenig. Gleichzeitig aber quietschte die Kette an der Decke unaufhörlich. Ängstlich blickte Zelda nach oben, sah wie die Verankerung bereits bröselte. Dann warf sie einen Blick zu der schwarzen Sanduhr und erfuhr, wie weit die Zeit doch schon fortgeschritten war. „Link, wir haben nur noch eine Minute…“, sagte Zelda fieberhaft. Wie sollte sie auch so ruhig bleiben wie ihr Held, der sich einfach nicht aus der Fassung bringen ließ? Link schaute zu der Uhr, die über ihr beider Leben entscheiden sollte und dann in die Augen seiner Prinzessin. Sie war so müde, so erschöpft… Und in einem Anflug von endender Geduld, stieß er die Eisenplatte endlich nach oben. Es polterte und die Platte löste sich endgültig, fiel hinunter in unendlich scheinende Leere. Erst da realisierte Zelda, wie viel Kraft sie der bisherige Kampf gegen Ganondorf gekostet hatte. Sie seufzte. Sie kreischte und hielt sich so angestrengt fest wie sie nur konnte. Dann kniff sie ihre Augen zusammen, als sie spürte, wie ihre Kräfte mehr und mehr nachließen. „Zelda!“ Links Stimme war so eindringlich und doch half sie ihr nicht… „Halt‘ dich fest! Wehe du lässt los!“, brüllte er. Doch in dem Augenblick wollten Zeldas Hände nicht mehr. Sie konnte sich nicht mehr halten. Ihr eigenes Körpergewicht zerrte sie nach unten, so wie Materie ein schwarzes Loch anlockte… Sie hörte nur noch Links Stimme und fühlte dann eine starke Hand, die sie fest, zu fest an ihrem linken Arm hielt. „Zelda!“ Ungläubig und kraftlos sah sie hinauf. Link hing nur noch mit einer Hand an einer Käfigkante. Die andere Hand hatte ihren Arm fest umfasst. „Link… ich…“ Ihre Augenlider klappten zu, während erneut Blut aus ihrer rechten Hand tröpfelte. „Bleib‘ wach! Hör‘ mir zu, Zelda.“ Nach Luft schnappend blickte sie hinauf und sah wie die Sanduhr die letzten Körnchen durchrieseln ließ. Nur noch wenige Sekunden und der Käfig würde in die Tiefe stürzen. „Wir müssen versuchen zu schwingen!“ Und damit bewegte sich Link zuerst langsam und balancierte sein Körpergewicht von einer Richtung in die andere, bis er sich mit den Füßen an der steilen Wand abstoßen konnte. Sie wurden immer schneller, bis das kleine Ufer, wo die violette Tür sie beide retten könnte, nicht mehr weit entfernt war. „Zelda, wenn wir nah genug am Ufer sind, werde ich dich loslassen, du musst versuchen das Ufer zu erreichen! Sei stark, meine Prinzessin…“ Er wurde in den Worten leiser als er sah, dass nur noch fünf Sekunden für ihrer beider Rettung blieben. Und er wusste, dass er es nicht schaffen könnte ohne ein Wunder… Vier. Und Link stieß sich ein weiteres Mal an der gegenüberliegenden Felswand ab. Drei. Der Käfig schwang mit ächzendem Getöse und lautem Gequietschte einmal mehr über den riesigen Abgrund. Zwei. Als der Käfig seinen Endpunkt erreichte, den Wendepunkt, der ihn zurückfahren würde, schwang Link auch die Prinzessin mit und ließ sie los. Zeldas Verzweiflungsschrei vermischte sich mit dem Rauschen des Windes, der die Felswände umfing. Sie schrie, als sie mit einem knackenden, unangenehmen Schlag das Ufer erreichte. Sie schlitterte aufgrund der Wucht einige Meter und war sich sicher, ihre Knie waren noch nie in ihrem Leben so aufgerieben gewesen. Fassungslos blickte sie zu der Uhr, die Ganondorf an dem Ufer platziert hatte. Es kam ihr vor wie eine Ewigkeit als sie Links tiefblaue Augen traf, der sie so liebevoll musterte als wäre alles in Ordnung. Er schwang noch einmal mit dem Käfig zurück. Eins… Niemand konnte verhindern, dass das letzte Korn lautlos durch das schmale Rohr der Uhr schlüpfte… Null… Und alles, was ihm blieb, war ein stummes: ,Ich liebe dich‘, ehe sich die Verankerung des Käfigs löste und er mitsamt des Käfigs nach unten geschleudert wurde. Ungläubig rannte Zelda an den Abgrund und schaute hinab. Nein, dachte sie. Entgegen ihres Verstandes hatte ihr Körper bereits erfasst. Heiße Tränen perlten sich auf ihren Wangen. War das real? War Link abgestürzt? Sie wollte den Gedanken nicht einmal zu Ende denken. Abgestürzt? Sie begann zu zittern und rief seinen Namen in die blutrote Dunkelheit, wollte das nicht glauben, wollte nicht begreifen. Sie krümmte sich zusammen, hielt ihre Arme um ihren Bauch verschränkt und starrte fortwährend in den Abgrund. Sie sah wie ihre kristallenen Tränen der verflossenen Liebe hinterher rannen, sah, wie die Tränen im Nichts verschwanden, so wie Link… „Bitte… ihr Götter, helft mir… lasst dies nicht geschehen sein…“, wimmerte sie. „Warum hilft mir denn niemand!“ Sie begann zu schreien mit aller Wut und Trauer, die sie hatte, begann zu flehen. „Bitte!“ Sie klopfte auf den Erdboden, versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, suchte nach dem richtigen Weg… Sie konnte doch nicht einfach durch Ganondorfs violette Tür treten und ihm berichten, dass er gewonnen hatte, dass er ihr Link weggenommen hatte. Und alles nur wegen diesen dummen Spielchen! Sie begann zu schreien wie ein Kind, verfluchte die Welt, verfluchte die Götter, wie auch die Götter, an die sie einst geglaubt hatte. Zelda stand auf, trat direkt an den Abgrund und schaute in die blutrote Tiefe, ballte ihre Fäuste und trat noch näher… Sie musste Link folgen, nicht? Und weitere zerstörende Gedanken durchfluteten sie. Ohne ihn, was hatte das Leben dann noch für einen Sinn? Sie würde ihm folgen. Sie hatte es versprochen, auch, wenn damit die Welt unterging. Sie musste ihm folgen. Sie überkreuzte ihre Hände für ein letztes Gebet, sprach alte hylianische Formeln, die Schicksal, Liebe und das Leben banden. Sie sprach die Worte leise, ließ jene sich mit ihren Tränen vermischen, dachte noch einmal kurz an Zeruda und ihr Vermächtnis. Als der Wind Zeldas Gebet hinfort trug, und der Wind den Mächten Kunde brachte, die schon lange als vergessen und gestorben galten, rief das Schicksal seine Prinzessin nach Hause. Es flüsterte. Es summte. Und Zeldas heiliges Gebet wandelte sich in einen Chor, den die vielen Mächtigen Hyrules anstimmten. Ein Chor, der die Symphonie des Schicksals trällerte als wäre der Chor mit den Noten verschmolzen. Zelda breitete die Arme aus, bereit zu springen, bereit das Ende zu akzeptieren. Diese Feigheit war eine reiche… Sie dirigierte unbewusst, befehligte den Mächten ihr zu Dienste zu sein. Und das Alte in ihr, das Vergessene, die Macht der Prinzessin des Schicksals brach endlich auf. Nur noch einmal öffnete Zelda ihre Augen, doch sie waren für wenige Momente nicht mehr himmelblau, nicht mehr gesegnet mit Farbbändern des Himmels. Sie färbten sich von blendend weiß zu dem tiefblau von Links Augen, bis sie ihre Augen schloss. Sie trat hinab über den Abgrund, aber sie fiel nicht. Sie trat zwei Schritte vorwärts und wieder einen zurück, begann mit geschlossenen Augen hier in der dunklen Nacht zu tanzen, erinnerte die Tänze in Hyrules Königsschloss, fühlte sich frei, fühlte sich weg von ihren Problemen… befreit von ihrem Schicksal… Ein Lächeln bildete sich auf ihrem ebenmäßigen Gesicht, als der Abgrund für sie nicht mehr fühlbar war… War sie verrückt? Vielleicht war sie das… Und plötzlich erschuf sich um ihren weißen Hals erneut das alte Medaillon, beschmiert mit Zeldas edlem Blut, und der grüne Stein glühte auf, ließ endlich seine Macht frei, ließ sich endlich kontrollieren. Nie zuvor nahm der grüne, nicht der blaue und auch nicht der rote Stein einen vollkommenen Befehl an, doch nun, da sie zurück waren zu ihrem Ursprung. Nun, da Zerudas Vermächtnis endlich seinen Zweck erfüllen sollte und Zelda einem alten Ruf gefolgt war, standen die Steine im Dienst der Mächtigen. Heute im Dienst von Zelda und Link… Als Zelda ihre Augen wieder öffnete, kniete sie nah an der violetten Tür, die Ganondorf erschaffen hatte. Verwundert blickte sie um sich, erinnerte Links Absturz, aber irgendetwas stimmte nicht… Mit riesigen Augen starrte sie zu einem Fleck nicht weit weg von ihr. Ein schmunzelnder, junger Mann saß dort und schaute sie mit einem Ausdruck an, den sie noch nie in seinem Gesicht gesehen hatte. Es war Verwirrung, gewiss, aber auch eine sehr erfreuliche Erleichterung. Und vor allem die Liebe, die er für sie empfand. Er bemerkte ihre Fassungslosigkeit und lachte nur noch umso mehr. Er lachte, weil er sich nicht anders zu helfen wusste. Er lachte aus Hilflosigkeit. Aus dem Unverständnis heraus, dass er nun hier saß und nicht am Boden zu Tausend Teilen zerschellt war. Sie bekam nicht ein Wort aus ihrem verstopften hals, als die Tränen kamen. Aber sie lächelte, lächelte und lachte nun mit ihm. Auf ihren Knien zog sie sich zu ihm, umarmte ihn und haute ihn mit ihrem eigenen Körpergewicht zu Boden. „… Link…“, hauchte sie ungläubig. „Bist du das wirklich?“ Sie wollte seine Wärme fühlen und drückte sich nur noch näher an ihn. „Wie ist das möglich?“ Inzwischen weinte Zelda wieder vor Glück. Er sah auf und hatte eine unglaubliche Dankbarkeit in seinem Gesicht. Noch nie hatte Zelda so klar Links Gefühle aus seinen Augen ablesen können. „Entschuldige, aber bevor ich dir das hier erkläre, brauche ich etwas anderes…“, fing er an, rollte Zelda zu Boden und begann sie leidenschaftlich zu küssen. Es kümmerte ihn im Moment nicht, dass sie beide inmitten eines gnadenlosen Kampfes standen. Vor wenigen Sekunden hatte er in dieser Welt das erste Mal wirklich Todesangst gespürt. Nur um zu wissen, dass er wirklich lebte, und weil er Angst hatte, es nie wieder tun zu können, küsste er sie so zärtlich wie zuletzt in ihrer langen Reise durch Hyrule. Er ließ ihr kaum noch Luft zum Atmen. Es war ihr gleichgültig… unter seinem Bann, wollte sie es sogar vergessen… „Stimmt etwas nicht?“, murmelte sie und legte ihren linken Zeigefinger auf seine feuchten Lippen. Er küsste heute irgendwie so anders als sonst. Sicherlich, es wunderte sie nicht sonderlich, hier in der Gefahr, und doch… Er schüttelte den Kopf, zog sie aufrecht und umarmte sie innig. „Ich glaube, ich bin im wahrsten Sinn des Wortes ein wenig durch den Wind…“, sagte er und lachte. „Ich dachte vor wenigen Sekunden, dass es aus wäre… Ich habe sogar schon den Boden vor meinen Augen gesehen und mich gefragt, wie ich wohl sterben würde… Ich hatte die dümmsten Gedanken…“ Er nahm Zelda nun auf seinen Schoss um noch ein wenig mehr von ihrer Nähe zu haben. „Ich hatte solche Angst dich Ganondorf zu überlassen…“ „Und ich glaube, ich werde verrückt“, sagte sie und blickte ihn mit ihren himmelblauen Augen schamhaft an. „Ich weiß, dass ich irgendetwas getan habe, aber ich weiß nicht was…“ Link lächelte durchdringend. „Nun weißt du, wie ich mich gefühlt habe als ich das erste Mal deine Stimme gehört habe…“ lachte er. „Damals… vor einem dreiviertel Jahr…“ Sie lehnte ihre Stirn gegen seine. „Himmel, ich… ich wäre gesprungen, wenn…“ Und da wurden seine aufgeweckten Augen ernster. „Du wärst mir gefolgt?“ Sie nickte. Sie schlang die Arme fester um seinen Hals, drückte ihren Kopf an seine Brust und lauschte der angenehmen Melodie, die sein Herz wiedergab. Sie wollte einschlafen mit seinem Herzschlag an ihrem Ohr, aber sie wusste auch, dass der Kampf noch lange nicht entschieden war. „Ich will nicht mehr ohne dich leben… ich hab‘ es Tausend Jahre lang getan…“ „Ich weiß…“, murmelte er. Link würde nichts weiter dazu sagen, keine unerwünschten Bilder erinnern. Keinen Kummer herausfordern. „Ich weiß…“, wiederholte er. „Aber ich verspreche dir… dass ich dich nie wieder allein lasse, okay?“ Er nahm ihr Gesicht in beide seiner Hände. „Du hast es verdient glücklich zu werden, Zelda… mehr als jemand sonst. Und wenn dieser Kampf zu Ende ist, werde ich dich ohnehin nicht mehr gehen lassen…“ Sie lächelte leicht und drückte noch einen zärtlichen Kuss auf seine Lippen. Dann wanderte sein Blick zu ihrer rechten Hand. Sie war noch blutüberströmter als vorher. Warum stoppte die Blutung nicht endlich! Bedacht nahm er ihre Rechte in seine Hände und entfernte sachte den Verband. Es sah alles andere als gut aus. Die Wunde war fleischig, nässte und lediglich am Rand des dreieckigen Lochs, wo die Haut noch vorhanden war, bildete sich Grind. „Wir müssen dein Fragment so schnell wie möglich zurückholen… deine Wunde macht mir Sorgen…“ Sie schüttelte ihren Kopf, ignorierte wie immer ihren eigenen gesundheitlichen Zustand. Sie machte sich viel mehr Sorgen um ihn. Sie strich vorsichtig über seine Wangen. „Was macht dein Augenlicht nun, Link?“ „Ich sehe zwar im Moment noch nicht so gut wie vorher, aber auch nicht schlecht… ich spüre, dass dieses Pflanzengift abklingt.“ Zelda lächelte und schaute ihm direkt in die Augen. „Deine Augen sind so tiefblau wie immer… so mutig wie immer…“, meinte sie leise und legte ihren müden Kopf dann auf seine rechte Schulter. Seufzend ruhte sie in seinen Armen. Link wanderte dann mit einer Hand zu dem blutbeschmierten Medaillon auf ihrer Brust und fuhr neugierig über den grünen Edelstein. „Es hat mich gerettet, ich weiß aber nicht, wie man es aktivieren kann.“ „Was genau ist denn geschehen, als du in den Lüften warst, mein Held?“ Link schloss die Augen und drückte seine Lippen gegen ihre Stirn. Er erzählte, während seine Lippen an ihren Augenbrauen entlang streichelten. „Ich hörte Stimmen, einen Chor, der altes Hylianisch sang und plötzlich glühte der grüne Edelstein. Er leuchtete in einem blendenden Licht. Ich spürte, wie mich etwas am Fallen stoppte, wie eine Hand, die mich packte… Das Medaillon verschwand. Und dann wurde ich teleportiert. Und nun ruht es wieder in deinem Besitz, Zelda, es liegt um deinem Hals…“ Sie antwortete jedoch nicht auf ihn, sondern hatte ihre Augen fest geschlossen. „Du musst es gewesen sein, du musst es aktiviert haben…“ Er sah dann zu ihr nieder. „Zelda?“ Er strich ihr über die Wangen und sprach ihren Namen wieder eindringlich. Ihre Augenlider schnellten plötzlich nach oben, aber Link konnte darin sehen, wie sehr der Schlaf an ihr nagte. „Entschuldige… ich bin einfach so müde. Kann der Kampf nicht endlich vorbei sein, ein für alle mal…“ Sie schloss wieder ihre Augen. Sie durfte jetzt nicht schwach sein, sie durfte jetzt nicht aufgeben, aber es fiel ihr so schwer. Sie fühlte sich so energielos… „Schschsch…“, sagte Link leise. „Ruh‘ ein wenig, ich halte dich…“ Sie ruhten wenige Minuten, ließen den Zauber, der sie beide gerettet hatte, aber nicht ausklingen. Ein Zauber geboren aus Mut, nicht aus Kraft… Welche der beiden wertvoller war oder nicht… hatte sich entschieden… Später wühlte Link in seinen Taschen umher und fand ein rotes Elixier. „Trink‘ es… es stammt noch aus der Schlossküche.“ Lächelnd sah Zelda auf. „Du weißt, dass ich von diesen Wundermitteln nicht immer so viel gehalten habe…“ Ja, das wusste er nur zu gut. Gebrauchte man es zu häufig, so sagte man, gewöhnte sich der Körper daran und man könne irgendwann nicht mehr ohne es leben. Trotz allem hielt Link ihr das Getränk unter die hübsche Prinzessinnennase. „Mach‘ eine Ausnahme“, sprach er aufheiternd. „Na gut…“, murmelte sie, konnte sie seinem Angebot ohnehin nicht widerstehen. Dann wanderten ihre Augen zu den Kratzern, die Link selbst bereits trug und es waren nicht wenige. „Aber ich denke nicht, dass es meine Triforcewunde heilen wird… deshalb… lass‘ es uns teilen.“ Prompt legte sie einen Zeigefinger auf Links Lippen, der nur zu gerne mit ihr darüber diskutieren würde. „Bitte, ich könnte es nicht ertragen, wenn du bloß wegen mir deine Kräfte nicht erhalten kannst.“ Ihr Blick war so unbeschreiblich ehrlich und liebevoll, dass sich der Heroe trotz Widerwillen schnell überzeugen ließ. Daraufhin trank Zelda die Flasche bis etwa zur Hälfte leer, fühlte wie Kraft in Form dieser Flüssigkeit in ihren Magen brodelte. Und es dauerte nur Augenblicke, ging jene Kraft über in jede Faser ihrer Arme und Beine, bis sie schließlich in ihren Kopf stieg. Erschrocken riss Zelda ihre Augen auf, fühlte ihr Herz tosend schlagen, fühlte sich aufgeladen, beinah aufgepumpt wie ein Luftballon. Link nahm die restlichen Züge des Getränks und schien es ihr gleich zu tun. Nach der langen Ewigkeit hatte das rote Elixier seine Wirkung nicht verloren und wirkte sogar auf der Erdenwelt. Schnell war Link wieder auf den Beinen und reichte seiner Prinzessin eine helfende Hand zum Aufstehen. Sie nutzte bewusst ihre Linke und spürte selbst durch das rote Elixier keine Veränderung ihrer Triforcewunde… Sie hatte es geahnt. Eine magische Wunde konnte rotes Elixier nicht heilen. Und dort auf ihrem rechten Handrücken fehlte neben der Haut und dem Fleisch noch ein bedeutsames Stück Magie… Liebevoll zog Link sie auf die Beine und umarmte sie noch einmal. „Zelda?“ Er sprach ihren Namen leise, vielleicht sogar mit Ehrfurcht, was sie aufhorchen ließ. Da war etwas Verstecktes, aber ungemein Zärtliches in seinen Worten. „Ja?“, sprach sie flüsternd und lehnte ihren Kopf an seine Brust. „Ich… ich wollte…“ Er schluckte aus Nervosität die Spucke in seinem Mund hinunter und ballte seine linke Hand zur Faust. Und es war in dem Moment, dass Zelda spürte, etwas lag ihm dringend auf dem Herzen. „Was ist es?“, meinte sie und blickte verträumt zu ihm auf. Sie sah eine Schamesröte in seinem Gesicht, von der sie dachte, dass sie nicht mehr existierte. Es war lange her, dass Link eine so intensive Verlegenheit zeigte. Warum es wohl gehen mochte? Link im Gegenzug wusste nicht einmal, was er denken sollte. Er hatte eine Bitte an sie, eine große Bitte… Etwas, was ihm auf der Seele lag, schon damals in Hyrule. Und dieser Wunsch war entstanden, als er feststellte, nein, als er es sich endlich eingestand, sie so zu lieben, wie niemanden sonst. Er nahm ihre Hände in seine und begann jene zu streicheln, bis sich sein Blick darauf verlor. Dann schloss er seine Augen und wich ihr aus. „Ähm… nichts weiter…“ Zelda seufzte und blinzelte einige Male. Link wich ihr aus? Aber warum? Es musste etwas wichtiges sein, was er sie fragen wollte. Aber wenn es für das Hier und Jetzt Bedeutung hätte, wäre er nicht so verlegen und fuchsrot auf seiner Nase gewesen. Das bedeutete, es ging ihm um etwas grundlegend Verschiedenes. Aber Zelda wusste sich einfach keinen Rat, und so ließ sie die Sache bewenden, würde aber im Hinterkopf behalten, dass Link ihr etwas Wichtiges sagen wollte. Sich selbst ohrfeigend tapste er zu der violetten Tür und begann diese zu untersuchen. Warum war er zu blöd dazu, sie um diese eine Sache zu bitten? Warum war er nur schon wieder zu feige bezüglich seiner Gefühle für Zelda? Sie wusste, dass er sie liebte. Sie wusste, dass er alles für sie tun würde. Sie beschützen würde für den Rest aller Tage. Also was hinderte ihn daran, sie einfach zu fragen… Um von der unsicheren Situation abzulenken, begann Link die violette Tür noch genauer zu untersuchen. Er fand jedoch keinen Türgriff, nur eine lila Umrahmung. „Hast du an der Tür etwas gefunden?“, meinte Zelda dann und legte dem vor der Tür knienden Heroen die Hände auf die Schultern. Ganz sanft drückte sie zu. Link schüttelte den Kopf, richtete sich auf und nahm Zelda an einer Hand. „Ich weiß nicht, wie wir diese Tür öffnen können. Außerdem bezweifle ich, dass uns dahinter etwas Positives erwarten wird…“ Zelda legte eine Hand an das violett schimmernde Felsengestein und schien ebenso ratlos. „Wenn ich nur wüsste, wie ich das Medaillon aktivieren kann, ich würde uns beide von hier weg teleportieren…“ „Zumindest benötigst du das Triforce nicht dazu, was bedeutet, dass es entweder in deinem Blut liegt, oder deine Seele etwas damit zu tun hat.“ Daraufhin schaute Zelda erstaunt auf. „Link, da fällt mir etwas ein…“ Und der Traum von vorhin rückte wieder in ihr Gedächtnis. „Sagt dir der Name Zeruda etwas?“ Link stützte seine rechte Hand ans Kinn. „Zeruda…“ Er grübelte, sich sicher den Namen schon einmal gehört zu haben. „Zeruda… Gab es in Hyrule nicht alte Schriften von ihr?“, meinte der Heroe. „Und Zeruda… das ist heute, glaube ich, japanisch für Zelda.“ Zelda nickte erfreut. „Ja, sie war die erste Prinzessin Hyrules… sie war adliger Abstammung und als der erste Krieg Hyrules gegen das Volk der Moblins begann und endete, wurde sie zur Prinzessin gemacht. Sie hat den ersten König Hyrules auf die Welt gebracht und Hyrule in blühende Zeiten geführt…“ Link stutzte. „Aber wie kommst du auf Zeruda?“ „Sie hat etwas mit dem Medaillon der Mächtigen zu tun, Link…“, erklärte sie. „Ich hatte vorhin einen Traum von ihr, als ich bewusstlos war.“ Daraufhin senkte Zelda das Haupt und ließ ein wenig Bekümmertheit an die Oberfläche. Zeruda war so traurig gewesen in jenem Traum. Und obwohl Hyrule blühte, obwohl der Ort so idyllisch wirkte, so weilte der Tod dort. „Einen Traum?“, riss Link sie aus den Gedanken. „Eine Prophezeiung?“ Zelda schüttelte den Kopf. „Nein, keine Prophezeiung, eher einen Rückblick in die Vergangenheit Hyrules. Ich habe Zeruda gesehen und sie trug das Medaillon um ihren Hals.“ Und unter dem Medaillon trug sie ein Kind in ihren Bauch, setzte Zelda in Gedanken hinzu. Sie schämte sich sogar ein wenig für dieses Muttergefühl, welches sie für wenige Augenblicke spüren konnte. Obwohl es doch die natürlichste Sache der Welt war… Dennoch verheimlichte sie dieses vor Link… „Das bedeutet deine Vorfahrin hatte das Medaillon in ihrem Besitz. Das heißt, indirekt, dass du es vielleicht beherrschen kannst, Zelda.“ „Nicht nur das, ich weiß irgendwie, dass sie das Medaillon erschaffen hat. Ich kann es dir nicht erklären, aber ich glaube zu wissen, dass Zeruda ganz genau wusste, was in ihm schlummert und dass sie es uns für diesen letzten Kampf hinterlassen hat.“ „Ich wünschte, wir könnten in die Vergangenheit reisen, mithilfe der Okarina und sie fragen….“, meinte Link und kramte die alte, blaue Flöte hervor. „Ich konnte der Okarina ihre Macht zurückgeben, auch wenn ich sie in dieser Welt nicht benutzen kann. Ich wüsste nicht wie…“ Zelda drückte seine Hand gegen ihre rechte Wange. „Wir schaffen das, auch ohne die Okarina der Zeit. Zeit soll nicht diesen Kampf bestimmen. Dafür haben wir das Medaillon…“ Verwundert schaute Link in ihre himmelblauen Augen. „Du bist zuversichtlich, dass wir sein Geheimnis noch herausfinden?“ Zelda nickte. „Ich weiß es…“ Und damit lächelte auch ihr Heroe. Seine linke Hand wanderte über Zeldas Brust zu dem Medaillon, entdeckte hier und da Flecke von geronnenem Blut und öffnete die Klappe. „Zumindest tickt es nun, obwohl es vorher in dieser Welt nicht funktioniert hat.“ „Richtig, und allein das lässt mich vermuten, dass die drei Steine einen wichtigen Grundstein für seine Macht darstellen. Gerade jene Steine hat Zeruda vor Ewigkeiten in Hyrule verstreut. Sie wusste, dass eine große Macht in dieser schicksalshaften Uhr steckt. Und sie wusste, dass nur die Auserwählten die zugehörigen blauen, grünen und roten Steine finden können.“ „Wir…“, sprach Link. „Richtig, nur wir…“, lachte Zelda. „Und Klein-Link…“ Trübsinnig sah Zelda zu Boden. Wie es ihm wohl gehen mag? Daraufhin hob Link ihr Kinn nach oben und lächelte: „Sorge dich nicht um ihn… ich hab‘ ihm untersagt, sich in diesen Kampf einzumischen.“ Darauf verschränkte Zelda die Arme und grinste: „Als ob er sich von dir verbieten lassen würde, seinen Kopf durchzusetzen.“ Kleine Zornesfalten bildeten sich in Links ansehnlichem Gesicht, vielleicht fühlte er sich ein wenig in seinem Stolz gekränkt, aber er wusste auch, dass Zelda recht hatte. Klein-Link würde sich nichts verbieten lassen, nicht von Zelda und nicht von ihm. Dafür war er viel zu selbstbewusst. „Wie auch immer, wir sollten nicht länger verweilen, Zelda. Das Medaillon sagt uns, dass die fünfte Stunde angebrochen ist, bevor Ganondorf diese Welt endgültig unter sein Joch gebracht hat. Wir müssen uns beeilen und kämpfen…“ Sie nickte entschlossen: „Genau, lass‘ uns kämpfen.“ Ihre beiden blauen Augenpaare richteten sich vorbereitet zu der violetten Tür. Sie wussten, dass sie dahinter eine noch größere Grausamkeit erwartete als die, die sie beide schon überstanden hatten. Sie wussten, dass Ende stand bevor. Ein Ende, wo sich die vielen Farben des Schicksals alle schwarz färben mochten. Doch noch lebten sie beide, bereit zu kämpfen und bereit ihre Körper und Seelen für diesen Kampf aufzugeben… Die violette Tür glühte auf in dem Spektakel von wachsender böser Energie. Und die geschlossene Tür wurde zur offenen, dunklen Pforte. Endlich war sie geöffnet, was bedeutete, dass Ganondorf sie beide ganz genau beobachtete. Link war der erste, der hinter der Tür verschwand, bis die Prinzessin es ihm gleich tat. Und irgendwo flüsterte der Wind noch immer die schicksalhaften Worte von Zerudas Vermächtnis. „Wenn das Ende über das Böse kommt, so kommt es auch über unsere Welt… Finde das Medaillon, meine Nachfahrin. Finde seine Edelsteine… nutze es durch edles Blut…“ Und als gab der Wind einer vergessenen Seele eine Stimme, schallten weitere Worte bedächtig nach. „Erhöre Zerudas Vermächtnis, mein Nachfahr, erhöre und staune…“ Kapitel 122: Gemetzel ohne Leidenschaft --------------------------------------- Wieder ein Kapitel geschafft... und es werden doch mehr als sieben Kampfabschnitte. Ich habe die ganzen Ideen leider nicht in sieben Kapitel hineinquetschen können... naja... nach diesem hier kommen mindestens noch drei und dann schließlich die allerletzten Kapitel. Puh... Kämpfe zu schreiben, ist echt schwierig, deshalb seid gütig mit mir! ^^" Wie auch immer, viel Spaß beim Lesen. Im Übrigen sind's bald 400 Kommis. Ein überaus fettes Danke dafür! ^^ _____________________________________________ Vorsichtig und mit gezückten Waffen traten Link und Zelda vorwärts. Ihre Schritte hallten lästig in einem endlosscheinenden, verworrenen Gang. Ihre Stiefel traten unabsichtlich in dreckige Pfützen, die sich mit Lebenssaft vermischt hatten. Morbide Geräusche verliehen den Wänden Stimmen. Stimmen, die Pein und Wehklagen verrieten. Es mochten die Stimmen der Verstorbenen sein, die hier noch als Poltergeister umherirrten. Einzig Links Triforce des Mutes gleißte ihnen den Weg, spendete Wärme und einen winzigen Ort der Zuflucht, dort, wo das goldene, jäh glimmende Licht auf vorher Dunkles traf. Sie liefen mehrere Minuten schweigsam durch den Tunnel, blickten verwundert umher, da sich der Durchgang wiederholt veränderte in Größe und Breite. Ab und an lief ein Wasserstrom über Zelda und Links Füße und manchmal stand der Wasserpegel hier so hoch, dass das verdreckte Wasser bis zu den Knien reichte. Der Heroe blieb plötzlich stehen, drückte Zeldas Hand in seiner ein wenig mehr und schielte mit seinen tiefblauen Augen durch das magische, helle Feld der Wärme, die das Triforce produzierte. „Wir sind nicht allein…“, sprach Link leise. Er spürte Gefahr, wusste sie aber nicht zu orten. Es könnten einige weniger verderbenbringende Schlangen sein, die sich in den Pfützen aalten. Es könnten nur ein paar Fledermäuse sein, die an den Decken hingen. Und es könnten zyklopischere Geschöpfe sein, die hier auf das Fleisch warteten, das Ganondorf ihnen versprochen hatte. „Lauf‘ einfach weiter, okay?“, sprach er leise. Zelda nickte zwar, aber ihre Angst und ihr Widerwillen waren für Link mehr als fühlbar. Ihre Hände bibberten und an ihrer linken Hand fühlte er ihren Aderschlag rasen. „Hilft es dir, wenn wir uns leise unterhalten?“, meinte er und suchte in der Schwärze ihre Augen. Ihr Gesicht war so leer, so voller Angst, Link fühlte sich schrecklich seine Prinzessin so sehen zu müssen. „Zelda… es tut mir leid…“, sprach er und drückte seine Lippen auf ihre Stirn. „Ich wollte nicht, dass du das hier durchmachen musst…“ Daraufhin schüttelte sie mit dem Kopf. „Link… niemand von uns wollte das hier…“ Link schloss kurz die Augen und drehte sich seitlich. „Manchmal…“ Er seufzte. „… fühle ich mich verantwortlich dafür…“ Mitfühlend legte Zelda ihre gesunde Hand auf seine rechte Wange. „Ist es zu viel verlangt, dich einfach in Sicherheit zu wissen?“, sprach er dann. „Ich will nicht, dass du diesen Kampf mit ansehen musst. Und ich will nicht, dass du noch mehr leidest als bisher.“ Zelda wusste in dem Augenblick nicht einmal, was sie sagen sollte. „Du weißt nicht, wie besorgt ich immer um dich war, Zelda. In Hyrule… jeden Tag, jede Stunde… selbst als ich andere Länder besuchte, ich habe ständig daran gedacht, ob es dir gut geht… und nun durchstreifen wir hier ein stinkendes Labyrinth, nicht wissend, ob wir jemals wieder das Licht der Sonne finden werden…“ Tiefsinnig sah die Prinzessin in seine hoffnungsvollen, tiefblauen Augen, nicht wissend, was sie erwarten würde und doch hatte Link etwas Wichtiges zu sagen. „Link, worauf willst du hinaus?“ Sie schärfte ihren Blick, als Links Gesichtsfarbe sich in der Dunkelheit wandelte. War er schon wieder verlegen? Aber warum, fragte sie sich. „Glaubst du, ich spüre nicht, dass dich irgendetwas beschäftigt, mein Held?“ Sie suchte seinen Blick und sah noch mehr Scham als vorher. „Etwas, was nichts mit diesem Kampf hier zu tun hat. Ist das richtig?“, sprach sie besinnlich. Link nickte lediglich. Dann drückte er ihre Hand gegen seine Lippen und tapste langsam weiter. „Erinnerst du dich an den letzten Abend in Hyrule?“, sagte er, erkennend, wie überfällig dieses Thema war. Wenn der Heroe sich eher erinnert hätte, ja vielleicht wären die Dinge anders gekommen und er hätte sich früher mit Zelda darüber aussprechen können. Und warnend raschelten die unheilschwangeren Geräusche von Vieh und Verderben in den Gängen. „Willst du denn wirklich darüber reden?“, sagte sie und Link konnte geradezu atmen hören, wie sehr sich Zeldas Inneres dagegen sträubte. Es war ein schmerzhaftes Thema, gewiss. „Wann wollen wir sonst darüber reden, Zelda… dann, wenn wir keine Zeit mehr haben?“ Er löste seine Hand aus ihrer. „Es war nicht leicht damals…“, ergänzte Link. „Es war unser Schicksal damals…“, meinte Zelda betrübt. „Aber ist es das nicht auch heute noch?“ Eine Pause entstand, in welcher Zelda sich an eine der glitschigen Wände lehnte. „Meinst du damit…“ Zeldas Lippen verschlossen sich wieder und sie begann zu zittern. Link musste ihre Worte nicht hören, um sie zu verstehen. ,Ist das ein Fehler, wonach wir heute handeln? Ist es ein Fehler, dass wir uns lieben?‘, sagte eine weiche, zarte Stimme in seinen eigenen Gedanken. Link lächelte schwermütig und schüttelte den Kopf. Er legte seine Hände auf Zeldas Wangen. „Sag‘ mir, was war unser Schicksal damals?“ Er holte kurz Luft und sprach weiter, ohne sie antworten zu lassen. „Unglücklich zu sein? Hoffnungslos ineinander verliebt zu sein? Nein, Zelda, das war es nicht. Es war nicht fair…“ „Was ist schon fair?“ Egal, in welcher Welt sie lebten, fair wäre keine von ihnen. „Es wäre damals fair gewesen, wenn du einmal zu deinen Gefühlen gestanden hättest…“, sprach er inständig. Sie blickte steifköpfig und abtuend wie immer an ihm vorbei und schwieg. Machte er ihr jetzt Vorwürfe? Auch das war nicht fair… „Bitte hör‘ mich an, Zelda…“ Unsicher sah sie wieder in seine melancholischen, und doch tapferen Augen. „Ich liebe dich, egal, was kommen mag, aber ich erwarte etwas von dir?“ Zögerlich ließ Zelda den Blick an seinen Augen haften. „Angenommen, das hier wäre Hyrule. Angenommen wir überleben diesen irrsinnigen Kampf. Angenommen in Hyrule würde Frieden herrschen.“ Links Worte wurden immer ruhiger und sein Blick wohltuender. „Angenommen wir kehren zurück in das Schloss deines Vaters…“ Und da dämmerte es. Zelda ahnte nun endlich, worauf er hinaus wollte. „Was… würdest du tun, wenn…?“, sagte er und drehte sich seitlich. „Ich meine, du musst diese Frage nicht beantworten… aber…“ Und damit brach er ab. Er wand sich einfach seitlich, nahm seine Prinzessin wieder an ihrer gesunden Hand und schritt vorwärts. Er ärgerte sich schon wieder über sich selbst. Er war ungeschickt, und angespannt, aber nicht wegen den Monstern, die hier lauern könnten, sondern, weil er es nicht schaffte, Zelda endlich zu sagen, was ihm auf dem Herzen lag. Es war ihm wichtig, so bedeutsam, wie fast nichts anderes im Leben. Er wollte doch nur, dass Zelda Ja sagte, zu ihm, zu einem Leben mit ihm… mehr verlangte er doch nicht. Aber war das vielleicht schon zu viel? Mehr und mehr Zweifel überkamen ihn. Sicherlich, sie waren beide nicht mehr die, die sie in Hyrule waren. Soviel war zerstört worden. Soviel hatte sich geändert. Aber war seine Frage denn so falsch? „Link, du hast deine Frage noch nicht zu Ende gestellt…“ Er drehte seinen Kopf von ihr weg, wollte sich nicht verraten und nicht in ihre schönen Augen sehen. Nicht jetzt, da er nicht einmal den Mut aufbringen konnte, ihr diese Frage zu stellen. „Können wir…“ „Ja?“ Zeldas Augen leuchteten bereits und sie war voller Erwartungen. Vielleicht ein wenig aufgebracht, worauf Link nun anspielte. Und da winkte Link ab. „Ähm… es ist nicht so wichtig, lass‘ uns später darüber reden…“ Zelda runzelte die Stirn und seufzte enttäuscht. Link hörte ihre Unzufriedenheit sogar, aber ignorierte sie. Es war ihm peinlich, ja schrecklich peinlich… Auch wenn er nur wissen wollte, ob sie in einem neuen Hyrule genauso auf seine Gefühle antworten würde wie damals. Oder ob sie den Mut aufbrachte, ihrem Vater und noch besser, dem gesamten Hof mitzuteilen, dass sie ihren Helden der Zeit liebte und dass sie ihr Leben mit ihm teilen würde… Und damit war das Thema vorerst vom Tisch. Mit großer Betonung auf vorerst, wartend auf einen späteren Zeitpunkt würde Link sie fragen… Enttäuscht trat Zelda vorwärts und war nun wenige Schritte außer Links Reichweite. Weiterhin erleuchtete Links Fragment die Gänge. Einige rotäugige Ratten kreuzten ihren Weg, krochen piepsend über den Boden und schienen vor etwas anderem zu fliehen. „Etwas lauert hier…“, sagte Link leise und begann die glitschigen Wände noch einmal zu beleuchten. Aber nichts Verdächtiges tropfte von den Wänden. Nichts Verdächtigeres als mit Öl bekleidetes Wasser… „Zelda! Warte…“, setzte er hinzu und umfasste zögerlich mit einer Hand ihren Bauch, um sie zu bremsen. Die Königstochter wiederrum atmete tief ein, genoss seine Hand auf ihren Bauch und lehnte sich an ihn. „Wir sollten vorsichtig sein…“ Er schwang das Licht seines Fragments nach vorne und endlich verlor sich der Schein auf Zeldas Nacken, wo noch immer Ganondorfs Biss deutlich zu erkennen war. Links blaue Augen wanderten dann zu dem auffälligen Ma auf ihrer weißen Haut, eher unabsichtlich. Er bemerkte die dunkle Bisswunde und wusste sofort, woher sie stammte. „Was hat er mir dir gemacht?“, sagte Link leise. Sein linker Zeigefinger wanderte zu dem Biss. Zelda schwieg zunächst, und umarmte ihn fester. „Dieses Schwein hat mir doch tatsächlich angeboten seine Königin zu werden“, sprach sie dann. „Mach‘ dir keine Sogen um mich… es ist nichts weiter passiert.“ Link schüttelte den Kopf, war dieser Biss denn nicht schon genug? Warum ignorierte und verdrängte Zelda diese Dinge immer so schnell, ohne jene zu verarbeiten, sodass der Schmerz noch stärker wurde? Verdammt Zelda, warum erzählst du mir so etwas nicht früher? In dem Moment kroch ein Impuls der Gefahr Links Venen hinauf. Es jagte, es zürnte… Er schreckte ein wenig zusammen, stieß Zelda sanft an die Wand und stand mit gezücktem Schwert vor ihr. „Link?“, flüsterte die Prinzessin und schaute misstrauisch von einer Ecke zur anderen. „Ich weiß nicht, was es ist… aber irgendetwas stimmt hier nicht…“ Es knisterte von irgendwoher und die raschelnden Geräusche von vorhin nahmen ebenso wieder zu. Es schien beinah so, als kämen die Geräusche aus den Wänden… An die Wand gedrängt bemerkte Zelda zunächst nicht die grünliche Hand, die wie ein Geist durch den Baustoff schlüpfte. Und als sich die kalte Hand auf Zeldas Mund legte, war es bereits zu spät. In Bruchteilen einer Sekunde zog etwas die Prinzessin in die Mauer hinein… sie verschwand und mit ihr ein ersticktes Wimmern und Wehklagen. Link drehte sich in dem Moment um, als zuletzt Zeldas verwundete Hand in der Mauer versank, er versuchte sie noch zu ergreifen, aber konnte nur noch ihre Fingerspitzen berühren. „Zelda!“ Links Stimme dröhnte verzweifelt umher. Vielleicht hörte sie ihn sogar noch. „Verdammt nochmal!“, zürnte der Heroe. „Was sind das für verfluchte Gänge?“ Geschwind steckte er das Schert zurück in dessen Scheide und rannte nach Luft japsend durch den Tunnel, spürte Zeldas Anwesenheit sogar noch. Sie durfte nicht weit weg sein! Er rief mehrmals ihren Namen, erreichte eine Kreuzung und entschied sich für den Weg zu seiner linken. In der Ferne hörte er Zeldas Kampfschreie, die ihn noch mehr beunruhigten… Warum lief in diesem unnötigen Kampf eigentlich alles nach Ganondorfs Willen! Link kniff die Augen zusammen und rannte so schnell ihn seine Beine tragen konnten in die Richtung, wo er seine Prinzessin vermutete. Als er sie erreichte, saß die junge Adlige zusammengekrümmt in der Mitte, umgeben von verdrecktem Wasser, welches ihre Kleidung durchnässt hatte. Mit einer Hand hatte sie das Medaillon der Mächtigen umfasst, mit der anderen hielt sie ein einfaches Schwert in der Hand, welches von Ganondorfs Vasallen stammen könnte. Es war kein Dämonenschwert, sodass Zelda es verwenden konnte. Und in dem Abschnitt des Tunnelsystems roch es sehr auffällig nach Rauch und Verwesung. Sie blickte alarmiert auf, als Link auf sie zu stürmte. Der Schein seines Fragmentes war so angenehm und warm hier in der Nässe und Kälte… „Zelda?“ Sie blinzelte und reichte ihm ihre zitternden Hände. Sehr deutlich waren sie mit nasser Asche beschmiert… „Link, ich weiß nicht, was ich getan habe…“, klagte sie. Er kniete ohne Worte nieder und umwickelte Zelda mit einem alten Umhang, der sich in seinen magischen Taschen befand. Sie rechnete damit, dass er sie auf die Beine zog, doch weit gefehlt, er nahm sie auf seine starken Arme und trug sie ein Stück. Ein überraschter Seufzer entkam Zeldas Lippen, als er sie weiter des Weges trug. „Link… ich bin in Ordnung… Du musst mich nicht tragen…“ Er nickte, aber sein Gesichtsausdruck verriet anderes. Es gab Zelda ein Schuldgefühl preis. Schuld geboren daraus, dass der Heroe sie allein gelassen hatte. „Verzeih‘ mir, ich war zu leichtsinnig… und habe nicht aufgepasst…“, sagte er. Sie drückte ihren schweren Kopf gegen seine feste Brust und dachte ungewollt, wie schön es doch war, von ihm getragen zu werden. Auch wenn es hier inmitten der Gefahr nicht angemessen schien… Sie musste sich zusammenreißen, um den verführenden Flüstern des Schlafes in Links Armen zu widerstehen. „Die Wände sind magisch… Link…“ Sie versuchte ihn von seinen Selbstvorwürfen abzulenken und es funktionierte. „Ja, aber wer hat dich durch diese Wände gezogen?“ Zelda seufzte und rieb ihre rechte Wange an seiner grünen Tunika. „Es war ein Mädchen, so alt wie wir… und sie sah Ganondorf unheimlich ähnlich… und dann… weiß ich nicht mehr, was geschehen ist?“ Link sah zu ihr hinab und lächelte sie verträumt an. „Das ist unwichtig, so lange es dir gut geht…“ Sie lächelte ebenso, las Mut aus seinem Blick. Unbeschreiblichen Mut. „Mmh…“, murmelte sie. „Das Mädchen war gewiss eines von Ganondorfs Kindern… und sie griff mich mit diesem Schwert hier an… danach weiß ich nichts mehr…“ „Ist es möglich, dass du das Medaillon wieder eingesetzt hast?“ „Vermutlich… aber es ist beängstigend, zu wissen, dass Ganondorf noch mehr Kinder besitzt als die jüngsten, auf die du getroffen bist…“ „Das kann heiter werden…“, sagte Link ironisch und lief zügig mit Zelda auf seinen Armen weiter des Weges… Nach einer Weile erreichten sie einen etwas größeren Raum. Und eine tiefe, breite Wasserstraße, schon beinahe ein See, stellte das nächste Hindernis dar. Endlich ließ der Heroe seine Prinzessin auch wieder auf ihren eigenen Füßen stehen. Sie fror ein wenig, und rieb sich die Hände. „Wir müssen diesen See überqueren…“, sprach sie, mehr zu sich selbst als zu Link. Link stimmte zu und deutete auf die Felswand nach dem unterirdischen See. „Siehst du dort hinten die Treppenstufen?“ Und tatsächlich führten an der gegenüberliegenden Wand einige Stufen hinauf. „Sicherlich finden wir dort den Weg zurück in die Kirche…“ Zelda nickte, mit mehr als einem mulmigen Gefühl im Magen. „Obwohl ich nicht wirklich dorthin zurückmöchte…“ brummte sie. Link schenkte ihr ein zaghaftes Grinsen dafür, nahm sie an der Hand und so tapsten sie gemeinsam hinein in das Gewässer… Das Wasser war so hoch, dass sie beide mit ihren Köpfen gerade so über den Rand ragten. Sie konnten noch laufen, auch wenn nur schwerfällig. Das Wasser war kalt, eisig kalt. Durchtränkt mit schleimigen Pflanzen. Und die nasse Kleidung hinderte zusätzlich am Weitergehen. Zelda japste nach Luft und krallte sich mehr und mehr an Links Arm fest. „Zelda?“ Als er sie anblickte, wuchs erneut eine große Sorge um ihr Wohlergehen. Zeldas Gesicht war unheimlich blass und ihre Lippen schon fast blau. „Es ist… bloß… so kalt…“ Seine Hände streichelten sachte über ihre eiskalten Wangen. „Nur noch ein Stückchen, okay?“ Link zog sie näher an sich und bahnte sich mit mehr Kraftaufwand den Weg durch die verdreckte Wasserstraße. Er begann Zelda teilweise hinter sich her zuziehen und spürte trotz des Heilmittels ihre Erschöpfung wieder zunehmen. Zelda im Gegenzug klammerte sich so fest wie sie konnte an ihrem Heroen fest und kämpfte gegen das mit öliger Decke überzogene Wasser. Sie kniff die Augen zu, ballte die Fäuste und fühlte sich erneut so hilflos. Kann das alles nicht endlich ein Ende haben, schrie sie in ihren Gedanken. ,Verdammt, ich will einfach nicht mehr…‘ Sie ärgerte sich dafür, dass sie im Moment einfach aufgeben wollte. Aber in dieser Situation, umgeben von eisigem Wasser, ohne Licht, in einem unterirdischen See, der irgendwelche Kreaturen beherbergen konnte, wer wollte da nicht am liebsten aufgeben? Die nasse Kleidung auf ihrer Haut war so unangenehm und so schwer. Es zerdrückte sie beinah… und in dem Moment begann es an Zeldas Beinen zu zwicken. Sie schob das leichte Prickeln und Ziehen auf ihre Kleidung. Erst als das Prickeln sich in ein Schlitzen und Reißen verwandelte, und sich das unangenehme Gefühl nicht verflüchtigte, während sie weiter trat, schallten leise die Alarmglocken. „Link!“, rief sie panisch. „Da ist irgendwas an meinen Beinen!“ Zelda begann zu planschen und kreischte. Ohne zu zögern, hob Link die erschöpfte Prinzessin auf die Arme und ließ das Fragment einen helleren Schein annehmen. Eine Flut aus hellem Licht rollte über das schimmernde Wasser des fettigen Sees. Er blickte untersuchend über Zeldas schlanke Beine und fand an wenigen Stellen kleine Bisswunden in Form von sieben spitzen Zähnen. Er kannte diese Wunden sehr genau… Links Fragment des Mutes stärkte noch mehr seinen Schein, durchleuchtete sogar das Wasser, erwärmte es ein wenig… und das Wasser leuchtete so hell, dass man verschiedene dunkle Punkte darin ausmachen konnte. Kleine Wesen. Schnelle Fische. Skelettartig. Räuberisch… „Was ist das?“, sagte Zelda zitternd. „Skelettfische“, erwiderte er trocken. „Auch das noch…“ „Was jetzt? Wir sollten nicht stehen bleiben!“, sagte Zelda. „Nein… natürlich nicht!“, erklärte er. „Aber diese Fische sind sehr leicht zu vernichten.“ Er ließ Zelda wieder langsam in das Wasser sinken und erklärte: „Nimm‘ das Schwert und versuche die Fische wegzuschlagen, während wir uns vorwärts bewegen!“ Link lächelte ermutigend. „Okay…“, murmelte sie. Ab und an spürte sie einen Biss, auch Link griffen die Fische an. Die kleinen Verletzungen waren zu ertragen. Und doch war es anstrengend und nicht einfach sich weiter vorwärts zu bewegen mit dieser irrsinnigen Gewissheit in Teufels Arme zu laufen. Nach vielen Minuten erreichten Zelda und Link erleichtert das Ufer. Zeldas Beine bluteten ein wenig. Auch Links Beine hatten zahlreiche Bisse abbekommen, aber was waren diese kleinen Wunden im Vergleich zu dem, was noch auf sie wartete? Mit einem durchnässten Taschentuch tupfte Zelda über die angebissenen Stellen an ihrer Hose, wo ein wenig Blut durchschimmerte. „Hast du Schmerzen?“, fragte Link leise, kniete nieder und nahm einige trockene Verbände aus seinen magischen Taschen. „Ein wenig… es brennt ein wenig…“, sagte sie leise und schaute von oben auf ihn herab. Nur seine grüne Mütze war am Vorderteil trocken geblieben. Sein blondes, dickes Haar war klatschnass und ab seinem Kragen tropfte alles an ihm. Aber er sah dadurch anziehend aus. Er wickelte langsam ihre Hosenbeine nach oben und berührte die wenigen Bisse. „Sieht es sehr schlimm aus?“, fragte sie. Link schüttelte den Kopf. „Nein… das waren noch sehr junge Skelettfische. Wir hatten Glück.“ Während er ihr einige Pflaster auf die kleinen Bisse klebte, erzählte er. „Ich bin im Wassertempel einmal in ein richtiges Nest dieser Biester hineingeraten… wenn sie ausgewachsen sind, richten sie wesentlich mehr Schaden an…“ Als Link die Wundversorgung beendete, ließ sich Zelda zu ihm auf die Knie sinken und umarmte ihn. Sie war so kalt, so verwundbar im Moment, dass er sich bemühte ihr so viel Wärme zu schenken wie nur möglich. „Du weißt, wenn wir diese Stufen hinaufgehen, wird uns Schreckliches erwarten…“, sprach Link leise und drückte Zelda so eng an sich wie er konnte. Sie atmete tief ein, verwundert darüber wie fest er sie im Moment hielt. Und es war da, dass sie wusste, er haderte mit den Gedanken von vorhin… „Ich weiß nicht, ob ich den Kampf überleben werde, deshalb…“ Er drang mit seinen tiefblauen Augen hinein in ihre, erkannte Hoffnung, Regung tiefer Wünsche, erkannte die Erinnerung an Hyrule und erkannte die Liebe, die Zelda immer für ihn empfunden hatte. „Ich muss es dich fragen…“ Er hielt ihr Gesicht in seinen Händen. Ein so wunderschönes Gesicht. Ein Gesicht, was ihm mehr verriet als es wollte. Erwartung. Freude. „Wenn der blutrote Himmel aufbricht und der Frieden zurückkehrt… wenn wir siegen… wenn ich mit erhobenem Haupt aus diesem Schlachtfeld hervorgehe… wirst du bei mir sein?“ Er holte tief Luft und ließ sie erst gar nicht antworten. „Wenn wir zurück in Hyrule wären und der letzte Abend würde noch einmal geschehen… wenn ich dir gestehen würde, was ich fühle und wenn… Ganondorf niemals das Siegel gebrochen hätte…“ Überrascht über seine milden Worte sah sie ihn bloß an, schwelgte in der schmerzhaften Erinnerung, schwelgte aber auch in dem, was seine Augen an Hoffnung verbargen. „Würdest du…“ Link sah kurz weg und dann erneut in ihre himmelblauen, erwartungsvollen Augen. „Würdest du… uns eine Chance geben? Würdest du deinem Vater mitteilen, was du fühlst? Würdest du… auch dort… dein Leben mit mir teilen?“ Zwei Tränen tropften von Zeldas Augenwinkeln. Dieser Dummkopf, dachte sie. Ausgerechnet hier fragte er sie das… ausgerechnet am kältesten und dunkelsten Ort der Welt… „Zelda…“ Weil sie nicht antwortete, wurde er energischer und schaute nach unten. „Ich will mit dir alt werden… und wenn wir in Hyrule leben würden, ich würde dich auf der Stelle fragen… ich würde Hyrule nie wieder verlassen, egal, wie groß die Sehnsucht nach anderen Ländern wäre… Ich will doch nur…“ Zelda hob sein Gesicht zaghaft nach oben und sie nickte. „Sag‘ mir, was du willst!“, flüsterte sie. „Ich will…“ Er stoppte und überlegte, wie er es am besten formulierte. „… Dein sein… auf ewig… der Vater deiner Kinder sein… jede Nacht mit dir zusammen sein… dich beschützen…“ Zelda lächelte. „Was ist das, Link?“ Er schaute dümmlich drein und atmete noch einmal tief ein. „Sagen wir… der Versuch eines hylianischen Heiratsantrages…“ Doch mit dieser Deutlichkeit hatte sie nicht gerechnet. Sie hatte nie erwartet, dass Link, auch wenn er nun einen Teil seines früheren Ichs zurückhatte, diese Worte aussprach. Das konnte nur ein Traum sein, dachte Zelda. Link würde doch niemals sie mit dieser Deutlichkeit an sich binden wollen. Sie blickte ihn geschockt an und zwinkerte mehrmals. Das war so überraschend… mehr noch… es war einfach unwirklich… ja, so fühlte es sich im Moment für die Prinzessin an. Unwirklich… Sie wich einige Zentimeter zurück und musterte nur die unglaubliche Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit in seinem Blick. Link meinte es wirklich ernst, nicht wahr? Es war nun Zelda, die sich bedrängt fühlte. Sie würde ihm nicht antworten können, nicht jetzt… und Link sah es in ihren Augen. „Ist ein ,Ja‘ so schwer für dich?“, fragte Link unsicher. „Link, wir haben einen schrecklichen Kampf vor uns, und sind beide gerade mal achtzehn!“ Und da fingen Zeldas Ausreden an. „Was macht das? In Hyrule hätte man dich schon mit sechzehn verheiratet, wenn du dich für jemanden entschieden hättest…“, argumentierte er leise. Link wand sich ab und trat auf seine Beine. „Aber wir sind nicht mehr in Hyrule. Das alte Land wird niemals wieder sein…“ Link blickte enttäuscht auf. „Was sagst du da, Zelda! Hyrule existiert auch heute noch, es ist noch immer da. Wer sagt, dass es keine Chance mehr haben könnte! Wenn du es aufgibst, wird es nie wieder sein, Zelda…“ „Ich habe Tausende Jahre darauf gewartet, dass es in Hyrule wieder so wird wie vorher, aber was ist mit meiner Hoffnung geschehen? Sie wurde enttäuscht, Link!“ Sie ging haltlos auf ihn zu und schaute ihm direkt in seine tiefblauen Heldenaugen. „Ich kann nicht mehr diesem Wunschtraum hinterherjagen, Hyrule hätte eine neue Zukunft… es ist nur eine Phantasie… Irrsinn… nicht mehr… und das weißt du…“ Erbost schaute der Heroe zu Boden und sah den Wassertropfen zu, die noch immer von seiner Kleidung hinab rieselten. „Ich habe immer noch Hoffnung, Zelda…“ Sie trat näher und musterte ihn trübsinnig. „Warum?“ Er strich sich einige Wassertropfen von der Stirn. „Ich bin durch die Zeit gereist, auch wenn ich nicht weiß wie… und ich habe in der alternativen Zeit etwas geändert, Zelda, jedoch scheint diese Veränderung irgendwie im Hier und Jetzt noch nicht wirksam zu sein.“ „Du hast etwas verändert?“ Immer mehr erinnerte sich Link an dieses Moment, als Zelda in der Vergangenheit, die doch nicht existierte, auf seine Gefühle geantwortet hatte. Damals, als sie den schicksalhaften Brief schrieb. „Ja…“ Verwundert schaute Zelda in sein leicht verdrecktes Gesicht. „Und da dieses Ereignis sich nicht auf die Gegenwart ausgewirkt hat, muss es immerhin einen Grund dafür geben. Vielleicht gibt es noch ein Hyrule… noch eine alternative Zeit… oder wir träumen nur… oder…“ Zelda schloss die Augen und schluchzte. „… oder es bedeutet, dass sehr bald nichts mehr existieren wird…“ Link nickte, auch wenn es weh tat. „Ich habe schon mit dem Gedanken gerungen, die Vergangenheit ganz und gar zu ändern, aber das hätte uns... vielleicht getrennt...“ Diesen Preis mussten sie akzeptieren. Es war ein unfairer Preis für die Welt. Ein unfairer Preis das eigene Glück aufzugeben und es für die Menschheit einzusetzen. Es war schon früher so gewesen, in diesem unentrinnbaren Schicksalsrad Hyrules. Zelda und Links Bedürfnisse standen und stehen auch heute noch zurück. „Du hättest es tun sollen… für das Wohl aller, Link…“, seufzte sie. Der Heroe griff nach ihren Händen, aber Zelda verweigerte sich ihm und trat langsam in Richtung der teilweise zerstörten Treppenstufen. „Das bedeutet ein ,Nein‘, nicht wahr?“, sagte er traurig. „Link… wenn wir diesen Kampf überstehen, haben wir genug Zeit füreinander, warum drängst du nun auf ein ,Ja‘ von meiner Seite?“ „Schon gut…“, murrte er borstig. Allem Anschein nach hatte Zelda auch jetzt noch Probleme damit aufrichtig zu sein. Link konnte es nicht akzeptieren, gewiss, aber er wollte jetzt nicht mehr mit ihr darüber diskutieren. Er hatte seinen Wunsch geäußert und hatte keine Antwort bekommen. Es war Zeldas Entscheidung. Ganz allein ihre. „Wir haben eh genug Zeit vertrödelt und uns lange genug unterhalten“, setzte er frostig hinzu. Jetzt war er verbittert, das spürte die Prinzessin. Traurig schaute sie zu Boden und wusste genau, es lag an ihrer eigenen Angst, ihre inneren Bedürfnisse zuzulassen… Leise tapste sie hinter dem Heroen her, fühlte die gleiche Beklemmung wie früher. Das gleiche hin und hergerissen sein zwischen Liebe und der Pflicht als Prinzessin Hyrules. Die Treppenstufen endeten an einer weiteren Wand, in welche eine violett schimmernde Tür gefasst war. Link berührte die Tür, mehr um sich über deren Dasein zu überzeugen als sie zu öffnen. Sie strahlte auf und plötzlich verschwand sie, ebenso wie die erste violette Tür, die sie beide durchschritten hatten. Angespannt traten sie weiter. Schritt für Schritt in ihr größtes Verhängnis. Denn der nächste Kampfabschnitt würde vielleicht nicht so glimpflich ausgehen wie die vorherigen… Die Katakomben der Kirche lagen vor ihnen, der Ort, wo einst der Seelenfänger stand. Jene Teufelsmaschiene, die erst Zeldas und später Ilonas Seele gefangen hatte… Zelda suchte nach dem Medaillon, als sie feststellte, dass es nicht mehr um ihren Hals hing. Sofort griff sie nach Links rechter Schulter. „Das Medaillon ist weg…“, sagte sie. Link rollte mit die Augen. Schon wieder etwas, was ihnen beiden nicht in den Kram passte… „Kann es sein, dass du es in diesem unterirdischen See verloren hast?“ „Möglich…“, antwortete sie und stützte ihre gesunde Hand ans Kinn. In dem Augenblick fingen die schrägen Orgeltöne an, sich ein schauriges Lied zusammenzureimen. Jauchzend. Teuflisch. Ganondorf war hier. Und er wartete nicht mehr länger auf seinen Gegner… Link sog die staubige Luft tief in seine Lungen und packte Zelda forsch an ihren Oberarmen. „Geh‘ zurück und such‘ dein Medaillon…“ „Aber, Link…“ Er legte einige Fingerspitzen über ihre Lippen. „Mit diesem Relikt haben wir größere Chancen, das Ganze zu überstehen, das weißt du…“ Er starrte zu Boden, aber hielt die Prinzessin noch immer fest. „Außerdem bist du dort unten sicherer als hier…“ Sie schaute betreten drein. „Bitte geh‘. Ich will nicht schon wieder mit dir über diese unnötigen Dinge diskutieren.“ Er drückte sie langsam zurück. „Geh‘…“ Er hasste sich dafür, dass er so forsch sein musste, aber unter der zunehmenden Anspannung konnte er nicht anders. Es war ein leichtes für Ganondorf, Zelda in diesem Zustand ein Schwert in den Rücken zu rammen. Nur deshalb handelte Link auf diese hartherzige Weise. Und Zelda verstand es. Sie nickte, aber wand sich rasch noch einmal näher und drückte ihren Mund auf seinen, küsste ihn schnell und eher ruppig. Link war zu besorgt und zu angespannt um in dem Augenblick noch Zärtlichkeit zuzulassen und so verhielt er sich fast teilnahmslos, obwohl seine Augen erneut eine Mildtätigkeit und festigende Zuneigung verrieten. „Sei‘ vorsichtig, okay?“, sagte er. „Du aber auch…“, murmelte sie und trat zurück durch die Öffnung, die sie in die Katakomben führen würde… Die violette Tür erschuf sich von neuem und weg war sie. Seine Prinzessin. Sein geheimes Licht… Geschmeidig zog Link erneut das scharfe Masterschwert aus jener goldumrahmten Schwertscheide, die er auf dem Rücken trug. Er schloss die Augen und ließ den hellen Klang der heiligen Klinge das warnende Werkzeug von Licht, Freiheit und Edelmut sein. Endlich sollte er die Magie nutzen, die ihm das Triforce gestattete. Lebendig. Tanzend. Und rein war es… jenes Licht, welches nahezu majestätisch die Waffe um wirbelte und sich mit dem weißen Stahl verbündete. Es war sein einziger Begleiter hinein in die Schlacht, die in wenigen Minuten Ausmaße erreichen könnte wie nie zuvor. In Gedanken sammelte er all seine Energien, all seine Wünsche, Träume und seine Hoffnung auf die Welt Hyrule, wie sie einst war, wie er sie einst liebte und wie, so wünschte er sich, irgendwann wieder sein würde. Doch dazu, und auch für die Rettung der Erdenwelt, musste er nun einen Kampf meistern, der über alles bisher da gewesene hinausging. Die Pforte ins Nichts stand offen. Das Leben stand auf der Schwelle und Link war ihr einziger Fürsprecher. Der einzige, der das Leben daran hindern konnte durch diese Pforte zu schreiten. Und er würde nicht scheitern, bis zum Tod das wenige Leben auf der Erde verteidigen… Er wagte einen letzten Blick zu dem blutroten Firmament und konnte in seinen Erinnerungen sehen, wie es war, als einst der Himmel aufbrach… damals in der alternativen Zeit Hyrules… Und als zu jener Zeit das Blau des Himmels erstrahlte, waren es nicht nur die wärmenden Sonnenstrahlen, die man spüren konnte, es waren die erfreuenden Echos der Friedensrufe aller sieben Völker Hyrules, die man hören konnte… jetzt vermisste er diesen Tag, obwohl er damals erleichtert war, diese alternative Zukunft hinter sich zu lassen… Das Blut des Himmels tropfte nun herab, da noch vier Stunden blieben. Warnende Zeichen hinterließ es. Die Zeit lief ab… „Na, Heldchen?“, flüsterte es verschlagen in den Lüften. Der Wind trug Ganondorfs kratzige Stimme näher. Die Orgeltöne verpufften und der Dämon erschien in einem schwarzen Rauchfeld hämisch grinsend am Altar, sich auf seinem Dämonenschwert abstützend. „Sieh‘ einer an… hast du das Spielchen zusammen mit deiner Dirne überlebt? Nur schade, dass ihr beide keine Lehren annehmt! Kraft wird immer wertvoller sein als Mut!“ Link stieß das aufgeladene Schwert nach vorne und verpasste Ganondorf ohne den Kampfbeginn anzukündigen einen heftigen magischen Strahl seiner heiligen Klinge. Es erwischte ihn nur knapp an der Schulter, belustigte ihn sogar. Die dunkelgebrannte Rüstung sprang an seiner Schulter entzwei, aber Blut floss nicht. „Nanu? Ist da jemand sauer?“, lachte der Dämon auf seine finstere Art und Weise. Er leckte über seine eigene Schwertklinge und trat stapfend näher. „Ich freue mich darauf dein Blut an dieser Klinge zu schmecken, Held der Zeit, nein Held der alten Welt…“ „Dann pass‘ auf, dass du dir daran nicht den Magen verdirbst!“ Link machte sich bereit für einen Kampf ohne Freiheit. Bereit dafür, die Klinge seines Gegners auf der eigenen Haut zu spüren. Mut protzend stellte er sich in eine warnende Kampfstellung. Ganondorf lachte wieder und trat näher. Er winkte ihm zu, reizte ihn, lockte ihn mit auffordernder Handbewegung zu sich. Und es war Zeit, dass auch Link nicht mehr seinen Grundsätzen nach Fairness und Aufrichtigkeit im Kampf nachging. Was lohnte ein fairer Kampf gegen ein Monstrum wie Ganondorf? Nichts… auch Link musste endlich beginnen seine eigenen Tricks auszupacken… Entschlossen stieß Link den Schild der Götter zur Seite und raste mit dem leuchtenden Schwert auf Ganondorf zu. Funken sprühten erneut als sich die Waffen berührten, wetzten. Man sah nur noch wie sich die Klingen in alle Himmelsrichtungen bewegten und immer wieder aneinander prallten. Keiner der beiden Kämpfer gab nach. Keiner schien an Ausdauer und Kraft zu verlieren. Die Klingenwirbel schienen unvorhersehbar. Und doch wussten sie beide genau, was der andere versuchte, welche Technik und Strategie er einsetzen wollte, was er im Schilde führte. Es war nicht einfach, sowohl für Link als auch für Ganondorf nicht, die eigenen Vorteile auszuschöpfen. Und so prallten die Waffen schlagkräftig aufeinander, begleitet von unterstützenden Kampfschreien… Einige Mal wirbelte Link um den Teufel aus der Gerudowüste herum, suchend nach einem winzigen Hauch Schwäche versuchte Link den Dämon an seinem Rückgrat zu erwischen, die Kraft aus ihm heraus zu kitzeln und Ganondorfs Schwächen freizulegen. Doch Ganondorfs Schwertkunst war alarmierend genial. Immer wenn sich das Masterschwert in sein Fleisch bohren wollte, so kam ihm kurz die Teufelsklinge in die Quere. Im Gegenzug erging es dem Dämon nicht anders. Links Schwertkunst hatte sich seit ihrem letzten Zusammentreffen in der alternativen Zeit von übermütiger Schlagkräftigkeit zu ausgefuchstem Können gewandelt. Zielsicher provozierte Links Klinge. Markant und geschickt nutzte der Heroe seine Chancen. Erneut rieben die Waffen des Guten und des Bösen aneinander, bis beide Kämpfer hastig zurückschreckten und laut ein- und ausatmeten. Kalt starrten sie sich gegenseitig in die Augen und stießen mit gezückten Waffen erneut aufeinander zu, ließen die Waffen aneinander gleiten, hielten die Schwerter fest und drückten mit aller Kraft gegen die Klinge des Gegners. Link spürte wie seine Arme sich anspannten, während das Masterschwert mit Ganondorfs Teufelsklinge rang. Er fühlte den Schmerz, der Kraft forderte, spürte den Schweiß an seiner Stirn hinab wandern… Jauchzend riss Ganondorf das Schwert herum und vergrub das leuchtende Masterschwert unter sich. „Diesmal werde ich dir kein Schmerzmittel spritzen, Held der Zeit… Diesmal stirbst du!“ Und mit einem lauten Schrei, führte der Dämon seine Waffe so schnell, so ungewöhnlich und mit einem Funken schwarzer Magie, dass die Waffe des Lichts dem Heroen aus den Händen schleuderte. Entsetzt sah Link der Klinge hinterher, die unter die teilweise umgeworfenen Holzbankreihen geschmettert wurde. Noch im selben Moment rollte er sich nach hinten ab, hörte ferner, wie sich Ganondorfs Waffe donnernd in den Boden bohrte und hastete mit aller Schnelligkeit, die er aufbringen konnte auf den Schild der Götter zu. Lachend raste der Dämon in seinen magischen Teleportationsfeldern hinter Link her, spürte sein totes Herz wieder rasen, nun, da sich ein Moment der Rache anbahnte. Sekundenbruchteile würden entscheiden. Und Ganondorf spürte das Auskosten eines großartigen Genusses. Gleich, summte das Böse in seinem Inneren. Gleich würde er das warme Blut des Lebens an der Teufelsklinge hinab laufen hören… Mit einem Zischen erschien er hinter Link, der sich gerade bückte und den Schild der Götter in den Händen hielt. Ganondorf setzte an, sah die Klinge die Lüfte teilen, sah, bereits erfüllt von Vorfreude wie sie sich in den Rücken seines Erzfeindes bohrte… Gerade rechtzeitig riss Link den mächtigen Schild der Götter herum. Ganondorfs dunkle Waffe stieß in einem Splitterregen mit dem Schild der Götter zusammen. Es knackte. Es raschelte… „Was… ist das?“, murrte der Dämon und sah wie seine eigene Waffe, die er vor Jahrhunderten geschmiedet, immer gepflegt, und ständig mit schwarzer Energie gefüttert hatte, an einigen Stellen begann zu zerreißen. Link indessen grinste mit geschockter Erleichterung und beobachtete mit lauten, unkontrollierbaren Atemzügen, wie Ganondorfs Waffe nun einen gefährlichen Riss trug. Nicht mehr lange und das Teufelswerkzeug zerbrach endgültig. Erbost steckte der Dämon sein Schwert zurück und rauschte in einem Inferno dunkler Punkte rückwärts. „Denk‘ ja nicht, dass du damit schon gewonnen hast, kleiner Held!“ Grinsend rappelte sich der Heroe auf, wischte sich Schweiß von der Stirn und die Spucke vom Mund. Wie erbärmlich, dachte er. Und welch‘ ein Glück für ihn, dass Ganondorfs Waffe nicht gehalten hatte. Und wie bitter Link noch ein wenig mehr Glück in diesem bestialischen Kampf benötigte… ,Welch‘ unverschämtes Glück dieser Wurm hat‘, schrie Ganondorf innerlich. Das war wieder das Schicksal, welches sich einmischte. So musste es sein. Talent und Ehre waren weitreichendere Begriffe, die diesem Helden nicht standen… Ganondorf fühlte die erinnernde kochende Wut in sich aufsteigen, mit jedem Gedanken sich vermehrend. Zusätzlich spürte er an jenem Groll sich das Fragment der Weisheit wieder regen, es hinderte ihn erneut, redete erneut zu ihm. Angewidert ritzte er seine rechte Hand auf, bohrte seine schwarzen Fingernägel hinein in olivgrüne Haut und in totes Fleisch. Es juckte… dieses heilige Fragment der Schicksalsprinzessin. Es brannte und pulsierte auf eine abartig, aufregende Weise… Es trieb ihn zum Wahnsinn. Mit einem Schrei, der klang wie der grausige Todesruf eines sterbenden Schweines hob der Fürst über das Böse seine Hände in die Höhe. Sein Haupt gerichtet an das Deckengewölbe, wo ein das einst trauerndes Abbild des Himmels begann zu verwelken. Zwischen seinen erhobenen Fäusten prickelte die verdorbene Macht des Triforce und begann die größte Klage einer Macht auszusprechen. Irgendwo hörte man die Seele der goldenen Macht weinen. Irgendwo… weinte sie bitter… Lachend, als wäre sein Leben an jenes wahnwitzige Stimmungsereignis gebunden, markerschütternd lachend, begann der Dämon mit dreckigen Energiebällen um sich zu schleudern. Irgendeiner würde Link schon erwischen, dachte er, während das Fragment der Weisheit ihm erneut menschliche Zweifel einredete… ,Ganondorf, du Häufchen Elend‘, sprach es. Dieses läppische, dämliche Fragment, reizte ihn so sehr, forderte hin geradezu auf, es an sich zu reißen. So viel hatte er sich davon versprochen, hatte gehofft, es würde ihm helfen, seinen Gegner ein für allemal auszulöschen. Nun aber widerte jenes Fragment ihn an. Er hasste es! Schreiend vergrub Ganondorf seinen Kopf in den Händen und die nächsten Energiebälle platzen wahllos aus seinem Körper. ,Wie erbärmlich du bist! Und du willst ein König sein?‘, scherzte es, belustigt glühte es blau auf und erlosch, als Ganondorf auf es zuredete. Er musste es betäuben. Er musste es wieder loswerden! Es lachte ihn aus. Das Fragment belächelte ihn. ‚Du dummer Tropf. Jeder andere König hat mehr Kraft als du‘, sagte es. Unverfroren. Bissig. Und dieser Satz war zu viel. Ganondorf kreischte mit seiner dunklen Stimme, begann die Wände hinauf zu laufen… und warf mit Energiebällen um sich, was das Zeug hielt. Mit offenem Mund sah der Heroe dem Energiewirrwarr zu und beobachtete geschockt, wie der Dämon an dem Deckengewölbe auf und ab lief. Ganondorf drehte durch. Wenn jener nicht anfing sich zu beherrschen, so ahnte Link, würde er erneut gegen eine Bestie kämpfen müssen. Ganondorf könnte sich verwandeln, so zornig wie er im Moment seinen Kräften folgte. Rasch blickte Link mit endlich wieder scharfem Augenlicht um sich und suchte angespannt nach seiner heiligen Waffe. ,Wo ist das Masterschwert?‘, dachte er und fühlte das Adrenalin wieder durch seinen Körper schießen. Es polterte und donnerte in der Kirche. Link konnte den vielen Energiebällen mit den Augen nicht mehr folgen. Einige gingen im Nichts unter. Einige trafen Ganondorf selbst, aber hinterließen keine Wunden an seinem Körper und etliche zischten gefahrvoll nah am Boden umher, verfehlten den Heroen nur knapp. Mühevoll kämpfte sich Link durch die vielen Kugeln. Sie glühten und zimmerten die Kirche violett. Ein Farbenmeer der Vernichtung. Unberechenbar und doch faszinierend anzuschauen. Es war als brannten zahlreiche magische Feuerwerkskörper in der Kirche, leuchteten und donnerten. Es war als kündigten sie ein Ereignis an, welches in Erinnerung bleiben sollte. Als riefen sie den Tod… Link rollte sich über den Boden, wich der nächsten Kugel aus, stieß sich ab und kroch unter eine Bankreihe, um sich vor weiteren Geschossen zu schützen. Sie prallten heftig gegen das Holz der vielen Bankreihen, hinterließen Qualm und bitteren Gestank. ,Verdammt. Verdammt!‘, brummte der Heroe in seinen Gedanken. Ständig verschoben sich die Bankreihen aufgrund der Wucht der vielen Energiebälle. Ständig musste er damit rechnen, von einer der Kugeln getroffen zu werden. Und noch immer konnte er sein Schwert des Guten nirgends entdecken. Nur kurz wagte Link einen Blick an das Deckengewölbe und erblickte seinen Erzfeind mit mulmigem Gefühl im Magen. Ganondorf wirkte bleich und seine feuerroten Haare standen in alle Himmelsrichtungen. Seine Augen wirkten aufgedunsen. Seine olivgrüne Haut riss an manchen Stellen auf, zeigte schwarzes Fleisch, welches wiederrum dampfte. Hinzu kamen abartige Schreie, die der Fürst des Schreckens ohne Anhalt von sich gab. Man spürte deutlich, dass er sich quälte… Wenn er sich nicht bald zügelte, das ahnte Link, dauerte es keine zwei Minuten mehr und die Bestie in Ganondorf kam zum Vorschein. Aber umso besser für den Heroen, dass der Dämon mit sich selbst beschäftigt von ihm nicht Notiz nahm. ,So kann ich besser mein Schwert suchen‘, dachte Link. Angestrengt krabbelte der Heroe zwischen den Holzbänken hindurch, schaute in jede Ecke, blickte in jeden Ritz, während in ihm das Blut heftig durch den Körper gepumpt wurde. ,Wo ist mein Schwert nur gelandet?‘, schimpfte er innerlich und kam sich unbeholfen vor, versteckt unter den Bankreihen nach seiner einzigen Waffe gegen Ganondorf zu suchen… Inzwischen hatten einige Holzreihen Feuer gefangen und brannten leise vor sich hin. Und noch war das Masterschwert nicht in Sicht. Es war beinah beschämend für den legendären Helden seine Waffe verloren zu haben und nicht zu wissen, wohin sie geschleudert wurde. Es war das wichtigste Element des legendären Helden. Das wichtigste Item überhaupt. Und nun schien es wie vom Erdboden verschluckt. Link biss die Zähne zusammen, als er einige glühende Holzbänke zur Seite drückte und sich die Glut durch seine Handschuhe bohrte. Er entließ unabsichtlich einen Schrei und kämpfte sich nun stehend durch feuerverzehrtes Holz und die klirrenden Energiebälle, die pfeifend durch die Kirche donnerten. Es war nur noch eine Frage von Sekunden ehe eine der Kugeln sich im prachtvollen Schild der Götter versenken oder Link am puren Leib treffen würde. Aber er hatte keine Wahl, er musste es riskieren, auch, wenn er von Ganondorf gesehen wurde. Auffällig und todesmutig hüpfte der Heroe über einige stabile Bänke. Etwas Weißleuchtendes nah bei dem ursprünglichen Eingang der Kirche zog endlich seine Aufmerksamkeit auf sich. Link lächelte. „Mein Schwert!“, rief er. „Endlich!“ Wie von Sinnen hüpfte und rannte der tapfere Krieger durch den energiebeladenen Innenraum und wehrte viele von Ganondorfs zerstörende Kugeln mit dem Schild ab. Zischend versanken sie in dem goldenen Schild, vorbereitet für den Weg in andere Dimensionen. In dem Augenblick öffnete Ganondorf seine blutunterlaufenen, dunklen Augen und seine viehischen Schreie endeten. Er sah den Heroen klar genug. Er sah ihn springen, sah ihn durch die Kirche gleiten wie einen grünen Lichtstrahl… Langsam sank der König des Bösen hinab. Das Festmahl seiner größten Erwartung, seines Hassgefühls, unberechenbarer Weiten im Sinn. Gefeiert. Belustigt… Wo war der Mut, der über diesen Kampf entscheiden würde, wenn der Held doch weglief? Ganondorf lachte. Wo war das Schicksal, wenn der Held sich doch gegen das Vorbestimmte nicht wehren konnte? Ganondorf lachte bitterer. In seinen Muskeln spielten bereits die Elemente des Triforce mit der Kraft, die er selbst besaß. Kraft gebar Energie. Und jene finstere Energie verwandelte sich wie immer in ein Werk glühender Energiebälle, die nun einen Punkt im Ziel hatten. Einen Punkt, den sie vernichten wollten… Link rannte mit allem, was er an Energie für diesen Kampf noch aufbringen konnte, stürmte zu seiner heiligen Waffe. Das Ende rückte näher, auch wenn noch mehr als vier Stunden den Helden an Zeit blieben, um die Erde und die restlichen Menschen zu retten… Als er das Schwert ergreifen konnte, waren die tosenden Energiebälle des Teufels in den prickelnden Lüften spürbar. Kollernd sammelte Ganon einen gewaltigen Ball aus finsterem Gewühl vor sich, und ließ die vielen kleinen Bälle hier und da sich mit jenem vereinigten. Ein Gewürz nach Tod und Ende lag in der Luft, erreichte ebenso den Heroen, der den Duft verabscheuend bemerkte… Links tiefblaue Augen beobachten mit Entsetzen das gigantische Inferno übernatürlicher Macht sich zu einer Kugel verschmelzen. Eine Schweißperle nach der anderen raste an Links Stirn hinab, wusste er doch, diese monströse Kugel an schwarzer Magie war ausreichend um die ganze Kirche hochgehen zu lassen, einschließlich der Kanalisation, wo sich Zelda befand… Er musste etwas tun. Der Heroe musste entscheiden für sich und für die Welt. Er hatte nur eine Möglichkeit… Mit dem Schwert in beiden Händen, stolz in die Höhe gestreckt als Zeichen des Niedergangs… Mit einem Gefühl von Tapferkeit, welches über die einfältigen Zeichen von Unverzagtheit und Würde hinausging… Mit Augen, in denen sich das alte, vergessene von Hyrule wiederspiegelte... Ließ der Held sein Körper das Werkzeug sein von heiligem Stahl und guter Magie… Träge schlossen sich Links Augenlider und er spürte, erlebte und träumte. In seinen Gedanken rief er die Formeln einer geheimen Schwertkunst, das einzige, was ihm noch blieb, um diesen Wahnsinn Ganondorfs irgendwie zu stoppen. In seinen Gedanken sammelte er alle Fetzen, die ihm die Kunst eines alten Rittergeistes gestatteten. Orsons Worte schlichen sich in sein Gemüt, forderten ihn auf, unterstützten ihn. Link sollte jene Kunst nicht zu oft einsetzen, und doch war nun ein Moment gekommen, das Schwert nach Orsons Anweisung tanzen zu lassen… Mit Angst in den Gliedern lauschte die junge Prinzessin den wahnsinnigen Geräuschen, die von der Kirchen herrührten, spürte unter ihren Füßen, wie der Boden bebte und hörte ab und an einen Schrei von Ganondorf und einen von Link. Sie kämpften wie Wahnsinnige… wie Tiere… Zaghaft tastete sich Zelda in der Dunkelheit an einer Wand entlang, konnte absolut nichts mehr sehen, denn sie hatte keine Fackel und kein anderes Licht bei sich, welches ihr den Weg erhellen würde. Sie zitterte, verursacht durch die Kälte und Nässe ihrer Kleidung und wegen der Gefahr, die hier lauern könnte. Sie tapste die Stufen hinab, ständig konfrontiert mit dem Gedanken, gegen irgendetwas Unbekanntes stoßen zu können. Sie kniff die Augen zu und tapste weiter, hörte ihre schleppenden Atemzüge, hörte Wassertropfen von ihrer Kleidung und von den Wänden rieseln. Aber nicht mehr… Aus dieser Sichtweise hatte Dunkelheit etwas Beruhigendes… so lange man das Böse nicht behorchte, und man es ohnehin nicht sehen konnte, hatte man keine Alternative als weiterzulaufen… Endlich spürte die Königstochter die letzte Stufe. Sie entließ einen lauten Seufzer, setze vorsichtig einen Fuß nach den anderen und suchte in der Dunkelheit nach irgendwelchen Hinweispunkten um sich zu orientieren. Schließlich trat sie in einige Pfützen, spürte das Wasser durch ihre Stiefel ziehen und es erinnerte sie daran, wie eiskalt ihre Füße waren… Sie zog den trockenen Mantel ihres Liebsten ein wenig mehr um sich, suchte ein wenig Wärme darin, seine Wärme, in der Hoffnung, seine Wärme nach diesem Kampf wieder erfahren zu dürfen… Zelda trat weiterhin vorwärts, kniete nieder und tastete mit ihren Händen nach dem unterirdischen See, in welchen irgendwo das Medaillon liegen musste. Es erschreckte sie ein wenig, als das verdreckte, ölige Wasser ihre Hand umspülte und wusste, dass sie nun direkt vor dem See stehen musste. Sie nahm einen tiefen Atemzug, vorbereitet und entschlossen trotz der Skelletfische und dem eiskalten Wasser nach ihrem Medaillon zu suchen. Es würde nicht einfach sein. Es würde schmerzhaft sein. Aber sie musste es tun, sie musste das Medaillon finden, nicht zuletzt für Link, der gerade in dem Moment gegen den schlimmsten Dämon von Himmel und Hölle kämpfte. Sie schloss die Augen, legte den trockenen Mantel ab, sammelte ihre Kräfte und trat zielgerichtet hinein in den Tümpel… Die kleinen Skelettfische mit ihren sieben Zähnen schwammen saugend an ihr vorbei, erfuhren die einfache Klinge, die Zelda in dem Wasser umher schlug. Sie waren zahlreich und gerissen, umzingelten die junge Prinzessin nicht nur einmal. Aber Zelda kämpfte, reckte ihre Kehle nach oben und ballte die Fäuste. Mit aller Kraft bahnte sie sich ihren Weg durch den See, tastete mit den Füßen nach dem heiligen Gegenstand, der in diesem Tümpel liegen musste. „Wenn ich doch nur einen Hinweis hätte!“, sprach sie stockend, während das kalte Wasser ihr die Sinne rauben wollte. „Wenn ich doch nur Licht hätte…“ Es waren Minuten, in denen sie hin und her irrte, nicht wissend, ob sie nur im Kreis lief, oder ob sie den See nur ansatzweise durchkämmt hatte. Und noch war das Medaillon Zerudas nicht greifbar für sie. Inzwischen stiegen ihr Tränen in die Augen, war diese Suche doch noch schlimmer als die Stecknadel im Heuhaufen zu finden. Link haderte mit dem Leben in der Kirche und sie… sie konnte ihm nicht einmal mit dem Medaillon zur Seite stehen. Diese Gedanken waren so vernichtend für sie. Sie planschte inzwischen, schleuderte ihr Schwert in dem Wasser umher und vernichtete soviele Fische wie sie nur konnte und es war da, dass sie etwas Vertrautes an sich vorbeigleiten spürte. Sie fühlte eine metallene Kette, die ihren Oberarm streifte. Und sofort wusste die Prinzessin bescheid. Es musste einer der Fische sein, der die Kette mit dem Medaillon angebissen und ihr vorhin entwendet hatte. Hektisch griff Zelda nach der Kette, konnte sie aber in der Dunkelheit nicht erblicken und verfehlte sie. Ruhig, dachte sie. Der Fisch kommt bestimmt gleich wieder. Zeldas Herz trommelte, während in dem Wasser sich die Fische wieder versammelten, sich an ihr laben wollten. Griffbereit hielt sie beide Hände in die ölige Masse und konzentrierte sich auf jedes noch so kleine Gefühl, auf jedes noch so kleine Klimpern… Erneut glitt die kalte Kette an Zeldas rechtem Arm vorbei und diesmal erwischte sie die Kette geradeso. Sie rang mit dem Fisch, der energisch weiterschwamm. „So nicht, Freundchen!“, murrte die Prinzessin Hyrules und spießte den kleinen beißenden Räuber mit ihrem Schwert auf. Es war kurz und schmerzlos und das alte, mächtige Medaillon befand sich endlich wieder in Zeldas Händen. Sie hielt es in beiden Händen, war dankbar und gleichzeitig bestärkt darin, ihrem Heroen damit helfen zu können. Wieder schloss sie die Augen, während in der Dunkelheit- und Zelda selbst bemerkte es nicht- das warme Blut aus ihrer Triforcewunde das Relikt umspülte. Zelda wünschte sich etwas und diesmal nahm sie alles wahr, was sie tat. Diesmal begriff sie, das Medaillon einsetzen zu können… Sie wünschte sich Trockenheit, wünschte sich ein Licht und aus diesem See entkommen zu können… Die drei Edelsteine des Medaillons glühten auf und schickten den Zauber ihrer Farben in der Kanalisation auf und ab. Erleichtert lächelnd beobachtete die Königstochter das Spektakle der vielen Farben und fühlte, wie sie von grünen schillernden Punkten umrahmt aus dem See auf trockenen Boden gehoben wurde. Noch im selben Moment trocknete wie von Geisterhand auch ihre teilweise zerrissene Kleidung. Sie wusste nicht, wie sie das Medaillon aktiviert hatte, aber dies war nebensächlich. Sie wusste und das war ausreichend, dass sie es kontrollieren und befehligen konnte… „Link, ich komme zu dir!“, sprach sie klar und trat mit dem wenigen Licht des alten Reliktes ihren Rückweg an. Link indessen konzentrierte sich mühevoll auf seine heilige Waffe, wohingegen der Fürst des Schreckens seine ultimative Vernichtungskugel aus allen Nähten platzen ließ. Sie war gigantisch und füllte bereits schon die befleckte Malerei am Deckengewölbe aus… Orsons Geist schlich durch die Gedankengänge des Helden, seine Worte eindringlich, sein Geschick meisterhaft. All‘ die Eigenheiten seiner Schwertkunst liefen vor Link wie in einem Film ab. Er sah die Bildung, die Zerstörungskraft und das Verpuffen jener Attacke, die eine Menge magische Kraft forderte… Einen eher simplen Namen trug sie, der nicht unbedingt verriet, was hinter ihr steckte… Orson beschrieb sie als eine verdächtige Kunst, die dem Träger des Schwertes mehr Schaden zufügen konnte als seinem Kontrahenten. Eine Kunst ohne Gnade… Orson nannte sie: Den Abgrund… Links Augenlider zitterten ein wenig, als könne er die Konzentration nicht mehr halten… und während sich sein Gesicht verkrampfte, blitzte plötzlich ein gefahrvoller Strahl, so dünn wie ein Haar, aus der Mitte des Masterschwerts. Weitere kurze Blitze folgten, bis sich ein Band durch alten Zauber aus der Klinge webte. Das Band wuchs und schlug einen weißlich leuchtenden Kreis um Link. Noch ein Band entbrach der heiligen Klinge des Guten, umspielte wieder Links Körper und noch eines und noch eines… Inzwischen waren es sieben Bänder, die kreisförmig um Links kampfbereiten Körper flossen. Sie bildeten eine Art Laufrad, verschoben sich ständig, bewegten sich als wären sie lebendig… Und da schossen Links Augenlider nach oben, während die weißen Bänder, scharf und gefährlich um seinen Körper tanzten… Noch immer hielt der Heroe das uralte Masterschwert in die Höhe gestreckt, und noch schien die Vorbereitung nicht abgeschlossen. Die Kugel des Lichts in welcher Link nun eingeschlossen seinen weiteren Weg finden würde, erhob sich vom Boden und segelte langsam wie ein Schiff zum Himmel empor. Sie schwebte mit Link zögernd näher zu der gigantischen, schwarz-violetten Kugel, die Ganondorf produzierte. „Ganondorf!“, rief Link warnend. „Beende diesen Irrsinn, das Spiel ist aus!“ Bedächtig ließ Link das Masterschwert nach unten gleiten, und während es sich bewegte, platzen aus den vielen weißen Bändern der Kugel, in welcher Link nun den Abgrund wählte, ebenso Nachbildungen des einen Schwertes des Guten. Ein Inferno wütender Klingen umgab den Heroen und er würde mit dieser Attacke neben der Zerstörung Ganondorfs Teufelskugel seinen eigenen Tod in Kauf nehmen. Wenn es das Schicksal verlangte, würde er diesen Weg gehen… Er hatte keine andere Chance. Orson warnte ihn davor, dass ein unbedachtes Einsetzen jener Waffe mit dem teuersten Preis zu bezahlen war, aber setzte Link im Kampf gegen Ganondorf nur einen Schritt unbedacht? Gewiss nicht… dennoch war der Tod die Warnung Orsons. Und Link würde die Worte des Ritters aus Hyrule mit Ehrfurcht bedenken… Ganondorf lauschte nicht den Worten des Helden, er konnte es nicht mehr… sein Körper schien halb geschändet von der Macht, die ertrunken an Rache und Hass für sich selbst lebte. Er lachte, ja, Lachen, das schien das einzige, was ihm noch Freude bereitete. Lachen mit Genuss und einer Unangemessenheit wie eh und je… „Ganondorf!“, rief Link erneut. Er wollte ihn aufwecken, ihn aus seiner Trance herausreißen. Aber wenn es mit kräftigen Rufen nicht klappte, dann musste es eben die Attacke tun. Link steuerte direkt auf die gigantische schwarze Energiekugel zu, die mit violetten Adern umkleidet schien. Er würde diese Kugel vernichten, koste es, was es wolle. Denn wenn diese Kugel noch weiter anwuchs, würde sie dafür sorgen, dass die Kirche vom Himmel stürzte. Und Zelda befand sich direkt in der Kanalisation, die unter der Kirche noch teilweise hing. Sie wäre die erste, die bei einem Aufschlag zerfetzt werden würde… Der Gedanke beschleunigte den Heroen in seinem Tun. Das Masterschwert in seinen Händen war bereit für den einen entscheidenden Zug, den es nehmen würde… Ganondorf lachte wieder und richtete sein aufgedunsenes, bleiches Gesicht direkt zu Link. Er starrte ihn an als wäre er sein Erlöser. Der Fürst des Bösen hob dann erneut seine Arme, sein Opfer im Visier… Link war nun direkt ihm gegenüber, noch immer umrahmt von der weißen, aber gefährlichen Magie, die ihm Orson lehrte. Spannung zerriss die Luft, als sich beide Kontrahenten mit Hass und blankem Ekel anblickten. Todesmutige Blicke. Starke Herzen, die jene Blicke unterstützen. Ohne mit der Wimper zu zucken, entschieden sie sich für den Schmerz, den sie beide durch diesen Schlag erfahren würden. Ungehemmt steuerte Link auf Ganondorf zu. Freiwillig gefangen in einer vernichtenden Maschinerie aus Schwertern und weißer Magie entließ er einen Kampfschrei, den Zelda in der Kanalisation hören konnte. Aber sein Ruf würde erhaben sein. Sein Kampfesruf war edel… Auch Ganondorf machte seine Waffe bereit, trieb jene an… Beide waren sie beeindruckt von der Standfestigkeit und dem Mut des anderen. Denn keiner wich von seinem Weg ab und keiner von beiden gab auf… Sie stießen aufeinander zu. Und als sich die beiden Attacken endlich trafen, stand für eine Sekunde das Leben in Links und das verfluchte in Ganondorf still. Und alles, was folgte war ein ohrenbetäubendes, schrilles Donnern. Ein Gemetzel solcher Wucht, dass es das Deckengewölbe der Kirche zerschmetterte. Die gesamte schwebende Kirche wackelte in den Lüften und tausende Kugeln von weißer oder violetter Farbe stürzten zur Erde hernieder… Die letzten Menschen der Erde konnten den Regen sehen, der wie ein Zeichen für sie sein sollte. Und sie sprachen miteinander, stimmten ein, mit Traurigkeit und Ergebenheit. Es war der erste und letzte magische Regen vor der Götterdämmerung… Kapitel 123: „Ich töte dich, weil du Mein bist…“ ------------------------------------------------ Als brannte die Welt in der einen Götterdämmerung, zogen von Westen her die ersten feuergeladenen Dampfwalzen, hier auf der überschütteten, verfluchten Erde, die ihre eigenen Sünden nicht kannte… Die Zeit lief ab, so lange sie es noch konnte. Denn stand das Ende ins Haus, so würde auch die Zeit nicht mehr dahin ticken können… Als brannte die Welt in der einen Götterdämmerung, hörte man von weitem die sterbenden Klagerufe der letzten Menschen, die in jenen Minuten von Ganondorfs Kindern wie Vieh, erbarmungslos und kalt, abgeschlachtet wurden. Für Dämonen wie Ganondorf waren Menschen Vieh… Vieh zum Foltern. Vieh zum Töten… Und als brannte die Welt in der einen Götterdämmerung gab es noch ein einziges Gebet, welches von kämpfenden Lippen stammte. Es gab noch einen Hoffnungsschimmer, weit in den Lüften verborgen, geschwächt, aber am Leben… Als sich der Nebel und der Rauch, die Produkte des heftigen Knalls, legten, herrschte Stille am Horizont. Und als die Luft rings um die Kirche wieder klarer wurde, konnte man endlich erkennen, welche Ausmaße die beiden energiegeladenen Waffen von Link und seinem Kontrahenten besaßen. Das Dach der Kirche hatte so großen Schaden genommen, dass davon nicht viel übrig geblieben war. Der Turm der Kirche war noch erhalten, ebenso einige Meter altes mit Schiefer bekleidetes Holz, und doch ragte aus der Mitte des Daches ein riesiger Krater… Der junge, verletzte Heroe lag hechelnd auf dem Bauch, mit geöffneten Augen, direkt am Abgrund. Nur wenige Zentimeter weiter und er wäre durch die Wucht der beiden Attacken über den Abgrund hinausgeschleudert worden. Er atmete schleppend und pfeifend. Ein schmerzverzerrtes Jaulen drang durch die Luft, fordernd nach einer helfenden Hand, die jedoch nicht kommen würde. Es hatte ihn ziemlich schwer erwischt, ja, das wusste er. Er musste grinsen, als er versuchte sich auf seine Arme zu stemmen. Nur ein Versuch, nicht mehr… Er trug eine Platzwunde am Kopf, seine grüne Mütze hatte er verloren. Tastend mit der linken Hand über seinem Brustkorb vermutete er zwei, drei Rippenbrüche. Und an seinem rechten Oberschenkel stak ein großes Holzstück tief im Fleisch… Er brach wieder nieder, kniff die Augen zusammen und versuchte einen klaren Kopf zu bewahren, versuchte sich wach zuhalten… Nicht weit von ihm entfernt lag der goldene Schild der Götter zusammengebeult und unbrauchbar. Das Masterschwert war nicht in Sicht. Und Link hatte Sorge, dass es in die Tiefe gestürzt und nicht mehr auffindbar war. Er öffnete seine tiefblauen Augen erneut und blickte zu seiner rechten Hand, die am meisten schmerzte… Auch das noch, brummte er in Gedanken. Sein Mittel- und sein Ringfinger waren umgeknickt. Ein schauriges Bild… aber es war nicht das erste Mal und Link wusste, wie er dies beseitigen konnte. Plötzlich knackte es unangenehm und ein impulsiver Befreiungsschrei entkam Links Lippen, als er seine beiden Finger wieder einrenkte… Noch immer hechelnd drehte er sich um, sodass er in den blutroten, weinenden Himmel blicken konnte. Der Vorhang des Todes zog sich langsam zu, dort im Westen fing es an. Ein Farbenmeer aus rot, violett und schwarz sich vereinend zu dem Dunkel, welches die Welt übertünchen würde. Er schloss die Augen, nur um sie sofort wieder aufzureißen. Erst jetzt bemerkte er, dass nicht nur sein Hecheln sich wehleidig durch die Lüfte zog. Wenige Meter weiter schnaufte und murrte der Fürst des Schreckens über seine eigenen triefenden Wunden… Ganondorfs muskulösen Beine waren unter schwerem Holz und Schiefer begraben und blutiger Speichel tropfte von seinen Mundecken. Angelehnt lag er an dem Turm der Kirche, ganz und gar nicht königlich. Ganz und gar nicht wie der kraftprotzende Herrscher, der er sein wollte… Das Aufrichten fühlte sich für Link an, als stemmte er einen ausgewachsenen Goronen in die Höhe. Seine Arme zitterten und seine Atmung beschleunigte sich ungewollt. Es war schmerzhaft, sich auf die Arme zu ziehen, aber es gelang… Seine Hände zu Fäusten geballt, zog er sich ein Stückchen weg von dem feurigroten Abgrund, der die Welt am Grund wie ein heilendes Eiland wirken ließ… Links Augen tränten, einerseits vor Schmerz überall und nirgends, andererseits wegen dem reißenden Wind in diesen Höhen, welcher Kälte und Nässe näher trug. Das dicke Holzstück in seinem Oberschenkel begutachtend, entschied sich der Heroe dafür, es dort zu belassen. Er würde nur noch durch die Gegend humpeln können, aber besser als eine gefährliche Blutung zu riskieren. Er presste die linke Hand auf den Brustkorb und spukte ebenso etwas Blut, keuchte leise, keuchte mehrmals… War das nun das Ende, fragte er sich und blickte verschwommen hinauf an den Horizont. Und je länger er den finsteren Himmel fixierte, umso klarer und lebendiger wurden die Engel, die er von dem zerstörten Firmament sinken sah. Es waren glitzernde Punkte. Rein. Ehrlich und Unschuldig… Es tat gut… Link verschwendete in diesem Augenblick keinen Gedanken daran, dass die Engel, die er in den Lüften tanzen sah, nicht nur Illusionen waren. Es war immer ein Geben und Nehmen. Ein Hin und hergerissen sein für das wenige Gute in einer von Nacht umhüllten Welt zu kämpfen. Es war niemals leicht. Und wenn die Zweifel über ihn kamen, dann kamen sie vernichtend. Was wäre, wenn er Ganondorf nun besiegen könnte? Wie sollte ein Leben auf der Erde aussehen? Jetzt, da mehr zerstört wurde als noch im Begriff war zu wachsen? Eine Welt in Frieden. Eine Welt ohne das Triforce. Ein neues Hyrules… Würde es eine solche Welt denn wirklich irgendwann geben? Er lachte über sich selbst, während die vielen glitzernden Punkte am Firmament sich zu einem Wesen vereinigten. Würde seine eigene Seele und diejenige von Zelda irgendwann Ruhe finden? Er bezweifelte es immer mehr. Er verlor den Glauben daran mit jedem neuen Gedanken… Die weißen Lichtpunkte rührten den geschwächten Heroen zu Tränen. Sie waren so hell, dass er daran erstarren könnte. Hier, wo das scharlachrote Gewand sich über die Welt legte, zündete ein letztes heiliges Wesen eine Flamme der Wärme für Link. Nur für Link… Das Wesen lächelte und bildete sich alsbald zu einem grünäugigen Mädchen mit blauen Schleifen im Haar und da erkannte Link sie. Zu seiner Überraschung trug sie mit ihren beiden kleinen Ärmchen sein Schwert umher. „Navi?“ Sie grinste bitter und kniete sofort zu ihm nieder. „Du bist ein Vollidiot, eine solche dumme Attacke zu riskieren. Mann müsste dir zusätzlich einen belehrenden Schlag auf deinen idiotischen Gehirnkasten geben…“ Link grinste unverbesserlich. Wie recht sie hatte. Mit zitternden Armen richtete sich der Heroe ein wenig auf, unterdrückte ein wehleidiges Wimmern, wollte nicht noch mehr Navis Zanksucht schüren, obgleich sie frohen Mutes vor ihm saß. „Man kann dich echt nicht alleine lassen“, murrte sie. „Wohl nicht…“, hauchte er, leise aber ironisch. Link hustete ein weiteres Mal und schaute verwundert zu seiner heiligen Waffe. „Guck‘ nicht so überrascht. Du kannst froh sein, dass ich zufällig in der Nähe war. Dein Schwert ist bis zum Boden gefallen, direkt hinein in einen Wald. Hätte ich es nicht bemerkt, dann sähest du jetzt mehr als alt aus…“ „Danke… meine kleine Nervensäge…“, sagte Link leise und lächelte dabei. „Außerdem kannst du froh sein, dass es nicht zu tausend Teilen zerschellt ist… mich wundert es mehr als alles andere, dass der harte Aufprall keine Spuren am Masterschwert hinterlassen hat. Also dank den ersten sieben Weisen, dass sie bei der Erschaffung des Schwertes keinen Mist gebaut haben…“ Und je mehr sie sich aufregte, so wusste Link, desto mehr machte sie sich Sorgen um ihn. Vorsichtig streckte Link eine Hand nach Navis Wange aus und hinderte sie an ihrer Radaulust mit einer Berührung. „Navi… reg‘ dich nicht so auf… ich weiß, du bist froh, dass ich noch lebe… du willst deine Freude ja bloß verstecken…“ Link lächelte seine einstige Begleiterin dankbar an. „Du Dummkopf“, schimpfte sie und schluchzte. „Ich hab‘ dich vermisst, Navi, meine Gefährtin auf den Abwegen der alternativen Zeit…“ Sie weinte dann. „Ich dich auch, Link. Es freut mich, dass du deine Erinnerungen wieder hast.“ „Und mich erst...“, lachte er und griff sich sofort wieder an den Brustkorb. „Gebrochene Rippen, was?“ Link nickte. „Was sonst…“ „Is ja nicht das erste Mal…“, meinte sie schnippisch, aber lächelte dann. „Wie wahr…“, hauchte der Heroe. Navi nahm alsdann das heilige Schwert des Guten in ihre kleinen Kinderhände und schleifte es mühevoll näher. Sie drückte das Heft dem geschwächten Heroen in die Hand und zwinkerte. „Es bedarf ein Stückchen Herzfleisch um alles zu beenden, Link… Gib‘ sie auf, deine Ehre… Ganondorf hat seine verspielt… Geh‘!“ Mit diesen Worten sahen sowohl Link als auch Navi dem übel zugerichteten Ganondorf in seine halbgeöffneten, eisigen Augen. Und obwohl er zu schlafen schien, war der bösartige, rote Schimmer in seinen Augen genug Offenbarung für seine Niedertracht. „Was nützt es dir ehrenvoll zu kämpfen, wenn du damit nur dir selbst schadest… ich weiß, du hast nie aus Leidenschaft oder Freude gegen das Böse gekämpft. Du hast es getan, um diejenigen zu beschützen, die du liebst. Du hast es getan, weil du musstest. Natürlich liebst du den Kampf, aber doch nur- und nur dann solltest du deine Ehre wahren- wenn du dein Talent zeigen möchtest, wenn du einen freundschaftlichen Kampf gewinnen willst…“ Erstaunt lauschte der Heroe Navis Worten. Wollte sie, dass er endlich so unfair kämpfte wie Ganondorf? Wollte sie, dass er Ganondorfs unterlegene Situation endlich ausnutzte? „Tu‘ es endlich und töte ihn für immer, Link…“ „Aber Navi… ich bin kein… Killer…“, sprach er klar und deutlich, fürchtete sich fast vor seinen eigenen Worten. Wo stimmten diese Worte noch? Er hatte soviel getötet und soviel Last auf seiner Seele, dass es für mehrere Mörder ausreichte… „Erinnere dich an die alternative Zeit… damals hast du Ganondorf auch den Todesstoß geben können, ohne lange nachzudenken…“, sprach das Kind, welches Navi doch war. „Ja, das stimmt… aber die Zweifel kamen später… ich weiß, ich habe keine Wahl, aber ich hätte ihn lieber in einem anderen Moment ins Jenseits geschickt, als ihm am Boden liegend den Rest zu geben…“ Als Link sich auf seinem Schwert in die Höhe zog, fühlte er sich fast ein wenig besser. Es schien, als übertrugen sich ein paar Bruchstücke der Kraft des alten Schwertes auf seinen Körper und seinen Geist. „Geh‘ Link, und beende es…“, sprach Navi noch einmal, bevor sie ihre Sichtbarkeit nicht länger halten konnte und in jenen glitzernden Punkten verschwand, in denen sie erschienen war. Entschlossen, aber mit einem Funken Mitleid in seinen tiefblauen Augen humpelte Link mit einem zum Töten bereiten Masterschwert näher zu dem Fürsten des Schreckens. Ganondorf trug selbst in seiner Ohnmacht ein barbarisches Grinsen. Da lag er, der stolze König aus der Gerudowüste. Gebrochen. „Wer ist nun das Häufchen Elend, Ganondorf?“, sprach Link japsend nach Luft. Er musste sich auf seinem Schwert abstützen, um sich auf den Beinen halten zu können, aber es wurde besser. „Wach auf, Mistkerl. Sieh‘ mir wenigstens in die Augen, wenn ich dich vernichte!“, röhrte Link, so laut wie er konnte. Ungeduldig trat er mit dem gesunden Bein nach Ganondorfs rechten Arm. „Wach‘ auf!“, brüllte Link und hob das weißleuchtende Masterschwert richtend in die Höhe. Wie ein letztes Licht der Welt erstrahlte es hier auf dem Dach der Kirche umgeben von rotem Schein… Und Ganondorf erwachte… wie auf Befehl hoben sich seine Augenlider nach oben. Der gleiche Hohn. Der gleiche Wahnwitz wie immer lag in Ganondorfs rotfunkelnden Augen. Auch jetzt, da er unterlegen schien. „Na Heldchen? Was jetzt?“, schnalzte er und spukte schwarzes Blut auf Links Füße. „Willst du mich mit deinem lächerlichen Zahnstocher aufspießen?“ Angewidert ließ Link das scharfe Schwert sinken und stützte die Spitze der heiligen Klinge direkt auf den zerrütteten Stoff von Ganondorfs Bauch, dort, wo in etwa der Nabel saß. Ob Ganondorf überhaupt einen Nabel hatte? Ob diese Bestie einst Vater- und Mutterliebe erfahren hatte? „Sag‘ mir, welchen Sinn hatte dein Leben jemals! Hat dein abscheuliches Dasein überhaupt einmal einen Nutzen für irgendwen getragen?“ „Es war gut genug, um dein Leben und das deiner Prinzessin zu zerstören, nicht?“, japste er, während schwarzer Speichel an seinen Mundecken entlanglief. Kochende Wut raste in Links Venen entlang. Selbst im Angesicht des Todes wagte es dieses Scheusal noch sich über ihn und Zelda zu amüsieren. Der Heroe presste die Lippen aneinander, um seine eigene Bestie, die sich wieder regte, unters Joch zu zwingen. „Ich habe kein Mitleid mehr mit dir. Genug von deinen läppischen Reden. Genug von dem, was du dem Gleichgewicht der Erde und dem von Hyrule angetan hast… heute wird alles enden“, sprach Link, wusste um den Mord, den er auch jetzt zu verantworten hatte. Aber war dieser Mord denn nicht ein gerechtfertigter? Menschen töteten, manchmal wahllos. Richter verhängten Todesstrafen in dieser Welt… Warum also auf ein menschliches Gewissen hören? „Sieh‘ einer an, wirst du langsam vernünftig?“, hechelte Ganondorf. Er spürte bereits die gnadenlose Spitze der weißen heiligen Klinge seines Gegners. Es brannte ein wenig auf seiner Haut, brannte genüsslich, brannte irgendwie heilsam… „Nun mach‘ schon, beweise deinen Mut!“, lachte der Dämon. Denn noch immer zögerte Link, hatte ein schlechtes Gefühl dabei. Aber was war besser als die Welt von Ganondorfs Klauen zu reinigen? Kollernd umfasste der Fürst des Schreckens von Links Zögern beleidigt die Klinge, spürend, wie sich seine Fingerhaut an dem Material versengte. „Was…?“, entkam es den trockenen Lippen des Helden. Und es war, als würde die heilige Klinge wie von selbst, zärtlich und einprägsam ihren vorbestimmten Weg finden. Aber nicht durch Links Hände allein… Ganondorf grunzte viehisch, als sich der Stahl in seinen Bauch hineinbohrte. Aber das Glimmen, weitreichend und erschreckend, sagte dem Heroen, dass jenes Spiel, makaber und grausam, noch lange nicht beendet schien. „Einen letzten Trumpf habe ich noch, Held der alten Welt… erst wenn du diesen schlägst, hast du gewonnen…“, murmelte der Dämon, schloss die Augen. Aber um seine Mundwinkel erschuf sich jenes unheilvolle Lächeln, das das Heer der Toten ins Leben gerufen hatte. Gleichzeitig schlossen sich auch Links tiefblaue Augen. Er träumte, halluzinierte… er wusste nicht mehr, wie ihm geschah… er wusste und erfuhr nur einen Schmerz, den er nicht erwartet hätte. „Link…“, sprach Zelda hilflos, während sie sich in der Dunkelheit vorwärtsbewegte. Vor wenigen Sekunden war die gesamte Kirche, einschließlich der Kanalisation, durch einen so heftigen Knall erschüttert worden, dass die Prinzessin schon das schlimmste befürchtete. Und hier, wo sie sich entlang bewegte, waren unzählige Gesteinsbrocken aus dem Mauerwerk geschleudert worden. Zelda konnte von Glück reden, dass sie unverletzt blieb. „Link… was ist geschehen…“, murmelte sie, während ihr die Angst im Nacken saß. Ihr Magen verkrampfte sich und ihr wurde übel, so sehr, dass sie sich zunächst auf die Knie sinken lassen musste. Sie spürte, dass etwas nicht stimmte. Link quälte sich… Den Namen ihres Helden weiterhin auf den Lippen zog sie sich weiter, zog sich mühevoll durch die violette Pforte und trat in den zerstörten Kirchenraum, wo neben riesigen Gesteinsbrocken, zerfetzten Schieferplatten und durchtrennten Holzbalken wütendes Feuer loderte. Zelda wischte sich ihre klebenden, blonden Haare von den verdreckten Wangen und besah sich den glühendroten Schein, der seine glutbeladenen Ausläufer von oben herab in den Kirchensaal schickte. Die Prinzessin erstarrte zunächst angesichts des riesigen Loches an der Decke. Ihre müden, himmelblauen Augen musterten mit Entsetzen die Ausmaße der Kräfte der beiden Duellanten. „Link!“, rief sie. „Wo bist du!“ Panisch wand sie sich hin und her, bis sie sich schleppend einen Weg durch Feuer und Gestein suchte. Sie rief fortwährend nach ihm und vielleicht hätte er ihr sogar geantwortet, wenn er Herr seiner selbst wäre… Vor dem verschmutzten Altar, wo noch immer das schwarze Bild die Wände verzierte, fand sie ihn endlich. Unbeeindruckt stand der junge Heroe ohne Mütze mit dem Rücken zu seiner Prinzessin. „Link…“, sprach Zelda leise. Er schien nicht zu reagieren, obwohl er seine Liebste sonst ohne zu Überlegen in die Arme geschlossen hätte. Und als dann in Zeldas Magen erneut eine bittere Übelkeit aufstieß, belehrte das Schicksal die Prinzessin, auf der Hut zu sein… Beunruhigt trat sie näher und wiederholte den einprägsamen Namen des Heroen deutlich. Seine wiesengrüne Tunika war noch zerrütteter als vorhin. Die vielen Blutspuren an dem Stoff und das dicke Holzstück in seinem Bein beunruhigten Zelda zusätzlich. Aber der Held stand wacker auf den Beinen und musste daher keine ernsteren Verletzungen tragen, entschied Zelda. Sein Schild und das heilige Schwert seines eigenen Schicksals fehlten. Noch etwas, was Zelda alarmierte. „Link…“, sagte sie erneut, diesmal liebevoller und endlich hielt sie nicht mehr länger an sich. Sie trat näher und umschlang seinen mitgenommenen Körper mit ihren Händen, die sich sogleich auf seinem Bauch wiederfanden. Er seufzte lediglich. Ohne seine angenehme Stimme zu erheben. „Was ist geschehen?“, sprach Zelda im Flüsterton und drückte ihren eigenen Kopf auf seine rechte Schulter. Sie spürte sein zerzaustes Haar an ihrer rechten Wange, spürte dann eine unangenehme Kälte, die seinen Körper wie ein Schutzschild umrahmte. „Du bist so kalt…“, sagte sie besorgt, damit rechnend, dass er irgendetwas sagte, aber er blieb stumm wie vorhin auch. Skeptisch löste sich Zelda von ihm und trat vor ihn, blickte durchdringend in sein blasses Gesicht, wo die goldblonden Haarsträhnen seine tiefblauen Augen verdeckten. Sie streichelte mit ihren zitternden Fingerspitzen über seine rechte Wange, spürte seine kalte Haut nun noch deutlicher. Zaghaft strich sie dann die blonden Haarspitzen von seinen Augen, um darin lesen zu können, um zu wissen, was ihn bedrückte, und zu erkennen, warum er nicht mit ihr redete. Und erst jetzt erkannte sie, dass er seine Augen fest verschlossen hielt… „Link… bitte so sag‘ doch etwas…“, sprach sie nun ein wenig verzweifelt. Warum stand Link so unbeteiligt vor diesem dämlichen, schwarzen Gemälde? Warum reagierte er nicht auf sie? „Tut dir etwas weh?“ Sie umarmte ihn innig und versuchte ihn aus dieser Trance zu reißen, ohne zu realisieren, dass Link nicht hier weilte. Ohne endlich zu begreifen… Manchmal gab es Ereignisse in den Geschichten, die mit Magie geschrieben wurden, welche der Erzähler nie plante. Und manchmal musste auch ein liebender Mensch einen bitteren, letzten Schritt wagen. Zelda würde ihn wagen müssen, dann, wenn sie erkannt hatte… „Link…“ Hilflos hing die junge Prinzessin an ihm und wusste nicht mehr weiter. Sie tastete seinen Hals ab, suchte nach seinem Puls. Sie fand ihn, aber das wenige Pochen unter ihren Fingerspitzen, flüchtig, unlebendig, bescherte ihr die Zweifel grausamer Vorstellungen. Gelüste im Nebel. Herzenswärme im Trugschein… Sie begann ihn zu rütteln und sagte seinen Namen eindringlicher, bis plötzlich seine Augenlider nach oben flatterten. Er keuchte, aber er spielte mit seiner Stimme so unsauber, so anders als sonst, dass es Zelda zunächst verwirrte. Sie umarmte ihn, versuchte ihn weiterhin mit ihrer eigenen Wärme aus diesem Zustand zu reißen, bis Links Arme sich dann suchend auf den nassen Stoff ihres Rückens legten. Er streichelte ihr nicht wie sonst über den Rücken, beruhigte sie nicht wie sonst mit seinen innigen Berührungen, kündigte nicht wie sonst die Zuneigung an, die ihm für sie innewohnte, sondern drückte einfach nur fest zu. Zelda entließ einen überraschten Seufzer, als er sie so fest an seinen Körper drückte, dass ihr das Atmen schwerer fiel. Es war ihr unangenehm und tat sogar ein wenig weh. Sie musste ihn beherzt von sich wegstoßen, um in seine Augen sehen zu können. Und als sie darin versank, so tief und ehrfürchtig wie noch nie, wünschte sie sich, zu träumen. Etwas Befremdendes lag in dem stürmischen Tiefblau, welches sie immer geliebt und verehrt hatte. Zorn. Erniedrigung. Aber auch zügellose, kranke Begierde. Ohne Vorwarnung presste er seine kalten Lippen auf ihre, verleugnete jeden Hauch Wärme und Liebe in dem Kuss, beschmutzte sie vielleicht sogar mit einem unreinen, gebieterischen Zungenspiel, welches ihr einen eisigen Schauer den Rücken hinunter jagte. Sie stöhnte angewidert auf, wollte ihn von sich wegstoßen, aber das ließ er nicht zu. Ein gehässiges Lachen erhob sich aus seiner Kehle und im Wahn jenes Lachens drückte er sie gebieterisch an die raue Wand hinter ihr. „Link… hör‘ auf!“, rief sie befehlend hinein in seinen Mund. Ihre Worte wurden von weiteren groben Küssen verschluckt. ,Was war nur los mit ihm?‘, dachte sie. Sicherlich waren sie manchmal auch ein wenig gröber und wilder, wenn sie in ihren Liebesgefühlen untergingen. Aber so, wie sich Link im Augenblick verhielt, so primitiv, so brutal, regte sich eine Angst vor ihm in Zeldas Inneren, die ihr noch nie wiederfahren war. Sie spürte eine Lähmung gegenüber Link, ausgerechnet vor dem Mann, den sie über alles in der Welt liebte… „Link!“, weinte sie. „Lass‘ das!“ Er wich einige Zentimeter zurück und gerade als Zelda dachte, er wäre aus seiner Trance aufgewacht, begann er ungeniert und breit grinsend zu kichern. „Hab‘ ich dir Angst gemacht, Prinzessin?“, sprach er. Doch seine sonst so warme, zärtliche Stimme war überschattet von dem Unheil vergangener Grausamkeiten. Er lachte wieder, trat noch näher an Zeldas erschöpften Körper heran und ergriff ihre beiden Hände, nur um sie roh über Zeldas Kopf an die Wand zu drücken. Sie wimmerte spürend wie höllisch ihre Triforcewunde angesichts dieser Bewegung zu brennen anfing. „Link, du tust mir weh!“, schluchzte sie. „Dann verrate ich dir etwas: Ich tu‘ dir gleich noch mehr weh“, sprach seine Stimme, und sprach sie doch nicht… Es war schauerlich von blutigen Händen wie denen Ganondorfs berührt zu werden, aber von dem eigenen Geliebten so spöttisch, so hinrichtend, behandelt zu werden, machte Ganondorfs Berührungen fast schon taktvoll… Zelda weinte nun endgültig. Doch es interessierte den Mann nicht, der ihr gegenüber stand. Es kümmerte ihn nicht, als wäre sie die Hure, an welcher er im Augenblick Interesse hatte, die er aber später wegwerfen konnte. Sie fühlte sich so austauschbar, so gedemütigt. Zelda schloss krampfhaft die Augen, als er seine Lippen wiederholt auf ihren Mund presste. Und als er sich langsam mit den Zähnen an ihrer rosa Unterlippe festbiss, hallte von Ferne, hallte weit weg, aber stetig und ausdauernd ein kleiner Funke Gefühl. Dort in ihren Gedanken war jemand, der blutete. Irgendwo in ihrem Herzen rief jemand nach ihr, der weinte, als sie von der Gestalt vor ihr geküsst wurde. ,Zelda…‘, sprach die Stimme im Nebel. Zärtlich, so warm… so, wie sie seine Stimme kannte. ,Zelda… bitte…‘ Und je häufiger er ihren Namen rief, umso unruhiger trommelte ihr verletztes Herz. Denn mit jeder einzelnen Silbe schien die Stimme schwächer zu werden. Mit jeder einzelnen Silbe erkannte sie den Schmerz, der seine Stimme verriet. Fassungslos öffneten sich Zeldas himmelblaue Augen wieder für den Körper, der sie abtastete, der sie schleimig umgarnte. Etwas stimmte nicht, nun noch mehr als vorher. Auch das mulmige Gefühl im Magen fing wieder an. ,Zelda… ich brauche dich… bitte hilf‘ mir…‘ Links Stimme. Das war Links Stimme in ihren Gedanken und er flehte, als würde ihm das Herz bei lebendigem Leibe aus dem Körper geschnitten werden. Er rief, entsetzlich und klagsam. Aber er stand doch auch direkt vor ihr. Oder nicht? „Link…“, sprach Zelda wimmernd, als wollte sie der Stimme antworten, die in ihrem Herzen rief. Ein wenig entschlossener machte sie sich bereit, auf diese innere Stimme zu antworten. ,Geh‘ weg von ihm…‘, winselte es in ihrem Inneren und da erkannte sie die Wahrheit. „Du schmeckst so unschuldig wie ein Blümchen, das sich der Sonne entgegenstreckt… wahrlich sündenvoll, nur einmal von deinen Lippen zu trinken…“, sprach der Held direkt vor ihr. Der Held, der doch keiner war. Seine tiefblauen Augen sprachen mehr als Worte es hätten tun können. Sein erkaltetes Herz erzählte ihr noch einen Tropfen mehr von der grausamen Wahrheit. Sich vergewissernd blickte sie auf den rechten Handrücken des jungen Mannes und was sie sah, bestätigte nur noch die Zweifel über die Echtheit Links… „Entschuldige… Liebling…“, sagte Zelda vorwarnend und ein wissender Ausdruck legte sich auf ihr verdrecktes Gesicht. Ein wenig Heimtücke. Ein wenig Sicherheit. „Aber ich denke, wir haben etwas zu klären.“ Zelda hob ihr Knie, schnell und zielsicher, und traf den wohl empfindlichsten Bereich des männlichen Körpers überhaupt mit einem schmerzhaften, dumpfen Schlag. Der vermeintliche Heroe sank entkräftet nieder, während aus seiner Lunge ein aufstöhnendes, ärgerliches Gebrüll strömte. In dem Augenblick flatterten die olivgrünen Augenlider Ganondorfs nach oben. Angewurzelt saß er oben auf dem Dach, dort an dem Kirchturm angelehnt, verwundet überall. Gelbliche Augen, in denen aber der sonst so vernichtende, eisige Schimmer des Teufels fehlte, sanken nieder zu dem heiligen Schwert, welches labend, tief und schmerzvoll in dem Bauch seines Opfers steckte. Ganondorf entließ einen heftigen Schrei, als er endlich bei klarem Bewusstsein seine Umgebung und den blutroten Himmel wahrnahm. Und vielleicht zum ersten Mal tropfte eine Träne von seinen Augenwinkeln, eine schwarze Träne aus Schmerz, Kummer und der Niederlage, die seine Seele akzeptieren musste. „Zelda…“, murmelte er mit einer Stimme, die in den Ohren für ihn befremdend klang. Und die Güte in seinen Augen, die beinah unwirklich schien, verfestigte sich. „Verdammter Hurensohn…“, rief er, so laut wie er konnte. Und während er rief, umfassten seine eisigen, zitternden Hände den Griff der heiligen Klinge, die ihn bannte. Doch entgegen aller Erwartung glühten seine Hände nicht, noch verbrannte er sich an dem Griff. „Na warte… Ganondorf“, murrte er. „Ich bin noch lange nicht tot…“ Mit einem Schrei, den sowohl Zelda als auch der vermeintliche Link in der Kirche hören konnten, zog er sich das Schwert aus dem Leib. Die Wunde blutete bestialisch und sog die letzten Kräfte aus diesem alten, dämonischen Körper. Dennoch… wenn er jetzt nicht noch einen Schritt tat… wenn er jetzt nicht wenigstens Zelda warnen konnte, dann stand ihm kein Titel mehr. Zähneknirschend richtete sich der Körper auf dem Dach der Kirche auf, spürte den starken Blutverlust, hechelte und keuchte. „Verdammt“, winselte er. Immer und immer wieder. “Verdammt! Warum habe ich nicht besser aufgepasst!” Seine Augen, die doch nicht die seinen waren, blickten hinab auf die linke Handfläche, wo sich etwas preisgab, was seine wahre Identität symbolisierte. Strahlend leuchtete das Triforcefragment des Mutes ihm entgegen, fieberte… Es war Link… Eingesperrt in einem falschen Körper, sollte er nun das Ende akzeptieren? War es das, wovor Ilona noch warnen wollte, bevor Ganondorf sie aufspießte? Marternd zog sich die tapfere Seele im falschen Körper auf die Knie, spukte mehr Blut als vorher, aber er musste kämpfen. Er musste weitermachen, selbst in diesem ranzigen Körper. Er hasste den Geruch des Körpers, verabscheute die pelzige Zunge im Mund, ekelte sich vor diesen Armen, vor diesen Beinen… Kriechend schleppte er sich vorwärts, bis er an dem riesigen Krater der stolzen Kirche hinab in den Innenraum blicken konnte. Am Altar fand er Zelda, und seinen eigenen Körper… Es war seltsam, sich selbst sehen zu können, wenn man in einem anderen Körper steckte. Es war bizarr und schrecklich… Immer mehr Müdigkeit überfiel ihn, während er zum Altar blickte. Er wollte rufen, er wollte Zelda noch einmal mit Liebe in den Augen anschauen können, aber es ging nicht. Nicht im Moment… Unsauber atmend hing er an dem Rande des riesigen Lochs und sah dem Blut zu, welches aus der Wunde des Bauches hinunter in die Flammen rieselte, die schon fast den gesamten Innenraum einnahmen. Einige Sekunden verstrichen und es wurde kurzzeitig besser… es schien als steckten in Ganondorfs dämonischen Körper einige überschüssige Selbstheilungskräfte, die sich Links bemächtigten, ohne dass er es wollte. Oder es war der Verdienst des Fragmentes des Mutes, dass er trotz der starken Blutung noch immer genug Kraft hatte, um durchzuhalten. Mit einem Anflug von Verzweiflung und Übermut zog er sich näher an den flammenden Abgrund. Er musste grinsen, bitterlich grinsen, aber ihm blieb kein anderer Ausweg… Und als ob der Körper Ganondorfs nicht schon beansprucht genug auf Erlösung wartete, da sprang der junge Heroe gefangen in dem falschen Körper einfach die vielen Meter hinunter. Er kreischte, während er fiel, hasste die Stimme, die von verrosteten Stimmbändern produziert wurde und ekelte sich vor sich selbst. Knackend schlug er auf den Boden auf, aber jener Aufschlag war für ihn in diesem muskelbepackten, jäh schwer verletzten Körper nicht fühlbar. Er orientierte sich zunächst und erblickte durch eine Feuerwand hindurch seine Prinzessin und einen am Boden hockenden Link, der sich fluchend die Hände ans beste Stück hielt. Link im falschen Körper musste unwillkürlich grinsen. Es schien, als hätte Zelda die Situation unter Kontrolle… Dennoch, er musste sie damit erschrecken, in einem anderen Körper zu stecken, wenn sie es nicht bereits schon ahnte… Schleppend zog sich der wahre junge Heroe vorwärts, trat auf die Beine und presste eine Hand auf den offenen, blutenden Bauch, während die andere das Masterschwert hinter sich her schleifte. „Zelda!“, röhrte er. Sein Ruf kam stockend und schmerzerfüllt. Er durchbrach die Feuerwand vor ihm, bis er auf die Knie sank. „Zelda…“, murmelte er. „Ich…“ Und endlich nahm auch sie ihn wahr. Sie hastete näher, obgleich der Anblick von Link in dem Körper des Feindes sie erschreckte. Sie legte ihm eine Hand auf die Wange. „Es ist okay…“, flüsterte sie, entließ überfällige Tränen ihre Wangen hinab tropfen und küsste ihn trotz Widerwillens kurz auf die trockenen, vernarbten Teufelslippen. „Ich weiß Bescheid…“ Die Erleichterung überschwemmte den Heroen, als sie sprach. Ihre Stimme war so ruhig, so unglaublich tröstend. Wenigstens hatte sie die Wahrheit akzeptiert… „Verzeih‘ mir…“, sprach Link winselnd und presste nun beide Hände auf die grässliche Wunde am Bauch. Das Masterschwert ruhte unbeachtet neben ihm. „Es ist nicht deine Schuld…“ Sie umarmte ihn zögerlich, spürte seine Schwäche und seine Kräfte schwinden. Im Hintergrund begann sich Ganondorf im jugendlichen Körper immer mehr zu amüsieren. Es war genüsslich für ihn in diesem gesunden, blutjungen Körper zu stecken. Eine Erfahrung, die er nicht mehr wegwerfen wollte. Und das Witzigste für ihn war die Tatsache, dass Link und Zelda nur einen Ausweg hatten, um das Böse aus diesem frischen, knackigen Körper zu holen. Ein einziger Weg und dieser wäre gewiss nicht tödlich für Ganondorf selber… Er lachte dreckig, erfreut über die neue Stimme, die er so verschandeln konnte, wie es ihm beliebte. Es war einfach nur herrlich. Er schwang die Arme, schlug einen Rückwärtssalto und war schlichtweg fasziniert… Der Körper dieses dummen, grünbemützten Etwas hatte seine Vorzüge. Kollernd blickte er zu den beiden Gestalten, die Arm in Arm auf dem Boden hockten. Ein schauriges Bild… Zelda umarmte Ganondorfs Körper. Und dann auf eine so tröstende Weise, dass es dem wahren Fürst des Schreckens nichts als ein beträchtliches Schmunzeln über die Lippen fahren ließ. Wie schwach sie beide aussahen. Und nichts hatten sie gewonnen. Ärmlich saßen sie dort zusammengekauert und brachten sich selbst nur noch mehr in ihre Verzweiflung. „Wie hat er das gemacht?“, fragte Zelda leise. Link schüttelte den Kopf, schwieg, gedemütigt und gebrandmarkt. Ganondorfs wahres Ich im gesunden, frischen Körper übernahm stattdessen das Wort. „Du enttäuschst mich, Prinzessin. Wo ist denn dein Scharfsinn geblieben?“ Ganondorf lachte mit der Kämpferstimme des Heroen. „Du weißt genau, dass ich ebenso mein Ass im Ärmel trage…“ Belustigt fuhr Ganondorf mit seinen neuen Händen über den stahlglatten Bauch dieses herrlichen Körpers. „Dein Heroe war nicht hinreichend schnell mir das Masterschwert in den Bauch zu rammen… ich hatte genug Zeit um in meinem Kopf alte Formeln der Gerudohexen zu zelebrieren. Dankbar bin ich Kotake und Koume heute noch für die vielen Sprüche, die sie mich gelehrt haben…“ Er schüttelte sich das blonde Haar aus den Augen und strich sich eine Falte an der grünen Tunika glatt. „Und egal, was ihr beide noch tut, ich bin auf alles vorbereitet…“ Amüsiert reckte er die rechte Hand des blutjungen Körpers in die Höhe. Es gefiel ihm so sehr, in diesem Fleisch zu stecken, dass er alles andere vergessen könnte. Er spielte mit seiner halbentstellten Teufelsklinge, die bei jedem weiteren Schlag auseinanderbrechen könnte. „Und was ich nicht alles mit diesem Körper anstellen könnte…“, lachte er und trat näher. „Liebst du diesen Körper denn nicht, Prinzessin? Hat dich dieser Körper nicht unzählige Male schon unsittlich berühren dürfen?“ Der wahre Link murrte gefährlich auf diese Bemerkung hin und wich auf den Knien nach vorne, Zelda jedoch hielt ihn zurück. Sie schüttelte den Kopf. „Lass‘ dich nicht reizen, bitte, wir wissen nicht, was passiert, wenn du dich in Ganondorfs Körper nicht unter Kontrolle hast…“ Sie sprach zitternd, aber mit genug Klarheit um ihren Heroen zu überzeugen. „Na, Heldchen… wie fühlt sich mein Körper an?“, sprach er gehässig und knackte mit den Gelenken. „Wie wohl… es wundert mich, dass du mit diesem schwächlichen, verrotteten Körper überhaupt noch einen Schritt machen konntest!“ Der wahre Link richtete sich auf und stützte sich sachte an Zelda ab. Er hielt das Masterschwert zitternd in die Höhe und trat an seinen Feind heran. „Gib‘ mir meinen Körper wieder, Bestie…“, befahl der Heroe und richtete das Schwert an die Kehle seiner selbst… „Und was wenn nicht? Ich sagte schon einmal, dass du mir keine Befehle erteilen sollst, Früchtchen…“ Genüsslich spielte der Dämon mit den starken Armen im jungen Körper, begann an den Kratzern und anderen Schürfungen auf der braungebrannten Haut entlang zu streicheln. Es widerte sowohl Link als auch Zelda an, wie er sich in diesem Körper lobpreiste. „Was jetzt, Ganondorf? Willst du ewig in meinem Körper stecken?“ Der Angesprochene hängte den Kopf schief. „Mmh… ich muss sagen, dein Körper gefällt mir ganz gut.“ „Das beruht nicht gerade auf Gegenseitigkeit…“, seufzte Link. Jener im falschen Körper holte darauf hin aus und stieß mit dem heiligen Schwert auf seinen eigenen Körper ein. Er wusste, dass er keine Kraft mehr hatte… und er wusste, dass er keine Chance mehr hatte. Aber sollte er vor Ganondorfs dreckigen Füßen um Gnade betteln? Niemals… Ganondorf lachte, erfüllt mit Genugtuung, erfüllt mit Wahnwitz und schlug dem Heroen mit der aufgeladenen rechten Faust das Schwert aus den Händen. Noch ehe Zelda und Link etwas tun konnten, zischten schwarze Fesseln aus dem rechten Handrücken, wo Weisheit und Kraft miteinander verfeindet schienen. Ganondorfs Körper wurde von den Fesseln umhüllt und mit einem jauchzenden Schrei schlug der geschwächte Heroe an eine der alten, gerissenen Wände auf. Zappelnd hing er dort, wurde durch viele schwarze Bänder höher gezerrt und konnte nur noch zusehen. Er konnte sich nicht rühren, konnte sich nicht wehren… „Zelda!“, rief Link im geschwächten, falschen Körper. „Nimm das Schwert!“ Sie schaute nur hilflos zu ihm hinauf. „Ich bitte dich… töte ihn… das ist die einzige Möglichkeit… er kann mit meinem Körper nicht richtig umgehen. Das ist deine Chance…“ Die Prinzessin Hyrules konnte kaum glauben, was Link da sagte. Töte sie diesen Körper, dann tötete sie Link damit! Das konnte sie nicht… sie konnte nicht den Körper des Mannes verletzen, den sie liebte. Sollte sie in der Hölle schmoren, aber diesen Mut würde sie nicht aufbringen. Sie schüttelte den Kopf und blickte abwechselnd von Link zu Ganondorf. „Bitte Zelda… ich will nicht, dass er noch länger in meinem Körper sitzt und damit macht, was er will… es ist die einzige Möglichkeit!“ Seine Stimme wurde flehender. Sein Kopf hing lethargisch nach unten. Und irgendwo spürte Zelda, dass Link die einzigen Worte sprach, die richtig schienen. Es war der einzige Weg… und sie wusste es, auch wenn sich ihr Inneres mit aller Gewalt dagegen sträubte. Eine schwarze Träne tropfte aus den Augenwinkeln von Ganondorfs grünlichem Gesicht und vermischte sich mit den Schweißperlen, die auf jener Haut glänzten. „Zelda… du schaffst das… bitte töte mich… für die Erdenwelt… für unser altes Hyrule…“ Link kniff die Augen zu und schien seine Prinzessin vor lauter Verzweiflung anzubetteln. „Bitte…“, wiederholte er. Er hielt es in diesem dreckigen Körper nicht länger aus, es brannte inzwischen überall und Link wusste nicht warum. Es schmerzte und schändete seine Seele, so sehr, dass er den Tod in Kauf nahm… Ganondorf zwinkerte ihr zu, keineswegs so wie Link es manchmal getan hatte. Er zwinkerte auffordernd, fast schon verspottend. „Komm‘, Prinzessin, beweise deinen Mut und deine Ehre! Ich warte schon auf dich“ Er winkte ihr zu, lud sie ein mit dem Schwert des Guten auf diesen Körper zu zustoßen, lud sie ein, ihn zu vernichten. „Du bist doch eh‘ zu schwach und feige dafür!“, hisste er. Sie hatte Zweifel, tausende… Sie hatte Angst. Vor ihrem Feind. Vor ihrer Liebe… Links Stimme erklang erneut, doch sie verdrängte es, wollte das dumme Gerede nicht mehr hören, welches aus dem Mund stammte, den sie so leidenschaftlich sehnte küssen zu können. Und sie wollte nicht mehr hören, was seine Stimme, sonst so warm, so liebevoll, in ihr hervorrief. Fest um krallte sie das Schwert, hörte es wispern und singen. Ein Gesang von Tod und Frieden. Eine Hymne voller Zweifel, die sich legen könnten… Sie schloss die Augen im Zeichen der gnadenvollen Gewissheit. Im Zeichen von Ehre und Liebe. ,Nayru, steh‘ mir bei…‘, sagte sie in ihren Gedanken. Das Fragment der Weisheit, welche in Ganondorfs Besitz ruhte, würde ihr helfen, es zu beenden… Sie nahm nicht wahr, ob Links Körper gelähmt wurde von dem ihrem Fragment, blauschimmernd und einsatzbereit. Sie wollte es nicht, sie wollte es nur beenden und Links letzten Wunsch erfüllen… Zelda kniff die Augen fester zusammen. Das Schwert des Guten in beiden Händen, zielstrebig und strotzend nach vorne gerichtet, schritt sie auf Links Körper zu. Tränen perlten sich über ihren Wangen, denn sie wusste, dass ihre Prophezeiung, immer wieder verdrängt, immer wieder in Frage gestellt, nun vielleicht doch ihre Bewandtnis fand… Die Tränen waren klar, schimmerten dann leicht und wurden blau wie die See… Zuerst spürte sie nur einen leichten Gegendruck, den das Schwert ihr bot, als es auf Haut und später auf Fleisch traf. Dann war es schwer, unglaublich schwer… Sie stieß zu, mit allem, was sie hatte, mit allem, was sie aufbringen konnte… Sie rammte ihm das Schwert mitten ins Herz, welches von dunklem Gemüt geschwärzt wurde… Sie hörte Link keuchen. Seine Stimme. Seine vertraute, warme Stimme. Sie spürte das edle Blut an der Schwertklinge hinab laufen, und auf ihre Finger tropfen. Es war warm, so warm… Und sie weinte, kummervolle, warme Tränen… Und als sein Körper langsam nachgab, sich dem Schwert in der Brust nicht mehr wehrte und das Schicksal hinnahm, das ihm wiederfahren war, konnte sie nichts anderes tun als ihn aufzufangen… Sie sackte nieder, mit Links Körper, der sich auf ihren Schultern abstützte. Sein Blut an ihren Händen… Todesschuld auf ihrer Seele… Seine tiefblauen Augen gewannen in Sekundenbruchteilen die Güte zurück, die sonst immer darin stand. Diese edlen, blauen Augen, die sie immer an soviel erinnert hatten. Aber vor allem an das Meer. Unberechenbar und stürmisch… Jetzt stand Leid in ihnen, aber auch Dankbarkeit. Und Zelda wusste nun, dass Link seinen Körper wiederhatte, wenn auch nur für einige sterbende Sekunden. „Link…“, brachte sie stotternd hervor, wollte nicht glauben, was sie gerade eben getan hatte. Sie hatte seinen Tod zu verantworten… Er lag in ihren Armen, wieder er selbst. Gewonnen hatte er nicht, aber er hatte seinen Körper wieder. Dank Zelda. Er führte eine bebende linke Hand hinauf zu ihrer rechten Wange, streichelte jene bang. Und als Zelda sein Lächeln traf, ein warmes, stilles Lächeln, weinte sie umso mehr. „Danke…“, sprach er, nahm Abschied, wie noch nie zuvor. Sein Lächeln brannte sich in ihr ein. Warum hörte er nicht auf zu lächeln, schrie sie innerlich, aber der Knoten in ihrem Hals ließ sie die Worte nicht sagen. Sie war betäubt. Unfähig zum Reden. Nur fähig zum Weinen. Sie schüttelte den Kopf und rückte sein Gesicht mit ihrer rechten, geschundenen Hand so, damit er sie ganz genau anblickte. ,Du kannst nicht sterben… du kannst mich nicht alleine lassen, nicht schon wieder…‘, wollte sie sagen. Sie wollte soviel sagen. Aber das Schicksal würde ihr die Worte nicht gönnen. Blut tropfte von seinen Mundwinkeln, sagte ihnen beiden, dass immer weniger Sekunden blieben, um den Abschied voneinander hinzunehmen. „Deine Prophezeiung…“, sprach Link und wurde von Zeldas Lippen gestoppt. Zärtlich streichelten jene über seine für einen letzten Kuss. Einen Kuss, der Zelda in ihren Träumen verfolgen würde. Sie nickte und die blauen Tränen von ihren Augen tropften auf Links Gesicht. Er zwinkerte, ein letztes Mal, als er jene Tränentropfen spürte. „Kümmere… dich… um Klein-Link…“, hauchte Link und ließ ebenfalls einer Träne freien Lauf. Er hasste sich dafür, gehen zu müssen, Zelda dem Bösen zu überlassen… Er würde sich auf ewig dafür hassen… „Hoffnung stirbt zuletzt… Zelda…“ Sie nickte. ,Wir werden uns wiedersehen…‘, sagte er in Gedanken und wusste, sie würde lauschen. Dein auf ewig. Dort, wo die Schriften nicht mehr geführt wurden, um Ereignisse wie diese niederzuschreiben. Dein auf ewig. Möge uns der Tod nicht finden… Dein auf ewig. Dort, wo das Schicksal mit uns Kindern spielt… Und es war in dem Moment, als sich Links Augen schlossen, dass in Zeldas Augen die blaue Farbe schwand. Er war nun auf dem Weg in die andere Welt, würde Ilona folgen, die vielleicht sogar auf ihn wartete… Zelda jedoch weinte sich die Augen leer. Blau um Blau. Gefangen in Kristallen, die auf den Boden purzelten, während in der Kirche noch immer das Feuer tobte… Sie weinte… flehte… Links Herzschlag wurde leise, stoppte, zeugte von dem genommenen Leben… und sein Kopf, ansehnlich, aber blass, sank leblos zur Seite. Die Zeit der Helden Hyrules tickte dem Ende entgegen, so wie die Welt ihrem eigenen. Die Zeit der strahlenden Träger des Mutes war zu Ende… Wimmernd hielt Zelda sich an der blutüberströmten Tunika fest, klammerte sich daran, als könnte sie Link damit zurückholen und sprach Worte, die sie noch nie zu ihm sagte. Sie sang, zittrig, aber verständlich… Sie sang ihm das alte Wiegenlied… „Like a rivers flow Time will one day show What the meaning is about this… About a place like this… About the dream we lived, About you and me and this destiny…“ In dem Augenblick bildete sich das alte Medaillon um Links Hals, verließ Zelda… Sie war fehlbar geworden, gewiss… „Komm‘ zurück“, brüllte sie und begann den leblosen Heroen mit aller Kraft zu rütteln, die sie noch hatte. „Komm‘ zurück, Link…“ Das Medaillon schillerte. Alle drei Farben glühten noch einmal auf und erloschen dann… „Ich hätte Ja gesagt… ich hätte Ja gesagt…“, weinte sie und klammerte sich an Links Brust fest, in der Hoffnung noch etwas von seiner Wärme fühlen zu können. Er war sogar noch warm, viel zu warm… „Hörst du… ich hätte Ja gesagt…“ Auch Ganondorf war nun zurück in seinem Körper, grinste makaber und seine trockenen Mundwinkel rissen auf, als er den Mund verzog. Die Fesseln um seinen Körper schwanden und langsam, geschmeidig, segelte er hinab auf festen Grund, nur wenige Meter weiter weg von Zelda und dem leblosen Heroen, der in ihren Armen ruhte. Die Wunde am Bauch schwächte ihn ein wenig, aber nicht genug, um nicht seinen Sieg auszukosten. „Ich habe gewonnen…“, lachte er ungläubig. Er hatte tatsächlich gesiegt! In Hunderten von Kämpfen, wo er gegen den grünbemützten Heroen verloren hatte, hätte er sich niemals träumen lassen, einmal, wenn auch nur ein einziges Mal, diesen Genuss auszukosten. Der Stolz den vom Schicksal erwählten Heroen niederzuringen, war unbeschreiblich. Er würgte ein wenig Blut aus dem Mund und lachte dann wieder… „Endlich! Endlich siege ich!“, schrie er. Was dann folgte, nahm die Prinzessin des Schicksals nicht mehr wahr. Sie hatte das verloren, was ihr das Wichtigste im Leben schien. Das Liebste… Das Teuerste… Sie ignorierte, floh in ihre eigene Welt und spürte schon nicht mehr, dass Ganondorf sie mit einem gemeinen Ruck am Genick packte, von Link wegzerrte und sie mit sich schleifte. Am Altar hielt er still und warf sich die junge Prinzessin über die Schulter. Es schien, als grübelte er ein wenig, wusste nicht mehr, was er jetzt noch tun sollte. Der Heroe weilte im Jenseits… Prinzessin Zelda war nun in seinem Besitz… Mmh, es war merkwürdig, aber nun, da Link tot war, hatte Ganondorf nichts mehr, worauf er zuarbeiten konnte. Die Welt lag unter seiner Gnade. Seine ausgewachsenen Kinder versklavten gerade die letzten Menschen. Er fühlte schlichtweg eine Langeweile in sich aufkeimen. ,Merkwürdiges Wort‘, dachte er. Noch nie war ihm langweilig gewesen… und jetzt… Er grunzte und presste eine Hand auf die offene Wunde. Wie auch immer, er musste sich erstmal um seine Wunde kümmern. Er legte Zelda, deren Augen so leer waren, als wäre das Leben aus ihr gewichen, auf dem Stuhl ab, wo er das Fragment aus ihr herausgeschnitten hatte, hielt beide Hände über seinen Bauch und drückte schwarze Magie hinein in die Wunde… Verborgen in den schattenreichen, knackenden Feuern, die inzwischen die Kirche verzerrten, gab es jedoch noch ein Wesen, welches tränenreich die Geschehnisse beobachtete. Doch er, entgegen der Prinzessin, hatte noch Hoffnung. Eine letzte Hoffnung, so wie Link gesprochen hatte. Er würde nicht aufgeben, so wie sein großes Vorbild… Ein paar rotbraune Stiefel erzeugten leises Taptap, als eine Gestalt aus den Schatten kroch. Blaue Augen funkelten gewissenhaft und vorsichtig umher, suchend nach einem günstigen Moment. Eine Idee. Ein Ausweg. Himmelhochjauchzende Zuversicht in seinem kindlichen Blick. Und das ansehnliche Grinsen, welches Link so ähnelte wurde breiter. Schnell hastete er näher zu dem toten Körper eines Menschen, den er sehr verehrte. Es war grausam für ihn, sein Vorbild hier liegen zu sehen, nicht in die tiefblauen Augen blicken zu können, die auch ihm Kraft für eine Existenz gegeben hatten. Und deshalb musste er etwas tun, auch wenn er nicht wusste, ob es funktionierte… Ein glühender Schein von draußen verlor sich auf ihm und da erkannte ein Beobachter den Knaben, welcher aus zwei wunderbaren Essenzen gemischt, vielleicht doch irgendwann Leben erfahren sollte. „Du kannst nicht einfach sterben…“, flüsterte seine helle Kinderstimme. „Du kannst Zelda nicht einfach alleine lassen…“, wimmerte er leise, und den Dämon stets im Blickfeld. „Schau‘ dir das hässliche Schwein dort an… er hat alles so geplant. Er wird mit Zelda machen, was er will, wenn du nicht kämpfst…“, sprach der Junge. „Deshalb…“ Sein Kinderlächeln war mild und anteilnehmend. „… kann ich dich leider nicht im Jenseits lassen, Papa…“ Und das sanfte Lächeln wurde dreist. Der Bengel erinnerte sich genau an die Vergangenheit Hyrules und es war ein Satz von Zerudas schönen Lippen, den er noch im Hinterkopf hatte. Ein bedeutender Satz! Er kicherte, leise, aber wahrhaftig. Und er würde den wohl notwendigsten, genialsten Schritt in diesem Kampf tun. Zelda würde ihm so dankbar sein, dass sie ihn knutschte. Grinsend schaute er auf das alte Relikt, auch genannt Medaillon der Mächtigen, welches schlaff und augenscheinlich nutzlos um Links Hals hing. Es war schön, ein wenig abgenutzter als in der Vergangenheit, aber seine Kräfte waren da. Kräfte, die es jenen Mächtigen versprach, die es erschaffen hatten. Noch einmal rief der Bengel den schicksalhaften Satz in seinen Gedanken auf, der von Zerudas verführerischen Lippen stammte. ,Aktiviert es durch edles Blut…‘ und dann irgendwann sagte sie etwas von den Mächten des Reliktes, dass es Vorfahren rufen könne und dass es Lebenszeit zurückdreht… ,Aktiviert es durch edles Blut.‘ Ganz klar, dachte Klein-Link. Er musste das Blut von Link, und es war edel, keine Frage, einfach nur auf dieses Medaillon tropfen und vielleicht… vielleicht… Spannung zerriss seinen Kinderkopf und er wurde hektisch. ,Verdammt, ich muss es tun, solange Links Blut noch nicht geronnen ist!‘, sagte er innerlich. Und er hoffte, wie sehr er doch hoffte… Er nahm vorsichtig und erneut zu dem Teufel blickend die Kette von Links Hals. Und erst als er die hässliche Wunde in seiner Brust betrachtete, wurde ihm das Ausmaß der Folter bewusst, die Link erfahren haben musste. Sein Herz musste vom Schwert auf eine sehr qualvolle Weise durchstoßen worden sein. Da hing blutdurchtränktes Fleisch aus der Wunde heraus und tiefer kam helle Knochensubstanz zum Vorschein. Noch immer sickerte warmes Blut an jener Stelle aus seinem Körper. Und das war Klein-Links große Chance. Zaghaft öffnete er die Klappe des Medaillons, sah den Schicksalsbaum in der Mitte verwelken als ein Zeichen des Herbstes, der hier in Schicksalshort herrschte. Und dann, ein wenig unbeholfen, aber mutig, drückte er das Medaillon mit aller Kraft gegen Links zerfetztes Herz… Zuerst geschah gar nichts. Und die Sekunden kamen dem Götterkind vor, als wären sie eine Strafe für ihn. Er konnte nicht mehr still da sitzen. Er wurde noch verrückt wegen diesem Spannungsgefühl in sich. Aber er hoffte und seine Hoffnung war entscheidend. Dann endlich vernahm er ein Ticken. Ein wunderbares, aber ungewöhnliches Ticken, welches beinah wie eine Melodie klang. Schicksalsmelodie sollte man sie nennen, dachte er. Glücklicherweise war Ganondorf über die Maßen von sich selbst eingenommen und rechnete mit keinem Ereignis mehr, welches seine Pläne noch durchkreuzen könnte. Er hatte alles. Und er war sich dank seines eingebildeten Stolzes sicher, dass es niemanden mehr gab, der ihn aufhalten könnte. Gerade das würde Klein-Link ausnutzen. Denn noch immer hielt es der Fürst des Schreckens nicht für notwendig sich nur einmal umzudrehen. Klein-Link kicherte, auch wenn er sich zusammenreißen musste. Aber er konnte nicht anders… Seine himmelblauen Kinderaugen blickten erneut geduldig zu dem Medaillon. Und das Ticken um Leben und Tod wurde lauter. Die Melodie verfestigte sich. Es war eine schöne Melodie, ähnlich der Hymne der Zeit, die man in der alten Zitadelle lauschen durfte. Ein reiner Klang, produziert von einem Chor, der vergessen das alte Lied sang. Ein Lied für den einen Helden. Ein Held mit tausenden Gesichtern. Ein Held für alle Ewigkeit… Dem Götterkind wurde warm ums Herz, als er dem Flüstern zuhörte. Die Hymne geboren aus Stille, Tod und Zweifel war so einschneidend. Sie war wunderschön… Es rührte ihn zu Tränen. Und als eine Träne von Klein-Link zu Boden tropfte, bemerkte er erstmalig, wie seltsam das aussah, was im Gange war… Die riesige Blutlache, in welcher der erwachsene Heroe lag, nahm ab. Klein-Link rieb sich die Augen, um es auch wirklich als wahr erachten zu können. Es passierte wirklich. Wie ein magischer Strom, floss das edle Blut Links zurück in seinen Körper. Das Blut um ihn wurde weniger, bis es endgültig verschwand… Dann erhob sich das Medaillon von Links Brust und die Wunde schloss sich schrittweise. Erst heilten die Knochen. Dann bildete sich helles Fleisch. Und dann wuchs die Haut dort wieder zusammen, wo sie von der legendären Klinge des Guten durchstoßen wurde… Das Götterkind hielt den Atem an, aus Ehrfurcht und Erstaunen. Er legte seinen Kopf auf den Brustkorb seines großen Vorbildes. Zuerst hörte er nichts und dann… unerwartet, hetzend und aufrührend, entfesselte sich ein erster Herzschlag. Nur ein einzelner, aber er sagte alles, was es zu sagen galt. In dem Augenblick zuckte Links Körper quälerisch auf. Seine Arme und Beine bewegten sich krampfartig, als durchfuhr ihn ein Stromschlag. Das Götterkind wurde unruhiger und blickte von Link, der darum kämpfte ins Leben zurückzufinden, hinüber zum Altar, wo Ganondorf lachend noch immer seine scheußliche Wunde am Bauch heilte. ,Okay‘, dachte Klein-Link. ,Ein paar Sekunden hast du noch, Papa…‘ An einem anderen Ort, wo kein Atemzug mehr genommen werden konnte. Weit weg, in anderen Sphären, segelten Unmengen von gläsernen Booten hinweg. Boote mit schneeweißen Flügeln, mit Dächern, welche auf großen weißen Pfeilern gebaut waren. Sie zogen durch Nacht und Nebel, durch Rauch und Endlosigkeit… Unzählige unschuldige, und bösartige Seelen befanden sich auf den Schiffen, die ins Jenseits die letzte Reise antraten. Auch Link war unter ihnen. Starrend in die unendlich scheinende Weite des Universums saß er in einem der Boote. Verzweifelt. Aber auch erleichtert… Er hatte alles zurückgelassen. Und mit dem letzten Atemzug seine geliebte Prinzessin allein gelassen. Sicherlich, es bescherte ihm Kummer, versagt zu haben, die Welt nicht retten zu können, aber hier umgeben von Seelen, die sich leise wispernd über Ungesagtes unterhielten, schien alles so friedvoll… so leer… und so unwichtig. Link wunderte sich ein wenig, dass er hier auf diesem Boot sogar noch hören, sogar noch sehen und sogar noch fühlen konnte. Aber wer wusste schon, was man nach dem Tod fühlte? Wer wusste schon, ob der Tod nicht vielleicht seine eigene Endgültigkeit nicht einhalten konnte… Der junge Heroe seufzte, verwundert, dass er überhaupt seine Stimme spielen lassen konnte. Und zum Trotz seufzte er noch einmal… In dem Augenblick zupfte ein Mädchen an einem seiner grünen Ärmel und riss ihn aus seinen Gedanken. Verwunderlich, hier auf den magischen Booten, die Todgeweihte ins Jenseits beförderte, konnte er sogar noch denken… Link seufzte erneut und blickte das Mädchen an. Er kannte es nicht, aber sie lächelte mit dunklen, fast schwarzen Augen aus einem blassen Gesicht hervor. Abgerundet war das Gesichtchen des vielleicht sechs Jahre alten Mädchens von schwarzem Haar. Etwas Asiatisches lag in ihrem Blick. Und es war diese Eigenheit, die Link zum Grübeln brachte. Er verstand nur das Wort ,Link‘, welches sie sprach. Ja, sie redete in ihrer eigenen Sprache. War es japanisch? Sie redete lauter, bis sich weitere Personen auf dem Boot nach Link umdrehten. Erst als ein älterer Herr, der seiner Sprache mächtig war, das Wort erhob, wusste der Heroe, worum es ging. Die Menschen auf dem Boot, die das Zeldaspiel kannten, kannten auch ihn. Und es schien, als wussten sie hier im Tode um Links Echtheit. Denn hier nach dem irdischen Leben herrschten andere Gesetze als auf der Erde. Wenn man hier sah, sah man alles… „Du bist der Junge, von dem die Legende erzählt hat, nicht wahr?“, sprach der ältere Mann. Sein faltenreiches Lächeln war äußerst beruhigend für Link. Und ermutigend… Link nickte lediglich und fühlte sich nun gebrandmarkt. Wenn die Seelen auf diesem weißen Boot wussten, wer er war, dann ahnten sie sicherlich auch, dass er versagt hatte. Jämmerlich versagt hatte… „Du erlaubst?“, fragte jener Mann, gekleidet in einem braunen Umhang, wirkte jener alte Mann wissend und freundlich. Link nickte noch einmal und besah die warmen, gütigen Augen des Mannes, über denen dicke weiße Augenbrauen standen. „Welch Irrsinn, dass „The Legend of Zelda“ tatsächlich nicht nur ein Spiel ist…“, sprach der Mann. „Das Geheimnis hinter den vielen Dimensionen ist wahrlich ein unlösbares…“ Link stützte seinen Kopf auf beiden Händen ab. „Wie meint ihr das?“, fragte er interessiert. „Schau‘ dich um, Held…“ Ziellos blickte sich jener im Universum um, sah unendlich viele Sternenlichter in der Dunkelheit funkeln, sah viele weitere geisterhafte Boote auf dem Weg. Und alle steuerten sie in die gleiche Richtung. „Die Boote der Toten, die du hier siehst, kommen aus vielen Welten, die wir nicht für denkbar halten. Welten, die in anderen Welten nur Spiele, vielleicht sogar nur Gedanken sind. Aber jede dieser Welten ist einzigartig, jede dieser Welten hat einen Sinn. Ob nun als Spiel oder als Gedanke ist eigentlich unwichtig…“ Der Mann hob seine Hand und umrahmte mit dieser die vielen Menschen dieses Bootes in einer Bewegung. „Siehst du diese Menschen hier? Sie alle stammen von der Erde… von der einen Welt, die nun in Flammen steht… getötet von Ganondorfs Kindern warten sie auf ihre Anhörung bei den Göttern des gesamten Weltenreiches.“ Erschrocken sah Link auf. „Ist die Zeit etwa schon abgelaufen? Bin ich schon so lange tot?“ Der alte Mann schüttelte den Kopf. „Nein, auf der Erde, wo menschliche Zeit tickt, bleiben noch ein wenig mehr als drei Stunden ehe alles endet, ehe der Puls des Lebens stillsteht, und ehe Ganondorfs Feuersbrunst und das Heer aus seinen Kindern, die letzten Menschen vernichtet haben werden… es sei denn… es gibt noch Hoffnung… Sag‘ mir, Held, gibt es sie noch?“ Link ballte seine linke Faust und sah selbst hier im Tode, das Fragment des Mutes ihm noch Folge leisten. „Ja…“, sprach er, jedoch zu leise, als das es errettend klang. „Ja, es gibt sie noch… stirbt Hoffnung nicht zuletzt?“ Der alte Mann nickte. „Deshalb ist es deine Entscheidung, ob du dich für diese Hoffnung entscheidest… Dreh‘ dich um, Held…“ Zögerlich wand der junge Heroe sein Blickfeld nach hinten und sah den blauen Planeten nicht weit weg von ihm vergehen. Ein Band aus Feuer breitete sich vom Äquator aus. Ein flammendes Band, welches die Erde wie einen Ring umrahmte. Die Welt brannte. Die Welt verging… „Wer sollte gegen Ganondorf kämpfen, wenn nicht der Held, der geboren ward ihn zu vernichten? Du bist diese Hoffnung, Link…“ Erbost hüpfte Link auf die Beine. „Ich soll diese Hoffnung sein?“, rief er und rüttelte die ruhigen Seelen aus ihrer Eintracht. „Wie kann ich Hoffnung sein, wenn ich doch tot bin?“ In dem Moment durchfuhr den Heroen ein erschreckendes Gefühl. Ein dumpfer Schlag, direkt in seinem Herzen. Ein Schlag… als ein ungebändigtes Zeichen des Lebens. Link riss seine tiefblauen Augen erschrocken auf, fühlte das Leben und fühlte die Hoffnung… Auch die vielen Seelen auf dem Boot sahen zu Link auf. „Die Menschen auf diesen Booten vertrauen auf ihre Hoffnung. Sie wissen um das Gute und um das Böse. Einige von ihnen sind fehlbar. Einige von ihnen sind nicht gerade die besten Menschen… aber sie alle haben diese eine Hoffnung…“, sprach der alte Mann. Und schließlich klatschten die Menschen mit den Händen, die doch nicht mehr lebendig waren. Sie jubelten und feierten den einen Helden. „Sie alle sehen zu dir auf, Held.“ Doch Link sah nur betreten zu Boden. Wie konnten diese Menschenseelen an ihn glauben? Er war doch nur eine Spielfigur! Das Mädchen von vorhin zupfte an der grünen Tunika und lächelte aufmunternd. „Wer sagt, dass eine Spielfigur nicht unsere Hoffnung sein kann?“, meinte sie leise, diesmal verstand Link ihre piepsigen Worte. Unweigerlich musste der Heroe grinsen. Er lachte dann, schüttelte den Kopf und kam sich mittlerweile sehr beschämt vor. Diese Menschen hier, alle blickten sie ihn an, als wäre er ihr Retter. Warum also konnte er nicht einfach dieser Retter sein? Warum sollte er nicht weiterkämpfen können? Konnte der Held der Zeit, der als Held der alten Welt wiedergeboren ward, nicht jene großartige Hoffnung sein? Link lächelte und presste seine linke Hand gegen das Herz, welches wieder schlagen wollte. ,Ich kann das tun…‘, sagte er innerlich. ,Ich kann diese Welt retten und ich kann für ein neues Hyrule kämpfen. Ich muss nur daran glauben.‘ Es war plötzlich wie, als käme der Heroe zur Besinnung, als loderte ein wunderbarer Schein der Wärme und des Mutes auf seinem Gesicht. „Die Boote steuern uns direkt in die Heiligen Gefilden am Ende des Universums… wenn du jetzt nicht handelst, kannst du nicht mehr zurück…“, sprach der alte Mann von vorhin. Und schließlich war da ein zweiter Schlag in Links Brust. Ein auffordernder, freudiger Schlag eines tosenden, mutigen Herzens, welches den Tod umgehen würde. Noch ein Schlag und noch einer… und mit jedem weiteren Herzschlag, wenngleich dieses Schlagen nicht regelmäßig oder menschlich schien, gewann Link eine Zuversicht, eine Hoffnung, die er niemals hätte anzweifeln dürfen… Sein Weg war das Leben. Nicht der Tod. Sein war der Sieg über Ganondorf. Sein war die Gunst der Schicksalsgötter… „Was muss ich tun?“, sprach Link dann und schaute zu dem blauen Planeten, der sich mehr und mehr in eine armselige Feuerkugel verwandelte. „Zurück… du musst umkehren…“, sagt der Mann. „Ja, aber wie?“, sprach Link und blickte sich hastig in dem Boot um. „Du musst die Steuermänner des Bootes überlisten…“ „Wer steuert diese Boote?“ „Siehst du jene Pfeiler, die um das Boot aufgebaut sind. Sie wirken wesenlos, sie wirken tot, aber in Wahrheit sind es Geschöpfe, die die Toten daran hindern aus den Booten zu entkommen.“ Link setzte eine Hand ans Kinn und grübelte: „Seelenwächter?“ Sein Gegenüber nickte. „Was geschieht, wenn man versucht zu flüchten?“, flüsterte Link. „Ich weiß es nicht, keiner hat es je auf diesem Schiff versucht, Held…“ „Dann werde ich wohl der erste sein…“, meinte Link dümmlich und erhob sich. Vorsichtig schlich er näher und schaute über den Abgrund hinaus. Von diesem Schiff aus, sah das Universum so bedeutungslos aus, so düster und unwillkommen… Nein, es ging nicht anders. Link musste von diesem Schiff stürzen, egal, was dann auch mit ihm geschehen würde. Es war immerhin ein Versuch. Umsichtig beugte er sich über die Kante und hörte rechts und links neben sich ein ärgerliches Brummen der Pfeiler. Aus dem Mauerwerk jener Säulen wuchsen plötzlich weißliche Arme und Beine und stießen ihn mit einem heftigen Ruck zurück in das Boot. „Ah… das war unfair…“, murmelte der Heroe und lag rücklings auf dem Boden. Der alte Mann von vorhin reichte ihm eine Hand und trotz der augenscheinlichen Gebrechlichkeit zog jener den einstigen Hylianer schnell und schmerzlos auf die Beine. „So scheint es nicht zu funktionieren, Held.“ „Wohl nicht…“, lachte Link unsicher und rieb sich den Hinterkopf. „Aber dafür haben die Menschen auf dem Boot eine Idee. Sie werden dir helfen und dich unterstützen…“, sagte der Alte. Und plötzlich standen alle ungefähr Hundert Menschen in dem Boot auf, jubelten und entließen laute Freudenrufe. Sie alle riefen dem Heroen zu, sagten ihm, dass sie ihm helfen wollten. Und zur Überraschung Links näherten sie sich alle, egal, ob jung oder alt gestorben, egal ob Mann, Frau oder Kind, den vielen Pfeilern, die als Wächter das Boot steuerten. Sie lenkten jene Geschöpfe des Jenseits ab, und umzingelten sie. „Los Link, das ist deine Chance.“ Der Heroe nickte, nahm Anlauf und rannte, rannte direkt auf eine Lücke zu, die Verstorbene für ihn bereit hielten. Die Seelenwächter grölten entsetzlich, schimpften und schlugen erbarmungslos um sich, aber als Link mit einem gefährlichen, mutigen Absprung das Boot nicht länger berührte, war es zu spät. Keiner der Seelenwächter würde ihn mehr zurückhalten können und keiner würde ihm folgen. Link verließ das Boot und segelte hinein in die Flammen des blauen Planeten. „Habt Dank… alle“, rief Link, als er das Boot weit hinter sich ließ „Ich werde euch nicht enttäuschen! Möge die Welt wieder im Licht der Sonne erstrahlen…“ Der alte Mann nickte angeberisch. Das faltenreiche Gesicht wurde jung. Und die gütigen Augen erhielten das rehbraun zurück, welches sie einst besaßen. Ein Grinsen strahlte aus einem ansehnlichen Gesicht. „Viel Glück, Link. Ich komme bald nach…“, sagte er gerade dann, als Link es nicht mehr hören konnte. Zurück in der alten Kirche zuckte Links Körper weiterhin. Seine kalten Hände ballten sich zu Fäusten. Dann endlich entkam seinen Lippen ein hetzendes Keuchen. Ein tiefes, unsauberes, krächzendes Luftholen, als hätte er noch nie geatmet. Aber er kämpfte, kämpfte fortwährend. Er wusste nicht, wo er war. Und er wusste nicht warum. Er wusste nur eines. Vor ihm lag ein nebulöser Weg. Und am Ende des Weges war ein Licht. Dort am Ende war das Leben. Der Ort, wohin er finden wollte. Der Held der Zeit sah, was ihm vorbestimmt schien. Der Held der Zeit erinnerte. Der Held kam von den Toten zurück… Und als durchfuhr ihn ein weiterer heftiger, elektrischer Schlag, schossen Links Augen auf und sein Oberkörper schnellte nach oben. Wie paralysiert saß er da, starrte das Feuer an, welches sich ihm näherte, und schaute dann verwirrt zu dem Bengel, der anfing zu schäkern. Der Heroe konnte nicht reden, konnte nicht einmal seine Gesichtsmuskeln bewegen. In jedem Körperteil steckte der Tod, aber das Leben würde ihn auch noch aus der letzten kleinen Zelle verscheuchen… Es brauchte nur ein wenig Zeit… Das Götterkind deutete erst auf das Medaillon, dann zu dem Altar, wo Zelda, scheinbar bewusstlos auf dem Folterstuhl hockte, und Ganondorf seinen Bauch zu heilen begann. Schwankend begann sich Link zu erheben. Seine anderen Wunden hatte das Medaillon nicht geheilt, aber er fühlte sich am Leben. Ein Ausdruck von Wut und Erbarmungslosigkeit auf seinem blassen Gesicht. Er nickte seinem ,Fast-Sohn‘ dankbar zu, verstand nun auch den Umstand, dass er lebte, und krallte sich das blutbenetzte Schwert… Langsam und stockend, aber mit Entschlossenheit, humpelte Link auf seinen halbgelähmten Beinen näher. Das Überraschungsmoment auf seiner Seite… Er atmete schleppend. Er atmete unsicher. Aber er atmete überhaupt. Ein heimtückisches Grinsen legte sich auf sein Gesicht. ,Du wolltest mich tot sehen, Ganondorf… ich war tot, aber ich lasse diejenige, die ich liebe, nicht einfach im Stich!‘, sagte er innerlich. Und er brannte wie besessen darauf dem Fürsten des Bösen eins auszuwischen! Sein Wolfsgesicht kam für wenige Augenblicke zum Vorschein, aber er ließ es nicht frei, nährte sich lediglich an seiner Macht, an seinem Zähneknirschen… Es tat gut. Es tat unbeschreiblich gut. Gefüttert mit Leben und der Kraft seiner eigenen Bestie trat er näher. Seine Schritte nun schneller, aber noch immer so leise, so unvorhersehbar, dass Ganondorf ihn nicht bemerken konnte. Ganondorf durfte sich auf einen Schmerz gefasst machen, den er noch nie gefühlt hatte. Links Zorn war erwacht… Das Masterschwert glühte in einem faszinierenden Spektakel weißer und goldener Punkte, hinterließ einen kalten Schauer, den es in der Kirche umher schickte. Selbst das Feuer fürchtete sich nun vor dem Heroen, der mehr als sauer war. Jener sammelte seine Kräfte und machte sich bereit für eine schnelle, gerechte Attacke. Noch immer mit sich selbst beschäftigt, realisierte Ganondorf zu spät. Wie ein Blitz hetzte der Heroe mit der scharfen Klinge um den Schreckensfürsten umher, der gerade seine Hände reflexartig heben wollte, um die Attacke abzufangen. Doch auch das lag in Links Voraussicht. Mit einem eleganten Schwung und einem Blick, der den Tod versteinern konnte, raste die heilige aufgeladene Klinge direkt auf die rechte Hand Ganondorfs zu. Aufgeladen, glühend bildete sie das perfekte Ziel für Link. Sicher und gnadenlos schlug der Heroe dem Dämon die rechte Hand ab und erwischte ihn in einem weiteren, gefährlichen Klingenspiel. Ein weiterer Schnitt über der Brust und der Fürst des Schreckens sackte nieder. Ganondorfs rechte Hand flog in hohem Bogen hinein in eine der Feuersbrünste. Und es würde nur noch Sekunden dauern, ehe die Hand in dem Flammenmeer zu Asche wurde. Und dann würde sich das Fragment der Weisheit und jenes der Kraft erheben und sich seinen wahren Meister wieder suchen… Mit verschreckten, riesigen Augen, blutunterlaufen und gespenstisch, starrte Ganondorf in die eisigen Blicke seines Gegenspielers. Links Körper war selbst noch zu kalt, um ihn strotzend vor Lebenskraft nennen zu können. Und er atmete schwerfällig. Sein Herz trommelte unregelmäßig und krankhaft. Aber das hielt ihn nicht davon ab, dieses dreckige Häufchen Elend hinzurichten. „Wie hast du…“, brachte der Dämon hervor und starrte mit einem Blick voller Angst und Zweifel in die anklagenden Augen seines Widersachers. Link fühlte sich des Redens überdrüssig. Was sollte er mit einem Teufel reden, der nur krankhafte Pläne, dumme Ausreden, einfältiges Denken in seinem überflüssigen Schädel hatte? Es war genug. Link hatte im wahrsten Sinn des Wortes die Schnauze voll von diesem unfairen Gefecht, von diesem sinnlosen Hin und Her. Die Zeit war reif und sie war auf seiner Seite. Der Tod war ihm gekommen, hatte ihn verlassen und würde sich ein neues Opfer suchen… Nun, da Ganondorf geschwächt seinem Ende entgegen sehen musste, verlor er jede Farbe im Gesicht. Wohin waren denn seine vielen Trümpfe, die er lobpreisend besaß. Was war er ohne sein Fragment der Kraft? Ein Nichts… ein jämmerliches Häufchen Dreck. Link kannte keinen Grund diesen Wurm noch länger am Leben zu lassen. Und niemand kannte einen. „Warte…“, bettelte der Fürst des Bösen. Sein feuerrotes Haar hing schmutzig und abgenutzt in seinem schweißgetränkten Gesicht, während er sprach. Und seine Augen. Diese kranken, dummen Augen ließen endlich etwas erkennen, was sich Angst nannte. Angst vor dem einzig wahren Tod. „Worauf, Ganondorf!“, kreischte Link. „Auf ein Gebet von deinen perversen Lippen?“ Er zupfte sich an seinem roten Bart und erblickte hinter Link sich die beiden Fragmente erhebend. Sie tanzten wie zwei lebendige Wesen, tanzten näher. „Denkst du, ich bin blind für deine Versuche den Kopf aus der Schlinge zu ziehen?“, brüllte Link und fühlte, wie sein mitgenommenes Herz nach Ruhe und Schlaf schrie. „Schluss…“, sagte Link dann und sein Schwert raste wütend und summend auf Ganondorf zu. Ein weiteres Klingenspiel, bis Link voller Wut und Hass die Heilige Klinge in die Brust seines Gegners bohrte. „Das ist für Rick, für Ilona, Molly und all‘ die anderen Menschen, die du auf dem Gewissen hast…“ Und mit einem heftigen, reißenden Jauchzen zog Link das Schwert wieder zurück. In dem Augenblick schnellte das Triforcefragment der Kraft näher, verband sich mit der freien Hand des Dämons und ließ ihn brüllen. Seine blutströmende Brust angaffend, begann er wieder zu grinsen. Mit einem letzten Griff krallte er sich das Medaillon der Mächtigen und riss es von Links Hals herunter. In einem Spektakel dunkler Punkte löste er sich dann auf… verschwand feige… verschwand wie immer… Auch Zeldas Fragment tanzte näher und vereinigte sich endlich wieder mit seinem rechtmäßigen Träger. Beunruhigt sah Link um sich. Irgendetwas stimmte nicht. Das Gefühl von sich nähernder Gefahr schlich sich nun nach seinem vermeintlichen Tode noch festigender durch die Venen. Aber es gab eine Sache, die ihm wichtiger war. Zelda… Schwächlich atmend trat Link näher zu seiner Geliebten. Das Fragment der Weisheit drang befreiend und erhaben zurück in ihre rechte Hand, heilte die hässliche Wunde und hinterließ lediglich eine dreieckige Narbe auf Zeldas Hand… Sie blinzelte. Mehrmals und gleichzeitig erschrocken, als sie die Macht ihres Fragmentes wieder in sich aufnehmen durfte. Dann sah sie ihn. Als er ihr in die sanftmütigen, unglaublich traurigen Augen schaute, kam er nicht umher sich schuldig fühlen zu müssen. Sie sagte kein Wort, nicht ein einziges, sondern trat schwankend auf ihre Beine. Sie führte ihre rechte Hand zu der zerfetzten Brusthälfte, wo sein Herz schlug. Ihre kalten Fingerspitzen spielten zittrig und leicht gehemmt mit seiner Haut. Das Masterschwert hatte selbst das Kettenhemd durchstoßen und eine Narbe hinterlassen. Schmal. Aber sichtbar. Es würde Zelda immer an ihr Werk erinnern… Sie weinte dann, realisierend, dass Link wirklich lebendig vor ihr stand. Er hatte zwar Unmengen von Wunden, aber sein Herz schlug. Und könnte dieses Glück nicht schon genug sein, hatte Link ihr das Fragment der Weisheit zurückgeholt. Was wollte sie mehr? Und während sie weinte, erhielten ihre himmelblauen Augen wieder jene Ausdrucksstärke, die sie vorhin verlassen hatte. Sie suchte seine Umarmung und wollte nicht verstehen. Egal, was geschehen war, sie wollte nur bei ihm sein… Link begann ruhiger zu atmen und verweigerte ebenso die Worte, die jetzt notwendig wären. Sie mussten diesen Moment auskosten, so lange es ging. Er streichelte über ihre verdreckte, noch immer feuchte blaue Bluse. Der sanfte Druck und das zärtliche Gefühl seiner Hände ließen sie wissen, dass wirklich Link es war, der in ihrer Umarmung seufzte. Seine Lippen, die ihre Stirn vorsichtig berührten, ließen Zelda wissen, dass kein Seelensplitter von Ganondorf mehr in diesem Körper steckte… „Es tut mir so leid… dass ich vorhin von dir verlangt habe… mich zu töten… verzeih‘ mir dafür…“ Seine Stimme klang schwach. Und es waren nicht nur seine Worte, sondern auch der Halt, den er bei ihr suchte, der Zelda mitteilte, wie beansprucht sein Körper war. Sie könnte schwören, dass er üble Schmerzen hatte, nicht nur in der Brust, da sich sein Herz noch nicht vollständig erholt hatte, sondern auch die anderen Wunden beunruhigten Zelda. Die Schnitte an seiner Schulter, über seinem Bauch. Einige Holzsplitter in seinem Rücken und das große Holzstück in seinem rechten Oberschenkel. „Ich wusste nicht… mehr weiter…“, sagte er leise. Inzwischen stützte sich der Heroe ein wenig mehr an Zelda ab, war so dankbar, dass sie mit ihrem Fragment auch einen großen Anteil Energie zurückgewonnen hatte. Er seufzte und legte dann seinen müden Schädel auf ihre rechte Schulter, sagte etwas, was Zelda nicht verstand, murmelte und atmete immer regelmäßiger. Er war so müde, dass er auf der Stelle einschlafen könnte… Als Zelda immer noch nichts sagte, und Link ihre salzigen Tränen auf der Haut seines Halses fühlte, blinzelte er wieder. „Du warst sehr mutig… meine Prinzessin…“, sprach er sanft, versuchte sie aufzuheitern, versuchte ein paar Worte aus ihrem Mund zu locken, aber sie schwieg und umarmte ihn inniger. Link blinzelte wieder, wollte Schlaf, wollte nach Hause, sich in seinem Bett verkriechen. Sogar die Weisheit verhunzenden Predigten seiner Mutter Meira vermisste er… Während er jedoch blinzelte, fiel ihm etwas Merkwürdiges an seiner Prinzessin auf… ein heller, blauer Strahl ähnlich einer Blutader schimmerte durch die Haut ihres rechten Armes und lief bis zum Fragment. Er folgte dem hellen Strahl nach oben und er endete erst an Zeldas Nacken, welcher von durchgeschwitzten, blonden Haarsträhnen überdeckt wurde. Er blickte auf ihren Rücken, wo sich ebenfalls diese hellblauen Linien bildeten und wusste sich keinen Rat… „Zelda…“, murmelte er fragend. Sie antwortete ihm nicht, schluchzte ein wenig und zog die Nase nach oben. Sie konnte nicht antworten, weil sie weinte, das wusste der Heroe. Vielleicht spürte sie selbst, dass eine Veränderung ins Haus stand und dass auch sie ein Teil von Veränderung darstellte. „Fühlst du dich in Ordnung?“, murmelte der Heroe, worauf Zelda nickte und sich einige Tränen aus den Augen wischte. Er umarmte sie wieder und blickte neugierig zu den hellblauen Linien, die durch das Gewand hindurch schimmerten. Er verfolgte jene, bis zu Zeldas Hüfte und sah dann etwas auf dem Boden liegen, was vorher nicht da war… Dort auf dem Boden lagen mehrere, vielleicht zehn, weiße Federn, die eine sanfte hellbraune Musterung besaßen. Große, schöne Federn wie die von einem Falken oder einem Adler… Verwundert unterbrach er die Umarmung und deutete auf die Federn. Wieder sagte Zelda kein Wort, sondern lächelte nur… Sie küsste ihren Heroen dann… bis… In dem Augenblick kam Klein-Link mit einem lauten Schrei angerannt. Er redete so durcheinander, dass sie ihn beide zunächst nicht verstehen konnten. „Jetzt nochmal langsam…“, murmelte Link erschöpft und kniete nieder. Just gab es einen erschütternden Knall und sie wurden allesamt mit einem lauten Schlag zu Boden geworfen. Ein ungewöhnlicher Druck bildete sich in der Kirche und außerhalb sah man die Wolken und den Himmel in Sekundenbruchteilen vorbeiziehen. Die Holzbänke in der Kirche verschoben sich wieder. Große Gesteinsfetzen wurden durch die Gegend geschleudert. „Die Kirche stürzt ab!“, kreischte der Junge. „Wir müssen raus hier!“ Der Bengel rannte hin zu dem großen, schwarzen Gemälde und schaute dann auffordernd zu Link und Zelda hinüber. „Wir müssen durch das Bild. Anders geht es nicht…“ Ungläubig musterte der Heroe den Jungen. „Aber es lässt keine Berührung von uns zu… Ganondorfs Macht ist darin verwurzelt…“ „Nicht mehr… kommt schon, folgt mir!“ Und mit einem aufmüpfigen Satz, sprang der kleine Bengel einfach hinein in das Bildnis, verschwand dahinter. Hinein in eine andere Zeit und Welt. Link und Zelda folgten beide mit einem Lächeln, glitten hindurch und wurden auf der Erde für viele Sekunden nicht mehr gesehen… Eine weiße Feder, schimmernd, mit rotbraunen Musterungen, fiel vor dem Bildnis nieder… und das war alles, was von den drei Heldengestalten blieb… Die Kirche aber stürzte wie ein Komet vom Himmel nieder, hinterließ ein weiteres Zeichen für die Menschen. Ein ungewisses Schauspiel der einen Götterdämmerung… Kapitel 124: Die ultimative Waffe Hyrules… ------------------------------------------ Im alten Hyrule ruhten die Zeiger der Uhren alle auf denselben Ziffern. Und obwohl das magische Land, erwachsen aus den guten Absichten der drei Götter Din, Nayru und Farore, einen ewigen Schlaf gefunden hatte, und obgleich es nicht mehr atmete, gab es noch drei Wesen, die sich hier aufhielten. Aber die Wahrheit war eine andere. Hyrules Geschichte war eine bekannte. Und die Zeit stand still im Angesicht einer grausamen Vergangenheit, die sich auch heute noch selbst jagte… Irgendwo im prächtigen, majestätischen Schloss der Königsfamilie hörte man aufgeregte Schritte, obwohl die Zeit nicht mehr tickte. Überall standen die Wesen still. Der reichlich geschmückte Tanzsaal des Friedensfestes eines letzten Tages in Hyrule war noch prallgefüllt mit adligen Hylianern. Auf dem Balkon stand ein junger Heroe, grau in grau, seine Hand nach Zelda ausstreckend, die sich gerade mit magischen Winden teleportierte. Und auch in der mit Blut besudelten Zitadelle der Zeit, wo Soldaten viehisch von einem alten Dämon abgeschlachtet wurden, konnte das Blut nicht fließen. Die Zeit war gefroren… nur die drei Geschöpfe, die durch ein Missgeschick hierher geschleudert wurden, atmeten und bewegten sich. Angstverzerrt riss die junge Prinzessin Zelda die großen, schweren Türen zu ihren Gemächern auf. Ihr Gesicht war schweißdurchtränkt und in ihren Augen stand Besorgnis, große Besorgnis… „Schnell!“, rief sie und drehte sich zu dem jungen Bengel um, der mühevoll die nassen Füße eines bewusstlosen Link festhielt. Rasch griff Zelda unter Links Arme. Gemeinsam schleppten sie den Heroen in den gemütlichen Stubenraum. „Verriegle du die Türen, Kleiner Mann… ich bringe Link ins Schlafzimmer…“ Der Bengel nickte kurz und erledigte seine Aufgabe. Zeldas schleifte den ohnmächtigen, verletzten Link mit aller Kraft, die sie noch hatte, durch die kleine Zwischentür hinein in ihr Schlafgemach und zog ihn dann mit ein wenig magischen Energieaufwand in das Bett. Trübsinnig und voller Sorge setzte sie sich zu ihm auf das knarrende Himmelbett und legte eine kühle, aber zärtliche Hand auf seine glühende Stirn. Vor wenigen Minuten, so schätzte sie, denn hier stand die Zeit außer der Lebensuhr von ihnen dreien still, hatte es angefangen. Sie waren zu dritt in dem alten Thronsaal ihres Vaters aufgewacht, und anscheinend hierher teleportiert worden. Sie hatten ein wenig gegrübelt und waren zu der Überzeugung gekommen, dass das schwarze Bild für Ganondorf nur diese eine Bewandtnis haben musste. Das Gemälde schien nur eine Pforte für ihn zu sein. Eine Möglichkeit nach Hyrule zu gelangen, wann immer es ihm beliebte. Doch nun, wo die sieben Weisen das alte Land nicht mehr am Leben hielten, war sozusagen, die Zeit einfach stehengeblieben… und obwohl in Hyrule eigentlich keine Seele mehr existieren sollte, so hatte das Bild sie drei, vielleicht verursacht durch eine Verschiebung im Zeitgefüge, direkt zu den letzten Stunden gebracht. Bereits zu jenem Moment war Zelda Links schlechte körperliche Verfassung aufgefallen. Er konnte ihrem und Klein-Links Schritttempo kaum mithalten, hechelte unentwegt und hatte beunruhigende Schweißausbrüche, die er selbst jedoch ignorierte. Er meinte, es ginge wieder vorbei. Aber so einfach war es nicht… Sie entschieden sich dann in Zeldas magischen Büchern nachzuschlagen, ob es eine Möglichkeit für eine schnelle Rückkehr auf die Erde gab. Und machten sich zu dritt auf den Weg in die Gemächer der Prinzessin um sich dort außerdem zu verbarrikadieren. Sie waren kaum die Treppenstufen hinauf gelangt, sackte Link nieder. Und es war da, dass er endlich zugab, dass es ihm mehr als miserabel ging. Seine Schnittwunden und Prellungen waren nicht das Schlimme. Auch das Holzstück im Bein war auszuhalten. Es war ein unerträglicher Schmerz in der Brust und ein ständiges Japsen nach Luft, das ihm die Sinne rauben wollte. Sein mitgenommenes Herz benötigte Ruhe. Dringende Ruhe… Und kaum hatte er Zelda mitgeteilt, dass es ihm nicht gut ging, begann er zu zittern, sich zu übergeben und wurde bewusstlos. Zelda hatte schnell gehandelt und den Heroen mit dem Götterkind hierher gebracht, wo sie sich mit allen Mitteln, die sie besaß, um seine Wunden kümmern würde. Sie hatte gebangt, und bangte noch um sein Leben. Angst und Ratlosigkeit überschwemmten sie. Sie kniff die himmelblauen Augen zu, als ein erschreckender Gedanke aufkam. War sein Herz nicht vollständig geheilt worden? In dem Augenblick blinzelte der Heroe und streckte eine Hand nach Zeldas zu ihm gewandter, rechter Wange aus. Er war im Fieber, wusste vielleicht nicht einmal, was er tat. „Zelda…“, sprach er heiser. Tröstend nahm sie seine zitternde Linke in ihre beiden kühlen Hände. Eine Träne tropfte darauf nieder. „Nicht… weinen… alles kommt in Ordnung, versprochen…“ Sie strich ihm seine blonden, nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht und hauchte einen wärmenden Kuss auf seine Stirn. „Ich brauche nur Schlaf…“, atmete er und ließ eine Träne von dem rechten Auge fallen, geboren aus dem Schmerz, der an verschiedenen Orten seines Körpers wühlte. „Den hast du… Ruhe, Liebster…“, erwiderte sie. Es war das erste Mal, dass sie ihre Stimme in dieser sanften Weise erhob, seitdem er von den Heiligen Booten zurückgekehrt war. Und ihre angenehme Stimme tat gut, lullte ihn in den Schlaf. „Ich liebe dich, Link…“, sagte sie leise. Er seufzte noch einmal und schlief dann so tief und fest wie noch nie in seinem Leben… Prinzessin Zelda hauchte ihre Lippen noch einmal auf Links Stirn, und dann auf seinen trockenen Mund. Das Götterkind stand inzwischen daneben und räusperte sich. „Ähm… ich habe die Türen verriegelt. Und die Fenster sind zugezogen und dicht gemacht. Von außen kann niemand sehen, ob die Kerzen brennen. Wie… wie geht es ihm?“, fragte der Junge unsicher. Dann gähnte er. „Nicht so gut…“, sprach die Prinzessin und legte ihr rechtes Ohr auf seine Brust. Das mutige Herz in seiner Brust schlug trotzallem sehr regelmäßig und es hörte sich gesund an. Dennoch, woher rührten Links Schmerzen? Waren sie nur ein Zeichen von etwas, was er hinter sich hatte? Vielleicht gab es in seiner Brust keine wirkliche Ursache für das Druckgefühl und die Pein… Zelda konnte nur hoffen. Sie atmete eine Spur erleichtert auf. Dann fühlte sie seinen Puls, auch jener war so normal, wie der Puls eines Menschen nur sein konnte. „Was ist?“, meinte Klein-Link und rieb sich den Schlafsand aus den Augen. Er wusste nicht warum, aber er war hundemüde. Vielleicht lag es daran, dass Link ebenso hundemüde war. Immerhin war das Götterkind sowohl von Zelda, als auch von Link abhängig… Zelda seufzte und drückte ihre Lippen erneut auf die Stirn ihres Heroen. Dann entkrampfte sich ihr Gesicht und eine milde Form der Beruhigung trat darauf. „Es ist in Ordnung, kleiner Mann… Links Herz scheint gesund zu sein…“ Es stimmte vielleicht nicht, aber wozu sollte sie das Götterkind beunruhigen? Lügen hatten auch ihren Sinn… Sie streichelte Links Wangen noch einmal und erhob sich dann. „Aber ich möchte mich gerne um seine anderen Wunden kümmern. Würdest du währenddessen im Nebenraum ein wenig schlafen?“ Zelda kniete zu ihm nieder, besah sich die rosa Wangen des Jungen und dann seine himmelblauen, gütigen Augen. Sie lächelte und umarmte den Knirps. „Ich hab‘ dich lieb…“, sprach sie leise. Etwas, was der Junge nie erwartet hätte. Er legte seine Kinderhände zögerlich auf die leicht zerrissene Bluse der Prinzessin und spielte dann mit ihren langen, honigblonden Haaren. Er schniefte ein wenig. Noch nie hatte jemand ihm so deutlich gesagt, dass er liebenswert war. Dann nahm Zelda ihn an seiner linken Hand, wohlwissend dass er Linkshänder war. „Komm‘ mit mir“, sprach die Prinzessin und führte ihn in einen kleinen Nebenraum, wo ein altes Bücherregal, ein bequemes Sofa und eine Truhe mit Schätzen der Prinzessin aufbewahrt wurden. Es war ein unauffälliger Bereich, der nicht einmal ein Fenster besaß und nur eine schmale, kleine Tür führte dorthin. Zelda lenkte das Götterkind zu dem Sofa, und setzte sich nachdenklich mit jenem auf die knarrende Sitzgelegenheit. „Du hast Link mit dem Medaillon gerettet, nicht wahr?“, sprach Zelda sanft und ahnte nun endlich, dass jenes Medaillon mit Blut arbeitete. Der Bengel nickte aufgeregt und blickte dann in ein mehr als dankbares Lächeln seiner ,Fast-Mutter‘. „Du hast keine Ahnung, was du da für mich getan hast…“, sprach sie, bevor ihre Stimme stockte. Sie weinte wieder und umarmte Klein-Link lohnend. Nichts konnte jene Dankbarkeit aufwiegen, die Zelda im Augenblick fühlte. „Ich danke dir so sehr…“, flüsterte sie mit einer zitternden Mädchenstimme. Noch nie hatte er die stolze Stimme der Schicksalsprinzessin so leiden gehört. „Ich möchte, dass du weißt, dass ich immer ein Ohr für dich haben werde, Klein-Link…“ „Versprochen?“ Zelda lächelte. „Versprochen…“ Dann zog sie ihm die Stiefel aus und deckte ihn mit einer Federdecke zu. „Du bist sicher in diesem Kämmerchen, schlaf‘, ja?“ Sicher und behütet, falls irgendjemand nach uns sucht, oder uns bis hierher verfolgen wird, dachte Zelda dann still. Und es würde nicht lange dauern, ehe sich Ganondorfs Kinder auf die Suche nach ihnen machen würde. Er nickte, lächelte und drückte einen schmatzenden Kuss auf Zeldas linke Wange. „Kannst du noch eine Kerze anzünden?“, fragte er, bevor die Königstochter den Raum verließ. „Gerne…“, sprach sie, nutzte Handzauberei für jenes kleine Licht. Es war nicht viel, aber das Licht erhellte und erwärmte den Raum, wo doch das gesamte andere Hyrule stillstand. „Schlaf gut, Kleiner Mann…“ „Danke, Mama…“, murmelte er und zog dann die Decke über den Kopf. Leise trat die junge Prinzesin aus dem spärlich erleuchteten Gemach, hinein in ihr großräumiges Schlafzimmer, wo man Links tiefe Atmung hören konnte. Sie hatte ihre Augen halb geöffnet und ein ungewöhnliches Lächeln auf dem Gesicht… Eine Mischung aus Trauer und Freude suchte sie heim und sie würde gegen dieses Gefühl nicht ankämpfen… Sie lehnte sich an die Tür, als sie jene schloss, träumte von gestern, träumte von Hyrule und träumte zum ersten Mal von einem glücklichen Leben in einer Zukunft, die Hyrule nie haben würde… Da war etwas Neues in ihr. Wissen. Bestimmtheit und Zuversicht. Hoffnung… ja, Hoffnung… Sie lebte auch hier in diesem Hyrule. In diesem Schloss. In diesem Schlafgemach… Zusammen mit Link, mit dem Götterkind und ihr… Doch wie diese Hoffnung am Schopfe packen? Wie konnte sie diese Geschehnisse alle zum Guten wenden? Hyrule für immer aufgeben, um ein glückliches Leben auf der Erde zu genießen? Sie grübelte lange, ohne ein Antwort zu finden… Wer wusste schon, was das Schicksal noch plante… Sie atmete tief ein und tapste dann zurück zu ihrem Heroen, der fest schlafend dennoch ihren Namen säuselte. „Link…“, sagte sie leise und öffnete die feuchten weißen Schnüre an seinem Kragen. „Entschuldige…“ Ein trügerisches Grinsen kam auf Zeldas Gesicht zum Vorschein. „Aber ich muss dich leider schon wieder gegen deinen Willen ausziehen…“ Sie stoppte kurz und näherte sich mit ihren Lippen seinem rechten, erneut spitzen Ohr. „Dabei…“, flüsterte sie verführerisch. „… hätte ich das gerne mit deinem Einverständnis und deinem vollen Bewusstsein getan…“ Link seufzte kurz, aber schien ihre Worte in den Träumen nicht einbauen zu können. „Und unter anderen Umständen…“, setzte sie hinzu und krabbelte vorsichtig zu ihrem Heroen auf das knarrende Bett. Sie fürchtete sich sogar ein wenig vor den vielen Schürfungen, Blutergüssen, Schnitten und Quetschungen, die er unter seiner Kleidung verheimlichte. Sie fürchtete, seine Wunden nicht gut genug versorgen zu können. Und sie hatte ein wenig Angst, ihn mit der Wundreinigung in größere Schmerzen zu schicken, als er bisher durch litt. Dennoch… sie musste ihn von den nassen, kalten Kleidern befreien, ob sie nun wollte oder nicht… Link schlief inzwischen sehr unruhig, wälzte sich ein wenig in dem Bett umher und schlug seinen Kopf ab und an zu einer Seite. Seine Atmung war erneut hetzend und besorgte die Prinzessin, die ihm sachte zunächst die Tunika vom Leib zog. Sie löste die Gürtelschnalle und zog ihm das grüne, durchnässte Gewand mit einigen Schwierigkeiten über den Kopf. Darunter kam das teilweise zerfetzte Kettenhemd zum Vorschein. Vor allem an der Brust waren die feinen Eisenringe gerissen und gaben Einblick zu dem durchgeschwitzten, leicht verdreckten Hemd, welches an vielen Stellen rosa gefärbt war… Auch das silbrige Kettenhemd zog Zelda ihrem Liebsten vorsichtig über den Kopf, bemerkte aber nicht, dass Link durch diese Bewegung aufgeweckt wurde. Mit blinzelnden Blicken beobachtete er das Märchengeschöpf neben ihm und packte ihre Hände, als sie mit einem Messer das Hemd durchschneiden wollte. Sie entließ einen Überraschungslaut und ließ das Messer sinken. „Zelda…“ Er lächelte leicht, auf eine Weise als würde er sie nur für einen Trugschein halten. Ihm war deutlich anzusehen, dass er Fieber hatte. Sie legte ihm einen Zeigefinger auf die Lippen, wollte ihm mit dieser Geste sagen, dass er ruhen sollte, dass er schweigen sollte. Aber er schüttelte den Kopf. „Ich wollte… dass du etwas weißt…“, sprach er langsam und hüstelte ein wenig. Sie nickte. „Was ist es?“ Sie rückte näher und schlang ihre Hände um seinen Kopf, drückte ihn gegen ihre Brust. „Wenn mir etwas zustößt…“ Er konnte den Satz nicht einmal ausreden, da bremste Zelda ihn wieder. „Link, sag‘ so etwas nicht! Du machst mich traurig…“ „Zelda bitte… hör‘ mir zu.“ Sie schüttelte wiederwillig den Schädel, aber der Heroe sprach weiter. „Ich möchte, dass du weiterlebst… dass du dein Leben genießt… dass du glücklich wirst… und ich will nicht, dass du mir folgst oder… aufgibst…“ Er schloss die Augen und lächelte so sanft wie vorher auch. „Wenn mir etwas zustößt, dann bitte verliebe dich neu irgendwann… finde etwas neues…“ Zelda atmete schwer ein und begann wieder Links Wangen zu streicheln, forderte ihn damit auf, seine tiefblauen Heldenaugen zu öffnen. „Das ist meine Entscheidung, Link…“ „Aber ich weiß auch, dass du niemals eine Entscheidung zu deinem eigenen Wohl treffen würdest… deshalb bitte ich dich… im Fall der Fälle… lebe neu, meine Prinzessin“, argumentierte er und bewegte seine zitternden Hände zu ihrem engelsgleichen Gesicht. „Du bist so wunderschön…“, murmelte er dann. „Du würdest immer jemanden finden, der dich liebt.“ Tränen tropften von ihren blassen Wangen. „Ich will aber nur von dir so geliebt werden wie ein Liebender es darf… ich will nur dich… was denkst du, warum ich die vielen Prinzen, die um meine Hand anhielten, immer abgewiesen habe… Doch nur für dich…“ Link grinste daraufhin. So hatte er die alten Tage noch nie gesehen. Er dachte immer, Zelda wollte lediglich ihre Rebellion gegen Harkenia mit dem Abweisen der Prinzen zur Schau stellen. „Wirklich?“, murmelte er und schloss seine Augen. „Ganz wirklich…“, erwiderte sie. Er lächelte fortwährend und kaum begann die Prinzessin einen neuen Satz war der Heroe wieder eingeschlafen. Er machte sich immer so viele Sorgen um sie. Warum konnte Link jene Entscheidung, die sie hoffte, nie treffen zu müssen, nicht einfach ihr überlassen? Dann endlich entfernte sie das zerschnittene Seidenhemd und war ein wenig erschrocken. Sie hatte geahnt, dass er viele Wunden haben würde, aber dass es ihn so erwischt hatte, hätte sie nie vermutet. Sein Oberkörper war zerkratzt, gequetscht und es war der Großteil der Haut, blutunterlaufen, verwundet, der Zelda so bestürzte. Ihr kamen unweigerlich die Tränen, während sie die Wunden betrachtete. Ein tiefer Schnitt an seiner Schulter, der noch stark blutete. Quetschungen, verteilt über seinem Brustkorb. Blutergüsse bis hinab zum Bauch, wo nur die alten Narben des Gamecube-Vorfalls verschont waren. Und dort, wo sein Herz saß, erinnerte sie die scheußliche Narbe an die Ereignisse vor wenigen Minuten… ,Ich kann mir das niemals verzeihen…‘, dachte sie. Und trotzallem hatte sie das getan, was in jener Situation der letzte Ausweg schien. Ganondorf hätte niemals freiwillig Links Körper verlassen. Und wenn man Ganondorfs Körper getötet hätte, so wäre jener Dämon einfach in dem jugendlichen Körper ihres Heroen geblieben. Es hätte keine Alternative gegeben, das wusste Zelda. Warum also plagte sie die Erinnerung daran so sehr? Sie grübelte ständig darüber nach, wollte es verdrängen, wollte am liebsten dieses Ereignis aus dem Fluss des Lebens verbannen, wollte es nicht geschehen lassen sein. Sie kam einfach nicht darüber hinweg, fühlte sich schmutzig damit, sündenvoll und schuldig. Sie legte ihre rechte Hand auf Links rechte Brusthälfte und sprach leise: „Ich wünschte, ich könnte dir mein Herz geben, Link…“ Gab es keine Lösung für dieses unerträgliche Schuldgefühl in ihrem Inneren? Sie atmete tief ein und fühlte noch einmal das Herz ihres Liebsten tief und gleichmäßig schlagen. Es war beruhigend und regelmäßig. Warum also machte sie sich so viele Sorgen deswegen? Ohne weitere Zeit zu verlieren, sprang sie auf und holte unter lautem Klappern einen riesigen Metallkessel aus einem der Schränke. Damit huschte sie ins Badezimmer und füllte den Kessel mit Wasser. Schnell stapelte sie das Behältnis über dem Feuer im Kamin. Mit einem Puff ihrer heiligen Magie steckte die die wenigen Holzscheitel in Brand, die noch darin lagen. Sie musste sich ein wenig beeilen. Wer wusste schon, wie lange es dauerte, ehe irgendein Monster sie hier fand. Ab und an blickte sie hinüber zu Link, und traf ihre Vorbereitungen. Sie holte Verbandszeug, Kräutersalben, Iod, Nähzeug und Tücher. Das Wasser in dem großen Metallkessel kochte bereits, so heiß war es. Mit zwei Topflappen in den Händen trug sie ihn hinüber zu dem Bett und stellte das Gefäß vorsichtig auf einen mit alten Lappen überzogenen Holztisch ab. Dann endlich krabbelte sie wieder auf das Bett und zog ihrem Liebsten die Stiefel von den Füßen. Wie alles an Link waren auch seine Füße kalt und nass. Aber seine Füße waren wohl fast der einzige, unverwundete Bereich an seinem Körper. Auch die graue, halbzerfetzte Strumpfhose zog sie ihm von den Beinen. Zelda hatte tiefe Schnittwunden an seinen Beinen vermutet, aber wenigstens hielten diese sich in Grenzen. Dann besah sie sich das große Holzstück, welches einige Zentimeter in seinem rechten Oberschenkel stak. Es war in etwa die Mitte des Schenkels, aber es saß so raffiniert und Zelda würde beinahe sagen, glücklich, dass es mit Sicherheit die große Blutader verfehlt hatte. Sie würde es unbedingt entfernen müssen, selbst wenn sie damit eine Blutung riskierte. Sie rückte näher und blickte das Holzstück von jeder Seite an… ,Gut, entschied sie, dann mal los.‘ Sie begann zunächst damit ihren Heroen mit dem warmen Wasser das Gesicht abzutupfen. Man konnte ihm deutlich ansehen, wie gut es ihm tat. Er seufzte in seiner Traumwelt, als Zelda den warmen Lappen über sein verdrecktes Gesicht strich. Sie reinigte dann die Kratzer und Schnitte in seinem Gesicht, sowie jenen an der Schulter mit den Kräutermitteln. Dann entschied sie, dass Link wohl nicht um das Nähen herumkommen würde… „Link…“, sagte sie leise. „Ich muss den Schnitt an deiner Schulter nähen… entschuldige, falls es schmerzt…“ Sie setzte den ersten Stich und kaum durchbrach die Nadelspitze seine Haut, schnellten Links Augenlider nach oben. Seine Augen waren halbgeöffnet, aber dadurch konnte die Prinzessin noch mehr von Schmerz und Übelkeit in seinen tiefblauen Augen ablesen. Er atmete geräuschvoll ein und stieß die Luft pfeifend durch seine Zähne aus. Sofort stoppte Zelda das Nähen der Wunde und legte ihre Hände auf seine Wangen. Link war so kraftlos im Moment, sie hatte ihn noch nie so erlebt. Kein Wunder, dass sie sich Sorgen machte. „Mach‘ weiter…“, bat er und schloss die Augen, blieb aber bei Bewusstsein. Sie drückte ihre rechte Wange gegen seine linke, schenkte ihm Nähe und ein wenig Wärme. „Ist dir sehr kalt?“, fragte sie besorgt. Link zitterte, das war kaum zu übersehen. Er nickte ehrlich. „Das kommt sicherlich von dem Blutverlust… ist okay…“ Und je mehr Zelda der miserable Zustand ihres Liebsten auffiel, umso näher ging es ihr. Sie fühlte die Schmerzen nun beinah selbst, auch wenn Link versuchte, sich so gut wie möglich vor ihr abzuschirmen. „Auch du darfst… einmal schwach sein. Mein Held. Das mussten wir beide lernen, nicht wahr?“ Er öffnete die Augen wieder, lächelte ein wenig, bemüht sich nicht so sehr anzustrengen. Wie recht Zelda doch hatte. „Hast du noch ein Elixier in deinen Taschen? Es könnte die Schmerzen lindern, auch wenn es bei… den vielen Wunden, die du hast, nicht alle heilen würde…“ „Nein…“, würgte er halb heraus und ließ seinen Kopf befreiend zurück in die weichen Kissen sinken. „Bitte näh‘ weiter…“, keuchte er und schloss krampfhaft die Augen. „Sicher…“, meinte sie und schenkte ihm einen innigen Kuss, auf welchen er jedoch nur zögerlich reagierte. Aus leichte Sorge, Zelda durch ihr gemeinsames magisches Band an seinem Zustand teilhaben zu lassen. Schließlich nähte Zelda mit acht Stichen die langgezogene Wunde. Link war indes aus reiner Erschöpfung wieder eingeschlafen, was Zelda beruhigte. Sie ertrug es kaum, ihm bei vollem Bewusstsein die Wunden zu reinigen, sein schweres, unterdrücktes Winseln mit anzuhören oder seine Anspannung, geboren aus Schmerzerwarten, zu spüren. Dann wusch sie mit dem warmen Wasser seine Brust, seinen Hals, den Bauch, die Arme und zum Schluss die Beine. Sie rieb die Quetschungen und Blutergüsse mit den magischen Salben ein, die sie einst in langem Studium der Heilkräuter Hyrules angefertigt hatte und war erstaunt, wie gut jene bei Link wirkten. Einige Blutergüsse wurden schwächer, mancher Kratzer schloss sich… Jetzt blieb nur noch das dicke Holzstück im Bein… und dann würde sie sich Links Rücken anschauen. Ein zögerlicher Blick auf die große Standuhr in dem Gemach verriet ihr, dass in Hyrule die Zeit noch immer nicht tickte. Aber sicherlich tickte sie in der realen Welt weiter. Wie sollte sich Link in vielleicht noch drei Stunden so schnell erholen, dass er den Meister des Bösen vor Ablaufen jener Zeit besiegte? Und vor allem… wie sollten sie zu dritt noch rechtzeitig wieder auf die Erde gelangen? Diese Gedanken ließen Zeldas Herz aufgeregt trommeln und machten sie mürbe… Din, Nayru und Farore, bitte lasst mich nicht an euch zweifeln, dachte sie still. Das Holzstück in Links Oberschenkel saß sehr fest und ließ sich nur mit Mühe herausnehmen. Die Wunde blutete sehr stark, sodass Zelda Unmengen von Tüchern darauf pressen musste, bis schließlich ein Kraut zur Blutstillung das Triefen stoppte. Ein wenig angeekelt betrachtete sich Zelda das Holzstück und warf es im Sinne eines Rituals in die hetzenden Flammen des Kamins. Verbrannte man die Wurzel des Übels, zerstörte man auch dessen Konsequenzen. Hieß es nicht so in einem der Bücher der Hexe Asa, die allzu gerne merkwürdige magisch Rituale durchführte? Unwichtig, zumindest blutete Links Wunde am Oberschenkel nicht mehr… Auch diese Verletzung nähte die Prinzessin mit einigen Stichen. Dann endlich entließ sie einen erfolgreichen Seufzer. Sie hatte es geschafft, die schlimmsten Wunden waren genäht und die Quetschungen und Prellungen mit Heilkräutern eingedämmt. Jetzt musste sich Link nur noch ein wenig ausruhen… Liebevoll drückte sie einige Küsse über sein Gesicht und auch auf seine Lippen. Sie deckte ihn mit ihrer dicken Federbettdecke zu und krabbelte hinauf an das Bettende, direkt über seinen Kopf. Ein wenig umständlich hob sie ihren Heroen an, soweit wie es ging und schlüpfte unter ihn. Link lag mit seinem schwereren Körpergewicht fast vollständig auf ihr, aber es machte ihr nicht viel aus, es war gut, sodass sie seinen nackten Rücken anschauen konnte. Wie vermutet hatten sich einige größere Spreißel durch das riesige Gemetzel und die Zerstörung des Kirchendaches in seinen Rücken gebohrt. Vom Nachttisch nahm Zelda eine Pinzette und lehnte sich mit ihrem Heroen in den Armen an das Bettende. Sachte entfernte sie die großen Spreißel und ruhte dann über eine Stunde mit ihrem erschöpften Heroen im eigenen Himmelbett… Im Hintergrund ließ die Prinzessin mit magischen Schwingen eine Harfe in ihrem Gemach spielen. Eine Harfe mit goldenen Saiten, die Zeldas Wiegenlied zupfte… Bei Impa und den anderen herrschte zu diesem Zeitpunkt große Aufregung. Alle hatten sie die Erschütterung in Schicksalshort gehört und am Leib gespürt. Ein Erdbeben, ausgelöst durch die Überreste der alten Kirche, die mit großer Wucht auf den Boden aufgeschlagen war. Naboru war die erste, die sich von ihrem Temperament überwältigen ließ. Sie schlug auf den Tisch und spielte dann mit ihren gebogenen Schwertern. „Ich kann nicht länger warten. Es ist Zeit.“ „Finde Ruhe, Naranda. Noch hat uns Link kein Zeichen gegeben…“, sprach Sian, der deutlich spürte, dass es Prinzessin Zelda sehr gut ging. Was allerdings mit Link war, blieb ihm ein Rätsel. Vorhin hatte Sian gedacht, es wäre alles aus. Link hätte seine Lebenskraft verloren. Doch dann plötzlich durchfuhr den Irländer ein so erschreckendes Gefühl von Lebendigkeit, dass es ihn verwirrte. Link lebte, obwohl er doch starb? Er schüttelte den Kopf und versank in einer seiner Meditationsübungen. „Sicher, wir haben noch kein Zeichen erhalten, und dennoch… der Kampf dauert schon über zwei Stunden… das heißt nichts Gutes…“, sprach Rauru. Unsicher, wie sie weiter vorgehen sollten, diskutierten die Weisen schon die gesamte Zeit über einen möglichen Schritt. Sollten sie in das Geschehen eingreifen? Sollten sie vielleicht Link mit allen Waffen, die sie hatten unterstützen? Oder war ein Einmischen ein Fehler vor dem Schicksal? Inzwischen wussten die Weisen durchaus von der Armee aus Ganondorfs Kindern. Denn auch die Weisen hatten Fähigkeiten zurückerhalten, die ihre Geburtsstunde in Hyrule hatten. „Argh…“, schimpfte Naboru. „Ich kann nicht mehr hier sitzen und warten bis uns die Armee Ganondorfs überfällt. Ich will kämpfen.“ Heißes Blut loderte in ihren Venen und sie würde vielleicht eine der ersten sein, die das Schlachtfeld erreichte. „Link braucht uns!“, setzte sie hinzu. Sara jedoch hatte die gesamte Zeit ein stilles, merkwürdiges Lächeln auf dem frischen, jugendlichen Gesicht. Sie spürte mehr als Leben, mehr als Verwunderung, sie spürte Hoffnung… Etwas Neues. Etwas Großartiges würde sich anbahnen. Vielleicht war heute endlich der Tag gekommen, da Ganondorf für alle Zeit besiegt werden konnte. Sie wusste es nicht mit Sicherheit, aber da war so ein aufwartendes, großartiges Gefühl, das sie in sich trug. „Ich finde auch, wir müssen uns auf den Weg machen, auch wenn Link uns noch kein Zeichen gegeben hat… die Armee Ganondorfs rückt näher!“ Sara sprang von ihrem Platz auf und sprach weiter. „Was nützt es uns hier zu sitzen, wo wir alle kämpfen können, egal ob mit Magie oder mit Schwertern? Wenn Naranda geht, gehe ich mit ihr!“ Impa schüttelte auf diese Bemerkung den Kopf, aber sie lächelte tatkräftig. „Wie verrückt wir doch alle sind…“, sprach sie rhetorisch. „Ein Haufen von unverbesserlichen Idioten“, meinte Darunia und klopfte sich auf die Brust. „Ich hätte ebenso Lust mich wieder mit Fäusten in die Schlacht zu begeben. Irgendwo in diesem menschlichen Körper stecken bestimmt noch goronische Kräfte.“ Rutara lächelte ebenso breit auf diese Bemerkung. „Dann hoffe ich in meinem Körper ebenso etwas der Zoraeigenheiten wiederzufinden, aber nur ein bisschen…“ Sie lachte laut und hysterisch, aber befreiend. Harkenia kam daraufhin von dem Nebenraum, wo er das Götterkind schlafen gebracht hatte. Er war verschwunden, was ihn beunruhigte. Klein- Link war ein ziemlich dreister Fratz und doch so liebenswert… und wie sehr er ihn an Zelda erinnerte. „Klein-Link ist verschwunden…“, meinte er misslaunig. „Und das wundert Euch, Harkenia?“, meinte Impa und verschränkte die Arme. „Nicht wirklich…“, lachte er. „Nun gut, ich denke, es ist Zeit… lasst uns aufbrechen…“ Und als Harkenia sich ebenso von einem Gefühl von Hoffnung leiten ließ und dieses neue Gefühl, erinnernd an Freiheit, Wagemut, und Unerschrockenheit, sich fast wie die Luft anfühlte, die man einatmete, standen auch die restlichen Weisen von ihren Plätzen auf. Es war Zeit für Hoffnung. Zeit für Leben… Gemeinsam machten sie sich bereit, trugen ihre Waffen und ihre Herzen zu dem großen Schauplatz eines Kampfes, der auch in Hyrule irgendwann erzählt werden könnte… Nach zwei Stunden erlangte der junge Heroe endlich wieder das Bewusstsein. Ein wenig schwerfällig richtete er sich auf, atmete tief ein und überblickte seine Lage. Langsam kamen seine Erinnerungen zurück und er erkannte den gemütlichen Schlafraum seiner Prinzessin vor sich. Alles hier war so wie damals, und doch so anders. Dieselben Düfte nach Rosen. Dieselben Gefühle und doch sah Link die Dinge und Geschehnisse von damals nun aus einem ganz anderen Licht. Es war gewiss nicht leicht damals, aber alles hatte seine Bewandtnis gehabt für dieses neue Leben… Er gähnte und lehnte sich sachte an das mit Triforceabwandlungen bemalte Bettende, genoss den Geruch nach Zelda in den vielen weichen Kissen und liebte die strahlende Wärme in dem Gemach. Im Hintergrund zupfte die Harfe der Prinzessin von selbst die Melodie eines Schlafliedes. Und im Kamin loderte ein wildes Feuer… Es ging ihm ein wenig besser, was sicherlich nur mit Zeldas Anwesenheit zu tun hatte. Vorhin noch hatte Link ihre körperliche und seelische Nähe in den Träumen gefühlt. Wo aber war Zelda im Augenblick? Auf dem Schreibtisch lagen dutzende dicke Wälzer. Allesamt mit magischen Titeln. Ob Zelda anhand der Bücher einen Weg zurück zur Erde gefunden hatte? Oder vielleicht war es irgendwie möglich die Weisen zu kontaktieren, damit sie den magischen Spiegel von Leon erneut beschworen… Link nahm noch einen erholsamen Atemzug und zog dann die Decke von seinem Körper, besah sich die Verletzungen, auf welchen fast überall Pflaster und Verbände lagen. Auch sein Brustkorb sah wesentlich besser aus als er vermutet hätte. Er lächelte ein wenig und hörte dann Zeldas liebliche Singstimme aus dem Nachbarraum. Sie sang das alte Schlaflied lieblich und verträumt, als ob sie jemandem damit in den Schlaf schicken wollte… als wäre das Lied gedacht für ein Kind, um es in den Schlaf zu wiegen. Ja, richtig, wo war überhaupt Klein-Link? Der einstige Oberstufenschüler ließ schließlich die Beine von der Bettkante baumeln und zog die frische Kleidung neben dem Bett an, die seine Prinzessin für ihn zurecht gelegt hatte. Woher sie jene Kleidung wohl hatte? Link schmunzelte ein wenig und strich über eine weiße Tunika mit goldenen Mustern im Saum, war begeistert von einem federleichten, dunklem Hemd und einem golden glänzenden Kettenhemd. Rasch zog er die Kleidung an und fühlte sich wie neugeboren. Nur noch seine Stiefel und Handschuhe fehlten und fertig war das perfekte Abbild eines sehr ansehnlichen Hylianers. Er strich sich durch die blonden Haarsträhnen und entdeckte dann auf dem Tisch unweit neben sich, dort wo auch das Spiel der Weisen aufbewahrt wurde, ein Tablett mit Brot, hylianische Quarkspeise mit Herzbeere, sowie einem Krug mit Saft… „Zelda… du bist himmlisch…“, murmelte Link und schlug sich den Bauch voll. Es tat unbeschreiblich gut, etwas im Magen zu haben. Und die Herzbeere kräftigte zusätzlich seinen schwachen Körper. Selbst als er fertig war mit dem Speisen, sang Zelda noch in dem Kämmerchen zur Linken des Heroen. Er lehnte sich kurz zurück, schloss die Augen, bis er sich entschied nach dem Rechten zu sehen. Er überprüfte die Fenster und Türen in jedem Raum und blickte aus den Fenstern von Zeldas Gemächern, konnte jedoch nirgendwo etwas Verdächtiges erkennen. Waren sie drei wirklich sicher hier? Dann endlich wollte der Heroe nach seiner Liebsten schauen. Gekleidet in den neuen Gewändern trat er zu der kleinen Tür mit dem Spitzbogen und setzte die Hand auf die goldene Klinke. Er schob die Tür sachte zur Seite und war einfach nur überwältigt von dem Anblick, der sich ihm bot. Eintracht, Lebendigkeit und Fürsorge wärmten ihm das Herz… Zelda saß neben dem kleinen Sofa auf einem Schemel und streichelte dem Götterkind über den blonden Schopf, während sie sang. Und wie hell und rein sie singen konnte… Wenn sie auf diese Weise für Link singen würde, würde er ebenso schlafen und nicht mehr aus den Träumen fliehen wollen, entschied er schmunzelnd. Aber mehr als ihr Gesang war es das stille Lächeln auf ihrem Gesicht… und ihre Schönheit… die ihn einfach nur einfror. Von einer Sekunde auf die andere war da ein Entsetzen in Links Augen, welches er geboren aus tiefer Zuneigung nicht bekämpfen konnte. Entsetzt über diesen Augenblick voller Wärme und entsetzt, wie wunderschön Zelda doch war… Sie hatte ihr langes, honigblondes Haar geflochten und trug eine weiße Schleife darin. Er fühlte ein eher vertrautes Bedürfnis in sich aufsteigen. Und als er Zeldas Kleid, welches sie anstatt ihrer verdreckten Kampfkleidung trug, musterte, wurde das Bedürfnis noch stärker und vielleicht sogar unangenehmer… Es war mehr ein Nachtgewand als ein Kleid. Weiß. Mit feinen goldenen Nähten über der Brust und am Rücken, der fast frei war… Lang war das Gewand… bis zu den Füßen… eng anliegend und geschmeidig. Unheimlich geschmeidig. Link packte die Lust diese Seide berühren zu dürfen und den Körper zu fühlen, der sich darunter verbarg… Und teilweise konnte man den Körper unter diesem samtenen Stoff erkennen… Zeldas weibliche Rundungen. Sogar ihre Brustwarzen waren durch das dünne Gewand in Form von kleinen Erhebungen sichtbar. Link traute sich nicht mit den Augen noch weiter hinab zuwandern. Er konnte sich an dem Gedanken schon gar nicht mehr kontrollieren… Ihm war warm. Und er musste raus hier, ehe er vor Schock und Scham in sich zusammenfiel. War das wirklich seine Prinzessin? Dieses Geschöpf, welches er nun unbedingt berühren, küssen, verführen und innig lieben wollte? Er glaubte zu träumen… Sicherlich, dachte Link dann und wand sein Gesichtsfeld gen Boden, er hatte Zelda immer, aus tiefstem Herzen und tiefster Ehrlichkeit heraus, wunderschön gefunden… aber so, wie sie sich nun zu Recht gemacht hatte, war ihr Anblick jede Sünde wert… Sie trug kein Make-up oder andere Dinge, die ihr wahres Ich überdecken würden. Sie war so natürlich… und vielleicht lag darin im Augenblick der Reiz für Link… ,Das würde eine lange Nacht werden‘, dachte er albern und gab sich gleich eine Schelte dafür. ,Zum Teufel, was denke ich hier eigentlich… wir müssen immer noch Ganondorf besiegen. Das hat Priorität…‘ Es war ziemlich dümmlich für Link, sich diese Dinge einzureden, denn als er wieder zu Zelda blickte, kehrte die Sehnsucht in seinem Blick zurück. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen und ihm war wieder sehr warm. Heiß. Brühheiß… Er rollte mit den Augen und versuchte mit aller Macht zu ignorieren, was sein Körper ihm kommunizierte. Ihm war nie klarer, was er wollte… Er wollte sie. Er wollte sie jetzt. Und das war das Fatale daran. In dem Augenblick sah Zelda auf und lächelte ihm mit Beruhigung und der Liebe entgegen, die sie für ihn empfand. Schreckhaft wich Link zurück und fürchtete sich vielleicht sogar ein wenig vor ihrer Weiblichkeit. Sie trat auf die Beine und strich die Falten aus dem Kleid. Faszinierend lief der edle Stoff über ihre Figur, hinterließ die Sehnsucht einer Berührung. Alles an ihr war wundervoll. Ihr schmales, eindrucksvolles Gesicht. Ihre wohlgeformte Brust. Ihre volle Hüfte. Ihre schlanken Beine. Link wusste nicht, was hier passierte, aber es war unberechenbar und gefährlich. Seine Gefühle stiegen ihm zu Kopf. Und obwohl, das was er wollte, dieses Verlangen, dieses Suchen, die natürlichste Sache der Welt war, schämte er sich ein wenig dafür. Er hatte nur ein Wort in seinen Gedanken und es beschrieb Zelda sehr deutlich trotz der entzückenden Unschuld des weißen Kleides. Sittlich, aber sexy, das war es… Herrlich sexy… Dann endlich lief sie zu ihrem Heroen hinüber, umarmte ihn kurz und nahm dann seine linke Hand in ihre Rechte. Ohne Worte zog sie ihn aus dem Kämmerchen heraus, wo das Götterkind friedlich schlief. Sie traten schweigend in das Schlafgemach zurück und blickten einander an. Noch immer schweigend, als wären Worte fehl am Platz, wenn sie einander tief in die Augen sehen konnten. Link begann lediglich Zeldas blondes Haar zu streicheln, welches sanft an ihrem spitzen Ohr hinab fiel. Wieder sprach er kein Wort, fühlte sich nicht fähig mit Worten irgendetwas auszudrücken, was Zeldas Schönheit und ihre Nähe betraf. Ganz sanft wanderten seine Arme um ihre schmale Hüfte, fühlten den weichen, zarten Stoff, der so verboten schien. Link kostete mit seinen Händen Lebendigkeit und Unschuld. Es war wie als würde er Seide in ihrer edelsten Form in seinen Armen halten. Er zog Zelda an sich, als wäre sie seine Luft zum Atmen… Seine Lippen streichelten ihre Stirn, nahmen jeden Funken Zartheit wahr, wanderten hinab zu ihrer rechten Wange und verführten leise… Auch die junge Prinzessin schwieg zunächst, erfüllt von seiner Nähe, hatte sie die Worte vergessen, die sie ihm vorhin schon sagen wollte. Und als seine rauen Kämpferhände ihren Rücken fanden, ein Stückchen nach oben wanderten, dorthin, wo die Haut nicht mehr von dem samtenen Gewand beschützt wurde, wollte sie am liebsten zerschmelzen. Sie wurde schlapp und weich, hatte dann das Gefühl Butter in seinen Händen zu sein, einfach umzufallen, da ihre zitternden Knie sie nicht mehr halten wollten. Link fing sie auf, er würde sie immer auffangen, egal, wo der Abgrund war, der sie verschlucken wollte… Langsam ließ auch er sich auf die Knie sinken, hielt seine Prinzessin in den Armen und ließ den zärtlichen Blick aus seinen Augen weiterhin anwachsen. Gefühlvoll. Und doch unterlegt mit den Hintergedanken einer unvollkommenen Erfahrung. Wie oft waren sie einander schon zu nah gekommen? Wie oft schon versank der Heroe in den Gefühlen für seine Prinzessin? Und wie oft schon war es Zelda, die nicht mehr vor ihm fliehen wollte? Und noch immer fiel nicht ein einziges Wort zwischen ihnen, als wären Worte das unnötige Teilchen in diesem Gefängnis von Gefühlen und Zärtlichkeit. Link stützte die junge Prinzessin mit einer Hand, die er erregend über die Haut ihres freien Rückens legte, während er sich ein wenig über sie beugte. Ihr langes, blondes Haar fiel in dem Zopf hinab, bis zum glatten Boden des Gemachs… Seine andere Hand fuhr verträumt über die goldenen Fäden des Gewandes, dort wo sich Zeldas Brust befand… Er fühlte ihr Herz, nährte sich von diesem tosenden Herzschlag, verglich ihn mit seinem eigenen… Link beugte sich dann vorsichtig hinab, bereit für eine neue Sünde, hier im alten Hyrule. Seine Lippen waren zaghaft, tastend, suchend nach mehr als einem gewöhnlichen Kuss. Er wollte schlichtweg die Erfüllung darin finden, mit Zelda einen Kuss zu teilen, der war wie ihr erster. Neu und doch verlangend nach dem, was sie beide ersehnten. Er berührte ihr Kinn, fühlte Zelda schwach werden, hörte sie seufzen und sich angesichts des quälenden Kribbelns in ihrem Magen ein wenig verkrampfen… Ihr Kopf sank weiter hinab, verschaffte ihm Zutritt zu ihrem Hals, wo er seinen Mund wie ein sanftes Band, genauso wie die weiße Schleife im Haar, wandern ließ. Er küsste unschuldig, küsste verträumt. Sie im Gegenzug führte ihre freie Hand zu seiner Brusthälfte. „Küsst du mich endlich, oder muss ich darum betteln…“, sprach sie begierig und brach damit endlich die Stille zwischen ihnen. Er hob sie ein Stückchen an, presste sie an sich, worauf Zelda ein Bein um seine Hüfte schlang. „Bettle!“, sagte er hetzend, hob Zelda an und drückte sie näher an sich. Es war wie ein Wunder, was sie in ihm auslöste. Dieser Zwang. Dieser innere, beflügelnde Druck. Spielerisch hauchte die Prinzessin ihren warmen Atem auf Links Lippen und grinste so hinterhältig wie schon einmal… vor wenigen Wochen im Haus der Götter. „Wenn du so verlangend bist, und so unverschämt mir diese Befehle zu geben, werde ich diejenige sein, die dich zum Betteln bringt, Held…“, lachte sie albern und rieb ihr Bein ein wenig an seiner Hüfte. Link seufzte genießend und seine Augen umwölkten sich für einen Augenblick. „Du bist echt fies zu mir…“, murmelte er geschmeichelt von ihren Bewegungen und sündenvollen Berührungen. „Ich kann noch fieser sein…“, seufzte sie und wanderte mit ihrer rechten Hand von seinem Herzen hinab über die straffen Muskeln des Bauches. „Kriege ich jetzt meinen Kuss?“ „Mmh… ja, ich denke schon…“ Sie hatte ihn in ihrer Gewalt, keine Frage. Und langsam gestand auch Link sich ein, dass er absolut wehrlos war, wenn sie ihre Weiblichkeit, die dazu noch überaus faszinierend und atemraubend war, spielen ließ. Sie wusste nicht, wie attraktiv sie war. Nein, wenn es um diesen Gedanken ging, wusch sie ihre Hände in blanker Unschuld. Aber mit jeder weiteren Sekunde wich die Unschuld, die man in Zelda vermutet hätte und machte Platz für ein zügelloseres Ich, für jemanden, der genießen konnte. Für jemanden, der Link wollte… „Reicht dir ein einziger?“, sagte er dann und näherte sich mit seinen Lippen den weichen Ihrigen, aber ohne sie endlich zu küssen. „Da bin ich mir nicht so sicher…“, hauchte sie und rutschte näher, wollte ihre Lippen endlich mit seinen besiegeln, aber Link ließ das nicht so einfach zu. Grinsend, himmlisch grinsend, wich er zurück und steigerte Zeldas Vorfreude auf ein leckeres Zungenspiel mit dem Warten. „Link!“, giftete sie dann. Ihre sanfte Stimme erhob sich und wurde bissiger. „Hör‘ auf damit… das macht mich ganz…“ Sie biss sich auf die Lippe und schaute ihn hilflos an. „Warum küsst du mich nicht endlich?“, flüsterte sie und reckte ihm wieder ihre Lippen hin, erhielt aber nur ein ausgefuchstes Grinsen. „Weil ich dich betteln hören will…“, flüsterte er, ließ seinen warmen Atem an ihr spitzes Ohr wagen. Zelda zwinkerte einige Mal und fühlte sich schlichtweg überfordert. Was wollte Link? Irgendetwas war anders als sonst… Verwundert nahm sie beide Hände und legte diese auf seine Wangen. „Liebster…“, murmelte sie. „Ja?“ Sein Blick war so unschuldig, aber betrog er sich etwa selbst mit jenem? „Geh‘ nicht zu weit… nicht hier…“, sprach sie. Er errötete leicht, verblüfft, wie schnell Zelda seine Gedanken durchschauen konnte. Sie wusste anscheinend besser, was er im Sinn hatte, als er selbst. „Sorry… ich wollte dich nicht überrumpeln…“, meinte er zögerlich, und lachte nervös auf. „Es ist nur…“ Er schloss die Augen, reichte ihr eine Hand und zog sich mit ihr auf die Beine. Daraufhin umarmte er sie innig, genoss es seinen schweren Kopf ein wenig auf ihre halbnackte Schulter zu legen. „Es ist nur… ich…“ „Ich weiß, Link… wir sind schon… sehr lange zusammen und ich habe dich immer warten lassen…“ Er hörte die leichte Nervosität und Beklemmung aus ihrer Stimme. Aber es war keine Scheue oder Furchtsamkeit. Link spürte es in ihrem Atemzug, in ihrem Herzklopfen, und sah es in ihrem Wimpernschlag. Zelda hatte keine Angst davor mit ihm zu schlafen, es war etwas anderes… „Aber du hast mir bereits soviel gegeben. Ich sollte dich nicht damit unter Druck setzen…“ Sie legte wenige Fingerspitzen auf seine Lippen, stoppte seine Rechtfertigung. Suchend seine tiefblauen Augen, suchend Erfüllung und Vertrauen darin, fand sie etwas Neues. „Du setzt mich nicht unter Druck…“ „Aber ich denke, es ist einfach unangemessen und nicht gerade edel von mir, das von dir zu verlangen, wenn du nicht möchtest…“ Zelda protestierte sofort: „Moment mal… ich habe nie gesagt, dass ich nicht…“ Sie errötete ebenso und zwinkerte hilflos. „Ich will es ja… ich will mit dir…“ Und daraufhin zwinkerte Link und ließ sich von Zeldas leichter Hilflosigkeit anstecken, während im Hintergrund immer noch die alte goldene Harfe Zeldas Wiegenlied zupfte… Sie begann seinen Haaransatz zu streicheln und sprach hauchend in sein Ohr. „Link… weißt du, ich habe immer… davon geträumt, dass es irgendwann einmal so zwischen uns ist, so wie jetzt. Ich will dieses kostbare Gefühl nicht verlieren. Und ich habe damals, in der alternativen Zukunft so oft davon geträumt, mit dir zusammen zu sein. Und dann… habe ich es mir vorgestellt…“ Sie blickte mit roten Wangen auf, aber lächelte verliebt. „Ich dachte daran, wie es wohl sein würde, von dir geliebt zu werden… dir nahe zu sein. Dein Körper ist ein Traum, weißt du das eigentlich?“ Sie lachte ein wenig, mehr aus der alles übertreffenden Hilflosigkeit heraus, die in Links Augen stand. Er fühlte sich geschmeichelt, gewiss, aber auch sehr überfordert… „Und jetzt, da du dir das wünscht, da möchte ich einfach nicht, dass dies alles hier ein Traum ist…“ Sie legte ihr Gesicht an seine Brust, atmete tief ein, genoss Links natürlichen Geruch nach Wald. „Schluss mit den Träumen, Zelda…“, sprach er leise. „Wir haben uns endlich gefunden, was wollen wir mehr? Jetzt, da ich meine Erinnerungen wiedererlangte, haben wir dadurch denn nicht noch mehr gewonnen als wir jemals gedacht haben?“ Sie lächelte und lauschte seinem beruhigenden Herzschlag. Es hörte sich so gesund an… kein Zweifel… Sein Herz war geheilt worden. Zelda musste lernen, sich nicht unnötig Sorgen zu machen… „Und du lebst, Link… ich wüsste nicht, was ich mir auf dieser Welt mehr wünschen sollte als zu wissen, dass du bei mir bist…“ Sie waren einander nah, auch ohne sich mit dem anderen zu vereinen. Sie hatte sovieles, was sie teilten, so lange, sie einander hatten. „Wie fühlst du dich? Und dein Herz?“ Sie ließ ihre offene Handfläche auf seiner Brust ruhen. „Hast du mir irgendetwas geschenkt, Zelda? Ich fühle mich fast zu gut um wirklich zu sein… und das nach all dem Kampfgeschehen von vorhin. Ich meine, das Bein schmerzt ein wenig und meine Brust drückt ein wenig, dort wo ich zwei Rippenbrüche vermute. Aber es geht mir gut… viel zu gut… und das nach vielleicht zwei Stunden Schlaf…“ Tatsächlich verheimlichte die Prinzessin ihm etwas. Sie hatte ihm ein wenig von ihrer Lebenskraft geschenkt, nicht viel, aber genug um ihm zu helfen und zu wenig, um sich selbst damit in irgendeiner Weise zu schaden. Und Zelda wusste auch, dass sie es ihm nicht verraten würde. Sie seufzte lediglich und suchte seine wärmende Nähe. Der Heroe zog sie noch ein Stückchen näher an sich, legte seine Lippen in das goldene, duftende Haar und ließ sich ein wenig hinfort tragen. Hinein in den See der Gefühle. Hinein in eine Liebesohnmacht. „Link… Du siehst göttlich in dieser Kleidung aus…“, meinte sie dann. Erneut fühlte er sich geschmeichelt und fragte sich langsam, ob Zelda diese Schmeicheleien nutzte, um etwas aufzuholen, was sie beide damals nicht hatten. Sie gab ihm noch einen spontanen kurzen Kuss auf die Lippen und wand sich dann zu dem kleinen Tisch, wo Unmengen von Büchern über magische Rituale, Zeitreisen, Reisen in andere Dimensionen und hylianische Zaubersprüche darauf warteten gelesen zu werden. „Wir brauchen einen Plan, bevor Ganondorfs Scharen hierher finden…“, sagte sie und deutete auf die dicken Bücher, die nicht sehr einladend wirkten. „Ich habe vorhin schon ein wenig nachgelesen, aber ich habe nichts gefunden, was uns zurückbringen könnte…“, setzte sie hinzu. Gegenüber nahmen sich Platz, legten ihre Hände ineinander und lauschten dem winzigen Knacken der Kerzen und des Feuers im Kamin. „Ich bin ratlos, Link…“, sprach sie und blickte zu dem Stapel Bücher. „Du weißt, was geschieht, wenn wir nicht bald zurückfinden. Ganondorfs Armee zieht über den Planeten Erde in Begleitung eines Feuerbandes und nur du kannst ihn aufhalten…“ Er unterbrach sie: „Aber was wollen wir tun im Augenblick? Das Medaillon ist in Ganondorfs Besitz, sonst hätte es uns möglicherweise von hier wegbringen können und das schwarze Gemälde Ganondorfs hat nirgends ein Gegenstück, sodass wir über jenes den Weg zurück gehen könnten. Uns bleibt nichts anderes als abzuwarten.“ Seine Worte waren beruhigend für sie und doch… „Wenn ich nur wüsste, wie ich so zuversichtlich sein kann wie du, mein Held“, meinte sie darauf und lächelte verträumt. „Das musst du nicht, sei einfach Zelda… sei einfach diejenige, die du bist, so geht es uns beiden am besten…“, entgegnete er und streichelte ihre warmen Hände fortwährend. Sie nickte und führte seine Hände an ihre Wangen. „Ist es nicht seltsam, dass uns das Schicksal direkt hierherbringt, hier, wo alles endete und gleichzeitig alles begann?“, sprach sie. „Ein Zeichen?“ Sie nickte noch einmal. „Vielleicht…“ Eine Pause entstand. Vielleicht war die Rückkehr dorthin, wo alles begann tatsächlich ein Zeichen für die Zukunft und für die Vergangenheit. Geschichten belogen sich im Rad der Zeit, wenn es um die Wahrheit ging. Und so wie die Geschichte der beiden Hylianer Link und Zelda nur ein Spiel war, so war die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft doch nichts Festes… „Ich nehme an, Ganondorf wird uns irgendwann hier finden, Zelda…“, sprach Link vorsichtig, wollte sie damit nicht erschrecken. Aber alles begann in Hyrule und alles würde irgendwo in Hyrule enden. „Es wird nicht mehr lange dauern, ehe wir Monsterstimmen hören werden und ehe die Zeit hier wieder weitertickt… deshalb, wenn es dann soweit ist, versteck‘ dich mit Klein-Link in einem deiner Geheimgänge, okay?“ Zeldas Lächeln wurde unruhiger und ängstlich. Ihre schönen, starken blauen Augen sanken hinab zu dem Spiel der Sieben Weisen, welches ebenso auf dem Tisch stand. „Zelda…“ Er beugte sich über den Tisch und küsste sie leicht. „Sorge dich nicht…“ Sie blickte bedacht auf. „Verrätst du mir etwas?“, meinte er dann und grinste. Dasselbe Grinsen, wie immer wenn er etwas im Schilde führte. „Wie viele Geheimgänge führen eigentlich in deine Gemächer?“ „Drei…“, sagte sie und begann wieder zulächeln, wissend er hatte einen Hintergedanken. „Also, ich muss sagen, dass hätte ich früher gerne gewusst, dann wäre ich wohl sehr oft in deine Gemächer geschlichen. Dann hätte ich bei dir schlafen können und keiner hätte es bemerkt…“ Sie lächelte wieder. „Nimmst du das eigentlich ernst, was du hier umher tönst?“ „Jep… ich habe ohnehin immer davon geträumt in deinen Armen einzuschlafen.“ Überrascht blickte sie auf. „Meinst du das ernst?“ Link nickte und schämte sich vielleicht sogar ein wenig. „Ich habe mir dies das erste Mal gewünscht, als ich dich kennenlernte in Hyrule und mich auf den Weg zu dem Todesberg begeben habe. Ich wollte Zuneigung und Wärme… was lag da näher als mir dies von dir zu wünschen?“ Sie lächelte wieder und fragte noch einmal. „Link, du warst damals elf Jahre alt…“ „Gewiss, aber ich hatte bis dahin nie… jemanden…“ Er sah auf die Tischplatte, mit mehr als einem weichen Blick in den tiefblauen Heldenaugen. „Du warst die erste Hylianerin, die mich umarmt hatte…“ Diesmal rutschte sie über den Tisch und küsste ihn. „Jetzt hast du mich jedenfalls für immer und ewig…“ „Ja, den Göttinnen sei dank…“, meinte er. „Und deshalb versteck‘ dich in den Gängen, sobald etwas nicht stimmt und warte dort auf mein Zeichen…“ „Worauf soll ich achten?“ „Ich werde dich rufen oder selbst erscheinen…“, sagte er hoffnungsvoll. „Gut…“, sagte sie. „Gut“, war seine knappe Antwort. Sie standen gemeinsam auf und Zelda zeigte ihm die drei Gänge. Einer unter einer Bodenplatte in ihrer eigenen Bibliothek. Einer in einem Schrank in ihrem Schlafzimmer und einer mittels eines Hebels im Badezimmer, worauf sich ein paar Steine verschieben würden. Gemeinsam standen sie im Badezimmer, als die Steine den Geheimgang wieder verschlossen und schauten ein wenig ratlos in die Augen des anderen. „Link… ich kann mich an etwas Wichtiges erinnern, seitdem ich mein Fragment wieder erlangt habe… zum einen an meine Träume vom Medaillon und zum anderen an den Augenblick, als ich als Geist Hyrule verließ, um in Schicksalshort ein neues Leben zu beginnen.“ Sie tapste in ihren goldenen Sandalen, zu dem Spiegel und schaute sich an. Zum ersten Mal hatte sie ein Auge für ihre eigene Schönheit. Andere Adlige, sogar ihr Vater hatte immer gesagt, wie wunderschön sie doch wäre, doch blickte Zelda in den Spiegel konnte sie davon nichts erkennen. Sie sah nur einen hilflosen, ängstlichen und verlassenen Menschen mit leeren Augen, flachen Gefühlen und einer Traurigkeit, die niemand fühlen wollte. Doch nun… jetzt, wo sie Glück in der Beziehung zu Link erfahren hatte, nun, konnte sie endlich ihre eigene Wundersamkeit, ihren Wert erkennen. Und dieser war nicht klein und unwichtig. Sie war bedeutsam und hübsch… Sie lächelte ihrem Spiegelbild zu, als ob ihr ein Kind in dem Spiegel zuwinkte. Sie lächelte und sah dann Link hinter ihr stehen, der seine Hände auf ihren Bauch legte. „Erzähl mir von diesen Dingen…“, sagte er. „Welches zuerst?“ „Mmh, letzteres…“ Zelda blickte ihn durch das Spiegelglas hinweg an. „Ich weiß nun, warum ich in dem verblassten Hyrule von diesem Berg gestürzt bin…“ Sie schloss die Augen lehnte ihren Hinterkopf an seine rechte Schulter. „Ich habe dich gesehen, dort im Tal… und du hast deine Arme ausgebreitet und hast gerufen. Du sagtest: ,Komm‘ zu mir, Zelda. Komm‘ nach Hause. Ich brauche dich.‘ Ich wusste nicht, was ich tun sollte, aber ich hatte dich seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Ich wusste nicht einmal, wie lange ich in dem toten Hyrule unterwegs war, bevor endlich jemand nach mir rief… und dann war es wie ein neues Gefühl, als wollten mich meine unechten Beine über den Abgrund tragen… ich wusste, ich würde aufgefangen werden. Und ich wurde es… von dir…“ „Wenn du mich nicht hättest…“, meinte er eitel. Sie erwiderte nichts darauf, es stimmte ja. „Ich würde dich immer auffangen…“, ergänzte er leise. „Ein Leben ohne dich… ist kein Leben…“ Er umarmte sie fester, deutlich spürend, dass Zelda ihre aufkommenden Tränen zurückhielt. „Danke… mein Liebster…“, sprach sie leise, wand sich zu ihm und umarmte ihn innig. Wenige Augenblicke standen sie dort, ließen ein weiteres Versprechen ausklingen… „Und was weißt du noch über das Medaillon, Zelda?“, sprach er und führte sie nach wenigen Minuten zurück in das Schlafzimmer. „Ich meine, außer deinen Träumen, dass es sich um eine Art Urne für böse Seelen handeln könnte und außer der Tatsache, dass es auf unser Blut reagiert…“ Sie führte einen Zeigefinger an ihr Kinn und grübelte. „Wir wissen, dass Zeruda, meine Vorfahrin es erschaffen hat, ich frage mich gerade, ob sie nicht vielleicht das Medaillon so konstruierte, dass es nicht oder eben verkehrt auf Ganondorf antwortet, wenn er es einsetzen wollte.“ „Was ich mich wiederrum frage ist, ob es überhaupt auf sein bestialisches Blut reagieren würde…“, setzte Link hinzu. „Ich denke, darin liegt ein Vorteil für uns…“, sprach sie und lächelte. Sie schlug eines der Bücher auf, welches auf dem runden Tisch lag und hatte spontan noch einen Einfall. „Schau‘ dir diese Abbildung an…“ Link ließ seine Augen auf das alte Papier wandern und erkannte ausstaffiert in dem Symbol des Triforce einen prächtig gekleideten Laubbaum, mit Blüten und Früchten gleichzeitig. „Was ist das?“ Zelda umschlang seinen Bauch und drückte ihren Kopf gegen seinen Rücken. Sie seufzte. „Ich weiß es nicht mit Sicherheit, aber es könnte eine abgewandelte Abbildung des Medaillons sein… Zeiten ändern sich. Geschichten werden umgedichtet. Melodien werden umgeschrieben. Und da das Buch sehr alt ist, vielleicht hat man das Medaillon anders in Erinnerung gehabt, als man diese Abbildung gestaltete…“ „Gut möglich, aber warum zeigst du mir das?“ „Wegen dem Text, der daneben steht…“ Link überflog die Zeilen und erkannte die Laute und Wörter in einer der Shiekahsprachen wieder. ,Ein Held, mit der Gewalt aller Helden, die das Schicksal ernannte. Ein Gesetz, das umgeschrieben wurde. Eine Melodie, die die Zeit der Welt einfrieren kann. Was mögen die Helden tun, wenn sie nicht mehr der eine Held, sondern viele Helden sein könnten? Was mögen sie gewinnen? Was mögen sie entstehen lassen? Ein Weg. Eine Gunst. Eine Gnade… Ruft den Rat der Helden… Das Masterschwert als Schlüssel. Die Okarina der Zeit als Weg. Die Helden Hyrules als Waffe… Das Medaillon der Mächtigen als Boote…‘ „Was bedeutet das?“, fragte er. „Stell‘ dir mal folgendes vor… wenn jeder Link, der irgendwann einmal existierte zum gleichen Zeitpunkt gegen Ganondorf kämpfen würde. Was meinst du, würde aus Ganondorf werden?“ Diese Vorstellung war äußerst amüsant für Link. Wenn jeder Held Hyrules sein Schwert gegen Ganondorf führen würde, dann… Er fiel aus allen Wolken, als er sich dieses Spektakel vorstellte. Alle Helden gemeinsam in ein und demselben Kampf. Alle Helden Hyrules mit scharfem Schwert auf Ganondorf gerichtet. Der Fürst des Bösen hätte nicht einmal den Hauch einer Chance… „Das wäre einfach…“ Angestrengt suchte Link nach dem richtigen Wort, so fasziniert und aufgeregt war er. „Unglaublich?“, fragte sie. Link nickte bloß und stellte sich dieses Schauspiel erneut in seinen Gedanken vor. „Wie hoch schätzt du die Wahrscheinlichkeit ein, dass dieser Buchabschnitt stimmt, Zelda?“, fragte er und las den Abschnitt noch einmal durch. „Nun… jedem Buch innewohnen Lügen. Aber allein der Glaube daran, dass dieses Ereignis möglich ist, lässt uns doch hoffen, nicht wahr?“ Sie drückte sich noch ein wenig mehr an seinen Rücken und seufzte. „Ich wünsche es mir… aber die Chancen stehen wohl fünfzig fünfzig…“ „Fünfzig zu fünfzig. Das reicht mir.“ Link lächelte und las den Abschnitt zum dritten Mal. „Aber die Frage ist, wie kann ich alle Helden dafür rufen? Mit welcher Melodie? Und wo?“ „Mir würde nur die Zitadelle der Zeit einfallen… ihre Magie ist grenzenlos… ihre Grundmauern sind aus teuren Seelen aufgebaut. Ich könnte mir nur diesen Ort als Stätte für jenen Plan vorstellen…“ „Das Problem ist wohl nur, dass ich das Medaillon dazu benötige, was bedeutet, dass wir auf Ganondorfs Erscheinen warten müssen…“ Link drehte sich um und hielt Zelda wieder innig in seinen Armen. „Ganondorf wird sich nähern, ich spüre es. Er wird niemals Genugtuung finden, erst recht jetzt, da ich von den Heiligen Booten zurückgekehrt bin. Er wird Rache wollen, dafür, dass ich seine Pläne immer wieder durchkreuzt habe…“ Zelda öffnete ihre himmelblauen Augen und gab einem Funken der Hoffnung freien Lauf. Sie waren erfüllt mit Glück ihre Augen. Niemals mehr würde sich ein Schatten darin einnisten können. „Wenn sich alles zum Guten wenden soll, wird er sich in der Zitadelle der Zeit aufhalten und dich herausfordern, Link. Wenn es dazu kommt, dann mache ich mir Sorgen, ob du genügend Kraft für den Kampf haben wirst…“ Sie streichelte erneut sein Herz, erinnerte die schmale Narbe und das unruhige Schlagen seines Herzens vorher. „Ich fühle mich kräftig genug, Zelda…“ Sie schüttelte mit dem Kopf. „Aber du hast immer noch viele üble Verletzungen… ich denke nur an dein mitgenommenes Herz, dein verletzter rechter Oberschenkel, dein blauer Brustkorb…“ „Ich habe keine Wahl…“, sprach Link leise und drückte seine Lippen gegen Zeldas Stirn. „Doch, die hast du…“ Sie sah auf, aber in ihren Augen stand etwas Angst, aber auch Zuversicht. „Ich könnte dir meine Lebenskraft schenken für diesen Kampf.“ Aufgeregt schüttelte Link den Kopf und packte Zelda an ihren nackten Oberarmen. „Das ist nicht dein Ernst!“ Er wurde laut und ungehalten. „So hör‘ mir doch zu, Link.“ Er schüttelte immer noch mit dem Kopf. „Denkst du wirklich, ich würde zulassen, dass du nichts anderes als eine leere Hülle bist? Ich will deine Lebenskraft nicht, Zelda. Ich will, dass du da bist, wenn ich den Kampf überstanden habe.“ „Aber Link…“ Er stoppte sie, indem er sie kurz küsste. „Ich sagte nein, und ich meinte nein!“ Sein Tonfall war so hart und wuterfüllt, dass es Zelda ein wenig erschreckte, aber in seinen Augen stand Schmerz. „Link, ich würde dir nicht alles schenken, aber einen Großteil… ich will doch nur, dass du dich nicht bis zum Tode verausgabst…“ „Ach so ist das, du glaubst, ich schaffe es nicht ohne deine Lebensenergie.“ Nun war er verletzt. Zelda riss sich los und schüttelte den Kopf. „Du verdammter Hitzkopf“, brüllte sie, worauf Link einige Sekunden schwieg und dann einsah, dass ihn sein eigener Stolz wieder stolpern ließ. Es war kindisch, dass er sich anmaßte Zelda falsch zu verstehen. Er wusste doch, dass sie sein Bestes wollte. Sie würde niemals seine Heldentugend und Furchtlosigkeit untergraben. Er atmete tief ein und setzte ein eher entschuldigendes Grinsen auf. „Du eingebildete Prinzessin…“, konterte er. „Du Esel!“, rief sie, aber sah dann zögerliche Lachfalten auf seinen Gesicht. „Hexe!“ „Möchtegernheld!“, giftete sie und drehte sich dann um und stellte sich beleidigt, ihm den Rücken zugewandt, vor das Himmelbett. Sie klapperte mit ihren goldenen Sandalen und verschränkte die Arme. „Zelda…“, murmelte Link und trat näher. Er streichelte ihre Haut am Rücken, die nicht von dem Gewand bedeckt wurde. Ganz sanft ließ er seine Fingerspitzen über diese weiche Haut wandern. „Vergibst du mir meinen Heldenstolz?“ Sie rümpfte die Nase und schauspielerte womöglich. Kein Wort entkam ihrem schönen, weichen Mund. „Ich glaube, es fehlt uns ein wenig, dass wir uns streiten. Kann das sein?“, meinte er und lächelte einsichtig. „Ich gebe zu… Ich bin ein Hitzkopf und auch ein Esel, ja manchmal sogar ein Möchtegernheld…“ „Und ich bin wohl manchmal eine eingebildete Prinzessin und eine Hexe…“, sprach sie ruhig. „Lass‘ uns die Zeit hier nicht unnötig vergeuden, okay?“ Link kniete daraufhin nieder und streichelte mit seinen Lippen Zeldas rechte Hand, wo eine dreieckige Narbe ihn an das Ritual vor wenigen Stunden erinnerte. Zelda errötete ein wenig angesichts seiner Ritterlichkeit und nickte lediglich. In dem Moment machte es Klack und die kleine Tür ins Nebenzimmer sprang auf. Heraus kam ein kleiner Spund getrottet, dessen blondes, dickes Haar total zerwühlt, seine grüne Tunika verrutscht war, seine grüne Mütze fehlte und seine Stiefel trug er verkehrt herum. Er gähnte und rieb sich die Augen. „Was ist das denn hier für ein Theater? Ihr seid zu laut…“, schimpfte er und gähnte gleich noch mal. Zelda und Link lächelten beide verschmitzt. „Entschuldige, kleiner Mann…“, sagte sie und kniete zu ihm nieder. „Hast du gelauscht?“ Er nickte dämlich und kratzte sich an seinem nicht vorhandenen Bart. „Öhm… war ja nicht zu vermeiden“, feixte er und strahlte unschuldig und liebäugelnd zu Link und dann wieder zu Zelda. „Ähm…“ Er setzte seinen Zeigefinger ans Kinn und murmelte weiter: „Hab ich was falsch gemacht?“ Link grinste, lachte dann und packte den Knirps unter dem Schwitzkasten und rieb ihm spielerisch über den blonden Schopf. „Gib‘ s doch zu, du kannst nicht anders, Kleiner Mann…“, sprach der Ältere. „Überzeugt!“, sagte er und begann sich zu drehen und zu winden, bis er sich aus Links Griff lösen konnte. Als er es geschafft hatte, hüpfte er auf das Bett und erklärte: „,Papa… ich habe eine Bitte.“ Link wurde rot bezüglich des Wortes, wohl weil auch Zelda es gehört hatte. „Soso… Papa…“, sprach sie und grinste. „Ich sehe, dass Klein-Link auch schon einen zutreffenden Namen für dich hat.“ Auch die Prinzessin pflanzte sich auf das Bett und umarmte den Bengel. „Dir ist aber schon klar, dass du ein kleiner Prinz bist, wenn du mich Mama nennst. Willst du überhaupt ein Prinz sein?“ Er begann herum zu drucksen. „Nein, will ich nicht, aber… du wärst einfach eine tolle Mama.“ Er war nun so rot um Gesicht wie eine reife Tomate und es stand ihm irgendwie ausgezeichnet. Zelda lachte, als sie ihn anblickte, lachte und begann ihn zu zwicken und zu ärgern, bis auch Link mitmachte. „Ich möchte auch meinen Beitrag leisten, wenn du die anderen Links rufen willst, Papa…“, sagte Klein-Link, während sie zu dritt in dem Bett lagen und sich gegenseitig ärgerten. In Links Armen lag Zelda und das Götterkind wiederrum hatte in Zeldas Armen Ruhe gefunden. „Du weißt, dass ich nicht damit einverstanden bin, wenn du dich in den Kampf einmischen willst…“, sagte Link und dachte an die geheimnisvolle Zukunft, in welcher auch Klein-Link existieren könnte. „Ja, klar. Du brauchst gar nichts zu sagen. Du hast damals auch mit elf Jahren gekämpft, Papa!“ Link zwinkerte und wusste nicht dagegen zu argumentieren. Und wenn er ehrlich war, so gab es darauf kein Argument. „Sprachlos, Link?“, meinte Zelda und drehte ihren hübschen Kopf zu ihm. „Wo er Recht hat, hat er Recht, mein Held. Willst du ihm verbieten dem freien Lauf zu lassen, was in ihm ruht? Er hat ein starkes Kämpferherz, genau wie du, mein Heroe. Und er wird niemals aufgeben, genau diese Dinge hat er von dir. Es ist sein Schicksal zu kämpfen… denn das Heldenblut fließt auch in ihm…“ „Aber er könnte sich verletzen, er könnte sterben…“, sagte der Heroe. Zelda stoppte ihn, indem sie ihn küsste. „Hörst du nicht zu, Link? Genau das ist es, was auch dir passieren könnte, aber schreckst du davor zurück? Nein, weil du zu edelmütig bist, um die Welt in ihr Verderben rennen zu lassen. Gib‘ unserem Götterkind eine Chance sich zu beweisen!“ „Darf ich nun gehen? Darf ich in den Kampf ziehen und mich beweisen?“ Link seufzte. „Na gut, du machst doch sowieso, was du willst!“ Daraufhin quiekte Bengel und machte einen Freudensprung hinaus aus dem Bett. „Gut, ich werde da sein, wenn du mich brauchst, Papa. Aber vorher muss ich noch ein wenig was nachforschen!“ Er grinste und löste sich endlich in dem Silberregen auf, den man von ihm nur zu gut kannte. „Da hab‘ ich ja was angerichtet…“, murmelte der in weiß gekleidete junge Mann. „Es war richtig, vertrau‘ mir, Link…“ „In Ordnung…“ „Und jetzt?“, sagte sie. „Lass‘ uns die wenigen Momente genießen…“, antwortete er und küsste sie leidenschaftlich. Aufgeregt rannte der kleine Bengel, auch genannt Götterkind, durch die riesigen Gänge, Säle und Zimmer des Hauses hoch über den Wolken, suchend nach den Göttinnen, wollte er Antworten. Er hatte sich die Sätze in einem der dicken Bücher seiner Lieblingshylianerin Zelda ganz genau bemerkt und suchte nun unbedingt nach Nayru, die ihm vielleicht helfen könnte, den Sinn hinter jenen Zeilen zu verstehen. Aber bisher hatte er keine der Göttinnen irgendwo entdeckt, was ihm sehr missfiel. Die Zeit drängte und wo zum Teufel waren die Göttinnen abgeblieben? Zielgerichtet steuerte seine Nase ihn in Richtung der großen Bibliothek, hoffend er würde Nayru dort finden. Klein-Link ächzte, krähte und jaulte, als er das große, schwere Goldtor hinein in die Bibliothek mit all seiner Kraft aufschob. „So ein Mist, alles muss man alleine machen…“, schimpfte er und ärgerte sich insgeheim über die wenige Muskelmasse, die er hatte. Wenn er groß war, so entschied er, würde er jedenfalls mindestens soviel Muskeln haben wie der Held der Zeit. Dann hätte er auch keine Schwierigkeiten mehr solche beknackten Tore aufzustoßen. Er grummelte vor sich hin, während in der großen Bibliothekshalle plötzlich ein blonder Mädchenkopf von seinem Roman aufschreckte. „Nanu?“, sprach eine piepsige Mädchenstimme, die Klein-Link nur zu gut kannte. „Wen haben wir denn da?“, rief sie und deutete auf den Platz neben ihr. Das Götterkind grüßte mit einem freundlichen Hallo und setzte sich neben das blonde Mädchen, begaffte dann ihre unergründlichen, grünen Augen. „Hallöchen, Navi… was machst du denn hier?“ „Mich beschäftigen!“, sprach sie freudig und lehnte sich mit vollem Körpergewicht auf den Roman, um ihn vor den Augen des Bengels zu verbergen. „Und du, was verschlägt dich hierher?“, fragte sie neugierig. Erst da fiel Klein-Link auf, wie teuflisch hinterhältig ihre grünen Augen doch waren. Er und Navi waren einander schon oft begegnet, zuerst jedoch hier im Haus der Götter, lange bevor der Held und die Prinzessin von ihrem Schicksal wussten. „Ich werde kämpfen, da Ganondorf sicherlich nicht tot ist, und will mich vorbereiten!“, protzte er. Daraufhin verzog Navi eine Augenbraue und schaute ihn skeptisch an. So skeptisch, dass es dem Götterkind sehr missfiel. „Glotz nicht so, du Glühbirne, ich werde kämpfen im Gegensatz zu dir, wo du nur hier herum hockst und sinnlose Liebesromane liest!“ Navi riss erschrocken ihre Augen auf, blickte von dem Buch vor ihrer spitzen Feennase zu dem Bengel und dann wieder auf das Buch. „Woher weißt du, dass ich diese Bücher lese? Außerdem hat dich das nicht zu interessieren. Du bist eben noch ein Kind und hast keine Ahnung von solchen tollen Liebesgeschichten!“, zickte sie. „Ich bin wenigstens ein wenig größer als du, eingebildete Schnepfe!“, rief er. „Ich bin weitaus älter als du, Idiot!“ Sie konnte nun nicht länger an sich halten, packte erbost das Buch in ihre Kinderhände und rückte Klein-Link damit auf den Leib. Wutentbrannt schlug sie mit dem Lesestoff nach dem Bengel, der immer wieder eine große Klappe riskieren würde. Doch jener war schneller und rannte vor ihr davon, bis Navi aufgab. „Pah, solche Kindereien sollten mich nicht interessieren… und kämpfen kannst du sowieso nicht, Dummkopf!“ Stolz tapste sie mit ihren Holzpantoffeln wieder zu dem Tisch, schlug das Buch auf und versank mit ihren Gedanken darin. „Wie schön…“, murmelte sie und steckte ihre lange Nase mehr und mehr in das romantische Buch. Nun war es an Klein-Link die Augenbrauen zu heben und nur verständnislos dem ,Ah‘ und ,Oh‘ und ,Wie faszinierend‘ und ‚Wunderschön‘ der einstigen Fee zu lauschen. Die hatte sie ja nicht mehr alle mit ihrem Liebestick, dachte der Bengel, der sich ohnehin nicht für Mädchen interessierte. Mädchen waren ja ganz nett, aber so unberechenbar und das machte ihn nervös. Warum also sollte er sich mit dem weiblichen Geschlecht anlegen… Na gut, bei Navi war das was anderes, mit ihr legte er sich ständig an. Aber das war schließlich eine alte Fee, die frustriert war in einem Kinderkörper zu stecken. Da konnte der Knirps doch eine Ausnahme machen. Eines aber ärgerte ihn. Navi hielt nicht viel von ihm. Sie unterschätzte ihn. Sie ließ sich sogar anmaßen, zu behaupten, er könne nicht kämpfen. Das ärgerte ihn ungemein. „Warum liest du überhaupt so einen Blödsinn!“, murrte er und pflanzte sich wieder an den kleinen Tisch, wo Navi eine herzzerreißende Liebesgeschichte mit allem drum und dran las. „Das interessiert dich doch sowieso nicht die Bohne! Also lass‘ mich einfach in Ruhe!“ Inzwischen waren ihre Wangen vor Wut in Rot getränkt. Der Bengel schien teilnahmslos ihre letzte Aussage überhört zu haben. Denn er beugte sich neugierig über die Buchseite und las mit seinen himmelblauen Augen ein paar Sätze. Und was er las, war äußerst abartig für ihn. Es ging ihm auf die Nerven noch weiter zu lesen. Das größte Liebesgeschmunzel überhaupt. Wer erfand eigentlich solche schweinischen Texte, fragte er sich. „Du glaubst doch etwa nicht an eine solche Gefühlsduselei, die hier steht, oder?“ Navi brodelte innerlich und kniff die Augen zusammen. Sie ballte die Fäuste, aber schwieg. „Das ist ja peinlich“, sprach der Knirps, der von Liebe eben keine Ahnung hatte, gewiss nicht von dieser Art von Liebe. „Ich meine, ich habe Link und Zelda schon manchmal über das Thema Liebe reden gehört, aber die haben sich nicht so komisch und pervers unterhalten wie in diesem Roman.“ Und fröhlich gelaunt wie er war, schnatterte er weiter. „Nicht zu glauben, dass es Leute gibt, die auf solche Bücher abfahren…“ Doch dies war zu viel des Guten für die ach so gute Navi, die sich aufopferungsvoll für Schmuddelwerke dieser Art einsetze. Sie liebte diese Bücher um Liebe, Intrigen und alle Emotionen der Menschen. Sie könnte es abstreiten, aber wozu? Sie war schließlich kein Kind, auch wenn sie so aussah… sie war immerhin 5374 Jahre alt. „Du bist ein gemeiner Klotz, Klein-Link!“, giftete sie, nahm ihr Buch unter die kleinen Kinderarme und stapfte von dannen, direkt zu einem der Bücherregale. „Ich hasse dich dafür!“, fauchte sie von Weitem und ärgerte sich immer mehr. Aber warum? Das Götterkind war einfach unreif und unfähig sich in die Gefühle anderer hineinzuversetzen. Er redete, wie es ihm gerade gefiel. Vielleicht merkte er nicht einmal, was er anderen damit antat. Sie verschwand in einer anderen Ecke der riesigen Bibliothek und las weiter. Klein-Link währenddessen kratzte sich umständlich am Kopf. Meinte Navi das ernst? Sie hasste ihn? Er blinzelte und setzte einen Schmollmund auf. Hatte er was Falsches gesagt? Neugierig und seine Worte längst vergessend tapste er wieder zu ihr und schaute über die Schulter Navis um wieder in das Buch zu schauen. Sie stieß ihn weg und ignorierte ihn dann. „Sag‘ mal, hab‘ ich was falsches gesagt, du bist ja plötzlich so böse…“ Navi griff sich an den Kopf. „Merkst du es eigentlich? Du bist nur ein lächerliches, dummes Kind. Du hast von nix eine Ahnung und willst kämpfen können. Du bist einfach nur naiv und extrem blind für die Wirklichkeit! Und jetzt lass‘ mich lesen…“ Sie vergrub ihren blonden Mädchenkopf wieder in dem Buch und ignorierte den Bengel weiterhin. „Aber ich kann kämpfen…“, flüsterte er dann und hängte den Kopf nach unten. Irgendwie machten ihn Navis Worte traurig. „Jaja…“, erwiderte sie. „Du kannst froh sein, dass es Link gibt, ohne ihn wärst du aufgeschmissen.“ „Aber ich kann wirklich kämpfen auch ohne Link“, rechtfertigte sich das Götterkind, aber er fühlte sich plötzlich so klein gegenüber Navis Worten. So unbedeutend und nutzlos. „Du hast absolut nichts von dem drauf, was Link in deinem Alter konnte. Ich war mit ihm unterwegs, die ganze Zeit, ich habe miterlebt, wie er gekämpft hat. Du aber bist bloß ein verwöhntes Kind.“ Diesmal schwieg er. Überhaupt nichts wusste diese eingebildete Glühbirne. Er hatte nichts, nicht einmal eine Familie. Warum also war sie im Augenblick so unausstehbar? „Warum… warum bist du so gemein zu mir, Navi?“, fragte er dann und starrte zu Boden. „Hä?“ Sie sah auf und zwinkerte. „Ich habe mich gefragt, warum du so komisch drauf bist… Ich habe dich nicht so kennengelernt.“ Sie seufzte. „Na gut, von mir aus. Ich bin gemein, aber das liegt in meinem Blut, also guck‘ nicht so. Ich hab‘ lediglich die Wahrheit gesagt. Wenn du kämpfen willst, dann bitte, geh‘, aber jammer mir nicht die Ohren voll, wenn du dir ein blutiges Knie geschlagen hast oder wenn du dir den Kopf gestoßen hast. Das gehört zum Kämpfen dazu.“ Er rollte mit den Augen. „Hab‘ ich jemals gejammert? Ich war schon in Ganondorfs Kerker eingesperrt und da hab‘ ich auch nicht geheult, also, was redest du hier eigentlich?“ Sie blickte mit ihren grünen Augen auf und seufzte wieder. „Wenn du es wissen willst, ich denke, dass Link und Zelda beide tot umfallen, wenn sie dich verlieren, deshalb solltest du dich aus den Kämpfen heraushalten.“ Er grinste linkisch und verschränkte die Arme. „So ist das also, du machst dir Sorgen um mich.“ Erbost hüpfte Navi auf die Beine und zankte: „Ich und mir Sorgen? Wo lebst du eigentlich?“ „Jaja, ist gut, ich hab’s kapiert.“ Er lachte und lachte fortwährend, bis Navi den Kopf schüttelte. „Aber wenn es dich beruhigt, ich habe von Link und Zelda die Erlaubnis zu kämpfen… ich brauche bloß ein paar Hinweise und diese dachte ich hier finden zu können.“ Navi seufzte wieder gelangweilt, aber meinte dann um sich bei Laune zu halten: „Hinweise wofür?“ „Für ein Ereignis, was es noch nie gegeben hat“, sagte er aufgeregt und kramte halbzerfetztes Pergament und eine goldene Feder hervor. Geschwind notierte er den Spruch aus Zeldas Buch aus seinem Gedächtnis heraus. ,Ein Held, mit der Gewalt aller Helden, die das Schicksal ernannte. Ein Gesetz, das umgeschrieben wurde. Eine Melodie, die die Zeit der Welt einfrieren kann. Was mögen die Helden tun, wenn sie nicht mehr der eine Held, sondern viele Helden sein könnten? Was mögen sie gewinnen? Was mögen sie entstehen lassen? Ein Weg. Eine Gunst. Eine Gnade… Ruft den Rat der Helden… Das Medaillon der Mächtigen als Boote… Die Okarina der Zeit als Weg. Das Masterschwert als Schlüssel. Die Helden Hyrules als Waffe…‘ Navi klatschte aufgeregt in die Hände und las Klein-Links Geschriebenes mehrmals durch. „Das wäre gigantisch, wenn alle Helden auf einem Schlag gegen Ganondorf kämpfen könnten. Aber wie soll das funktionieren? Jeder Link ist eine Wiedergeburt eines vorherigen. Irgendwo sind sie alle dieselben und doch so unterschiedlich…“ Das Götterkind nickte. „Genau um solche Fragen zu klären, brauche ich Nayrus Hilfe. Hast du sie irgendwo gesehen?“ Navi zwinkerte und wackelte mit ihrer spitzen, sommersprossigen Nase, als ob sie niesen müsste. „Ja, sie wandelte in den Gärten des Lebens mit einer weiteren Göttin, die ich hier noch nie gesehen habe… eine ältere weißhaarige Frau mit langer Hakennase, die andauernd kicherte.“ Der Knirps Navi gegenüber schaute verwundert drein. „Eine Frau mit Hakennase? Klingt wie eine Hexe… naja, wie auch immer. Dann mach‘ ich mich gleich auf den Weg.“ Rasch nahm er das Stück Pergament, wo er den Spruch notiert hatte und rannte in die magischen Gärten, dicht gefolgt von Navi, die sich die weiteren Ereignisse nicht entgegen lassen würde. Sie fanden die Göttinnen ziemlich rasch. Gemeinsam mit der älteren Frau saßen jene in den Gärten des Lebens auf einer hellerleuchteten Lichtung. Umgeben von dickstämmigen, tropischen Bäumen, den buntesten, riesigsten Blumen und Unmengen magischer Wesen wie Einhörner, Thesauren, Feen und anderen Tieren wirkte der Ort schlichtweg magisch und faszinierend. Einem Mensch würde die Eigenheit dieses Ort als Gänsehaut auf der Haut spürbar sein. In Gestalt von Glück… Jeder, der hier wandelte war glücklich und vergaß seine Sorgen… Auf gläsernen hohen Stühlen sitzend tranken die Göttinnen aus goldenen Kelchen irgendein dunkelblaues Gebräu und aßen rubinrote Plätzchen oder smaragdgrünen Kuchen… Sie unterhielten sich ruhig und angemessen mit der anderen Frau, die auch eine Göttin zu sein schien. Aber die Sprache, die sie referierten war für Klein-Link und Navi unbekannt. Mehr ein Gemurmel als Worte mit Sinn. Es dauerte nicht lange bis Klein-Link den Geduldsfaden verlor. Die Göttinnen mussten ihn doch mittlerweile bemerkt haben. Und er würde nicht so lange hier warten, bis er zu Stein geworden war. Das langhalsige Gras unter seinen Füßen raschelte und knackte, während er nähertrat und die Göttinnen in ihrem vertieften Gespräch belauschte. Stur und sich seiner Größe bewusst stellte er sich direkt vor Nayru und starrte sie an. Unverschämt und ohne Manieren, so wie er sich eben gerne gab, unterbrach er das Gespräch. „Ich brauche Hilfe!“, gab er zum Besten und klatschte den Zettel mit seinem Geschriebenen einfach auf den Tisch. Die Göttinnen kicherten daraufhin, einschließlich der vierten Unbekannten. „Also gut, Götterkind… was wünschst du?“, sprach Nayru in jener Stimme, die klang wie das Rauschen des Meeres. „Was bedeuten diese Worte: „Ein Held, mit der Gewalt aller Helden, die das Schicksal ernannte. Ein Gesetz, das umgeschrieben wurde. Eine Melodie, die die Zeit der Welt einfrieren kann. Was mögen die Helden tun, wenn sie nicht mehr der eine Held, sondern viele Helden sein könnten? Was mögen sie gewinnen? Was mögen sie entstehen lassen? Ein Weg. Eine Gunst. Eine Gnade… Ruft den Rat der Helden… Das Medaillon der Mächtigen als Boote… Die Okarina der Zeit als Weg. Das Masterschwert als Schlüssel. Die Helden Hyrules als Waffe…“ Ungeduldig babbelte Klein-Link weiter: „Was bedeutet das? Raus mit der Sprache, Nayru, ich will Papa helfen!“ Die Göttin lachte wieder über die wahrhaft eindrucksvolle Menschlichkeit des Bengels, schloss die Augen und zauberte mit ihren Fingerspitzen eine blaue Brille auf ihre äußerst spitze Nase. Ihre sonst so weißen Glaskörper wurden hellblau und man erkannte, dass sie las. „Der Rat der Helden… ich verstehe…“, murmelte sie und lächelte eindrucksvoll sanft. „Er scheint das einzige Werkzeug um etwas zu beenden, was sich durch ganz Hyrules Geschichte zieht. Der erste und letzte Rat der Helden, die immer auserwählt waren gegen das Böse zu kämpfen…“ Ihre warme, wohltuende Stimme wurde stumm und eine blaue Träne rollte über ihre rechte Wange. „Es ist nur menschlich zu kämpfen oder auch einmal aufzugeben, nicht wahr, Schwestern? Denn wenn der Rat gerufen wird…wird Hyrule niemals mehr dasselbe sein…“ Din und Farore nickten beide. Umgeben von ihren eigenen Mächten und mit dem Wissen, welches sie besaßen, waren auch sie Zeuge die Dinge zu verstehen. „Lausche, Götterkind…“, sprach Nayru dann. „Ruft man den Rat der Helden, wird sich vieles ändern. Möchte man jeden einzelnen Helden aus dem Zeitfluss herbeirufen, bedarf dieses Ereignis nicht nur einen Bruchteil Lebensenergie. Es bedarf ,Nichtexistenz‘. Nicht jeder kann den Rat herbeirufen, nicht einmal die Helden selbst können es. Es gibt nur einen, der diese Aufgabe… tun kann…“ Klein-Link zwinkerte und als er verstand, wurden seine Augen riesig. Er grinste unverbesserlich. „Nichtexistenz?“ Er lachte und riss seinen Mund weit auf, um noch mehr zu lachen. „Nur jemand, der nicht oder noch nicht existiert, könnte dies vollbringen…“ „Unglaublich. Das bin ich!“, sagte er voller Stolz. „Ist das meine Aufgabe, Nayru?“ Klein-Links himmelblaue Augen leuchteten voller Erwartung. Und als die Göttin nickte, vollführte der Knirps einen Freudensprung. „Aber wie soll ich das anstellen? Was bedeuten die Zeilen weiterhin? Und warum muss es jemand sein, der nicht existiert, um diese Aufgabe zu vollbringen.“ Daraufhin bekam der Bengel von Navi einen unfairen Stoß in die Rippen, sodass er niederkrachte. Er schimpfte und schaute Navi vorwurfsvoll in das sommersprossige Gesicht. „Was sollte das, du Glühbirne?“ „Meine Güte, du Knirps, stell‘ doch nicht so viele Fragen auf einmal. Wer soll denn da noch mitkommen?“ Doch die Göttinnen ließen Klein-Link darauf nicht antworten. Stattdessen drehte sich Nayrus Kopf mit dem blauen, seidigen Haar zu Navi und jene Göttin sprach säuselnd: „Mmh… auch du besitzt in gewisser Weise keine Existenz mehr, Navi… Das Götterkind könnte Unterstützung gebrauchen!“ Die einstige Fee jedoch fiel aus allen Wolken. „Moment mal… ich werde gewiss nicht Kindermädchen für diesen Zwerg hier spielen!“ Sie glühte rot auf vor Zorn. „Ich bin immer noch eine Fee und kein Aufpasser für so einen Naseweis!“ Leicht verachtungsvoll deutete sie auf Klein-Link, der beschämt zu Boden sah. Warum nur war Navi heute so gemein zu ihm? „Von mir aus… die Hilfe von jemanden, der frustriert ist über seine Gestalt und aussieht als wäre er in einen Topf mit Sommersprossen hineingefallen, ist eh keine Unterstützung für mich!“ „Da sind wir uns einig!“, sagte das grünäugige Mädchen. „Ganz genau!“ Klein-Link grinste bitterböse und zuckte dann mit den Schultern. „Da wir das geklärt hätten, nun noch mal zu meinen Fragen von vorhin…“ Er funkelte Navi streitsüchtig an. „Und diesmal möchte ich nicht von jemandem unterbrochen werden, der sich zu fein ist, zu kämpfen!“ Navi schnaufte wie ein Schwein und zog Klein-Links grüne Mütze vom Kopf. Und so ging das Affentheater weiter und weiter. Din, Nayru und Farore, wie auch die vierte Göttin im Bunde schüttelten nur die Köpfe, kicherten und bedienten sich wieder von ihrer übernatürlichen Speise. „Es scheint als verstehen sich die beiden ganz gut“, sagte Nayru mit einem Lächeln. „Gewiss, nur wird auf Navi noch etwas warten, was Klein-Link wie auch den Helden der Zeit, der als Held der alten Welt wiedergeboren wurde, sehr traurig stimmen werden“, antwortete Din. „Vielleicht, Schwestern… vielleicht wird doch alles gut…“, sprach Farore und lächelte sehr, sehr angenehm. Als schwebe sie, erhob sie sich und als ihre Füße den waldigen Boden fanden, um wirbelten Tausende grüne Blätter ihre Gestalt. Auch Din erhob sich und nutzte ihre Flammen, geboren aus einzigartigem Gelüst der Macht. Brennend heiß loderten ihre Flammen um ihren Körper. Und die beiden verschwanden im Nichts. Die eine, die unbekannt und scheinbar nichts wissend an jenem Tisch saß, erhob sich ebenfalls und tauchte ihr verborgenes Antlitz in goldene Funken. „Habt Dank, Göttinnen Hyrules für Euren Segen und die Speise der Götter. Habt dank, dass ich als Göttin geboren werden durfte.“ Und damit verschwand auch sie… zunächst… Nur Nayru blieb und nahm einen langen Zug aus ihrem Kelch, blickte Navi und Klein-Link hinterher, die sich neckten und gewiss nicht nachtragend sein würden. „Die Dinge werden sich ändern… aber gewiss, es wird alles gut…“, sprach sie leise und winkte dem Götterkind zu, welches gehorsam näher tapste. Er war außer Puste, keine Frage und hatte sich an Navis bösen Fingernägeln so manchen Kratzer geholt. Aber auch die einstige Fee hatte genug. Ihre blauen Schleifen im Haar hatten sich gelöst und ihr aschblondes Haar fiel lose hinab bis zum kleinen Feenhintern. „Göttin Nayru… bitte beantwortet meine Fragen…“, sprach Klein-Link und pflanzte sich auf einen der freien Stühle. Er aß einen der Kekse und fand sie ganz lecker, so wie er eben alles in seinem wahren Leben lecker finden würde. Auch Navi trat näher, mit kochend roten Wangen und einer ungeheuren Wut im Bauch, da sie gegen den Knirps verloren hatte. Sie ärgerte sich maßlos und würde jetzt lieber den Mund halten. „Mmh…“, summte Nayru. „Die Zeilen sagten…“ Und eine blaue Schrift bildete sich in der Luft. Leuchtend gab sie das Geschriebene wieder. „Das Medaillon der Mächtigen als Boote…“ „Ja, das ist wunderbar… und einzigartig… in dem Medaillon schlummern Melodien, Götterkind. Hast du nicht eine der Melodien schon lauschen dürfen?“ Er nickte und erinnerte sich mit einem üblen Bauchgefühl an den Tod seines großen Vorbildes. „Ja, das war als Link… fortging…“, sprach er vorsichtig. Nayru lächelte mit ihren sanften Gesichtszügen und den verhüllten blauen Glaskörpern. „Das Medaillon wird noch eine andere Melodie preisgeben… eine Melodie geboren für die alte Okarina…“ „Die Okarina der Zeit als Weg“, stand plötzlich in den Lüften in blauer leuchtender Schrift, wie vorher der erste Satz… „Womit wir bei dem zweiten Satz wären… Nutzt die alte Okarina… aber nicht du, noch Navi… der Held der alten Welt soll das Stück spielen, welches wie ein schmeichelndes Wort, wie ein Wunderwerk aus dem Medaillon fahren wird, wenn die Zeit reif ist… Eine Melodie, die ähnlich wie die Hymne der Zeit arbeiten wird… aber sie ist die Melodie des Niederganges.“ „Und dann?“, fragte der Bengel wissbegierig und neugierig wie er eben war. „Wenn der erwachsene Link die Melodie gespielt hat, wirst du dich mit dem Medaillon auf den Weg machen… Der Wunsch die Helden Hyrules zu treffen, wird in deinem Blut liegen… Es wird dich dorthin führen, wo du andere Helden treffen wirst… womit wir bei der dritten Zeile wären…“ „Das Masterschwert als Schlüssel.“ Auch dieser Satz stand in magischer Schrift in den Lüften des Großen Gartens. Wiederrum wusste Nayru dazu etwas zusagen. „Hast du alle Helden Hyrules, jede Wiedergeburt, getroffen, sollen sie das Masterschwert gemeinsam zu einem Zeitpunkt zurück in den alten Zeitenfels stoßen. Ist dies vollbracht… sind die Helden Hyrules unsere Waffe…“ Nayru endete mit einem Flüstern, welches so beruhigend und doch gefahrvoll klang wie der schier endlose Ozean, der Hyrules Kontinent umgab. Die ultimative Waffe für den großen Kampf war ausgesprochen… nun war es an Klein-Link jene ultimative Waffe zu rufen und zu wahren… Im stillstehenden Hyrule war alles still. Nirgendwo zeigte sich ein Hinweis auf ein Monster oder auf das Erscheinen Ganondorfs. Und doch… sprachen die Zeichen für seine Anwesenheit… Die Prinzessin des Schicksals lächelte bezaubernd und führte ihren Heroen zu dem Balkon. Wie von selbst öffnete sich die gläserne Tür mit dem goldenen Rahmen und ließ keinen Windzug noch eine Form von Sturm in den Innenraum. Schlief die Zeit, so schlief auch das Wetter… Sachte lehnte sich die Prinzessin in ihrem anmutigen, lilienweißen Gewand auf das Geländer und schaute hinauf in den klaren Himmel, wo das Feuerwerk eingefroren, niemals hinab schwinden würde. Link ging auf sie zu, legte wie damals auf dem anderen Balkon seine Hände auf ihre Schultern, arbeitete mit ihr das auf, was sie beide als schmerzlich erfahren hatten. „Wenn ich jetzt auf alles zurückblicke, Zelda…“ Er trat näher, schlang seine Arme um ihren Bauch und zog sie an sich. „…dann hatte die Vergangenheit auch ihr Gutes… Sie hatte ihren Sinn. Du konntest nicht ändern, wer du bist, wozu du geboren wurdest. Und ich konnte mich nicht gegen etwas auflehnen, was Jahrhunderte seine Bewandtnis hatte.“ Aufmerksam lauschte sie seinen Worten und ließ sich in ihm fallen. In diesem wundervollen Menschen, der so liebenswert war, so unbeschreiblich gütig. „Und dennoch… ich spüre, dass etwas neues beginnen wird. Es wird einen Sturm geben in Hyrule. Einen Sturm auch auf der Erde. Und in diesem Sturm wird vieles altes weggewaschen werden. Die Zeiten werden sich ändern. Unser Schicksal wird ein anderes sein…“ Zelda lächelte und lauschte den andächtigen Worten aus seinem Mund. Sie hatte ihn noch nie so reden gehört. Ja, dieser Link, dieser rechtschaffene Heroe, war nicht mehr das Kind, das sie einst traf. Er sprach wie ein Anführer. Er sprach gerecht… „Ich war Zeuge dieses Sturmes, aber ich weiß nicht wann und ich weiß nicht warum… ich weiß nur, dass wir glücklich werden können.“ Zelda fühlte sich indes verwöhnt von diesen sanften Worten und ruhig, unheimlich ruhig, obwohl doch der große Kampf noch lange nicht entschieden war. „Ein Sturm, der uns verändern wird?“, fragte sie leise. „Ja, ein Sturm, der uns etwas bringen wird, was wir ersehnen…“ „Woher ahnst du diesen Sturm, Link?“ „Ich habe gesehen, was er hervorbringt…“ Dann war er es, der wissend lächelte. Sich an die Begegnung mit sich selbst erinnernd, kam auch das Bild der kleinen Lia zurück in sein Gedächtnis. Dieses wundervolle mit Ölfarbe gemalte Bild eines kleinen Engels, der außer tiefblauen Augen so aussah wie seine Mama… „Du verschweigst mir etwas?“ Sie stellte jene Frage ruhig, ohne Vorwurf, ohne Bedrängnis. „Was würdest du denken, wenn ich eine Zukunft gesehen habe, die uns glücklich macht?“ „Ich würde diese Zukunft gerne erfahren wollen und auf sie zuarbeiten...“, entgegnete sie. Link lachte dann. „Wenn das so ist, müssten wir sehr bald miteinander schlafen, Zelda.“ Und da war sie wieder, diese übertrieben kindische, unverschämte Seite an Link, ohne welche er nicht er selbst wäre. Zelda grinste teuflisch und zwickte ihn in die Arme, die noch auf ihrem Bauch lagen. „Du bist unmöglich… erst redest du, als würde Nayru persönlich aus dir sprechen und dann mit einem Schlag denkst du an eine heiße Liebesnacht, die all‘ deine Träume erfüllt. Verdammt, Link… dir ist schon klar, dass du mich verrückt machst mit deinen hitzköpfigen Kommentaren…“ „Jep, ich liebe es…“, murmelte er und drückte seinen Lippen an ihren Hals, zwickte sie dort ein wenig als ausgleichende Gerechtigkeit. „Du bist unmöglich…“, wiederholte sie, worauf er lachte. Zelda wand sich endlich um ihre eigene Achse und schaute in die Herzensgüte und Zuneigung seiner tiefblauen Augen. Sie umarmten einander wieder und endlich kam es zu dem Kuss, den sie sich beide vorhin schon gewünscht hatten. Ein Kuss so zerbrechlich schön, fast unschuldig wie ihr erster Kuss damals in dem Traum, wo sie beide viele Kilometer voneinander getrennt waren. Es war leicht und ausdauernd, wie ihre vier Lippenteile sich bewegten. Es war nichts tiefes, noch nicht. Nur ein süßes Dahin schmelzen und Schmecken der Lippen des anderen. „Mmh… das ist schön…“, entgegnete Zelda während des Kusses und führte ihre Hände in Links blondes, wirres Haar, spielte ein wenig mit dem kleinen Pferdeschwanz, den er hatte. „Erzähl‘ mir von der Zukunft, die du sahst…“, hauchte sie, während ihre Lippen immer wieder mit seinen rangen, kämpfend, wer zuerst Erlaubnis für einen tieferen Kuss besaß. „Weshalb sollten wir… du weißt schon, um diese Zukunft wahr werden zu lassen?“, sprach sie. „Das verrate ich dir nicht…“, meinte er grinsend. Zelda wich eingeschnappt zurück und biss sich auf die Lippe. Sie verschränkte die Arme und spielte die Beleidigte. „Darf ich dich fragen, warum du es mir verschweigen willst?“ Link lächelte mitfühlend. „Nur um dich zu schützen. Ich möchte nicht, dass du etwas erfährst, was dann später nicht eintreffen könnte. Wir sollten nicht so forsch in den Lauf der Dinge eingreifen. Ehrlich gesagt, ärgere ich mich selbst ein wenig, die Zukunft zu wissen, die vielleicht nur durch einen kleinen, falschen Schritt niemals so erfüllt werden könnte…“ Er hob ihr Kinn nach oben und sah in jene himmelblauen Augen, wo einst der Schatten stand. „Kannst du das verstehen, Zelda?“ „Wenn ich dich nicht so lieben würde, nein…“, sprach sie und nahm seine Hände in ihre. Sie streichelte das Fragment, golden schimmernd, hell und gleißend, hatte es seinen Besitzer nie verlassen. Auch ihr eigenes Fragment strahlte, lebte auf, verführt von einem vertrauten Schein des Mutes in der unmittelbaren Nähe. „Aber, da du mein Herz besitzt, Link… wie sollte ich dir widersprechen können… Ich liebe dich…“ Sie führte seine Hände an ihre Wangen und schloss die Augen. Konnte es nicht immer so zwischen ihnen sein, dachte sie. Unendliches Vertrauen. Verständnis. Gefühl für neue Ansprüche. Der Heroe umarmte sie wieder fest, ein wenig zu fest. Seine mittlerweile warmen Hände suchten die sanfte Haut ihres Rückens und bemerkten endlich erneut etwas Fremdes dort. Etwas weiches, federartiges, was vorher nicht da war. Link streichelte darüber, aber sorgte sich nicht, nicht genug, um seine Augen aufzureißen. Es waren die Federn, sicherlich, die starken, weißen Federn, mit den faszinierenden braunen Musterungen, die er schon in der Teufelskirche bemerkt hatte. Er zog Zelda noch näher an sich, führte seine Zeigefinger in das Material und fand es verbunden mit Zeldas Haut vor. Es war ein Teil von ihr, auch, wenn er nicht wusste wieso… Im Moment jedoch, gefangen in diesen wunderbaren Gefühlen, sprach er es nicht an, genoss einfach die Nähe zu seiner Liebsten. Aber eben dieses Festhalten sagte der Prinzessin nur, wie ungern er sie jetzt wieder gehen lassen würde. Sie löste sich ein wenig und lehnte ihre Stirn gegen seine, sah verliebt in seine tiefblauen Augen. „Sag‘ mir, welchen Sinn hat dieses Weiß deines Kleides… welchen Sinn hat dieses Gewand, dass ich trage?“, meinte er. „Es bedeutet ein ,Ja‘…“, flüsterte sie. „Ich sage Ja zu dir“, sprach sie dann klarer und musterte Links Gesichtszüge, der es vielleicht immer noch nicht verstanden hatte. Denn er reagierte einfach nicht und tat keinen Mucks. „Das heißt, wenn du mich noch willst, Link…“, sprach sie leiser und wirkte verunsichert. Und dann, von einer Sekunde auf die andere, hob der Heroe seine Prinzessin in die Höhe und drehte sich mit ihr in den Lüften. Er lachte ausgelassen. Er lachte wie ein Kind. „Das ,Ja‘ nehme ich gerne an… unter einigen Bedingungen…“, erwiderte er, aber in seinen Augen stand eine unberechenbare Freude, die ihn befähigen würde, alles Mögliche zu tun. Er ließ seine Prinzessin wieder auf ihren eigenen Füßen stehen, küsste sie auf die Stirn und meinte: „Willst du meine Bedingungen gar nicht wissen?“ „Nein…“, entgegnete sie. „Ich würde jede Bedingung unterzeichnen, wenn ich mit dir zusammen sein kann.“ „Weißt du, was…“ „Mmh?“ „Ich verrate dir meine Bedingungen trotzdem…“ Sie grinste und drückte ihre Lippen gegen seinen Hals. „Dann verrate sie mir aber auch alle und lass‘ keine Bedingung aus, mein süßer Link…“ Entsetzt schaute er zu ihr hinab. „Süßer Link… du ahnst nicht, wer mich schon einmal so genannt hat.“ Er lachte wieder und wurde ein wenig rot um die Wangenknochen. „Die fast nackten großen Feen… hab‘ ich mich damals geschämt…“ Zelda zwickte ihn dafür mit ihren Zähnen ganz leicht in seinen Hals. „Erzähl‘ mir sowas nicht, da werde ich ganz eifersüchtig. Von jetzt an will ich die einzige Frau sein, die du nackt sehen darfst…“ „Ich muss sagen, das reicht mir bei deinem unverschämt weiblichen Körper durchaus…“ Er schmunzelte. „Womit wir wieder bei meinen Bedingungen wären…“ Zelda boxte ihn an die Schulter und entließ ein verärgertes Gebrummel: „Wehe deine Bedingungen beziehen sich alle auf das ,Eine‘! Dann schläfst du jede Nacht auf dem Sofa, mein Möchtegernheld.“ Link wich zurück. Ein wenig Entsetzen stand in seinen tiefblauen Augen. Meinte sie das ernst? „Nein, nein…“, er stotterte. „Bei den Göttinnen… Zelda… ich… die Bedingungen sind…“ Link brach ab und schämte sich schon wieder. „Ich verehre dich… natürlich wünsche ich mir, dass wir die kommenden Nächte zusammen verbringen, aber das ist nicht meine Bedingung.“ „Das will ich auch gehofft haben!“, erwiderte sie prompt. Sie umarmte ihn wieder. „Nun verrate mir endlich deine Bedingungen.“ Er grinste und begann aufzuzählen: „Ich möchte einen Streit mit dir im Monat, um unsere Ehe wieder ein wenig… sagen wir anzuheizen.“ Zelda grinste daraufhin. „Dann zweitens… eine kleine Massage jeden Abend von deinen zarten Händen…“ Auch darüber konnte man diskutieren, dachte sie und lächelte. Link ließ den Blick schweifen und sah weit weg hier auf jenem Balkon, den prallgefüllten Ballsaal und er konnte sich selbst sehen, sein früheres Ich. Und er sah Zelda, wie sie sich von Farores grünen Windgewändern hinfort tragen ließ. „Dann drittens… Ich will nie wieder… so verzweifelt dort oben stehen und zusehen, wie du verschwindest…“ „Niemals wieder…“, versprach sie ihm und küsste ihn an sein Kinn. „Dann viertens…“ Sei bremste ihn und legte ihren rechten Zeigefinger auf seine Lippen. „Wie viele Bedingungen hast du eigentlich?“ „Etliche…“ „Und du glaubst, dass ich sie alle erfüllen werde?“ „Jep, weil du von vielen selbst Vorteile schöpfen wirst.“ „Na gut, dann lässt sich wohl darüber reden…“, feixte sie. „Erzähl‘ weiter von deinen Bedingungen. Was war jetzt das Vierte?“ „Dass ich dich trösten darf, wenn du traurig bist…“, meinte er und küsste sie mehrmals auf die Stirn. Zelda lächelte. Das war keine Bedingung, das war ihr eigener Wunsch. Natürlich würde sie dieser Bedingung nachgehen. Auch die anderen waren nicht einmal übel, dachte sie schmunzelnd. „Und dann noch etwas…“ Link zögerte bei dem letzten Wunsch, den er hatte, obwohl er es sehr begehrte. „Ich wünsche mir ein Mädchen, welches so aussieht wie seine Mama und das ich benennen darf…“ Er lächelte sanft und suchte ihren Blick. Jener war geheimnisvoll, aber ungemein beruhigend. „Darüber lässt sich durchaus reden…“ „Ich nehme dich beim Wort, mein Engel“, sprach er gewieft und lachte. „So lange, bis wir ein Mädchen haben…“ Sie boxte ihn wieder. „Du kleiner Lügner, hast du mir nicht hoch und heilig versprochen, dass deine sogenannten frevellosen Bedingungen ohne Sünde sind? Und nun, was müssen meine Elfenohren da hören?“ „Dass ich vermutlich nicht so sittenhaft bin wie du gedacht hast...“, schmunzelte er. „Du unverschämter Kerl, du…“, fauchte sie. Sie nahm ein wenig Anlauf und brachte Link zu Fall, sodass sie beide auf dem Bett landeten. Es knarrte und knackte. Sie lachten beide, bis sie sich verträumt in die Augen blickten. „Ich liebe dich, Zelda…“, sagte er leise und ehrfürchtig. Niemals sollte man jene Worte ohne Grund aussprechen… „Nicht so sehr wie ich dich…“, erwiderte sie, bevor er sie in die vielen Kissen drückte und seine Lippen über ihr Gesicht, über ihren Hals und Schlüsselbein wandern ließ. „Link… ich…“ Sie war atemlos und wusste nicht, wo das hinführen sollte. Er sah kurz auf und lächelte. „Möchtest du… jetzt?“ Er musste es nicht zu Ende aussprechen damit sie verstand, was er meinte. Sein Lächeln. Die Liebe in seinen Augen genügte. „Bist du dir sicher… ich meine… das ist ein ungünstiger Zeitpunkt…“, murmelte sie, erhielt dafür ein frevelhaftes Grinsen und einen sanften Kuss. „Möchtest du?“, sprach er wieder und legte seinen Kopf auf ihre Schulter, spielte ein wenig mit einem Träger des weißen Kleides. Dann wanderte seine linke Hand hinab über ihre Brust zu ihrem Bauch. Sie hatte keine Wahl, nein zu sagen, wenn er sie auf diese Weise verführte? Oder hatte sie diese? „Zelda…“, flüsterte er zum dritten Mal. „Sag‘… möchtest du es?“ Seine Worte waren kaum ausgesprochen, begann er an ihrem Hals zu saugen, zu lecken und zu zwicken. Sie konnte ihm nicht mehr antworten. Sie wussten beide, was sie sich voneinander wünschten, aber das Schicksal hatte andere, wichtigere Pläne. Außerhalb der Schlossmauern, irgendwo in der Stadt, vielleicht in der blutüberströmten Zitadelle der Zeit, gab es plötzlich einen heftigen, lauten Knall. Ein Beben entstand und weitete sich über die Stadt hinweg aus. „Verdammt! Immer kommt etwas dazwischen, wenn ich inmitten von etwas Schönem bin…“, murrte der Heroe und richtete sich auf, während die Fensterscheiben zu klirren begannen. Zelda quiekte überrascht auf und wurde sogleich von ihrem Heroen vom Bett herunter gezogen. „Ruhig!“, rief er energisch und zerrte sie mit ihm in einer der Ecken, während überall im Gemach Gegenstände von den Regalen und Tischen hinunter geworfen wurde. Kerzenständer, Lampen und Bücher flogen umher, geführt von dem Zorn einer Bestie, die ganz Hyrule und die Erde bestrafen wollte. Zusammen saßen die beiden Heldengestalten in der Ecke, warfen sich unruhige Blicke zu und begannen einander mit einem Schild zu schützen, der sie beide, Arm in Arm, vollständig umrahmte. Ein blauschimmernder, magischer Schutzschild gespeist von ihnen beiden. Als das Beben endete, traten Link und Zelda durch zerfetzte Gegenstände, umgeworfene Regale, und durch die vielen Kleider, die aus Zeldas Schränken geworfen wurden. Nichts als Schutt… Sie gingen gemeinsam, äußerst vorsichtig in Nähe des Balkons und blickten nach draußen, auf die Trümmer der Stadt. Viele der Häuser waren in sich zusammengefallen. Bäume umgeknickt und Feuer wütete an manchen Ecken. Die Zeit in Hyrule tickte weiter. Und das Schloss, die Stadt, das Land… alles wurde leer und einsam. Menschenseelen verschwanden vor den Augen der beiden Triforceträger in blauen Kristallen. Feen, Goronen und Zoras… und viele andere Wesen schwanden. Und weit im Norden, dort wo niemand wohnte, begann das Land zu verblassen, unsichtbar zu werden, wie damals… Links Blick ging entschlossen zur Zitadelle der Zeit, die aber nicht einen Riss trug. Sie war in voller Blüte erhalten… Ganondorf war dort, und er war lebendig, Link spürte es. Und jener Teufel schrie innerlich den Namen des Heroen voller Zorn und Hass. So laut und makaber, dass Link es in seiner Seele hören konnte. „Er fordert mich zum Kampf auf, Zelda…“, sprach der Heroe und blickte sie trübsinnig an. „Ich weiß, dass, wenn ich jetzt gehe, der Kampf enden wird. Ich muss gehen.“ Zelda lächelte schwermütig, aber nickte. Eine Träne rollte von ihrer rechten Wange hinab. Verzweifelt umarmte sie ihren Liebsten, flüsterte Worte des Glücks und der Hoffnung in seine Ohren. „Ich glaube an dich…“, sprach sie. Sie nahm beide seiner Hände in ihre. „Und selbst wenn Ganondorf das Medaillon hat und es einsetzen konnte, ich… warte auf dich. Ich weiß, dass du zurückkommst… zu mir…“ Sie schloss die Augen und atmete tief ein. „Du bist stark, mein Heroe.“ Link lächelte und wurde von der Prinzessin schließlich durch Schutt und Gerümpel in dem Gemach zu einem der Geheimgänge geführt. „Folge diesem Weg, Link. Er führt dich direkt zum Eingang der Zitadelle. Falls der Weg verschüttet ist, kehre um.“ Er nickte, schnallte sein heiliges Schwert auf den Rücken und verabschiedete sich mit einem Kuss. „Ich werde zu dir zurückkehren, Zelda.“ „Ich weiß.“ Sie lächelte. Und sie lächelte auch noch, als er durch das kleine Tor schlüpfte, welches im Schrank versteckt lag. Und sie lächelte immer weiter, als Link bereits tief in den Wirren des Geheimgangs verschwunden war. „Wenn nicht, bin ich diejenige, die dich finden wird“, sprach sie zu sich selbst. Die Thronerbin wusste um eine neue Entscheidung ihrer selbst. Sie fühlte den Anbruch von etwas neuen. Und sie fühlte den starken Arm der Hoffnung… Kapitel 125: Der Riese und ein weißer Adler… -------------------------------------------- Endlich geht es weiter^^ lg Line __________________________________________________ „Wer das Leben liebte, der trachtete nicht nach Zerstörung und Gewalt… wer seine Welt liebte, der schadete ihr nicht mit unreinen Gedanken, mit Erfindung von Macht…“ Ein ungewöhnlicher Satz. Ihn zu lesen war ungewöhnlich, vor allem in einer Welt wie Hyrule. Welch Irrsinn, dass jener Satz, geschrieben von einem der alten Weisen, in diesem Buche stand. Prinzessin Zelda sammelte gerade jenes alte Buch aus dem Staub und Schutt ihres Gemaches auf und saß einfach da, inmitten von ihrem Gerümpel, in einer Dunkelheit, die lediglich von einer kleinen Kerze überwunden wurde. Sie sortierte ein wenig ihren Plunder, um sich von dem Gedanken abzulenken, dass Link auf den Weg zu Ganondorf war und versuchte es ein wenig zu verdrängen. Aber die Sorgen wurden nicht weniger, ganz egal, was sie tat. Es half nichts… Tief einatmend erhob sie sich in jenem lilienweißen Kleid, welches sich geschmeidig um ihren Körper wand, und spürte plötzlich ein kleines unangenehmes, aber nicht allzu schlimmes Ziehen in ihrem Rücken. Sie ahnte, woher es rührte. Es war ein Druck, ausgehend von ihrem Fragment, der sich in fadenförmig verlaufendem Kribbeln über ihren rechten Arm zum Rücken zog. Sie verstand nicht, was es war. Sie hatte nicht die weißen Federn auf dem Boden gesehen, die Link bemerkt hatte, noch hatte sie ein Gefühl dafür, dass an ihrem Rücken etwas wuchs. Sie fühlte keine Ängste deswegen, keine Beunruhigung. Vielleicht war genau das der Grund, weshalb sie es bisher ignoriert hatte. Sie streckte sich und wanderte mit ihren Händen über ihre Schultern zum Rücken um zu fühlen, was dort war. Keuchend zog sie die Rechte zurück und erstarrte zunächst. Ein weiches Material, verbunden mit ihrer Haut. Was bei Nayru hatte sie erwartet? Ein wenig hektisch hüpfte die junge Prinzessin ins Badezimmer mitsamt der Kerze in ihren Händen. Sie stand mit dem Rücken zum Spiegel und drehte vorsichtig ihren Kopf in Richtung des Spiegelglases. Und dann sah sie mit voller Erwartung und Erkenntnis. Sie sah Schönheit, fühlte einmal mehr Weichheit und das Zarte an ihrer eigenen Seele… Aufmerksam folgte der Held der alten Welt seinem Weg in den finsteren Geheimgängen. Er rannte, überwältigt von einer wundersamen Energie in seinen Adern, hörte das Plätschern des Wassers in jenen unterirdischen Gängen und lauschte seinem eigenen hetzenden Atmen. Er hatte genug Energie um den weiteren Kampf zu überstehen. Aber woher er sie hatte, das war ihm ein Rätsel. Ob Zelda ihm entgegen seines Willens einen Bruchteil ihrer Lebenskraft geschenkt hatte? Der Gedanke ließ ihn ärgerlich werden. Konnte sie ihm nicht endlich vertrauen? Wie oft schon waren Zeldas eigene starrsinnige Entscheidungen ein Grund gewesen für sinnlose Streitereien. Sie konnte und sie sollte mit ihm reden, warum also tat sie dies einfach nicht? Es war ja nicht so, dass Link ihr Vorwürfe für ihre Wünsche und Überzeugungen machte. Und er würde sich auch nicht anmaßen ihre Weisheit in irgendeiner Weise in Frage zu stellen. Aber er erwartete Vertrauen. Und er erwartete, dass sie mit ihm redete, gerade wen es um so etwas wie Energie ging, die sie ihm schenkte. Er schüttelte mit dem Kopf und hetzte weiter. Sicherlich, es war einer seiner Wünsche, dass Zelda mit ihm alles teilte, aber sie war eben doch- und das würde sie immer bleiben- ein wenig verschlossener und geheimnisvoller als andere. Link huschte ein unsicheres Grinsen über das Gesicht und hetzte wieder voran. Immer weiter, dorthin, wo ihn das Schicksal bestimmte. Zeldas Sturheit verdrängend folgte er seinem Weg. Er würde kämpfen, mit der Macht des legendären Helden in seinem Inneren, er würde erbarmungslos kämpfen und den Dämon aus alten Zeiten ein für allemal vernichten… Nach wenigen Minuten erreichte er eine Kreuzung und entschied sich für den mittleren Weg, weil dort die Luft am angenehmsten war. Ohne zu zögern rannte er vorwärts, bis er inmitten der Dunkelheit, wo nur das Fragment des Mutes einen gleißenden Lichtschein in die Finsternis warf, Schritte hörte. Es waren stapfende Schritte von mehreren Personen. Drohend. Genüsslich langsam. Link überlegte kurz und tapste entschieden zurück zu der Kreuzung, dämmte das Licht des alten Fragmentes auf seiner Hand immer mehr, bis es ausging… Er wartete, wartete auf die möglichen Feinde, die sich hier in dem Untergrund tummelten. Er roch sogar schon ihre wahnsinnigen Gedanken, und hörte dann ihre kalten Stimmen. Er würde auf einen günstigen Moment warten und nicht zögern, zu töten, wenn sich seine Vermutung bestätigen würde. Es dauerte nur wenige Sekunden und aus der Finsternis des Ganges leuchteten knisternde Fackeln, gaben Antlitze preis, die den Heroen an schicksalhafte, grausame sieben Jahre in der Zukunft erinnern würden. Bärbeißige Gesichter. Zerstückelte Ausdrücke von Gier und Hass. Olivgrüne Haut. Schmale, lange Nasen und dürres, rotes Haar… Es waren fünf von Ganondorfs Kindern, vielleicht einige der ältesten, die er erzeugt hatte. Bewaffnet mit breiten Schwertern traten jene Frauen und Männer näher, sprachen Worte ohne Sinn, flüsterten mit groben Stimmen die Wortfetzen einer Teufelssprache, die Ganondorf ihnen gelehrt hatte. Ohne Herz und Gefühl schlichen sie durch die feuchten Gänge, schnüffelten Raten und suchten sich Opfer vor dem Schicksal... Links Angriff kam zielsicher und überraschend. Sein leuchtendweißes Schwert schlitzte die Würde entzwei, welche jene Diener des Bösen sich einbildeten, teilte Knochen, Fleisch und Haut ohne Gnade. Ganondorfs Kinder, verschuldet der Tatsache, dass sie auch Gene von Ilona in sich trugen, waren hinsichtlich der Kampfgewandtheit, Grausamkeit und des Tötungstriebs ihrem Vater nicht allzu ähnlich. Es war ein Kinderspiel für den wiedergeborenen Helden der Zeit jene Geschöpfe die Schärfe seines heiligen Schwertes spüren zu lassen. Sie würden leiden. Und sie würden sterben… Erbarmungslos metzelte sich der Heroe den Weg durch die Scharr des Bösen, bis von ihnen nur die wenigen Aschenblättchen blieben, die in Feuer aufgingen und somit von der einzigen Existenz der Schreckenskreaturen nichts blieb. Link hetzte weiter, die vielen Gänge im Visier und vorbereitet auf die nächsten Geschöpfe, die seinen Weg kreuzen und untergehen würden. Er rannte weiter und weiter, als ein furchteinflößender Gedanke aufkam… Wenn diese Biester in den Gängen hausten, was wäre wenn einige von ihnen den Weg zum Schloss finden würden? Zelda wäre in Gefahr! Kurzum rannte er den Weg ein Stückchen zurück. Aber seine Schritte wurden alsbald wieder langsamer. Das Klacken seiner Stiefel wurde erstickt von Links Vertrauen, welches er für Zelda hatte. Wie sollte sie anfangen ihm zu vertrauen, wenn er es selbst nicht schaffte? Sie wusste sich zu verteidigen, wenn diese Monster ihr gegenüber stehen würden! Sie war immerhin die Siebte Weise! Kopfschüttelnd brachte der Held ein Lächeln auf sein Gesicht. Sie würde diese Bestien zur Hölle jagen, wenn sie ihr auf den Leib rücken würden… Ja, Zelda war unberechenbar. Seine Prinzessin war stark. Link setzte den Weg dann fort. Und in wenigen Minuten sollte sich in der Zitadelle der Zeit das Schicksal der Erde und das von Hyrule entscheiden… Wenige weitere Sekunden zergingen wie Regentropfen, die auf heißen Wüstensand fielen. Ächzend drückte Link eine schwere Steinwand zur Seite. Ein Quietschen und Knarren so entsetzlich wie der Lebensruf eines neugeborenen Drachens ging durch den kleinen zart gegrasten Hinterhof der alten Zitadelle der Zeit. Link stemmte sein ganzes Gewicht gegen jene Pforte und hatte endlich genug Platz um durch zupassen. Er atmete tief ein und orientierte sich langsam. Reuewürdige Erinnerungen verflogen in seinem Geist, während hier im Garten der Heiligenstätte die vielen Rosensträucher von dem heftigen Rot der Abendsonne eingenommen wurden. Gleißendes, feuriges Licht flutete Links Umgebung der stolzen Stätte aus vergangenen Zeiten, beleuchtete den steinigen Weg vor ihm, wie auch das glattgeschliffene Holz des riesigen Tores hinein in die Zitadelle. Dies war der letzte Tag der Vergangenheit und morgen schon brach das neue Zeitalter an. Eine neue Zeit. Das Ende, welches alles wegwaschen würde, wie eine gewaltige Flut, die gefährliche, spitze Hänge hinab stürzen würde… Und wenn der Heroe jetzt seinen rechten Fuß auf die Türschwelle der Zitadelle setzen würde, hätte er den Weg für die Sturmflut durch das Entfernen eines Kieselsteines geebnet… ,Ich bin bereit‘, sagte er zu sich selbst. ,Mit all meinen Erinnerungen und Hoffnungen…‘ Er öffnete die Eichenpforte in die Zitadelle der Zeit nur einen unbedeutenden Spalt und trat ein… Der Innenraum schien so ruhig, dass man den Wind atmen hören konnte. Und in seiner Begleitung schlich die Kälte in Gestalt weißer Schwaden umher. Und es bedurfte nur eines Atemzugs des Heroen, dass er spüren sollte: der Tod war anwesend… Das Rot der glühenden Abendsonne drang über die teuren Rundbogenfenster hinein und vermischte sich mit dem weißen Nebelgewand, welches in der Zitadelle tanzte. Wie Feuer und Eis, die einander liebten und vernichteten, war eine Absurdität in diesem Gemäuer, die Link mit seinen ozeanblauen Augen bestaunte. Zaghaft trat er näher, darauf achtend, dass seine Stiefel so wenige Geräusche wie nur möglich produzierten. Inmitten der Bankreihen blieb der Heroe stehen, umfangen von den weißen Nebelgeistern, denen das Sonnenlicht ein schreckhaftes, mörderisches Rot verlieh. Der Ort war so ruhig und trostlos wie alles in jenem Hyrule, welches unterging. Und doch… Wie konnte ein so heiliges Gotteshaus wie dieses eine Zufluchtsstätte des Bösen sein, auch wenn der Heroe das Böse noch nicht gehört hatte? Das war diese Absurdität, dachte Link. Ein letztes Mal betrachtete er sich die drei Heiligen Steine, fuhr mit seinen Fingerspitzen geschmeidig um sie herum. Noch immer waren jene hier aufgetürmt um die Hylianer vor dem Bösen zu belehren. Rauru hatte immer gemeint, es wäre ein gutes Denkmal für die alten Zeiten und in tausenden Jahren noch würden die Hylianer durch jene Steine an den blutigen Zeitkrieg erinnert werden… Link wünschte sich, es wäre so einfach… Sein Blick glitt umher und er sah hier und da das getrocknete Blut der Soldaten, die das Siegel am letzten Tag bewacht hatten. Es hing überall… An den Steinwänden, an dem Marmor der großartigen, hochragenden Säulen und an dem glattgeschliffenen Holz der verzierten Bankreihen… Mit einem tiefen Atemzug tapste er vorsichtig weiter, sein Schwert bereit für das letzte Gefecht fest mit seinen linken Fingern umfasst. Er trat weiter und weiter und näherte sich dem riesigen Gewölbe, wo das legendäre Masterschwert zuhause war mit Bedacht… Er schlich wenige Meter weiter, als ihn ein unangenehmes Schmatzen, Schnalzen, Grölen und Rülpsen aufhorchen ließ. Es widerte ihn an. Es ekelte den Heroen. Und nur um der Neugier willen, schaute er vorsichtig um die Ecke um zu sehen, was vor sich ging. Nur wenige Meter weiter, dort wo der Zeitenfels stolz und mächtig stand und auf das heilige Schwert des Guten wartete, saß jemand, dem Heroen den zerfetzten, blutigen Rücken zugewandt. Sein Haar war weiß gefärbt. Seine Gestalt dürr und gealtert. Im roten Leuchten des feurigen Himmelskörpers tat jene Gestalt unvollkommene Bewegungen, zitterte und schlug ihre Gliedmaßen krampfartig umher. Die sonderbaren Geräusche, das Rülpsen, Reißen und Schmatzen, verfestigten sich, ließen der Grausamkeit ein namenloses Beispiel. Bestialität, die dem Hünen innewohnte. Rings um die Gestalt lagen fleischige Knochen, olivgrüne Hautfetzen, rotes, verworrenes Haar und sehr viel, sehr viel schwarzes, stinkendes Blut… Die Bestie nahm einen Bissen nach dem anderen, riss das trockene, dunkelgefärbte Fleisch von den Knochen. Und der böse Lebenssaft seines Mahls lief tropfenweise an einem grauen Bart hinab. Link stieg die Galle auf, während er zusah. Ihm wurde übel, nicht wegen des säuerlichen Gestanks, sondern wegen eines so abscheulichen, gewissenlosen Tuns, für welches ihm die Worte fehlten. Der Heroe konnte die Grausamkeit vor seinen Augen nicht sofort verarbeiten und so tapste er zurück und stürzte schwerfällig seine Hände auf die Knie. Wie widerlich. Wie bestialisch, dass der Dämon aus alten Zeiten es sich anmaßte sein eigen Fleisch und Blut zu verspeisen…. Die vielen blutigen Knochen, das rote, dürre Haar und die grünlichen Hautfetzen stammten eindeutig von mehr als einem Kind des Schreckensfürsten… Link warf erneut einen Blick hinein in das Gewölbe und sah den Dämon seine abscheuliche Mahlzeit beenden. Selbstgefällig entließ er einen weiteren Rülpser, presste seine dürren, klapprigen Hände gegen seinen Wanst und schien mehr als zufrieden mit sich selbst. Er streckte sich und begann mit gealterter Stimme zu lachen. Er war dem Tode entkommen durch den frischen Lebenssaft seiner Kinder, aber er war alt… Genüsslich hob er die Hand nach oben, die ihm noch geblieben war und ließ den Lichtschein seiner zum Sterben schönen Macht umher wallen. Fiebrig gab sich Dins Fragment auf seinem Handrücken preis. Die alte Kraft der ältesten Göttin Hyrules hatte ihn wiedergefunden, aber dafür war sein Körper nur noch der eines Greises. Er japste und hielt in seiner Hand plötzlich einen weiteren Gegenstand, den er fluchend an die raue Steinwand pfefferte. Es war das Medaillon der Mächtigen, welches ihm einen unehrenwerten Dienst geleistet hatte. Entgegen Ganondorfs Annahme hatte es ihn nicht allein die tödliche Wunde geheilt, es hatte ihn altern lassen. Ein unnützer, dummer Gegenstand, der von Gemütern ruhte, die reiner waren als seines. Keinen Wert sah der Diener des Schreckens darin und so ließ er es beachtungslos in einer dunklen Ecke des Gewölbes liegen. In dem Augenblick wand er sich um seine eigene Achse und sah nicht überrascht, noch angstvoll in die tiefblauen Augen des Heroen, der sein Schwert gezückt vor ihm stand. An Ganondorfs rissigen Lippen hing noch immer das Blut seiner Kinder und genüsslich leckte er sich dieses mit seiner schwarzen, pelzigen Zunge vom Mund. Dann versprühte er seinen Atem und ließ Greisenstaub aus seinen Lungen wandern. Alles an Ganondorf hatte sich in wenigen Minuten gewandelt. Seine eisigen Augen waren eingeengt, ein wenig mehr in die Augenhöhlen gewandert. Das weiße Haar und die grauen Augenbrauen wie auch die vielen Falten in seinem dunkelgrünen Gesicht ließen aus dem einstigen Fürsten des Schreckens die Stärke sickern. Er wirkte alt und schwach… weich und zerbrechlich. Auch wenn ein genauer Blick das Gegenüber eines Besseren belehrte. Der Fürst des Bösen trat näher, mit einer Vermessenheit, die nur ihn auszeichnen konnte. Sein Gang ein wenig schlurfender. Und während er näher humpelte, knackten seine gealterten Gelenke unangenehm. Er blieb direkt neben Link stehen und war in seiner Höhe so eingegangen, dass er gerade mal so groß war wie Link… Säuselnd sprach der Dämon in das spitze, rechte Ohr des Helden: „Du kriegst mich nicht tot… genauso wenig wie ich dich…“ Sein feuchter, klebriger Atem haftete störend an Links spitzem Ohr. „Verbünde dich mit mir… etwas anderes bleibt dir nicht…“ Erfüllt von blankem Wagemut war es nun Link, der lachte. Mit einer raschen Bewegung wirbelte er seine heilige Klinge umher und ließ jene direkt auf den Bauch des Dämons wandern. Aber noch ehe das Schwert die alternde Haut berühren konnte, verschwand Ganondorf in einer seiner violett gemusterten Teleportationsfelder. ,Von seiner Kraft schien der Dämon nichts eingebüßt zu haben…‘, dachte Link mit einem üblen Magengefühl. ,Ich muss mir irgendetwas einfallen lassen. Wenn ich ihn innerhalb einer Stunde nicht besiegt habe, hat er gewonnen.‘ Mit Entsetzen dachte der Heroe an das Heer seiner Kinder, die blutbesudelt und gefühllos über die Welt zogen, bedacht jedes Leben auszulöschen. ,Verdammt, was mache ich bloß‘, fragte sich Link und schaute dem Dämon hinterher, der an der Decke spazieren lief. Auch das Medaillon fiel Link wieder ins Auge. Flugs sprang er dorthin, wo es lag, und band es rasch um seinen Hals, fühlte Ganondorfs besserwisserische Augen in seinem Genick, aber blieb gelassen. Ruhig Blut bewahrend wand sich der Heroe dem Bösen zu und hob sein Schwert richtend in die Höhe. „Stell‘ dich mir, Dämon!“, zürnte Link und ließ einen magischen Strom weißen Lichtes aus der Klinge wandern. Schlangenförmig rauschte die Welle in dem Gewölbe umher und vermischte sich wie die Nebelschwaden mit dem roten Abendlicht. „Wir können das Spiel des Jägers und Gejagten auf Ewig fortsetzen, wenn es dein Begehr ist, Ganondorf. Aber am Ende wirst du fallen. Stell dich!“, rief der Held nun lauter und schickte weitere gleißende Magiestrahlen in Ganondorfs Richtung. Aber statt diese nur irgendwie zu bekämpfen, wich er ihnen aus, teleportierte sich hin und her… „Ganondorf, lass‘ deine Scherze und kämpf endlich wie ein Mann!“ Link spürte das Blut in sich wallen, hörte das Fauchen seiner Bestie und wusste nicht, was er gegen diese Wut tun sollte, die Ganondorf herausforderte. Wie ein Feigling kämpfte dieser und wartete womöglich auf weitere seiner Kinder, die er ausweiden und fressen konnte… „Ich bin nicht lebensmüde, Held. Wie sollte ich gegen dich kämpfen, mit blanken Fäusten? Nein, danke…“, rief er und lachte albern. „Schon vergessen, ich lege nicht gerade viel Wert auf Mut!“ Link stieß sein Schwert vor Wut in den Erdboden und schaute dem absurden Getue des Schreckensfürsten hinterher. Was sollte Link auch tun? Ewiglich mit seiner Magie um sich werfen, dass er sich vollkommen verausgabte? Selbst versuchen die Schwerkraft irgendwie zu überwinden? Nein, dachte der Held. Er konnte lediglich abwarten, bis Ganondorf zurück zum Boden fiel. Ganondorf überschlug sich fast vor Lachen, verlor seinen Verstand immer mehr, während er an dem marmorisierten Deckengewölbe entlang wanderte. Er hatte die Fäden in der Hand, nur er alleine. Sollte kommen, was kommen wollte, aber dieser Held, auf den das Böse so lustbetont hinab lächeln konnte, war einfach hilflos. Er würde nicht siegen, nicht unter gegebenen Umständen. Der Fürst über Dunkelheit und Siechtum leckte sich das getrocknete Blut seiner Kinder von der einen gebliebenen Hand, hatte er an diesem Fleisch Kraft gefunden, auch wenn er nicht ahnte, dass es mehr kostete von seinem eigenen Fleisch zu essen als bloß Überwindung. Und vielleicht spürte er es bereits in seinem knorrigen, alten Magen. Die Säure darin konnte gegen das säuerliche, verpestete Fleisch seiner Kinder nicht bestehen… Und irgendwo in seinem Körper aßen seine Erzeugnisse ihn bereits auf… Als Link seinen Kopf erneut nach oben richtete und das schwere Masterschwert aus dem Boden zog- gewiss hatte es durch diesen Vorgang keinen Schaden genommen- fiel ihm etwas auf, was Wunder, Rätsel und tiefgeflüchtete Geheimnisse verband. Etwas fast schon Heiliges, Reinigendes umgab den Schreckensfürsten in Gestalt des rotflutenden Abendlichtes. Der alte graue Mann trug nichts mehr vom Antlitz des einstigen Schreckensfürsten. Seine Gesichtszüge, umschmeichelt von warmem Sonnenlicht, wirkten menschlicher und Link erkannte für die Kürze eines Augenblicks einen Teil Ilonas auf jenem grauwirkenden Antlitz. Augenblicklich stoppte Ganondorf das Tanzen am Deckengewölbe, stand still und steif in der Luft, wirkte schlichtweg wie gelähmt. Er atmete… und atmete doch immer weniger. Rauch entstieg seinen gealterten Lungen. Kleine, schwarze Bluttropfen sickerten fast unmerklich aus den vielen Poren seiner Haut. Es schien nicht so, als ob er litt, aber es war nun nichts Beruhigendes mehr an jenem Schauspiel. Die Heiligkeit von vorhin löste sich auf, wie die Sonnenstrahlen, die von der Nacht verschluckt wurden. Und als Link dachte, eine grenzenlose, neue Macht hätte den Dämon eingefroren, wurde er eines besseren belehrt. Der Dämon schüttelte sich, schien Krämpfe zu haben und fiel dann in einem heftigen Aufprall zu Boden. Er ruderte mit allen Gliedmaßen und seine Augen, diese bestialischen rot schimmernden Augen, begannen zu glühen wie das unlöschbare Feuer der Hölle. Link trat vorsichtig näher, aber wurde noch im selben Augenblick von einer durchsichtigen Wand aufgehalten, die ihn niemals nähertreten lassen würde. Etwas Gewaltiges war im Spiel und es war dem Heroen keineswegs freundlich gesonnen. Ganondorfs alte, faltenreiche Haut platzte an verschiedenen Stellen auf, gab das trockene, schwarze Fleisch preis, von welchem er vorhin selbst gespeist hatte. Und aus manchen jener neugeschaffenen Körperöffnungen schlüpfte schlackernd eine blasse, grünliche Hand, aus anderen schossen winzige Köpfe mit zugewachsenen Augen und entstellten Fratzen begleitet von giftenden hellen Schreien. Der Fürst des Schreckens verwandelte sich. Seine gealterten Gliedmaßen schwollen an zu entsetzlicher Größe. Sein Körper wurde von grauem Haar umwuchert wie eine Fliege im Netz mit Spinnweben. Und seine Greisengestalt wuchs an, bis ein halber Riese vor Link stand. Der Heroe versuchte die Barriere zu überwinden, um Ganondorf zu erledigen, bevor jene unheilvolle Verwandlung abgeschlossen war. Aber nichts brachte etwas, nicht einmal ein wuchtiger Energiestoß seines heiligen Fragmentes des Mutes. Das war nun der einst so stolze Fürst des Schreckens Ganondorf. Aus einem stattlichen König der Gerudos war ein machtgieriger Dämon, dann eine hässliche Bestie, ein alter, gebrechlicher Mann und nun ein entstelltes, wahnsinniges Monster mit mehreren Köpfen und Armen geworden… Plötzlich entschwand die gläserne Barriere, aber Link hatte nun nicht mehr den Drang der Bestie uneingeschränkt näher zu kommen. Ganondorf war außer sich und in seinem Zustand würde er alles kurz und klein schlagen. Link schaute hinauf an das Deckengewölbe, als sich Ganondorfs viele Klauen durch wilde Ruderbewegungen an jenem labten. Dutzende Steinklötze fielen zu Boden. Geschwind und geschickt rollte sich Link über den Boden um jenen Brocken zu entgehen. Der Heroe war mittlerweile außer Puste und rannte mit dem gezückten Schwert zunächst hinaus aus dem Gewölbe des Masterschwerts. Ganondorf folgte dicht. Seine großen, schweren Füße bohrten riesige Löcher in den glattpolierten Zitadellenboden. Jeder weitere Schritt löste ein kleines Beben aus und jeder Schritt war begleitet von einem entsetzlichen Gebrüll der vielen Kinderköpfe, die aus Ganondorfs Fleisch stierten. Link rannte so schnell ihn seine Beine tragen konnten durch den langen Gang zwischen den vielen Holzbankreihen, während Ganondorf nähertrat und mit seinen entstellten Armen viele Gegenstände aus der Zitadelle wie Fliegen vor seinen Augen wegwischte. Nur knapp verfehlten große Holzstücke den Heroen, der sich erbarmungslos seinen Weg bahnte. Link konnte kaum noch atmen, so schnell rannte er davon. Mühevoll erreichte er das große Tor und schlug dieses mit einem Energiestoß seines Fragmentes entzwei. Link rannte weiter, direkt auf den übersichtlichen Marktplatz zu. Und am verblassenden Himmel zogen sich die roten Sonnenstrahlen zurück, gaben der Nacht ihre Freiheit und entließen ihre sterbenden, leisen Schreie… Gerade zu jenem Zeitpunkt lief der Prinzessin des Schicksals der beißende Angstschweiß in die Augen. Sie stand auf ihrem verschütteten Balkon, umzingelt von hämisch grinsenden Fratzen, die allesamt Ganondorfs erniedrigendem Antlitz ähnelten. Zelda trug noch immer das weiße Kleid, in welchem sie aussah wie die Unschuld persönlich… aber ihre rechte Hand war verbunden mit einem scharfen Langschwert, welches das sanfte reine Gemüt trübte. Ein weiblicher Dämon tapste näher, leckte sich mit der Zunge über dunkelfarbene Lippen. „Gebt auf, Prinzessin des Schicksals“, summte jene rothaarige Frau und fasste Zeldas Langschwert an der Klinge. Die Prinzessin verengte ihre Augen zu Schlitzen und machte allein mit Blicken klar, dass sie niemals aufgeben würde. Das Dämonenkind lachte und war nicht gefasst auf die geballte Macht der Schicksalsprinzessin, die ihr Fragment wieder hatte… Mit einem hellen Klagelaut riss Zelda ihr Langschwert herum, durchschnitt die Hand der Dämonenkriegerin und ließ das Schwert tanzen und verletzte ihren ersten Peiniger tödlich… In einem Ascheregen ging das erste Geschöpf auf. Und es war das Zeichen für die anderen sich auf die Prinzessin des Schicksals zu stürzen. Gebogene Schwerter, schrille Peitschen und schwere Äxte gingen auf Zelda nieder… und verfehlten sie dennoch. In Bruchteilen von Sekunden hatte sich die Prinzessin mit einem Schutzschild umrahmt, den die Geschöpfe Ganondorfs nicht durchbrechen konnten. Aber während Zelda kämpfte, spürte sie noch etwas anderes als ihren eigenen Zorn und die Lust am Siegen. Etwas geheimes, Altes verbarg sich in ihr, seitdem sie das Fragment der Weisheit trug… aber sie hatte dieses kleine Etwas noch nie benutzt. Nun jedoch rief es ihr zu, spannte leise Flügel bereits in ihrem Inneren… Das gute Geschöpf innerhalb der anmutigen Prinzessin drang nach außen, für eine andere wertvolle Aufgabe. Und es würde seinen Ruf nicht schmälern wollen, egal, wie sehr man gegen es ankämpfte. Zelda spürte nun mehr als das Ziepen im Rücken, welches sie vorhin schon mit einer ungewöhnlichen Ursache erkannt hatte. Sie spürte mehr als einen dumpfen Schmerz, mehr als ein Zittern, mehr als Natürlichkeit. Und in ihrem Schutzmantel des Lichts, welcher das Böse von ihr fern halten würde, sank die junge Prinzessin nieder. Ein helles Flügelgewand umspannte sie und ihre Gestalt wurde kleiner. Ein heller Schrei war hörbar, ein wundersamer Ruf eines Königs der Lüfte. Und als das Schutzschild um Zeldas Körper verging, flog ein stolzes Getier mit weißen Federn weg von dem Schloss, hinauf an das düsterwerdende Firmament, wo die ersten Sterne Hyrules ihr Licht auf die Erde schickten. Die Prinzessin des Schicksals flog und sie flog für einige Sekunden über ihr altes, vergangenes Reich, so wie sie es sich immer gewünscht hatte… Links Kampf erreichte währenddessen Ausmaße, die der Heroe nie hätte kommen sehen. Es verlangte ihm alles ab, was er während des Lebens als Held der Zeit und in der neuen Welt erlernt hatte. Er gab alles, hatte einige von Ganons widerlichen Kinderköpfen abgeschlagen, aber sie wuchsen ohne Schaden nach, schrieen weiterhin mit ihren lähmenden entsetzlichen Stimmen. Link hatte unzählige Pfeile in Ganons garstigen Körper geschossen, aber sie hielten ihn nicht auf, geradeso als ob sie nicht da wären. Und als Krönung dessen trat und schlug der Dämon nach dem Heroen, spuckte einen Energieball nach dem anderen aus seinem vergrößerten, aufgerissenen, menschlich anmutendem Maul und zwang Link damit zu fliehen, des Heroen eigene Angriffe in Grenzen zu halten. Der Heroe konnte es sich nicht eingestehen, aber er war schlichtweg am Ende. Link hielt sein treues Masterschwert mit beiden Händen fest, spürte seine Beine schwerer werden und sog laut und pfeifend die Luft um ihn in seine Lungen. Er spürte wieder die Verletzungen, die er sich vorhin zugezogen hatte und erinnerte sich mit einem miesen Gefühl an seine Schwäche. Er würde nicht in der Lage ein, diesen Kampf zu Ende zu führen. Nicht ohne Hilfe von außen… In einem Anflug der Verzweiflung wich Link Ganons prügelnden Klauen aus und kletterte hinauf über dessen breites Rückgrat auf den Kopf und hielt sich an Ganons grauem Haar fest. ,Wenn ich nicht die kleinen Kinderköpfe zerschmettern konnte, dann vielleicht Ganondorfs ursprünglichen Schädel‘, dachte der Held, während ihm brennender Schweiß über das Gesicht lief. Der Dämon grunzte, rülpste viehisch und jaulte. Er schlug um sich, stieß seinen grauen Schädel in eines der Häuser, aber Link hielt sich fest, entließ laute Schmerzensschreie, wurde er doch durch die Gewalt von Ganons Bewegungen unkontrollierbar umher geworfen. In einer ruhigen Sekunde wollte der Heroe das Schwert in Ganons Kopf bohren, aber dieser donnerte seinen Schädel erneut gegen eines der alten Fachwerkhäuser in Hyrules Innenstadt. Link wurde durch die Wucht viele Meter weiter geschleudert und lag regungslos auf dem gepflasterten Boden. Seine Kräfte schienen aufgebraucht. Eine erneut Platzwunde am Kopf ließ den Heroen in einer langen Bewusstlosigkeit schweben. Der Dämon lachte nun, stieß mit seinen riesigen Füßen näher, bereit den Heroen unter sich zu vergraben. Ganondorf lachte, mitsamt den vielen Kindern, die in seinem Körper gefesselt waren… „Dein Ende soll mein Leben sein, Held!“, zürnte Ganon. Sein Fragment, getragen auf der linken Hand, erstrahlte gleißend, rief ein weiteres Wesen zu sich. Auch Links Fragment reagierte trotz der Bewusstlosigkeit seines Meisters. Aber irgendwo in der Ferne glühte ein weiteres Licht, nicht in Gestalt eines Fragmentes, nicht menschlich im Augenblick. Der stolze Schrei eines Adlers, König der Lüfte, war unbedeutend für den Dämon. Erpicht darauf den Heroen zu töten, ignorierte Ganon seine Umgebung. Die Prinzessin des Schicksals flog… und sie flog hin zu dem Schlachtfeld, das ihren Liebsten gefangen hielt. Sie flog, spannte ihre weißen Flügel und stürzte sich im Sturzflug hinab, bereit sich in den Kampf einzumischen. Gerade als die riesige Bestie, gellend und mordlüstern, sich auf den bewusstlosen Heroen stürzen wollte, war es Zelda, die einmal mehr Link vor dem Tode bewahrte. Es war ein Bündnis, neben ihrer Liebe und ihren Versprechen. Sie würde für Link da sein, und er für sie… In einem Augenblick geringer Beachtung senkten sich goldene Krallen mit einem Schrei, ehrfürchtig und heilig, hinein in die gealterte Haut an Ganondorf Kopf. Und jene goldenen Krallen schmerzten, während sie sich tiefer gruben, sie schmerzten elend. Der weiße Adler auf Ganons Haupt schlug heftig und aufgeregt mit den Flügeln. Viele weiße Federn verlor sie, die Prinzessin des Schicksals, während sie kämpfte. Angestrengt hielt sie sich fest, während der Dämon brüllte, seine verbliebene Hand nutzte um den Störenfried wegzuschlagen… Aber Zelda war standhaft. Ihre goldgefärbten Augen ernst und kampfbereit. Und als sie Halt hatte, als sie wusste, sie konnte den Augenblick nutzen, bohrte sich ihr gebogener, scharfer Schnabel in eines der Augen Ganons. Sie pickte und stieß zu, kratzte ihm das rechte Auge aus, bis es blutete. Durch Ganons Schmerzrufe und seine ungezähmten Bewegungen war es auch Link, der wieder aufgeweckt wurde. Fluchend richtete er sich auf, spuckte ein wenig Blut aus seinem Mund und krabbelte auf alle viere. Mühevoll hob er seinen Kopf in die Höhe und erkannte verschwommen ein weißes Federwesen, erfüllt von Macht und Stärke auf dem Haupt des Schreckensfürsten. „Zelda?“, hauchte er leise über seine trockenen, aufgerissenen Lippen und zog sich mit dem Schwert in die Höhe. Er erkannte sie, nicht nur an ihrer Aura, oder den Federn, die ihm vertraut waren. Er erkannte sie an dem mitreißenden Gefühl, welches ihn durchfuhr, als er den stolzen Adler erblickte. In dem Augenblick wurde der weiße Adler von Ganondorfs linken Arm schmerzhaft erwischt. Laut quietschend schlug sie auf dem Boden auf, nicht weit entfernt von dem Heroen. Ein goldenes Netz umgarnte sie und ihre Gestalt, ihr Wesen und ihre Reinheit, verwandelten sich zurück in jene Prinzessin Zelda mit ihrem goldenen, langen Haar. Ihr verletzter Körper war noch immer bekleidet mit dem hauchdünnen, weißen Kleid von vorhin. „Zelda!“, rief Link und rannte wie angestochen näher, säbelte dem Dämon einen Fuß unter dem Boden weg, bis jener umkippte. Ganondorf brüllte und fiel dann zu Boden, sackte gänzlich nieder und schlug mit seiner verbliebenen Hand umher. Zitternd nahm Link seine bewusstlose Prinzessin auf die Arme und trug sie schleppend und sehr beschwerlich weg, hinfort von diesem Kampfschauplatz, in eine dunkle, kleine Gasse. „Zelda?“, hauchte er und untersuchte kurz, ob sie schlimme Verletzungen hatte. Sie atmete, aber warum war sie so schnell bewusstlos geworden? War es nur durch diesen einen Schlag? Hatte es vielleicht etwas mit der Lebensenergie zu tun, die sie Link vorhin ohne sein Wissen geschenkt hatte? Besorgt drückte er sie an sich, flüsterte ihren Namen, aber sie wachte nicht auf… Indes rauschte Ganondorf wütend über den Markplatz. Seine Stimmbänder riefen erbost nach dem Helden Hyrules. Schrillend und entsetzlich donnerte sein Ruf über die Stadt, wo die Dunkelheit siegte und ein trügerischer Mond am Himmel stand. Irgendwo begann der Schreckensfürst bereits Gebäude zu zerstören, stapfte mit seinen riesigen Klauen Bäume und Hütten klein und spuckte seine Energiebälle wahllos umher. Link aber rührte sich ebenso nicht. Sorgenvoll hielt er Zelda in den Armen, streichelte sie, küsste sie, wollte ihr sagen, dass sie aufwachen musste, dass er sie brauchte. Aber ein ungewisses Flüstern, tief drin, versunken in dem Herzen, sagte ihm auch, dass ihre Bewusstlosigkeit mehr war als nur eine Ohnmacht, die wieder vorüberging. Irgendetwas war anders als zuvor. Ihr Körper sendete ihm unbewusste Signale, dass es diesmal nicht so einfach war, Zelda wieder zu erwecken… Es waren ihre Hände, schlaksig und kalt, ihr Gesicht bleicher als vorher, ihre Lippen nicht blau, nicht rot, fast weiß, die ihm sagten, dass etwas nicht stimmte. „Zelda!“, sagte Link dann eindringlicher und rüttelte sie ein wenig, aber immer noch blieben ihre Augen fest verschlossen. War die Wucht von Ganondorfs Schlag so groß gewesen? ,Warum habe ich das zugelassen?‘ „Du hättest dich nicht in diesen Kampf einmischen dürfen, Liebste…“, sprach er rauer und drückte sie wieder so eng an sich wie er es für richtig hielt. Aber so lange sie atmete, so lange ihr Herz schlug… musste sie doch auch aufwachen. Was also stimmte nicht? Was beunruhigte den Heroen so sehr im Augenblick? Im Hintergrund kamen Ganondorfs wuchtige Schritte näher, er brüllte, außer sich vor Wut und Hass fühlte er nichts mehr, nicht einmal Schmerz. Er zerschmetterte die beiden Häuser, die Link in der schmalen Gasse Schutz boten, trat nach dem Gestein, wütete in der Hauptstadt Hyrules als wäre sie sein Spielzimmer. Link nahm einen tiefen Atemzug und hetzte weiter, mit der ohnmächtigen Prinzessin des Schicksals auf seinen Armen. Er hatte kaum noch Kraft einen Fuß vor den anderen zu setzen, aber er konnte nicht riskieren, dass Ganondorf Zelda noch mehr antat, als er bereits hatte. Diese ganzen Grausamkeiten der alten Welt. Das ganze Leid aus der Vergangenheit holte den Heroen ein, während er rannte. Und endlich siegte ein wenig Verzweiflung in seinem Gemüt. Er konnte Ganondorf nicht besiegen, er konnte es nicht… Er würde es nicht schaffen, nicht mit seinem beanspruchten Körper und dem bisschen Mut und Kraft, die er sich bewahrt hatte. Eine Spur Tränen schossen ihm in die Augen, als diese Erkenntnis über ihn herfiel. Sollte dies das Ende aller Tage sein? Sollte dies das Ende der Menschheit sein? Er war allein, ja, er war allein in diesem Wahnsinnskampf und nun da Zelda nicht aufwachte, wer sollte ihm Mut schenken… Und die Zeit, fühlbar durch das alte Medaillon um Links Hals tickte weiter, tickte ihrem Ende entgegen. Link hetzte mit allem, was er an Kraft noch hatte. Er kämpfte und begann zu schreien, weil seine Beine ihn nicht mehr vorwärts tragen wollten. Sie fühlten sich schlichtweg schlapp und unbrauchbar an. Für einige Sekunden lehnte er sich an eine Hauswand sackte nieder und orientierte sich, Ganondorfs Gebrüll und sein Wahnsinn ständig im Hintergrund. Er drückte Zelda an sich, wollte ihr wenigstens noch das bisschen Wärme schenken, die er ausstrahlte und zweifelte, zweifelte immer mehr. Seine tiefblauen Augen wanderten durch die Nacht, an die Hauseingänge, bis ihm die Tür in einen Keller auffiel. Dort war eine Wirtsstube, die er im alten Hyrule nur einmal betreten hatte. Eine makabere Wirtsstube, nichts für unschuldige Gemüter wie seines. Mit einem tiefen Atemzug stemmte er sich noch einmal auf die Beine und verschwand mit seiner Prinzessin in dem Keller. Von einem hohen Punkt in der Stadt aus, hatten Navi und Klein-Link alles mit angesehen. „Gut, Link ist in diesem Keller, los‘ beeilen wir uns… er braucht unsere Hilfe!“, sagte Navi und kletterte den Turm hinab, von dem sie alles beobachteten. Klein-Link folgte dicht hinter ihr. Sie huschten wie Schatten durch die Stadt, versuchten das leichte Beben zu ignorieren, wann immer Ganondorf seine hässlichen, riesigen Füße in den Boden stapfte, versuchten ihrem Weg treu zu bleiben. Wie zwei Spione schlichen sie von einer Hausecke zur nächsten, versteckten sich hinter zerstörten Häusern, umgeworfenen Bäumen und hatten beide Ganon, diese unheimliche Bestie, in ihren Blickfeldern. Es dauerte nicht lange, hatten sie den versteckt liegenden Keller erreicht und schlichen leise hinein, bedacht nicht von einem schnellen Angriff des Heroen Link bedrängt zu werden. Aber es kam kein Angriff. Sorgsam tapsten Navi und das Götterkind voran, eine Steintreppe hinab und durchquerten eine knarrende Tür. Der Innenraum war ziemlich dunkel, bloß erleuchtet von drei Fackeln, die an den Wänden hingen. Es war eine alte Kneipe, wo einige runde Tische und abgenutzte Stühle standen. Und in der hintersten Ecke war eine Liege. Link saß davor, hielt ein paar blasse Hände in seinen eigenen und schluchzte… Kapitel 126: Eine neue Reise beginnt… ------------------------------------- Hey liebe Leser, es hat wieder lange gedauert, länger als ich dachte, aber jetzt kann ich endlich ein neues Kapitel on stellen. Ich schreibe auf jeden Fall weiter und werde keine der Geschichten ohne Ende da stehen lassen. Nur mit Diplomarbeit im Rücken ist es einfach ziemlich schwierig. Habt bitte Geduld^^ Mit Hochachtung vor jedem Leser. Danke. ______________________________________________________ Eine neue Reise beginnt… „Was ist passiert?“, rief Klein-Link entgeistert. Hektisch stürmte der blonde Junge hinüber zu den beiden Wesen, aus denen er bestand. Seine himmelblauen Augen schillerten trübsinnig, beobachtend die wunderschöne Prinzessin, die schlafend auf einer kleinen Liege lag. Ihr schwacher Körper war mit einer Wolldecke geschützt und ihr blasses Gesicht weckte auch Klein-Links Sorge. „Ich weiß es nicht…“, sprach Link leise, der die gesamte Zeit ihre Hände fest umkrallte. „Sie hat sich in ihre Tiergestalt verwandelt und ist nach der Rückverwandlung nicht mehr aufgewacht. Ich bin ratlos…“ Link schloss seine Augen und drückte ihre kalten Hände an seine Lippen. Da trat Navi näher und legte ihre Kinderhände auf die verspannten Schultern des Heroen. Überrascht wand Link seinen Kopf zu ihr. „Mach‘ dir keine Sorgen, du Held… wenn etwas nicht mit ihr stimmen würde, dann wäre es Klein-Link, der dasselbe durchmachen müsste. Erinnerst du dich nicht an die Pfeilverletzung?“ Der junge Held starrte Navi unsicher an, wusste er doch, dass sie recht hatte. Eine Welle der Erleichterung überschwemmte ihn. Er versuchte ein wenig zu lächeln und atmete dann tief aus. „Ja, das stimmt, Navi…“ Links Augen wanderten zu denen des Götterkindes, dessen Augen jenen von Zelda so unsagbar glichen. „Und es geht dir gut?“ Klein-Link nickte und grinste. „Ein wenig müde, aber richtig toll.“ Er gab sein Bestes um seinen Möchte-gern-Papa aufzuheitern. Der Heroe schloss die Augen und atmete tief ein. Sachte erhob er sich, hatte aber selbst Mühe die Augen offen zu halten. „Mir läuft die Zeit davon…“, murmelte der Heroe. „Wenn ich jetzt nicht hinausgehe und den alten Dämon besiege, ist unser aller Schicksal entschieden.“ Sein Blick verlor sich irgendwo an den alten Steinwänden. Dann ballte er die Fäuste. „Ich fürchte nur…“ Er schloss nun die Augen und seufzte. „… dass ich nicht genug Kraft übrig habe…“ Dann donnerte er eine Faust in eine der Wände und brüllte. „Irgendeinen Weg muss es doch geben, ich kann mich nicht nur auf Kraft verlassen!“ Link wurde ungeduldig, das spürten sowohl Navi als auch das Götterkind. Die beiden kleinen Wesen jedoch, wissend und äußerst begeistert über ihren eigenen Beitrag, den sie in diesem schweren Gefecht leisten durften, hüpften schmunzelnd näher. Beide zupften sie an Links Tunika und grinsten ihn an. „Wir haben sehr viel Zeit“, lachte Navi und gab dem neben ihr befindlichen Götterkind einen herzhaften Stups in die Rippen. Klein-Link jaulte auf. „Nervensäge“, grunzte er. „Aber es stimmt, wir haben einen Plan, Papa.“ Link konnte es im ersten Moment nicht fassen. Er hob skeptisch seine Augenbrauen. „Ach ja?“ „Jep, einen ganz tollen Plan“, lachte der Bengel mit der grünen Mütze. Daraufhin kniete Link nieder. „Hör‘ mir zu, Klein-Link, das ist kein Spiel… ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr beide…“ Doch Navi ließ Link nicht ausreden. Das Mädchen mit den grünen Augen und den geflochtenen Zöpfen schaute bitterböse drein und gab dem Erwachsenen eine schmerzende Kopfnuss. Link grunzte und verzog das Gesicht. „Lässt du uns erstmal was erklären, bevor du mit deiner übertriebenen Fürsorge für deinen Sohn anfängst?“ Dann wurde der Erwachsene rot im Gesicht, erhob sich wieder und nickte beschämt. Er fuhr sich mit einer Hand durch das Pony seiner Stirn und lief hinüber zu seiner Prinzessin. Er ließ sich auf den Stuhl sinken und nahm wieder ihre Hände in seine. „Ganondorf ist nicht mehr in der Lage zu sterben… nicht auf normalem Wege… Soviele Leben wie er absorbiert hat, müsste man jede einzelne davon töten…“, murmelte Link, schloss die Augen und küsste Zeldas Hände. „Erzählt, was wollt ihr tun?“, murmelte Link und drückte seine Lippen dann auf Zeldas Stirn. Das Götterkind räusperte sich und kratzte sich dann umständlich am Kopf. Der Junge begann herumzudrucksen und kicherte leicht. Daraufhin bekam er von Navi den zweiten Stoß in die Rippengegend. Diesmal jedoch so heftig, dass er einen Schmerzlaut ausstieß und zurücktaumelte. „Verdammte Glühbirne!“, schimpfte der Bengel und schaute die einstige Fee sehr vorwurfsvoll an. „Rückst du nun endlich raus mit der Sprache, oder soll ich Link erzählen, was wir vorhaben? Weil, wenn du noch länger brauchst, geht die Welt unter ehe wir sie retten könnten.“ Bei diesen Worten verschränkte Navi ihre Arme und schnaufte. „Na gut.“ Und damit gab Klein-Link endlich nach und sagte seinen bedeutungsvollen Satz: „Wir wollen den Rat der Helden erwecken, Papa, und dafür brauchen wir deine Hilfe.“ So diskutierten die drei Heldengestalten aufgeregt, und Link ließ sich von seinen zwei Mitstreitern alles, was die edle Göttin Nayru ihnen auf den Weg gegeben hatte, erklären. Sie waren sich einig, dass dies der einzige Weg schien die Welt wieder in warmem Sonnenlicht erstrahlen zu lassen und sie würden dafür kämpfen. Dennoch standen sie nun vor einem Problem. Der erste Schritt um den Rat der Helden zu rufen, schien der bedeutungsvollste und geheimnisvollste. Wie konnte man dem Medaillon eine alte Melodie entlocken, die die Zeit der Welt einfrieren würde? Sicherlich, Link hatte diese bereits einmal vollbracht. Vor wenigen Stunden, als er der Okarina seine Macht zurückgab, stand die Zeit in Hyrule still. Aber wie sollte er diejenige von der Erde ebenso einfrieren? Und wie konnte er seine eigene Zeit einfrieren? Link wendete es, klappte es auf, schüttelte es, aber es tat sich nichts. Ebenso versuchten sie Blut von jeweils ihnen dreien auf das Medaillon zu träufeln, um ihre eigenen Wünsche der Weltenrettung wahr werden zu lassen, aber das alte Relikt blieb stumm. „Ich verstehe das nicht, Nayru sagte, das Medaillon müsste eine Melodie spielen…“, seufzte Klein-Link und wischte sich seine blonden Haarsträhnen von der Stirn. „Warum sagt es uns diese blöde Melodie nicht?“ Freilich erwartete er auf diese Frage keine Antwort von den anderen beiden Anwesenden. Aber meckern konnte schließlich jeder und jammern tat in so einer ausweglosen Situation auch mal gut. Indes holte Link die alte Okarina der Zeit, die ihm einst einen so ehrvollen Dienst erwiesen hatte, aus seinen Taschen. ,Wie soll ich die Okarina nutzen, wenn ich nicht weiß, welches Lied es ist, das uns helfen wird?‘, fragte er sich und betrachtete sich das blauschimmernde Musikinstrument. Seine tiefblauen Augen wanderten zu dem alten Medaillon und dann wieder zu der Okarina. Einer Eingebung folgend setzte er die Okarina sachte an seine Lippen, fühlte daran das raue Material und blies einen feinen Luftstrom hinein. Ein heller, magischer Klang folgte, irrte umher, als wäre er ein unsichtbares Wesen. Der dumpfe Ton bewegte sich durch die Lüfte, sodass man ihn sogar orten konnte. Und dann, in einem unerwarteten Moment schien er sich mit dem Medaillon zu vereinigen, ihm vielleicht sogar zu befehlen. Denn aus dem alten Relikt hallte der Ton nach und klang wie der helle Laut einer Triangel. Navi hüpfte dem Götterkind vor Freude auf den Rücken, und ignorierte herzlich wie jener gequälte Junge aufjaulte und sein Gesicht verzog. „Wir haben es. Wir haben es!“, sang sie. „Link, du musst spielen, du musst einfach spielen. Spiel eine Tonleiter auf und ab!“ Der Heroe lächelte ein wenig. Und mit seinem ruhigen Lächeln schienen die Kratzer und Blutergüsse in seinem Gesicht langsam zu verblassen. Es war eine Melodie… bestimmt vom Schicksal, die sich durch seine Hände und seine Lippen formen sollte. Und so spielte der einstige Held der Zeit wie damals, versuchte sich an der Farbe der Töne, malte eine kleine Symphonie mit seiner Hoffnung auf Frieden. Er spielte viele Töne, auch Halbtöne und nicht immer erwiderte das Medaillon den Ton, nur gelegentlich… und es war die Aufgabe der Beteiligten jene Töne zu merken, zu verstehen… In wenigen Minuten, noch immer war die Zeit nicht abgelaufen, erkannte der Heroe endlich eine Melodie, weich, zauberhaft, ja erkundend verlor sie sich in dem großen Raum, umwarf einen ruhigen Mantel diesem verhängnisvollen Tag, ließ das nahestehende Ende unwirklich werden. Und sie berührte das Herz, rührte zu Tränen, schenkte Mut, verlieh Hoffnung, teilte Ängste und erweckte Magie, die längst vergessen galt. Link schloss seine Augen, spielte sie, spielte sie mehrfach. Und die dumpfen Töne seiner Okarina vermischten sich mit der Stimme des Medaillons. Immer wieder ließ er die Melodie erklingen, und selbst wenn er wollte, gefangen in der Melodie konnte er nicht stoppen. Sein Körper. Seine Sinne. Sein Herz. Und sein Geist. Allesamt waren sie nur noch ein Teil eines großen Instrumentes, die das eine Lied spielte. Das Lied des Niedergangs. Prophezeit von der Göttin der Weisheit sendete es seine Zeichen, schickte seine Macht über die Welt… Es begann wie der erste Reif am Morgen, der sich in Form eines schwachen Filmes über Mutter Natur legte. Und das wenige Leben auf der Erde ahnte, dass hier am Tag des Jüngsten Gerichts weitaus mehr Mächte im Spiel waren als jene verderbenbringenden Kräfte des Bösen. Vom Himmel tanzten überall kristallene Flocken wie jene weißen im Winter; und stahlen dem blutroten Horizont mit seinen violetten Bändern das Gesicht. Die wenigen Menschen krochen aus ihren Verstecken und nahmen an dem Schauspiel teil, spürten die zarten, tröstenden Flocken auf ihren traurigen Gesichtern, weinten angesichts einer solchen Schönheit, die unsere Erde beherbergte. Und wo die leisen Flocken fielen, wehte der Wind die Asche gestorbener Monster hinweg und reinigte jene Menschen, die selbst zu Dienern des Bösen geworden waren. Die Flammen des Westens waren erloschen… jene todbringenden Säulen waren geschmolzen als die Kristalle des Stillstands sie erlösten. Die Melodie, welche aus dem Medaillon erklang, wurde inzwischen lauter und lauter. Sie wuchs von einer kleinen Stimme, zu einem Chor heran, bis man sie als die Stimme eines ganzen Planeten deuten konnte. Die letzten Menschen der Erde und Hyrules, eingeschlossen Link, Navi und dem Götterkind, sackten nieder, verbeugten sich vor jener warmherzigen Stimme, die wie der Wind über die Welt zog. Und wo vorher noch Flocken tanzten, begann sich eine Schicht, die stärker war als Eis, ein neues Element, eine Verkörperung von Stillstand, kristallen und lichtreich, auszubreiten. Der Schlafsand, entstanden aus alter Magie ferner Welten, reiste umher, gab jedem Gegenstand, jedem Menschen und jedem Tier einen Glanz aus buntem Glas und sie alle verharrten in ihren Bewegungen. Ihre Zeit, die Zeit der Erde, die Zeit Hyrules… alles stand still. Die Erde legte sich schlafen… und der Alptraum über den Untergang des Lebens schien nur noch ein nächtlicher Schatten, der nach dem Aufwachen verschwinden würde. In Hyrule wehte nun der Wind nicht mehr. Die letzten Tiere standen wie wundersame bunte Körper, die ein Meister mit talentierten Händen erschaffen hatte, überall. Sie waren von dem Lied des Niedergangs überrascht worden und hatten zum Teil bizarre Haltungen angenommen. Auf den langen Gräsern der Steppe glitzerte eine Schicht Stillstand wie flüssiges Wachs. Über den Städten lag ein bunter Mantel, ein Bild aus tausenden bunten zusammengesetzten Scherben. Und im Haus der Götter weinten die Göttinnen jeweils eine rote, eine blaue und eine grüne Träne, uneins mit ihren göttlichen Herzen. Auch jene Herzen standen nun still. Ganondorf, der König, der Hexenmeister und das Monster. Seine Gesichter. Sein Hass und das verkohlte Herz, welches schwarzes Blut in seinen entstellten Körper pumpte. Er war nun selbst ein Opfer eines Niedergangs, den er der Welt bringen wollte… Zwei Herzen jedoch schlugen weiter. Nur zwei Herztöne in einer toten Welt, die einmal mehr stillstand wie zu oft in ihrer grausamen Geschichte. Mit großen Augen der Verwunderung tippte Klein-Link mit seinen unbeholfenen Kinderhänden an die spitze Nase seines Fast-Papas. Der Heroe war schlichtweg erstarrt. Die Okarina saß noch leicht an seinen Lippen. Seine Augen waren fest verschlossen. Sein Gesicht konzentriert und angespannt. Und eine Schicht, magisch, unzerstörbar, schillerte um ihn. Auch Zelda war erstarrt, umgeben von kristallenen Funken, umgeben von Regenbogenfarben wirkte sie mit ihrer edlen Gestalt fast heilig… „So, und was tun wir jetzt, Navi?“, fragte Klein-Link vorsichtig. Seine himmelblauen Augen verweilten immer noch bei seinem großen Vorbild. „Na was wohl, du Schlauberger?“, murrte sie, krallte sich das Medaillon und hielt es dem Götterkind vor die Nase. Erschrocken wich dieses zurück und fixierte dann das Medaillon. „Hast du vergessen, was uns Nayru gesagt hat?“ Klein-Link zwinkerte verräterisch, was Navi zunächst nicht sonderlich beeindruckte. Sie runzelte lediglich die Stirn und hängte den Kopf schief. „Du hast das nicht wirklich vergessen?“, fragte sie mit scharfem Unterton. Und da hatte sie den grünbemützten Dreikäsehoch ertappt. „Ähm… was vergessen?“, sagte er. Und als könnte diese Antwort nicht schon nerv tötend genug sein, platzierte Klein-Link eine Hand hinter seinem Kopf und kratzte sich. Navi rollte ihre Augen und grölte: „Du hast das Wichtigste unserer Mission vergessen, du Nichtsnutz!“ Navi schnaufte und wurde fuchsrot in ihrem Gesicht. „Ich glaub‘ es einfach nicht.“ Wütend stapfte sie von einer Ecke des Raumes in eine andere und schüttelte bloß den Kopf. „Das ist typisch Mann. Aufmerksamkeitsdefizit hoch dreizehn. Womit habe ich das bloß verdient?“ Sie hob ihre dicklichen Kinderhände in die Höhe und wären sie beide nicht die letzten Menschen auf der Welt, wären sie es jetzt durch ihre geschauspielerte Verzweiflung. Anscheinend war auch dieses gekünstelte Gerede eine von Navis großen Stärken. Sie wusste, wie man jemanden nerven konnte. Und sie übertrug ihre Eigenschaften nicht allzu gern auf andere, um von sich abzulenken. Klein-Link, nun doch ein wenig unwohl in seiner Haut, tapste der verzweifelten Navi hinterher und kratzte sich noch einmal am Kopf, bis ihm das kleine Licht aufging. „Oh, du meintest, dass wir mit unseren Wünschen, die wiederrum in unserm Blut liegen, durch die Welten reisen sollen, um alle Links zu rufen, richtig?“ Navi drehte sich zu ihm und schenkte ihm einen Blick, der vorwurfsvoller nicht hätte sein können. „Ähm…“, lachte der Bengel nun unsicher. „Dann würde ich meinen, lass uns loslegen.“ Er grinste jenes Grinsen, dass er sich von seinem Fast-Vater abgeschaut hatte und wusste im selben Moment an Navis skeptischen Blick, wie wenig sie dieses leiden konnte. Er nahm den Dolch, welches einer Miniatur des Masterschwertes glich in seine linke Hand und ritzte sich ganz vorsichtig den Zeigefinger auf. Ein Tropfen Blut sickerte und tropfte dann mit Bedacht in die Mitte des Medaillons, wo das Abbild des alten Lebensbaums keine Blätter mehr trug. Plötzlich donnerte ein schriller Schrei, gefolgt von einem gleißend hellen Strahl direkt aus dem Medaillon, prallte an die Steindecke der kleinen Kneipe und noch ehe sich Navi und Klein-Link versahen, wurden sie von dem Licht getroffen. Ihre kleinen Gestalten lösten sich in Sekundenschnelle auf, wurden hinfort getragen zu dem Ort ihrer ersten Mission. Alles, was von ihnen blieb war ein Lufthauch und die Hoffnung auf ihre Rückkehr, um das alte Hyrule und die zerstörte Erde zu retten. Und auf der Erde, wo alles Leben stillstand, wo die Uhren nicht mehr tickten, wo die Geschichte eine Wendung erfuhr, spielte noch immer eine Melodie. Sanft und leise, traurig, aber mit Zuversicht. Und wenn ein Wesen einer anderen Dimension zufällig auf die Erde gelangen würde, so würde es nach der Spielerin suchen, die das Medaillon antrieb. Und vielleicht fand irgendwo jemand ein geisterhaftes Geschöpf, welches in ihren blassen Händen das mächtige Medaillon hielt, es immer wieder streichelte und zu seinen Klängen verführte. Ein großmütiges Wesen, welches durch Reinheit, Edelmut und Weisheit einen besonderen Platz in der Geschichte des Lebens eingenommen hatte. Irgendwo spielte sie mit ihrem Medaillon. Die Seele, die schlief. Die Prinzessin des Schicksals… Kapitel 127: „Ein neues Land… aber es wird nicht Hyrule sein...“ Teil 1 ----------------------------------------------------------------------- „Zeit und Wind dienen als Vorboten für frevelhaftes Schicksal. Da das Verderben uns heimsucht, wandeln wir auf seidenen Pfaden… die Kräfte eines neuen Gleichgewichtes der Macht erfüllen unsere Welt im Schimmer von Eis und Kristallen… Ein Hyrule, geschöpft aus Hoffnung und Magie. Eine Welt, die sucht nach seiner Königin. Unsterblich soll sie sein. Ihr Name ward ewig. Ihr Lächeln überwand den Tod…“ In einer anderen Zeit, einer Welt weit abseits, wehte in wolkenverhangener Nacht ein frischer Wind, der anders als vorige roch. Ein Wind, der wie ein farbloses, lästiges Band auf der Zunge lag. Bitter. Betäubend. Und sehr trocken. Er kündigte Frostigkeit an, Schnee und arktische Temperaturen. Ein beleuchtetes, prachtvolles Segelschiff bretterte dahin, auf in ferne Sphären. Weit weg von vertrauten Orten, durchbrach es Nebel und stürmische Gewässer. Es schien als floh es vor dem Untergang der Abenteuer, die die Welt zu bieten hatte. Es floh vor der Vergangenheit. An Bord des glanzvollen Schiffes beobachtete ein junger, in einem zerschlissenen Mantel eingehüllter Mann, nicht älter als siebzehn Jahre, das weite Meer, und verfluchte in seinen Gedanken den lästigen Wind, obwohl es immer der Wind war, der ihm einen ehrvollen Dienst geleistet hatte. Von Beginn an seiner Abenteuer war der Wind sein ruheloser Begleiter gewesen. Der Bursche trug eine Kapuze, die sein Gesicht fast vollständig verdeckte. Allein seine Nasenspitze stach unter der Kopfbedeckung hervor. Und was der blutjunge Mann sah, in der Ferne und noch weiter… war nichts als Meer. Meer… Riesige, dunkelblaue Wellen, die über die See hetzten, alles mit sich rissen, was sie begehrten. Nichts als schäumende Wogen. Ein leeres, trauriges Meer. Meer… unendliche Weite, die keinen Anfang und kein Ende hatte, deren einziges Ziel sich darin zeigte, zu beherrschen, was unentrinnbar ist… Und er mitten darunter, fühlte sich krank, fühlte sich irgendwie betäubt von dem bitteren Wind, der wie ein Stromschlag durch seine Glieder tobte. Er wühlte schließlich in einer Seitentasche seiner moosgrünen Tunika und nahm daraus einen schiefrigen, mehrfarbigen Stein, den er einst am Grund des Meeres als Erinnerungsstück eingesammelt hatte. Ein wunderschönes Andenken an das alte Hyrule. Er schimmerte an manchem Stellen und besaß alle Farben der Welt. Der junge Mann ließ jenen ein wenig in seiner linken Hand wandern, und warf ihn so weit wie er nur konnte hinaus, beobachtete, wie er über das Wasser hüpfte, bis er unterging und dann irgendwo am Grund des Ozeans liegen bleiben würde. Am Grund des Ozeans, wo etwas schlief, dass er vermisste, dass er einst kannte. Eine Welt ohnegleichen. Er hasste diese Gedanken. Er musste endlich mit der Welt am Grund des Meeres abschließen, so wie er den schiefrigen Erinnerungsstein soeben weggeworfen hatte. Aber immer wieder krochen die alten Bilder an die Oberfläche. Der blutrünstige Kampf am Grund des Meeres. Diese alte, geheimnisvolle Welt am Grund des Meeres, die für immer vergessen sein sollte, mitsamt ihrer Wunderwerke… Er hasste vor allem diesen Gedanken. Sicherlich, er ermahnte sich immer wieder, besann sich auf die letzten Worte des stolzen Königs der alten Welt. Jener hatte einst gesprochen, wie es nur ein König tun konnte… „Irgendwann wird sich für den Helden des Windes alles in Frage stellen, irgendwann wird er wissen, welchen Weg das Schicksal für ihn vorgesehen hat. Und er wird verstehen, begreifen, sich wünschen, vieles wäre nie geschehen, seine Entscheidungen wären andere gewesen. Zeit und Wind sind Vorboten für das Unumgängliche…“ Dennoch, wie lange sollte er noch darauf warten? Seit fünf Jahren suchten seine Gefährten und er nun schon nach einem neuen Land, hatten viele Dinge erlebt, zuletzt den Schrecken mit der sagenhaften Phantomuhr. Um seine Mundwinkel erschuf sich ein mehrdeutiges Grinsen. Nun, zumindest war er nicht der einzige, dem es so ging. Er war nicht der einzige, der ungeduldig auf die Erfüllung der Prophezeiung wartete. Es gab jemanden, der diesbezüglich noch viel ungeduldiger war. Auch wenn sie es nicht so sehr zeigte. „Du stehst immer noch hier draußen?“, erklang es in dem Augenblick direkt hinter ihm. Es war eine vertraute, befehlsgewaltige Stimme, die er im Schlaf erkennen würde. Ein wenig verwundert wand er sich dennoch um die eigene Achse und schaute ein Mädchen an, welches sich in seinem Alter befand. Sie stand im Licht der rauchenden Fackeln und vergilbten Lampen, die einer der Piraten aufgehängt hatte. Im Wind flatterte das Feuer der Lichtquellen ungeduldig. Die Geister des Feuers waren lebendig in dieser Nacht. So lebendig wie die junge Frau vor ihm. Wie immer hatte sie ihre Arme verschränkt, eine ablehnende Haltung, die sie sich nie abgewöhnen würde. Und dennoch, von dem einstigen elfjährigen Mädchen war nicht mehr viel zu erkennen. Sie hatte sich in den sechs Jahren gewandelt, war erwachsener geworden… und vielleicht auch… irgendwie- was er selbst immer ignorierte- weiblicher… Er zuckte mit den Schultern und blickte dann mit seinen meerblauen Augen in ihre ebenfalls blauen. Einige hellblonde Strähnen ihres unsanft zusammengeklemmten Haares verstreuten sich auf ihrem Gesicht. Der kalte Wind ließ ihre Wangen und die zarte Nasenspitze rosa färben. Aber es machte sie… irgendwie- und auch das ignorierte er wieder- schön. Ungeschickt drehte er sich um und starrte wieder in die Düsternis des nächtlichen Ozeans. „Mach‘ dir dein Herz doch nicht so schwer, Link…“, sprach sie dann leise. Verständnis. Wärme und nahezu überwältigende Herzlichkeit sprachen da aus ihr. Eigenschaften, die er von der damaligen jungen Piratin nicht kannte. Manchmal, so erschien es ihm, war die alte Tetra mit der Welt am Ozean untergegangen. Sie war nicht mehr die gleiche, gelegentlich hörte sie ja nicht mal mehr auf den Namen Tetra… „Was meinst du?“, murmelte er dann und lehnte seine starken Arme- ja, er trainierte täglich- auf das Holzgeländer. Er wusste nicht, warum er sich jeden Tag an Deck so abhetzte. Er übte täglich mehrere Stunden mit dem Schwert, lernte und trainierte, wollte sich stärken, wollte so stark sein wie kein Held vorher. Er wusste ja nicht einmal, ob die Helden in der Vergangenheit überhaupt so stark waren wie er im Augenblick. Und dann seufzte er. Tetra hatte recht… er machte sich das Herz schwer, vermisste den Sinn, vermisste irgendwie das Abenteuer und gelegentlich auch menschliche Nähe, von der man an Bord nicht viel hatte. Tetra konnte manchmal so zickig sein, nicht wie im Augenblick. Sie konnte manchmal einfach nur unheimlich kompliziert sein. „Was meinst du…“, wiederholte er noch einmal, weil aus Tetras zuckersüßen Mund- verdammt, warum musste er auch so denken- noch keine Antwort kam. Und erneut verfluchte er sich innerlich. Die Ungeduld, ein neues Hyrule zu finden, wurde sicherlich von einer anderen pubertären Ungeduld noch geschürt. Und als könnte seine heimliche Frustration nicht schon genug sein, begann die junge Piratin auch noch, sich an seinen Rücken heran zudrücken, umarmte seinen Bauch und war ihm einfach nur nah. Er wollte schreien, wegen diesem unersättlichen, angenehmen Gefühl in sich. Das Blut schoss ihm in die Wangen. „Tetra?“, fragte er leise und wollte schon fragen, was sie da tat. Und da kam die wahre Tetra auch schon wieder zum Vorschein. „Halt einfach bloß den Mund, Link, mir ist kalt“, murrte sie, ein wenig zickig und ein wenig genervt. „Ähm, in Ordnung“, war seine banale Antwort. Und nun hatte die ausgefuchste Piratin es geschafft, dass er von sich selbst genervt war. Anstatt sie in einer solchen Situation einfach mal abzuweisen, das schaffte er nicht. Immer wieder suchte sie seine Nähe, und immer wieder ließ er es zu. Und das, gerade das… ließ ihn sich selbst so schwach sehen. Oh ja, er war herrlich schwach in ihrer Nähe… „Zelda?“, sagte er leise. „Mmh…“, begann sie launisch. Er war der einzige, der sie so nennen durfte. „Warum tust du das immer wieder?“ Er hob eine Augenbraue und drehte sich zu ihr um. Er packte ihre beiden kalten Arme mit seinen groben Händen und stieß die junge Dame langsam zurück. Er wusste ja, dass sie beide immer eine besondere Freundschaft hatten, aber seit dem Vorfall mit Linebeck und der Phantomuhr suchte sie mehr seine Nähe als jemals zuvor. Er misstraute ihrem Verhalten sogar ein wenig. War etwas geschehen, was er vielleicht nicht wusste? Hatte sie mehr gelitten, als sie zu Stein erstarrt war, als sie zugab? Er wusste sich einfach keinen Rat, und wenn er sie darauf ansprach, dann lachte sie, hob eine ihrer umwerfenden, schmalen Augenbrauen und er erhielt einen gehörigen Anpfiff. „Warum tue ich was?“, murrte sie, fixierte ihn mit ihren schlauen, strengen Augen, die gelegentlich aus dem Nirgendwo auftauchten, wenn er etwas Dummes plante. Dann stemmte sie ihre schönen Hände in die Hüften. Da, genau da, dachte Link, mit solchen überflüssigen Bewegungen fing es an. Wie sie sich schon kleidete, in dieser knappen, weißen Hose, dem engen rosa Oberteil und dann noch diese… Er gab auf, Wörter dafür zu finden… Sie war einfach so frech, so verdammt frech… und… Es regte ihn maßlos auf… Wie konnte sie nur so aussehen wie sie eben aussah… Unverschämt. Einfach nur… Und in dem Moment rollte Link seine Augen und drehte sich wieder um. „Warum gehst du nicht einfach zurück in deine Kabine und lässt mich ein wenig nachdenken?“, sagte er dann, versuchte freundlich zu klingen. „Was hältst du davon, wenn ich dir den Befehl gebe, dass du mitkommst?“, erwiderte sie, höflich, aber mit scharfem Unterton. Und das, genau das, war die nächste Sache, die ihn so aufregte. Sie gab ihm einfach Befehle. Diese Prinzessin. Diese ausgefuchste Piratin! „Nun, ich fürchte, ich habe einfach keine Lust schon wieder nach deiner Pfeife zu tanzen“, sagte er bemüht, einen ruhigen, sachlichen Ton zu bewahren. Und normalerweise lief diese Sache so ab, dass Tetra so lange irgendwelche spitzen Wörter fand, bis er aufgab. Aber heute, in der Nacht des beißenden Windes, schien irgendetwas anders zu sein. Die blonde junge Frau gab nach, was Link zunächst für den Inbegriff einer neuen Kriegserklärung von Seiten des Kapitäns hielt. Tetra jedoch blickte zu Boden. Ihr hellblondes, weiches Haar fiel ein wenig über ihr schmales, hübsches Gesicht. Dann biss sich auf die Lippe und anstatt eines weiteren zickigen Wortes, drehte sie ihm den Rücken zu. Sie umarmte sich selbst. Sie sagte kein weiteres Wort und lief langsam wieder zurück in den warmen, inneren Bereich des Schiffes. Link war verwirrt. Ihn ergriff die Sehnsucht in dem Augenblick in ihre hellblauen Augen zu sehen, darin irgendetwas zu lesen, nur um zu begreifen, warum sie sich so verhielt. Er verstand nicht, was los war. Hatte er irgendetwas verpasst? Und so stark der Link dieser Geschichte auch war, seine Sensibilität war womöglich die eines Urzeitmonsters. Er war nicht mehr der elfjährige naive Schüler des großartigen Königs Daphnos Johanson von Hyrule. Er war eben auch erwachsen geworden in mancher Hinsicht. Und die Weinerlichkeit von damals, über die sich auch Tetra gelegentlich lächerlich gemacht hatte, war schlichtweg erloschen… Er war ein Mann geworden und würde sicherlich nicht mehr in den kindischen Zustand jenes elfjährigen Kindes zurückfallen. Nachdenklich tapste er voran, und zwang sich seine schwermütigen Existenzgrübeleien für diesen Abend zu ignorieren. Er würde sich schlafen legen und Tetra… sie würde morgen auch wieder so sein wie immer. Er gähnte herzlich, blickte noch einmal mit scharfen blauen Augen zurück und ging ebenfalls den Weg in die Kabinen. Gerade als der Link dieser Geschichte die knarrende, mehrfach reparierte Tür zu den Kabinen hinter sich schloss, purzelten aus dem Nirgendwo zwei schimpfende Wesen auf das blankpolierte, dunkle Schiffsdeck. Eine unbeholfene Navi landete direkt auf ihrem Po und begann in einer überdreht hohen Feenstimme zu jammern. Klein- Link hatte es da besser, landete bauchseitig auf ihrem Schoß, und ruhte sich für einen unschuldig wirkenden Moment direkt auf Navi aus, die ihn nach Wahrnehmung nur mit ihrem sommersprossigen Gesicht anschaute und keine Beschreibung für seine Unverfrorenheit fand. Er grinste dann und hüpfte auf seine Beine. Entschuldigend reichte er der Fee eine helfende Hand und zog sie auf ihre dicklichen Kinderbeine. Sie beäugte ihn weiterhin misstrauisch, sagte aber nichts. „Nun, wenigstens bist du die einzige, die einen blauen Hintern hat“, lachte er dann und hatte keine Ahnung, welch‘ Fettnäpfchen er da verkohlen ließ. Sie schnaubte, aber unterließ es auf seine dümmlichen, unnötigen Kommentare, die sie auch von dem erwachsenen Link her kannte, zu reagieren. Sie war schließlich reifer als so ein verzogener Naseweis, richtig? Dann endlich schauten sie sich fasziniert um, fanden sich auf einem gigantischen Segelschiff wieder mit mehreren Segelmasten und einem hohen Aussichtspunkt viele Meter weit oben. Überall war irgendetwas platziert. Dicke Fässer, gefüllt mit irgendeinem Gut. Riesige Kisten mit irgendwelchen kostbaren Waren. Rechter Hand lagen ausgebreitet alte Fischernetze, wo noch ein einzelner Fisch darin zappelte. Und hinter den beiden Knirpsen war eine häufig benutzte Tür ins Schiffsinnere. Navi zitterte in ihrem blau-weißen Kleidchen, fühlte den starken, vielmehr wütenden Wind, der zornig um das Schiff jagte. Es war schaurig, hier umgeben von den Fackeln und altmodischen Lampen wirkte das Meer und die Dunkelheit der Nacht noch bedrohlicher als ohnehin schon. Und sie beide waren noch nie auf einem Schiff gewesen. Das nicht ignorierbare Wackeln des Schiffes und die seltsamen, knarrenden Laute, die es dabei von sich gab, waren beängstigend. „Wow, wir sind in der Welt von Windwaker“, jubelte Klein-Link. „Pst!“, murrte Navi dann und stupste Klein-Link wie immer in seine Rippengegend. „Schau mal dort oben.“ Und ihr knubbliger, rechter Zeigefinger wanderte hinauf zu dem Beobachtungsturm, von woher ein tiefes, zufriedenes Schnarchen schallte. „Dort oben hält wohl jemand Wache, der seinen Posten nicht gerade ernst nimmt. Wir haben Glück, nicht entdeckt worden zu sein, womöglich wären wir sonst von Bord geflogen“, flüsterte sie. Sie packte Klein-Link am Kragen seiner waldgrünen Tunika und zog den um sich schlagenden Bengel einfach mit hinter einige Fässer, die dicht neben einer abgenutzten Tür ins Schiffsinnere standen. „Du hättest mich ja wenigstens vorwarnen können, was du vorhast. Ich wäre auch selbst hinter die Fässer gelaufen“, murrte der Bengel. „Ach so?“, zickte die einstige Fee und wackelte mit ihrer Nase, als ob sie gleich niesen musste. „Blöderweise siehst du so aus, als ob du manchmal nicht annähernd wüsstest, wie man seine Beine bewegt.“ Klein-Link ballte seine linke Hand zur Faust und wollte gerne auf Navis Beleidigungen eingehen, als aber die Tür ins Schiffsinnere aufgestoßen wurde. Mit voller Wucht knallte das hilflose Stück Holz an die dahinter befindliche Wand, knarrte und quietschte bitterlich. Eine junge Frau mit kochend rotem Kopf kam heraus gestapft und suchte anscheinend nach einem Opfer für ihren folgenden Wutausbruch. Dennoch… sie war einfach total schön und attraktiv. Ihr platinblondes Haar, welches sie gerade noch achtlos in einem unsauberen Zopf untergebracht hatte, löste sich und es fiel glatt und seidig an einer enganliegenden, rosafarbene Tunika mit tiefem Ausschnitt hinab. Über ihrer Hüfte trug sie einen schweren Gürtel mit Eisenbeschlägen. Mehrere Dolche hingen daran. Und ihre schlanken und sogar durchtrainierten Beine schmückte eine verboten knappe weiße Hose. Sie klopfte sich mit einer Hand auf ihre rechte Schulter, die anscheinend ein wenig schmerzte bis sie sich die kühlen Arme rieb. Tatsächlich schien der Wind immer beißender und kälter zu werden. „Wow, ist das die Zelda dieser Welt?“, flüsterte Klein-Link und deutete auf die junge Frau, die auch von Navi interessiert gemustert wurde. „Die ist ja feuriger als Naboru“, lachte Klein-Link und rieb sich die Hände. Eine wunderbare Begeisterung packte ihn. Wenn er und Navi schon durch die unterschiedlichsten Welten zogen, war es doch bestimmt interessant jede Zelda und jeden Link genau kennenzulernen. Vielleicht gab es sogar gewisse Dinge, die Navi und er tun konnten auf ihrer Mission. Und vielleicht gab es so manche Gelegenheiten irgendetwas in Ordnung zu bringen. Die junge Piratin trampelte mit groben Schritten hin und her, bis sie direkt vor den Fässern stand und trat mit einem Fuß einmal kräftig dagegen. Gerade so konnte das Götterkind einen Überraschungsschrei unterdrücken und Navi hielt sich vorsorglich ihren rosa Kindermund zu. „Dieses Trampel“, schimpfte jene Zelda. Und für einen herzlichen Moment dachte Klein-Link schon, er wäre damit gemeint gewesen. „Kann er sich nicht einmal…“ Sie wiederholte diesen Satz. „… nicht einmal…“ Dann wurde sie leiser und atmete tief aus. „… nicht einmal so verhalten wie früher. Warum hat sich nur alles verändert?“ Ihre blauen Augen, die viel Ähnlichkeit mit jenen Augen der heutigen Zelda hatten blickten hinauf an das stürmische Himmelszelt, die das Gesicht der Nacht verzerrte. Man sah ihr förmlich an, wie Gedanken an alte Zeiten sie einholten. Warme Augenblicke zogen an ihr vorüber, die sie vermisste. Es war ja nicht so, dass sie sehr viel verlangte. Sie war ja nicht der Typ für ständige Umarmungen oder dergleichen. Aber manchmal… da… da hatte sie einfach Sehnsucht nach so etwas… Sie wusste ja selbst nicht einmal, warum sie sich das ausgerechnet von diesem Trampel Link wünschte! Dann trat sie noch einmal frustriert an eines der Fässer und stapfte wutgeladen einige Schritte weiter. Ebenso konnte sie sich diverse Aufmerksamkeiten von einem ihrer Seemänner holen. Aber naja… ein Gedanke an die unrasierten, fettigen Gesichter, und die Mundränder, an denen Bier hing, schreckten sie nun doch davor ab. Link war nie ein Vergleich zu Niko, Seneca und den anderen gewesen. Er pflegte sein Äußeres. Er trainierte. Er trank kein Bier. Er… Zum Teufel, dachte sie. Es hatte keinen Sinn. Sie konnte Unmengen von Eigenschaften aufzählen, die ihn in positives Licht rücken würden. Aber Link hatte sich eben von seiner Persönlichkeit in den letzten Monaten sehr verändert. Er würde nie wieder der junge, unbeholfene Matrose sein. Nie wieder der kleine, selbstlose Heroe sein, der so naiv dreinschauen konnte. Und Link würde nie wieder so grinsen wie früher… so charmant? Sie seufzte, streckte sich und rieb sich mit einer Hand wieder die rechte Schulter. Sie schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern, als würde jemand vor ihr stehen. Dann wanderte ihr hübscher Kopf in die Höhe zu dem Wachturm, wo ein herzliches Schnarchen das Meer in den Schlaf lullte. Ihre Hylianerohren waren gespitzt. Und ihr feuriges Wesen lag auf der Lauer. Sie grummelte etwas und stapfte dann noch wutgeladener als vorhin in Richtung des Turmes. „Niko, na warte!“ Ihre hübsche Stimme wurde trocken und verdrießlich. Anscheinend hatte sie nun endlich den Matrosen entdeckt, der seine Aufgabe alles andere als ernst nahm und lieber in süßen Träumen schwelgte. Tatsächlich war das Schnarchen nicht zu überhören. Noch einmal rieb sie sich die rechte Schulter und kletterte dann schnell und augenscheinlich mühelos mit ihrem durchtrainierten Körper eine rutschige Leiter nach oben. „Wow, und genauso sportlich wie Naboru ist die auch!“, staunte das Götterkind. „Einfach gigantisch.“ „Bist du bald mal fertig, du Schürzenjäger? Ich wusste gar nicht, dass du so eine Leidenschaft für unsere Wüstenkriegerin hast“, war der Kommentar seiner kindlichen Begleiterin, die es sich einfach nicht verkneifen konnte. Dem Götterkind stieg ein wenig die Schamesröte ins Gesicht, aber er versuchte es zu verleugnen. „Na und? Wenigstens habe ich es nicht nötig mir irgendwelche Schnulzen durchzulesen wie du!“, pfefferte er zurück. Navi trotzte, dampfte wie ein alter Stier und verschränkte die Arme. Gerade da machte es unvorhergesehen Klick in dem unverschämten Kopf, den Klein-Link mit sich herumtrug. Sorgsam schaute er sich um und tapste aus dem sicheren Versteck hervor. „Sag‘ mal, spinnst du?“, flüsterte Navi und wollte ihm noch hinterhergehen, aber da war Klein-Link schon lange bei dem Turm angekommen. Hilflos konnte die Fee bloß zu schauen, wie er ebenfalls ein Stück den Turm hinaufkletterte um das Gespräch zu belauschen. „Verdammte Feengrütze. Ich hasse dich, Klein-Link!“, brummelte sie, spürte Schweißtropfen an ihrer Stirn perlen und stak in einer bitteren Nervosität fest. Was, wenn Klein-Link aufflog? Was sollte sie tun, wenn irgendetwas mit ihm passierte? Link und Zelda würden sie köpfen! Sie war schließlich der Aufpasser dieses Zwerges! Sie setzte an zu einem Schrei, aber unterließ jenen dennoch. Vorsichtig lugten ihre giftgrünen Augen über die Fässer hinweg, schielten beunruhigt zu Klein-Link und beobachteten das Geschehen. Tetra war indes an der Spitze des Wachturmes angekommen, entdeckte den schlafenden Piraten, der sich auch noch eine wollige Decke und ein dickes Kissen mit hier hoch genommen hatte, und war ein wenig enttäuscht von diesem Pack, welches jeder Faulheit Vorzug vor Pflichtgefühl gab. Sie trat nach ihm, sodass jener Pirat Niko, wahrlich der kleinste und unbeholfenste, von seinem Kissen rutschte. Nur spärlich schlug er seine demütigen Augen auf, öffnete seinen spitzen Mund mit der auffälligen Zahnlücke um lediglich zu grinsen und erkannte sogleich seinen Kapitän vor sich. Ihre Hände in die Hüften gestemmt und das edle Gesicht verzogen zu einer bitteren Fratze, wusste er, was ihn erwartete. „Niko! Wie oft eigentlich noch? Jedes Mal, wenn du hier Ausschau hältst, verfehlen wir unsere Route, entdecken mögliches Festland nicht! Nimmst du eigentlich nur eine der Aufgaben ernst, die ich dir gebe?“ Er kroch auf allen Vieren näher, um seinem Kapitän womöglich noch die Füße zu küssen. „Verzeihung, Miss Tetra. Es kommt nicht wieder vor.“ „Wie oft hast du das schon gesagt?“, erwiderte sie kalt und schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, Miss Tetra, ich war so müde“, erklärte er mit seiner piepsigen Stimme und schien vor ihr zu beten. „Na gut, ist jetzt auch nicht mehr zu ändern“, sagte sie, blickte hinaus auf das fremde Meer und schien von einer Sekunde auf die andere ihr sonstiges Temperament abzulegen. Dann klopfte sie sich wieder auf ihre Schulter und verzerrte kurzfristig das Gesicht. Der kleine Pirat Niko rückte seinen gestreiften Hut zurecht und kratzte sich an seinem Dreitagebart. Es war nicht zu übersehen, dass er sich wunderte. Normalerweise war Tetra so gehässig, so fies und kommandierte jeden herum. Sie war so ruhig heute, das wunderte ihn sehr. „Miss Tetra. Eine Frage…“, fing er an, worauf sie sich zu ihm wand. „Warum kann nicht Link mal diesen Posten übernehmen. Es ist ewig her, dass er sich um die Belange unseres Schiffes gekümmert hat“, meinte er vorsichtig und kroch wieder zurück, um seine Decke und sein Kissen an sich zu nehmen. „Wir sind es alle langsam leid, dass er nicht einen Finger für dieses Schiff rührt. Ich geb ja zu, ich bin auch nicht der Fleißigste. Aber er tut den ganzen Tag nur das, was er will. So kann das nicht weiter gehen. Gonzo und die anderen sind in letzter Zeit nicht mehr gut auf ihn zu sprechen.“ Der kleine Taugenichts Niko dachte schon, er bekäme die Predigt seines Lebens, aber stattdessen drehte sich Tetra zu ihm um und lächelte mitfühlend. „Danke, Niko… ich denke, es war nötig, dass du mir das gesagt hast. Es stimmt…“ Sie lehnte sich sachte an das Geländer hier oben und verschränkte die Arme. „… so kann es nicht weiter gehen. Entweder Link ändert seine egoistische Einstellung, oder er muss das Schiff verlassen.“ Das waren harte Worte, die der kleine Pirat da hörte, aber es wunderte ihn nicht sonderlich. Auch Tetra war nicht mehr so gut auf Link zu sprechen. Woran es lag, das wusste er nicht. Er bemerkte nur lediglich, wie trübsinnig Tetra dreinschaute, wenn Link einfach das tat, was er wollte, sich nicht um die anderen kümmerte, und noch weniger um die Freundschaft, die einst zwischen ihnen allen war. „Na gut, Niko, geh in deine Kabine, ich bleibe bis zum Morgengrauen hier. Schlaf dich aus!“ Sie grinste ein wenig, und Niko jubelte. „Aber die Decke lässt du mir hier“, sprach sie und hob eine Augenbraue. Nickend reichte er ihr jene und begann geschwind die Leiter hinabzuklettern. Sie umhüllte sich schließlich damit, ließ die wohlige Decke den Wind doch weniger grausam und kalt erscheinen. Dann starrte die stolze Piratenfrau in die endlose Düsternis. Kein Gott würde im Moment ihre Gedanken lesen können… Im letzten Augenblick war Klein-Link die Leiter hinabgesprungen, um nicht unmittelbar von Niko entdeckt zu werden. Hektisch hüpfte er von einer Ecke in die andere, aber konnte sich nicht schnell genug entscheiden, wo er sich nun verstecken sollte. Und als Niko über das Deck des Schiffes schlürfte, benommen, sich im Halbschlaf gerade so zu seiner Kabine bewegend, stand Klein-Link einfach nur da. Niko lächelte breit, grüßte ihn sogar noch, schien ihn ja nicht einmal richtig zu registrieren. „Guten Abend, Matrose. Herrliche Nacht um zu schlafen“, sang der kleine Niko und schlürfte mit dem Kissen, welches beinah größer war als er, an dem Götterkind vorbei. „Ja, herrliche Nacht!“, erwiderte Klein-Link unsicher und begann zu schmunzeln. Niko nickte, sang und tapste einfach weiter, bis er im Schiffsinnerem verschwunden war. Als jener außer Sichtweite war, begann das Götterkind lauthals zu lachen und hüpfte freudig wieder zu Navi. „Das nenn‘ ich Spaß“, gab er noch an. „Der hat nicht mal geschnallt, wer ich bin, und dass er mich gar nicht kennt.“ Sie fand das wie immer weniger lustig und gab ihm sogleich einen ernüchternden Schlag auf den kindischen Hohlkopf. Aua… „Mmh, aber der Link dieser Geschichte scheint ein komischer Kerl zu sein“, bemerkte Klein-Link dann und rieb sich über den Kopf. „Der Pirat Niko hat gemunkelt, er wäre ziemlich selbstsüchtig.“ „Link und selbstsüchtig?“, meinte Navi und hüpfte auf ihre Beine. „Das glaub ich nicht.“ „Es soll aber so sein. Tetra hat gesagt, er soll vielleicht das Schiff verlassen“, behauptete sich das Götterkind. „Das werden wir noch sehen, ich glaub das nicht.“ „Wie du meinst“, murrte der Bengel, hatte er schließlich keine Lust sich schon wieder mit Navi anzulegen. In dem Moment knarrte es heftiger als gewöhnlich auf dem Schiff. Ein zerberstender Ton, als würde etwas das stolze Segelschiff in der Mitte auseinanderreißen. Ein Blitz krachte stimmungsvoll und gefährlich vom Himmelsdach nieder und schlug in der Nähe des Steuers ein, hinterließ eine in Flammen stehende Kiste. „Um Himmels Willen!“, kreischte Navi und blickte sogleich voller Angst in das Himmelszelt. Klein-Link rannte unbedacht zu der Kiste, egal, ob er von der Crew entdeckt wurde, und wedelte mit einer Plane, um den Brandherd zu löschen. Auch Tetra kam angestürmt, schaute zunächst verwundert zu dem Mädchen und dem Jungen, der so aussah wie Link, aber dann interessierten die beiden Winzlinge nicht sonderlich. Wie angestochen rannte sie zu dem Steuer und läutete dort eine lärmgewaltige Glocke, um ihre Seemänner an Bord zu holen. Navi und Klein-Link beachtete sie inzwischen nicht mehr. Ihr Schiff war in Gefahr. Und das hatte äußerste Priorität. Im Mittelpunkt des Meeres war die Welt grausam und düster. Ein Schiff war wie ein unbedeutendes Staubkorn innerhalb des riesigen Ozeans, und wie oft erlag es dessen Unvorhersehbarkeit. Tetra hatte nie ihr Schiff einer Katastrophe überlassen und so würde es auch in Zukunft bleiben. Ihr Schiff war ihr Zuhause, wie ein Land, welches sie beschützen würde. Mit Seilen klammerte sie sich an das Steuer und hielt es straff. Sie blickte mit ihren strengen Augen zu dem Götterkind, welches es endlich geschafft hatte, das Feuer zum Erliegen zu bringen und nickte ihm zu. „Danke!“, rief sie. Und da wusste Klein-Link, dass er auf diesem Schiff willkommen war. Navi glotzte nur verwundert, als er auch noch zu der andersartigen Zelda hinüberrannte und ihr half das Steuer festzuhalten. „Ich weiß zwar nicht, woher du kommst, und was du hier willst, aber ich danke dir“, sagte die Piratin. Und daraufhin grinste auch der Bengel. Der Knirps hatte es einfach drauf, dachte Navi. Er kannte keine Ängste, war immer bedacht, anderen in Notlagen zu helfen. Genau das machte einen ‚Link‘ aus. Diese war eine der edlen Eigenschaften eines der legendären Helden der magischen, geheimnisvollen Welt Hyrules. Auch das Götterkind würde an dem Rat teilnehmen, das ahnte Navi nun. Sie lächelte ein wenig und schaute zu Tetra und Klein-Link hinüber. In dem Augenblick donnerte es unheilvoll. Und erneut knallte ein spiegelblanker Blitz in Sekundenschnelle mit großartiger Zerstörungskraft hinab, verfehlte das Schiff nur knapp. Eine Dampfwolke tat sich auf, dort, wo der Blitz in das Meer schlug. Bitterer Rauch tauchte das Schiff in Düsternis. „Was ist hier nur los? Das geht nicht mit rechten Dingen zu!“, rief Tetra und endlich kamen auch ihre Seemänner an Deck. Der stolze Gonzo mit seinen breiten Armen. Der verschlafene Niko. Der ein wenig von der anderen Seite stammende Seneca, wie auch Narzo, Zuko und Mokko. Allesamt hatten sie Tetras Läute gehört. Alle, außer Link… Mit hochgestellten Augenbrauen beäugte Gonzo Navi und auch Klein-Link, ließ beide aber unbedacht, als er die sich anbahnende Katastrophe erkannte. „Miss Tetra!“, rief er. „Ich übernehme!“ Seine tiefe Stimme schallte umher und schallte nach, als wäre sie ein Gegenfeuer zu den Blitzen, die vom Himmel tobten. Geschwind übernahm er das Steuer. „Wir müssen schauen, dass wir das Schiff aus diesem Blitzhagel herausbringen!“, rief Tetra und erteilte jedem ihrer Männer eine Aufgabe, die sie alle sogleich befolgten. „Aber wo ist Link?“ Die meisten schüttelten den Kopf, andere zuckten die Schultern. Tetra schloss die Augen und seufzte nur: „Verstehe…“ Sie hatte kaum zu Ende gesprochen, als ein weiterer Blitz niederknallte. Mit erschütternder Helligkeit prallte er über das Deck und schlug irgendwo hinter dem Schiff ins kalte Meer. Als ob einer der Götter mit ihnen spielte, tobten jene Blitze, rasten an ihnen vorbei und hinterließen nichts als Furcht und Schrecken. Weitere Blitze krachten nieder, und alle an Bord schauten hinauf in die pechschwarzen Gebilde der Wolken. Etwas Übernatürliches loderte dort oben, strickte ein Nest aus Blitzen, schöpfte Bösartigkeit und Vernichtung. Eine helle Wand aus Blitzen, mehrere auf einmal, erschuf sich, verbarg den schwarzen Himmel. Jene Wand tänzelte nieder, breitete Fangarme aus, schien zu leben wie das weite Meer. Und es tobte. Säulenartig erhob es sich immer wieder, wuchs bis zum Himmel, sank wieder hinab und verbat dem Schiff die Weiterfahrt. Und dann kam das Schiff zum Stehen. Das Meer wurde ruhig, die bedrohlichen Blitze stoppten und dennoch war es jene Wand, die blieb. Eine verbotene Zone. Ein Wächter, der das Schiff nicht passieren lassen würde. Die vielen Augen auf dem Schiff sahen gebannt zu, achteten auf jede winzige Bewegung des lichtenen, weißen Vorhangs und niemand ahnte, nun, da die Blitze endeten, was sich dahinter verbarg. Und dann, in einem Augenblick voller Ruhe, wo selbst der lästige Wind anzuhalten schien, tauchten aus dem hellen Wirrwarr dutzende fransige Fangarme auf, griffen nach den Menschen, die sich an Bord des Schiffes befanden. „Macht die Kanonen fertig!“, rief Tetra, aber da war es schon zu spät. Unberechenbar schnell sausten die Arme über das Schiff, holten sich zwei der Seemänner, einschließlich des Kapitäns. Und aus dem weißen Vorhang kam endlich eine kolossale Bestie zum Vorschein, mit mehreren Köpfen und Armen. Ein riesiges geschupptes Wesen, welches aus seinen vielen mit Reißzähnen geschmückten Mäulern Blitze spucken konnte. „Ein Meerdrache! Auch das noch!“ Tetra schimpfte was das Zeug hielt und strampelte in der riesigen Pfote, die sie festumklammerte. „Wo zum Teufel ist Link?“ Hektisch bewegte sie sich, konnte einen ihrer Dolche ergreifen und fügte der weichen Innenseite der Pfote genug Wunden zu, um sich zu befreien. Mit einem gellenden Schrei fiel Tetra hinab und stieß mit voller Wucht auf die Oberfläche des Meeres auf, bis sie unterging und nicht mehr zu sehen war. Navi und Klein-Link versteckten sich derweil angstvoll hinter einem Fass. Beide fragten sie sich, wo Link war. Wie konnte einer der Helden Hyrules nur so verantwortungslos sein und seine Freunde im Stich lassen? In dem Moment rannte etwas an ihnen vorbei, was sie beide nur noch als einen grünlich- dunklen Fleck deuten konnten. Der Held dieser Geschichte hatte seine Aufgabe gefunden. Mit einem Seil zog sich der mit einem Mantel umhüllte Heroe hinauf auf einen der Köpfe des riesigen Drachens, schlug diesen behände und ohne viel Mühe von dem stattlichen, schuppenbekleidetem Wesen. Es grölte und jaulte. Es zappelte, ließ die beiden Seemänner los, die auf Deck krachten und von ihren Freunden sofort gerettet werden konnten. Der Seedrache schlug weiter um sich und zog sich langsam zurück unter die schäumende Oberfläche des Meeres. Es wurde wieder stiller auf dem Meer. Noch immer wehte ein beißender, garstiger Wind, kalt und erbarmungslos wie im Winter. Mit kühlem Blick erschien der Held jener Geschichte wieder auf dem Deck und die Kapuze rutschte nach hinten um sein Gesicht preiszugeben. Sein Haar war fülliger und länger als das von dem Link, der auf der Erde lebte. Es fiel ihm ein wenig zerzaust bis auf die Schultern. Seine Augen wirkten ein wenig finsterer umgeben von der Dunkelheit des Meeres und eine kleine Narbe verzierte seine rechte Wange. Sein Antlitz war getrübt. Er zog elegant, vielleicht sogar übertrieben spielerisch das Schwert zurück in die Scheide, kurbelte mit seinem linken Arm und schien sehr zufrieden mit sich. Ohne sich zu vergewissern, ob alle gesund und munter waren, trat er wieder in Richtung des Schiffsinneren. Klein-Link hatte einmal bei dem Spiel Windwaker zugeschaut, aber sich die Figuren der Geschichte so lebendig und natürlich vorzustellen, hätte er nie gekonnt. Sie waren eben auch Menschen, Hylianer, sie waren nicht nur obskur aussehende Figuren mit verschrobenen Gesichtern und seltsamen Proportionen. Und dieser Link war tatsächlich aus einem ganz anderen Holz geschnitzt als das Götterkind oder Navi vermutet hätten. Der Heroe war noch nicht im Schiffsinneren verschwunden, als ein Verzweiflungsschrei umher ging. „Beim Wächter der Meere, wo ist Miss Tetra?“, rief Gonzo. Alle Seemänner stürmten an die Geländer, schauten in die tiefen, verschlingenden Abgründe. Der Wellengang war noch immer so gefährlich wie vorher. Bei den Fluten und der Dunkelheit war es unmöglich einen Menschen auszumachen. „Nein, Miss Tetra…“, grölte Niko und schluchzte. „Alles nur, weil…“ Dann drehte er sich verärgert um und schaute den Heroen dieser Welt mit einem Blick entgegen, der finsterer nicht sein konnte. „… alles nur, weil Link mal wieder nicht rechtzeitig erscheinen konnte!“ Jener Link trat näher, schien Nikos Anklage einfach überhört zu haben und zuckte mit den Schultern. „Link, verdammt nochmal, Tetra ist irgendwo dort unten!“, rief Gonzo, packte den Heroen am Kragen und war nur kurz davor entfernt ihm eine Faust ins Gesicht zu rammen. „Ist sie dir denn so egal geworden?“ Gebannt sahen Klein-Link und Navi weiterhin von ihrem Versteck aus zu, wussten nicht, wie sie sich einmischen sollten, nützlich machen konnten, oder ob es überhaupt etwas brachte. Tetra war verschwunden, war womöglich bereits tot, und diese Seeleute hatten nichts weiter zu tun als sich zu streiten? „Navi, wir müssen Tetra finden“, sagte er. „Schau‘ mal, dort ist doch ein Boot, wir könnten es doch runterlassen und dann schauen, ob wir sie…“ Klein-Link hatte nicht zu Ende geredet, als Navi mit ihren blonden Locken schon den Kopf schüttelte. „Bist du lebensmüde? Du willst bei diesem Wetter mit einem winzigen Boot übers Meer schippern. Was denkst du dir eigentlich?“, sprach sie, und als sie aufblickte, konnte Klein-Link Tränen in ihren Augen sehen. „Ich hätte nicht gedacht, dass du Recht hast, aber dieser Link dort ist ein Riesen-Volltrottel.“ Dann zog sie ihre Knie zu sich. Sie war traurig deswegen, sicherlich. Sie hätte eben nicht gedacht, dass sich die Links, selbst wenn sie in verschiedenen Welten lebten, selbst wenn sie ganz andere Gewohnheiten besaßen, so derb unterscheiden konnten… Das zerstörte ein Bild in ihrem Kopf. Es zerstörte einen Traum… In dem Augenblick kam eine nasse, eisige Hand zum Vorschein, die sich auf Klein-Links Schulter legte. Ein paar leuchtende Augen schauten aus einem bleichen, nassen Gesicht hervor. Hellblondes, langes Haar lag klebend wie eine hässliche Kopfbedeckung auf dem Kopf einer jungen Piratin, die sich unter Aufgebot ihrer ganzen Kräfte an einem Seil an Bord gezogen hatte. Sie humpelte ein wenig. Ihre Kleidung war nass und kalt. Und ihre Arme schmückten mehrere Kratzer. „Ganz genau… ein Volltrottel…“, seufzte sie und atmete schwer. „Der kann was erleben…“ Sie war am Ende ihrer Kräfte, da sah man ihr an, aber es gab nun Dinge, die gesagt werden mussten. Und wenn sie umfallen würde, den Willen Link niederzumachen hatte sie noch. Sie ließ es sich nicht nehmen, für Recht auf ihrem Schiff zu sorgen. Sie knirschte mit den Zähnen und trat langsam vorwärts, setzte dann zwei Finger an ihre Lippen und pfiff so laut sie nur konnte. Alle Seemänner drehten sich auf Kommando um, vor allem Gonzo, der auf sie zustürmte und sogleich mit seinen dicken Armen umklammerte. „Miss Tetra, den Göttern des Meeres sei Dank.“ Sie schluckte nur und schaute bitter und sehr traurig in die Augen des Heroen, der ein wenig abseits stand. „Ist in Ordnung, Gonzo…“ Sie löste sich aus der Umarmung, auch wenn ihr die Wärme gut getan hatte. „Mich haut keiner so leicht aus den Latschen.“ Damit grinste sie und auch die anderen Seemänner lachten und jubelten, freuten sich, ihren Kapitän wieder an Bord zu haben. Dennoch… wäre Link, der doch eigentlich für den Schutz der Leute an Bord sorgte, sich seiner Aufgabe bewusst, wäre jener verantwortungsvoller, hätte man diese Gefahr erst ertragen müssen? Und Tetra würde sich nach dem Sturz in die Tiefen des Meeres eine üble Grippe holen, das war fast sicher. Langsam trat sie auf Link zu, blickte ihm starr und eisig in seine blauen Augen. Es waren einst unschuldige Augen, herzliche Augen… Nun aber war da nichts mehr. An seinen eigenen Problemen und Grübeleien hatte er seine Freunde und seinen Edelmut vergessen… „Was… ist nur los mit dir? Die Leute an Bord waren alle in Gefahr. Du bist der beste Kämpfer dieses Schiffes. Du bist der beste Kämpfer weit und breit und du warst einst ein Held. Wo ist der Link, den wir alle einst kannten?“ Der junge Mann ihr gegenüber sagte nichts, er blickte nur an Tetra vorbei. Es war wie als wollte oder konnte er einfach nicht verstehen, was sie meinte. Es wirkte fast so, als wäre es ihm egal. „Sind wir dir alle gleichgültig geworden? Verstehst du eigentlich, was hätte geschehen können?“ Sie schüttelte den Kopf und stützte sich ein wenig an Niko ab, der inzwischen neben ihr stand. „Ich bin einfach… nur noch enttäuscht von dir!“, sprach sie leiser werdend. Gonzo und auch die anderen Piraten traten näher und unterstützen ihren Kapitän, so gut sie konnten. „Antworte ihr gefälligst, wenn sie mit dir redet!“, murrte Gonzo mit seiner tiefen Stimme. Mit einem unnötigen, kühlen Grinsen sah Link auf und schüttelte das überflüssige dunkelblonde Haar aus seinem Gesicht. Er zog sein Schwert und stemmte sein Körpergewicht darauf. „Ich habe diesen Meerdrachen zur Hölle gejagt, oder etwa nicht?“, sprach er mit einer helleren Stimme als sie der Held der Zeit besaß. „Aber du warst einmal mehr nicht rechtzeitig, Link. Es gab Tage, da hast du uns diesen Bestien überlassen. Ein Wunder, dass du es diesmal überhaupt für nötig gehalten hast, an Deck zu kommen!“ Link rollte mit den Augen und grinste makaber. Seine Augen waren kühl. Seine Lippen zierte ein gehässiges Grinsen. „Du willst wissen, was los ist? Ich habe einfach keine Lust mehr auf dieses Schiff, Tetra. Ständig segeln, irgendwohin, auf der Suche nach Sinnhaftigkeit. Denkst du, ich will mein ganzes Leben hier mit dir verbringen?“ „Verstehe…“, sagte sie dann und grinste bitter. „Dann wird es Zeit, dass du dieses Schiff verlässt. Sobald wir Festland erreichen, wirst du weg sein, oder ich vergesse mich.“ Mit diesen Worten senkte sie den Kopf. „Du machst mich krank! Du bist nur noch ein Egoist geworden. Verschwinde einfach von meinem Schiff!“, sagte sie lauter werdend. Und das erste Mal erlebten Navi und das Götterkind ein wenig Gefühl in den Augen des Heroen. Es schien, als wollte er noch etwas sagen, als wollte er sich entschuldigen, brachte es letztlich aber doch nicht über seine Lippen. Mit einem unbeholfenen Grinsen drehte er sich um und verschwand in den Kabinen. „Miss Tetra…“, murmelte Gonzo. „Ist das dein Ernst?” Fassungslos wand er sich zu ihr und schaute sie mit seinen schokoladenfarbenen Augen an. „Du willst ihn von diesem Schiff schmeißen?“ „Es geht nicht anders“, sprach sie, knackte mit ihren durchgefrorenen Gelenken und seufzte. „Link hat einst viel für uns getan, das werde ich immer aufbewahren, ich werde mich immer daran erinnern. Dennoch, wenn es sein Ziel ist, ein anderes Leben zu führen als wir Piraten es tun, wer sollte und könnte ihn daran hindern? Und umsonst, ohne einen Finger krumm zu machen, fährt er nicht länger mit. Basta!“ Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. „Auch ich habe keine Lust mehr auf ihn“, ergänzte sie, versuchte nicht weich zu werden und ihre Ehre zu bewahren. Mit einem bitteren Grinsen drehte sie sich um. „Was steht ihr denn wie angewurzelt vor mir?“, kreischte sie. „Geht an eure Aufgaben, oder geht zurück in eure Kabinen!“, sprach sie laut, worauf die Piraten grummelnd wegtraten. Gonzo ging in Richtung Steuer. Niko wieder freiwillig auf den Turm. Und seltsamerweise hatte nun jeder eine Aufgabe gefunden. „Wo sind eigentlich diese beiden Knirpse?“, rief der muskulöse Pirat Gonzo schließlich. „Ach ja“, sagte Tetra. „Die hätte ich ja beinah vergessen.“ Flugs umhüllte sie sich mit der Decke von Niko erneut und trat hinter die Fässer um die beiden unschuldig dreinschauenden Winzlinge hinterhältig anzugrinsen. Sie schmunzelte. „Die beiden sind übrigens meine Gäste, die beiden haben mich gerettet“, sagte Tetra, war eben keineswegs verlegen Lügenmärchen zu erzählen. Verwirrt kam Gonzo angestürmt und blickte ziemlich skeptisch drein. „Aber Miss Tetra! Was haben wir denn mit denen zu tun? Was wollen denn zwei solche Kinder an Bord?“ Er versuchte mit allen Mitteln dagegen zu argumentieren, wusste aber doch von Tetras Hartnäckigkeit. „Frag nicht, tu einfach, was ich dir sage“, grunzte sie. „Und jetzt geh wieder ans Steuer!“ Gonzo nickte, kratzte sich umständlich an der weißen Seemannsmütze auf seinem Kopf und sprach im Flüsterton. „Ei, ei, Miss Tetra.“ „So, und nun zu euch beiden!“, sagte sie heimtückisch, packte beide Knirpse am Kragen und schob sie unter deren Widerwillen in das warme, gemütliche Schiffsinnere. Zaghaft schloss Tetra ihre Kabinentür hinter sich, lehnte sich mit ihrem ganzen Körpergewicht dagegen und endlich ließ sie sich ein wenig fallen. Sei seufzte und presste ihre Lippen aneinander. Navi und Klein-Link schauten sich verblüfft in Tetras Kajüte um. Es war groß und gemütlich hier drin. Nicht wie der enge Gang außerhalb, den sie gerade beschritten hatten. In der einen Ecke stand ein orientalisches anmutendes Bett, welches mit Vorhängen umrahmt war. An den meisten Wänden hingen weiche Bildteppiche und Schleier, die Tetra aus allen möglichen Ländern als Souvenir mitgenommen hatte. Auf dem Boden lag ebenso ein weicher Teppich, der sich wunderbar unter den Füßen anfühlte. Kleine goldene Schmuckkästchen dekorierten mehrere antike Schränke. In einer weiteren Ecke war ein altmodischer Sekretär mit vielerlei Geheimfächern angebracht, wo die stolze Piratin all die Abenteuer niederschrieb, die sie bisher erlebt hatte. Mehrere vollgeschriebene Bücher und ein Stapel Zettel lagen auf der glatten, staubfreien Oberfläche. Aber es war angenehm warm in der Kabine, was sowohl Klein-Link und Navi mit ihrer roten Nasenspitze auftauen ließ. Woher aber kam diese Wärme? Navi staunte nicht schlecht über den Ursprung der wohligen Temperatur. An jeder Seitenwand lagen einige Schälchen, die das Geheimnis offenbarten. Mit ihrer spitzen Nase brütete sie über kugelrunden, großen Steinen, manche von ihnen glühten ein wenig rötlich. „Das sind Drachensteine. Sie wurden uns von einem alten Volk geschenkt. Ihr Wärmegehalt hat eine Haltbarkeitsdauer von ungefähr tausend Jahren. Woher sie stammen, weiß man nicht genau, jedenfalls halten sie Räume schön warm“, erklärte Tetra und lief mit einem Lächeln zu Navi. Sie streifte sich die Decke von den Schultern. Und das Ausmaß ihres Sturzes war nun im Licht der Kerzen und Öllampen ihrer Kabine erst einmal sichtbar. Ihre weiße Hose hatte einige Risse und an ihren sportlichen Beinen zeichnete sich so mancher Bluterguss ab. Ihr rechter Arm hatte einen üblen Kratzer, der sicherlich von der riesigen Pfote stammte, die sie vorhin fest umschlungen hatte. Aber Tetra war erstaunlich stark, dachte Navi. Sie zeigte keinerlei Schmerzempfindung. Sie zeigte keinerlei Schwäche. Schutzverhalten wie die Zelda, die sie bereits kannte, oder war es einfach nur protzende Stärke. Navi tippte eher auf letzteres. „Das ist eine tolle Kabine, die du da hast, Tetra.“ „Ja, ich habe mit der Zeit aus meiner Kabine ein kleines Traumland gemacht, in dem man sich nur wohlfühlen konnte. Und ich hatte auch einen guten Grund dazu, an den ich mich in letzter Zeit nur ein wenig ungern erinnere“, sagte sie in ruhigem Ton. Ihre Stimme war ein wenig rauchiger als die der Neuzeit-Zelda, aber dennoch sehr angenehm. Dann trat Tetra näher, kniete vor Navi nieder und ihre schlauen Augen blitzten unheilvoll. „Du weißt meinen Namen. Und du wusstest ihn, bevor die Seemänner mich gerufen haben“, sagte sie streng, was Navi irgendwie nervös machte. Tetras bleiches Gesicht blickte sie so unheilvoll an, als wollte sie sie auffressen. „Nun sag‘ schon, Mädchen“, betonte die starke Piratenfrau. „Woher kennst du meinen Namen?“ „Ähm… das ist eine extrem lange Geschichte“, mischte sich das Götterkind ein, worauf sich die Besitzerin des Segelschiffs zu ihm umdrehte. „Du kommst auch noch dran, Knirps, denk nicht, das mir deine Ähnlichkeit mit Link entfallen ist.“ Klein-Link schnürte der Blick Tetras ein wenig die Kehle zu und so schwieg er. Die Piratin stand wieder auf und stapelte eine Schüssel Wasser über einen der rotglühenden Steine. Dann knackte sie mit ihren Gelenken, und deutete auf ein zerschlissenes, aber gemütliches Sofa in der Mitte des Raumes. „Wie auch immer. Es ist Zeit, mir eure Geschichte zu erzählen.“ Navi und das Götterkind hüpften beide auf das Sofa und tauschten sich ratlose Blicke aus. Tetra die ganze Geschichte zu erzählen, würde Jahre dauern… „Ihr beantwortet mir jetzt alle meine Fragen und wehe ich höre ein Murren“, sagte sie dann, holte einen Stuhl heran und platzierte diesen vor der Couch. Ganz sachte setzte sie sich nieder und klopfte sich wie gewöhnlich auf die rechte Schulter. „Was hast du eigentlich mit der rechten Schulter?“, fragte das Götterkind sogleich. „Ich hab bemerkt, dass du öfters darauf herum haust.“ Dieser Satz schien auch noch die restliche Röte aus Tetras hübschem Gesicht zu ziehen. Genau diese Frage hatte ihr noch niemand gestellt. Genau auf diese Frage war sie nicht gefasst. Sie hob ihre Augenbrauen und kam mir ihrem stolzen Gesicht näher an das von Klein-Link. „Um mal eines klar zu stellen, ich stelle hier die Fragen“, zickte sie. In dem Moment fing das Wasser in dem kleinen Kessel an zu sprudeln. Die beiden Kinder im Auge behaltend lief sie hinüber, schüttete einen Teil des Wassers in ein Tongefäß und warf einige Blätter irgendeines Krautes dort hinein. Das andere Wasser schüttete sie in eine Wasserschale und warf in dieses auch irgendein Gewürz. Tetra schien einige Ahnung von Heilkräutern und diversen Dingen zu haben. Die flache Schale nahm sie mit hinüber auf ihren Stuhl. Mit einem Tuch tupfte sie über ihre Blutergüsse und über die breiten Kratzer, die sie sich zugefügt hatte. Sorgsam schauten Navi und Klein-Link zu, bis es in dem Raum wunderbar nach Pfefferminze roch. „Dort in dem Tongefäß ist Tee. In dem Regal hier drüben…“ Sie deutete nach rechts, entgegengesetzt zu ihrem Bett. „… dort sind einige Tassen. Trinkt etwas, ihr werdet flüssige Kehlen brauchen, um meine Fragen zu beantworten.“ Brav und widerstandslos gingen Navi und Klein-Link hinüber zu dem Regal, nahmen sich Tassen und schenkten sich Tee ein. Sie warfen sich Blicke zu, die ängstlicher nicht sein konnten. „Feuriger als Naboru“, flüsterte Klein-Link zur Erinnerung, worauf Navi bloß ihre Augen rollte. „Halt endlich die Klappe, du kleiner Casanova!“, zankte sie. Und mit einem Mal stand Tetra hinter ihnen, fasste beide an einem spitzen Ohr und zerrte die um sich schlagenden Quälgeister wieder zurück auf das Sofa. Auch Tetra nahm sich eine Tasse des heißen Tees, und trat direkt vor die beiden Kinder. Genießend schlürfte sie das heiße Getränk ihre Kehle hinab, schloss dabei die Augen und fühlte ihre kalten Glieder wieder warm werden. Auch ihr platinblondes Haar war noch nass und hing kraftlos über Tetras zierliche Schultern. „Als erstes hätte ich gerne gewusst, wie ihr auf mein Schiff gekommen seid. Weit und breit befindet sich in diesen Meeren kein Festland, also wo kommt ihr beide her?“ Sie nahm sich ein Handtuch und umwickelte ihren Kopf damit. „Also… wir…“, fing Klein-Link an, wusste aber nicht, wie viel er erzählen sollte. „Wir wurden teleportiert und kommen aus einer weitentfernten Zukunft, von einer Welt, die Erde heißt“, sprach Navi dann. Tetra schien irgendwie mit dieser Antwort gerechnet zuhaben. Sie schaute weder skeptisch, noch überrascht drein. Sachte rieb sie sich das Haar mit dem warmen Tuch trocken. „Mmh, teleportiert. Klingt interessant. Und du?“ Sie zeigte mit einem ihrer langen Zeigefinger auf das Götterkind. „Du bist eine Wiedergeburt des Links, der auf diesem Schiff existiert?“, fragte sie. Klein-Link zwinkerte. „Ähm… das ist ein wenig komplizierter“, murmelte er. „Genau genommen ist er der Sohn von Zelda und Link“, sagte Navi dann breitgrinsend, wollte eben auch ihr Wissen kundtun, aber das ging wohl diesmal gewaltig daneben. Tetra sprang vor Schreck von dem Stuhl, sodass er um krachte. „Wie? Du bist das Kind von Zelda und Link?“ Tetras nervöses Gestammel passte überhaupt nicht zu ihr. Sie war sogar rot im Gesicht geworden. „Link und Zelda haben ein Kind?“, fragte sie irritiert, hob den Stuhl auf, und ließ sich wieder benebelt auf jene Sitzgelegenheit sinken. Sie schien völlig entgeistert. „Link und Zelda haben in irgendeiner Zukunft ein Kind. Ich…“ Das Götterkind stand auf, lächelte und legte der unnahbaren Piratin eine Hand auf die Schulter. Er grinste. Navi jedoch meinte: „Nun beruhige dich, erst einmal, ist das in der Zukunft eine völlig andere Zelda und ein völlig anderer Link, und zweitens gibt es eine Menge Dimensionen, in denen eine Zelda und ein Link existieren.“ „Und wer bist du?“, murrte Tetra, kniff ihre Augen ein wenig schmaler zusammen und wirkte plötzlich wieder skeptisch. „So dreist und frech wie du mit deinen Sommersprossen aussiehst, hab ich dich zuerst für eine übermütige Fee gehalten.“ Das traf den Pfeil nun ein wenig zu sehr ins Schwarze. „Blöde Schnepfe!“, giftete Navi. „Du bist einfach eine total arrogante und widerspenstige Zelda. Die Zelda aus der Zukunft ist viel netter zu mir.“ Gelassen sprang Tetra erst gar nicht auf Navis Gezanke an. Sie grinste einfach unverschämt und fing an zu lachen. „Nun gut, ich schätze, ich kann euch beiden Glauben schenken“, sagte sie dann, klopfte sich erneut auf die rechte Schulter und schaute von Navi zu dem Götterkind. „Eure Namen hätte ich gerne noch gewusst, und warum ihr auf dieses Schiff gekommen seid.“ Klein-Link blickte trübsinnig zu Boden und spielte unruhig mit seinen Händen. Navi beobachtete sein Verhalten. Er machte sich Sorgen, das war kaum zu übersehen. Standhaft nannte Navi ihren Namen und den ihres Begleiters. „Wir sind hier, weil wir Hilfe brauchen“, erklärte sie. „In der Zukunft tobt ein Kampf gegen Ganondorf, der alles Bisherige übersteigt. Hyrule ist tot, genauso wie in dieser Dimension. Und die Wesen Hyrules wurden allesamt in eine neue Welt geschickt, die wir ,Erde“ nennen. Als Ganondorf auch seinen Weg in diese Welt gefunden hatte, strickte er Schritt für Schritt einen unheilvollen Plan, diese Welt zu unterwerfen. Aus dem einstigen blauen Planeten, wie er hieß, ist ein feuerrotes Martyrium geworden. Von den Milliarden Menschen existiert nur noch ein Häufchen…“ Navi biss sich auf die Lippe, bevor sie weitersprach. „Und der neue Link, der Heroe, der einst über die Zeit gebieten konnte, er kämpft nun den grausamsten Kampf, der jemals von einem Heroen Hyrules beschritten wurde. Wir sind hier…“ Sie neigte ihr kindliches Haupt. „Wir sind hier… weil…“ Tetra kniete vor den beiden Kindern nieder. Mitgefühl strahlte aus ihren hellblauen Augen wie ein tapferes Licht. Als Navi ihre Geschichte beendet hatte, war auch noch der letzte Funken Misstrauen aus Tetras Gemüt gewichen. Sie verstand die Situation der beiden. Sie verstand alles. „Ihr habt meinen Respekt, Knirpse. Und meine Unterstützung.“ Sie lächelte ermutigend. „Ich verstehe es… ihr seid hier, weil ihr den Link dieser Welt um Hilfe bitten wollt. Ihr wollt den Helden des Windes.“ Klein-Link und Navi wippten beide wie unter Strom mit ihren Köpfen. „Nur…“, sprach Tetra dann leise. Sie stützte eine ihrer kühlen Hände an den Kopf. „Nur… kann ich euch nicht versprechen, dass Link euch helfen wird.“ Sie ließ nun ein wenig mehr ihr Haupt hängen. „Link hat sich in den letzten Monaten sehr verändert. Desöfteren habe ich versucht mit ihm zu reden, zu ergründen, warum er sich so selbstsüchtig verhält, aber zumeist wollte er nicht mit mir reden, oder wir haben uns gestritten.“ Navi und das Götterkind tauschten ratlose Blicke aus. Sie hatten nicht damit gerechnet, dass irgendein Link das Hilfeersuchen ablehnen würde. Aber anscheinend waren Navi und Klein-Link auf vieles nicht gefasst. „Aber sagt, wie seid ihr hierhergekommen?“, sagte Tetra dann und grinste wieder ein wenig mit ihrer lockeren Art. Klein-Link holte das alte, kostbare Medaillon unter seiner Tunika hervor und legte jenes in Tetras Handinnenfläche. „Eine ganz andere, mächtige Zelda hat das Medaillon erschaffen. Damit ist so ziemlich alles möglich.“ „Verstehe…“, sprach die Piratin fasziniert und betrachtete sich das Medaillon von jeder Seite. „Einfach unglaublich, ich denke…“ Sie grinste hinterhältig. „Dieser Schatz würde sich gut in meiner Sammlung machen.“ Navi rutschte vor Schreck vom Sofa und Klein-Link schaute hilflos drein. „Nur Spaß, Knirpse, ich weiß durchaus, wie wichtig eure Mission ist.“ Und damit reichte sie es dem Götterkind wieder. „Was wollt ihr jetzt tun?“, fragte sie. Klein-Link zuckte mit den Schultern. Dann wanderte Tetras Blick zu Navi. Mit einem ernsten, gebieterischen Blick stand die einstige Fee auf. „Ich werde mit diesem Link reden, ich will ihn überzeugen, dass er uns helfen muss.“ „Viel Spaß dabei“, brummte Tetra. „Den werd ich bestimmt haben“, erwiderte Navi trocken. „Aber ich warne dich, es ist nicht leicht überhaupt mit Link zureden. Der Held des Windes ist schlichtweg ein Vollidiot“, murrte Tetra. „Ich wünschte, die Dinge würden einfacher für euch beide sein.“ Sie rückte wieder ein Stück näher an Klein-Link heran und betrachtete sich seine Eigenheiten. Sein hellblondes, dickes Haar, die neugierigen, offen Augen, die er besaß. Und das gutmütige Grinsen, was sie faszinierte. „Du kannst stolz sein auf deine Eltern, nicht wahr? Auf eine andere Zelda… und einen anderen Link…“ Er nickte und lächelte so breit wie es nur ging. „Eine glückliche Zukunft wird es wohl… für diesen Link und diese Zelda nicht geben…“, sagte sie leiser, hoffte schon, die beiden Kinder hätten es nicht verstanden. Flugs sprang sie auf, drehte sich um und meinte: „So, von mir aus, könnt ihr beide hier bleiben. Aber wehe ihr rührt etwas an, ich nehme ein heißes Bad. Danach zeige ich euch die Gästezimmer.“ „Ei, ei, Miss Tetra!“, rief Klein-Link und grinste. Tetra lächelte noch einmal und verschwand dann mit frischer Kleidung und einem Badetuch unter ihrem Arm aus der Kajüte. Als sie das Zimmer verlassen hatte, stürmte Klein-Link von dem Sofa und klatschte sich in die Hände. „Sie ist ein echt guter Mensch, findest du nicht, Navi?“ Er lachte und grinste: „Und vor allem so…“ Navi unterbrach ihn und schüttelte den Kopf. „Jaja, ich weiß es nun, feuriger als Naboru.“ „Volltreffer!“, rief das Götterkind. „Also, ich find es richtig toll hier.“ Freudig hüpfte er auf Tetras großzügig geschmücktes Bett und kuschelte sich an ein mit goldenen Pailletten verziertes Kissen. „Aber… Hast du dir schon mal Gedanken darüber gemacht, wie wir es anstellen, alle Links zusammenzubekommen? Wir können doch nicht jeden Link mit in irgendeine andere Dimension nehmen… Die meisten Links sind bestimmt in irgendetwas verwickelt, die müssen selbst kämpfen…“, murmelte Navi und schaute sich kopfschüttelnd den Bengel an, der schnurrend in Tetras Bett lag. Sie lief einige Schritte grübelnd zu ihm hinüber. „Ich habe Angst, dass uns die Zeit wegläuft, dass die Zeit auf der Erde schneller wieder tickt als wir denken. Und dann das Problem mit diesem komischen Held des Windes“, ergänzte sie. Klein-Link richtete sich wieder auf, mit zerwühlten Haaren. Sogar seine tiefgrüne Mütze war ihm indessen vom Kopf gerutscht. „Nun mach‘ dir doch nicht so viele Gedanken, Navi, ich bin sicher, es kommt alles in Ordnung.“ „So schläfrig und faul wie du im Augenblick aussiehst, hab ich das Gefühl, es dauert ewig ehe alles wieder in Ordnung ist“, erwiderte sie eingeschnappt. „Bist du dir überhaupt im Klaren, wie wichtig das hier ist, was wir tun? Wir haben eine Mission, Klein-Link.“ Er winkte ab. „Wer sagt, dass wir in dieser Mission nicht Spaß haben können?“ Und auch darauf hatte die ausgefuchste Fee eine klare Antwort. „Ich!“ „Na schön“, murmelte das Götterkind und sprang wieder von Tetras Bett hinab. Er wollte sich nicht überzeugen lassen, erst recht nicht von Navi, aber was blieb ihm im Augenblick übrig? Diese Fee würde sich immer aufführen wie sein Kindermädchen, das war schon so, als er sie das erste Mal im Haus der Götter angetroffen hatte. „Ich mache mir mehr Sorgen um Link und Zelda als du denkst, Navi…“, sprach das Götterkind und schlürfte noch einen heißen Tee. „Und wenn man so sieht, wie sich diese beiden Auserwählten hier, zueinander verhalten, macht mich das irgendwie nachdenklich.“ Navi runzelte die Stirn und murmelte: „Zumindest diese Zelda scheint einiges für ihren Link übrig zu haben.“ „Findest du? Ist das nicht ein wenig übertrieben?“, sagte der Bengel. „Nicht jeder Link, und nicht jede Zelda finden einander… Sie gehören nicht immer zusammen.“ „Das mag sein…“, sprach Navi und blickte mit einem weiteren Stirnrunzeln zu Tetras gemütlichem Bett. „Aber Tetras Verhalten macht mich ein wenig ungläubig.“ „Ungläubig? Sie will ihn von ihrem Schiff schmeißen, findest du also, sie liebt ihn, oder was?“, meckerte der Bengel und erhielt dafür einen weiteren skeptischen Blick seiner Reisegefährtin. Navi zuckte mit den Schultern. „Vielleicht.“ Klein-Link zwinkerte. Er zwinkerte mehrmals. „Was ist? Bist du jetzt enttäuscht, oder was?“, murmelte die einstige Fee. „Ich? Enttäuscht? Keineswegs. Ich meine, warum sollte ich?“ Er lachte komisch, als hätte Navis Aussage ihn mehr als irritiert. Und er lachte weiter. Sie schüttelte bloß den Kopf und nahm sich ebenso noch einen heißen Tee… Indes war Tetra voller Ruhe in dem dampfenden Badezimmer angekommen. Die gemütliche, dämmerige Kabine war vollkommen mit dunklem Holz ausgekleidet und im Gegensatz zu anderen Zimmern, hatte die Crew hier die größten Drachensteine ihres Besitzes aufgestellt, weshalb es hier wärmer war als sonst wo auf dem Schiff. Nur zwei größere Kerzen, die auf goldenen Schalen an der Seitenwand angebracht waren, beleuchteten diesen Raum. Angenehme Schwaden aus Wasserdampf zogen an der blaublütigen Piratin vorbei, nahmen ihr stetig die Kälte und die beißenden Schmerzen in ihrem Körper. Ihre Wundversorgung von vorhin hatte ein wenig geholfen und in der Kajüte zum Baden konnte sie ihre Kratzer und Blutergüsse nicht vollständig sehen. Sie seufzte und bemerkte zunächst nicht, dass sie in dem Bad nicht alleine war. Es war zu dunkel, und Tetra verhielt sich schlichtweg zu leise, als dass sie bemerkt werden könnte. Sie zitterte ein wenig und zog sich dann mühevoll das mitgenommene rosa Oberteil von ihrem Körper. Sie gähnte und strich sich vorsichtig über die rechte Schulter. In der stickigen Dunkelheit war nicht erkennbar, dass ein seltsamer, rußiger Fleck ihre ganze Schulter zierte. Es war unangenehm, zwickte gelegentlich, aber sie hatte es bisher vor jedem verschwiegen. Umso mehr hatte sie die Aussage Klein-Links vorhin erschreckt. ,Diese Knirpse‘, dachte Tetra und grinste. Es war erstaunlich, was sie leisteten, was sie planten. Sie hatte mehr als Mitgefühl für beide, mehr als bloße Bewunderung. ,Ganz anders als der jetzige Held des Windes‘, dachte sie weiterhin und zog sich auch noch eine weiße Korsage vom Oberkörper. Sachte entledigte sie sich außerdem ihrer weißen, zerrissenen Hose und eines hellen Slips. In herrlicher Nacktheit ihres unschuldigen, aber trainierten Körpers tapste sie einige Schritte, als es in dem riesigen Fass, welches zum Baden vorgesehen war, ungeheuerlich plantschte. Mit einem Salto sprang jemand aus dem Gefäß und landete direkt vor Tetra. Wasser und ein wenig Schaum bedeckte an den nicht peinlichen Stellen seinen Körper. Und die Stellen, die ja eigentlich mehr als peinlich waren, konnten sich nicht Tetras neugierigem Blick entziehen. Wie angewurzelt standen beide voreinander. Ein junger, kräftiger Mann, der ein weißes Badetuch auf seinem Kopf hatte, sonst seinen nackten Körper vorführte und nur schluckte. Und die Piratin Tetra, deren Körper noch kein Wasser und keine Seife gesehen hatte, die aber auch schluckte. Unwillkürlich wanderten ihre neugierigen, blauen Augen hinab und ihr einst so bleiches Gesicht machte den Eindruck als könnte es nie wieder bleich werden. „Kannst du die verdammte Tür nicht abschließen, wenn du das Bad benutzt!“, kreischte sie, aber fühlte sich so sehr gelähmt, als dass sie fähig war, ihre vielen entblößten Stellen, die auch in der Dunkelheit noch gut sichtbar waren, mit irgendetwas zu bedecken. Der junge Kerl ihr gegenüber war leider zu sprachlos um nur irgendetwas zu sagen. Er war nicht gerade ein großer Redner, aber in der Situation brachte er noch weniger Wörter aus seinem Mund als ohnehin schon. „Was machst du überhaupt hier?!“, sprach sie übel gelaunt und starrte ihn und seine gut gebauten Körpereigenheiten weiterhin an. „Du solltest packen, wenn du das Schiff verlassen willst“, setzte sie hinzu. Aber Link, auch bekannt als Held des Windes, rührte sich immer noch nicht. Es schien, als führte er einen Kampf mit sich. Denn auch er starrte Tetra an, und nicht nur ihr Gesicht… „Bist du bald mal fertig mit Glotzen?“, schimpfte sie. So langsam aber sicher, war die Situation nicht nur peinlich, sondern auch erregend. Link zwinkerte und blickte dann mühevoll in Tetras Gesicht. Nur schwerfällig hatte er sich von anderweitigen, wunderbaren Aussichten lösen können. „Verdammt, du siehst einfach total geil aus“, platzte es aus ihm heraus. Er wollte eigentlich schweigen, und nun sprudelten irgendwelche absurden Sätze aus ihm, weil er sich nicht mehr kontrollieren konnte. Er wollte so viele Dinge sagen, wollte Komplimente finden für ihre langen Beine, ihre seidige Haut, ihren knackigen Po und diese wunderschöne Brust. Aber er konnte nicht, er wusste nicht, wo er anfangen sollte. Seine Großmutter hatte ihn einst aufgeklärt, bevor er in die Welt zog. Er wusste, wie die Dinge zwischen Mann und Frau abliefen, nur… er wollte es sich irgendwie nie so recht für sich selbst vorstellen. Vielleicht hatte er auch einfach Bammel davor. Aber Tetras Anblick, diese wunderbare Weiblichkeit, zwang ihn schlichtweg an dieses Thema zu denken. Und mehr noch, diese wunderschöne Piratin verwirrte den Heroen, und im Augenblick ließ sie das Blut in ihm wallen. Tetra selbst blickte nur in seine Augen, und es schien, als leuchtete dort etwas auf, was sie lange nicht mehr gesehen hatte. Eine vergessene Leidenschaft. Sein Satz hatte sie so sehr geschockt, dass sie sich fast wieder zu Stein erstarrt fühlte. Was wollte er? War das eine seiner dämlichen Anspielungen auf irgendetwas total Dummes? Ehe sie sich weitere Gedanken spinnen konnte, trat der junge, gesunde Heroe näher; und sie ein wenig ängstlich immer weiter zurück, bis sie mit ihrem entblößten Rücken an einer der nassen, warmen Wände stand. Aber der junge Mann ließ nicht von ihr ab, er trat immer näher, und stemmte dann seine rechte Hand direkt neben ihrem Gesicht ab. Sie seufzte, schaute überrascht und sehr zweifelnd. Zaghaft sah er in ihre verwunderten Augen. Schöne Augen, deren Glanz er in den letzten Tagen aus irgendeinem Grund vergessen hatte. „Was ist?“, flüsterte sie, kniff die Augen zusammen, neigte ihr Gesicht zur Seite und hatte Angst vor jeder weiteren Bewegung, die Link machte. Ihr Herz raste und sie mochte das Gefühl im Augenblick ganz und gar nicht. „Tetra… nein… Zelda…“, murmelte er. Und sie, gefangen in Unsicherheit und vielen unsinnigen Fragen in ihrem Kopf, wusste nicht, warum ihr Körper im Moment auch noch mit einer eigenwilligen Gänsehaut auf seine unnötigen Worte reagierte. Sie zitterte und auch dieses Zittern gefiel ihr ganz und gar nicht. „Was willst du, verdammt nochmal?“, pfefferte sie aus ihrer Kehler heraus, umkrallte seinen rechten Arm mit beiden Händen und schob diesen weg. Mit einer flinken Bewegung wich sie dem Heroen aus. „Ich weiß es selbst nicht…“, brummte der Heroe, rang damit sie erneut an ihrem Weg zu hindern. Tetra stapfte in eine andere Ecke der gemütlichen Kabine und umwickelte endlich ihren sonnengebräunten Körper mit einem dicken Badetuch. Aber Link hielt es einfach nicht für nötig, irgendetwas an sich zu verstecken. Und irgendwo war jener Link ziemlich hinterlistig, als hätte er dies von der Piratin neben ihm gelernt. Ihm waren ihre Blicke an bestimmte seiner Körperstellen nicht entgangen und vielleicht war ein eingebildeter, männlicher Teil in seinem guten Herzen so überzeugt von sich, um anzunehmen, dass Tetra vielleicht doch Interesse hatte. Ein wenig verlegen, aber irgendwie auch sehnsüchtig, beklemmend, und dringend konnte sich der Held des Windes nur schwerfällig von dem Blick zu ihren langen Beinen lösen. Er rang ja mit sich. Aber da war schlichtweg eine ungeheure Frustration in seinem Inneren. Er war schließlich siebzehn. Er wollte doch einfach nur wissen, spüren, wie es war, ein wenig intimer verwöhnt zu werden. Er wollte so gern wissen, wie es war in den Armen von einem Mädchen einzuschlafen… und wieder aufzuwachen… Er rang weiterhin mit sich. Konnte er sich das wirklich erlauben? Wie würde Tetra, nach dem heutigen Tag, an welchem er sich wieder wie ein Trottel aufgeführt hatte, reagieren? Sie würde ihm sicherlich eine eisigkalte Schulter zeigen. Warum sollte sie auch verstehen, was mit ihm los war… Mit einer Sanftheit in seinen Augen blickte er noch einmal zu ihr und sah ein wenig zu viel, als sie sich sachte nach vorne beugte um ihre Sandalen von den Füßen zu ziehen. Er sah mehr, als er wollte. Und mehr, als er im Augenblick ertragen konnte. Sein Herz hämmerte wild gegen seine Brust bei einem Gedanken an etwas, was er unbedingt haben wollte. Zärtlichkeit. Befriedigung. Wärme. Er fühlte sich benommen, außer Stande irgendeinen weiteren klaren Gedanken zu fassen und er fühlte sich schlichtweg erregt. Er schüttelte frustriert den Kopf, sah erneut zu Tetra, welcher das weiße Badetuch in einem ungeschickten Moment herunterrutschte und da war es aus. Als hätte Links Verstand ganz und gar abgeschalten, trat er an sie heran, umarmte sie innig von hinten und drückte ihren zitternden Körper an sich. Der Ansatz eines Schreies kam aus ihrem blutroten Mund, aber dann seufzte sie. Es war angenehm und warm für beide. Unsicher legte der Heroe seinen frustrierten Kopf an ihre linke Schulter und seufzte. Er wollte soviel sagen, er wollte alles erklären. Warum nur war es so schwer für ihn? Warum schaffte er es einfach nicht? Tetras Puls schnellte nach oben, als sie begriff, was sich Link gerade erlaubte. Auch sie war sprachlos. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Link hatte sie noch nie… und erst recht nicht auf eine solch liebevolle Weise umarmt. Er war nicht mal grob, sondern ganz sanft. Er seufzte wieder. Und vielleicht klang sein Seufzen sogar ein wenig nach einem Schluchzen. Ihre weitaufgerissenen Augen schlossen sich unfreiwillig, um das Gefühl solange es noch da war, zu genießen. „Link…“, sprach Tetra stockend, hatte ein hypnotisierendes Gefühl in sich, auf der Stelle zusammen zu sinken. „Was willst du…“, sprach sie und sah, wie die Luft aus ihren Lungen in weichen Nebelschwaden unterging. Er umarmte sie dann ein Stückchen fester. „Es tut mir leid…“, sagte er leise, eine Spur wehleidig vielleicht. „Es tut mir alles… so leid…“ Und nun rang Tetra mit sich, nachzugeben, weich zu werden oder doch… ihn einfach in seiner Frustration alleine zu lassen. Sie schüttelte langsam den Kopf und riss sich dann grob aus seiner Umarmung. „Wie soll ich dir das noch glauben, Link? Du weichst mir aus. Du hast dich die letzten Monate wie ein vollkommener Idiot verhalten. Du hast schlichtweg vergessen, wie wichtig du uns allen bist. Und du hast deine Aufgaben nicht mehr für wichtig erachtet…“ Die Anklage aus ihrem Mund hatte der Heroe erwartet. Er neigte den Kopf und ballte seine Hände zu Fäusten. „Link… du machst mich traurig… warum kannst du nicht einfach mit mir reden. Sag‘ mir einfach, was los ist.“ Er schwieg wieder, auch wenn man ihm anmerkte, dass er zwingend nach Worten suchte. „Ich will nicht… dass du das Schiff verlässt…“, sagte sie dann und umarmte ihren nackten Körper in dem dämmrigen Licht. Damit blickte er auf, aber Tetra schaute an ihm vorbei. „Du warst einmal mein wertvollster Freund…“, setzte sie flüsternd hinzu. „Warum ist nur alles so kompliziert geworden…?“ Und mit dieser Frage erstickte ihre Stimme in einem leichten Wimmern. Aber die Frage traf den Pfeil ins Schwarze. Alles war kompliziert zwischen ihnen geworden. Das Piratenleben erfüllte sowohl Tetra, als auch Link nicht mehr, seit sie beide wussten, wer sie waren. Nur beide wurden anders damit fertig. Tetra hatte immer die Kraft ihr Gesicht zu wahren. Sie konnte damit umgehen. Link jedoch schaffte es einfach nicht. Es ging ihm jeden Tag im Kopf herum, dass er ein anderes Leben wollte. Er wollte ein richtiges Heim, wollte eine Familie, wollte beschützen, was er liebte… Und jede Pflicht an Bord, die diese Bedürfnisse nicht stillte, ging ihm einfach nur an die Nieren… Die Adlige vor ihm, in ihrer herrlichen Unschuld, ihren wunderschönen Körper darbietend, lehnte sich nun von selbst an eine der warmen Wände, schloss die Augen und seufzte. Sie rechnete damit, dass Link der Situation ein Ende setzte, dass er aus der gemütlichen Kabine verschwand. Aber nur ein kleiner, sturer Teil von ihr wollte, dass er ging. „Lass‘ mich jetzt bitte baden…“, sagte sie und rieb sich die Stirn. Doch der Heroe stand wie angewurzelt vor ihr, immer noch nackt, was Tetra inzwischen versuchte zu ignorieren. „Link, jetzt verschwinde endlich“, brummte sie. Schamhaft bedeckte sie schließlich ihre feste, jugendliche Brust und hielt sich mit der anderen ihre unschuldigste Stelle zu. Aber das… eben jene, sündenlosen Bewegungen machten den Heroen noch nervöser. Es erregte ihn zunehmend. Es brachte ihn um Kopf und Kragen, ließ ihn innerlich sogar ein wenig leiden. Er würde dem Unbehagen dieser verteufelten Situation ein Ende setzen, aber gewiss in anderer Hinsicht als Tetras es erwartete. Tausende Fragen schossen durch seinen Kopf. Tausende Antworten fanden sich. Aber sein Wunsch nach Wärme und Liebe, seine inneren Bedürfnisse, blieben. Sachte trat er wieder näher, bis er der jungen Piratin wieder so nah war wie vorher. Er konnte förmlich riechen, wie nervös sie war, als er sie anblickte. Seine Augen erzählten von seinen triebhaften Wünschen… Sollte er, oder sollte er nicht? Oder musste die Frage lauten: Wollte er, oder wollte er doch nicht? Perplex sah Tetra zu, wie er begann ihre rechte Wange zu streicheln. Seine rauen, ruhigen Hände glitten gefühlvoll zu ihrem Hals. Und immer noch, verstand Tetra nicht, was er wollte. Sie war fasziniert von ihm, das war sie immer gewesen. Und ihm Augenblick hatte sie das Gefühl, der Link, den sie einst kannte, kam wieder zurück. Sie begann seinen Namen auszusprechen, als er sie ruckartig küsste. Sie wollte sich noch wehren im ersten Moment. Ihre zitternden Hände lagen rasch und zwanghaft auf seiner durchtrainierten Brust. Sie seufzte, murmelte irgendetwas… und als der Heroe seine Lippen an ihren Hals sinken ließ, ein wenig sog, den Geschmack ihrer reinen Haut genoss, entpuppte sich ihr Murmeln nur noch als ein zufriedenes Stöhnen. „Link… was tust du?“, flüsterte sie, fühlte sich erregt und gleichzeitig ängstlich. Sie streichelte durch das dicke, dunkelblonde Haar an seinem Hinterkopf. „Ich weiß es nicht…“, sprach er betäubt von der Wärme in der Kabine und berauscht von seinen eigenen Wünschen. „Ich möchte doch nur… ein wenig Wärme…“, setzte er leise hinzu. Mit einem Ruck drückte er Tetras attraktiven Körper an sich. Seine Lippen wanderten an ihr linkes Ohr. „Ich weiß nicht… mehr… wer ich bin…“, seufzte er. Sein feuchter Atem kitzelte ihre Haut. „Es ist alles so… schwierig geworden…“ Tetra spürte, dass er alles erklären wollte, dass er es aufrichtig meinte. Aber so leicht konnte sie ihm nicht verzeihen für die vielen letzten Monate. Stellte er sich das tatsächlich so einfach vor? Oder war es eine seiner Launen, weil sie beide nackt voreinander standen und ihre Blicke klar zeigten, worauf sie beide Lust hatten? „Ich will bei dir bleiben, Tetra… das wollte ich immer… ich hab‘ nur…“ Verwundert öffneten sich ihre Augen; und ihren Kopf lehnte sie genießend an seine glatte, athletische Brust. Seine noch feuchte, heiße Haut war so angenehm… „… es ist…“, begann er, und dann hatte Tetra seine Erklärungen satt. Egal, was später aus ihnen beiden wurde, sie wollte diesen Moment jetzt genießen. Ihre Arme umschlangen seinen Oberkörper und nun küsste sie ihn, so wie sie dachte, dass man küsste. Es war herrlich. Sie schlang ein Bein um seine Hüfte, genoss das Gefühl betörend. Das innerliche Kribbeln. Ihre beiden lustvollen Blicke. Das schummrige Licht in der Kabine trugen zu dem bei, was sie sich beide ohne Worte schenken würden. Sie fanden etwas Neues. Eine scheinbar verbotene Sache zwischen ihnen. Im Mantel des dämmrigen Lichts spielten sie neugierig mit ihren Körpern, genossen Wärme und Vertrautheit. Die Sekunden flogen vorbei wie in einem unendlichen Traum von Hyrule. Das warme Gefühl von Herzlichkeit und Fürsorge wurde geschaffen um den Kummer und die Verzweiflung zu übertünchen, die in beiden Auserwählten steckte. Zwei bedeutsame Seelen, allein in ihren großen Kampf um ein neues Hyrule… allein und doch bot ihnen das Schicksal immer wieder an, einander zu finden… In der Kajüte der Piratin Tetra war Klein-Link inzwischen auf dem Sofa eingeschlafen. Navi schaute sorgenvoll aus einem der Gucklöcher und fragte sich, wie lange die Zelda dieser stürmischen Welt noch brauchte. Sie war schon seit Ewigkeiten in dem Bad. Ungeduldig tapste die einstige Fee in der Kabine umher, bis sie es nicht mehr aushielt. Sie trat geschwind hinaus aus der Kajüte in den engen Gang und sah anhand der Umrisse Tetra und eine weitere Person sich flüsternd verständigend aus dem vermeintlichen Badezimmer heraustreten. Noch hatten sie Navi nicht bemerkt. Es war schließlich auch viel zu finster, also lauschte jene Beobachterin mit gespitzten Ohren dem Gesagten. „Ähm… also, gute Nacht, Tetra…“, murmelte der junge Held des Windes. Navi erkannte seine helle Stimme von vorhin. „Und…“ „Das war eine einmalige Geschichte. Und es hatte keine Bedeutung, und es wird nicht nochmal passieren“, sagte Tetra dann bohrend und schüchtern, was Navi ein wenig erschreckte. Mann, hatte Tetra plötzlich einen piepsigen Ton drauf. Was da wohl passiert war? „In Ordnung. Das finde ich auch…“, sprach der junge Mann gelassen. Navi hörte nur noch ein Geräusch, welches klang wie ein Knutscher. Sie grinste. ,Na sowas. Von wegen die haben nix miteinander. Zumindest haben die irgendwelche Geheimnisse und das Geräusch war bestimmt ein Kuss‘, dachte die Fee. In dem Augenblick läutete eine sehr schrille Glocke, die einer der Piraten vermutlich in Gang setzte. Entweder drohte ein Unglück vonseiten eines Ungeheuers, ein Sturm tat sich auf, oder sie hatten neues Land entdeckt. Wissbegierig rannten der Held des Windes, dicht gefolgt von Tetra voraus, um nachzusehen, was geschehen war. Als der Heroe das kleine Mädchen mit den blonden Zöpfen entdeckte, blieb er kurzfristig stehen und schien für einen Moment dreinzuschauen, als hätte er einen Geist gesehen. Er sackte auf die Knie, umfasste Navi an den Armen und blickte sie bohrend an. „Du…“ Es schien ihn nicht zu interessieren, wo sie herkam, sondern eher, wer sie war. Navi ließ ihren Kopf grüblerisch auf eine Schulter sinken und fasste den Heroen an seine lange, spitze Nase. Verdutzt schaute er noch intensiver ihre giftgrünen Augen an, beobachtete ihr Grinsen, leugnete ein tieferes Wissen. „Du warst dort…“ „Hm?“, grunzte sie. „Wo war ich?“ „Dort, wo…“ Er verlor seine Worte, biss sich auf seine Lippe und ließ von ihr ab. Kopfhängerisch trat er auf seine Beine. Es schien beinah so, als kannte er sie von irgendwoher. Der Held des Windes hatte nicht nur eine Veränderung seiner Seele hinter sich… da waren tiefe Geheimnisse, die es zu lüften galt. Tetra packte ihn dann an seinem rechten Arm und zerrte ihn mit. „Link, das erklär‘ ich dir später. Los, an Bord, Matrose.“ Er nickte unsicher, schaute Navi aber immer noch fassungslos hinterher, bis er mit seinem Kapitän an Deck verschwunden war. ,Was war das denn?‘, grübelte die einstige Fee, und ahnte, dass diese lange Reise noch sehr interessant werden könnte. Geschwind hastete sie in Tetras Kajüte, weckte das murrende Götterkind und rannte mit ihm ebenso an Deck… Die magische Welt außerhalb des Schiffsinnerem war nun, hier am Tag des beißenden Windes, nicht mehr eine Welt, die kannte, was sie besaß. Das stürmische Eiland der Vertrautheit entblößte ein neues Zeitalter mit reicherem Leben. Generationen, die in Harmonie und Zuversicht dem Schicksal huldigten. Eine Welt ohnegleichen. Der Tag der Prophezeiung war gekommen. Die Crew der Prinzessin Zelda von Hyrule war auf altes, schüchternes Land gestoßen. Gefangen im Nebel hatte das prachtvolle Schiff eine weiße Straße nicht erblickt, die sie unschuldig zu dem Eiland geleitete, wo neue und alte Wünsche zum Leben entfacht werden sollten. Die Zeit war reif. Und der Wind hatte das Schiff an den Ort geführt, wo sich die Rückkehr einer Dynastie entscheiden sollte. „Wo sind wir…“, sprach die tapfere Piratin an Bord ihres Schiffes, in welcher tief versunken eine Königin schlummerte. Ihre Worte tanzten im Rhythmus der Welt einer vergessenen Königin. Ihr Atem wandelte sich in ein Glitzern, trug die Magie ihrer Seele an eine gläserne Pforte, direkt vor dem Schiff. Ein gewaltiges Tor aus Kristallen, welches zeitlos, gigantisch und atemberaubend das kühne Meer versilberte und Tausende Schleier aus Kristallen wie Regen niederfallen ließ. Magie spielte an jener Pforte wie viele Kinder in der unschuldigen Zeit ihres Lebens auf den saftig grünen Wiesen Hyrules… Und als Tetras stiller, sanfter Atem, glitzernd und beständig an die gläserne Pforte traf, taten sich mit großer Kraft jene gewaltigen Mauern auf. Sie lärmten, gaben aber alsbald Schönheiten preis, die allein bei einem Blick durch die gläserne Pforte nicht sichtbar waren. Ein geheimnisvolles Eiland lag dahinter, erstrahlte in einer weißen Sonne, die sich am Himmelszelt mit drei kleineren Himmelskörpern jagte. Stattliche Berge, einmal spitz zulaufend, und dann manchmal rund, gaben der Welt ihr Gesicht. Kristalle und Schnee bedeckten weite Wiesen und Felder. Silbern schimmernde Türme thronten in dieser Welt wie vom Boden erwachsene Eiszapfen. Im Schatten der majestätischen Berge und Türme durchzogen glänzende Flüsse aus Eis die Landschaft, wie gigantische diamantene Schlangen erfüllten sie den Horizont mit ihrem Schimmern. Rauchende Schlöte in wenigen Dörfern ragten in diesem Gemälde der Natur hervor, und gaben die Einwohner dieser neuen Welt preis. „Eine neue Welt…“, sprach Link leise und lief einige Schritte um über das Brüstung zu schauen. Unsichtbare Seile schienen das Schiff voran zuziehen, führten es auf einer seichten Wasserstraße weiter, die von einer weißen Kette aus glitzernden Kristallen umrahmt war. Als das Schiff die gläserne Pforte passiert hatte, schloss sich jene, kündigte das Ende sehnsüchtiger Träume an, die in der anderen, nun vergangenen Welt zuhause waren. Die Pforte schloss sich mit einem lauten Knarren und als sich die Segel trafen, weitere Kristalle umher tanzten und das herrliche Schiff mit einem Film weißen Schimmers überzogen wurde, verschwand die Pforte und was blieb, war nur die offene See und das prachtvolle Eiland im Winter. Mit einem kräftigen Ruck stieß das Schiff hinein in einen funkelnden Hafen. Weiße Türme standen hier wie wunderschöne Denkmäler. Sie waren reich verziert mit einer alten geschwungenen Schrift, die auf so manchem Stein angebracht war. Sie waren perfekt gebaut, als ob die Götter persönlich dieses Land geformt hatten und nicht ein einziger Mensch bei der Bebauung teilhaben durfte. Die wenigen Zinnen am Hafen luden ein, die Welt hinter ihnen kennen zu lernen. Wer immer die Crew hierher geführt hatte, tat dies mit einem Gefühl von Vorsehung. Denn es war das einzige Schiff, welches in diesem Hafen ankern würde. Sachte stieg die Crew von Bord, erstaunte angesichts der Stille jener Welt, der unverbrauchten Ruhe, die sie wiederspiegelte. Es schien kein Wind zu wehen. Der Wind hatte seine Aufgabe erfüllt… Bedächtig stapfte Tetra mit ihren Sandalen und der frischen Kleidung durch kristallenen Schnee, erblickte unter dem Gewand aus Eis bunte Blätter, die dem Herbst gehörten. Sie war fasziniert. Sie hatten tatsächlich ein neues Land gefunden. Einen Ort, den sie noch nie irgendwo auf ihren Seekarten verzeichnet hatten. Ihre blauen Augen funkelten wie der sanfte Schimmer, der flockenartig vom Himmel rieselte. Tetra hatte noch nie Schnee gesehen. Umso faszinierender war diese Erfahrung für sie. Sie war zu verwundert, um zu spüren, dass sie fror. Sie ließ sich einfach sinken, wischte mit ihren Händen über den Schnee und schaute tiefsinnig durch eine Schicht aus Eis auf den Grund. Dort waren neben den bunten Blättern auch Schriftzeichen in den Boden gemeißelt. Wundersame Gebilde einer Sprache, die sie einst irgendwo gesehen hatte. Sie konnte nicht alles davon lesen, aber jene Worte waren ihr vertraut. Wie von selbst lasen sich die Zeichen, und so las sich in den wenigen Buchstaben ihre Zukunft und ihr Schicksal… „Zeit und Wind dienen als Vorboten für frevelhaftes Schicksal. Da das Verderben uns heimsucht, wandeln wir auf seidenen Pfaden… die Kräfte eines neuen Gleichgewichtes der Macht erfüllen unsere Welt im Schimmer von Eis und Kristallen… Ein Hyrule, geschöpft aus Hoffnung und Magie. Eine Welt, die sucht nach seiner Königin. Unsterblich soll sie sein. Ihr Name ward ewig. Ihr Lächeln überwand den Tod…“ Das angenehme, wärmende Gefühl eines dicken Mantels riss sie aus ihren Überlegungen. Mit rätselhaftem Blick stand der Held des Windes hinter ihr und hatte der frierenden Piratin seinen Umhang über die Schultern gelegt. Sie schaute ihn verwunderter an, als jene Schriftzeichen im Boden, bis er wegblickte. Seine Unsicherheit preisgebend, vergrub der Heroe seine Hände in den Hosentaschen, wurde unruhig, weil Tetra nicht reagierte und fragte sich, nun, da sie neues Land entdeckt hatte, welches Schicksal ihm nun bereitstand. „Miss Tetra!“, rief Gonzo und marschierte mit seinen muskulösen, beharrten Beinen näher. „Schau mal dort oben.“ Sich tief in dem Umhang vergrabend folgte sie Gonzos Blick, entdeckte zwei elegante, weiße Kutschen mit Schimmeln vorgespannt. Auch auf den Kutschen standen magische Schriftzeichen. Aber nirgendwo, und dies verwunderte, war die Spur eines Kutschers oder eines anderen Menschen im Augenblick zu entdecken. Die gesamte Crew, wie auch Navi und das Götterkind traten weiter, bis sie vor jenen Kutschen standen. Der kristallene Weg würde über eine Brücke führen, die eine tief Schlucht überwand, weiter über eine Kette von Bergen, vorbei an wenigen Dörfern und vielleicht war das Ziel das noch größere Abenteuer. „Lasst uns einsteigen“, sprach Tetra aufgeregt und lächelte. Ihre zarte Nase war ein wenig rotgefroren und ihre Lippen aufgesprungen, aber die Kälte war aus irgendeinem Grund nicht fühlbar für sie. „Und wer passt auf unser Schiff auf?“, rief Niko und blickte dann gleich verärgert zu Link, hoffte, der unsäglich egoistische Matrose, der sich ein Held nannte, müsste diese Aufgabe übernehmen. „Das wird nicht nötig sein, Niko…“, sagte Tetra voller Zuversicht und erfreute sich immer mehr an einer Welt, die ihr vertraut erschien, auch wenn sie vielleicht nichts besaß um das Herz einer kämpferischen Piratin zu stillen. Mit einem Sprung hüpfte die Blaublütige in die Kutsche und machte es sich auf den weißen, pelzigen Sitzen bequem. Auch Navi und das Götterkind folgten ihr. Tetras Piratenpack stieg ohne Worte in die zweite, weiße Kutsche ein. Nur Link blieb nachdenklich stehen. Besaß er überhaupt noch das Recht mitzufahren? Neben seinem Kapitän Platz zu nehmen, als wäre nichts geschehen? Erneut vergrub er seine Hände in den Hosentaschen. „Ich werde alleine hier bleiben…“, sprach er leise und grinste bitter. Er blickte auf und entledigte sich eines charmanten Lächelns, welches Tetra sicherlich vermisst hatte. „Du willst nicht mit uns kommen?“, fragte sie, schaute weg und es schien, als wollte sie der Situation entfliehen. Sie schienen beide hin- und hergerissen. „Aber er muss mitkommen“, sagte Navi, hüpfte wieder aus der Kutsche und packte den Heroen an den Händen. „Ich bitte dich, wir müssen doch mit dir reden…“ Der Held des Windes schaute verwundert auf. „Ich weiß doch, dass du nicht so ein Egoist bist, wie dich die andern vielleicht sehen. Bitte steig ein.“ „Ich kann nicht…“, erwiderte er. „Ich habe Fehler gemacht, viele… Und irgendetwas sagt mir, ich dürfte nicht hier sein.“ „Aber…“, sagte Navi enttäuscht. Auch Klein-Link blieb wortlos. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Auch der neugierige Blick des Heroen des Windes schien ihn nicht zu interessieren. „Ich habe alleine etwas zu klären… ich weiß nicht, wie lange das dauern wird… Wenn ich weiß, dass ich das Recht habe, Prinzessin Zelda weiterhin ein Freund zu sein, werde ich euch folgen…“ Mit diesen leisen Worten drehte er um und rannte wieder zurück zum Ufer, kletterte an Bord und verschwand mit einem unsicheren Winken im Schiffsinneren. Die Kutschen aber fuhren endlich los, ließen vieles hinter sich. Eine Vergangenheit. Die Gegenwart und eine vergebliche Zukunft… Der Tag der Prophezeiung war gekommen. __________________________________________ Lange hat es gedauert, aber das neue Kapitel ist endlich da. Ich hoffe, es liest sich so gut wie vorige. Und dann wünsche ich jedem Zeldafanfiction-Fan ein schönes Weihnachtsfest. Lasst es euch gut gehen. lg Faylen7 Kapitel 128: „Ein neues Land… aber es wird nicht Hyrule sein...“ Teil 2 ----------------------------------------------------------------------- In gemächlicher Geschwindigkeit fuhren die Kutschen über den schneebedeckten Weg, hinterließen kaum Spuren im feinen, weißen Zauber, und trugen ihre Gäste links vorbei an einem uralten Wald mit mächtigen Stämmen und von Eiszapfen umhüllter Blättertracht. Selbst Blüten noch nie gesehener Sträucher mit blauen Farben waren umhüllt von glitzernden Kristallen. An den Seiten des Weges standen aus weißem Stein erbaute spitz zulaufende Türme, so groß wie drei übereinander gestapelte Männer waren sie und leuchteten mit silbrigem Licht den Weg. Rechts im Tal lag eine Stadt, soweit man dies mit bloßem Auge erkennen konnte und dahinter erhoben sich Berge, die spitzen Pfählen glichen. Diese Welt war ein rätselhaftes Traumland. Moderne Energie und eine seltsame Technik trieb vermutlich den Motor der Kutschen an, und schenkte den Lampen an den Wegseiten ihr Licht. Aber irgendetwas schien nicht in Ordnung zu sein. Denn bisher war die Mannschaft der blaublütigen Piratin Tetra auf keinen Menschen, noch nicht einmal auf irgendein Tier getroffen. Wo war das Leben in dieser Welt? Eine ernste Stimmung, die nur von Erstaunen über das Wunderwerk dieser Welt übertroffen wurde, lag über den beiden Kutschen. Niemand sprach ein Wort, sondern jeder schaute sich fasziniert in jener Welt um, die so viele Fragen aufwarf. Wie konnten beispielsweise Blüten zugefroren sein? War dieser Winter mehr als gewöhnlich? „Ich habe noch nie Schnee gesehen…“, gestand Tetra und lächelte dem Götterkind mildtätig zu. „Sag‘, hast du schon welchen gesehen?“ „Ja… in dem Hyrule, das ich kannte, da lag schon sehr oft Schnee. Es gibt dort ein Reich, welches von stolzen Fischwesen reagiert wird. Dort… wenn dort Schnee liegt, da fühlt er sich so rein an. Ein Winter in Zoras Reich ist faszinierend… es ist…“ Dann sah Klein-Link auf und betrachtete sich Tetras Gesicht. „Zoras, sagst du“, sprach sie grinsend. „Ja… Wesen, halb Mensch, halb Fisch.“ „Die Vorfahren der Vogelwesen, wie sie ein Freund von Link… und mir ist. Medolie…“ Klein-Link nickte. „Ich finde es großartig, dass ich euch beide in diesem Abenteuer getroffen habe, auch wenn wir euch beiden bisher noch nicht helfen konnten“, sprach Tetra und blickte in das weite Himmelszelt, welches in dieser Stunde von keinem Nebelschleier beschützt wurde. Ein strahlender, blauer Himmel, der bei längerem Betrachten in den Augen brannte. Und tatsächlich wurden die hellblauen Augen der jungen Piratin gläsern. „Und euch läuft auch nicht die Zeit davon, wenn ihr hier ein anderes Abenteuer erleben solltet?“ „Nun, eigentlich nicht… also hoffentlich nicht“, beteuerte Klein-Link. „In unsere Heimatwelt steht die Zeit still, dank dem Medaillon und der alten Okarina der Zeit.“ „Ich verstehe…“, sagte Tetra und grinste wieder. „Ich vermute ein anderer Link, vielleicht ein romantischer Typ als unser Link hier, hat seiner Zelda sicherlich oft die alte Okarina vorgespielt.“ Sie lachte dann und gab dem Götterkind einen herzhaften Schlag auf seinen kindlichen Rücken. „Guter Witz, oder?“ Er verstand zwar nicht, was daran so lustig war, aber er versuchte mit zulachen. „Findest du es… wirklich okay, dass Link nicht bei uns ist?“, meinte Navi, die ihre Hände im Schoß vergraben hatte und bisher schweigend neben dem Götterkind saß. Die Piratenanführerin schloss daraufhin einfach nur die Augen. Vielleicht dachte sie, ihre wahren Gedanken damit verbergen zu können. Doch allein ihre Mimik, die Gestik ihrer plötzlich zitternden Hände, erzählten von dem, was sie dachte und fühlte. Irgendwo… das wusste Tetra, hatten sie sich und Link immer verehrt, bis zu einem gewissen Punkt hatten sie einander immer vertraut… bis zu diesem Punkt hatten sie sich beide immer geliebt. Es war kein Geheimnis zwischen ihnen. Sie wussten beide, dass sie sich irgendwie zueinander hingezogen fühlten. Und es gab in den vielen Tagen, da sie auf dem prächtigen Schiff „Falke“ unterwegs waren, genügend Momente, wo sie beide irgendwelche Dummheiten angestellt hatten. Und eine solche Sache wie vor wenigen Stunden im Badezimmer, nun… es gab Momente, in denen es ebenso beinah dazu gekommen wäre. Sie konnten es nicht ändern, beide nicht. Sie waren immer fasziniert voneinander gewesen… Aber die leidenschaftlichen Minuten im Badezimmer hatten diesen einen Punkt dann doch übertroffen. Tetra bereute es inzwischen ein wenig, wusste sie doch, dass sie als Piratin niemals mit Dingen wie Liebe und Liebeskummer zu tun haben wollte. Warum nur war diese Sache überhaupt passiert, dachte sie? Es musste der Frust gewesen sein, den sie beide trugen. Ja… dieses verdammte Überbleibsel aus einer anderen Zeit. Das Wissen, dass hylianische, alte Seelen in ihnen beiden schlummerten… In dem Augenblick sprang das Götterkind beherzt ohne jene pelzige Decke, die ihn vorher noch umhüllte, von der weißen Kutsche. Aus einem Augenwinkel hatte er etwas gesehen, welches auf leisen Sohlen durch die schneebedeckten Wälder schlich. „Spinnst du, Klein-Link!“, fauchte Navi, stand auf ihren klobigen Beinen, klammerte sich an das Geländer und da stoppte die Kutsche ruckartig. Unbedacht ihrer Stimme rannte der Junge vorwärts und entdeckte jemandem mit violetter Kutte durch die Wälder rennen. Geschwind sauste er hinterher. „Warte!“, rief er. „Wir wollen doch nur mit jemandem reden!“ Aber die Gestallt rannte weiter, es schien fast so als flog sie über die weiße Schneedecke, die sich in den Wäldern gebildet hatte. Der Umhang war edel, ein samtener Stoff, der auf den Reichtum seines Trägers schließen musste. Seufzend stapfte Klein-Link vorwärts und rief weiterhin nach der Gestalt, kämpfte sich vorwärts, und da schien es fast so, als würde der Weg der umhüllten Gestalt geebnet werden, aber ihm nicht. Inzwischen war das Götterkind ein wenig tiefer in den Wald eingetaucht und der Schnee stand ihm bis zu den Knien. Weiter zu gehen, war sicherlich nicht ratsam. Hier im dichten Wald konnte er nicht einmal mehr das blaue Himmelszelt entdecken, welches ihm vorher so zugelacht hatte. ,Nur die Ruhe‘, dachte er. Er konnte seinen Weg hierher durch seine Fußspuren ganz leicht zurückverfolgen und schaute zurück, wo er eindeutig seine eigenen Spuren im weißen Zauber erblicken konnte. Wieso aber… Und erst da fiel es ihm auf. Die Gestalt von vorhin. Diese Person mit dem violetten Umhang… warum hatte sie keine Fußspuren im Schnee hinterlassen? Mit leicht Angst verzerrter Miene starrte der Junge in die Richtung, wo das Wesen verschwunden war. Was war hier passiert? Hatte er sich die Gestalt bloß eingebildet? Klein-Link erschuf weitere absurde Vorstellungen in seinem elfjährigen Kopf. Bei Farore, hatte er etwa einen Geist gesehen? Er schüttelte den Schädel und klopfte sich gegen seine kühle Stirn. So ein Blödsinn, was wollten Geister denn mitten am Tag? So ein Schwachsinn, er hatte nur eine blühende Phantasie, so wie es Nayru immer sagte. Sie hatte ihn einst belehrt, dass er nicht mit seinen unerfahrenen, phantasiereichen Augen sehen sollte. Sie hatte wahrhaft Recht. Ein wenig lachend schaute er sich noch einmal in Ruhe um, erblickte an einem der langen, knorrigen Äste violetten Stoff. Vorsichtig zerrieb er den Stoff zwischen seinen rotgekühlten Fingerspitzen. Es fühlte sich samtig an, warm… Er trat noch ein paar Schritte vorwärts. Noch ein paar. Und ahnte es immer noch nicht. Sorgsam trat er weiter. Und verlor sich in seiner eigenen Neugierde, achtete nicht auf den rissigen Boden unter ihm, der immer dünner zu werden schien. Plötzlich knackte es und da versagte das alte Erdreich, verschlang ihn und von weiten hörte man nur noch einen lauten Schrei. „Was war das?“, seufzte Tetra, die inzwischen auch von der Kutsche gesprungen war. „Das war Klein-Link!“, rief Navi erschrocken und taumelte in Richtung des Waldrandes. „Da muss etwas passiert sein!“ „Gonzo!“, kreischte Tetra und sprang beherzt und engagiert vor die Kutsche ihrer Piratencrew. „Gonzo, du kommst mit mir. Die anderen bleiben hier und warten auf unsere Rückkehr. Wir müssen den Jungen suchen.“ Der kräftige Pirat Gonzales ließ erschüttert den Kopf hängen. Erneut musste er nach Tetras Pfeife tanzen wegen einem kleinen Bengel, dessen ganzes Aussehen ihn ohnehin an diesen Helden des Windes erinnerte, der wiederrum nur noch ein Dorn in seinem Auge war. Warum nur waren diese zwei Kinder immer noch hier? Aber Tetra hatte eben ihren Dickkopf. Und war er nicht dick, dann war er ziemlich eigensinnig. Seufzend trampelte der Vierzigjährige aus der Kutsche, fröstelte ein wenig und verdrehte seine Augen. Plötzlich packte ihn der kleine Niko am Ärmel und sprach piepsig zu ihm: „Ähm… Gonzo…“ „Ja, was ist?“, brummte jener und betrachtete sich Nikos Gesichtsausdruck, wo seine piepsige Stimme einen neuen Sinn erhielt. Angst stand darin. Und Nikos winzige Augen waren zu einem Punkt weit nördlich gerichtet. Auch die anderen hefteten ihre Blicke zurück, entdeckten in der schneeweißen Landschaft, wo Silber funkelte, Schatten… mehrere leise Schatten, die sich auf sie zubewegten. Aber jene Gestalten bewegten sich nicht wie Menschen. Ihre Schrittmuster waren verzerrt, ab und an scherten sie aus, tanzten beinahe. Sie ließen keine Laute von sich und überraschten lediglich mit ihrer Art und Weise über den Schnee zu wandeln. Von hier aus konnte man noch nicht die Gesichter der Wesen erkennen, oder genau deuten, was sie trugen. Aber ihr abartiges Bewegungsmuster, und ihre Schnelligkeit wirkten beunruhigend. „Verdammt!“, rief Gonzo. „Miss Tetra, lass den Jungen zurück, wir sollten weiter. Wir wissen nicht, womit wir es zu tun haben. Diese Wesen dort hinten haben uns vielleicht noch nicht einmal entdeckt. Wir sollten…“ Doch seine Chefin hob skeptisch die Augenbrauen. „Hast du etwa Angst?“, giftete sie. „Nun…“ Gonzales fuchtelte unsicher mit seinen dicken, hornhautwuchernden Händen. „… wäre es nicht… ratsamer…“ „Wir gehen nicht ohne den Jungen! Und du Feigling bleibst eben hier bei den anderen“, entschied sie streng, schnappte Navi an einer Hand und zerrte diese mit sich in die Wälder hinein. „Falls uns diese Wesen bedrohen, kämpft, was das Zeug hält!“, rief sie noch, und verschwand dann endlich ganz in den glitzernden Wäldern. „Warum bin ich eigentlich nochmal in dieser Piratencrew?“, fragte der kräftige Pirat sein zweites Ich, falls er überhaupt eines besaß, und schüttelte sein Haupt. „Weil kein anderer Kapitän dich haben will, weichlicher Gonzales“, erklärte Niko besserwisserisch und ließ seine weißen Hasenzähne aus dem Mund blitzten. „Ich hab dich nicht um deine Meinung gefragt, Zwerg“, murrte jener zurück und gab Niko einen belehrenden Schlag auf den Schädel. Die Wälder wirkten beunruhigend. Ihre beobachtenden Augen waren wachsam und die vielen Arme in Gestalt von langen Wurzeln und reißenden Ästen schienen einen ungewöhnlichen Lebenssaft in sich zu tragen, als wollten sie sich bewegen, als wollten sie an dem Leben mit gellenden Geräuschen und Mimik und Gestik teilnehmen. Selbst das unterirdische Reich wirkte ungewöhnlich. Hellgraue Gesteine mit roten Äderchen umgaben Klein-Link, der sich unbeholfen die Augen rieb. Er war einfach ins Erdreich hineingestürzt. Der Boden hatte sich knisternd aufgetan, von einer Sekunde auf die andere, und er selbst hatte eine harte Landung hinter sich. Es war ungewöhnlich lichtreich hier unten, vermutlich durch die ungetrübten Wände und den silbrigen Schnee, mit dem das Götterkind herabgestürzt war. Sachte richtete er sich auf, fühlte seine Beine schmerzen. Sie schienen fast ein wenig betäubt und sein Gesäß tat ihm furchtbar weh. Er stützte seine rauen Kinderhände im kalten Matsch ab und kam torkelnd auf seine Beine. Er atmete schlürfend an, hielt seine Hände an den pochenden Brustkorb und dachte schon, er würde umkippen. Der Sturz schien einiges in seinem Köper durcheinander gebracht zu haben. Langsam setzte er einen Fuß nach den anderen und stützte sich mit den Händen an dem hellen Gestein ab. Noch bevor er die glitschigen Wände in diesem unterirdischen Hohlraum berührte, fühlte er, wie unter seinen Händen etwas aufzuckte, etwas pulsierte, als wäre der Stoff der roten Äderchen tatsächlich Blut. Benebelt trat der Junge weiter. Und aus dem unterirdischen Hohlraum wurde ein kleines Labyrinth, welches ihm noch Abenteuer zeigen sollte, die er nicht so schnell vergessen würde. Der Weg führte ihn nördlich, das sagte der Kompass, den Klein-Link einst von Farore geschenkt bekommen hatte. ,Hoffentlich finde ich einen Ausgang‘, dachte er. ,Warum hab ich nicht einfach an der Einbruchsstelle gewartet… Tetra und Navi hätten mich bestimmt gefunden.‘ Dann seufzte er, weil er erstens nicht mehr wusste, wo er war, und zweitens, weil er sich mit seiner ärgerlichen Voreiligkeit selbst schadete, als sich so etwas vorher zu überlegen. Und zurückgehen, war jetzt auch nicht mehr so einfach, er wusste nicht genau, aus welcher Richtung er gekommen war. Bei den ganzen Abzweigungen hatte er sich einfach immer nördlich gehalten… Das konnte noch heiter werden, dachte er. Und es dauerte nicht lange, da taten sich vor ihm erneut einige Abzweigungen auf. Und aus einem funkelte begehrlich und stetig ein fuchsiges Licht. Auch es pulsierte, wie die roten Äderchen in den glatten Gesteinen der Wände. Mit mulmigem Gefühl im Magen folgte er dem unsicheren Weg, stapfte durch unberührten Matsch, und kam dem ungewissen Licht näher. Er hörte undurchsichtiges Murmeln und Klänge eines nostalgischen Instrumentes, spürend, wie der mystische Klang durch seine Glieder strömte, ihn durchjagte wie ein Gift, welches ihn liebte. So wunderbar schmerzhaft war die Musik, erfüllte die Ohren mit Wehmut und verschlossener Dankbarkeit dafür, dass man ihr überhaupt lauschte. Klein-Link schloss fasziniert seine himmelblauen Augen, hatte er in seinem Leben noch nie so ein Instrument gehört. Der Klang war so hell, so wahrhaft magisch… Es zog ihn an, und so tapste er weiter, erreichte den Ort seiner Bestimmung mit immer weniger Angst. Es war nur noch atemberaubende Neugierde… Endlich gelangte der Junge in eine c-förmige Wölbung, die das Erdreich hier unten erschaffen hatte, und das rötliche Licht von vorhin warf seine Ausläufer auch auf ihn. Es waren Lampen, fast wie jene, die er schon einmal in der modernen Menschenwelt erblickt hatte. Ein glitzernder kleiner Kasten aus Glas umgab eine rote Lichtquelle, und jenes Gehäuse mit der fremdartigen Energie war auf einem gläsernen, sich windenden Ständer angebracht. Mehrere solcher Lampen befanden sich hier unten. Und während sich Klein-Link noch unbemerkt umsah, erkannte er drei Gestalten mit violetten Umhängen. Eine saß auf einem glänzenden, gefrorenen Stein und spielte das Instrument, welches den Ohren so lieblich schmeichelte. Es war ein Horn aus Glas mit verschiedenen Ausgängen und Löchern. Das zweite Wesen saß ausgebreitet in einem großen Kreis aus bunten Steinen und von ihr kam das merkwürdige Murmeln, als spräche sie ein und denselben Zauberspruch Dutzende Male. Und die dritte Gestalt bescherte dem Sprössling der Götter ein Bild, welches ihn zunächst erschreckte. Das Wesen im violetten Umhang stand vor einer gläsernen Skulptur. Einem Gebilde der Kunst, wie man zunächst zu denken vermochte. Eine hohe Glasskulptur, die einem Menschen glich, die einen Menschen vielleicht sogar abbildete. Und das Wesen im violetten Umhang strich vorsichtig und immer wieder über die Eigenheiten des Kunstwerkes. Klein-Link versteckte sich im Schatten des roten Lichtes und trat noch etwas näher, wollte auch erkennen, wie wunderbar diese Kunst war, wollte wissen, wie jemand so etwas Schönes aus Glas oder Eis zaubern konnte. Seine himmelblauen Augen wurden gläsern, als er die Skulptur betrachtete. Er konzentrierte sich sehr darauf zu sehen, woraus sie gemacht wurde, bis in Höhe der Augen der Skulptur plötzlich das Glas von innen beschlug. Er wollte es noch nicht begreifen, bis der sanfte Schleier aus Dunst verging. Und erst da, erst jetzt schauten ihn Augen von innerhalb der Skulptur an, schrien. Schöne, braune Augen, aber sie waren erstarrt. Sie sahen nicht mehr. Gefangen in dieser Skulptur- und das erkannte Klein-Link nun- war Leben… Er musste sich auf die Lippe beißen, um nicht vor Schreck zu schreien. Er wich zurück, stolperte über seine zitternden Füße, bei dem Gedanken, dass jene Wesen in den violetten Mänteln irgendwelche Menschen als lebendige Kunstwerke betrachteten. Diese Welt hier… dieses schneeweiße Niemandsland war nicht leer von Leben… Es war verflucht. Es war bestialisch verflucht. Was, wenn jeder Mensch in dieser Welt in einer solchen makaberen Skulptur gefangen war? Schreckhaft wich der Bengel weiter zurück, kam unabsichtlich an eine der Lampen, die daraufhin ausging… Er begaffte entsetzt jene drei Wesen, die sich alle wie auf Kommando zu ihm umdrehten, ihn direkt fixierten, auch, wenn man ihre Augen durch jene weiten, herabhängenden Kapuzen nicht erblicken konnte. Sie kreischten, genauso wie es Klein-Link angstvoll tat, als sie ihn entdeckten. Das Wesen mit dem gläsernen Horn wich zurück und lief in einen der Gänge. Die Gestalt auf dem Boden rannte ebenso davon. Nur der eine, der an seinem Kunstwerk arbeitete, blieb stehen und schien den Eindringling zu mustern. Das Götterkind zog seinen Dolch und schluckte kräftig. Er wollte etwas sagen, aber er konnte einfach nicht. Wie gelähmt hafteten seine Augen erneut auf dem Kunstwerk aus Eis oder Glas. „Wie viel hast du gesehen?“, zischte die Gestalt, und da erkannte das Götterkind, dass sie ebenso menschlich sein könnte. Es war eine Männerstimme, gewöhnlich, so wie viele Stimmen, die man im Alltag hörte. An ihr war nichts fremdartiges, noch unheimliches. „Ich… also… eigentlich hab ich gar nichts gesehen“, lachte der Bengel unsicher und kratzte sich am Kopf. „Was willst du hier?“, rief der Fremde dann und trat ein paar Schritte näher. „Weißt du nicht, wo du dich befindest, du dummer Mensch!“ Er packte das Götterkind fest und ruckartig an seinen Armen, sodass ihm die kleine Nachbildung des Masterschwertes aus der Hand fiel. „Du dummes Kind!“, schrie das Wesen. „Du weißt nichts… diese Welt ist verseucht. Du bist hier nicht willkommen!“ Dann ließ das Wesen von Klein-Link ab und lief die Hände über den Kopf gestürzt wie ein Wahnsinniger und mit unsäglichem Tempo durch den Raum. „Wir hassen die Welt… was aus ihr geworden ist, ist ein Grab…“, sprach er dann, lief zu der Statue und umarmte sie. Damit hob der Junge erleichtert seinen Dolch wieder vom Boden. Mit sicherem Gefühl, dass er sich nicht in Gefahr befand, verstaute er den Dolch wieder an seinem weißen Ledergürtel und musterte die Gestalt im violetten Umhang. Dennoch, was wollte diese Person ihm damit mitteilen? Mit diesem obskuren Verhalten? Was sollte der Mensch im Eis? Und was bedeutete es, dass er meinte, diese Welt sei ein Grab? „Wie heißt diese Welt eigentlich?“, fragte Klein-Link wissbegierig und vermutete, dass irgendein Elend dieser Welt ihn schlichtweg in den Wahnsinn getrieben haben musste. Er empfand sogar Mitleid, und ahnte nun, dass die beiden anderen aus Angst geflohen sein mussten, nicht um irgendeinen Hinterhalt zu planen. „Du weißt nicht… wie diese Welt heißt?“, rief der Fremde laut und stark, sodass selbst die einst lebendige Statue vibrierte. „Nein… Sehen Sie, das Problem ist, ich und ein paar andere Leute sind vor wenigen Minuten erst hier eingetroffen“, versuchte der Junge sein Gegenüber zu beruhigen. „Und seitdem haben wir nicht einen Menschen gesehen.“ „Nicht einen Menschen…“, bestätigte das Wesen, und verriet ihm noch immer nichts über seine Person. „Ja, genau. Dabei sind hier überall so schöne Gebäude, selbst am Ufer.“ „Richtig, schöne Gebäude… auch am Ufer…“ „Diese Technik. Diese Lampen.“ Und Klein-Link deutete auf jene hier im Erdreich. „Das ist eine bemerkenswerte Modernität.“ „Bemerkenswerte Modernität…“, widerholte der Fremdling, diesmal leise und zerstreut. Er schien nicht einmal mehr zu realisieren, dass das Götterkind hier war. Der Mann im violetten Mantel war einfach zu sehr auf die Statue fixiert, es schien fast so, als wollte er die Skulptur beweinen… Der Blondschopf jedoch versuchte die Ruhe zu bewahren und sich nicht einzubilden, der Typ widerholte seine Worte mit Absicht. Geduldig redete er weiter auf ihn ein, um herauszufinden, wo die Piratencrew gelandet, und welches Schicksal dieser Welt wiederfahren war. „Wir haben versagt… wir waren so dumm…“, sprach der Mensch. „Und jetzt ist alles verloren… das Eis wird nie wieder vergehen… weil diese Welt Lebensenergie auffrisst… Wir hassen unser Zuhause…“, sprach der Mann weinerlich. Und da erkannte Klein-Link eine nie dagewesene Sorge in sich aufkeimen, er fühlte ein Brennen in seinem Kopf, als wäre dies ein Abenteuer, welches er nie hatte bestreiten wollen. Dieser Gefahr… die womöglich irgendwo lauerte, war er gewiss nicht gewachsen. Er war nun mal nicht wie der Held der Zeit, der alle Schwierigkeiten gemeistert hatte. Diese Stärke zu trotzen, jene unglaubliche Tapferkeit besaß er nicht. „Sagen Sie mir bitte… wie nennt man diese Welt?“, wiederholte der Junge und blickte auf seine Füße. Es war fast so, als ahnte er den Namen. „Den Namen dieser Welt…“, äußerte der Fremdling, aber rückte vermutlich mit Absicht nicht mit dem Wort heraus. „Welche Gefahr bedroht diese Welt?“, sagte das Götterkind, diesmal schärfer und mit ordentlichem Nachdruck. „Antworten Sie mir bitte!“ „Welche Gefahr…“, sprach der Mann und warf sich der Glasskulptur zu Füßen. „Siehst du nicht, diese Schönheit… Das Grab unserer Welt ist ein schönes…“ Frustriert trat Klein-Link an einen der gläsernen Ständer für diese scharlachroten Lampen, worauf jene umfiel und das rote Licht im Nu verglühte. Er konnte tun, was er wollte, aus diesem Mann konnte selbst der geübteste Psychologe- und er musste an Dr. Richard Raunhold denken- kein vernünftiges Wort herausquetschen. Es war unfassbar. Nicht ein Wort dieses Menschen ergab Sinn. „Jetzt hören Sie auf mir alles nach zu quatschen!“, sagte Klein-Link und trat zu dem merkwürdigen Menschen heran, kniete zu ihm nieder und versuchte ihm unter die Kapuze zu schauen. Er sah nicht viel, aber eine Eigenheit eines elfischen Wesens. Eine Eigenheit… die man Hylianerohren nannte… War das zu fassen? Dieser Mensch besaß tatsächlich spitze Ohren! Man könnte argumentieren, dass solche Ohren in den Welten von Hyrule nichts Außergewöhnliches waren. Aber… schließlich waren sie hier in der Welt von Windwaker. Nicht jeder Mensch hatte hier spitze Ohren. Und nun waren sie auf neues Land gestoßen, hatten eine eindrucksvolle Pforte durchschritten. Es war alles andere als normal, hier auf Menschen mit spitzen Ohren zu treffen. „Sie haben spitze Ohren!“, tönte es aus Klein-Links frechem Mundwerk heraus. Mit einer unüberlegten Bewegung zerrte der Junge dem Fremdling die Kapuze ganz vom Kopf, erschrak zunächst, aber versuchte ruhig zu bleiben. Sicherlich… dieses Wesen hatte spitze Ohren… aber ein Hylianer war es gewiss nicht. Er war noch ziemlich jung, auch wenn seine männliche Stimme nach der eines Erwachsenen klang, zumindest war es das, was seine reine, weiße Haut vermuten ließ. Sein Mund war schmal, aber auch noch ziemlich gewöhnlich wie Klein-Link dachte. Und auch sonst war an seinem Gesicht nichts Seltsames. Es war nur… Klein-Link zwinkerte, und grinste dann, um von seiner Unbeholfenheit abzulenken. Es war nur… Und da trat das Götterkind wieder einige Schritte zurück. Es war nur… dass dieses Wesen zyklopenartig ein einzelnes, größeres Auge dort besaß, wo eigentlich zwei sein müssten… „Schau‘ mich nicht so an“, sprach der junge Kerl verdrießlich. „Ich weiß selbst, dass ich komisch aussehe. Aber wir Einäugigen sind die einzigen, die verschont geblieben sind.“ „Verschont? Wovon?“, sagte Klein-Link entrüstet und packte den jungen Mann an den Armen. „So hören Sie doch, ich möchte bloß wissen, wo wir hier sind. Was ist das für eine Welt, und was ist mit den Menschen geschehen?“ Daraufhin tropften schimmernde Tränen von den traurigen Augen des Mannes und er umschloss die vereiste Statue der Frau wieder, die neben ihm stand. Aber er schwieg wieder. Kein vernünftiges Wort konnte ihm entlockt werden. Kein Trost konnte man ihm spenden für das Elend, woran er siechte. „Hier… ist die Welt nicht mehr irrend. Die Wesen verfallen alle dem Schlaf des Eises. Geh hinfort, Fremder. Du wirst hier nicht gebraucht. Geh hinfort… denn diese Welt wird dich auffressen… bis die Königin kommt…“ „Die Königin?“ „Ja, das Licht, dass uns erlösen soll… Hoffen wir nur, dass sie… dass sie sieht…“ Er weinte dann wieder und zog die Kapuze erneut über seinen Kopf. „Du musst gehen.“ „Ja, aber nicht, bevor ich weiß, wie diese Welt heißt!“ Der Fremde stand auf und kramte irgendetwas aus seiner violetten Manteltasche. Ein gläsernes Gerät kam zum Vorschein. Eine Art Pistole, mit einem silbrigen Haar im Lauf der Waffe. Noch ehe Klein-Link reagieren konnte, setzte der Einäugige ihm die Waffe an die Schläfe, drückte ab und alles um den Jungen wurde schummrig. Er hörte keinen Knall, er hatte nur das Gefühl, er wurde unsagbar müde… „Du sollst diese Welt fürchten… die einen verteufelten Namen trägt… Erinnere dich an…“ Das Götterkind sackte nieder, rieb sich die Augen, wollte unbedingt wach bleiben, aber was immer ihm auch mit der Pistole verabreicht wurde, es wirkte, und es wirkte sehr schnell. Er würgte, hustete, während sich die Welt um ihn drehte. „Eine Welt…“, hörte er noch leise summen. „… mit dem Namen…“, sprach der Fremde, stand auf und in der Ferne vermischten sich seine Schritte mit dem Klang des Namens Hyrulia… Dann schloss das Götterkind seine Augen, erfuhr eine ganz andere Art des Schlafes, die ihn fesselte und doch entspannte, stets begleitet von dem einen magischen Wort, das zuletzt von ihm gehört wurde. Hyrulia. Derweil stand am weißen Ufer, wo das eisige, schäumende Meer mit unerbittlicher Wucht gegen steile, glatte Felsmauern prallte, ein junger Mann und beobachtete die kraftvollen Wogen. Er hatte sich in eine Decke eingewickelt und das stolze Schiff der Piratencrew verlassen und sich zunächst an diesem Ufer ein wenig umgesehen. Irgendetwas an dieser Welt, auch wenn sie so ruhig schien, so friedlich in ihrem Schnee ruhte, erweckte Misstrauen und Argwohn in seinem Herzen. Er hatte schon viele Orte der Welt gesehen, hatte Länder kennen gelernt, die niemand mehr kennen konnte, aber hier… in diesem Eiland stach etwas hervor, was er sich nicht erklären konnte. Er war vor wenigen Minuten in die Gebäude dieses Hafens eingedrungen, hatte dort nach Hinweisen gesucht, aber nichts gefunden, was sein seltsames Gefühl erklären konnte. Und inzwischen… machte er ich sogar ein wenig Sorgen, ob es richtig war, Tetra mit ihrer Crew und den beiden Kindern ohne sein Schwert in das Herz dieses Landes gehen zu lassen. Ja, er hatte Fehler gemacht die letzten Wochen und Monate. Er war zu einem griesgrämigen, dummen Taugenichts geworden. Er wusste inzwischen nicht einmal mehr… warum er so gehandelt hatte. Tetras und seine Erfahrung in dem Badezimmer hatte ihn irgendwie aufgeweckt… in mehrerer Hinsicht möglicherweise. Er grinste und kratzte sich dann lallend am Kopf. Auch wenn sie meinte, das wäre das erste und letzte Mal gewesen. Diese Sache war doch ziemlich… ziemlich… Und er lachte dann, bevor er seinen Gedanken zu Ende dachte. Wenn Tetra nicht so stur wäre, und wenn sie nicht manchmal so eigensinnig handelte, obwohl er diese Dinge an ihr schätzte, würde er ihr vielleicht sogar gestehen, dass es… ziemlich… Dann gab er sich eine Ohrfeige und lief an einer steilen Treppe hinunter zum Strand, der ebenso in ein wenig weißen Zauber gehüllt war. Ja, es war wunderbar mit Tetra eins zu sein, dachte er. Es war wunderbar… Dann grinste er wieder. Und selbst wenn sie es sich einredete, er würde dafür sorgen, dass es nicht das erste und letzte Mal war, dann… wenn er gewisse Dinge mit sich selbst abgeschlossen hatte. Zielstrebig marschierte der junge Held des Windes weiter, bis er mit seinen dunklen, abgenutzten Stiefeln in einer Mischung aus Schnee und Sand stand. Ein wenig schäumendes Wasser des weiten Ozeans- er fragte sich, wie man die See hier nannte- überschwappte seine Stiefel. Seine blauen Augen folgten der Spur des Wassers einmal mehr. Wie es sich zurückzog und dann wieder annäherte. Es brachte Sand mit sich, und in dem Augenblick noch etwas anderes. Verwundert kniete der Heroe nieder und nahm einen vertrauten Stein in seine Hände, rieb den Sand von der glatten, schiefrigen Oberfläche. Er wendete den Stein ein wenig, aber es bestand kein Zweifel… Das Meer hatte den Stein an Land gespült, den er vor wenigen Stunden erst vom Schiff aus ins Wasser geworfen hatte. Er wollte mit dieser Geste etwas abschließen, wollte den Gedanken an Hyrule damit endgültig vergessen. Und nun… schien ein kleiner Wink ihm den Stein zurückgebracht zu haben. Das war kein Zufall, dachte Link… Das war es, was man Schicksal nannte. Er lächelte. Hyrule abschließen… Die Welt am Grund des Meeres endgültig vergessen… Dies würde wohl niemals gelingen. Und es schien beinah, als wollte das Schicksal ihn mit diesem Stein zurück auf den rechten Weg führen. Er besah sich den markanten Stein ganz genau von jeder Seite. Tatsächlich, es war wirklich sein Stein. Dieses andersartige schiefrige Material, welches es nur in dem einen zauberhaften Land Hyrule gab… In dem Moment fiel der Stein wie von selbst aus Links Händen und sank ein wenig hinein in die samtig anmutende Schneesanddecke des Strandes. Verwundert bückte sich der junge Kämpfer und hob den Stein wieder auf, und steckte jene in seine Hosentasche. Der Heroe war keine zwei Schritte gelaufen, als der Stein- als würde er ein Eigenleben entwickeln- wieder aus der Tasche fiel. „Das gibt es doch nicht“, grummelte der Heroe, bückte sich wieder und hob den Stein erneut auf, verstaute ihn diesmal in einer Innentasche der Tunika und zog dort den Reißverschluss zu. Dieses Mal schaffte er es in etwa zehn Schritte, bis der seltsame Stein zu Boden fiel. Mit großen Augen beäugte er den Stein genauer, aber konnte daran nicht ungewöhnliches entdecken. Seine zerrissene Innentasche begutachtend wollte der Held des Windes schon anfangen mit dem Stein zu reden, aber unterließ es dann doch mit Hoffnung auf seinen gesunden Menschenverstand. „Sowas aber auch…“, murmelte er und trat erneut weiter, hatte den Stein nun fest mit seiner rechten Hand umschlossen. Er lief in Richtung des Schiffes, als der Stein wie von selbst aus seiner Hand schlüpfte und sich plötzlich hüpfend in Richtung des Meeres bewegte. Link schaute nun endlich ziemlich durcheinander drein und wollte seinen Augen nicht glauben, auch dann nicht, als der Stein an ein und derselben Stelle mehrmals auf und ab hüpfte. Der Heroe zwinkerte, gab sich eine kleine Kopfnuss, aber der Stein wollte einfach nicht aufhören herum zu hüpfen. „Ja, spinn ich denn?“, murmelte der Held des Windes mit seiner hellen Stimme, als der Stein ein paar alte hylianische Worte durch sein Hüpfen in den Schneesand schrieb. Mit noch größeren Augen trat der Held näher und las die Worte einige Male durch. ,Folge mir‘, stand dort. Zwei einfache, auffordernde Worte. Und der Heroe kam sich vor, als würde er gerade von jemandem sehr veralbert werden. Nur weit und breit spürte er keine Anwesenheit einer Seele. Und er hatte ja nicht einmal ein Tier seit seiner Ankunft hier erblickt. „Ich soll dir also folgen?“, fragte er und verschränkte seine starken Arme. Der Stein hüpfte weiter und bewegte sich dann in Richtung Meer. „Ich kann nicht glauben, dass ich soweit gesunken bin, und rede mit einem Stein…“, murrte der Heroe griesgrämig und kratzte seine Stirn. Er schüttelte seinen couragierten Schädel und tapste mit raschelnden Geräuschen durch die Mischung aus Sand und Schnee, folgte dem hüpfenden Stein nur widerwillig, aber vielleicht zeigte ihm jener ein großes Geheimnis oder die Wahrheit… Der Stein hüpfte weiterhin in teilweise schwingenden Bewegungen am Strand entlang bis er in das eiskalte Meer eintauchte und dort an ein und derselben Stelle weiterhüpfte. Link schüttelte ungläubig den Kopf. „Du willst, dass ich in dieses eiskalte Meer springe?“ Und es schien als hüpfte der Stein noch ein wenig weiter ins kalte Nass und hüpfte umso schneller. „So nicht, du alberner Stein!“, rief Link. „Ich springe doch nicht in dieses eiskalte Wasser, nur um dir aus Spaß hinterherzulaufen. Ich hab keine Lust mir den Tod zu holen.“ Der mürrische Heroe verschränkte erneut seine muskelbepackten Arme, drehte sich um und wollte vermutlich den Strand verlassen, als aber der Stein mit voller Wucht gegen seinen Hinterkopf prallte und Link zu Boden gerissen wurde. Er jaulte gequält auf und hielt sich seinen Hinterkopf fest. „Na warte!“, murrte er und rannte dem Stein nun mit doppelter Geschwindigkeit hinterher, um ihn zu fassen, und auseinander zu reißen. Er war inzwischen so wütend, dass es ihm gleich war, ob er in das kalte Meer eintauchte oder nicht. Mit einem herzhaften Satz sprang der Heroe hinein in den eisigen Ozean und folgte auch unter Wasser dem Stein, der zu schwimmen schien. Dies war der Beginn eines neuen Abenteuers, und Link war, egal, ob er es wollte oder nicht, mittendrin. Das Meer in der unendlich scheinenden Tiefe kam einem Ort der Verdammnis aus Eis und Salzwasser gleich. Das Gewässer hier unten war klar, fast heilig durch die Sonnenstrahlen, die wie dicke, sich bewegende Säulen den Grund erhellten. Es war schmerzhaft schön, hier entlang zu schwimmen. Wie Tausende, kleine Nadeln fühlte sich dieses Meer auf der Haut an. Schmerzhaft… und doch war es wunderschön die Welt von hier unten zu betrachten, zu erkennen, wie oberhalb die Lichtstrahlen funkelten. Licht bekam hier eine ganz andere Perspektive. Und die Steine, Muscheln und Pflanzen im Meer erweckten eine sanfte Harmonie, bildeten eine nie gesehene Welt. Link schwamm weiter, mit Aufbietung seiner Kräfte folgte er dem alten Stein aus Hyrule, und als er dem heiligen Meeresgrund näher kam, die Luft in seinen Lungen nun schon zu knapp, als dass er es bis an die Oberfläche schaffen würde, bot sich ihm ein Anblick von tausenden Leiden. Ein marterndes Bild mit der gnadenlosen Wucht peinvoller Gefühle wie Furcht, Hass und Wut prägte sich in ihm ein, ließ ihn unbewusst Luft holen wollen, ließ seine blauen Augen sich weit öffnen und dann zornig werden. Über dem gesamten Meeresboden verteilt, soweit das Auge reichte, zogen sich glitzernde Kristalle. Menschengroße Gebilde. Skulpturen, wie von göttlichen Händen geschaffen, verweilten hier unten, wie eine Armee tot geglaubter Soldaten schienen sie auf ihre Auferstehung zu warten. Mit leichtem Entsetzen in den Augen schwamm der Held näher an jene Kristalle, vergaß die Luft, die er zum Atmen brauchte, vergaß den Stein, dem er gefolgt war, und wurde Zeuge eines unglaublichen Wahnsinns, den diese Welt behütete. Alle Kristalle… all jene gläsernen Gebilde waren nicht geschaffen von Götterhänden. Diese Skulpturen waren nichts anderes als gefangene Menschenwesen mit spitzen Ohren. Langsam strich der Heroe über das Eis einer der Figuren, erkannte ein Kind dahinter in einer bemerkenswerten Pose… Es war als würde dieses Kind und auch die anderen Skulpturen alle beten in ihrer erstarrten Heiligkeit… Das Herz des jungen Heroen kochte nun vor Aufregung und einer maßlosen Wut über das Schicksal dieser Welt. Darum also gab es hier kein Leben. Darum also… hatte ihn ein merkwürdiges Gefühl die gesamte Zeit begleitet. Wütend schlug er gegen das Eis einer der Skulptur, aber nichts tat sich. Kein Riss… Kein Loch in diesem verdammten Material für die Ewigkeit. Und nun endlich verzog Link das Gesicht, fühlte, wie er unbedingt atmen musste und blickte sich rasch um, entdeckte den schiefrigen, geheimnisvollen Stein aus Hyrule nur wenige Meter weiter an dem Eingang zu einer Höhle. Es war wie als würde jener winken. Link folgte dem Geheiß, schwamm unter Aufbietung seiner Kräfte weiter, verzog immer mehr das Gesicht, da ihm die Lunge brannte. Er wollte atmen, er wollte nur noch atmen… Er wusste nicht, ob er überhaupt noch schwimmen konnte, oder ob es nur das Wasser war, welches sich vorwärts bewegte. Er wollte fast schon aufgeben, als der Eingang zu der Höhle näher kam. Ein schmaler, kurzer Tunnel folgte und dahinter verbarg sich ein zweites Meer. Und von irgendwoher funkelte auch hier im Wasser ein Licht. Nein, mehrere Lichter rötlicher Natur, die eine anmutige Wärme von sich gaben. Es schien das erste Mal für den Helden des Windes, dass ein rotes Licht heilsam, und nicht todbringend war… Link schwamm nur noch nach oben, hoffte, dass es so etwas wie einen Hohlraum in dieser großen Höhle gab und kniff inzwischen die Augen zu. Als er auftauchte, schien es ihm, als würde er ein zweites Leben geschenkt bekommen. Kühle Luft strömte seine Kehle hinab… mehr als genug Luft zum Atmen. Er röhrte, sog die Luft brennend in seine Lungen ein und zog sich an einer kleinen Erhebung hinauf. Seine Augen schließend lag er für wenige Minuten auf seinem Rücken, dachte an diese vielen Menschen, die in gläsernen Skulpturen gefangen waren… Soviel Traurigkeit überkam ihn bei einem Gedanken daran. Und eine anteilnehmende Wut für jedes der gestohlenen Leben. Was immer hier auch geschehen war, welches Böse diese Welt eingenommen hatte, er musste es finden und vernichten. Mit jenem letzten Gedanken riss er seine Augen auf und brachte seinen kalten Körper auf die Beine. Von seinem dunkelblonden, schulterlangen Haar tropfte stetig Wasser, während er sich vorwärtsbewegte und das rötliche Licht erblickte, welches in gläsernen Kasten gefangen war. Er hatte so etwas noch nie gesehen, ahnte aber, dass diese Lampen eine sehr raffinierte Bauweise besaßen. Sorgsam folgte er einem weiteren von rotem Licht erhellten Tunnel in der gigantischen Höhle. Der Weg wurde ein wenig steiler und auch das Rauschen des Wassers entfernte sich. ,Ein guter Weg‘, dachte der Heroe, der ihn vom eiskalten Meer hinfort brachte. Es dauerte nicht lange und Link erreichte ein aufwendiges Steintor mit verschiedenen Inschriften darin. Aber der Heroe hatte keine Lust und keine Zeit jene erst zu lesen und öffnete jenes Tor ohne weitere Sekunden zu verschwenden. Er wollte Antworten, er wollte die Wahrheit über jene Welt wissen. Ein kleines Geräusch in der Stille ließ ihn noch wissen, dass der schiefrige Stein ihm bis hierher gefolgt war. Seine linke Hand auf dem Griff seines Schwertes ruhend, trat der junge Mann ein, erfuhr Rätselhaftes, betrat ein lang verschollenes Gebäude der Vergangenheit und zweifelte… Gerade in jenem Moment erhellte der gebieterische, erschreckende Schrei einer Krähe die weitgewachsenen Wälder Hyrulias. Ein erstes Anzeichen des Lebens, dort wo alles in Eis und Kristall gefangen zu sein schien. „Hast du das gehört?“, murmelte Tetra und richtete ihr stolzes Haupt gen Himmel, wo allmählich die Sonne unterging und mehrere rosagefärbte Schleier die Abendsonne verdeckten. Es war unheimlich in den Wäldern, wo sie gerade mit Navi wandelte. Die Dämmerung zog sich mit ihren schattigen Ablegern gefährlich in den Wald hinein, verkündigte Dunkelheit und Finsternis überall. „Du meinst die Krähe?“, sagte Navi leise und hielt die Fackel in ihrer kleinen Hand nah an ihr sommersprossiges Gesicht, wollte deren Wärme fühlen hier in der Eiseskälte. „Genau. Das bedeutet hier gibt es ganz sicher Leben. Auch wenn uns noch niemand begegnet ist. Vielleicht kommen wir bald in eine Stadt.“ „Ja, aber vorher sollten wir dieses dumme Kind mit Namen Klein-Link finden. Nun, eigentlich heißt er gar nicht so. Laut seiner Geburtsurkunde heißt er ja Harkenia der Achte.“ Tetra verzog eine hellblonde Augenbraue und grinste tückisch. „Soso, Harkenia… ein berühmter Name in der Königsfamilie“, lachte sie und blickte mit ihren scharfen, ernsten Augen wieder durch die Nacht, um eine Spur von Klein-Link zu entdecken. „Nun, aber nicht so berühmt wie Zelda“, meinte Navi und grinste. Tetra nickte beschwörend. „Vielleicht lege ich den Namen Tetra doch irgendwann ab“, setzte sie hinzu. „Ehrlich gesagt, gefällt mir Zelda doch besser…“, flüsterte sie dann. Sie kniff Navi in eine Wange: „Aber wehe, du verrätst das irgendwem!“ Die einstige Fee zappelte und fluchte. Sie quietsche regelrecht wegen des Schmerzes von Tetras spitzen Fingernägeln, die ihre empfindliche Haut so bösartig zusammenkniffen. „Ich schwöre!“, rief sie. „Ich schwöre.“ Erst als Tetra heimtückisch grinste und dann auflachte, fühlte sich Navi wieder sicher. Sorgfältig rieb sie sich ihre rechte Wange und funkelte die Piratin mit immer mehr Wut an. „Wenn du mich weiterhin ärgerst, posaune ich in der ganzen Welt herum, was du mit dem Helden des Windes im Badezimmer des Schiffes getrieben hast“, rief sie empört und konnte nicht mehr. Und wenn Tetra sie an einen Baum aufhing, sie würde sich von dieser unhöflichen, dreisten, noch nicht einmal erwachsenen Person nicht alles gefallen lassen. Und da verlor Tetra jede Farbe im Gesicht. Ihre schönen Augen weitaufgerissen. „Denkst du allen Ernstes, nur weil ich aussehe wie ein Kind, bin ich dumm? Ich bin Hunderte von Jahren alt“, erklärte sie. „Na und?“ Und Tetra grinste wieder, natürlich gab sie Navi eine beherzte Kopfnuss. „Dann hast du halt zugeschaut. Denkst du, da mach‘ ich mir was draus? Link und ich hatten Sex. Na und? Erstens ist mir das nicht peinlich. Und zweitens hat es mehr als genug Spaß gemacht.“ Sie grinste frecher und frecher in der zunehmenden Dämmerung. Navi konnte nicht anders und rollte nur ihre Augen. Tetra konnte aber auch nichts erschüttern, dachte sie. Mann, die hat es echt drauf. „Ich geb’s auf…“, jammerte Navi und lief schnurstracks weiter, während die ausgefuchste Piratin lediglich grinste und erneut ihren Willen hatte. Manchmal, so schien es ihr, wusste sie ganz genau, wie sie mit manchen Menschen umgehen musste. Sie ahnte, wer aufrichtig war, sie spürte jegliche Art von Heimtücke. Sie war immer gerecht. „Und trotzdem…“, riss Navi sie aus ihren Gedanken. „Du hättest ja wohl kaum mit ihm geschlafen, wenn nicht mehr dahinter stecken würde.“ Sie stapfte fröhlich weiter. „Mir machst du nichts vor, Prinzessin Zelda. Link ist und bleibt… dein Ein-und-Alles.“ Daraufhin erwiderte Tetra nichts, sondern lächelte nur. Vielleicht war es so. Womöglich konnte sie es nicht einmal abstreiten. Also warum sich drüber ärgern? Immer weiter tauchten die beiden Gestalten in den stillen Wald ein, folgten den Fußspuren Klein-Links, die sich im hellen Licht der Fackel preisgaben. Und es dauerte nicht lange, da fanden sie ein riesiges Loch. Hier hatte sich vor wenigen Minuten die Erde aufgetan und die glitzernde Schneedecke hinab gezogen. Und genau hier endeten auch Klein-Links Fußspuren. Navi brach dann zitternd auf ihre Knie. „Um Himmels Willen. Was machen wir denn, wenn Klein-Link abgestürzt ist!“ Alle möglichen Albtraumszenarien bildeten sich in ihrem Kopf. Und er besaß das Medaillon der Mächtigen. Wie sollten sie die Mission zu Ende bringen, wenn Klein-Link nicht da war? Sie wollte schon anfangen zu weinen, als Tetra ihr eine eisige Hand auf die Schulter legte. Sie grinste und kniff ein Auge zusammen. „Mach‘ dir keine Sorgen.“ Dann deutete sie in Richtung eines Baumes, nur knapp neben dem Erdloch. Ein schlafendes Kind saß darunter, war in einen violetten Umhang eingewickelt und schien von dem Elend dieser Welt nichts mitzubekommen. „Klein-Link!“, rief Navi und rannte hinüber, legte ihren Kopf an seine Brust und hörte auch sein Herz ganz normal schlagen. Er schien wirklich nur eingeschlafen zu sein. „Den Göttinnen sei Dank.“ Auch das alte Medaillon hing noch um seinen Hals. Und im Schlaf schien er zu lächeln, als hätte er einen wunderbaren Traum… Nur… woher kam dieser ungewöhnliche, warme Umhang? Tetra stapfte näher und nahm den Jungen auf ihre Arme. „Lass uns wieder zu den anderen gehen. Es ist kalt geworden, jetzt, wo die Nacht hereinbricht“, sprach sie deutlich. „Du leuchtest den Weg mit der Fackel und ich folgte dir.“ Navi nickte. Als sie Gonzo und die anderen fanden, standen jene einfach nur erstarrt neben den Kutschen und hatten ihre Blicke gen Süden gerichtet. „Was ist passiert?“, murrte Tetra, lud das schlafende Götterkind in die Kutsche und trat dann zu Gonzo, der einfach nur seufzte. „Wenn wir das wüssten, Miss Tetra“, antwortete der kleine Niko dann und trat an sie heran. Er erklärte und zeigte dabei wieder seine großen Hasenzähne: „Als diese Wesen näherkamen, sind sie wie Geister durch uns hindurch gezogen. Wir mussten nicht kämpfen, wir taten gar nichts. Sie interessierten sich überhaupt nicht für unser Eins.“ „Mmh…“, meinte Tetra und schien zu grübeln. „Wie sahen sie nun genau aus?“ „Wie… Geister…“, sagte Gonzo und heftete seinen Blick noch immer gen Norden. „Sie waren blass… ihre Gesichter alt und ausdruckslos. Sie konnten sogar über den Schnee schweben…“ Tetra rollte mit den Augen und schüttelte nur den Kopf. Beherzt sprang sie in die Kutsche. Sie streckte sich und spürte das erste Mal seit längerem wieder ihre schmerzende, rechte Schulter. Zaghaft griff sie danach und streichelte darüber. „Wie auch immer, ich glaube nicht an Geister“, sprach die Piratenfrau kühl. „Steigt wieder in die Kutschen und lasst uns eine Ortschaft finden. Wenn wir hier bleiben, wird es auch nicht besser. Wir finden unsere Antworten schon…“ Die Gruppe aus Piraten grinste und nickte zufrieden. Ein paar Geister, und was immer jene Geschöpfe auch waren, konnten Tetra nicht einschüchtern. Sie würde mit ihrem Kopf durch die Wand gehen, egal, ob dieser dann blutig war. Sie würde sich ihren Weg suchen, überall. Genau das schätzten die meisten ihrer Mannschaft so an ihr. Sie war tapfer und willensstark, und hatte bei jedem noch so tragischen Schicksalsschlag ihre Hoffnung nicht aufgegeben. Verwundert stieg auch Navi ein, setzte sich neben das schlafende Götterkind und seufzte. Aber auch ihr kam ein Lächeln auf das Gesicht. Solange Tetra hier war… fühlte sie sich, auch wenn diese Piratenfrau sie dauernd neckte, irgendwie behütet. Die Kutschen fuhren erneut los, folgten einem prophezeiten Weg durch die Welt des lebenden Schnees. Vorbei an einem kolossalen, dunklen See führte die breite Straße einen spitzzulaufenden Berg hinauf und schließlich durch eine gewaltige Schlucht, die bedrohlich zu flüstern schien. Als sie die Felsspalte passiert hatten, eröffnete sich ihnen ein winterliches Bild unberührter Schönheit. Weit konnte man blicken und nur wenige Meilen entfernt leuchtete eine Ortschaft in vielen verschiedenen Farben… Nach einer Stunde endlich erreichte die Meute jene Stadt, die von einer Mauer mächtiger, hochgewachsener Bäume umrahmt schien. Ein hohes Tor mit faszinierenden Kreaturen aller Art, die auf dem weißen Gestein lebendig schienen, lud sie ein. Drachen, Kobolde, Phönixe. Alle möglichen magischen Wesen hatten auf jenem Tor Augen, und gelegentlich sah man, wie sich diese Augen bewegten, jene katzenartigen Augen änderten sogar gelegentlich die Pupillen… Und so passierten sie das Tor und betraten die Welt dahinter. Moderne, hohe Gebäude, erbaut mit viel farbigem Glas an manchen Seitenwänden, weckten neugierige Blicke der Crew. Mit Silber geschriebene Worte zierten das Gestein von fachwerkähnlichen Häusern. An Stelle von Schiefer bedeckte dickes Glas jene Gebäude und schützte vor dem Niederschlag. Und in manchen Häusern leuchtete eine rote, eine grüne oder eine blaue Lichtquelle… Tetra lehnte sich zurück und grinste. Sie verschränkte die Arme hinter ihrem Kopf. „Endlich eine Ortschaft. Nun bin ich ziemlich neugierig, wie die Menschen uns hier gesonnen sind und warum uns die Kutschen hierhergeführt haben.“ Auch Navi blickte sich wissensdurstig um, sah in dem einen Gebäude ein Kind aus einem Rundbogenfenster schauen. Ein süßer Fratz mit großen Augen, die jedoch ziemlich abgeneigt, wenn nicht sogar ängstlich wirkten, starrte sie an und zog dann an jenem Fenster einen Vorhang zu. Die einstige Fee schrak zurück und murmelte: „Ich schätze, die Menschen hier, sind uns nicht wirklich freundlich gesonnen…“ Ein weiterer Mensch kam zum Vorschein und lief über eine Brücke, die über ihnen gebaut wurde, er hetzte einfach vorbei, würdigte sie keines Blickes, und rannte weiter. „Das werden wir noch sehen“, sprach Tetra stark und richtete ihre muterfüllten blauen Augen voran, entdeckte die Spitze eines gläsernen Turmes nur wenige Meter weiter. Und während die Kutschen weiterfuhren, gab sich mehr und mehr ein stolzes Gebäude preis, welches majestätisch auf einer kleinen Erhebung, umgeben von einem großen Wasserbett ruhte. Schlangenartig wuchsen hier großblättrige Bäume, allesamt vereist tief hinein in eine hohe, weiße Mauer, die ein modernes, wunderschönes Schloss, beschützte. Erneut passierten sie ein Tor und wurde Zeuge von einer eigenartigen, weitentwickelten Bauweise. Tatsächlich erhob sich hier stolz und königlich ein prächtiges Schloss mit einem hohen Turm in der Mitte. Aber jenes Schloss war umgeben von Dutzenden Brücken, und überall war in dem Grundstein Glas eingefasst. An zwei, drei Stellen strömte ein kleiner Fluss von der Spitze des Turmes hinab und sammelte sich im Schlossgraben. Es schien fast so, als erzeugte eine faszinierende Macht in jenem gläsernen Turm das kostbare Wasser, welches rauschend hinabstürzte. Die Kutschen stoppten direkt vor einer Zugbrücke, die gerade raschelnd hinab sauste. Selbst die Zugbrücke war faszinierend. An den Seiten waren in Drachenköpfe blauleuchtende Lichter eingefasst, die dem Schlossgraben und jenem Tor einen matten Schimmer verliehen. Beeindruckt stieg Tetra mit ihrem Piratenpack aus den Kutschen und passierte jene Brücke, erreichte einen prachtvollen Innenhof mit vielen, schmalen Treppen, die in verschiedene Bereiche des modernen Schlosses führten. „Willkommen, Prinzessin“, riefen und sangen mehrere Stimmen und aus einem gläsernen Haupttor des Schlosses mit goldenen Inschriften kamen mehrere Personen mit festlichen Anzügen. Sie verbeugten sich zunächst und ein bärtiger Alter mit scharlachroter Hose und silbernem Mantel darüber geschlungen, trat an Tetra heran, und verbeugte sich erneut. „Seid herzlich willkommen in unserem Land“, sprach der Greis und schaute sie mit seinen fast weißen Augen eindringlich an. „Wir alle haben Eure Ankunft erwartet… Endlich ist der Tag der Prophezeiung gekommen. Unsere Königin hat uns erreicht.“ Verdutzt wich Tetra einige Schritte zurück und schaute nach links und rechts. „Moment mal!“ Sie fuchtelte abtuend mit ihren Händen. „Wie kommt ihr denn darauf, dass ich irgendwas mit eurem Land zu tun habe. Wir sind hier tatsächlich nur zufällig angekommen. Ich bin Piratin und keine eingebildete Königin, die den ganzen Tag auf ihrem Thron sitzt.“ Tetras Tonfall schien die umgebenden Leute ein wenig zu erschrecken. Sie schauten sich ratlos an und beugten dann die Häupter. „Wir sind Reisende“, erklärte sie. „.. und entdecken gerne neue Welten. Wir sind mit unserem Schiff im Hafen angekommen und haben zwei Kutschen entdeckt, die uns hierhergebracht haben.“ „Ihr glaubt also nicht… die zu sein, die uns prophezeit wurde…“, flüsterte der Bärtige. „Prophezeiung?“ „Ja, doch. Seht!“ Der grauhaarige, bucklige Mann holte eine achteckige Brille aus der Innentasche seines Silbermantels und setzte diese auf seine mit Warzen bedeckte Nase. Er trat mit einer knorrigen, weißen Gehhilfe an jenes gläserne Haupttor des Schlosses und deutete auf die goldene Inschrift, welche da lautete: „Zeit und Wind dienen als Vorboten für frevelhaftes Schicksal. Da das Verderben uns heimsucht, wandeln wir auf seidenen Pfaden… die Kräfte eines neuen Gleichgewichtes der Macht erfüllen unsere Welt im Schimmer von Eis und Kristallen… Ein Hyrule, geschöpft aus Hoffnung und Magie. Eine Welt, die sucht nach seiner Königin. Unsterblich soll sie sein. Ihr Name ward ewig. Ihr Lächeln überwand den Tod…“ Tetra verzog lediglich das Gesicht. Sicherlich, es war schon verwunderlich, dass sie jene Schriftzeichen kannte und dass sie sich ein bisschen, aber wirklich nur ein winziges Bisschen, davon angezogen fühlte. Trotzdem konnte sie das nicht glauben, oder wahrhaben. Die Königin, von der hier gesprochen wurde, konnte nie und nimmer sie selbst sein. Sie war erst siebzehn. Sie hatte keine Lust ihr Piratenleben aufzugeben. Sie war nicht geeignet für so einen Job. Diese und mehr Gründe schwirrten in ihrem Kopf herum. Warum beharrten diese Menschen hier eigentlich so sehr auf dieser Prophezeiung? „Und ihr denkt jetzt allen Ernstes ich bin diese Königin?“, lachte Tetra und verschränkte die Arme. „Ihr seid alle nicht mehr ganz dicht, um das mal klarzustellen.“ Die Alten murmelten irgendetwas, worauf der alte Mann mit dem langen weißen Bart wieder näher schlich. Er deutete auf Tetras rechten Handrücken, schien ja fast zu ahnen, was sich darauf verbarg. „Versteht doch…“, begann er und seine Stimme schien bedrückt. „Wir wissen, dass Ihr es seid, Prinzessin. Nur unsere zukünftige Königin hätte diese Kutschen mit ihrer Magie in Bewegung gesetzt, mit denen ihr hierher gefunden habt.“ Tetra fiel derweil aus allen Wolken. „Moment. Ihr wollt mir jetzt allen Ernstes weiß machen, dass diese Kutschen nicht von selbst gefahren sind, sondern, dass ich dafür verantwortlich bin?“ Der Bärtige nickte beschwörend. Tetra schaute ratlos zu Navi und zu den verdutzten Gesichtern ihres Piratenpacks, die nicht wussten, was sie sagen sollten. Sie beobachtete dann kurzzeitig ihre von der Kälte rotgeschwollenen Füße. „Und was wollt ihr jetzt von mir? Was erwartet Ihr?“ Sie zeigte den umstehenden Leuten dann frech ihren Handrücken, wo sich das Triforcefragment der Weisheit blass zeigte. „Jawohl, ich bin eine Prinzessin, das ist richtig. Und ich besitze Magie, wie ihr es richtig gedeutet habt. Aber ich verstehe nicht, warum ihr überhaupt auf eine Königin wartet! Was wollt ihr von mir?“ Der Bärtige lächelte ein wenig unsicher. „Nun… vor einigen Jahren… als der Schnee immer näherkam und das Eis nicht mehr schmelzen konnte… tauchte hier ein stattlicher Mann auf, der einen Mantel trug, wie ihn nur ein König tragen konnte. Er hat uns etwas geschenkt… und gab uns eine Prophezeiung, dass irgendwann das Geschlecht hylianischen Königsblutes unser Volk retten würde…“ Mehr als verblüfft musste Tetra irgendwo Halt finden und lehnte sich an eine der Kutschen. „Hylianisches Königsblut?“, murmelte Navi dann und blickte von Tetra zu Klein-Link, der noch immer lächelnd schlief. „So ist es“, sagte der Bärtige. „Und wer seid ihr überhaupt?“, sprach Tetra klar und deutlich. „Welche Rolle habt ihr hier?“ „Nun… mein Name ist Eridés. Ich bin einer derjenigen, die über das alte Land wachen.“ Tetra nickte zufrieden, und es schien als war ihr diese Antwort ausreichend. „Versteht doch… wir brauchen Euch. Wir sind selbst hylianischen Blutes. Seht ihr denn nicht unsere spitzen Ohren.“ Und die Menschen hier legten alle ihre Kapuzen zurück. Der zweite große Schock erreichte Tetra und sie blickte zornig weg. Wie konnten diese angeblichen Hylianer das von ihr erwarten? Sie wollte niemals ein solches Leben bei Hofe führen. Und sie würde sich von diesen Leuten nicht überreden lassen, das was sie war, wofür sie lebte, was sie liebte, einfach in alle Winde zu schlagen! „Auf unserer Welt lastet ein schrecklicher Fluch das Eises, bitte helft uns…“ Und die Anwesenden gingen alle auf ihre Knie. Tetra ließ dann den Kopf hängen, atmete laut ein und sagte: „Ich kann euch nicht helfen. Ich bin nicht diejenige, die mit ihrer Magie und Stärke alles gerade biegen kann, ihr sprecht mit der falschen Person. Denjenigen, den ihr sucht, ist nicht königlich. Derjenige, der euch helfen kann, der wirklich kämpfen kann, der vielleicht in der Lage ist, einen Fluch zu brechen, hat meine Mannschaft verlassen.“ Gerade da mischte sich Navi ein: „Aber nicht doch, Tetra. Link wird kommen, ganz sicher. Er würde sicherlich kämpfen, egal, welchen Kampf es zu bestreiten gibt, egal, welchen Fluch er brechen muss.“ Doch da schüttelte die blaublütige Piratin ihren hübschen Kopf: „Wenn er nicht kämpfen will, wird er es nicht tun.“ „Aber er wird es, ganz sicher, ich werde mit ihm reden, ich werde ihn überzeugen.“, rief sie und sprang zurück in eine der Kutschen. „Bitte Tetra, darf ich zu ihm fahren?“ „In Ordnung…“, meinte sie lediglich und die Kutsche sauste davon. Doch weder Tetra noch irgendwer sonst konnte verstehen, wie Tetra die Kutschen steuern konnte. Es war ihnen allen sehr unbegreiflich. Und Navi… sobald sie Link erreicht hatte, würde sie erkennen, dass es alles andere als nötig war, ihn zu überzeugen… „Und was tun wir jetzt?“, sprach Tetra an ihre Mannschaft gerichtet. „Erlaubt mir ein Wort, Prinzessin… Bitte folgt uns in das alte Schloss unseres Landes und lasst uns erklären, was geschehen ist, was es mit dem Fluch auf sich hat.“ Die Piratenanführerin nickte und tapste schließlich hinter den Bewohnern dieser Welt hinterher, hinein in das zauberhafte Schloss. Gonzo folgte mit Klein-Link über seine rechte Schulter hängend, und auch die restlichen Piraten schlossen sich an. Der Held des Windes fand sich währenddessen in einem schönen, ausgeschmückten Gewölbe wieder. Zierliche Glaskristalle schwebten hier anscheinend selbstständig über dem Boden, trugen alle Farben der Welt und schnitten die Lichtstrahlen weiterer eigenartiger Stehlampen. Erneut diese modernen, gläsernen Gehäuse mit den roten, blauen oder grünen Lichtkugeln in ihrem Inneren. Der junge Mann trat näher, tapste unabsichtlich in einige kleine Pfützen und berührte eine der seltsamen Lampen, strich ganz vorsichtig über das gläserne Gehäuse und fühlte sich umschmeichelt von sanfter Energie, die über seine Fingerspitzen streichelte. Das farbige Licht im Inneren jenes viereckigen Gehäuses glomm kurz auf, und ging dann langsam aus… Schritte rissen den Heroen dann aus seinen Gedanken und die steinerne Pforte, der Zugang zu diesem Gewölbe schloss sich. Nun aber stand dort eine weitere Person und schaute ihn aus befehlsgewaltigen, weisen Augen heraus an. Link traute seinen Sinnen nicht mehr und sackte auf die Knie. Seine blauen Augen unterlegt mit einer hoffnungslosen Fassungslosigkeit. Er kannte den Menschen, der nun vor ihm stand. Er kannte jene Augen, und diese undefinierbare Gewalt in ihnen. Dieses verdeckte, majestätische Gemüt, welches sie untergruben. „Ihr…“, brachte Link aus seiner Kehle und konnte es immer noch nicht glauben. Für einen Moment blickte er weg, zwinkerte mehrmals und starrte sein Gegenüber erneut an. „Ihr seid es wirklich…“ „Ja, Link“, erklang eine tiefe Stimme und schallte in dem Gewölbe umher wie ein anbrechender Donner. Es war ein älterer Mann, breit gebaut mit muskelbepackten Armen, die er unter seinem feuerroten Mantel versteckte. Das Alter hatte sich in Form von Falten in seinem Gesicht vergraben. Ein weißer, kurzer Bart schmückte sein Kinn und buschige, weiße Augenbrauen grenzten seine Stirn ab. „Daphnos… wie ist das möglich?“, murmelte er, richtete sich auf und klopfte sich die schmutzige Feuchtigkeit von der rehbraunen Hose. Langsam trat der Angesprochene näher und betrachtete sich währenddessen seine großen Hände. „Ich bin hier… ja, durch eine Gunst der Göttinnen…“, erklärte er und auf seinem Gesicht zeigte sich ein großherziges Lächeln. „Du bist sehr reif geworden, Link. Erwachsen, sicherlich, aber da liegt irgendeine Sorge auf deinem Herz?“ Daraufhin schaute der Held des Windes unsicher weg. „Es ist keine leichte Zeit, erwachsen zu werden, nicht wahr?“, sprach der kräftige Mann, der einst ein ganzes Königreich an edlen Kämpfern, treuen Untergebenen und wissenden Feinden unter sich hatte. „Gewiss nicht“, murmelte der Heroe, trat näher und nahm die Hand an, die sein Gegenüber ihm bot. Er küsste diese. „Ich kann es immer noch nicht glauben…“, sagte Link. „Ihr steht tatsächlich vor mir. Der König des untergegangenen, magischen Landes Hyrule…“ „Eine Welt nach der sich ein vergessener Teil deiner Selbst sehnt, nicht wahr?“ Und wieder blickte Link ernüchtert weg. Woher wusste Daphnos das? Ja, er vermisste diesen Sinn ein Kämpfer für ein Königreich zu sein. Er vermisste es, eine große, verantwortungsvolle Aufgabe zu haben. Irgendetwas in ihm hatte das Piratenleben schlichtweg satt. „Aber wie ist es möglich, dass Ihr nun hier seid? Ich verstehe noch nicht ganz. Eine Gunst der Göttinnen?“ Der einstige würdevolle Herrscher nickte. „Wir haben nicht viel Zeit…“, sprach er leise. „Nicht viel Zeit?“, wiederholte Link verwundert. „Zeit wofür?“ Der König trat ein paar Schritte und berührte ebenso eine der leuchtenden Lampen, die bei der Berührung wie ein sterbender Stern hell aufleuchtete und dann einging… „Ich verstehe das nicht, Daphnos. Warum seid Ihr hier? Was hat es mit dieser Welt auf sich? Am Meeresboden…“ Link konnte kaum noch atmen, so hastig und aufgeregt sprach er und breitete seine Arme weit auseinander. „Am Meeresboden befinden sich Dutzende Leichen, eingehüllt in irgendwelche merkwürdigen Kristalle. Wo, zum Teufel, sind wir hier?“ Als Daphnos sich zu ihm wand und seine Lippen bewegte, schien es Link als würde die Zeit gefrieren und die Winde der Welt allesamt still stehen. Es war diese Schwermut, die den alten König von Damals umhüllte, diese Trauer und Enttäuschung. „Wir sind in einer Welt, die gegen viele Gesetze verstoßen hat. In einer Welt, die sich weiterentwickelte, die ihr Grab nicht akzeptieren wollte. Eine Welt, die einen Namen trägt, vor dem ich mich fürchte…“ Seine Worte hatten das Vergessene angekratzt, von dem Link hoffte, es könnte niemals wahr sein. „Wie heißt diese Welt?“, sagte Link laut. „Hyrulia. Das vergessene Land. Das Eiland ohne Königin. Das verfluchte Land tausender Ströme der Magie.“ Link schluckte: „Hyrulia…“, wiederholte er fragend. „Aber wie…“ Daphnos trat näher und legte ihm eine Hand auf die Schulter, schaute aber bewusst an ihm vorbei. „Ich versteh es selbst nicht. Hyrule ist damals untergegangen. Das ist richtig. Es wurde von der großen Flut überrollt und nur die Spitzen der Berge sind noch zum Leben gedacht. Nur jene sind noch bevölkert. Aber hier… dieses Hyrule…“ Daphnos rieb sich seine Stirn. „Link, sag‘ mir… hast du einmal schon den Schrei eines neugeborenen Lebens vernommen?“ Darauf nickte er und dachte an seine kleine Schwester. Er war dabei… er hatte bei ihrer Geburt den allerersten Schrei gehört. Es war ein Schrei des Glückes und der Zuversicht. Es war unbeschreiblich. „Und hast du schon einmal den Schrei… den heftigen Klageschrei eines sterbenden Wesens vernommen?“ Auch hier musste Link nicken, erinnerte sich gespenstisch an die vielen Moblinköpfe, die er abgeschlagen hatte. „Stell dir vor, du vernimmst beide Schreie zu ein und demselben Zeitpunkt. Kraftvolle Schreie, die sich mit einem Wahnsinn vermischen, den der weiseste Mensch auf der Welt nicht zu beschreiben vermag. Eine Kraft steckt dahinter, die man nicht kontrollieren kann. In einem Bruchteil von Sekunden stirbt etwas. In einem Bruchteil von Sekunden beginnt etwas zu leben. Die unerschütterliche Macht des Lebens schafft es Dinge hervorzubringen, die unmöglich scheinen. In der letzten Sekunde eines Menschenlebens zerreißt es jenen Menschen mit einem Gefühl von Gleichgültigkeit und unentrinnbarem Wahnwitz. Die Sekunde vor dem eigenen Tod entfesselt etwas in uns, was selbst die Götter fürchten. Etwas Mächtiges. Eine Kraft, die stärker noch scheint als das vereinte Triforce…“ Link lauschte, fühlte sich betäubt, wollte die Dinge verstehen, aber er konnte es nicht. „Hyrule… ja, ich habe nie umsonst gesagt, es lebt. Und es ist schon oft gestorben in seiner endlosen Geschichte, die über die Dimensionen und verschiedensten Planeten des Universums verstreut ist. Und es wird noch viele Male geboren werden.“ Seine Stimme wurde ruhiger, und der Blaublütige schloss seine Augen. „Nur manchmal… geschehen selbst Dinge, die die Göttinnen nicht vorhersehen konnten. Hyrule hat sich, gefangen in einer Gier um Macht, konfrontiert mit dem Gesicht des Todes gespalten, wie es die Seele eines Menschen tut, wenn man sie leiden lässt. Hyrule, ernährt vom dem Triforce, ist kein Land mehr, welches man einfach so vernichten könnte. Es lebt, Link… es lebt…“ Mit offenem Mund stand Link einfach da und hatte keine Fragen mehr in seinem jugendlichen Kopf. Er wusste nicht, ob seine Fragen überhaupt noch einen Sinn ergaben. Das alles ergab keinen Sinn. „Und nicht nur in unserer Dimension, Held des Windes. Auch in anderen lebt Hyrule noch immer, obwohl es tot sein sollte…“ „Ihr wollt mir nicht wirklich damit sagen, dass dieses Land hier… diese Welt… sie ist Hyrule?“ Daphnos nickte. „Hyrulia, wie sie von seinen Bewohnern genannt wird.“ „Aber ich verstehe kein Wort von dem, was Ihr mir sagt. Das ergibt alles keinen Sinn. Hyrule wurde am Meeresboden versiegelt, zusammen mit euch, damals, als wir auch Ganondorf mit dem Masterschwert bannten.“ Daphnos nickte, aber runzelte seine faltenreiche Stirn. „Ich weiß, Link. Ich weiß. Und hier, genau hier, wo wir stehen, hat das Hyrule vom Meeresboden, ein echtes, unvergleichliches Abbild von sich erschaffen, weitergelebt, mit Bewohnern, aber ohne eine Königsfamilie ist hier das Leben weitergegangen, als wäre die große Katastrophe vor Hunderten Jahren nie passiert. Und es hat sich weiterentwickelt. Die Bauweise wurde raffiniert. Die Energienutzung hat bahnbrechende Fortschritte gemacht. Nur…“ Link rieb sich die Stirn und dann die Augen. „Ich glaub‘ das alles nicht…“ „Ich auch nicht…“, sagte der einstige König und ließ das Haupt hängen. Eine unangenehme Pause entstand. Man hörte das weite Meer singen. Ein Klagegesang, als wollte es nach dem einen Helden rufen um erlöst zu werden. „Und aus diesem Grund steht Ihr nun… vor mir, obwohl Ihr tot sein solltet?“ Insgeheim entschuldigte sich Link für diese ungehobelte Frage. Der einstige König lachte nur erheitert: „So ist es, Link. Dein schiefriger Stein, dein Erinner-Mich an Hyrule, hat nun hier in jenem Land auch ein Eigenleben entwickelt, wie mir scheint. Und dich hierher geführt.“ „Zum Glück!“, sagte Link und kratzte sich kindisch am Kopf. Der Stein hüpfte daraufhin in seine Hosentasche und schien dort endlich wieder still zu sein. „Ich bin ziemlich froh…“ Link schaute betreten zu seinen Füßen und schabte mit jenen auf dem glitschigen Boden. „… Euch wiederzusehen, Daphnos.“ „Nur leider kann ich nicht allzu lange bleiben, da die Götter mir nicht sehr viel Zeit gewähren, Held des Windes…“, erwiderte jener. Es war traurig, das zu hören, aber Link hatte es von vornherein vermutet. „Wir müssen uns beeilen. Vielmehr… du musst dich beeilen. Ich bin nur ein Abgesandter, jemand, der dir die Wahrheit über Hyrulia erzählen soll, damit einer… einer die Wahrheit wirklich kennt.“ Link nickte und lehnte sich dann mit seiner Stirn gerichtet an eine der glatten Wände. Er war noch so durchnässt von vorhin, und spürte erst jetzt, wie kalt seine Glieder waren. Die Wiederbegegnung mit dem einstigen, letzten König Hyrules hatte ihm einen ziemlichen Stich versetzt. Und die vielen Menschen am Meeresboden, eingehüllt in abartige Kristalle, allesamt betend, als wollten sie kämpfen und schreien, als würden sie schrecklich leiden. Waren jene Menschen auch ein unglücklicher Umstand, dass Hyrule ein eigenes Bewusstsein entwickelt hatte? „Was ist mit den am Meeresboden begrabenen Menschen, Daphnos…?“, sprach Link leise, während noch immer einzelne, salzige Wassertropfen an seinen dunkelblonden Haaren hinab rannen. „Sie sind nicht begraben, Link.“ Verblüfft wand sich der junge Mann in einer heftigen Bewegung um. „Sie leben, Link. Sie sind alle am Leben, nur befallen von etwas… was diese Welt zu verantworten hat.“ „Sie leben?“ Und Links Gesicht erhellte sich. Als wurde ein makaberer Zorn dort einfach weggewaschen werden. „Wie ist denn nun das schon wieder möglich?“, murmelte der Heroe, und fragte sich, wie oft er jene Frage heute noch stellen würde. „Es war ein schreckliches Experiment in einem Abbild Hyrules, in welchem die Göttinnen kein Triforce hinterlassen haben. Man hat versucht die Energie aus diesem Land zu ziehen, versucht jene zu spalten. Ein dummer Versuch, Energie zu vermehren… um des Fortschritts Willen…“, murmelte Daphnos und begann weiterhin zu erklären. „Es gibt einige, die sich die Wächter dieses Landes nennen. Für mich… sind jene…“ Er setzte einen finsteren Blick auf und schlug seine rechte Faust wütend in die naheliegende Felswand. „… nur Scharlatane, die sich hinter ihrem Wächtertitel verstecken und in Wahrheit nach der Herrschaft über dieses Land streben.“ Den Heroen des Windes erschlugen diese Anschuldigungen beinah. Er kannte die Menschen, die hier lebten, nicht, aber das überraschte ihn nun doch ein wenig. Hier gab es kein Triforce, oder doch? Also hinter welcher Macht waren diese Wächter her? „Die Energie, die man hier nutzt, man kann sie nicht einmal richtig erklären…“ Und Daphnos tapste an eine der rotglühenden Lampen. „Sie lebt wie der Wind, der um stolze Baumwipfel pfeift, wie die Meeresströmung, oder wie Feuer. Aber berührt sie ein Mensch, geht sie aus.“ Und er berührte jene, worauf sie kurz aufglomm und dann zur Neige ging. „Es gibt hier ein Volk, welches man ,die Einäugigen‘ nennt. Nur sie sind in der Lage, solche Energien ,einzufangen‘“, erklärte der einstige Herrscher weiterhin. „Nur seit dem verteufelten Experiment, welches von den Wächtern Hyrulias durchgeführt wurde, sind jene zu Unrecht verschrien. Man beschimpft sie, am Schnee schuld zu sein, der nie wieder vergeht, beschimpft jene zu Unrecht, für die vielen in Eis gefangenen Hyrulianer Verantwortung zu tragen, wo es doch die Wächter sind, die man sühnen lassen sollte.“ „Einäugige Hylianer?“, wiederholte der Held des Windes und setzte einige Finger an sein Kinn und streichelte dort seinen Dreitagesbart. „Zyklopen?“ Daphnos nickte breit grinsend: „Nun, du hast auch schon mal weisere Fragen gestellt, Held des Windes.“ Jener wurde gleich puder rot und schaute betreten zu seinen verdreckten Stiefeln. Er kratzte sich am Kopf. Sicherlich, es war ja sonnenklar, dass man einäugige Wesen Zyklopen nannte, nicht? „Wie auch immer“, redete sich der Heroe heraus. „Es ist meine Pflicht etwas zu tun, um diese Hyruler am Meeresboden zu befreien… und…“ Er blickte unsicherer zu seinen Stiefeln und dem schlammigen Erdreich. „… und Tetra…“ „Ich sehe… du hast Zelda und die anderen gehen lassen…“, meinte der König der alten Zeiten und trat mit kühlem, ernstem Blick näher. „Ich musste. Ich hab mich die letzten Monate wie ein Idiot benommen. Ich hab gar nicht mehr das Recht, überhaupt noch etwas für die Prinzessin zu tun. Ich hab mein Recht als Held und Beschützer verwirkt.“ Daraufhin lief der Heroe genervt im Raum hin und her. „Wie konnte ich nur so dumm sein…“, seufzte er und schmiss dann wütend die nächste, moderne Stehlampe in diesem Raum um. „Link…“, sagte der König, aber jener Heroe hörte nicht zu, sondern trat mit seinen Füßen an eine Seitenwand. „Link!“, meinte er ein zweites Mal, worauf der Held aufsah, und man Schwermut und Selbstverachtung in seinen Augen so klar lesen konnte wie in einem Buch. „Wie wäre es, wenn du zunächst anfängst, dir selbst zu verzeihen, mein Sohn.“ Daphnos lächelte leicht und legte ihm erneut eine Hand auf die Schulter. „Ich bin mir sicher, Tetra hat es doch schon längst getan, sie hat dir sicherlich verziehen. Außerdem…“ Und der König im roten Mantel schloss seine Augen. „Sind nicht auch Helden fehlbar? Sind nicht auch Helden nur Menschen?“ Der Held des Windes schluchzte. „Dennoch… ich war so ein Idiot, mein König. Ich hab nicht einmal realisiert, dass ich Tetra hätte sterben lassen können in meiner Ignoranz. Ich hab sie in so vielen Situationen sich selbst überlassen…“ „Dann ist nun die Zeit gekommen, es wieder zu ändern“, sprach der staatliche Mann aufrichtig und hob sein Haupt in die Höhe. Die vielen funkelnden Kristalle in jener Höhle drehten sich, als er sie anblickte. „Ich war schon einmal in diesem Land, als Bote… Dies soll euer neues Land sein. Aber es liegt in Zeldas und deiner Entscheidung, ob ihr in dieser Welt euer Zuhause finden wollt.“ Der Held des Windes beobachtete die vielen funkelnden Kristalle in dem Gewölbe, die zu tanzen schienen. Ein Gefühl von Ruhe und Erleichterung überschwemmte ihn während die vielen winzigen Gebilde sich nach Daphnos‘ Magie drehten wie Hunderte sterbliche Wesen. Wie jene Menschen am Meeresboden, die wieder tanzen können würden. Dann… genau und nur dann, wenn der Held dieser Welt sein Gesicht zeigte und sie zurück in die Freiheit führte. „Sie ist in Gefahr…“, sprach Daphnos leise. „Jene Wächter in dieser Welt werden versuchen ihre Macht zu rauben. Ich kenne jene, die unmenschliches Verderben an ihre Nachkommen weitergeben. Und das hyrulianische Volk, noch vertraut es den falschen Wesen. Aber die Zeit ist reif für einen Neuanfang. Die Zeit ist reif, dass dieses Hyrule die Chance bekommt, die das alte Hyrule, welches ich regierte, nie besaß.“ Link sah zu ihm auf, jenem König der alten Zeiten, sah seine Gestalt in einem fast tränenden weißen Licht Rechtmäßigkeit verkünden. Das war es, was er immer an ihm bewundert hatte. Der alte, gute Leuenkönig sprach so gerecht, er hatte jene Erfahrung, Weisheit und Weitsicht, die über das Schicksal entscheiden konnten. Der Held des Windes hatte in ihm immer ein Vorbild, Stärke und einen Vater gesehen… „Wann immer du meine Hilfe brauchst, Held des Windes, werde ich dir erscheinen. Doch nun verweilte ich schon zu lange. Die Göttinnen rufen mich nach Hause.“ Link nickte und verbeugte sich ein letztes Mal vor ihm. „Ich danke Euch, Daphnos“, murmelte Link, und vergoss eine Träne, da er sich selbst wieder erkannte, da er wieder wusste, warum er lebte, da sein wahres Ich zurückgekehrt war. Und die heilige Erscheinung des letzten Königs von Hyrule machte sein Herz schwer. „Ich vertraue dir Zelda an“, sagte Daphnos. „Prinzessin Zelda ist dein Schicksal… Beschütze sie… ihr Geschlecht darf niemals aussterben. Niemals…“ Eine Gänsehaut überkam den Heroen, als die Ströme von weißer Magie den alten König umhüllten, ihn in diese entsetzliche Heiligkeit hüllten, die von der Nachwelt gegeben war, und sein Abbild verschwand… Des Helden ernster Blick war in die Höhe gerichtet. Seine Beine setzten sich in Bewegung. Und er selbst, das einst so tapfere, gerechte und selbstlose Herz in seiner Brust, schlug tosend vor sich hin. Das Schicksal hatte ihn wieder. Die Welt hatte ihn wieder. Und auch Tetra, nein, Prinzessin Zelda von Hyrule, hatte ihren Helden wieder… Kapitel 129: „Ein neues Land… aber es wird nicht Hyrule sein...“ Teil 3 ----------------------------------------------------------------------- Als die verglühende Abendsonne am schneesilbrigen Horizont versank, dem Tag einen verheißungsvollen Abschied ankündigte, schienen die Gesetze Hyrulias sich neu zu ordnen. Jemand war auf dem Weg. Ein Kämpfer ohnegleichen, der mit sicheren Schritten, so schnell ihn seine gestählten Beine tragen konnten, und ohne Zweifel, frischen Kutschenspuren folgte. Er grinste, während er rannte und sich der Hafen immer weiter von ihm entfernte. Er lachte plötzlich, rutschte gedankenlos über eine Eisplatte, welche sich auf dem Weg gebildet hatte und fiel erst einmal gewaltig auf seine Schnauze. Aber selbst das konnte sein herzliches Grinsen nicht aus dem Gesicht wischen. Er war so gut gelaunt wie seit langem nicht, hatte eine neue Aufgabe gefunden. Er hatte sich selbst endlich wieder gefunden. Und mit diesem hoffnungsvollen Gefühl schien sich jedes noch so wuchtige Hindernis in Luft aufzulösen. Selbst die unerträgliche Eiseskälte, selbst die Nacht, raubte ihm das heitere Gemüt nicht. Daphnos hatte ihm nicht nur ins Gewissen geredet, er hatte ihn erlöst von diesen verdammten Zweifeln. Hyrule lebte! Es lebte. Er konnte es immer noch nicht glauben, hüpfte auf seine Beine und rannte weiter. Alles würde gut werden, er durfte endlich wieder der Held sein, den das Schicksal einst aus ihm gemacht hatte. Endlich. Laut lachend rannte er davon, strotze vor einer Energie, die nur aus blankem Wahnwitz geboren schien. Er würde kämpfen, sicherlich, aber er würde dennoch der heimliche Egoist bleiben, der er war. Er würde kämpfen, um sich von Tetra eine Belohnung abzuholen. Und er würde für Hyrule kämpfen, da er es vermisste, da er seine Kämpferehre vermisste. Grinsend hetzte der Heroe vorwärts und hatte neben einer wunderbaren Feier für seine Heldentaten, vor allem eine lange Nacht mit Tetra in seinem Kopf. ,Wenn der König wüsste‘, dachte Link albern. Ja, Tetra und er hatten sich beide verändert, während die stolze Piratin besonnener wurde, war aus dem Helden des Windes ein ziemlich eigensinniger, eingebildeter Kerl geworden. Zum Teufel, ja er war ein Egoist, sicherlich. Aber dafür ein heldenhafter Egoist! Und was für einer, dachte er. ‚Tetra, ich bin unterwegs‘, schallte es durch seine Gehirnwindungen. ,Und diesmal kämpfe ich für dich.‘ Kontinuierlich schritt der Held des Windes vorwärts, gelangte an jenen mysteriösen Waldrand, den die zwei Kutschen vor wenigen Stunden passiert hatten und verschnaufte kurz. Die Worte des alten Königs geisterten erneut durch seinen Kopf, als hätte er sie eingebrannt. Tetra war in Gefahr. Die Wächter der Welt Hyrulia, die dieses Land regierten, wussten über sie Bescheid. Und dann das scheußliche Experiment, welches in diesem Heiligen Land durchgeführt wurde. Link kannte die Einzelheiten nicht, vielleicht kannte jene nicht einmal Daphnos, aber dieser scheußliche Versuch musste doch irgendwie rückgängig gemacht werden können. Seine Augen tränten, und seine Haut brannte angesichts der Kälte. Für einen Moment sackte er auf die Knie, beobachtete am Horizont drei, vier Monde sich von schattigen Schleiern umgarnend, und sah die Lichter am weiten Himmelszelt mit neuen Augen. Hier in jenem Hyrule leuchteten andere Sterne als in der Welt, wo Aryll und seine Großmutter zu hause waren. Wenn Link sich nur ein bisschen mehr konzentrierte, seine blauen Augen auf einen Punkt konzentrierte, sah er die Sterne in mehreren Farben leuchten. Es war ein wundervolles Farbenspiel… Er schloss seine Augen, lächelte tiefsinnig und erhob sich mit jenem Stolz, der seit Anbeginn der Zeit in seiner Seele schlummerte. Er wusste jetzt schon, dass diese Welt sein neues Zuhause sein würde… Er rannte weiter und blickte nördlich, auf eine Erhebung, die nicht wie am Fuße jenes Berges von dichten Wäldern umrahmt schien, sondern helles Gestein im Licht der Sterne glänzte, und sah dort zusätzlich mehrere bunte Lichter, eine Art Fackeln, und sie bewegten sich. Es mussten in etwa Hundert sein. Und während Link rannte, bewegten sich auch jene Lichter, erkundeten, schritten direkt in seine Richtung. Als jene Wesen näher traten, in einem gleichartigen Rhythmus durch dichten Schnee stapften, der Boden unter ihren Füßen vibrierend, als wollte er weinen und vor ihnen zurückweichen, bewegte sich auch der Heroe des Windes wie magnetisch angezogen auf jene Gestalten zu. Seine kühlen, ernsten Augen schimmerten in der Nacht, die von mehreren goldenen Monden umschmeichelt wurde. Der Mut in ihnen lebte auf, glühte wie ein geweihtes Schwert, loderte und kündigte die Ehre des legendären Helden Hyrules an. Je weiter Link durch den weichen Schnee wandelte, umso weniger sah man seine Fußspuren. Als würde ihn etwas einnehmen, was Magie in aller Heiligkeit, allen Formen und Farben, beherrschte. Und die vielen Lichter vor ihm, glühend und faszinierend jene Welt in ihre farbenprächtigen Lichter eintauchend, verwandelten sich in Menschen. Es waren tatsächlich in etwa Hundert, die triumphierend ihrem Weg folgten. Erhobenen Hauptes schritten sie vorwärts, trugen edle violett schimmernde Rüstungen mit silbern hervorgehobenen Verzierungen. Eigensinnige Dolche aus Glas, in welche silberne Haare eingefasst schienen, präsentierten einige der Menschen an ihren glänzenden schwarzen Ledergürteln. Wenige der Krieger trugen zusätzlich violette Umhänge. Manche ritten auf schwarzen, stählernen Pferden, hielten Flaggen straff in die Höhe gehisst, worauf ein glutroter Falke von tiefblauen und smaragdgrünen Schleifen umwunden dargestellt war. Und alle folgten ihrem abtrünnigen Marsch an einen unbestimmten Ort, den diese Welt ihnen ebnete. Ein Heer aus mysteriösen Wesen, die zu ihren Idealen standen. Ein Heer, bereit für den Kampf… „Wer seid Ihr, Fremder?“, rief einer der Reiter, sprang gekonnt und anmutig von seinem glänzend, schwarzen Ross und schwang ein gläsernes Schwert noch ehe jemand sehen konnte, woher er es hatte. Geschickt setzte er jenes an Links rot gefrorene Kehle. „Gastfreundschaft scheint in Hyrulia nicht sehr groß geschrieben zu sein…“, sprach der Held des Windes, grinste, zog mit einem Anflug von Leichtsinn sein eigenes Schwert. Und obwohl seine Bewegungen, die Raffinesse und Stärke seines Schlages dem seines Gegenübers um Weiten überlegen schienen, zersprang der Stahl in tausend Stücke als er sich an dem gläsernen Schwert seines Gegenübers rieb. „Wahrlich nicht“, erwiderte der vermeintliche Heerführer. Erstaunt sprang der Held des Windes rasch einige Meter zurück und blickte zu den am Boden liegenden Einzelstücken seines Schwertes, die Waffe, die ihm Jahre lang treu gedient hatte. „Aber ich bewundere Euren Schlag, Fremdling, der das grüne Gewand des Helden trägt.“ Damit ließ der Heerführer seine Waffe an einer unsichtbaren Scheide seines Gürtels verschwinden. Und auch das gläserne Schwert wurde unsichtbar. „Es sind düstere Zeiten, und ausgerechnet jetzt, da sich Hyrulia gegen seine eigenen Bewohner wendet, erscheinen die, die die Völker so vergeblich riefen. Und dies auch noch doppelt“, sprach der Mann, dessen Stimme dann neben Bewunderung einen Hauch Ironie verriet. „Laufen die Helden Hyrules jetzt etwa zu dutzenden umher?“ Er lachte. „Wie meint Ihr?“, sprach Link verwundert und trat erneut näher. „Vor wenigen Stunden begegnete mir ein junger Bursche, vielleicht zwölf Jahre alt mit dem selben Gesichtsausdruck wie eurem, und dieser Junge trug ebenso das grüne Gewand des alten Heldengeschlechts. Er konnte von Glück reden, dass er auf mich getroffen ist“, sprach der kampferfahrene Mann. Sofort kamen dem Heroen die Erinnerungen wieder. Auch der junge Knirps, welcher ein Gast von Tetra war, kam ihm in den Sinn. Genauso wie dieses Mädchen… dieses geheimnisvolle Mädchen… „Mein Name ist Aphidel, ich bin…“, und damit nahm der unbekannte seinen violett schimmernden Helm vom Kopf. Das große Auge in seinem Gesicht, seine schmale Stirn verzierend, machte dem Heroen deutlich, mit welchen Geschöpfen er es zu tun hatte. Dies waren also die Einäugigen, von denen Daphnos gesprochen hatte. „Ich bin ein Zugehöriger der Einäugigen, jener Geschöpfe, die nicht vom Fluch des Landes betroffen sind.“ Dann sah er zu Boden, eine kurze Traurigkeit legte sich auf sein junges Gesicht. Link nickte. „Ich weiß über Euch Bescheid. Und ich kenne die Geschichte des Landes. Nur… erstaunt mich dieses Heer.“ Links blaue Augen wanderten von einem Krieger zum anderen, er konnte nur ahnen, wo jene noch zusätzlich Waffen versteckten und staunte immer mehr. „Kämpft Ihr gegen die Wächter Hyrulias, so bin ich auf Eurer Seite, lasst mich teilhaben an diesem Kampf, denn er betrifft auch mich.“ Der Einäugige grinste, und pfiff einmal kräftig. Ein rotbraunes Getier mit silbern schillernder Mähne kam vom Inneren des Heeres angetrabt und strahlte den Heroen mit dunklen Pferdeaugen an. „Wem dieses Pferd gehörte, wissen wir nicht. Aber vielleicht bringt sie Euch Glück, Held.“ Link nickte dankend, und striegelte den Hals des schönen Tieres. Er hatte noch nie ein Pferd bestiegen, er war noch nie geritten, aber das schöne zahme Tier strahlte eine so angenehme Sanftmut aus, die ihn die Zweifel vergessen ließ. Diese Stute würde ihn führen und sicherlich nicht abwerfen. Sanft stupfte sie ihren schmalen Kopf gegen Links Brust und weckte Links Vertrauen. Als der Heroe einen Fuß in den Steigbügel setzte und sich vorsichtig auf den Rücken des schönen Geschöpfes zog, sich in den Sattel gleiten ließ, war neben dem Gefühl von Vertrautheit noch etwas. Plötzlich ahnte er, wie man reiten sollte. Er fühlte sich sicher und stark. „Noch etwas, Fremder“, sprach Aphidel. Und kramte aus einer kleinen Gürteltasche eine gläserne Pistole, in welcher ein silbernes Haar im Lauf funkelte. „In dieser Ampulle befindet sich ein Stoff, den die Geister dieses Landes für uns aus den Tiefen Hyrulias schöpfen. Dies ist kein Heilmittel, aber es verhindert, dass Euch der Fluch des Eises treffen kann. Vor wenigen Stunden habe ich dem Jungen im grünen Gewand dieses Mittel verabreicht, um ihn zu schützen. Habt Vertrauen und spritzt es euch.“ Dankend nahm der Heroe die Geste an, setzte das seltsame Geschoss an seinen Arm und fühlte, wie ein kribbelndes Serum in seinem Körper entlang schoss. Für einen schwindenden Moment umflatterte seine Augenlider eine hartnäckige Müdigkeit, welche aber schließlich verebbte. „Wie fühlt Ihr Euch, Held?“, sprach Aphidel, jener Einäugige, der eine Begabung besaß den Heroen im grünen Gewand über den Weg zu laufen. „Ganz gut soweit“, meinte Link grinsend. „Warum fragt ihr?“ „Der andere Heroe… noch ein Kind… ist von dem Serum ohnmächtig geworden.“ „Verstehe, nun ja, beweist das nicht, dass ich der richtige bin?“, lachte der Heroe zufrieden mit sich und wunderte sich, warum ihm niemand eine Antwort gab. „Aber sagt mir, was bringt Euch dazu dieses Heer anzuführen?“, fragte Link nach einer kleinen Pause und musterte die rätselhaften Krieger erneut mit seinen scharfen blauen Augen. Vorsichtig sprang er wieder von der edlen Stute, musterte lächelnd ihre kohlrabenschwarzen, schönen Augen. Aphidel neigte sein Haupt. „Erstens führe ich dieses Heer nicht an… wir haben niemanden, der uns wirklich führt. Und dann…“ Seine junge Stimme nahm an Entschlossenheit und Mut ab. „Meine Verlobte… eine Zweiäugige ist dem Fluch des Eises verfallen. Sie war eine der Ersten, die davon erfasst wurden. Der Wahnsinn frisst mich auf… gelegentlich erkenne ich mich selbst nicht wieder… ich habe Erinnerungslücken, bin nicht ich selbst... ich muss einfach etwas tun. Und nun da mir die Helden der Prophezeiung begegnet sind, und wir alle spüren, dass ein Umbruch kommen wird, jetzt… werde ich kämpfen, egal, ob es mich mein Leben kostet.“ Link grinste und klopfte dem Burschen auf die Schulter. „Lasst mich euch helfen. Ich habe hier in Hyrulia etwas sehr wertvolles wieder gefunden. Auch ich stehe mit meinem Leben für diese Welt.“ Dem Einäugigen huschte ein Lächeln über das Gesicht. „Würdet Ihr uns nicht führen wollen? „Ich?“ Link wurde schlichtweg rot im Gesicht bei diesem Gedanken. Natürlich wäre das eine tolle Sache, dachte er, schließlich war er ein Held! Und dazu noch der Beste, den sich Tetra wünschen konnte. Er lachte lallend. Seine Gesichtsmuskeln gaben der Dummheit einen clownähnlichen Ausdruck, als sich einige Szenen in seinem Kopf anbahnten. Alle würden seine Füße küssen wollen, nun da er der Heerführer Hyrulias sein konnte. Tetra würde ihn beglückwünschen, ihn dann umarmen und absurde Dinge in sein Ohr flüstern. Sehr absurde Dinge… Link lachte und kratzte sich am Kopf, als ihn die Realität wieder einholte. Aber… und da fingen seine weniger ruhmreichen Zweifel an: Er konnte nicht einmal reiten! Er saß bis auf vorhin noch nie auf einem Pferd! „Nun… also, das wäre sicherlich eine Ehre, aber…“ Er blies sich einige seiner dunkelblonden, zerzaust an ihm hängenden Haarsträhnen aus dem Gesicht. ,Was soll’s, wird schon schief gehen‘, dachte er dann. Er lächelte breit. „Aber eine gewisse Belohnung für die ganze Mühe wäre nicht schlecht.“ Aphidel lachte auf diese Bemerkung und schwang sich auf sein stählernes Ross. „Die werdet Ihr bekommen, wenn Ihr am Ende der Schlacht noch lebt, Held.“ „Ich werde nicht einen Kratzer haben“, entgegnete Link selbstsicher. „Wollt Ihr wetten?“ Auch darauf nickte Link mit einem herzensbrecherischen, verteufelt sicheren Grinsen. „Seid Ihr sicher? Wie wollt Ihr denn kämpfen ohne Schwert?“ Ungläubig musterte der Heroe dann die Bruchstücke seiner Waffe im Schnee glänzen. Das allerdings war ein mehr als berechtigter Einwand. Dümmlich dreinschauend wirkte Link nun nur wie ein reichlich von sich überzeugter Einfallspinsel, aber nicht wie der eine legendäre Held, dem sogar die Göttinnen vertrauten. „Ähm…“, murmelte der Heroe und kratzte mit seinem linken Zeigefinder seine Stirn. Aphidel lachte herzlich, aber wissend, führte ein gläsernes Horn zu seinem Mund und blies einen Strom warmer Luft hinein, erfüllte die Welt mit einem hellen, klagenden Klang, rief dem Herzen dieser Welt Wörter zu, die nur für göttliche Ohren bestimmt sein sollten… Die Melodie jenes Hornes erklang… schauderte, erinnerte. Sie fühlte sich so heilsam an, jene kleine Abfolge der Töne, märchenhaft gespielt, vielmehr noch. Link spürte das Leben in dem Musikstück. Macht. Ein Marsch. Ein Triumph. Eine Gänsehaut lief dem Kämpfer im grünen Gewand über den Rücken, ein Warnsignal, dass Übermenschliches sich näherte wie der erste warme Morgen am großartigsten Tag des Umbruches. „Was tut Ihr, Aphidel?“, sprach Link leise und blickte nördlich, wo sich in unmenschlicher Geschwindigkeit einige Wesen näherten. Gehorsam folgten sie dem Ruf des gläsernen Hornes und es dauerte Sekundenbruchteile standen dreizehn in silbrig graue Gewänder gehüllte Geister vor der Armee der Einäugigen. Allesamt waren sie hochgewachsen, ihre Gewänder fühlten sich vermutlich einst an wie reinste Seide. Feine Stickereien und Muster waren in dem silbrigen Stoff eingearbeitet. Und alle dreizehn Wesen besaßen lange spitze Ohren, länger noch als jene der heutigen Hylianer. Es mussten alte Geschöpfe sein. Geister, die bereits seit Jahrtausenden auf der Welt weilten, um ihre Pflicht zu tun. „Ich rief jene, die durch das Elend Hyrulias blicken können. Jene, die die Schätze Hyrulias gut versteckt und damit bewahrt haben. Die Heiligen Geister des Landes.“ Der Held des Windes war nie ein Freund von Geistern gewesen, zum fürchten fand er jene, obwohl er doch mutig genug sein sollte sich nichts aus untotem Gesocks zu machen. Aber mit Geistern war das so eine Sache… Sie besaßen einen beängstigenden Sinn für Humor. Sie waren so eisig und ihre durchsichtigen Gestalten erinnerten immer daran, dass sie durch Wände gehen konnten. Etwas, was dem Link der Windwakerwelt überhaupt nicht gefiel. Er fühlte sich dadurch so… beobachtet. Und dann hatten sie so eigenartige Macken, zum Beispiel ohne Kopf rumzulaufen oder durch die Lüfte zu schweben. Das war dem bodenständigen Helden des Windes ein wenig… zu ausgefallen. Eines der Wesen tanzte näher. Auf bleichen Füßen wandelte es dahin, und dort wo es lief, schmolz der Schnee, und gefror im selben Moment zu Eis. Mit starren, leeren Augen erhob sich das Geschöpft vor dem Helden, umgarnte ihn, als wollte es ihm seinen Willen aufzwingen. „Der Held… ein Taugenichts, der sein eigenes Herz nicht kennt“, säuselte jener Geist, unterlegte den Silben, die er sprach, eine eigensinnige Melodik. „Sieh…“, sprach es. „Das… was nun geschieht, war dieser Welt nicht bestimmt. Lies in deinen Zweifeln, Held. Lies und verzweifle noch mehr…“ Der Held des Windes konnte sich nicht wehren. Er hatte keine Chance dem Geschöpft, seinen Fängen, seiner Heiligkeit und vor allem auch Unberechenbarkeit in irgendeiner Weise auszuweichen. Es hielt ihn im Griff und machte ihn zum Lehrling seines eigenen Gedankenguts, ließ ihn sehen… Dort, wo seine blauen Augen sich wieder öffneten, war er selbst nur ein Gespenst, ein unsichtbarer Gast der Ereignisse. Sein Einschreiten war nicht gestattet. Und durch seine Anwesenheit, gerechtfertigt nicht oder nur durch das Auge der Wahrheit, würde sich eines Tages sein Herz rechtfertigen müssen. Seine Entscheidungen, geführt durch das, was er sah, bedürfen eines Gauklers Leichtsinnigkeit… Er konnte Tetra sehen, so klar und wunderschön saß sie ihm gegenüber. Sie war gekleidet in einem samtenen, ärmellosen, lila Kleid, mit auffallend hübscher Schnürung. Tetra wirkte nervös und durcheinander, soviel sah er durch den Schleier ihrer Schönheit. Ihre azurblauen Augen ruhten wissend, so erhaben und würdevoll auf einem unbedeutenden Punkt einer silbernen Tafel. Eine kleine Falte auf ihrer Stirn ließ ihn wissen, dass all ihre Konzentration auf einen Gedanken in ihrem Kopf gerichtet waren. Er kannte sie besser als jeder andere. Er kannte sie und konnte in jeder ihrer Bewegungen, jeder ihrer Handlungen lesen. Er kannte sie, weil er sie immer aufrichtig geliebt hatte… Ihre vollen, süßen Lippen bewegten sich. Dieser eigensinnige Mund, den er sehnte zu küssen, sprach Worte, die er zuerst nicht verstand. Er versuchte zu lauschen, beobachtete zwanghaft diese weichen, seltenen Lippen, aber ihre Worte waren leer… so leer… Er wand sich ab und schaute sich weiter um. An jener Tafel saßen die Piraten, die Tetra seit Anbeginn ihres Lebens begleitet hatten und drei weitere Menschen. Hyrulianer, so vermutete Link, denn sie besaßen allesamt spitze Ohren. „Werdet Ihr uns helfen?“, sprach der eine. Seine Stimme war kratzig. Seine engzueinander liegenden Augen, arglistig verborgen in einem fahlen, schmalen Gesicht, umrahmt von weißem Haar, schienen voll und ganz auf Tetras rechten Handrücken gerichtet zu sein. So unheilvoll sichtbar war sein Begehr. So tückisch und bösartig waren die Gesichtszüge des Mannes, dass es den Heroen anwiderte. Er wand sich Tetra zu, deren Augen ebenfalls zu dem einzigartigen Fragment auf ihrer Hand wanderten. In ihren Augen stand dieser Glanz, den Link kannte und fürchtete. Das war jener Glanz der Prinzessin des Schicksals, der ihre Seele nach außen strahlen ließ. Er konnte spüren, obwohl er nicht wirklich an diesem Ort zu sein schien, dass sie mit sich rang, dass sie wusste. Er hatte befürchtet, sie würde in die Hände der Wächter Hyrulias geraten. Er wusste, dass sie es bereits war. Und doch… Ihr erhabener Blick. Diese Beherrschung darin. Ihre königliche Ader… Wer konnte jemanden wie sie, der in einen Blick soviel Stolz und Würde legen konnte, anzweifeln und ausnutzen wollen? Sie war mächtiger als jene Wächter, die in diesem Moment mit ihr in dem Raum saßen. Und sie wusste das. Welche Entscheidung würde sie fällen, dachte Link. Er konnte alles beobachten. Und er würde ihr auf jeden Fall zu Hilfe eilen, egal, ob sie seine Hilfe annahm, oder überhaupt noch ertrug. Aber sie war so stark… Sie würde gegen diese Wächter Hyrulias nicht verlieren… Zelda, Prinzessin einer unsterblichen Welt, würde niemals untergehen… Und noch etwas begriff Link, der nur zusehen konnte, in welche unaufhaltsamen Wege ihn das Schicksal lenken würde. Er würde niemals mehr von Tetras Seite weichen wollen… Und er würde, wenn Tetra ihr Schicksal als Regentin dieses neuen Hyrules annahm, sie nicht im Stich lassen. „Ich werde helfen…“, sprach Tetra klar und deutlich. Das hinterhältige Lächeln in ihrem hübschen Gesicht kehrte zurück und ein übles Grinsen dazu. „Ich werde diesem Reich helfen. Seinen Bewohnern zeigen, dass sie belogen wurden. Ich werde diesen Hylianern vor Augen führen, wo das Gute liegt und wo das Böse enden wird.“ Tetra erhob sich. Ihre Augen waren voller Verachtung auf jene drei Wächter gerichtet, die sie in das Schloss eingeladen hatten. Tetra hatte schon lange begriffen, auf welche Seite es zu stehen galt. Und ihre Macht der Vorsehung hatte ihr gelehrt mit dem inneren Auge zu sehen. Sie hatte gesehen. Und sie wusste… „Ich kenne die Wahrheit, nicht jene, die ihr versucht mit euren schmierigen Zungen zu erfinden.“ „Wie meint Ihr?“, sprach Eridés, der unbeholfen von seinem Platz aufsprang. „Wir haben euch die Geschichte erzählt von den Einäugigen, die wehrlose Menschen einfrieren und für ihre Zwecke missbrauchen. Wir ersuchen Eure Hilfe. Gebt uns die goldene Macht um die Einäugigen allesamt zu vernichten. Es sind die Aufsässigen, es sind die Abgesandten des Teufels, die die Kinder Hyrulias in Eis verwandeln. Gebt uns die goldene Macht, Prinzessin.“ Tetras Blick verfinsterte sich fortwährend. „Denkt Ihr, dies schöne Gewand, welches ihr tragt, dieses unbezahlbare Schloss kommen von selbst? Hyrulias Macht, und unsere glänzende Energieversorgung fordern Opfer!“ Die Stimme des alten Mannes wurde lauter. Seine Gesichtszüge wurden hässlich, schienen den Ort mit einer Abartigkeit zu verschmutzen, welche sich schwarzer Magie bedient hatte. Warzen, faserartige Gebilde und fleckige Haut, schienen aus den Tiefen seines Körpers an die Oberfläche zu platzen und erfüllten sein Gesicht mit einer Bösartigkeit, die seinen Worten gleich kam. „Gebt uns die Macht!“, schrie er. Und auch die anderen beiden Wächter Hyrulias, die bisher schweigend an der Tafel saßen, änderten ihre Gestalt. Sie schrumpften. Ihre verhutzelten Wesen kamen zum Vorschein. Ihre Augen färbten sich schwarz und jene Elfenohren verschwanden… Noch ehe Gonzales und die anderen Piraten der Crew reagieren konnten, schossen eisige Strahlen aus den langen, dürren Zeigefingern der beiden schweigsamen Wächter und alle fünf verfielen sie dem Fluch des Eises. Alle fünf Piraten waren sie gefangen in starren Haltungen. Langsames, dickes Eis wuchs von den Füßen bis hin zu ihren Köpfen. Und Tetra, vorbereitet und wissend, stand allein in jenem Saal, sah ihre Piraten, ihre Freunde, dem Fluch des Eises verfallen. Sie war allein, wissend um die Wahrheit, mit einer begehrenswerten Macht in ihrem Körper, gefangen in jenem verhängnisvollen Schloss Hyrulias. Link wollte einschreiten, er wollte sich losreißen, kämpfen, aber er wusste auch, dass er nur ein Beobachter war, dem die Gunst gewährt wurde, zuzuschauen. Er durfte nicht einschreiten, noch nicht… „Wie konntet Ihr uns durchschauen, Prinzessin?“, sprach Eridés mit einer kratzigen, piepsigen Stimme. Er schmunzelte leicht. „Und dann seid Ihr so töricht und legt Eure Karten offen vor uns hin? Ihr beschämt Eure Herkunft.“ Und der alte lachte wieder. Tetra aber blieb ruhig, lächelte ein wenig und schien mehr als nur die Antwort darauf verborgen zu halten. „Urteilt nur über mich und über das Gute. Ihr seid weniger als einen Tag davor zu fallen“, sprach sie. Und auch Link, der aufmerksam und besorgt lauschte, wurde nicht mehr schlau aus ihr. „Das Volk ist blind, gewiss. Betritt man dieses Schloss jedoch und reist zuvor durch diese Welt, sieht die Dinge mit anderen Augen, erkennt die Zweifel und spürt das Misstrauen, ist man nicht mehr so blind wie ihr andere gerne sehen möchtet. Ich musste euch testen, gewiss, aber jetzt weiß ich mehr als ihr ertragen könntet. Das Volk wird erkennen. Es ist nur eine Frage der Zeit…“ Die drei Wächter lachten, sie amüsierten sich, grölten mit ihren herzzerreißenden Stimmen, gackerten und lachten. „Aber zuerst werdet Ihr Euch opfern. Mit Eurer Macht werden wir das Eis brechen und das Volk gnädig stimmen. Und dann, wenn Hyrulia in neuem Licht erblüht, wird niemand mehr etwas von den Einäugigen wissen, die wir mit Eurer Macht vernichten. Sie werden aufschauen zu den Wächtern, die sie erlöst haben.“ „Lacht nur“, sprach Tetra, wand sich um und es schien als würde sie mit aller Kraft in die blauen, gütigen Augen Links, ihres besten Freundes, schauen. Und obwohl er annahm, niemand könnte ihn sehen, so spürte er Tetras Wärme, spürte ihre Dankbarkeit, dass er sie selbst in dieser grausamen Minute nicht alleine ließ. Dies war das Band der Kinder des Schicksals… „Lacht nur… am Ende wird niemand mehr über mich lachen…“, sagte sie leise, bevor die Wächter sie umzingelten, ihre Hände mit unsichtbaren Fesseln zuschnürten, und sie mit einem Zauber wehrlos machten. Tetra fiel in sich zusammen. Sie sackte einfach nieder und wurde stumm. Ihre strahlenden Augen waren geschlossen. Und ihre Seele schlief… Link schlug um sich, riss sich aus dem Bann, der ihn sehen ließ. Und als sich seine Augen wahrhaftig wieder öffneten, stand er neben dem Heer der Einäugigen. Seine Seele war zurück. Und der Heroe hatte sich so heftig aus dem Bann des Geistes gerissen, dass jener Geist erschrocken zurücktaumelte. Niedergeschlagen stützte sich der Heroe auf seine Knie und atmete unruhig ein und aus. Die kühle Luft brannte an den Schleimhäuten seiner Nase. Schweiß perlte sich an seiner Stirn, obwohl ihm elend und kalt zumute war. „Sie haben die Prinzessin…“, sprach er. „Die Prinzessin, die diesem Land prophezeit wurde? Sie, die uns erretten soll?“, meinte Aphidel. Link richtete sich wieder auf, rieb sich über seine Stirn und Augen. „Ja… Was hat sie sich nur dabei gedacht?“, murrte der Heroe. „Sie ist diesen Wächtern direkt in die Arme gelaufen…“ Der Held des Windes tapste zu der rehbraunen Stute, die ihn sanft an seine Stirn stupste. „Zelda…“, seufzte er und schloss seine Augen. Es war, als würde er das erste Mal in all der Zeit realisieren, was es bedeutete, wenn sie in Gefahr schwebte. Vor einigen Stunden noch, als sie ins Meer gestürzt war, hatte der Heroe dies nicht einmal begriffen. Er war wie geblendet gewesen… Und nun zerfraß die Sorge um sie beinahe sein Herz. „Sie muss komplett verrückt geworden sein. Warum ist sie nicht geflohen?“, murmelte der Held und blinzelte. Sogleich spürte er eine klopfende Hand auf seiner rechten Schulter. „Nun ja, versteh einer die Frauen…“, meinte Aphidel beherzt. „Aber wenn sie die Königin ist, von der die Prophezeiungen berichten, so schätze ich, würde sie alles tun, um Hyrulia zu retten.“ Er verschränkte die Arme. „Ob das Triforce in ihrem Besitz dies wohl vollbringen kann? Und sie darüber Kenntnis hat?“ „Ihr meint…“ Links Augen wurden immer größer vor Fassungslosigkeit. „Ihr denkt, sie hat das alles geplant? Sie hat sich mit Absicht kidnappen lassen?“ Und je länger er darüber nachdachte, umso mehr hielt er diesen Gedanken für wahrscheinlich. Tetras Absichten waren rätselhaft, aber dennoch rechtschaffen. „Sie scheint ein sehr interessanter Mensch zu sein“, sprach Aphidel. Link grinste daraufhin. Ja, das war sie. Das war sie mit großer Sicherheit. „Oh, Euer Grinsen verrät mehr als man wissen möchte“, meinte der Einäugige. Und sein großes, eindrucksvolles Auge verengte sich, als seine Lachmuskeln sich anspannten. „Nun ja, ich habe nichts zu verbergen“, sagte der Heroe selbstsicher und kurbelte seinen linken Arm. „Ich liebe diese Prinzessin, und daraus mache ich kein Geheimnis.“ „Dann würde ich meinen, wir machen uns auf den Weg, um sie zu retten.“ „Nichts lieber als das“, sprach der Heroe. Nur… wie sollte er eine Schlacht gewinnen ohne Schwert? Seine Lieblingswaffe war vorhin in mehr als genug Einzelteile zerbrochen, und das an einem Stück magischen Glas. Ruhe bewahrend blickte er sich um. Die heiligen Geister des Landes, dreizehn an der Zahl, erhoben sich in einem Halbkreis vor ihm und alle blickten mit ihren dunklen, eingefallenen Augen in seine Richtung. Sie hatten noch etwas zu vollbringen, bevor sie zusammen mit dem Heer in die Schlacht zogen. „Sie möchten, dass Ihr vor sie tretet, Held“, sprach Aphidel und lächelte. Der Umbruch war spürbar. Dieses Heer würde seine Aufgabe erfüllen. „Jene Geister bewahren Hyrulias Schätze. Auch gewisse Dinge, die für Gerechtigkeit und Mut stehen. Es existiert ein Gegenstand, der nur dem Helden der Legende gebührt. Es wird Zeit ihn in Eure Hände zu legen.“ Link nickte lediglich und trat ehrfürchtig in jenen Halbkreis ein, den die Heiligen Geister für ihn erschufen. Sie umzingelten ihn und traten näher. Ihre schimmernden Gewänder flatterten im eisigen Wind. Ihre Schleier, silbern und edel, leuchteten wie Fahnen, die ein vergessenes Gefühl wiederbringen wollten. Sie waren kaum mehr einen Meter vor der jugendlichen Gestalt jenes Heroen entfernt, als sie alle ihre Hände ausstreckten. Ihre langen, dürren Finger tanzten und beschrieben Symbole in der Luft. Feine Linien aus Silber entwickelten sich, wurden stärker, dicker, breiteten sich aus und zogen sich wieder zurück. Die Geister traten wieder zurück und es blieben dreizehn faszinierende, rundliche Gebilde in den Lüften tanzend. Die Gebilde wuchsen und allesamt waren sie verschieden. „Tauche ein, Held…“, säuselte ein Geist. „Berühre jene Körner der Vergangenheit und sie werden sich in das verwandeln, was du begehrst.“ Fasziniert trat der Heroe an eines der silbernen Gebilde heran, griff mit zwei Fingerspitzen hinein in jenen Zauber und spürte eine tadellose Energie, die so gewaltig schien, dass es seine Hand zerreißen wollte. Aus der Reihe traten vier weitere Körner an jenes heran und verschmolzen. Und plötzlich schossen dünne Fäden von überall her. Die Kugel wuchs und wuchs, nahm Form und Farbe an, sank nieder und bohrte sich längs in den weichen schneebedeckten Boden. Man konnte nicht gänzlich erkennen, um was es sich handelte, noch war der Gegenstand umgarnt von gleißendem Licht. Ratlos blickte sich der Heroe um, trat an das nächste Korn, welches in den Lüften tanzte. Er berührte es erneut, zwei weitere Körner vereinigten sich mit jenem Korn und das Gebilde entwickelte wieder eine Gestalt, sank dann nieder und blieb auf dem Schnee liegen. Fünf dieser Körner blieben nun noch übrig. Aus den fünf Körnern erschuf der Heroe noch drei Dinge, die allesamt im kristallen funkelnden Schnee liegen blieben. Das gleißende Licht der Gegenstände verebbte. Was blieb waren glanzvolle Dinge aus längst vergessenen Zeiten, die ein Held, ein Abenteurer oder ein Ritter zur würdigen weiß. Der Heroe fühlte sich wie in einem süßen Traum, der ihn reich mit verlockenden materiellen Dingen beschenkte. Seine meerblauen Augen glitzerten angesichts einer wunderbaren Freude. Er konnte es nicht fassen und kniete zu den Heiligen Gegenständen nieder, die aus dreizehn magischen Samen geschaffen, nein, vielmehr erweckt worden waren. Und alle diese mächtigen Gegenstände wurden einzig und allein durch seinen Willen gerufen, was ihn noch mehr verwunderte. Der erste Gegenstand war der unbegreiflichste für ihn. Es war eine Waffe, die er Zeit seines Lebens schon einmal führen durfte. Kostbarer, weißer Stahl. Geschaffen von weisen Händen. Geschmiedet für einen einzigen Zweck. Blau-silberner Griff, der darauf wartete von eines Helden Hand berührt zu werden. Ein einzigartiges Leder, welches sich jeder Furche der Hand und Finger geschmeidig anpasste. Ein Schwert, welches nur einen Namen verdiente. Das Masterschwert… Gestochen scharf würde sich jenes Schwert in das Herz eines niederträchtigen Menschen bohren und keine Gnade walten lassen. Link kannte keine Geduld und umgriff diese legendäre Waffe sofort, atmete tief ein, als er dessen Macht unter seiner Haut pulsieren fühlen konnte. Es war ein herrliches Gefühl. Er schwang es so wie damals im Hyrule, das unter riesigen Wassermassen verschüttet war. Er schwang es nicht nur einmal und fühlte sich erinnert… Zu jener legendären Waffe, die sich der Heroe sofort auf den Rücken schnallte, hatten ihm die Geister noch einen gläsernen Bogen mit silberner Sehne und passend dazu einen Köcher mit violett schillernden Pfeilen hinterlassen. Dann lag auf dem Schnee noch ein blass violettes Schild mit einem silbernen Falken aufgestickt, ein Enterhaken. Und etwas lag da noch, was den Heroen nicht nur verblüffte, sondern seine Skepsis regte: ein Ring. Ein sehr schönes, fein verarbeitetes Schmuckstück. Weißgold. Mit drei violetten Edelsteinen und einer sehr zarten, eigensinnigen Musterung. Vorsichtig betrachtete sich der Heroe den Ring und hatte schon Angst in seinen groben Händen würde das kostbare Schmuckstück zerbrechen. Er versuchte das Schmuckstück auf seinen Ringfinger zu stecken, aber dafür war der Gegenstand viel zu klein. ,Sicherlich eher für die Hand einer schönen Frau gemacht‘, dachte er und ließ ihn in einer Hosentasche verschwinden. Den Enterhaken und den Bogen schnallte er der Stute auf den Rücken. Mit einem Grinsen schaute er in Richtung der Stadt, die von dieser Erhebung aus gut zu erkennen war. Das war sein Weg und dort würde er Tetra wieder sehen. Schwunghaft ließ sich der Held in den Sattel sinken und hatte ein festes Ziel im Auge. Aphidel trabte mit einem schwarzen Ross neben ihm her und blickte ebenso in Richtung des vorbestimmten Ziels. Dort würde die Schlacht ihren Höhepunkt haben. Und dort würde sich für Hyrulia alles entscheiden. „Seid Ihr bereit, Held?“ Link nickte tapfer. „Das bin ich, und ich führe euch an. Aber der Oberbösewicht gehört mir!“ Aphidel lachte herzlich. Der Heroe aber verlor sich in einem aufgeregten Grinsen. Ohne Links Zutun bewegte sich die kräftige Stute, auf der er saß, an die Spitze der einäugigen Wesen. „Setzt Eure Helme erneut auf, Krieger Hyrulias!“, rief Link und zog das legendäre Masterschwert in die Höhe. „Diese Schlacht soll die Gesetze Hyrulias neu ordnen! Eure Zeit ist gekommen. Die Zeit, in der die Völker dieser Welt Frieden finden. Lasst uns kämpfen für alle die, die in Eis gefallen sind und die, die sich fürchten.“ Die kampfbereiten Männer setzten ihre Helme auf und riefen dem Heroen zu. Sie jubelten. Der legendäre Held schwang seinen linken Arm vorwärts. Das Heer der letzten Krieger Hyrulias setzte sich kraftvoll in Bewegung. Sie wirkten wie eine violett schimmernde Lawine, die auf das Unheil in der näherliegenden Stadt zu preschte. Eine gewaltige Flut, die das Böse wegwaschen würde. Der Marsch der letzten Kämpfer Hyrulias ging weiter. Auch die Heiligen Geister des Landes folgten jenem Heer. Und der Held des Windes, an der Spitze der in der Dunkelheit violett schillernden Krieger, getragen von einem starken Geschöpf, in Begleitung des Windes, wie es sein Schicksal forderte, würde auch aus der Begegnung mit diesem Bösen als Sieger hervorgehen. Im gläsernen Palast Hyrulias wachte in einem abgelegenen Raum endlich das Götterkind aus einem tiefen Schlummer. Er hatte einen intensiven Traum genossen, befand sich in jenem Traum irgendwo in einer entfernten Welt, die noch moderner schien als die Erde… Er hatte sich aufgehoben gefühlt, und sehr geborgen. Die genauen Details des Traumes verschwammen wie Aquarellfarbe auf einem wertvollen Stück Papier. Die vielen Gefühle in jenem Traum verblassten, verschwammen. Je mehr er versuchte sich zu erinnern, umso undeutlicher wurde alles. Und nun, da er wach war, fühlte er sich ein wenig verloren, nicht nur, weil er sich in einem fremden Raum mit einfachem Bett, einem abgenutzten Tischchen und Regalen an jeder Seitenwand befand, sondern weil er sich in jenem Traum so sicher, und erwachsen gefühlt hatte. Gequält hob er seine Beine aus dem Bett, setzte seine grüne Mütze wieder auf, die ihm anscheinend während des Schlafes vom Kopf gerutscht sein musste. Ein Blick aus einem großen Rundbogenfenster ließ ihn erahnen, dass er vermutlich in der Hauptstadt Hyrulias gelandet sein musste. Schlagartig kamen seine Erinnerungen zurück. Die Einäugigen in der Höhle. Dieses seltsame Reich. Und diese eingefrorenen Menschen. Ob die zyklopenartigen Wesen ihm doch nicht freundlich gesonnen waren? Immerhin, und das wusste er noch, hatte ihm einer der Einäugigen etwas verabreicht, das für eine sehr lange Ohnmacht gesorgt haben musste. Er seufzte und lief dann vorsichtig zu einer Tür aus dunklem, violett schillerndem Glas. Zaghaft öffnete er jene Tür und hörte aus einem der Gänge aufgeregte Stimmen. „Ja, sie haben sie…“, sprach jemand. „Die Prinzessin des Schicksals soll geopfert werden, um unsere Welt zu retten. Die Wächter haben alles in die Wege geleitet“, hörte er eine gackernde Stimme predigen. Hatte er richtig gehört? Geopfert werden? Klein-Link blickte kurz aus der Tür hinaus und sah zwei Damen im besten Alter, ziemlich rundlich, eine hielt ein Tablett in der Hand, worauf silberne Kelche ruhten. Die andere trug eine Schürze und hielt einen Kochlöffel in ihren Händen. „Ich kann das immer noch nicht glauben. Die Prinzessin ist tatsächlich hier?“ „Aber wenn ich es dir doch sage!“, betonte die andere. „Und denkst du, es ist richtig, dass sie geopfert werden sollte? Ich weiß, es ist ungezogen von mir, die Wächter in Frage zu stellen… aber ich bin nicht die einzige, von deren Seite die Wächter kein Vertrauen mehr genießen. Wo soll das Ritual denn geschehen?“, meinte die vermeintliche Köchin und blickte nachdenklich zu Boden. „In der gläsernen Gruft, nahe dem See ohne Wiederkehr. Die Wächter haben die Prinzessin angeblich schon dorthin gebracht.“ Klein- Link begann zu begreifen und das Grauen stieg in ihm auf. Tetra musste jene Prinzessin sein, über die sie sprachen. Tetra sollte geopfert werden? Klein- Links Herzschlag beschleunigte sich. „Bei den Göttinnen“, platzte es aus ihm heraus, worauf die beiden ziemlich dicklichen Frauen ihre Köpfe in seine Richtung drehten. Sofort stürmte er aus der Tür hinaus und rannte den Gang entlang auf der Suche nach Treppenstufen. Die beiden Frauen schienen ihn nicht zu verfolgen, und trotzdem fühlte er sich so, als würde er mit diesem Wissen geköpft werden können. Tetra sollte geopfert werden. Und Link, der Held des Windes, befand sich nach seinem Wissen noch irgendwo am Hafen. Und wo, zum Teufel, war Navi? Schnurstraks sauste er die Treppenstufen hinab, als er sie gefunden hatte, erreichte weitere Gänge, eine Wendeltreppe nach unten, bis er endlich in einer großen Halle angelangt war. Dort hielten sich mehrere Leute auf, die ihn alle nicht zu beachten schienen, was den Jungen zunächst nicht interessierte. Er rannte hinaus aus dem gläsernen Palast Hyrulias, beschleunigte seine Schritte und stand endlich außer Puste auf einem Marktplatz. Niemand schien ihn zu bemerken. Der Marktplatz wirkte zwar wie ausgestorben, vermutlich wohl, weil es noch dunkel war, aber hier und da lief ein Hyrulianer in dicker Winterbekleidung vorbei. Hier und da schaute jemand aus einem dieser mit Glas erbauten, mit Schnee bedeckten Häuser. Trotzdem schaute ihn niemand direkt an, was das Götterkind nun doch beunruhigte. Plötzlich fuhr eine Kutsche vorbei, die ihn eigentlich streifen musste, so nah fuhr sie an ihm vorbei. Aber der Junge fühlte nichts. Keine Berührung. Keinen Schmerz. Er hastete zu einem der Häuser, wo aus dem ersten Stock ein älterer Mann blickte. Und obwohl Klein-Link direkt vor ihm stand, heftete der Alte seine Augen nicht auf ihn. „Hey, Sie dort oben!“, rief das Götterkind, aber erhielt keine Antwort, nicht einmal bemerken schien ihn der Alte. „Bitte. Könnten Sie mir sagen, wo die gläserne Gruft zu finden ist? Wo ist dieser See ohne Wiederkehr?“ Aber erneut tat sich nichts. Der Alte schien ihn nicht zu verstehen, noch nicht einmal bemerken konnte er das Götterkind. Mit schweren Schritten tapste Klein-Link in die Mitte des Marktplatzes, setzte sich auf eine zugefrorene Treppenstufe an einem vereisten Springbrunnen. Und erst da bemerkte er, dass er nicht in der Lage war, nur annähernd die niedrigen Temperaturen an jenem Ort zu fühlen. Er spürte keinen Wind, der sonst durch seine Kleidung toben würde, spürte nichts… Seine Hände wanderten zu dem Medaillon, welches um seinen Hals hing. Es war noch dort, aber war er noch ein Teil der Geschehnisse? Wenn ihn niemand bemerkte, wenn er noch nicht einmal mehr vernommen wurde, konnte es sein, dass er gerade nicht existent sein konnte? Er kniff die Augen zusammen angesichts des Gedanken. Früher konnte er das doch fast immer steuern, sich sichtbar oder nicht fortzubewegen war eine seiner Gaben, Und nun? Er war schlichtweg verblasst… Er war allein, nicht einmal wo Navi sich aufhielt, wusste er. Aber das schlimmste waren seine Ängste… Wenn er verblasst war, sich auflöste… Konnte es sein, dass auf der Erdenwelt, wo alles doch nur ein Spiel war, etwas nicht stimmte? Hatte Ganondorf etwa schon gewonnen? War einer der beiden Heldengestalten gestorben? Er wollte schon weinen, als er daran dachte. Aber welche Erklärung für seinen Zustand sollte es sonst geben? Wenn ihn niemand mehr sehen konnte, welchen Zweck sollte er in diesem großen Kampf dann noch haben? Er würde ja nicht einmal mehr den Link dieser Welt bitten können, ihm zu helfen. „Argh!“, schimpfte er, rupfte sich die grüne Mütze vom Kopf und trat aus Wut ein wenig auf jener herum. In dem Augenblick ertönten von überall her kräftige Hörner, die den Klang produzierten, den der Junge in der Höhle gehört hatte. Ein unvergesslicher Klang, erschaffen durch gläserne Flöten. Fein und bestimmend. Sanft und verlockend. Wie der Gesang einer freien Fee, die mit ihrer anmutigen Singstimme einem Chor vorausging. Klein- Link setzte seine Mütze wieder auf und lief hoffend in die Richtung der Melodie. Und mit einem Mal war der Melodie nach Freiheit ein gewaltiger Marschrhythmus unterlegt, den starke Pferdehufe erschufen. Sogar der Boden vibrierte, war ein Zeuge dem sich nähernden Umsturz, den dieses Land verdiente. Und da ritten Dutzende bewaffnete Hyrulianer, nein, Einäugige, wie Klein- Link erkannte, über den Marktplatz, mitten durch ihn hindurch. Sie alle riefen mit kräftigen Stimmen nach Freiheit, riefen nach Gerechtigkeit, forderten die Bewohner der Stadt auf, sich zu zeigen. Alle Menschen kamen daraufhin aus den Häusern, starrten jenen Krieger mit offenen Mündern an. Aus den schmalen Gassen strömten Mengen von Hyrulianern, die den Kriegern verblüfft hinterher schauten. Die Menschen spürten, dass es soweit kommen musste. Ein Kampf in diesem verfluchten Land war unausweichlich. Und viele hofften darauf, dass die Schuldigen, egal, ob es die Einäugigen oder die Wächter waren, endlich ihre Strafe erhielten. Hyrulia sollte wieder ein Land sein, in dem sich das Leben lohnte, in welchem man Blumen pflücken konnte, wo die Sonne lachte an einem der warmen Sommertage. Diese Sehnsucht der letzten gesunden Menschen war nahezu spürbar… Der Morgen brach an, sendete glutrote Ausläufer über jene Welt. ein Morgen, der diese Welt verändern würde. Aus der Mitte der Kämpfer kam plötzlich jemand auf einer rotbraunen Stute daher geritten, ritt bis zur Spitze der aufgereihten Wesen und hob seinen Einhänder in die Höhe. Das Götterkind erkannte jenes Schwert auf Anhieb. Es funkelte im Licht, welches die Sonne just in diesem Augenblick auf die schneeweiße Stadt schickte. Mit Feenwassern gesegnet, von Weisen geschmiedet, war jenes Schwert die stärkste Waffe, die ein Held führen konnte. Und nur ein Held war in der Lage ihre volle Macht zu entfalten. „Bürger Hyrulias“, rief der Besitzer jener mächtigen Waffe. Es war ein Held, über den Geschichten geschrieben wurden und noch viele geschrieben werden würden. Mit verwunderten Augen hefteten viele der Angesprochenen ihre Augen auf jene Waffe und den Reiter der rehbraunen Stute. „Diese Welt, die das Erbe der Göttinnen trägt. Diese Welt, die ihr Euer Heim nennt. Jene Welt leidet“, sprach er und ließ das begnadete Schwert sinken. „Wacht auf, ihre Menschen jener Welt. Seht den Morgen, der der letzte in dieser Eishölle sein soll. Denn morgen schon, werden Eure Kinder wieder über Wiesen wandern, die in sattem Grün erstrahlen.“ Er machte eine Pause und ritt noch näher an jene Ansammlung ungläubiger Menschen heran. „Ich bin der Held der Legende“, sprach Link ruhiger, zog sich rasch den linken Handschuh herab und präsentierte ein strahlendes, leuchtendes Fragment des Mutes. Sein Schein leuchtete stärker als die erwachte Sonne, die sich fast vollständig über den Wipfeln naher Gebirge erhoben hatte. Einige Menschen knieten nieder, andere hatten Tränen in den Augen. Und es schien dem Helden des Windes zu gefallen auf diese Weise gefeiert zu werden. „Ich werde die Verantwortlichen finden, so wahr ich der Träger des Triforce des Mutes bin. Schließt euch uns an. Kämpft, damit diese Welt wieder sein kann wie vorher“, sprach er stark und hob erneut des legendäre Schwert aus tausenden Prophezeiungen in die Höhe. „Gebt dieser Welt eine Chance, das Hyrulia zu sein, wofür es steht. Ein freies Land. Demokratisch und tolerant.“ Auch Klein- Link hörte aufmerksam zu und lächelte. Der Held des Windes wusste, wie man Worte gebrauchte. ,Sicherlich, an manchen Stellen war seine Rede ein wenig schwulstig und er lobte sich ein bisschen zu viel‘, dachte der Junge. Dennoch verbeugten sich die Menschen vor ihm und ließen sich mitreißen. „Schließt Euch uns an. Für Freiheit. Für Gerechtigkeit.“ Die Menschen jubelten schließlich, hoben ihre Hände in die Höhe. Und der Held des Windes lächelte zufrieden. Und es dauerte nicht lange, stürmten unzählige Menschen hinter jenem Heer der Einäugigen her. Es waren keine Erklärungen notwendig. Vermutlich genossen die Wächter schon lange kein Vertrauen mehr unter den Bürgern Hyrulias. Auch Klein- Link rannte mit der Menge, er rief nach dem Helden des Windes, und doch ahnte er, nicht gesehen werden zu können. Plötzlich packte ihn einer der Reiter am Kragen. Noch ganz verdutzt saß der Junge blitzartig vor einem der Krieger auf einem schwarzen Pferd, spürte die Bewegung der Menge, sah von hier erst einmal, wie gigantisch das Ausmaß war, welches der Held des Windes angerichtet hatte. Der Heroe der Meere hatte den größten Nerv des Volkes mit seiner Rede getroffen, hatte die Sehnsüchte der Menschen geweckt, für die sie nun kämpfen würden. Leute stürmten aus den Häusern und trieben alles an Waffen auf, was sie finden konnten. Äxte. Sicheln. Bis hin zu einfachen Messern und Küchengeräten. Klein- Link staunte einfach nur und drehte sich endlich zu dem Krieger um, der ihn am Kragen gepackt hatte. Das bedeutete auf jeden Fall erst einmal, dass er nicht mehr unsichtbar war. Ob auf der Erde die Zeit doch noch still stand und er und Navi mehr als genug Zeit hatten, alles für den Rat der Helden vorzubereiten? „Wer seid Ihr?“, fragte Klein- Link. „Nun, wir haben uns schon einmal getroffen, Kind im grünen Gewand“, sprach der Krieger. Der Junge erkannte den Einäugigen sofort an seiner Stimme. Mit diesem Kerl hatte er in der Höhle gesprochen. Das war der Einäugige, der ihm dieses Serum verabreicht hatte. „Du hast mit mir irgendwas angestellt!“, murrte der Junge. Daraufhin lachte der Einäugige. „Ich weiß, und das nur zu deinem Besten. Dank dem Serum kannst du nicht vereist werden, Heldenkind.“ „Echt?“, vergewisserte sich Klein-Link, worauf er von dem Einäugigen ein zufriedenes Nicken erhielt. Der Bengel grinste daraufhin. „Du weißt, was vor sich geht, nehme ich an?“, fragte der Krieger. Auch daraufhin nickte der Junge. „Ach ja!“, rief das Götterkind. „Tetra, die Prinzessin, wird in der gläsernen Gruft gefangen gehalten. Irgendwas von einem See ohne Wiederkehr.“ Der Krieger stoppte sofort sein Ross und musterte den Bengel skeptisch. „Woher hast du diese Information?“, sprach er aufgeregt. „Ich habe im Schloss gelauscht!“ Der Einäugige zögerte nicht lange, sog kräftig Luft in seine Lungen und blies kraftvoll in sein gläsernes Horn. Daraufhin ritt der Held des Windes mit der eleganten Stute zu jenem Einäugigen und musterte verwundert den jungen Spund, der ebenso auf dem Pferd saß. „Was ist los, Aphidel?“, meinte der Heroe. „Eure Prinzessin weilt nicht mehr im Schloss Hyrulias. Es ist schlimmer, als ich vermutet habe“, erklärte er. „Sie ist inzwischen in der gläsernen Gruft im See ohne Wiederkehr.“ „Was bedeutet das?“, meinte der Held des Windes. „Das Heer soll uns folgen, ich werde uns dorthin führen… Das Problem ist nur, wie viele der Menschen werden uns dorthin folgen? Der See ohne Wiederkehr ist ein böser Ort in Hyrulia. Einst wurden Menschen dort grausam bei lebendigem Leibe begraben. Einst war jener Ort ein Moor. Doch vor wenigen Jahrhunderten wurde diese Region überflutet und ab da sind in diesem See seltsame Dinge geschehen. Seitdem nennt man ihn den See ohne Wiederkehr.“ „Ich verstehe… nicht noch mehr Geister“, murrte der Heroe und klatschte sich mit der Handfläche gegen seine Stirn. Geister und noch mehr Geister. Musste es denn sein, dass sich das einzige, wovor er sich etwas fürchtete, so zahlreich in Hyrulia befand? Und so langsam wuchsen ihm die Zweifel ob er wegen Tetra, die sich doch auch gut selbst verteidigen konnte, wirklich in eine Horde von Geistern hineingeraten sollte. Das Götterkind wusste in dem Augenblick schon lange, was im Kopf des Erwachsenen vor sich ging. Es war unglaublich. Dieser Heroe schien auf den ersten Blick her sogar etwas stärker als der Link, der auf der Erde lebte, aber dieser halbe Pirat hatte tatsächlich einen Riesenbammel vor Geistern. „Du bist doch der Held des Windes, diese Geister fürchten sich eher vor dir als umgekehrt!“, sprach Klein- Link dann und grinste hoffend. Denn er hatte eine schnelle Idee, um jenen Helden etwas zu beeinflussen. „Findest du wirklich?“, staunte der Heroe. „Aber sicher doch. Ich komme aus einer anderen Zeit, und dort hat der Held auch keine Angst vor Geistern. Doch hast doch sicher schon vom Helden der Zeit gehört, nicht wahr?“ „Ja, ja, in der Tat…“, sprach der Heroe unsicher, schaute skeptisch zu Boden und kratzte sich an der Nase. Natürlich hatte er das. Diese Legende kannte jedes Kind. „Und ich finde ja sogar, du bist wesentlich stärker als der Held der Zeit“, betonte Klein- Link. „Aber wenn du nicht willst… ist es echt schade, dann wirst du nie an den Helden der Zeit heranreichen.“ Dieser Satz hatte anscheinend eine weitreichende Wirkung. Wie als hätte man dem Heroen Pfeffer in den Mund gestopft, prustete er sich auf, winkte Aphidel zu, der ihm folgte und trieb das rehbraune Pferd wieder in Richtung Spitze und rief dem Heer einige Worte entgegen. „Das war nicht schlecht“, meinte Aphidel und grinste den Bengel an. „Du scheinst einen außerordentlichen Scharfsinn zu haben.“ „Das habe ich von meiner zukünftigen Mama“, lächelte er. ,Sie war immerhin die Trägerin des Fragments der Weisheit.‘ Alsdann bewegte sich das letzte Heer der Welt Hyrulia bereitwillig in Richtung jenes verhängnisvollen Ortes, wo sich alles entscheiden würde. Das Schicksal Hyrulias lag in ihren Händen… ja, es geht endlich voran... Schade ist bloß, dass mich so viele Leute aus ihrer Favoritenliste gekickt haben <.< Kapitel 130: „Ein neues Land… aber es wird nicht Hyrule sein...“ Teil 4 ----------------------------------------------------------------------- Lieben Dank an meine Beta- Leserin anchou. Deine Tipps waren spitze^^ Außerdem gibt es noch eine Info. Scheinbar scheinen die Kapitel um verschiedene Links bei den Lesern nicht ganz so gut anzukommen. Gründe sind vielleicht, weil es lange nicht weiterging, oder einfach, weil diese neuen Kapitel nicht mehr in die Original- Idee hineinpassen, vielleicht fehlt hier der Bezug. Deshalb möchte ich einfach bitten, dass die Leser hier ihre Meinung sagen, ob ich die Fanfic mit verschiedenen Links weiterführen soll, oder ob ich die Kapitel wieder "löschen" und stattdessen "Nur ein Spiel" endlich enden lassen soll (natürlich mit weniger Infos über alle möglichen Links). Danke! lg Faylen7 ______________________________________________ 4. „Ein neues Land… aber es wird nicht Hyrule sein...“ Teil 4 Nichtsahnend saß die einstige Fee Navi in jener lilienweißen Kutsche, die sie weit weg der Geschehnisse zu führen schien. Wärmesuchend schmiegte sie sich an jene flauschigen Pelze, die genau für diesen Zweck in der Kutsche lagen. Es war eiskalt… Der Morgen brach gerade an. Königlich und blutrot erhob sich die alte Sonne jener Welt über einem der östlichen Wipfel. Wie Staub schienen ihre Strahlen sich über diese winterliche Landschaft zu legen. Navi dachte daran, was sie zu dem störrischen Helden des Windes sagen wollte, was sie ihm erklären wollte. Außerdem interessierte sie brennend, woher er sie kannte. Er musste sie schon einmal gesehen haben, zumindest sagte sein verwirrter, ernster Gesichtsausdruck ihr das, als sie aufeinander getroffen waren. Navi rieb sich etwas die Hände, als die Kutsche unverhofft stehen blieb. „Nanu?“, sprach sie zu sich selbst. Sie wusste ja, dass jene Kutsche irgendwie mit Magie arbeitete. Anscheinend mit Tetras legendärer Magie. Aber warum blieb dieses eigensinnige Fahrzeug auf einmal stehen? Navi wollte schon aus der Kutsche steigen, als jene ein Stück zurückfuhr und dabei einen wilden Bogen machte. Wie von Geisterhand wendete sie und fuhr genau den Weg zurück, den sie gerade erst zurückgelegt hatten. „Hey!“, schimpfte die einstige Fee, sie brüllte so laut, dass sie wuchtige Lawinen hätte in Gang setzen können. Sie schnaubte, und diese Situation passte ihr überhaupt nicht. Sie überlegte schon aus der fahrenden Kutsche zu springen, aber welchen Sinn hätte das? Sie konnte ja nicht mitten in dieser Eiswüste herumlaufen! Frustriert lehnte sie sich zurück in den weichen, cremefarbenen Pelz, und verschränkte die Arme. Sie hätte nie gedacht, dass dies ihr Schicksal sein sollte. Sie war einst eine Fee, die den Frieden in magischen Wäldern liebte, wo Feen zart sangen, Kokiris fröhlich spielten und weise, alte Bäume mit knorrigen Gesichtern das Leben beobachteten. Und heute… da Hyrules geschenkte Vergangenheit, nach dem Zeitkrieg, dennoch endete… heute war sie eine Fee, die keine Flügel mehr besaß. Ihr einstiger Feenstaub war vom Wind verweht. Und ihre wahre Gestalt würde nie mehr wieder sein. Konnte es ihr irgendwer nachfühlen, wie es ihr ging? Sie war nicht Zelda, Prinzessin von Hyrule, die alles, was sie hatte, für Hyrule opfern konnte. Sie war nur eine kleine Fee, die mit Hyrule nicht abschließen wollte, und nun spielte sie einen unehrenhaften Aufpasser für das Kind erschaffen von Göttern. Welche bedeutsame Aufgabe war ihr noch zugedacht? Konnte sie sich überhaupt noch irgendwie nützlich machen? Selbst den Helden des Windes konnte sie aufgrund einer eigensinnigen Kutsche nicht überzeugen zu helfen… Sie war einfach nur noch ein Trampel. Und das in ihrem Alter! Traurig kuschelte sie sich in jenen Pelz, beobachtete die Sonne, während die Kutsche mit einer noch größeren Geschwindigkeit zurückfuhr. Sie wollte weinen, weil sie sich so verloren fühlte. Sie war einsam. Aber der Gedanke daran, dass sie ihr Schicksal selbst gewählt hatte- sie verschmähte eine Wiedergeburt- hatte ihr bisher immer geholfen. Sie wusste auch, dass sie stark war. Und sie war stolz auf Link, den Helden der Zeit. Sie liebte ihn als Menschen aufrichtig. Die ganzen Grausamkeiten seines Schicksals, die er überstanden hatte, lösten mehr als Bewunderung in ihrem Herzen aus. Und sie wusste, er war stark. Dennoch fragte sie sich manchmal… war der Kampf gegen Ganondorf, wie er auf der Erde tobte, überhaupt noch zu gewinnen? Sie beobachtete mit Tränen in ihren leuchtendgrünen Augen, wie die Sonne sich endlich über den Wipfeln Hyrulias erhoben hatte. Sie war wunderschön, brachte ein wenig Wärme in dieses karge Eisland, und auch etwas Wärme in ihre trübsinnigen Gedanken… Währenddessen erreichten zahlreiche tapfere Krieger jenen See ohne Wiederkehr. Abgelegen befand sich dieser See nördlich der Stadt, umzingelt von Bergen mit spitzzulaufenden Wipfeln. Von weitem wirkten jene Gipfel wie graue Türme oder märchenhafte Statuen. Solange man nur etwas Phantasie besaß, saß auf einem der Berge ein gefräßiger Drache und leckte sich die Flügel. Und gleich daneben hockte in Stein gemeißelt eine alte Frau, die etwas stickte. Und wenn man noch mehr Phantasie besaß, schien das Gestein längst vergessene Epochen und vielleicht auch die Zukunft zu beschreiben… Der See war umrahmt von hohen Laubbäumen, die ihr Wurzelwerk tief in den See vergraben hatten. Mehrere Inseln konnte man von hieraus erkennen und in der Insel, die am weitesten entfernt lag, war ein Gebäude, vollkommen aus Glas geschaffen. Das Licht der aufgehenden Sonne brach sich darin. Aber das Wasser des Sees, dunkel, pechschwarz, fast ölig, war das Einzige (bei der die das wird das Wort, das folgt, großgeschrieben), was diesem Ort etwas Unheimliches aufzwang. Rings herum lag Schnee, und es war kalt… Aber trotz niedriger Temperaturen war das Wasser des Sees nicht gefroren. „Welche böse Macht hat diesem See sein Gesicht gegeben…“, murmelte Link, mehr zu sich selbst als zu irgendwem sonst. Es war ruhig hier, der weitreichende See hatte nicht die Spur eines Wellengangs, obwohl der Wind hier heftig wehte. Die Pferde wieherten und waren sehr unruhig. Viele der einäugigen Krieger mussten absteigen, da die Tiere vor dem Wasser zurückschreckten. „Verhaltet Euch ruhig, Männer!“, rief Link, sprang von seiner Stute und trat vorsichtig an jenes Gewässer heran. Er zog sein Schwert und trat sachte mit den schneebehafteten Stiefeln in dieses finstere Gewässer ein. Ein ernster Blick von ihm ging über jene düstere Wasseroberfläche. Es gab keine Brücke, nirgendwo Boote oder irgendeinen guten Weg zu diesem gläsernen Haus, wo Tetra gefangen war. Sollte er zusammen mit diesem Heer durch dieses Wasser schwimmen, obwohl jeder von den Bewohnern Hyrulias wusste, dass hier schlimme Dinge geschehen waren? Link trat noch einige Schritte vorwärts, spürte, wie ein eiskalter Wind durch seine schulterlangen Haare tobte. Noch ein Schritt. Und noch einer hinein in das Ungewisse. Viele der Männer beobachteten ihn mit ehrfürchtigen und bewundernden Blicken. Link stand inzwischen bis zu den Knien in dem seichten Wasser. Es war wärmer, als er dachte. Er schöpfte etwas von dem kostbaren Gut, hielt es für einen Moment in seinen Händen. Es schien seine Hände schwarz zu färben… Er spürte das Leben in diesem See. Unsterbliches Leben. Unvergänglich. Suchend und mordlüstern. Es waren keine Geister, das spürte er. Es war etwas anderes. Es mussten die vielen Toten sein, die ein scheußliches Ende gefunden hatten. Als der See entstand, mussten jene Wesen aus ihrem langen Schlaf geweckt worden sein. So leid es ihm tat, aber er musste diesen See überqueren. Und er würde das Schwert der Legende auch an jenen Wesen, die nur durch Quälerei zu bösartigen Kreaturen mutierten, einsetzen. Und er musste diesen Männern im Hintergrund irgendwie beibringen, dass sie koste es, was es wolle, diesen See überqueren mussten. Sachte trat er wieder aus dem schwarzen Meer heraus, blickte ermutigend in die Augen der vielen Krieger und winkte Aphidel zu, der mit Klein- Link an die Spitze lief. „Wir müssen irgendwie diesen See überqueren…“, sprach der Held des Windes in seiner etwas höheren Stimme. „Das Problem ist nur… ich spüre Hunderte von mordlüsternen Wesen, die nur darauf warten, dass wir zu der Insel schwimmen.“ Wie machte er das, fragte sich Klein- Link. Auch der Held der Zeit hatte diese Gabe, Böses zu spüren, bevor es überhaupt sichtbar war. Er wollte diese Fähigkeit ebenso besitzen, oder zumindest ansatzweise entwickeln können. „Wenn uns nicht schnell etwas einfällt, ist Prinzessin Zelda von Hyrule…“ Mit einem Mal drehte der Held seinen Schädel, lauschte in die Ferne. Er hatte Schreie gehört, jedoch kamen diese nicht von der Insel. Irgendetwas produzierte einen scheußlichen Lärm, aber er konnte es einfach nicht zuordnen. Er führte seinen Zeigefinger an die Lippen, deutete an, leise zu sein. „Hört Ihr das auch?“ Und tatsächlich war da von weitem ein Geräusch, welches wie ein hilfloser Kinderschrei durch die Welt tönte. Ein Rascheln war da noch, welches ebenso lauter wurde. Aphidel nickte. „Was mag das sein?“ „Das hört sich an wie Navi!“, rief Klein- Link dann entgeistert. Er würde ihre Stimme immer erkennen, so oft wie sie ihn schon zu recht gestutzt hatte. Und wie auf Kommando drehten die drei ihre Schädel in Richtung des Geräusches. Auch die anderen Krieger staunten nicht schlecht, als an einem Berg hinter ihnen eine schneeweiße Kutsche mit einer wuchtigen Geschwindigkeit den schneebeladenen Berg hinab sauste. Ein Mädchen mit blauem Kleid und blauen Schleifen in den Haaren stand hilflos in der Kutsche und klammerte sich mit dicken Kinderhänden an das Geländer. Die Kutsche war außer Kontrolle geraten. Mit hohem Tempo sauste sie dahin und schien direkt auf den See zuzusteuern. Navi schrie wie am Spieß und wusste nicht, wie sie die Kutsche anhalten sollte. Vor wenigen Minuten hatte es angefangen. Die Kutsche war vollkommen außer Kontrolle geraten und fuhr mit einer übelkeitserregenden Geschwindigkeit weiter. Sie war vom Weg in die Hauptstadt abgekommen und raste mitten in den See hinein. Neben dem schrecklichen Getöse, welches die Kutsche verursachte, hörte sie inzwischen die Stimme Klein- Links. Sie blickte auf und sah das Heer, sowie den Helden dieser Welt. Und die Kutsche raste weiter, direkt auf diese Krieger zu. „Hilfe! So helft mir doch!“, rief sie flehend. „Die Kutsche tut, was sie will!“ Sie senkte ihren Kopf und fragte sich, ob dieser Alptraum irgendwann ein Ende hatte. Sie spürte plötzlich, dass die Kutsche vom Erdboden abhob und mit einem heftigen Schlag auf der Wasseroberfläche aufkam. Durch die Wucht wurde eine Welle losgetreten, Wassermengen schnellten wirbelnd umher, Navi wurde durchnässt und ein Großteil Wasser spritzte in alle Himmelsrichtungen. Langsam hob sie ihren Kopf wieder, sah sich selbst auf der Wasseroberfläche und die Kutsche, wie von magischen Händen gezogen, schwamm gemächlich über diesen stillen, mysteriösen See. Die Räder bewegten sich dröhnend, aber versanken nicht. Wenn dies Tetras Magie war, so musste sie auch dies bedacht haben… Navi sah, wie am Ufer Klein- Link und die anderen staunten. Nach wenigen Minuten, ohne Lärm, erreichte die einstige Fee die Insel in der Mitte des Sees. Und sie war damit nur wenige Schritte vom Eingang in die gläserne Gruft entfernt. Natürlich wusste Navi noch nicht um die näheren Ereignisse, und doch ahnte sie, dass diese Krieger vermutlich ebenso auf diese Insel gelangen wollten. Sie lachte, als sie mit zittrigen Beinen aus der Kutsche ausstieg, endlich wieder festen Boden unter den Füßen verspürend. Aber ihr Gleichgewicht konnte sie nicht sofort halten und so sackte sie erleichtert zu Boden. Sie winkte Klein- Link zu, der wie gelähmt am anderen Ufer stand. So, sie war nun hier, aber wie kamen diese Krieger ebenso auf die Insel? Sorgsam sah sie sich um, war aufgeregt und zugleich glücklich. Endlich hatte sie eine Aufgabe in diesem Gefecht. Zweifelnd trat sie an jenes Gebäude aus Glas heran. Dieses Haus war zwar aus Glas, aber alles funkelte so stark, dass man nicht einmal einen Blick ins Innere werfen konnte. Nirgendwo befand sich ein Fenster und dieses Glashaus wirkte von außen auch nicht sehr geräumig. Es wirkte eher wie die Kuppe eines Daches, denn die Wände waren alle rund. Direkt vor ihr befand sich nur eine Tür. Ein violett funkelnder Rahmen rundete jene Glastür ab, in welche mit vorsichtigen Händen hübsche Verzierungen und engelsgleiche Gestalten geschaffen wurden. Sie überlegte, ob sie diese Tür wirklich öffnen sollte, oder darauf warten sollte, bis diese Krieger hier waren… Aber diese standen alle so dümmlich dreinschauend am anderen Ufer, dass sie es vielleicht doch wagen sollte. Die Kutsche rührte sich nicht mehr, und vielleicht war es Tetras Wille, dass Navi hier an dieser Stelle blieb. ,Okay‘, sagte sie zu sich selbst, drückte ganz vorsichtig gegen jene türgrifflose Öffnung und wagte einen Blick hinein. Sie trat über die Türschwelle und war erstaunt über den Innenraum. Tatsächlich war jener nicht sehr groß und es standen nirgendwo Möbel oder ähnliches. Aber dieser Raum hatte ein Funkeln, was ihr Tränen in die Augen treiben wollte. Alles glitzerte so schön. Sie fühlte sich verzaubert und irgendwie ein wenig zurück in einer langvergessenen Heimat. „Wunderschön…“, murmelte sie. Auf dem Boden war ein großes Rad angebracht. Aus einem violett schillernden Metall. Das war das einzige in diesem glitzernden Raum ohne Ecken. Wozu dieses Rad wohl gedacht war? Ob sie es in Bewegung setzen sollte? Das große Rad besaß unzählige Zacken, die raffiniert mit weiteren, winzigen Zahnrädern verbunden waren. Rasch blickte sie sich um und entdecke nicht weit entfernt einen violetten Hebel. „Das mach‘ ich jetzt!“, rief sie erfreut und hastete zu jenem Hebel. Er war nicht verstaubt. Etwas frisches Blut klebte daran, was ihr sagte, dass er erst vor kurzer Zeit benutzt worden war. Ihr Herz klopfte nun so stark in der kindlichen Brust, dass sie dachte es wollte aus diesem Körper heraus pochen. Ihre ganze Energie galt diesem Augenblick. Sie würde diesen Hebel in Bewegung setzen. Das große Rad würde sich drehen und dann… Ihre Hände zitterten vor Nervosität und legten sich geschmeidig um das weiche Material an diesem Hebel. Sie drückte jenen mit ihrer ganzen Kraft nach unten, worauf sich das Rad quietschend bewegte. Der Hebel sprang nach oben. Sie betätigte ihn wieder, worauf sich das Rad noch schneller an den anderen kleinen Rädern rieb. Und noch einmal… Außerhalb waren Klein- Link und die anderen sehr beunruhigt, dass jenes Mädchen ganz alleine auf dieser Insel weilte. Wer konnte das verantworten? Wenn sie auf jene Wächter traf, war sie des Todes… Der Held des Windes wollte gerade Anweisungen geben, dass jeder, der mutig genug war, ihm in diesen See folgen sollte. Schwimmen war vermutlich die einzige Lösung. Er hatte kaum angefangen die Aufmerksamkeit der Krieger auf sich zu ziehen, als jene Aufmerksamkeit von einem weiteren, gewaltigen Ereignis verdrängt wurde. In dem pechschwarzen See stiegen mit einem Mal etliche Blasen auf. Kleine, feine Perlen aus Luft, die zerplatzten, als sie die Oberfläche erreicht hatten. „Tretet zurück!“, rief der Held, worauf das Heer nur wenige Meter zurückwich. Gewaltige Wassermassen erhoben sich, als vom Boden des Sees ein gigantischer Bau aus Gestein an die Oberfläche kam. Die feinen Räder, die Navi in Bewegung setzte, lösten einen Mechanismus aus, den vermutlich die Wächter an diesem Ort kreiert hatten. Das Getöse endete… Das Gewässer beruhigte sich wieder. Doch vor den vielen Nasen der einäugigen Krieger erhob sich nun stolz, stattlich und stabil eine Brücke aus Stein. Der Held des Windes grinste. Ja, er konnte gar nicht anders und zog sich an der schönen Stute wieder hinauf in den Sattel. „Los, Männer! Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!“, brüllte er und ritt allen voran auf jene Brücke. Die Krieger der Welt Hyrulias folgten ihm tapfer. Einige warteten am Ufer, andere postierten sich auf der Brücke und in etwa fünfzig Männer, zusammen mit Klein-Link und dem erwachsenen Helden schritten direkt auf die Insel. Sie empfingen Navi an der gläsernen Tür in das rätselhafte Gebäude und erklärten ihr, was bisher geschehen war. Einige Männer folgten dem Mädchen schließlich in den Innenraum. „Es ist übrigens beruhigend, dich zu sehen, Götterkind“, sprach Navi sanft. Der Angesprochene grinste darauf nur. Er war mindestens genauso froh, dass diese Nervensäge vor ihm stand. „Und es ist einiges geschehen…“ „Ja, nur sollten wir diese Mission langsam zum Abschluss bringen. Wir haben noch andere Welten vor uns“, meinte sie und präsentierte den Kämpfern endlich den Innenraum. „Ich habe vorhin diesen Hebel in Bewegung gesetzt. Und neben der Brücke, haben sich unter diesem violetten Zahnrad einige Treppenstufen in der Finsternis aufgetan.“ Tatsächlich waren einige Stufen sichtbar, die in eine tiefe Dunkelheit führten. Einige der Krieger setzten sofort ihre stählernen Beine in Bewegung und wollten gerade die Treppenstufen hinabsteigen, als der Held des Windes sein Schwert zog und dieses den kampfbereiten Männern vor die Nase setzte. „Moment. Ich gehe zuerst“, sprach er deutlich und ging vorneweg. ,War ja zu erwarten‘, dachte Navi. So wie sie ihn einschätzte, wollte er sich den ganzen Ruhm alleine einheimsen. Er wollte vermutlich die ersten Gegner unschädlich machen, um zu zeigen, wer hier der Anführer war. Und so schritten jene Männer, und die beiden Kinder in jene Dunkelheit. Die Einäugigen leuchteten den Weg mit violett schillernden Armbändern, die einen angenehmen, hellen Schein in diese Finsternis brachten. Auch Klein- Link und Navi bekamen jeweils eines der Armbänder von Aphidel geschenkt. Das unterirdische Reich funkelte in einer Schönheit, die niemand der hier wandelnden jemals gesehen hatte. Im Untergrund befand sich ein Schacht, der so tief sein musste, dass es eine Stunde dauerte, ehe sie alle am Boden angekommen waren. Das Gestein an den Seitenwänden schimmerte. Als wären unzählige Glasstücke in allen Farben in den Erdboden eingefasst. Außerdem bestach dieses unterirdische Gewölbe durch dutzende Treppenabschnitte, die hier und da verliefen oder abrupt endeten. Nur die Treppe, auf welcher die Krieger marschierten, schien bis zum Ende zu laufen. Der Held des Windes war wachsam, richtete seine Augen auf jede noch so kleine Verräterei und flüsterte seinen Mitstreitern mehrmals zu, sich ruhig zu verhalten. So tapsten sie gemächlich vorwärts, lauschten ihren eigenen Schritten in der dünner werdenden Luft, hörten Wasser leise plätschern und ab und an kreischte in diesem Höhlenraum eine Fledermaus. Oberhalb schien noch alles ruhig. Die Sonne hatte sich ganz deutlich über diese Welt erhoben. Ihre Strahlen, wärmend, angenehm und mild, zogen rasch die Aufmerksamkeit der Krieger auf sich, die hier und da standen. Auch an anderen Orten… Am Hafen. In der Hauptstadt. In nahegelegenen Dörfern. Überall pulsierten jene warmen Strahlen, schillerten auf dem unnatürlichen Eis jener Welt… Es fing unsichtbar an. Niemand konnte es bisher sehen. Keiner der Lebendigen hörte die winzigen Geräusche, die von zersplittertem Eis herrührten… Nach vielen Minuten waren die Kämpfer allesamt am Ende der über hundert Treppenstufen angelangt. Und noch hatten sie ihr Ziel nicht erreicht. Ein hohes Tor im Untergrund galt es nun noch zu öffnen, und das, ohne Aufsehen zu erregen. Link misstraute der Stille ein wenig. Sollten diese Wächter nicht Dutzende von ihren Monstern, wie immer jene auch aussahen, oder irgendeine andere Vorkehrung als Hindernis geplant haben? „Was schlagt Ihr vor, Held?“, meinte Aphidel und legte eine Handfläche sachte über jenes steinerne, teilweise vereiste Tor. „Ehrlich gesagt…“ Der Heroe stoppte seine Worte. Beinah hätte er gesagt, er fühlte sich ratlos, was so nicht ganz stimmte. Es gab immer noch die Option einfach dieses Tor aufzubrechen und dann in den dahinterliegenden Raum hineinzustürmen. „Diese Tür atmet...“, murmelte Aphidel. „Wenn wir sie aufbrechen, wird sie sicherlich sehr ungemütlich werden.“ Mmh, sowas in der Art kannte Link bereits. Während seiner Abenteuer hatte er es schon mehrmals mit verhexten Türen zu tun gehabt. Allerdings ließen die sich durch ein paar robuste Hiebe schnell beseitigen. „Und was nun?“ Tetra war da drinnen. Und irgendetwas sagte dem Helden, dass das Ritual schon lange begonnen hatte. Navi trat dann vor und legte ebenso eine Hand gegen das magische Gestein. „Dieses Tor ist in Wirklichkeit gar kein Tor“, meinte sie. „Es ist ein verzaubertes Lebewesen.“ „Huch“, entgegnete Klein- Link verwundert. „Woher weißt du das denn?“ Er machte große Augen. „Es ist seltsam, aber ich habe in einem Buch im Hause der Götter über so etwas gelesen. Es gibt so viele Kreaturen auf der Welt, die ihre Opfer in einfache Gegenstände verwandeln. Und wenn dieses Tor atmet, so ist das doch Hinweis genug, nicht?“ Einige Einäugigen nickten. „Da magst du recht haben, Kind“, sagte Link. „Ich bin kein Kind!“, fauchte sie. „Nicht? Ihr seht aber so aus.“ „Man urteilt über jemanden nicht anhand von Äußerlichkeiten“, zankte sie und trat dem Kerl ans Schienbein. „Da hast du Recht…“, murmelte er schmerzverzerrt und streichelte sein schmerzendes linkes Schienbein. „Anscheinend sollte man Kinder tatsächlich nicht unterschätzen“, seufzte er und erhielt dafür einen bitterbösen Blick der einstigen Fee. „Aber, was tun wir jetzt?“, stotterte der Heroe dann und gab der einstigen Fee Navi milde kleine Knuffe auf ihren blonden Kopf. Noch ehe sich der Held versah, packten einige Einäugigen dann seltsame Geräte aus ihren Gürteltaschen. Merkwürdige Stifte. Einer kramte ein Mikroskop hervor. Der Dritte ein Glasauge. Der Nächste eine Glühbirne und eine Kugel. Und der Letzte eine Tafel aus Glas. „Lasst uns das mit diesen magischen Gegenständen durchziehen“, meinte Aphidel. „Wir haben schon mehrere Wesen vom Bann der Wächter befreien können. Wenn das hier der Fall ist, wird es uns gelingen.“ Und es dauerte nicht lange, da hatten die Einäugigen die Geräte in der Nähe des Tores platziert. Aphidel las eine komplizierte Inschrift auf jener gläsernen Tafel vor, wiederholte jene, sprach sie immer wieder. Einen Moment lang dachte man, es passierte nichts. Und doch, wenn man auf das Glasauge achtete, so zeigte sich dort eine Färbung des Auges. Es wurde violett. Dann begann es sich zu bewegen, schien eine Linie zu malen und bewegte sich zu jedem der Gegenstände, bis alle Gegenstände zusammen ein Muster gespannt hatten. Es musste eine Glyphe sein, die die Einäugigen gerne verwendeten. Sie glühte, funkelte, und erhob sich träge, nur um wie von Geisterhand im gläsernen Augen zu verschwinden. Dann hüpfte das gläserne Auge an das steinerne Tor. Es knallte mit solcher Wucht dagegen, dass es zerplatzte. Die Scherben hafteten an dem steinernen Tor, drangen in das Material hinein, bis man den Schrei eines Lebewesens hören konnte. Das Tor zersprang ebenso in einer ewigscheinenden Sekunde. Dahinter erschien den Anwesenden ein Tunnel, wo blaue, grüne und rote Lichter an den Seitenwänden die Finsternis vertrieben. Und auf dem Boden in gläsernen Scherben, in purer Nacktheit mit langem, hellblondem Haar, saß eine junge Frau, die die vielen Männer mit verstörten grünen Augen musterte. Sie war kein Mensch, was jeder der Anwesenden sofort registrierte. Denn auf ihrem Rücken trug sie prächtige, durchscheinende, blauglänzende Flügel. Sogar ihre weiche, ebenmäßige Haut trug einen leichten blauen Schimmer. „Wie könnt Ihr… Wie könnt Ihr es wagen!“, schrie sie und schaute noch verstörter als vorher umher. „Glotzt nicht so! Gebt mir etwas zum Anziehen!“, brüllte sie. Der Held des Windes kratzte sich am Bart und grinste verräterisch. Sie war nicht nur sehr aufreizend, sondern bis ins Äußerste attraktiv. „Hört Ihr nicht!“, schimpfte sie, bis ihr Blick zu Navi fiel und sie verstummte. Auch Navi erwiderte ihren Blick und die Röte wich aus ihrem Kindergesicht. Endlich packte Aphidel einen violetten Mantel aus einer Tasche und reichte ihn der Dame schleunigst, ehe einer der Einäugigen noch Nasenbluten bekam. „Danke!“, pfefferte sie ihm unwirsch entgegen. Rasch bohrte sich die vermeintliche Elfe mit ihren Fingerspitzen zwei große Löcher an der Rückenseite der Kleidung, zog sich den Mantel um ihren schlanken Körper und erhob sich. Sie legte anscheinend keinen Wert zu laufen, sondern schwang ihre Flügel, sodass sie wenige Zentimeter über dem Boden schwebte. „Die Wächter haben mich in dieses hässliche Tor verwandelt, auf dass ich diejenigen vernichte, die versuchen es zu durchbrechen“, erklärte sie. „Ich danke Euch. Hinter mir befindet sich ein kurzer Tunnelabschnitt und dann erreicht ihr die große Halle, wo sich die Wächter aufhalten“, setzte sie hinzu, aber hatte einen etwas grimmigen Ausdruck in ihrem Feengesicht. „Nur seid vorsichtig… Das Ritual hat schon begonnen. Der Prinzessin des Schicksals ist bereits ein Teil Lebenskraft geraubt worden, um zu schmelzen, was geschmolzen sein muss… und um zu erschaffen, was böse ist…“ Nickend zogen die Krieger an der hübschen Dame vorbei. Nur Navi blieb einfach stehen, während auch Klein- Link den dahinter liegenden Tunnel entlang marschierte. Die einstige Fee verkrampfte ihre Hände und blickte das magische Wesen mit traurigen Augen an. Da war ein Funken Hoffnung in ihren grünen Kinderaugen… „Euer Name… ist Euer Name Navi?“, fragte die vergessene Fee dann und was sie darauf als Antwort bekam, würde mehr sein als ein ,Ja‘. In eben jenem Augenblick rebellierten die Menschen, die nicht den Kriegern gefolgt waren, in der Hauptstadt und versammelten sich auf dem Platz vor dem Schloss. Die Menge tobte. Die Menschen fühlten sich hintergangen und entehrt… Und in so manchem Haus, wo jene Menschen streng gehütet, verborgen und gepflegt, eine Seele besaßen, die von dickem Eis umrahmt war, war es Zeit, dass die Wunder geschahen, die Hyrulia schon lange vergessen hatte. Und in der Höhle, ebenso behütet, tief unter der Erdoberfläche, wo einäugige Wesen melancholische Melodien erschufen, gespielt von gläsernen Instrumenten, auch dort war das große Wunder gekommen. Selbst am Hafen, wo plötzlich kräftige, stürmische Wogen des Meeres an das Ufer prallten, schien eine Kraft entfesselt, die als das große Wunder Hyrulias in die Geschichte eingehen würde. Auch auf den weiten Wiesen, wo einst Gräser atmeten, wo einst Blumen in jeder Pracht blühen konnten, würde der Wind das Alte hinfort wehen… Die Krieger, welche auf der Brücke am See ohne Wiederkehr postiert waren, die Menschen an Land, in den Städten und Dörfern, sie alle sahen auf, blickten in den Himmel, als sich die Sonne hinter einem vergehenden, grauen Wolkenfetzen wieder zeigte. Es war als würde das erste Mal seit Ewigkeiten die Sonne in dieser Welt aufgehen, als hätten die Menschen vergessen, wie warm und wohltuend ihre Strahlen sein konnten. Und sie strahlte, sie strahlte brennend… Auf den weiten Wiesen, schneebedeckt und karg, funkelte die Schneedecke, während sich der Schnee in sein anderes Gesicht, in klares, reines Wasser, wandelte… Navis Augen schlossen sich, als die befreite Fee sie umarmte. „Ich weiß nicht, was mit dir passiert ist“, sprach die, die sich zu erkennen geben wollte. „Mein Name ist zwar nicht Navi, aber Navaeli…“, meinte sie. Bedauernd blickte sie das Kind an. „Du warst einmal wie ich, ich meine, von Gestalt und Zauber her.“ Navi nickte nur und blickte scheu an der Fee vorbei. „Wo ist dein Zauber hin verschwunden?“ „Das ist eine lange Geschichte…“, meinte sie. „Und ich komme nicht von dieser Welt. Es ist möglich, dass wir einander in verschiedenen Welten entsprechen.“ „Gut möglich… weißt du was? Ich habe eine Idee.“ Und die giftgrünen Augen der Erwachsenen funkelten. Und die Fee zupfte sich eine blauschimmernde Feder aus ihrem Flügelgewand. „Du weißt, was du damit tun kannst?“, meinte sie. Navi nickte und lächelte ein wenig. „Es soll mein Geschenk an dich sein… denn, wenn du aus einer anderen Welt stammst, ist es sicherlich deine Aufgabe weiterzuziehen.“ „Ja, aber jetzt sollten wir den anderen folgen, ich werde dir die Dinge erklären.“ Damit eilten die beiden ebenso den Tunnel entlang. Sie bewegten sich rasch in das hohe, riesige Gewölbe, welches nach dem Tunnel zum Vorschein kam. Einige Krieger waren am Ende des Tunnels postiert und hielten Wache. Sie nickten, als die beiden Feengestalten an ihnen vorbeihetzten. Die Beiden erkundeten dann vorsichtig das unterirdische Reich, waren beide weiterhin mehr fasziniert als beängstigt. Es war ein riesiger Raum hier im Untergrund, wo mächtige Säulen in die Höhe ragten. Abbildungen der Göttinnen, als sie das einstige Hyrule erschufen, waren hier in das Gestein gemeißelt. Und sichtbar funkelnd durch eingefasstes buntes Glas, aber umschlungen von Schatten, war hier ein Weg. Hinter jenem Weg lag die Gewissheit, was mit Tetra geschehen war. Rasch hetzten die beiden jungen Damen hinter eine breite Säule und sahen nur wenige Meter weiter einige Krieger. Klein-Link und auch der heldenhafte Anführer des Heeres versteckten sich im Schatten jeweils einer Säule. Sie schlichen herum, verbargen ihre Antlitze dann erneut hinter einer Säule und kamen allmählich einem Flüstern näher. Mehrere Stimmen sprachen monoton, schienen verbotenen Stoff aus entweihten Büchern vorzulesen. Es war entsetzlich… Niemand verstand die leisen Worte, aber allein ihr dunkler Klang hetzte den Kriegern Gänsehäute über ihre Rücken. Und während viele der Krieger begannen zu zittern, spürten, dass nun der Moment gekommen war, in welchem sie ihr Leben lassen könnten, so wuchs in den Adern des Helden, dem Gebieter über das heiligste Schwert der Welt, Aufregung und der Drang zu töten. Er fühlte Wut in sich aufsteigen, roch die Gefahr, und irgendwo in seinem Herzen stachelte ihn die Zuneigung für Tetra an, sich zu beeilen. Etwas stimmte nicht… und es machte ihn rasend. Die Kämpfer schritten dem Unheil näher. Das monotone Gefasel der Wächter wurde lauter. Und zwischen dem Gefasel, zwischen den unseligen Worten über Tod und Wiedergeburt von namenslosen Kreaturen, erklang ein Seufzen, ein Ächzen und Schluchzen, welches jedem guten Kämpfer den Mut aus den Adern riss. Es klang so schmerzverzerrt, so einsam, so wehleidig, als würde die letzte Seele einer Welt über Einsamkeit und Verluste weinen. Link war dabei jede Geduld zu verlieren. Sein Triforcefragment des Mutes glomm auf und sein letzter Geduldsfaden riss. Mit dem Schwert in der Hand rannte er zu, direkt den funkelnden Weg entlang und stand plötzlich vor einem leichten Abgrund. Die Säulen endeten hier. Ein breiter Riss befand sich hier zwischen verschiedenen Stockwerken, und etwa ein Stockwerk tiefer, hell erleuchtet von magischen Fackeln an allen Seitenwänden, befanden sich jene Wächter und lasen mit zum Beten gerichteten Händen aus einem Buch hervor. Es waren sieben Wächter, allesamt besaßen sie verhutzelte Gestalten. Lange, dünne Finger ruhten auf ihren Büchern. Dunkle Augen blickten argwöhnisch umher. Und auf einer gläsernen, runden Platte, heilig und schön, lag Tetra… Ihr platinblondes Haar war offen und fiel zerstreut über jene Platte. Es war seidig und glitzerte… Ihr Körper war umhüllt von einem lila Kleid mit weitem Rockteil. Der samtene Stoff fiel an den Seiten jener Glasplatte hinab. Silbern schimmernde Fesseln wanden sich um ihre Hand- und Fußgelenke. Und ihre Augen… ein reines Blau voller Sehnsüchte und Macht… war getrübt von kristallenen Tränen, die ihre Wangen hinab liefen. Link musste kein Hellseher sein, um zu sehen, dass sie litt. Augenblicklich suchte er nach einem Weg nach unten. Aber nirgendwo an diesem höllischen Ort befanden sich Treppenstufen, die ihn zu ihr führen würden. Er trat noch etwas näher, als sich Tetras hübsches Gesicht zu seinem drehte. In ihren Augen stand keine Überraschung ihn zu sehen. Lethargie und Traurigkeit waren darin verankert. Sie schloss ihre Augen und schüttelte leicht den Kopf. Verwirrt schrak der Heroe einen Meter zurück. ,Sie wollte seine Hilfe nicht?‘ Ihr Blick war ein eindeutiger Hinweis. Er taumelte und lehnte sich an die letzte Säule hier oben, bevor der Abgrund kam. ,So war das also…‘, dachte er. Er hatte mit seiner Haltung die letzten Wochen, nein Monate, mehr kaputt gemacht, als er gedacht hatte. Tetra litt, und alles, was sie ihn mit ihrer Gestik sagte, war, dass er ihr nicht beistehen sollte? Was dachte sie sich? Dachte sie wirklich, er wäre so herzlos, dass er sie ihrem Schicksal überlassen würde? Gerade da erreichten weitere Krieger, Klein- Link und Navi das Geschehen. „Was tun wir jetzt?“, flüsterte Navi, der nicht entgangen war, dass Tetra Qualen erlitt, auch wenn keiner der Anwesenden so recht verstand, was vor sich ging. „Ich weiß es nicht…“, murmelte Link und ließ das Masterschwert aus seiner Hand fallen. Er war so entmutigt. Alles, wofür er jetzt kämpfen wollte, war Tetra. Es wunderte ihn zwar nicht, dass sie ihn nun mit so gemischten Gefühlen ansah, aber dass sie nicht einmal seine Hilfe wollte, obwohl sie unter Schmerzen stand, das setzte ihm sehr zu. „Was ist mit dir?“, meinte Klein- Link, stemmte seine Hände in die Hüfte und schaute dann zu dem legendären Masterschwert. Ohne Leuchtkraft lag es da auf dem kalten Boden. Sachte berührte er mit den Fingerspitzen jene heilige Waffe, bis er den ledernen Griff umfasste und es dem Heroen reichte. „Tetra möchte meine Hilfe nicht…“, sprach der Erwachsene leise. „Und ich kann es ihr nicht einmal verübeln…“ Verwundert blickte Klein- Link zu der Prinzessin des Schicksals. Gefangen in den Händen der Wächter würde sie jeden Lebenshauch verlieren. „Aber sie stirbt, wenn du nicht etwas tust!“, sagte er lauter, worauf einer der Wächter schon seine Augen nach oben richtete. Schnell senkten alle Anwesenden die Köpfe. „Das kannst du nicht zulassen… du bist ihr Beschützer…“, meinte Klein- Link weiterhin. „Hast du vergessen, was in dir schlummert? Du kannst diese Wächter zum Teufel jagen.“ „Das weiß ich!“, sprach Link klar und deutlich. „Nur wünscht Tetra meine Hilfe nicht. Was denkt Ihr, warum sie sich in diese Situation gebracht hat? Doch nur, um mir zu zeigen, dass sie das alles auch ohne mich schafft.“ In dem Augenblick hatte der Heroe eine wutgeladene, rechte Kinderfaust in seinem Gesicht. Navi konnte dieses Gejammer nicht mehr ertragen und pfefferte dem Helden einen Faustschlag, der es in sich hatte. „Du bist eine Schande, Held des Windes“, brüllte sie und hielt sich dann ihre schmerzende Hand. „So einen Feigling wie dich hab ich im Leben noch nicht gesehen!“, schrie sie. „Denkst du, Tetra hat das getan um dir eins auszuwischen? Sie ist sicherlich taff und stark, aber sie ist schließlich auch ein Mensch. Sie ist verletzt! Sie liebt dich, aber sie ist enttäuscht von dir… so sehr, dass sie deine Hilfe nicht erträgt.“ Mit aufgerissenen Augen kniete der Held vor der einstigen Fee und blickte jene verwundert an. Es war nicht nur ihre Faust in seinem Gesicht, die ihn aufgeschreckt hatte, sondern das, was sie sagte… Tetra liebte ihn… Kopfschüttelnd trat er auf seine Beine, kramte den Enterhaken aus einer Tasche und nickte den Beteiligten zu. „Okay… dann lasst uns tun, was getan werden muss.“ ,Auch, wenn mich Tetra dafür köpfen wird‘, dachte er still. Sie mochte es nie, wenn er nicht nach ihren Anweisungen handelte. Diesmal jedoch, musste er eine Ausnahme machen, das war richtig. Die Wächter hielten in dem Augenblick starr und bettelnd ihre Hände in die Höhe, summten, lachten. Und endlich wurden ihre Worte klar. „Du Weib, welches das Blut das Schicksals in sich trägt. Du Gefallene, die nun uns sieben, wo wir einst eins waren, erwecken und befreien soll. Du unbefleckte Geburt des edlen Königshauses, befreie uns. Du Jungfrau, gib uns deine Macht!“ Ihre schiefen, kratzigen Stimmen ertönten und zerrissen die dünne Luft in diesen Höhlen. Ihre Worte ließen die alten Wände in jenem Untergrund erschüttern. Und aus den langen dünnen Fingerspitzen der Kreaturen wuchs dunkler Rauch. Eine entweihte Seele hob sich aus jenen sieben Wächtern empor, setzte sich allmählich zusammen, wurde eins und sammelte sich über dem wehrlosen Körper der letzten Prinzessin Hyrules… Sie schlug inzwischen um sich, riss an den Fesseln. Kleine Schreie blieben in ihrer Kehle stecken, stattdessen spuckte sie Blut. Die dunkle Seele, welche jene Wächter befreien wollten, sank nieder, suchte die Macht in jenem Körper der Prinzessin. Doch als sich die Seele des Urbösen in ihr manifestieren wollte, zersprang sie plötzlich mit einem lauten Knall. „Was ist geschehen!“, giftete Eridés und warf das Buch in seinen Händen zu Boden. „Was habt Ihr getan!“ Er schimpfte und war außer sich. Seine langen groben Finger legten sich um Tetras Hals um sie zu erwürgen. Sie grinste, während Blut von ihrem Mundwinkel rann. „Der Plan von Euch sieben wieder eins zu sein, wird nicht aufgehen. Aber dafür ist nun diese Welt geheilt.“ Sie hustete. „Tut mir leid Euch zu enttäuschen, aber ich bin keine Jungfrau mehr.“ Und fortwährend grinste sie, sie grinste rebellisch. Das also war ihre Absicht gewesen. Tetra hatte jene Wächter nicht nur durchschaut, sie wusste auch, was sie für diese Welt tun konnte, und dass diese Wächter letztlich ihre Ziele nicht erreichen konnten. „Ihr seid keine Jungfrau!“, schimpfte Eridés und schlug ihr mit der blanken Faust ins Gesicht. „Ihr seid ein dummes Weibsbild, aber keine Prinzessin!“ Gerade da stieß ein kraftvoller Pfeil Eridés in die rechte Schulter und der Wächter ließ von Tetra ab. Alle Augen der bösen Kreaturen richteten sich nach oben, sahen dort einen Helden im grünen Gewand stehen und hinter ihm viele Verbündete. In einer Hand hielt er inzwischen ein zum Töten bereites Masterschwert, dessen heiliger, weißer Glanz sich auf den sieben niederträchtigen Wesen verlor, die inzwischen kreischten. In der anderen Hand hielt der Held die Kette seines Enterhakens, den er zuvor in einem unbeobachteten Moment verschossen hatte. „Ja, sie ist keine Jungfrau mehr, ich war dabei, ich muss es wissen!“, rief der Kämpfer, worauf mancher Verbündeter und auch Tetra nur die Augen rollen konnte. Das war etwas, was niemand so genau wissen wollte. Aber für den Helden des Windes war es ein gefundenes Fressen sich auf diese Weise emporzuheben und wichtig zu machen. Elegant schwang sich der Heroe mitsamt seinem Schwert in der linken Hand nieder, zerstörte alle Fesseln, die Tetra banden mithilfe magischer Strahlen, die der Macht des Schwertes innewohnten. Schneller als die Wächter und Tetra realisieren konnten, packte er die verletzte Schönheit und schwang sich, ohne den Enterhaken loszulassen mit ihr zurück in Richtung des oberen Stockwerkes. Tetra blickte ihn während des Gleitens durch die Lüfte müde an. „Auch… wenn du diesmal nicht nach meinem Willen gehandelt hast, so bin ich echt froh…“, sagte sie leise und schloss dann vor Erschöpfung ihre Augen. „Ich auch…“, meinte er bloß, und kam beunruhigt auf dem Vorsprung an. Tetra wirkte das allererste Mal zerbrechlich auf ihn. Er wusste mit diesem Gefühl überhaupt nicht umzugehen. Sie war sonst immer so stark und ließ sich von nichts umhauen. Und nun war sie am Rande der Bewusstlosigkeit und hatte für eine ihr fremde Welt ihren Hals riskiert. War sie schon immer so selbstlos, fragte er sich. Navaeli, Navi und Klein- Link nahmen Tetra dann in ihre Obhut. Die erwachsene Fee trug die einstige Prinzessin mit Leichtigkeit auf ihren Armen. „Ich möchte, dass ihr drei zusammen mit Tetra hier verschwindet. Ich schätze…“ Und sein Blick fiel auf jene Wächter, die mit giftenden Blicken in die Richtung der Krieger stierten. „.. hier gibt es noch eine Schlacht zu schlagen. Ehe diese Wächter nicht bezwungen sind, können die Hyrulianer nicht ruhig schlafen.“ Dann fiel sein Blick auf Tetra. „Passt auf sie auf, ja…“, sagte er leise, fast so, als hätte er es gar nicht gesagt. Damit waren die Drei mit der Prinzessin auf dem Weg zurück an die Oberfläche. Und jetzt begann der Kampf, der über das Schicksal Hyrulias entscheiden sollte. Wie Furien zischten die Wächter umher, hoben mit ihren scheinbar gebrechlichen Gliedern vom Boden ab. Von ihren dürren langen Armen spaltete sich jeweils ein gläserner Stab ab, den sie schwangen. Sie erreichten zankend das höhere Stockwerk, stießen wie tollwütige Tiere ihre Stäbe gegen die Streiter des Guten. Endlich brannte die Schlacht. Jeder Schweißtropfen, den die Krieger des Guten hier verloren, war der Hoffnung auf Veränderung, Frieden und Gerechtigkeit wert. Aphidel und seine anderen einäugigen Begleiter fochten die Schlacht ihres Lebens. Sechs Wächter stellten sich ihnen in den Weg, wussten ihre Zauberstäbe gut einzusetzen, und ihr Alter, die Gebrechlichkeit, die nach außen wirkte, war in ihren Schlägen nicht spürbar. Mit einer schier übermenschlichen Kraft raubten sie den Kriegern die Standfestigkeit und verlangten ihnen alles ab, was sie in jahrelanger Fechtkunst gelernt hatten. Der Held des Windes hatte ebenso seinen Gegner gefunden. Schmierig grinsend stand der alte Eridés vor ihm und ließ seinen gläsernen Stab in der rechten Hand kreisen. Link war davon unbeeindruckt und hob das leuchtende Masterschwert in die Höhe. „So bin ich denn dein Gegner, Held!“ Es war die Art und Weise, wie verachtend der Alte das Wort Held ausspuckte, was Link fast vertraut erschien. „Und ich der deine!“, rief Link. Zielsicher sauste er mit dem Schwert in der Linken und dem Schild in der Rechten auf seinen Feind zu, setzte seine Gewandtheit, Kühnheit und Ausdauer in deftige Schläge um, die stets das Ziel nicht verfehlten. Und doch wusste Eridés immer zu parieren, grinste, immer dann, wenn das legendäre Schwert auf das robuste Glas jenes Kampfinstrumentes stieß. Sie schwangen ihre Waffen mit Geschwindigkeit, mit Stärke, bis Link endlich den Glasstab unter seinem Schwert vergrub. „Ihr seid eben doch ein alter Mann“, sprach Link finster und wollte gerade einen weiteren Treffer setzen. Plötzlich aber brach eine violett schillernde Kugel aus jenem Glasstab, traf den überraschten Helden direkt in der Magengegend und schleuderte ihn meterweit an eine massive Säule. Mit einem überraschten Grinsen rappelte er sich auf und wischte sich das Blut von seiner aufgeplatzten Lippe. „Mag sein, dass ich alt bin, dennoch bin auch ich ein Krieger gewesen, der außer dem Tod, die wahre Natur der Kraft kennt!“, sprach der Alte und winkte dem Heroen zu. Dieser ließ sich sofort provozieren und sauste erneut mit dem Masterschwert auf Eridés zu. Die Waffen prallten mit höllischer Kraft gegeneinander. Funken stoben und heftige Kampfschreie ertönten. Auch Aphidel und seine Mitstreiter wirbelten mit ihren Fechtkünsten umher, griffen manchen Wächter zu dritt an, und doch besaßen jene Kreaturen eine Kraft, die alle drei Angreifer wie von Zauberhand zurückschleuderte. Während sie alle kämpften, fiel so manche Säule um. Manche heftige Attacke hinterließ Löcher in den Wänden. Der Untergrund wurde gefährlich. Nicht nur das Wasser war nun in der Lage hier einzudringen… Währenddessen trug Navaeli die schlafende Tetra an die Oberfläche. Klein- Link und Navi folgten nachdenklich. Jetzt waren sie schon so lange hier, und hatten für den großen Kampf gegen Ganondorf auf der Erde noch gar nichts erreicht. „Navi?“, meinte der Junge dann. „Mir ist vor einigen Stunden was Blödes passiert.“ Er kratzte sich an der Stirn und versuchte das Ereignis von vorhin, als er blass geworden war irgendwie auszudrücken, aber so recht wollte ihm das nicht über die Lippen gleiten.“ „Was genau?“, wollte sie wissen. „Nun ja, es ist so“, fing er an. „Ich war auf dem Marktplatz und wollte mit einigen Leuten sprechen. Und dann habe ich mir die Mütze runter gerissen und bin dort drauf herum getrampelt.“ Navi blieb dann stehen und funkelte ihn bitterböse an. „Und um mir das zu sagen, machst du so einen Aufriss?“ „Äh, nein, nein… so meinte ich das nicht. Ich saß dann auf einer Treppenstufe und habe überhaupt nichts von der Kälte gespürt.“ Und immer noch konnte Navi damit nichts anfangen. Hätte das Götterkind gegrummeltes goronisch, im besten Dialekt mit all seinen Eigenheiten gesprochen, würde sie vielleicht mehr verstehen. „Du bist Hopfen und Malz verloren“, schnauzte sie und lief dann zufrieden neben Navaeli weiter. Das Götterkind aber seufzte und blickte zu Boden. Im Hintergrund erschallten die Nachklänge der Kampfschreie und ließen das alte Gestein hier unten erschüttern. Eine große Pfütze war direkt vor Klein-Links rechten Fuß. Und von oben tropfte stetig etwas Wasser. Er seufzte wiederrum und blickte dann eher rasch, und unbedacht noch einmal in jene Pfütze, wo sich die Decke jenes Tunnels spiegelte. Massives Gestein, dunkel und schwarz. Und direkt über ihm funkelten zwei rote Steine wie Augen. Verwundert drehte er dann seinen Kopf nach oben, und machte dort etwas aus. Zuerst wollte er es nicht so recht erkennen. Es erschien ihm belanglos. Doch dann bewegten sich jene zwei roten Steine und von dem massiven Gestein hob sich etwas ab, was schlürfend und zischend an der bröckelnden Decke entlang kroch. Klein-Links Herzschlag schnellte hinauf. Zitternd fasste er an den Griff seines Dolches, den er irgendwann vielleicht von seinem Vater geschenkt bekommen könnte. „Navi…“, stotterte er, worauf die einstige Fee zusammen mit Navaeli verwundert stehen blieb, und ihn, wie so oft, argwöhnisch beäugte. „Hast du was gesagt?“ „Wir… wir…“ Und mit einem Mal rannte das Götterkind an ihnen vorbei in Richtung Ausgang. „An der Decke kleben irgendwelche Kreaturen!“, rief er. Auch die beiden Feen blickten nach oben, sahen dort mehr als nur ein menschlich aussehendes, nacktes Wesen mit brauner Haut und rotleuchtenden Augen. Sie krabbelten auf allen vieren an der Decke entlang. Als sich ihre Münder öffneten, um zischende Laute auszustoßen, stachen spitze Zähne und lange Zungen aus den Mäulern hervor. „Das sind die vergessenen Moorwesen! Lauft!“, schrie Navaeli, die mit Tetra vom Boden abhob und mit hoher Geschwindigkeit vorwärtsflog. Auf der Suche nach Rache für ihre grausamen Morde würden jene jedes menschliche Fleisch mit ihren Krallen zerreißen. Navi und Klein- Link rannten so schnell ihre Beine sie tragen konnten und stießen Schreckenslaute aus. Die Horde an mordlustigen Kreaturen folgte ihnen auf Schritt und Tritt. Sie waren so schnell auf ihren vier Beinen, so rasch bewegten sie sich über den glitschigen Boden, als würde ihnen dies den Weg ebnen. In der Schwärze leuchteten dann die Armbänder einiger Krieger des Heeres, die mit schnellen Schritten angerannt kamen. Sie musste jene Schreie gehört haben. Zwischen Navi und Klein-Link hetzten jene gewandten Kämpfer mit gezogenen Schwertern hindurch und schlachteten das rachsüchtige Leben ab. Zischende Laute. Schreie des Heeres. Klirrende Klingen. All dies erfüllte den Untergrund von Hyrulia. Klein- Link blieb ungeduldig stehen, während Navi weitersauste. Die Oberfläche war nicht mehr allzu weit. Inzwischen waren sie in den langen Schacht mit den vielen Treppen angelangt. Und er fragte sich, ob er nicht ein noch größerer Feigling war als der Held des Windes vorhin. Er steckte in einem elf Jahre alten Körper, war so alt wie der Held der Zeit, der einst in jenen jungen Jahren begonnen hatte, das kämpfen zu lernen. Sollte er sich diesen Biestern nicht stellen? Musste er weglaufen wie ein dummes Stück Vieh vor einem Wolf? War es nicht seine Pflicht zu kämpfen? Zaghaft schaute er den Dolch an, den er seit er denken konnte, bei sich trug. Er sprang in seinen Gedanken hin und her zwischen einem erworbenen Angstgefühl… und der Wahrheit in seiner Seele. Er wurde für den Kampf geschaffen. Er hatte sogar schon Ganondorf besucht. Er würde ganz sicher in der Lage sein, wenigstens eines dieser Missgestalten in die Hölle zu schicken. Er drehte um und achtete nicht auf Navis entgeisterten Gesichtsausdruck. Seine kindliche Waffe gezückt rannte er zurück und hörte die Schreie des Heeres wieder näherkommen. Das Götterkind würde sich erst dann in seiner Haut wohl fühlen, wenn er zumindest eines dieser Wesen vernichtet hatte. Ja, er hatte noch nie etwas getötet… Es würde ein schreckliches Gefühl werden, aber verlangten die Götter und sein Schicksal das nicht von ihm? In der Finsternis erkannte er die lilaschillernden Armbänder, sah jene sich heftig bewegen, so wie die Krieger, die erbarmungslos kämpfen mussten. In dem Augenblick nahm ihm eine flinke, lange Zunge mit einem Schlag den Boden unter den Füßen. Klein- Link krachte schmerzhaft nieder. Sein Dolch fiel ihm aus der Hand und landete irgendwo klirrend in der Dunkelheit. Spärlich diente sein Armband als Lichtquelle. Aber der schwache Schein gab soviel preis, dass er wusste, eines der Moorwesen lauerte hier. Und das Wesen, welches sich ihm in den Weg stellte, zischte, raschelte und sprang mit einem schnellen Satz näher. Gewandt kroch es über den glitschigen, kalten Boden, schlug mit seiner schleimigen Zunge um sich. Es war so schnell, dass Klein- Link nicht wusste, wie er es nur ansatzweise bekämpfen sollte. Er hetzte umher, blickte suchend über den Boden. Wo nur war sein Dolch? Der Angstschweiß tropfte ihm von der Stirn, seine Knie zitterten. Und noch immer hatte er seine einzige Waffe nicht entdeckt. Die Bestie sauste ihm hinterher, streifte mit der schleimigen Zunge knapp sein linkes Schienbein und erneut fiel das Götterkind auf den steinharten Boden. Er hatte Angst, ja… nun wusste er, was Angst war. Hatte er als kleines Kind überhaupt eine Chance gegen so eine Bestie, die sich in der Dunkelheit sicher bewegen konnte, die sich die Nacht zunutze machte? Der Schock saß ihm in den Gliedern, als die Bestie plötzlich vor ihm hockte. Rotgemusterte Augen blickten ihn durchdringend an. Eine krokodilartige Schnauze öffnete sich und gab gelbe, spitze Zähne preis. Mit einem Satz schnappte es nach ihm, biss ihm einige blonde Haarspitzen ab. Geradeso hatte das Götterkind zurückweichen können. Er wollte weiter zurückkriechen, spürte aber dann eine der Seitenwände des Tunnels in seinem Rücken. Und die rotfunkelnden Augen des Moorwesens kamen näher. Es zischte, öffnete erneut sein nach Äther riechendes Maul, bereit dem Götterkind diesmal mehr als nur ein paar Haarspitzen abzubeißen. Klein- Links Hände griffen suchend in den Erdboden neben ihm. Paralysiert saß er einfach da und bewegte sich nicht weiter vorwärts. Nur seine Hände griffen in den kalten Matsch, suchend nach einer letzten Verteidigungsmöglichkeit. Er schloss die Augen, bereit einen Schmerz zu spüren, den er noch nie erfahren hatte. Seine Hände ergriffen etwas. In dem Augenblick wirbelte er den Gegenstand herum, stieß diesen, noch ehe er registrierte, dass es sein Dolch war, kreischend hinein in das stinkende Maul der Bestie vor ihm. Zappelnd schreckte das Ungetüm zurück, ächzte und brüllte, schlug um sich, bis es leblos am Boden liegen blieb. Klein- Link nahm einen tiefen Atemzug, schien nun endgültig zu Boden zu sinken und umarmte seine Knie. Er hatte es geschafft. Er hatte eine Bestie umgebracht… nur… Er war nicht so stolz darauf, getötet zu haben, wie er es erwartet hatte. Es war ein unwürdiges Leben, welches jene Kreatur fristen musste. Aber hatte sie deswegen den Tod verdient? Zweifel überkamen ihn. War das sein Schicksal? Ja, er wollte irgendwann so heldenhaft wie Link werden. Er wollte seinen Mut beweisen. Aber es widerte ihn plötzlich an, dafür jemals wieder einen Dolch oder sogar ein Schwert in die Hand zu nehmen. Er wollte das nicht. Er schüttelte den Kopf, rappelte sich auf, und ließ den Dolch einfach mitsamt der sterbenden Bestie liegen. Er rannte auf seinen zittrigen Knien vorwärts, kniff seine Augen zusammen. Und rannte. Nichts wie weg… Die Schlacht im Untergrund war indes an ihrem Wendepunkt angekommen. Aphidel und seine Streiter hatten die Übermacht, einige Wächter getötet und andere lagen bewusstlos am Boden. Drei jener Wächter waren angekettet und sollten vor dem Gericht Hyrulias eine gerechte Strafe verdienen. Nur Link und der Anführer der Wächter schlugen weiterhin wie wahnsinnig mit ihren Schwertern aufeinander ein. Ihre schnellen Bewegungen, ausgefuchsten Schläge, selbst die Magie, mit derer die beiden arbeiteten, war hypnotisierend und genial. Während des Kampfes wurden so viele Säulen hier unten zerstört, sodass dieser Untergrund nicht mehr lange bestehen konnte. An vielen Wänden bröselte das braune Gestein, mit dem der Untergrund erschaffen wurde. Erneut knallte eine Säule mit einem ohrenbetäubenden Krach zu Boden, sprengte den Boden etwas entzwei und Wasser drang langsam in jene Höhlen ein. Link wich gerade zurück, lehnte sich erschöpft an eine Seitenwand und verschnaufte kurz. Eridés stand lauthals lachend gegenüber, triumphierte markerschütternd und grinste teuflisch. Für einen Moment zogen sich die vielen Falten in seinem Gesicht zurück, gaben ein starkes Männergesicht preis. Seine in dunkle Augenhöhlen versunkenen Glaskörper erhoben sich und Augen mit goldener Farbe blickten den Helden eindringlich, gefahrvoll und verachtend an. Weißes Haar wurde feuerrot… „Denkst du, ich habe nicht gemerkt, dass du einer der wiedergeborenen Helden bist?“, rief sein teuflisches Gegenüber und wuchs um die Hälfte an. Sein Körper war nun tatsächlich nicht mehr der eines Greises. „Erkennst du deinen Erzfeind endlich!“, fauchte die Kreatur und schickte dem Heroen eine Kugel mit blanker schwarzer Magie entgegen, die er vor Schreck nicht zurückschleudern konnte. In letzer Sekunde wich er dem Geschoss aus, spürte noch eine gnadenlose Hitze und Wucht jener Kugel, die an seinen schulterlangen Haaren vorbeischrammte. Der Held des Windes konnte es nicht glauben… und die Dinge, wie sie jetzt waren, ließen sich einfach nicht begreifen… Warum hatte ihn Daphnos, wo er ihn vor wenigen Stunden getroffen hatte, nicht vorgewarnt? Warum musste selbst ein abgespaltenes Hyrule wie dieses seinen Teufel haben? „Es ist immer… immer das gleiche irrwitzige Spiel um die Macht, Held!“, rief Eridés, der seinen wahren Namen nicht aussprach. Erneut schickte er eine zerstörerische Energieansammlung in des Helden Richtung. Und diesmal schleuderte Link es geschickt und mit großer Stärke zurück. Eridés lachte, nahm jene Energie in seine rechte Hand auf, und endlich versank die Kreatur wieder in das Wesen eines alten Mannes. „Link!“, rief Aphidel. „Beeil dich, diese Höhlen werden einstürzen!“ Der Heroe nickte, ließ aber sein Gegenüber nicht aus den Augen. Er sah etwas gefahrvoll blitzen in jenen dunklen Augenhöhlen, wusste, dass dieser Feind seinen letzten Trumpf noch nicht ausgespielt hatte. „Geht!“, brüllte der Held des Windes. „Geht, Aphidel!“ Die Einäugigen nickten lediglich, packten die bewusstlosen drei Wächter, um jene von gerechten Händen richten zu lassen, und verschwanden in der Finsternis. „Nun zu uns!“, sprach Link unter den erschütternden Schlägen, die umfallende Säulen und herabfallende Gesteinsbrocken erschufen. Sein wildes, dunkelblondes Haar war inzwischen mit feinem Staub bedeckt, sein Gesicht etwas dreckig. Und getrocknetes Blut hing störend an seinen Mundwinkeln. „Ich weiß nicht, wie du es geschafft hast selbst in dieser Welt zu existieren, Teufel!“, rief der Heroe und spuckte etwas Dreck und Staub mitsamt der Spucke aus seinem Mund. Als Antwort ließ der Alte eine weitere zischende Energiekugel auf den Schwertkämpfer zuwandern. Aber auch diese schlug er behände zurück. „Unkraut vergeht vermutlich nicht“, murrte Link und hob eine Augenbraue. Daraufhin lachte Eridés: „Das könnte ich auch zu dir sagen, Held!“ Mit einem Kampfschrei, der tief seiner Kehle entsprang, stürmte Link erneut auf seinen Erzfeind nieder. Die Waffen prallten mit gnadenloser Zerstörungskraft aufeinander, während Wasser in dieses unterirdische Reich einströmte, Säulen umfielen und Gesteinsbrocken niederregneten. „Auch wenn du mein Erzfeind bist… du hast an Kraft verloren, Teufel!“, fauchte Link, schwang das Schwert immer gnadenloser und schneller. Er ließ jenes mit einer Kraft niederkrachen, die Eridés in dem Augenblick zurückschleuderte. Der gläserne Kampfstab brach entzwei und eine große Platzwunde ließ dickes, schwarzes Blut über das faltenreiche Gesicht des Alten wandern. Dennoch grinste jene dämonische Kreatur und begann zu lachen. Wild geworden warf er einen nach dem anderen Energieball nach Link, der jene sicher abzuwenden wusste. Einige schleuderte der gewandte Kämpfer direkt zurück zu Eridés, dessen Leib jene tödlichen Kugeln mit heftigen, zuckenden Bewegungen aufnahm. Dennoch lachte der Alte, bis er auf seine dürren Knie stürzte. „Du bist schwach“, sprach Link furchtlos und trat mit dem gezückten, scharfen Masterschwert näher. „Dumm und wertlos.“ Inzwischen wurde der Untergrund unpassierbar. Größere Wassermassen drangen durch alle möglichen Risse und Löcher im Gestein ein, begannen den Innenraum zu fluten. Der Krieger stand bereits mit seinen Stiefeln in dunklem, öligem Wasser und es stieg stetig. „Ich schätze, du bist nur ein Siebtel deines wahren Gesichts, Teufel“, sagte der Held leise. Seine Stimme war ruhig, aber in seinen blauen Augen stand Hitze und Zorn, Anspannung und Verachtung. Eridés lachte weiterhin grunzend: „Irgendwann, Held, gehen auch in diesem Hyrule die Lichter aus. Hyrule… ist kein Land, das die Ewigkeit vor sich hat. Ich werde zurückkehren. Und auch dieses Hyrule wird enden…“ „Genug geschwätzt, Bestie!“, fauchte Link. Gnadenlos richtete er das Schwert in die Höhe. Er wusste, was es zu tun galt. Der Streiter des Guten wusste es, seit er das Böse das erste Mal gefochten und bezwungen hatte. Nur aus diesem Grund trainierte er. Nur aus diesem Grund existierte er… „Dies ist für die Menschen Hyrulias“, sprach der Held, setzte das Schwert tiefer. Und in dem Augenblick, wo er den Göttern im Tod eine neue Seele schickte, war es fast so, als kam mit diesem Kampfende eine Welle Heilsam über ihn. Er empfand Ruhe. Inneren Frieden. „Und es… ist für Zelda… meine Prinzessin“, sprach der Held des Windes und schlug der Kreatur zielsicher und erbarmungslos den Kopf von den Schultern. Es war vorbei. Der Anführer der Wächter hatte sein Ende gefunden. Nun galt es nur noch sicher und lebend hier herauszufinden. Mit diesem Gedanken hetzte der Held in Richtung Ausgang. Kapitel 131: „Ein neues Land… aber es wird nicht Hyrule sein...“ Teil 5 ----------------------------------------------------------------------- sooo, damit ist der windwakerteil endlich abgeschlossen. Vielen Dank an die Leute, die die Fanfic immer noch verfolgen. lg Line _________________________________________________ Im magischen Land Hyrulia war das große Wunder geschehen. Hunderte Menschen liefen mit Fackeln in ihren Händen über die weiten Wiesen. Mit Tränen in den Augen erfreuten sie sich an Freiheit, an dem blühenden Leben in ihrer Welt. Der Fluch war gebrochen. Der Schnee und das Eis geschmolzen. Dutzende Hyrulianer tauchten im Meer an der Küste auf, waren vor einigen Minuten erwacht aus ihrem starren Schlummer und schwammen träge, nicht wissend, was geschehen war, an Land. Und nicht nur dort, überall, wo Wesen dem Fluch des Eises verfallen waren, zersplitterte das Eis und die, die wieder atmen durften, wurden von ihren Liebsten sogleich in die Arme geschlossen. Es war angenehm warm in Hyrulia. Die Sonne strahlte herrlich… Am See ohne Wiederkehr zogen gerade die letzten Krieger ab. Die Insel mit dem gläsernen Haus war untergegangen. Der Held des Windes befand sich mit seiner Prinzessin und seinen Mitstreitern inzwischen im Schloss Hyrulias, wo die Menschen sie herzlich empfingen. Auch Navi und Klein- Link ging es gut. Sie befanden sich ebenfalls im Schloss, erfreuten sich zusammen mit den wiederaufgetauten Piraten an einer Tafel, aßen genüsslich hyrulianische Gerichte, lachten und erzählten viel. Die Menschen wollten diese Tage feiern, und so sollte morgen zu Ehren der Prinzessin, die diese Welt erlöst hatte, ein großes Fest stattfinden. Nur bisher war Tetra nicht erwacht. Sie schlief in einem großen Schlafzimmer, welches für besondere Gäste im Schloss eingerichtet war. Zwei Heilerinnen saßen zusammen mit dem Held des Windes an ihrem Bett. „Wann wird sie endlich aufwachen?“, meinte Link ungeduldig. Sie schlief jetzt seit acht Stunden und normalweise, selbst wenn Tetra erschöpft war, hatte sie keinen langen Schlaf. „Das kann man nicht so genau sagen…“, sprach einer der Heilerinnen. „Sie atmet nur schwach… ihr Herzschlag ist sehr langsam…“ Beunruhigt blickte der Heroe die Heilerinnen an. Sein Blick war starr. Er wollte es nicht verstehen. „Was wollt Ihr damit sagen?“ „Sie hat einen großen Teil ihrer Energie für diese Welt geopfert…“, sagte die andere Heilerin, welche ebenso wie die andere in eine weiße lange Kutte gehüllt war. „Wir werden alles versuchen. Aber so wie es jetzt ist… wir können nicht sagen, ob sie jemals wieder erwacht. Durch die Zaubersprüche der Wächter hat sie mehrere innere Blutungen erlitten. Es tut uns leid“, sagte die Zweite und verbeugte sich vor dem Heroen. „Ob sie jemals wieder erwacht? Was soll das heißen?“, rief Link und spürte seinen Herzschlag hetzen. Seine Hände verkrampften und er ließ sich in einen Sessel neben dem riesigen Bett sinken. Sein Blick fiel zu Tetra. Wunderschön, mit offenem, hellblonden Haar, und einem ebenmäßigen, blassen Gesicht, lag sie in jenem riesigen Bett. Sie wirkte so sanftmütig, so zufrieden. Eine der Heilerinnen legte eine mitfühlende Hand auf Links rechte Schulter. „Noch ist nicht aller Tage Abend, Held der Legende. Aber die Prinzessin hat soviel Energie verloren, dass wir nicht sagen können, ob die übriggebliebene für sie selbst noch reicht…“ Der Heroe nickte nur, versuchte sich seine Sorge nicht anmerken zu lassen. Außerdem lag dort Tetra. Sie war so eine starke Frau. Sie würde durch so etwas nicht untergehen. Sie hatte doch bisher alles überstanden, warum auch nicht jetzt? „Wir haben ihr verschiedene Kräutermittel und heilendes Serum verabreicht. Mehr können wir im Moment nicht tun…“, sagte eine der Kräuterfrauen. „Danke. Ihr könnt jetzt gehen…“, meinte Link. Sie nickten und deuteten dann zu einem hohen Gefäß mit heißem Wasser. „Wenn Ihr der Mann der Prinzessin seid, wascht sie bitte.“ Daraufhin waren die beiden Frauen aus dem Schlafgemach verschwunden. Link nickte, aber bekam sofort rote Wangen bei dem Gedanken. Tetras attraktiven Körper waschen? Er hätte sicherlich nichts dagegen, aber… Naja, egal… Zaghaft nahm der Held Tetras Hände in seine. Sie waren so kalt. Er wollte sich schon zu ihr kuscheln, um sie etwas zu wärmen, aber was würde sie für ein Theater machen, wenn sie ausgerechnet dann erwachte? Oder was würde passieren, wenn er beispielsweise ihren Rücken waschen würde, und sie erwachte in dem Augenblick. Er bekäme eine saftige Ohrfeige und dann würde sie in den nächsten Tagen nur fiese Kommentare ihm gegenüber parat haben. Ja, genauso würde es sein. Genau wie früher. Sie würde ihn mehr als nur einmal das Deck schrubben lassen. Ein leichtes Lächeln huschte ihm über das Gesicht. Das war seine Tetra. Er wollte sie nicht verlieren… um keinen Preis. Und mit diesem Gedanken küsste er liebevoll ihre Hände. Gerade in dem Augenblick klopfte es an der hohen Glastür, die einen Blick nach außen durch trübes Glas nicht zuließ. Link forderte die Person dahinter unvermittelt herein. Es war die Fee Navaeli, die inzwischen ein weißes Kleid mit violetten Stickereien trug. Ihr langes blondes Haar hatte sie zu einem großen Zopf zusammengeflochten. „Wie geht es ihr?“, fragte sie. „Nicht so gut“, war Links ehrlich Antwort. „Ich möchte Euch um etwas bitten, Held.“ Er nickte, um sich ihre Geschichte anzuhören. Die große Fee nahm daraufhin ebenfalls in einem Sessel an jenem Bett Platz. „Ich würde gerne in diesem Schloss bleiben. Meine Gestalt, wie sie jetzt ist, werde ich ab und an wechseln, sodass ich als kleine Fee hier sicherlich keinen unnötigen Aufwand verursache. Und da ich in Eurer Schuld stehe, wäre ich Euch sehr verbunden, hier zu bleiben und zu helfen, womit ich auch immer helfen kann.“ Link schaute die Fee mit skeptischen Blicken an. „Ja, aber warum fragt Ihr mich das? Dieses Schloss gehört doch…“ „Es gehört der prophezeiten Prinzessin, die hier in diesem Bett schläft“, sagte sie. Link strich sich mehrmals über die Stirn. Dies war eine interessante Neuigkeit. Womöglich lagen hier in den Schlossverliesen teure Schätze, die es anzuschauen galt. Aber… und Link verschmähte den Gedanken gleich wieder. Es machte alles keinen Spaß… Schätze zu begutachten, Abenteuer zu bestreiten… all‘ dies machte ohne Tetra einfach keinen Sinn. „Sicherlich könnt Ihr bleiben… nur…“ „Nur?“ Und die hübsche Fee erkannte endlich eine Sorgenfalte zu viel auf der Stirn des Kämpfers. „Niemand weiß, ob und wann Tetra wieder erwacht… Das haben mir die Heilerinnen gerade gesagt…“, sprach er wehleidig. Er fühlte sich so kläglich, dass er weinen wollte. Er erinnerte sich an die letzten Tränen, die er vergossen hatte. Als Dank für ein paar Tränen hatte er von Tetra eine schmerzende Ohrfeige bekommen. Sie konnte es nicht ertragen, wenn jemand weinte. Sie fand das kindisch und lächerlich… „Das tut mir leid…“, murmelte die Fee und vergoss tatsächlich eine Träne. Eine blauschillernde Träne, die auf den Fußboden tropfte. „Mir auch…“, sprach Link und trat ans Fenster. „Ich habe viele Fehler gemacht in den letzten Wochen… und nun, wo ich gehofft habe, alles könnte sich wieder einrenken, alles würde gut werden, jetzt wacht Tetra einfach nicht auf…“ In dem Augenblick kamen Klein-Link, Navi und die Piraten in den Innenraum geplatzt. Sie hatten alle so gute Laune, dass sie die Stimmung hier drin nicht sofort wahrnehmen konnten. Navaeli schüttelte dann den Kopf, als die anderen nähertraten und sich nach Tetras Befinden erkundigen wollten. „Heißt das, es geht ihr nicht so gut?“, fragte Klein- Link, der vorhin soviel gegessen hatte wie noch nie in seinem Leben. Es gefiel ihm in dieser Welt so sehr… „Man weiß es nicht genau“, sagte Navaeli. „Im Moment kann man nichts tun.“ Auch Link stimmte zu und sprach stotternd. „Man weiß nicht… ob sie je wieder erwacht…“ Laut kreischend stürmte Gonzo näher und rüttelte die Prinzessin an ihren Schultern. „Miss Tetra. Hört Ihr nicht? Wacht auf. Eure Mannschaft braucht Euch doch. Gerade jetzt, wo wir diese wunderbare Welt gefunden haben. Das hier… es wird endlich das Zuhause, was wir immer gesucht haben. Wacht auf!“ Seine kräftige Stimme dröhnte umher. Aber nichts tat sich. Tetras Augen blieben geschlossen. Und jeder der Piraten, obwohl es Tetra ihnen immer untersagt hatte, begann zu weinen… Sie nahmen alle anteilnehmend ihre Piratenmützen herunter und wimmerten leise. „Ihr seid alle jämmerliche Waschlappen“, sprach Link dann zornig. „Tetra würde nicht wollen, dass ihr weint. Also hört auf damit. Sie wird aufwachen, ganz sicher…“ Und seine Worte wurden immer leiser. „Ganz sicher…“, murmelte Link erneut und lief dann langsam aus dem Gemach hinaus. „Lasst ihn“, meinte Navi, als die Piraten ihm hinterhergehen wollten. „Ich mache das.“ Und damit war sie verschwunden. Die anderen standen weiterhin anteilnehmend an Tetras Bett. „Schon einmal schlief eine Prinzessin Zelda…“, sprach Klein- Link. „Sie schlief einen ewigwährenden Schlaf… bis ein Held kam, der sie mit seinem Mut erwecken konnte. Es ist ein Bruchstück von Hyrules Geschichte, eine Zukunft oder Vergangenheit vielleicht, die Din, Nayru und Farore in ihrem großen, zeitlosen Haus schon lange gesehen haben…“ Auch er nahm die Mütze von seinem blonden Kopf. „Aber ich weiß… dass Tetra nicht diese Prinzessin ist. Sie muss erwachen, sonst stirbt das hylianische Königsgeschlecht in dieser Welt und diesem Zeitpfad aus.“ Nikos Hasenzähne zeigten sich, als er unter Tränen lächelte: „Dann muss sie einfach aufwachen, richtig?“ Klein- Link nickte. Ja, das würde sie, ganz sicher. Navi fand den Heroen in einem sonnigen, kleinen Garten inmitten des Schlosses wieder. Verschiedene Glastüren führten in andere Bereiche des Schlosses oder in weitere Gartenabschnitte. Viele Rosen blühten hier, die er gerade musterte. Seine großen Hände strichen sachte über kirschfarbene Blütenblätter. „Willst du Tetra ein paar Rosen in das Zimmer stellen?“, fragte sie. Er lächelte und strich sich seine schulterlangen Haare zurück. „Ja, ich habe daran gedacht.“ „Sollen sie Ausdruck von Freundschaft sein, oder von Hoffnung?“ Er zuckte mit den Schultern. „Oder sogar von Liebe?“, fragte Navi und lachte dann. Der Held des Windes musterte sie fahl und ließ sich dann auf eine Treppenstufe sinken. Er beobachtete die Schmetterlinge, die ihren Weg zurück in dieses blühende Reich gefunden hatten. „Lassen wir das am besten offen“, sagte er schmunzelnd und schloss die Augen. Er genoss die Sonne und lehnte sich zurück. „Ich weiß, warum du hier bist“, sagte er und öffnete ein Auge. „Du willst wissen, woher ich dich kenne.“ Navi nickte. Nun gut, es war nicht der einzige Grund. „Die Geschichten Hyrules scheinen alle verwoben zu sein, wie sonst ist plötzlich ein Mädchen zusammen mit einem zukünftigen Link in meine Welt gelangt, in jene Welt, in der ich als Held existiere.“ Navi trat mit ihren Sandalen näher, produzierte raschelnde Geräusche damit und setzte sich dann zu dem Heroen ins Gras. Sie blickte in den Himmel, wo dicke, weiße Wolkenfetzen hafteten und ab und an blauen Himmel durchscheinen ließen. „Es ist mehr als das, vermute ich“, sprach Navi. „Sie sind auch irgendwie voneinander abhängig. Es gibt immer einen Helden irgendwo, und doch braucht es das Böse um diesen Helden zu erwecken. Und genau das Böse, zumindest in Gestalt von Ganondorf, ist immer dasselbe.“ ‚Doch braucht es das Böse um diesen Helden zu erwecken.‘ Wie Recht Navi hatte. In Hyrulia existierte das Böse, jedoch gespalten auf mehrere Wächter, von denen drei noch lebten. Aphidel und seine Männer bewachten jene derzeit. „Klein- Link und ich… sind auf einer Reise, die… so weiß ich inzwischen, nicht so einfach ist, wie ich gehofft hatte. Jeder Link ist in irgendetwas verwickelt. Jeder Link ist anders. Und doch… ist das Ziel dieser großen Reise nur eines: Wir brauchen die Hilfe von jedem Link, den wir finden können. Nur deshalb bin ich hier…“ Der Held des Windes musterte sie eindringlicher. Er grinste und legte sich die Arme hinter den Kopf ins Gras. „Sag‘ bloß in der Welt, aus der du stammst, existiert ein Link, der zu schwach ist gegen das Böse anzutreten?“ Daraufhin gab Navi dem Heroen eine Nuss auf seinen Hinterkopf. Sie riss ihm dann noch die grüne Mütze herunter, die er ausnahmsweise trug. „Du hast ja keine Ahnung“, pfefferte sie ihm entgegen. „Schon gut. Schon gut. Erklär es mir“, meinte er dann. Sie erzählte die Geschichte über den Erdenlink im Schnelldurchlauf. „Wow…“, sagte der Heroe dann und war mehr als sprachlos. Konnte der Kampf gegen Ganondorf eigentlich noch aufregender werden als bisher? „Und es ist wirklich wahr? Der wiedergeborene Held der Zeit existiert in einer Welt, in welcher die Legende von Zelda nur ein Spiel ist? Welcher Schwachkopf hat es sich ausgedacht darüber eine Geschichte zu erfinden…“, schimpfte der Held des Windes. „Die Legende von Zelda soll nur ein Spiel sein…“ Die Nachricht schien ihn mehr zu schocken als Navi erwartet hatte. „Dann ist meine Geschichte vielleicht auch nur ein Spiel…“, sagte er dann. „Nun, in der Welt, aus der ich komme, sicherlich…“ Daraufhin kratzte sich der Heroe an der Stirn. „Mmh, ich werde auf jeden Fall helfen“, sagte er. „Ich bin kein Krieger, der vor irgendeinem Bösen den Kürzeren zieht.“ Navis Augen funkelten daraufhin wie Smaragde. „Wirst du uns wirklich helfen?“ „Aber ja.“ „Tatsächlich?“, fragte sie vergewissernd. „Warum auch nicht? Ich habe immer Lust auf Abenteuer und auch Lust auf eine fette Belohnung.“ Er grinste und bekam von Navi auf diese Bemerkung die nächste Kopfnuss. „Ihr beiden Links seid einfach total verschieden“, meinte sie schnippisch. „Inwiefern?“ Der Held des Windes hob eine Augenbraue und lächelte die einstige Fee an. „Du bist irgendwie etwas egoistischer, und wirkst nicht ganz so zurückgezogen wie der Held der Zeit. Du wirkst viel kühler auf mich. Der Held der Zeit ist irgendwie sanfter“, erklärte sie. „Nun, das sind alles Eigenschaften auf die ich gerne verzichten kann“, lachte er, aber blickte dann sogleich in Richtung der blühenden Rosensträucher. Etwas Schwermut legte sich in seine meerblauen Augen. „Aber ich war nicht immer so wie jetzt.“ Er lächelte in den Himmel. „Ich war früher nicht so ein Egoist, und irgendwo sind mir diese materiellen Dinge auch nicht so wichtig. Nur während der langen Reise auf See habe ich nach etwas gesucht, um mich zu rechtfertigen, vielleicht besonders vor Tetra. Niemand in ihrer Welt tat irgendetwas aus Edelmut. Nach ihrer Meinung gibt es keine heldenhaften Männer, die selbstlos in die Schlacht zogen. Ich habe mich irgendwie angepasst. Und als ich mich verändert hatte, war ich sogar selbst etwas von dieser Veränderung verwundert.“ „Mmh, das klingt kompliziert“, murmelte Navi. „Aber ich weiß, worauf du hinauswillst. Das Leben entwickelt sich oft in komplizierte Richtungen… oft ist vieles anders, ehe man die Augen richtig öffnen kann.“ Der Held des Windes schloss beide Augen daraufhin und nickte. Dann schaute das Mädchen ihn mit prüfendem Blick an. „Was willst du tun, wenn Tetra aufwacht?“ Er lachte: „Ich werde ihr sagen, dass ich sie gerettet habe und erwarte eine Belohnung dafür.“ Navi holte bereits zu einer weiteren Kopfnuss aus, aber der Heroe war schnell aufgesprungen und somit außer ihrer Reichweite. „Ehrlich… ich weiß es nicht“, meinte er, und umfasste in seiner Hosentasche den Ring, den die Geister ihm hinterlassen hatten. Am liebsten würde er sie einfach nur umarmen wollen. Aber Tetra stand nun mal nicht auf Weichlinge. Solche Gesten waren nie ihr Niveau gewesen. „Sicher nicht? Dabei wirkt es so, als hättest du schon einige Vorstellungen.“ Ja, die hatte er… er wollte einfach nur bei ihr sein. War das zu viel verlangt? „Komm‘ her und setz dich wieder!“ Wie auf Geheiß schwang der Heroe der Meere seinen Hintern in Bewegung und ließ sich neben ihr ins duftende Gras sinken. Erneut durchbohrte Navi ihn mit prüfendem Blick. „Wenn du etwas erreichen willst, musst du sie überraschen“, sagte Navi. Dann fummelte sie in seinem dunkelblonden, schulterlangen Haar herum. „Du siehst außerdem unmöglich aus.“ Sie klaute eine blaue Schleife aus ihrem Haar und band die dicken Haare des jungen Mannes zu einem Zopf zusammen. „Ferner solltest du dich rasieren, und ein Bad nehmen. Du stinkst ja wie der Teufel.“ Missbilligend drehte er seinen Schädel zu ihr. „Jetzt streite es nicht noch ab“, murrte sie. „Auch hier bist du anders als der Erdenlink, der ist viel eitler als du und romantischer. Dabei dachte ich am Anfang, du wärst eitler als er.“ „Na und? Meine Zelda braucht keinen eitlen Romantiker“, rechtfertigte er sich. Navi lachte daraufhin: „Und der Erdenlink wirkt viel reifer als du.“ Daraufhin schluckte der Held des Windes nur. „Ja, okay, ich hab es verstanden.“ „Hoffentlich“, grinste Navi. „Und jetzt sagst du mir, woher du mich kennst.“ Sie blickte ihn erwartungsfroh an. „Kennen ist eigentlich zu viel gesagt“, erklärte er und heftete seine Augen wieder in Richtung der Rosensträucher. „Aber ich habe dich schon einmal gesehen… nur war das nicht in der Welt des Meeres, auch nicht hier in Hyrulia. Nicht einmal… in einem anderen Hyrule.“ „Wo dann?“ Verwundert richtete das augenscheinliche kleine Mädchen seine giftgrünen Augen in das nachdenkliche Gesicht des Heroen. Es war sicherlich keine gute Antwort, die Navi erwarten würde. „Vor einigen Monaten… trafen Tetra und ich auf eine große Insel, die weit abgeschirmt hinter einer Kette felsiger Abschnitte lag. Diese Insel schien das Herz jener Felsenlandschaft zu sein. Aufgeregt erforschten wir jene Insel. Wir fanden nichts Besonderes außer merkwürdigen Tieren und Insekten. Und als wir zurück an Bord waren, hatte ich schlagartig hohes Fieber. Ein Insekt hatte mich gestochen und mir sehr starkes Gift verabreicht. Ich war schon halbtot, als Tetra irgendetwas mit ihrer goldenen Macht anstellte, und mich zurück unter die Lebenden brachte. Ich war nicht wirklich tot, aber… es war fast so, als wäre ich in eine Welt danach eingetaucht.“ Navi nickte und ahnte schon, worauf das ganze hinauslief. „Du hast mich in dieser Nachwelt gesehen?“, meinte sie zaghaft, zog ihre kindlichen Knie zu sich und umarmte diese, während sie auf der Wiese hockte. „Ich weiß, es klingt idiotisch“, murrte er. „Du sitzt ja lebend vor mir. Aber ich war mir so sicher.“ Er kratzte sich an seinem Bart. „Was habe ich dort gemacht?“ „Du hast Blumen gepflückt. Du erschienst mir so friedvoll… gerade deswegen kann ich mich ja an dich erinnern. Du warst das einzige Lebewesen, welches ich in dieser Welt gesehen habe. Sonst war alles weiß, und irgendwie warm.“ „Dann muss es irgendetwas mit diesem Körper zu tun haben, eigentlich bin ich das nicht.“ „Vielleicht.“ „Ja, vielleicht…“, sagte sie leise. Sicherlich, das war ein gruseliger Gedanke. Sie in einer Nachwelt? Nein, das konnte nicht sein. Sie lebte doch. Und damit war Navis Lächeln wieder zurückgekehrt. Plötzlich schoss ihr aber etwas anderes in den Kopf. Tetra… sie hatte doch so einen komischen rußigen Fleck auf der Schulter. Ob das auch mit dieser absonderlichen Insel zu tun gehabt hatte? „Hey, du Held“, sagte sie und hüpfte auf ihre Beine. „Du solltest Tetra mal… untersuchen. Die hat auf der Schulter so einen schwarzen, großen Fleck. Am besten noch, bevor sie aufwacht. Oh, und vergiss nicht ihr Rosen zu pflücken.“ Navi grinste, lief zufrieden zurück in das Schloss hinein und hoffte, dass alles gut werden würde. Sobald Tetra auf den Beinen war, würden sie und Klein- Link herausfinden, was sie tun mussten, um diesen Heroen am Rat der Helden teilnehmen zu lassen. Ob das Medaillon da noch eine Funktion hatte? Sie konnten den Helden des Windes, der ja genug anderes zu tun hatte, schlecht auf nächste Missionen mitnehmen. Noch mehr Links, die sich dann trafen? Ob diese Links sich eigentlich leiden konnten? Oder würde sich am großen Rat aus den Heroen ein Haufen von streitsüchtigen Schwertfechtern entwickeln. ,Noch ein gruseliger Gedanke‘, dachte sie und hüpfte weiter ihres Weges. Der Held des Windes tapste mit einem Strauß bunter Rosen zurück ins Schloss, nahm ein Bad, und fand lediglich Klein- Link in Tetras Zimmer. Er saß an ihrem Bett und betrachtete sich die Zelda jener Welt ganz genau. „Wenn Navi und ich weiterziehen, möchte ich Tetras Gesicht ganz genau in Erinnerung behalten“, meinte er. „Darf ich ihr einen Kuss geben?“, fragte das Götterkind den Helden des Windes, der die hohe Vase mit an die zwanzig bunten Rosen auf den Nachttisch stellte. „Klar… wenn… wenn du möchtest“, sprach er und kam sich unbeholfen vor. Warum fragte dieses Kind ihn deswegen um Erlaubnis? Sollte er das etwa verhindern? Nicht, dass er eifersüchtig wäre. Worauf auch? Das war ein Kind, Tetra würde dieses Kind ihm doch nicht vorziehen, oder? In dem Augenblick drückte das Götterkind seinen Mund gegen Tetras rechte Wange und verpasste ihr so eine kleine, schmatzende Geste der Zuneigung. „Ich frage mich, ob es irgendwann auch eine Zelda für mich gibt, nicht, dass ich mich jetzt schon für Mädchen interessieren würde“, lachte das Kind, hüpfte zufrieden von der Bettkante und wollte gerade aus dem Raum gehen. „Ach ja“, murmelte der Held des Windes dann. „Ich habe in den Höhlen des Sees etwas gefunden, was vermutlich dir gehört“, und der Heroe packte einen schön verarbeiteten Dolch aus einem Tuch. „Du solltest umsichtiger mit deinen Waffen umgehen“, ergänzte er. Nachdenklich musterte Klein- Link jene Waffe, an welcher noch etwas getrocknetes Blut jenes Moorwesens klebte. War das ein Wink des Schicksals, dass ausgerechnet ein Held ihm seine Waffe wiederbrachte. Jene Waffe, die er als Zeichen seines vergessenen Mutes in den Höhlen zurücklassen wollte. Denn auch sein Mut schien mit jenen Höhlen eingestürzt zu sein. Er konnte nicht noch einmal töten. Das konnte und wollte er nicht. Es fühlte sich so grausam an… „Es ist nicht einfach, ein Held zu sein…“, meinte der Kämpfer und drückte dem Bengel seinen Dolch in die Hand. „Man muss sich erst darüber im Klaren werden, wofür man lebt, ehe man sein Schicksal in Frage stellt…“ Das Götterkind schluckte auf diese Worte, heftete den Dolch an seinen Gürtel und verschwand. Der Heroe seufzte und trat an eines der vielen Rundbogenfenster in jenem Gemach. Es fiel ein sanfter Schimmer rotes Licht herein. Jetzt, wo der Abend gekommen war. Er zündete eine Kerze an und blickte die schlafende Prinzessin nachdenklich an. So zerbrechlich lag sie dort, obwohl er nie den Eindruck gehabt hatte, Tetra jemals als zerbrechlich sehen zu können. Was würde in den nächsten Tagen geschehen? Würde das Piratenpack in dieser Welt bleiben, selbst wenn Tetra erwachte? Er jedenfalls verspürte den Wunsch, sesshaft zu werden. Und welche Welt wäre großartiger als ein neues Hyrule? Er setzte sich wieder an die Bettkante, zog die Decke von Tetras Körper und begann sachte die Schnürung aufzumachen. Irgendjemand musste sie waschen, und vielleicht konnte er sich auch einmal den komischen Fleck anschauen, den dieses kleine Mädchen angesprochen hatte. Warum hatte Tetra ihm das nur verschwiegen? Er hob Tetra sachte an, lehnte sie an seinen breiten Oberkörper und zog vorsichtig das violette, samtige Kleid von ihren Schultern. Seine Hände kribbelten ein wenig, als er ihre weiche Haut streifte und eher gegen seinen Willen, umarmte er sie dann innig. Halb nackt lag sie dann in seinen Armen und der Heroe traute sich irgendwie nicht sie loszulassen. So etwas ließ Tetra unter den seltensten Umständen zu. Also war es dann doch gut, es mal auszunutzen, dachte er still. In dem Augenblick jedoch- und es kam überraschender als ohnehin schon- entkam den weinroten, vollen Lippen der starken Piratin ein Seufzen. Das Seufzen an sich schreckte den Heroen noch nicht auf, aber ein leichtes Murren, gefolgt von leisen Worten: „Was, glaubst du, tust du hier…“ Link hatte die Situation in dem Augenblick noch nicht richtig verstanden. Sein Herz und diese angenehme Umarmung ließen ihn ihre warnenden Worten nicht korrekt verarbeiten. Er hörte ihre Stimme, aber registrierte nicht. „Dich umarmen, meine Tetra…“, sprach der Held und riss dann sogleich seine Augen weit auf. Er ließ nicht gänzlich von ihr ab, aber drückte sie etwas zurück. „Tetra!“, rief er, und sein Herz machte Freudensprünge. „Du bist aufgewacht!“ In dem Augenblick rutschte das violett schillernde Kleid über Tetras Brust und ließ Einblicke zu, die keiner anständigen Frau wirklich Spaß machten. Link blickte natürlich genau dort hin, wo sich ein aufregender, unheimlich schöner Einblick zeigte, aber genau das hätte er lieber unterlassen sollen. Seine Augen wanderten entschuldigend zu ihren und was er jetzt darin sah, würde er vielleicht nicht überleben. In ihren Augen loderte es. Diese Hitze und Wut hatte er darin lange nicht mehr so deutlich gesehen. „Ich sagte, was glaubst du, tust du hier! Scher‘ dich hier heraus!“, brüllte sie, krallte sich in das Oberteil und verpasste dem Heroen einen Kinnhaken, der ihn sogleich zu Boden haute. Link flog mehr als einen Meter zurück, streichelte sein schmerzendes Kinn und blickte Tetra dennoch glücklich an. „Glotz nicht so, oder du bekommst gleich noch eine! Wehe du wagst es nochmal mich im Schlaf einfach auszuziehen!“ Sie kochte vor Wut. Und wie anziehend es doch auf ihn wirkte, wenn sie so sauer war. Er lächelte, stand auf, krallte sich mit je einer Hand ihre Handgelenke und drückte sie mit seinem Körpergewicht zurück aufs Bett. Er lächelte weiterhin. Sogar eine Spur von Tränen stand in seinen Augen. „Was bildest du dir eigentlich ein“, kreischte sie und zappelte unter ihm herum. Aber durch ihre Erschöpfung, und sicherlich auch durch Links starken Körper war es für sie fast unmöglich aus dieser Situation herauszukommen. Ihre Wangen glühten rot, bedachte man die Tatsache, wie dieses Bild für jemanden aussehen konnte. Sie lag mit offenem Dekolleté unter ihm. Das Kleid war halb zurückgeschoben. Selbst das lange Rockteil war durch ihre ausrudernden Bewegungen nach vorne gerutscht und zeigte deutlich ihre Oberschenkel. „Link, geh‘ endlich von mir runter!“ Und ihre Stimme konnte in dem Augenblick nicht schriller sein. Sie fühlte sich hilflos, und das passte der starken Piratin ganz und gar nicht. „Wenn du nicht endlich von mir runtergehst, werde ich das nächste Mal sehr fies sein, wenn du schläfst!“, sagte sie, diesmal etwas leiser. Frech grinsend knabberte der Heroe dann an ihrem zarten Hals, wanderte mit seinen Lippen zu ihrem rechten Ohr und hauchte: „Du weißt genau, dass du mir damit nicht drohen kannst.“ Dann endlich ließ er Tetra los, setzte sich an die Bettkante und half ihr das Kleid wieder richtig zu rücken. Verwundert und ziemlich nervös blickte Tetra ihn dann an. War das schon alles? Er hatte tatsächlich von ihr abgelassen? Sie dachte schon… sie bekäme wenigstens… einen Kuss… Sie hatte sich sogar eingebildet, irgendjemand hätte sie geküsst… Und dieser Kuss hatte ihr einen ziemlichen Energiestoß geschickt. Wer das wohl gewesen sein mag? „Ob es dir gefällt oder nicht…“, sprach er leise. „Ich bin mehr als dankbar, dass du endlich wach bist“, meinte er und schnürte das Kleid an ihrem Rücken wieder zusammen, als ihm endlich der rußige Fleck auffiel. „Ich wollte dich nur waschen. Wie geht es dir…“, sprach er leise. „Wie schon“, murrte sie. „Ich bin erschöpft… du neunmalkluger Dummkopf. Ich habe dieser Welt einen großen Teil meiner Kraft überlassen. Natürlich geht es einem da nicht so gut.“ „Ähm… ich wollte bloß mal fragen.“ „Ja, aber wer blöd fragt, bekommt eine blöde Antwort“, murrte sie. Link lächelte weiterhin. Ja, genau das war seine Tetra. Er war so dankbar, dass sie endlich wach war. „Jetzt hör auf so zu grinsen. Du siehst aus, als wärst du in einen Topf mit Göttersalbei hineingefallen.“ Sie blickte ihn erschöpft an, krabbelte wieder ins Bett und zog sich die Decke über den Kopf. Nur wenige ihrer langen, blonden, und ausnahmsweise offenen Haarsträhnen waren noch sichtbar. „Wir sind im Schloss von Hyrulia, richtig?“, murmelte sie unter der Decke. Link antwortete ihr mit einem deutlichen Ja. „Du hast Eridés vernichtet?“ Auch darauf antwortete er klar und wahrheitsgemäß. „Gut gemacht“, meinte sie leise und zog sich die Decke soweit hinab, dass ihre Augen geradeso heraus linsen konnten. „Und die anderen Wächter?“ „Einige wurden getötet, andere sind am Leben und stehen unter Arrest“, erklärte er. Sie richtete sich wieder auf, rieb sich die Augen und sagte leise: „Ich finde es nicht gut, dass sie am Leben sind. Es sind alles Teile von…“ „… von Ganondorf, ich weiß.“ Link schloss daraufhin die Augen. Er näherte sich ihr ungeniert, stützte sich mit den Händen auf die Bettdecke, sodass er ihrem Gesicht sehr nahe war. Zu nahe… Verwirrt zuckte die junge Prinzessin zurück. „Warum musstest du das tun, Zelda?“ Die Tatsache, dass er sie plötzlich mit ihrem wahren Namen ansprach, machte ihr Angst. Es brachte einen ungewohnten Ernst in ihre Unterhaltung. „Du hast dich beinahe geopfert. Du hättest sterben können! Alles für eine Welt, die uns total fremd ist.“ Energisch packte er sie an ihren Armen. Sie zitterten. Sie war mehr als irritiert, dass er sich so verhielt. Dies war nicht die erste Situation, in welcher sie beide mit dem Leben rangen. „Ich verstehe nicht, warum du daraus so ein Theater machst!“ Sie drehte ihr hübsches Gesicht weg von ihm. Sie wollte aufstehen, um ihren müden Körper wieder in Schwung zu bringen, aber als sie aufstehen wollte, hatte sie fast das Gefühl, noch nie gelaufen zu sein. Ihre Beine fühlten sich an wie Wackelpudding. „Ich habe diese Wächter gleich durchschaut, nachdem ich in dieses Schloss gekommen bin. Ein genauer Blick in Eridés‘ Augen war genug. Ja, ich hätte sterben können, aber ich bin nicht tot, also was willst du von mir“, meckerte sie. „Und die Bemerkung in der Höhle hättest du dir sparen können“, schimpfte sie und hatte erneut verräterische pinkfarbene Wangen. „Was meinst du?“ „Jetzt tu nicht so unschuldig!“ Sie wollte ihm eine pfeffern, aber der Heroe fing ihre Hand ab und umfasste fest ihr Handgelenk. „Ach so“, lachte er. „Weil ich gesagt habe, ich muss wissen, dass du keine Jungfrau mehr bist?“ Ihr zum Sterben schöner Blick, gemischt mit einer bergeversetzenden Wut, ließ ihn wieder selbstsicherer werden. „Zelda…“, sagte er sanft. „Warum ein Geheimnis daraus machen?“ „Das hat damit nichts zu tun“, zankte sie, und wollte ihm mit der anderen Hand eine Ohrfeige geben, aber auch diese Hand packte er. „Ob und wann wir miteinander schlafen, geht niemanden etwas an.“ Diesmal grinste sie, was ihn in dem Augenblick verwirrte. Er hatte es noch nicht begriffen, als sie ihm mit dem Knie den nächsten Kinnhaken verpasste. Sie war vielleicht schwach, aber ihr Bein konnte sie immer noch anheben. Dieser Stoß brachte ihn ins Wanken. „Das war fies“, maulte er und ließ von ihr ab. Endlich lachte Tetra, was ihn mehr als genug beruhigte. Er ertrug gerne das schmerzende Kinn, wenn er wusste, dass es ihr gut ging. Trotz ihrer feindlichen Angriffe ihm gegenüber setzte er sich wieder zu ihr. „Komm‘ her“, sagte er und begann ihre Schultern zu massieren. Überrascht ließ sie ihn einfach tun, was er tun wollte. Sie wusste gar nicht, dass er so sein konnte. Es war irgendwie eine Seite an ihm, die sie nie kennen wollte. Und die sie vielleicht auch unterschätzte. „Das kleine Mädchen ist dafür verantwortlich, was?“, fragte Tetra leise und ließ die Massage gerne über sich ergehen. „Was meinst du?“ „Denkst du, ich habe keine Augen im Kopf. Der Zopf…“, erklärte sie. „Du siehst… gut aus mit diesem Zopf. Und du warst baden… du riechst gut. Und die Rosen…“ Tatsächlich war ihr alles aufgefallen. Und sie wusste auch ganz genau, wer für diese Dinge verantwortlich war. Seine Arme wanderten dann um ihren Bauch. Er zog sie an sich, obwohl die junge Dame erneut herum zappeln wollte. „Okay, ich geb es ja zu“, eiferte er und grinste wieder. „Du riechst auch gut… immer…“, meinte er. Aber Tetra konnte mit solcher Art von Komplimenten überhaupt nichts anfangen. Sie fand das einfach zu schnulzig. „Wie spät ist es“, lenkte sie ab und wand sich aus seiner Umarmung. „So neun Uhr“, vermutete er und seufzte. Er war irgendwie etwas enttäuscht und das zeigte sich sehr deutlich an seiner Mimik. „Ah, und sag‘ mal… hast du mich vorhin geküsst? Hier auf der Wange?“, fragte sie. Der Heroe schüttelte den Kopf und trat stillschweigend ans Fenster. Was hatte er auch erwartet? Dass Tetra zeigen würde, wie gern sie ihn hatte. Das war ein Wunschtraum. „Komisch… hat mich sonst jemand geküsst?“ Der Held des Windes nickte. „Ja, der kleine Bengel aus der anderen Welt, der wohl auch ein legendärer Held werden wird.“ Dann ließ sich der Heroe in den Sessel sinken und schloss die Augen. „Das bedeutet ja…“ Tetras Augen wurden riesig. „Dieser Knirps hat mir im wahrsten Sinn des Wortes einen Strom an Energie geschickt.“ „Ach ja…“, sprach der Heroe, und wusste nicht warum, aber in ihm keimte tatsächlich so etwas wie Eifersucht auf. Ja, die Taten dieses Winzlings hatten eine Bedeutung für sie. Und was war mit ihm? Hatte er dafür, dass er sie aus dieser Höhle befreit und Eridés besiegt hatte, etwa keine Belohnung verdient? „Das ist ja unglaublich“, lachte Tetra. „Er hat mich gerettet.“ „Wie schön, Zelda…“, murrte Link. „Dann nimm‘ ihn doch mit, wenn du wieder weg segelst, und ich bleibe hier.“ Der Held stapfte beleidigt aus dem Zimmer und knallte die Tür zu. ,Was war das denn?‘, fragte sich die Prinzessin und kuschelte sich wieder in das weiche Bett. Sie konnte mit seinem Verhalten einfach nichts anfangen. Wie auch? Sie wollte ja schließlich nicht begreifen, was durch Links Kopf ging… Link informierte derweil alle, dass Tetra aufgewacht war. Jeder freute sich riesig, vor allem das Piratenpack. Sie stürmten glücklich in das königliche Schlafzimmer und erkundigten sich nach Tetras Befinden. Tatsächlich war sie sehr zufrieden. Auch die Kunde, dass jenes gigantische Schloss eigentlich ihr gehörte, und sich die Prophezeiung um die Königin erfüllt hatte, störte sie nicht weiter. Sie hatte nur ein Ziel, so schnell wie möglich wieder auf den Beinen sein, und dann dieses Land verlassen. Sie hatte ihre Aufgabe erfüllt, was mit den Menschen und der Regierung Hyrulias werden würde, kümmerte sie herzlich wenig. Was Navi und Klein- Link anging, so mussten die beiden schon selbst herausfinden, wie sie mit dem Medaillon arbeiten mussten. Eine Möglichkeit musste es geben, um die Links am großen Rat teilhaben zu lassen. Und dies galt es nun noch herauszufinden. Inzwischen war der nächste Morgen gekommen. Mit mieser Laune saß der Heroe zusammen mit den Kindern und den Piraten in einem Saal an einem Frühstückstisch. Tetra schlief noch tief und fest, aber sie schlief einen gesunden Schlaf. Die Heilerinnen hatten in der Nacht noch einmal nach ihr geschaut, und betont, dass sie, auch wenn sie sich gut fühle, noch viel Ruhe benötigte. Es war ein Wunder für jene Heilerinnen, dass sie plötzlich wieder so eine große Menge an Energie besaß. Klein- Links Einfluss diesbezüglich hatten aber sowohl der Heroe, als auch Tetra bewusst verschwiegen. „Heute steht das große Fest an“, sagte der kleine Niko freudestrahlend und biss herzhaft in ein großes Brötchen mit Marmelade. Die Piraten nickten daraufhin. Kaum einer von ihnen konnte eine wunderbare Freude diesbezüglich unterdrücken. Sie alle fühlten sich wohl hier. „Ich werde in dieser Welt bleiben“, sagte Gonzales und grinste die rundliche Hofdame an, die ihnen gerade frische Milch servierte. Die gute Frau lächelte. „Verstehe, da hast du die Nacht verbracht“, sprach Seneca und klopfte ihm auf die Schulter. „Nun ja, ich hab auch etwas gefunden, was mich damit ringen lässt hier zu bleiben.“ Man musste wissen, dass der gute Seneca eine ausgesprochen künstlerische Ader besaß. „Am Marktplatz gibt ein Atelier, wo ich meine Werke präsentieren könnte.“ Auch Niko lächelte. „Ich möchte ebenfalls hier bleiben.“ Link schloss nur die Augen und sprach: „Dann seht, wie ihr das Tetra beibringt.“ Gonzales schlug auf den Tisch. „Als ob dich das interessieren würde. Sie hat ja ohnehin gesagt, dass sie dich an Bord nicht mehr haben will.“ Link konnte es nicht abstreiten. „Ja, aber die Dinge liegen nun etwas anders. Denkst du, ich weiß nicht, dass ich einige Fehler gemacht habe…“ Gonzales schaute zwar skeptisch drein, aber zuckte dann mit den Schultern. „Na gut. Es mag sein, dass Tetra weitersegeln möchte, dennoch sind wir der Meinung, dass diese Welt ideal wäre, für einen Neuanfang, für uns alle.“ Link nickte. „Auch ich möchte hier etwas aufbauen.“ „Dann sind zumindest wir uns einig“, meinte Gonzo. „Wirst du mit der Prinzessin reden, Link?“ Gonzo hob seine dunklen Augenbrauen und musterte ihn nachdenklich. „Ja, ich werde es versuchen…“, murmelte er. Ob das so eine gute Idee war? Er hatte ja am Abend zuvor auch nicht wirklich etwas erreichen können. Die Prinzessin hatte nun mal einen starken Willen. Und wenn es nicht nach ihrer Nase ging, konnte sie sehr ungemütlich werden. „Übrigens… wir Piraten sind froh, dass du wieder du selbst bist“, freute sich Niko und klopfte dem Heroen auf die Schulter. „Danke“, lächelte er. Dann ging sein Kopf zu Navi und Klein- Link, die bisher schweigend in der Runde saßen. „Und was ist mit euch beiden? Wie kann ich euch nun helfen, und wie findet ihr zurück?“ Die Piraten, die inzwischen gut gespeist hatten, verabschiedeten sich dann von der Tafel und gingen ihren Tätigkeiten nach. Klein- Link spielte nervös mit seinen Händen. „Also… es gab in dem Hyrule, aus welchem der Held der Zeit stammt, eine Prophezeiung, geschrieben in einem alten Buch. Sie lautete wie folgt…“ Und der Knirps teilte dem Helden des Windes auch die Prophezeiung mit. ,Ein Held, mit der Gewalt aller Helden, die das Schicksal ernannte. Ein Gesetz, das umgeschrieben wurde. Eine Melodie, die die Zeit der Welt einfrieren kann. Was mögen die Helden tun, wenn sie nicht mehr der eine Held, sondern viele Helden sein könnten? Was mögen sie gewinnen? Was mögen sie entstehen lassen? Ein Weg. Eine Gunst. Eine Gnade… Ruft den Rat der Helden… Das Masterschwert als Schlüssel. Die Okarina der Zeit als Weg. Die Helden Hyrules als Waffe… Das Medaillon der Mächtigen als Bote…‘ Klein- Link seufzte und legte dann das alte, runde Medaillon der Mächtigen auf den Tisch. „Im großen Kampf auf der Erde hat sich ein Teil der Prophezeiung schon erfüllt. Mit Hilfe der Okarina der Zeit wurde die Zeit angehalten. Die Helden Hyrules, viele Helden, mehr als wir vermutlich kennen können, sollen an einem großen Rat teilnehmen, um Ganondorf, da er mächtiger ist als jede seiner Gestalten vorher, zu vernichten. Dies soll mithilfe des Masterschwertes irgendwie bewerkstelligt werden. Und wir… haben jetzt nur dieses Medaillon um dich irgendwie mitzunehmen oder so… ich weiß es nicht…“ Klein- Link seufzte. Wenn man bedachte, wie wenig Ahnung Navi und er von dieser Mission hatten, und wenn man bedachte, dass sie nicht wussten, wie sie diesen Heroen irgendwie auf jenen Rat schicken konnten, war seine Frustration nur allzu verständlich. „Du bist der erste andere Link, den wir treffen…“, murmelte Navi. „Nur deshalb sind wir so ratlos… noch…“ Der Held des Windes schaute gelangweilt drein. „Mann, Leute…“ Er schnaubte, als würde er seine Meinung bezüglich des Hilfeangebots wieder ändern. „Aber wie habt ihr es geschafft hierher zu finden? Ihr wurdet teleportiert, jedoch frage ich mich wie.“ Klein- Link meldete sich gleich zu Wort: „Das war einfach, ich habe etwas von meinem Blut auf das Medaillon geträufelt. Es hat irgendwie einen eigenen Willen, und passt sich den Wünschen an, die ihm Blut liegen.“ Er klappte das alte Medaillon auf, betrachtete sich den heiligen Baum in der Mitte. Und auch die Zeit lief weiter. In einem Ring drehte die Sonne gerade ihre Runde. „Wenn du dein Blut darauf geträufelt hast, sollte ich das vielleicht auch tun“, sprach der Held des Windes, schnappte sich das Medaillon, schnitt mit einem Kuchenmesser in seine rechte Hand und ließ dickes, warmes Blut auf den strahlenden Lebensbaum in der Mitte des alten Reliktes tropfen. Alle drei Köpfe rutschten daraufhin näher und hofften, dass etwas interessantes passierte. Tatsächlich bewegten sich plötzlich die Zeiger der Uhr, die Sonne hetzte mehrmals in ihrem Ring und löste rasch den Mond ab. Genauso verlor der Lebensbaum seine Blätter, es wuchsen rasch welche neu und bunte Früchte keimten unübersehbar. Gleichzeitig leuchteten auch die roten, grünen und blauen Steine, die das Medaillon trug. Eine freudige Melodie erklang aus dem Inneren des Reliktes. Sie war schnell und fiel besonders durch eine Fröhlichkeit auf, die sie in die Umgebung schickte. „Ist das normal?“, meinte der Held des Windes. „Ja, ich denke schon“, sprach das Götterkind. „Ich habe meinen Papa damit wieder ins Leben zurückgeholt, da hat es auch eine Melodie gespielt.“ Der Erwachsene kratzte sich daraufhin am Kopf und kramte aus seiner Tasche den Taktstock des Windes. Er folgte der Melodie damit. „Es ist eine schöne Melodie, und ich bilde mir irgendwie ein, ich habe sie schon einmal gehört… vor langer Zeit.“ Vielleicht war es nur eine Erinnerung, die in seiner Seele schlummerte. Auch Klein- Link kannte diese unvergängliche Melodie. Es war jenes wundervolle Musikstück, welcher man nur mit hylianischen Ohren lauschen konnte… und nur dann… wenn man über Hyrules grüne Wiesen ging. Plötzlich schoss ein in allen Farben funkelnder Lichtstrahl, aufbrausend und erschütternd aus dem Medaillon, über die Köpfe von Klein- Link und Navi hinweg. Es zischte. Es knallte. Und blitzartig rauschte ein weiterer Gegenstand über die drei Köpfe hinweg und landete direkt neben dem Medaillon. Glänzend, und ebenso die Melodie von Hyrule lobpreisend, war es ein zweites Medaillon der Mächtigen, jedoch in weißer Farbe. Wie Porzellan fühlte es sich an. Auch es besaß einen Lebensbaum und viele violette Verzierungen. „Ha“, lachte das Götterkind. „Einfach genial.“ Er freute sich. Konnte es sein, dass diese Medaillons in Verbindung standen. Jenes Medaillon, welches der Held des Windes mit seinem Blut gerufen hatte, musste aus diesem Hyrule stammen. Und das von ihm aus dem anderen Hyrule, wo der Erdenlink einst als Held der Zeit lebte. Es war zwar kompliziert, aber vielleicht würden sich die Dinge doch irgendwie zu einem großen Ganzen zusammenfügen lassen. Der erwachsene Heroe klappte das edle weiße Relikt auf. Ebenso wie das goldene Medaillon der Mächtigen besaß es ein Uhrwerk, und den Kreis von Sonne und Mond. Die Melodie wurde dann leiser, und anstatt der Melodie konnte man nun eine Stimme hören. Es war eine scheinbar göttliche Stimme, die Klein- Link schon oft gehört hatte. Energisch stützte er sich auf den Tisch und staunte: „Um Himmels Willen, das ist Zeruda. Das ist die Stimme von Zeruda, vielleicht der ersten Zelda überhaupt.“ Er würde diese Stimme immer wieder erkennen. Sie sang von großen Schlachten, von einer Zeit, die mehr als einen Helden benötigen würde. Sie kannte vielleicht sogar die Zukunft, und hatte aus diesem Grund das mächtige Relikt mit ihrer starken Magie erschaffen. Sie sang weiterhin, versprach den Heroen eine Teleportation an den einen Ort, wo man den Rat der Helden erschaffen könnte. Und während sie sang, leuchtete bei beiden Medaillons ein winziges Stückchen der feinen Linie, wo sich Sonne und Mond abwechselten. Sie redete davon, dass dieses Leuchten in allen Farben der Welt dann vervollständigt sein würde, wenn alle Helden, die in Zeit und Dimension existieren und welche am Rat teilnehmen wollten, gerufen sind. Dann verebbte ihre Stimme und die Melodie der Wiesen Hyrules trat erneut an ihre Stelle. „Okay…“, sagte das Götterkind und seufzte. Was sollten sie jetzt damit anfangen? „Mmh“, murmelte die einstige Fee neben ihm. „So wie es aussieht, sollte dieses andere Medaillon in die Obhut des Helden des Windes gelangen. Ich hab das so verstanden, dass diese kreisförmige Linie darauf dann vollkommen leuchtet, wenn wir alle Links eingesammelt haben. Und wenn das so ist, so werden diese teleportiert.“ Sowohl Klein- Link, als auch der Held des Windes kratzten sich dann im gleichen Rhythmus und auf die gleiche Art und Weise an der Wange. Sie blickten sich betroffen an, sahen aber dann wieder verlegen weg. „Das heißt wir können jetzt nichts weiter tun, als abwarten?“, murmelte das Götterkind enttäuscht. Sie hatten keine Lösung gefunden? „Ehe wir nicht alle Links gerufen haben, werden wir nicht herausfinden, ob das alles funktioniert?“, sprach er weiter. Es war nicht nur enttäuschend, sondern es ängstigte ihn. „Bei Nayru… was machen wir denn, wenn das alles nicht funktioniert? Angenommen wir finden jeden Link und kehren dann irgendwie auf die Erde zurück, oder in das Hyrule, wo der große Kampf gerade angehalten wurde. Und angenommen diese Linie ist vervollständigt. Sollen wir dann die Zeit wieder laufen lassen, nicht wissend, ob die Links tatsächlich durch Zerudas Teleportation in unsere Welt finden werden?“ Navi zuckte mit den Schultern. Und Klein- Link versank beinahe auf seinem Platz. Das war alles so unsicher… Die ganze Reise. Dann die Tatsache, dass Klein- Link selbst lernen musste, zu töten… Und zusätzlich noch diese Unsicherheit… Er zweifelte. Ja, er hatte maßlose Zweifel über ein Gelingen dieser schwierigen Mission. „Jetzt hört doch mal, ihr zwei“, mischte sich der erwachsene Heroe ein. „Wenn etwas nicht funktioniert, dann nutzt einfach das Medaillon und kehrt hierher zurück. Ich werde hier bleiben, in diesem Land. Und wenn ihr mich braucht, steh ich euch gerne zur Seite.“ Ein stolzes Grinsen legte sich auf das jugendliche, ansehnliche Gesicht des Heroen der Meere. „Auch ich bin ein Held Hyrules… und ich werde hier in Hyrulia etwas Eigenes aufbauen.“ Gerade da ging die Tür und Tetra trat mit bleichem Gesicht herein. Sie musste die Unterhaltung mit angehört haben. Sie war auf den Beinen, aber man sah ihr deutlich an, dass es Kraft kostete. „Was bedeutet das, du willst hier bleiben?“ „Tetra“, sprach Link fragend und las in ihren Augen eine Verzweiflung und Sorge, die er noch nie darin erblickt hatte. Er schluckte und fürchtete sich fast davor es ihr zu erklären. „Äh, wir wissen ja jetzt, was wir tun müssen, wir haben noch etwas zu erledigen“, sprach Navi und schob das ratlose Götterkind mit einem teuflischen Grinsen nach draußen. „Macht Euch keine Umstände, wir kommen schon klar“, ergänzte sie noch. Klein- Link wollte schon herum zappeln, aber verstand die Situation dann. Tetra jedoch stand einfach nur vor ihrem Heroen. Mit einer Skepsis und einem Argwohn durchbohrte sie ihn, was ihn beinahe schwindelig machte. Sie klapperte mit ihrem Schuhen und stemmte die Hände in die Hüften. Noch immer war ihr langes blondes Haar offen und verlieh ihr eine Schönheit, die sie sonst versteckte. „Zelda…“ Und wieder sprach er sie mit ihrem richtigen Namen an, wodurch sie ahnte, dass etwas faul sein musste. Bestürzt sah er weg. „Link, sag‘ mir, was los ist.“ Ihr Ton war stark, dennoch spürte man noch immer ihre Kraftlosigkeit darin. Er trat an eines der Fenster und setzte ein halbherziges Grinsen auf. Die Welt Hyrulia, jetzt, da der Schnee geschmolzen war, ließ viele unberührte Flecke erahnen. Weite Wiesen lagen vor Links Nase, verzauberten ihn zunehmend. Tetra stand plötzlich hinter ihm. Noch immer war sie in das violette, glitzernde Kleid eingehüllt, welches sie bei dem verhängnisvollen Ritual getragen hatte. „Du wirst in Hyrulia bleiben?“, fragte sie mit belegter Stimme. „Du lässt mich im Stich…“ „Das war es doch… was du wollest…“, murmelte er. „Außerdem...“ Er drehte sich um, lehnte sich an das Fensterbrett und lächelte traurig. „Außerdem, was?“, murrte sie. „Du hast selbst gesagt… unser kleines Interludium hatte keine Bedeutung für dich… und es wird nicht wieder vorkommen…“ Er blickte zu Boden und dachte daran, dass er wie immer den Kürzeren ziehen würde. Egal, wie Tetra auf seine Worte reagierte, sie würde niemals zugeben, dass er Recht hatte. Möglicherweise liebte er sie, und sie liebte ihn, dennoch würde es keine Zukunft für sie beide geben. Das ließ Tetra in ihrem Stolz und ihrer Ignoranz gar nicht zu. „Denkst du, ich habe Lust immer… immer nach deiner Pfeife zu tanzen, nur bei dir zu sein, wann es dir in den Kram passt?“ Er trat näher an sie heran, sodass sie augenblicklich zurückschwankte. Er hielt ihr einen drohenden Zeigefinger direkt ins Gesicht. „Auch ich habe Gefühle, Tetra, ob es dir passt oder nicht… und auch ich habe Ziele im Leben, Wünsche. Und ich werde mein Leben nicht damit zu bringen, nur deine Befehle auszuführen.“ Endlich war alles aus ihm herausgeplatzt. Das hatte gut getan. Endlich fühlte er sich besser. „Ich bin sogar egoistisch geworden, nur weil ich dachte, ich müsste mich dir anpassen. Denn du… du bist weitaus egoistischer als ich.“ Und auch das hatte gut getan. Es war alles gesagt, was er sagen wollte. „Ja, ich werde hier bleiben, in Hyrulia. Genauso wie deine ach so geliebten Piraten. Jeder von ihnen hat das Reisen satt, jeder von ihnen strebt nach mehr im Leben als einem ungemütlichen Platz auf deinem Schiff.“ Das war hart und gemein. Und dieser Satz hatte noch mehr Wirkung erzielt als die letzten. Tetra war mucksmäuschenstill und stand wie zu Eis erstarrt vor ihm. Sie schwankte und ließ sich dann auf einen Sessel sinken. „Ich verstehe… jetzt endlich verstehe ich dich, Link.“ Sie stützte ihren Kopf mit einer Hand. Ja, er hatte alles gesagt, schämte sich aber schon fast wieder dafür. Er wollte sie nicht verletzen, aber diese Dinge wollten endlich aus ihm heraus. „Du hast doch nur mit mir geschlafen, weil du geahnt hattest, dass du Schwierigkeiten bekommst, wenn du noch länger Jungfrau bist“, sagte er dann und ballte die Fäuste. Erschrocken hob sie ihren Kopf und blickte ihn mit ihren blauen Augen an. „In deiner Welt erfolgt alles nach Plan. Ich war nur Mittel zum Zweck.“ Er seufzte. „Ich weiß einfach nicht mehr, was ich glauben soll, und ob ich dir überhaupt etwas bedeute.“ Tetra hörte sich seine Klage aufmerksam an. Und sie war gleichzeitig so erschrocken davon, wie Link sich fühlte, dass sie kein Wort herausbrachte. Sie war den Tränen nahe. Das erste Mal seit Ewigkeiten war sie, wo sie eine stolze, starke Frau war, den Tränen nahe. Hinter dem großen Tor in diesen Speisesaal, lauschten Navi und Klein-Link fassungslos der Unterhaltung. Die Worte jenes Helden waren unglaublich. Aber gleichzeitig war vieles darin eine Erklärung dafür, wie er sich verhielt. „Sollen wir irgendwas tun?“, meinte der Junge. Die einstige Fee schüttelte den Kopf. „Lass‘ sie lieber. Es ist Tetras Aufgabe etwas gerade zu rücken.“ „Mmh, vielleicht hast du wirklich Recht.“ „Ich habe immer Recht“, murrte sie, packte den Bengel am Kragen und schleifte ihn in den Schlossgarten. Der Heroe des Windes nahm derweil erneut an der Tafel Platz, blickte östlich, wo sich die stolze Sonne Hyrulias erhob. Er fragte sich beschämt, ob es richtig gewesen war, Tetra das alles zu sagen. Jetzt würde sie ihn erst Recht für einen Waschlappen halten. Er seufzte und traute sich nicht die Prinzessin jetzt nur kurz anzuschauen. Es tat ihm leid… und es tat ihm auch leid, dass sie nun vielleicht gezwungen war, alleine auf das offene Meer hinaus zu segeln. Konnte er das überhaupt verantworten, dass Tetra ihren Willen wie immer durchsetzte und alleine wegsegelte? „Wie…“, sie sprach leise und stockend. „Also… was möchtest du denn hier in Hyrulia tun?“ Sie schaute zu Boden und spielte unruhig mit ihren Händen. „Das interessiert dich doch eh nicht“, pfiff er abtuend, und schon war Tetras Bemühung den ersten Schritt zu machen auf harten Fels gestoßen. Sie seufzte und biss sich auf die Lippe, um sich nicht noch weiter mit ihm zu streiten. Sie war eigentlich zu müde, um sich mit ihm zu streiten, und wollte eigentlich nur, dass sie beide eine Lösung fanden. Nur… gab es diese überhaupt? Wenn Link und auch die Piraten hier bleiben wollten, welche Wahl hatte sie dann? Sie schloss die Augen und erhob sich. Ihre Beine zitterten noch ein wenig von dem Kraftverlust. Und auch sonst war sie erschöpft, aber sie wollte Link nicht verlieren, und sie wollte ihm irgendwie beweisen, dass sie ihn nicht nur als Mittel zum Zweck missbraucht hatte. Noch ehe Tetra selbst wusste, was sie tat, stand sie hinter seinem Sitzplatz und legte ihm ihre kalten Hände auf die Schultern. Link riss daraufhin erschrocken die Augen auf, hüpfte vom Stuhl und blickte sie durchdringend an. Die Wangen der Prinzessin färbten sich etwas rot, als sie murmelte: „Du kannst… ja… wenn du möchtest mit mir kommen…“ Nervös zupfte sie an ihrem Rock. „Auch in das Bett…“ Link bekam auf diese Worte beinahe einen Herzkasper. Das war zwar genau das, was er wollte, aber er fühlte sich dennoch wie vor den Kopf gestoßen. Hatte Tetra gerade gesagt, er solle mit ihr ins Bett steigen? Hatte sie gerade wirklich seine Nähe gesucht. Wollte sie sich jetzt nur einschmeicheln, oder meinte sie es ehrlich. „Ich möchte, dass du weißt, dass ich…“, fing sie an. „… ich hatte nie im Sinn dich irgendwie zu verletzen. Ich kann wohl manchmal ein ziemliches Trampel sein.“ Sie meinte es ehrlich, und doch fragte sich der Heroe, ob das noch die Tetra war, die er kannte. Jetzt auf einmal entschuldigte sie sich. Sie blickte auf und suchte seinen Blick. Selbst in ihren blauen Augen war eine ehrliche Entschuldigung lesbar. Wer wäre Link, dass er ihr nicht verzeihen konnte? Er trat näher und grinste: „Ich verzeihe dir, aber… unter einer Bedingung.“ Er hob mit seiner Rechten ihr stolzes, spitzes Kinn nach oben. Sie musste ihn nun noch deutlicher anblicken. Sie lächelte dann vorsichtig, legte ihren Kopf schief und wartete auf seine Bedingung. „Link, nun rück‘ endlich damit raus. Was willst du?“ „Ich erwarte, dass du mich nicht mehr so herumkommandierst und…“ Gerade nach dem Wörtchen ,und‘ legte Tetra ihm ihre volle, rechte Hand auf den Mund. Sie unterbrach ihn aus gutem Grund. „Du hast von einer Bedingung geredet. Mehr als eine gilt nicht.“ Daraufhin packte der Held des Windes die Prinzessin unter ihrer Hüfte, hob sie auf den Tisch und drückte ihren Oberkörper nieder. „Was?“ Ehe Tetra sich der Situation vollkommen bewusst werden konnte, hatte Link ihre Hände beide mit seiner relativ großen rechten Hand fest im Griff. Sie schaute ihn verwirrt und dann mit mulmigem Gefühl im Magen an. „Was soll das?“, giftete sie. Ihre Wangen waren deutlich errötet. Sie spürte Hitze in sich aufsteigen, konnte aber nicht genau definieren, ob sie das Gefühl als angenehm empfand oder ob sie es los werden wollte. „Ich zeig‘ dir, dass ich Gefühle habe“, sprach er finster, lehnte sich näher und drückte seine Lippen auf ihre. Tetra rührte sich nicht weiter, murmelte irgendetwas und behielt ihre Augen offen. Dann streichelte er mit seiner freien Hand über ihren Hals, umfasste ihre rechte Brust und wanderte dann zu ihrem Bauch. Sie seufzte. Sie zitterte. Sie wusste nicht mehr, was sie denken sollte. Link schien das zu spüren und ließ von ihr ab. Tiefsinnig suchte er nach Antworten in ihren blauen Augen. „Ist es denn so schwer für dich, deinen Stolz mal eine Minute zu vergessen?“, fragte er. „Tetra… ich möchte wirklich, dass du hier bleibst in dieser Welt, weil ich weiß, dass dieses Land wie für dich gemacht ist. Selbst Daphnos…“ Auf dieses Wort hin, riss sie sich los und stand miesgelaunt vor ihm. „Was ist mit diesem königlichen Kasper?“, sprach sie zänkisch. „Ich habe ihn vor einigen Stunden als Geist in Hyrulia getroffen.“ Sie schluckte: „Du hast diesen verdammten König getroffen, der es gewagt hat, sich in mein Leben einzumischen, und dann tust du noch so, als müsstest du auf ihn hören? Du willst ja bloß hierbleiben, weil er dir diesen Floh ins Ohr gesetzt hat. Ich werde ganz gewiss nicht nach seiner Pfeife tanzen.“ „Ja, weil alle immer nur nach deiner Pfeife tanzen sollen“, erwiderte er und verschränkte die Arme. Sie wollte daraufhin aus dem Raum stürmen, aber der Heroe packte sie mit Leichtigkeit. Sie zappelte wild herum, saß dann aber erneut vor ihm auf dem Tisch. Er nahm ihr Gesicht in beide Hände. „Genau das war meine Bedingung…“, meinte er und warf ihr einen ernsten Blick entgegen. Sie wusste, was er meinte. Sie sollte ihn nicht wieder herumkommandieren. „Ja, okay.“ Ihr Augenrollen sagte ihm, wie entnervt sie war. Vielleicht konnte er es sogar verstehen. Sie war eine Ahnin von Daphnos. Wie ein Fluch musste dieser königliche Titel über ihr schweben und sie tat wirklich alles, um nicht durchblicken zu lassen, dass sie eine Adlige war. „Aber warum, Link? Warum willst du dem Vorschlag des Leuenkönigs nachgehen? Er drängt uns eine Rolle anzunehmen, die niemals für uns gemacht ist. Link, du bist kein Ritter, und ich bin keine Königin.“ Er senkte den Blick. „Das bildest du dir alles ein. Du wehrst dich ja schon seit Ewigkeiten gegen das, was du bist.“ Und auch dieser Satz von dem Helden hatte gesessen. „Ich möchte, dass du hier bleibst… bei mir… nicht, weil es Daphnos gesagt hat“, sprach er. „Spürst du nicht, dass das Segeln über alle möglichen Ozeane nur eine Suche ist nach etwas, was du selbst nicht einmal definieren kannst?“ Verwundert hafteten ihre Augen an seinen. „Aber es bedeutet, ich muss mein Piratenleben aufgeben…“ Sie wand sich ab und trat zu dem großen Rundbogenfenster, ließ ihren Blick über diesem neuen Hyrule schweifen. „Für alles neue, muss man etwas Altes aufgeben. Kommt es nicht vielmehr darauf an, mit wem man zusammen ist, nicht darauf, wo man lebt?“, sagte Link und legte ihr sanft die Hände über ihren Bauch. Sie lächelten beide, während sich die Sonnenstrahlen über grüne Wiesen legten und die wippenden Gräser leuchteten. „Ja, vielleicht hast du Recht“, sprach sie leise, blickte sehnsüchtig in Richtung des Hafens, wo ihr Schiff noch immer im Hafen lag. „Lass‘ uns versuchen hier zu bleiben, wenn es dir nicht gefällt, können wir in einigen Monaten immer noch weitersegeln.“ ,Das war ein guter Kompromiss‘, dachte sie still. Er begann daraufhin langsam ihren Hals zu liebkosen. Seine rauen Lippen fühlten sich wohltuend auf ihrer Haut an. Dann streifte er vorsichtig an ihrer rechten Schulter das violette Kleid etwas hinab. „Als ich wissen wollte, wie es dir geht… als du aufgewacht bist, habe ich auch diesen Fleck gemeint.“ Sie griff sich gleich an jene Stelle auf ihrer Schulter. „Seit wann hast du das?“ Sie drehte sich zaghaft um, seufzte und blies einen gelangweilten Luftstrom aus ihren Lungen. „Was interessiert dich das überhaupt?“, murrte sie. Streitlustig hob der Heroe sie dann in die Luft und setzte sie auf das Fensterbrett. Er küsste sie wieder, und diesmal ließ Tetra es sich gefallen. „Du weißt, dass es mich interessiert“, sprach er, während des Kusses. Nach der liebevollen Geste legte sie ihren Kopf auf seine Schulter. „Seit wir diese Insel erkundet haben… als du das Fieber hattest, seitdem hab ich das. Ich hab schon alles versucht, es geht nicht weg. Ich hab sogar die Heilerinnen diese Nacht gefragt. Diese meinten, es würde wie ein Muttermal bleiben, aber sie haben mir eine Creme gegeben, um das Zwicken zu beseitigen. Es ist nichts Schlimmes… es kommt nur davon, dass ich zu oft meine Macht zum Heilen benutzt habe.“ Er legte eine Hand auf ihre rechte Wange und küsste Tetra wieder. „Ich bin beruhigt deswegen. Versöhnen wir uns jetzt?“ Er grinste verschmitzt. Sie grinste ebenso, ein wenig rebellisch, ein wenig hinterhältig, wie es ihre Art war. Und ihre Blicke sagten deutlich, dass sie die gleiche Vorstellung von einer Versöhnung hatten. Tetra legte ihre Hände auf seinen glatten durchtrainierten Oberkörper und umschlang ihn mit ihren Beinen. „Wie wäre es, wenn wir die Tür dort abschließen?“, meinte er. „Gute Idee“, sagte sie leise und kam seinem jugendlichen, frischen Gesicht mit ihren Lippen näher. Sie lächelten beide, während sie einander verwöhnten. Es war eine angenehme Stunde gegenseitigen Verständnisses und Einfühlungsvermögens. Die neue Welt wurde nebensächlich für sie beide, aber ihre beiden Gefühle hatten sie erst finden lassen. Hyrulia war ihr Schicksal… Wenige Tage verstrichen hier im Frühling von Hyrulia. Die an jenem Tag gekrönte Königin Zelda stand mit freundlichen Hofleuten, ihrem Ritter Link, Navaeli, Aphidel und den treuen Piraten am Hafen und würde die beiden Gäste Navi und Link verabschieden. Und wie es sich für eine Königin gehörte, war Tetra in feinste Gewänder in den Farben violett und weiß gehüllt. Ihr blondes, volles Haar war hochgesteckt und nur wenige Strähnen fielen geschmeidig an ihren Elfenohren hinab. Eine Krone aus Weißgold verzierte ihre Stirn. Und wenn man genau hinschaute, sah man ein kleines Detail an ihrem rechten, weißen Handschuh. Dort funkelte ein zierlicher Ring mit drei lilafarbenen Edelsteinen. Auch der Held des Windes war kaum wiederzuerkennen. Er trug eine weiße Tunika mit einigen Abzeichen für Tapferkeit und erstaunliche Heldentaten. Ein langer violetter Umhang schmückte seinen Rücken. Das Schwert der Legende trug er an seinem Gürtel. Mit der rechten Hand hatte er Tetras linke Hand umfasst. „Wir wünschen euch beiden alles Glück Hyrules für eure schwierige Reise“, sprach Tetra und lächelte. „Ihr beide packt das schon.“ Sie konnte nicht wiederstehen und kniff sowohl Navi als auch Klein- Link in ihre rechten Wangen. Sie zankten beide, nickten aber dann lächelnd, als Tetra sie schließlich umarmte. „Normalerweise stehe ich nicht auf solche Gesten, aber ihr beide habt mir echt geholfen“, sagte sie. Das Götterkind gab der Zelda jener Welt noch ein Küsschen auf eine Wange und umfasste dann das Medaillon der Mächtigen mit der linken. „Danke für eure Hilfe“, meinte Navi und verabschiedete sich mit einer Umarmung von ihrem Ebenbild, der erwachsenen Fee Navaeli. „Es ist schön, dass wir uns getroffen haben“, meinte sie zu der größeren. „Ich bin auch dankbar dafür, und denk‘ an die Feder, Navi“, meinte sie. Dann verabschiedeten sich einige Hofleute und die Piraten von den beiden. Nur der Held des Windes war noch an der Reihe. Navi gab ihm einen gutgemeinten Stoß in die Rippengegend und sah dann zu ihm auf. „Deine Großmutter und deine Schwester wären sehr stolz auf dich, Link.“, sagte sie. „Und wir sind es auch.“ Navi lächelte glücklich und auch der Heroe grinste zufrieden. „Irgendwo sind sich die Helden der großartigen Legende alle ähnlich, und doch ist es gut, dass sie nicht alle gleich sind“, lachte die einstige Fee. „Der Meinung bin ich auch“, murmelte der Heroe, kniete nieder und blickte Navi und das Götterkind grinsend an. „Ich denke auch, dass ihr diese Mission packt. Aber passt auf euch auf, besonders du, Navi.“ Und sein Fiebertraum kam ihm wieder in den Sinn. „Keine Sorge, ich kann auch auf sie aufpassen, denn schließlich wird aus mir ebenso ein Held der Legende, wenn nicht sogar der beste!“ „Das werden wir noch sehen“, lachte der Held des Windes, nahm den Bengel in den Schwitzkasten und rubbelte ihm über den blonden Schopf. Das Götterkind quietschte, aber lachte auch. „Okay“, meinte Navi. „Wir sollten dann loslegen.“ Sie nahm den jungen Link an einer Hand und schleifte ihn einige Meter weiter. „Macht es gut, Leute. Wir werden euch sicherlich irgendwann besuchen“, sprach Klein- Link, schnitt sich mit der Spitze seines Dolches in den rechten Zeigefinger und ließ das Blut auf das Medaillon rinnen. „Wir werden dich rufen“, sprach Navi, während sich die Macht des Medaillons langsam steigerte. Der Held des Windes nickte. Allmählich wurden ihre Gestalten blasser, das Medaillon arbeitete rasch, umhüllte beide Kinder mit Bändern aus allen existierenden Farben… Und von einer Sekunde auf die andere waren sie beide verschwunden. Sie würden ihre Reise forstsetzen und in eine weitere Welt eintauchen. Hier in Hyrulia jedoch herrschte der Frieden. Das Leben hier konnte endlich beginnen. Und die Prophezeiung hatte sich erfüllt. „Zeit und Wind dienen als Vorboten für frevelhaftes Schicksal. Da das Verderben uns heimsucht, wandeln wir auf seidenen Pfaden… die Kräfte eines neuen Gleichgewichtes der Macht erfüllen unsere Welt im Schimmer von Eis und Kristallen… Ein Hyrule, geschöpft aus Hoffnung und Magie. Eine Welt, die sucht nach seiner Königin. Unsterblich soll sie sein. Ihr Name ward ewig. Ihr Lächeln überwand den Tod…“ Die Königin dieser Welt tanzte im Rhythmus mit den alten Legenden, mit ihren Landsleuten und ihrem Schicksal. Sie würde einen ewigen Namen tragen und ihr Lächeln hatte dem Tod einen Streich gespielt. Ein neues Hyrule wurde erlöst von seinem Fluch. Und anstatt von Flocken und Kristallen fielen geräuschvoll wie Noten bunte Blütenblätter im Frühling… Kapitel 132: Ein Heroe, den die Zeit besiegte… Teil 1 ----------------------------------------------------- Zunächst ein großes, liebes Danke an die Leser, die meine Fanfic noch immer verfolgen... danke, ihr seid die besten. Ganz lieb grüßen möchte ich die Kommi- Schreiber der letzten beiden Kapitel. Ihr (und die lieben Zeldafans aus dem Faylen7-Forum) wart mir eine wertvolle Motivation weiter zu schreiben, danke. lg Faylen7 ________________________________________________________________ In einer Stadt, die benannt wurde nach einem alten Wesen, welches in einer anderen Geschichte lebte, fiel tosend und heftig der Regen. Ein mürrisches Gewitter, drohend, gewaltig und zerstörerisch, haftete am düsteren Nachthimmel, schickte flackernde Blitze und dunkles Grollen hinab auf die spitzohrigen Menschen, die hier lebten. Es war eine sehr große Stadt, erbaut schon früh in der Geschichte Hyrules, und moderner als viele andere Städte hier in einer fortschrittlichen Zeit. Die Stadt schien menschenleer. Durch einen ungeklärten Stromausfall spendete keine elektrische Quelle Licht. Die Straßenlaternen waren dunkel. Die modernen Hochhäuser ebenso, genauso wie Supermärkte und die spärlichen, des nachts gefährlichen Parkanlagen. Nur in dem pompösen Regierungsgebäude jener Stadt brannte zu so später Stunde noch Licht. Womöglich ein Notstromaggregat, welches die dort tätigen Hyrulianer noch in ihrer bedeutsamen Arbeit unterstützte. Hier und da zeigte sich ein Hyrulianer, der hastig in einem Wohnblock eines großen Viertels verschwand. Ab und an fuhr ein flotter Wagen über die mehrspurige, geteerte Straße, die direkt durch die Innenstadt verlief. Man nannte diesen Ort Saria, eine großartige Stadt gelegen im Herzen von Lanayru, erbaut schon zu Zeiten der ersten Könige von Hyrule. Sicherlich veränderte sich die Welt, das Staatssystem war nicht mehr dasselbe und doch gedachte man an jenem Ort noch häufig den Erzählungen um Magie und tapfere Helden, die einst das ganze Schicksal der Welt bestimmten. Plötzlich schoss ein kräftiger, gleißender Blitz in einer Parkanlage nieder, der in vielen Farben erstrahlte. Und nur in einem nahen Krankenhaus blickte eine junge Ärztin in der Sekunde in diese Richtung, wunderte sich mit einer Kaffeetasse in der Hand über das bunte Farbenmeer des Blitzes, blickte noch einmal irritiert zu der düsteren Parkanlage, wo der Blitz niederging, wurde aber dann vom Fenster weggerufen und auch dort in jenem Fenster ging das Licht eines Notstromaggregates aus. Im heftigen Regen aber, dort wo in einem Strudel aller existierenden Farben jener Blitz niederknallte, wurden zwei Wesen, beide augenscheinlich jung, beide mit Kleidung, die man in diesem modernen Hyrule nicht trug, einfach in diese Umgebung geschleudert. Ein quarriger Schrei Klein- Links hallte umher, und kurz darauf folgte das mürrische Gebrabbel seiner Feenbegleiterin. „Verdammt. Verdammt und nochmals verdammt. Wo, bei der ersten Feenkönigin, sind wir jetzt wieder gelandet?“, rief sie empört, ahnte aber, dass ihr ohnehin niemand darauf antworten würde. Zusammengesunken im Matsch saß sie da. Ihr blondes, dickes Haar hatte sich aus den zwei geflochtenen Zöpfen gelöst und fiel in nassen, mit Dreck beschmierten Strähnen hinab. Ihr weißes Kleid mit den grünen Verzierungen war beschmutzt und unansehnlich. Unschuldig dreinblickend tapste der junge Link näher, kratzte sich am ebenso Schmutz besudelten Haaransatz und reichte der eingeschnappten Navi eine Hand. „Ähm, tut mir leid“, meinte er albern und meinte damit sicherlich die Nässe und den Matsch. „Witzbold, ich bin zwar alt, kann aber durchaus noch auf den Beinen gehen!“, murrte sie und erhob sich. Sie maulte weiterhin. „Es ist kalt und ekelhaft“, fauchte sie. „Das weiß ich selbst, ich kann ja auch nichts dafür.“ Streitsuchend blickte sie ihn an. „Ach nein, du trägst dieses Erbstück von Zeruda, es liegt ganz allein an dir, wo es uns hinbringt, Schwachkopf!“ Vor Wut trampelte sie mit ihren klobigen Kinderbeinen so sehr auf dem Boden herum, dass ihre Sandalen im Matsch stecken blieben. „Argh, auch das noch!“, schimpfte sie. Allmählich wurde es Klein- Link doch zu bunt mit dieser Fee. Sie konnte echt nur meckern. Wen interessierte das bisschen Regen und Matsch, wenn auf der Erde vielleicht etwas nicht stimmte. Der Vorfall in Hyrulia, als er verblasste, huschte ihm wieder durch das Gemüt und es war nicht gerade ein schönes Gefühl, was ihn da begleitete. Nachdenklich blickten seine himmelblauen Augen auf und erkundeten die Gegend. Dieses Zeitalter, zumindest das, was er in der Schwärze dieser Nacht und des düsteren Himmels entdecken konnte, sah ähnlich aus wie auf der Erde. Die Gebäude, die Straßen, sogar die Verkehrsschilder. Alles wirkte ähnlich wie jene Dinge der in Trümmern liegenden Menschenwelt. „Weißt du, wo wir sind?“, fragte Navi biestig, als sie ihren mit Dreck eingekleisterten Schuh betrachtete und riss den Jungen neben sich aus seinen Gedanken. „Woher soll ich das denn wissen?“, antwortete Klein- Link. „Kann es sein, dass wir wieder auf der Erde sind?“ „Unwahrscheinlich“, entgegnete Klein- Link. „Das Medaillon müsste sich nach meinem Wunsch richten in die nächste Welt zu gelangen.“ „Hätte ja sein können, du besserwisserischer Mützenträger.“ Der Junge verdrehte die Augen auf diese Bemerkung. Musste Navi eigentlich bei allem, was er sagte, das letzte Wort haben? Das war ja unerträglich, dachte er. Warum konnten sie beide diese schwierige Mission nicht einfach ohne unnötige Streitereien hinter sich bringen? „Nun ja, wie auch immer, besser wir gehen zunächst mal aus dieser Parkanlage hinaus“, entschied er und lief einige Meter vorwärts. „Und was bitte schön, soll uns das bringen?“ Ungeduldig stapfte Navi hinter ihm her und fröstelte etwas. Klein- Link seufzte. Konnte nicht irgendwer dieser Ex- Fee das Maul stopfen? „Navi, jetzt halt endlich dein verdammtes, überflüssiges, dummes Mundwerk“, fauchte er sehr laut und deutlich, während über ihm das Licht einer Straßenlampe aufflackerte. „Wir werden schon eine… Lösung…“ Plötzlich brach der Junge in seinen Worten ab. Seine himmelblauen Augen erstarrten, als wäre die Zeit stehen geblieben. Ein Zischen in der vom Licht gespaltenen Dunkelheit des Parks war alles, was dem Schweigen des Jungen vorausging. Das Götterkind ächzte, fasste sich dann sachte an seine rechte Schulter und fühlte dort etwas spitzes, was sich gleichmäßig in seine Haut gebohrt hatte. Seine Knie wurden weich wie Butter und er sank nieder. Gleichzeitig tauchten im Gebüsch des Parks unzählige rotglühende Augen auf. Schatten huschten umher, die sich den Regen und die Düsternis geschickt zunutze machten. Ängstlich stand Navi einfach da, begann zu quengeln und verfolgte mit schneller werdendem Puls die Kreaturen, die unverständliche Wortfetzen umher warfen. „Was wollt ihr von uns?“, rief sie. Gerade da zischten weitere Pfeile oder ähnliches durch die Dunkelheit. Hastig warf sie sich zu Boden, direkt neben Klein- Link, dessen hetzende Atmung sie beunruhigte. Er hatte seine Augen geschlossen und hielt mit der linken Hand seine rechte Schulter fest. Mit Tränen in den Augen gedachte Navi seinen möglichen Eltern, die ausgerechnet ihr die Verantwortung aufgetragen hatten, auf ihn Acht zu geben. Warum nur war sie, als eine der ältesten Feen überhaupt, so nutzlos geworden und so schwach? Und alles, was sie konnte, war ihn anmeckern… Zaghaft berührte sie mit ihren beiden dicken, schmutzigen Händen seine Wangen und sprach zu ihm, forderte ihn auf, seine Augen aufzumachen, während über ihren beiden Köpfen zahllose Wurfgeschosse hinweg zischten. „Warum greift ihr uns an?“, rief sie mit zitternder Stimme. ,Ich dachte, wir wären in einer modernen Welt, und jetzt werden wir hier einfach von Kreaturen der Nacht angegriffen…‘, dachte sie. Was für ein Hyrule war das? In dem Augenblick ertönte eine kräftige Frauenstimme, die sich ebenso im Schatten des Parks aufhielt. Eine silberne Schusswaffe in ihrer rechten Hand leuchtete auf, als sich ein niedergehender Blitz darauf spiegelte. Mit erstaunlicher Schnelligkeit huschte sie näher, wirbelte mit der Waffe umher und schoss wahllos auf jene in der Düsternis existierenden Kreaturen. Sie schwang ihren Körper in einer Weise durch den Regen und die Kälte, als würde die Schwerkraft für sie nicht existieren und anhand eines geschulten Auges konnte man eine alte Technik der Shiekah in ihren Bewegungen deuten. Mit kreischenden Stimmen wurden die Wesen in den Schatten niedergemetzelt, erzählten den umher wirbelnden Kugeln ihr Testament und schwiegen für immer. Als die Stimmen des dämonischen Volkes endeten, war es nur der Regen, der seinen Gesang in niederprasselndem Rhythmus preisgab. Die kampferfahrene Frau jedoch trat näher und das flackernde Licht der einzelnen Straßenlampen fiel auf sie nieder. Kinnlanges, pechschwarzes Haar hatte die Dame in einem kurzen Zopf am Hinterkopf zusammengebunden. Sie war gekleidet in einem weißen Arztkittel und in silbern funkelnden Stöckelschuhen. Tiefblaue, freundliche Augen, in denen sich Mut und Gerechtigkeitsliebe spiegelten, strahlten überrascht, aber gleichzeitig auch etwas schockiert hinab zu den beiden spitzohrigen Besuchern jener Welt. „Ist mit euch alles in Ordnung?“, murmelte die Frau und kniete nieder. Neugierig wanderten ihre eindrucksvollen, vertrauten Augen zu Klein- Link. Man sah ihr deutlich an, dass die Kleidung der beiden Kinder sie verwirrte. „Ich habe vorhin etwas Komisches im Park leuchten sehen“, erklärte sie und blickte Navi hoffnungsvoll an. „Kannst du mich verstehen, Mädchen?“, sagte sie. Sie war gut zu verstehen, auch wenn ein merkwürdiger, holpriger Akzent in ihrem Hylianisch lag. Navi nickte nur und schaute kreidebleich in die Augen jener Dame. Diese kräftigen, muterfüllten Augen… sie erinnerten sie an jemanden, den sie sehr wertschätzte. Eine unergründliche, hoffnungsvolle Farbe. „Klein- Link, er…“, sprach Navi stockend und war mit ihrem nervösen Gestammel kaum zu verstehen, musste das Ereignis von grade eben erst einmal realisieren. Sie waren in eine neue Welt gelangt und in diesem Park sofort angegriffen worden. Dann war diese kampferfahrene, muskulöse Frau aufgetaucht, die sich im Shiekahkampfstil stracks um die Angreifer gekümmert hatte. Und in welcher unglaublichen Manie sie ihren schlanken, reifen Körper durch den Regen geschwungen hatte. In dem Moment wimmerte Klein- Link und schielte mit tränenden Augen zu Navi. Sie war in seinen Augen total verschwommen. Er murmelte etwas von seiner Schulter. Sogleich stürzte sich die fremde Dame über ihn her, schnitt mit einem Skalpell, was sie scheinbar in einer Tasche ihres Arztkittels versteckt hatte, seine Tunika entzwei und betrachtete sich eine Wunde an seiner rechten Schulter. „Das ist ein Wurfgeschoss der Hyl Moblina, das in seiner Haut steckt. Warum diese Organisation euch angegriffen hat, ist mir allerdings ein Rätsel“, sagte sie deutlich. „Und was ist jetzt mit ihm?“, murmelte Navi. „Er muss umgehend in ein Krankenhaus, damit wir dort dieses Teufelsding entfernen“, sagte die Dame. Ohne zu zögern packte sie den inzwischen bewusstlosen Jungen auf ihre Arme. „Folge mir bitte. Ich weiß zwar nicht, was zwei kleine Kinder zu so einer Stunde an einem Ort wie diesen zu suchen haben, aber das kannst du mir später erklären.“ Die einstige Fee wusste nicht, wie ihr geschah. Erst dieser Angriff und nun mischte sich diese merkwürdige Frau in alles ein. Rasch schritt die Dame in Richtung eines Gebäudes, welches am Rand des Parks stand. Es war ein hohes Krankenhaus, in dem inzwischen wieder vereinzelt Lichter brannten. Navi musste rennen um hinter der starken Frau herzukommen. „Wir hatten gerade eben einen Stromausfall. Die Experten vermuten, es hätte einen Riss in unserem Raum-Zeitgefüge gegeben“, sprach sie. Schleunigst durchquerte sie den Eingang des Gebäudes. Erstaunt blickte Navi umher. Am Eingang des Krankenhauses saß ein Pförtner hinter eine Glasscheibe. Aber es war kein Hylianer. Schwarze Goronenaugen musterten sie aus einem pelzigen Steingesicht, als sie in ihrem altmodischen Kinderkleid hinter der Frau im weißen Kittel herlief. Ab und an kamen ihnen beiden Leute entgegen, die die Ärztin lächelnd begrüßten. Es war alles dabei. Von Vogelmenschen, Hylianern, Zoras, Gerudofrauen, zu kleinwüchsigen Koboldmenschen. Sie gelangten in einen größeren Saal, wo einige Arzthelferinnen an einem Schalter herum werkten, viele Geschöpfe auf Nachrichten von Angehörigen warteten und überhaupt sehr viel Trubel vorherrschte. „Dr. Couraiga, was haben Sie uns denn hier mitgebracht?“, fragte ein junger Arzt, ein Zora, der ebenso einen weißen Kittel trug. Vermutlich lebten in diesem Hyrule verschiedene Rassen miteinander und übten sogar moderne Berufe aus. „Ich habe diesen Jungen im Park der Titania entdeckt, vermutlich eine körperverwandelnde Vergiftung, verursacht durch einen Pfeil der Hyl Moblina.“ Der junge Arzt hob eine blausilberne Augenbraue und zwinkerte mit seinen schwarzen Zoraaugen. An seinen langen, dünnen Armen zuckten die schwabbeligen, feuchten Flossen, als sehnten sie sich nach Süßwasser. „Dieser Junge hat nichts bei sich, vermute ich mal. Eine Krankenversicherung können wir wohl nicht erwarten“, erklärte die Frau mit den tiefblauen Augen. „Aber Dr. Couraiga. Ihr wisst genau, dass wir uns damit in Schwierigkeiten bringen. Wenn er aus Ordonien kommt, können wir hohe Haftstrafen erwarten, falls wir seine Behandlung übernehmen, gerade jetzt, wo in Ordonien diese merkwürdigen Dinge geschehen. Ihr wisst besser als jeder andere, dass wir uns in die Belange von Ordonien nicht einmischen dürfen.“ Die Ärztin verengte ihre Augen und entließ ein unzufriedenes Zischen aus ihrem Mund gleiten, als wolle sie sich wie eine Katze auf den Ärger vermeidenden Zora stürzen. „Das ist mir egal, ich übernehme die Kosten für seine Behandlung“, argumentierte sie entnervt. „Außerdem… wie weit sind wir schon gekommen, dass wir Kinder in diesem Land sterben lassen, die möglicherweise auf der Flucht sind.“ Der Zora senkte den Kopf, schien zu überlegen… Letztlich willigte er in die Behandlung ein. Klein- Link wurde sofort auf eine Trage gelegt und von zwei Krankenpflegern hinfort geschafft. „Der OP-Saal sieben ist frei. Ich werde die Narkose vorbereiten“, sprach der Zora, worauf Dr. Couraiga nickte. „Mädchen“, rief die hilfsbereite Ärztin, kniete nieder und erklärte. „Du wartest hier. Der Eingriff wird nicht sehr lange dauern.“ Hilflos sah Navi dem Geschehen einfach zu. Sie war so vor den Kopf gestoßen, was in dieser kurzen Zeit alles geschehen war, und dass sie auf absolut nichts Einfluss nehmen konnte, dass sie nur lethargisch nickte. Die durchsetzungsfähige Frau eilte dann fort. Trübsinnig platzierte sich Navi auf einem freien Holzstuhl in diesem Aufenthaltsraum. Mit Tränen in den Augen saß sie da, hilflos in einer fremden Welt, und ohne Unterstützung. Klein- Link schwebte möglicherweise in Lebensgefahr. Und was sollte sie machen, wenn er nicht bald wieder auf den Beinen war? Gerade da wurde ihr die Tragweite dieser ganzen Reise bewusst. Ganondorf würde siegen, wenn Klein- Link fehlschlug… Hyrulia war ein Witz gewesen, wenn sie es mit dieser verwirrenden, großen Welt verglich. Dort hatten sie Zelda und Link gleich gefunden. Und hier? Wie sollten sie beide in einer so modernen Zeit diese beiden bedeutsamen Seelen ausfindig machen? Ob der Link dieser Welt überhaupt etwas mit der Zelda jener Zeit zu tun hatte? In einem großen Fernseher, der hängend an einer Wand angebracht war, gab eine große Fee gerade die neusten Meldungen durch. In der Hauptstadt Saria des Bundeslandes Lanayru war durch ein noch ungeklärtes Ereignis überall der Strom ausgefallen. Die Techniker und Magier bemühten sich gerade hinter die Ursache jenes Defektes zu gelangen. Danach folgten Meldungen über die gerade ausgezählten Wahlstimmen, die der Partei um Ministerpräsidentin Harkinian den größten Zuspruch in der Geschichte der Demokratie gaben. Der amtierende Weise des Lichts wurde mit dem Masterpreis geehrt, da seine Forschung um die heilende Wirkung des Lichts einen bahnbrechenden Hinweis für Theorien der Bannung von Dämonen geben konnte. Und die als erschreckendste Meldung des Tages gehandelte Nachricht wurde von Ministerpräsidentin Harkinian persönlich bekannt gegeben, die gerade von mehreren Reportern interviewt wurde. Es war eine schöne, schlanke Frau im hohen Alter mit hochgesteckten blonden Haaren, obgleich man ihr das hohe Alter nicht ansah. Bezüglich der Entführung des Botschafters L. Couraiga, der sich als früheres Oberhaupt der Masterritter einen hohen Namen gemacht hatte, konnten noch keine weiteren Erkenntnisse gewonnen werden. Augenzeugen berichteten zwar, er wäre an der Grenze zu Calatia aufgetaucht, aber es könnte sich hierbei um reine Spekulationen handeln. Ebenso ist ungeklärt, inwieweit die Entwendung des MS mit den Machenschaften der Hyl Moblina in Verbindung steht. Sicher ist nur, dass der Rat der Masterritter derzeit alles in ihrer Macht stehende täte um L. Couraiga zu finden. Die große Nachrichtenfee erschien wieder auf dem Bild und verkündete noch den Wetterbericht, anschließend folgte die Werbung. Nachdenklich beobachtete Navi die Leute, die hier einmal lächelnd und einmal mit Tränen in den Augen den großen Saal verließen. Es war vielleicht seltsam, dachte sie. Obwohl sie schon so lange lebte, und viel Erfahrung haben sollte, so fühlte sie sich in dieser Welt tatsächlich wie ein kleines Kind. Viele Dinge im Hier und Jetzt hatte sie nie wahrgenommen. Sie hatte sich früher nie die Zeit genommen Geschöpfe der Welt zu beobachten. Als kluge, unsterbliche Fee fühlte man sich so frei, man hatte so viel Zeit… Eigentlich hatte Zeit für sie nie eine Rolle gespielt. Und nun, jetzt in dieser verrückten Mission, war Zeit das Druckmittel, mit dem sie nicht umzugehen wusste. Ein kurzer Gedanke an das linkische Grinsen des Götterkindes huschte durch ihre Gedanken und ein Vergleich mit dem damaligen Link, den sie begleitet hatte… Das Götterkind hatte keine Ahnung, wie ähnlich er ihm letztlich war. Und sicherlich würde aus diesem Jungen noch ein Held werden, der womöglich größeres vollbringen würde als man vermutete. Navi lächelte ein wenig. Ein Held, der andere Dimensionen besuchte, dachte sie. Ein Held, der mächtiger werden würde als einer der die Zeit oder den Wind beherrschte. Nach etwa einer halben Stunde trat die elegante Dr. Couraiga zurück in den großen Saal. Sie zwinkerte Navi zu. Ein herzliches, erfreutes Zwinkern, welches ihr sagte, dass soweit alles in Ordnung sein musste. Erleichtert rannte Navi der Frau hinterher und fand Klein- Link in einem abgelegenen Einzelzimmer wieder. Draußen trommelte der Regen noch immer wie wild an die dicken Fensterscheiben. Klein- Link war an einige Schläuche angeschlossen. Und ein großer Verband hüllte seine rechte Schulter ein. Seine grüne Tunika war vermutlich in den Müll geschmissen worden. Aber das Medaillon der Mächtigen hing zum Glück noch unversehrt um seinen Hals. Sein Gesicht war ziemlich blass und etwas Schweiß saß auf seiner Stirn. Er wirkte so unschuldig und jung. Die Bürde, die er zu tragen hatte, und dann die Tatsache, dass ihm vieles in seiner Entwicklung fehlte, weckten Navis Mitgefühl mehr denn je. Er tat ihr leid, obwohl er alles andere als Mitleid verdient hatte. Er war bewundernswert, einfach nur bewundernswert. Die Frau mit den tiefblauen Augen deutete auf einen Platz am Bett des schlafenden Jungen und setzte sich ebenso. Besorgt schielte das grünäugige Mädchen zu ihrem Begleiter durch die verrücktesten Dimensionen und murmelte: „Wie geht es ihm?“ „Sehr gut, muss ich sagen. Er hat einen unglaublichen Willen und Durchhaltevermögen“, entgegnete die Ärztin. Sie blickte kurz auf die Anzeige mit seinen derzeitigen Werten und lächelte dann. „Ja, das hat er“, entgegnete Navi. „Ich muss Ihnen wohl danken, dass sie sich so um ihn bemüht haben, obwohl Sie ja nichts mit der ganzen Sache zu tun haben.“ Die Frau lachte: „Nun ja, man tut, was man kann als Ärztin. Soweit ist mit ihm alles in Ordnung. In wenigen Stunden wird er wieder wach sein.“ „Was genau ist jetzt überhaupt passiert?“, fragte Navi und nahm kurz die linke Hand Klein- Links in ihre beiden. Selbst seine Hände waren durchgeschwitzt. Er hatte einen Kampf hinter sich. Einen weiteren in seiner grausamen Zukunft… „Er hatte ein sich festklammerndes Wurfgeschoss in seiner rechten Schulter.“ Die Dame holte dann ein silbern funkelndes, pyramidenförmiges Wurfgeschoss aus ihrer Arztkitteltasche. Sie tippte kurz auf die Spitze jenes kleinen Gegenstandes und es öffnete sich raschelnd. Viele Stacheln kamen zum Vorschein. „Diese Dinger benutzten die Hyl Moblina, du weißt schon, die geheime Organisation der dunklen Wesen Hyrules.“ Irritiert blickte Navi auf den Gegenstand und musste das alles einmal in Ruhe durchgehen. In diesem Hyrule, fortschrittlich gewiss, existierten jedoch noch Magie und selbst Dämonen. Und jene Dämonen hatten sich also in einer Organisation zusammengeschlossen, die sich moderner Technik in der Entwicklung hochwertiger, vernichtender Waffen bediente. „Normalerweise greift die Organisation jedoch keine Kinder an“, sprach die Frau erklärend. „Jedenfalls ist im Inneren des Geschosses ein starkes Gift. Und es gibt viele Giftsorten mit unterschiedlichen Wirkungen, die die Hyl Moblina verwendet. Dieses hier jedoch ist mir ein völlig unbekanntes, welches ich vorher noch nicht gekannt habe.“ Navi schaute nun noch hilfloser drein und die Ärztin verstand. Anscheinend war das alles im Augenblick etwas zu viel für das Mädchen. Und Navi war in dem Augenblick auch noch nicht in der Lage eins und eins zusammenzuzählen. Noch hatte der Name Couraiga sie nicht stutzig gemacht… „Ach ja, ich hab‘ mich bei dir noch gar nicht vorgestellt, was?“, sagte die Frau schließlich und grinste dümmlich. Sie ließ ihren hübschen Kopf auf die rechte Schulter sinken und blickte das Mädchen fragend an. Navi schüttelte unbeeindruckt und scheinbar teilnahmslos den Kopf. „Ich bin Lia Couraiga und hauptberuflich Ärztin. Und wer seid ihr beide?“ Die Frau lächelte. Sie hatte ein unglaublich schönes und beruhigendes Lächeln. „Es ist ziemlich verrückt…“, sagte Navi und schaute nach Antworten suchend umher. Sollte sie der Frau irgendeine Geschichte auftischen? Oder war es gut ihr die Wahrheit zu erzählen? „Mmh, verrücktes gibt es nicht in Hyrule, würde ich sagen“, meinte die Ärztin grinsend. Verspielt öffnete sie den Zopf und ihr kinnlanges, dunkles Haar fiel offen hinab. Überhaupt war diese Frau ein Sinnbild für ein lockeres, unbeschwertes Gemüt. Irgendetwas strahlte jene Dame aus, was sie sofort auf ihr Umfeld übertrug. Eine Art Frohsinn und Optimismus, den man nur bewundern konnte. „In unseren Nachbarländern ist Magie nicht so sehr verbreitet wie hier, vielleicht könnte man sagen, dass dort tatsächlich verrückte Dinge geschehen.“ Verwundert blickte Navi auf. Was hatte sie vorhin in den Nachrichten gehört? „Ich hab‘ vorhin in den Nachrichten mitbekommen… es gab hier einen heftigen Stromausfall, oder?“, meinte sie und hatte eine leise Ahnung, ob nicht das Auftauchen von Klein- Link und ihr diesen Stromausfall verursacht hatte. „Ja, das ist richtig. Aber inzwischen ist an fast allen Orten wieder alles okay“, beruhigte sie die Frau. „Und dieser Ort heißt also Saria“, meinte Navi fragend, worauf die Frau nickte. Navi konnte deutlich erkennen, dass anhand dieser Frage ein Stückchen Misstrauen geschürt wurde. Es musste komisch wirken, dass sie nicht einmal wusste, wie die Stadt hieß, in der sie sich aufhielt. Hätte sie doch bloß ihren Mund gehalten, so wie es Klein- Link vorhin verlangt hatte. „Okay…“, flüsterte die frühere Fee und versuchte weiterhin ihre Gedanken zu ordnen. Saria. Diese Stadt musste zu Ehren jener Weisen erbaut worden sein. Und dieses Bundesland hieß Lanayru. Ein versteckter Hinweis auf jene Göttin der Weisheit. Es war verrückt, dachte Navi. Alles… „In welcher Zeit sind wir jetzt eigentlich?“, fragte Navi unsicher, spielte mit ihren Daumen und blickte dann verlegen grinsend auf. Ob diese Frau ihr glauben würde, wenn sie die Wahrheit erzählte? Oder ob diese Frau schon bei jener Frage aufhören würde, sich zu kümmern und den erstbesten Wagen rief um sie in eine moderne, hylianische Irrenanstalt zu stecken. „Du weißt nicht, in welcher Zeit wir leben?“, fragte die Ärztin mit diagnostischem Gespür. „Nein“, meinte Navi unsicher und vergrub ihre dicklichen Hände in ihrem Kleid. „Nun ja… wir haben das Jahr 2009 nach Dinafa, der Tochter der drei Göttinnen.“ Navi wollte lauthals loslachen über diese Unsinnigkeit. Das wirkte alles wie ein Abklatsch von Mythen der Erdenwelt. Tatsächlich kam sie nicht umher, sich ein leichtes Kichern zu verkneifen. „Nun, Mädchen, du findest das sicherlich nicht ohne Grund so lustig“, sagte die Frau, stand auf und blickte aus einem breiten Fenster hinunter in den Park. „Vor mehr als einer Stunde tat sich vor meinen Augen ein umwerfendes Farbenspiel auf.“ Die Frau verschränkte ihre Arme. „Mein Vater erzählte mir oft von mysteriösen Geschehnissen, die in seinen Träumen herum spukten. Von Magie und seltsamen Orten, die er nie im Leben entdeckt hatte. Er war jemand, der an die Wunder glaubte, die in unserem Hyrule wissenschaftlich angegangen werden. Und seltsame Blitze und Farbenspiele konnte er mit einfühlsamen, erstaunlichen Worten so bildhaft beschreiben, sodass man sich fühlte, als stünde man gerade in dem Moment im Bann der Legenden, die er so wunderbar erzählen konnte. Und als ich dieses bunte Farbenspiel entdeckte, wurde ich an etwas erinnert, was er verlangte in Erinnerung zu behalten. Die Legende der Helden Hyrules…“ Die Frau machte eine kurze Pause, während Navi der Atemzug in der Kehle stecken blieb. Die Legende existierte tatsächlich in dieser Welt? Vielleicht war es dann doch nicht so schwer einen Heroen zu finden, der bereit wäre am Rat teilzunehmen! „Ich rannte hinaus in den Regen und direkt zu jener Stelle im Park, wo ich schließlich euch beide fand.“ Die Frau drehte sich um, und mit ihren erstaunlichen, tiefblauen Augen wirkte sie gerade jetzt noch vertrauter als vorher. „Ich weiß, dass etwas Großartiges geschehen ist“, meinte sie leise und lächelte dann wieder. Vermutlich hatte jene Frau selbst eine unglaubliche Sehnsucht nach den Abenteuern, die jenes Hyrule nicht mehr hergab. „Auch erzählte mir mein Vater von Kriegern in seinen Träumen, die grüne Gewänder trugen. Ich bin nicht dumm, Mädchen, und ich vertraue auf das, was meine Augen sehen“, sprach sie stark. Navi seufzte und ließ sich unsicher auf den Stuhl zurücksinken. Dieser Frau war also nicht entgangen, dass Klein- Link eine grüne Tunika trug. „Nun… da Sie uns so geholfen haben, muss ich wohl einiges erklären… sie werden es ohnehin herausfinden, vermute ich, zumal ich und dieser Junge sicherlich am Stromausfall in dieser Stadt verantwortlich sind“, sagte Navi dann und fühlte eine Welle der Erleichterung über sich hereinbrechen. Sie hatte keine Wahl mehr, dieser Frau etwas zu verschweigen. Es brachte nichts. Außerdem… Navi und Klein- Link benötigten Hilfe in dieser Welt um einen würdigen Heroen zu finden. Irgendwem mussten sie sich anvertrauen. Und die Augen jener Frau. Diese muterfüllte, herzliche Seite ließ Vertrauen so leicht zu. Und da erkannte Navi auch, wo sie jene Augen schon gesehen hatte. Es waren Links Augen. Genau die gleiche angenehme, tiefblaue Farbe der Augen, die Link besaß, jener Link, den sie viele Wochen und Monate in Hyrule treu zur Seite stand. Damals… damals in Hyrule, als alles noch geordnet und einfach war. Trotzdem waren Navi bisher nicht die bedeutsamen Kleinigkeiten ins Auge gesprungen, die Dr. Couraiga enthüllen würden… Die hilfsbereite Frau setzte sich dem Mädchen neugierig gegenüber und schien mit ihren tiefblauen Augen die Wahrheit regelrecht aus Navis Augen herauszuziehen. Navi wusste nicht wirklich, wo sie anfangen sollte und seufzte erst einmal. Sie strich sich über ihre juckende, spitze Nase, die sich immer dann bemerkbar machte, wenn sie nervös war. „Ehrlich gesagt bin ich etwas erschlagen…“, meinte sie ehrlich. „Mein Begleiter und ich sind nicht von dieser Welt…“, sagte sie leise. Mit großen Augen hörte die Ärztin ihrem gegenüber zu. „Zeitreisen? Dimensionsreisen?“, murmelte Dr. Couraiga. Navi nickte fahl, sie hatte schon Sorge, diese Frau würde ihr nicht glauben wollen. „Nun… das ist natürlich nicht einfach zu verstehen, aber erzähl‘ weiter“, bat die Frau. „Wozu? Wenn ihr mir ohnehin nicht glauben wollt, erübrigt sich das doch.“ Und Navis bockige Seite kam zum Vorschein. Sie schaute genervt zu Boden. „Wenn du jetzt frech wirst, Mädchen, setz ich dich auf die kalte, nasse Straße dort draußen“, sagte die Ärztin. „Ich bin kein kleines Mädchen, da fängt es ja schon an. Sie haben nicht die Bohne einer Ahnung, was hier los ist“, sagte Navi. „Gerade deshalb solltest du es mir erklären. Im Gegensatz zu den Sieben Weisen habe ich keine hellseherischen Fähigkeiten“, bemerkte die Frau bitter. „Also bitte. Ich habe euch beiden ohne zu fragen geholfen, ich erwarte wenigstens Ehrlichkeit. Zumindest ist mir eines klar. Um dir so eine Geschichte aus dem Ärmel zu schütteln, wirkst du einfach zu ernst. Erzähl‘ mir deine Geschichte und ich werde sehen, was ich für euch tun kann.“ Unglaublich diese Hilfsbereitschaft. Tat diese Frau diese Dinge aus purer Herzlichkeit? Oder hatte sie vielleicht doch einen Hintergedanken? „Was hätten Sie davon, Dr. Couraiga?“, meinte Navi leise. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass…“ Die Frau unterbrach sie harsch: „Dass was? Dass ich das aus reiner Selbstlosigkeit tue?“ Die einstige Fee nickte und blickte betreten zu Boden. Sie wusste, dass es einerseits unfair war, dieser Frau dergleichen zu unterstellen. „Nun ja, ich bin leider so erzogen worden“, meinte die Dame plötzlich schäkernd, kniete nieder und packte Navi an ihren Armen. Überrascht blickte Navi mit ihren stechenden, grünen Augen auf. „Ich schwöre dir, bei mir ist jedes Geheimnis gut aufgehoben. Vielleicht war es kein Zufall, dass ich euch beide im Park retten konnte.“ Die Frau grinste schon wieder auf eine Weise, die einem das Herz erwärmte. „Also, was hältst du davon?“, meinte die Dame. Navi blies einen langen Strom verbrauchte Luft aus ihren Lungen und tapste zu dem schlafenden Götterkind hinüber. „Wenn ich Ihnen alles erzähle, erwarte ich, dass Sie mir vollkommen vertrauen. Und ich erwarte, dass Sie nicht lachen.“ Die Ärztin nickte, und von einer Sekunde auf die andere war da keine Wärme mehr, sondern tiefe Entschlossenheit in ihren Gesichtszügen. „In einer anderen Welt, einer anderen Zeit von vielen, tobt ein gewaltiger Kampf gegen etwas Dämonisches, gegen jemanden, der alles Böse der Welt in sich sammeln würde, wenn er könnte. Ich wurde zusammen mit dem Jungen dort auf eine lange Reise durch verschiedene Welten geschickt, um immer, in jeder Welt einen Helden zu finden, der an einem Kampf teilnimmt, der über die Zukunft eines ganzen Planeten entscheiden sollte. Und vorhin sind wir hier gelandet, ohne Wissen, wo wir sind, und ob wir hier jemanden finden, der der großen Aufgabe würdig ist“, erklärte das grünäugige Mädchen. Die Kinnlade der Ärztin schien vor Erstaunen herunter zu fallen. „Dieser Junge dort… er ist das Produkt eines göttlichen Experiments. Ja, die Göttinnen Farore, Nayru und Din gibt es wirklich. Ich war lange Zeit im Haus der Götter und habe sie dort oft gesehen.“ Die Ärztin wackelte mit dem Stuhl, auf dem sie saß, und hatte nun einen Grund von dem Stuhl herunter zu krachen. Zu unglaublich klang diese ganze Geschichte. Der Ärztin wich sogar die Röte aus ihrem Gesicht. Navi konnte nicht vermuten, dass diese Frau selbst in einige Dinge eingeweiht war, die den Legenden Hyrules angehörten. Und vielleicht erkannte die Dame in Navis Worten ihre eigene Sehnsucht wieder. „Ich bin eine Fee, die einige Jahrhunderte schon lebt. Eingesperrt in diesem Körper existiere ich durch den Untergang eines anderen Hyrules. Und ich versuche auf diesen Jungen, den man auch Götterkind nennt, während dieser Reise aufzupassen. Nur gelingt mir das mehr schlecht als recht in diesem Körper.“ Navi blickte traurig zu dem schlafenden Jungen im Bett. Sie war den Tränen nahe, nun, da sie endlich zugab, wie sehr es sie schämte, so wenig für ihre Aufgabe tun zu können. Die Ärztin atmete tief ein und machte eine abwehrende Handbewegung. „Moment mal… ich muss das erst mal sortieren. Dieser Junge ist sozusagen ein Gott?“ Navi hatte das Gefühl auf diese Bemerkung lachen zu müssen. „Nein“, meinte sie beherzt. „Er besteht aus zwei Essenzen… aus Bruchstücken von zwei mächtigen Seelen eines anderen Hyrules. Und die Götter haben ihn sozusagen mit diesen Essenzen gebildet… Er hat es nicht leicht. Vor einigen Wochen konnte er sein Erscheinungsbild noch nicht einmal aufrechterhalten.“ „Okay…“, murmelte die Dame mit den tiefblauen Augen und schloss diese erst einmal. „Ich habe vorhin gemeint, ich könnte mir nicht vorstellen, irgendetwas in Hyrule tatsächlich als verrückt zu bezeichnen, aber das… diese Geschichte hört sich für mich einfach unglaublich an.“ Sofort weckte diese Bemerkung erneut das Misstrauen in Navis Gehörgängen. Die Wut stieg ihr zu Kopf, da sie ohnehin aufgeregt war aufgrund der ganzen Geschehnisse in diesem Hyrule und den vielen erschlagenden Informationen. Sie wurde fuchsrot in ihrem Kindergesicht. „Ich habe doch gesagt, Sie würden uns sowieso nicht glauben.“ „Hör‘ zu, was ich gesagt habe“, murrte Dr. Couraiga. „Ich habe nicht gesagt, dass ich die Story für Schwachsinn halte. Ich sehe kein Indiz in deinen Augen, dass du lügst.“ Die Frau lächelte kurz, aber setzte dann einen entschieden grüblerischen Gesichtsausdruck auf. „Wenn ich jetzt darüber nachdenke…“ Und sie strich sich nachdenklich über ihr spitzes Kinn. „… dann würde diese Tatsache erklären, warum die Hyl Moblina euch angegriffen haben. Es gibt dunkle Seher, die sich in dieser Organisation aufhalten. Möglicherweise seid ihr, da ihr beide über Magie verfügt, und einfach in diese Zeit einbrechen konntet, von hohem Interesse für diese Organisation.“ Die Ärztin hatte kaum diesen Satz ausgesprochen, als in dem Krankenhaus erneut die Lichter ausgingen. Die Notstromaggregate reagierten zuverlässig. Und doch war ein erneuter Stromausfall ein Zeichen, dass vielleicht etwas Größeres in diesem Hyrule nicht stimmte. Hektisch hastete Lia Couraiga an eines der Fenster und blickte hinaus in ein Meer aus Dunkelheit. Nicht nur in diesem Gebäude war der Strom ausgefallen. Überprüfend blickte sie von links nach rechts und hatte mit einem Mal die silbern funkelnde Waffe von vorhin in ihren Händen. Ihre tiefblauen Augen warfen ein bedrohliches Funkeln umher, als wären sie ein Instrument zum Kampf. Sie schien etwas zu spüren. Und ihr Gefühl schien sich bisher noch nicht getäuscht zu haben. Sie betätigte einen Hebel an ihrer modernen Schusswaffe und machte diese scharf. „Mädchen, ich schätze, damit ist die Behandlung deines Freundes abgeschlossen“, sprach sie kühl. Sie wirbelte in Richtung des Bettes, zog Klein- Link die Kanülen aus der Haut, und riss ihn und Navi beide mit ihrem freien Arm zu Boden. In dem Augenblick zertrümmerten mehrere Objekte die dicken, festen Fensterscheiben und ein Kugelhagel verfing sich an den weißen Krankenhauszimmerwänden. Navi schrie wie am Spieß, als die sportliche Frau in ihrem Shiekahkampfstil mit den beiden Kindern fest umkrallt aus der einzigen Tür des Einzelzimmers hinausstürmte. Dr. Couraiga verzog nicht eine Miene, sondern wirbelte herum und feuerte mehrere Kugeln ihrer Waffe in Richtung möglicher Verfolger. Inzwischen realisierten weitere Ärzte und Schwestern, dass das Krankenhaus angegriffen wurde. Hylianer hetzten schreiend umher. Goronen, Zoras und Feen rannten aufgeregt aus dem Gebäude und brachten Patienten in Sicherheit. Die Stromversorgung der Stadt arbeitete wieder und von weitem hörte man Sirenen mit aufhetzenden Melodien, vermutlich die Polizei, oder wie immer man jene in Hyrule nannte, dachte die Fee. Navi war immer noch fest im Griff der Ärztin, die erstaunliche Fähigkeiten bewies. Sie zertrümmerte mit der Schusswaffe die Schlösser von Türen, und stieß jene mit kräftigen Kicks auf, nahm mehrere Stufen in einem Treppenaufgang gleichzeitig und das mit ihren funkelnden Stöckelschuhen. Innerhalb weniger Sekunden befanden sie sich zu dritt in einem unterirdischen Parkhaus. Ohne zu zögern, oder nur ein Wort zu sagen, rannte Dr. Couraiga in Richtung eines schwarzen, schicken Hylcedes Morph, dessen Türen wie von Geisterhand aufsprangen. ,Zumindest stand dieser Begriff mit silberner Schrift an der Rückseite jenes Flitzers‘, dachte Navi. Nachdem Klein- Link auf der Rückbank festgeschnallt wurde, Navi auf dem Beifahrersitz saß und auch Dr. Couraiga ihren Platz am Steuer eingenommen hatte, bretterte das flotte Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit über den Teer, sodass die Reifen quietschten. „Warum haben Sie es so eilig, Dr. Couraiga“, rief Navi entgeistert. Denn die Ärztin beschleunigte unentwegt, erst als sie auf eine große Stadtautobahn auffuhr, zügelte sie das Tempo. Ebenso bemerkte Navi, dass der Frau der Schweiß auf dem Gesicht stand. „Ihr beide könnt euch schon mal auf einen harten Aufenthalt in Saria freuen“, meinte sie kühl. „Das war bereits das zweite Mal, dass ihr angegriffen wurdet, und das nicht ohne Grund.“ Kurz blitzen ihre tiefblauen Augen in Navis Richtung. Die einstige Fee seufzte und blickte niedergeschlagen aus dem Fenster. Unzählige Lichter rauschten an ihrem sommersprossigen Kindergesicht vorüber. Es war einfach von einer so großen Stadt einem das Gefühl der Leere aufzudrücken… „Wo fahren Sie eigentlich hin?“, murmelte Navi. Gleichzeitig schien es sie aber nicht sonderlich zu kümmern. „Ich bin der Meinung, dass es für dich und den Jungen besser ist, wenn ihr erst mal bei mir zuhause unterkommt. Mein Zuhause ist abgeschottet von dem Zugriffsbereichen möglicher, dunkler Seher. Im Ernstfall führt von meinem Appartement ein geheimer Schacht in die Kanalisation. Außerdem verfüge ich über ein gutes Alarmsystem.“ Navi entließ einen erleichterten Seufzer. Ja… scheinbar waren sie und Klein- Link in dieser Welt tatsächlich in Gefahr. Entweder wussten diese dunklen Seher, dass sie beide ein wertvolles Medaillon besaßen, oder es steckte etwas vollkommen anderes dahinter. Zumindest hatten sie beide eine großartige Hilfe. Diese muterfüllte Frau war einfach tadellos. Ihre Selbstlosigkeit und Hilfsbereitschaft erinnerten sie so sehr an den Link, der auf der Erde lebte. Stellte sich für Navi nur noch die Frage, was Dr. Couraiga mit dem Link dieser Welt zu tun hatte… Einige Zeit später stoppte die hilfsbereite Ärztin mit ihrem Hylcedes Morph an einer Tankstelle mit der beleuchteten Anzeige ,Hylia Oil‘. Im Radio liefen noch allerhand Nachrichten. Erneut berichtete man über das mysteriöse Verschwinden des früheren Masterritters L. Couraiga. Und auch Navi entging diesmal nicht jener besondere Name. L. Couraiga? Dann wurde über den Angriff auf das bekannte Krankenhaus in der Innenstadt Saria diskutiert. Sogar das Einschreiten der Masterritter wäre nötig gewesen, um weitere Katastrophen abzuwenden… Gerade da schaltete die junge Ärztin neben Navi das Radio aus und seufzte. Ihr Blick war verbittert und ernst. Ihre tiefblauen Augen lasen eindringlich in Navis, wollten sie vielleicht sogar beschwichtigen, keine Fragen zu stellen. Die Dame kratzte sich an der Stirn. „Im Übrigen… wie heißt du eigentlich?“ „Navi… mein Name ist Navi.“ Die Frau lächelte darauf. „Ein schöner Name. Den gibt es in unserem Hyrule öfter. Von den Überlieferungen her… es existiert ein Kindermärchen in dem ein Mädchen Navi mit blauschillernden Flügeln durch die Welt fliegen konnte. Vielleicht ist der Name bei uns deshalb so beliebt.“ „Ja, vielleicht…“, meinte die einstige Fee. „Hör‘ zu. Du bleibst mit deinem Begleiter im Auto…“, sagte die Frau. „Falls irgendetwas nicht stimmt, verhaltet euch ruhig und betätige diesen Druckknopf.“ Die Frau deutete auf einen silbern funkelnden Schalter mit der Aufschrift ,Morph‘. „Ich gehe in die Tankstelle und werde noch einige Dinge besorgen.“ Navi nickte nur und schaute der Ärztin, die fortwährend ihren weißen Kittel trug, noch so lange hinterher, bis diese in der Verkaufsstelle verschwunden war. Überprüfend blickte die Grünäugige zurück und fand Klein- Link noch immer tief und fest schlafend auf dem Rücksitz liegend. Was ihm wohl gerade in den Träumen herumgeisterte? Ob er von einer strahlenden Zukunft träumte, sich aber nicht traute diesen Traum irgendwem zu erzählen? Er schlief so friedlich, als würde ihn das Schicksal dieser Welt nicht kümmern. Seine Gesichtszüge waren in den ab und an vorbeiziehenden, hellen Scheinwerfern entspannt. Seine Lippen zu einem Lächeln erhoben. Er hatte noch keine Ahnung von der wahren Grausamkeit der Welt… und vielleicht war das auch gut so… Seufzend zog die einstige Fee ihre dreckigen Füße auf den Ledersitz und umarmte ihre Knie. Irgendwie war in Hyrulia alles so sortiert und irgendwie auch einfach gewesen, warum nur fühlte sie sich in diesem modernen Hyrule so verloren? Ihre stechenden, grünen Augen funkelten nachdenklich nach draußen. Mit neuer Wissbegierde beobachtete Navi die Menschen, die mit Regenschirmen auf Gehwegen vorüber liefen. An einer hell erleuchteten Straßenlampe stand ein ziemlich großer, breitgebauter Mann, dessen Körper von einer dunklen Kutte umhüllt war. Lässig hatte er sich an die Straßenlampe gelehnt. Eine tiefhängende Kapuze verdeckte sein Gesicht. Lediglich blasse, große Mundwinkel hoben sich kaltschnäuzig und gehässig im Schatten, den die Kapuze warf. Er schien zu lachen und dann auch noch genau in Navis Richtung zu blicken. Eine Gänsehaut lief der einstigen Fee über den Rücken, als jene Gestalt sich vollkommen zu ihr drehte. Für Sekundenbruchteile war da ein Glühen, gefährlich und unsterblich, welches sich in roten Farben preisgab. Navi bekam beinahe einen Herzkasper, als genau in dem Augenblick Dr. Couraiga eine Autotür aufriss und drei große Taschen mit irgendwelchen Lebensmitteln in das Auto stellte. Rasch blickte Navi noch einmal an die Straßenlaterne, aber der seltsame Mann war verschwunden. Sie schluckte und krümmte sich auf dem großen Ledersitz etwas zusammen. Dieser breitschultrige Mann… etwas Dämonisches umhüllte ihn, dass sie kannte und dass sie seit dem Zeitkrieg nie wieder spüren wollte. Eine blasse Erinnerung stieg in ihr hoch. Ein Bruchstück von Damals, was sie vermieden hatte, jemals wieder zu erinnern. Der schaurige Kampf gegen den Großfürsten des Bösen. Und sie, als Links damalige Begleiterin, stand nur daneben, nicht sicher, wie sie helfen konnte… nicht sicher, überhaupt eine Stütze zu sein. „Alles in Ordnung, Navi?“, meinte Dr. Couraiga. Erschrocken blickte das grünäugige Mädchen auf und erstarrte beinah angesichts der tiefblauen Augen der Ärztin. Es waren Links Augen… da bestand kein Zweifel. „Ja… alles in Ordnung“, bestätigte sie und blickte dann kurz hinter die Ledersitze, wo eine Stange Lauch aus einem Beutel heraushing. „Sie waren also einkaufen?“, meinte sie und wollte unbedingt nicht ängstlich vor jener Person wirken. Sie hatte auch bei Link immer versucht optimistisch und furchtlos zu funktionieren, auch wenn es bei den Bestien, die er vernichten musste, nicht immer leicht war. „Ja, korrekt.“ Die Dame grinste und lachte dann verlegen. „Ich habe nur gesunde Dinge gekauft, obwohl ich es mit der Ernährung eigentlich nicht so genau nehme.“ Dann lachte sie wieder. Und auch Navi rang sich zu einem leichten Lächeln. Die Dame startete den Motor und fuhr langsam zurück auf die große Hauptstraße. „Ich habe etwas gegrübelt, was ihr beide am besten tut, solange ihr in dieser Welt seid“, meinte die Frau. Da wurde Navi hellhörig. Was sollten sie schon tun? Sie mussten den Link dieser Welt finden, das war doch Arbeit genug, oder nicht? „Das ist doch klar: Wir müssen den Heroen finden“, sagte Navi deutlich. „Das heißt aber noch lange nicht, dass ihr beide einfach ohne einen gewissen Schein zu wahren bei mir wohnen könnt.“ „Ohne den Schein zu wahren? Was soll das heißen?“ Navi runzelte die Stirn. „Dafür dass du so alt bist, fehlt dir anscheinend etwas Auffassungsgabe, Mädchen“, murrte die Frau. „Falls irgendjemand auf euch beide ein Auge geworfen hat, sollten wir es so drehen, dass ihr zwei wirklich wie zwei Kinder wirkt.“ „Und was haben Sie da mit uns vor?“ Navi verschränkte erneut trotzig die Arme. „Ganz einfach, ihr beide geht zur Schule.“ Nach diesem Satz herrschte eine betretene Stille. Navi glaubte, sich verhört zu haben und wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie, ausgerechnet sie, wo sie Hunderte von Jahren alt war, sollte sich in einer Schule mit verzogenen, hochnäsigen, dreckigen, kleinen Quälgeistern herumschlagen? Wer, bei den Göttinnen, hatte sie nur in die Arme dieser eingebildeten Frau gebracht… Erzürnt drehte sie sich zu Klein- Link um, der noch immer tief und fest schlief. Er trug schließlich das Medaillon und im Endeffekt lagen die Wünsche in eine bestimmte Welt zu gelangen in seinem Blut. Sie grinste furchteinflößend. ,Na warte, Träger von Zerudas Erbe, dafür kriegst du noch dein Fett weg‘, dachte sie. Kapitel 133: Ein Heroe, den die Zeit besiegte… Teil 2 ----------------------------------------------------- Danke, danke, danke^^ meine geduldigen Leser sind einfach toll^^ *sich freut über die letzten Kommentare* ____________________________________________________________________ Einige ewigscheinende Minuten zogen vorüber, als der Hylcedes von Lia Couraiga sachte in eine hellerleuchtete Tiefgarage fuhr. Navi war unterdes vor Erschöpfung auf dem bequemen Ledersitz eingeschlafen und gähnte, als Lia den Motor abstellte. „So, da wären wir“, sagte die Frau und schaute grinsend zu dem Mädchen hinüber. „Es ist seltsam, du wirkst tatsächlich wie ein kleines Mädchen. Inzwischen weiß ich gar nicht, wie ich dich eigentlich ansprechen soll.“ „Navi passt schon“, murmelte sie und streckte sich. Kurz warf sie einen Blick zu Klein- Link auf dem Rücksitz. „Du kennst mich im übrigen Lia nennen“, meinte die Frau und stieß ihre Autotür auf. Wachsam blickte sie umher. Vielleicht war es paranoide sich schon wieder um mögliche Angreifer Sorgen zu machen. Aber irgendetwas in der jungen Frau wünschte diesen beiden ,Kindern‘ keinerlei Harm. Und für Lia war es als Ärztin und auch als Mensch selbstverständlich anderen zu helfen, Kindern ohnehin. Sie nahm die Taschen aus dem Auto und drückte Navi, die in ihrem verdreckten Kinderkleid anspaziert kam, alle drei Taschen ohne zu fragen in die Hand. Lia nahm den schlafenden Jungen auf ihre starken Arme, und schritt zügig voran. „Ich werde ihn nachher noch untersuchen, ob soweit alles in Ordnung ist. Im Krankenhaus konnten wir ihn ja leider nicht lassen“, erklärte sie. „Und du kannst ein Bad nehmen, Navi.“ Die einstige Fee nickte. In dem Augenblick trat ein älterer Mann, gekleidet in einem auffallenden, samtenen gelben Anzug mit großen Rüschen aus dem nahe gelegenen Fahrstuhl. Er lief an einem glänzenden Krückstock und setzte ein breites Lächeln auf, als er die junge Ärztin erblickte. „Guten Abend, Frau Dr. Couraiga“, meinte er freundlich. „Oh, guten Abend“, sagte sie lächelnd. „Sind Sie Mutter geworden?“, fragte er unverblümt und beäugte durch eine dicke Brille Navi und den Jungen auf Lias Armen. Die Ärztin lachte. „Nein, nein. Das sind meine Patenkinder, die auf einem Kostümball waren. Ihre Eltern sind beide wegen eines Unfalls im Krankenhaus. Und nur ich komme als Betreuungsperson in Frage.“ „Oh, wie tragisch“, entgegnete der Alte und schob seine Brille ein Stückchen zur Seite. „Wir schauen, dass wir sie hier in der Nähe in die Schule schicken können, während sich ihre Eltern erholen“, sagte die Ärztin und wandelte anhand ihrer Lügengeschichte nicht ihre Miene. „Dann sind die Eltern über dem Berg?“ Lia nickte zufrieden. „Jedoch werden die Kinder auf unbestimmte Zeit bei mir wohnen“, erklärte sie dann. „Nun denn“, lachte der alte Mann und trat in Richtung einer Tür, die in den Garten führte. „Solange sie in dem Haus keinen Krach veranstalten.“ „Gewiss nicht“, rief Lia, beruhigt, wie einfach es war, dem Nachbarn diese Geschichte zu unterbreiten. Als der Mann verschwunden war, bemerkte Navi knurrend: „Um Ausreden sind Sie auch nicht verlegen, Miss.“ Die agile Ärztin, die sicherlich schon an die dreißig ranging, lachte daraufhin und betätigte einen Knopf am Fahrstuhl und gab ein Kennwort ein. Ein leises Knarren verriet, dass sich der Fahrstuhl wieder näherte. Sie zwinkerte Navi zu, als sie beide in das Transportmittel einstiegen. Es dauerte lange, bis sie an der Spitze eines Hochhauses angekommen waren, und endlich stoppte der Fahrstuhl. Die junge Ärztin gab ein weiteres Kennwort ein und der Spiegel hinter ihnen öffnete sich, gab den Korridor einer elegant und teuer eingerichteten Wohnung preis. Die Wände waren weiß und fast alle Möbel in den Farben schwarz oder wiesengrün gehalten. Im Korridor hingen Bilder von besinnlichen, blühenden Landschaften. Eine hohe Statue einer Fee an einer Seitenwand nahm dem Raum seine seriöse Seite. „Nach dir“, sagte Lia. Sofort bewegte Navi ihre Beine und stiefelte mit ihren dreckigen Schuhen auf samtigen, hohen Teppich. Lia folgte nachdenklich, fühlte sich fast ein klein wenig beobachtet und blickte im Fahrstuhl nach oben. Sie konnte sich keinen Reim aus dem Gefühl machen, und die Spiegeltür des Fahrstuhls schloss sich. „So, das ist mein Zuhause“, meinte die Ärztin. Noch im Gehen streifte sie sich die Schuhe von den Füßen und brachte Klein- Link zu einer grünen Ledercouch im ebenso extravagant eingerichteten Wohnzimmer, wo ein riesiger Plasmafernseher, und viele andere High- Tech- Geräte standen. Sie überprüfte seinen Puls, seine Temperatur und den ganzen ärztlichen Krimskrams, wovon Navi keine Ahnung hatte. Die Frau lächelte beruhigt und deckte das Götterkind zu. „Das Gift in seinem Körper wurde zwar neutralisiert, aber wir sollten dennoch schauen, ob es nicht irgendwelche Auswirkungen auf ihn hat“, betonte die Ärztin. „Aber er ist trotzdem okay soweit, ja? Seine zukünftigen Eltern erwürgen mich sonst.“ Erneut lachte Lia mit ihrem heiteren Gemüt. „Keine Sorge. Sein Körper ist in Ordnung.“ „Sagen Sie, haben sie keine Kinder?“, meinte Navi. „Nun ja“, entgegnete die Frau verlegen. „Es ist nicht so, dass ich keine haben wollte, aber dazu muss sich auch erst einmal der richtige finden lassen. Nicht überall ist es in der Liebe wie im Märchen, vielleicht gibt es in diesem Bereich keine Märchen.“ Die Frau grinste und lief in die Küche, die direkt am Wohnzimmer angeschlossen war. „Ja, da könnten Sie recht haben“, meinte Navi. Sie hatte früher einmal… vor Ewigkeiten… eine kleine Romanze mit einem Feenjungen gehabt. Sie erinnerte sich kaum daran, weil sie sich immer so frei gefühlt hatte, nie eine wirkliche Bindung eingehen konnte. Und als sie dann mit Link unterwegs war, mit ihm Abenteuer erlebt hatte, und seine Sehnsüchte gespürt hatte, war ihr vieles bewusst geworden. Sehnsüchte, Zuneigung bis hin zu tiefer Verbundenheit bestimmten jedes Geschöpf. Es war falsch sich dagegen zu wehren, oder einem Freiheitssinn solche Gefühle vorzuziehen. Für Link war Liebe ein Märchen. Das war es immer gewesen, selbst in der modernen Zeit, in der er lebte, hatte er nicht aufgehört daran zu glauben, seine wahre Liebe zu finden. Liebe war etwas, was jeder brauchte. Ob Mensch, Hylianer, Zora, Gorone oder Fee… Lia lugte mit ihren eindrucksvollen Augen von der Küche in Navis Richtung. „Hey, ich habe gemeint, du kannst mich Lia nennen. Vergiss das ,Sie‘ und sag ,du‘.“ „In Ordnung“, sagte die einstige Fee und blickte nachdenklich zu Klein- Link. Ob es noch lange dauern würde, dass er aufwachte? Es gab soviel zu tun… zu allererst mussten sie beide dieses Hyrule verstehen lernen. Ja, das war vielleicht der erste Schritt. Und dann mussten sie schauen, dass der Junge tatsächlich keine Folgen von dem vergifteten Wurfgeschoss davon trug. Und schließlich mussten Hinweise für den Link in dieser Welt gefunden werden. Begeisterungsfähig hüpfte Navi in die Küche, wo Lia gerade jede Menge Gemüse und Kräuter in einer Pfanne anröstete. Es duftete. Es duftete einfach herrlich und löste sofort ein unüberhörbares Knurren in Navis Magen aus. „Das riecht gut“, sprach Navi und beobachtete die Mundwinkel der Dame. Sie lächelte schon wieder. „Danke“, meinte Lia und drehte ihren Schädel zu der einstigen Fee. „Mmh… du brauchst etwas anderes zum Anziehen, nicht wahr?“ Erst jetzt schien Navi zu realisieren, wie verdreckt ihr Kleid doch war. Durch die ganze Aufregung und die vielen Ereignisse in dieser Stadt, hatte sie nicht mal mehr den Nerv gehabt auf ihr Aussehen zu achten. Lia stellte das Essen vom Herd und flitzte ins Schlafzimmer. Kurze Zeit später hatte sie ihren Arztkittel abgelegt und trug ein bis zu den Knien reichendes, aufwandsloses, wiesengrünes Kleid. Auf ihrem Arm brachte sie der verdutzten Navi einen Stapel Kinderkleidung. „Du magst die Farbe grün sehr, oder?“, meinte Navi, bestaunte aber gleichzeitig die Pullover und Jeanshosen in Kindergröße, die Lia ihr auf die Kinderarme drückte. „Ja, es ist die Lieblingsfarbe meines Vaters. Vielleicht hat er das auf mich übertragen“, sagte sie unter einem Lächeln. Ihre Augen schienen zu funkeln, als sie über ihren Vater redete. Es schien so, als wäre er ein außergewöhnlicher Mensch, der neben Zuneigung und Liebe, eine hohe Bewunderung seiner Tochter besaß. „Nun ja, nimm‘ in Ruhe ein Bad und danach kannst du ein paar von den Sachen anprobieren. Du hast Glück, eine Freundin von mir hat mich gebeten die ganzen Sachen zur Kleiderspende zu bringen. Nur hab‘ ich das immer wieder vergessen“, gab Lia zu, grinste und kratzte sich an ihrer Stirn. „Das Bad ist im Korridor rechts. Dein Kleid kannst du im Bad einfach liegen lassen, ich wasch‘ es dir gerne.“ Damit widmete sich Lia wieder ihrem Tun und setzte Wasser für hylianischen Reis auf. Nachdenklich betrat Navi das weiße, fast übertrieben saubere Badezimmer. Ob Lia eine Putzfrau hatte, die diese Arbeiten für sie verrichtete? Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass diese unternehmungslustige Dame genug Zeit hatte sich noch um einen Haushalt zu kümmern. Es war ein elegantes Badezimmer, wie auch der Rest der Wohnung vermuten ließ. Rechts neben Navi befand sich eine große Dusche, links eine runde Badewanne mit vielen lustigen Funktionen wie Sprudelmechanismen. Als Navi ihre Sandalen auszog, spürte sie sofort eine wohlige Wärme unter ihren Füßen, die von einer teuren Fußbodenheizung herrührte. Und fast überall in diesem Bad befanden sich Spiegel. Sogar die Duschwand spiegelte den Körper eines Betrachters und spiegelte auch den kindlichen Körper Navis. Mit etwas Abscheu blickte die einstige Fee in ihr Spiegelbild. Sie hatte die Konfrontation mit diesen Körper… mit sich selbst… immer vermieden. Konnte überhaupt jemand verstehen, wie man sich fühlte… wenn man einige Hundert Jahre alt war und dann gezwungenermaßen in einem Kinderkörper steckte? Es war nicht nur frustrierend, es machte Navi mürbe, oftmals launisch und verdrießlich. Sachte entledigte sie sich des Kleides und erschrak einmal mehr angesichts jenes kindlichen Körpers. Erstarrt betrachtete sie sich jene fehlende Reife. Eine glatte Brust. Keine Behaarung. Keinerlei Formen und Kurven, die sie einst als erwachsene Fee besaß. Sie lehnte sich an das Spiegelglas der Dusche und versuchte nicht zu weinen. Sicherlich war sie irgendwo selbst an ihrem Zustand schuld. Sie hatte sich ja schließlich nicht einfach entscheiden können, ein neues Leben zu beginnen. Vielleicht hätte sie keinerlei Erinnerungen gehabt an Hyrule. Vielleicht hätte ihre Seele einen aufdiktierten Frieden. Aber sie wäre möglicherweise glücklicher als jetzt. Sie schloss die Augen und schüttelte ihren Kopf. ,Es brachte ja nichts‘, dachte sie. Sie konnte sich nicht einer Verzweiflung deswegen hingeben. Noch war nicht aller Tage Abend, und vielleicht, ja vielleicht, gab es irgendwann doch noch einmal eine Chance für ein großartiges, blühendes Hyrule, in dem sie wieder das Leben führen konnte, was sie glücklich gemacht hatte. Sie betätigte einen dreieckigen Wasserhahn, aus dem schaumiges Wasser heraussprudelte und ließ sich gleich in jenen Schaum sinken, um ihren Kinderkörper zu verstecken. Die junge Ärztin ließ gerade in dem Augenblick den hylianischen, dreieckförmigen Reis in das gesalzene Wasser sinken, als sie vom Wohnzimmer her ein Poltern hörte. Rasch wandte sie sich um und blickte zur Couch. Irritiert drehte sie den Herd zurück und lief ins Wohnzimmer. Aber die große grüne Ledercouch war leer. Wo, bei Dinafa, steckte der Junge? Erneut vernahm sie ein Poltern, dann ein Knacken. Verwundert drehte sie sich in Richtung Schlafzimmer. Sie konnte das Geräusch eindeutig der Verriegelung ihrer riesigen Balkontüren zu ordnen. Mit einem leichten panischen Gefühl schob sie die Schlafzimmertür auf, trat hinein und fand auch die Balkontüren weit offen. Ein starker, kalter Wind blies in ihre Richtung, zerzause ihr kinnlanges, dunkles Haar und hinterließ einen Schauer auf Lias nackten Armen. Und im fahlen Licht, da die Sonne am Horizont hinter dichten Regenwolken versank, konnte Lia nur spärlich erkennen, was hier vor sich ging. Bewusst ließ sie das Licht aus, um den Jungen, den sie hier vermutete, nicht zu erschrecken. Irgendetwas stimmte nicht, das spürte sie. Aus welchem Grund sollte sich dieser Junge in seinem geschwächten Zustand in dieser für ihn fremden Wohnung einfach so auf den Balkon begeben? Und das in diesem Hochhaus? ,Vorsicht ist besser als Nachsicht‘, dachte sie, lehnte sich mit dem Rücken an eine ihrer Schlafzimmerwände und nahm ihre hylianische Schusswaffe zur Hand. Sachte schlich sie mit dem Rücken zur Wand in Richtung des Balkons, beobachtete ihre riesigen Dekuzimmerpflanzen, von denen raschelnde Geräusche den Raum erfüllten. Sie trat mit ihren nackten Füßen immer weiter. Ihr aufgewühltes Gemüt und der schnellerwerdende Puls warteten nur auf den Moment der endgültigen Entladung. Vorbereitet rückte sie zur Balkontür. Ihre linke, schwitzende Hand lehnte kurz am sauberen Glas der Balkontüren und hinterließ einen feinen Abdruck. Als sie sich ins Freie begab, der Wind mit hetzenden, peitschenden Schlägen durch ihren Körper tobte, konnte sie den Jungen endlich sehen. Am Horizont entstand ein Riss zwischen den Wolken und ließ für wenige Sekunden verwaschene, rote Farben einer trüben Abendsonne über die Welt regnen. Und in jenem Licht sah sie ihn. Den Jungen, der lediglich eine weiße, enganliegende Hose trug und dessen Schulter von einem blutdurchtränkten Verband umgeben war. Wie den alten Himmel lobpreisend stand er auf dem Geländer des Balkons, erhob sein Haupt in Richtung der unheilvollen, roten Farben am Firmament. Wie ein Heiligtum breitete er seine Arme aus, engelsgleich schienen sich seine Füße vom Geländer zu heben. Hypnotisiert und gefangen in jenem Anblick stockte der jungen Ärztin der Atem. Sie wusste nicht, ob sie einschreiten oder diesen Jungen sich selbst überlassen sollte. Es schien, als war er nicht menschlich, als würde er es niemals sein. Er gab sich einer Heiligkeit hin, die nur wenigen Wesen zustand. Er genoss die Welt, er genoss die Natürlichkeit und ließ die Magie in seinem Körper spielen. Und als sich seine Füße tatsächlich vom Balkongeländer hoben, drehte sich sein junger Körper in ihre Richtung. Auf seinem Gesicht lag kein Lächeln, keine Wut oder Traurigkeit. Es war ein Anblick von solcher Lethargie und Desinteressiertheit, die ein Mensch in dieser Weise nicht darzustellen vermag. Seine himmelblauen öffneten sich einen Spalt und doch schien er nicht im wachen Zustand zu verweilen. Als stand das Leben in seinen Augen still. Als träumte er von Schöpfergeistern, von anderen Sphären und vielleicht auch von göttlicher Macht… Klein- Link selbst schwebte mit seinen Gedanken nur noch am Rande seines Bewusstseins. Er fühlte sich gefangen, wie hineingestopft in ein luftleeres Gefäß. Er konnte nicht atmen, aber er hatte auch nicht wirklich das Bedürfnis dazu. Da war ein Druck von außen, ein Druck von innen, der ihn in einer machtvollen Vollkommenheit beherrschte. Er fühlte sich wie eine Marionette, gesteuert von inneren Trieben und jedes Gefühl für die Realität schien von dem Puppenspieler ausgelöscht zu werden. Er träumte. Er schwebte… Unter seinen Füßen bildeten sich Wolken. Weiß und samtig wie Wattebällchen streichelten sie seine Sohlen. Und weit unter ihm, dort wo die Erde bewohnt war und Drachen in Eleganz und Wildheit vorbeiglitten, sah er weiße Türme und die riesigen Todesberge. Er war in einem Hyrule, dachte er. War er in einer weiteren Welt? Doch wo genau war er… wohin war er geführt worden? Auf einem der weißen Türme konnte er sich selbst sehen und jemand war noch bei ihm, der ihn etwas verwirrte. Er dachte es wäre Navi… aber… das Mädchen, welches mit ihm dort oben stand, sogar lächelte als er irgendetwas sagte, hatte er noch nie gesehen… Sie war schön… Aber das war unwichtig. Alles war so leicht, so unbedeutend. Sein Körper fühlte sich unwirklich an. Die Muskeln in seinen Beinen und Armen schienen nicht da zu sein. Das, was ihn gerade ausmachte, das, was er in der Lage war zu spüren, hatte nichts mehr mit den Gefühlen eines menschlichen Wesens gemein. Als wollte er Treppen in den Lüften hinabsteigen, sank er langsam nieder. Sein Geist. Seine Unwirklichkeit und irgendwo auch das, was die Götter ihm mit auf dem Weg gegeben hatten, rief jene Erlebnisse in ihm herauf, beschwor ein Abenteuer in seiner eigenen Seele. Er wollte hinweg, und doch bewegten sich seine unwirklichen Beine hinab zur Erde. Er wusste, dass etwas nicht stimmte. Dieser Zwang auf seinen Gedanken und dieses neue Unterfangen konnten nicht real sein. Und doch verspürte er einfach nur den Wunsch niederzusinken, zu fallen… In dem Augenblick entkam ein lautes, aufrüttelndes Geschrei den Lippen einer jungen Frau, die sich haltlos in Richtung ihres Balkonfensters stürzte. Gerade als der Junge seine Augen schloss und sein Körper niedersank, seine Füße das Geländer knapp verfehlten, setzte in Lia das Entsetzen ein. Sie sprang mit aller Kraft, die sie in dem Augenblick aufbringen konnte, erwischte den Jungen gerade noch am Fuß und hing torkelnd, mit einem lauten Trommeln in ihren Ohren an der Außenseite des Balkons. „Wach auf!“, schrie sie, während sie beide baumelnd in der Luft hingen. Lias rechte Hand hatte das Geländer des Balkons noch fest umfasst, ihre linke umkrallte den Fuß des Jungen. Es war ein schauriges Bild so weit in der Höhe. Die junge Frau knurrte leise Flüche vor sich hin und spürte ihre beiden Hände bereits schmerzen. „Bitte!“, rief sie dem Jungen zu. „Öffne deine Augen!“ Sie konnte nicht glauben, was sie hier tat. Sie hatte gerade einen scheinbar schlafwandelnden Jungen davon abgehalten von einem Hochhaus zu springen. Und jetzt? Jetzt hingen sie beide ausgeliefert an dem Geländer und alles hing von Lia ab, ob sie diesen Moment überleben würden. Sie kniff die Augen zu und schimpfte innerlich mit sich selbst. War es nicht genau das Verhalten, was ihr Vater seit bald dreißig Jahren immer wieder missbilligte. Sie war immer wieder, selbst jetzt, wo sie erwachsen war, so unvernünftig, handelte, bevor sie nachdachte und brachte sich erneut in irgendwelche Schwierigkeiten. „Verdammt!“, brüllte sie, sie brüllte noch einmal und noch einmal. Und dann endlich hoben sich träge die Augenlider des Jungen. Er blickte irritiert umher, brauchte einige Sekunden um wach zu werden und als er jene verfängliche Situation realisierte, wurde er panisch und begann herum zu zappeln. „Halt still!“, rief die Frau, die für ihn vollkommen fremd war. Er nickte, war ohnehin noch etwas mitgenommen von der Operation, und fühlte seine Augenlider wieder schwerer werden. Es fiel ihm gerade so schwer wach zu bleiben. „Kannst du irgendetwas tun, um uns auf den Balkon zu bringen?“, fragte sie. Er schüttelte unsicher seinen Kopf und traute sich nicht nach unten zu schauen. Verzweifelt kniff er seine Augen zu und spürte den innerlichen Druck wieder zunehmen. Er wollte schlafen, er wollte einfach seine Ruhe haben. Und gerade als er einnickte, war da wieder der Zwang fallen zu müssen… Er bewegte sich unruhig, worauf die Frau erneut schimpfte: „Halt still! Willst du ins beide umbringen, du Dummkopf!“ Ruckartig öffneten sich seine blauen Augen erneut und trafen auf die tiefblauen Lias. Erst jetzt erkannte er diese unglaublichen Augen, die vor Mut nur so strotzten. Es waren jene schönen Augen, die auch ihm Kraft gaben… „Was ist denn überhaupt passiert…“, murmelte er und registrierte einen stechenden Schmerz im Bereich seiner bandagierten Schulter. „Das ist nun wirklich nicht dein größtes Problem“, pfefferte sie zurück. Er konnte nicht abstreiten, dass das stimmte. Zögerlich umfasste er das Medaillon der Mächtigen und überlegte, was er tun sollte. „Meine Kraft reicht leider nicht aus, uns beide hinaufzuziehen“, murmelte die Frau und blickte ihn trübsinnig an. Auch sie erinnerten seine himmelblauen Augen an jemanden. An eine großartige Person, die ihr selbst das Kämpfen im Shiekahstil beigebracht hatte. In dem Augenblick leuchtete der grüne Edelstein des Medaillons auf, glühte und schickte einen grünlich schimmernden Strahl hinauf auf den Balkon. Die große, moderne Wohnung Lias erleuchtete in unterschiedlichen grünen Farbtönen und als die Farben erloschen, saßen sowohl Klein- Link, als auch seine Lebensretterin auf dem Fußboden im Wohnzimmer. Lia seufzte und blickte den Jungen erschrocken und etwas vorwurfsvoll an. Sie sagte kein Wort, genauso wenig wie Klein- Link selbst. Er wusste eh nicht, wie er anfangen sollte. Alles, was er im Moment erinnerte, war, dass er in der Luft, festgehalten von dieser fremden Frau, baumelte. Er versuchte sich zu sortieren, zu verstehen, was geschehen war, aber im Augenblick ging in dieser Hinsicht überhaupt nichts. Sein Kopf fühlte sich so schwer an, als wäre er derjenige eines dicken Goronen. Sein Körper zitterte und er fühlte sich wie durchgefroren und dann seine Schulter. Er wimmerte etwas, als er einen zuckenden, unregelmäßigen Schmerz in der Schulter spürte. Und dann diese Frau, in deren Wohnung er sich befand. Was, bei Nayru, war nur geschehen? „Wo ist Navi…“, murmelte er. Er war doch vorhin noch mit ihr unterwegs gewesen, dachte er. Und da erinnerte er sich daran, dass er zusammen mit ihr in eine moderne Welt eintauchte. „Sie ist im Badezimmer“, meinte die Frau und blickte ihn prüfend an. „Aha…“, sprach er leise und wollte weinen vor Schmerz. „Kannst du dich an irgendetwas erinnern?“, meinte die Dame und zerrte ihn etwas unsanft auf seine Beine. Als er stand, wurde es kurz schwarz vor seinen Augen. Aber sogleich war es ein gutes Gefühl einen Moment auf den Beinen zu stehen. „Ich weiß nicht mehr genau…“, sprach er leise. Die Frau mit den tiefblauen Augen hielt ihn etwas harsch fest, sodass er nicht umfiel. „Setz‘ dich lieber“, meinte sie streng. Als er sich auf die Couch sinken ließ, fühlte sich das Wachsein schon wesentlich angenehmer an. „Ich werde dir gleich alles erklären“, sagte sie. „Aber vorher muss ich schauen, ob mit deinem Körper soweit alles okay ist.“ Er nickte bloß und schaute sich verwundert in dem Wohnzimmer um. Er hatte Tausend Fragen in seinem Kopf, aber beließ es zunächst die Dame auszufragen. Erschöpft schloss er seine himmelblauen Augen, dabei schon wieder in den Schlaf zu sinken. „Hey, schlaf‘ mir nicht wieder ein“, sagte sein Gegenüber und blickte ihn mit jenen tiefblauen Augen durchdringend an. Er wollte ja wach bleiben, nur irgendwas schien sein Bewusstsein fast lähmen zu wollen… „Wie fühlst du dich?“, fragte die Frau und holte ein Stethoskop, sowie ein Blutdruckmessgerät aus einer Tasche unter der Couch hervor. „Unerträglich müde…“, seufzte er und lehnte sich zurück in weiche, samtige Kissen. Die Frau hörte ihn ab und überprüfte auch seinen Blutdruck. „Deine Werte sind in Ordnung…“, meinte sie. ,Bis auf seine Müdigkeit scheint er sich gut von der Operation erholt zu haben‘, dachte sie. Lia setzte sich dann nachdenklich neben ihn. Sie suchte nach einem Anfang um dem Jungen alles zu erklären, was sich jedoch schwieriger gestaltete als erwartet. Sie grübelte und blickte dann etwas ratlos in seine himmelblauen Augen. Er erwiderte den Blick der Ratlosigkeit, worauf sie beide etwas dümmlich dreinschauend wegblickten. Dann vernahm Klein- Link den Geruch nach gut gewürztem, angeröstetem Gemüse, worauf er sogleich Hunger bekam. Er fragte sich, ob es höflich war diese Frau nach dem eben geschehenen, merkwürdigen Ereignis um etwas zu essen zu bitten. Es würde sicherlich seine Lebensgeister wieder in Schwung bringen. Er machte gerade seinen Mund auf, um danach zu fragen, als Lia grinsend meinte: „Möchtest du etwas essen?“ Er lächelte zaghaft und nickte erleichtert. Er wusste zwar noch nicht viel von dieser Frau und weshalb er mit Navi zusammen hier gelandet war, aber ihre muterfüllten Augen und diese lockere Art, wie sie mit ihm umzugehen versuchte, beruhigten ihn immens. Lia lief mit etwas zittrigen Beinen in die Küche und stützte sich kurz am dortigen Tisch ab. Sie konnte kaum glauben, was gerade eben geschehen war. Sie hing mit diesem Jungen am Balkon und hatte sich zum Ärger ihres Vaters todesmutig verhalten. ,Wenn er doch nur hier wäre‘, dachte sie. Er wusste immer, was es zu tun galt. Sicherlich war auch er in jungen Jahren ein ziemlicher Raufbold gewesen, zumindest erzählte ihre Lehrmeisterin das gelegentlich. Und dennoch besaß ihr Vater einen scharfen Verstand und eine riesige Portion Weitsicht. In dem Augenblick kam das Götterkind in die Küche gestolpert. Er wollte sich zwar ausruhen, aber im selben Augenblick verspürte er den Wunsch etwas zu essen und über alles Bescheid zu wissen. „Sie sind also Ärztin?“, fragte er leise und spürte gleich wieder, wie es schwarz vor seinen Augen wurde. Sofort ließ er sich auf einen Stuhl am Küchentisch sinken. Er hatte das Gefühl, sein Kopf gehörte nicht wirklich zu seinem Körper, sondern spielte verrückt. Er stützte seinen pochenden Schädel auf seiner linken Hand ab. „Ja, das ist richtig, ich bin Ärztin. Ich habe euch beide im Park neben dem Krankenhaus, in dem ich arbeite, gefunden.“ Sie setzte sich ihm gegenüber, breitete ihre Hände aus und berührte mit beiden Händen seine Schläfen. „Was tun Sie?“, meinte der Junge verwundert, spürte aber sofort wie sich eine angenehme Kühle über seine Stirn zog. Es roch etwas nach Minze für ihn, auch wenn er nicht wusste, woher jener angenehme Duft rührte. „In unserem Hyrule kann nur der den Beruf eines Arztes ausüben, der auch heilende Magie besitzt. Mein Glück ist, dass meine Mutter in der Lage war solche Magie zu verwenden.“ Klein- Link nickte, und als Lia ihre Hände von seinen Schläfen entfernte, waren auch die Kopfschmerzen passé. „Besser?“, meinte sie grinsend und erhielt dafür von dem Jungen ebenso ein heiteres Grinsen. Tatsächlich fühlte er sich besser, auch wenn die lähmende Müdigkeit geblieben war. „Danke“, entgegnete er. „Das ist mein Job“, erwiderte sie schmunzelnd und lächelte ihn liebevoll an. Er schien ein aufgeweckter, neugieriger Junge zu sein, der dennoch viel Mysteriöses und eine erstaunliche Rätselhaftigkeit mit sich herumschleppte, womöglich machte ihn das interessant für Lias Augen und vielleicht auch interessant für Mädchen in seinem Alter. Als das Essen endlich fertig war, lud die mutige Ärztin dem Götterkind eine riesige Portion davon auf einen dreieckigen Teller und setzte es vor seine Nase. „Nur zu, du musst etwas essen, um zu Kräften zu kommen“, sagte sie und setzte sich ihm erwartungsfroh gegenüber. Er blickte von dem Essen in Lias tiefblaue Augen und dann wieder zu dem Essen, sich fragend, ob er wirklich einfach so sich den Bauch voll schlagen konnte. Immerhin wusste er nicht, was geschehen war, ob sich Navi tatsächlich im Bad befand und ebenso wenig wusste er, warum er vorhin am Balkongeländer hing und wer ihn mit dieser Frau auf sicheren Boden teleportiert hatte. Lia beobachtete seinen Blick und dank ihrer guten Auffassungsgabe war für sie leicht verständlich, was dem Kind durch den Kopf ging. Er war sicherlich etwas misstrauisch. „Sagen Sie, das Essen ist aber nicht vergiftet oder so?“ Lia war von soviel Ehrlichkeit von seiner Seite etwas verblüfft, grinste, lehnte sich zurück und musste dann lauthals lachen. „Denkst du, ich heile erst deine Kopfschmerzen, um dich danach wieder zu vergiften?“ Das allerdings war alles andere plausibel, würde es denn stimmen. Sich an seiner kindlichen Stirn kratzend erkannte er die Unsinnigkeit seines Misstrauens. „Iss ruhig, ich erzähle dir indessen, was geschehen ist.“ Klein- Link nahm einige Bissen und lauschte den unglaublichen Worten der hilfsbereiten Ärztin. Er erfuhr, dass er angegriffen wurde von einer geheimen Organisation, die man Hyl Moblina nannte. Auch klärte ihn die Frau über seinen momentanen Gesundheitszustand auf, über ein Gift in seinem Körper, und darüber, dass sie von Navi bereits einiges über jene schwierige Mission erfahren hatte. Auch sein Schlafwandeln teilte sie ihm mit und die Tatsache, dass er beinahe von dem Balkon gestürzt war, wäre sie nicht eingeschritten. Schamhaft bedankte er sich. Seine Kinderwangen glühten rot vor Verlegenheit. Nicht einmal in dieser neuen Welt war er in der Lage gewesen etwas Vernünftiges zu tun… etwas richtig zu machen. Stattdessen war er angegriffen worden, musste sogar operiert werden, nur um dann später schlaf zu wandeln und ein zweites Mal von der jungen Ärztin gerettet zu werden… „Und wir befinden uns hier tatsächlich in der Stadt Saria, die nach der Weisen des Waldes benannt wurde. Eine große freie Stadt im Herzen von Lanayru, welches wiederrum ein Bundesland von Hyrule darstellt?“, vergewisserte sich der Bengel, wollte an etwas anderes als seine Schwäche und Unwürdigkeit denken und hatte seinen Teller schon fast geleert. „Ja, genau so ist es. Neben Lanayru gibt es noch Eldin, Faron, Termina, Labrynna und Holodrum. Auf jenem Kontinent jedoch existiert ein weiteres Land, welches man Ordonien nennt“, erklärte Lia. „Mann, das ist ja verrückt. Ich wusste gar nicht, dass nach der Adoptivschwester meines Vaters eine ganze Stadt benannt ist und dazu noch so eine riesige.“ Überrascht neigte sich Lia näher zu ihm. „Moment, du kennst die Weise des Waldes Saria persönlich?“, fragte sie erstaunt. Klein- Link nickte erfreut und war überaus begeistert mit diesem Wissen angeben zu können. „Das ist ja der helle Wahnsinn. Ich kenne jemanden, der absolut hysterisch werden würde, wenn er die erste Weise des Waldes persönlich treffen könnte.“ Sie lachte und klopfte dem Jungen auf den blonden Schopf. „Nun ja, Saria ist schon nett“, meinte er verlegen, wusste ohnehin nicht, wie er auf die Gesten der Dame reagieren sollte. „Und Sie heißen also Lia…“, meinte er leise. Er lächelte in sich hinein, als er den Namen hörte. Er bildete sich ein, den Namen schon einmal gehört zu haben. „Das ist ein schöner Name“, sprach Klein- Link, aber gähnte auch schon wieder. „Ja, mein Vater soll ihn ausgesucht haben“, meinte die Dame. Doch in jenem Moment, wo sie an ihren Vater erinnert wurde, verschwand die heitere Stimmung. Eine unangenehme Stille schlich sich in die Konversation. Mit einem Seufzen stand Lia auf und lief zu einem Radio, um den neusten Meldungen zu lauschen. Bevor sie es betätigte, meinte sie noch: „Sag‘ mal… weißt du, was uns vorhin ins Wohnzimmer teleportiert hat?“ Der Junge umfasste augenblicklich das alte Medaillon und fragte sich, ob es dafür verantwortlich war. Nur wer sollte es aktiviert haben? Er selbst hatte keine Ahnung, wie es wirklich funktionierte. Lia erst recht nicht. Und Zelda… eine Zelda aus einer anderen Welt konnte schlecht hierauf Zugriff haben. Oder doch? „Nein…“, antwortete er nachdenklich, als Lia ihn ein weiteres Mal darauf ansprach. „Nein… ich habe absolut keine Ahnung…“ Nickend betätigte die junge Dame dann das Radio und eine schrille Stimme plapperte munter und hastig über die neusten Ereignisse in der Stadt Saria. Der Vorfall im Krankenhaus wurde geschildert. Die Hyl Moblina gab sich zu dem Anschlag bekannt, jedoch verloren die Verantwortlichen kein Wort über ihre Motive. Durch das rasche Einschreiten der Masterritter konnte das Schlimmste verhindert werden. Es gab wenige Verletzte, aber keine Toten. Jedoch bleibt abzuwarten, ob der Rat der Masterritter die Ereignisse aufklären kann. „Mmh, da scheint ihr beide ja etwas Großes in die Wege geleitet zu haben“, meinte Lia. „Sie erzählen gerade etwas zu dem Überfall auf das Krankenhaus, in dem ich arbeite“, erklärte sie weiterhin. Klein- Link verstand. Scheinbar war irgendjemand hinter ihm und Navi her. Das konnte heiter werden, dachte er und seufzte. Als er seinen Teller endlich geleert hatte, lehnte er sich zurück. Lia hatte sich derweil ebenso etwas von der Gemüsepfanne auf den Teller gegeben und aß. „Trotzdem ist mir das alles immer noch ziemlich rätselhaft“, gab die Frau zu. „Deine Begleiterin sagte mir, ihr beide kommt aus einer anderen Welt. Wie kann es da sein, dass jemand über Euer Erscheinen Bescheid weiß?“ Nachdenklich blickte Klein- Link auf die grüngemusterte Tischdecke. Sicherlich war das beängstigend, nur war das überhaupt möglich? Wenn jemand tatsächlich um sie beide Bescheid wusste, jemand, der ihnen feindlich gesonnen war, so konnte das eigentlich nur Ganondorf sein. Aber Ganondorf war im alten Hyrule zusammen mit jedem anderen Geschöpft seiner fortschreitenden Zeit beraubt. Konnte es vielleicht sein, dass der Ganondorf dieser modernen Welt seine Hände im Spiel hatte? In Hyrulia gab es Ganondorf ebenso, was also sprach dagegen, dass sich hier ebenso ein Großmeister des Bösen aufhielt? Oder aber es gab einen neuen Feind, jemanden, der mehr im Sinn hatte, als Klein- Link oder jemand sonst im Moment fassen konnten? „Nun ja, wir packen das schon“, meinte die Dame lächelnd und schloss sich selbst in die Vorgänge mit ein. Jetzt, da sie über diese beiden Kinder Bescheid wusste, konnte sie schließlich nicht mehr zurück. Außerdem wollte sie den beiden helfen. Ein Zurückziehen aus diesen Geschehnissen kam also für Lia keineswegs in Frage. „Sie sind eine sehr mutige Frau“, meinte Klein- Link verlegen und spielte mit seinen Händen. Wenn er doch nur auch so tapfer sein könnte. Aber was hatte er bisher denn vorzuweisen? Er war ein Kind, hatte keine Ahnung vom richtigen Schwertkampf, keine Ahnung, wie man Magie sinnvoll einsetzte. Er war in allem schlichtweg ein miserabler Anfänger. Lia lachte auf die Bemerkung und kratzte sich an ihrem Hylianerohr. „Nun ja, das liegt wohl in meinem Blut“, schäkerte sie. „Mein Vater hat das Abzeichen des Mutes schon in jungen Jahren erringen können.“ „Das Abzeichen des Mutes?“, murmelte der Junge fragend. Lia nickte wissend. „Jenes Abzeichen erhält man in diesem Hyrule für besondere Taten. Man hat damit sehr gute Berufsmöglichkeiten.“ „Das klingt cool“, meinte Klein- Link. „Und wie hat Ihr Vater das bekommen?“ Die Dame lächelte. „Er hat während seiner Studienzeit zusammen mit Miss Harkinian, die heute Ministerpräsidentin ist, Ganondorf Dragmire, den größten Verbrecher damaliger Zeit, dingfest gemacht.“ Klein- Link fiel auf die Bemerkung beinahe vom Stuhl. Jetzt hatte er nicht nur Knoten im Kopf, sondern ihm platzte der Kopf vor Aufregung. Er wollte seine Gedanken sortieren, aber nur noch der Name Ganondorf geisterte durch seine Gehirnwindungen. Jetzt ergab das alles einen Sinn. Diese Frau, deren Namen nach Mut und Tapferkeit klang, musste etwas mit dem Link dieser Welt zu tun haben. Und jener Link hatte Ganondorf in dieser Dimension bereits besiegt. Aber warum waren Navi und Klein- Link nicht zu dem Link dieser Welt, sondern zu dieser Frau teleportiert worden, die vermutlich seine Tochter ist? Nicht umsonst besaß sie diese schönen, tiefblauen Augen… „Miss Couraiga…“, fing Klein- Link an. „Sie sollten etwas wissen…“ Er atmete tief ein und rieb sich vor Müdigkeit die Augen. „Die zerstörte Welt, aus der ich komme, ebenso wie das Hyrule, welches schläft… all dies hat der Großmeister des Bösen indirekt zu verantworten. Er heißt in unserer Welt Ganondorf.“ Klein- Link seufzte und ließ die verwirrte Dr. Couraiga erst gar nicht zu Wort kommen. „Mein Name ist Klein- Link. Mein zukünftiger Vater heißt Link.“ Die großen Augen von Lia bestätigten gerade seine Vermutung. „Ich nehme an… dass Ihr Vater ebenso Link heißt. Er ist sicherlich der Heroe, den Navi und ich suchen. Er ist derjenige, der an einem Rat der Helden aus vielen Welten teilnehmen kann…“ Lia nickte und lächelte etwas schwermütig. „Ja, das ist richtig… mein Vater heißt Link Couraiga…“ Ihre Stimme wurde leiser. „Jedoch weiß ich nicht, ob er euch helfen kann… denn er wird seit vielen Tagen vermisst.“ Das war es also… die Hürde, die in dieser Welt zu bestehen war. ,Link Couraiga musste gefunden werden‘, dachte Klein- Link. ,Koste es, was es wolle…‘ __________________________________________________ schaut doch bitte mal im Faylen7-Forum vorbei^^ Der Admin dort wäre begeistert. Danke und lg Line Kapitel 134: Ein Heroe, den die Zeit besiegte… Teil 3 ----------------------------------------------------- Vielen Dank an die Leser, die die letzten Kapitel gelesen haben und immer noch (nach so langer Zeit) Kommentare schreiben, hier ein neues Kapitel. Bald stelle ich noch eine kleine extra Fanfic online, eine Art One-Shot. lg Faylen7 ________________________________________________________________________________ Schweigend saßen Lia und Klein- Link beisammen. Der Junge war indes wieder so müde, dass er ab und an seine Augen schloss und den Kopf auf seine Arme gelegt hatte. Auch Navi gesellte sich zu ihnen und freute sich zunächst, dass das Götterkind wieder wach war. „Hey“, meinte sie erfreut, und als Klein- Link sie anblickte, wusste er für einen Moment nicht, ob wirklich Navi vor ihm stand. Sie trug eine hellblaue, ausgewaschene Jeanshose und ein blassgelbes Top. Es stand ihr gut und machte aus ihr ein gewöhnliches, kleines Mädchen. „Geht es dir gut soweit?“, meinte sie und pflanzte ihren Hintern auf einen weiteren Sitzplatz am Küchentisch. „Danke, mir geht es gut“, sagte das Götterkind. Keine Spur der Ereignisse von vorhin wollte er Navi mitteilen. Sie würde sich insgeheim nur unnötige Sorgen machen. Und das war gerade echt das letzte, was Klein- Link wollte. In dieser Hinsicht verhielt er sich wohl wie seine zukünftige Mutter. Er wollte nicht für solche seltsamen Geschehnisse bemitleidet werden und anderen überflüssige Sorgen ersparen. „Bis auf seine Müdigkeit ist auch mit seinem Körper alles in Ordnung“, bemerkte Lia. „Willst du jetzt was essen?“, setzte die Ärztin an Navi gerichtet hinzu. Dankend nahm sie das Angebot an. Als Lia ihr den Teller mit einer großen Portion reichte, meinte sie: „Klein- Link weiß über alles Bescheid. Und mein Vater ist vermutlich der Heroe, den ihr beide sucht.“ Überrascht blickte Navi mit ihren riesigen, grünen Glubschaugen abwechselnd zu Lia und dem Götterkind. „Sag‘ bloß, er heißt Link?“ „Ja“, lächelte Lia. Navi sprang sogleich vom Stuhl und packte Lias Hände. Mit erwartungsvollem Lächeln meinte sie: „Nun sag‘ schon, wo können wir ihn finden? Wohnt er hier in Saria? Kann er mit einem Schwert umgehen?“ Das waren für Lia zu viele Fragen auf einmal. Sie hatte eine Falte auf der Stirn und atmete tief aus. „In jungen Jahren wohnte er in Faron bis zu seinem Journalismusstudium. Nach dem Studium kam er nach Saria und arbeitete als Oberhaupt der Masterritter“, erklärte sie. „Masterritter?“, murmelte Klein- Link und blickte sowohl Navi, als auch Lia mit müden Augen an. „Es ist eine Organisation, die für Frieden und Gerechtigkeit steht. Vor Hunderten Jahren schon wurde diese Abteilung gegründet. Es sind nur gut ausgebildete, mutige Leute, die in dieser Organisation arbeiten können. Hylianer zumeist“, erklärte sie. „Tatsächlich geht diese Organisation aus der Geschichte rund um die Heroen Hyrules hervor. Nicht umsonst steht das MS als Zeichen der Masterritter“, meinte sie. „Und was bitte schön ist das MS?“, fragte Navi ungeduldig und aß endlich etwas. „Das Masterschwert“, sprach Lia. „Dieses Schwert wurde natürlich seit Jahrhunderten nicht mehr benutzt.“ Cool, dachte Klein- Link. So also könnte sich das Hyrule entwickeln, in dem die Zelda und der Link aus der „Okarina-of-Time-Geschichte“ kamen. Mmh, fragte sich nur, was es mit der Zelda dieser Welt auf sich hatte. Lia besaß mit ihren schwarzen Haaren und Gesichtszügen absolut überhaupt keine Ähnlichkeit mit der Prinzessin der Hylianer. Ob es in dieser Welt überhaupt eine Zelda gab? In dem Augenblick erhielt Lia einen Anruf und flitzte ins Wohnzimmer, wo der Apparat stand. Sie schien mit einem anderen Arzt Fachlatein zu reden und erklärte auch, dass es ihr gut ginge nach dem Ereignis im Krankenhaus. Sie erhielt ferner die Mitteilung, dass das Krankenhaus bis auf weiteres geschlossen sei und die Masterritter dort noch nach Spuren suchten. „Sag‘ mal, weißt du, was mit dem Heroen dieser Welt passiert ist?“, fragte Navi über die Tischkante zu Klein- Link gerichtet. „Nicht genau… Lia meinte nur, dass er vermisst wird.“ Und da wich die Farbe aus Navis Gesicht. „Vermisst? Das kann jetzt nicht war sein“, nörgelte sie. „Wenn er vermisst wird, können wir ihn ja schlecht finden.“ „Das weiß ich auch“, murrte das Götterkind. Als ob soviel Geistesarbeit der Fee manchmal verschlossen blieben. Klein- Link konnte selbst solche Schlussfolgerungen ziehen, da brauchte er keine hochnäsige Fee, die ihm das alles unter die Nase rieb. „Und was machen wir jetzt?“, fragte sie leise. „Woher soll ich das wissen, Navi…“, meinte er und lief ins Wohnzimmer zu Lia. Er setzte sich auf das bequeme Sofa und schloss seine Augen. Im Augenblick war ihm alles andere danach zumute zu diskutieren, er wollte doch nur seine Ruhe haben, sich etwas erholen. Warum kapiert Navi das nicht? Indes war Lia mit dem Telefonieren fertig. Sie trat zu Navi in die Küche und meinte leise: „Vielleicht sollten wir dem Jungen seine Ruhe gönnen.“ „Ja, das stimmt“, meinte sie und lugte mit ihren Augen ins Wohnzimmer. Gähnend saß das Götterkind auf der Couch, schnappte sich ein Kissen und umarmte dieses wie ein Kuscheltier. „Ehrlich gesagt bin ich nach dem anstrengenden Tag auch etwas müde“, meinte Lia und streckte sich. „Ich will dich nicht weiter stören oder so, aber ich muss noch etwas wissen“, sagte Navi und folgte Lia einfach in das Schlafzimmer. Lia holte aus einem großen Schrank etwas Bettwäsche und Decken. „Ja, schieß los.“ „Was ist mit deinem Vater passiert? Du hast vorhin nur gesagt, er hätte bei den Masterrittern gearbeitet.“ „Er war dort sogar das Oberhaupt“, korrigierte Lia sie. „Und danach?“ Navi wusste nicht, ob es wirklich okay war, so nachzubohren, nur war es ja von entscheidender Bedeutung für diese ganze Mission. Eine sichere Rechtfertigung dafür, nicht wahr? „Er hat sich zurückgezogen aufgrund seines Alters. Nur vor wenigen Tagen rief er mich aufgeregt an, er hätte etwas außerordentlich wichtiges zu erledigen. Man dürfe seinen Aufenthaltsort nicht herausfinden. Er klang sehr durcheinander und die Verbindung war schlecht. Nach dem Anruf hatte er sich nicht mehr gemeldet… Inzwischen behauptet die Hyl Moblina, er wäre in ihrer Gewalt.“ Lia wurde in ihren Worten immer leiser und seufzte. Sie drückte Navi die Bettwäsche in ihre Hände und schob ein ausklappbares Bett aus ihrem Schrank. Sie klappten das Bett in Ruhe im Wohnzimmer aus, und überzogen dicke Federdecken. „Einer von euch kann auf der Couch schlafen, der andere in dem Klappbett“, erklärte Lia und rieb sich die Augen. Sie wies Klein- Link und Navi an sich an den Getränken in der Küche zu bedienen, falls sie Durst verspürten, und auch die Dinge im Kühlschrank durften beide nach Herzenslust vernaschen. Gerade als Lia einen Gute-Nacht-Gruß über ihre Lippen gleiten lassen wollte, stand Navi wieder vor ihr und sagte leise: „Es gibt aber noch so viele Dinge zu klären. Wir müssen deinen Vater finden. Hast du keine Ahnung, wo er sich inzwischen aufhält?“ Lia atmete tief ein und schien das erste Mal etwas genervt. „Hör zu, Navi. Mir ist klar, dass eure Mission für euch beide den Vorrang hat. Aber manchmal hat man keine andere Wahl als abzuwarten. Ich kann nicht irgendetwas Unsinniges tun, nur um nicht herumzusitzen. Im Moment ist nichts zu tun, akzeptiere das.“ Damit klatschte Lia in ihre Hände und statt des großen Lichts im Raum leuchtete nur noch eine kleine Tischlampe. Sie murmelte endlich ein ,Gute-Nacht‘ über ihre Lippen und verschwand dann im Schlafzimmer. „Ich denke, das war zu viel des guten“, murmelte Klein- Link und machte es sich auf dem Sofa bequem. Zufrieden kuschelte er sich in die dicke Federdecke und seufzte. Es war offensichtlich, dass auch Lias Hilfsbereitschaft irgendwo ihre Grenzen besaß. Möglicherweise war es ihr gar nicht recht, dass sich zwei augenscheinliche Kinder in die Angelegenheiten ihres Vaters einmischten. Zumal sie beide damit irgendwelche unbedachten Konsequenzen heraufziehen und sich zusätzlich in Gefahr begeben würden… „Aber wir müssen nun mal den Heroen dieser Welt finden und das schnell“, meinte Navi patzig und breitete sich auf dem Klappbett aus. Nachdenklich blickte sie aus einem großen Fenster mit dreieckigen, bunten Einsätzen. „Ich weiß, Navi…“, murmelte der Junge. Seine himmelblauen Augen hafteten an der weißen Zimmerdecke. Das Verblassen in Hyrulia kam ihm wieder in den Sinn. Und er fragte sich, ob es wirklich gut war, Navi das zu erzählen. Sie würde sich noch mehr verrückt machen, nicht wahr? Er seufzte und streichelte etwas seine verletzte Schulter. „Warum setzt du dich eigentlich so sehr ein, Navi? Ich meine… kann dir die Erde nicht vollkommen egal sein?“ Sie musterte Klein- Link im fahlen Licht, welches die Lampe auf Lias Schreibtisch warf. Seine Worte stimmten sie nachdenklicher als ohnehin schon. Hatte er vielleicht Recht? Was kümmerte sie schon die Erde? Sie lebte nicht auf der Erdenwelt und hatte jene Welt nie akzeptiert… Diese Mission war ihr wohl nur aus anderen… egoistischeren Motiven so wichtig. „Was ist mit dir, Götterkind?“, meinte sie und kuschelte sich in Embryonalhaltung in die Decke. „Du tust diese Mission ja auch nicht nur für deine zukünftigen Eltern…“, unterstellte sie. „Sicherlich wird aus dir irgendwann ein Heroe, der die Blutlinie weiterführt… aber jeder Held hat auch seine Schattenseiten im Herzen. Auch Helden sind nur sterbliche Wesen.“ Etwas abgeneigt von Navis Unterschiedsmacherei richtete er sich zaghaft auf und fragte sich, was zum Teufel in dem Kopf einer einstigen Fee steckte. „Nimmst du an es macht einen Unterschied, ob man sterblich ist oder nicht?“ Etwas enttäuscht von ihrer Denkweise suchte er ihren Blick. „Sicherlich macht das einen Unterschied“, sagte sie. „Und welchen?“, meinte Klein- Link. „Nimmst du an, ein sterbliches Geschöpf kann niemals so edel sein wie ein unsterbliches?“ „Nein, das nicht“, erklärte sie schläfrig. „Aber wenn man unsterblich ist, dann ist Zeit ganz anders definiert… man hat einfach mehr Gelegenheiten Fehler zu machen und daraus zu lernen. Weisheit und Weitsicht haben ganz andere Dimensionen. Und das Herz in einer unsterblichen Brust wächst immer weiter, wird reifer. Zeit ist das, was einem sterblichen Wesen einfach fehlt.“ „Das ist purer Schwachsinn, wenn du mich fragst“, murrte der Junge, knallte sich etwas zu voreilig und unsanft auf die Couch und wendete der einstigen Fee den Rücken zu. Was dachte sich Navi dabei? Das war lächerlich… „Ich frage dich aber nicht um deine Meinung“, entgegnete sie besserwisserisch. „Du siehst die Dinge nun mal nicht wie ich… genau das meine ich ja, Jahrhunderte von Lebenszeit verändern ein Geschöpf nun mal stärker als lediglich fünfzig Jahre es tun können.“ Vielleicht hatte Navi recht, aber akzeptieren wollte er dies nicht. Er seufzte und schloss kurz die Augen. „Navi… selbst wenn jemand länger lebt und vielleicht auch weiser ist… was ändert das schon?“ Sie wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. In welche Richtung dachte er? „Meinst du nicht, dass selbst ein Kind… mehr bewirken und erreichen kann als ein tausend Jahre altes Wesen?“ Und damit fühlte sie sich seit langem wieder arm in ihren Argumenten. War es vielleicht genau das, was Klein- Link erkannt hatte? Sie, als Fee, die schon eine lange Zeit auf der Welt weilte, hatte sie mehr drauf als dieser Junge, der erst seit wenigen Jahren existierte? Nein, vermutlich nicht. Sie schwieg. „Weißt du Navi… für mich besteht gar nicht der Wunsch ewig zu leben, ich wüsste gar nicht, was ich mit soviel Zeit anfangen sollte.“ Er schmunzelte. „Mmh, ich verstehe… ja, ich denke, ich verstehe dich jetzt sehr gut.“ Er drehte sich um und blickte in ihre Richtung. War es möglich, dass Navi, obwohl sie so alt war, nicht trotzdem noch ein Kind in ihren Inneren darstellte und sie gerade deshalb diese Gestalt besaß? Sicherlich hatte sie dem damaligen Helden der Zeit gut gedient und geholfen, sicherlich auch mit Weitsicht und Schläue. Aber in vielen Dingen war Navi einfach nicht weiter als er… „Navi… auch, wenn wir uns so oft in den Haaren haben, ich finde, du bist ein guter Freund“, meinte Klein- Link und grinste etwas. „Hehe, danke“, kicherte sie. Als dann fanden die beiden ihren Schlaf, einen wohlverdienten, ruhigen Schlaf. Auch Klein- Link wurde diesmal von Hypnos gnädig empfangen und schlafwandelte nicht… Das Götterkind erholte sich in der Obhut von Lia Couraiga sehr schnell und auch Navi hatte erneut etwas Mut gefasst, dass sie den Heroen in dieser Welt finden und letztlich auch die Mission in jener Dimension erfolgreich abschließen würden. Zwei Tage nach ihrem Eintreffen in Saria waren inzwischen vergangen. Navi und Klein- Link hatten sich gut bei Dr. Couraiga eingelebt. Und zusammen mit Lia verfolgten sie immer interessiert die Nachrichten, um etwas über Links Aufenthalt zu erfahren. Weiterhin ließ Lia ihre Kontakte spielen, worauf sowohl Klein- Link als auch Navi beide inzwischen im hylianischen Einwohnermeldeamt gemeldet waren und in wenigen Tagen auch in einer Schule in die 3. Klassenstufe eingeführt werden sollten. Lia setzte Klein- Link und Navi, beide gekleidet in moderner Kleidung, vor den hohen Eingangstüren einer gut besuchten und namhaften Schule ab. „Genießt den Tag“, meinte sie und setzte im Flüsterton hinzu. „Und benehmt euch wie stinknormale Kinder, verstanden?“ Sowohl Klein- Link als auch Navi wippten mit den Köpfen. „Ich werde in der Zwischenzeit versuchen etwas herauszufinden“, sagte Lia kurzangebunden und fuhr mit raschem Tempo auf die Hauptstraße. Im Nu war ihr Hylcedes verschwunden. Navi seufzte. So, da waren sie also. Direkt vor den Eingangstüren einer gut besuchten Schule, wo Dutzende kleine Quälgeister auf ihrer Nase herumhacken würden. Klein- Link tapste unterdes cool und selbstbewusst vorwärts und mischte sich unter die Schüler und Schülerinnen. Es schien ihm überhaupt nichts auszumachen, in eine moderne Schule zu gehen, obwohl auch er viel reifer war, als man vermutete… „Hey, warte“, rief sie noch und rannte ihm hinterher. Es dauerte nicht lange und die beiden hatten das Sekretariat gefunden. Eine alte Dekudame, deren hölzerne Haut bereits von einigen Holzwürmern zerbissen war, saß hinter einem großen Schreibtisch, der sie beinah verschluckte. Sie hatte eine rosa Brille auf ihrer Pinoccionase und beäugte Navi und Klein-Link mit kohlrabenschwarzen Augen. „Ah, ihr müsst die beiden Patenkinder von Dr. Couraiga sein“, bemerkte sie mit einer tiefen, klapprigen Stimme. Mit großen Augen wippten Klein- Link und Navi erneut mit den Köpfen. „Gut, dann folgt mir bitte.“ Die kleine, dicke Dame watschelte daraufhin in den ersten Stock, und klopfte an einer Klassenzimmertür. Viele neugierige, aber auch ablehnende Blicke von allen möglichen Rassen stachen ihnen entgegen. ,Das konnte heiter werden‘, dachte Navi und seufzte erneut… Nervös grinsend setzte sich Navi zusammen mit Klein-Link an den letzten freien Tisch und versuchte den Worten der Lehrerin zu folgen. Sie redete irgendetwas von hylianischer Geschichte, von der Gründung des Landes und etwas von geographischen Gegebenheiten. Sie sprach von den drei größten Flüssen Zojan, Goronyr und Geru, welche schon seit Urzeiten das hylianische Meer speisten. Wenn Navi diese Informationen mit dem alten Hyrule verglich musste das bedeuten, dass die kleinen Flüsse und der Hylia-See sich im Laufe der Geschichte großartig verändern würden. Sicherlich ging das hylianische Meer aus dem Hylia-See hervor. Inzwischen fand Navi die Geschichten der Lehrerin äußerst interessant, ganz zu schweigen von manch anderen Schülern, und ganz zu schweigen von Klein- Link, der zusammengesunken neben ihr saß. ,Er war wirklich erstaunlich‘, dachte sie. Vor zwei Tagen noch hatte er ziemliche Probleme mit der Wunde an seiner Schulter gehabt und nun trat er so gelassen hier auf. Nun ja, grinste die einstige Fee. Mehr oder weniger gelassen. Er gähnte. Der neugierige Blick in seinen himmelblauen Augen schien abgelöst von etwas Schwermut und vielleicht auch Lethargie. Aber es machte ihn nicht weniger interessant. Er war ein Junge, der nicht einmal ahnte, wie er auf die Menschen in seiner Umgebung wirken konnte. Etwas besaß Klein- Link, was kein voriger Heroe entfesseln würde. Nahm er Notiz davon? Spürte er etwas von der ungewöhnlichen Macht, die in ihm schlummerte? In dem Augenblick schien der Junge einzunicken. Sein ansehnliches Gesicht sank nieder und seine Augen schlossen sich langsam. In hylianischer Gebetshaltung, die Hände ein Dreieck bildend, die Finger ineinander verschachtelt, saß er auf dem Sitzplatz und atmete in langen Abständen ein und aus. „Klein- Link?“, murmelte Navi und fand es etwas merkwürdig, was der Junge hier tat. Betete er tatsächlich? Auch zwei drei andere Schüler beäugten ihn skeptisch. Ein dickes Goronenkind mit schneeweißem Haar zeigte mit einem fetten braunen Zeigefinger direkt auf ihn. Und eine sommersprossige Hylianerin lächelte ihn mit roten Wangenbäckchen an. Unsanft stieß Navi das Götterkind in die Rippengegend, aber er reagierte nicht einmal darauf. Weiterhin saß er da in seiner Gebetshaltung und hatte seine Augen geschlossen. Er begann dann leise zu summen. Ein Bleistift in seiner Hand wurde von ihm spielend in der Mitte entzwei gebrochen. Ein Lineal, entwendet von seinen Kinderhänden aus einer einfachen Federmappe, brach entzwei und die Splitter verteilten sich auf dem Tisch und dem Fußboden. „Was, bei Nayru, tust du?“, schimpfte sie. Schlief er womöglich? Aber warum machte er in diesem Schlaf alles kaputt? „Harkenia!“, knurrte sie und boxte ihn ein weiteres Mal in die Rippengegend. In dem Augenblick drehte er seinen geistig umnachteten Schädel in ihre Richtung. Seine himmelblauen Augen öffneten sich einen winzigen Spalt und schienen sie ein wenig lächerlich zu mustern. Als lachte er über ihre Anwesenheit, über ihr kindisches Äußeres. Navi wich etwas verletzt zurück, beobachtete Klein- Links Mundwinkel, die sich gehässig nach oben bewegten. Und dann entkam ein gebrochener, schäkernder Laut seinem Mund. „Was ist nur los mit dir…“, murmelte die einstige Fee. Sie hatte ihre Worte kaum ausgesprochen, als er eine kleine Schere aus seiner Federmappe nahm und diese schier unbewusst und vielleicht nicht einmal begreifend in seiner linken Hand kreisen ließ. Die Schere fiel mit einem Klack auf den Tisch, da er dieses Spiel nicht so gut beherrschte. Er nahm die Schere an den Schneiden erneut in seine linke Hand und drückte zu. Er zuckte nicht einmal mit den Wimpern. Seine menschliche Regung war verschwunden. Seine Emotionen eiskalt. Irgendetwas schlummerte tief in seinem Unterbewusstsein, ließ ihn Dinge tun, die er nicht wollte, nicht verstand. Ein zerstörungswilliges Gebilde, klein und unscheinbar, jedoch frostig und böswillig… Als Blut aus seiner linken Hand tropfte, gab Navi ihm eine markerschütternde Ohrfeige. Die Schere flog in hohem Bogen in Richtung des Nachbarplatzes. Klein- Link entließ lachende Laute und krachte aufgrund der Wucht von Navis Schelle zu Boden. Und dann ruhten alle Augen auf ihm. Die Lehrerin trat besorgt und wütend über die Unruhe in ihrer Klasse näher und beäugte die beiden neuen Schüler skeptisch. Navi sprang hastig vom Platz und kniete zu dem Götterkind nieder. Mit großen, verwunderten Augen blickte er in ihre. Er war wieder wach, hellwach, nicht wissend, wie er so plötzlich auf dem Boden hocken konnte. Navis besorgter Blick und jene neugierigen Musterungen der Schüler und der Lehrerin machten ihm sehr schnell deutlich, dass etwas passiert sein musste. Dann registrierte er ein ungleichmäßiges Ziehen an der Innenfläche seiner linken Hand. Sie blutete… Dr. Couraiga trat derweil elegant und selbstbewusst durch die riesige alte Pforte des Regierungsgebäudes von Saria. Gekleidet in einer weißen enganliegenden Stoffhose und einer wiesengrünen kurzen Lederjacke marschierte sie auf den an der Pforte sitzenden Gerudo zu. Man musste wissen, dass in diesen neuen Zeiten das alte Gesetz, dass nur alle Hunderte Jahre ein Gerudomann geboren werden durfte, nicht galt. Die vielen neugeborenen, männlichen Nachkommen jenes Volkes, die in früheren, mittelalterlichen Zeiten ermordet oder abgetrieben wurden, führten in diesem Hyrule ein gewöhnliches Leben unter ihres gleichen. Mit einem beeinflussenden, weiblichen Lächeln lehnte sich Lia Couraiga an die Glasscheibe und sprach mit aufgesetzter hoher Stimme zu dem etwas dicklichen, unattraktiven Mann. „Sagen Sie, ist Schadow heute im Haus?“ Er blinzelte und atmete scharf ein. Er antwortete zunächst nicht und versuchte sich mit den Fingern eine Beschäftigung zu suchen. Als er diese gefunden hatte, malte er mit einem Kugelschreiber irgendwelche Gebilde auf einen Ordner vor seiner Nase. „Eigentlich darf ich darüber keine Auskunft geben…“, meinte er beflissen. Als Lia die Unsicherheit des Pförtners erkannte, zwinkerte sie und beugte sich etwas näher, sodass ihr hübscher Ausschnitt sichtbar wurde. Sie streichelte sich durch ihre dunklen Haare und lächelte erneut. „Bitte, sagen Sie es mir. Ich bin eine Schülerin von ihr gewesen.“ Der Mann öffnete vor Nervosität seinen Kragen und musterte die attraktive, hübsche Frau verlegen. „Ja… im großen Saal… gleich im ersten Stockwerk… sie hat heute dort eine Trainingsstunde…“ Zufrieden klopfte Lia mit frisch lackierten Fingernägeln an die Glasscheibe, lächelte und huschte dann schnell in den Fahrstuhl. Der Mann aber seufzte. Das war jetzt schon das zehnte Mal, dass er sich von ihr um den Finger wickeln ließ… Aufgeregt trat Lia in den großen Saal ein. Es war ein alter Festsaal, der in früheren Zeiten zu Empfängen, Hochzeiten und Geburtstagen der Adligen von Hyrule genutzt wurde. Heute jedoch stand er meist leer. Außer irgendjemand mietete diese wunderschöne, im althylianischen Stil gehaltene Räumlichkeit. Und tatsächlich trainierte in jenem Raum eine Person, die einen dunkelblauen, enganliegenden Shiekahanzug trug. Jene Kampf- oder Sportleranzüge eigneten sich mit ihrem dehnbaren, dünnen Material hervorragend für ein Training verschiedener Waffenkunst. Die Dame schwang zwei kurze Dolche geschickt umher, kämpfte gegen verschiedene Hologramme, die sie nacheinander ausschaltete. Kurze Kampflaute erklangen aus ihrem Mund. Als sie Lia erblickte, stoppte sie das Training und nahm einen weißen Helm von ihrem Kopf. Blondes, langes Haar fiel in einem geflochtenen Zopf hinab. Es war eine schöne, schlanke Frau. Elegant. Und für ihr hohes Alter hatte sie sich sehr fit gehalten. Sie lächelte Lia entgegen und nutzte eine Fernbedienung um ihre Hologramme auszuschalten. „Hallo, Shadow“, sprach Lia und trat näher. „Du musst nicht so förmlich sein, Lia. Ich hatte mit deinem Besuch gerechnet“, sagte die Frau und reichte der jüngeren die Hand. „Es tut gut dich zu sehen“, sprach Shadow, die vermeintliche talentierte Kriegerin. Es schien als war eine Kämpferin aus vergessenen Jahrhunderten an ihr verloren gegangen. „Ganz meinerseits“, erwiderte die Frau und strahlte ihr Gegenüber mit den kräftigen, himmelblauen Augen an. Ihr Blick schien Wissen aus Lias Gedankengängen ziehen zu wollen, so intensiv war jener Blick. Lia traute sich nicht wegzusehen und hatte sofort das Bild des kleinen Besuchers vor ihr, den sie vor wenigen Tagen gerettet und bei sich aufgenommen hatte. Genau dieselben himmelblauen Augen strahlten aus seinem Gesicht und dursteten nach Wissen und Erfahrung. „Ich habe von dem Vorfall im Krankenhaus gehört“, sprach die Frau und legte ihren Helm zu einer kleinen Hologrammanlage in jenem Raum. „Sogar die Masterritter mussten eingreifen“, setzte sie hinzu. „Das ist richtig“, sagte Lia und lief der reifen Frau hinterher. „Es gab einige unerfreuliche Erlebnisse in den letzten Tagen.“ Ihr Gegenüber stutzte: „Nun, wie mir scheint bist du nicht hierher gekommen, um eine Trainingsstunde bei Shadow zu halten“, sagte die Frau, schnipste mit den Fingern und ihr dunkelblauer Anzug verwandelte sich rasch in das schicke Kostüm einer Politikerin. Ihr langer, geflochtener Zopf löste sich und wie von Geisterhand steckten sich ihre Haare in die Höhe und verliehen der Dame einen seriöseren Ausdruck. „Nein, natürlich nicht.“ Shadow nickte lediglich: „Trinkst du einen Tee mit mir?“, meinte sie. Lia freute sich über die Einladung und folgte der mysteriösen, in Magie begabten Frau unvermittelt in ihr Büro im siebten Stockwerk. Auf dem Weg dorthin grüßten viele Geschäftsleute die Politikerin und beäugten kurz, aber nicht überrascht Lia Couraiga, die ihrer Lehrerin in der Shiekahkunst folgte. Sie erreichten das gemütliche und teuer eingerichtete Büro von Shadow alias Zelda Harkinian, der Ministerpräsidentin von Lanayru. Lia machte es sich auf einem kirschroten Sofa bequem und verfolgte mit ihren tiefblauen Augen ihre Lehrmeisterin, die eine Teemaschiene einschaltete, kurz aus ihren riesigen Fenstern blickte und die Jalousien hinab zog. Es war ein interessant eingerichtetes Büro. Mit vielen antiken Gegenständen. In einer Vitrine bewahrte die Politikerin eine alte Flöte auf. An der Wand hingen Schwerter und Dolche. Und besonders interessant war ihr Schreibtisch. Die Gegenstände darauf zeigten deutlich den Familiensinn der klugen Politikerin. Auf einem Bild war ein grauhaariger Mann zu sehen, ein Adliger aus Labrynna, der Ehegatte. Und auf drei weiteren Bildern waren die Söhne von Shadow dargestellt. Besonders den jüngsten der Söhne hatte Lia in weniger erfreulicher Erinnerung… „Welchen Tee darf ich dir anbieten?“, meinte die Frau und riss ihren Gast aus den Gedanken. „Herzbeere ist hervorragend“, sprach Lia und war etwas erschrocken, wie sehr sie sich von den Bildern gerade hatte irritieren lassen. „In Ordnung“, meinte die Frau, zog eine Augenbraue nach oben und schien mehr aus Lias Verhalten herauszulesen, als jener im Augenblick recht war. Kurze Zeit später standen zwei Tassen mit einem roten, blutfarbenen Tee auf dem Tisch vor dem Sofa und die beiden Frau beäugten einander zweifelnd, fast so, als hätte jeder etwas wichtiges zu erzählen, aber sie beide suchten nach einem Anfang. „Du gibst also immer noch Trainingsstunden?“, meinte Lia dann und schnupperte an dem angenehm riechenden Teegetränk. „Ja, zurzeit ist der Bedarf tatsächlich größer geworden. Es fragen mehr und mehr interessierte junge Leute nach dem Beherrschen der Schattenkunst.“ „Als ob jeder spürt, dass irgendetwas nicht stimmt, nicht wahr?“, sagte Lia leise und trank einen Schluck. Miss Harkinian wollte diesen Satz am liebsten überhört haben. Jedoch konnte sie es nicht. Irgendetwas war in diesem Land nicht mehr in Ordnung. Es gab Verschiebungen im Raum-Zeitgefüge. Erst vor wenigen Tagen wurde sie benachrichtigt, dass hier in der Stadt Saria ein Riss jenes Gefüge erschüttert hatte. „Nun ja… es ist immer gut, vorbereitet zu sein“, sprach die Politikerin kühl und starrte nachdenklich auf ihre Tasse. „Du weißt von dem Riss im Raum-Zeit-Gefüge?“, setzte die ältere Frau hinzu. „Ja, natürlich“, entgegnete Lia, grübelte heimlich, ob sie ihrer Lehrmeisterin genug Vertrauen entgegenbringen konnte, um über Klein- Link und Navi zu berichten. Wenn sie irgendjemandem mitteilte, dass diese beiden aus einer vollkommen anderen Welt hierhergelangt waren, würde das viele Politiker und auch die Presse interessieren. Von irgendwelchen Wissenschaftlern, die dann Experimente mit den beiden durchführen würden, wollte Lia erst gar nicht anfangen. „Ich hörte ebenso, du wohnst zur Zeit nicht alleine?“, meinte die Dame und beäugte ihre Schülerin skeptisch. Überrascht setzte Lia ihre Tasse wieder auf den Tisch und musterte die Politikerin eindringlich. Hatte sie überall ihre Spitzel? Oder woher wusste sie das? „Das ist richtig… aber deswegen bin ich nicht hier“, beschwor sie. Miss Harkinian schüttelte den Kopf wissend. „Ich kenne dich schon seit vielen Jahren, liebe Lia“, lächelte die Ältere. „Ich war immer der Meinung, wir können uns vertrauen.“ Zaghaft stand die Politikerin auf, verschränkte die Arme und blickte an eine Seitenwand, wo eine alte Photographie bedeutender Masterritter hing. Auch Lias Vater war unter jenen. „Wusstest du, dass ich deinen Vater immer bewunderte, und auch heute noch sehr wertschätze. Obgleich er viele Dinge wie ein Raufbold oder Dummkopf anging, so hätte er diese Dinge ohne seinen etwas voreiligen Mut nicht tun können.“ Sie hatte ein Funkeln in ihren Augen, während sie sprach. Schon immer war Lia die Beziehung von Zelda Harkinian zu ihrem Vater etwas suspekt. Es hieß, sie waren seit sie denken konnten, immer wieder zusammen, gingen auf dieselbe Schule, studierten an derselben Universität, bis sie schließlich gemeinsam den damaligen Verbrecher Ganondorf Dragmire hinter Gitter bringen konnten. Diesen Mann, der des Völkermordes, der Vergewaltigung von Frauen an die Hundert Fälle, der Ermordung hoher Politiker und der Planung und Durchführung des Terrors von Ordonien beschuldigt und schließlich als erster Hyrulianer überhaupt die Strafe der Tausendjährigen Verbannung akzeptieren musste. Selbst als sie beide sich in andere Hylianer verliebt und geheiratet hatten, verband beide eine große Freundschaft. Und es war mehr als einmal, dass Lia sich fragte, ob nicht doch mehr dahinter steckte. „Ich wünschte manchmal… vieles wäre anders gekommen“, meinte Miss Harkinian leise, legte eine Hand auf ihr Herz und lächelte in sich hinein. Und erneut dachte Lia, dass ihr Vater und Zelda Harkinian viele Geheimnisse miteinander teilten. „Gibt es etwas neues von ihm…“, meinte Lia leise. „Ich weiß, dass er mit niemandem Kontakt aufnehmen kann… nur…“ „Du machst dir zu viele Sorgen“, unterbrach die ältere Frau sie. Lia nickte unvermittelt. „Ich sollte Vertrauen haben, sicherlich. Und ich weiß ja, dass er nichts Übermütiges tun würde, trotzdem…“ Zelda Harkinian trat näher und legte ihre warmen Hände auf Lias Schultern. Tatsächlich war die Ministerpräsidentin fast einen Kopf größer als sie. Ihr Blick war edel und rechtschaffen, wollte beruhigen und ermutigen. „Dein Vater lebt…“, sprach sie mit einem wissenden Lächeln. „Woher willst du das wissen?“ Die ältere Dame lächelte erneut so muterfüllt und beruhigt. „Nun, ich kenne deinen Vater besser als jemand sonst es tut…“, sagte sie sicher. Sie blickte seitwärts und schien dann in ihren Gedanken. „Das kann ich nicht abstreiten“, meinte Lia verschmitzt und ließ sich wieder auf die Couch sinken. „Dennoch… es wäre mir lieber, er würde allmählich sein Alter akzeptieren und sich nicht in solche gefährliche Situationen bringen.“ „Sein Alter akzeptieren, sagst du?“ Und die Politikerin lachte. „Link würde sagen, er fühlt sich viel zu jung als sich auf die faule Haut zu legen und dunklen Machenschaften zuzusehen.“ „Aber was, zum Teufel, will er sich beweisen? Was will er herausfinden?“ Lia seufzte und schaute in ihre leere Teetasse. „Du weißt, es ist mir eigentlich untersagt, dir nähere Informationen mitzuteilen…“, erwiderte Zelda Harkinian. „Das weiß ich. Und ich weiß, dass du dich früher auch nie daran gehalten hast“, lachte die Ärztin. Die ältere Dame schüttelte erheitert ihren wissenden Kopf. „Diese Art der Kommentare hast du von deinem Vater.“ Die Frau trat an ihren glänzenden, antiken Schreibtisch und wühlte in einem Fach herum. Mit einem Klack öffnete sich ein weiteres, kleines, unscheinbares Fach an einer Seite des Tisches. Und dort kramte die Frau erneut in irgendwelchen Papieren umher. „Also gut, Lia“, meinte sie. „Bei unserem letzten Treffen wusstest du bereits, dass dein Vater sich in Ordonien aufhält. Aber du kanntest den Grund dafür noch nicht.“ Dr. Couraiga nickte gefasst und verfolgte mit ihren tiefblauen Augen die Lippenbewegungen ihrer einstigen Lehrmeisterin. Jene trat unterdessen mit einer dicken Mappe näher und drückte die Unterlagen Lia in die Hand. Mit ernstem Blick setzte sie sich wieder auf das Sofa neben ihre Schülerin. Verwundert blätterte Lia in den Aufzeichnungen und glaubte aus allen Wolken zu fallen, als sie bruchstückhaft einige Wörter las. Sie las etwas von Verschmelzung von Dimensionen, von Zeitreisen und der Entwicklung lebendiger Waffen. Vieles davon klang etwas utopisch in Lias Ohren, aber jetzt, da sie wusste, dass zwei Kinder mittels Magie in diese Welt gelangt waren, weshalb sollte sie diesen Aufzeichnungen nicht glauben? Mit offenem Mund las Lia weiter und fand den Namen Couraiga an einem sehr ausführlichen Stammbaum wieder. Bis hin zu frühen Heldengenerationen war hier jeder Verwandte dieser bedeutsamen Blutlinie recherchiert worden. „Was um Himmels Willen bedeutet das?“ Mit großen, ungläubigen Augen starrte Lia ihre einstige Lehrmeisterin an. „Blätter ein paar Seiten weiter… und du findest die Antwort.“ Und tatsächlich fand sich auf den nächsten Seiten alles Wissenswerte über das MS. Zeitungsartikel, verschiedene Abbildung jener heiligen Waffe, Zitate aus dem Buch des Lebens und allerlei Fotos. Ratlos blickte Lia in die himmelblauen, verständnisvollen Augen der Ministerpräsidentin. Daraufhin begann diese leise zu erklären: „Meine Annahme, und auch die deines Vaters, ist, dass die Hyl Moblina nach Wegen sucht anhand der genetischen Eigenschaften eurer Familie… eine Möglichkeit zu finden, das MS wieder zu benutzen. Es scheint so, als wäre dein Vater oder du jemand, der in der Lage ist, das MS in die Hand zu nehmen, ohne dass es euch entgleitet, euch verflucht oder wie die Legenden besagen, ihr euch daran verbrennt. Es heißt zwar, dass MS scheint nicht in Verbindung mit den Machenschaften der Hyl Moblina zu stehen, aber ich habe da meine Zweifel, ob es nicht doch in deren Besitz ist.“ „Aber wieso?“ Verdutzt ließ Lia die Mappe auf den Tisch sacken und lehnte sich zurück in das weiche Sofa. Sie kratzte sich an ihrer Stirn und stellte sich erneut dieselbe Frage in ihren Gedanken… Wieso? „Ich verstehe gerade überhaupt nichts“, murmelte sie und schüttelte ihren hübschen Kopf. „Was hat das MS mit meiner Familie zu tun?“ Und tatsächlich stieg Lia im Augenblick nicht dahinter. Sie hatte sich nie als ein Mitglied einer schicksalhaft auserwählten Familie gesehen. Sie identifizierte sich nicht unbedingt mit Vergangenem so wie ihr Vater und seine bunten Erzählungen. Sie liebte die Gegenwart… Sie konnte nicht ohne die Gegenwart leben… „Ganz einfach… dein Vater und du, ihr geht aus dem alten Heldengeschlecht hervor, und seid damit in der Lage das MS zu führen, als einzige zwei Wesen auf diesem Planeten.“ „Bei Dinafa, Zelda“, murrte Lia verwirrt und laut. Sie wollte diese Worte nicht glauben, natürlich nicht. Hatte ihr Vater gerade deshalb diesen Hang zu der alten Legende? Die Kinder Navi und Klein- Link huschten in Lias Gedankengängen umher. Dieser Junge mit den himmelblauen Augen hatte angegeben, er wäre der zukünftige Sohn eines Heroen, der Link hieß. Der Heroe in der Welt jenes Jungen… Nannte man diesen Mann etwa auch deswegen Held der Zeit, weil er in der Lage war das Masterschwert zu führen? Und wenn ihr Vater diesem Link entsprach, bedeutete das, dass ihr Vater das Heilige Schwert, geschmiedet von den ersten Sieben Weisen, in die Hand nehmen konnte? Lias Gesichtszüge entspannten sich, als sie akzeptierte… „Wie ich vermute, verstehst du nun die Sachlage…“, flüsterte die Dienerin des Staates. „Dein Vater wusste es… er wusste, dass er etwas damit zu tun hatte. Nur deswegen machte er sich auf den Weg. Nur aus diesem Grund brachte er sich in Gefahr…“ „Weil er mal wieder zu abenteuerlustig war, die Sache auf sich beruhen zu lassen?“, schimpfte die Ärztin und sprang vom Sofa. „Er ist ein sturer, alter Bock“, schnaufte sie. „Nun… seine Abenteuerlust war nicht der eigentliche Grund. Er fühlte sich verpflichtet“, erklärte Zelda Harkinian. „Quark“, murrte Lia und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Verpflichtung wofür?“ Kopfschüttelnd und Lias plötzliche Verbitterung nicht begreifend, trat die Ministerpräsidentin zurück an ihren Schreibtisch, setzte ein paar schmale Gläser auf ihre Nase, stützte den Kopf mit ihren Händen und schielte Lia eindringlich an. Die junge Frau hasste diese genauen Einblicke ihrer Lehrmeisterin in die Seele eines Hyrulianers. Denn jene hatte ein unheimliches Gespür, wenn sie diesen Blick auflegte. Es schien fast so, als konnte sie damit Gedanken lesen. „Du verstehst den Grund nicht… Stell‘ dir vor man könnte die Macht des MS wiedererwecken und sie für zerstörerische Zwecke nutzen. Dem MS wohnt eine Macht inne, die schon ansatzweise mit dem Triforce zu vergleichen ist. Gerade deshalb fühlt sich dein Vater verpflichtet etwas dagegen zu tun.“ „Das ist der größte Blödsinn, den ich gehört habe, Miss Harkinian. Wenn er jemand ist, der das MS nutzen kann, denkt ihr nicht, dass es ein gefundenes Fressen für die Hyl Moblina ist, dass ausgerechnet der, der das MS führen kann, direkt in ihre Arme läuft“, erwiderte Lia stur. „Mmh… hast du schon mal den Spruch gehört, dass ein Versteck an der Brust des Feindes das sicherste Versteck ist? Sie werden deinen Vater überall suchen, nur nicht vor ihrer Haustür.“ „Und was ist mit mir? Schwebe ich damit in Gefahr?“, sprach sie leiser. „Ja, sicherlich…“, murmelte Zelda. „Nur habe ich genug Vertrauen in deine Fähigkeiten, dass ich weiß… ja ich weiß, dass du dich immer verteidigen wirst, egal, welche Situation auf dich zukommt.“ Lia verstummte und schaute zu Boden. Das ganze erschlug sie fast ein wenig. Erst diese beiden Kinder, die auf mysteriöse Weise gerade in ihre Arme gelaufen waren. Dann die Sorge um ihren Vater. Und nun musste sie auch noch auf sich selbst besser aufpassen, da sie scheinbar ebenso im Visier der Hyl Moblina stand. „Du hast Spitzel auf mich angesetzt…“, meinte die Ärztin leise. „Obwohl du gerade sagst, du hättest genug Vertrauen in meine Fähigkeiten mich selbst zu verteidigen.“ Zelda Harkinian seufzte und starrte erneut zu den Photographien der Masterritter. „Du hast es gemerkt? Wann?“ „Ich bitte dich, Zelda, als ob das so schwer zu registrieren war. Ich habe es dann und wann gespürt, in der Tiefgarage, selbst im Fahrstuhl, als ob jemand hinter mir steht.“ Die ältere Frau trat erneut auf ihre Beine in Lias Richtung. Und während sie nähertrat, schien ein Licht sie zu umhüllen, welches Lia noch nie erkannt hatte. Ihre Lehrmeisterin wusste mit Magie umzugehen und sie wusste auch viele Dinge, bevor sie überhaupt passierten. Vielleicht erntete sie deshalb den Respekt von Seiten ihrer Schüler immer wieder. Es war ein warmes Licht, ein Schein, so vollkommen, natürlich, und rein, wie ein Regen inmitten eines schwülen Sommertages… „Ich weiß, dass du dich selbst verteidigen kannst…“, sprach sie als Verbündete von Wissen und Weisheit. „Und es stimmt, jemand wacht über deine Wohnung, aber nicht als Spitzel, noch als Feind, sondern als Beschützer deiner beiden Besucher.“ Die nächste Sache, die Shadow in Erfahrung gebracht hatte. Die Besucher aus der anderen Welt hatten also auch ihr Interesse geweckt. „Diese beiden stehen, seit sie hier sind, unter meinem Schutz“, erklärte sie. „Scheinbar hast du vergessen, welche guten Kontakte ich zu den jetzigen Weisen pflege.“ Nein, das hatte Lia nicht vergessen. Nach dem Durchbruch von Zelda Harkinian in der Politik arbeitete sie eine zeit lang als Beauftragte jenes Bundes von weisen Wesen. Konnte es sein, dass sie etwas mit der Rettung von Klein- Link und ihr zu tun hatte, als sie am Balkongeländer hingen? „Und ich bin froh, dass diese beiden Besucher ausgerechnet dich gefunden haben… eine vertrauenswürdigere Person findet man nicht so einfach…“ „Moment mal… du weißt also über diese Knirpse bescheid? Du weißt aber auch wirklich alles“, sagte Lia halb grinsend, halb niedergeschlagen. Zelda Harkinian entschuldigte sich förmlich: „Verzeih‘ mir Lia.“ Auch die Politikerin grinste ein wenig. „Aber du kennst mich und meine Handlungsweise doch inzwischen…“ setzte sie hinzu. „Zum Glück, ja zum Glück“, sprach sie melancholisch… „Noch etwas… du solltest wissen, dass neben diesen beiden eine dritte Person in unser Raum-Zeit-Gefüge eingedrungen ist. Wenn mich nicht alles täuscht, so ist jene Person sicherlich hinter diesen beiden Kindern her“, ergänzte die Politikerin. „Verstehe… das klingt nicht gut.“ „Wahrlich nicht…“ Lia musste diese ganzen Neuigkeiten erst einmal sacken lassen und schwieg in den nächsten Minuten. Miss Harkinian war indes abgelenkt von einem Telefonanruf und ihrer Sekretärin, die ein paar Briefe hereinbrachte. Danach stürmte noch ein kleiner, untersetzter, hylianischer Mann in ihr Büro, der Gesundheitsminister, und wollte eine bedeutende Angelegenheit klären. Demnach verabschiedete sich Lia und bedankte sich für die vielen Informationen. Kurz bevor sie aus der Tür heraustrat, rief ihre Shiekah- Lehrmeisterin noch hinterher: „Ach ja… und Velkan hat nach dir gefragt.“ Lia nickte teils verlegen, teils erzürnt und schloss die Tür hinter sich. Velkan… der jüngste von Zeldas drei Söhnen. Was fiel dem ein, nach ihr zu fragen? Hatte dieser aschblonde Casanova, gutaussehende Schürzenjäger, durchtrainierte Taugenichts und studierte Dummkopf nicht besseres zu tun, als mal wieder den Kontakt zu ihr zu suchen? Noch während sie den Fahrstuhl ins Erdgeschoss nahm, musste sie über diesen Idioten, wie sie ihn gerne bezeichnete, nachdenken. Und ärgerte sich selbst deswegen umso mehr. Er war ein eitler, um Ausreden nicht verlegener Mann, der sich nicht um die Gefühle von Frauen in seiner Gegenwart scherte, obwohl er sich auffallend gerne mit hübschen, jungen Dingern umgab. Er hatte überhaupt nichts mit seiner weisen, warmherzigen Mutter gemein, dachte Lia und warf dem Pförtner mit dem Gerudoblut beim Herausgehen aus dem Regierungsgebäude einen äußerst vielsagenden, ihren momentanen Hass auf die Männerwelt Ausdruck verleihendem Blick entgegen. Der Mann sackte vor Angst auf seinem Stuhl zusammen und blickte der Hylianerin mürrisch hinterher. Niemand sollte sich mit einer miesgelaunten, temperamentvollen Hylianerin wie Lia anlegen, vor allem dann nicht, wenn sie sich so aufgeladen wie im Augenblick fühlte… Inzwischen war es Mittagszeit und Klein- Link und Navi hatten den ersten Schultag mit einem mulmigen Gefühl im Magen überstanden. Nachdenklich traten die beiden aus dem Schulgebäude heraus. Klein- Links linke Hand war bandagiert worden, sogar der Notarzt wurde gerufen und musste die Hand nähen. Das Götterkind schämte sich inzwischen für diese Dinge, die passierten, und wollte nicht einmal mit Navi darüber reden. Er verstand es ja selbst nicht. Er fühlte sich in manchen Situationen wie erschlagen, als ob ihn irgendetwas in die Tiefschlafphase zerren wollte. Und dann, wenn er augenscheinlich schlief, erschien es ihm als befand es sich in einem Labyrinth, wo sich die Wände langsam in seine Richtung schoben. Und gerade dann versuchte er zu entkommen. Er rannte, er bewegte sich, er tat irgendwelche Dinge, nur um wieder wach zu sein. „Wie geht es dir?“, meinte Navi besorgt, die einen Meter hinter ihm her trottete. Er blickte kurz zurück, wollte kenntlich machen, dass er sie gehört hatte, trotzdem wusste er nicht, was er darauf sagen sollte. Wie sollte es ihm schon gehen? Er hatte ein paar komische Zustände, war ja nicht weiter schlimm, was? Er blieb zerstreut stehen, und auch Navi stoppte ihren ohnehin einschläfernden Laufschritt. Versunken in seiner Schweigsamkeit ließ er sich neben einem Springbrunnen auf eine Treppenstufe sinken. Er beobachtete wie das Wasser aus der Spitze eines kupferfarbenen Triforcegebildes hinaus sprudelte und sich in einem runden Auffangbecken ansammelte. „Ach mann, Navi… ich komme mir irgendwie so nutzlos vor“, sagte er leise. Trübsinnig gesellte sich die einstige Fee zu ihm. In seinen Augen lesend erkannte sie die vielen Zweifel darin, aber auch Sorgen um das Gelingen dieser ganzen Mission. „Ich habe mir diese Mission so einfach vorgestellt und jetzt, wo wir mitten drin sind, wird alles immer schwieriger… es sind einfach so viele Probleme aufgetreten, mit denen ich nicht gerechnet habe.“ Navi stellte ihre schwere Schultasche vor ihm ab. Verwundert sah er auf und begegnete einem ebenso trübsinnigen Gesichtsausdruck. „In Hyrulia war irgendwie alles so geregelt, nicht wahr? Wir mussten beide nicht so viel tun, irgendwie haben Link und Tetra alles auf ihre Art und Weise erledigt. Und der Held des Windes war eigentlich die meiste Zeit vor unserer Nase. Selbst der Kampf am Ende… was hatten wir großartig damit zu tun?“ „Nichts…“, meinte er leise. Weniger als nichts, Klein- Link war ja nicht einmal in der Lage ein Schwert so zu führen, dass er sich damit in einer gefährlichen Situation sicher sein konnte. „Eben… und hier in Saria, sind wir mehr und mehr auf uns alleine gestellt. Möglicherweise gibt es sogar jemanden, der uns verfolgt…“, sprach Navi leise. „Aber so ist es nun mal, wenn man auserwählt ist, Götterkind. Eine solche Mission verlangt uns alles ab, was wir haben…“ Schwermütig lächelnd hüpfte er auf seine Beine und lauschte fortwährend den aufmunternden Worten Navis. „Dein Vater, Klein- Link, du hast keine Vorstellung, wie oft er Zweifel hatte in seiner langen Mission, wie oft er sich einsam fühlte, wie oft er sich als nicht würdig verstand, das Masterschwert zu nutzen. Ein Spiel ist das Leben in Hyrule nicht… in keinem Hyrule, schätze ich.“ „Du meinst, ich muss verstehen lernen, dass es zu einer Mission gehört auch Fehlschläge hinzunehmen…“ „Ja, und vielleicht auch scheinbar unlösbare Probleme. Manche Dinge muss man einfach akzeptieren“, sprach sie, nahm ihren Rucksack wieder auf den kindlichen Rücken und musterte Klein- Link, der eine Sorgenfalte weniger auf der Stirn hatte. „Und deine Hand?“ „Geht schon“, meinte er. „Obwohl ich noch immer nicht verstehe, wie du beim Schlafwandeln plötzlich Lust verspürst dich selbst zu verletzen.“ Mit großen Augen blickte Navi ihn an, fast so, als wollte sie eine Erklärung. Ihre lange Nasenspitze wackelte, als ob sie niesen musste, da Klein- Link nichts darauf sagte. Erneut boxte sie ihn in die Rippengegend, einer ihrer Lieblingsgrausamkeiten gegenüber dem Götterkind. „Hey, ich rede mit dir!“ „Ich weiß ja, nur musst du dich nicht ständig auf diese gemeine Art und Weise bemerkbar machen.“ Er schnaufte. War sein Körper nicht mitgenommen genug, musste ihn da Navi denn immer wieder an die gleiche Stelle boxen, immer wieder die gleiche Rippe? Entschuldigend lächelte sie immer wieder, wenn dies passierte. Und auch jetzt. Das Götterkind warf ihr einen genervten Blick entgegen und schöpfte dann etwas von dem Wasser des Springbrunnens. „Navi… ich denke manchmal, irgendetwas zwingt mich zum Einschlafen und dann…“ Doch in dem Augenblick schien die einstige Fee ihren Begleiter nicht weiter zu beachten, sondern starrte angestrengt einige Meter weiter. Ihr angstvoller Blick traf eine Figur, die sich an eine mausgraue Gebäudewand gelehnt hatte. Auch der Junge drehte sich um und erhaschte einen Blick. Tatsächlich stand nur wenige Meter weiter ein Mann mit hochgezogenen Mundwinkeln. Groß gewachsen. Muskulös und geheimnisvoll. Ein schwerer, rabenschwarzer Mantel umhüllte ihn wie eine Gewitterwolke und verlieh ihm ein gefährliches Charisma. Seinen Mantel schwingend trat er einen Meter näher. Unter einer langen, das Gesicht halb verdeckenden Kapuze wurden rotglühende Augen sichtbar. Und ihr Hass und die Gefahr, die jene aussendeten, war ganz allein den beiden Besuchern aus einer anderen Dimension gewidmet. Die Gestalt trat einen weiteren Schritt näher, als eine Gruppe von Ball spielenden Jungs gerade in dem Moment an ihm vorbeirannte, einige ihn anrempelten und ein weiterer Junge ihm einen Goronenball gegen den Kopf knallte. Der Mann murrte, hob seine rechte Faust und wollte diese einem der Kinder in das Gesicht bohren, als ein weiterer Mann seine Hand abfing. Fest umfasste ein cooler Typ mit hellblondem, sehr kurzem Haar, schwarzer Sonnenbrille und coolem dunkelblauen Motoradanzug das Handgelenk des Mannes, der eine gefährliche Aura aussendete. „Nana, Sie werden doch keine kleinen Kinder hauen, Mister“, sagte der Kerl und stupste den Unbekannten zurück. „Nie und nimmer…“, stieß jener Mann mitsamt der Luft in seinem Lungen heraus. Und es war das erste Mal, dass diese Stimme erklang, die Klein- Link noch lange im Gedächtnis bleiben sollte. Es war eine Stimme, die einen hässlichen Schauer den Rücken herunter jagte und die von einem noch gefährlicheren Wesen stammte. Es war eine Stimme, die schien, als wäre sie gespalten. Eine hohe, schiefe Stimme, die einen tiefen, düsteren Nachklang hatte, fast wie als sprachen zwei Stimmen aus dem Mund jener Gestalt. Er warf dem Götterkind und Navi noch ein paar böswillige Blicke entgegen und verschwand dann in der Seitengasse. „Was für ein komischer Kerl“, sprach der Typ mit der Sonnenbrille, schien kurz in Navis Richtung zu blicken und winkte den ballspielenden Kindern zu. „Gut gemacht, Jungs“, rief er noch, stieg auf sein Motorrad und sauste davon. „Sag‘ mal… hast du auch so eine Gänsehaut bekommen von diesem Typen?“, sprach Klein- Link und riss eine kopfhängerische Navi aus ihren Gedanken. Erst, als sie sich zu ihm umdrehte, sah er ihr kreidebleiches Gesicht. „Dieser Mann mit der Kapuze, den hab ich schon einmal gesehen, als Lia mit uns das erste Mal zu ihrem Appartement gefahren ist.“ Klein- Link schluckte. „Das gefällt mir ganz und gar nicht… irgendetwas an diesem Mann macht mir unheimliche Angst.“ „Mir auch…“, sprach Navi trübsinnig… „Mir auch…“ Sie wusste beide nicht, dass dieser düstere Unbekannte ihren weiteren Weg noch oft kreuzen und zum Schlechten beeinflussen würde. Denn überall lauerten die Gefahren aus einem Ungleichgewicht von Mächten. Und in jeder Dimension würden sich weitere Grausamkeiten auftun, mit denen ein Dummkopf nicht rechnete. Der Wahnsinn hatte seine Verbündeten, und das Gute tänzelte über schmale Brücken, einmal zurück… einmal nach vorn… ________________________________________________________________________________ würde mich wie immer seeehhhr über ein paar Kommentare freuen. Danke. Kapitel 135: Ein Heroe, den die Zeit besiegte… Teil 4 ----------------------------------------------------- Ich möchte hiermit all diejenigen grüßen, die "Nur ein Spiel" noch lesen. Vielen Dank... lg _______________________ Für Navi und Klein- Link kehrte inzwischen ein augenscheinlich gewöhnlicher Alltag in jener Welt ein. Sie begannen sich allmählich damit abzufinden für die nächsten Tage ihrem Ziel, den Heroen jener Welt zu treffen, nicht näher zu kommen. Sie gingen zusammen mit Lia aus dem Haus, besuchten die Schule und verbrachten den Nachmittag und den Abend meistens mit Lia. Inzwischen ging die Tochter des Heroen jener Welt wieder zur Arbeit, da die kriminaltechnischen Untersuchungen im Krankenhaus abgeschlossen wurden. Dennoch… Ab und an keimte in dem Götterkind der Gedanke, ob es wirklich okay war, öfter allein mit Navi zuhause zu sein. Nicht, dass er Navi nicht vertraute, aber sie war nun mal vom Aussehen her ein hilfsbedürftiges, kleines Mädchen. Falls es irgendwann zu einem Angriff kommen sollte, sei es durch irgendwelche Verbündete Ganondorfs von der Erde, oder von dieser Hyl Moblina, wie um Himmels Willen sollten sie sich beide verteidigen? Viele Gedanken schossen durch Klein- Links Kopf, als er an einem einsamen Morgen, in Seelenruhe auf dem Balkon in Lias Wohnung stand. In einem gleichmäßigen Takt stieg östlich, geheimnisvoll und immer wieder leidvoll, einer Geburt gleichend, die alte Sonne am Horizont auf. Sie war glutrot, umgeben mit violetten Schleiern, die wie Schlangen am Himmelszelt entlang krochen. Es schmerzte ihn auf eine mysteriöse Weise diesem Schauspiel zuzusehen. Manche Dinge, so sagten einst die Götter zu ihm, waren so geheimnisvoll, dass nicht einmal ein Gott auf jene Dinge Zugriff hatte. Manches lag verborgen im Nebel, manches verborgen in den Meeren und manche Dinge versteckten sich gerne in eines Menschen Herz… Der Sonnenaufgang verführte geradeso dazu einfach in Gedanken zu versinken. Die warmen Strahlen, die das Gesicht benetzten, ermutigten, die Augen zu schließen und einfach zu genießen… Die Tage wurden verwirrender, die Ereignisse überschlugen sich fast. Das Kind der Götter brauchte diesen Augenblick jetzt, gerade jetzt, wo Lia und Navi beide noch schliefen… Nebensächlich war diese anstrengende Mission für diesen magischen Moment, in welchen er in sich hineinhorchen konnte. Nebensächlich war der neue Feind, der aus irgendwelchen dubiosen Motiven hinter ihm und Navi her war. Vergessen wollte er sein selbstzerstörerisches Schlafwandeln für einen Moment, ebenso das Verblassen, welches ihm in Hyrulia geschehen war und noch immer beschäftigte. Er war sorglos für einen winzigen Augenblick, am Rande dieses Hyrules, am Rande von vielen Dimensionen. Und in seinen himmelblauen Augen, jenen unvergesslichen Spiegeln in sein Bewusstsein, stieg etwas empor, wovor sich selbst ein Gott fürchtete. Ein Mut, eine Hoffnung, ein verstandsloser Hauch Stärke. Der Junge, aus dem ein Held werden würde, der seinesgleichen suchte, fühlte sich lebendig auf eine neue Weise. Das Blut in seinen jungen Adern raste rasch in seinem Kreislauf. Er spürte seinen Herzschlag, vollkommen und neu. Er spürte das Leben in sich. Er lebte… endlich… Mit diesem neuen Gefühl in seinem Körper, blickte er gedankenvoll auf seine kindlichen Hände, und sah innerlich, tief versteckt in seinen Gedanken Dinge, die er irgendwann in der Lage sein würde zu tun. Er würde kämpfen lernen, ja… und er würde auch etwas Neues kennenlernen, vielleicht nicht in dieser Mission. Eine Erfahrung, die jeder irgendwann im Leben machte. Eine Erfahrung mit jemandem Besonderen. Das Gefühl in sich wurde stärker, der Gedanke schwand nicht. Irgendetwas war hier, fast neben ihm, fast im gleichen Takt atmend, fast so lebendig wie er selbst. Und morgen schon, vielleicht in einer anderen Welt, würde er den Schlüssel finden zu diesem Gedanken und das Geheimnis dahinter aufschließen. War er etwa nicht mehr allein in seinem Körper? War da jemand, der sich aus ihm speiste? Der mit ihm Gefühle austauschte, aber keine Bilder, nicht einmal etwas Fassbares? Es schien ihm, als konnte er reden, Fragen stellen und irgendetwas oder irgendjemand in seinem Inneren konnte darauf antworten… „Warum bin ich erschaffen worden…“, sprach er flüsternd, vernahm das Rauschen in seinem Herzen, horchte und bildete sich ein, ein Gefühl ließ die Antwort zu. ,Du bist hier und überall… um zu vollbringen, was niemand sonst kann.‘ Er konnte nicht sagen, ob er diese Antwort aus dem Wissen in seinem Kopf zog, oder ob da tatsächlich etwas Neues eine Antwort vorgab. Es war so einfach, fast unheimlich. Er wand sich um, schloss seine himmelblauen Augen und spürte die warmen Strahlen der Sonne an seinem blonden Hinterkopf. „Bin ich mehr?“, fragte er leise und atmete tief ein. Es war da, als ein kleiner Stich in seinem Herzen, ausgelöst durch Aufregung, ausgelöst durch etwas vollkommen neues, ihn die Antwort erkennen ließ. ,Ja, du bist Mein.‘ Erschrocken drehte er sich erneut um seine eigene Achse, suchte seine Umgebung ab, spürte Hitze und seinen kochenden Lebenssaft im Körper wallen. Aus irgendeinem Grund war er maßlos aufgeregt, fühlte sich wie neugeboren, als hätte jemand eine neue Essenz, eine kleine aber mächtige Zutat in seinen Lebenssaft gemischt. „Wer bist du…“, sagte Klein- Link, suchte erneut seine Umgebung ab. Aber da war niemand. Er hatte ein neues Selbst in sich, eine Identität, die scheinbar unzertrennlich mit ihm verbunden war und die er erst heute das erste Mal spürte. Es fühlte sich machtvoll an, er wollte dieses Selbst finden, er wollte es umarmen, er wollte es sehen… ,Verletze dich nicht mehr selbst… bitte…‘ Und diesmal erschien es Klein- Link fast so, als befand sich dieses Wesen tatsächlich mitten in seinem Kopf. Es hielt ihn fest, es war warm und angenehm. „Ich will es ja nicht… irgendetwas zwingt mich dazu“, versuchte er zu erklären. Aber das allumfassende Gefühl in sich, welches in dem Moment explodierte und alle möglichen neuen Empfindungen in seinen Körper schickte, nahm ihm strafend den Atem. Das neue Selbst wollte dies nicht akzeptieren. Und es war da, dass der Junge das Gefühl verspürte jemand lehnte sich an ihn, sachte, anschmiegsam, tröstend an seinen Rücken. Sein Herz pochte wie wahnsinnig gegen seine Brust, so heftig, als wollte es den Brustkorb durchbrechen, während er versuchte das Gefühl zu verstehen. ,Du bist stark… das bist du… morgen irgendwann wirst du finden, was du bist…‘, sprach das Gefühl und verabschiedete sich mit einem letzten, tosendem Schlag in Klein- Links Brust. Er wurde ruhiger, als die Sonne den Horizont staatlich erfüllte. Die Aufregung schwand langsam… und sein Geheimnis schwieg. Er seufzte und fühlte sich plötzlich etwas allein gelassen, fast einsam… Es war verschwunden, was immer ihn auch so sanft getröstet hatte. Er fühlte sich fast leer ohne diesen angenehmen Hauch von Zweisamkeit. Er trat einen Schritt vorwärts, als er plötzlich auf etwas trat. Verwundert kniete er nieder und fand auf dem Boden von Lias Balkon tatsächlich einen kleinen Gegenstand, den er vorher nicht bemerkt hatte. ,Wie kam das hierher‘, fragte er sich. Er strich vorsichtig über eine kleine ovale Brosche, kupferfarben mit einer kleinen, länglichen Flöte, die darauf eingraviert war. Eine feine silberne Flöte, wie eine Querflöte oder Oboe… Ob Lia das hier verloren hatte? Er hob es auf und ließ die Brosche an einer ebenso kupferfarbenen Kette etwas in der Luft baumeln. Wie von Geisterhand öffnete sie sich und auf einem dünnen Stück Papier rieselten ungewöhnliche Noten auf den Boden. Es war ein selbstgeschriebenes Musikstück, zumindest deuteten die mit Bleistift dahin geschmierten Noten darauf hin. Aber Lia hatte bisher nichts davon erzählt, dass sie ein Instrument spielte. Und bisher hatte er sie in den wenigen Tagen, die seit jeher vergangen waren, nicht spielen sehen. Sorgsam schloss er die Noten wieder in dem Schmuckstück ein und nahm es mit. Er würde es ihr später überreichen, dachte er. Irritiert trat er vom Balkon zurück in Lias Schlafzimmer. Auf Zehenspitzen schlich er an der schlafenden Frau vorbei und hatte fast etwas Sehnsucht nach dem Gefühl, welches ihn auf dem Balkon so angenehm umfing. Er wollte es wiederhaben, was immer es auch war. Er wollte es spüren… Nachdenklich legte er sich wieder auf die grüne Couch im Wohnzimmer, sinnierte über das, was bisher geschehen war, über die Erlebnisse in Hyrulia, und die Ereignisse in Saria. Als Lia sie gestern am Springbrunnen in der Nähe der Schule abgeholt hatte, erzählte sie zunächst von Zelda Harkinian, der Ministerpräsidentin, zu der sie Kontakt pflegte. Es war irgendwie schade, dass Zelda in dieser Welt eine so gut bewachte und beschäftigte Frau war, er konnte sie bisher nicht einmal kennenlernen. Auch berichtete Lia nach Angabe der Ministerpräsidentin von einem Wesen, welches sie beide verfolgen könnte. Und vielleicht war jener Feind für den anderen Riss im Raum-Zeit-Gefüge jener Welt verantwortlich. Ob der unheimliche Mann von gestern etwas damit zu tun hatte? Mit der Brosche in der Hand drehte sich der Junge zur Seite und konnte nicht verstehen, noch irgendwie beschreiben, was gerade in ihm vorging. Sicherlich hatte er Angst vor den weiteren Gefahren, aber er fühlte sich seit vorhin irgendwie besser. Selbst diese Brosche hatte irgendwie eine beruhigende Wirkung auf ihn… wenn sie Lia nicht gehörte und aus irgendwelchen absurden Gründen auf dem Balkon gelandet war… wenn Lia sie vielleicht wegschmeißen wollte, konnte er sie da nicht einfach behalten? Er grinste und fühlte sich fast ein wenig fies und hinterlistig. Warum sollte er Lia oder Navi erst etwas davon erzählen? Er konnte ja einfach schweigen, ja genau… Er schmunzelte leise… Er wusste, dass er hinterlistig sein konnte. Er wusste dies schon, als er ab und an ein Auge auf seine zukünftigen Eltern gehabt hatte. Vielleicht sehnte er sich auch nach ihnen, er konnte es nicht genau sagen. Vieles vermisste er inzwischen… Nicht nur Zelda und Links Fürsorge, oder ihre angenehme Art mit ihm umzugehen, er vermisste die Unbeschwertheit. Er vermisste auch die Zeit früher, wenn er einfach sorglos im Haus der Götter umher wandeln konnte. Es war schön von den Göttinnen persönlich so viel über das Leben Hyrules zu lernen. Er liebte es unsterbliche Wesen in den Garten des Lebens zu beobachten, sie zu studieren. Und er wünschte sich sehnlichst einmal wieder Drachen, vielleicht am Horizont entlang gleitend, mit den eigenen Augen zu sehen. Im Garten des Lebens hatte er einmal sogar einen jungen Drachen streicheln dürfen. Er erinnerte sich als wäre es gestern gewesen… Die Bilder wurden vor seinem inneren Auge lebendig… „Du darfst sie ruhig streicheln…“, sprach die Wächterin des märchenhaften Gartens, als er an einem frühlingshaften Tag sich hinter einem alten Laubbaum versteckend, zuschaute wie ein Drachenbaby aus einem Ei schlüpfte. Zaghaft trat er damals hinter dem Baum hervor und begegnete Niléz, einer von den Göttern ausgewählten Beschützerin jenes Gartens. Es war eine alte Frau mit silbernem, langen Haar und weißen Flügeln, die sie vielleicht aus Scham unter ihrem Gewand versteckte. „Komm‘“, meinte die alte Frau oft, ihre Augen immer unter ihrer mit silbernen Schleifen bestickten Kapuze verbergend. Sie ermutigte ihn gelegentlich die Geschöpfe in jenem riesigen Garten zu beobachten und auch zu berühren. Er war gerne bei dieser alten Frau gewesen, mit ihrer angenehmen Stimme und Weichheit, auch wenn er sich nur spärlich an sie erinnern konnte. Das einzige, das er von ihr wusste, war, dass sie die Phantasie liebte. Sie liebte Träume und den Reichtum ihres eigenen Gedankengutes. Nun ja, er war damals auch noch viel jünger gewesen, vom Aussehen her vielleicht fünf Jahre, sodass es nicht verwunderlich schien, falls sie nur spärlich in seiner Erinnerung erhalten blieb. Und an dem einen Tag, als ein kleiner silberner Drache aus dem Ei schlüpfte, seine kleinen Reißzähne und Krallen quietschend nutze um sich die Schalen vom Körper zu streifen, an jenem Tag erzählte Niléz ihm etwas über den Kreislauf des Lebens, über die Unsterblichkeit der Seelen und über ihren Wunsch irgendwann ein Mensch zu sein, und ihre Phantasie mit jemandem zu teilen. Auch er erzählte von seinen Wünschen, davon ein Heroe zu werden, den kein anderer übertreffen konnte. Ein Heroe, der alles möglich machte… Nur hatte dieser Wunsch… dieser verteufelte Ehrgeiz noch einen Sinn? Waren seine Wünsche von damals nicht eher eine Lüge gewesen? Seit er in Hyrulia eine Kreatur des Bösen getötet hatte, wusste er nicht mehr, ob der Weg, den jeder ihm gezeigt hatte, der richtige war. Link, Zelda, die Göttinnen, Navi… und vielleicht sogar die unbedeutende Niléz glaubten an das, was er werden konnte. Aber glaubte er selbst noch daran? Ein Heroe, der die Dimensionen überwand… Er kannte die Hymne der Helden Hyrules. Ein Lied, welches sich irgendwo in ihm festgebrannt hatte. Und oftmals fragte er sich, ob jene Hymne auch für ihn galt… Er begann leise die Hymne der Heroen zu summen, als er sich die verwaschene, hellblaue Jeans und ein dunkelgrünes, samtiges T-Shirt überzog, welche Lia ihm zurecht gelegt hatte. Er summte auch noch, als er den Wecker in Lias Schlafzimmer hörte, und auch noch als die halbschlummernde Navi ein Auge öffnete um ihn zu begutachten. Sie murmelte ein verschlafenes ,Guten Morgen‘ und blickte ihn dann wie durch eine Lupe erwartungsvoll und irgendwie verwundert an. „Du siehst irgendwie verändert aus“, meinte sie und gähnte herzhaft. Vielleicht stimmte das tatsächlich. Etwas begann sich zu verändern. Etwas Neues war in greifbarer Nähe, auch wenn Klein- Link dies selbst noch nicht fassen konnte, nicht definieren konnte. „Du wirkst irgendwie gelassen und älter. Ist irgendwas mit dir passiert?“, bohrte sie weiter nach und wuselte mit ihren dicken, klobigen Fingern in ihrem ohnehin zerzaustem Haar herum. Dümmlich lachend rieb sich der Junge den Hinterkopf. „Nein, nein. Ich meine, was soll schon passiert sein. Es ist alles wie immer, denke ich doch. Und ich finde, wir sollten dann aufstehen. Wir müssen ja in die Schule gehen, meinst du nicht auch, Navi. Und mir geht es wirklich super. Alles wie immer, nur schlimmer.“ Inzwischen kam sich Klein- Link selbst schon ziemlich verunsichert vor, bedachte man den Blödsinn, den er gerade aus seinem Mund geleiert hatte. Navis verwirrter Gesichtsausdruck und das leichte Misstrauen in ihren Augen trugen ebenso dazu bei, dass er sich dümmlich fühlte. Jetzt wusste sie erst recht, dass er etwas vor ihr verschweigen wollte. Sie sprang flugs aus dem Klappbett, legte eine Hand auf seine Stirn und beäugte ihn skeptisch. „Irgendwas hast du angestellt“, meinte sie. „Deine Stirn kocht ja gerade zu.“ „Ist ja gar nicht wahr, ich hab‘ kein Fieber“, stritt er. „Oh doch, hast du!“ Klein- Link rollte mit den Augäpfeln und verschränkte die Arme. „Ich fühle mich aber richtig gut.“ „Dann muss das ja auch eine Ursache haben, schließlich haben wir es zurzeit nicht gerade leicht, du dummer Kerl. Zur Erinnerung“, erklärte sie mit ihrer übernatürlichen Besserwisserei, ihrem überdrehten Talent und ihrer nahezu überdimensionalen Arroganz. „Wir befinden uns in Gefahr. Der Heroe dieser Welt ist vielleicht Tausende hylianische Meilen von uns entfernt. Du hast allmählich immer mehr komische Anwandlungen wie die Tatsache, dass du dich selbst verletzt und auf der Erde passiert womöglich in dieser Sekunde Fürchterliches. Und alles, was du zu sagen hast, ist, du fühlst dich super?!?“ Klein- Link rieb sich erneut schuldbewusst am Hinterkopf und versuchte, ja, er versuchte wirklich Navis Worten zu folgen, aber je mehr sie sich aufregte, umso mehr schaltete er ab. Er nickte lediglich und fragte sich, ob Navis Wutanfall allmählich verebbte, oder ob er neuen Zündstoff nachwerfen sollte. Er entschied sich für letzter Variante und unterbrach sie grinsend. Ein Grinsen, das verteufelter und zugleich gutmütiger nicht sein konnte. „Navi, es gibt da sogar noch ein Problem, aber das habe ich dir bisher aus irgendwelchen Gründen einfach noch nicht erzählen können.“ Er konnte förmlich sehen, wie mehr und mehr Röte in Navis Gesicht stieg. Und ihre leuchtend grünen Augen schienen durch das rot ihrer Wangen nur noch giftiger zu wirken. Klein- Link wusste nicht wieso, aber er konnte sich ja schlecht weiterhin von Navis Sorgenmacherei fertig machen lassen. Also drehte er den Spieß rum. Er wollte es genießen, auch einmal überlegen zu sein, selbst wenn es nur um solche Streitereien ging. Und er besaß wahrlich das Recht solche unsinnigen, wenngleich auch lustigen Streitereien mal auszukosten. Er begann zu grinsen, während er sich vorstellte, wie aus Navis glühendem, rotem Kopf heißer Dampf wie aus einem überquellenden Dampfkessel emporstieg. „Welches Problem!“, zürnte sie und stapfte wutgeladen im Zimmer hin und her. Klein- Link lächelte charmant und lachte dann albern. „Nun ja… wenn ich es dir erzähle, wirst du ja noch wütender, vielleicht ist das doch nicht so eine gute Idee.“ „Was soll das hier eigentlich?“, murrte sie. „Willst du mich auf die Palme bringen?“ Aha, dachte der Junge. Endlich verstand sie es. Er wusste zwar nicht wieso, aber es machte ihm schlichtweg Spaß sich so mit ihr anzulegen, sie auf diese Weise wütend zu machen. „Solange du dich auf die Palme bringen lässt, ist das für mich ja schließlich kein Problem“, erwiderte er frech. Dann erlebte er das erste Mal, dass Navi tatsächlich den Mund hielt. Sie knirschte zwar etwas mit den Zähnen, aber ihr übergroßes Mundwerk blieb geschlossen. Tatsächlich, er hatte sie mundtot gestellt, auf eine Weise, von der er gar nicht wusste, dass er dies konnte. Sie murmelte zwar irgendetwas in sich hinein, was klang wie ,Typisch Link‘, wand sich dann aber ab und suchte ihre Kleidung zusammen, um damit lautstapfend im Badezimmer zu verschwinden. Etwas ungläubig schaute der Junge der einstigen Fee dann hinterher, kratzte sich noch einmal an seiner Stirn und fragte sich, ob das, was er sich gerade eben geleistet hatte, in Ordnung war. Allerdings, und das musste er ja schließlich auch einsehen, existierte er noch nicht wirklich, also existierte sein Charakter, seine Persönlichkeit noch nicht in der Weise, wie er es sich vielleicht wünschte. Waren Experimente bezüglich seines Umgangs mit anderen Wesen dann nicht erlaubt? Er wühlte in seiner Jeanstasche nach der Brosche, die er vorhin in einem unbeobachteten Moment darin verschwinden ließ, streichelte kurz über das seidige Material und hüpfte dann grinsend in die Küche um sich Weißbrot und Milch mit Honig zuzubereiten, wissend, dass die Veränderung kam, ob er sich nun dagegen stellte oder nicht. Seine Zeit würde kommen und Veränderungen waren ein Teil jener Zeit… Indes trat Lia, bereits perfekt gekleidet und geschminkt für den Tag, in die Küche. Gut gelaunt mixte die bildhübsche Frau sich ihr Müsli und trank einen Kaffee. „Gibt es etwas neues bei dir?“, fragte sie. Scheinbar bemerkte auch sie, dass an Klein- Link irgendetwas anders war. „Nöö, nix neues“, log er und grinste. „Bringst du uns heute wieder zur Schule?“ „Sicher doch.“ Lia zwinkerte und zerwühlte mit ihrer rechten Hand das inzwischen lange Pony ihres Schützlings. „Dir gefällt es inzwischen dort, was?“ Auf diese Frage musste das Götterkind etwas genauer nachgrübeln. Tatsächlich hatte er sich an den Schulalltag gewöhnt, im Gegensatz zu Navi. Aber von Gefallen konnte man da auch nicht gerade reden. „Wie ich gehört habe, kommst du bei deinen Klassenkameraden gut an“, ergänzte Lia. Daraufhin setzte Klein- Link seine Tasse Milch ab und stoppte daran zu schlürfen. Er schaute etwas irritiert auf. „Nun ja, wohl eigentlich eher bei deinen Klassenkameradinnen, wie ich gehört habe.“ Bei der Bemerkung allerdings wäre der Junge am liebsten im Boden versunken. Er wurde etwas rot und brachte schnell seine Tasse in die Spüle. Er wusste, worauf sie anspielte, es gab einige Mädchen, die ihm irgendwie hinterherliefen und das auf eindeutige Weise. Manche Mädchen kicherten plötzlich, wenn er in einem der Gänge vorüber lief. Ein Mädchen, welches er im Unterricht etwas gefragt, hatte, bekam so einen glühend roten Kopf, dass er dachte, sie sterbe an einem Hirnschlag... Lia lachte und folgte dem Jungen aus der Küche hinaus. Im Flur wartete Navi bereits und schabte mit ihren neuen Lackschuhen über den Boden. Es dauerte nicht lange und Lias schicker Sportwagen donnerte einmal mehr mit hoher Geschwindigkeit über die Straßen Sarias. Wenig später saßen Navi und Klein- Link inmitten von gelangweilten Gesichtern, die sich über Altes Hylianisch austauschen mussten. „Und du bist sehr wohl irgendwie anders. Was ist passiert?“, bemerkte Navi und lenkte den jungen Kerl von den Buchseiten ab, die vor seiner Nase lagen. „Ich weiß es nicht genau“, erklärte er. „Ich fühle mich lebendiger.“ „Lebendiger?“, flüsterte sie und rutschte mit ihrem Kopf näher, sodass auch der Lehrerin ins Auge fiel, dass Navi mit ihrem augenscheinlichen Bruder tuschelte. Die Lehrerin war eine ziemlich kräftige Dame mit dicken, achteckigen Gläsern auf ihrer Knubbelnase. Die Lehrerin prustete und blickte streng in die Richtung der beiden Störenfriede. Nach einer Weile stupste Navi den neben ihr befindlichen Jungen erneut an und verzog das Gesicht als Aufforderung ihr die notwendigen Erklärungen zu geben. „Warum fühlst du dich lebendiger?“, bohrte sie nach. „Ich kann es dir nicht erklären“, flüsterte der Junge und blickte überprüfend zu der Lehrerin nach vorne. Tatsächlich hatte diese erneut ein Auge auf sie beide gerichtet. „Ich muss schließlich auf dich aufpassen, also habe ich auch das Recht zu wissen, was mit dir passiert ist.“ Klein- Link seufzte, als plötzlich auch die Lehrerin vor ihm und seiner angeblichen Schwester stand und sie beide vor dir Tür schickte. „Toll hast du das gemacht, Navi, als ob ich dir das Ganze nicht in der Pause hätte erklären können“, murrte das Götterkind. Er verschränkte trotzig die Arme und ärgerte sich mehr und mehr über seine Begleiterin. Konnten sie beide nicht einfach etwas Spaß haben und den Schulalltag so genießen oder annehmen, wie es andere Kinder taten. Musste er eigentlich überall immer so eine besondere Rolle einnehmen? Es hing ihm allmählich zum Halse raus. Navi erwiderte nichts auf seine Vorwürfe. Was sollte sie auch sagen, irgendwo hatte er ja Recht. Selbstverständlich würde sie ihm dies nicht unter die Nase reiben. Nur war das, was mit ihm scheinbar passierte, einfach zu wichtig. Er veränderte sich irgendwie, und Navi wusste nicht, ob sie diese Veränderung freuen oder ängstigen sollte. Sie hatte sogar den Eindruck, Klein- Link wäre um einige Zentimeter gewachsen… „Bist du jetzt zufrieden, Navi?“, murrte das Götterkind. „Zumindest können wir jetzt ungestört reden“, meinte sie schnippisch. „Jaja“, murrte das Götterkind. „Wie du willst.“ „Du hättest dem Unterricht doch ohnehin nicht zugehört“, argumentierte sie. „Aber ich mag es einfach nicht aufzufallen. Das nervt mich halt.“ „Ja, ist gut“, sprach Navi abtuend. Sie würde ohnehin nicht eher Ruhe geben, bis sie ihren Willen hatte, dachte der Junge. „Und was ist nun mit dir passiert?“, bohrte sie nach. „Du gibst wohl nie auf, was?“, giftete er. Für die Bemerkung wollte Navi Klein- Link am liebsten erneut in die bereits maledierte Rippengegend boxen. Stattdessen wurde sie knallrot in ihrem Gesicht, fühlte sich erneut dermaßen angestachelt, als wäre sie tatsächlich ein kleines, reizbares Kind. Warum nur brachte Klein- Links Verhalten sie auf diese Weise auf die Palme? Weil er sich nicht wie ein pflichtbewusster Retter der Menschheit verhielt? Weil er Link so ähnlich war? Sie wusste es nicht genau zu definieren. Sie mochte ihn ja, das konnte sie nicht abstreiten. Sie wertschätzte ihn, nur konnte er sich nicht endlich etwas besorgter geben? Oder wirkte er nur dermaßen unbeschwert und in seinem Inneren sah es ganz anders aus? „Also gut, Navi…“, begann er dann leise, ließ den Kopf etwas hängen und atmete tief aus. Verwundert über seine plötzliche ernste Mimik wanderten Navis giftgrüne Augen zu seinen himmelblauen. „Ich wollte dir das bereits in Hyrulia erzählen, aber immer kam irgendetwas dazwischen“, erklärte er. „Mir ist in Hyrulia etwas passiert, was mir Angst eingejagt hat.“ Er seufzte und schloss nachdenklich seine Augen. „Ich weiß nicht, ob es eine Bedeutung hat… aber es könnte bedeuten, dass auf der Erde etwas nicht stimmt.“ Darauf trat Navi direkt vor ihn und sah tatsächlich einen ihr vorher nicht bekannten Ernst in seinem Blick. „Was ist es?“, meinte sie beunruhigt. „In Hyrulia…“, begann er, lehnte sich an die weiße Wand hinter ihm und starrte wieder zu Boden. „Als du in der Kutsche unterwegs warst…“ Er machte erneut eine Pause. „Was ist da gewesen? Sag‘ schon.“ Wenn jemand eine Sache so spannend machte, konnte das Navi ebenso auf die Palme bringen. Klein- Link kratzte sich an seiner Nase. „Ich war dort auf dem Marktplatz und…“ Navi bohrte weiterhin nach und wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte: „Und?“ Dann platzte es beinah zwanghaft aus Klein- Link heraus. Er kniff die Augen zusammen und brüllte: „Also schön, ich bin verblasst, Navi. Ich habe mich schlichtweg gefühlt als wäre ich tatsächlich inexistent, so wie früher. Ich konnte nichts mehr fühlen, weder Kälte noch Wärme. Und wie kann ich mir das erklären, wenn nicht damit, dass etwas mit meinen möglichen Eltern nicht stimmt.“ Entgeistert starrte die einstige Fee ihren jungen Schützling an. Sie erwiderte nichts, sondern ließ ihr momentanes Gefühlschaos nicht an die Oberfläche. Indessen läutete die Pausenglocke und mehrere Schulkinder stürmten aus den Klassenräumen in den Gang, wo Navi und Klein- Link sich schweigend anstarrten. Tausende Gedanken schossen in die Gehirnwindungen der einstigen Fee. Wenn das stimmte, und Klein- Links Verblassen etwas mit Link oder Zelda zu tun hatte… dann mussten sie beide um die Auserwählten auf der Erde bangen… Klein- Link blickte die einstige Fee verstört an, er konnte lediglich Hilflosigkeit in ihren Augen deuten. Etwas, was Navi niemals gerne zeigte… Außerhalb der großen Schultore fuhr indes eine teure, weiße Limousine der Extraklasse heran. Der teure Wagen, konstruiert von Hyrules bestem und berühmtestem Erfinder, parkte direkt in einem Strom von Schulkindern, die ihre Pause außerhalb des kühlen und dunklen Schulgebäudes verbrachten. Zwei Personen saßen im Mittelteil des Wagens und unterhielten sich. Gegenüber einer älteren, in ein elegantes Kostüm gehüllten Frau, saß ein Mann in den Dreißigern in einem dunkelblauen Motoradanzug. Die eindrucksvollen blauen Augen der Dame schielten neugierig über den Rand ihrer Sonnenbrille. „Du bist sicher, dass du das richtige tust, Mutter?“, meinte der Mann und folgte ihrem Blick. Es war ein attraktiver Mann mit aschblonden, kurzen Haaren, der ebenfalls eine Sonnenbrille auf der Nase trug. „Du solltest meinem Urteil trauen“, entgegnete sie, betätigte einen Knopf und ließ eine Fensterscheibe hinab. „Es kann nur von Vorteil sein, wenn wir diese beiden einmal zu Salora schicken, jetzt, da sie in dieser Stadt sind. Wäre ich an einem anderen Ort und wären diese beiden in einer anderen Stadt gelandet, hätte ich sie zu dem Weisen dort geschickt. Salora kennt einige Geheimnisse, die sie ihnen anvertrauen muss.“ Der Mann seufzte daraufhin und schüttelte den Kopf. „Deine Einfälle bringen mich noch um Kopf und Kragen“, entgegnete er. „Ach ja, als ob du keinen Spaß daran hättest“, erwiderte sie kühl. Sie forderte einen scheinheiligen Blick ihres Sohnes, den sie auch erhielt. „Ich weiß genau, welche Art von Vergnügungen du dir in der ganzen Sache vorstellst.“ „Okay, okay, ich mach’s“, meinte er dann ohne Wiederrede, rückte seine Sonnenbrille zurecht und stieg aus der Limousine. Noch immer blickte Navi ihren Schützling fassungslos an. Sie wollte seine Worte einfach nicht verstehen. Konnte es sein, dass Link oder Zelda auf der Erde nicht mehr am Leben waren? Die Lehrerin stand plötzlich betreten vor ihnen. Sie hatte einen finsteren Blick und ein Lächeln als wollte sie die beiden Kinder versteinern. „Ihr beiden Störenfriede habt mich nun lange genug genervt!“, murrte sie und schob die beiden zurück ins Klassenzimmer. „Zum Glück holt euch ein Privatlehrer nachher für eine Exkursion ab“, setzte sie hinzu und blickte nur noch grimmiger drein. „Privatlehrer?“, platzte es aus Navi heraus. „Wir haben keinen Privatlehrer, Miss. Da stimmt etwas nicht!“ „Wie bitte? Ein Privatlehrer?“, rief auch Klein- Link entgeistert. „Nun tut nicht so überrascht!“, sagte die Frau in ihrer nüchternen, unbeeindruckten Art. Sie würde nicht mit sich reden lassen und schien überzeugt davon zu sein, dass die Sache mit dem dubiosen Privatlehrer seine Richtigkeit hatte. „Ihr braucht beide gar nicht quengeln, euer Privatlehrer ist eh gleich da.“ „Warten Sie, miss. Wir meinen das ernst, wir haben keinen Privatlehrer, wir sind ohnehin neu in Saria, wir wohnen derzeit bei Lia Couraiga. Wir haben wirklich keinen Privatlehrer, sowas könnten wir uns gar nicht leisten.“ Die Lehrerin rollte mit den Augäpfeln und ließ sie beide unbeeindruckt im Klassenzimmer stehen. „Ob ihr nun wollt oder nicht, der Privatlehrer ist bereits unterwegs.“ Damit ging sie aus dem Raum und ließ Klein-Link und eine verängstigte Navi zurück, die bereits Horrorvorstellungen über einen möglichen Privatlehrer entwickelten. Als die Lehrerin endgültig aus dem Raum verschwunden war, hechteten Navi und Klein- Link betroffen zu der Tür und blickten durch den Türspalt. Tatsächlich stand dort jemand, ein Mann in einem dunkelblauen Motoradanzug, der ganz und gar nicht wie ein Lehrer aussah. Seine Gesichtszüge straff und kantig. Ein Dreitagebart wuchs unsauber um sein Kinn. Sein Haar war aschblond und sehr kurz gehalten. Und dieser Mann, der seltsam vertraut wirkte, unterhielt sich angestrengt mit der Klassenlehrerin. „Sie sind also der Privatlehrer, V. Harkinian. Habe ich Sie nicht schon einmal irgendwo gesehen?“, fragte die Unterrichtende und schien jenen Mann so tiefgründig zu betrachten, als wollte sie in sein Gehirn hineinleuchten. „Durchaus möglich, ich bin ja nicht das erste Mal hier an dieser Schule“, erklärte der sportliche Typ. „Das ist durchaus möglich“, entgegnete die Frau und deutete auf das Klassenzimmer, in welchem Klein- Link und Navi hockten. „Die beiden Nervengeister sind in diesem Raum dort drüben. Sie ersparen mir wirklich eine Menge Ärger. Es scheint fast so, als könnten diese beiden mit dem Stoff in der Schule nichts anfangen.“ „Nun, Miss, dann wollen wir doch mal schauen, wie sie sich in der Exkursion geben. Ich schicke Ihnen dann eine genau Beurteilung über das Verhalten und die Leistungen der Kinder.“ Damit nickte der Kerl der Frau zu und trat grinsend, fast lachend in die Richtung des Klassenzimmers. Als er die Tür auf zerrte, irgendwo spielerisch und sich halb die Kehle aus dem Leib lachend über die Naivität jener Lehrerin, fand er Navi und Klein- Link ungläubig dreinschauend in einer Zimmerecke. Klein- Link hatte sich mit einem Zeigestock bewaffnet und Navi war gerade dabei dem Unbekannten einen nassen Schwamm ins Gesicht zu schmettern. Und noch einen Grund hatte der Mann hiermit sich halb tot zu lachen. Er hatte noch nie zwei Kinder gesehen, die auf eine solche mutige Weise sich gegen einen neuen Lehrer sträubten. „Wer immer Sie auch sind, Mister, wir kommen garantiert nicht mit Ihnen. Wir haben keinen Privatlehrer bestellt.“ Navi ließ den Mann erst gar nicht zu Wort kommen und traf ihn mit dem nassen Schwamm direkt in seinem braungebrannten Gesicht. Unbeeindruckt und wie in Zeitlupe fiel der nasse Schwamm vom Gesicht des Mannes, der seine Nase rümpfte und einen Ekel mit seinen Gesichtszügen ausdrückte, den er in seinem Leben noch nie erfahren hatte. Sein Gesicht war klatschnass und das Wasser um seine Mundwinkel schmeckte nach Kreide. „Wenn sie uns entführen wollen, nur zu, versuchen Sie es doch!“, rief Klein- Link und trat mit dem Zeigestock in seinen Händen näher. „Ihr fahrt ja schwere Geschütze auf!“, lachte der Kerl. „Für jemanden, der euch beide aus dieser grässlichen Schule holen will.“ „Das ist nicht lustig!“, murrte Navi, trat näher und schaute mit mutigen, grünen Augen zu dem Mann hinauf. „Was wollen Sie von uns!“ „Nun, kleine Lady“, meinte er, warf ihr ein charmantes Grinsen zu musterte zugleich die Verlegenheit in Navis Blick. Es musste lange her sein, dass sie jemand mit einem wertschätzenden Wort wie ,Lady‘ angesprochen hatte. „Ich habe eigentlich weniger etwas mit euch im Sinn und diese Sache hier geht mir ziemlich am Arsch vorbei. Ich bin bloß als Schein- Privatlehrer hier, damit ich an Lia herankomme. So sieht es aus.“ Verwundert ließ Klein- Link den Zeigestock sinken und war etwas verblüfft über so viel Ehrlichkeit und über die Motive des Mannes. „Warum Lia?“, meinte Navi und ließ sich allmählich von dem sportlichen Mann überzeugen, ihm vielleicht doch eine Chance zu geben. Wenn er nicht hinter ihnen beiden her war, konnte er nicht wirklich dunkle Motive haben, oder? „Nun, weil sie einfach eine attraktive Frau ist, nicht wahr? Obwohl, ich denke nicht, dass du auf Frauen stehst, kleine Lady.“ Daraufhin explodierte Navis Kopf in mehreren Rottönen. „Natürlich nicht!“, pfefferte sie zurück. „Wer, bei Nayru, steht schon auf Frauen!“ „Ich stehe auf Frauen, blonde und brünette, schwarze ebenso und wenn die Haare gefärbt sind, ist das auch gut so.“ „So hab ich das nicht gemeint, Sie Macho“, entgegnete sie. „Natürlich stehen Sie auf Frauen, aber ich als Mädchen stehe auf Männer.“ „Du als Mädchen stehst auf Männer? Nun ja, Jungs wären in deinem Fall eigentlich angebrachter, obwohl man ja oft genug sagt, der Altersunterschied spielt keine Rolle.“ „So hab ich das auch nicht gemeint, Sie… Sie…“ Und damit wand sie sich um und stapfte wütend ans Fenster. Was sie auch sagte, dieser Mann nutze ihre Schwächen schamlos aus. Es schien fast so, als könnte er auf alles, was man zu ihm sagte Kontra geben. „Da ihr beide mich seltsamerweise noch nicht nach meinem Namen gefragt habt, gebe ich ihn euch mal gnädigerweise“, schäkerte er. „Mein Name ist Velkan Harkinian und meine Mutter hat ein paar Vorhaben mit euch in die Wege geleitet. Wenn ihr jetzt noch Lust habt in dieser modrigen Schule zu bleiben, dann kann man wohl nichts machen, was?“ Der Kerl lachte erneut, ein wenig unwiderstehlich und sehr, sehr machohaft. Mit offenem Mund marschierte Klein- Link ohne weitere Fragen in Velkans Richtung und wippte aufgeregt mit dem Schädel. „Das heißt, wir können Zelda Harkinian treffen? Wirklich? Können wir?“ „Jap, meine Mutter würde sich freuen dich kennenzulernen. Du hast dieselben Augen wie sie.“ Der Junge lächelte. „Was ist mit dir, Lady?“, rief der Kerl. „Wenn du mir nicht glaubst, sieh aus dem Fenster. Meine Mutter wartet in der weißen Limousine.“ Und tatsächlich trat eine elegante Frau in einem teuren Kostüm aus der Limousine, nahm eine Designersonnenbrille ab und musterte sie mit himmelblauen, neugierigen Augen. Edle Augen, in denen ein verlockendes und geheimnisvolles Licht schlummerte. „Klein- Link, er hat Recht. Dort unten steht tatsächlich Zelda Harkinian. Die Zelda dieser Welt…“, sprach Navi fassungslos und kam nicht umher zu denken, wie wunderschön Zelda aussah, selbst in dieser Welt, wo sie schon so viele Jahre gelebt hatte. Halb über seine eigenen Füße stolpernd hechtete das Götterkind an die Fensterscheiben und klebte mit der Nasenspitze an dem Glas. Er fühlte sich, als würde er den größten Heiligen in dieser Welt beobachten. Und tatsächlich stand dort draußen eine ältere Frau mit hochgesteckten Haaren und einem angenehmen Lächeln in einem schmalen, auffallend ansehnlichen Gesicht. Sie nickte, als sie Navi und Klein- Link an der Glasscheibe entdeckte. Es dauerte nicht lange und die beiden Kinder saßen zusammen mit Velkan und seiner Mutter in der Limousine, nicht wissend, wohin sie der Weg führen würde, nur wissend, dass sie den beiden Personen, die sie entführten, vertrauen konnten. Es entstand ein unangenehmes Schweigen in der Limousine, aus Ehrfurcht vielleicht, aber auch aus dem Gedanken heraus, dass keiner der Anwesenden sich aus einer großartigen Geschichte ausschließen konnte. Klein- Link rätselte seit Beginn der Fahrt immer wieder über jene Zelda. Er fragte sich, wie sie wohl sein mochte. War sie eine gute Mutter? War sie leidenschaftlich und warm oder besaß sie einige weniger angenehme Komplexe? Und würde die Zelda auf der Erde irgendwann genauso aussehen, wenn sie die Fünfzig überschritten hatte? Dem Jungen fiel inzwischen nicht einmal mehr auf, dass er die Ministerpräsidentin die gesamte Zeit über anstarrte, bis sie ihm einen treffenden, ernüchternden Blick schenkte. „Du hast viel Ähnlichkeit mit dem Heroen dieser Welt…“, entgegnete sie und anhand des gefühlvollen Tons in ihrer Stimme konnte man nur gar zu leicht deuten, wie sehr ihr der Heroe am Herzen lag. Allerdings überraschte es auch Klein- Link und Navi, wie viel jene reife Frau scheinbar von den Legenden Hyrules wusste. Und das sie einiges wusste, machte sie mit dem faszinierenden Wort ,Heroe‘ deutlich. „Mein Vater, mein möglicher Vater“, korrigierte der Junge. „Er ist ebenso ein Träger des besonderen Heldenblutes.“ „Und die Frau, die vielleicht irgendwann deine Mutter sein wird, sie heißt ebenso Zelda, täusche ich mich in der Hinsicht?“, entgegnete sie. Und tatsächlich wusste sie mehr als man vermutete. „Ja… woher wissen Sie das alles, Zelda Harkinian?“, mischte sich Navi ein. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Welt Spiegel in andere Dimensionen beherbergt.“ Die Ministerpräsidentin warf dem augenscheinlichen Mädchen einen gestochen scharfen Blick zu und sprach deutlich: „Wenn du Träume als Spiegel in andere Dimensionen akzeptierst, so stimmt dies interessanterweise.“ „Verstehe…“, entgegnete die einstige Fee und schaute nachdenklich aus dem Fenster. Sie war noch nie gegen Zelda angekommen, in keiner Hinsicht, warum sollte es in dieser Welt anders sein, dachte sie. Selbst als sie mit Link lange Zeit unterwegs war, selbst als sie ihn schätzen lernte, selbst in dieser Zeit, als sie versuchte ihm mit allen Mitteln beizustehen, war es doch nur Zelda, die ihm wirklich helfen konnte. Erneut war sie nur die nutzlose, kleine Fee… „Lieben Sie den Heroen dieser Welt?“, meinte Navi leise und stellte die Frage mit mehr Gefühl, als sie selbst intendiert hatte. Verwundert blickte sowohl die reife Frau als auch ihr Sohn zu dem grünäugigen Mädchen, dem man tatsächlich nichts zutrauen würde. Als Zelda Harkinian nichts entgegnete, mischte sich ihr Sohn mit lauter Stimme in das Gespräch ein: „Stimmt das, Mutter?“ Sie würdigte ihren Sohn keines Blickes. Stattdessen schien sie mit ihren geheimnisvollen Augen in jene von Navi eindringen zu wollen. „Ich bewundere ihn, das ist wahr und ich verehre ihn irgendwo“, gab sie zu. „Und wir wissen beide um eine besondere Bindung, die wir zueinander hegen. Wir spüren es bei einem Blick, ein Gefühl, so machtvoll, als könnten wir Berge damit spalten. Eine Empfindung, die ich mit niemandem sonst teile. Nur ist es in dieser Welt keine Liebe…“, setzte sie aufrichtig hinzu. Navi schluckte darauf und wich dem eindringlichen Blick der Ministerpräsidentin aus. Sie wusste nicht, ob sie sich darüber freuen sollte… „So ist das also“, mischte sich plötzlich wieder Velkan ein, der Macho vom Dienst, der größte Frauenversteher und Herzensbrecher überhaupt. „Du fragst meine Mutter das, weil du ihn liebst…“ Navi riss daraufhin ihre Augen soweit auf, dass man Angst haben musste, sie würden ihr aus den Augenhöhlen kullern. „Du liebst scheinbar einen Heroen, der in einer anderen Dimension existiert. Du liebst diesen Link.“ Mit Navis Sprachlosigkeit legte sich erneut für einige Minuten die Stille in die Konversation der bedeutenden Persönlichkeiten Hyrules. „Ah, jetzt weiß ich wieder, wo ich Sie schon einmal gesehen habe“, begann Klein- Link an Velkan gerichtet um von der unangenehmen Stille abzulenken. Er spürte, dass es Navi schwer fiel über diese Sache zu reden. Und irgendwie wollte er auch nicht, dass sie bloß gestellt wurde. Es war ihre private Geschichte und da sollte sich niemand einmischen. „Das war vor einigen Tagen am Springbrunnen, Mister. Sie haben sich eingemischt, als…“ Und da verging Klein-Link die Neugierde. „Als euch dieser unbekannte Fiesling aufspießen wollte, ja ich weiß.“ „Dieser Typ wollte uns aufspießen? Wer war das?“, rief Navi erschrocken und sprang so gleich von ihrem teuren Ledersitz. „Wir haben eine schwierige Mission, wir können es nicht gebrauchen, dass jemand hinter uns her ist“, erklärte sie. Zelda Harkinian legte ihre Hände auf Navis Schultern, welche mit besorgtem Blick vor ihr stand. Sachte drückte sie das augenscheinliche Mädchen zurück auf den Sitz. „Alles, was wir wissen, ist, dass er in diese Dimension eingedrungen ist. Wie er dies angestellt hat, ist uns ein Rätsel. Er…“ Und die reife Frau berührte sachte das mächtige Medaillon, welches um Klein- Links Hals hing. „… er besitzt zumindest kein mächtiges Medaillon…“ Damit öffnete die Zelda jener Welt ihre Handtasche und kramte darin einen wahrhaft einzigartigen Gegenstand hervor. Geschmückt in Silber mit einem roten Lebensbaum und funkelnd in verschieden farbigen Steinen präsentierte sie das Medaillon der Mächtigen, welches in diesem Hyrule existierte. „Kannst du den Heroen meiner Welt hiermit finden?“, sprach Zelda Harkinian dann. Sie wirkte etwas besorgt, wenn nicht sogar traurig. „Ich weiß nicht so recht“, antwortete das Götterkind. „Ich denke eher nicht… es reagiert zwar auf mein Blut und die Wünsche darin, aber das ist wohl irgendwie meine Aufgabe… meine Mission, die ich alleine bewältigen muss.“ „Gut kombiniert“, entgegnete sie. „Danke. Aber der Heroe dieser Welt müsste es nutzen um damit am großen Rat der Helden teilzunehmen, damit in meiner Welt Ganondorf ausgeschaltet werden kann.“ „Ja… Ganondorf“, meinte sie nachdenklich. „Dieser Mann ist auch in unserer Welt ein Mistkerl. Aber ich könnte mir niemals vorstellen, dass er eine derartige immense Kraft entwickeln könnte um einen ganzen Planeten zu zerstören… Ich habe es in meinen Träumen gesehen. Ich sah die Welt Erde, wie sie ist, wie zerstört sie ist.“ Sie blickte zu Boden und schloss die Augen. „Ich habe gesehen… den Kampf gesehen, den Tod deines Vaters gesehen und seine Wiedererweckung… Ich sah Liebe…“ Klein- Link und Navi schluckten beide auf diese gefühlvollen Worte. „Ihr fragt euch nun, ob auf der Erde noch alles in Ordnung ist, nicht wahr?“ Die beiden augenscheinlichen Kinder nickten. „Ich kenne jemanden, der euch dies beantworten wird“, erwiderte die Ministerpräsidentin. „Wo fahren wir überhaupt hin?“, meinte Navi dann. „Wir sind schon da“, entgegnete sie. Und damit stoppte tatsächlich der teure Wagen, hielt inmitten einer riesigen Anlage mit vielen alten, unter Naturschutz stehenden Bäumen, die mit riesigen Kronen ein scheinbar Heiliges Gebäude schützten. Als Klein- Link aus der Limousine stieg, erinnerte er diesen Ort, der scheinbar die Zeit überdauern konnte. Der Tempel des Waldes, noch immer erhalten in jener Welt, oftmals restauriert. Sein altes Gestein schien sich mit dem Wald auf eine magische Weise verbunden zu haben, im Einklang stehend mit dem Leben, sodass jener Ort aus Stein selbst unsterbliche Leben in sich geboren hatte… Und jener Ort war wie verzaubert, noch immer standen hier und da mit Moos überzogene hölzerne Zeitzeugen. Noch immer konnte Klein- Link an jenem Ort Saria Okarina spielen sehen, wie er es einmal in einem Spiel gesehen hatte. Er trat ein paar Schritte, wie hypnotisiert, wie als wäre ein anderer Teil in ihm mehr mit jenem Ort verbunden als er selbst. Er kniete nieder, vor einem Baumstamm, streichelte darüber und sinnierte. „Dieser Baumstamm… einmalig in der Geschichte Hyrules, er wird wöchentlich mit speziellen Säften genährt, um ihn am Verfall zu hindern“, erklärte Zelda Harkinian. „Er hat eine große Bedeutung, scheinbar auch für dich, Junge.“ „Irgendwo ja…“, entgegnete er. Er konnte es sich selbst nicht richtig erklären. Dennoch spürte er hier eine Verbindung, die er vorher nicht kannte. „Nur ist es richtig… manche Dinge am Verfall zu hindern? Hat nicht vieles das Recht zu vergehen… zu sterben…“ Ein Gedanke an das verblasste Hyrule, welches er vom Hause der Götter beobachtete hatte, schoss ihm blitzartig durch den Kopf. Zelda Harkinian blickte ihn betroffen an. „Das ist richtig… aber von vielen Dingen kann man sich vermutlich nicht trennen, selbst wenn sie eigentlich schon zu Ende sind…“, sprach sie nachdenklich. Die Milde in ihrem Blick, konnte zu Tränen verführen… Ihr durchdringender Blick wanderte zu Navi und ließ auch sie jene Mildtätigkeit spüren. „Auch wir vergehen… eines Tages, im Schatten unseres Selbst, wie ein Tag, der seine Aufgabe erfüllt hat. Was bleibt uns, als dies zu akzeptieren…“ Ihre Worte schienen immer melancholischer zu werden, und Navi etwas mitzuteilen, wovor sie sich fürchten sollte, sodass sich letztlich ihr Sohn einmischte und die Stimmung, im wahrsten Sinn des Wortes, ruinierte. „Nun hör‘ auf mit deinem Geschwafel, Mutter und schick‘ die beiden in den Tempel“, meinte er genervt und schien mit seinen Augen Kegeln zu spielen. Alles an ihm drückte gereizte Stimmung und Langeweile aus. Sie schien von seinem Kommentar unbeeindruckt, warf ihm jedoch einen sehr scharfen, das Fürchten lehrenden Blick entgegen, wie ein Schauer der Magie, wie ein Wink der Gefahr. „Du kennst deine Rolle, Velkan. Also halte dich hier heraus“, belehrte sie. Sofort stieg er wieder zurück in die Limousine und schnaufte. Sie kniete dann zu beiden Reisenden durch die Welten nieder und reichte jedem eine Hand. „Ihr solltet euch nicht fürchten. Erinnert nur das, was ihr erreichen wollt. Die jetzige Weise des Waldes, Salora, erwartet euch in der großen Halle des Tempels. Folgt einfach dem Kerzenlicht. Stellt ihr alle Fragen, die noch offen sind. Ich warte hier draußen und werde euch im Anschluss zurück zu Lia bringen.“ Navi und Klein- Link wippten erneut brav ihre Schädel und traten in das uralte, majestätische Gebäude ein. Mit Erwartung sicherlich… aber auch mit dem Gefühl von Ungewissheit… Kapitel 136: Ein Heroe, den die Zeit besiegte… Teil 5 ----------------------------------------------------- Mit einem mulmigen Gefühl im Magen traten Klein- Link und Navi in die steinige, monumentale Stätte hinein, erstaunten einmal mehr. Wie viele Menschen jenen Ort wohl bereits betreten hatten, wie viele hatten sich hier verirrt, Nachforschungen über alte Magie und üble Kreaturen angestellt. Wie viele hatten an solchen Orten ihr Leben verloren… Mit Funkeln in den himmelblauen Augen betrachtete sich der junge Heroe Antiquitäten von unschätzbarem Wert, die in verschiedenen Glasvitrinen hier aufbewahrt wurden und sicherlich gut gesichert waren. An dem restaurierten Gewölbe zogen sich Wandmalereien hinab, über die Seitenwände bis hin zu Klein- Links und Navis Füßen. Selbst tragende Säulen wurden in das Gemälde mit einbezogen. Und an jede Ecke des gigantischen Saals waren Fackeln angebracht, die scheinbar ewige Flammen beherbergten. „Früher war dieses Gemälde noch nicht… also damals im alten Hyrule…“, meinte Navi. „Als ich einst mit Link hier kämpfte, als noch alles halbwegs in Ordnung war.“ „Das ist Tausende Jahre her in dieser Welt, Navi“, meinte der Junge und war etwas über die Sauberkeit an jenem Ort überrascht. Nirgendwo hingen Spinnweben oder verfaulende Efeuranken, wie es früher einst der Fall war. „Aber mir erscheint es… als wäre es erst gestern gewesen…“, sprach Navi. „Gestern, als Link an diesem Ort Shiek traf… gestern, als ich spürte, wer Shiek war und gestern… als ich das Gefühl hatte, ich verlor meine Helferfunktion für Link wegen diesem Shiekah…“ Damit endete sie melancholisch, spielte nervös mit ihren Händen und scheute Klein- Links Blick. Er versuchte verschmitzt zu grinsen und grübelte, ob ihm etwas Lustiges einfiel, um Navis Trübsal zu verscheuchen. Aber diesmal schwiegen seine Lippen… Sie liebte den Helden der Zeit scheinbar wirklich aufrichtig. Vielleicht war auch das einer der Gründe, warum sich die einstige Fee nicht entscheiden wollte, Hyrule aufzugeben. Vielleicht glaubte sie auch deswegen immer noch daran, dass das alte Land einmal mehr neu entstehen und aufblühen konnte… „Wir sollten dem Kerzenlicht folgen“, erinnerte sie und wand dem Götterkind ihren Rücken zu. Es war für ihn das erste Mal, dass er, trotz dass Navi einen kindlichen Rücken besaß, er bei einem Blick zu ihr, einen alten Menschen sah. Er wusste nicht warum, verhielt sie sich doch oftmals so kindisch, dass er sich schlichtweg nicht ihr wahres Gesicht vorstellen konnte. Doch in diesem Moment, dem Bruchteil von Sekunden, am Rande der Wirklichkeit, erkannte er Navi wirklich… „In Ordnung, lass‘ uns dem Licht folgen“, erwiderte der Junge und stapfte grübelnd hinter Navi her, seine Hände in den Hosentaschen vergraben, seine himmelblauen Augen ein Spektakel der Verwirrung wiederspiegelnd. Es dauerte einige Minuten und die beiden durchquerten die verschiedenen Gartenabschnitte im alten Tempel des Waldes. Dort blühten Blumen in den unheimlichsten, kräftigsten Farben überhaupt. Alles wirkte unnatürlich, künstlich. Riesige Blätter versperrten den beiden Tempelbesuchern die Sicht. Gallige Blühten wippten auf und ab, öffneten sich, als die beiden Kinder vorüber traten, schnappten teilweise nach ihnen. „Früher waren auch diese Pflanzen noch nicht, sicherlich gab es fleischfressende Pflanzen, aber diese hier sehen ganz anders aus“, bemerkte Navi, näherte sich einer Blühte und wurde von einer der Pflanzen beschnuppert. „Sie verhalten sich wie Tiere“, meinte Klein- Link. „Ich habe so etwas schon einmal gesehen… im Garten des Lebens, zusammen mit der alten Wächterin dort.“ „Du meinst Niléz?“, fragte Navi überrascht. „Sie hat sich dir gezeigt? Diese alte Frau mit den Engelsflügeln?“ Klein- Link blieb stehen und schaute Navi verwundert an. „Ist das denn irgendwo komisch?“ „Allerdings ist das komisch. Diese alte Dame hat sich noch nie einem menschlichen Wesen gezeigt“, erklärte die einstige Fee. „Sie hat sich auch noch nie einem unsterblichen Wesen gezeigt.“ „Aber warum? Sie ist doch kein Ungetüm“, sprach Klein- Link verdutzt. Navis giftgrüne Augen funkelten mit Wissensdurst in die himmelblauen des Jungen hinein. „Sicherlich ist sie das nicht. Man erzählt sich die Göttinnen hätten Niléz mit einem Fluch belegt, der ihr verbietet sich menschlichen oder sterblichen Wesen zu nähern. Es gibt Geschichten über sie, Geschichten von Verrat, von Bestrafung, Geschichten über Unschuld. Aber viele dieser Geschichten sollte man nicht glauben.“ „Erzählst du mir eine Geschichte über sie, die man glauben kann?“, meinte der Junge und packte Navi am Arm, als sie weiterlaufen wollte. Es schien ihm aus irgendeinem Grund wichtig zu sein. Erschrocken über seine ziemlich kräftige Berührung starrte sie ihn an. „Warum interessiert dich das so energisch?“ „Ich weiß es nicht, ich schätze es gibt keinen besonderen Grund, nur den, dass ich mich immer sehr gerne mit ihr unterhalten habe, zumindest das, was ich noch rekapitulieren kann“, erklärte er und vergrub seine Hände wieder in den Hosentaschen. Navi grinste und zwinkerte dann. „Okay, lass uns weitergehen und ich erzähl‘ es dir währenddessen.“ Klein- Link nickte zufrieden. Sie tapsten durch seichtes Gewässer in den Gärten, gelangten schließlich in ein Tunnelsystem und folgten auch dort den Fackeln an den Wänden. „Ich habe schon lange nicht mehr über Niléz nachgedacht, Navi. Ich weiß nicht einmal, warum ich sie überhaupt erinnert habe.“ Klein- Link konnte es sich tatsächlich nicht erklären. Wie sollte er auch, diese alte Dame spielte nicht gerade eine besondere Rolle in den Geschichten um Hyrule. „Eine Geschichte erzählt davon, dass einst, als Hyrule noch nicht lange existierte, und als sich unser Staatssystem entwickelte, ja, als der Gründervater des hylianischen Blutes Kriege führte um seinem Volk einen Platz zum Leben zu schaffen, einst zu jener Zeit wandelten noch Wesen in unserer Welt, die aussahen wie Engel. Wesen, die ebenso magische Fähigkeiten besaßen und die sehr liebenswert schienen. Mächtige Wesen, die man fürchten konnte…“ Navi stoppte und blieb an einer Kreuzung des verzweigten Tunnelsystems stehen. „Dieser blöde Tunnel wurde auch erst später gebaut“, meckerte sie. „Was geschah dann?“, bohrte der Junge nach, trat an Navi heran und ließ in seinen Augen den Wunsch aufwallen mehr über diese Geschichte zu erfahren. Ihm war inzwischen dieser Ort völlig gleichgültig. Er wollte diese Geschichte kennen, um vielleicht einmal mehr etwas über Hyrule zu erfahren und eines jener atemberaubenden Geheimnisse, die es hütete. „Es war einst in einer sternenklaren Nacht, dass sich mächtige Männer mit Gewalt weibliche Jungfrauen des märchenhaften Volkes nahmen. Es war ein grausames Ritual. Eine Nacht voller Schreie und voller Blut. Denn jene Wesen, mächtig, wehrten sich, manche von ihnen, so erzählt die Geschichte, sollen gemordet haben, manche von ihnen, so sagt die Legende, waren geflohen und nur eine von ihnen soll sich einem der Männer hingegeben haben…“ Es war eine Geschichte voller Pein, und voller Grausamkeit, die in menschlichen Wesen steckte. Eine tragische Geschichte menschlicher Fehler und Begierden. „Diejenigen weiblichen Engel, die geflohen waren, wurden verfolgt und ausgerottet und nur die eine… die eine blieb am Leben. Eine letzte Trägerin von engelsgleichem Blut. Eine letzte… gebrandmarkt auf ewig.“ Ein wenig entsetzt blieb der Junge stehen und brauchte nicht lange nachzudenken, um zu verstehen, dass wohl Niléz jene letzte ihres Volkes darstellte. „Um sie zu beschützen, sollte kein Wesen jemals mehr ihr Gesicht sehen“, setzte die Fee hinzu. „Weil sie irgendwo etwas Besonderes ist, weil sie einzigartig ist. Es ist also schon etwas seltsam, dass es dir die Göttinnen gestattet haben.“ „Ich habe die Göttinnen nicht darum gebeten“, erklärte der Junge und strich sich über sein Kinn. „Neugierig wie ich war, bin ich dort einfach spazieren gegangen und habe diese Frau gesehen, in ihren weißen Gewändern, mit einer Kapuze, die so riesig war, dass man kein Detail ihres Gesichtes erblicken konnte.“ „Nun, aber normalerweise sehen die Göttinnen alles, was vor sich geht. Vielleicht ist es sogar von Bedeutung, dass du sie getroffen hast.“ „Vielleicht“, erwiderte er, glaubte aber nicht daran, dass diese alte Frau jemals wieder eine Rolle für ihn spielen würde. „Nicht vielleicht“, belehrte ihn Navi, wand sich zu ihm und grinste. „Das, was Din, Nayru und Farore in die Wege leiten, hat immer einen Sinn.“ Erneut boxte sie ihn spielerisch in seine empfindliche Rippengegend. Er jaulte auf, grabschte mit beiden Armen nach ihr, aber Navi wich schneller, als man es von ihr vermuten würde, aus und sauste lachend die Gänge hinab. „Du blöde Fee!“, maulte der Junge, rieb sich seine empfindliche Seite und trat gemütlich weiter, hörte Navis Lachen noch von weitem und grübelte. Ob Navis Worte ihn beunruhigen sollten? Sicherlich war es eine grausame Geschichte, die Niléz hinter sich hatte, aber diese Frau, auch wenn sie ziemlich freundlich gesonnen war, sie war ihm nun mal schlichtweg egal. Er konnte nicht einmal so etwas wie Großmuttergefühle ihr gegenüber empfinden. Warum also sollte sie eine Rolle für ihn spielen? Und wenn sie in dem Garten des Lebens ihr Dasein fristete, wie sollte sie für Navi oder ihn auf dieser Mission jemals etwas erreichen? Er konnte sich daraus einfach keinen Reim machen, versuchte die traurige Geschichte in seinen Gedanken zu verschließen und trat weiter vorwärts. Es dauerte nicht lange und die beiden Wanderer durch die Dimensionen erreichten den einstigen Schauplatz eines Kampfes des Heroen gegen Ganondorfs Schatten. Jener Ort weckte einerseits befremdliche Erinnerungen an Damals in Navi, andererseits jedoch hatte sich der Ort vollkommen gewandelt. Die Plattform in der Mitte war verschwunden. Ebenso zierten keine Malereien und Gemälde die Wände mehr. Stattdessen war der Raum ausgelegt mit einem silbern schillernden Teppich und an den einst grauen Wänden standen aufgereiht mehrere olivenfarbige Regale. An einer Ecke stand ein modernes Radiogerät, sogar ein Sofa mit zerwühlter Bettdecke lud ein, es sich bequem zu machen. Der einstige kleine Saal erinnerte nun mehr an ein modernes Wohnzimmer, wäre da nicht der Labortisch eines Chemikers in der Mitte und die vielen Reagenzgläser, welche in den Regalen den aufmerksamen Beobachter verwunderten. Auf dem Labortisch blubberte eine merkwürdige, gallertartige, grüne Substanz in einem Glasgefäß vor sich hin. „Wahnsinn… wo sind wir hier eigentlich gelandet? Sicher, dass hier die derzeitige Weise des Waldes tätig ist?“, meinte Klein- Link und tapste neugierig in die Mitte des Saals. Mit aufmerksamen Blicken beobachtete er die grüne Masse, die blubbernd aus dem Gefäß herausquoll. „Mmh, merkwürdig ist das ganze schon, vielleicht haben wir eine Abbiegung verpasst. Inwieweit sich der Tempel verändert hat, kann ich dir auch nicht sagen“, erwiderte die einstige Fee und tippte verwundert an ein paar Einmachgläser, in welchen obskure Objekte plastiniert waren. In dem Augenblick düste eine junge, kleine, dickliche Frau mit fleckigem Laborkittel aufgeregt in den Raum. Sie schien die beiden Gäste erst gar nicht zu registrieren. Sich ein paar grüne Locken aus einem mit Leberflecken übersäten Gesicht wischend nahm sie eine Pinzette, saugte damit etwas von der grünen schleimigen Substanz aus dem Gefäß und verließ pfeifend den Raum so schnell sie gekommen war. „Was war das denn?“, murrte die Fee. „Soll das etwa Salora gewesen sein? Die hat nicht mal registriert, dass sie in dem Raum nicht alleine gewesen ist.“ Klein- Link schaute nur überrascht in die Richtung aus der die vermeintliche Weise des Waldes gekommen war und kratzte sich am Kopf. „Nun ja, wie eine Weise sah diese Frau ohnehin nicht aus“, stellte er fest und lachte etwas albern. In dem Augenblick rutschte ein runder Kopf über seine Schulter nach vorne und musterte ihn eindringlich. Da stand plötzlich ein Mensch, der sich auffallend distanzlos verhielt und das Götterkind mit dieser Bewegung so erschreckte, dass sich seine Beine ohne der geringsten Möglichkeit einer Kontrolle in Bewegung setzten. Kreischend kam Klein- Link irgendwo hinter Navi zum Stehen und schielte mit großen Augen zu der Dame, die sich scheinbar mittels Teleportation zurückgebeamt hatte. Es handelte sich um genau dieselbe rundliche Dame, die vorher so nichts interessierend in den Raum gestürmt und wieder hinaus gehetzt war. Unbeeindruckt stapfte sie mit ihren stämmigen Beinen erneut in Klein- Links Richtung, schüttelte kräftig seine Hände und grinste heftig. „Sagenhaft, dass ich das erleben darf. Endlich ein Heroe der Legenden, der einmal bei mir in mein bescheidenes Labor kommt. In mein Labor. In mein Labor!“, begrüßte sie ihn anstatt Hallo zu sagen. Navi war im Augenblick für Salora scheinbar uninteressant. Sie würdigte die einstige Fee keines Blickes. „Ich muss dir unbedingt etwas zeigen, junger Heroe. Unbedingt. Unbedingt!“, meinte sie aufgeregt und zwinkerte ihm mit silberfarbenen Augen an. Es war eine schöne, unvergleichliche Augenfarbe, die Salora besaß. Sie hüpfte aufgeregt in dem Raum umher, stieß einige Flaschen um, stolperte mehrmals und verriet mit ihrer unbeholfenen Art nur noch mehr über ihr chaotisches Wesen. „Schau hier, siehst du die Substanz in der Flasche?“, meinte sie strahlend. Klein- Link blickte interessiert, vielleicht auch um nicht unhöflich zu wirken, ganz aufmerksam zu Saloras Tun und nickte. „Diese Substanz hier, kann Dinge daran hindern, älter zu werden“, jubelte sie. „Ich sitze schon seit einigen Monaten daran und jedes Mal war ich mit der Wirkung nicht zufrieden. Aber jetzt, aber jetzt, aber jetzt!“ Sie schien sich mit jedem Wort noch mehr in ihre Arbeit hineinzusteigern und zu triumphieren. „Willst du davon etwas? Soll ich dir das schenken? Soll ich? Soll ich?“, fragte sie dröhnend, grabschte noch ehe Klein- Link antworten konnte, nach einem weiteren Gefäß mit metallischer Öffnung, die man sehr gut verschließen konnte und die sogar über einen Zahlencode absichert war. Sie füllte die schleimige Substanz dort hinein. Sie drückte ihm das Gefäß mit der Substanz in die Hand, riss ihre Augen auf und verhielt sich ihm gegenüber einmal mehr distanzlos. Ihr dicker Kopf wanderte erneut näher. Sie blickte den jungen Burschen an, als hätte er Dutzende Ekzeme im Gesicht. „Du wirst von Engelein träumen“, erstaunte sie. „Das ist ja sagenhaft.“ Navi, die bisher links liegen gelassen wurde, trat auch näher und reichte der Weisen die Hand. „Entschuldigen Sie, ich wollte Sie auch zumindest begrüßen. Und wir sind aus einem anderen Grund hier“, sprach sie ruhig. Salora musterte sie kurz ohne ihre Hand zu schütteln und dann schwenkte ihr Schädel erneut zu dem Götterkind. „Brauchst du sonst noch etwas? Brauchst du? Brauchst du? Du wirst ohnehin von den Engelein träumen. Vielleicht brauchst du nur die Engel.“ Allmählich wurde Navi ungehalten, da man sie inzwischen herzlich ignorierte. „Nein, nein“, meinte der Junge. „Sonst brauche ich wirklich nichts weiter.“ Er lachte noch einmal albern und wusste nicht mehr, warum er zusammen mit Navi eigentlich hier gelandet war. Salora hatte ihn mit ihrer Art so verwirrt, dass er sich selbst nicht mehr ordnen konnte. Ihre chaotische Aura schien ihre Umgebung zu beeinflussen. „Bist du sicher? Sicher? Sicher?“, meinte Salora, holte ein paar Reagenzgläser, zündete ihren Bunsenbrenner an, setzte sich eine Brille auf und begann Reagenzgläser mit buntem Inhalt über der Flamme zu pendeln. Sie schien auch nach mehreren Minuten noch vollkommen in ihre Arbeit vertieft zu sein, machte keine Anstalten sich auf irgendeiner Weise mit den beiden Gästen noch länger unterhalten zu wollen, rannte einige Male aus dem Raum, kam desinteressiert zurück und widmete sich erneut ihrer Arbeit. In Navis Gehirnwindungen begann es inzwischen zu brodeln. Erstens ignorierte diese Salora sie auf ganzer Linie. Und nun schien sie sich nicht einmal mehr daran zu stören, dass sie und ihr Schützling sich hier aufhielten. „Salora, ob sie nun eine Weise sind oder nicht, interessiert mich nicht die Bohne, aber ich erwarte mehr Respekt von einer jungen Frau, die sich aus unerklärlichen Gründen den Titel der Waldweisen holen konnte. Also reden Sie gefälligst mit uns!“, sagte Navi laut und mit beeindruckendem Unterton. Die Angesprochene zwinkerte, strich sich ihre dicken, grünen Locken aus dem Gesicht und murmelte unerwartet: „Oh, seid ihr beide immer noch da?“ Ein Satz, den Navi nicht erwartete hatte. Ein Satz, den niemand erwartet hatte… „Salora!“, schimpfte die Fee. „Sie sind einfach nur bescheuert.“ Sie wusste nicht, wie sie Salora sonst bezeichnen sollte. Nahm die Weise des Waldes tatsächlich so wenig Notiz von ihren Gästen. Jedenfalls schien sie Navis Worte auch weiterhin zu überhören. Mit großen Augen trat sie erneut in Richtung von Klein- Link, grabschte wieder nach seinen Händen und sprach: „Bist du sicher, dass du noch etwas brauchst?“ Klein- Link tat nichts anderes als unbeholfen zu nicken. „Ah, ich weiß. Du willst etwas über die Liebe erfahren“, sagte sie vergnügt. „Nun, eigentlich war das überhaupt nicht mein Anliegen“, erklärte er, etwas verwundert darüber, wie Salora auf diese aberwitzige Idee kam. „Doch, doch. Dich interessiert die Liebe, ich weiß es. Weiß es. Weiß es.“ Sie schien erneut in ihrem Element zu sein, denn sie strahlte, als sie dies sagte. Sie kicherte. „Sicherlich interessiert einen Heroen die Liebe, denn er kann nicht ohne sie. Er braucht sie als Sinn. Er braucht sie als Überlebenselixier. Als Droge auf seinen Wegen. Wie sollte er auch ohne sie.“ Sie stapfte erneut zu ihren Reagenzgläsern, mischte zwei Flüssigkeiten und als herzförmiger, rosa Rauch stieg aus der Mischung ein süßlich duftendes Produkt auf. „Selbst Elemente lieben sich, junger Heroe“, sprach sie und kicherte wieder, während sie ihren runden Hintern durch den Raum bewegte. Sie tänzelte, sie quakte und jubelte. „Ich verstehe nicht ganz, soll das heißen, Klein- Link ist verliebt?“, meinte Navi und blickte ihn ratlos an. „So ein Käse mit Wackelpudding, ich bin nicht verliebt!“, bestritt er. „In wen sollte ich verliebt sein!“ Er wusste zwar nicht warum, aber er hatte das Gefühl sich für irgendetwas schämen zu müssen. „Nun vielleicht weißt du es selbst noch nicht. Weil du noch gar nicht verliebt bist“, sprach Salora und schmunzelte wieder. „Es wird Geheimnisse geben, in deinem Herzen, in deinem Verstand. Du brauchst etwas um zu leben, Kind der Götter.“ Klein- Link erstaunte. Saloras letzte Worte stimmten ihn nachdenklich. Brauchte er tatsächlich noch etwas anderes um lebendig zu sein? Schlug das Herz in seiner Brust nicht deutlich genug? „Heißt das, er braucht Liebe, um lebendig zu sein?“, meinte Navi nachdrücklich und hoffte endlich von Salora ernst genommen zu werden. Aber die rundliche Dame registrierte erneut nicht ihre Anwesenheit. Sie schielte an ihr vorbei, geradeso, als wäre Navi nur ein Gespenst. „Brauchst du Liebe? Liebe? Liebe?“, meinte Salora und blickte den Jungen mit großen Augen an. Er erwiderte nichts, und begann sich ohnehin mit jeder weiteren Sekunde immer unwohler zu fühlen. „Du weißt doch, was das ist, nicht wahr?“, redete sie auf ihn ein. Er schaute mehr und mehr drein, als wollte Salora ihn auffressen. „Du wirst auch irgendwann lieben. Wundervoll verliebt sein. Wundervoll. Ganz wundervoll.“ Während Salora sprach, schien es als rührten ihre eigenen Worte sie zu Tränen. Klein- Link wich in dem Moment zurück und hielt sich selbst schützen wollend seine Hände in die Höhe: „Hören Sie, Salora, ich hab‘ damit wirklich nichts am Hut. Ich bin nicht in dieser Mission gelandet um mich zu verlieben.“ „Nein, scheinbar nicht“, erwiderte sie. „Und ich brauche keine Weise des Waldes, die mir einreden will, ich bräuchte Liebe um diese Mission zu vollbringen.“ „Nein, natürlich nicht.“ „Und außerdem will ich mich niemals verlieben. Das ist blöd.“ „Nein, willst du blöderweise nicht“, sagte sie und schien sich mit jeder Sekunde mehr und mehr über ihn lustig zu machen, obwohl in ihren Augen keine Freude mehr stand. Sie kniff ihn in seine rechte Wange. „Ob du willst oder nicht, Götterkind. Du wirst dich verlieben, noch in deiner langen Mission. Und du wirst dir wünschen, du hättest dich nicht verliebt“, sprach Salora dann, ungemein ernst und nicht mehr lächelnd, nicht mehr erfreut. „Denn Liebe kann auch sehr grausam sein. Liebe kann dich fesseln, dir so schnell deine Lebendigkeit wieder nehmen wie sie sie dir geschenkt hat.“ Sie streichelte über seine Wangen und dann durch sein blondes Haar. „Auch die Weisen dieser Welt wünschen dir alles Glück für den Weg, den du irgendwann alleine zu beschreiten hast.“ Dann endlich, man hätte es nicht mehr erwartet, wanderte ihr rundlicher Schädel zu Navi und sie schien die einstige Fee endlich zu registrieren. „Feen sind unsterbliche Wesen…“, begann sie leise. „Was du jedoch bist, einstige Fee, ist ein geborgter Körper mit geborgten Wünschen und verlorenen Träumen. Du konntest dich nicht entscheiden und wirst es niemals mehr können… Die Richter haben für dich bereits entschieden“, entgegnete sie. In Gedanken sprach sie weiter, und sie sprach zu Navi, sodass es Klein- Link nicht hören konnte. ,Du wirst mehr sein als eine Freundin und Beschützerin… nur steht dein Schicksal bereits in Stein gemeißelt… die Frage ist, wirst du es annehmen…‘, sagte sie so, dass Navi ihre Stimme in ihren Gedanken wahrnehmen konnte. Und sie erwiderte, fragte, sie verstand Saloras Sätze nicht, ihren Sinn nicht. ‚Was bedeutet das?‘, meinte das augenscheinliche Mädchen. ‚In einer anderen Dimension erzählte dir jemand, dass er dich an einem anderen Ort sah… An einem Ort, den viele betreten müssen‘, sprach Salora. ,Werde ich sterben müssen…‘, meinte die Fee angstvoll, stets bedacht in diesem Moment ihr Gesicht vor ihrem jungen Schützling zu wahren. Seit der Link der Wind-Waker-Welt ihr von seiner Halluzination erzählt hatte, lag ihr diese Frage auf der Zunge. War es möglich, dass er sie in einer Nachwelt erblickt hatte? „Sterben… nein… Sterben kann unsterbliches Leben nicht… es kann nur vergehen“, sprach Salora dann laut. Navi wusste nichts mit ihren Sätzen anzufangen, sicherlich, nur konnte sie in diesem Moment, da Salora diesen Satz wahrhaftig und auch von Klein-Link hörbar in den Raum geworfen hatte, nicht weiter nachbohren. Sie wollte ihn nicht beunruhigen. Und vielleicht war ihre Sorge auch unbegründet. Möglicherweise würden sich neue Wege auch für sie auftun. Klein- Link blickte seine Begleiterin etwas ratlos an, und dann zu Salora, die wie hypnotisiert in Navis giftgrüne Augen blickte. Dann lächelte sie. „Jeder von euch beiden hat einen vorgeschriebenen Weg. Jeder von euch ist bestimmt weiterzugehen. Und auch in dieser Welt werdet ihr den Heroen finden, den ihr so sucht. Ein Heroe, der sich von seinem Alter besiegen lassen hat. Ein Heroe als Gefangener seiner selbst und seines Alters.“ Eine unangenehme Pause entstand. Und die beiden Reisenden wollten darauf nicht nachfragen. Es war sonnenklar, dass der Heroe jener Welt schon an die sechzig Jahre sein musste, dass er vielleicht nicht mehr kämpfen konnte. Aber Navi und Klein- Link waren sich sicher, dass er dennoch, vielleicht seine Erfahrung, sein Wissen, in den Rat mit einbringen konnte. Die Weise wollte sich gerade wieder mit ihren Reagenzgläsern und seltsamen Flüssigkeiten beschäftigen, als Navi und Klein- Link immer noch in dem Raum stehen blieben und keine Anstalten machten die arbeitswütige Salora alleine zu lassen. „Der Weg“, sagte sie. „Braucht ihr noch etwas? Auf dem Weg? Auf dem Weg?“ Ihre großen silbrigschillernden Augen blickten erwartungsfroh in jene des Jungen. „Und du, brauchst du noch mehr Wissen um die Liebe? Liebe? Liebe?“ Ihre Augen wurden immer größer und größer. „Du willst etwas wissen, ah ja… wegen deinen Eltern, nicht wahr?“ Die rundliche Dame hatte genau den Punkt getroffen, der ihn schon seit Tagen beunruhigte. Ging es Zelda und Link auf der Erde den Umständen entsprechend gut? Oder stand diese Mission schon lange unter keinem guten Stern mehr… „Auch deine Eltern lieben sich“, lallte die Frau, hüpfte erneut näher und grabschte nach seinen Händen. „Wusstest du das? Wusstest du das? Wusstest du?“ „Ja, das wusste ich!“, meinte er genervt und zerrte seine Hände aus den dicken, fettigen der Weisen. Das war nicht sein Anliegen. Konnte sich diese Frau nicht endlich wie ein normal tickendes, nicht von allen guten Geistern verlassenes Individuum benehmen? „Und sie werden sich irgendwann noch mehr und heftiger lieben“, lachte die Dame und errötete ein wenig, als diese Worte Hinweis gaben auf eine etwas intimere Geschichte. Auch Klein- Link und Navi erröteten angesichts dieser privaten Ereignisse, die keinen in der Runde außer scheinbar Salora interessierten. „Verdammt nochmal, das geht uns überhaupt nichts an. Und das wollten wir nicht wissen!“, schimpfte Navi und stapfte zum Spannungsabbau durch den Raum. In dem Moment stand Salora auch schon vor ihr und schielte sie mit gespenstisch riesigen Augen an. „Ach nein? Dabei ist klar, dass sie leben müssen, wenn sie sich irgendwann noch mehr lieben, nicht wahr? Nicht wahr? Nicht wahr?“ Und da verstand Navi. Das bedeutete, dass Salora Zelda und Links Zukunft auf irgendeine Weise als sicher ansah, falls sie sich auch irgendwann noch lieben würden. Vielleicht in wenigen Wochen, Monaten oder Jahren… Klein- Link lächelte ein wenig, und ließ einen hinterhältigen Stein von seinem Herzen plumpsen. Wenn Salora Recht hatte… dann musste sein plötzliches Verblassen mit anderen Dingen zusammenhängen. „Können Sie uns das wirklich garantieren, Salora? Ich meine, dass es Link und Zelda auf der Erde soweit gut geht“, bohrte Navi nach. „Nichts ist für immer, Fee, und für nichts gibt es Garantie“, erklärte sie. „Es wird noch etwas geschehen, das spüre ich… etwas… was nur einer von euch beiden in Ordnung bringen kann. Aber diese Zeit ist noch nicht. Noch nicht. Noch nicht…“, meinte die Weise, ließ ihre letzten Worte an die beiden Kinder mit Milde ausklingen und verschwand in einem Regen bunter Blätter, im Einklang mit dem Wald verabschiedete sich die Weise. Eine Weise wie keine, sympathisch, aber ungemein chaotisch… Kapitel 137: Ein Heroe, den die Zeit besiegte… Teil 6 ----------------------------------------------------- In einem Gebäude, weit entfernt von der Hauptstadt Saria, umgeben von peitschenden Sandstürmen, versteckt zur Hälfte im Erdboden, saß eine dunkle Gestalt in einer Zelle. Die Person war eingehüllt in eine verdreckte Decke. Ein sanfter Hauch kalter Luft strömte gleichmäßig aus seinem halbgeöffneten, trockenen Mund. Er hielt etwas in der Hand, was aussah wie ein zerknülltes Foto. Seine Mundwinkel zogen sich nach oben, er grinste, als er es anblickte. Es war ein düsterer Ort, wo er sich aufhielt. Von innen war der Wind hörbar und brachte Trübsinn mit sich. Außen herrschte Leere und Tod in einer Landschaft aus Sand… In dem Augenblick erhellte eine für diese Welt untypische, flackernde Lichtquelle die Szenerie. Jene Quelle des Lichts, täuschend warm und lebendig, näherte sich hastig, bis das Licht den Innenraum der staubigen Zelle erhellte. Eine breite Gestalt hielt die Fackel in einer blassen, aber kräftigen Hand und zischte dem Gefangenen schimpfend zu. „Erbärmlich bist du. Alt und schwach, kein Held würde so enden wollen wie du.“ Die Gestalt öffnete mit einer Handbewegung das magische Schloss, kniete nieder und packte den Mann am Kragen. „Rede gefälligst.“ Seit den wenigen Stunden, die der Gefangene hier verweilte, hatte er nicht ein einziges Wort gesprochen, was seine Wachen nicht gerade erfreute. Es mixte eine gefährliche Stimmung in die Luft, als plante der Gefängnisinsasse etwas, was seine Gegenspieler nicht gerade erfreuen würde. Die dunkle Gestalt in dem schwarzbraunen Mantel kam dem Gefangenen mit seiner blassen, gespaltenen Zunge näher. Selbst der faulige Mundgeruch schien den noch immer grinsenden Mann nicht das Geringste auszumachen. „Hörst du nicht! Rede gefälligst!“ Und mit einem wuchtigen Schlag, donnerte der Hüne den Eingesperrten gegen die hinter ihm befindliche Mauer. Es knackte mehrmals unangenehm, aber der Mann ließ sich zu keinem Schmerzlaut hinreißen. Er schwieg weiterhin, verbissen und standhaft. „Dir wird das Grinsen noch vergehen, Held!“, röhrte seine Gegenüber und spukte ihm ins Gesicht. „Egal, was du hiermit bezweckst, du steckst in der Klemme. Obwohl es sicherlich eine gute Strategie war sich ausgerechnet hier aufzuhalten“, ergänzte er. „Ich werde sie herbringen und vor deinen Augen zerquetschen, wie eine reife Pflaume…“, zischte er noch einmal. Sein Mantel flatterte, als er sich direkt vor den Augen des Eingesperrten in Luft auflöste. Und dann. Erst dann, als der Hüne verschwunden war, ließ sich der Mann zu wenigen Worten verführen. Er lehnte sich entspannt zurück und murmelte: „Ja, was wir hier tun ist eben doch nur ein Spiel.“ Seine Worte gingen in der Wüste unter, die erbarmungslos Menschen und andere Wesen unter ihren Sandstürmen vergrub. Indes leuchtete in der Wohnung von Lia Couraiga nur noch eine kleine Tischlampe im Wohnzimmer. Es war bereits spät in der Nacht und die Stille wiegte Navi und Lia in den Schlaf, nur Klein- link lag wach. Er hatte heute Post bekommen, merkwürdige Post, sollte man sagen. Er war ziemlich rot angelaufen, als ihm Lia einen käsegelben Brief mit lila Herzchen unter die Nase hielt. Ein Liebesbrief, ausgerechnet an einem Tag, als Salora ihm etwas über die Liebe prophezeite. Es nervte ihn inzwischen. Lia und Navi hatten sich beide so herzlich darüber amüsiert, dass er sich gerne in dem Moment wieder einen Schub Unsichtbarkeit herbeigewünscht hätte. Er konnte Lias verteufeltes Grinsen dabei einfach nicht vergessen. Diese Schadenfreude darin, als gäbe es auf der gesamten, weiten Welt nichts Aufregenderes als dieses unsinnige, bescheuerte Ereignis. Und Navis Gekicher machte das Ganze nicht besser. Sie hatte sich gekrümmt vor Lachen. Ihre dicken, klobigen Beine hatten ihr Gewicht nicht mehr gehalten und so ist diese dämliche Fee vor lauter Gekreische in sich zusammengesackt und klatschte mit Lachtränen in den Augen in ihre fetten Hände. Natürlich ertrug Klein- Link auch noch die Schande unter diesen vier spöttischen Augen den Brief zu öffnen, aus dem zu allererst ein übertriebener nach alten Frauen stinkender Duft herausschoss. Lia und Navi kugelten sich erneut vor Lachen, während er hilflos vor ein paar dahin geschmierten Zeilen mit vielen selbstgemalten Herzchen stand. Er kochte in dem Zeitpunkt innerlich vor Scham und Aufregung. Er verfluchte das Mädchen, das ihn in diese Situation gebracht hatte und ihm einen hässlichen Brief geschrieben und damit zum Gespött gemacht hatte vor einer so attraktiven Dame wie Lia und seiner nervenden Begleiterin Navi. Und das, was ihn an der ganzen Angelegenheit eigentlich noch am meisten störte, war die Tatsache, dass er mit dem Begriff Liebe… nicht wirklich so viel anfangen konnte. Sicherlich hatte Salora ihm auf die höchst unsensibelste Weise, die ihm auch im nächsten Leben noch im Gedächtnis bleiben würde, bescheinigt, dass er sich verlieben würde. Aber wenn er sich verliebte, würde es dann so sein, dass er sich deshalb auf so eine Weise schämen musste? Er seufzte und kramte den billigen Brief hervor. Er begann die Zeilen zu lesen, vielleicht das erste Mal, denn vorhin als er den Brief das erste Mal sah, wollte er gar nicht wissen, was darin stand. Manche von den Sätzen fand er gar nicht so schlimm. Das Mädchen erzählte einige Dinge von der Schule und auch Sätze der Bewunderung standen darin. Sätze, die ihm sogar schmeichelten. Er war bisher nicht so oft gelobt worden, seit seine Existenz besiegelt war. Der letzte Satz in dem Brief ,Ich mag dich‘ machte ihn irgendwie nachdenklich. Wie oft hatte jemand so etwas überhaupt schon zu ihm gesagt? Spürte er vielleicht doch endlich, dass es die Liebe war, die er vermisste? Er wusste nicht warum, aber als ihn diese Trübsinnigkeit einholte, war es die Brosche, die er vor wenigen Stunden fand, die ihm plötzlich wie ein Lichtblitz durch den Kopf geisterte. Flugs sprang er auf, suchte verbissen nach jenem Schmuckstück, aber er musste es völlig verlegt haben. Eine Nervosität brach plötzlich auf ihn nieder, als hinge sein Leben an der Brosche. Er wühlte den Rucksack durch, den er in die Schule mitnahm, schaute unter dem Bett, hetzte ins Bad, aber nirgendwo war die Brosche abgeblieben. „Wo hab‘ ich die nur vergessen?“, murmelte er und begann sich mehr und mehr über sich selbst zu ärgern. Ihm war dieses Schmuckstück aus irgendeinem Grund unheimlich wichtig, vielleicht sogar wichtiger als das Medaillon der Mächtigen um seinen Hals. Alle möglichen paranoiden Gedanken schossen ihm durch den Kopf. War die Brosche jetzt vielleicht wieder genauso verschwunden wie sie aufgetaucht war? Hatte irgendjemand ihm die Brosche gestohlen? Seufzend ließ er sich wieder auf der Couch nieder, als ihm einfiel, dass er die Brosche unter sein Kopfkissen gesteckt hatte. Und tatsächlich fand er das eigensinnige Schmuckstück friedvoll und ohne Harm dort liegen. Er lachte albern und er lachte etwas zu laut, sodass auch Navi aus ihrem Schlummer gerissen wurde. ,Zum Glück‘, dachte er. Vielleicht hing tatsächlich etwas unglaublich Kostbares an diesem Schmuckstück, etwas, dass er noch nicht kannte, aber dass er irgendwann erfahren würde. Er öffnete die Brosche mit dem samtigen Material einmal mehr und klappte es wieder zu. In dem Moment stand Navi fies grinsend vor dem Sofa und beäugte ihn skeptisch. Sie trug ihr weißlich, grünes Kleid erneut als Nachthemd und fixierte ihn mit jeder Sekunde mürrischer. „Wo hast du das her?“, meinte sie engstirnig und grabschte danach. Er wich zurück und antwortete zunächst nicht darauf. Mit der Brosche, als wäre sie sein größtes Heiligtum, hüpfte er vom Sofa und schielte zu Navi hinüber. „Das habe ich gefunden“, sagte er endlich, als er genügend Abstand zu der einstigen Fee hatte. „Ach ja?“, meinte sie verwundert. „Und wo?“ „Das verrate ich nicht“, erklärte er. „Sie gehört dir nicht, oder?“ So genau konnte man das gar nicht sagen, oder? Sie lag plötzlich vor seinen Füßen. Und vielleicht war es wirklich Sinn und Zweck, dass diese Brosche in seine Hände fiel. „Nein, eigentlich gehört sie mir nicht“, gab er ehrlich zu. Trotzdem wollte er es behalten. Auch wenn diesmal das Kind in ihm zuschlug, er wollte diese Brosche unbedingt. Navi hüpfte unterdes näher und grabschte nach dem Gegenstand: „Nun zeig doch mal her, du Depp!“, schimpfte sie. Sie zankten ununterbrochen und auch lauter. Sie zwickten und traten sich. Klein- Link rannte wie besessen vor seiner Begleiterin weg, und lachte inzwischen, da Navi mit ihren dicken Kinderbeinen und ihrer unbeholfenen Art ihn nicht einholen konnte. Dennoch gab die einstige Fee nicht auf und brüllte schließlich, so laut, dass Lia erschrocken aus ihrem Schlaf gerissen wurde. Sie sprang aus ihrem Bett, griff rasch nach ihrer Waffe und stürmte ins Wohnzimmer. Sie schüttelte den Kopf, als sie das Bild vor ihren Augen erblickte. Nicht nur, sie bekam angesichts des Bildes beinah Hörner vor Wut. Wie zwei wirkliche Kinder jagten die beiden hintereinander her, weckten damit nicht nur Lia, sondern womöglich noch andere Leute in dem Haus. Und sie hatte sich wahrlich Sorgen gemacht, dass etwas Unverhofftes geschehen war. „Ruhe!“, rief sie empört und beäugte sowohl Navi, als auch Klein- Link mit entrüsteten Blicken. „Ich habe euch beide erwachsener eingeschätzt, als hier einfach so einen Lärm zu machen“, murrte sie. Aber keiner nahm sie ernst, und die gute Lia Couraiga bekam ein großes Kissen in ihr Gesicht geschmettert. Und da schien für einen Moment die Zeit still zustehen. Navi und Klein- Link schauten betreten zu ihr hinüber und wussten nicht, wie Lia auf diese Art von Scherzen reagieren würde. Sie hatte eine Falte auf der Stirn und fluchte dann. Ehe Klein- Link und Navi ansatzweise ahnten, was sie vor hatte, sprang sie zu ihnen beiden hinüber, direkt über die Couch hinweg, packte beide unter je einem Arm und stieß spielerisch und selbst lachend ihre beiden Köpfe zusammen. „Das habt ihr jetzt davon!“, rief sie und grinste triumphierend, während Navi und Klein- Link quengelten. „Lia, das ist gemein“, schimpfte Navi. „Du bist viel größer und stärker als wir.“ „Das ist auch gut so, sonst hättet ihr beide mit eurem Krach noch die ganze Nachbarschaft aufgeweckt. Wisst ihr überhaupt wie spät es ist?“ Verlegen blickte Klein- Link zu Uhr. Es war fünf Uhr morgens. Lia hatte allen Grund etwas genervt zu sein. „Ihr seid mir zwei Dummerchen“, ergänzte sie und ließ sie endlich los. „Was habt ihr denn überhaupt ausgeheckt?“ „Es geht um so eine Brosche von Klein- Link“, erklärte Navi. „Nun ja, es ist nicht seine, er hat sie wohl in der Wohnung gefunden.“ „Nicht in der Wohnung“, mischte er sich ein. „Auf dem Balkon.“ Und dann endlich rückte er es heraus. Edel und zerbrechlich lag das Schmuckstück auf seiner Handinnenfläche. „Bitte, kann ich das behalten?“, meinte er inständig. Er blickte zu Boden und es war wohl das erste Mal, dass er etwas wirklich besitzen wollte. Er verstand ja nicht einmal, wieso, aber irgendwie lag ihm sehr viel daran. „Nun ja, mir gehört sie nicht“, meinte Lia und betrachtete sich das Schmuckstück vorsichtig. Es wirkte unbedeutend, aber sie traute der ganzen Sache nicht wirklich. Warum sollte plötzlich ein solcher Gegenstand auf ihrem Balkon auftauchen? Ob jemand mit dunklen Absichten wollte, dass er in Klein- Links Hände fiel? „Also kann ich es behalten?“, meinte das Götterkind mit großen, funkelnden Augen. „Kann ich? Bitte?“ Lia wusste nicht, wie sie auf seinen Wunsch reagieren sollte. Lag es überhaupt an ihr, ihm das zu verbieten? „Was willst du denn nur damit?“, meinte Navi und riss ihm die Brosche endlich aus den Händen. Sie betrachtete es sich neugierig und konnte sich aus diesem scheinbar wertlosen Gegenstand keinen Reim machen. „Du hast das Medaillon der Mächtigen um deinen Hals, ist das nicht viel wertvoller, wozu brauchst du jetzt noch so eine Kette?“ „Du verstehst das nicht, ich weiß einfach, dass ich sie…“, wollte er erklären. Was überhaupt? Er wusste nicht wirklich, warum sie ihm gehören sollte. Es war nur ein Gefühl. „Zumindest kann ich nichts verdächtiges daran entdecken, deshalb kannst du es behalten“, entgegnete Lia. „Sei aber dennoch vorsichtig, ihr wisst beide, dass ihr vermutlich verfolgt werdet.“ Sowohl Navi als auch Klein- Link blickten daraufhin nachdenklich zu Boden. Es war nicht nur das Verfolgtsein, was beiden einen Schauer über den Rücken jagte, sondern auch die Frage, ob auf der Erde alles in Ordnung war. Wie es Zelda und Link wohl ging… Waren sie beide wirklich okay? Auch wenn Salora ihnen diese Angst nehmen wollte, Sorgen waren in dieser Situation einfach unumgänglich. „Und es ist echt früh am Morgen, Leute“, murrte Lia und gähnte. In ihrem grünen, kurzen Pyjama und mit ihren zerzausten, dunklen Haaren sah sie sehr müde und erschöpft aus. „Ich glaub, ich geh‘ wieder ins Bett“, ergänzte sie. Aber Lia wusste da noch nicht, dass sie in den nächsten Stunden nicht mehr dazu kommen würde, in ihrem eigenen Bett zu schlafen… Sie gähnte erneut, streckte sich und war gerade auf dem Weg in ihr Schlafzimmer zurückzukehren. In dem Augenblick drang ein Klappern, gemischt mit einem Rauschen, aus dem Flur. „Was war das?“, sprach Navi leicht beunruhigt. Verwundert wand sich Lia um und konnte das Geräusch sofort dem Fahrstuhl zuordnen. „Das wüsste ich auch zu gerne…“, murrte sie, umkrallte ihre kleine Handfeuerwaffe und tapste barfuß in Richtung des Fahrstuhls. Das weiche, feine Material unter ihren Füßen schien zu vibrieren, angesichts der Schläge, die aus dem Fahrstuhl rührten. Lias feine Nackenhaare sträubten sich wie bei einer Katze, die sich mit einer Gefahr konfrontiert sah. Vom Aufzugsschacht her kamen weiterhin jene merkwürdigen Geräusche. Ein Knarren. Dann ein Geräusch, als würde etwas zerbersten. „Navi, Klein- Link!“, rief sie dann und tapste einige Schritte rückwärts. Irgendetwas in ihrem Inneren sagte ihr, dass etwas nicht stimmte. „Rennt ins Schlafzimmer! Sofort!“ Sie konnte ihre Worte kaum aussprechen, als mit einem wuchtigen Schlag die Fahrstuhltür aus ihren Ankerungen gerissen wurde. Lia konnte sich geradeso zu Boden werfen, als jenes riesige Stück Metall donnernd über sie hinweg prallte und die hinterste Wand mitriss. Ungläubig betrachtete sie sich das hässliche Loch in ihrem Appartement und hörte von weitem ein tiefes Brummen, als die Fahrstuhltür vielleicht irgendwo auf der vorbeilaufenden Straße einschlug. Was bei Dinafa, war so eben passiert? Nur zaghaft, vielleicht mit der Spur einer Gewissheit, drehte die junge Frau ihren Kopf in Richtung des Fahrstuhls und erstarrte. In pechschwarzem Rauch, umgeben von Ascheplättchen die in sanften Takt niederrieselten, umhüllt von kleinen Funken, die an seinem dunklen Mantel vergingen, erschien ein Hüne von einem Mann. Seine mit Eisen beschlagenen Stiefel klapperten, als er sich unbefugt Zutritt verschaffte. Und obwohl sein Haupt von einer Kapuze verdeckt wurde und diese einen breiten Schatten über sein Gesicht zimmerte, stachen leuchtende Augen hervor, die, wie Lia dachte, niemals den Himmel erblicken konnten wie er wirklich war. Da war Hass und Tod in jenen Augen. Mordlüstern und rachesuchend blickten jene in ihre. „Als das Feuer der Sonne erlosch… war es nur ich, der weinen musste. Wenn man für diesen Körper lebt… Seelen gleichgültig sind… Gesetze sich umkehren…und der Himmel, ein Gefängnis, zur Erde kracht, muss man da nicht nach dem leben, was man ist?“ Er trat näher, seine verwirrenden Worte ließen vermuten, wie leer und kalt es in seinem Herzen aussehen musste. Lia wollte etwas sagen, sie wollte sich behaupten, aber sie wusste nicht wie. Jener Mann, großgewachsen und unheimlich, hatte etwas an sich, dem sie nicht ausweichen konnte. Sie kämpfte mit sich, wollte jene Person nicht ansehen, wusste sie doch, welche Kraft in ihm stecken musste, wenn er eine Fahrstuhltür durch die Gegend schmettern konnte. Aber irgendetwas in ihr fühlte sich betäubt, verband diesen Mann mit seinen dämonischen Grundzügen als Herausforderung und trotz seiner eiskalten Aura irgendwo anziehend. Sie fühlte sich betäubt, manipuliert, vielleicht sogar hypnotisiert… und sie ließ es zu… Zaghaft trat sie auf ihre schlanken durchtrainierten Beine, die Waffe fiel ihr mit einem leisen Knacken aus der Hand und tapsig, unsicher und mit deutlich gezwungenen Schritten lief Lia auf ihn zu. In ihr brodelte es vor Angst aufgrund jenes Wahnsinns. Sie näherte sich ihm, einem fremden Mann mit einer nach Dämonen stinkenden Aura und sie konnte einfach nicht dagegen ankämpfen. Sie kniff die Augen zu, schrie innerlich, wollte beinah weinen vor Hilflosigkeit, aber er zog sie weiterhin zu sich. „Junge Frau, wo du nicht weißt, welche Macht sich selbst in der Hölle verbirgt… ich zeige sie dir…“, murmelte er. Und als sie ihm nahe war, nicht mehr weglaufen konnte, packte er sie an der Kehle, hob sie in die Höhe, als wäre sie nur eine Puppe und presste sie an die Wand. „Du fürchtest den Wahnsinn…“, flüsterte er in ihr Ohr. Sein Atem war so eiskalt wie sein Herz. Ein Atemgeruch, der nach Säure stank und sie anwiderte. Sie wollte sich aus dem Griff lösen, wusste sie doch, dass diese Hilflosigkeit ihr noch nie wiederfahren war. Aber sie konnte ihrem Körper im Augenblick keinerlei Befehle erteilen. „Ich bin alles das, was du fürchtest…“, flüsterte er weiter. „Wo sind die Kinder? Wo ist das Kind, das mich vernichten wird?“ „Ich weiß nicht…“, sagte sie gezwungen. Sie musste all ihre Kraft zusammen nehmen, um diesen Satz über ihre ausgetrockneten Lippen kommen zu lassen. Es war eine Lüge und das wusste auch dieser Mann, der eine nahezu unmenschliche Kraft besaß. Unter seiner Kapuze stachen seine Augen angriffslustig hervor, da er Lias Lüge riechen konnte. Als sie in jene glutroten Augen sah, durchfuhr es sie wie eine Schockwelle… und selbst ihre Lippen schienen nun gelähmt zu sein. „Du bist ein ziemlich dummes Weib, Heroentochter…“ „Lass‘ sie in Ruhe, du dummes Schwein!“, rief Klein- Link. Er konnte nicht mehr zusehen, nicht mehr ertragen, wie Lia von diesem Unbekannten fertig gemacht wurde. Unsicher stand er im Wohnzimmer. Navi hatte sich währenddessen schlichtweg hinter dem Sofa versteckt. Sie schüttelte mit dem Kopf, als sich das Götterkind einmischte. „Was willst du überhaupt von uns?“, sprach er. Ihm schlotterten zwar etwas die Knie, dennoch… wenn er irgendwann ein Heroe werden wollte, musste er sich bestimmten Gefahren dann nicht stellen? In nahezu unmenschlicher Regung, seinen Kopf halbverdrehend, wand sich der Mann zu ihm, ließ Lia jedoch nicht aus dem Griff. „Du fragst, was ich will…“ Klein- Link trat einen Schritt zurück, während jene feindlichen Blicke des Mannes ihn trafen. „Was ich will…“, wiederholte er und fixierte ihn nur noch deutlicher. „Was ich will ist nichts im Vergleich zu euren dummen Wünschen, ihr Menschen…“, endete er, packte Lia fester in seinem Würgegriff. „Ich war einmal genau wie du…“, bemerkte er, in einem fast melancholischen Ton. „Bis ich wusste, wohin mich meine Bestimmung führt.“ Ungläubig beobachtete Klein- Link jenen Hünen, der sich in etwas einhüllte, was ihn mehr und mehr unwirklich erscheinen ließ. „Schließ‘ dich mir an, Kind der Götter“, sprach der Mann in einem befehlenden Ton. „Und du sollst all das bekommen, was dir zusteht.“ „Ich weiß nicht einmal, wer du bist und was du hier willst, und da soll ich mich dir anschließen? Du verletzt Lia und erzählst mir etwas von Bestimmung?“, brüllte Klein- Link und er wusste nicht, ob er aus Angst oder Wut so brüllte. Als wäre Lia ein Fliegengewicht, packte der Unbekannte sie fester an ihrer Kehle und schleuderte sie hinein in den halbzerfetzten Fahrstuhl. Sie knallte mit voller Wucht gegen das Stahlgehäuse und verlor sofort das Bewusstsein. „Lia!“, schrie Klein- Link, wollte zu ihr stürmen. Aber irgendetwas hielt ihn plötzlich davon ab, Er konnte es nicht genau definieren, wusste lediglich, dass es sich anfühlte wie eine unsichtbare Mauer und dass jene von diesem dämonischen Mann stammen musste. In dem Augenblick verbreitete sich in dem Wohnzimmer ein fauliger Geruch. Ein Gestank nach Zigarettenqualm, ein furchtbares Aroma, wie die Anwesenden fanden. Und plötzlich entstand der Rauch, als käme er aus den Schlitzen des grünen Sofas herausgequollen. Tatsächlich aber bildete sich neben dem Rauch noch eine brennende Zigarette und anschließend ein blonder Mann, der gelassen und seine Zigarette genießend auf dem Sofa saß. Unbehelligt schien er die Vorkommnisse zu verfolgen und ließ den Rauch mitsamt der Luft aus seinen Lungen spielerisch hinaus gleiten. „So geht man nicht mit Frauen um, Mister. Frauen sollten verwöhnt werden, geehrt und auf Händen getragen werden.“ Er hatte seine graublauen Augen noch geschlossen, atmete tief durch und knipste die Zigarette in seiner Hand einfach aus. Er erhob sich träge, hielt in einer Hand eine ziemlich große Schusswaffe und in der anderen plötzlich eine Art Granate. Ohne den geringsten Zweifel in seinem Blick startete er kühl und nicht mit einer Wimper zuckend das Geschoss und ließ die Gewalt von etwa zwanzig Projektilen in einem bläulichen, knallenden Regen auf den Widersache knallen. Der Unbekannte wich erstaunt zurück und schützte sich mit seinem Mantel. „Bleib‘ zurück, Junge!“, rief der wohlvertraute Retter namens Velkan Harkinian. „Die unsichtbare Mauer stammt von mir. Ihr beide, du und deine Begleiterin, rennt jetzt sofort ins Schlafzimmer und wartet dort, bis ich mit Lia bei euch bin.“ Klein- Link wusste gar nicht, wie ihm geschah, so schnell liefen die nächsten Sekunden vor ihm ab. Er hatte nicht einmal die Gelegenheit aus Erleichterung zu seufzen. Velkan stürzte sich in einer wahnsinnigen Manie, überraschend flink und akrobatisch, in Richtung des Angreifers und schmetterte das obskure Wurfgeschoss in dessen Richtung. Es krachte, als ob Hunderte Blitze auf den Angreifer niederprasselten. Es wurde blendend hell in Lias Wohnung, als jene Bombe explodierte. Mehr konnten Klein- Links Augen in dem Moment nicht aufnehmen, Navi hatte ihn bereits an einem Arm gepackt und zerrte ihn mit einer unglaublichen Kraft, von der er nicht einmal wusste, dass sie jene besaß, in das Schlafzimmer. „Velkan meint bestimmt den Balkon!“, rief sie. Erst jetzt konnte Klein- Link sehen, dass Navi weinte. Ihre Hände zitterten, vor allem die Hand, mit der sie ihn am Arm festhielt. „Wir sollen bestimmt über den Balkon fliehen!“ Hektisch stürzten die beiden augenscheinlichen Kinder hinaus auf den Balkon, der vielleicht den einzigen Fluchtweg darstellte. Hilflos blickten sie hinab, hinauf in die anbrechende Morgendämmerung und ab und an angstvoll zurück, ob der teuflische Mann ihnen nicht folgte. „Das haben wir nun davon… Es läuft schon wieder alles verkehrt!“, quengelte Navi und sackte auf dem Steinboden des Balkons nieder. „Wo sollen wir denn jetzt hin fliehen?“ Sie blickte ihn so verzweifelt an, als wären sie beide bereits unter der Erde. Er fühlte sich nicht wohl, wenn seine Begleiterin sich so mutlos anstellte. Sicherlich hatte er Angst, aber noch war nichts entschieden. „Navi, es gibt immer einen Weg“, sprach er leise. „Es muss einfach einen Weg geben“, setzte er Mut erfüllt hinzu. Verwundert blickte die einstige Fee auf und konnte einmal mehr wirklich sehen, was in diesem Jungen steckte. Er war nicht nur der kleine, dumme Ableger des Helden der Zeit. Ja, er besaß diesen Funken Hoffnung und Mut, welche auch Link liebenswert gemacht hatten… Unsicher blickte der Junge über das Geländer, hinunter zu der Straße. Er konnte es noch nicht richtig erkennen, aber er bildete sich ein, oder sah er es vielleicht wirklich, dass dort unten ein Fahrzeug allmählich in die Höhe stieg. Seine Augen wurden größer als sich seine Vermutung bestätigte. In immer schneller werdendem Tempo stieg mit einer modernen, unbekannten Technik ein Transportmittel nach oben. Ein schwarzes flugzeugähnliches Gebilde mit Düsen, aus denen helle Funken sprühten. Das Objekt stoppte direkt vor Klein- Links Nase und hielt sich leise und unbemerkt in den Lüften. Es war eine Art schwarzes Mini-Flugzeug mit Autoreifen und genug Platz um acht Personen zu transportieren. An der ihnen zugewandten Seite war eine geöffnete Tür. In dem Augenblick krachte es erneut in der Wohnung, als ob Blitz und Donner wie wahnsinnig darin arbeiteten. Gerade da stieß Velkan die Tür zum Schlafzimmer auf, hielt Lia auf seinen Armen und brüllte wie angestochen: „Springt!“ Hilflos blickte Navi und Klein- Link den athletischen Mann an, der inzwischen auch Kraft und Ruhe nach einem brutalen Kampf eingebüßt haben musste. Er sprang zunächst auf das Geländer und stürzte sich zusammen mit Lia, die sicher auf seinen Armen ruhte, direkt hinein in das obskure Transportmittel. Er winkte den beiden zu: „Kommt schon! Oder wollt ihr von dem Kerl, der euch verfolgt, aufgespießt werden.“ Mit großen, entsetzten Augen stand Navi auf dem Geländer, blickte hinüber und dann in Klein- Links himmelblaue Augen: „Das ist viel zu weit! Das schaff‘ ich niemals!“, rief sie. „Ich schaff‘ das nicht. Ich schaff‘ das einfach nicht!“ Indes blickte Klein- Link zurück und konnte den Hünen sehen, wie er mit großen schweren Schritten durch die Tür ins Schlafzimmer kam. ,Also das ist unser Weg‘, dachte er. Er lief etwas zurück, rannte so schnell ihn seine Beine tragen konnten wieder vorwärts und stieß eine überraschte und kreischende Navi hinaus. Sie blickte ihn entsetzt an, als sie gerade so das Miniflugzeug erreichte. Sie krallte sich mit aller Kraft an der Schwelle fest und wurde von Velkan hinaufgezogen. Auch Klein- Link hüpfte auf das Geländer und sprang mit aller Kraft, die er noch hatte, und landete sicher auf dem Transportmittel. Velkan setzte sich sofort ans Steuer und macht alles für die Reise startklar. Das Flugzeug segelte mit gemächlicher Geschwindigkeit, beinah geräuschlos hinfort. Der Angreifer jedoch stand inzwischen auf dem Balkon, hob sein Haupt in die Höhe und ein vernarbtes Gesicht gab sich preis. Wunden, einst zugefügt und nie wieder geheilt, erzählten von seiner Geschichte. Einer Geschichte über Grausamkeit und Hass. Er hob beide Arme in die Höhe als Zeichen seiner Macht. Er lachte, er lachte bestialisch… Klein- Link blickte allmählich realisierend was geschah zurück. Etwas in ihm kochte. Auch ihm setzte der Unbekannte ein Zeichen. Ein Symbol, das für einen steinigen Weg stand. Ein Zeichen des Kampfes um Leben und Tod. Kapitel 138: Ein Heroe, den die Zeit besiegte… Teil 7 ----------------------------------------------------- Mit gemächlicher Geschwindigkeit bewegte sich das Luftfahrzeug in Richtung der aufgehenden Sonne. Wärme und Besänftigung brachten die rotgoldenen Strahlen des riesigen Feuerballs am Himmel mit sich und benetzten Klein- Links Gesicht, der nachdenklich und schweigend neben Navi saß. Die Fee hatte sich inzwischen zusammengekrümmt und drückte ihre Knie gegen ihre flache Brust. Sie hatte sich etwas an ihn gelehnt, was Klein- Link im Moment nicht störte. Vielleicht war Navi doch nicht so verkehrt, wie er noch vor kurzem gedacht hatte. Inzwischen tat sie ihm irgendwie leid… Kein Wort war gefallen, seit sie zu viert vor dem bedrohlichen Mann geflohen waren. Velkan saß noch immer am Steuer und blickte konzentriert auf die Monitore. Lia lag mit einer üblen Kopfwunde bewusstlos auf einer Liege. Seufzend schaltete Velkan endlich auf Autopilot um, huschte nach hinten und blickte die beiden Kinder in ihrer Schlafbekleidung etwas ratlos an. Er kratzte sich am Kopf und fuhr sich dann durch das kurze blonde Haar auf seinem Kopf. Dann kratzte er sich an seinem Dreitagebart. „Nun, ich kann euch irgendwie nicht verübeln, dass ihr so schweigsam seid“, meinte er und grinste etwas. „Aber es ist ja alles noch mal gut gegangen, was?“, lachte er dann. Scheinbar war Velkan, was gewisse unsichere Situationen anging, doch nicht so ein Macho, wie er jedem gerne Glauben machte. In diesem Augenblick jedenfalls verhielt er sich äußerst unbeholfen. Das Grinsen verging ihm dann, da auf seinen Kommentar niemand reagieren wollte. Er räusperte sich und warf einen Blick auf Lia. Sachte begutachtete er die Wunde und war im Umgang mit ihr auffallend vorsichtig, fast liebevoll. Navi fiel als erster auf, wie sorgfältig er sich gegenüber der Heroentochter verhielt. „Ist mit ihr soweit alles okay?“, murmelte das Mädchen. „Ich hoffe es…“, entgegnete er. Er gab Lia irgendeine Infusion und benetzte ihre offene Kopfwunde mit einem Spray. Er lächelte etwas und hielt seine Hand an Lias Hals um ihren Puls zu fühlen. Es war nur Sekunden später, dass die junge Ärztin ihre tiefblauen Augen öffnete. Sie richtete sich sofort auf, ehe sie überhaupt registrieren konnte, wo sie sich befand. Sie nahm alles nur verschwommen war. Aber allem Anschein nach kannte sie dieses Transportmittel besser als es Velkan lieb war. Sie blinzelte etwas und noch bevor sie Klein- Link und Navi wahrgenommen hatte, pfefferte sie dem eigentlichen Retter eine Ohrfeige, die sich gewaschen hatte. Velkan schrie schmerzverzerrt auf und murrte: „Du hast noch denselben Schlag drauf wie früher! Nur womit habe ich diese Schelle verdient?“ Lia blickte ihn streng an, atmete tief ein, und hielt sich dann ihren Kopf fest. „Ja, okay, ich habe die vermutlich verdient“, entgegnete er und setzte sich zu ihr, trotz Lias deutlicher Abneigung. „Die hast du mehr als genug verdient! Das ist mein Auto“, fauchte Lia. „Wie konntest du dich einhacken und die Morphfunktion nutzen, du Mistkerl!“ Erneut griff sie sich an ihren Schädel und schien ein paar üble Kopfschmerzen zu haben. „Äh, ja, darüber reden wir ein anderes Mal“, scherzte er und blickte einmal mehr unbeholfen drein. So war das also, dieses Objekt war Lias Hylcedes Morph, den man nutzbringenderweise in ein fliegendes Transportmittel verwandeln konnte. „Wie komme ich überhaupt hierher… und was ist passiert?“, meinte sie leise. Sie nickte Navi und Klein- Link zu und konnte sich im Moment nicht einmal mehr an den fremden Angreifer erinnern. Sachte ließ sie sich wieder auf die Liege sinken. Was ihr in dem Moment scheinbar überhaupt nicht gefiel, war die Tatsache, dass sich Velkan direkt über sie beugte und musterte. „Was wird das, wenn es fertig ist?“, maulte sie. „Entschuldige, meine Schöne, du wurdest vorhin ziemlich heftig durch die Luft geschleudert und hast Bekanntschaft mit einem stählernen Fahrstuhl gemacht. Nur so zur Information. Es könnte sein, dass du eine versteckte Blutung in dem klugen Kopf hast, liebste Lia.“ Sie schien seine Spielchen zur Genüge zu kennen und entgegnete nichts als ein Seufzen. „Wenn ich schon mal in der Lage war dich zu retten, solltest du dich dann nicht bei mir auf die ein oder andere Weise erkenntlich zeigen?“, betonte er und riskierte mit dieser Anmache die nächste Ohrfeige. „Wenn ich nicht so schwach auf den Beinen wäre, hätte ich dich kurzerhand aus dem Hylcedes gejagt“, sprach sie müde. „Und warum bist du der Meinung mich gerettet zu haben?“ Indes stand Klein- Link neben der Liege und erklärte: „Wir wurden in deiner Wohnung angegriffen… Erinnerst du dich nicht an den Angreifer, der den Fahrstuhl zerlegt hat?“ Ein wenig verunsichert und ratlos sah Lia um sich. Aber ihr Blick sagte auch, dass sie verstand. „Ich erinnere mich noch daran, dass ein Hüne von einem Mann in die Wohnung eingedrungen ist.“ „Eben… und dieser Mann hat dich ziemlich übel zugerichtet. Glücklicherweise war Velkan in der Wohnung und…“ Und da unterbrach Lia den Jungen verdutzt. „Was heißt das, du warst in meiner Wohnung?“ In ihren tiefblauen Augen blitzte es messerscharf auf. Sie fixierte Velkan erneut wie eine angriffslustige Raubkatze. Und jede falsche Antwort könnte unangenehme Folgen nach sich ziehen. „Das ist richtig, ich war in deiner Wohnung“, erklärte er. „Das muss ein übler Scherz sein. Zelda hat ausgerechnet dich geschickt?“ „Ja, ausgerechnet mich, als Beschützer deiner beiden Besucher vor eben diesem Mann, der ein Mitglied der Hyl Moblina ist.“ Lias Blick war gnadenlos. Sie schien Velkan zu mustern als wollte sie seine Lebensenergie absaugen. „Du hast mich beobachtet!“, zischte sie. Lia war nun mehr als schlecht gelaunt, weil sie genau wusste, was es hieß von einem Velkan Harkinian beobachtet zu werden. „Ich lag sogar meistens neben dir in deinem Bett, liebste Lia“, frohlockte er und grinste zufrieden. „Du siehst so süß aus, wenn du schläfst.“ Er lachte, nun da die stolze Ärztin nicht mehr wusste, was sie sagen sollte. „Ich war sogar im Bad, wenn du baden warst, meine allerliebste Lia“, ergänzte er belustigt und erinnerte nur zu gerne Lias wunderbar weiblichen Anblick. Die junge Lady jedoch fand sein Verhalten alles andere als lustig. Es war ja nicht so, dass sein Verhalten nicht oft genug auf Gehör bei ihr gestoßen war. Gerade diese Impertinenz und Arroganz zog sie an. „Weißt du, sogar noch heißer war es, wenn du duschen warst“, flüsterte er in ihr Ohr. Und damit war endlich der Punkt erreicht, der Lia jegliche Farbe aus dem Gesicht zog. Er hatte es einmal wieder geschafft, ihren Puls in die Höhe zu bringen. Und es war für sie alles andere als unangenehm. Sie schüttelte so gut es ging ihren Kopf. Wenn sie sich jetzt über seine Unverfrorenheit noch ärgern würde, wäre sie genauso unreif und pubertär wie er. „Du wirst dich niemals ändern, Velkan“, entgegnete sie. Sie war ihm überlegen, keine Frage, in gewisser Hinsicht, war sie das immer. „Nein, werde ich scheinbar nicht“, meinte er leise und lächelte erneut so charmant wie eh und je. Es war so einfach in seinen Augen abzulesen, was er wollte. Vielleicht hatte er sich gerade deshalb überhaupt auf diese Mission eingelassen… „Macho…“, murmelte sie. „Bin ich gerne…“, flüsterte er. Er grinste und huschte dann nach vorne und übernahm wieder die Steuerung. „Und wo fliegen wir jetzt eigentlich hin?“, rief Klein- Link nach vorne. „Ihr wollt doch den Heroen dieser Welt treffen, nicht wahr?“, lachte Velkan und drückte ordentlich aufs Gaspedal. Es machte wahnsinnig Spaß mit dieser teuren Maschine durch die Lüfte zu sausen. „Wir fliegen nach Ordonien.“ Und endlich löste sich auch Navi aus ihrer Lethargie. Sie war seit vorhin so still gewesen, dass sich das Götterkind allmählich Sorgen machte. Sie richtete sich etwas auf und blickte ihn dann prüfend an. „Wenn wir den Heroen finden können, könnte unsere Mission hier schon wieder vorbei sein.“ Eigentlich, so dachte der Junge, wäre dies doch ein erfreuliches Ereignis. Nur wirkte Navi weder erleichtert, dass sie beide überhaupt gerettet wurden, noch darüber froh gestimmt, dass sie den Heroen jener Welt antrafen. Was war eigentlich mit ihr los? So schweigsam und ängstlich kannte er sie einfach nicht. „Navi, ist mit dir alles okay?“ Ein Blick in ihre giftgrünen Augen war nicht mehr so gewöhnlich wie sonst. Sie ließ ihn viel mehr sehen. Und in ihren Seelenspiegeln zeigte sich Angst… vielleicht eine Angst vor dem weiteren Weg. Angst hauptsächlich vor dem, was auf sie wartete. Die einstige Fee spürte, dass sich für sie in irgendeiner Mission etwas ändern würde. Das Leben, wie sie es jetzt führte, würde nachdem sich die Kämpfe gelegt hatten, nicht mehr möglich sein. Und das, dieser Gedanke, machte ihr Angst. Sie lächelte schwermütig, während sich glutrote Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht verloren. „Weißt du, ich wäre so gerne wieder in der alten Heimat gewesen. Und je mehr Welten wir sehen, umso mehr drückt irgendwie das Heimweh.“ „Was ist das… Heimweh?“, meinte Klein- Link. Ob er jemals so etwas empfunden hatte? „Es ist die Sehnsucht nach Zuhause, als alles noch in Ordnung war, verstehst du?“ Sie blickte ihn suchend nach Verständnis an. „Ja, vielleicht kann ich das verstehen. Und vielleicht noch mehr, wenn ich meine Heimat gefunden habe…“ „Das wirst du sicherlich eines Tages“, entgegnete sie. „Ganz sicher…“ Und erneut schickte sie ihm das Gefühl von unglaublicher Trübsinnigkeit entgegen. Ihre Worte klangen in seinen Ohren nicht hoffnungsvoll, sondern traurig, ungemein traurig. „Du sicherlich auch, Navi. Du wirst deine Heimat auch wiederfinden.“ Überrascht drehte sie ihr sommersprossiges Kindergesicht wieder zu ihm. „Bist du sicher?“ „Jep, ganz sicher“, sprach er und lächelte. „Weißt du“, meinte das Mädchen ihm gegenüber und lächelte wieder etwas. „Das konnte Link auch immer sehr gut: die Wesen in seiner Umgebung aufheitern. Ich bin froh, dass du diese Fähigkeit geerbt hast.“ Etwas verlegen drehte der Junge seinen Schädel wieder weg. So viel zu Komplimenten. Das war etwas, womit er nicht gerade umgehen konnte. Aber wenigstens hatte er es geschafft, eine alte Fee in einem kindlichen Körper wieder aufzuheitern. Als sich der Tag dem Ende entgegen neigte, landete Lias Hylcedes Morph in der Nähe einer Basis der Masterritter, die hier mehrere Jahre stationiert waren. Die Gegend war schon seit einigen Jahren gesichert und lag versteckt in der Nähe von Oasen. Die Wüste wirkte nicht so trostlos und leer von hier aus. Nein, hier, wo neben dem weißen Sand Palmen wuchsen, ließ es sich augenscheinlich angenehm leben… Mit wachenden Blicken stiegen die vier Personen aus dem Hylcedes Morph. Velkan stützte Lia, der sein scheinbar aufopferndes, mitfühlendes Verhalten nicht passte. Sie zappelte und stieß ihn weg: „Ich kann gut alleine gehen“, murrte sie und blickte ihn giftig an. Ein besserwisserisches Grinsen seinerseits, war seine einzige Möglichkeit auf ihre Ablehnung zu reagieren. Navi und Klein- Link fragten sich nur, ob hinter Lias Verhalten nicht mehr steckte und blickten sich erstaunt um. Vielleicht eine Meile weiter war ein gut befestigter Stützpunkt zu erkennen, der mehr an eine riesige Pyramide aus Stahl erinnerte. Im schwachen Licht der aufgehenden Sonne hob sich die gigantische Station der Masterritter von der Umgebung ab und hinterließ bei Klein-Link und Navi einen bleibenden Eindruck. Das Gebäude war ein Meisterwerk moderner Architektur und löste allein beim Anblick Verblüffung aus. „Ist das unser Ziel?“, murmelte Klein-Link. „Nein, ich habe uns nur hierher gebracht damit wir eine Besichtigungstour machen“, meinte Velkan sarkastisch und lachte. Wie immer reagierte er ziemlich spitz auf Fragen und Bemerkungen. „Wir werden uns in der Nähe des Stützpunkts aufhalten, ein wenig weiter ist sogar ein kleines Dorf. Morgen werden wir uns weiter in die Wüste vorarbeiten. Aber es wäre gut, wenn wir nicht unbedingt auffallen würden. Und hier ist doch eigentlich der ideale Platz um ein Zelt aufzuschlagen. Nicht wahr, liebste Lia?“ Scheinbar legte er in seinem Tun sehr viel Wert auf Lias Zustimmung. Sie nickte mürrisch: „Ich schlafe jedenfalls in meinem Auto.“ Mit einer Art Fernbedienung ließ sich ihr Hylcedes zurück in seine ursprüngliche Form transformieren. Wenig später hatte Velkan mit der Unterstützung von Klein-Link und Navi zwei Zelte aufgestellt. Er schien an alles gedacht und diese Dinge vorsorglich in Lias Auto deponiert zu haben, was Lia ebenfalls nicht gerade begeistert stimmte. „Sei ehrlich, wie lange hast du schon Zugriff auf meine persönlichen Dinge?“, meinte sie, während sich die Gruppe um ein kleines Feuer platzierte und jeder eine Tasse mit warmen Kakao trank. „Mmh, ehrlich?“ „Ja, ich finde, du sollst wenigstens einmal in deinem Leben ehrlich sein!“, maulte sie. „Okay, okay“, meinte er, schlürfte von dem Kakao und wischte sich das süße Getränk von seinem Dreitagebart. „Meine Mutter hat mich gleich am Tag des Erscheinens der beiden Kegel auf euch angesetzt. Ich war nun mal in der Stadt, bin zufällig Masterritter und der einzige, dem meine Mutter genug vertraut.“ „Scheinbar ist Zelda die einzige, die dir vertraut“, entgegnete sie und auch in ihren tiefblauen Augen spiegelte sich Ablehnung wieder. Velkan seufzte auf diese Bemerkung und blickte etwas reumütig weg. Er hatte Fehler gemacht in der Vergangenheit, schmerzliche Fehler, welche Lia ihm scheinbar nicht bereit war zu verzeihen. „Jedenfalls hatte ich keine andere Wahl als vorzusorgen. Es war abzusehen, dass die beiden nach dem ersten Angriff in Gefahr schweben.“ Sein Blick richtete sich zu Klein-Link und Navi, die scheinbar unbeteiligt das Geschehen verfolgten. „Was wissen sie eigentlich über den Hünen, der uns angegriffen hat?“, fragte Navi wissbegierig. Sie starrte in das Feuer, beobachtete seine hungrigen Flammen und kuschelte sich noch ein wenig mehr in die dicke Decke, die sie schützte. Sie musste zugeben, dass sie sich in ihrem grünlichen Feenkleid nicht gerade wohl fühlte. Erst recht nicht bei Nacht in einer eiskalten Wüste. Klein-Link hatte es ebenfalls nicht leicht in seinem weißen Schlafanzug. „Nun ja, was wir derzeit wissen, ist, dass er sich auf noch unbekannte Weise in unser Raumzeitgefüge Zutritt verschaffen konnte“, erklärte Velkan und blickte Lia die gesamte Zeit über an. „Unsere Spione haben herausgefunden, dass sein Name Mineranth ist und er innerhalb kürzester Zeit das Oberhaupt der Hyl Moblina werden konnte. Eine Truppe von Masterrittern hat sich ihm entgegen gestellt…“ Velkan schluckte. „Alle bis auf einen liegen jetzt in Gräbern. Dieser eine hatte die Möglichkeit etwas von der DNS des fremden Monsters mitzunehmen. Man hat die Probe natürlich untersucht und festgestellt, dass sich in dieser viele Ursprünge von Menschen, aber auch Einflüsse magischer Wesen, befinden. Kurzum, es zeigten sich Zellen, die von dämonischem Ursprung sind. Eine Dämonenrasse, die in unserer Welt völlig fremd ist.“ „Mmh, ob er etwas mit dem Ganondorf in unserer Welt zu tun hat?“, meinte Klein-Link. „Kann doch sein, oder? Im großen Kampf hat mein Vater etliche Kinder des Bösen vernichten müssen. Was ist, wenn er auch ein Sohn Ganondorfs ist?“ Er trank seine Tasse Kakao leer. Sogleich holte er sich einen Nachschlag. „Mmh, glaubst du nicht, dass das zu einfach wäre?“, murmelte Navi. Ein ungutes Gefühl begleitete sie, wenn sie an diesen monströsen Mann dachte. Lia seufzte lediglich und streichelte sich ihren Kopf. „Es bringt doch nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.“ „Nein, natürlich nicht. Du hast deinen ja schon gebrochen“, murrte Velkan und fing erneut mit Lia eine unnötige Streiterei an. Sie stand daraufhin auf, schloss die Augen und lief an Velkan vorbei. Sie warf ihm einen Blick zu, der jedoch keine Wut, sondern einfach nur Enttäuschung ausdrückte. „Ich gehe schlafen“, sagte sie. Aber ihre Gestik und eindeutige Mimik schien an dem jungen attraktiven Macho einfach vorbeizugleiten. Einen weiteren unpassenden Kommentar loswerdend rief er hinter ihr her: „Ach und Lia, du bist heute Abend in mein Zelt herzlichst eingeladen.“ Er lachte etwas, vielleicht auch nur, weil er nicht wusste mit Lias Ablehnung und ihrer klaren Enttäuschung ihm gegenüber umzugehen. „Das war total daneben, Sie Macho“, sprach Navi und kuschelte sich noch weiter in ihre dicke Decke. „Sie können immer nur blöde, kindische Sprüche loslassen und haben scheinbar nicht wirklich eine Ahnung von dem Innenleben einer Frau.“ Auch auf die Bemerkung lachte Velkan wieder. „Nun Mädchen, ich glaube, da unterschätzt du mich etwas. Ich habe Ahnung vom Innenleben mehrerer Frauen.“ Navi verdrehte ihre Augäpfel auf diese Perversität. „Genau das meinte ich. Ihre dummen, pubertären Sprüche machen die Sache nur noch schlimmer. Jedes Kind sieht, dass Lia aus irgendeinem Grund maßlos enttäuscht von Ihnen ist. Nur Sie verdrehen es, vielleicht weil sie sich bestimmte Gefühle einfach nicht eigestehen können. Sie sind ein Narzisst.“ Er schenkte ihr einen Blick, der soviel sagte wie: Es interessiert mich nicht, was du denkst. Unbeeindruckt kaute er auf einer Zigarette herum und kurbelte mit den Schultern. „Sie haben keinen blassen Schimmer von der Liebe…“, setzte Navi hinzu und blickte trübsinnig zu Boden. „Scheint so, als hättest du auch nicht unbedingt Ahnung davon“, meinte der Macho, lehnte sich zurück und warf einen Blick in Richtung des Hylcedes. „Ich war sicherlich schon aufrichtiger verliebt als sie“, murrte sie und erhob sich. „Jemand wie sie, der unzählige Frauen hatte, bemüht sich ja gar nicht eine Liebe zu finden, die ewig hält. Für sie ist die Liebe einfach nur ein Spiel.“ Navis Herzblut hing scheinbar an jenen Worten, denn sie sagte jene mit soviel Gefühl, dass es Klein-Link irgendwie nahe ging. War Liebe eigentlich überall so kompliziert, fragte er sich. „Und was, deiner Meinung nach, soll ich tun?“, meinte er dann, erhob sich ebenso und trat vor das Mädchen. Von oben herab sah er in ihre giftgrünen Augen. „Du spielst dich hier auf als Paarpsychologin und hast nicht einmal eine Ahnung, was zwischen Lia und mir passiert ist.“ Er sah so aus, als könnte er sich eine Ohrfeige geben. „Nein, ich habe keine Ahnung, aber es muss schon was Größeres sein, sonst würden Sie nicht diese hilflosen Sprüche ablassen“, entgegnete Navi. „Mädchen, du spielst dich mit diesen Worten erst recht als Paartherapeutin auf“, murrte er und ließ sich in den Sand sinken. Seine grauen Augen sahen in die smaragdgrünen der einstigen Fee. „Lia hat Recht, wenn sie sagt, ich würde mich niemals ändern. Und sie hat gewiss Recht, wenn sie sagt, ich bin pubertär. Ich hatte immer ein Problem zu wissen, wie man mit ernsten Situationen umgeht. Und als Lia mich gebraucht hätte, war ich genau aus diesem Grund nicht da.“ Damit stand er auf und verschwand in seinem Zelt. Navi und Klein-Link schauten ihm verwirrt hinterher. War diese Erklärung alles, was er anbieten konnte? Lief er, jetzt wo die Situation vielleicht ernst werden konnte, wieder weg? „Mmh, Velkan ist wohl doch nicht so ein cooler Typ, wie ich dachte“, meinte Klein- Link und gähnte. Er war unbeschreiblich müde nach diesem ereignisreichen Tag heute. „Er kann mit traurigen und ernsten Situationen nicht umgehen, ich frage mich nur, welches traurige Ereignis Lia wiederfahren ist, bei dem er sie im Stich gelassen hat“, entgegnete Navi. Die einstige Fee und ihr Begleiter blickten einander ratlos an, realisierten, wie wenig sie doch eigentlich über die agile, junge Ärztin wussten und das obwohl sie schon einige Tage bei ihr verbracht hatten. „Es ist irgendwie traurig, meinst du nicht?“, murmelte Navi. „Wir Menschen, Feen oder andere magische Wesen sehen doch eigentlich sehr viel, nur manchmal nicht das, was…“ „…wir sehen sollten“, beendete Klein- Link für sie. Jene Worte ausklingend trat er näher an das Feuer, blickte mit seinen müden Augen hinein und erkannte mehr und mehr die Komplexität und Rätselhaftigkeit mit der ein Wesen durch die Welt zog, um den Sinn seines Lebens zu finden oder einfach nur zu leben. War es das, wofür es sich lohnte einen Lebensweg zu gehen? Und vielleicht war es das, was fehlte… Die Nacht wurde sehr nachdenklich für den Jungen ohne Heimat, für das Kind, das Vergangenheit und Zukunft nicht kannte. Er lag die meiste Zeit wach, während Navi neben ihm dem Schnarchen frönte. Er konnte den Wind außerhalb des Zeltes rauschen hören, dachte an die Kraft und Gewalt der Natur, an die Lebenskraft, die überall schlummerte und fragte sich, woraus er im Augenblick seine eigene Kraft zog. Ob die Weise im Tempel des Waldes, die gute Salora, tatsächlich recht hatte und er brauchte Liebe um mehr zu spüren, mehr zu erkennen, mehr zu erfahren? Seine Augen wanderten zu Navi und es war vielleicht das erste Mal, dass er sich bemühte sie nicht als nerviges Anhängsel zu sehen. Auf ihre eigene Weise, mit ihren Sommersprossen und dem hellblondem Haar, besaß sie vielleicht sogar so etwas wie Schönheit. Würde das Mädchen, in das er sich eines Tages verliebte, etwas Besonderes sein, so wie Navi? Würde jenes Mädchen ansehnlich sein? Würde sie kämpfen können und ihre Fähigkeiten zum Guten einsetzen? Er wusste nicht einmal so wirklich wozu er sich diese Gedanken machte. Vor einigen Stunden noch war er vollkommen überzeugt gewesen sich niemals zu verlieben. Es interessierte ihn einfach nicht. Und nun grübelte er ausgerechnet darüber? ,Ich bin ein Depp‘, dachte er. Gab es nichts Wichtigeres? Von draußen her erklangen fortwährend die hypnotisierenden Geräusche der Wüste, stimmten nachdenklich, stimmten den Jungen trübsinnig. Ein wenig verwundert richtete er sich auf und horchte nach draußen. Gerade eben, so dachte er, hätte er ein Geräusch gehört, das sich eindeutig von dem Lied der Nacht abhob. Ein Rascheln und dann konnte er ein Flüstern vernehmen. Neugierig wie er war, krabbelte er aus seinem Schlafsack, öffnete leise und sich über Navis festen Schlaf vergewissernd die Tür des Zelts und schaute hinaus. Und tatsächlich sah er im schwachen Licht der heißen Glut Lia mit verschränkten Armen sitzen und Velkan stand neben ihr. Er verband ihre Kopfwunde. Dennoch sah es nicht so aus, als wäre die stolze Ärztin erfreut über seine Anwesenheit. Sie diskutierten eifrig. „Ich möchte nicht mit dir reden, egal, was du mir zu sagen hast. Und das meine ich ernst“, meinte sie. „Lia, nun sei nicht so zickig. Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe. Können wir dann nicht wenigstens noch wie Freunde miteinander umgehen?“ „Die Chance hast du dir verspielt, Velkan. Dein Problem ist, dass du deine Fehler einsiehst, aber nicht imstande bist daraus zu lernen. Und solange du das nicht änderst, sehe ich keinen Sinn darin mit dir über so etwas wie Freundschaft zu diskutieren.“ Er kniete nieder und blickte sie vielleicht sogar ein wenig wehleidig an. „Noch immer so anziehend und schön wie damals“, sprach er. „Das war vielleicht mein Fehler“, entgegnete sie leise und schaute ihm verbittert entgegen. Gegen ihren Willen streichelte er Lias rechte Wange. „Gerade das hat mich verletzbar gemacht“, setzte sie hinzu. „Weil jemand wie du sich für mich interessiert hat.“ „Tut mir leid“, meinte er grinsend. Lia lachte lediglich, aber es war kein ehrliches Lachen. „Als ob jemals eine solche Entschuldigung von deinen ignoranten Lippen ernst gemeint war.“ Sie kniff ihre tiefblauen Augen zusammen und presste ihre Lippen aneinander. „Ich verachte dich dafür. Nein, nicht nur dafür, sondern für alles.“ Sie schlug seine Hand weg und warf ihm einen weiteren Blick voller Enttäuschung entgegen. „Vor allem für dein Verhalten, als ich dich gebraucht hätte“, entgegnete sie noch leise, schloss wieder die Augen und trat auf ihre Beine. „Hast du nicht vorhin gemeint, du wolltest nicht mit mir reden?“, bemerkte er und grinste, vielleicht aus Selbstsicherheit, oder weil Velkan es einfach nicht anders wusste. Lia jedoch verdrehte nur ihre Augen. „Genau das meinte ich. Wenn es ernst wird und wir vielleicht mal den Versuch machen können, etwas zu klären, kommst du mit deinem billigen, idiotischen Kommentaren. Du verstehst absolut überhaupt nichts!“ Lias Stimme wurde so laut, dass Klein-Link besorgt war, es würde auch Navi aus ihrem Schlummer reißen. Anscheinend zeigte sich sehr deutlich, dass es Lia noch immer an die Nieren ging mit Velkan zu reden. Sie wirkte beinahe verzweifelt. „Du bist ein Arsch“, murrte sie. „Bin ich.“ „Nein, du bist vielleicht sogar der größte Arsch von ganz Hyrule“, setzte sie hinzu. Er trat direkt vor sie und musterte sie. „Mmh, ja, das bin ich wohl auch.“ Er sagte dies in einem Ton, der Lia nicht gefiel und der niemandem gefallen würde. Eine Aussage der Ironie und ohne Respekt. „Und du lässt keine Gelegenheit aus, mich lächerlich zu machen.“ „Bei Dinafa, ich bin nun mal so, Lia.“ Jetzt wurde auch Velkan etwas laut, es schien als würde er in diesem Gespräch allmählich die Geduld verlieren. „Was hätte ich deiner Meinung nach tun sollen? Und was soll ich deiner Meinung nach jetzt tun? Warum müsst ihr Frauen nur immer so verdammt kompliziert sein und alles dramatisieren?“ In dem Augenblick erhob Lia die Hand, sie zögerte und doch schien sie wütend genug zu sein um ihm eine Ohrfeige zu geben. „Du nennst den Tod meiner Mutter dramatisieren… Denn das war das einzige, was du niemals getan hast: mich unterstützen.“ Sie ließ ihre Hand wieder sinken und schüttelte den Kopf. „Das ist es nicht wert, nein, du bist es nicht mal wert, dass man dir eine knallt.“ Sie senkte ihren Kopf und seufzte. Wortlos standen die beiden nun voreinander. Und Klein- Link im Hintergrund begann eine wichtige und bedeutsame Sache im Leben zu realisieren. Nicht überall konnten die Ereignisse so ablaufen, dass die Parteien zufrieden waren. In manchen Geschichten scheiterten die Helden. Und manche Geschichten endeten in fragwürdigen Gefühlen, die in Nächten unsichtbar wurden… Kapitel 139: Ein Heroe, den die Zeit besiegte… Teil 8 ----------------------------------------------------- Von weither erklang sie, eine Melodie zum Sterben schön… so verführend… Ein Chor, der mit seinem Gesang silberhelle Töne der Unvergänglichkeit in die Welt schickte. Das feine Summen führte den jungen Heroen hinfort, dorthin wo schmelzender Regen sanft und nachdenklich fiel. Seine himmelblauen Augen öffneten sich interessiert und sogleich fasziniert von wahrer Schönheit. Natur, so reich an Unschuld und Vollkommenheit lag vor ihm. Ein stiller See, umgeben von alten Laubgeschöpfen, die seine Schritte gutheißend beobachteten. Er wusste nicht, was ihn hierher führte. Und vielleicht realisierte er nicht einmal, dass er träumte oder welche Gestalt er im Moment besaß. Wusste er denn noch, wer er war, oder welches Herz in seiner Brust schlug? Er war ein Held der alten Legenden, ein Heroe aus dem Land Hyrule. Vielmehr erinnerte er im Augenblick nicht. Mehr konnte sein Verstand ihm nicht sagen. Er spürte einen warmen Schein, der auf seinen blonden Schopf herabfiel, inmitten des Regens, der singend auf das kristallene Wasser des Sees traf. Und er selbst konnte nicht erkennen, dass das Wissen um die Legende Hyrules eine reifere und vollkommenere Persönlichkeit in ihm erwecken konnte. Er war nicht nur ein Ableger eines Helden und einer Prinzessin. Irgendwann würde ein Seelensplitter begnadeter Heroen auch in ihm schmerzen. Seine Schritte führten ihn weiter, ohne Scheue und ohne zu zagen, hinein in das stille, klare Wasser. Er trat in das seichte Wasser ein, aber spürte die Nässe nicht. Ein süßlicher Wind wehte, aber er spürte ihn nicht. Alles, was ihn in dieser Sekunde berührte, war der Gesang, ein Chor, der nun der Reinheit und Faszination einer Stimme Vorrang gab. Eine Stimme, märchenhaft schön. So sanft. Ein Gesang, der ihn an sein Leben im Hause der Götter erinnerte. So unglaublich sanft… My phantasy. You choose to live… A part of mine. So pure, so deep… Bring me love… And bring me him… Find me here, you know I’ll wait… Find me there, in different times… Me and my longing heart… Never alone yet lonely… Verwundert, was ihn hier her geführt hatte und sich nicht erinnernd, wo er vorher noch gewesen war, versuchte er sich zu orientieren und suchte mit seinen scharfen Augen die Umgebung ab. Woher nur kam dieser Gesang? Als wäre jener Gesang, der Empfindungen von Ruhe und Wärme in ihm auslöste, tief mit ihm verbunden und als wäre er der einzige, der jene Strophen hören konnte. Und als jener Gesang erneut erklang, weckte er nicht nur angenehme Gefühle, sondern stieß beinah unerträglich und verzweifelnd zu jenem Punkt vor, den er als sein Herz erkannte. Sein Herz, das doch noch nicht lebendig war und nicht so schlagen konnte wie das eines gewöhnlichen Menschen. Er versuchte sich weiterhin zu orientieren, entdeckte am Ufer des Sees Zoras, die in Stein gemeißelt schienen. Statuen blickten ihn an, als wollten sie das Leben aus seinem Körper reißen. Und es war da, dass ein Teil in ihm sagte, er träumte. Nur konnte ein Traum so schrecklich sein und ihn Gefühle erfahren lassen, die er vorher nie gespürt hatte? Konnte ein einfacher Traum so teuflisch sein? Durchnässt, sich selbst nicht mehr vertrauend, trat er zurück ans Ufer und kniete nieder. Er seufzte und beobachtete die Wassertropfen, die von seiner waldgrünen Tunika auf trockenen Erdboden rieselten. Er erinnerte sich an seinen Vater und seine mögliche Mutter. Jetzt verstand er die Verzweiflung, die Link gespürt hatte, als Zelda allmählich in sein Leben kam und er einfach nicht ahnte, warum er sich zu ihr hingezogen fühlte. Es war mehr zwischen zwei Seelen zu finden als Liebe, Freundschaft oder Hass. Es gab Verbindungen, die selbst Götter, wo sie alles sahen, nicht verstehen konnten. Und die Weise im modernen Tempel des Waldes, ja sie hatte ihn gewarnt. Salora mit ihrer ungemein furchtbaren Art, hatte ihn daran erinnern wollen. Er richtete sich wieder auf, genoss die unberührte Natur hier und spürte einmal mehr die Anwesenheit einer Seele, die er vermisste und doch nicht kannte. Seine himmelblauen Augen, verunsichert und doch so wunderschön blickten nieder zu seinen Füßen, wo eine weiße Feder lag. Eine Feder, die fast silbrig glitzerte, groß und geschwungen, nicht von einem Tier konnte sie stammen, soviel begriff er selbst. Zaghaft berührte er das weiche Material, so zart wie die Haut eines Babys streichelte die Feder seine Fingerspitzen. Er lächelte. So etwas Schönes hatte er noch nie berührt, nicht in irgendeinem Traum und nicht in der Realität. Und als er das kostbare Stück aufhob, seine linke Hand davon kitzeln ließ, spürte er so etwas wie ein leichtes Brennen in seiner linken Handfläche. Die Feder erschuf eine kleine Wunde, und noch ehe es Klein-Link realisieren oder ändern konnte, verschwand jene Feder in seinem linken Arm. Ein sanftes Pochen hinterließ sie, er spürte, wie sich dieses Pochen in Richtung seiner Brust bewegte, weiter und weiter bis hin zu seinem Herz. Und was dem Jungen von diesem Traum blieb, war nichts weiter als ein Gefühl, das ihn vorantrieb. Ein Gefühl entstanden nur durch eine Feder in seinem Arm… Das Kind des Schicksals, noch nicht geboren, aber lebendig, erwachte mit dem Gefühl nicht geschlafen zu haben. Er blinzelte, spürte den warmen, körnigen Sand der Wüste unter seinem kindlichen Körper und seufzte. Er dachte, er hätte geträumt, aber die Bilder kehrten einfach nicht in sein Bewusstsein zurück. Verunsichert richtete er sich auf, überblickte seine Umgebung und strich sich mit der linken Hand über seine Brust. Er fühlte sich so warm, so lebendig wie zu keinem Zeitpunkt vorher. Sein Herz pumpte auf eine Weise, die er noch nie in dieser Deutlichkeit gespürt hatte. Und jeder tosende Stoß seines Herzens schickte ihm eine Welle der Energie, Lebenskraft, die er im Augenblick noch nicht für real halten konnte. Ein Gefühl umschlich ihn, dass ihm in einer anderen Welt etwas geschehen war, was seine Zukunft erst ermöglichen konnte. Aber diese Welt, vielleicht ein Traum, entzog sich noch seiner Erinnerung… Seine Mitstreiter Lia, Velkan und Navi befanden sich bereits auf den Beinen und schienen hektisch ihr Hab und Gut in den Hylcedes zu packen. Er erinnerte sich wirr an die gestrige Nacht, aber wusste nicht, ob sich die beiden Erwachsenen versöhnt hatten oder zumindest auf einen gemeinsamen Nenner gekommen waren. Gähnend richtete er sich auf und beobachtete durch die offene Tür des Zeltes einen schweigenden Velkan, der mit trübsinniger Miene alles tat, was ihm Navi und Lia auftrugen. Er nickte lediglich und war dann der erste, der die Wachheit Klein- Links bemerkte. Er trat näher, aber es erfolgten kein kindischer Kommentar und auch keine andere Anfeindung. „Wenn du Hunger hast, in meinem Rucksack sind noch ein paar Waffeln.“ Der junge Mann reichte ihm eine Thermosflasche mit Tee und bat ihn aufzustehen. Dann begann er das Zelt, in welchem Klein- Link und Navi geschlafen hatten, zusammenzulegen. Etwas verwundert brabbelte der Junge einen Guten-Morgen-Gruß über die Lippen und begrüßte auch Navi und Lia. Wenig später erklärte Velkan der Runde die nächste Vorgehensweise um Link Couraiga zu finden. „Meine Informanten haben herausgefunden, dass sich Lias Vater womöglich in folgendem Versteck der Hyl Moblina aufhält.“ Velkan öffnete eine kleine silbrige Schachtel, welche das Hologramm einer Karte vor die Nasen der Anwesenden projizierte. Velkan deutete auf einen Punkt und ließ eine Strecke von ihrem derzeitigen Aufenthaltsort bis zu dem Unterschlupft der Kriminellen berechnen. In etwa ein Fußmarsch von fünf Stunden lag vor ihnen. „Das ist unser Ziel. Ganz geheuer ist mir die Sache nicht. Wir sind zwar nur eine kleine Gruppe und wirken mit den Kindern sicherlich nicht verdächtig. Nur habe ich noch keine Ahnung, wie wir uns in ein gutbewachtes Versteck wie dieses vorarbeiten sollen. Ich habe überlegt, dass wir uns vom nahen Stützpunkt Leute holen, aber so würden wir vielleicht diesen einen Vorteil unscheinbar zu wirken, verlieren. Die Frage ist… ist es euch dreien das wert, um Link zu finden? Ich persönlich habe meine Antwort.“ Er vergrub seine Hände in den Hosentaschen und blickte den Anwesenden vielleicht aus Scham nicht in die Augen. „Ich möchte meinen Vater finden, also werde ich es riskieren“, meinte Lia. Ihre klaren tiefblauen Augen musterten Velkan, obgleich er dies nicht wahrnahm. „Und wir beide haben keine andere Wahl als den Heroen dieser Welt zu finden. Link Couraiga muss derjenige sein, der an unserem Rat teilnimmt“, entgegnete Navi. „Also werden auch wir kämpfen, ich verstehe nur immer noch nicht so recht, wie und warum sich dieser scheinbar gut ausgebildete Mann in die Hände solcher Monster begeben hat.“ „Ich habe eine Vermutung“, äußerte sich Lia. „Es geht um das MS. Möglicherweise hat er sich fangen lassen um an diese alte Waffe zu gelangen. So kenne ich meinen Vater zumindest.“ „Ja, das könnte ich durchaus nachvollziehen“, meinte Navi. „Wenn er den Charakter eines Helden besitzt, würde er niemals zuschauen, wie eine solche Waffe in die Hände dunkler Kreaturen gelangt. Aber das Masterschwert kann doch von Moblins und anderen fiesen Geschöpfen gar nicht verwendet werden.“ „Vielleicht doch“, sprach Klein-Link. „Wenn man herausfindet, wie das Masterschwert denkt und fühlt, wie es sich den Träger aussucht, dann… dann gibt es diese Möglichkeit.“ Verdutzt packte Navi den Jungen an den Schultern. „Woher hast du dieses Wissen?“ „Die Göttinnen haben mir viele Geschichten erzählt, auch vom legendären Masterschwert und seiner alten Seele. Auch das Schwert arbeitet irgendwo menschlich. Und Menschen sind oftmals fehlbar…“ Damit wand Velkan den Anwesenden den Rücken zu und wühlte in seinem Rucksack. Er nahm einige Kleidungsstücke heraus. „Da unsere Motive und Ziele klar sind, würde ich sagen, ihr verkleidet euch jetzt.“ Er reichte jedem typische Wüstengewänder. Dünnen Stoff, der den Körper fast vollständig einhüllte. Weiterhin übergab er Lia einige Schusswaffen, die sie an ihrem Körper festschnallen konnte. Navi erhielt eine moderne Armbrust und Klein-Link einige Dolche. „Velkan, was ist dein Motiv?“, meinte Navi dann. Verwundert blickte er sie an. „Warum willst du Link Couraiga finden?“ „Ich muss mir selbst etwas beweisen“, sprach er und umhüllte sich mit klassischen Wüstengewändern. „Wir sollten nicht länger untätig sein und uns auf den Weg machen. Wenige Meter weiter ist eine alte Straße. Wir sollten uns danach orientieren. Dann wirken wir noch mehr wie gewöhnliche Leute.“ „Da geb‘ ich dir ausnahmsweise mal recht“, murrte Lia. Velkan schloss daraufhin die Augen, schüttelte den Kopf, aber grinste. „Ich bin besser als ich dachte“, erwiderte er, schnallte einige Waffen unter seiner Kleidung fest und lief vorneweg. Navi, Klein-Link und Lia trotteten hinter ihm her. Ein langer Fußmarsch ins Ungewisse begann… Und dort, an anderen Orten, wo Zeit und Schicksal stillstanden, gefroren, so wie ihre auserwählten Kinder, mischte sich ein Wesen unter die Geschichte, welches den Fortgang der Mission Klein-Links noch deutlich beeinflussen sollte. Niemand kannte jenes Geschöpf, obwohl sie in aller Munde war. Und das nicht nur in einer Welt. Sie würde von sich sagen, dass sie sich selbst nicht einmal vollkommen kannte. Sie fand Gefallen an den Ereignissen, an den Kämpfen und irgendwo an diesem Spiel. Ein beeindruckendes Spiel, welches sie aus ihrer Langeweile reißen konnte. Es war nicht so, dass sie talentlos und für Tätigkeiten jeglicher Art unbrauchbar war. Aber sie war, so wie viele sagen würden, ein wenig kompliziert. Wenn man ihr begegnete- und nur eine Hand voll Wesen waren jemals in den Genuss gekommen ihr Antlitz zu erblicken- vergaß man sie nie wieder. Es waren ihre Augen, die von Feuer und Kälte, von Leben und Tod erzählten, und von einem Extrem ins nächste sprangen. Es war ihr Sinnbild von Übermacht, mit der sie wusste andere Wesen zu übergehen. Sie war eines der Geschöpfe, die keinen Unterschied zwischen gut und böse machten. Und vielleicht war es genau das, was sie auf ihre Weise erschreckend, ja teuflisch kompliziert machte. Sie machte sich nicht viel aus Geheimnissen, wenngleich sie ein gigantisches Geheimnis um ihre Ziele erschuf. Sie ließ sich von niemandem beeinflussen und in die Karten schauen. Jedoch manipulierte sie unwissend, vielleicht kindlich und naiv, ihre eigene Realität auf zerstörerische und krankhafte Weise. Und ihr momentanes Ziel drehte sich um einen schlafenden Heroen in einer Welt, auf die sie nur durch tückische und verbotene Weise Zutritt hatte. Natürlich machte sie sich nichts aus Befehlen und Regeln. Wozu auch? Sie war nicht gerade machtlos. Und eigentlich war es ihr untersagt sich in fremde Welten zu begeben, die Geschehnisse dort zu beeinflussen und es war ihr noch mehr untersagt Geschöpfe anderer Welten für ihre Pläne zu nutzen. Sie lachte über Verbote, sie lachte gerne und scheußlich. Ihre naiven Schritte führten sie über graue Straßen, über denen teuflisches Blut versickerte und nur dort floss, wo ihre nackten Füße der Starrheit und dem Eis Leben einhauchten. Sie tanzte, tanzte zu ihrer eigenen Melodie voller Absurdität und Monotonie. Es war unglaublich genial für sie dem Zauber von Erstarren und gefrorener Zeit zuzusehen und wo immer sie auch wandelte, zu erfahren, wie ehrfürchtig und dumm jene Magie vor ihrer weitaus mächtigeren floh. Wie unschuldige, blühende Eiskristalle wich der Traum des Erstarrens zurück... Und sie schnupperte mit der feinen Nase, die ihr an vielen Orten schon geholfen hatte, den Duft von Sorge, aber auch wahnsinnigem Mut in der Luft. Und der andere Geruch von Stärke machte sie nervös. Sie mochte diese starken Frauen nicht, besonders diese eine Prinzessin des Schicksals verachtete sie, vielleicht vor allem für ihre Schönheit. Es war irre, aber wenn sie jene Königstochter aufweckte und in ihrer Hilflosigkeit einfach zurückließ. Sie würde sterben, oder nicht? Sie zuckte mit den Schultern und beließ es bei diesem Gedanken. Es war ja eigentlich weniger sie, die sie interessierte. Vielmehr war es der Heroe, auf den sie ein Auge geworfen hatte. Nicht in der Hinsicht, dass sie ihn mochte, aber sie brauchte ihn für ihre Pläne. Und tatsächlich in einem verdreckten Kellerraum, dessen verrußter Boden auch ihre Füße beschmierte, entdeckte sie den Heroen in seiner starren Haltung. Und obwohl sein Wesen, seine versteckt liegende Wahrheit, vom Schimmer eines alten Zaubers bedeckt war, so bewunderte das Mädchen seine Anmut. Seine stolze Haltung. Das Blut, das er in einem harten, unfairen Kampf bereits vergossen hatte und dieses ungemein starke Herz. Wie konnte er, Besitzer von so viel Zauber und Macht, nur so rechtschaffen und edel sein? Es machte sie ein wenig wütend zu sehen, dass er sich verschwendete. An dieser dummen Welt und an dieser eigensinnigen Prinzessin, durch die er Hölle und Himmel erfuhr. Ihre dünnen Fingerspitzen, eisig und heiß zugleich, berührten sanft, so sanft seine linke Brusthälfte, spürten das vernarbte und doch starke Herz unter ihrer Berührung zucken. „Mmh… dieses Herz ist unbeschreiblich“, sprach sie, mit einer Stimme, zusammengesetzt aus drei verschiedenen. „Unglaublich schön“, ergänzte sie zischend. Ihre Augen, ungewöhnlich, da bestehend aus drei verschiedenen Farben, strahlten in seine einst tiefblauen, die unter dem Zauber des Erstarrens nur noch grau waren. „Und Eure Augen, Held, wunderschön…“ Sie gab zu, dass sie die Helden Hyrules bewunderte. Und sie empfand einen nahezu beschämenden Reiz, wenn sie sich diesen Mann genau betrachtete. Seine Stärke, sein unbändiger Mut, ließen sie von gerade jenen Dingen träumen, die kleine Mädchen so liebten. Von Märchen. Von unsterblicher Liebe. Ja, sogar von Hochzeiten. Sie lächelte und legte ihre kindlichen Hände auf seine Wangen, und sie forderte sein Leben zurück. Sie forderte zurück, was er war. Sie befreite ihn aus dem heiligen Zauber des Erstarrens… In dem Moment durchfuhr den Jungen, der mit seinen Freunden in der Wüste unterwegs war, ein sehr unangenehmes Gefühl. Er blieb stehen, sackte auf seine Knie und hatte das Gefühl ihm würde ein Teil seiner Existenz geraubt werden. Schweißperlen glitzerten über seiner kindlichen Stirn und sein Herz raste. „Klein-Link? Alles okay?“, meinte Navi, die ihn besorgt musterte. Sie hatte ihre grünen, neugierigen Augen scheinbar überall. Aber ihre Besorgnis war ehrlich gemeint. „Ich weiß nicht, irgendwas hat sich gerade verändert“, versuchte er zu erklären und wischte sich mit einem feuchten Tuch über die Stirn. „Du meinst hinsichtlich deiner Existenz?“, entgegnete sie. „Vielleicht ja, ich hatte fast den Eindruck irgendwer hat mich beobachtet und dann… nun ja, fühlte ich mich irgendwie schwach.“ Er blickte zu Boden und man musste kein Genie sein um festzustellen, dass er sich ebenso wie seine zukünftige Mutter für Schwäche schämte. Navi schüttelte nur ihren Kopf und ihre blonden Zöpfe pendelten. „Weiß Gott, du hast zu viel von deiner zukünftigen Mutter“, murrte sie, zerrte ihn wieder auf die Beine, schnappte sich sein Handgelenk und zerrte ihn hinter sich her. Es war nicht so, dass sie ihm hinsichtlich seines sechsten Sinns nicht glaubte, aber dies war kein Grund um zu verzagen. „Hör‘ auf zu jammern, glaubst du Link wäre soweit gekommen, wenn er andauernd gejammert hätte?“ Und für einen Bruchteil von Sekunden, nicht lange, aber sichtbar, war auch in Navis verschlossenen Augen ein Funke ihrer wahren Gefühle sichtbar. „Ich weiß, dass wir beide nicht unbedingt die dicksten Freunde sind. Und ehrlich gesagt komme ich mir oft genug wie dein Kindermädchen vor. Und wenn wir mal darüber nachdenken, weißt du fast nichts über mich. Trotzallem solltest du einige meiner Ratschläge einfach mal befolgen. Und der erste ist, dass bei all den Dingen, die du in nächster Zeit erleiden wirst, so ein kleiner Schwächeanfall das harmloseste ist, dass dir passiert.“ Und damit stapfte die einstige Fee unbeirrt weiter. Klein- Link blickte ihr ein wenig schwermütig hinterher. Recht hatte sie. Sie wussten im Grunde genommen fast nichts voneinander, obwohl sie bereits die Mission mit dem Heroen des Windes hinter sich hatten und die jetzige Mission sich vielleicht auch schon dem Ende entgegen neigte. Auch vorher kannte er Navi nur als jemanden, der hoffnungslos romantisch sein konnte und deshalb in diesen tragischen Liebesgeschichten der Bibliothek hoch oben im Haus der Götter beinah zu versinken schien. Und er wusste, dass sie für seinen zukünftigen Vater eine sehr bedeutsame Rolle spielte. Immerhin teilten Navi und der Held der Zeit eine Vergangenheit. Die beiden hatten vielleicht sogar mehr Zeit miteinander verbracht als Link mit Zelda… Der Junge atmete einige Male tief aus. Auch Navi hatte ihr Päckchen zu tragen. Und es gab sicherlich einige Dinge, die auch ihre Schale zum Knacken brachten. Nur würde er in der Lage sein das zu tun und die einstige Fee besser kennenzulernen? Und wollte er das überhaupt? Manchmal hatte er fast das Gefühl, es war für ihn erträglicher nicht so viel von den Menschen in seiner Umgebung zu wissen. Vielleicht war es so bestimmt, um mit Verlusten besser umgehen zu können… Und an einem Ort, wo niemand sein wollte, öffneten sich lethargisch, nachdenklich und verunsichert ein Paar tiefblaue Augen. Ein Heroe wie kein anderer atmete erneut, überblickte suchend die Umgebung. Und als er ansatzweise realisierte, dass das Gefecht um Hyrule und das um die Erde noch nicht entschieden war, zog sich der Funke Mut, der seinen Blick stärkte, zurück. Erschrocken atmete er ein und aus und ließ das Mädchen, das ihn aus dem Zauber befreite links liegen. Seine Sorge galt Zelda, welche noch immer durch den Mantel des alten Zaubers, schimmernd und wunderschön, auf der kleinen Liege ruhte. „Was ist passiert?“, murmelte er in seiner vertrauten Stimme, als er sich zu ihr bewegen wollte, und dann bemerkte, dass er zwar sehen und seine Stimme bewegen konnte, aber seine restlichen Muskeln noch immer unter dem Bann jener Heiligkeit standen, die sie retten sollte. „Nun, das, was passiert ist, ist passiert“, sprach das Mädchen vor ihm kühl und erst dann besah er sie sich genau. Sie wirkte eigenartig mit mittellangen grünen, blauen und roten Haarsträhnen. Und ihr Kostüm ließ nur einen Bruchteil ihres weniger geschmackvollen Charakters vermuten. Eine rote Bluse mit hohem Kragen wurde durch eine blaue Weste mit Stickereien bedeckt. Ihre grüne, aus Samt bestehenden Hose war nur dreivierteillang. Sie sah mit ihrem bunten Gewand aus wie ein Zirkusclown. Er kannte sie nicht und er urteilte als Heroe gewiss nicht über andere Geschöpfe. Aber dieses Mädchen machte ihn mehr als misstrauisch. „Was willst du hier? Ist der Kampf schon vorbei? Und warum kann ich meinen Körper nicht bewegen?“ Link war zu durcheinander um die Situation sofort zu begreifen. „Das sind ein paar Fragen zu viel für den Anfang. Also: nein, der Kampf ist noch nicht vorbei. Der Held der Dimensionen ist noch immer unterwegs und erst in der zweiten Mission inbegriffen. Und du kannst dich nicht bewegen, weil ich es so will. Nach unserer Unterredung werde ich dich eh wieder in den alten Zauber versetzen.“ „Wer bist du?“, knurrte Link und ihm gefiel dieses Spiel nicht. Er spürte, dass er ausgenutzt werden würde. Und er spürte, dass dieses Mädchen ihre Finger aus großem Eigennutz in die Geschehnisse einmischte. „Sagen wir es so, ich bin ein eher göttliches Geschöpf. Das heißt, egal, was du auch tust, du wirst mich nicht töten können. Außerdem habe ich ein gewisses Interesse an deinem zukünftigen Sohn.“ Link runzelte die Stirn und seine weiteren Gesichtsmuskeln verzogen sich. Er drohte: „Ich warne dich, wenn du ihm irgendwas zu leide tust, bring ich dich um.“ Link fluchte und zappelte, versuchte sich aus dem Zauber zu lösen, aber musste auch einsehen, dass dieses Mädchen die Fäden in der Hand hatte. „Nana“, zischte sie. „Wer sagt denn, dass mein Interesse an ihm negativer Art ist. Wer sagt denn, dass ich ihn töten will. Ganz im Gegenteil, ich will ihn fördern.“ Und das eigensinnige Geschöpf lachte, breitete die Arme aus und drehte sich einige Male im Kreis. „Und deshalb weckst du mich aus diesem heiligen Schlaf?“ Link brüllte. Ihm gefiel dieses Spielchen ganz und gar nicht. Wenn dieses Mädchen so mächtig war, konnte sie womöglich alles tun, das ihr gefiel. Wenn sie ihn oder Zelda nicht leiden konnte, könnte sie sie beide in ein ungewisses Schicksal bringen und niemand würde sie hindern. Dieses Geschöpf spielte mit dem Leben anderer Wesen, er konnte nicht zulassen, dass sie vor allem mit dem Leben von Klein-Link spielte. „Was willst du von ihm?“, murrte der Heroe. „Wie ich schon sagte, ich will ihn fördern.“ Sie blickte den Heroen mit ihrem auffallend geschminkten Gesicht ins Antlitz. Sie war nicht unbedingt ansehnlich, dachte er. Vor allem nicht mit dem vielen Glitzer um ihre Augen und dem knallroten Lippenstift. Ihr Gesicht war fast schon breiter als lang und gleichzeitig dürr und abgemagert. „Hör‘ auf dich in deinen Gedanken über mich lustig zu machen“, zischte sie. „Ich warne dich nur einmal.“ Link zwinkerte und versuchte nicht unbedingt über ihre Gestalt nachzugrübeln. „Jedenfalls will ich folgendes von dir“, erläuterte sie und lief einige Schritte hin und her. „Was? Spuck es aus!“ „Falls er in Gefahr schwebt, falls Klein-Link in Situationen steckt, die er nicht meistern kann, befehle ich dir, dass du mit ihm den Körper tauscht.“ Link sah nur entsetzt drein. „Was ist? War das so schwer zu begreifen? Oder ist das zu unverständlich für dich?“ Link schüttelte den Kopf und murmelte daraufhin: „Das kann nicht dein Ernst sein? Ich soll sozusagen in ernsten Situationen einfach in Klein-Links Körper schlüpfen, weil ich mehr Kampferfahrung habe?“ Sie nickte freudestrahlend, als der Held die Situation verstand. „Du hast den größten Knall von all den Geschöpfen, die mir bisher begegnet sind. Und das muss was heißen!“ Link ließ sich auf diese Spielchen nicht ein. Zunächst einmal war er ziemlich am Ende, was seinen momentanen körperlichen Zustand betraf. Er war schlichtweg frustriert, da der Kampf nun schon so lange dauerte und einfach kein Ende in Sicht war. Und dann mischte sich ein naives Geschöpf in die Geschehnisse, welches nicht den blassen Dunst Ahnung davon hatte, was es hieß kämpfen zu müssen. Was sollte es Klein-Link bringen, wenn der erwachsene Heroe sich einmischte? Das Götterkind musste selbst lernen zu kämpfen. Er konnte ihm nicht jeden Kampf abnehmen. Wie sollte er erstarken, wenn andere für ihn einstanden? Er konnte ihn nicht vor sich selbst beschützen… auch Zelda hatte ihm das erst klar machen müssen. „Ist das dein letztes Wort, Held der Zeit?“, murrte sie. Der Kämpfer nickte nur. „Auch gut, dann zwing ich dich eben dazu!“ Und mehr ließ sie den Heroen nicht sagen. Mit einer Handbewegung ließ sie den Zauber sich seiner erneut bemächtigen. Sir rümpfte die Nase und schmollte. Warum nur nahm sie niemand ernst? Sie stampfte mit ihren Füßen auf den Boden und brüllte. Aber Klein- Link würde sie bestimmt ernst nehmen. Er musste, sonst würde sie das Spiel, das auch seine Geschichte darstellte, zu einem bitteren Ende bringen… Kapitel 140: Ein Heroe, den die Zeit besiegte… Teil 9 ----------------------------------------------------- In der dürren, heißen Einöde vergessener und verstoßener Gefilde marschierte die kleine Truppe unerkannter Hylianer dahin. Trockener Sand tobte sich über ihren Köpfen aus und eine brütende Sonne stand weit im Zenit. Sie waren seit nunmehr drei Stunden durch die Wüste gewandert und erinnerten sich mit erschöpfter Geduld an ihr Ziel. Ein edler Gedanke trieb sie voran, mit Zweifeln, aber bestimmend. Im Schutze einer verlassenen Wüstenstadt, zerstört und mit vom Wind abgetragenen Steingebäuden, die teilweise vom Sand verschlungen schienen, machte die kleine Gruppe Rast. Klein-Link hatte die Wüste nur einmal gesehen, vor langer Zeit. Damals hatte er sich heimlich aus dem Hause der Götter geschlichen, obwohl Farore es ihm untersagt hatte. Sein Körper zählte damals vielleicht sechs Jahre und er erinnerte sich, dass er einfach in eine Kleiderkammer geplatzt war und dort eine grüne Tunika mit Verzierungen entdeckt hatte. Ein weißer Gürtel mit den heiligen Symbolen der traditionsreichen Königsfamilie Hyrules hing daneben und ein Paar neue Lederstiefel in seiner Größe befanden sich ebenfalls in dem begehbaren Schrank. Und dann hatte ihn seine Nase hinfort geführt, mit einem mutigen Sprung stürzte er sich lächelnd und aufgeregt durch die Wolkenschleier Hyrules. Es war sein erster Weg in die Welt Hyrule und dieser hatte ihn ausgerechnet zu den Gerudos geführt, dorthin, wo Hass und Zorn ihre Brutstätte besaßen… Mit einem sehnsüchtigen Blick, trat er auf eine teilweise zerrüttete Mauer, sein blondes Haupt empor gerichtet und der tapfere Blick der Heroen Hyrules spiegelte sich auf seinem frischen und unverbrauchten Gesicht. Er lächelte, weil er Leben und Stärke in sich spürte. Er lächelte, weil er mehr denn je spürte, dass er in kommenden Mission alles über seine Existenz lernen würde. Und er ahnte, dass nach jener Reise noch eine andere wichtige Aufgabe auf ihn wartete. Er war nicht nur ein verkorkstes Experiment der drei Göttinnen. Er war Link in einer neuen Form. Ein Gefühl der Sicherheit und ein wachsendes Selbstbewusstsein ließen ihn die Welt und ihre Herausforderungen mit anderen Augen sehen. Er würde nicht scheitern, nicht wenn er kämpfte. Sein Schicksal war es weiter zu gehen, etwas zu vollbringen, was der Titel „Held der Welten“ verlangte. „Allmählich beginne ich zu realisieren“, murmelte er leise, als er Navis Turnschuhe hörte. Sie kletterte ebenfalls auf die Mauer und wollte sich nach seinem Befinden erkunden. „Langsam begreife ich, dass diese Herausforderung und die Ängste, die ich habe, alle dazu bestimmt sind mich zu formen; und die Stärke in mir erwecken sollen. Seit wenigen Stunden fange ich an zu begreifen…“ Navi runzelte verwundert die Stirn. War das noch Klein-Link, mit dem sie hier sprach, inmitten der herzlosen und trockenen Wüstenlandschaft? Er redete, als wäre über Nacht eine Veränderung in ihm geschehen. „Hast du Fieber?“, war alles, was sie dazu sagen konnte Sie blickte ihn mit ihren giftgrünen Augen an und verglich seine Stirn mit ihrer eigenen. „Ich bin nicht krank, Navi.“ Entnervt verdrehte er seine Augäpfel und umfasste fest ihr Handgelenk, sodass sie von ihm abließ. „Was ist es dann?“ Ihre Augen wurden bissig und schlitzartig, vielleicht auch, weil sie sich Sorgen machte. „Etwas ist in mir erwacht, und ich kann es einfach nicht definieren“, versuchte er zu erklären. „Kennst du das Gefühl, wenn du am Morgen aufwachst und weißt, dass die Nacht etwas geschehen sein muss, aber du dich einfach nicht erinnern kannst?“ Navi seufzte und versuchte den Jungen eindringlicher anzuschauen. Es war, wie als wollte sie in seine Seele blicken. Ihre von Sommersprossen umgebenen Augen schienen immer größer zu werden. „Du bist schon wieder ein Stück gewachsen“, meinte sie entgeistert. Sie redete so laut, dass auch Lia und Velkan, die kalten Kaffee schlürften, zu ihnen beiden aufsahen. „Allmählich machst du mir Angst“, setzte sie hinzu. Er zuckte nur dämlich grinsend seine Schultern. Was sollte er auch dazu sagen? Er war ein Stückchen größer geworden, was dafür sprach, dass ihn irgendetwas auf noch ausstehende Kämpfe in den kommenden Missionen vorbereiten wollte. „Navi, das ist nun wirklich nicht so dramatisch“, meinte er und blickte verträumt über die mokkafarbenen Wellen der riesigen Wüste. „Ich werde bald finden, was mich vorantreibt und berührt“, flüsterte er leise. Und eine Sehnsucht, die Navi auch bei ihrem einstigen Schützling, dem Helden der Zeit, gespürt hatte, erschreckte sie in Klein-Links himmelblauen Augen. Es war ein Blick, den Link oftmals in der Gegenwart von Shiek oder Zelda zeigte. Und dieser Blick erschreckte sie… Ein Gefühl von Leere, Entfremdung und Ungebrauchtseins schlich sich näher. Wie oft hatte sie jene demütigenden Empfindungen in der Gegenwart Links aushalten müssen! Wie oft hatte sie sich als ein kleines, unbeholfenes Anhängsel betrachtet. Wenn sie für Links Sohn nun ebenfalls nur diese triviale Rolle einnahm, sie wusste, sie würde an diesen Gefühlen zerbrechen. Sie verkrampfte sich innerlich, atmete tief durch und wünschte sich, sie könnte den jungen Heroen, der vor ihr stand, irgendwie deutlich machen, was er in ihr auslöste. Aber wie sollte Klein-Link nur irgendwie verstehen und damit umgehen können, was sie beschäftigte? Er war vielleicht noch weniger als Link damals in der Lage zu verstehen, was im Seelenleben einer alten Fee vor sich ging. „Bitte…“, flüsterte sie. „Tu‘ nichts Unüberlegtes…“ Damit schloss sie die Augen und als sie sich umdrehte und die Mauer hinabkletterte, konnte der Junge für einen kleinen Augenblick Tränen glitzern sehen, die sich in der trockenen Luft und in sandigen Winden verloren. Erzürnt stapfte die Fee einige Meter weiter, weg aus der Reichweite von diesem Dummkopf Klein-Link und weg von diesen beiden Nebencharakteren Lia und Velkan. Es machte sie rasend vor Wut, dass sie in der Legende von Zelda nur diese dumme, lächerliche Rolle besaß. Und für Klein-Link, von dem sie dachte, er könnte sie vielleicht irgendwann verstehen, von dem sie dachte, dass er ihre Helferrolle mehr wertschätzte, auch von ihm würde sie enttäuscht werden. Er würde sich verlieben, das sah sie in seinen himmelblauen Augen. Und dieser Gedanke machte sie traurig... Sie hatte gehofft, dass, wenn sie ihm helfen konnte, dass sich ihre Verbitterung, die sie so oft überspielte, und ihre angestauten Hassgefühle gegenüber Link und Zelda eines Tages legen würden. Aber es half nichts, wenn Klein-Link den gleichen Weg einschlug. Es war nicht so, dass sie Link und Zeldas Sohn brauchte oder ihn für sich beanspruchen wollte. Die Verletzung, die tief in ihr steckte, drehte sich einzig um den Helden der Zeit, und jener wusste nicht einmal, was er damals in ihr zerstört und geraubt hatte. Sie schluchzte und stapfte wutgeladen weiter. Sie war nur eine kleine, billige Fee. Das war sie immer… und ihre Rolle im Leben Klein-Links erinnerte sie nur noch umso mehr daran. Sie war nur eine unbeholfene, unwichtige Fee! Mit salzigen Tränen in den Augen lief sie wenige Schritte aus den Gemäuern der alten Wüstenstadt hinaus und versuchte sich abzureagieren. Klein-Link konnte von seinem Beobachtungspunkt aus auch die einstige Fee beobachten und er empfand erneut dieses Mitleid, das sie vielleicht nicht verdient hatte. Mitleid… mehr war sein Herz nicht bereit für sie zu empfinden. Es war traurig und auch er realisierte, dass er Navi gegenüber etwas falsch machte. Sie war nicht nur sein Kindermädchen, sie war auch eine Freundin. Und sie war wichtig. Nur wusste Klein-Link eben nicht, dass er diese freundschaftlichen Gefühle ihr gegenüber irgendwie kommunizieren musste. Anders würde sie es vielleicht nicht verstehen. Seufzend blickte er in ihre Richtung und ahnte, dass Navis Sorgenpäckchen weitaus größer sein mussten als er geahnt hatte. Von seinem Aussichtspunkt entdeckte der werdende Heroe jedoch noch etwas anderes. Weit im Osten, geradeso, dass sein Auge es noch erblicken konnte, erhob sich eine sandfarbene Welle und stürzte tosend in ihre Richtung. Ein Sturm zog auf. Hastig sprang er von der zerrütteten Erhöhung und stolperte aufgeregt in Richtung der beiden Erwachsenen. „Östlich zieht ein gewaltiger Sturm auf“, rief er laut und deutete mit seinem Arm in diese Richtung. Velkan erhob sich und vergewisserte sich. „Okay, bloß keine Aufregung. Weglaufen können wir vor diesem Sturm nicht, aber wir können ihn überstehen“, sprach er ruhebewahrend und packte sofort eine große Plane aus seinem Rucksack. Er befestigte diese über den noch erhaltenen Steinmauern eines alten Schuppens, sodass sich darin ein Hohlraum bildete, der für sie vier durchaus ausreichend war. „Der Sturm erreicht uns in wenigen Minuten. Hol‘ Navi“, rief Velkan, der zusammen mit Lia die restlichen Sachen in den kleinen Raum trug. In Eile rannte der Junge aus der kleinen Stadt hinaus und sah seine Begleiterin an einer ausgedorrten Palme sitzen. Sie hatte ihre Arme verschränkt und schien den Wüstensturm nicht zu realisieren. „Navi!“, brüllte der Junge und packte sie an ihren Kinderarmen. „Bist du bescheuert, oder was? Du sitzt hier, während wir von einem Sturm überrollt werden!“ Er konnte und wollte einfach nicht verstehen, was mit ihr los war. Sie sagte nichts und schenkte ihm einen traurigen Blick, den er bei ihr noch nie gesehen hatte. „Was ist denn los?“, meinte er und ließ sogleich von ihren Armen ab. „Du bist ein dummes Kind, das ist los. Du verhältst dich noch ahnungsloser und dümmer als dein Vater…“, sprach sie leise und stieß ihn so stark zurück, dass er auf seinen Hintern fiel. „Ihr Helden seid doch alle gleich. Ihr seht nur die, die ihr begehrt oder liebt. Was andere für euch tun und getan haben, ist euch doch völlig egal. Das ist kein Edelmut. Das ist einfach nur erbärmlich!“ Klein- Link saß einfach nur da, spürte die Winde näher kommen, aber regte sich nicht. Er fühlte sich als hätte ihn Navi erneut in die Rippengegend geboxt, und ihn diesmal härter erwischt als sonst. Sie war verbittert und enttäuscht und er verstand den Grund dafür einfach nicht. Hatte er etwas falsch gemacht? Wutgeladen stolperte sie zurück in die Wüstenstadt und wenige Meter hinter ihr trat der junge Heroe auf seine Füße. In dieser Mission, so verstand er, war tatsächlich Platz für mehr als nur die Rettung der Erde und das Rufen der Helden Hyrules. Es war genug Raum, um sich selbst verstehen zu lernen, zu reifen, um sein Lebenselixier zu finden und es war auch Raum für die Überbleibsel einer grausamen Vergangenheit, wo viele Wesen verletzt wurden... Wenige Minuten später saß die kleine Truppe schweigsam, geschützt von Mauern zusammen, und hörte den Wind in einer gefährlichen Manie über ihren Köpfen hinwegbrausen. Navi saß ein wenig abseits und stocherte mit einem kleinen Stock in dem Sand herum. Sie zeichnete abstrakte Gebilde und vielleicht schämte sie sich auch gegenüber Klein-Link wegen ihres plötzlichen Gefühlsausbruchs. Das Kind der Götter war mit den Gedanken weit weg und er hatte Navis seltsame Gemütszustände schon wieder ignoriert. Er spielte mit dem ovalen Anhänger, auf dessen hölzerner Oberfläche eine Flöte eingraviert war, ja vielleicht eine Oboe. Er ließ das seltsame Stück ein wenig in seiner Hand pendeln und klappte erneut das kleine Gehäuse auf. Er besah sich die Noten einmal mehr, aber konnte einfach nichts damit anfangen. Ob er diesen Anhänger vielleicht in irgendeiner Mission jemanden geben sollte, der Oboe spielte? Vielleicht traf er jemanden, vielleicht irgendwann, in einem Hyrule, das ihm vertraut erschien, das ihn erfüllte… Klein-Links himmelblaue Augen beobachteten Velkan und Lia. Der Masterritter lehnte mit geschlossenen Augen an einer Mauer und schien zu dösen. Lia jedoch blickte ihn die ganze Zeit über an, studierte ihn, als konnte sie sich aus ihrem einstigen Liebhaber keinen Reim mehr machen. „Ich weiß, dass du mich beobachtest“, sprach der durchtrainierte Kerl dann, hob den Kopf ein wenig an und grinste auf eine Weise, die Lia die Röte ins Gesicht trieb. „Na und? Heißt ja nicht, dass ich es abstreite“, neckte sie. „Ich habe durchaus meine Gründe.“ Sie lächelte wissend und ein wenig heimtückisch. „Ich weiß genau, was du willst, wenn du mich studierst“, lachte Velkan dann und lächelte. „Okay“, murrte sie und in ihren tiefblauen Augen funkelte es. „Auch das streite ich nicht ab.“ Ein wenig verwundert über Lias weniger scharfzüngige Reaktion und der Tatsache, dass sie überhaupt so offen mit ihm sprach, richtete sich der Sohn Zeldas auf und studierte auch sie. „Wenn ich jetzt ungehobelt und arrogant wie immer darauf antworten würde, hätte ich diese Chance mich mit dir zu versöhnen wieder verspielt, nicht wahr?“ Sie verschränkte die Arme. „Wer sagt, dass ich mich mit dir versöhnen will.“ Sie protestierte, obwohl alles an ihr nach Velkans Aufmerksamkeit und vielleicht auch weiteren Gesten von ihm zu schreien schien. Der junge Mann blies einen Luftstrom an seinen Haaransatz und fragte sich, wie er wohl in korrekter und höflicher Art und Weise auf Lias Gezicke reagieren sollte. „Wenn ich wüsste, was du von mir erwartest, hätte ich das schon lange umgesetzt“, seufzte er, trat auf die Beine und legte ein Ohr an eine der vier Mauern, die sie umgaben. Er lauschte dem wütenden Gesang des Windes, spürte die Kälte des Sturmes und für ihn war das Gespräch gegessen. „Leute, wie ist das mit der Liebe?“, meinte Klein- Link dann und erhoffte sich wertvolle Antworten, vielleicht auch unterschiedliche Meinungen zu dem Thema. Denn Lia und Velkan beschrieben beide Liebe vielleicht mit anderem Inhalt und er, wo eine winzige Faser seines Herzens sich für das Thema anfing zu begeistern, wollte so viel wie möglich an Meinungen sammeln. Sicherlich, er wusste, wie Zelda und Link zu dem Thema standen. Für sie war Liebe ein unglaublich schönes Märchen, ein Traum, und sogar ein Geschenk. Sie liebten einander wie nichts anderes in der Welt. Aber nicht für jeden erfüllte sich Liebe auf diese Weise. Andere Gemüter, vielleicht modernere, vielleicht Wesen, die nicht so um ihr Liebesglück kämpfen mussten wie die Kinder des Schicksals, konnten die Einzigartigkeit und den Zauber an jenen wenigen Buchstaben gar nicht so wertschätzen… Lia und Velkan blickten das Götterkind an, als wuchsen ihm überdimensionale Ohren. Und Navi, auch sie hob ihren blonden Schädel etwas an und musterte ihn fahl. „Was ist Liebe überhaupt…“, setzte Klein- Link hinzu und hüpfte ebenso auf seine Beine. „Warum existiert sie für Geschöpfe von so vielen Welten?“ Velkan war der erste, der auf Klein-Links Frage reagierte. Er runzelte die Stirn und meinte banal: „Was soll Liebe schon sein, nichts weiter als eine biochemische Reaktion, die den einfachen Zweck verfolgt, dass wir uns vermehren.“ „Das so ein idiotischer, hirnverbrannter Kommentar nur von dir kommen kann, ist, bei Dinafa, echt nichts besonderes“, schimpfte Lia und richtete erneut einen zornigen Blick aus ihren tiefblauen Augen auf ihren einstigen Freund. „Dieser Kommentar ist nicht idiotisch, das ist alles, was hinter Wörtern wie Liebe und Leidenschaft steckt. Was denkt Ihr Frauen eigentlich immer über so etwas wie Unvergänglichkeit und Schicksal nach. Das ist zum Kotzen“, murrte er und hatte sich damit einmal mehr seinen Mund verbrannt. „Wenn ich neben dir sitzen würde, hätte ich dir dafür einmal mehr eine Ohrfeige gegeben, Velkan“, seufzte sie und widmete sich nun selbst Klein-Links Frage. „Hör‘ nicht auf seine Worte. Velkan war noch nie von ganzem Herzen verliebt, sonst wüsste er Liebe anders zu beschreiben.“ Doch das ließ er sich nicht so einfach bieten. Angestachelt stapfte er näher, packte Lia an ihren Armen und brüllte sie an: „So einfach stellst du dir das vor, was? Ist ja ganz einfach meine Unfähigkeit für Romantik damit zu begründen, dass ich unfähig bin mich zu verlieben. Und dabei hast du absolut keine Ahnung!“ Sie blickte ihn mit immer größer werdenden Augen an und hatte nicht mit so einem Angriff gerechnet. „Dein kleines Schädelhirntrauma hat mich fertig gemacht, ja nur, dass du es weißt! Ich war verdammt nochmal besorgt um dich und ich habe deine gemeinen und herausfordernden Kommentare langsam satt. Mag sein, dass ich nicht gerade der Gentleman in Person bin, aber ich bin kein Schwein. Und nur um es dir klar zu machen, denkst du, ich bin freiwillig mit euch dreien in der Wüste unterwegs? Ich tue das nicht aus Edelmut, so ein guter Mensch bin ich wirklich nicht. Aber ich habe meine Motive.“ Er schenkte ihr einen Blick, den sie noch nie bei ihm gesehen hatte. War es Enttäuschung? „Scheiße“, brüllte er, ließ Lia los und wand den drei Geschöpfen den Rücken zu. Navi und Klein-Link musterten den jungen Mann verwundert. Sonst wirkte er immer so kühl und fast so, als würde ihn überhaupt nichts aus der Bahn werfen können. Lias Unterstellung, er wüsste nichts über das Thema Liebe, war wohl doch zu viel für ihn. „Letztlich muss jeder Liebe für sich selbst definieren. Vielleicht findest auch du irgendwann eine Umschreibung für sie…“, murmelte Navi dann, um die unangenehme Stille zu vertreiben. „Auch ich habe eine Definition dafür… und für mich ist Liebe etwas unerreichbares…“, setzte sie hinzu. In ihren einsamen grünen Augen spiegelte sich eine Verletzung, die sie irgendwann einmal erfahren hatte… und Klein-Link hoffte, sie würde es ihm irgendwann erzählen können… Navi hatte es nicht leicht mit der Liebe, dachte Klein-Link und er ahnte, dass sein Vater in Navis Seelenleben einiges zerstört hatte. Wie und warum das so war, konnte er nur spekulieren. Aber er war nicht dumm. Und ihre Worte von vorhin hatten ihm mehr gesagt, als sie vielleicht wollte… In dem Augenblick hob Velkan die Plane über ihnen ein Stückchen an und staunte nicht schlecht über die klare, frische Luft, die ihm entgegen strömte. Er freute sich wie ein kleines Kind und lachte. „Der Sturm ist vorbei. Wir sollten dann weiterziehen.“ Seine Begleiter stimmten zu, doch ahnten nicht, dass der scheinbar harmlose Wüstensturm mehr mit sich brachte als frische Luft und Veränderung der rauen, trostlosen Landschaft… Und einmal mehr zogen die vier Wanderer weiter, ließen die entstandenen Fragen und Konflikte hinter sich. Sie marschierten inzwischen auf einer alten Steinstraße. Trockener Sand blies an ihnen vorüber und der feurige Himmelskörper, glühend und lebendig, ließ seine Strahlen ohne Gnade niederprallen. Navi lief inzwischen leicht abseits und hatte das Gefühl ihre Beine wollten sie nicht länger tragen. Sie war es nicht gewohnt solche Wege auf ihren klobigen Kinderbeinen zurückzulegen. Überhaupt war sie vieles in ihrem momentanen Körper einfach nicht gewohnt. Die Sonne blendete sie, als sie nach vorne blickte. Und für einen Sekundenbruchteil, für einen unwichtigen Moment, sah sie etwas aus ihren Augenwinkeln, das ganz lautlos an ihnen vieren vorüber zuziehen schien. Sie seufzte, blickte sich kurz um und fand die beruhigende Bestätigung sich jene Art Schatten nur eingebildet zu haben. Sie wühlte in ihrem Rucksack und suchte ihre Wasserflasche. Sie blieb nur kurz stehen, wollte sie doch den Anschluss an die anderen nicht verlieren. Aber sie musste sich jetzt einfach von ihrer Wasserflasche bedienen. In Seelenruhe schraubte sie den Verschluss ab, setzte die Wasserflasche an ihre trockenen Lippen und schmeckte genüsslich das kostbare Gut auf ihrer Zunge. Sie gähnte, wischte sich über ihre müden Augen und sah einmal mehr in Ruhe um sich. Sie konnte nichts Beunruhigendes entdecken und dennoch hatte sie das Gefühl, dass außer ihren Mitstreitern noch andere, unentdeckte Wesen hier entlang schlichen. Sie hatte sogar den Eindruck, der Boden unter ihren Füßen würde leicht vibrieren. In dem Augenblick drehte sich der junge Link in ihre Richtung und auch er schien ein wenig verunsichert zu sein, bis er niederkniete und seine bevorzugte Hand flach auf den Boden legte. Navi trottete zu ihm und murmelte: „Spürst du das auch?“ Er nickte bloß und schielte mit sorgenvollem Blick zu den beiden Erwachsenen. Lia hatte inzwischen jeweils eine Schusswaffe in ihren Händen und rief ihnen zu: „Etwas bewegt sich unter unseren Füßen entlang. Versucht still zu halten. Verhaltet euch leise.“ Nervös nahm Navi die moderne Armbrust in ihre Kinderhände und versuchte ihr eigenes ängstliches Zittern unter Kontrolle zu bringen. Klein-Link hatte sowohl rechts als auch links einen Dolch und wartete auf die Gefahr, die sich ihnen preisgeben würde. Die einstige Fee ahnte bereits, welche Kreaturen sich verborgen im sandigen Erdreich, in eigenem Schleim und fast leidenschaftlich, vorwärts bewegten. Sie ahnte um gigantisches Gewürm, welches sich nach rohem Fleisch verzehrte und sich in brütender Hitze nur umso schneller bewegen konnte. Schlangenartige, teuflische Kreaturen, die fast lautlos aus der Wüste herausschießen, ihre riesigen Mäuler über ihre Opfer werfen und ebenso oftmals lautlos im Sand verschwinden konnten. Und der Gedanke begann sie zu lähmen. Wie sollten sie zu viert mit einer Bestie aus Hyrules dunkelster Zeit fertig werden? Klein-Link blickte sich angstvoll um und spürte den Boden unter seinen Füßen mehr und mehr erzürnen. Es vibrierte so stark, dass er auf seine Knie sank. Er konnte an Navis Miene ablesen, dass die Bestie unter ihnen nicht leicht zu besiegen sein würde. Er konnte in Navis Augen lesen, dass sie genau wusste, welche Kreatur in wenige Sekunden aus dem Erdboden herausgeschossen kommen würde. Und er sah ihre Hilflosigkeit und die Gewissheit, dass weder sie noch er in der Lage waren mit diesem Ungetüm fertig zu werden. „Verteilt euch!“, brüllte Velkan. „Wenn wir alle auf einem Haufen hocken, freut sich der Wüstenkriecher umso mehr! Wenn wir uns verteilen, wird es die Bestie verunsichern!“ Als Velkan es aussprach, fühlte sich der Gedanke, dass sogleich ein Riesenwurm aus der Wüste herausschoss, erschreckender an als vorhin und der junge Link hatte das Gefühl seine Beine verwuchsen mit dem sandigen Boden. Das konnte doch nicht passieren, oder? Nicht ihm! Er hatte schon vorher seinen Mut getestet, er war sogar aus Leichtsinn bei dem König des Bösen herumgeschlichen und hatte sich ihm preisgegeben. Aber das war alles noch, als er nicht wusste, was Schmerzen sind und als er nicht wusste, was es bedeutete, zu leben. Im Augenblick allerdings spürte er Angst. Teuflische Angst um sein Leben und Angst zu versagen. Er sah seine Mitstreiter davon hetzen, sah selbst Navi ihre dicklichen Beine schneller bewegen als man es von ihr vermutete. Nur er. Er hatte das Gefühl, er konnte einfach nicht davonlaufen. Er konnte nicht mehr. Die Erkenntnis wie unwichtig und schwach er im Augenblick war, traf ihn mit einer gnadenlosen Wucht und der Gedanke daran unter den Heroen Hyrules schwach und talentlos zu sein, tat weh, tat unheimlich weh. Ja, er fühlte sich lebendig und verletzlich und vorhin noch spürte er die Tapferkeit der Helden Hyrules in sich. Nur konnte dieser Funken seines wahren Gesichts allein an einer sich nähernden Gefahr wieder vergehen? Er kam sich so unglaublich einfältig vor. Hatte er tatsächlich jemals geglaubt, er könnte nur ansatzweise so stark werden wie sein zukünftiger Vater? Hatte er sich tatsächlich eingebildet er konnte irgendwann einmal so kämpfen wie Link? Wie leichtsinnig und dumm war er gewesen seine kindlichen Kräfte so zu überschätzen… Der Boden vibrierte immer stärker. Es donnerte und krachte entsetzlich unter den Füßen der kleinen Truppe. Und mit tosendem Gebrüll, entsetzlich kreischend, donnerte eine gigantische Bestie aus dem Boden, wirbelte trockenen Sand meterhoch in die Lüfte und knallte mit schrecklichen Lauten nieder. Im Licht der glühenden Sonne schillerte der in Schleim getränkte Panzer der Bestie grünlich. Zwei scharfe, riesige Hörner schmückten den breiten, von Augen und Tentakeln besetzten Kopf, durch die sich die fleischverzehrende Bestie unter dem Leben entlang wühlte. Klein-Link blickte wie versteinert in die Höhe und wusste nicht, ob dieses Ereignis noch Realität oder vielleicht seine Einbildung war. Es kam sich vor, als träumte er und als wäre jeglicher Gedanke oder jegliche Bewegung, die er jetzt noch unternehmen könnte, belanglos. Er bestaunte nur voller Irrsinn und Entsetzen diese Kreatur, die so überwältigend groß war wie ein achtstöckiges Gebäude. War es überhaupt denkbar eine solche Kreatur irgendwie zu bezwingen? Völlig regungslos beobachtete er die Bestie aus Hyrules Urzeit und reagierte weder auf Navis noch auf Lias hallende Schreie. Die Bestie richtete sich auf und wirbelte einmal mehr sandige Wogen in die Höhe, erzeugte stürmische Wellen aus Gesteinsbrocken mit lärmenden Bewegungen und donnerte nur knapp vor den Füßen des Götterkindes nieder. Sie fauchte, schien als wollte sie ihn herausfordern und noch immer stand der Junge regungslos dort, und starrte in die schwindelerregende Höhe. Das Entsetzen stand in seinen Augen. Angst, die ihn förmlich umhüllte und der lähmende Gedanke, klein und unbedeutend zu sein. Die gigantische Kreatur näherte sich ihm, nur ihm. Der riesige Schädel sank nieder und das größte Auge an dem monströsen Kopf jener Bestie schien den Jungen zu mustern, war keinen Meter mehr von ihm entfernt. Das gewaltige Maul öffnete sich und ein schreckliches Fauchen donnerte aus dem Rachen, sodass es den Jungen mehrere Meter zurückschleuderte und es war da, das Klein-Link aus seiner Trance erwachte. Währenddessen sauste Lia gemeinsam mit Velkan näher. Der Sohn Zeldas nahm ein fast überdimensionales Schwert in die rechte Hand, von dem der junge Link nicht wusste, wie er jenes Gewicht tragen konnte. Lia katapultierte sich währenddessen in ihrer Shiekah-Kampftechnik wie wildgeworden auf den Rücken der Kreatur und feuerte ihre gesamte Munition in den gepanzerten Rücken des Wüstenkriechers. Und es zeigte Wirkung und was für eine Wirkung. Das gigantische Teufelsding brüllte entsetzlich und schlug dann wie wildgeworden um sich. Lia krallte sich mit aller Macht fest, und Velkan schien endlich seinen Auftritt zu haben. Mit rasendem Tempo und der modernen Klinge in den Händen verpasste er dem Riesenwurm an seiner empfindlichen fleischigen Seite einen tiefen Stich, der sich gewaschen hatte. In jenem Augenblick schwang Lia ihren durchtrainierten Körper hinab und zwinkerte ihrem einstigen Liebhaber zu. Die Bestie aber brüllte nur umso lauter und donnerte mit ihrem massigen Gewicht einmal mehr in die Höhe, ließ ihre scharfen Hörner arbeiten und knallte zischend zurück in den sandigen Untergrund. Navi im Hintergrund atmete tief durch und auch Klein-Link, der sich langsam wieder aufrappelte, dachte, dass dieser Kampf ausgestanden wäre. Seine himmelblauen Augen schillerten erleichtert, aber auch trübsinnig. Wenn Lia und Velkan dieses Vieh nicht von dannen gejagt hätten, Navi und er wären daran kläglich gescheitert. Einmal mehr wurde ihm bewusst, dass er außer einer großen Klappe, die er gegenüber dunklen Kreaturen riskierte und mit seiner Unfähigkeit für Emotionen, die normale Sterbliche sehr einfach lernten, nichts konnte… Und es war da, dass der Boden erneut vibrierte und ein weiterer Wüstenwurm den Angriff wieder aufnahm. Lia und Velkan waren beide so überrascht, dass sie zu spät handelten und es war da, dass sich die zweite Bestie mit reißendem Gebrüll auf den nachdenklichen, unschuldigen Jungen warf und ihn unter sich vergrub. Es verschlang ihn, noch ehe er zum Schrei ansetzen konnte und verschwand einmal mehr im sandigen Boden. Erst dann endeten die Erschütterungen und sowohl Klein-Link, als auch der Twinmold waren verschwunden… Ungläubig standen Klein-Links Mitstreiter in der kargen Wüstenlandschaft und wollten nicht begreifen, was innerhalb weniger Sekunden geschehen war. In Navis smaragdgrünen Augen sammelten sich Tränen... Sie hatte versagt… Kapitel 141: Ein Heroe, den die Zeit besiegte… Teil 10 ------------------------------------------------------ Die aufgewirbelten Sandfontänen legten sich langsam. Außer dem verächtlichen Rauschen des Windes und Navis leisem Schluchzen war in der Wüste kein Laut zu vernehmen. Sie sank auf ihre Knie und wühlte aufgeregt im Sand umher. Verflüchtigend rieselte der Sand zwischen ihren kurzen Fingern hindurch. Sie konnte nicht begreifen, dass sie in diesem Moment versagt hatte. Sie hatte ihren Schützling im Stich gelassen. Hätte sie überhaupt irgendetwas tun können? Velkan und Lia standen ergriffen neben ihr. Die Tochter Links ließ ihren hübschen Kopf hängen und auch sie schämte sich ein wenig dafür auf ihre Schutzbefohlenen nicht aufgepasst zu haben. Velkan legte einen Arm um ihre Schultern und murmelte: „Er hat noch immer eine Chance... selbst im Magen jener Kreatur. Gebt nicht so schnell auf. Ich denke, er ist ein Nachfahre des wahren Helden. Und gerade jene Helden entwickeln doch in den Momenten der dunkelsten Gefahr eine immense Kraft und beispiellosen Mut, welche ihnen helfen selbst ausweglose Situationen zu meistern. Noch besteht Hoffnung...“ Lia blickte überrascht in seine silbergrauen Augen. Er hatte noch nie dergleichen gesagt. Sie lächelte leicht. Vielleicht hatte er sich doch ein wenig verändert. Dann zog er Navi auf die Beine. „Er ist nicht tot, okay? Und jetzt steh' auf und verzweifle nicht. Das würde ihm auch nichts nützen.“ Die einstige Fee zog ihre Nase nach oben und nickte. „Und was sollen wir jetzt tun?“ Wenn sie sich nicht auf den Weg machen würden, könnten sie Lias Vater nicht finden. Allerdings nutze es Navi für die weitere Mission nichts, wenn Klein-Link nicht da war. Er trug das Medaillon. Nur sein Blut führte sie in den Weltengefilden vorwärts. Wenn sie ihn nicht finden konnten, wäre sie für ihre restliche Lebenszeit in diesem Hyrule gefangen. „Die Frage danach, was wir jetzt tun, stellt sich nicht mehr“, murrte Velkan und zog erneut sein verheerendes Stahlschwert. Sein Blick richtete sich in den sonnenroten Westen, wo sich viele schwarze Punkte in hoher Geschwindigkeit in ihre Richtung bewegten. Navi stolperte einige Meter nach hinten und krallte ihre dicklichen Kinderfinger in das moderne Armbrustgerät. ,Nicht schon wieder‘, dachte sie. ,Nicht schon wieder ein Angriff!‘ Aber sie konnte das, was vom Schicksal festgelegt wurde, nicht verändern. Sie hatte keine Wahl als das durchzustehen, was die Göttinnen von ihr erwarteten… „Es wird uns nichts bringen wegzulaufen, dafür sind unsere Verfolger zu schnell“, rief Lia und hielt ihre Waffen angriffsbereit. Die schattenhaften Punkte näherten sich immer mehr und waren nun inmitten der heißen Wüste deutlicher zu erkennen. … „Was sind das überhaupt für Kerle?“, rief Navi. „Das sind Mitglieder der Hyl Moblina“, erwiderte Lia. Und je näher die Angreifer kamen, umso deutlicher war zu erkennen, wie gefährlich, kampfbereit und gut ausgerüstet jene dämonischen Ableger waren. Sie bewegten sich auf Motorrädern mit High-Tech-Computern und den neusten Maschinengewehren ausgestattet. Die MGs waren direkt an der Front der Motorräder befestigt, wo das Metall nahtlos ineinander überzugehen schien. Die Moblins selbst waren weit entwickelt, weiter als Navi es gedacht hätte. Von ihrer Körperstatur ähnelten sie beinah den Hylianern. Einzig ihre Haut, die teilweise von schwarzen Kampfanzügen bedeckt war, und ihre teilweise erschreckenden Fratzen erzählten von ihrer verruchten Herkunft. Noch bevor die kleine Truppe Helden reagieren konnte, eröffneten die Moblins das Feuer. Lia handelte schnell, stieß Navi zu Boden und wich in ihrer Shiekahkampftechnik den Projektilen aus. Velkan ließ das monströse Schwert in seiner Hand mit Leichtigkeit spielen und zerteilte die ihm entgegen kommenden blutgierigen Kugeln als bestünden jene aus Watte. Und obwohl sich Lia und Velkan beide gut verteidigen konnten, ahnten sie angesichts der Überzahl der Gegner und mit der schutzbedürftigen Navi im Schlepptau sich in dieser Auseinandersetzung nicht so einfach aus der Affäre ziehen zu können. Als sich die ersten Dämonenableger näherten, ließ Velkan das mächtige Schwert geschwind und gnadenlos niederkrachen, sodass der Boden bebte und eine Sandwehe die Angreifer von ihrem fahrbaren Untersatz schleuderte. Lia griff ohne zu Zögern zwei der Dämonen an, schwang sich rasant näher und durchschnitt noch im Sprung die Kehle eines Moblins. Der andere fiel durch Lias Pistolen. Velkan brannte in einem Kampf mit einem gut ausgebildeten schwertschwingenden Dämon. Navi war verblüfft, wie schnell und auf welche strategisch ausgefeilte Weise der Sohn Zeldas mit seiner Waffe umgehen konnte. Und wie gewandt und spektakulär er auf die Hiebe des Feindes reagierte. Und es dauerte keine zwei Minuten, dass der Moblin, besiegt von Velkan, mit totem Blick auf dem Boden lag. Den nächsten Vorstoß der dämonischen Soldaten überstanden Velkan und Lia nicht mehr so einfach. In etwa zehn Moblins näherten sich mit rascher Geschwindigkeit und es schien als änderten sie ihre Strategie. Anstatt die gutausgebildeten Kämpfer anzugreifen, konzentrierten sie sich nun auf ihre Schwäche. Und der schwache Punkt war nun mal Navi. Sie umzingelten die kleine Gruppe, bis ein Moblin von seiner Maschine sprang und sich auf die geschockte Navi stürzte. Zähnefletschend setzte er ihr seine Knarre an die Stirn und zwang sowohl Velkan, als auch Lia zum Aufgeben. „Wagt noch einen Schritt und ich knall‘ die Kleine ab.“ Navi war zu entsetzt um sich zu wehren, hatte in ihrem derzeit kindlichen Körper ohnehin keine Chance sich dem Angreifer zu stellen und verhielt sich still. Lia war die erste, die ihre Waffen fallen ließ. Und Velkan tat es ihr wenige Augenblicke danach gleich. Es war zu spät. Ihre Tarnung war aus irgendeinem Grund aufgeflogen. Alle drei wurden in Fesseln gelegt und zu einem Versteck der Hyl Moblina gebracht… Währenddessen setzte im Körper eines einzigartigen Jungen das ohnehin so verunsicherte und schwache Herz zum Schlagen aus. Manchmal fühlte er sich zu sterblich und zu schwach, als dass er nur eine wertvolle Mission zum Ende führen konnte. Und manchmal fühlte er sich fast unsterblich, als wäre es nicht nötig einen einfachen Atemzug zu nehmen, als müsse er nicht schlafen, als müsse er nicht essen, sondern verweilte einfach nur in jenem einzigartigen Zustand, den er auch im Augenblick spürte. Er wusste nicht einmal, warum er so etwas wie Erinnerungen besaß. War er nicht nur ein Experiment, ein gigantischer Zellhaufen, ausgestattet mit den besten Fähigkeiten von zwei besonderen Wesen? Und manchmal, wenn ihn diese Gedanken verfolgten, zweifelte er an dem, was er im Moment war, zweifelte daran, ob er überhaupt lebte und ob das, was er in diesen vielen Welten erreichen konnte, jemals wirklich existierte. Die Veränderungen, die er mit seinen jetzigen Händen erschuf, konnten jene nur ansatzweise bestehen bleiben? Lebte er denn mit all den schlechten und erfreulichen Eigenschaften, die ein Mensch sein mit sich brachte? Wie oft hatte er in seinem kindlichen Körper schon die Augen geschlossen und sich gefragt, warum er wieder aufwachte. Wie oft hatte er sich gefragt, warum sein Bewusstsein überhaupt abgeschaltet wurde und welchen Sinn es machte, dass er wieder aufwachte. Sein Lebenssinn fehlte… er fehlte jämmerlich… Er wollte seine Augen nicht öffnen, dafür fühlte er sich einfach zu schwach und zu wertlos. Er erinnerte sich an die wenigen Minuten vorher, an die höllische Kreatur, die ihn mit Leichtigkeit überwältigt hatte. Und er konnte einfach nichts tun, er war wie gelähmt, war nicht in der Lage seinen Dolch zu ziehen und die Kreatur zu verletzen. Wie sollte er mit diesem mangelnden Heldenmut und dieser Feigheit zu töten jemals erstarken. Er wusste, dass er eigentlich tot sein musste. Er spürte seinen Körper im Augenblick nicht, nur Scham… Unter seinem leisen Wimmern und Winseln, schien es ihm als hörte er Schritte. Ein leises Tap Tap, das ihn verwunderte und für einen Augenblick aus seinen Gedanken riss. Und es war dann, dass ihm in der Finsternis seines eigenen Bewusstseins, in der Dunkelheit, in die er sich selbst eingesperrt hatte, jemand erschien. „Öffne deine Augen… Öffne deinen Verstand“, murmelte eine tiefgehende Stimme, die auf Schlachtfeldern gewaltig und drohend klingen konnte. Dann spürte er eine kräftige Hand auf seiner Schulter, die ihn fest umfasste und vielleicht an etwas erinnern wollte. An Stärke und die Fähigkeit niemals aufzugeben. Als Klein-Link seine Augen öffnete und ihm ein mutiges Lächeln entgegnete, hatte er für einen kurzen Moment das Gefühl das kalte Herz in seiner Brust setzte zum Schlagen an. Jemand war bei ihm in jener scheinbar unendlichen Dunkelheit seiner Gedanken. Jemand schien immer ein Auge auf ihn zu haben und über ihn zu wachen. Und dieser Jemand bedeutete ihm mehr als alle anderen. Allein diesen Menschen zu sehen, dieses muterfüllte Lächeln zu entdecken, und seine Kämpfertugenden zu spüren, schienen die Zweifel in Klein-Links Herzen zu löschen. Er packte den Jungen an seinen Oberarmen und zog ihn auf die Beine. Der Mann ihm gegenüber wirkte so stark und erfahren, als wäre er mehr als nur der einstige Held der Zeit. Eine weiße Tunika aus teurem Stoff mit silbernem Saum zierte seinen Körper. Er hatte ein ungewöhnlich reichlich verziertes Schwert, nicht am Rücken, sondern an seinem Gürtel geschnallt und ihm fehlte die Mütze. „Was machst du hier?“, murmelte Klein-Link und erinnerte sich im selben Augenblick an seine Zweifel. Wenn Link, der Held der Zeit, hier war, warum konnte er die Aufgabe durch die Welten zu reisen nicht einfach übernehmen? Er war dafür besser geeignet als er. Er war wesentlich mutiger und kampfbereiter als er es jemals sein konnte. „Das nenne ich ja mal eine schöne Begrüßung“, sagte er missmutig und schüttelte seinen Schädel. „Bist du hier, weil du von mir enttäuscht bist?“ Klein-Link konnte sich nicht vorstellen, dass er ausgerechnet in der Stunde seines Versagens Anteil nehmen wollte. „Ist das nicht etwas zu einfach?“, meinte er und kniete nieder. Er hatte zwei, drei frische Narben in seinem Gesicht, die der Junge bisher nicht kannte. Und in seinen tiefblauen Augen erschloss sich dem Götterkind mehr Lebenserfahrung und Weisheit. „Ich bin gewiss nicht hier in deinem Unterbewusstsein um dich zu bestrafen. Du bist ein Teil meiner Welt und mir genauso wichtig wie Zelda…“, sagte er leise. „Ich bin hier, weil ich dir etwas klar machen muss und vielleicht muss ich etwas tun, wovor ich mich auch gefürchtet habe…“ Er wand ihm den Rücken zu, hob seine linke Hand und dort unter seinem knirschenden Lederhandschuh begann etwas zu funkeln. Golden und rein. Fast reinigend erhellte die alte Macht die Finsternis in Klein-Links Seelenkerker. Er trat einige Schritte und die Spur der goldenen Macht blieb erhalten. Und dort wo der Schatten vor dem Licht floh und sich Nichts in Schönheit verwandelte, begann das Leben. Ein goldener Schmetterling folgte der Spur des Lichts und überall dort, wo er entlang flog und schwebend, fast magisch, seine zarten Flügel schwang, erhoben sich aus der Finsternis Farben und Formen. Es dauerte Bruchteile von Sekunden und der Junge stand inmitten einer blühenden Wiese. Ein leicht salziger Wind wehte und ließ das nahe Meer erahnen. Und weit im Hintergrund, verschwommen, aber noch sichtbar erhoben sich mehrere stolze Gebirge. „Mittlerweile kann ich das Fragment kontrollieren“, sprach Link und ließ sich entspannt und lächelnd auf die Wiese sinken. Er streckte alle Viere von sich und blickte in die Weiten des blauen Himmels. „Wo sind wir?“ „Nun, auch das ist ein Teil deines Bewusstseins. Irgendwann wirst du hier zuhause sein“, sprach Link und schloss seine Augen. „Zuhause…“, murmelte das Götterkind ungläubig und ließ sich neben seinem großen Vorbild auf der Wiese nieder. Auch dem älteren Heroen sprang ins Auge, dass sich Klein-Link verändert hatte. Er selbst merkte es vielleicht nicht, aber sein Körper alterte, und er wuchs an seinen Erfahrungen. Erfahrungen, die Link ihm nicht abnehmen konnte, die er alleine meistern musste. „Sicherlich wirst du ein Zuhause haben… eines Tages… ein gutes Zuhause“, meinte Link und lächelte erneut. „Du wirst aber gewiss nicht hier sein, um mir zusagen, wie meine Zukunft aussieht, habe ich Recht?“, sprach Klein-Link. Seine himmelblauen Augen spiegelten sich in den tiefblauen des Erwachsenen, als er ihn anblickte. „Nein… Deinen misstrauischen Scharfsinn hast du von Zelda, womit wir beim Thema wären…“ Und der Held, der über Zeiten gebieten konnte, sprang auf seine Füße. Stolz und erhaben stand er dort. Sein Haupt in die Höhe gerichtet. Seine edelmütigen Ziele klar und spürbar. Klein-Link fragte sich, ob er als Held der Welten jemals so wirken würde. „Wofür werden Legenden geboren… wofür lohnt es sich die Vergangenheit zu erinnern und zu loben…“, sprach der Heroe. „Wofür kämpfen wir, wenn nicht für unsere Zukunft und für die, die diese Zukunft gestalten.“ Sein Blick glitt in Richtung des Meeres und einmal mehr bildete sich in den feinen, charakteristischen Zügen seines Gesichts dieses befreite, unglaublich zufriedene Lächeln. „Ich habe einst für diese Welt gekämpft und nicht nur für sie, sondern auch für die Menschen, die ich beschützen wollte, bis ich realisierte, dass ich einige von ihnen nicht immer beschützen kann. Ich kann nicht immer für meine Nachfahren da sein, ich kann ihnen die harten Aufgaben, die unsere Götter an sie richten, nicht abnehmen. Es war Zelda, die mir das Verständnis dafür, dass ich Vertrauen in zukünftige Generationen haben muss, schenkte. Und ich begann vor nicht allzu langer Zeit zu begreifen, dass ich auch dich nicht vor deinem Schicksal bewahren kann…“ „Mein Schicksal…“, flüsterte der Junge und blickte zu Boden. Er beobachtete schwarze, schillernde Käfer, die an den Grashalmen zu wippen schienen. War sein Schicksal denn von Bedeutung? Vielleicht schaffte er es irgendwie durch diese Dimensionen zu reisen, aber was dann? Würde er den Sinn dafür finden, dass er auch nach dieser Mission weiterkämpfte? „Was ist mein Schicksal schon… ich bin noch nicht einmal ein Mensch. Mir fehlen jegliche Grundsätze von so etwas wie Menschlichkeit. Ich habe keine gewöhnliche Entwicklung, ich bin nicht einmal real. Manchmal verblasse ich einfach. Die Fähigkeiten, die ich besaß, sind allesamt verschwunden. Ich habe seltsame Anwandlungen, in denen ich mich selbst verletze. Nennst du das Schicksal?“ Und es war vielleicht das erste Mal, dass diese Zweifel aus Klein-Links Mund herausbrachen. Er war den Tränen nahe und vielleicht zum ersten Mal ansatzweise ehrlich mit sich selbst. Er fühlte sich leer, unvollkommen und extrem schwach… „Ich bin schlichtweg allein und fehlerhaft, wie kann jemand wie ich wichtig sein und ein großes Schicksal haben…“, winselte er. „In den bisherigen Missionen war stets jemand da, der mich aus der Patsche gebracht hat. Aber was ist in anderen Welten? Du weißt doch überhaupt nicht, wie sich Schwäche anfühlt. Du bist immer stark, du bist immer mutig!“ Klein-Link brüllte regelrecht und spürte den Wunsch seinen gesamten Zorn an seinem Gegenüber auszulassen. „Du bist allein deshalb schon wichtig, weil Zelda und ich dich lieben… Und auch ich hatte Zweifel und war oft genug mit meiner eigenen Schwäche konfrontiert…“ Und Klein-Link verstummte, als Link ihm eine Hand auf den blonden Schopf legte und tröstete. „Du bist stark, du hast diese Stärke in dir nur noch nicht wachgerüttelt.“ „Weil diese Stärke nicht da ist!“, schmollte er und drehte seinem Vorbild den Rücken zu. „Ich kann das einfach nicht. Ich schaffe das nicht.“ „Das heißt also du willst aufgeben?“, seufzte der Held der Zeit. „Du willst weglaufen wie ein Feigling? Und es würde heißen, dass du mir nicht vertraust. Denn gerade ich weiß, dass du kämpfen kannst, dass du Potential hast. Du bist schließlich mein Kind…“ Noch nie hatte es jemand so deutlich ausgesprochen. Nicht für den Jungen, der sich immer wünschte ein Zuhause und Eltern zu haben. Und er hätte nicht erwartet, dass Link es aussprach. Verdutzt drehte sich das Götterkind wieder in seine Richtung und wischte sich die Verzweiflungstränen von den Augen. „Ich vertraue dir…“, sprach Link. „Mehr als sonst jemanden. Und weil du mir wichtig bist, das ist einer der Gründe, weshalb ich hier bin. Weder Zelda noch ich würden dich alleine lassen.“ Er grinste dann verschmitzt. „Und jetzt sollte ich aufhören so rührselig zu sein, nicht?“ Klein-Link lachte auf und nickte ihm entgegen. „Du versprichst immer für mich da zu sein?“, flüsterte der Bengel fragend. „Das habe ich schon lange versprochen.“ Eine Pause entstand. Der erwachsene und gereifte Held der Zeit richtete seinen Blick gen Ozean:„Durch Zelda weiß ich, dass du kämpfen lernen musst. Du musst genau das werden, was ich im Augenblick bin. Werde ein Kämpfer. Werde ein Held. Nur dann kannst du dein Schicksal finden.“ „Das will ich ja auch… es ist nur…“, stammelte der Junge und nahm an seinem Ausblick teil. „Du hast Angst davor zu töten“, sprach der Erwachsene für ihn, lief wenige Schritte und warf einen Stein über die Klippen. „Das ist der zweite Grund, weshalb ich hier bin. Ich kann es dir nicht abnehmen zu töten. Aber du musst es lernen und ertragen… und zwar jetzt!“ Link winkte ihm zu, worauf der Junge folgte. Es dauerte nicht lange und sie standen beide an gewaltigen Klippen mit rissigen und gefährlichen Felsvorsprüngen. Das salzige, schäumende Wasser schlug mit heftigem Tosen gegen das Gestein. Ein kalter Wind blies ihnen entgegen. Klein-Link musste sich entscheiden. Und sein erster Schritt würde ihn dorthin führen, wo er seinen Mut auf erschreckende Weise austesten sollte. „Folge mir“, sprach der Held der Zeit und stürzte sich augenblicklich zum Entsetzen des Götterkindes in die waghalsige Tiefe. Klein-Link trat sofort näher und vergewisserte sich, dass seinem Vorbild nichts geschehen war. Er blickte mit geweiteten Augen hinab zu den steilen und riskanten Felsvorsprüngen, aber konnte den Heroen nirgendwo ausmachen. ,Okay‘, dachte der Junge. Er sollte ihm folgen, nicht wahr? Er trat noch einmal einige Schritte zurück, kniff seine Augen zusammen und rannte panisch und schreiend auf den Abgrund zu. Seine Beine trugen ihn, bis er den Boden unter seinen Füßen nicht mehr spürte. Aber er fiel nicht. Seine himmelblauen Augen strahlten vor Entzückung und Aufregung, als er unter sich weichen Erdboden spürte. Die Szenerie verwandelte sich erneut und er stand neben seinem möglichen Vater inmitten der Wüste. Ein Ort, der ihn inzwischen irgendwie bedrängte und Angst einjagte. Gerade hier hatte er versagt. Gerade hier scheiterte er, weil er zu feige war zu töten. „Du weißt, weshalb wir an diesen Ort geführt wurden, nicht wahr?“ Der Junge nickte fahl und erkannte jenen Ort als Teil seiner Erinnerungen. Er war hier gewesen, nahe der sandüberladenen Steinstraße, zusammen mit Lia, Velkan und Navi. „Ich ahne es“, sprach der Junge und seine Erinnerungen wurden lebendiger als zuvor. Er spürte das, was mit ihm geschehen war noch einmal, spürte Schleim, hatte das Gefühl nicht mehr atmen zu können und fiel letztlich im Magen jener Kreatur in eine tiefe Bewusstlosigkeit. „Ich fühlte mich wie gelähmt, selbst im Inneren der Kreatur, obwohl ich zwei Dolche besitze, mit denen ich kämpfen könnte. Warum passiert ausgerechnet mir das…“ Link blickte ermutigend zu ihm. „Es ist niemals leicht sich zu entscheiden einer Kreatur den Tod zu bringen. Hast du tatsächlich angenommen, das geht so einfach und hinterlässt keine Spuren in deiner Seele?“ Mit großen Augen erwiderte der Junge Links Blick. „Heißt das, auch du hast dich geschämt in deinem allerersten Kampf?“ Link lachte halbherzig. „Es wäre schlimm für mein Seelenheil, wenn ich so grausam und kalt wäre, mich für den ersten Mord nicht zu ahnden… selbst Ganondorf zu töten, ist nicht ohne Kratzer an meiner Seele an mir vorbeigegangen. Ich habe keinen Kampf vergessen… Ich höre heute noch den Todesschrei der Kreaturen, die durch meine Klinge gefallen sind…“ „Das wusste ich nicht.“ Und der vielleicht zwölf Jahre alte Bengel senkte den Kopf. „Man weiß erst dann, wie schwer das Schicksal ist, das auf Helden lastet, wenn man es selbst erlebt hat…“ „Wolltest du jemals weglaufen?“ Und Klein-Link traute sich fast nicht mehr aufzusehen. Wie konnte er nur jemals denken, dass es für den Heroen der Zeit leicht war? „Sicherlich…“ Obwohl sich ihr Gespräch in so trübsinnige Bahnen lenkte, bildete sich auf dem ansehnlichen Gesicht Links ein befreiendes Lächeln. „Aber ich habe es immer gemeistert. Und auch du wirst deine Prüfung meistern.“ Er lief einige Schritte und einmal mehr funkelte das Fragment des Mutes auf seinem linken Handrücken. Eine grünlich schillernde Wand bildete sich halbkreisförmig um Klein-Link, sodass er eingekesselt war und nicht weglaufen konnte. „Vertrau‘ mir“, murmelte der Erwachsene noch und mit einem Mal vibrierte genauso wie vor wenigen Minuten in der Wüste der Boden. Erschrocken taumelte der Junge umher, rannte fast panisch an die grünlichschillernde Scheibe und starrte seinem zukünftigen Vater in die Augen. „Sei tapfer! Sei stark! Du hast alles, was du brauchst um dich zu verteidigen.“ „Aber ich kann es einfach nicht! Wie soll ich gegen ein Monster antreten?“ Link außerhalb senkte den Schädel und schüttelte dann seinen Kopf. „Besinne dich darauf, wer du bist, du hast schon einmal deinen Mut spielen lassen… erinnere dich.“ Er hatte Recht… Während Zeldas und Links langer Reise hatte er mehr als einmal Dinge getan, die fast schon leichtsinnig und übermütig waren. Er war sogar im Versteck des Großmeisters des Bösen herumgeschlichen, hatte ihn beleidigt und dabei mehr als nur seine Existenz in Gefahr gebracht. „Du kannst das. Du wurdest geboren um irgendwann Hyrule zu retten, also kämpfe!“, sprach Link und verschränkte seine Arme. Er nickte noch einmal und stand dann abwartend außerhalb. Der junge Link, der auf eine neue und verwirrende Weise erfahren würde, dass er genau das war, was sein Name verriet, atmete pfeifend und erkannte in dem mutigen Lächeln seines Vaters das Vertrauen erweckende Funkeln. Er verstand, dass er sich in ihm spiegeln würde, dass er genau das sein würde, was er war. Er war Link, weil der andere schlief… Er sog die Luft ein weiteres Mal fast quälerisch in seine jungen Lungen und umfasste beide Dolche mit energischem Griff. Es war Zeit, dass er aufwachte. Und es war Zeit, niemand anderer als der eine Link zu werden… Währenddessen wurden Navi, Lia und Velkan, allesamt gefesselt und mit staubigen, kratzenden Decken über den Köpfen gestülpt in ein geheimes Versteck der Hyl Moblina gebracht. Sie wehrten sich alle drei selbst dann noch, als man sie in eine Zelle sperrte. Erst dann lösten sich die Fesseln wie von Feenhänden in Luft auf. Lia war die erste, die aufmüpfig wie sie eben war, die Stahlstäbe der Zelle umfasste und laut fluchend und schmutzige Wörter in den Mund nehmend auf sich aufmerksam machte. Auch Velkan trat lästernd an die Stäbe und schickte der verängstigten und sich ohnehin verantwortlich fühlenden Navi vorwurfsvolle Blicke entgegen. „Wegen dir stecken wir hier fest, dumme Göre. Hättest du von dieser Kinderarmbrust nicht ausnahmsweise einmal Gebrauch machen können?“ Er war tierisch sauer, vor allem, weil er es sich als Masterritter niemals erlauben wollte von solchem stinkenden Gesöff besiegt zu werden. Wie konnte er nur jemals so verdammt hilflos sein! Das passte ihm ganz und gar nicht. „Entschuldigung, dass ich in diesem Kinderkörper feststecke, ich habe mir das nicht zwangsläufig ausgesucht!“ Sie brüllte nun auch und trat dem Erwachsenen gegen das Schienbein. Velkan kreischte auf, verlor beinahe jeden Anstand und wollte das aufmüpfige Mädchen erwürgen, besann sich aber dann auf seine Manieren. Er grummelte irgendetwas vor sich hin und trat schließlich in den hinteren Bereich der Gefängniszelle. Erst dann bemerkte er, dass sie drei in der Zelle nicht alleine waren. Irritiert trat er näher und sah ein paar tiefblaue Augen aus der Finsternis des Kerkers heraus blitzen. „Deine Fähigkeiten haben ziemlich nachgelassen, Velkan“, sprach die noch unerkannte Gestalt, lachte dann und erhob sich. Wie vom Blitz getroffen tapste auch Lia in Richtung der verhüllenden Person. Es schien, als hätte sie jegliche Sprache verloren. Und auch Navi verlor ihre Worte im Mund, als sich ein älterer und lebenserfahrener Mann preisgab. Ein verdreckter, zerschlissener Mantel umschmeichelte seinen mittlerweile dürren, von der Gefangenschaft gekennzeichneten Körper. Er humpelte etwas, was vermuten ließ, dass er einige Verletzungen an seinem Körper trug, die schlecht geheilt waren. Sein graues, fettiges Haar war offen und beinah kinnlang. Getrocknetes, altes Blut benetzte seine Stirn und hing an seinen Lippen, welche von einem unsauber gewachsenen, teilweise grauen Bart umrahmt waren. Und seine Gesichtszüge erzählten von der bitteren Realität in Gefangenschaft. Er war gekennzeichnet von den letzten gefährlichen und herben Wochen. Und dennoch bildete sich ein leises Lächeln auf seinen charakteristischen Gesichtszügen. Ein Lächeln, das vor allem Lia traf. Kopfschüttelnd trat sie näher, sprach kein Wort und umarmte den einzigartigen Menschen, der ihnen hier Gesellschaft leistete. Sie umarmte ihren Vater herzlich… In diesen Minuten träumte Klein-Link noch immer fernab der Realität und schwamm auf einer Bewusstseinsebene, die nur ihm Zugang ermöglichte. Und auf dieser Ebene würde er den Kampf führen der notwendig war, und etwas tun, was er seiner schicksalhaften Aufgabe schuldig war. Er öffnete einmal mehr seine Augen dort, wo Sandstürme tobten und hielt tapfer beide Dolche in seinen Händen. Ganz sorgfältig, sich herantastend setzte er einen Fuß vor den anderen und beugte seine Knie ganz leicht. In einer gut bedachten Angriffshaltung würde er dem begegnen, was er töten musste. Für einen Beweis an das Schicksal, an seinen Vater und einen Beweis an sich selbst… „Bewahre Ruhe. Besinne dich auf die Fähigkeiten, die nur einem Helden zuteilwerden. Spüre deinen Gegner“, sprach sein zukünftiger Vater sanft und bestärkend. Und Klein-Link wartete gefasst, versuchte seine Augen spielen zu lassen, seine Ohren zu spitzen, seinen Tastsinn weiter zu strecken, als es seine Haut zuließ. Er versuchte seinen Feind zu spüren, dort in den sandigen Böen, dort, wo er atmete. Noch immer in der Angriffsposition rückte er näher, Zentimeter um Zentimeter, besann sich auf seinen Mut, den er schon so oft gezeigt hatte. Er erinnerte sich, dass er kämpfen konnte, er erinnerte sich, dass er klug war, dass er Link und Zelda so oft unterstützt hatte. Und als er etwas spürte, den Klang des Lebens unter seinen Füßen, ein Vibrieren, so undeutlich und fast unwirklich, reagierte er gewandt, rollte sich mit beiden Dolchen über den Boden und ging wenige Meter weiter erneut in jene Angriffshaltung. Und es war Sekundenbruchteile später, dass an jener Stelle der Boden nachgab, sich ein kleiner Strudel bildete und flugs, zänkisch, zwei hornartige Scheren gefolgt von einem vielleicht zwei Meter langen Körper herausgeschossen kamen. Es wand sich und fauchte, seine scharfen Scheren klirrten und zappelten. „Sehr gut. Nun mache dich bereit für deinen ersten Schlag. Und bedenke, wenn du diesen Wüstenwurm töten kannst, besiegst du auch den Großen in der Realität“, ermutigte der Held der Zeit außerhalb. Klein-Link befehligte seinen Augen das mordlüsterne Ungetüm zu beobachten. Er befahl seinen Sinnen sich zu schärfen, befahl seinem Herz Ruhe und Mut. Die Bestie zappelte aufgeregt, wühlte sich einmal mehr in den Erdboden und tobte mit hoher Geschwindigkeit hinter dem Rücken des Jungen aus dem weichen, heißen Sand heraus. Seine scharfen Reißzähne klapperten bedrohlich. Sein grünes, leuchtendes Auge blitzte, bis sich das Götterkind rasch zur Seite warf. Während er fiel und seine Sinne noch immer scharf und wachsam, pfefferte er einen der Dolche zielstrebig und seine Chance witternd in Richtung der Bestie. Die Waffe verfehlte den Kopf des Monsters um Haaresbreite, prallte an einem seiner Hörner ab, aber verletzte den Wurm mit einem langgezogenen, nicht allzu tiefen Schnitt am Rückgrat. Fauchend verschwand der Dämon einmal mehr im Erdboden, durchstieß Erdschichten, rammte an Gestein und ließ den Boden aus Wut erschüttern. „Das war gut, aber unüberlegt“, sprach Link außerhalb und schien den Jungen mit seinen tapferen, tiefblauen Augen zu durchbohren. „Handle bedachter, und nicht zu voreilig.“ Klein-Link nickte ihm zu, dachte aber gleichzeitig, dass er außerhalb wirklich leicht reden hatte. Es war nicht einfach auf seine Sinne zu hören, dem Monster auszuweichen und ihn dann noch gleichzeitig den Todesstoß zu versetzten. Wie sollte er um Himmels Willen noch im selben Atemzug mit Klugheit und Raffinesse handeln? Einmal mehr bereitete er sich auf einen Angriff vor, hielt den einzelnen Dolch in der Linken und wartete auf den Vorstoß des Wüstenkriechers. Diesmal verursachte die Kreatur mehrere Strudel im Sand, versuchte es mit Täuschung und Verwirrung, welche auch Klein-Link den Schweiß über die Stirn schickten. Seine Augen wanderten von einer Bewegung im Sand zur anderen, sein Gehör lauschte dem Klang von jedem einzelnen Sandkorn, das aufgewirbelt wurde und auch sein Herz trommelte irgendwo in seinen Ohren dahin. Und schlagartig, beinah unberechenbar, brach unter dem Jungen der Boden auf, ein Strudel erfasste ihn und nur unter Aufbietung aller Kräfte hielt er sich über dem sandigen Abgrund. Er spürte das sich Nähern seines Feindes über die Nähe zum Sand, atmete mit der trockenen Wüstenluft auch einige Sandkörner ein, während sich Sandfontänen über ihm zu bilden und zusammenzubrechen drohten. Ein Hohlraum erschuf sich nur wenige Meter unter dem Meeresspiegel. Und nur eine Säule aus Luft, in welcher sich der Junge hielt und die nach oben hin geöffnet war, sollte sein Spielraum sein, seine Arena für das Bezwingen der Bestie. Der zappelnde, pelzige Wüstenkriecher wand sich schlangenartig um ihn herum, wollte den Kreis immer enger ziehen und den Jungen unter sich begraben. Und alles, was er besaß, war jene Säule aus Licht und Luft, seine Waffe und sein Wille zu töten… Er konnte sein Vorbild außerhalb nicht mehr sehen, überhaupt konnte er sich in dem Augenblick nur noch auf sein Gespür verlassen, während sich der sandige Strudel immer enger um seine momentane Existenz zog. Entweder er handelte, handelte bedacht, oder sein Leben wäre verwirkt. So wie es in der Wirklichkeit sein musste. So wie es nur sein konnte, wenn er tatsächlich lebte und ein kostbares Leben zu verlieren hatte. Ein Kampfschrei tönte durch die Luft. Er brüllte, umfasste den Dolch mit beiden Händen und ließ sich von dem bisschen Gespür und Heldenmut leiten, das seine einzige Chance sein sollte. Der Dolch war sein einziger Weg durch die Hitze und das todbringende Wirrwarr des Sandes. Er hielt den Dolch mit beiden Händen von sich, die Klinge auf einen Punkt gerichtet, den er zu spüren hoffte. Und als mehrere Körnchen Sand an seinen Augen vorüberzogen, er winzige Körnchen sich auch um die Klinge winden sah, stürzte er sich hinaus aus dem Licht im Strudel aus Sand, heraus aus dem Bereich, wo er noch atmen konnte und stach mit einem schnellen und zielsicheren Angriff in das grüne, einzige Auge, welches das Monster beherbergte. Der Strudel löste sich auf und Klein-Link stand mit seinem blutgetränkten Dolch in einer seltsamen Ruhe im Meer aus Sand. Seine himmelblauen Augen leuchteten mit Durst nach Erkenntnis. Sein Herz noch nicht bereit seine Tat zu akzeptieren. Er war etwas verwundert, und noch verwunderter, als sein zukünftiger Vater außerhalb klatschte. Die grünschillernde Mauer verschwand und der Held der Zeit trat näher. „Du hast soeben etwas getan, was uns Helden nicht erspart bleibt. Ich bin stolz auf dich.“ Er kniete nieder, lächelte so ermutigend und irgendwo unglaublich verständnisvoll, dass auch der Junge lächeln musste. „Du bist in der Tat mein Sohn…“, setzte er hinzu und zerzauste mit seiner großen linken Hand das ohnehin von Sand durchtränkte hellblonde Haar des Jungen. „In deiner langen Mission wirst du auch mich und Zelda noch einmal treffen. Und du wirst jemanden kennenlernen, der ähnliches erfahren hat wie du… Du wirst jemanden finden, der dich stärkt und vorantreibt… Du hast schon einmal Liebe gebraucht für deine Existenz, nun braucht du sie ein zweites Mal…“ „Du meinst, ich werde mich verlieben“, murrte der Junge und klang von dieser Tatsache wenig begeistert. Das Gesicht des Jungen verzog sich und es schien als begann er sich zu ekeln. Auch dem Erwachsenen entging sein mehr als absurdes und auffälliges Verhalten nicht und er lachte. „Ich kann dir versprechen, dass du später ganz anders davon reden wirst.“ „Das werden wir ja noch sehen. Ich halte nicht wirklich viel von diesem ganzen Liebeskram. Ich fand das bei dir und Zelda meistens fast schon langweilig und übertrieben.“ Auch darauf lachte Link und schloss seine Augen andächtig. „Du wirst dich an meine Worte erinnern.“ Im nächsten Augenblick nahm er aus einer Gürteltasche dann aber noch einen interessanten Gegenstand. „Wie auch immer, es ist nicht meine Aufgabe zu viel zu verraten, aber ich werde dich unterstützen wo ich nur kann. Und deshalb schenke ich dir das.“ Und er drückte dem Jungen ein Item in die Hände, das ihn zunächst sehr verdutzte. Eine rotbraune Peitsche, mit goldenen Verzierungen und Mustern. An den Enden waren jeweils hylianische Symbole eingearbeitet worden. „Wozu soll ich diese verwenden?“ Link grinste: „Wenn du es schaffst und dir zutraust, binde diese Peitsche um die Hörner der Riesenbestie, die dich in der Realität überwältigt hat. Den Rest findest du alleine heraus.“ „In Ordnung.“ Klein-Link bedankte sich auf eine sehr umständliche Art und Weise, er verbeugte sich ungeschickt, rieb sich dann an der Nase und kratzte sich an der Stirn. „Nun wach‘ auf und kämpfe…“, sprach der Held der Zeit, umarmte ihn väterlich und grinste listig. Er gab ihm einen beherzten Stups nach vorn. Und einmal mehr fiel das Götterkind, er fiel zurück in sein Bewusstsein… Währenddessen löste sich Lia aus der Umarmung ihres Vaters und sah ihn kopfschüttelnd an. „Du hast in den letzten Wochen wahrlich meine Nerven strapaziert“, begann sie und prüfte ihn dann sorgfältig. „Nun, so fies das klingen mag, aber du bist schließlich meine Tochter. Und damit bleibt dir manches einfach nicht erspart.“ Er grinste dann, obwohl er körperlich und nervlich ziemlich am Ende zu sein schien. Navi starrte den in die Jahre gekommenen Link an als wäre er ein Monster. Sie konnte sich schlichtweg nicht vorstellen, dass ihr Held, ja genau ihr Held, den sie einst begleitet hatte, jemals so… so unglaublich- sie schämte sich schon für ihre Umschreibung- hässlich und alt aussehen würde. Sie hatte sich immer vorgestellt, dass Link wenn er reifte, beinah königlich und edel aussehen würde, aber nicht so… runtergekommen und stinkend wie ein Bettler. Sie konnte es nicht leugnen, aber dieser alte Mann stieß sie einfach nur ab. Für sie war das nicht mehr Link. Er fing ihren Blick dann ein und reichte ihr eine Hand, die sie der Höflichkeit halber annahm. „Wollt ihr beide mir nicht eure Begleitung vorstellen?“ „Oh, jaja…“, sprach Lia und erklärte ihrem Vater schließlich die gesamte Geschichte. Er wirkte alles andere als überrascht. „Ich verstehe, du bist das Feenmädchen, von dem Zelda geträumt hatte. Es war der letzte Traum, den sie mir erzählte, bevor ich mich auf den Weg machte, das MS zurückzuholen.“ Navi zwinkerte mehrmals und war über die Tatsache trotzallem ein wenig verwundert. „Und hat Zelda auch von Klein-Link berichtet? Hat sie dir- wenn ich du sagen kann- denn auch etwas über ihn erzählt?“ Der ältere Mann nickte, obwohl seine Gesichtszüge fahl und starr wirkten. „Der Held der Welten, so hat sie ihn genannt…“ Und dann schien er mit einmal sehr nachdenklich und traurig zu werden. „Hat sie dir gesagt, dass er sterben würde?“ Verwundert schüttelte der einstige Held dann seinen Schädel. Es schien einen anderen Grund zu haben als Klein-Links mögliches Ableben, dass seine Stimmung deutlich sank. Vielleicht war es die Tatsache, dass jüngere Generationen und nicht er das Schicksal in die vorherbestimmten Bahnen lenken würden… Vielleicht musste er akzeptieren, dass seine Heldenzeiten vorüber waren. Und das war höllisch schwer… „Das muss bedeuten, dass er noch lebt, Navi. Hab‘ etwas Vertrauen in ihn“, ermutigte Lia und ballte ihre linke Hand zur Faust. „Wäre doch gelacht, wenn wir Helden einfach so aufgeben würden, nicht wahr, Dad?“ Er nickte einsichtig, und dennoch verstand Navi in seinen Gesichtszügen eine Wahrheit, die er nicht preisgeben wollte. Er hatte aufgegeben, er hatte sich von seinem Alter besiegen lassen. Und für ihn gab es kein Zurück… „Wie kommt es, dass du dich einsperren lassen hast?“, murmelte Velkan und trat näher. „Du hast dich noch nie von irgendjemandem besiegen lassen, also warum jetzt?“ Und der ältere Mann begann zu seufzen und erzählte schließlich eine Geschichte, die weder für Navi noch für das Götterkind beruhigend sein würde. „Ich habe mich nicht einsperren lassen, zumindest nicht absichtlich.“ Er seufzte schon wieder und trat näher an die Gitterstäbe. „Ich besaß ein Lager, zusammen mit einigen Masterrittern, da wir bis hierher die Spur des MS verfolgen wollten. In einer stürmischen Nacht griffen uns Moblins an, die wir kaltblütig niederrangen. Als der letzte Moblin fiel, erleuchteten drei Lichter die Wüste und näherten sich uns. Als wir das fremde Objekt beobachteten und es sich mehr und mehr näherte, war es lediglich ein Mädchen, keine achtzehn Jahre alt. Natürlich machte sich ein junger Masterritter auf den Weg um ihr seine Hilfe anzubieten. Das ganze erschien mir zu dem Zeitpunkt bereits mehr als suspekt und als dieses scheinbar hilflose Mädchen den Mann mit einem Fingerschnipsen in Millionen Einzelteile zerlegte, begriffen wir, dass jenes Geschöpf, wer immer es auch gesandt hatte, gefährlicher war als die gesamten Moblinnester in ganz Ordonien.“ „Ein Mädchen?“, sagte Navi geschockt. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ein einfaches Kind über eine solche Macht verfügen konnte ein paar gut ausgebildete Kämpfer fertig zu machen. „Ja“, sprach er und fasste Navi in sein Gesichtsfeld. „Innerhalb weniger Sekunden tötete sie alle meine Kammeraden… das nächste, was ich erinnere, ist, dass ich in diesem Kerker aufgewacht bin.“ „Das ist entsetzlich…“, murmelte Lia. Einige jener Männer hatte sie gekannt. „Weißt du, was dieses weibliche Monster wollte?“ Link schüttelte den Kopf. „Sie sprach davon, dass diese Welt und das Morden für sie ein Spiel sei. Und sie bräuchte die Helden um den einen zubekommen. Wenn es uns gelingen könnte, hier heraus zu kommen, muss diese Sache allerhöchste Priorität haben.“ „Oder diese Sache wird dann nicht mehr von Belang sein, weil es gar nicht um euch, sondern um das Götterkind geht“, diskutierte Navi und schloss ihre grünschillernden Augen. Wenn neben dem Ungetüm Mineranth nun auch noch eine weitere Kreatur hinter ihnen her war, würde diese ganze Mission noch schwerer zu bewältigen sein. „Nun mach‘ nicht aus einer Laus einen Elefanten. Du denkst auch, die Welt dreht sich nur um dich und um deinen Kumpane“, murrte Velkan und schien noch immer entsetzlich enttäuscht von sich zu sein. Wie nur konnte ein starker Mann wie er es war hier drin verrotten? „Um dich dreht sich die Welt aber ebenso nicht“, mischte sich Lia ein und blickte ihn mit ihren kräftig blauen Augen an. Er murrte irgendetwas vor sich hin und trat dann noch einmal an die Gitterstäbe. „Uns bleibt keine Wahl als abzuwarten.“ Sie stimmten ihr zu und harrten der Dinge, die da kommen mögen… In dem Augenblick röhrte Klein-Link verzweifelt nach Luft. Er kämpfte, seine Sinne hatten sich noch nicht völlig orientiert und sein Herz noch nicht verstanden. Er versuchte sich zu erinnern, versuchte sich zwanghaft in irgendeine Richtung zu bewegen, aber es fiel ihm schwer, so schwer. Er wischte sich mit seiner Linken über das nassgeschwitzte und teilweise von Schleim besudelte Gesicht und versuchte endlich seine Augen zu öffnen, Ruhe zu bewahren. Er wollte winseln, als er seine Augen zwar öffnete, aber überhaupt nichts sehen konnte. Gerade da kamen seine Erinnerungen zurück und er verstand das Unausweichliche. Er war von der Bestie verschluckt worden. Und wenn er aus diesem schleimigen Abschnitt inmitten der Kreatur nicht herausfinden würde, wäre er tot und die Erde verloren. Er röchelte weiterhin verzweifelt nach Luft, versuchte sich Mut zu machen und anzuspornen. ,Nur die Ruhe, irgendwie wird das schon‘, sagte er in seinen Gedanken und besann sich auf die Begegnung mit seinem Vater. Er würde ihm wohl kaum Beistand leisten, wenn er nicht wusste, dass er es schaffen konnte, oder? Er versuchte sich ab zu stützten, versuchte irgendwo Halt zu finden, aber spürte nur schleimige Häute und hörte ein dumpfes Pochen, das nicht weit entfernt sein musste. Irgendwo hier saß das Herz jener Kreatur. Und irgendwo war hier sicherlich ein Magen, voll mit Säure, die ihn im Nu verbraten würde. ,Okay, ich muss hier raus‘, sagte er in Gedanken und versuchte sich mit seinen Händen zu orientieren, versuchte zu begreifen, wo oben und wo unten war. Er krabbelte langsam vorwärts, versuchte irgendwo an pelzigen, rauen Stellen im Inneren dieses Monsters Halt zu finden und besann sich dann auf die Dolche, die er irgendwo noch haben musste. Er griff irritiert an seinen Gürtel und stellte beruhigt fest, dass sich beide Dolche dort befanden, einschließlich der Peitsche, die er auf einer anderen Bewusstseinsebene erhalten hatte. Er atmete gleichmäßig und versuchte seine Atmung mehr und mehr zu reduzieren. Die Luft hier unten war dick und beißend. Er versuchte nicht durchzudrehen und krallte sich schließlich beide Dolche. ,Gut‘, sprach er in Gedanken, um sich Mut zu machen. ,Die riesige Bestie wird kaum merken, wenn ich die Dolche verwende, um mich nach oben zu ziehen.‘ Und dann entschied er sich endgültig seine letzten Kräfte spielen zu lassen. Mit einem Ruck, und noch einem, und noch einem Schlag, stieß er den Dolch in die teilweise schleimigen Häute und zog sich weiter. Immer weiter. Weiter und weiter, bis er das Gefühl hatte, die Luft wurde besser. Er sog das bisschen Sauerstoff in seine Lungen und schwankte zwischen sich zusammenreißen und weinen. An einem etwas pelzigeren Abschnitt sank er nieder und fragte sich, wie es wohl sein würde, zu sterben. Er war dem Tode noch nie wirklich nah gewesen, zumindest hatte er es niemals so empfunden. Und er fragte sich dann, wie viele Dinge es im Leben wohl geben würde, die er einfach verpasste. Er würde den Sieg über Ganondorf nicht erleben können, würde auch Liebe vielleicht niemals spüren können… Er winselte, fühlte sich eingeengt und hatte maßlose Angst von den schleimigen und sich bewegenden, pulsierenden Häuten zerquetscht zu werden. Er wollte nach Hilfe rufen, wissend, dass ihn niemand hören würde, und wissend, dass er mit seinem jämmerlichen Getue auch seinen Vater enttäuschte. Er brüllte dann, stieß einmal mehr abwechselnd einen Dolch in das Fleisch der Kreatur und zog sich weiter. Immer weiter… Nach mühevollem Klettern und mehreren, kleineren Pausen, spürte er neben den feinen Häuten ab und an knorpeligen Untergrund und Knochen. Er versuchte sich vorzustellen, wo er in etwa war. Vielleicht war er tatsächlich in einer Art Verdauungstrakt und vielleicht konnte er sich hier irgendwo einen Weg in die Freiheit bahnen. Er spürte ein Rumpeln und Poltern. Die Kreatur musste sich bewegen und vielleicht bahnte sie sich gerade jetzt wieder an die Oberfläche um ihr nächstes Opfer zu verschlingen. Und es war dann, dass sich Klein-Link nicht mehr halten konnte und wieder einige Meter nach hinten geschleudert wurde. Er atmete einmal krampfhaft, seine Angst wuchs und er war nahe an einer endgültigen Verzweiflung. ,Ich kann nicht mehr‘, wimmerte er in seinen Gedanken. ,Ich kann das niemals schaffen…‘ Die Zweifel fühlten sich in dem Augenblick irgendwo heilsam an. Ja, und das Mitleid, das er gegenüber seiner Existenz empfand, konnte heilsamer und gleichzeitig zerstörerischer nicht sein. Konnte er nicht noch einmal verblassen, so wie vor einigen Wochen? Es war immer so einfach gewesen, sich spurlos in Luft aufzulösen und Situationen wie diesen zu entkommen, aber wann immer man etwas brauchte, was man gelegentlich hasste, erhielt man es nicht. Er fluchte, versuchte mit dem bisschen Luft, das er zum Atmen hatte zu schimpfen und diesem innerlichen Druck und seiner Unruhe ein Ventil zu geben. Aber es half ihm nicht. Es ging einfach nicht. Er war dem Aufgeben nahe und begann einmal mehr zu winseln, schämte sich für seinen erbärmlichen Zustand, aber er hielt es einfach nicht mehr aus… Er versuchte seine Augen einmal mehr zu öffnen, hoffe etwas sehen zu können, obwohl diese Hoffnung in den inneren Gefilden einer derartigen Kreatur enttäuscht werden würde. Er wollte doch nur etwas Licht in dieser grausamen, kalten Dunkelheit, mehr verlangte er nicht. Er versprach sich selbst dann noch mehr zu kämpfen als jetzt, wenn er doch nur etwas sehen könnte. Und er sollte die Antwort auf seinen Wunsch erhalten. In Gestalt von vergessenen Zaubern. In Gestalt von vergänglichen und magischen Momenten. In Gestalt von Vertrauen… Als er seine schweren Augenlider ein weiteres Mal anhob, entzog sich ihm jegliches Verständnis für die Wirklichkeit, die ihn Wunder erfahren ließ. Unvergessliche, helle und reine Wunder, für die es sich lohnte in alle Ewigkeit an ein neues, vielleicht besseres Weltengesetz zu glauben. Denn plötzlich leuchtete da ein Licht in der Dunkelheit und ließ ihn seine Umgebung soweit erkennen, dass er begann sich weniger zu fürchten. Er blinzelte mehrmals, bis sich seine Augen an den angenehmen, warmen Schein gewöhnt hatten. Und erst dann realisierte er, dass der Schein nur hier verweilte, an keinem anderen Punkt in jenen dunklen Gefilden. Er erkannte dünne, zerreißbare Häute, entdecke knorpelige Rillen, die sich durch den ganzen Abschnitt zu ziehen schienen und suchte sofort nach dem Ursprung jenes beinah gleißenden, weißen Lichts, das ihn besänftigte. Und dort keine zwei Meter weiter leuchtete sie, wärmte ihm das Herz, auch wenn er noch nicht verstand warum. Sie bestärkte ihn, obwohl sie doch nur etwas Einfaches und Zerbrechliches war. Nichts weiter, als eine weiße, lange Feder von solcher Eleganz und Schönheit, die er noch nie bei einem Tier gesehen hatte. Und sie leuchtete so kräftig und stark, dass er jenes unlebendige Etwas fast schon beneidete. Er atmete tief ein und versuchte in Richtung jener Feder zu krabbeln, stieß mit den Dolchen wütend und angewidert in dieses stinkende Fleisch jener Kreatur und begann einmal mehr zu kämpfen. Er fluchte innerlich, rang nach Luft, spürte sein Herz immer deutlicher und lauter pochen, schwitzte und hoffte auf das Ende jenes erbarmungslosen Wettlauf mit dem eigenen Leben. Nach wenigen Minuten hatte er das Gefühl, die Luft veränderte sich. Er spürte ein Kribbeln in seinen Gliedern und ahnte, dass er einem möglichen Ausgang tatsächlich näher war. Und als das Licht der Feder allmählich von anderen Lichtern eingenommen wurde, hoffte er, dass sich sein Kampf gelohnt hatte. Noch ein Zug und noch einer in die Freiheit. Und er bewegte sich vorwärts, bog ein wenig nach rechts und entdeckte eine Öffnung, durch die er vielleicht schlüpfen konnte. Ein gleißender Wind blies ihm entgegen, als sich schleimige Häute bewegten und wenige Meter vor ihm mit diesem kraftvollen Zug eine Haut öffnete und er so etwas wie Sonnenlicht in Sekundenbruchteilen erkennen konnte. Er war den Tränen nahe, als sich seine Vermutung bestätigte. Vor ihm lag tatsächlich ein Weg hinaus in die Freiheit. Der Kampf hatte sich gelohnt… Zu diesem Zeitpunkt unterhielt sich Navi mit dem Heroen jenes modernen Zeitalters und sie wusste nicht recht, was sie von ihm halten sollte. Er konnte vermutlich nicht mehr so kämpfen wie in seinen jungen Jahren, aber er bewies eine riesige Portion Lebenserfahrung, welche ebenfalls in Kämpfen nützlich sein konnte. Als er lächelte konnte sie in seinem vom Leben gekennzeichneten Gesicht den Helden, den sie verehrte, sogar noch entdecken. Irgendwo in diesem alten Herzen war er noch zu finden. Und wer wusste schon, ob sich dieser verwundete Mann nach einem ordentlichen Urlaub nicht wieder erholte. Und es war da, dass Velkan, aufgeschreckt und ein wenig misstrauisch, in Richtung der Kerkertür trat. Er spürte irgendetwas, hörte ein Geräusch, ein Rascheln und Zupfen, das sich mehr und mehr näherte. „Lia, hörst du das auch?“, murmelte er und sah seine Mitstreiterin nachdenklich an. Sie trat zu ihm und nickte. „Es hört sich so an, als näherte sich etwas mit unglaublicher Geschwindigkeit, grölend, ähnlich einem Twinmold.“ Als ein leichtes Vibrieren im Kerker einsetzte, nahm auch Navi die Veränderung wahr. Sie hüpfte auf ihre Beine und blickte hoffend hinaus in die Gänge. Als plötzlich wildes Geschrei im verzweigten Unterschlupf der Hyl Moblina losbrach, verstanden die Gefangenen, dass sich jemand näherte. Und dieser jemand war bereit zu kämpfen… bis zum Tod. Kapitel 142: Ein Heroe, den die Zeit besiegte… Teil 11 ------------------------------------------------------ In den unendlich scheinenden Weiten der einsamen Wüste, die sich gefährlich nach Wasser sehnte und alles Leben auszutrocknen verlangte, erschien Geistern, verruchten Lebewesen und leisen Zeugen ein Bild, das ihre Augen noch nie erblickten. Und auch den Kreaturen, die sich einem dunkleren Glauben und niederen Bedürfnissen hingegeben hatten, würde in dem Moment Erstaunen gelehrt werden. Nicht weit entfernt vom Stützpunkt der Hyl Moblina bebte der Boden. Ein riesiger Wurm, ausgestattet mit zwei gefährlichen Hörnern, bewegte sich heftig und dröhnend dahin. Und wenn man genau hinblickte, vielleicht mit einem Fernrohr, entdeckte man ein leuchtendes Band, dass bemächtigend, seinen Träger verfluchend, um jene Hörner der Bestie gebunden ward. Ein helles, rötliches Funkeln ging von jenem Gegenstand aus. Und blickte man weiter, entdeckte man einen jungen Kämpfer, der vielleicht das erste Mal in seinem Leben erfahren hatte, was es hieß Mut zu beweisen, der erfahren hatte, wie man sich dem stellen musste, das im Schicksal verankert lag. In beiden Händen hielt er fest jene Peitsche, die ihm ein legendärer Heroe geschenkt hatte. Und nur er steuerte die riesige Bestie, ritt auf dem flachen Schädel des Dämons und wühlte sich durch die Wüste, auf der Suche nach seinem Bestimmungsort. Mut erfüllt, aber am Ende seiner Kräfte hielt er sich wacker, ließ sich von seiner erweckten Tapferkeit hinfort tragen… Und als er das Versteck der Hyl Moblina ausmachte, auf fünf sichtbaren Türmen Wachposten jener garstigen Rasse entdeckte, wusste er ein Loch in diese Feste zu sprengen, über das man selbst in Jahrzehnten noch sprechen würde. Er ließ die gigantische Bestie toben, erzürnte und brüllte, als es auch die Bestie tat. Klein-Link stimmte an zu einem gewagten und vielleicht ersten Kampfschrei und donnerte mit einer schier wahnsinnigen Übermacht näher… Mit einem ohrenbetäubenden Knall, den auch Navi und die anderen hörten, zertrampelte der junge Held auf seinem gewaltvollen Getier drei jener gut besetzten Wachtürme und sprengte ein Loch in das beinah viereckige Gebäude. Es rumpelte einmal entsetzlich, als würde ein Erdbeben über die Wüste hereinbrechen. Danach war es zunächst still um den Wüstenwurm, der eine grausame Tat vollbracht hatte. Klein-Link hielt sich auf dem Kopf des Monsters geduckt und beobachtete seine Umgebung, sah Dutzende Moblins, die auf das Ungetüm zustürmten. Er wartete auf den letzten Moment, spürte sein Herz zu dem Rhythmus der Zeit pochen… Und dann, als sich die Dämonen kampfbereit und zänkisch näherten, schrillte Klein-Links Schrei durch die Szenerie. Seine Hände umfassten grob und zielsicher die lederne Peitsche und als er sie noch einmal mit seinem Willen fütterte und der Twinmold gewaltsam in die Höhe schoss, knallte er mit der Wucht von mehreren Tonnen Fleisch auf die wahnwitzigen, niederen Kreaturen und zerschmetterte ohne Reue ihre menschenähnlichen Gestalten auf eine bestialische Weise. Er wusste nicht, ob das, was er tat noch richtig war. Und diese Brutalität und Selbstjustiz hatte er nicht auf diese erschreckende Weise gewollt. Etwas passierte mit ihm, wenn er tötete, etwas Erschreckendes, auf dass sein Vater sicherlich nicht mehr stolz war… Als er keinen Moblin in der Wüste mehr ausmachen konnte, umkrallte er ein letztes Mal die magische Peitsche, zwang ein letztes Mal der Kreatur seinen eigenen Willen auf und befleckte seine Seele mit einem schier wahnsinnigen, grausamen Mord. Das einstige Kind der Götter fauchte, und als sein Schrei erstarb, biss sich die Kreatur selbstrichtend und brutal in sein eigenes Fleisch, gerade dort, wo das sterbende pochende Herz schwarzes Blut in Strömen in der Wüste verteilte… Als sich das Grölen und Donnern verflüchtigte, standen Navi und ihre Mitstreiter zweifelnd und nachdenklich in ihrem Kerker. Velkan begann einfach nur zu lachen, als er sah, dass sich die Verankerungen der Kerkertür durch das Beben gelöst hatten. Er lachte umso lauter und trat einmal kräftig dagegen und schon öffnete sich ein Weg in die Freiheit. Sie traten gemeinsam hinaus in den dunklen Gang, der von einzelnen umgestürzten Feuerquellen nur teilweise erhellt wurde. Und doch sahen sie in der tiefen Dunkelheit, gepaart mit leisem Tap Tap jemanden näherkommen. Er trat sehr schwerfällig, beansprucht von dem Höllentrip, den er gerade gemeistert hatte. Überall an seiner Gestalt hing Schleim, teilweise gallig, teilweise getrocknet. Er hatte einige Schürfwunden und wirkte alles andere als erleichtert, selbst als er seine Mitstreiter in der Düsternis erkannte. Er wollte inzwischen nur noch heulen, weil er sich unglaublich schuldig und brutal fühlte. Er hatte beinah viehisch getötet, weil er dachte, er müsse es durchstehen. Weil er dachte, es war richtig. Aber war es das wirklich? Navi war scheinbar die erste, die ihn erkannte. Mit einem lauten, herzzerreißenden Quengeln stürmte sie näher und warf sich dem Götterkind das erste Mal um den Hals. Sie weinte wirklich bitterlich und Klein-Link, noch völlig unfähig zu realisieren, dass er umarmt wurde, starrte einfach nur erschöpft umher, schloss seine Augen und wollte einmal mehr einfach nur weinen. Diese Selbstaufgabe und Brutalität, war das etwa sein Schicksal? Seine Zweifel wuchsen und er wusste, dass auch Navi ihm diese Zweifel nicht ausreden konnte… „Du lebst…“, war alles, was sie unter ihrem Wimmern sagte. Ja, er lebte, aber für welchen grausamen Preis. Er schob Navi von sich und starrte zu seinen mit Sandmatsch besudelten Stiefeln. Er fühlte sich nicht nur widerlich nach dem Töten, sondern auch erschöpft. Lia trat ebenfalls näher und schenkte ihm ein ermutigendes Lächeln. „Du bist unglaublich, kleiner Mann“, sprach sie und kniete nieder. Er blickte zaghaft auf. „Ich kann mir zwar nicht vorstellen, wie du es geschafft hast, den Twinmold niederzuringen, aber auch ich bin froh, dass du lebst.“ Velkan blickte nur überrascht und irgendwie neidisch drein und erst da bemerkte Klein-Link, dass sich noch eine weitere Person aus den Schatten preisgab. Ein hässlicher, dreckiger Mann, der sich humpelnd vorwärts tastete. Der Mann starrte ihn auf eine Weise an, die dem Götterkind alles andere als gefiel. Es war eine Mischung aus Mitleid und Verachtung, vielleicht auch deshalb, weil jener Junge seine Zukunft noch gestalten konnte, vielleicht deshalb weil er noch jung war. Das Götterkind sah auf und biss sich auf die Lippe. Das also war der Held jener Welt. Auch er musste zugeben, dass er sich ihn irgendwie anders vorgestellt hatte. Und die Blicke, die er ihm entgegenbrachte, verunsicherten ihn zunehmend. „Ich will ja das rührend Wiedersehen nicht unterbrechen“, sprach Velkan ernüchternd. „Aber ich befürchte, dass entweder das Gemäuer über uns zusammenbricht, oder die nächsten Dämonenherden hier auftauchen und uns abschlachten. Wir sollten so schnell wie möglich raus hier.“ Und er hatte seine Worte kaum zu Ende gesprochen, bröselten bereits erste Staubkörner von der Decke. Navi, Velkan und Lias Vater nahmen geschwind ihre Beine unter die Arme und liefen die ersten Meter, während die junge Ärztin noch immer vor dem Götterkind niederkniete und ihn begutachtete. Er war schlichtweg fertig mit den Nerven und unheimlich erschöpft. Sie machte sich irgendwie Sorgen um ihn. „Du warst heute mutig genug“, meinte sie. „Wenn wir hier raus sind, solltest du dir eine Mütze Schlaf gönnen.“ Er nickte bloß lethargisch, nicht fähig irgendetwas zu sagen. „Lia, verdammt nochmal, lauf‘ endlich zu!“, brüllte Velkan dann. Sie blickte noch einmal zu ihm, lächelte auf eine mysteriöse Weise, ein Lächeln der Stärke und des Mutes, das er nicht annehmen wollte. Sie zwinkerte, und er erinnerte sich, dass es schon einmal diese Momente gab, kostbare Momente zwischen ihm und dieser starken Frau. Ja, er hatte sie bewundert, immer… und es war nicht nur einmal, dass sie ihm das Gefühl gab schwach zu sein… Just in dem Augenblick knallten mehrere Gesteinsbrocken nieder, blockierten den Weg in die Freiheit für den jungen Link und seine Beschützerin in diesen Welten. Navi entließ einen heftigen Schrei. Aufgelöst stand Velkan vor den Gesteinsbrocken und hatte sich im Leben noch nie so hilflos gefühlt. Er brüllte den Namen der jungen Ärztin, trat gegen das Gestein und begann die Steine mit bloßen Händen wegzuschieben. Er stoppte erst in seiner Verzweiflungstat, als Navi sich vor ihn stellte. „Es hat keinen Zweck…“, sprach sie sanft. Gerade da hörte man Lia durch das Gestein rufen. Sie rief, dass soweit alles okay war und sie sich einen anderen Weg suchen müssten. Nervös trat der Masterritter mit den kurzgeschorenen, blonden Haaren einmal mehr an die Felsbrocken und hatte das Gefühl nichts lief mehr nach seiner Pfeife. Er war hier der stärkste Mann und nicht dieser Zwergenheld, der es geschafft hatte auf einem Twinmold zu reiten. Und was passierte außerdem noch? Ausgerechnet Lia schien diesem Winzling mehr zu vertrauen als ihm und das machte ihn zunehmend eifersüchtig… Navi grinste angeberisch, weil sie genau wusste, was in ihm vorging. Er brummte und knirschte mit seinen Zähnen. „Du solltest dich schämen auf ein Kind eifersüchtig zu sein“, lachte sie. „Außerdem könntest du dich mehr wie ein Velkan benehmen, dem Lia vertraut und nicht wie ein eifersüchtiger, kindischer Macho.“ Der Angesprochene hatte nun heute das zweite Mal das Gefühl das blonde Mädchen mit den zwei Zöpfen erwürgen zu müssen, folgte der einstigen Fee und Link Couraiga dann aber vorsichtig aus dem zerschmetterten Gebäude. „Hast du noch genügend Kraft, Kleiner Mann?“, meinte Lia aufmunternd auf der anderen Seite der Gesteinsbrocken. „Ich bin hundemüde“, gab er ehrlich zu. „Das ist kein Problem“, erwiderte sie leise, orientierte sich und bot ihm an, ihn huckepack zu nehmen. Der Junge folgte der Einladung und hatte das Gefühl vor Erschöpfung auf Lias Rücken einschlafen zu müssen. „Wir finden sicherlich einen Weg hinaus“, meinte sie hoffnungsvoll. Ihre warme Stimme schallte wie ein Zeichen der Tapferkeit durch die leeren, dunklen Gänge. „Ich hoffe bloß, dass wir nicht von irgendwelchem Gesteinsbrocken erschlagen werden.“ Sie seufzte ungewollt, aber auch dies bestärkte Klein-Link darin in Lias Gegenwart sicher zu sein. Sie machte ihm nichts vor. Sie war ehrlich und aufrichtig. Und sie bestärkte sein Herz ebenso wie sein Vater darin den Weg des Helden einzuschlagen. „Ich wünschte, du würdest an dem Rat der Helden teilnehmen“, murmelte Klein-Link und schloss die Augen. Zu ihr fühlte er sich wesentlich mehr hingezogen als zu dem alten Link, der nichts als einen unsicheren, verachtenden Blick für ihn übrig hatte. „Jetzt, da mein Vater frei ist, werden du und Navi bald weiterziehen, was?“ Er nickte und entgegnete dann etwas trübsinnig: „Es war jedenfalls toll, dich getroffen zu haben, Lia.“ „Ganz meinerseits“, sprach sie, wand sich zu ihm und lächelte dann. Sie liefen weiter, durchquerten eine etwas größere Halle, öffneten eine quietschende Steintür und wunderten sich mehr und mehr, wo die Scharen von Moblins abgeblieben waren. Inzwischen lief das Götterkind wieder auf den eigenen Beinen und tapste mit einem Dolch in seiner Linken hinter Lia her. „Deine gigantische Attacke hat den Dämonen wahrlich das Fürchten gelehrt“, sprach die junge Ärztin. „Wer hätte gedacht, dass diese Portion Mut in dir schlummert.“ Sie grinste auf ihre Art und trat weiter. „Ich wusste selbst nicht, dass ich das kann…“, meinte er ehrlich. „Nun, man wird wohl nicht unbedingt als Held geboren, sondern muss erst beweisen, dass man einer ist.“ Sie strich sich ihre schwarzen Strähnen aus dem Gesicht und funkelte mit ihren dunkelblauen Augen durch die Stille und die Finsternis. „Du spürst irgendetwas, habe ich Recht?“ Klein-Link kitzelte es selbst in seinem Herzen und hoffte auf Bestätigung. Hinter der nächsten Tür wartete etwas Gewaltiges auf sie. Keine Bedrohung, das wusste er. Aber etwas, das nach einem Helden verlangte… Lia nickte, trat an das nächste Eisentor und stemmte ihre starken Arme dagegen. Mit einem heftigen Ruck öffneten sich jene Tore und der Raum dahinter wurde von einem einzigen Gegenstand beleuchtet. Ein Gegenstand, der jegliche Finsternis zum Erlöschen bringen konnte und in Hyrule die Tugenden der Helden symbolisierte. Kein Märchen konnte so schön sein, dass es jemals ohne diese eine berauschende und bebende Waffe auskommen würde. Kein Held konnte geboren werden, der nicht dieses geschmeidige, heilige Schwert führen konnte. Und kein Zeitalter verging ohne jene eine Legende um das Masterschwert… Klein-Link grinste wie eine Speckschwarte. Er ahnte, dass es kein Zufall war, dass sie beide nun vor dem Masterschwert standen. In einem Raum, in welchem sonst kein anderer Gegenstand ruhte. Ein Raum, in den kein Licht fiel. Und auf einem leichten Podest, eingefasst in uraltes Gestein, thronte jene Waffe, verbannte jegliche düsteren Gedanken und spendete Licht. „Zieh‘ es heraus!“, meinte der Junge und blickte Lia erwartungsvoll an. Auch die Ärztin grinste. „Ach was, du lässt mir den Vortritt?“ „Dies hier ist schließlich nicht meine Welt“, erwiderte er und kratzte sich am Kopf. „Da magst du Recht haben. Vermutlich wirst du deine Welt erst noch finden.“ Seine eigene Welt finden? Das Götterkind staunte nur. Das war ein sehr merkwürdiger, und überraschender Gedanke. „Meinst du tatsächlich, ich könnte in eine Welt kommen, in der…“ Sie blickte ihm lachend entgegen. „Genau… eine Welt, in der du der Held bist.“ Der Gedanke ließ ihn ein verräterisches Rot auf seinen Wangen entwickeln. Eine Welt, die er retten würde und in der er sich beweisen könnte. „Das ist ein schöner Gedanke“, meinte er und lächelte tiefsinnig. „So schön wie dieses uralte Relikt.“ Und ihr Blick heftete sich einmal mehr auf die Waffe des Lichts. Sie trat ehrfürchtig näher, ließ sich von einem alten Zauber berühren und vielleicht sogar verführen. Sie war eine Heldin, nicht wahr? Eine, die wie keine andere für ihre Mitmenschen einstand. Wenn er zurückblickte und sich erinnerte, so war es Lia, zu der sie geführt worden waren. Es war Lia, die ihn gerettet und ohne Umschweife beschützt hatte. Lia Couraiga, nicht ihr Vater. Und nun stand sie hier, vor der wohl legendärsten Waffe Hyrules. Und sie würde es sein, die sich an dem alten Schwert testete. Ihre starken, aber gepflegten Hände umgriffen elegant und tapfer das so kunstvoll gefertigte Schwertheft. Das magische Leder knirschte in hellem Klang. Und auch die Klinge summte, als jene Heldin den kraftvollen, heiligen Stahl aus seinem Zauber befreite. Mit einem gemächlichen Ruck hob sie das prachtvolle Schwert in die Höhe, erstaunte angesichts beinah unwirklichen, magischen Gefühlen, die jene Waffe mit sich brachte. Es war Sekundenbruchteile später, dass eine fein verarbeitete Schwertscheide sich an Lia Gürtel, wie von magischen Händen erschaffen, wiederfand. „Diese Waffe gehört dir“, meinte Klein-Link und dasselbe Wissen wie einst, als er Link und Zelda zur Seite gestanden hatte, strahlte aus seinen himmelblauen Augen. Erst jetzt erinnerte ihn dieses Geschehnis an die Fähigkeiten und Gaben der Göttinnen, die in seinen Venen steckten. Und Wissen und Weisheit waren nur wenige der Gaben, die er durch seine Zweifel und Unsicherheit verlernt hatte… Mit einem zufriedenen und beherzten Grinsen sprang Lia von dem Podest, wirkte stärker und mutiger als jemals zuvor und hob ihre rechte Faust in die Höhe. „Und jetzt ist es an der Zeit, dass wir einen Weg hinaus in die Freiheit finden. Das MS ist zurück in sicheren Händen, dank dir.“ Auch der Junge lächelte zufrieden und vielleicht kehrte ein Stückchen seines wahren Wesens zurück… Derweil hatten sich Velkan, Navi und Link Couraiga einen Weg in die Freiheit gesucht. Inzwischen war die Nacht in der kalten, staubigen Wüste vorüber und eine blendende Morgensonne flutete ihre erdnussbraunen Felder. Die ersten, feurigen Sonnenstrahlen verkündeten die Hoffnung der neuen Zeitalter und ließen das Elend der Nacht hinter sich. Und am Horizont, leise, aber zielsicher und schnell bewegte sich ein kleiner Airbus in die Richtung der einsamen Streiter. Ebenso leise stieg das Luftfahrzeug hinab und landete direkt vor ihren Füßen. Velkan seufzte und machte den Eindruck, dass ihn die Ankunft jener Maschine so gut wie gar nicht überraschte. Und als eine elegante Dame mit saphirblauem Kampfanzug aus der Luge kam und die drei lächelnd ansah, verstand auch Navi die Reaktion des jungen Masterritters. Die Zelda jener Welt spannte genauso wie andere Prinzessinnen des Schicksals ihre Fäden. Und auch sie wusste, sich nur dann einzumischen, wenn sie damit die Zukunft in entscheidende Bahnen lenken konnte. „Hallo Mutter“, murrte Velkan, beinah tonlos. „Du hättest ja wahrlich ein paar Minuten früher erscheinen können.“ Sie trat näher, elegant wie immer, und lächelte: „Ich freue mich auch dich zu sehen, mein Sohn.“ Dann tat sie nichts anderes als den in die Jahre gekommenen Heroen zu umarmen. „Du sieht übel aus, Link.“ Der Angesprochene grinste schief und erwiderte die Begrüßung mit einer Fülle an Zuneigung, dass Navi den beiden einmal mehr nicht abkaufte, bloß Freunde zu sein. „Bei Dinafa, ich bin so froh, dich zu sehen, Zelda.“ Es war wohl das erste Mal, dass der Link jener Welt glücklich wirkte und befreit lächelte. Gerade da, wenige Meter weiter, sorgten zwei unversehrte und erleichterte Gestalten, für weitere lächelnde Gesichter. Aus einem versteckten Eingang traten das Götterkind und auch Lia heraus. Und es war dann, dass sich die Helden des Tages alle lachend und teilweise weinend in die Arme fielen. Der Kampf war vorbei und Lias Vater gerettet. Alles war einmal mehr gut ausgegangen… Nur von weitem, auf einem verlassenen Grundstück in der Wüste, von einem hohen Beobachtungspunkt aus, begutachtete eine miesgelaunte Kreatur die Geschehnisse. Sie trug einen bunten Mantel über ihrem Mädchenkörper. Ihre Augen, die scharf aus der Kapuze herausblitzten, färbten sich abwechselnd von blau zu grün und dann zu rot, während sie die lachenden Gesichter und Umarmungen beobachtete. Sie zischte und trampelte mit ihren Clownsschuhen auf dem kalten Boden herum. Es widerte sie an. Es erzürnte sie maßlos. Sie kreischte und entließ ihren langen, dünnen Fingern ein paar überflüssige, magische Felder, die in der Luft zersplitterten. Erst dann schien sich ihre Stimmung ein wenig zu heben und sie begann teuflisch zu grinsen. „So hab‘ ich mir das eigentlich nicht vorgestellt… aber na gut, das, was ich wollte, habe ich irgendwie erreicht. Wir sehen uns in einer anderen Welt.“ Und noch ehe sie ihr letztes Wort ausgesprochen hatte, verschwand sie in einem Regen aus Tausenden farbigen Splittern und verließ jene Zeit… Und in diesem modernen Hyrule vergingen nur zwei Tage, als Navi und Klein-Link sich entschlossen auch dieser Welt einmal mehr Lebewohl zu sagen. Gemütlich saßen Velkan, Lia, Zelda und Link Couraiga in Lias Appartement zusammen und beobachteten voller Entzückung und Verwunderung den Untergang der Abendsonne. Sie hatten Navis Geschichte von dem Untergang der Erdenwelt und dem Ende Hyrules mit Traurigkeit und Sorge zugehört und waren nun umso dankbarer für all das, was sie im Leben erreichen konnten und für die Sicherheit, die ihnen zuteilwurde. Auch wenn es eine fremde Bedrohung gab, derer sich die Auserwählten stellen mussten… Link Couraiga spielte mit dem Medaillon der Mächtigen, welches auch in dieser Welt in Zeldas Besitz verweilte. Das Masterschwert lag stolz auf dem Tisch vor den vier Nasen. „Du weißt, welcher Schritt nun noch zu tun ist, nicht wahr Link?“, meinte Zelda und stellte die Teetasse ab, von der sie genüsslich getrunken hatte. „Ja, mir ist bewusst, was von mir erwartet wird“, entgegnete er und lächelte. In den zwei Tagen, nach einem ordentlichen Bad und einer warmen Mahlzeit, schien der einstige Held beinah wieder hergestellt. Er trug ein dunkelblaues Hemd und eine Jeanshose, wirkte fast wie ein gewöhnlicher, älterer Mann. Dann umspielten seine Hände das einstige Schwert, bis er halbherzig grinste. „Es gibt in dieser Welt einen Helden, der gehen wird um dem Heroen der Zeit beizustehen, aber dieser Held bin nicht ich…“ Und es war Lia, die ihren Vater auf diese Worte mit ihren kräftigen tiefblauen Augen für einige ewigscheinende Momente musterte. Klein- Link befand sich mit der einstigen Fee im Badezimmer und hatte sich eine grüne Tunika angezogen, welche Lia für ihn maßschneidern ließ. Eine smaragdgrüne Tunika mit dunkelgrünem Saum. Darunter trug er passend einen blassgelben Anzug und ein rostfarbenes Kettenhemd. Und auch die Mütze durfte nicht fehlen. Navi, der Lia eine dreiviertel lange Stoffhose und eine blaue Weste geschenkt hatte, half dem Götterkind gerade seine Mütze zurechtzurücken. „Wir müssen bald los“, sagte sie und lächelte. „Ja…“, murmelte das Götterkind und schien mit seinen Gedanken in den letzten Wochen zu verweilen. „Es ist nur so…“, begann er. „Es macht dich traurig, all‘ diese Wesen zu treffen und doch zu wissen, dass du dich immer wieder verabschieden musst.“ Er nickte und seine himmelblauen Augen sanken trübsinnig in Richtung seiner Stiefel. „Es ist nicht leicht“, meinte Navi und legte ihren blonden Lockenkopf auf eine Schulterseite. „Aber das war dir von Anfang an klar… Heldentum verlangt Opfer, mehr als nur diese…“ Und ein melancholischer Ausdruck, unterlegt mit Tapferkeit und Zielen trat auf sein junges, reines Gesicht. Einmal mehr nickte er, war nicht fähig irgendetwas zu sagen und blickte sich dann selbst im Spiegel an, sodass Navi immer noch in seine Augen blicken konnte. Und sie begann sich langsam etwas einzugestehen. Klein-Link war nicht mehr dieses Kind, auf das sie aufpassen musste. Er entwickelte sich und er wurde dem Helden der Zeit auf erschreckende Weise immer ähnlicher… Dann wand er sich wieder um, lächelte und überwand jene Trübsinnigkeit, die ihn einnehmen wollte. „Für jeden Abschied lernen wir neue Geschöpfe kennen. Heldentum besteht nicht nur aus Opfern, sondern auch aus einem Reichtum, den nur Helden erfahren können.“ Dann nahm er eine verdatterte Navi an ihrer Hand und trat mit ihr in das Wohnzimmer. Lächelnde und doch traurige Gesichter blickten ihnen entgegen. Abschied zu nehmen war niemals leicht. Aber es hieß nicht, daran verzweifeln zu müssen. Zelda stand auf, erhob sich einmal mehr so elegant wie immer und kniete vor dem Götterkind nieder. „Pass‘ auf dich auf, Kleiner Mann“, sprach sie aufmunternd. „Doch bevor du gehst, möchte ich dir noch einige Dinge mit auf den Weg geben.“ Aufmerksam lauschte das Götterkind den Worten einer Dame, in der er immer so etwas wie Liebe sehen würde. Sie umfasste liebevoll seine Oberarme. „Ich schätze, du hast es bereits schon gespürt, nicht wahr?“ Seine Augen wurden für einen Moment größer, als er sich in Zeldas himmelblauen Augen spiegelte. Er hatte viele Dinge gespürt seit er existierte. Und es gab von diesen vielen fast genauso viele Dinge, die er einfach nicht verstand. „Deine einstigen Fähigkeiten, jene, die deine magische Existenz mit sich brachten... sind verschwunden.“ Er nickte belämmert und fragte sich, warum es erst einmal jemand aussprechen musste, bis er es kapierte. Sie hatte Recht. Früher war es ein leichtes für ihn an irgendeinem Ort aufzutauchen und wieder zu verschwinden. Früher war er unempfindlich gegenüber menschlichen Gefühlen. Früher war alles einfacher… „Was bedeutet das?“, mischte sich Navi ein und verlangte mit ihren giftgrünen Augen Antworten, die vielleicht nicht einmal die weise Zelda ihr geben konnte. „Es scheint, als musste Klein-Link mit dieser Mission beginnen zu leben wie ein Mensch und zu kämpfen wie ein Mensch, nicht mehr wie ein Kind von Göttern mit vielen spielerischen Fähigkeiten… In dem Augenblick, als er sich entschieden hatte, diese Mission zu wählen, wurde über seine Existenz entschieden… Und seine einstigen Fähigkeiten muss er sich nun erst wieder verdienen.“ Klein-Links Mund öffnete sich einen Spalt um Fragen zu stellen, deren Worte ihm im Augenblick nicht in den Sinn kamen. War er deshalb verblasst? Und hatte er deshalb Angst erfahren? „Du kennst doch schon lange die Antwort auf deine Fragen…“, sprach sie. „Du lebst…“ Dann tat sie etwas, was er dieser Frau nicht zugetraut hätte. Sie umarmte ihn mütterlich und gab ihm einen Kuss auf seine linke Wange. „Ich bin zwar nicht deine Mama, aber das heißt nicht, dass du mir nicht ebenso wichtig bist.“ Klein-Link lächelte, war dankbar für diese Wärme und Fürsorge, auch wenn er nicht alles verstehen konnte. Dann trat der einstige Held jenes modernen Zeitalters näher. Seine ernsten, befehlsgewaltigen Augen lasen eindringlich in seinen. „Mir ist klar, dass ich womöglich nicht der Held bin, den du dir gewünscht hättest, und ich schätze, dass ist auch gar nicht nötig.“ Und seine Augen schwenkten hinüber zu Lia, die mit Velkan nahe dem Balkon stand. „Es gibt einen Helden in dieser Welt. Jemanden, der dir helfen kann deine Mission zu vollenden. Es gibt jüngere Generationen, die die Zukunft gestalten. Und es ist mir eine Ehre, dir jemanden an die Seite zu stellen, der dir ein Licht sein wird.“ Er reichte Lia seine linke Hand, die ihn nur fahl anstarrte. Er drückte das Medaillon der Mächtigen, jenes, das die Zelda dieser Welt im Besitz hatte, in ihre Hand. „Du bist die Heldin, die erwählt ist. Das Masterschwert hat dich schon lange anerkannt.“ Lias tiefblaue Augen schienen für einen Moment die Farbe zu verlieren. Ihr Vater musste den Verstand verloren haben. Kopfschüttelnd starrte sie in sein mit Trübsinn überschattetes Gesicht. Dann blickte sie zu Zelda, die ebenfalls nickte. „Irgendwann wird es für uns Zeit jüngeren Generationen den Vortritt zu lassen“, sprach sie. „Auch wenn es heißt, dass wir damit unsere Ziele und Selbstvorstellungen abgeben.“ Link Couraiga legte seiner Freundin Zelda einen Arm um die Schulter und blickte Lia aufmunternd an. „Sag‘ etwas“, meinte ihr Vater. „Du bist doch sonst nicht auf den Mund gefallen.“ Sie grinste daraufhin, schloss ihre tiefblauen Augen und schüttelte den Schädel. „Ihr beide wusstet das von Anfang an, was?“ Zelda schloss nur wissend ihre Augen und Link lachte auf. „Na gut“, sprach sie dann und wand sich zu Klein-Link und Navi um. „Ich muss sagen, ich freue mich darauf an dem Rat teilzunehmen. Ihr könnt mit meiner Unterstützung rechnen.“ Klein-Link jubelte und vollführte Luftsprünge. Und er wusste, dass sein Gespür ihn nicht belogen hatte. Es war Lia, die ihren Mut und ihre Aufopferungsbereitschaft für den Frieden einsetzen würde… Klein-Link und Navi erklärten Lia schließlich noch das ungeklärte und rätselhafte Ritual mit dem einstigen Medaillon, worauf die neue Heldin ihr magisches Blut auf Zeldas Medaillon träufelte und genauso wie in Hyrulia das Medaillon eine schillernde Linie entwickelte, die nun mit dem Ruf des zweiten Helden noch ein Stückchen weiter ausgefüllt war. „Irgendwann werden wir dich rufen, Lia“, meinte Navi. „Erst dann wirst du teleportiert werden und erst dann entscheidet sich, ob wir in der Lage sind die Erdenwelt mit geballter Kraft von einem Dutzend Heroen zu retten.“ „Ich werde bereit sein“, sprach sie furchtlos. Alsdann verabschiedeten sich die einstige Fee und der tapfere Jüngling von ihren Begleitern in diesem modernen Zeitalter. Es gab sicherlich noch viele offene Fragen und ungelöste Rätsel, die erst in neuen Welten ihre Antwort finden würden. Für diese Welt und diese fortschrittliche Zeit allerdings war die Mission vorüber. Und für diese Momente war das Götterkind dankbar. Er hatte seinen Erfahrungsreichtum erweitert. Er hatte in dieser Welt neue Dinge gelernt, wichtige Dinge, von denen er in anderen Welten profitieren würde. Und das umschriebene und gewaltige Weltengesetz würde noch einige Überraschungen für ihn bereit halten. Mit lächelnden Gesichtern, und bereit für eine neue Aufgabe, ständig mit der Gewissheit über diese Welt hinaus Feinde zu haben, standen Navi und das Götterkind auf dem Balkon des teuren Appartements. Und als sich das Medaillon aktivierte und silberne Funken die beiden Kindergestalten umrahmten, zog auch am weiten Horizont ein Silberstreif vorüber. Geschichten endeten und zumeist endeten sie mit einem Lächeln, das in anderen neuen Welten fort bestand… „Meinst du, wir werden die beiden jemals wieder sehen?“, sprach Lia nur Minuten später, als sie mit Velkan auf ihrem Balkon stand. Er legte einen Arm um ihre Schulter. „Du wirst sie sicherlich noch einmal sehen, dann, wenn du als Heldin an einen einzigartigen Rat teilnehmen wirst.“ Seine scharfen Augen richteten sich hinaus zum Horizont, wo letzte silbern schillernde Spuren von Navi und dem Götterkind vergingen. „Aber diese Geschichte hier ist vorüber…“, entgegnete sie und presste ihre Lippen aneinander um die Nostalgie jener Worte zu entschärfen. „Und wie jede gute Geschichte sollte auch diese hier mit etwas ganz Speziellem enden, meinst du nicht?“ Er sagte diese Worte in jenem Ton, der sie immer wieder schwach werden ließ. Und vielleicht konnte sie ihm nach all den Ereignissen der letzten Monate doch noch einmal vertrauen, egal, wo das mit ihnen beiden jemals hinführen würde. Sie grinste und schüttelte amüsiert ihren Schädel. „Lia“, sprach er leise. „Ich habe sicherlich viel falsch gemacht, aber ohne diese Erfahrungen könnte ich es jetzt wohl nicht richtig machen.“ „Du bist und bleibst ein kindischer, aber gutaussehender Vollidiot…“, murmelte sie und blickte tiefsinnig in seine silbergrauen Augen. „Ich stimme dir zu, meine Heldin“, meinte er schmunzelnd. „Sag‘ das nochmal und am besten immer wieder.“ „Meine Heldin.“ Sie lachte und legte ihre kräftigen Hände auf seine unrasierten Wangen. „In Ordnung, lass‘ uns diese Geschichte mit etwas beenden, was in jedem Märchen zum Schluss erfolgt.“ Velkan lächelte und war trotzallem etwas verwundert, dass Lia ihm nach all‘ den Verletzungen tatsächlich noch eine Chance gab. Wie auch immer, dachte er, wozu noch denken, wenn Gedanken bei so etwas wie einem Kuss im Wege stehen würden. Und sie ließen diese Mission mit einer magischen Begegnung zweier Wesen enden. Mit nichts anderem als einem leidenschaftlichen, versöhnenden Kuss… Kapitel 143: Ein vergessenes Schicksal… Teil 1 ---------------------------------------------- Jawohl, ihr seht richtig: Ein Update von NeS ^___^ Es ist die Fortsetzung zu der Geschichte des Götterkindes und ich denke, es hält noch einige Überraschungen bereit. Mittlerweile habe ich mich entschieden, die Kapitel der vielen anderen "Links" mit der Geschichte des Götterkindes als Bonuskapitel an die vorigen vier Bücher (NeS kann man in 4 große Bücher einteilen) anzuhängen. Das bedeutet, dass ich die Kapitel irgendwann verschieben und NeS nach dem großen Kampf zu einem ende bringen werde, was hoffentlich keine Jahrzehnte mehr dauert O.o Die besten Grüße an alle, die "NeS" noch treu geblieben sind und einen besonders fetten Gruß an Goku-kun, der sich die Mühe macht, ein Hörspiel von NeS zu entwickeln. Himmel, war ich baff ^___^ Danke!!! _____________________ Hyrules Lebensgeschichte verinnerlichte Hunderte Mythen, außergewöhnliche Legenden und rührende Schicksale von Geschöpfen, die nach Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden trachteten. Und egal, in welchem Zeitpfand, in welcher Dimension, sich die Geschehnisse zu fesselndem Geschick zusammenfügten, der Weg, den die Erwählten bestreiten sollen, würde immer dorthin führen, wo Sonnenstrahlen über die Welt fielen… Und auch in dem Augenblick glitten jene wärmenden Strahlen über das hier noch junge Land in einem Zeitpfad, der vielleicht noch nicht geschrieben wurde, streichelten die saftigen Gräser über blühenden Wiesen und streichelten auch die Geschöpfe, die in den frühen Morgenstunden bereits ihrer Arbeit nachgingen. Auch jene Wesen, die weitaus edlere Ziele mit sich trugen, wurden von der aufgehenden Morgensonne geblendet. Und so überraschten die Strahlen einen begabten Jungen, der nicht mehr wusste, wann er in diese Welt gekommen war… Zaghaft öffneten sich seine himmelblauen Augen. Seine kleine Nase schnupperte den Duft zarter Gräser, die ihn umgaben. Und seine Hände streckten sich suchend umher, fühlten Gräser, kleine Ameisen, die über seine Haut krabbelten und weichen, samtigen Erdboden. Er blinzelte, geblendet von wärmenden Sonnenstrahlen. Er erinnerte sich rasch und saß dann erschrocken aufrecht. Seine Hände rieben hastig den übriggebliebenen Schlafsand aus seinen Augenwinkeln, bis er endlich ein gutes Sichtfeld hatte. Er erhob sich, bewegte seine müden Glieder und wagte einen Blick umher, der ihn zugleich weinen und lächeln ließ. Vor ihm lag eine Welt, die so reich und lebendig war, dass es ihn fröstelte. Ein frischer Frühlingswind blies ihm entgegen, als er begann zu laufen. Seine Beine bewegten sich wie von selbst durch kniehohe Gräser einer weiten, riesigen Wiese, auf welcher nur eine Hand voll Bäume standen. Er lachte und jubelte, während sein Blick nach vorne glitt. Er war in einem Hyrule, das wusste er. Und er war in einem sehr gigantischen Hyrule. Der Himmel färbte sich blau, als die Sonne emporstieg. Kein Funken von rotgefärbten Alpträumen, die dem Himmel das Gesicht nahmen. Die Todesberge, oder wie immer man sie in dieser Welt nannte, lagen direkt vor seinen Augen. Als wären sie lebendig, schossen jene stolzen Berge direkt nach der blühenden Wiese in die Höhe. Sie erschienen dem Kind beinah doppelt so hoch wie jene Todesberge, die er von dem Hyrule der Ocarina– of- Time- Zelda kannte. Und auf einem der nahen Hügel ragten mehrere weiße Türme, geschmückt mit roten, grünen und blauen Flacken, empor. Dort musste es eine bewohnte Stadt geben, dachte der Junge. Er lief noch etwas und als er außer Puste war, blieb er einfach stehen. Der Junge umfasste das Medaillon der Mächtigen um seinen Hals und erinnerte sich kurz an seine Mission. Er und Navi waren gerade erst von einem anderen Hyrule aufgebrochen. Alles, was er noch wusste, war, dass er vorhin hier zu sich kam, inmitten der Wiese. Seine Augen musterten besorgt noch einmal die Gegend, aber es war, wie er vermutet hatte. Navi war nicht hier. Als sie beide teleportiert wurden, hatte er fast das Gefühl gehabt, sie hätte seine Hand einfach losgelassen… Er kratzte sich am Kopf und rieb dann besorgt seine Stirn. Sicherlich, er freute sich irgendwie im nächsten Hyrule angekommen zu sein, wo er sicherlich einen Link finden würde, aber wie sollte er das alles bewerkstelligen ohne Navi? Sie war schließlich älter und sicherlich auch klüger als er, obwohl er dies natürlich ebenso auf ihr Alter schob. Es würde schwer für ihn werden, diese Welt zu erkunden, den hier lebenden Link zu finden, und dann auch noch nach Navi zu suchen. Zaghaft umfasste er das Medaillon um seinen Hals und ließ sich dann seufzend wieder ins Gras sinken. Schnell ließ er einige Tropfen seines Blutes auf das alte Medaillon rieseln. Er hoffte, dass es ihm irgendwie weiterhelfen würde. Immerhin beantwortete es Wünsche, die man in seinem Herzen trug… Aber hier und jetzt… reagierte das alte Medaillon auf gar nichts. Nicht einmal ein kleiner Funken. Die Macht des alten Relikts schwieg… Es war eines der wenigen Male, da sich das Götterkind so hilflos fühlte. Und irgendwie fühlte er sich heute wieder wie ein talentloses, dummes Kind. Sein ansehnliches Kindergesicht richtete sich in die Höhe, wo die Sonne ihm wärmend ein Lächeln schenkte. Es war wie, als wollte sie sagen: Sei unbesorgt. Dein Schicksal hat gerade erst begonnen. Noch ist keine Zeit zum Scheitern. Und sie musste Recht haben. „Noch ist keine Zeit zum Scheitern, wahrlich nicht“, sprach dann jemand einige Meter weiter. Eine Stimme, die ihm beinah einen Herzkasper bescherte. Es war eine tiefe, weibliche Stimme, die er schon einmal vernommen hatte. Und dies war noch nicht lange her. Er traute sich fast nicht, sein Gesicht in Richtung jener Gestalt zu wenden. Zu viel Respekt hatte er vor jener Person. Außerdem hatte er etwas Bammel vor den Konsequenzen, denn diese Frau hatte er bei etwas beobachtet, was doch sehr intim war. „Dreht Euch um, Wanderer, der die Realitäten für sich gewinnt“, setzte sie hinzu. Und neben ihrer Stimme war deutlich das Klappern von Metall hörbar. Klein- Links Augen waren weit aufgerissen, während er sein Blickfeld drehte. Er konnte es eigentlich gar nicht fassen. Aber vor ihm stand sie tatsächlich. Eine Kriegerprinzessin. Eine Frau, die ohne Gnade kämpfen konnte. Tizianblondes Haar fiel in einem geflochtenen, langen Zopf an ihrem Rücken hinab. Tiefe, blaue Augen, in welchen Sehnsucht, Verlangen und Freiheitsliebe eingemauert schienen, blickten neugierig auf ihn hinab. Sie trug eine enge, weinrote Korsage und einen Lederrock. Lange, eng anliegende Stiefel, ließen sie sich gewandt bewegen. Ein Bogen, ein Schwert, mehrere Dolche. Und wusste Din, welche Waffen, sie noch in diesem Outfit versteckte, sagten einem Feind, dass er sich besser nicht mit ihr anlegen sollte. Vor allem in ihren Augen lag eine Macht, die man nicht unterschätzen sollte. „Ihr seid ja…“, seufzte Klein-Link und musste vor Erstaunen auf die Knie sinken. Sie stemmte ihre Hände in ihre prallen Hüften und musterte ihn eindringlich. „Mir ist bekannt, dass Ihr mich kennt, Kind der Götter“, sagte sie und trat näher. Noch während sie nähertrat, hatte der Junge das Gefühl zurückweichen zu müssen. Ein Wind begleitete sie. Scharf. Beinahe vernichtend. „Oder sollte ich dich den Helden nennen, der sich Dimensionen Untertan macht“, bemerkte sie weiterhin. Klein-Link war zu sprachlos, um diese Bemerkung merkwürdig zu finden und starrte die erwachsene Frau weiterhin verblüfft an. „Ihr seid Zeruda“, stellte er fest. Gerade in dem Moment reichte sie ihm eine Hand und zerrte ihn rasch auf die Beine. „Das ist richtig. Keine geringere.“ „Und in welcher Zeit bin ich jetzt gelandet?“, stutzte er und kratzte sich am Kopf. „Vielleicht nicht in der, die Ihr zu hoffen gewagt habt“, sprach sie und neigte ihr schönes Gesicht in Richtung der stolzen Berge. „Ähm… könnt Ihr das nicht unterlassen?“, fragte er und schabte mit den Stiefeln über den Erdboden. „Könntet Ihr nicht du zu mir sagen?“ Er wurde rot wie eine reife Kirsche, als er dies verlangte. „Es macht mich so wuschelig, so höflich angesprochen zu werden.“ Die Dame lächelte sanft und nickte. Die reife Frau schnipste mit den Fingern und plötzlich färbte sich ihr helles Haar schwarz. Ihre durchdringenden blauen Augen wurden grün. „Vor dir steht nun nicht mehr Zeruda, merke dir das. Dieses Gesicht trage ich außerhalb der Schlossmauern. Niemand weiß um das wahre Gesicht der Prinzessin Hyrules in diesem Lande. Solltest du dies jemandem verraten wollen, so möge dir die Zunge abfallen“, sprach sie. Und erneut wollte Klein- Link auf die Knie sinken. Diese Frau machte ihm irgendwie Angst. „Aber im Moment gibt es genug zu tun. Du wirst mir helfen, die Stäbe zu richten“, erklärte sie. Klein-Link wusste nun überhaupt nicht mehr, wie ihm geschah. Nervös und unsicher schaute er Zeruda zu, die sich langsam auf die Wiese hockte und in etwa dreizehn Stäbe in einem Kreis um sich aufbaute. „Aber ich muss doch den Link dieser Welt finden… und Navi ist auch verschwunden“, wollte er erklären. „Alles zu seiner Zeit, Götterkind“, erwiderte sie. „Du wirst mir jetzt helfen.“ Sie blickte auf, und von einer Sekunde auf die andere färbten sich ihre Augen zu blau, und wieder zu grün. Irgendetwas Hypnotisierendes und Strenges hatte diese Zelda an sich, was er nicht definieren konnte. Er fühlte sich dieser Person kein bisschen verbunden. Zuviel Angst löste sie in ihm aus. „Deine Angst verfliegt mit deiner Erfahrung“, meinte sie daraufhin, als ob sie Gedanken lesen konnte. „Und jetzt hilf mir.“ Er trat nickend näher und platzierte ebenso einen Teil der unterschiedlich geformten und unterschiedliche Farben tragenden Holzstäbe in den weichen Erdboden. „Wozu ist das hier?“, fragte er leise, aber traute sich nicht diese mächtige Frau anzuschauen. „Dreizehn mächtige Wesen sind über Hyrule verteilt, die ebenso wie ich in einem Kreis platziert sind. Dreizehn, die helfen werden den Himmelskörper zu zerteilen, der in zwanzig Sekunden die Atmosphäre durchstößt“, erklärte sie ruhig. Sie sagte das in einem Ton, als ob das nichts weiter wäre. Als ob solche Ereignisse jeden Tag passierten. Wie, bei den Göttinnen, bewahrte sich Zeruda diese Ruhe? „Wie bitte? Himmelskörper?“, kreischte der Junge und starrte aufgelöst in jede Himmelsrichtung, ob er etwas erkennen konnte. „In einigen Sekunden knallt etwas nieder? Ein Asteroid?“ Das Götterkind zappelte herum und stieß mit seiner Aufregung einen der Stäbe um, die sie sorgfältig in den Erdboden gesteckt hatten. „In zehn Sekunden“, sprach Zeruda harmonisch, platzierte den Stab wieder korrekt und kniete sich in den Kreis, der von den Stäben umrahmt wurde. Voller Erstaunen und Nervosität folgte der Junge dem Schauspiel, sah, wie sich Zerudas Augen plötzlich Gold färbten. Langsam berührte sie mit ihren Händen alle dreizehn Stäbe, bis sie ihre Arme elegant in die Höhe streckte. Es schien, als spannte sie unsichtbare Fäden der Macht, als sammelte sich in ihr die Kraft Welten zu erlösen. „Drei Sekunden“, murmelte sie, schloss ihre Augen und richtete ihr Haupt voller Anmut in die Höhe. Klein- Link wich einige Meter zurück, fiel auf seinen Hintern und erschrak, als am Himmel plötzlich ein großer rotglühender Körper sichtbar wurde. Gerade da stieß ein röhrender, blauschillernder Strahl aus Zerudas Händen, prallte mit zerstörerischer Wucht gegen den Himmelskörper und das Objekt zerplatzte noch am Himmel. Feine Staubkörner fielen nieder. An manchen Stellen Hyrules gingen etwas größere Steine nieder, die noch immer glühten, und welche mehrere Jahrhunderte glühen würden. Fortan sollten sie als Drachensteine bekannt werden. Zeruda atmete lediglich sachte aus, stand auf ihren Beinen, als wäre nichts gewesen und zog jene Stäbe aus dem Boden. Ja, offenbar war dieses Ereignis tatsächlich ohne Belang für sie. Sie hatte scheinbar ihre Macht demonstrieren wollen. Und sie liebte ihre Stärke… Klein- Link wusste nicht, was er sagen sollte. Er starrte diese mächtige Frau nur entgeistert an. Sie verzog jedoch nicht eine Miene in ihrem makellosen Gesicht. „Das sind die Dinge, die an ein großes Schicksal geknüpft sind. Entweder man lebt danach oder geht unter. Lerne das zu verstehen, Kind der Götter“, bemerkte sie und kniete zu ihm nieder. Sie nahm seine linke Hand in ihre Beiden und zeigte das erste Mal ihre weibliche, fürsorgliche Seite. „Niemand verlangt von dir Unmögliches, aber ich möchte, dass du hier, in diesem Hyrule anfängst zu lernen, die Dinge zu beherrschen, die für deine Zukunft unabdingbar sind. Dazu gehört auch stark zu sein, und Kälte zu ertragen.“ Ruppig zerrte sie ihn auf die Beine. Er nickte dann und verstand. Sie verhielt sich aus gutem Grund so kühl ihm gegenüber. Es schien fast so, als wollte sie ihn auf etwas vorbereiten. „Wir werden jetzt in die Nordstadt reiten“, sprach sie weiterhin. Sie ließ Klein- Link nicht einmal die Möglichkeit irgendetwas zu sagen. Sie deutete mit ihrem Arm in Richtung der Todesberge, wo auf einem Hügel davor, die weißen Türme standen. „Dort wirst du meinen Bruder Harkenia treffen, der Hyrule mit meinem Einverständnis regiert. Er wird dich im Schwertkampf unterweisen, damit du für künftige Welten gut vorbereitet bist.“ Klein- Link fühlte sich gleich noch mehr unter Druck gesetzt. Diese Prinzessin hatte anscheinend viele Dinge mit ihm vor. Dabei war ihm jetzt schon danach aufzugeben. Navi war nicht da. Er hatte Hunger und fühlte sich irgendwie so schlapp und schwach. Wenn er sich vorstellte, welche Macht durch die Adern von Zeruda floss, welche Stärke mochte wohl Rinku besitzen? Waren diese beiden Vorfahren überhaupt mit der jetzigen Zelda und dem jetzigen Link vergleichbar? Wie sollte er, da er aus den Essenzen der Ocarina- of- Time- Zelda und ihrem Link bestand, jemals an eine solche Stärke heranreichen? Klein-Link seufzte und dachte, ihm würde gleich der Kopf platzen vor Anspannung. Er fühlte sich so ausgeliefert… „Kannst du reiten?“, fragte sie ihn. Er starrte sie wie von Sinnen an und wusste nicht, ob er darauf ehrlich antworten, oder vielleicht lügen sollte, damit sie nicht dachte, er wäre zu gar nichts nutze. „Du brauchst nicht lügen, ich erkenne ohnehin, wenn du dies tust“, meinte sie streng. Und der nächste Dämpfer, der den Bengel sich unsicher fühlen ließ. Wenn sie ohnehin soviel aus ihm lesen konnte, warum stellte sie dann überhaupt noch irgendeine Frage? „Ich kann… also ich habe es bisher noch nicht alleine gemacht…“, meinte er stotternd. Sie ließ durch ihre frostige Miene ein leichtes Lächeln schimmern. „In Ordnung, dann wirst du es jetzt lernen.“ Sie kramte eine grünschimmernde Flöte mit kastanienbraunen Verzierungen aus einer Seitentasche und blies einen leichten Strom Luft hinein. Drei Töne wiederholten sich immer wieder, ohne dass Zeruda ihre Finger auf dem kleinen Instrument bewegte. Und plötzlich galoppierten schwungvoll und mit natürlicher Eleganz zwei muskulöse Pferde von dem nahegelegenen Fluss in ihre Richtung. Beide Tiere schienen fast riesig im Gegensatz zu gewöhnlichen Pferden, besaßen silberne Mähnen, und waren ansonsten weiß wie Schnee. Zeruda lächelte, als jene beiden starken Tiere direkt vor ihrem Antlitz stehen blieben und wieherten. Scheinbar liebten die Tiere diese Prinzessin aufrichtig. „Das sind Silberhuf und seine Tochter Elysia. Sie werden uns in die Stadt bringen.“ Mit einer Leichtigkeit, als ob die Schwerkraft für Zeruda keine Bedeutung hatte, saß sie im Sattel des älteren Tieres. „Elysia freut sich, dich zu tragen. Sie wird höflich zu dir sein. Hab‘ Mut und schwinge dich auf ihren Rücken“, sagte Zeruda erwartungsfroh. „Na gut…“, murmelte das Götterkind und trat mit tapsigen Schritten näher. Seine unsicheren Hände streckte er nach dem schmalen, schönen Kopf des Tieres aus. Sie stupste ihn jedoch mit ihrer Schnauze an die Stirn und gab ihm einen Schlecker quer über das Gesicht. Der Junge lachte daraufhin. Das war wohl das netteste, was er seit dem Aufwachen in diesem Hyrule erfahren hatte. Er streichelte dann sanft den Kopf jener schönen Stute und ging zaghaft um sie herum. Etwas mulmig stand er vor dem hohen Steigbügel. Elysia drehte den langen Kopf zu ihm und wieherte, als wollte sie etwas sagen. Plötzlich ging sie in die Knie, sodass es ihm weitaus leichter fallen würde aufzusteigen. Klein- Link lächelte umso erfreuter. Im nächsten Moment saß er bereits in Elysias silbernem Sattel und hielt sich angestrengt an ihrer Mähne fest. Langsam trabte sie vorwärts, direkt nebst Silberhuf. „Wie gefällt es dir?“, fragte Zeruda dann. „Ganz gut eigentlich“, gab er ehrlich zu. „Es ist nur… bisher wurden nicht so viele Erwartungen an mich gestellt. Es ist etwas schwer für mich damit umzugehen.“ Zeruda nickte kühl und preschte schneller vorwärts. Elysia folgte mit rasender Geschwindigkeit. Es war ein neues Gefühl für den jungen Kerl, der in dieser Welt viele Erkenntnisse gewinnen würde. Auf dem Rücken eines Pferdes durch diese Welt reiten war ein unglaubliches Erlebnis. Der frische Wind im Gesicht, die starke Bewegung unter ihm, die von dem muskulösen Geschöpft ausging, zu sehen, wie die Welt rasch vorbeizog und dann der angenehme Duft nach saftigem Gras. All diese Dinge trugen zu einem wahnsinnigen Gefühl von Freiheit und Natürlichkeit bei. Klein- Link genoss die vielen Minuten auf dem Pferd und fühlte sich ein wenig tapferer als vorher… Nach einer halben Stunde trabten die beiden Pferde einen steinigen Weg hinauf. Die weißen Türme waren nun zum Greifen nahe. Die vielen Fahnen waren teilweise golden umrahmt. Und einer der Türme gehörte zu einem nicht fertiggestellten, aber dennoch ansehnlichen Schloss, welches ebenso weiße Mauern besaß. Plötzlich zischte es weit über den Köpfen von Klein- Link und Zeruda. Zwei Kaiser der Lüfte bretterten mit riesigen Flügeln über ihnen hinweg. Erschrocken reckte das Kind den Kopf in die Höhe und erblickte weit über ihnen zwei schuppentragende Wesen, die mit irrem Tempo am Himmel entlang donnerten. Einer von ihnen flog kreischend um den weißen Turm des Schlosses und stürzte sich dann weiter hinauf ins unerreichbare Himmelszelt. „Drachen!“, rief Klein- Link entgeistert. In diesem Hyrule lebten tatsächlich noch einige von ihnen? „Ja, diese beiden sind freundlicher Gesinnung und beschützen unsere teilweise zerstörte Nordstadt seit dem Krieg…“ Zerudas Stimme wurde trauriger, während sie redete. Und für einen schwindenden Moment dachte der junge Kerl, er hätte eine Träne ihre Wange hinab tropfen sehen. „Seit einem Jahr haben wir Frieden… doch für diesen Frieden mussten wir viele Opfer bringen… und es wird nicht lange dauern, wird ein noch grausamer Krieg über diese Welt ziehen…“, setzte sie hinzu und preschte dann weiter des Weges. Vielleicht hatte das Götterkind sie doch falsch eingeschätzt. Er wusste es nicht. Jedenfalls wirkte sie gerade eben alles andere als kühl und unnahbar. Ihr letzter Satz war sogar sehr gefühlvoll gesprochen. Er atmete tief ein und wurde belehrt, dass er sich vielleicht viel zu schnell ein Bild von Zeruda gemacht hatte... Etwas später gelangten die beiden Reisenden endlich in die neuerbaute Nordstadt. Es war eine saubere Stadt, die rings um ein noch unfertiges Schloss mit weißen Mauern gebaut wurde. Einige Hylianer musterten sie mit neugierigen Blicken, als sie in Richtung Schloss ritten. Andere lächelten und grüßten sie. Es war sehr viel Trubel in der kleinen Stadt. Ein fröhlicher Markttag, an welchem die Bewohner schreiend und sich zankend um das beste Obst und Gemüse, das beste Stück Fleisch und die besten Kleider stritten. Sie folgten einer kleinen Gasse, trabten durch ein altes Tor mit hylianischen Inschriften, die sie willkommen hießen. Es folgte der Schlossinnenhof, wo einige Männer mit Schwertern fochten, hier und da eine Frau Wäsche säuberte und an eine Leine hängte, und einige Kinder in Klein- Links Alter mit einem Ball spielten. Er und Zeruda fielen in dem Trubel kaum auf und verschwanden mit den beiden Pferden in einem Stall. „Wir lassen die Tiere hier, wenn es ihr Wunsch ist, werden sie einfach gehen“, sprach Zeruda erklärend. „Wir sind hier im Schloss Hyrules. Diese Stadt ist noch jung und war lange Zeit unter Kontrolle des viehischen Moblanusvolkes. Dennoch konnten wir hier bereits wieder aufbauen, was verloren gegangen ist.“ Klein- Link nickte und klopfte der Stute Elysia noch einige Male freundschaftlich auf den Hals. „Es ist Zeit zu gehen“, sprach die adlige Dame strenger, musterte ihn mit ihren noch grünen Augen. „Nimm‘ meine Hand, ich muss zurück in meine Gemächer“, sagte sie. Klein- Link tat abermals wie ihm geheißen und umschloss mit seiner kleinen Zerudas Hand… selbst ihre Hand war kalt. Noch ehe er verstanden hatte, was geschehen war, befand er sich auf Wegen der Teleportation mit der Prinzessin in einem Turmzimmer. An fast jeder Wand befand sich ein Fenster mit spitzem Bogen, sodass hier sehr viel Licht einfallen konnte. Ein einfaches Bett, ein Schreibtisch und wenige Regale und Schränke machten den Raum sinnlich und harmonisch. Es waren warme Farben, die hier vorherrschten. Ein struppiger Teppich in Weinrot. Mehrere Pelze. Das Bett in weißen und rosa Farben. Selbst das Holz der Regale und des Schreibtisches besaß einen roten Grundton. Klein- Link blickte Zeruda dann verwundert an. Verschwunden war die herausragende Kämpferseite dieser Prinzessin aus der Vorzeit. Eingehüllt in ein ärmelloses, dunkelblaues Kleid, unter dem sie eine weiße Bluse trug, die die Haut ihrer Arme durchschimmern ließ, wirkte sie so anständig, wohlerzogen und irgendwie auch zerbrechlich. Ihre Augen waren so dunkelblau, dass sie fast schwarz schienen, und an ihrem Rücken fiel ihr tizianblondes Haar nun gepflegt und offen hinab. Und jetzt, da ihre starke Seite versteckt lag, hatte Klein- Link fast Mitleid mit ihr. Sie wirkte so traurig mit ihrem starren Gesicht und den kühlen Augen. Sie ließ sich auf die Bettkante sinken und schien für einen kurzen Moment nicht Herr ihrer Sinne zu sein. „Zeruda… sagt… was soll ich jetzt tun?“, fragte er leise und nahm seine Mütze vom Kopf. Er fühlte sich noch immer so hilflos. Sie blickte auf und lächelte schwach. „Nur einen Moment noch…“, meinte sie und deutete zu der Tür. Aber noch immer blickte sie ihn mit ihren undurchschaubaren Augen an, musterte ihn eindringlich. Und erneut hinterließ diese Frau, die schon Ende zwanzig sein musste, einige Rätsel in dem Kopf des Götterkindes. Worauf sollte er warten? Er hatte eine Mission. Und er musste so schnell es ging Navi finden. War Navi vielleicht gar nicht in dieser Welt? Klein- Link schüttelte entnervt den Kopf. Plötzlich klopfte es mehrmals an der Tür. Eine angenehme, raue Männerstimme sprach dahinter in ruhigem Ton. „Zeruda? Seid Ihr hier, Schwester?“ „Ja, ich bin da“, antwortete sie. „Tretet ein, Harkenia.“ Daraufhin trat ein junger Mann mit hellbraunem, vollem Haar und denselben dunkelblauen Augen wie ihren in den Raum. Er trug einen tiefroten Umhang, einen Brustpanzer und Beinschoner aus Gold. Er lächelte, als er Zeruda sah und musterte dann verwundert den jungen Link. „Ist er das?“, fragte er und kniete nieder, sodass er dem Jungen in die Augen sehen konnte. Sofort war dem jungen Heroen klar, dass dieser Mann in alles eingeweiht war. „Ja, das ist das Kind der Götter, wie ich es Euch prophezeit habe“, murmelte Zeruda, aber blickte aus dem Fenster. Der Mann gab Klein- Link daraufhin die Hand. Klein- Link wusste nicht, ob er diese schütteln oder küssen sollte. Wie genau begrüßten sich Adlige in diesem Zeitalter eigentlich? Der Mann erkannte die Ratlosigkeit des Jungen sofort. Er lachte. „Keine Sorge, ich beiße nicht.“ Dieser Satz nahm dem Götterkind nun ebenfalls die Anspannung. Klein- Link nickte höflich und schüttelte einfach die Hand des jungen Mannes. „Ich bin Harkenia, der Bruder Zerudas, und übe die Regierungstätigkeit in Hyrule aus, natürlich unter der Aufsicht meiner älteren Schwester. Falls ich irgendeinen Fehler mache, weiß sie das eher als ich“, setzte er hinzu, jedoch im Flüsterton. „Harkenia!“, bemerkte Zeruda streng. „Siehst du, sie hört wahrlich alles… und wenn sie es nicht hörte, so nutzt sie einfach ihr drittes Auge.“ Er grinste. Und Zeruda schüttelte langsam den Kopf. „Schluss mit den Scherzen, Harkenia“, sagte sie zischend und trat näher. Erneut umhüllte sie ein eisiger Wind, der ihr den notwendigen Respekt verschaffte. „Es gibt Dinge zu tun… wichtige Dinge…“ Daraufhin leuchteten ihre Augen für einen Moment. „Da der Held der Welten nun eingetroffen ist, wird es nicht mehr lange dauern…“ Nicht mehr lange dauern? Welches Ereignis würde nicht mehr lange dauern? Und warum löste sich Zerudas starres Gesicht für einen Augenblick, als sie das sagte. „Bitte, Harkenia… ich möchte, dass alles zu unseren Gunsten abläuft.“ Der Angesprochene trat auf seine muskelbepackten Beine, küsste die Hand seiner Schwester und umarmte sie dann innig, vielleicht eher wie es ein Liebender tun würde. „Das wird es, macht Euch keine Sorgen. Ihr werdet ihn wiedersehen…“, sprach er noch leise in ihr Ohr. „Jetzt ruht Euch aus. Ihr seid erschöpft.“ Die Frau nickte höflich und wand sich für einen Moment an den Jungen. „Hör zu. Deine Hylianerohren sind ein wenig anders geformt als unsere. Lass mich dies ändern, solange du hier bist.“ Er nickte kurz, und dachte, dass es der Prinzessin auch früher hätte einfallen könnten, spürte für einen Moment Wärme an beiden Ohren, aber konnte nicht sagen, ob sich wirklich etwas verändert hatte. „Du wirst nun mit meinem Bruder mitgehen. Er wird dir einige Dinge vertrauensvoll erklären, und dir das Schloss zeigen. Was deine Begleiterin angeht, so wird er sie mit dir oder für dich auffinden. Du wirst eine warme Mahlzeit bekommen und dann Harkenia gehorchen. Verstanden?“ Das Götterkind sagte auch hier wieder Ja und Amen zu dieser Person. „Das Medaillon der Mächtigen um deinen Hals wird nicht arbeiten, da sein exaktes Gegenstück hier verborgen ist und ich dies kontrolliere. Der Feind aus der anderen Welt hat in diesem Königreich keinen Zutritt. Jetzt geh“, befahl sie. Nun verstand Klein- Link auch, warum es vor wenigen Stunden nicht gearbeitet hatte. Zeruda kontrollierte wahrlich alles. Sie schien nicht davor zurück zu schrecken, überall ihre Hände im Spiel zu haben. Wie konnte man nur so einen Kontrollzwang haben, dachte der Bengel. Er seufzte und warf Zeruda noch einen ängstlichen Blick zu. Daraufhin folgte das Götterkind dem Erwachsenen ohne Wiederrede aus dem Raum. Langsam stiegen sie beide eine ewigscheinende Wendeltreppe hinab. Das leise Taptap ihrer vier Füße machte das Götterkind nervös. „Dein richtiger Name ist ebenso Harkenia, sagte mir meine Schwester.“ Klein- Link nickte nur. „Ich nehme an, du fühlst dich ziemlich verloren hier“, bemerkte der Mann, während goldene Schulterplatten an ihm klapperten. „Es ist nicht einfach…“, sprach der Junge und blickte zu seinen Füßen, die sich wie von selbst bewegten. „Ich verstehe gerade überhaupt nichts.“ Daraufhin blieb der Bruder Zerudas stehen und schielte den Jungen eindringlich an. „Nun, alles, was ich weiß, ist, dass du ein Kind von Göttern bist, und hierher geschickt wurdest aufgrund einer sehr wichtigen Mission. Du kommst aus einer fortschrittlicheren Zeit als unserer.“ „Ja, das ist richtig“, sprach das Kind. „Ich bin hier um den Heroen dieser Welt um Hilfe zu bitten.“ Ein paar nachdenkliche Falten legten sich auf die Stirn des Regierenden jener Welt. „Auch das sagte mir meine Schwester…“ Da der Erwachsene in diesen Worten immer leiser wurde, vermutete das Götterkind bereits, dass etwas nicht stimmen konnte. „Sir Harkenia…“, meinte das Kind, und hatte wahrlich Mühe diesen Mann korrekt anzusprechen. Ob er vielleicht sogar König sagen musste? „Warum ist Zeruda so… so…“ Der Erwachsene sah den Jungen mit seinen beinah schwarzen Augen eindringlich an. „Du musst wissen… der Held dieser Welt, Rinku, er starb in der Schlacht um Hyrule. Er starb für Hyrule. Ohne sein Opfer hätten wir das Böse nicht vernichten können. Zeruda trauert noch immer um diesen Verlust.“ Klein- Link war nun wie vor den Kopf gestoßen. Der Link dieser Welt war tot? Wie zum Teufel sollte er ihn dann um Beistand bitten? Warum hatte das Medaillon ihn dann genau in diese Zeit und Welt geschickt? Das ergab alles keinen Sinn. „Und hier beginnt unsere Aufgabe“, sprach Harkenia ehrfürchtig und muterfüllt. „Zeruda wird die Antwort suchen, sie wird wissen, was hier zu tun ist, um sowohl deine Mission voranzubringen, als auch ihrem Herzen Frieden zu gönnen. Und so lange sie diese Antwort sucht, möchte sie, dass du dich weiterentwickelst, dass du lernst mit dem Schwert umzugehen.“ Endlich hatte Klein- Link verstanden, was Zeruda im Sinn hatte. Sie plante etwas, und solange sich diese Antworten ihr noch nicht prophezeit hatten, so lange musste er einfach Vertrauen haben in den Lauf der Dinge. War es möglicherweise Vorsehung, dass er Navi gerade jetzt verloren hatte? „Und deine Begleiterin müssen wir doch auch wieder finden, nicht wahr?“, meinte der Adlige. Klein- Link nickte daraufhin. „Wenn nur nicht alles so ungewiss wäre. Zerudas kühle und strenge Art macht mich nervös“, meinte er ehrlich. „Sie macht mich so hilflos und verzichtet irgendwie darauf einem etwas so zu erklären, dass man es versteht…“ Der Mann klopfte dem Götterkind auf den blonden Schopf. „Versteh‘ es nicht falsch, sie hat einiges durchgemacht. Sie hat den Mann, den sie liebt verloren… und kurz darauf eine Fehlgeburt erlitten. Sie ist oft sehr mit sich selbst beschäftigt, redet nicht viel, und vergisst darüber hinaus, dass niemand das weiß, was sie weiß. Und es wirkt oft so, als überschätze sie sich selbst, denn auch sie weiß nicht alles… Aber lass‘ dich nicht täuschen, hinter diesem eisernen Äußeren verbirgt sich sehr viel Wärme und Sehnsucht.“ Und erneut tat sie ihm leid. Sie hatte Rinku und dann noch das Kind von ihm verloren? Wie wurde man mit solchen Verlusten überhaupt fertig… „Das ist ja schrecklich…“, murmelte er und schniefte. Er wollte sich gar nicht vorstellen, wie es sein musste, solche Verluste zu ertragen. „Ja, das ist es…“, sprach Harkenia und auch er hatte gläserne Augen. „Sie übertrug mir die Herrschaft, weil sie selbst nicht die Kraft hatte.“ Er machte eine kurze Pause und seufzte. „Es ist schon ein Jahr her, dass Rinku starb. Aber viele Hylianer können es immer noch nicht glauben. Er war ein Licht in unserer Welt. Und er fehlt, er fehlt uns allen.“ Sie gelangten am Ende der Wendeltreppe in einen langen Gang, und betraten eine alte Küche, wo eine kräftige Frau mit grauem Haar gerade eine Suppe salzte. „Iryna, das ist unser Gast. Er braucht etwas Stärkendes um nachher am Training teilzunehmen.“, sprach Harkenia, klopfte dem Kind noch einmal auf den Kopf und grinste ihn an. „Iss soviel du willst, Iryna kocht ohnehin immer zu viel“, scherzte er. „Den Teufel tu‘ ich, Sir“, murrte sie und hielt den Kochlöffel bedrohlich in die Höhe. „Nun streitet es nicht noch ab“, lachte der Mann. Die Köchin wackelte mit der Nase. „Das nächste Essen versalze ich Euch, Sir“, rief sie. „Gewiss. Gewiss. Nur sagt keinem, dass ihr verliebt seid, wir wissen doch alle in wen.“ Darauf bekam die gut bestückte Köchin beinahe Hörner. Klein- Link fand die Situation ein wenig schräg. War es normal, dass ein Regent so mit einer Köchin redete? Und bald darauf lachten sowohl Harkenia, als auch die Köchin und schüttelten dann ihre Köpfe. „Nun gut, deine erste Aufgabe wird sein, mich zu suchen. Du findest mich dort, wo Zerudas Herz noch hängt“, sprach der Mann zu dem Götterkind und verschwand. Die Köchin platzierte sogleich eine Pfanne mit einem saftigen Braten, einen Teller mit Brot, einen Topf mit einer Gemüsesuppe und ein Tongefäß mit Limonade vor dem perplexen Gesicht des Jungen, der sich unschuldig grinsend an den Tisch gesetzt hatte. „Guten Appetit, junger Bursche. Wundert Euch nicht über die Herzlichkeit, mit der unser Regent mit seinen Landsleuten plaudert. Nach dem scheußlichen Krieg ist keiner mehr in der Lage Standesunterschiede zu machen. Wir alle haben mit angepackt, um unser Land zu beschützen. Und da wir siegen konnten, ja… da weiß ein jeder, wie wertvoll Zusammenhalt ist, und wie wertvoll ein Grinsen auf dem Gesicht scheint…“ Und die alte Frau lächelte breit und zeigte ihr Gebiss, wo mehrere Zähne fehlten. „Ich hoffe, es schmeckt.“ Und wie es schmeckte. Klein- Link hatte noch nie so einen Braten gegessen, der mit solchen Kräutern gewürzt war, aber es mundete. „Das ist ja absolut lecker“, sprach er, während ihm das Bratenfett an den Mundecken hinab lief. Beherzt wackelte die Dame näher und wischte mit einem Küchentuch die Mundecken des Jünglings sauber. „Du bist ein niedlicher Fratz… und irgendwie erinnerst du mich an ihn…“ „An wen?“ „An unseren Helden…“, sprach sie seufzend. „Rinku war so ein wunderbarer Mann. Ohne ihn ist Prinzessin Zeruda nur ein Schatten ihrer selbst.“ Die Frau hatte gar keine Ahnung, dass dieser Satz auch sehr gut auf eine andere Zelda passte. Und wieder keimte eine scheußliche Nervosität im Inneren Klein- Links auf. Wie es wohl im Augenblick um die Erde stand? Ging es Link und Zelda gut? So viele Dinge lasteten im Moment auf seiner Seele und er wusste einfach nicht, wie er alles bewältigen und diesem Druck Luft machen sollte. Seine junge, ansehnliche Miene verfinsterte sich. Und dann war die erwachsene, fast dreißig Jahre alte Zeruda so unnahbar. Er fühlte sich einfach nicht wohl in diesem Land… und das obwohl es blühte, obwohl es durch scheinbar nichts Böses beeinflusst wurde… „Denk daran, unser Regent will, dass du ihn suchst“, erinnerte die Köchin und drückte ihm noch eine große Zuckerstange in die Hand. „Lass‘ es dir schmecken. Jetzt, da der Krieg vorüber ist, schicken uns Verbündete ab und an diese Waren. Und ich finde, du kannst das gebrauchen.“ Unendlich dankbar und lächelnd blickte das Götterkind die Süßigkeit in seiner Hand an, fühlte sich durch jene Geste fast etwas besser. Ja, es gab sehr viel Herzlichkeit in diesem Hyrule. Aber Zeruda… sie musste doch irgendwie mit ihren Verlusten abschließen. Ging das Leben nicht irgendwann weiter? Niemand… vor allem nicht der Link dieser Welt hätte gewollt, dass sie sich so quälte. „Danke“, sagte das Götterkind und schenkte der alten Frau ein weiteres herzliches Lächeln. „Er sagte, ich solle ihn dort suchen, wo Zerudas Herz noch hängt. Habt Ihr darauf eine Antwort?“, fragte er und hüpfte von dem Stuhl. Die Dame lächelte traurig und beschäftigte sich dann wieder mit ihren Kochkünsten. Sie murmelte leise: „Ich würde ihn… am Grabe Rinkus suchen.“ Klein- Link nickte und trat erkundend aus dem Raum. Klein- Link hatte sich bei den Menschen in der Stadt durchgefragt, wo er das Grab Rinkus finden konnte. Einige hatten ihn traurig angesehen, als er dies fragte. Andere gaben ihm bereitwillig Auskunft. Und es dauert nicht lange, entdeckte er Rinkus ehrenhaftes Grabmal auf einer sorgsam gepflegten Wiese, nicht weit entfernt von der Nordstadt. In der Nähe drehte sich ein Mühlrad. Und auch sonst war es hier an diesem Ort warm und idyllisch. Klein- Link nahm seine grüne Mütze vom Kopf und gedachte still einige Sekunden einem der größten Krieger Hyrules. Es war ein trauriges Schicksal, welches einem Helden zuteil wurde, dachte der Junge. Besaß man ein gutes Herz, so wie Rinku sicherlich eines besaß, so waren Schmerzen und Verzweiflung etwas, was dieses Herz vielleicht anzog. Oft litt nur das Gute, dachte Klein- Link. Langsam ging er auf die Knie und streichelte mit seinen kleinen Fingern die Inschrift auf dem weißen Grabstein. „Zeit heilt Wunden nicht, die von Schicksal und Liebe entstehen… Lebe für mich…“ Würde Zeruda es schaffen, irgendwann ohne ihren Heroen zu leben, fragte sich das Götterkind. Wenn man jemanden so liebte, so bewunderte und vermisste, wie es Zeruda tat, wie sollte man jemals ohne diesen Menschen leben können? Und je mehr der Junge darüber nachdachte, umso schwerer wurde ihm ums Herz. Plötzlich spürte er einen spitzen Gegenstand in seinem Rücken. Ohne, dass Klein- Link nur irgendetwas wahrgenommen hatte, stand jemand hinter ihm und hatte einen Dolch oder ein Schwert in der Hand. Klein- Link hob sachte die Hände und jeder Gedanke in seinem jungen Kopf war weg. „Was deine Aufmerksamkeit angeht, Götterkind, so lässt diese einiges zu wünschen übrig“, sprach eine bekannte, männliche Stimme hinter ihm. Der spitze Gegenstand entfernte sich von Klein- Links Rücken und nur zaghaft drehte sich der junge Spund um. Tatsächlich stand Harkenia hinter ihm und hielt grinsend eine kurze, noch in einer auffälligen Schwertscheide verborgene Klinge in seiner Hand. Klein- Link steckte seine Hände in die Hosentaschen und seufzte. „Tut mir leid… ich war so in Gedanken“, sprach er ehrlich. „Wegen dem Grab vermutlich“, entgegnete der Erwachsene. Das Götterkind nickte. „Es ist sehr traurig, das alles.“ Der Mann kniete nieder und legte dem Bengel eine Hand auf die Schulter. „Das ist das Leben, junger Heroe. Was einen nicht umbringt, macht einen stärker, findest du nicht?“ „Ja… schon, aber wie wird man mit solchen Verlusten fertig?“ Der Junge blickte dem Mann ratsuchend in dessen dunkelblaue Augen. „Ich habe keine gewöhnliche Geburt, keine gewöhnliche Entwicklung hinter mir“, erklärte Klein- Link. „Noch bin ich ja nicht einmal tatsächlich geboren. Ich bin ein Produkt eines göttlichen Experiments. Ich kenne auf viele Fragen einfach keine Antwort.“ Der Mann blinzelte etwas und zupfte sich an seinem Bart. „Das ist nur menschlich… denn auf diese Frage kennen viele keine Antwort… Jeder wird mit Verlusten anders fertig. Man muss selbst den Weg wählen, der für einen der beste ist.“ „Ich verstehe…“, sprach der Jüngling. Vielleicht unterschied er sich trotz seiner Herkunft von anderen Hylianern nicht wesentlich. Möglicherweise lag vieles, was er nicht wusste, einfach nur in seinem jungen Alter begründet. „Aber genug von dieser Trübsinnigkeit. Um mit den Belastungen des Lebens fertig zu werden, braucht es ein starkes Herz. Und dieses Herz kann man trainieren. Heute werden wir dich vorbereiten, und morgen finden wir deine Begleiterin wieder. Ist das in deinem Sinne?“ Der Bengel nickte und lächelte etwas. „Gut, denn es gibt drei Dinge, die ich dir vermitteln will. Erstens werden wir deine Aufmerksamkeit schulen, dir die Fähigkeit näher bringen Gegner zu spüren, obwohl jene nicht in deinem Sichtfeld liegen. Zweitens zeige ich dir einige Attacken mit dem Schwert, die für dein Alter angemessen sind. Und drittens…“ Der Mann kramte aus einer magischen Tasche eine Landkarte, auf welcher einige Punkte leuchteten. „Diese Landkarte ist ein Geschenk Zerudas, sie wird dich durch die vielen Welten führen…“ Klein- Links Augen funkelten daraufhin. Eine Karte von Zeruda? Die Prinzessin schenkte ihm tatsächlich etwas, damit er diese Mission besser bewältigen konnte? „Sie funktioniert eigentlich ganz einfach.“ Und Klein- Links Augen verloren sich darauf. Da war eine feine Linie, wo in etwa gleichmäßigem Abstand immer ein Punkt leuchtete. Der dritte Punkt leuchtete im Augenblick besonders stark. „Das bedeutet, dass ich in der dritten Welt meiner Reise bin, richtig?“ „Genau so ist es“, erwiderte der Adlige. „Tippst du mit dem Zeigefinger auf die Punkte, die leuchten, in etwa so…“ Und der derzeitige Regent tippte auf den zweiten Punkt. „Erstrahlt in wenigen Sekunden eine Landkarte der gesamten Welt.“ Und tatsächlich projizierte jene magische Karte das Hologramm einer großen Karte. Die Zeit, und jede Ortschaft, Berge, und Flüsse waren auf der Karte verzeichnet. Mit großem Erstaunen bedankte sich der Junge und verstaute die Karte sorgsam in einer Tasche an seinem weißen Gürtel. „Und jetzt… fühlst du dich bereit das Fechten zu lernen, bereit einige Tricks zu erfahren?“ Klein- Link nickte gefasst. „Dann erhältst du mein erstes Schwert, das dir von nun an ein stolzer Begleiter in den Welten sein soll.“ Klein-Link sah drein wie ein Glotzfrosch, den er einmal in Zoras Reich gesehen hatte. Harkenia schenkte ihm tatsächlich ein Schwert? Er würde hiermit sein erstes Schwert erhalten? Klein-Link war so baff, dass er zunächst nichts sagen konnte und dann wie von fremden Mächten gesteuert mit einem lauten Gekreische in die Luft hüpfte. Der Adlige lachte nur und überreichte ihm dann jene Waffe. Eine silbern funkelnde Schwertscheide mit Schriftzeichen von Althylianisch schützte jene Klinge, die der Junge sein Eigen nennen durfte. Harkenia nickte ihm zu, worauf der Junge das starke, knirschende Lederheft umfasste und die Klinge mit einem angenehmen Nachklang aus ihrer Schutzhülle zog. Er reckte die Waffe in die Höhe, lächelte tapfer, als hätte er noch nie ein solches Wunderwerk erblicken können. Die Klinge war eher schlicht, aber summte mit einem reinen, fast magischen Klang, als sie die Luft teilte. Alsdann übten der Erwachsene und das Kind den Umgang mit dem Schwert. Der Regent zeigte dem Bengel viele Attacken, erschuf mit seiner eigenen Magie sogar Abbilder von möglichen Feinden, die Klein- Link lernen musste zu spüren und zu besiegen. Unter den vielen Fechtkünsten war auch eine einfache Version der Wirbelattacke, die Klein- Link sehr intuitiv meisterte. Tatsächlich lernte er die Hiebe und Schläge mit dem Schwert schnell. Sicherlich fehlte ihm die Übung, aber er besaß Talent, eine große Portion Talent, das Harkenias geschultem Auge nicht entging. Als der Abend sich über das junge Land senkte und Mutter Natur sich Schlafen legte, saßen das Götterkind und der Regent zusammen nachdenklich am Mühlrad und tranken etwas Wasser. „Du hast schon einige Übung mit dem Schwert“, stellte der Erwachsene fest. „Mein zukünftiger Vater… er hat wenige Male mit mir geübt.“ „So ist das also. Wer ist das, der Vater, den du irgendwann haben wirst?“ „Auch einer der größten Helden Hyrules“, strahlte Klein- Link. Der Gedanke an den Link, der auf der Erde lebte, erhellte sein Herz. Er vermisste ihn sehr, und hoffte inständig, dass bei ihm und Zelda soweit alles in Ordnung war. „Der Held, der über die Zeiten gebieten könnte…“, murmelte der Junge dann noch. Harkenia grinste. „Nun dann, dann muss Rinku noch irgendwann einen Nachfahren haben, nicht wahr?“ Klein- Link blickte erstaunt drein. Aber Rinku war doch tot, wie sollte das funktionieren? Zeruda hatte sein Kind verloren… „Wie meint Ihr das?“, sprach der Bengel entgeistert. „Keine Sorge“, lachte der Regent. „Es wird alles gut werden.“ Der Mann strahlte gen Himmel, wo gerade die Sonne rote Ausläufer über die weiten, friedvollen Wiesen Hyrules schickte. Mehrere Drachen flogen friedvoll über ihre Köpfen hinweg. „Ja, alles wird gut…“, meinte der Mann noch einmal leise und schloss seine dunkelblauen Augen. Er verbarg irgendetwas… und dieses Rätsel würde weitreichende Konsequenzen für diese Welt haben. Sein Lächeln aber hielt an, gab freilich nicht seine Mysterien preis. Und doch würde dieses freie, heitere Lächeln ein Grund sein, das Gute nie in Frage zu stellen… Alles würde gut sein. Rinkus Vermächtnis würde einen Weg finden. Und Klein- Link würde zu der Legende jenes Heroen beitragen… Kapitel 144: Ein vergessenes Schicksal… Teil 2 ---------------------------------------------- „Viele Grausamkeiten schienen zu brutal, als dass man jenen jemals einen Namen geben könnte. Wir versuchen so viele Dinge zu ertragen und wissen auch, dass wir schwere Schicksalsschläge dulden und in uns versiegeln können. Das Elend unserer Welt, eins mit verruchten, nutzlosen Entscheidungen um falsche Glaubensansätze und billige Vorstellungen von Macht. Wir Wesen, ein junges und doch naives Volk, haben alles, was uns unvollkommen und wertlos erschien versklavt, verurteilt aus niederen Beweggründen und letztlich vernichtet. Unsere Welt ist arm, so unglaublich arm und schwach…“ Der junge Heroe lag schwitzend in dem Bett eines gemütlichen Gästegemachs von Zerudas Königsschloss. Er war früh schlafen gegangen nach dem anstrengende Tag, sofort in den Schlaf gesunken, aber träumte furchtbar und grausam. Er erhob sich in seinen Träumen dort, wo Schwäche und Armseligkeit ein erschreckendes und einmaliges Beispiel erfuhren. Sein blondes Haupt richtete sich in die Höhe in einer Nacht, wo der blanke und ein beobachtendes Licht aussendende Mond seine Bahnen um Hyrule kreiste. Ein Hyrule, das er bereits in dieser langen Reise gesehen und vielleicht auch respektiert hatte. Das kalte, blauschillernde Licht des Vollmondes spiegelte sich in unzähligen Pfützen aus Blut auf einer riesigen Ebene, wo Dutzende gefallene und schwer verwundete Hylianer und andere Geschöpfe lagen. Die kalten, leblosen Augen der Getöteten blickten hinauf zum dunklen Horizont, als suchten sie eine Antwort auf die Frage nach dem Warum von dermaßen viel Wahnsinn und Leid. Eine Antwort, welche ihnen die Göttinnen nicht geben konnten. Ein kühler, staubiger Wind wehte und trug den Geruch von verwesendem und stinkendem Fleisch hinfort. Und der Tod ging umher. Seufzen und verbittertes, leidvolles Stöhnen nahm die Luft ein. Schreie. Bis ins Mark dringende, letzte Schreie, die dem jungen Heroen eine Gänsehaut über den Körper schickten. Er begann zu rennen, lief über jene ruhelose, gefolterte Steppenlandschaft und wollte weinen, weil er nichts tun konnte. Er konnte niemanden retten. Er stolperte vorwärts, über abgetrennte Gliedmaßen, und stapfte in Pfützen aus noch warmen, tiefroten Blut. Er hatte noch nie so viel Elend gesehen und würde diese Bilder im Leben nicht mehr vergessen können… Er trat weiter. Seine Schritte allmählich langsamer. Seine Willenskraft erstickte wie die letzten Atemzüge der einst so lebendigen Hylianer. Tränen rannen über seine Wangen angesichts jener Brutalität, sodass er diese Welt, dieses Hyrule aufgrund seines reinen Herzens beinah umarmen wollte. Er wollte Mitgefühl zeigen, er wollte retten… Wie in Trance stand er hier zwischen den Toten und denen, die zum Tode verdammt waren. Und es war da, dass sich nur wenige Meter weiter jemand aus den Reihen der Getöteten erhob und der junge Heroe auch erst dann realisierte, dass unter den abgeschlachteten Wesen Wunderwerke der Schöpfung ruhten. Geschöpfe, die ihn mit einer unheimlichen Kraft anzuziehen schienen. Und das wunderschöne, wenngleich verletzliche Wesen vor ihm wirkte wie ein absurdes Zeugnis einer kindischen Welt, die erst lernen musste ihre Wunderwerke zu respektieren. Sie erhob sich mit einer Demut, als wollte sie spüren, dass sie nicht lebte, als wünschte sie sich ein Teil der Getöteten und Opfer zu sein. Ihre schmalen Arme richteten sich in die Höhe als wollte sie beten. Ein Stoßgebet zum weinenden, bitteren Himmel schicken. Anklage an göttliche Verbrecher richten. Sie besaß ein verzweifeltes Lächeln, obwohl sie den jungen Heroen mit Anmut und wahnsinniger Tiefe musterte. Ihre Gesichtszüge waren sanft und rein, fast menschlich. Und Klein-Link spürte, dass sie nicht sterblich war. Ihre klaren, anklagenden Augen sahen direkt in seine, als wollte sie, dass er sich an sie erinnerte, als wollte sie sich in seinem Herzen festbrennen. Und Klein-Link spürte, dass sie dazu die Macht hatte. Sie besaß dunkles, gelocktes Haar, welches sich wie Hunderte dünne Schlangen um ihre zierliche, fast gebrechliche Gestalt wandte. Ihre Haut bedeckte ein silberfarbenes Gewand, ein einfacher Figur umspielender Mantel. Aber jenes Detail, das ihre ganze Anmut und Einzigartigkeit verriet, versteckte sich nicht länger hinter ihrem Rücken. Dort kamen weiße, mit Blut beschmierte Flügel zum Vorschein… Und da verstand Klein-Link jenes fatale Ereignis, überblickte das Schlachtfeld, wo weitere Wesen mit Federkleid ruhten. Sie begann zu schreien, als ihr Blick über das Meer der Toten und entstellten Monster glitt, während vom Himmel heilsame Tropfen über die geschundenen und so grausam zugerichteten Körper fielen. Sie schrie so laut und markerschütternd, dass ihm ihr Zorn ins Blut überzugehen schien. Ihre Wut über ihr getötetes Volk und ihre Verzweiflung, dass ausgerechnet sie zurückgelassen wurde. Der junge Heroe wusste nicht, ob sie ihn wirklich wahrnahm und ob dieses Ereignis tatsächlich Existenz besaß. Er ahnte nicht um die Konsequenzen eines Geschehnisses, dass er erlebte und doch fernab jeglicher Vernunft niemals möglich sein konnte. Und doch war er hier an diesem grausamen Ort, wo noch in Hunderten von Jahren Geister über die leblosen Gräser ziehen würden. Und er konnte hier an diesem verruchten Platz etwas verändern, das sein Schicksal in die richtigen Bahnen lenken würde. In dem Augenblick blitzte ein Dolch über dem Schlachtfeld auf, auf dessen blank polierter Klinge spiegelte sich das fahle Licht des Mondes, der durch den Wolkenvorhang drang. Und die zarten Händen der jungen Frau, nicht zweifelnd, wollten ebenfalls das Schicksal in eine abwegige, vielleicht aber vorbestimmte Bahn lenken. Sie entschied sich für ihr Volk und eine Existenz in Dunkelheit. Der junge Link realisierte nicht sofort ihre Absicht, sondern starrte sie nur nachdenklich und vielleicht auch trübsinnig an. Er verstand nicht, dass Wesen, wenn mit einem Schlag ihre ganze Welt zusammenbrach, auf düstere und grausame Weise handeln konnten. Und er dachte nicht, dass ausgerechnet ein Wesen von solcher Schönheit und Reinheit in der Lage sein würde sich selbst zu richten. Sie umfasste den Dolch in ihren Händen krampfartig. Und goldene Tränen schimmerten über ihren Wangen, während sie den Jungen, den sie nicht kannte, und der ihr nichts sagen oder geben konnte, weiterhin auf eine verzweifelte, fast flehende Weise musterte. Das Leben war nun mal unglaublich verletzlich. Und selbst solche mächtigen, reinen Wunderwerke wie sie eines war, waren tödlich verletzlich. Als sie den Dolch mit der Spitze in Richtung ihres Herzens gerichtet hielt, verstand Klein-Link, dass sie sich töten wollte. Und ihre anklagenden Augen, die in zunehmender Dunkelheit zu schimmern schienen, schlossen sich. Sie war vorbereitet ihrem scheinbar nutzlosen Dasein ein Ende zu setzen. Im Kopf des jungen Heroen arbeitete es auf Hochtouren. Er fragte sich nicht mehr, was ihn hierher geführt hatte oder ob dieser scheinbare Traum noch irgendeinen Sinn ergab. Er fragte sich nicht mehr, ob er diese junge Frau kennen musste. Er fragte sich nur noch, wie er sie vor sich selbst beschützen konnte. Er erinnerte sich nicht daran, dass er in seinem bisherigen, kurzen Leben jemals so schnell gerannt war. Und er wusste nicht, dass ihn seine Beine überhaupt so schnell tragen konnten. Der Mond gab sich am Himmelszelt einmal mehr preis, als wollte er den jungen Heroen ein Licht spenden, das ihn auf den rechten Weg brachte. Als er das so verletzliche und zerbrechliche Wesen erreichte, umfasste er mit starkem Griff ihre beiden eiskalten Hände, die fast krampfartig auf dem Dolch ruhten. Er schüttelte nur seinen Kopf und sprach ein festes: „Nein!“ Mehr wusste er einfach nicht zu sagen. Und mehr würde nicht notwendig sein. Den Blick, der dann seine Augen traf, würde er niemals mehr vergessen. Es war eine Verständnislosigkeit und Leere, die ihn sich schuldig fühlen ließ. Schuldig, dass er sich einmischte. Und schuldig, dass er ihr das Leben rettete. Sie ließ den Dolch fallen, sank zu Boden und ihre blutbefleckten Flügel verschwanden. Sie weinte… weinte bitterlich. Er kniete ebenfalls nieder, legte eine Hand auf ihre rechte Schulter und alles, was er tat, war sie mit einem aufmunternden Lächeln zu mustern. Sie erwiderte seinen Blick und vielleicht sah er so etwas wie Dankbarkeit darin. Er ging mit dieser Handlung ein Bündnis ein, das die Göttinnen sehr genau beobachteten. Ein Bündnis, das sein Dasein besiegelte. Mit rasendem Herzen schreckte der Junge aus seinen Träumen und fand sich sicher und behütet in einem kleinen Schlafkämmerchen. Er brauchte einige Momente, um zu realisieren, wo er sich befand und atmete einige Male tief durch. Es war einer der ersten Träume, die er erinnern konnte. Und dieser Traum, was immer auch dahinter steckte, beunruhigte ihn so sehr, dass er in den nächsten Stunden sicherlich keinen Schlaf finden würde. Wie ein Trampeltier stapfte er schlaftrunken hinüber zu dem kleinen Schreibtisch in jenem Gemach und starrte benommen zu der tickenden Uhr. Er verdrehte die Augen, als er realisierte, dass es erst drei Uhr in der Nacht war und es sicherlich nichts gab, mit dem er sich sinnvoller Weise beschäftigen konnte. Murrend lief er wieder hinüber zu dem Bett, ließ sich raschelnd und klappernd darauf nieder und versuchte wieder einzuschlafen. Nach vielen Minuten öffnete er einmal mehr seine himmelblauen Augen und war inzwischen leicht frustriert. Auch der Traum kam ihm wieder in den Sinn. Seine Arme hinter dem Kopf verschränkt, starrte er hinauf an das dunkle Zimmergewölbe, versuchte sich die Details wieder ins Gedächtnis zu rufen. Und das, was er von alle dem am meisten erinnerte, was ihn irgendwie erschreckte, waren diese anklagenden, verzweifelten Augen jener Frau, die sich auf dem Schlachtfeld selbst richten wollte. Es waren nicht die vielen Leichen oder die abgetrennten Gliedmaßen, die sich in seinem Gedächtnis festgebrannt hatten, sondern diese zum Tode verdammten Augen… „Ach verdammt!“, murrte er, erhob sich einmal mehr und zog sich seine Tunika über, schnallte das Schwert von Harkenia an seinen Gürtel und hetzte mit dieser wahnsinnigen Unruhe in seinen Venen aus dem Raum. Er wollte sich beschäftigen, diesen Druck in seinem Körper loswerden, und was eignete sich da besser als eine Übungsstunde mit dem Schwert? Vielleicht war er auch deshalb so unruhig, weil Zeruda von ihm so viele Dinge verlangte. Oder weil Navi verschwunden war. Oder weil er einfach nicht kapierte, was mit ihm los war! Es war nur ein Traum! Warum regte ein Traum ihn so dermaßen auf? Dann, als er eine hölzerne Wendeltreppe hinab trottete, entdeckte er in dem großen Ballsaal des Schlosses noch Licht. Es schien, als wäre der gesamt Saal hell erleuchtet. Verwundert und diese Sache überprüfen wollend schlich der Junge durch das Schloss, bis er vor den Toren des großen Raumes stehen blieb. Als er die schweren Eichenholzpforten einen winzigen Spalt öffnete, wurden seine Ohren von einer Melodie umschmeichelt, gespielt von einem Spinett. Tragische, rührende Töne, die seine Gesichtszüge auf sanfte Weise veränderten. Da war Melancholie und eine einnehmende Barmherzigkeit, gestaltet von den vielen Muskeln in seinem Gesicht. Und jene Gefühle erzählten eine leidvolle Geschichte. Jemand, der das Spinett auf diese verzaubernde Weise spielen konnte, musste mehr ertragen haben, als zehn Herzen aushalten konnten. Und mehr leiden, als es sich der Junge vorstellen konnte. Gerade da fiel das Licht von vielen hohen Standkerzen auf ihn und er trat in den alten Ballsaal ein. Teile der Fresken und Säulen waren zerstört. Aber das meiste war noch erhalten. Die hohen Fenster an den Wänden waren sicherlich erneuert worden. Lediglich an manchen Ecken entdeckte der Junge noch frischen Putz. Tiefrote Vorhänge, zusammengebunden mit goldenen Ketten, befanden sich an den Wänden. Ein roter Teppich führte durch den gesamten Innenraum, bis Klein-Links Blick zu dem Spinett fiel. Tatsächlich spielte jemand dort. Eine trübsinnige und doch wunderschöne Märchengestalt, umhüllt von einem roten Umhang aus einfachem Leinenstoff. Als er tapsend näher trat, warf sie ihr Haupt zurück, sodass ihre tizianblonden Haarsträhnen zum Vorschein kamen. Sie stoppte das Musizieren, wand sich aber nicht um. „Du kannst scheinbar genauso wenig Schlaf finden wie ich, Held der Welten…“, sprach sie leise, erhob sich und musterte ihn mit ihren dunkelblauen Seelenspiegeln sehr eindringlich, wenn auch traurig. „Ich konnte schlafen, nur dann…“, wollte er erklären, aber konnte es irgendwie nicht. Was interessierte sich diese strenge, kühle Zeruda für seine Probleme? Er blickte ratlos zu Boden, aber gerade dann kamen ihm einmal mehr diese anklagenden, bestraften Augen aus seinem Traum in den Sinn. „Träume erzählen sehr viel über uns…“, sprach die Prinzessin des Landes dann und tapste außer seiner Reichweite. Sie bewegte sich durch den Raum, als würde sie schweben oder tanzen. „Es ist nicht ohne Sinn, dass du träumst“, erklärte sie und legte ihren blutroten Mantel auf das Spinett. Darunter trug sie ihr Kämpfergewand, was den Jungen stutzig machte. Wozu kleidete sich Zeruda mitten in der Nacht damit? Es war ja nicht so, als stünden hier reihenweise Monster vor Hyrule Castle. „Erzähl‘ es mir… und ich kann dir vielleicht helfen, zu verstehen, warum du träumtest.“ Er atmete tief ein und entgegnete ehrlich: „Prinzessin Zeruda… ich weiß nicht, ob ich das wirklich will. Ihr…“, und er nahm allen Mut zusammen, den er gerade aufbringen konnte. „Ich fühle mich nicht wohl in Eurer Gegenwart. Ihr macht mich hilflos.“ Dann schluckte er umständlich das Wasser im Mund herunter und wartete auf Zerudas Reaktion. Sie zwinkerte ein paar Mal, bis sie sich umdrehte. Hinnehmen musste sie es so oder so, dachte der Junge. Aber es war besser, dass er ihr kommunizierte, wie sie auf ihn wirkte. „Ich bin dankbar, dass du so ehrlich bist“, meinte sie bloß. Daraufhin wollte Klein-Link seine Worte am liebsten zurücknehmen. Er wusste doch, dass sie es nicht einfach hatte. „Ich weiß, was Ihr erlitten habt…“, murmelte er dann reuevoll. „Nur gibt mir das nicht das Recht andere zu kontrollieren, meinst du?“ Sie trat ein paar Schritte vorwärts. Er nickte und setzte hinzu: „Ich weiß nicht warum, aber ich habe mich fast schon vor Euch gefürchtet.“ Und Zeruda schwieg. Seine Anklage musste ihr weh tun. Und vielleicht wurde Ihr nun schmerzlich bewusst, dass sie in den letzten Wochen wie ein Eisklotz auf ihre Landsleute geprallt sein musste. „Ihr seid einer Zelda sehr ähnlich, die ich kenne…“ Sie wand sich um und vielleicht, so dachte der Junge, konnte er nachdem er so ehrlich war, einen neuen Zugang zu ihr finden. „Sie würde genauso reagieren, wenn sie ihren Liebsten verlieren würde.“ Zeruda schloss daraufhin die Augen. Und Klein-Link sah deutlich schillernde Spuren an ihren Augen, die durch das flackernde Licht der Kerzen bemerkbar wurden. „Ich weiß nicht, was Liebe ist… und warum die Menschen danach trachten, sie zu finden“, erklärte er. Dann endlich trat Zeruda näher, kniete nieder und schaute intensiv in seine himmelblauen Augen. „Liebe ist das Schönste, was du finden kannst… Du wirst auch eines Tages lieben, und spüren, wie weh das tun kann…“, sprach sie. „Ist die Liebe es denn wert, das man sie findet?“ Er war sehr neugierig auf Zerudas Antwort. Ja, sie hatte die Liebe gefunden, aber dafür auch sehr teuer bezahlt. Den Schmerz, der jeden Tag erneut ihre Seele zerfraß, hatte sie nur durch die Liebe erfahren… „Ist sie es wert, ein Risiko einzugehen?“ Sie schloss die Augen, gedachte vielleicht an die Wunder und glücklichen Tage, die sie zusammen mit ihrem Heroen erlebt hatte. Und vielleicht, so dachte das Götterkind, war da ein leichtes, fast unmerkliches Lächeln, das Zerudas feine Mundwinkel umspielte. Man musste kein Hellseher sein, um zu erahnen, dass sie an Rinku dachte. „Ja… ich würde diese Liebe wieder eingehen. Auch wenn ich das Schicksal kannte, auch wenn ich die Zukunft wüsste, ich würde Rinku wieder lieben…“ Und gerade da sah er sie weinen. Sie weinte leise. Kein Schluchzer verließ ihren Mund. Sie blickte den Jungen nur an und weinte einfach. „Bei all der Grausamkeit Hyrules… ich würde all das, was ich getan habe, wieder tun…“ Und darauf wusste der Junge keine Worte zu finden. Anteilnehmend blickte er in Zerudas traurige Augen, bis sie sich schluchzend erhob und die Tränen aus den Augen wischte. Auch sie schwieg wenige Minuten. Zwei drei Kerzen verloren just in diesem Moment ihr Licht und die Dunkelheit kroch auf leisen Sohlen näher. Außerhalb hinderte ein Drache das Mondlicht auf seinem Weg auf die Welt. Mit seiner gigantischen Gestalt drehte er Kreise weit am Horizont wie ein stiller Beschützer und Zeuge der Nordstadt. „Zeruda…“, meinte der Junge leise. „Werde ich mich in Navi verlieben?“ Er musste zugeben, dass ihn diese Frage tatsächlich beschäftigte. Wenn er sich, nach Saloras Prophezeiung in seiner Mission verlieben würde, und er nun mal mit Navi unterwegs war, bestand doch eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie jene Liebe sein könnte, von der sein Schicksal erzählte. „Navi?“, entgegnete Zeruda verwundert und wand ihr bezauberndes Antlitz zu ihm. Sie nahm seine Hände in ihre. „Nein… Sie wird dich eines Tages verlassen, so wie sie deinen Vater verließ. Sie hat ihre Aufgabe und sie muss jene erfüllen, ganz gleich der Konsequenzen. Und auch du wirst dadurch lernen zu ertragen.“ „Ihr sprecht alle in Rätseln, jeder, dem ich begegne, scheut sich mir direkt ins Gesicht zu sagen, was geschehen wird. Alle redet ihr, als wolltet ihr mich veralbern.“ Sie schüttelte den Kopf. „Nun Prophezeiungen sind nicht immer zu hundert Prozent richtig, wie also sollte jemand dir eine genau Vorhersage machen? Ich möchte dich nicht kränken, sondern eher vorbereiten.“ „Worauf?“ Dann seufzte sie. „Ja, du wirst dich verlieben… nur wird diese Liebe nicht auf einem guten Stern stehen.“ Daraufhin schloss der Junge seine himmelblauen Augen. Wenn er sich die Liebenden Hyrules betrachtete, so stand doch eigentlich keine Liebe auf einem guten Stern. Link und Zelda hatten sich beinah angezweifelt, bevor sie sich ihre Liebe eingestanden. Zeruda hatte durch den Verlust ihres Geliebten unheimliches Leid erfahren. Und auch in der vorigen Mission, gab es so viel Verletzungen nur wegen der Liebe. Velkan schien Lia das Herz gebrochen zu haben. Was sollte Klein-Link denn noch erwarten? Dass es einmal ganz perfekt lief ohne irgendwelche Hindernisse? „Wird es sich für mich lohnen?“, meinte er leise. Daraufhin lächelte Zeruda auf eine Weise, die ihn beinah bestärkte. Sie lächelte unglaublich hoffnungsvoll. „Oh ja, das wird es.“ „Ist das eine Vermutung von Eurer Seite?“ Sie lächelte wissend. „Nein, diesmal… so kann ich dir vielleicht eine hundertprozentige Vorhersage machen. Das, was du in einer späteren Mission erleben wirst, wird alles verändern, was du im Augenblick bist. Du wirst unheimlich profitieren.“ Mit etwas vorwitzigem Ausdruck in den Augen schielte Klein-Link an die Decke. Wenn er von der Liebe profitieren würde, dann, ja dann, sah doch die ganze Sache völlig anders aus. Genau, dann würde er kein Problem mehr damit haben. Er lachte etwas dümmlich, kicherte dann, sodass die Prinzessin ihn verdutzt anschaute. „Zeruda… und was ist mit dem Hyrule meiner Eltern? Wird dieses Hyrule irgendwann noch existieren dürfen?“ Wenn sie schon so viel wusste, dann musste sie ihm auch dies erklären. Und auch diese Antwort würde alles verändern. Sie sprach ruhig, aber trübsinnig: „Hyrule hat nur eine Chance… damit das verblasste Hyrule wieder mit Leben eingehaucht werden kann… müssen magische Wesen es heilen und in dieser Zeit braucht es einmal mehr einen Wächter… jemand wird gehen müssen… und deine Aufgabe wird zu diesem Zeitpunkt erfüllt sein. Du wirst zu diesem Zeitpunkt leben…“ „Was bedeutet das?“ „Auch dort wird die Liebe eines Helden zu einer Prinzessin auf eine harte Probe gestellt werden. Der Weg des Helden der Zeit und jener der Prinzessin des Schicksals werden sich trennen, genauso wie meiner und Rinkus Weg.“ Klein-Link fiel auf diese Bemerkung beinah aus allen Wolken. „Wie bitte?“, brüllte er. Er ließ seiner ganzen Fassungslosigkeit einen unüberhörbaren Ausdruck. „Soll das heißen, Link und Zelda werden nicht miteinander glücklich werden können?“ Zeruda schloss ihre Augen und ihr Lächeln wurde matt und leer. „Aber das kann nicht sein…“ Vor Schreck spürte er wie seine Knie immer weicher wurden. „Ich hoffe, dass ich nicht alles sehe… denn dann werde ich Einsamkeit sehen… ein Mädchen, das in einer ihr fremden Welt an ihr einstiges Land erinnert werden wird und an den Helden, den sie verlor…“ Traurig und diese Worte vergessen wollend, rannte Klein-Link aus dem Saal heraus. Er hatte keine Lust mehr mit Zeruda darüber zu reden. Er wollte es einfach nicht hören und nicht begreifen. Mit zusammengekniffenen Augen und schillernden Tränen auf blassrosa Wangen rannte er zurück in sein Kämmerchen. Er kuschelte sich zurück in die noch warmen Laken und empfand einen unermesslichen Groll gegen Zeruda, die ihm diese scheußliche Prophezeiung machte. Nur weil sie nicht mit ihrem Heroen glücklich werden konnte, musste das nicht heißen, dass auch andere leiden würden. Es reichte einfach… Konnte das Schicksal nicht endlich einmal gnädig sein? Er wünschte sich doch bloß ein wenig Sicherheit. Mehr erwartete er nicht. Und was machten die Götter? Sie spielten mit ihm und seinen Sehnsüchten. Sie spielten mit den Eltern, die er sich so sehr wünschte. Genervt sprang der Junge wieder aus dem Bett, brüllte und schlug seine Fäuste gegen das Holz des Schreibtischs. Er ließ sich schließlich zu Boden sinken, krümmte sich ein wenig und legte seinen schweren Schädel auf seine Knie. Seine himmelblauen Augen waren geöffnet und starrten ziellos umher. Seine Gedanken waren trübsinnig und schwer… und es würde lange dauern, ehe sich seine Augen in dieser Nacht schlossen. Vielleicht musste er erst lernen sich zu verhalten und so zu leben wie ein Mensch. Vielleicht gab es Dinge, die er nicht verstand. Aber diese Grausamkeit konnte und wollte er nicht ertragen und auch nicht lernen zu bewältigen… Klein- Link erwachte sehr früh am Morgen in seinem gemütlichen, kuscheligen Bett in der Nordstadt Hyrules. Er wusste nicht genau, was ihn geweckt hatte. Es war jedenfalls kein Traum wie in der Nacht zuvor, und er wollte sich ebenfalls nicht an das Gespräch mit Zeruda erinnern. Diese scheußlichen Worte… diese kalte Prophezeiung… Bemüht die Gedanken daran wieder wegzuschieben, zog der Junge das Kopfkissen über seinen Kopf. Plötzlich aber vernahmen seine Hylianerohren ein eigensinniges Klopfen an dem Spitzbogenfenster. Er blickte müde in Richtung des Fensters, wo erste Sonnenstrahlen hineinfielen. Gelangweilt drehte er sich um, nahm das Bild, welches seine noch im Halbschlaf befindlichen Augen wahrgenommen hatten, nicht ernst. Er seufzte und döste abermals. Dann klopfte es erneut. Genervt sprang das Götterkind auf seine Beine, tapste in einem weißen Nachthemd zu dem Fenster und blickte müde durch die trübe Glasscheibe. Seine blauen Augen spiegelten sich in ein paar schlitzartigen mit einer sehr intensiven roten Farbe. Klein- Link musste erst richtig wach werden, bevor er begriff, was ihn da anstarrte. Das kleine Wesen gab einen schrillen Schrei von sich, als dunkler Rauch aus seinen Nüstern hervorstieß. Das Geschöpft drückte den Kopf gegen die Fensterscheibe, stieß das Fenster auf und stieß auch den Jungen zu Boden, der sein Glück nicht fassen konnte. Ein kleiner rubinroter Drache saß in dem Raum, spannte seine Flügel und machte eine begrüßende Geste, als wollte er sich vor dem Kind verbeugen. Klein- Link war nun vor Überraschung so wach wie noch nie. Nichts im Leben hatte ihn bisher so aufgeweckt. Er strahlte vor Bewunderung. Zaghaft kam er mit der Hand dem jungen Wesen näher und streichelte sorgsam seinen schuppenbedeckten Schädel. „Du bist ein anmutiges Geschöpf“, sprach Klein- Link. Der Drache schnurrte dann wie eine Katze. Ihm gefielen die Streicheleinheiten wohl sehr. „Ich glaube, in dem Hyrule, wo meine Eltern einst lebten, gab es nicht mehr viele von euch…“, setzte der Junge traurig hinzu. „Dabei seid ihr wunderschön.“ Er grinste und lachte, als der kleine Drache auf seinen Schoß hüpfte und ihn sanft ins Kinn zwickte. Plötzlich war da am Fenster noch ein weiterer stolzer Kaiser der Lüfte. Ein riesiger Drache mit demselben rubinroten Schuppengewand. „Das ist vermutlich deine Mutter“, sprach Klein- Link. Der kleine Drache hüpfte aus dem Fenster und wirkte neben dem riesigen, ausgewachsenen Drachen wie ein kleiner Knopf. „Hey Götterkind!“, rief schließlich eine bekannte Stimme. Der Junge musste zweimal hinsehen, um zu erkennen, dass Harkenia der I., auf dem Rücken des riesigen Drachens saß. „Ich bin hier, um dich abzuholen. Mach‘ dich fertig. Wir werden gleich losfliegen, um deine Begleiterin zu finden.“ Das allerdings war ein Grund sich zu beeilen. Und so zog der Bengel sehr rasch seine weiße Hose an, streifte die Tunika über, schnallte sein Schwert fest, und vergaß aus Hektik und Aufregung seine grüne Mütze auf den Kopf zu streifen. Blitzschnell und furchtlos hüpfte er aus dem Fenster und landete sicher auf dem Kopf des riesigen Flugmonsters. Grinsend saß er hinter dem Regenten und sprach zunächst ein herzliches Guten morgen. „Guten Morgen, Götterkind. Bist du bereit deine Begleiterin zu finden?“ Der Junge nickte und sagte dreist: „Wenn ich gewusst hätte, dass wir fliegen, wäre ich früher aufgestanden.“ Der Erwachsene lachte und erwiderte: „Bist du etwas muterfüllter als gestern?“ Auch darauf nickte der Junge. „Diese Welt, dieses Hyrule ist sehr schön… es gibt sogar noch Drachen, und sehr reichlich…“ Der Drache flog dann in sanftem Tempo vorwärts. Seine gigantischen Flügel hoben und senkten sich träge. Wie Wellen im Wasser bewegten sich jene dünnhäutigen Verknöcherungen durch die Luft. „Ja, das ist richtig. Sag‘ , wie wird sich Hyrule verändern?“, sprach der Regent. „Ich weiß nicht genau…“, murmelte Klein- Link, und hatte fast Sorge, den Herrscher enttäuschen zu müssen. „Die Landschaft, die Völker… alles wird sich verändern…“, meinte der Junge noch. „Auch das gehört zum Leben dazu… Leben ist Veränderung… Das müssen wir wohl akzeptieren.“ Erneut waren Harkenias Worte etwas melancholisch, als hätte er etwas zu verbergen. Wusste dieser Monarch mehr, als er bisher sagte? Neugierig blickte Klein- Link zu dem hellbraunen Hinterkopfs des Mannes. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich diesem Mann verbundener als er verstand. Zu Zeruda konnte Klein- Link dieses Vertrauen nicht fühlen, wohl aber noch stärker zu dem wohl ersten König Hyrules. „Wird es in Zukunft immer einen Helden geben, der gegen das Böse antritt?“, fragte er leise. „Wird es in der tausendjährigen Zukunft Hyrules wieder eine Prinzessin geben… die einen Helden lieben wird?“, meinte er leise. Seine Stimme… diese kräftige Stimme klang nun so anders, so neu. „Wird eine Prinzessin Hyrules irgendwann… eine Zukunft haben mit dem Heroen, den das Schicksal ihr schickt?“ Das Götterkind war etwas sprachlos auf jene Worte. Warum interessierte sich Harkenia so sehr dafür? War das nur die Liebe eines Bruders zu seiner Schwester? Seine Worte klangen so sehr nach Sehnsucht und nach etwas Unerfülltem. Das Götterkind verstand es einfach nicht. Wer war dieser Regent, der sowohl diese melancholische, mitfühlende Seite, als auch die kampferfahrene, mutige, und fröhliche Seite besaß? „Verzeih‘ diese Fragen… es steht mir nicht zu“, bemerkte der Regent dann knapp. Und so schwiegen sie, während des gesamten Fluges, durchstießen weiße Nebelschleier, dort über den Wiesen, Wäldern, Flüssen und stolzen Bergen… Am Rand eines dichten Laubwaldes im Osten wurden die beiden Reisenden von den Drachen abgesetzt und verabschiedet. Königlich erhoben sich die beiden wieder in die Lüfte, schwangen ihre eleganten Körper in ihrem Element und schienen am Horizont zu verschwinden, wie Sterne, die irgendwann verglühten. „Wenige Meter weiter befindet sich ein altes Gasthaus… wir werden dort speisen und uns danach in das Herz des Waldes begeben“, erklärte Harkenia und knackte mit den Schultern. „Ihr kennt Euch in dieser Welt gut aus“, wunderte sich das Götterkind. Möglicherweise kannte sich der Herrscher viel zu gut in dem Land aus. „Diese Welt ist schließlich meine Heimat, junger Heroe“, meinte der Erwachsene, grinste und ging in die Knie, damit er sich mit den Augen in selber Höhe wie das Götterkind befand. „Du hast ein gutes Gespür… in zukünftigen Welten wird dieses Gespür dir sicherlich gute Dienste erweisen“, sagte der Mann und klopfte dem Jungen auf den blonden Kopf. Harkenias linke Hand war so groß, dass sie Klein- Links Kopfdecke mit Leichtigkeit umfassen konnte. Grinsend zerzauste er ihm das blonde, wilde Haar und grinste ihn fortwährend an. Klein- Link zappelte und murrte dann. „Könnt Ihr damit nicht aufhören!“ Darauf lachte der Regent lediglich. „Na gut, lass‘ uns in das Gasthaus gehen, in Ordnung?“ Natürlich freute sich Klein- Link über eine Mahlzeit und folgte dem Erwachsenen mit einem Nicken. Als Harkenia zusammen mit dem Jungen in das gemütliche Gasthaus am Waldrand eintrat, hoben sich sofort die Köpfe der in etwa zehn Personen, die sich hier den Bauch voll schlugen. Nicht jeder kannte den Regenten Harkenia ohne seine königliche Kleidung. Die einfache Tunika, die er im Augenblick trug, schien aus ihm einen ganz anderen Menschen zu machen. Und vielleicht erkannten ihn die meisten nicht einmal. Er grüßte, in dem er die Hand hob. Sofort eilte ein junges Mädchen aus der warmen Küche herbei. „Was wünscht Ihr?“ Selbst dieses junge Fräulein schien den Monarch nicht zu erkennen. „Bitte den Tisch in der letzten Reihe…“, betonte der Erwachsene. „Ihr meint diesen dort?“ Und die junge Dame deutete auf einen abseits stehenden Tisch für zwei Personen.“ „Ja, genau diesen“, grinste der Mann. Klein- Link verharrte einen Augenblick und flüsterte der jungen Köchin zu. „Ist an dem Platz dort etwas besonders?“ Sie lächelte schwermütig. „Eigentlich nicht… nur… an diesem Platz saß immer der Heroe Hyrules.“ Damit ging sie in die Küche. Harkenia und Klein- Link bestellten beide ein herzhaftes Frühstück und warme Milch. Beide schienen irgendwie den gleichen Geschmack zu haben. „Schmeckt es?“, fragte der junge Mann. „Sehr gut“, erwiderte Klein- Link und lächelte. „Und wo suchen wir jetzt eigentlich Navi?“ „Ah, richtig“, meinte der Regent. „Ich wurde von Zeruda unterrichtet, dass du sie in den Wäldern finden wirst. Ich werde dir helfen, das Feendorf aufzuspüren, wo sie sich im Moment aufhalten soll.“ Genüsslich schlürfte der Mann die Milch mit Honig. „Zeruda… hat mir gesagt, deine Begleiterin wäre in einigen Schwierigkeiten“, setzte ihr Bruder hinzu. In dem Augenblick traten drei Männer mit dreckigen Fratzen, nach Mist stinkender Kleidung und scharfen Waffen in die Gaststube ein. Ein dicklicher, untersetzter Kerl mit einer breiten Narbe auf der Stirn, setzte sich rotzfrech zu zwei schlemmenden Gästen an einen Tisch. Ein anderer, dünner, hochgewachsener mit langem, schwarzem Bart trat hinter die Theke und bediente sich selbst. Der dritte stand grinsend an der Tür und schabte sich mit der Spitze eines Dolches den Belag von den Zähnen. „Wo wir grade von Schwierigkeiten sprechen…“, sprach Harkenia kühl. Just in dem Augenblick kam die Küchenmagd wieder in den Speiseraum. Ihr Blick wurde ängstlich, als sie die drei Kerle sah. Hilfesuchend blickte sie zu dem Tisch, wo Klein- Link und der kampferfahrene Mann saßen. „Na Süße, hast du diesmal nichts für uns vorbereitet?“, lallte der Kerl, der an der Theke stand und von einer Schnapsflasche trank. Die anderen beiden kicherten frech auf diese Bemerkung. Ein älterer Mann stand auf und sprach: „Wir wollen keinen Ärger, bitte geht jetzt.“ Auch darauf lachten die drei. Der Mann mit dem Dolch warf diesen knapp an dem Herren vorbei, der gerade das Wort erhoben hatte. Er rechnete damit, dass der Dolch sich in die hinterste Wand bohrte. Aber gerade da fing jemand den Dolch ab, ließ jenen elegant in der Hand kreisen und blickte kühl und überlegen in die Augen der drei Störenfriede. „Verschwindet“, sprach Harkenia drohend und schien eine Macht zu demonstrieren, die man ihm und seinem frischen Erscheinungsbild nicht zutraute. „Warum sollten wir“, murrte der dickste der Drei, erhob sich von seinem Platz und trat vor Harkenia, der nicht einmal mit der Wimper zuckte. Von Angesicht zu Angesicht starrten sich beide Männer in die Augen. Es dauerte Sekunden, ehe der Streitsuchende einen Schritt zurücktrat. Noch ehe jemand verstand, was geschah, packte Harkenia den dicken Kerl an den Armen, wirbelte diesen herum und hielt dessen Hände straff und geschickt an dessen Rücken gepresst. Der Schurke schrie gequält auf. Zu sehr schmerzte der Griff, den Harkenia ausübte. „Ich sagte, verschwindet“, flüsterte der Kämpfer, nah an dem Hylianerohr des Unruhestifters. „Ich kann euch natürlich sehr gerne dabei helfen.“ Und Harkenia verpasste dem dicken Mann einen so heftigen Tritt, dass er gegen seinen Verbündeten stieß, der knapp neben der Tür das Schauspiel begaffte. Beide flogen zur Tür hinaus. Mit erschreckend eiserner Miene blickte Harkenia zu dem dürren Kerl, der noch immer an der Theke stand und die Schnapsflasche fest umfasste. „Wirst du freiwillig gehen…“, sprach der Regent und knackte vorsorglich mit der linken Faust. Der Angesprochene nickte fahl und wollte mitsamt dem Selbstgebrauten aus der Gaststube stürmen. „Der Schnaps bleibt hier…“, sagte Harkenia. Artig stellte der Streitsuchende die Flasche auf einen Tisch und tapste hastig aus der Wirtsstube hinaus. Harkenia lachte dann und meinte: „Das hat Spaß gemacht.“ Zufrieden setzte er sich wieder an den Tisch zu Klein- Link und schlürfte eine weitere Tasse heiße Milch mit Honig. Er ignorierte die erstaunten Blicke der meisten und reagierte auf die heftigen Danksagungen der Küchenmagd ebenso gelassen. Sie sollte keine große Sache daraus machen, bat er. Sie nickte höflich, verlangte aber keine Münze für das Essen. „Das war unglaublich“, sagte Klein- Link, der mit großer Mühe hinter Harkenia her stapfte. Der Erwachsene hatte es nach seiner Mutdemonstration irgendwie eilig aus der Wirtsstube hinauszutreten und marschierte gleich darauf einen abgetrampelten Waldweg entlang. „Vergiss das wieder, Junge“, sprach der Mann und senkte seinen Blick die ganze Zeit zu Boden. „Aber warum? Ihr könnt einfach nur gut mit Worten, mit eurem Mut und Waffen umgehen. Wo habt Ihr das gelernt?“ Daraufhin blieb Harkenia stehen und blickte Klein- Link seufzend an. „Ich möchte, dass du nicht weiter darüber nachdenkst, Götterkind. Manche Dinge sollte niemand wissen… nicht einmal Zeruda.“ Nicht einmal Zeruda, dachte das Kind. Irgendetwas war hier doch mehr als faul. Klein- Link hatte sich schon gewundert, als dieser Mann ihm die Wirbelattacke vorgeführt hatte. Und dann seine Art, seine Charakterzüge. Irgendetwas stimmte mit dem Bruder Zerudas nicht. Nachdenklich blieb Klein- Link stehen und beobachtete, wie Harkenia weitertrat. Hatte Harkenia von Rinku gelernt? „Kommst du?“, rief der Mann, der schon zwanzig Meter weiter war und sich verwundert nach dem Jungen umdrehte. Er lächelte und winkte ihm zu. Auch wenn irgendetwas mit Harkenia nicht stimmte, entschied Klein- Link, er war so ein guter Mensch, so sympathisch. Es war egal, was er ihm verschwieg, solange er seine Gesellschaft genießen durfte. Alsdann wanderten die beiden durch den dichten Laubwald, sahen Kobolde, Einhörner und viele andere Tiere des Waldes. In den späten Mittagsstunden zogen einige rauchige Regenwolken über ihren Köpfen hinweg und schickten einen angenehmen Schauer zur Erde. Der Weg führte weiter über ein großes Stück Wiese und schließlich wieder hinein in tiefen Wald. Teilweise mussten sich die beiden ihren Weg mit dem Schwert ebnen. Zu dicht und unbewohnt war hier der Wald, wo kein Hylianer je hingefunden hatte. Als sie beide die erste Fee an ihnen vorüber fliegen sahen, wussten sie, dass sie richtig waren. Irgendwo hier in den Tiefen jener Wälder versteckten sich die Feen, lebten in einem Dorf zusammen. „Hat Zeruda gesagt, in welchen Schwierigkeiten Navi steckt?“, fragte Klein- Link, während sie beide weiterhin Gestrüpp zerschnitten um den Weg passierbar zu machen. „Nicht gänzlich… nur, dass es scheinbar nichts Lebensbedrohliches ist“, meinte der Mann. In dem Augenblick flogen in etwa zehn Feen in allen möglichen Farben der Welt an den beiden vorüber. Sie flogen so geschwind, dass sich die Blätter und Äste bogen, als sie vorüber zischten. „Anscheinend ist im Reich der Feen etwas im Gange“, sprach Harkenia. Er hatte noch nicht zu Ende geredet, als ein weiterer Schwarm der zarten Märchenwesen über ihren Köpfen hinweg zischte. „Wow“, rief Klein- Link den Feen lautstark entgegen, und hoffte auf diese Weise etwas Aufmerksamkeit zu erregen. Tatsächlich drehten sich drei von ihnen um und musterten die beiden Reisenden neugierig. „Was ist, du dummes Kind. Was willst du von uns?“, fragte eine rosa glühende Fee hochnäsig. „Und warum verschlägt es zwei von Euch stinkenden Menschen in die Welt der Kokarye. Nicht würdig seid Ihr unser eins zu treffen. Keiner von den Bäumen wird mit Euch reden, da ihr kostbare Blätter und edle Äste mit Euren zerstörerischen Werkzeugen getötet habt“, sprach eine grünschimmernde Fee. Der dritte, ein Feenjunge mit langem weißen Haar, nickte nur trotzig, verschränkte die Arme und streckte dem Götterkind die Zunge heraus. „So eine Frechheit“, murrte Klein- Link entsetzt und grabschte nach dem Feenjungen, der jedoch schnell in die Höhe schoss. „Ich komme nicht einmal von dieser Welt, und Ihr beschimpft mich einfach so.“ Jetzt war Klein- Link genauso trotzig. Harkenia legte ihm eine Hand auf die Schulter und übernahm das Wort: „Verzeiht, holde Feen der Wälder der Kokarye. Wir sind hier im Auftrag von Zeruda… Prinzessin Zeruda, die Rinku liebte, den großen Helden, der auch Euer unsterbliches Volk einst vor einem Fluch bewahrte.“ Sofort senkten die Feen ihre Häupter und flogen etwas näher. „Rinku, den… den wir einen der Kokarye nennen…“, sagte der Feenjunge und blickte neugierig in die Augen Harkenias. Er flog so nah an sein Gesicht, dass er sich auf dessen Nase setzen konnte. „Woher konntet Ihr wissen, dass er uns half. Er versprach es keinem Wesen zu erzählen. Nur ein kleiner Teil seiner Seele sollte dieses Geheimnis hüten.“ Harkenia schwieg darauf und starrte den Feenjungen unverhohlen an. „Es ist in Euren Augen… Ihr…“, und der Feenjunge verlor vor Schreck den Halt. Auch die beiden anderen Feen waren nun ermutigt näher zu fliegen und blickten Harkenia misstrauisch, aber dann auch irgendwie erleichtert an. „Unsere Königin wird Euch willkommen heißen…“, sprach der weißhaarige Feenjunge dann. „Denn unsere Gottheit ist zurückgekehrt. Bitte folgt uns.“ Klein- Link stand nur verblüfft da und wollte dieses Ereignis nicht begreifen. Was war hier eigentlich gerade passiert? „Klein- Link, so steh‘ nicht lange dort herum, du bekommst sonst noch Wurzeln“, murmelte Harkenia. Klein- Link hatte gar keine Ahnung, wie ernst diese Worte gemeint waren. Hastig rannte der Junge dem Erwachsenen hinterher und verstand allmählich dieses Hyrule nicht mehr. Was um Himmels Willen hatte die Feen gerade so überzeugt? Und wie war Harkenia an dieses Geheimnis gelangt? Hatte Zeruda es ihm erzählt? Allmählich legte sich ein misstrauischer Schatten über die Welt Hyrules. Die Erinnerung schlich näher, erzählte von verbotenen Dingen, die Sterbliche zurückgelassen hatten. Etwas war geschehen, was selbst der mächtigen Zeruda entflohen war. Manches Wissen besaß nicht einmal der Weiseste. Die Zeit sprach für sich. Das Schicksal der Welt wandelte sich… allein durch die Hand zweier Sterblicher, die wussten, und die bereit waren sich selbst dafür zu opfern… Stillschweigend kamen Harkenia und Klein- Link im magischen, blühenden Reich der Feen an. Vor ihnen lag ein friedvolles Paradies. Umgeben von riesigen Farnen, flüsternden Sträuchern und Bäumen, die lächelten, war hier ein reißender Wasserfall, dessen Wasser weit in die Tiefe preschte. Von oben herab wirkte der See am Grund, dort wo sich das Wasser sammelte, wie ein blauschillernder Wassertropfen, auf dem zahlreiche Feen spielten. Klein- Link spürte kleine Wasserflocken in seinem Gesicht, die von der großen Sturmflut stammen mussten. Hinter dem Wasserfall und auch daneben lag graues, funkelndes Felsengestein, in welches viele mausgroße Löcher eingefasst waren. Aus einigen flogen Feen und flogen auch wieder in jene Öffnungen hinein. „Das ist die Stadt der Feen, Märchenquell…“, bemerkte Harkenia und deutete auf einen unscheinbaren Pfad zwischen dichten Laubgeschöpfen. „Und das wird unser Weg sein, Titania anzutreffen.“ „Wer ist das?“, meinte der Junge aus der anderen Welt. „Die Feenkönigin, noch sehr jung, und eigensinnig, vielleicht etwas zu kompliziert“, lachte Harkenia und folgte dem Pfad, den er vorgeschlagen hatte. „Du solltest sie unbedingt höflich ansprechen. Desweiteren mag sie es nicht, wenn jemand ihr rosa Haar anstarrt.“ „Kann ja lustig werden“, murrte der Bengel und folgte dem merkwürdigen Erwachsenen weiterhin. Es dauerte nicht lange, betraten die beiden eine Lichtung, die ebenso von zarten Wasserfällen umrahmt schien. Ein kleiner Fluss umschloss die grüne Lichtung wie ein Band. Winzige Steinbrücken führten über den Fluss hinweg. Für Klein- Link und Harkenia war es jedoch kein Problem mit einem Schritt über den Bach zu steigen. Auf jener Lichtung streckte sich eine dichte Pflanze anmutig in die Höhe. Sie öffnete sich majestätisch. Kraftvoll und tief summend hoben sich schwere Blätter und eine blauschillernde Blüte mit roten Farbklecksen kam zum Vorschein. Auch die Blüte öffnete sich und ragte lässig über die Köpfe der beiden Gäste hinweg. In ihrem Inneren erhob sich eine hübsche Fee, schlank und sehr groß gewachsen. Augen so rot wie Feuer. Und rosa, kurzes Haar zierte ihren Kopf. Sie trug ein Gewand aus weißen Blütenblättern und blickte die beiden Gäste neugierig an. „Ein Feenjunge berichtete, hier… wo die Magie noch ihr Spiel spielt, ist jemand wiedergekehrt, der uns einst einen Dienst erwiesen hat. Dennoch… kann ich sein Antlitz hier nicht entdecken.“ Verwundert ließ sie ihre feurigen Augen zu Klein- Link schweifen. Harkenia trat vor und verbeugte sich. „Verzeiht, Titania der Kokarye. Die Dinge liegen anders, als sie Euch berichtet wurden.“ Sofort blitzten ihre roten Augen auf. „Halt den Schnabel, Mann der Menschenwelt.“ Klein- Link schluckte. Harkenia hatte Recht behalten, diese Fee war ziemlich biestig. „Wollt Ihr mir damit sagen, mein Volk lügt mich an?“ Harkenia schüttelte unschuldig mit den Händen. „Nein, ganz sicher nicht. Aber ich habe selbst zu verantworten, was niemand weiß…“, sagte er leise. Sie breitete ihre anmutigen, riesigen Flügel aus, die zweimal so groß waren wie jene gewöhnlicher Feen. Geschwind flog sie näher an Harkenias Nasenspitze und musterte seine dunkelblauen Augen. „Ich verstehe… nicht einmal Prinzessin Zeruda kennt das Geheimnis… und doch steht Ihr vor mir, der, den auch ich einen der Kokarye nenne. Ihr seid zurückgekehrt, Heroe…“, sagte sie leise. Moment, dachte Klein- Link. Heroe? Was um Himmels Willen deutete diese Fee an? Sie legte ihre kleine, zarte Hand an Harkenias linke Wange. „Schwermut trübt Euer Herz. Was Ihr erfahren musstest, was Ihr erleiden musstet…“ Eine feuerrote Träne rannte Titanias Wange hinab. „Alles… damit ein Schicksal fortgeführt wird, was für Hyrules tausendjährige Zukunft sehr bedeutsam ist.“ Harkenia schloss trübsinnig die Augen. „Nicht nur ich litt, Königin der Kokarye. Zeruda… Harkenia…“, erwiderte er und schwieg dann. Entgeistert blickte Klein- Link den erwachsenen Mann an. Was wollte dieser Mann damit sagen? Warum sprach er von dem Leid, dass Harkenia ertragen musste? War er nicht selbst Harkenia, der I.? Leicht lächelnd drehte sich der Mann zu dem Götterkind um, kniete nieder und legte dem Jungen die linke Hand auf die Schulter. „Es sieht so aus, als müsste ich dir etwas erklären, Götterkind… Ich bin nicht Harkenia, zumindest nicht im Moment… Mein Name, der Name der Seele, die in diesem Körper steckt, die dir bisher begegnet ist, und die dich unterrichtet hat mit dem Schwert umzugehen… Der Name dieser Seele ist Rinku.“ Rinku, einer der ersten Heroen… Kapitel 145: Ein vergessenes Schicksal… Teil 3 ---------------------------------------------- So war das also… Klein- Links himmelblaue Augen spiegelten gemischte Gefühle wieder. Es war Überraschung, auch Freude und gleichzeitig Unverständnis für diese ganze Situation. Einige Dinge erklärten sich nun von selbst. Die Verbundenheit, die das Götterkind gegenüber diesem Mann verspürt hatte, dann dieser tadellose, eindrucksvolle Mut, den jener Mann bewiesen hatte. Aber was um alles in der Welt war nur passiert? Warum steckte Rinku in dem Körper von Zerudas Bruder? „Ich würde vorschlagen, ihr setzt Euch beide einfach nieder und der Heroe erzähle uns die Dinge, die nicht einmal der mächtigen Zeruda vertraut sind.“ Der vermeintliche Harkenia ließ sich einfach zu Boden sinken. Klein- Link jedoch schien jene Worte gar nicht verarbeitet zu haben. Scheinbar ziellos starrte er umher und lauschte dem Rascheln des Windes in uralter Blättertracht. Das Schweigen kam über die Wälder des alten Feengeschlechtes und es war fast so, als teilten die seelentragenden Bäume diese Minute der Ehrfurcht. Und es war dann, dass der Heroe des Schicksals eine die Zukunft bestimmende Geschichte erzählte. „Während der großen Schlacht… als die Lichter zurückkehrten, am Himmel ein Riss entstand wie ein Sprung in einer kostbaren Porzellantasse… und dieses Aufbrechen der schwarzen Wolken den Frieden für unser majestätisches Hyrule bedeutete, war ich es… der mit tränenden Augen an das silberschillernde Firmament blickte. Ich sah bereits die Allmacht unserer Göttinnen mit den wärmenden Sonnenstrahlen niedersinken. Sie waren wunderschön, nicht so… wie sich unser Volk sie vorstellte. Sie waren edel gewiss, aber gleichzeitig so natürlich, so… barmherzig. Es rührte mich, sodass meine Tränen sich mit dem Blut vermischten, das aus meinem Körper sickerte.“ Er lag im Sterben, einer der Heroen, die über zukünftige Generationen entscheiden sollten. Wenn er starb… wo würde es die Blutlinie geben, die würdig war den göttlichen Mut zu tragen? Er wusste zu jenem Zeitpunkt nichts von Zerudas Kind, welches noch ungeboren unter ihrem Herzen schlummerte. Und gewiss war es nicht Schicksal, dass sich so früh in der Geschichte die Blutlinien zweier bedeutsamer Seelen vermischten. Es war nicht der Weg, den man für sie beide vorgesehen hatte. Es war nicht Schicksal… „Als ich die Augen schließen wollte… und mein Ende sich näherte, dort auf einem Schlachtfeld, wo Hunderte Geschöpfe des Bösen und Hunderte Krieger des Guten bereits gestorben waren…“, sprach der Heroe leise. In seinen Augen lag eine Melancholie, die Klein- Link schon einmal erkannt hatte. Es war jener Blick, den auch der Held der Zeit nicht unterbinden konnte, wenn Minuten voller unentrinnbarem Schicksal ihn forderten. „In dem Augenblick rief jemand nach mir. Eine angenehme Stimme, eine vertraute Stimme. Es war der Bruder meiner Liebsten“, sagte er weiterhin und schloss die Augen. Mitfühlend saß Titania vor ihm, hatte sich just in dem Augenblick in ein Geschöpft von menschlicher Größe verwandelt und hielt ihm stärkend die kalten Hände. Der Heroe, der sonst so stark war, der sonst alle Schwierigkeiten gemeistert hatte, war den Tränen nahe. Selbst seine Hände zitterten. War das eine Zukunft, die auch Klein- Link irgendwann erfahren würde? Ein von Leid gezeichnetes Schicksal. Ein Heroe, der an den Hürden nicht zerbrach, aber auch nie das Glück finden konnte, was ihm doch so wertvoll erschien? Würde ein Hyrule, egal in welcher Zukunft, ein Paradies für die Seele eines Heroen sein? Voller Angst und Zweifel lauschte das Götterkind den Worten Rinkus, der nur sehr schwach die Erlebnisse erzählte. „Harkenia… er schrie mich an, ich dürfe nicht aufgeben. Meine Stunde zu den Göttinnen zu gelangen wäre noch nicht gekommen, obgleich er Tränen weinte, als er meine Wunden versorgen wollte. Ich hatte gekämpft, so wie ich noch nie im Leben gekämpft hatte. Kein Pfeil in der Brust hatte mich aufgehalten… ich habe weitergekämpft. Und ich hätte weitergekämpft, wenn der Anführer der Biester nicht von meinem Schwert in zwei Teile gespalten worden wäre… Erst als sich die Sonne am Himmel zeigte, erst als der Sieg errungen war, spürte ich, dass mein Körper das Schlachtfeld nicht verlassen würde.“ Mitfühlend gesellte sich auch das Götterkind zu dem würdevollen Heroen, der alle Geheimnisse nun auf den Tisch legen würde. Kurz blickte er auf, erwiderte einen verständnisvollen, sanften Blick, als Klein- Link auch seine winzigen Kinderhände über die von Titania legte. Der Heroe atmete gleichmäßig ein und aus und sprach weiter: „Harkenia wusste, dass ich dabei war hinüber zu gleiten in die andere Welt. Er betete… er betete laut und erhaben zu der Götterallmacht mit meinem Blute an seinen Händen. Er spürte selbst den Umbruch in Hyrule, er wusste, dass eine alte Legende fortgeführt werden sollte. Er wusste um die Zukunft der Helden Hyrules. Ich hatte versagt… und nur aus diesem furchtbaren Grunde, nur, weil ich meiner Verantwortung nicht gerecht wurde, ich nicht erfüllen konnte, was die Götter meiner Seele auferlegten, nur deshalb erhörten sie Harkenias Gebete. Sonnenstrahlen glitten nieder… und es war als verbannten jene Strahlen jegliche Zweifel über das, was dann kommen sollte. Es würde richtig sein, es würde unsere Welt heilen. Gedanken schossen in mich, die nicht die meinen waren. Ein Flüstern erfüllte Harkenias und meine Ohren, welches uns erkennen ließ, dass der rechte Weg nahte. Ich sah Bruchstücke aus der Zukunft, Helden mit dem Masterschwert in der Hand. Edel und ihren Mut verkörpernd kämpften jene Träger der Tapferkeit auf verschlungenen Pfaden für Gerechtigkeit. Und ich spürte auch, dass meine Entscheidungen, alles, was ich tat, an die Zukunft dieser Heroen geknüpft sein würde. Harkenia… mein bester Freund, wusste dies ebenso.“ Er ließ eine kleine Pause und gedachte Harkenia, in dessen Körper er steckte. „Wir vernahmen den göttlichen Klang jener Wesen, die Hyrule erschufen. Es war so angenehm, so erfüllend und befreiend…“ Er lächelte wie ein Kind, als er sich daran erinnerte. „Die heftigen Schmerzen meiner Wunden waren in diesen Momenten nicht mehr für mich fühlbar. Als hätten jene Stimmen unserer Gottheiten jegliches Schmerzempfinden ausgelöscht. Doch mit jenen Stimmen flüsterten auch Worte zu uns, die belehrten, die ergriffen und mir die Bürde begreiflich machten, die man als Heroe tragen muss. Die Göttinnen sprachen zu uns, erklärten… auch, wenn ich vieles nicht verstehen wollte. Mein Herz war nicht fähig, wo ich mir doch so sehr gerade das wünschte, was die Göttinnen untersagten.“ Eine Träne, unscheinbar, fast nicht wirklich tropfte über seine linke Wange. „Es war keine Strafe, keine Verpflichtung, eher ein Handel, der verantwortungsvolles Denken verlangte. Es war ein Handel, der mir das Überleben in Harkenias Körper, neben seiner Seele, die gerade schläft, vorerst sichern, mir aber gleichzeitig die Zukunft mit Zeruda nehmen sollte. “ Der Heroe lächelte schwach und holte aus, das einzig wahre, verpflichtende Bruchstück preiszugeben, was ihn an das Dasein band. „Zeruda wusste… dass ich auf dem Schlachtfeld sterben würde. Sie hatte es immer gewusst, nur wurde von Göttermacht vor ihr geheim gehalten, dass es nur… mein Körper sein würde, der sein Ende finden sollte. Nicht einmal Zeruda konnte es verhindern, obwohl sie dem alten Medaillon um deinen Hals die Macht gab, Tote wiederzuerwecken.“ Der Erzähler einer Geschichte, die vergessen werden sollte, wendete sich mit traurigen Blicken an Klein- Link und berührte sachte das Medaillon. Seine Berührung sollte auch in Zerudas Herzen endlich die Wahrheit auslösen. Er berührte das legendäre Schmuckstück nur zaghaft, und doch, würde dies ausreichen um Zeruda auf unsichtbaren Pfaden jene Antworten zu schenken, die sie für die Zukunft benötigte. Und es war, dass die Prinzessin der Hylianer voller Pein und Demut in ihren Gemächern auf den Boden sank. Sie weinte, sie schrie. Sie verfluchte ihr Schicksal, als sie die Wahrheit erkannte. Für sie und den Heroen, der über Tausend Jahre Zukunft entscheiden sollte, würde es keine Zukunft geben. Nur deshalb verlor sie das Kind… Und der Trost, der dann noch blieb, war lediglich die Gewissheit, dass Rinku noch lebte, und dass es möglich sein könnte seinen Körper wieder herzustellen. Und der Trost, dass irgendwo… irgendwann in einem anderen Hyrule, es einen Helden geben würde, dem es vergönnt war mit der Prinzessin des Schicksals eine Zukunft zu haben… „Jetzt weiß sie… sie weiß, dass ich noch hier bin…“, meinte der Held leise, der noch immer vor der Königin der Feen seine schwermütige Geschichte erzählte. In seinen Augen flüsterte die große Liebe, die er noch immer, und sicherlich für immer für Zeruda empfand, Worte der Vergebung. „Ich hoffe, sie kann mir verzeihen. Jeden Tag, wenn ich vor ihr stand und sie mich mit ihren kräftigen, blauen Augen musterte, hatte ich gehofft, sie würde es sehen, sie würde meine Feigheit spüren. Denn ich war feige… einfach feige ihr zu sagen, wer noch in diesem Körper steckte. Und es tat mir im Herzen weh, zu sehen, dass sie litt, das Kind verlor, und mit jedem Tag sich mehr veränderte. Ich wollte sie trösten, bei ihr sein… aber ich durfte nicht. Der Handel mit den Göttinnen sieht vor… dass mein Körper durch Zerudas Hilfe wiederbelebt wird. Mein Geist wird zurückkehren… aber alles, was mich mit Zeruda verbindet, die tiefe Zuneigung, wird vergehen.“ Titania weinte zwei weitere feuerrote Tränen und auch Klein- Link schluchzte. „Breche ich diesen Handel… lasse ich mich hinreißen auf Zerudas und meine Sehnsüchte zu antworten, opfere ich diesen Körper und die Dämonen der Zukunft werden siegen.“ Dann versiegelten sich seine Lippen und er blickte trübsinnig auf. Die Geschichte um ihn und Zeruda würde nirgendwo geschrieben stehen, sie würde nicht erinnert werden, und doch war es sein Blut, was weiter vererbt werden musste. „Das ist einfach gemein…“, sagte Klein- Link. „Wie können die Göttinnen nur so grausam sein. Gibt es keinen anderen Weg?“ Rinku schüttelte den Kopf. „Sobald mein Geist zurück in meinem Körper ist, wird Harkenia wieder erwachen. Es ist zu spät für einen anderen Weg, Götterkind“, murmelte er und erhob sich. Mit erhabenem Blick richtete er sein Haupt an den trostvollen, warme Lichter spendenden Abendhimmel. „Ihr habt den Beistand und das Mitgefühl der Kokarye, Heroe… Ruht Euch aus in unseren Wäldern. Es tut uns allen sehr leid…“, sprach die Feenkönigin. „Was gedenkt Ihr jetzt zu tun?“ Rinku lächelte schwach und legte dem Götterkind eine Hand auf den blonden Schopf. „Nicht nur ich habe eine schwere Bürde zu tragen. Dieser Junge ist der Held, der durch die Welten reist. Seine Aufgabe ist alle möglichen Heroen aus verschiedenen Zeiten Hyrules anzutreffen und für einen Kampf gegen uraltes Böses zu rufen. Nun gelangte er in diese Welt mit einer wertvollen Begleiterin, die seit seinem Erwachen in unserem Hyrule verschollen ist.“ Die mächtige Fee blickte neugierig auf ihn hinab. „Und ich nehme an, ihr sucht in unseren Wäldern nach dieser Begleiterin“, sprach sie. „Das stimmt“, entgegnete das Götterkind. „Ihr Name ist Navi und sie ist total frech und furchtbar.“ Die Fee runzelte verdächtig die Stirn. „Sie besitzt blondes Haar, welches sie in zwei geflochtenen Zöpfen trägt. Ihre Augen sind grün wie Gift“, beschrieb das Götterkind. Die Feenkönigin blinzelte einige Male und schaute sehr irritiert drein. „Sie war in einem anderen Hyrule eine sehr alte Fee. Nur kann ich mir ihr genaues Alter einfach nicht merken“, grummelte der grünbemützte Bengel. Die Fee grinste etwas verlegen, als hätte sie etwas zu verbergen und schrumpfte aus lauter Blöße zurück in ein handgroßes Wesen. „Äh…“, meinte sie und lachte dann albern. „Titania?“, murmelte Rinku fragend, er wusste wohl genau, wann diese Fee irgendetwas zu verbergen hatte. „Nun ja… das ist etwas unglücklich… und so…“ Ihr Gesicht wurde fiebrig rot. „Titania!“ Rinkus Stimme schwoll an und es schien als wolle er sie nun einschüchtern. „Gestern verlor sich ein Geschöpf von Göttlichkeit und einer faszinierenden Feenaura in unseren Wäldern. Und wir dachten… nun ja…“, begann sie zu erklären. Klein-Link trat aufgeregt näher. „Trägt sie eine dreiviertellange Hose, darunter eine weiße Bluse mit grünen Streifen und darüber eine braune Weste?“ Die Feenkönigin nickte beschämt. „Wo ist sie?“, meinte Rinku nachdrücklich. Titania senkte ihr Haupt und ein Schimmer rosafarbener Staub verließ ihre Flügel um sachte und verzaubert zu Boden zu fallen. „Sie ist…“ „Nun sagt schon! Sie ist mir wichtig!“, murrte Klein-Link und trat einschüchternd näher. Sicherlich nervte Navi ihn des Öfteren, aber sie war genauso eine gute Freundin. „Sie ist eingeschlossen an unserem heiligen Ort, dem Reich im vergessenen Nebel…“ Und damit verstummte Titania. „Wir nahmen an, dass unsere Gottheit zurückgekehrt ist. Niemals wollten wir jemandem schaden.“ Sie ließ beschämt ihr Haupt sinken und schien sich vor Rinkus ernsten und anklagenden Blick zu fürchten. „Es tut mir leid…“ Mit fragenden Augen sah der Held der Dimensionen seinen Vorfahren an, der seufzte. „Was bedeutet das?“, meinte er aufgeregt. Angesichts Titanias‘ trübsinniger Worte und angesichts Rinkus Murren ahnte er, dass dieser Ort im Reich der vergessenen Nebel nichts Gutes bedeuten konnte. „Wir ließen sie von unseren Wächtern holen mit der Bitte sie zurück nach Hause zu bringen. Wir glaubten nicht ihren Worten, dass dies alles nur ein großes Missverständnis sei“, erklärte die Feenkönigin. „Jener Ort ist ein vergessener Platz für Wesen, die heilig sind. Dort verweilen Göttliche, die vergessen wurden.“ „Und was heißt das jetzt für Navi?“, sprach der Junge und blickte ratsuchend in Rinkus Augen. Er schüttelte sorgenvoll seinen Schädel. „Das heißt, dass wir sie dort herausholen.“ Darauf fiel die Feenkönigin aus allen Wolken. Zänkisch flog sie ganz dicht an Harkenias Gesicht heran und drohte ihm mit einem spitzen Zeigefinger. „Das dürft Ihr nicht, dieser Ort ist heilig.“ „Sagt mir nicht, was ich zu tun habe“, drohte er. „Ihr habt dieses unschuldige Mädchen an diesen Ort gebracht.“ „Aber nicht mit Absicht. Woher hätten wir das denn wissen sollen?“, rechtfertigte sich Titania kreischend. „Ihr hättet einfach bloß zuhören müssen“, schimpfte nun auch Klein-Link, obwohl er nicht wusste, was es für ein sterbliches Wesen bedeutete an einem solchen verwunschenen Ort zu weilen. „Misch‘ du dich nicht ein, Erdenjunge“, raunzte sie und schickte ihm einen vorwurfsvollen Blick entgegen. „Ich soll mich nicht einmischen? Navi ist meine Begleitung und Freundin. Ich kann kaum ohne sie diese Welt wieder verlassen“, versuchte er zu argumentieren. „Das reicht jetzt. Das bringt uns nicht weiter“, sprach der scheinbare Monarch Harkenia und versuchte die Diskussion mit vernünftigen Worten zu beruhigen. „Es gibt nicht viele Sterbliche, die in der Lage sind zu diesem vergessenen Reich eine Brücke zu schlagen. Unser Glück ist, dass Zeruda diese alte Magie durchaus beschwören kann.“ „Trotzdem dürft ihr als Sterbliche dort nicht passieren!“, begann Titania einmal mehr zu zanken. „Und welchen Vorschlag habt Ihr sonst?“ Daraufhin purzelte wieder Feenstaub von Titanias schillernden Flügeln und sie zuckte mit den Schultern. „Das habe ich mir fast schon gedacht“, schmollte nun auch Klein-Link und verschränkte genervt seine Arme. „Außerdem bin ich kein gewöhnlicher Mensch, vielleicht kann ich passieren.“ Harkenias Miene erhellte sich. „Aber ja“, seine Stimme überschlug sich fast. „Daran habe ich gar nicht gedacht, du hast göttliche Essenzen in dir.“ Verwundert sah der Junge wieder auf. „Äh… ja, irgendwie schon.“ „Es wäre vielleicht sogar möglich, dass dir der Eintritt gewährt wird“, sprach Rinku. Titania ließ sich derweil wieder auf ihrem Thron nieder und stemmte ihr Kinn an einer Hand ab. Sie blickte ermüdet drein und schien nicht so recht zu wissen, wie sie ihre Fehlhandlung wieder gutmachen sollte. „Titania.“ Und Rinku trat vor. „Ihr steht in meiner Schuld. Vergesst das nicht. Und dieser Fehler muss wieder gut gemacht werden. Ich hoffe, es wird sich ein Zeitpunkt finden, an welchem ihr mit mehr Schuldbewusstsein und Einsicht zu diesem Thema stehen werdet.“ Sie schmollte wohl weiterhin und sah schräg an ihren Besuchern vorbei. Als Rinku und Klein-Link sich umdrehten und den Ort verlassen wollten, erklangen leise entschuldigende Worte über die rotgemalten Lippen der Feenkönigin. Und der Tag würde kommen, an welchem Klein-Link mit einer anderen Aufgabe hierher zurückkehren würde… Kapitel 146: Ein vergessenes Schicksal… Teil 4 ---------------------------------------------- Mit Zweifeln über das Morgen gelangten Klein-Link und Rinku zurück in die blühende Nordstadt des hylianischen Reiches. Sie waren beide trübsinnig, aber auch hoffnungsvoll gestimmt, dachten an das, was noch vor ihnen lag und das, was einst war. Sie hatten sich kurz vor den Toren von einem der letzten Drachen verabschiedet und entschieden den restlichen Weg zu Fuß zu nehmen. Der scheinbare Monarch hatte es nicht gerade eilig zurück im Königsschloss zu sein, wusste er doch, dass ihm eine Auseinandersetzung mit Zeruda bevorstand. Und er ahnte auch, wie sie jetzt, nachdem sie wusste, wer er in Wirklichkeit war, reagieren würde. Klein-Link war noch zu unwissend über Gefühle, als dass er verstehen konnte, wie es in Rinkus Seelenleben aussah. Aber er hatte Mitgefühl auf seine Weise. Und diese Empathie wollte er unbedingt vermitteln. „Es tut mir leid, das alles“, sprach er vorsichtig und schielte zu seinem Vorbild hinüber. „Es ist auch eine sehr schlimme Geschichte…“, murmelte der einstige Heroe. „Noch vor wenigen Monaten hätte ich niemals gedacht, dass es mit Zeruda und mir so enden würde…“ Und der Mann lief etwas schneller, sodass er außerhalb Klein-Links Gesichtsfeld lag und jener ihn nicht mustern konnte. „Aber es ist doch nicht zu Ende“, entgegnete der Junge. „Ihr seid beide noch hier, ihr lebt, irgendwann wirst du wieder in deinem Körper sein. Und Zeruda wird irgendwann auch wieder lächeln können. Ihr dürft euch nicht lieben, sicherlich, aber das heißt trotzdem, dass ihr miteinander reden könnt, dass ihr euch anlächeln könnt, so wie vorher.“ Klein-Link wollte zumindest versuchen den Helden etwas aufzumuntern, auch wenn es nicht einfach war. „Ja, da hast du Recht…“, sprach er leise, aber er war mit einem solchen einfachen, plumpen Satz nicht zu überzeugen. „Ich weiß, dass Zeruda glücklich werden kann, ich weiß, dass auch ich glücklich werden kann, eben nur nicht so, wie wir es uns beide vorgestellt hätten.“ Damit wand sich der scheinbare Harkenia wieder zu ihm, kniete nieder und legte dem Bengel seine große linke Hand auf den Blondschopf. „Dass ein Heroe und eine Prinzessin glücklich werden können, sieht man ja an dir, was?“ Und dann grinste der Erwachsene zumindest ein wenig. „Du bist gut darin Herzen aufzuheitern, nicht wahr?“ „Ich weiß nicht so Recht“, erwiderte Klein-Link ehrlich und dachte noch einmal über Rinkus Worte nach. Nach dem Gespräch mit Zeruda von letzter Nacht war es gar nicht mehr so sicher, dass Link und Zelda miteinander glücklich werden würden. „Zeruda hat mir letzte Nacht eine scheußliche Prophezeiung gemacht“, murmelte der Junge dann. „Sie sagte, dass auch mein möglicher Vater und meine mögliche Mutter nicht miteinander glücklich werden würden.“ Daraufhin verzog Rinku seine Miene. „Sie…“ „Moment mal“, murrte der Heroe und unterbrach das Götterkind gekonnt. „Und du glaubst das?“ Klein-Link zuckte ratlos mit den Schultern. „Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll.“ „Das kann nicht sein“, bekräftigte Rinku. „Aber warum? Warum sollten andere glücklich werden, wenn ihr beide es auch nicht dürft.“ „Weil ich…“, sprach er leise. „Weil ich meine Liebe zu Zeruda geopfert habe, gaben die Göttinnen mir ihr Wort. Die Göttinnen versprachen mir, dass fernab in einer anderen Zeit, ein Held und eine Prinzessin miteinander glücklich werden würden. Und Götter können nicht in ihrem Wort brechen…“ „Und woher willst du wissen, dass es meine Zelda und mein Link sind, von denen sie sprachen.“ „Weil sie von dem Helden sprachen, der durch die Zeiten gereist ist und weil sie von einem Helden sprachen, der in einer Welt ohne Triforce und ohne Zelda wiedergeboren wurde.“ Klein-Links Miene erhellte sich mit einem winzigen Hoffnungsschimmer. „Aber was ist mit Zerudas Prophezeiung?“ „Ihr Herz leidet… ich glaube, sie sieht inzwischen nicht mehr die Zukunft oder die Vergangenheit, sondern ihre eigene Verbitterung. Lass‘ dich nicht so schnell verunsichern.“ „Aber…“, wollte der Junge argumentieren, als Rinku ihn sehr tiefsinnig und fast befehlend musterte. „Warum bist du überhaupt so spät in der Nacht noch einmal aufgestanden?“ Betrübt blickte der Weltenwanderer zu Boden. Seine himmelblauen Augen schillerten und sein Gesicht wurde grämlich. „Ich habe etwas sehr trauriges geträumt… so düster und grausam…“ „Ich schätze, du hast Blut gesehen… vielleicht eine Schlacht, was?“ Es war für den einstigen Heroen nicht schwer Klein-Links Miene zu deuten. Überhaupt hatte Rinku ein scharfes Gespür für jene Dinge, die andere nicht erkennen konnten. „Ja, woher wisst Ihr das?“ „Es war dein Blick… du verrätst dich damit sehr schnell.“ Der Junge schlug sich auf die Stirn und fand das nicht gerade berauschend. Wie sollte er sich einem Feind entgegenstellen, der mit unfairen Mitteln arbeitete. Klein-Link würde sofort durchschaut werden. „Es ist nicht schlimm, Klein-Link, du bist schließlich immer noch ein Kind.“ Auch das erheiterte das Gemüt des Götterkindes nicht wesentlich. Ja, er war vielleicht noch ein Kind, aber mit diesem Gedanke würde er nicht in der Lage sein eine Welt zu retten… „Erzählst du mir, worum es in deinem Traum ging?“ Und der Bursche erinnerte sich nur sehr ungern. Er erzählte Rinku von der Ebene und den vielen Gefallenen, von dem Blut und den Engeln, die auf dem Schlachtfeld gestorben waren. Und er erzählte von der einen Frau, die jene Schlacht überlebte, aber sich beinah selbst gerichtet hätte. „Diese Schlacht ist in meiner Welt nur zwanzig Jahre her…“, sprach der scheinbare Monarch, worauf Klein-Link überrascht aufsah. „Das ist nicht wahr, oder“, murmelte er aufgeregt. „Das ist mein Todernst, ich war damals noch ein Kind, als es passierte… Zeruda hat die letzte Überlebende Niléz persönlich getroffen.“ Klein-Link versuchte das Ganze zu verstehen, musste sich aber geschlagen geben. Einmal mehr hatte er das Gefühl die Kontrolle zu verlieren und nicht zu wissen, was mit ihm passierte. Niléz, die Wächterin der Gärten des Lebens im Himmelshaus, die alte Dame, mit der er sich so oft unterhalten hatte, gehörte tatsächlich in diese Zeit und Welt. Ob das mehr als ein Zufall war? „Das erklärt aber nicht, warum ich davon geträumt habe.“, sprach er leise. „Vielleicht liegt es daran, dass du göttliche Essenzen in dir trägst. Deine Mutter hat die Macht der Vorsehung.“ „Vielleicht ist das eine Erklärung.“ „Es ist zumindest eine Idee, Götterkind.“ Und der Mann lächelte. „In Ordnung“, entgegnete der Junge und rannte etwas erleichterter und ermutigt hinter dem Erwachsenen hinterher. Nur wenige Minuten später überquerten beide den Marktplatz und wurden von vielen lächelnden Hylianern begrüßt. Klein-Link bediente sich herzlich von den Speisen auf dem Marktplatz und war bemüht sein Vorbild nicht aus den Augen zu verlieren. In den späten Nachmittagsstunden erreichten die beiden den Schlossinnenhof. Harkenia zögerte noch ein wenig und man konnte ihm seine Unruhe und Nervosität ansehen. Er schämte sich für sich selbst, fürchtete sich vor Zerudas dunkelblauen Augen, die ihn verbittert anklagen würden. Er seufzte und blickte dann nachdenklich hinauf zu den grauen Schlosstürmen, auch zu dem Bereich, wo Zeruda ihr Gemach besaß. Gerade da trat sie mit gesenktem Haupt auf ihren Balkon. Sie blickte hinab in die Menge und als sie ihren vermeintlichen Bruder entdeckte, verfinsterte sich ihr Gesicht deutlich und sie hetzte wieder zurück in ihre Gemächer. „Das kann ja heiter werden“, murmelte Harkenia und aus dem tiefen Blau seiner Augen strahlte nun deutlicher als vorher Rinkus Vermächtnis. „Klein-Link, du wartest hier.“ Und der scheinbare Harkenia steckte ihm einige Münzen zu, damit er sich hier auf dem Marktplatz noch ein wenig beschäftigen konnte. Alsdann trat der heimliche Heroe zielsicher, aber mit Zweifeln durch den Innenhof, bis er hinter dem großen Haupttor des Schlosses verschwand. Er versuchte seine Gedanken abzuschalten, versuchte das Gespräch mit Zeruda unvoreingenommen und mit rechtschaffenem Schuldbewusstsein einzugehen. Er war edelmütig gewesen immer… nur hatte er durch sein Bündnis mit den Gottheiten das ganze Vertrauen, das die Prinzessin zu ihm hatte, in Frage gestellt. Und Zeruda kannte ein fieses Wort für das, was er getan hatte. Für sie war er inzwischen nur noch ein Verräter… In den dunkelblauen Augen des scheinbaren Monarchen spiegelten sich tiefe Zweifel und intensive Gefühle, die er lernen musste in sich zu verschließen. Und dort in seinen Augen, wo sich das stürmische Blau verflüchtigte, zog ein leises, aber wunderschönes Licht herauf, tief aus der wahren Seele desjenigen, der den Körper bewohnte. Auch wenn Rinku es wollte, er schaffte es nicht die Zweifel und Schuld wegzusperren, die ihn nun einnahmen. Selbst als er die Treppen hinauf tapste, als er den Gang zu Zerudas Gemächern betrat und selbst als er vor den Türen ihres Gemachs stand, er konnte seine Zweifel nicht beseitigen. Er fühlte sich so entehrt und schuldig, dass er sich selbst ohrfeigen wollte. Er hob eine Hand um zu klopfen, als sich das Schlosstürchen von selbst öffnete. Er wollte nach der Prinzessin rufen, entschied sich aber dann dagegen, weil er spürte, dass sie seine Anwesenheit schon lange wahrgenommen hatte. Ihn wunderte nur, dass sie überhaupt noch freiwillig eine Tür zu ihm geöffnet hatte. Leise trat er ein und sah die Prinzessin in ihrer hellblauen Robe schweigend, und den Rücken zu ihm gewandt an einem Fenster stehen. Sie schien den Sonnenuntergang, märchenhaft und so vergänglich, und wie sich das ganze Land in warmen stimmungsvollen Farben erhellte, zu beobachten. Sie mied seinen Blick, und als er näher trat, wusste er auch warum. Sie weinte… Auch er wusste nichts zusagen, blieb einfach in seiner Position, wollte nicht mit überflüssigen und dummen Argumenten und Rechtfertigungen an sie herantreten. Denn für das, was er getan und vor ihr verheimlicht hatte, gab es keine Entschuldigung. „Was möchtet Ihr mit mir besprechen?“, fragte sie leise und schien sich die restlichen Tränen aus den Augen zu wischen. Die Prinzessin dieses hylianischen Reiches blieb kühl, ließ sich ihre Gefühle in den Worten nicht anmerken, nicht einmal eine Spur von Wut oder Zorn, welche Rinku erwartet hätte. Es überraschte den unerkannten Helden so sehr, dass sie diese sachliche Frage stellte, dass er darauf nichts zusagen wusste. „Sagt schon, was habt Ihr noch mit mir zu besprechen?“, sprach sie erneut, diesmal etwas gereizter als vorher. „Ich wollte Euch… in erster Linie um Verzeihung bitten…“, sagte er leise. „Zeruda, bitte hört mich an.“ „Den Teufel werde ich“, sagte sie laut und richtete endlich ihr Antlitz zu ihm. Und dann sah Rinku die geballte Wut, die er erwartet hatte. „Nach einem ganzen ahnungslosen Jahr“, schimpfte sie und ihre verkrampfte Haltung, die Tränen in ihren blauen Augen und die Verzweiflung in ihrem Gesicht verriet den Schmerz, den sie nun fühlte. „Ihr habt mir ein ganzes, langes Jahr den Bruder vorgespielt, habt zugesehen, wie ich mich quälte, habt zugesehen, wie ich mein Kind verlor! Wer, bei Nayru, seid Ihr?“ Er öffnete seinen Mund einen Spalt, um irgendetwas über seine Lippen gleiten zulassen, aber Zeruda ließ ihm diese Möglichkeit nicht, verbittert und tieftraurig, ließ sie ihre ganze Wut an ihm aus. „Ihr seid nicht Rinku! Der Held, den ich einst liebte, der Held, dem ich vertraute, hätte mich niemals so entehrt und hintergangen. Geht mir aus den Augen!“ „Zeruda…“, sprach er mitfühlend. Und eine lange Pause entstand. „Ich kann Euch das nicht verzeihen… nicht in der nächsten Zeit“, murmelte sie leise und musterte ihn mit ihren kräftigen Augen, vielleicht versuchte sie irgendwo den Heroen zu sehen, der ihr einst so viel gegeben hatte. Sie atmete tief durch, drückte ihre Hände auf den Bauch und versuchte ihre Tränen in den Griff zu bekommen. „Ich erwarte keine Vergebung von Eurer Seite. Ich erwarte nichts für mich… Und ich will nichts rechtfertigen, ich möchte nur… irgendwann…“ Er wollte zumindest klarstellen, dass er sie brauchte und dass er sie niemals verletzen wollte. Er wollte ihr so viel sagen, aber er wusste auch, dass sie dies im Augenblick nicht zulassen würde. „Sagt, ist das unser Schicksal…“, murmelte sie leise und trat näher zu ihm. Es war keine Wut mehr in ihren Worten, nur tiefe, verfluchte Traurigkeit. „Das ist es“, sprach er deutlich und sah dann mit der alten Sehnsucht noch einmal in ihre schönen Augen. „Das bedeutet nicht… dass alles das, was einst war, nur eine Lüge gewesen ist.“ Und dann trat sie vor ihn, blickte in seine blauen Seelenspiegel und hoffte ihren Heroen noch einmal darin zusehen. „Seid Ihr es wirklich…“, sprach sie dann und wünschte sich in seinen Augen die Wahrheit zu sehen. Als er nichts weiter sagte und auch den Blick abwendete, schien es fast so, als wäre die ganze Wut der Prinzessin verflogen. Sie sagte nichts weiter, weinte einmal mehr. Schweigend standen sie beide in ihrem Gemach, umschmeichelt von uralten Sonnenstrahlen, die besänftigten… Wenn Taten nur so leicht durch den Betrug der Zeit umzukehren wären und wenn aufgebaute Lügengebilde standhalten würden, Zeruda und Rinku hätten sich für alle Fehler und Grausamkeiten entschieden, die Herzen aushalten können, nur um das Leben zu genießen, das sie dachten führen zu können. Aber Hyrules Geschichte, die vielen zählenden Zeiten und Zeitalter der Kriege, bot nur den wenigsten edlen Wesen eine Erfüllung tiefer Sehnsüchte… und auch nur, wenn jene erbarmungslos dafür kämpften… Klein- Link marschierte währenddessen erfreut über den Marktplatz, betrachtete sich unglaublich heiter gestimmt die vielen unterschiedlichen Stände und schien keinen Gedanken mehr an seine Mission zu verschwenden. Ausgelassen rannte er von einem Stand zum anderen, bediente sich von frisch geernteten Äpfeln, kostete herzhaften Schinken, naschte von Süßigkeiten und fragte sich, weshalb er die letzten Wochen nichts von diesen Dingen mehr genossen hatte. ,Eigentlich war er ein Genussmensch‘, dachte er. Er konnte sich an vielen Dingen erfreuen, sah eine Mahlzeit als etwas unglaublich Erfüllendes an und schwelgte in Genuss auch in anderer Hinsicht. Er beobachtete gerne die Welt um sich herum und zu diesem Zweck machte er es sich mit seiner Schokoladentafel in der Hand auf dem Rand eines kleinen Brunnens bequem und ließ seine himmelblauen Augen munter über die Menge wandern. Er beobachtete die Soldaten, die wenige Meter weiter ein paar jungen Hylianerinnen ihre Fechtkünste demonstrierten. Er applaudierte dem Straßenclown, der mit ein paar Kartentricks Kinderherzen zum Lachen brachte und dann wanderte sein Aufmerksamkeitsfeld zu einer jungen Wandertruppe, die Musik spielte und dazu tanzte. Vergnügt ließ er seine Beine pendeln und strahlte mit glänzenden Augen in den mit dicken Wolkenbällchen übersehenen Himmel. Sorgen hatte er genug, vielleicht auch weil Navi nicht da war, aber das hieß nicht, dass er sich diese wenigen Minuten für sich nicht einfach einmal gönnen konnte. Während dieser gesamten Mission war schon so viel passiert. Er hatte nette Leute kennengelernt, viele liebenswerte Menschen; und er hatte seinen Vater getroffen, obwohl er daran zweifelte, dass es der jetzige Held der Zeit war. Er hatte mit seiner Hilfe einen gigantischen Kampf durchgestanden. ,Warum sollte er jammern‘, dachte er. Er war auf dem Weg ein Held zu werden, da gehörten neben den Problemen aber auch Ruhepausen einfach einmal dazu. Weit oben zogen die rubinroten Drachen vorüber. Ihre kräftigen Flügel schlugen gegen die Windböen am Horizont und irgendwo dort oben wachten auch die Göttinnen über sein Schicksal. Sie wussten, dass er diese Mission wählen musste, vielleicht hatten sie ihn auch deshalb erschaffen… Deutlich zuversichtlicher als in den letzten Tagen blickte Klein-Link wieder in die Menge an lächelnden Gesichtern. ,Jetzt, wo allmählich der Abend kam, begann die Nordstadt erst recht lebendig zu werden‘, dachte er. Und dort, wo die Wandertruppe ihre Lieder sang und mit allerlei Instrumenten spielte, begannen mehr und mehr Hylianer mitzusingen oder zu tanzen. Da die Sonne am Horizont verschwand, erwachten andere Lichter in Gestalt von Fackeln. Kerzenlichter leuchteten den Weg durch die engen Gassen. Und die Wandertruppe ließ schwebende Lichter ihre Lieder und ihre Bewegungen in einen fernen Zauber hüllen. Die Welt wurde magisch, als die letzten Sonnenstrahlen sich zurückzogen. Hyrules Nordstadt wurde magisch und lebendig… Viele junge Hylianerinnen tanzten zu den feinen Singstimmen und den traditionellen Instrumenten als ein Versuch vor der grausamen Realität zu flüchten. ,Und es funktionierte‘, dachte der Junge. Wenn man diesem Rausch verfiel, sich einließ auf eine andere Form der Magie, die einen dazu brachte Unmögliches zu leisten, erst dann lebte man, erst dann war man in der Lage selbst die Realität für seine eigenen Zwecke zu manipulieren… Mit Entzückung und Begeisterung beobachteten seine himmelblauen Augen die Szenerie. Und es war dann, dass ihm ein hylianisches Mädchen besonders deutlich ins Auge sprang. Sie tanzte mit einer Leidenschaft und Faszination, dass sie die anderen Tänzer einfach ausstach. Es war wie, als bewegte sie sich nicht mit der Musik, sondern als manipulierte sie die Töne zu ihrem eigenen Vorteil. Und die Menge wich automatisch vor ihr zurück, fast so, als bewunderten sie ihren Stil, oder als fürchteten sie sich. Gepackt von leichter Neugierde erhob sich Klein-Link, sodass er die Tänzer besser beobachten konnte und sah das Mädchen erneut, wie sie in ihrer wilden Musik lebte und ihrer eigenen Magie verfiel. Sie war vermutlich drei Jahre älter als er und schlank und durchtrainiert. Sie schmückte sich mit den drei Farben der Göttinnen, trug ein blutrotes Kleid, meerblauen Schmuck und ein samtig grüner Schleier bedeckte ihre weißen Schultern. Ihr langes schwarzgesträhntes Haar flatterte, während sie ausgelassen tanzte. Sie fing seinen Blick ein, als sie spürte, dass er sie beobachtete. Und da konnte er ihre pechschwarzen Augen sehen, die ihn interessiert und neugierig musterten. Er hatte noch nie solche dunklen Augen gesehen, dachte er. So finster und schwarz wie die Nacht, fast überwältigend tragisch und mystisch. Sie zeigte ihm ein stolzes und unglaublich eigenwilliges Lächeln, verzog ihr Gesicht auf eine selbstherrliche, aber durchaus interessierte Weise. Und obwohl ihr Lächeln ihm nichts sagte und er auch sonst nicht das Gefühl hatte sich mit ihr anfreunden zu wollen, so zog jenes ihn in ihren unbarmherzigen Bann. Sie bewegte sich weiterhin leidenschaftlich zu dem fließenden Rhythmus, ließ ihre schlanken Arme herausfordernd und in seine Richtung deutend durch die Lüfte wandern. Und sie tanzte… tanzte immer weiter, gefährlich und berauscht. Und je mehr er ihr zusah, je mehr er sich in ihren glänzenden schwarzen Augen erblicken konnte, umso mehr spürte auch er den Rausch der Musik. Jede Bewegung in seiner Nähe erschien ihm wacher und herausfordernder als jemals zuvor. Das flackernde Feuer der Fackeln konnte er nicht nur sehen, er konnte es knistern hören, konnte es atmen hören, während die traditionelle, hylianische Musik seine Ohren verzauberte. Er spürte die Kühle der Nacht sich niedersenken, roch die Geheimnisse darin, roch Gefahr und kostete eine Lebendigkeit, die er bisher selten erfahren hatte. Das Herz in seiner Brust tobte, raste, als sich die Welt für ihn verzauberte. Er hatte noch nie eine solche Energie gespürt, die gerade jetzt seine Adern entlang schoss, er hatte sich noch nie so bereit und stark gefühlt wie im Augenblick. Und es war dann, dass er sich in den Kreis der Tänzer und leidenschaftlichen Künstler hineinziehen ließ, den Atem des Lebens auffing und tanzte… Schweigend war der vermeintliche Bruder Zerudas aus ihren Gemächern getreten. Er hielt die Konfrontation mit ihr nicht länger aus, hielt es ohnehin nicht mehr aus über die Geschehnisse nachzudenken, die sein gesamtes Leben verändert und irgendwo zerstört hatten. Er hatte die letzten Monate seine Rolle sehr gut gespielt, das wusste er. Mit schmerzverzerrter Miene trat er die Wendeltreppe von Zerudas Gemächern hinab und lehnte sich stirngerichtet an die kalte Steinwand. Es war mittlerweile stockduster in den Gängen, und er wollte kein Licht entfachen, wollte nicht, dass irgendjemand seine Gesichtszüge lesen konnte. Er war ein starker, stolzer Mann, aber auch er hatte seine Tage, wo ihm alles zu viel wurde. Und dieser Moment war jetzt gekommen. Er tapste trübsinnig vorwärts, fühlte sich etwas unwohl in dem Körper seines besten Freundes, und ja, er hatte Situationen, die ihn sich befremdlich und scheußlich fühlen ließen. Er spielte mit Harkenias Körper. Besonders schwierig war es für ihn am Anfang. Zeruda zu mustern, zu sehen, was sie durchmachte, sie nicht trösten zu können, ihr nicht sofort gestehen zu können, wer er war. Und manchmal, an Tagen, wo es Zeruda besser ging, und er sie brüderlich berühren konnte, fühlte er mehr als ihm in jenem Körper erlaubt war. Wie sollte er auch nicht auf die Frau reagieren, mit der er mehr als nur einmal geschlafen hatte? Er hatte Zeruda oft genug verführt… sicherlich, das in ihm der Wunsch danach gierte, und gleichzeitig reagierte auch dieser Körper darauf, obwohl es frevelhaft war. Er schüttelte seinen blonden Kopf, als er in sein eigenes Zimmer, oder sollte man lieber sagen, das von Harkenia, eintrat. Er zündete einige Kerzen an, lehnte sich noch einmal an die Wand und ließ sich seufzend zu Boden sinken. Niemals hätte er geglaubt, dass ihm irgendjemand Zeruda wegnehmen würde. Er hatte zu einem Großteil nur für sie gekämpft. Alles, was er mit den Händen getan hatte, die nicht mehr lebten, alles, was er seinem Körper an Wunden zugemutet hatte, dem Körper, der nur noch eine staubige, verweste Hülle war, sollte alles das, nur eine Lüge gewesen sein? Wenn Zeruda die Antwort für seine Wiedererweckung nicht baldmöglich fand, würde er für immer in diesem Körper feststecken, auch wenn Harkenias Körper in Ordnung war, es war nun mal nicht sein eigener. Und wofür hatte er das alles getan? Er legte seinen Kopf auf seine Knie, fragte sich, ob seine Prinzessin ihm jemals für das verzeihen konnte, was er getan hatte. Er hatte ihre Liebe geopfert… für ein Land, das brutal und kalt war, das seine Völker immer wieder bestrafte. Alles nur für Hyrule… Er schluchzte, schämte sich elend für seine Taten. Er hatte in dem gesamten vergangenen Jahr mehr Tränen vergossen als ein Held nach ihm. Er hatte nicht nur seine Liebe für Zeruda hergegeben, er hatte sogar sein eigenes Kind opfern müssen. Es war für ihn deutlich sichtbar, warum sich Zeruda und er so um das Götterkind bemühten. Klein-Link war das Kind, das sie beide verloren hatten… „Ich bin so ein verdammter Verräter…“, murmelte er dann. Ein Feigling und Angsthase war er, weil er für die Rettung dieses Landes und für die Zukunft legendärer Heroen den ihm am wichtigsten Menschen belogen hatte. Und gleichzeitig fühlte er sich wie ein von niederen Trieben geplagtes Wesen. Frevelhaft und verflucht… Wie oft hatte er davon geträumt Zeruda noch einmal zu küssen, ihre weichen Lippen zu spüren, ihre samtige Haut zu berühren, mit ihr eins zu sein. Und das in dem Körper ihrer Bruders! Was war er nur für ein jämmerlicher, furchtbarer Mann geworden! Die Konfrontation mit seinem wahren Ich suchend, trat der starke Mann vor einen Standspiegel, der an der gegenüberliegenden Wand fußte. Spiegel gaben manchmal mehr preis, als derjenige wissen wollte, der hineinblickte. Und es waren nur Spiegel, die Harkenias wahres Gesicht zeigen konnten. Trübsinnig blickte er hinein, und konnte darin tatsächlich sich selbst erkennen. Er sah den Helden mit der wiesengrünen Tunika und mit der dunkelgrünen Mütze auf dem Kopf. Er konnte die unsauber geschnittenen dunkelblonden Haarsträhnen sehen und die mitternachtsblauen Augen, die aus seinem Gesicht hervor blitzten. Der Gedanke daran, dass sein wirklicher Körper verstaubt und von Würmern zerfressen war, den er nun so klar vor sich sehen konnte, gruselte ihn… was ihn aber gerade noch mehr erschreckte waren die Tränen in den Augen seines wahren Spiegelbildes. Der Held des Schicksals weinte… und er weinte bitter… Gerade da klopfte es zaghaft an seiner Tür. Er atmete tief durch, versuchte sich zusammenzureißen so wie er es die letzten Monate getan hatte, aber es war nun eine andere Situation, dass Zeruda, die Prinzessin, die nur ein Stockwerk über ihm wohnte, sein Geheimnis wusste. Es klopfte noch einmal, bis er nachfragte, wer vor der Tür stand. Und es war jemand, mit dem er nicht gerechnet hatte, zumindest nicht sofort. Mit Tränen in den Augen öffnete seine einstige Geliebte die quietschende Schlosstür. Erstarrt sah er in ihre warmen Augen, verstand nicht, wie es sein konnte, dass sie schon wieder die Auseinandersetzung mit ihm suchte. Sie schloss die Tür vorsichtig, lehnte sich dagegen und ließ die Augenlieder niedersinken. „Ich kann nicht allein bleiben, wenn ich weiß, dass Ihr hier seid…“, erklärte sie ruhebewahrend. „Und doch solltet Ihr wieder gehen…“, brachte er leise hervor und mied ihren Blick. „Aber ich kann nicht…“, murmelte sie und trat näher zu ihm. Sie berührte seine rechte Wange, spürte, dass da Tränen waren und versuchte in seinen dunkelblauen Augen ihren Heroen zu entdecken. „Verdammt, Zeruda. Bitte geht jetzt“, sprach er lauter. Und zwischen seinen Worten hörte sie die Verzweiflung. Sie wusste, dass er niemals aus niederen, egoistischen Motiven gehandelt hatte. Und was in diesem Zeitalter geschehen musste, was er bereit war zu tun, erforderte viel Stärke und Opferbereitschaft. Und sie spürte, wie sehr er gelitten hatte, auch wenn es ihr schwer fiel ihm für die letzten Monate zu verzeihen. Sie war nicht nur wütend auf ihn, vielleicht auch wütend auf sich selbst, dass sie ihn damals mit ihrem Medaillon der Mächtigen nicht hatte retten können. Und nun war es zu spät für alte Entscheidungen… zu spät für eine gemeinsame Zukunft… „Ich werde Euch nicht allein lassen…“, sprach sie stur. „Ich war so voller Wut, dass ich nicht gesehen habe, was mit uns geschehen ist, dass ich nicht sehen konnte, wie sehr Ihr gelitten habt. Ich kann trotz allem nicht ohne Euch sein…“ Sie schloss die Augen, aber blieb felsenfest, wo sie war. Sie konnte ihn nicht alleine lassen, nicht im Stich lassen, auch, wenn sie noch nicht bereit war ihm zu vergeben. „Zeruda…“, flüsterte er und trat mehrere Meter aus ihrer Reichweite. Allein ihre Aura zu spüren, ihren Geruch wahrzunehmen, forderte von ihm alle Willenskraft, die er noch hatte. Er ließ sich erschöpft an der Bettkante nieder und schloss seine Augen. Was erwartete sie nun von ihm? Dass er erneut alles erklärte? Er wollte nicht mehr an seine vielen Fehler denken, an die Grausamkeiten, die er zu verantworten hatte. Sie trat vor ihn, schritt so anmutig durch den Raum wie immer. Das war die Art und Weise, diese Eleganz und Reinheit, die ihn damals, als er sie das erste Mal traf, so unglaublich verzaubert hatte. Es hatte sein Herz berührt, ihn schwach werden lassen und es war Zerudas Anmut, in die er sich zuerst verliebt hatte. „Erinnert Ihr Euch an das Versprechen, das wir uns einst gaben… damals, als wir Jugendliche waren, als wir noch nicht ahnten, wohin Hyrule uns führen würde“, murmelte sie und nahm neben ihm auf dem knarrenden Himmelbett Platz. Tränen standen in ihren Augen, die im karminroten Abendlicht funkelten. „Wir versprachen einander auf den anderen zu achten, egal, welche Schmerzen und Grausamkeiten wir ertragen mussten. Wir versprachen einander zu beschützen, ganz gleich, welchen Weg der andere einschlagen würde…“, entgegnete Rinku mit beinah der starken, reinen Stimme, die er einst besaß. Die Prinzessin nickte. „Das war es einst… und nun, sagt mir, können wir dieses Versprechen denn immer noch aufrecht erhalten?“ „Ich habe daran geglaubt… bis zum Schluss…“, murmelte er und mied einmal mehr ihre Nähe. Er trat mit schweren Schritten zu dem Spiegel, erblickte sich selbst darin, auch wenn Zeruda lediglich ihren Bruder sehen würde. „Ihr seid Euch nicht mehr sicher, nicht wahr?“, murmelte er standhaft, bemüht einmal mehr das Gesicht aufzusetzen, dass er ein ganzes Jahr lang getragen hatte. „Ich weiß es nicht… Ich weiß nicht, ob ich Euch vergeben kann…“ „Ich kann mir ja nicht einmal selbst vergeben“, fiel er ihr ins Wort und ärgerte sich gleichzeitig darüber zu viel gesagt zu haben. „Zeruda… ich erwarte keine Vergebung, aber ich hoffe, Ihr könnt mein Handeln eines Tages verstehen… Wir tragen Verantwortung gegenüber der Zukunft und dem Schicksal. Unsere Bedürfnisse stehen zurück. Ist es nicht das, was auch Ihr immer gesagt habt?“ Sie nickte bloß, umarmte sich selbst und versuchte das zunehmende Kloßgefühl in ihrem Hals zu unterdrücken. „Mit unseren Bedürfnissen… meintet Ihr damit unser ungeborenes Kind…“, flüsterte sie dann, versuchte die Erinnerungen zu verdrängen, die bruchstückhaft an die Oberfläche krochen. Es war vor allem in der Nacht, dass sie von ihrer Fehlgeburt träumte, von dem Tag, als sie blutend zusammenbrach und sich von der alten Heilerin im Schloss nicht helfen lassen wollte. Der vermeintliche Rinku war an jenem Tag im Land unterwegs, hatte aber auch nicht mit ihr gesprochen, als er zurückkehrte und die Nachricht erfuhr. Nicht ein tröstendes Wort hatte er damals über seine Lippen gebracht. Stattdessen ließ er Zeruda mit ihrem Schmerz allein. „Vielleicht bin ich nicht wütend, weil Ihr diese Entscheidung getroffen habt, aber ich bin erschüttert, dass Ihr mich im Unklaren und mich in meiner Einsamkeit und Trauer allein gelassen habt“, sprach sie leise. „Habt Ihr jemals daran gedacht, dass dieses Kind Euer Kind gewesen ist!“, setzte sie lauter hinzu. In ihren Augen loderte einmal mehr ein Anflug schmerzlicher Wut. „Es war euer Kind…“, sprach sie. „Euer Kind…“ Tief einatmend und die Hände auf ihren Bauch drückend wand sie sich um ihre eigene Achse und krallte sich am Fenstersims fest. „Glaubt Ihr es war mir gleich?“ Sie biss sich auf die Lippe. „War es nicht so?“ Als sie diese Worte über ihre rosa Lippen gleiten ließ, verlor ihr vermeintlicher Bruder jegliche Farbe im Gesicht. So kahl wie eine Hauswand sah er aus und tapste schwerfällig zu seinem Bett. Er sackte noch einmal nieder, der Prinzessin den Rücken zugewandt. „So denkt Ihr von mir… nachdem ich alles geopfert habe, damit dieses Land eine Zukunft hat?“, flüsterte er. Kein Hauch von Ärger stach aus seinen Worten, es war nur Schmerz. „Wenn es das für euch ist, dann geht bitte.“ „Ich sagte vorhin bereits, ich kann nicht gehen, wenn ich weiß, dass Ihr hier seid.“ „Aber begreifen, was ich tun musste, wollt Ihr auch nicht!“ Er wand sich zu ihr, nun entmutigter als vorher. „Glaubt Ihr wahrlich, ich würde nicht darüber nachdenken, wie unser Kind ausgesehen hätte? Jeden Tag darüber nachdenken, wie es gewesen wäre, mein Kind in den Armen zu halten? Vertraut Ihr mir mittlerweile so wenig, dass Ihr mich derart verurteilt?“ Aufgeregt breitete er seine Arme auseinander, brach dann aber ab und sah betrübt zu Boden. „Es tut mir leid, Rinku… es tut mir leid…“, meinte sie leise, trat näher und legte ihm einmal mehr eine Hand auf seine rechte Wange. „Ich tat es für Hyrule… und für die Zukunft…“, murmelte er. „Für Hyrule…“, entgegnete sie. „Nur für das triforcetragende Land…“ „Und seine Völker…“ „Aber niemals für uns…“, beendete er, wollte sich abwenden, aber Zeruda hielt ihn fest. Ihre dunkelblauen Augen glitzerten, aber es stand keine Sehnsucht darin, nur die verebbte Wut und eine tiefe, beißende Traurigkeit. Er wollte ihr nicht so nah sein, aber er konnte dennoch nicht anders als eine Umarmung von ihr zuzulassen. Wie versteinert standen sie beide in den Gemächern, wo das purpurrote Licht der uralten Sonne Hyrule ins Zwielicht tauchte und verschwand… Etwa eine Stunde später suchte der vermeintliche Harkenia nach dem jungen Weltenwanderer, der scheinbar nirgendwo aufzufinden war. Erst in einer versteckten Seitengasse fand er ihn schlaftrunken. Er saß schnarchend auf einer Bank und schien entspannt und erholt zu sein. Er rüttelte ihn, worauf jener sein Vorbild mit schlafsandreichen Augen anstarrte. „Hey, bist du auch noch da?“ „Wo…“, brabbelte Klein-Link und sah sich dann irritiert um. „Wo bin ich eigentlich?“ „Du bist in der Nordstadt und hast aus irgendwelchen Gründen ein Nickerchen gehalten, Götterkind.“ Rinku grinste breiter als er es jemals getan hatte und half dem Jungen auf die Beine. „Mann, ich komme mir vor, als hätte ich eins übergebraten bekommen“, sprach der Junge und versuchte sich zu erinnern, was er in den letzten Minuten gemacht hatte und warum er auf einer Parkbank eingeschlafen war. Wie vom Blitz getroffen blickte er auf. „Aber ja, da war diese Tanzgruppe und dieses Mädchen.“ „Ein Mädchen?“ „Ja, eine ganz seltsame Hylianerin mit schwarzem Haar. Sie hat getanzt und irgendwann habe ich mitgemacht.“ Harkenia grinste in dem Moment sogar noch breiter als vorher. „Sieh‘ einer an, aus dir wird wohl ein waschechter Weiberheld, wenn du dich jetzt schon für Mädchen interessierst.“ Er lachte dann laut auf. „So ist das nicht“, rechtfertigte sich der Junge und unter seinen himmelblauen Augen zeigte sich eine verräterische Röte. „Sie hat mich nicht interessiert, nur war sie irgendwie unheimlich.“ „Oh ja, Mädchen sind in deinem Alter immer unheimlich, was?“ Klein-Link grunzte und brach ab. Rinku hatte doch sowieso das letzte Wort. Mit verschränkten Armen stapfte der Junge hinter dem heimlichen Heroen hinterher. „Konntest du mit Zeruda sprechen?“ Harkenias Miene verfinsterte sich ein wenig. „Ja, etwas… auch wenn wir wohl noch lange brauchen um wieder so etwas wie Vertrauen zu fassen“, dachte er. „Es wird schon… irgendwie…“, setzte er hinzu. Klein-Link musterte ihn sehr genau, konnte seine gläsernen Augen sehen und versuchte sich ein wenig vorzustellen, wie es sein musste, eine Sehnsucht, eine Hoffnung und vielleicht den ganzen Lebenssinn zu verlieren. Rinku hatte gerade das erfahren… er hatte das größte und schönste Gefühl in seinem Herzen opfern müssen. „Jedenfalls hat mir Zeruda einige Dinge erklärt, was Navis Verschwinden angeht. Sie sagte, sie würde den Zugang in das Reich der Unsterblichen öffnen, allerdings musst du diese Mission tatsächlich alleine bewältigen.“ „Ich schaffe das“, sagte Klein-Link voller Stolz. Er hatte einen riesigen Wüstenwurm niedergestreckt, dann schaffte er es auch seine Feenbegleiterin aus ihrer misslichen Lage zu befreien, egal wie… „Wenn dies getan ist, so sagte sie, würde sie zum Tempel der Zeit reisen, um dort ihre Antwort zu suchen.“ Klein-Link nickte bestätigend. Es war für ihn keine Überraschung, dass jener geheiligte Ort wieder eine bedeutende Rolle einnahm. „Wir treffen uns morgen Mittag nahe meinem Grab. Nicht weit entfernt ist eine heilige Stätte, von wo aus Zeruda den Pfad öffnen wird. Mach‘ dich bereit für morgen.“ „Das werde ich“, entgegnete der Junge mit Ehrgeiz und Tatendrang. Die Zeit für eine weitere Prüfung war gekommen. Kapitel 147: Ein vergessenes Schicksal… Teil 5 ---------------------------------------------- Über leuchtende, saftige Gräser, Böschungen hinab, durch verwinkelte Wälder mit knorrigen, sturen Bäumen, über alte Straßen aus Stein bis hin zu reißenden Fluten und glitzernden, salzigen Seen wehten erfrischende Winde durch die Provinzen des majestätischen Landes. Drei Reiter folgten den rufenden Winden, die sie zu neuen Aufgaben und Taten führen sollten. Klänge aus einer anderen Zeit. Rufe magischer Stimmen, die verheißungsvoll den vor ihnen liegenden Weg beschrieben. Sie waren unterwegs nicht weit entfernt von Hyrules blühender Nordstadt, waren sehr früh aufgebrochen um den Ort ihrer Bestimmung zu erreichen. Denn dort, wenige hylianische Meilen weiter, ruhte, so alt und andächtig wie das Leben selbst, auf heiligem, moosigen Grund eine vergessene Stätte, die an Herrlichkeit und Beschaulichkeit den schönsten Geschöpfen Hyrules in Nichts nachstand. Die drei Gestalten, jeder auf einem prachtvollen Ross reitend, blickten mit wachen Augen umher, entdeckten inmitten von uralten, hochgewachsenen Bäumen mit dünnen Stämmen und riesigem, regenschirmartigem Blätterdächern ein Gebäude, was vielleicht von göttlicher Hand erschaffen Jahrhunderte überstanden hatte. Über eine tiefe Schlucht führte eine steinerne Brücke zu jenem Palast, der Klein-Links himmelblaue Augen zum Leuchten brachte. An die steinerne Brücke schlossen sich hohe, schmale Säulen an, die teilweise mit Glas geschmückt waren. Selbst das Pflastergestein war mit festem, pastellfarbenem Kristall durchwachsen. Und wenn man weiterblickte, neugierige Augen die Verzauberung von jenem Ort noch weiter einfingen, so entdeckte man ein rundes Gebäude aus farbigem, dunklem, aber auch durchsichtigen Glas, das von den eigenartigen, dünnstämmigen Bäumen und ihren gewaltigen Blätterdächern geschützt und beinah verborgen wurde. Das Licht spiegelte sich in dem Gestein. Licht und Schatten tanzten auf geheimnisvollen Wegen über das in vielen Farben erstrahlende, robuste Glasbauwerk. Der gläserne Tempel, nicht besonders groß, lud die Reisenden ein und würde den Zielort des jungen Heroen in die Welt der Unsterblichen und Götter darstellen. Seine saphirblauen Augen funkelten, als er sich diesen magischen Ort in sein Gedächtnis einprägte… „Wo sind wir?“, murmelte der Junge erstaunt und ritt geschwind über die tiefe Schlucht. „Das ist der Glaspalast, ein Ort, an dem Auserwählte einen Zugang zu dem Volk der vergessenen Götter Hyrules finden können“, erklärte Zeruda, die dicht hinter Klein-Link mit ihrem treuen Ross anschloss. Sie trug eine dunkle Rüstung mit schwarz bemaltem Stahl. Ein rostroter Lederrock bedeckte ihre mit metallenen Beinschonern geschützten Beine bis zu den Knien. Und ein weißer Umhang fiel elegant an ihrem Rücken hinab. Durch das Kämpferkostüm, ihre langen pechschwarzen Haare und die leuchtend grünen Augen war die Prinzessin einmal mehr nicht wiederzuerkennen. Sie schien ihren dritten Mitstreiter, den verborgenen Rinku, mit keinem Blick zu würdigen. Der scheinbare Monarch Harkenia ritt schweigsam hinter ihnen her und schien ohnehin eher widerwillig mitgekommen zu sein. Seine dunkelblauen Augen waren ständig zu Boden gerichtet. Seine Mimik eiskalt und niedergeschlagen. Teilnahmslos galoppierte er auf einem königlichen Schimmel an den anderen beiden vorbei, sprang von seinem Pferd und band jenes an einem der uralten Bäume fest. Seufzend nahm er auf einem Baumstamm Platz und schien Zeruda und das Götterkind nicht weiter begleiten zu wollen. „Es gibt eine Pforte am Glaspalast. Hier kann ich den Zugang zu den Unsterblichen für dich öffnen. Mehr kann ich nicht für dich tun“, erklärte die Prinzessin streng. Sie sprang ebenfalls von ihrem Pferd. Ihr dunkles, gewelltes Haar flatterte im Wind und der weiße Umhang fiel geschwind zurück. Sie wischte sich einige Strähnen ihres dunklen Haares aus dem Gesicht. „Harkenia… nein Rinku, wird gemeinsam mit mir hier draußen auf dich warten“, murmelte sie ungerührt vor sich hin. Sie scheute sich ihrem einstigen Heroen ins Gesicht zu blicken. „Geh‘ und blicke nicht zurück!“ Und einmal mehr erteilte diese Adlige ihre Befehle. Anmutig schritt sie vorwärts. Die Waffen an ihrem Körper klapperten. Graziös baute sie sich vor der milchig glasigen Eingangspforte auf. Das alte Wappen von Hyrules Königsfamilie war auf dem Glas eingraviert. Es leuchtete in einem blendenden, strahlenden Weiß auf, als Zeruda näher trat. Und das sonst so robuste, verzauberte Glas wich wie von Geisterhand und zurückblieb ein dünner Schleier, durch den man leicht hindurch treten konnte. „Durchquerst du diese Pforte, bist du völlig auf dich alleine gestellt. Erfülle die Prüfungen mit Bedacht, erst dann wird sich dir ein neuer Weg öffnen. Und sei tapfer, auch wenn dir einer der Unsterblichen begegnen sollte…“ Klein-Link blickte tatsächlich nicht zurück und trat mutig und mit gezücktem Schwert vorwärts. Bei all den offenen Fragen seiner Existenz und bei all den verwirrenden Ereignissen der letzten Tage, stand eine Sache für ihn immer mehr fest. Er musste diese Mission irgendwie bewältigen und die Aufgaben lösen, die daran geknüpft waren. Ohne diese Aufgaben und die vielleicht auch düsteren Gefühle in deren Verlauf, würde er niemals ein vollwertiger Hylianer werden und wäre ohne dies alles vielleicht nicht würdig, der Sohn von Link und Zelda zu sein… Als er die Pforte durchquert hatte, konnte man sein Antlitz von außerhalb nicht entdecken, und das, obwohl der Tempel doch aus Glas bestand, und neugierige Augen versuchen könnten in den Innenraum zu blicken. Zeruda vermutete, dass der Tempel diese und eine andere Realität bereits am Eingang trennte. Und sie wusste, dass es Realitäten gab, die Klein-Link nicht so einfach durchqueren konnte. Es würde Welten geben, die er mit seinem mutigen Herzen erst retten und aufbauen musste, ehe er dort seine Mission vervollständigen konnte… Nostalgisch blickte die erste Prinzessin der Hylianer von den Lichtspielen und dem Funkeln der Kristalle jenes Bauwerkes hinauf an das Himmelszelt. Die weißen Strähnen Wolkensubstanz, durchzogen von blauen Farbbändern, wurden aufgewirbelt von den rufenden Winden jenes Zeitalters… und der nächste Sturm, der Hyrule erreichen würde, ließ nicht lange auf sich warten. Gerade da trat der verschleierte Rinku sachte durch das Gras und über die mit Kristallen gepflasterte Straße zu Zeruda hinüber. Sie neigte ihren Kopf seitwärts, spürend, dass er sich näherte. Sie strich sich durch das lange dunkle Haar und schloss ihre Augen, als er seine Hände auf ihre Schultern legte. „Habt Ihr es dem Weltenwanderer bereits berichtet?“, fragte er leise, bemüht sein Gesicht vor der Prinzessin zu wahren, und nicht danach zu fragen, wie es ihr im Augenblick ging. Er wusste doch, dass sie litt, er wollte sie nicht noch mehr belasten als bisher. „Nein“, sprach sie leise, legte eine Hand ebenfalls auf ihre Schulter, sodass sie seine linke Hand streicheln konnte. Dann wand sie sich zu ihm, verschränkte die Arme und blickte an ihm vorüber. „Alles zu seiner Zeit… Ich habe ihm bereits genügend grausame Dinge berichtet, mehr kann sein Herz jetzt nicht aufnehmen. Und vielleicht können wir ihm Harm und Unsicherheit ersparen, wenn wir ihm gewisse Dinge nicht erklären“, entgegnete sie. Doch Rinku widersprach: „Zeruda, wir müssen ihn darauf vorbereiten. Es wird ihn zerbrechen, wenn er sich nicht vorher damit auseinandersetzen kann. Er muss sich für seine Zukunft opfern!“ „Denkt Ihr, das macht irgendetwas für ihn einfacher?“, murrte sie stur und trat zu ihrem Pferd und streichelte dessen silbern schillernde Mähne. Sie war etwas aufgebracht, dass Rinku danach fragte. Er sollte sich lieber seiner Selbst schämen, anstatt zu entscheiden, was dem Götterkind gut tat und was nicht. „Lasst nicht andere für meine Fehler büßen, Zeruda…“, murmelte er schließlich, worauf die Prinzessin von ihrem Pferd abließ, die Augen schloss und die Fäuste ballte. Dieser Satz sagte wahrlich genug. Sie lachte gekünstelt, als sie sich umdrehte, und schüttelte ihren hübschen Schädel. „Ihr seid wahrlich nicht mehr der Heroe, den ich kannte. Rinku hätte niemals gemutmaßt in derartigen wichtigen Entscheidungen diese Rolle einzunehmen. Ihr glaubt tatsächlich, ich wäre verblendet vor Liebeskummer und Herzschmerz und würde mit meiner Verbitterung verwirrte Vorhersagen machen…“ Er seufzte schwach und blickte betreten zu Boden. „Ist dem so?“, meinte er. Zerudas wahre Gestalt kam für wenige Augenblicke zum Vorschein, vielleicht weil sie ihre Gefühle nicht unter Kontrolle hatte. Und Rinku hatte damit etwas herausgefordert. „Wenn Ihr Eure Magie nicht kontrollieren könnt, Ihr Eure Gefühle nicht im Griff habt, wie wollt Ihr entscheiden, was für den Jungen am besten ist“, sprach der Heroe klar und entschieden. Mit einem ernsten Blick trat er näher, etwas einschüchternd und ohne jeglichen Hauch von Zweifel. Er kannte Zeruda nun mal… und er wusste, was mit ihr los war. „Ihr seid ebenfalls nicht mehr dieselbe. Gönnt Eurem Herzen die Ruhe und die Gefühle, die es braucht. Bitte, Zeruda, ich nehme die Schuld für das, was geschehen ist auf mich, aber bitte, lasst nicht Unbeteiligte dafür büßen.“ Sie schloss ihre Augen um sich die salzigen, brennenden Tränen auf diese Worte zu verkneifen. Und sie zitterte bei dem Versuch ihre Kriegerinnenmaskerade wieder aufzubauen. „Geht“, war das letzte Wort aus ihrem Mund. Und es war das einzige, was sie von ihm verlangen konnte. Er nickte fahl, aber wissend, dass sie die Auseinandersetzung mit ihm nicht länger ertrug. Er wusste nicht, welche Entscheidungen gefällt werden mussten. Er wusste nicht, welchen Weg das Schicksal für das Götterkind geplant hatte. Vielleicht, so hoffte er, wendete sich für den Jungen, auch wenn Zeruda seinen Pfad noch entscheidend beeinflussen würde, alles zum Guten. Trübsinnig sprang Rinku auf sein Ross, entfernte sich und ritt so geschwind, dass Zeruda nicht die Gelegenheit hatte ihm nachzublicken… Währenddessen öffnete der Junge, der keinem Gedanken an eine vielleicht grausame Zukunft verschwendete, seine himmelblauen, glänzenden Augen. Er stand auf seinen schmalen, untrainierten Beinen in einer Finsternis, die jegliches Licht verschluckte. Er hielt noch immer tapfer und sich verteidigend das Schwert in der Linken. Seine Atmung ging ein wenig schneller. Auf seiner braungebrannten Stirn tanzten Schweißperlen. Er wusste nur, dass er durch die Pforte des Glaspalastes getreten war, aber dann hatte sich sein Bewusstsein aus irgendeinem Grund abgeschaltet. Bemüht ruhig zu bleiben, versuchte er sich zu orientieren, etwas zu sehen, aber seine Augen brannten bitterlich bei dem Versuch. War dies seine erste Prüfung? Etwas unsicher, aber hoffnungsvoll, trat er einen Schritt vorwärts, spürte sogleich, dass nach dem Plateau, auf dem er stand, kein fester Boden mehr folgte. Er brüllte und kreischte bei dem Vorhaben sein Gleichgewicht wieder zu fangen, hing dann in jener Finsternis an der Kante und zog sich mit Leibeskräften und einem ersten Schockgefühl zurück auf festen Boden. Keuchend saß er nun da, hatte Angst vor jeder Bewegung, die er machte. Er wusste ja schließlich nicht, wie tief der Abgrund vor ihm war. ,Wie unsinnig‘, dachte er. Vor wenigen Wochen hätte so ein Abgrund ihm keinerlei Probleme bereitet. Er hätte sich einfach tragen lassen, hätte mit den Fähigkeiten gespielt, die er damals von den Göttern bekommen hatte. Es nervte ihn etwas, dass er diese Fähigkeiten verloren hatte oder vielleicht erst wieder lernen musste. ,Okay‘, dachte er sich. Er musste sich irgendetwas einfallen lassen und versuchte zunächst in der gebückten Haltung mit seinen Händen seine Umgebung zu ertasten. Bemüht ruhig zu bleiben, wanderten seine Hände von dem scharfkantigen Gestein weiter über den Abgrund, griffen soweit in den scheinbar luftleeren Raum wie es nur ging, bis sie an etwas stießen. Es fühlte sich irgendwie weich an, fast wie Stoff und irgendwie… lebendig. Klein-Link grunzte etwas, fühlte dann so etwas wie Stahl, eine beinah glatte Oberfläche mit leichten Einbuchtungen. „Bist du endlich fertig damit?“, raunte dann eine beherrschte, erschreckend tiefe, beinah hohl klingende Stimme, die den Jungen so sehr aus dem Konzept brachte, dass er hintenüber fiel. Er wich tölpelhaft weiter und purzelte dann ein weiteres Mal über die Kante, wurde aber im selben Augenblick von einer unglaublich starken und kalten Hand an seinem Oberarm gepackt und saß wieder auf dem Plateau. Gerade da wurde der geheimnisvolle Raum von mehreren Fackeln an den Wänden erhellt und der Junge staunte nicht schlecht, dass er vor sich ein paar muskelbepackte Beine in einer schwarzen Strumpfhose hatte und Beinschoner aus mit hellblauer Farbe bemaltem Stahl. Mit aufgerissenen Augen schielte er nach oben, bewunderte eine helle, fast weiße Tunika und eine sicherlich schwere, blankpolierte Rüstung an einem erwachsenen Mann. Ein goldener Mond und ein goldenes Dreieck waren auf je einer Brusthälfte der silbergrauen Stahlrüstung aufgemalt. Das Götterkind zwinkerte aufgeregt, als er sich das Gesicht seines Gegenübers betrachtete und hatte das Gefühl, sein Herz wollte dabei stehen bleiben. In einem blassen, fast weißen, mit roten und blauen Narben übersätem Gesicht mit scharfen Zügen, hohen Wangenknochen hingen helle, dünne Haarsträhnen. Ein gefasster, eisiger Blick aus Augen, weiß wie Schnee, in denen kein Leben stand, prallte ihm entgegen. Und das, was ihn an jenem Mann noch mehr erschreckte, war eine lange hellblaue, fast weiße Zipfelmütze auf dem Kopf und dass jener Mann mit Leichtigkeit in der Luft schwebte. „Eindringling, der es wagt, den Weg in unser Reich zu passieren. Was willst du hier?“, ertönte es von Seiten der Gestalt, die ihre weißen Augen mitleidlos und bedrohlich auf den Jungen hinab sinken ließ. Klein-Link hatte noch nie eine so tiefe Stimme gehört und irgendwie beschlich ihn das Gefühl, das jede Antwort, die er über seine Lippen brachte, die falsche wäre. Nervös blickte er sich um und realisierte, dass er bei einem unbedachten Schritt tatsächlich in eine unendlich scheinende Tiefe gestürzt wäre. Das riesige teilweise gläserne Höhlengewölbe vor seinen himmelblauen Augen konnte er nur über Pfähle mit kleiner Fläche, wo gerade mal ein Fuß Platz fand, überqueren. Und zum Passieren des Abgrundes würde der Junge an die dreißig Stück der Holzpfeiler überwinden müssen, ehe er auf einem weiteren, sicheren Plateau einen Ausgang fand. „Was willst du hier?“, grunzte es markerschütternd. Es reichte der einfrierende Klang jener Stimme, dass Herzen bluteten. Allein diese Stimme wirkte auf den blonden Jungen so einschüchternd, dass ihm die Worte in der Kehle stecken blieben. „Antworte!“, raunte es noch einmal mit genau dem gleichen grausamen Ton. Aber einmal mehr schluckte das Götterkind und spürte seine Kehle sich zuschnüren. Sein Gegenüber missbilligte jenes Verhalten und empfand es als mager und töricht. Denn ohne Barmherzigkeit packte er den Jungen am Kragen und hob ihn in die Luft als wäre er eine leichte Stoffpuppe. Klein-Link brüllte nun endlich und zappelte wie wildgeworden. Der Zugriff dieses scheinbaren Untoten schmerzte höllisch. Gerade da bemerkte die Gestalt das heilige Medaillon um den Hals des Jünglings, worauf er ihn wieder los ließ. „Soso… du forderst Eintritt in unser Reich der Unsterblichen als einer der Helden Hyrules“, sprach der Mann, grunzte mittlerweile gehässig, stützte sich auf ein riesiges Schwert, welches zwei ineinander verschlungene Klingen besaß. Er lachte mit seiner tiefen Stimme so laut, dass Gestein bröselte. Das Gelächter mit jener wahnsinnigen, kalten Stimme war noch schlimmer als der Blick in jene nebulösen, verachtenden Augen. Das Götterkind hockte nur verängstigt auf dem Plateau und hatte den Wunsch weinen zu wollen. Was immer dieser Kerl von ihm wollte, er war ihm vielleicht nicht wohlgesonnen. Er konnte zwar einen riesigen Wurm niederringen, aber wie sollte er gegen einen Unsterblichen im Kampf bestehen. Einen Kämpfer, der sicherlich mehr Macht besaß, als viele Heroen zusammen? Und vielleicht war das, was Klein-Link gleich tun würde noch törichter als seine Unfähigkeit sich gegenüber diesem Mann mit Worten zu behaupten. Zitternd zog der Jüngling sein Schwert und hielt es bemüht tapfer zu sein vor sich. Doch diese Handlung animierte den Unsterblichen sich noch mehr zu amüsieren. Er steckte sein Schwert zurück in dessen riesig wirkende Schwertscheide und lachte kollernd. „Du bescherst mir damit den besten Brüller seit Jahrhunderten“, scherzte der Unsterbliche. „Ich kenne keinen, der es wagt, sich mir entgegenzustellen.“ Und der Mann wischte sich etwas eitel und narzisstisch sein weißes Haar aus dem Gesicht. Nicht eine Miene verzog sich in seinem blassen Gesicht. „Das ist kein Scherz, wenn es sein muss, trete ich gegen dich an!“, murrte das Götterkind und umfasste das Schwert noch energischer, sodass das Lederheft knirschte. „Du bist so lächerlich übermütig, dass ich dich kaum ernst nehmen kann“, murrte die Gestalt und ließ die Schultern kurbeln. „Wie lange glaubst du, würdest du durchhalten, bis ich dir die Kehle durchgeschnitten, deine Glieder von deinem restlichen Körper getrennt und deine Seele gefoltert hätte?“ Klein-Link schluckte und kniff verzweifelt seine himmelblauen Augen zusammen. Wie sollte er aus dieser Situation denn noch entkommen? Dieser Mann ihm gegenüber schien es ernst zu meinen, oder nicht? Der Junge hatte seine Augen nur für Sekunden geschlossen und doch war der Fremdling in diesen wenigen Augenblicken aus seinem Gesichtsfeld verschwunden. Klein-Link wollte seinen Schädel gerade nach hinten drehen, als er eine feste Hand auf seiner Schulter spürte. Er wusste nicht, was diese Hand bewirkte, aber er konnte sich nicht einmal mehr rühren. „Es wären keine drei Sekunden, und nicht einmal ein Hieb deines Schwertes, bevor ich dich mit einer einzigen Berührung getötet hätte“, zischte diese tiefe Stimme hinter ihm. „Du bist erbärmlich schwach, so wie Menschen immer sind. Was erlaubst du dir hier einzutreten und es zu wagen mich herauszufordern?“ Klein-Link trat der Schweiß auf die Stirn bei dem Versuch sich ein paar Millimeter zu bewegen, aber der Bann dieses Unsterblichen war einfach zu stark. „Oh ja… es ist unglaublich erheiternd für einen wie mich zu sehen, dass sich ein Held Hyrules wagt diese Gefilde zu betreten. Wenn du einer der Heroen bist, was suchst du hier!?“ Er fauchte und es wirkte, als verlor jene Gestalt endgültig die Lust sich mit einem für seine Begriffe unreifen Menschenkind zu unterhalten. „Antworte, Bengel!“ Klein-Link kniff verzweifelt seine Augen zusammen, biss sich auf die Lippe und kämpfte mit kleineren Bewegungen immer weiter gegen den Bann jenes Dämons, der mit ihm spielte. Und es war dann, dass er zur Überraschung seines Angreifers die Fäuste ballen konnte. Als Klein-Link endlich brüllte, so laut brüllte wie noch nie in seinem Leben, riss der Faden, das Medaillon glühte in grünen Farben auf und teleportierte ihn über die Schlucht auf das weit entfernte weitere Plateau. „Sieh‘ einer an. Es scheint, als könntest du nur mit einer ordentlichen Portion Druck und Todesangst göttliche Fähigkeiten nutzen. Du bist ein erbärmlicher Wurm, der für den Wunsch nach Menschlichkeit die göttlichen Essenzen in sich verdrängt hat.“ Der Junge sackte auf seine Knie und staunte nicht schlecht. Was, bei Farore, hatte er gerade getan? Das Gefasel dieses Unsterblichen interessierte ihn im Augenblick weniger. Wirklich wichtig war die Tatsache, dass er durchaus in der Lage war irgendwelche Fähigkeiten einzusetzen. Wenn dem so war, dann würde er vor diesem Monster auch fliehen können! „Soso, du glaubst, du solltest vor mir weglaufen?“, sprach der Mann frostig. „Weglaufen kannst du gut, was?“ Herausgefordert drehte Klein-Link seinen Schädel in die Richtung seines Angreifers, und musterte diesen fahl. „Was soll das heißen?“, rief er. „Du kennst mich nicht, das einzige, was du kannst, ist mir drohen und mich beleidigen!“ Unbeeindruckt schwebte die Gestalt näher und trat zu dem Götterkind auf das Plateau. „Es hat ja lange gebraucht, ehe du deinen Mann stehst und dich teleportierst. Ich frage mich, ob sich einige der Unsterblichen in dir getäuscht haben. Ich sehe keinen Helden vor mir, ich sehe ein ängstliches, dummes Kind.“ Irritiert blickte Klein-Link auf. „Einige Unsterbliche beobachten mich?“ „Tja... sieh‘ es wie du willst.“ Und dann packte der Mann ihn mit einer sehr unsanften Art und Weise an seinem linken Arm. Klein-Link brüllte unter dem Zugriff und begann um sich zu schlagen. Aber das beeindruckte den Unsterblichen nicht im Geringsten. Hastig rupfte er den weißen Ärmel nach oben und schien die kindliche Haut seines Unterarmes zu mustern. Das Götterkind blinzelte, sah von der verstörten Miene des scheinbaren Dämons zu seinem linken Arm und erschrak ein wenig. Sein gesamter Arm war übersät mit nagelkopfgroßen, blauen Flecken. Erst als der Mann mit seinen Fingerspitzen darüber fuhr, spürte der Junge einen fiesen Schmerz. „Was ist das?“, brüllte er angewidert, riss sich aus dem Zugriff und ekelte sich vor seiner eigenen Haut. Aber der Dämon verzog nicht eine Miene in seinem blassen Gesicht. Auch seine weißen Augen zeigten keine Regung. Kühl entgegnete er: „Du solltest besser aufpassen, mit wem du tanzt.“ „Mit wem ich tanze?“ „Mein Name ist Itrey Defice“, entgegnete der Mann abtuend, packte den Jungen an seinem anderen Arm und schleifte ihn hinter sich her. „Der Glaspalast ist der Zugang zum Reich im Nebel. Du hast jenen passiert, aber das Ufer der Gefallenen wirst du ohne mich nicht erreichen können. Ich werde dich über das Nebelgewand bringen, dass du deine Freundin finden kannst. Das bedeutet nicht, dass ich dich an diesem Ort dulde. Du wirst drei Aufgaben lösen müssen!“ Klein-Link war angesichts der letzten Ereignisse ein wenig durcheinander, fragte sich, ob er diesem Mann tatsächlich trauen sollte. Aber hatte er denn eine Wahl? Es dauerte nicht lange und sie saßen beide in einem einfachen Boot, das sich von selbst durch eine dicke Suppe Nebel steuerte. Mehr konnte der Junge von hier aus nicht erblicken. Er fragte sich, ob der Nebel etwas vor seinen Augen versteckte, oder ob in diesem Nebellabyrinth tatsächlich nichts vorhanden war. Dann begutachtete er seinen Arm und wusste nicht, was er von diesen Flecken halten sollte. Sie waren ihm doch gestern noch nicht aufgefallen… „Bist du endlich fertig, deine schwächliche Menschenhaut zu bewundern?“, riss der Mann ihn aus den Gedanken. Beinah gelassen, aber mit weiterhin bleicher, todernster Miene saß der Unsterbliche dem Jungen gegenüber. Allmählich machte ihn die Art und Weise, wie dieser Kerl ihn zurechtstutzte ärgerlich. Es war ja schön und gut, dass dieser Narzisst ihn über diese Nebelsuppe bringen würde, aber musste er sich deshalb mit ihm unterhalten? „Ich habe keine schwächliche Menschenhaut, meine sieht wenigstens noch wie Haut aus nicht wie deine verkalkte“, murrte Klein-Link und versuchte seine Feigheit vor diesem Kerl zu verbergen. Daraufhin entspannten sich die Gesichtsmuskeln des Mannes, ihn kümmerte Klein-Links Gehässigkeit nicht und er knackte einmal mehr mit seinen Schultern. Er zog sein Schwert und streichelte dieses. Etwas dümmlich dreinblickend und äußerst irritiert sah der Junge dem komischen Verhalten des Mannes zu. Es würde ihn nicht wundern, wenn er sein Schwert schärfte, oder damit kämpfte, aber dass er jenes so innig liebte, dass er es streichelte, fand der Junge verrückt. „Kannst du mir sagen, woher ich diese Punkte auf der Haut habe?“ Und der Mann knackte wieder mit seinen Schultern, als er diese kurbelte. „Das könnte ich“, erwiderte er tonlos. „Aber erstens habe ich keine Lust dir das zu erklären, und zweitens wirst du es ohnehin irgendwann herausfinden.“ „Was ich überhaupt gefragt habe“, grummelte der Junge und blickte verstört zu, wie aus den abgenutzten Fingerkuppen des Unsterblichen ein weißes Licht sprudelte und in den lilafarbenen Stahl des Schwertes überging. „Ich sage dir nur das eine. Diese Flecken sind keine harmlose Geschichte. Und du kannst froh sein, dass etwas in dir verborgen ist, das dich schützt. Es gibt meines Wissens nach drei Leute, die ein reges Interesse an dir haben. Und nur eine von diesen dreien ist dir wohl gesonnen. “ Klein-Link wäre auf diese Aussage beinah aus dem Boot geplumpst. „Drei Leute? Meinst du damit einerseits Mineranth, den riesigen Kerl, der Lia in der vorigen Mission beinah getötet hätte?“ Der Mann streichelte wieder seine Klinge und nickte wortlos. Das Götterkind aber versuchte aus dem Ganzen schlau zu werden. Drei Leute? Er war nur Mineranth begegnet, der etwas von ihm verlangt hatte, der ihn sogar auf seine Seite ziehen wollte. Wer war da denn noch? War Navi eine von den dreien? „Was ist mit Navi?“ „Navi ist nur eine alte Fee in einem kindlichen Körper, die sich allmählich mit ihrer letzten Aufgabe auseinandersetzen muss. Sie führt ein Leben, das ihr die Götter nicht erlaubt haben. Und die Götter dulden ihre Anwesenheit in diesen Gefilden nicht. Sie hat nichts mit den dreien zu tun, die dich auf ihre Seite ziehen wollen.“ Klein-Link zwinkerte mit seinen himmelblauen Augen und fragte sich, was dies bedeuten mochte. „Bei Farore, warum ist das alles so kompliziert…“, murmelte der Junge und lehnte sich etwas zurück. „Es wird noch wesentlich komplizierter“, erklärte Itrey Defice. Genervt legte das Götterkind sein Gesicht auf die Arme und schielte müde zu seinem Gegenüber. „Es gibt einige Ereignisse während deiner bisherigen Weltenreisen, die dich veränderten. Es steckt noch ein Gift in dir, was erst in einer anderen Welt neutralisiert werden kann. Und es wird Welten geben, in denen du alleine bist. Deine Fähigkeiten sind weg, weil du mit dieser Mission Menschlichkeit gewählt hast, aber auch weil du ängstlich und unsicher geworden ist…“, sprach der Unsterbliche mit seiner tiefen Stimme und wischte sich sein dürres Haar von der Stirn. Diese Worte machten den jungen Kämpfer nachdenklich. Er hatte seine Fähigkeiten verloren, weil er unsicher und ängstlich geworden war? Hieß das, dass er viele Dinge nicht beherrschte, weil er ein Feigling war, oder er sein Selbstvertrauen verloren hatte? Seine schweren Gedanken führten ihn zurück zu seinen Anfängen, zu jenen Tagen, als er seine Augen geöffnet hatte, als er sein Bewusstsein entdeckte. Und es war vielleicht das erste Mal, dass der Junge darüber so gebannt nachdachte. Er erzählte, als sich seine Augen schlossen: „Früher, als ich noch nicht diesen Wunsch nach einem Heim oder nach Eltern in mir trug, damals genoss ich es einfach nur zu spielen, zu schweben, ich habe alles intuitiv angepackt und vieles ist deswegen ganz gelassen abgelaufen. Es war fast so, als würde mir alles zufliegen, als besaß ich Wissen und Tapferkeit, als wäre alles ganz berechenbar gewesen. Das war bis zu dem Zeitpunkt, dass ich die beiden schönsten Seelen Hyrules kennenlernte.“ Er hatte Zelda und Link auf der Erde oft beobachtet, manchmal hatte er der liebreizenden Prinzessin eine weiße Blume geschenkt. Und er konnte auch Link zuschauen und beeinflussen. Als sich die Fäden des Schicksals zusammenzogen, spürte er, dass sich auch in seinem Innenleben etwas veränderte oder verschwand. Er wollte damals alles austesten, um sich menschlich zu fühlen. Er hatte sogar Ganondorf in der alten Kirche besucht. Nun aber, seit er diese Mission gewählt hatte und ihm seine Fähigkeiten verlustig gegangen waren, hatte er das Gefühl, diese Mission wurde ihm zu viel. Manchmal wusste er nicht mehr, wer er war. Manchmal fragte er sich, ob er schwächlich und feige war. Und manchmal dachte er, etwas stimmte nicht mit ihm. Er fühlte sich oftmals wie ein dummes Kind, andererseits hatte er das Gefühl, dass er nichts mit anderen Kindern gemein hatte… „Ich will mich nicht beschweren, aber es ist einfach verdammt hart…“, sprach er mit seiner hohen Kinderstimme. Es war hart, wenn man kein Gott mehr war, und sich alles erarbeiten und erkämpfen musste und auf die Hilfe anderer angewiesen war… Seine Gelassenheit, seine frechen Züge und sein großes Mundwerk, das er hatte, schienen mit seinem Selbstbewusstsein untergegangen zu sein. „Alle erwarten so viel von mir… Manchmal weiß ich einfach nicht mehr, wer ich bin. Ich bin mir ja nicht einmal sicher, ob ich das überhaupt jemals wusste.“ Etwas erschrocken sah der Junge dann auf und biss sich auf die Lippe. Warum hatte er diesem unsympathischen Mann jetzt eigentlich seine ganze Lebensgeschichte erzählt? Itrey Defice schien von den Worten des Bengels unbeeindruckt und erhob sich lediglich. Er führte seine schwere Klinge zurück in dessen Umhüllung, als plötzlich das Boot mit einem Knacken auf festen Grund stieß. „Wir sind am Ufer der Vergessenen. Ab hier wirst du alleine gehen. Drei Prüfungen erwarten dich und dann sollst du deine Freundin finden“, sprach der Kerl frostig, aber kniete nieder, sodass er dem einstigen Kind der Götter genau in seine himmelblauen Augen schauen konnte. Und dort in den tiefen, weißen Seelenspiegeln, erhob sich ein kleines Flackern, vielleicht ein beruhigendes und tröstendes Licht eines Mannes, der sehr wohl wusste, was es hieß ein Held zu sein. „Vielleicht bist du noch ein ängstliches, dummes Kind. Aber du hast keine Wahl, als dich deinen Schwächen zu stellen und der Held zu werden, den andere in dir sehen. Lass‘ Zweifel nicht siegen“, meinte der Mann und seine Stimme klang nach wie vor ruppig und gefühllos. „Ich weiß nicht, wie ich gegen diese Zweifel ankämpfen soll…“, murmelte er. „Dabei wird dir jemand helfen… du brauchst nur noch etwas Geduld…“ Damit erhob er sich und deutete auf den noch in Nebel gehüllten Pfad, der vor dem Jungen lag. „Blicke auf den Boden. Eine Markierung wird dir durch die Nebelschwaden helfen. Dann erwarten dich deine Prüfungen.“ „Werde ich Euch wiedersehen?“, sprach Klein-Link und versuchte vor diesem muskelbepackten, starken Mann nicht einzuknicken. Er haderte damit, diesen Kerl, so unfreundlich er auch gewesen sein mag, darum zu bitten, ihn ein weiteres Stück zu begleiten. Hinter dieser eisigen Maskerade schien ein rechtschaffener, guter Mann zu stecken. „Hier nicht, da dein Rückweg ein Leichterer sein wird. Aber ich warte auf dich in einer anderen Welt“, entgegnete er. Er schnipste mit den Fingern und löste sich vor den Augen des Jungen im Nichts auf. Klein-Link seufzte. ,Na prima‘, dachte er. Diese Mission wurde immer verrückter und seine scheinbaren Mitstreiter immer unheimlicher… Kapitel 148: Ein vergessenes Schicksal… Teil 6 ---------------------------------------------- Liebe Leser, NeS hat sich mit Klein-Links Mission völlig verändert und die Spannungskurve wurde ziemlich zurückgeschraubt. Ich werde den Plot für Klein-Links Mission mit den kommenden Kapiteln ersteinmal so gut es geht ausarbeiten, das heißt jedoch auch, dass ich NeS sehr bald komplett überarbeiten werde. Das bedeutet so einiges an Arbeit und neuen Ideen, die ich einbringen werde. Ich würde mir wünschen, dass dennoch noch ein wenig Resonanz zu den aktuellen Kapiteln kommt. Ansonsten ein riesiges, fettes Danke an alle Leute, die sich jemals für diese Fanfic interessiert haben. Danke, das bedeutet mir unheimlich viel. Wenn NeS eines Tages (!) endlich fertig ist, wird Klein-Links Mission als Bonus-Buch am Ende angehängt, sodass das Ende von NeS für den Leser erfahrbar ist und die Spannung nicht unterbrochen wird. Es lohnt sich dennoch, die Kapitel um Klein-Link zu lesen, da kommt noch einiges interessantes. lg Line _____________________________________________ Die Nebelschwaden waren quellenddicht, beißend und nass und ließen den jungen Weltenwanderer seine Umgebung nicht ausmachen. Hässliche weiße Fratzen bildeten sich vor Klein-Links Körper, umzingelten ihn und verschwanden je hektischer er vorwärts eilte. Er ahnte, dass er sich irgendwo auf leeren Weiten befand, irgendwo, wo weder Dörfer noch Wälder, noch sonst eines von Mutter-Naturs Werken zu finden war. Auf einem vertrockneten Pfad mit tiefen Rissen im Gestein und einer mit weißer Farbe gemalten Linie lief der einsame Streiter vorwärts und hoffte auf ein Ende des Weges. Es kam ihm vor, als wäre er bereits mehrere Stunden unterwegs. Die Einsamkeit und unheimliche Stille ließen ihn sich unwohl fühlen. Kein Geräusch drang durch die Nebelschwaden. Nicht ein Mucks. Die Leere hier im Nirgendwo und die fehlende Gesellschaft von Navi machten ihn nervös und er spürte eine marternde Aufregung in seinen Gliedern. Sein Brustkorb schmerzte vor Anspannung und sein Herz trommelte wie wahnsinnig. Hektisch wand er sich um seine Achse, hatte Angst vor jeder Bewegung, die er machte, Angst sich zu verlaufen und eine immense Angst vor böswilligen Kreaturen, die sich aus dem Nebel oder den tiefen Rissen im Gestein auf ihn stürzen könnten. ,Immerhin ein menschliches Gefühl‘, dachte er halbherzig. Sollte er sich nicht freuen, dass er in dieser Mission genau jene Erfahrungen machte, die er einst ersehnt hatte? War es nicht immer sein Wunsch gewesen sich menschlich zu fühlen und Existenz zu wollen? Und jetzt, wo er es hatte, nervte es ihn ab und an und er konnte die Erfüllung jenes einstigen Wunsches nicht einmal mehr schätzen. ,Bei den Göttinnen‘, dachte er. ,Ich bin wahrlich ein kleiner, törichter Junge…‘ Den Blick zu Boden gerichtet und angsterfüllt der schneeweißen Markierung auf dem Gestein folgend tapste er vorwärts und nahm zunächst nicht wahr, dass sich die dichten, flockigen Nebelschwaden zurückzogen. Unachtsam hetzte er weiter, stolperte über seine Füße vor Nervosität und verlor das Gleichgewicht. Tief einatmend, sich den Angstschweiß von der Stirn wischend, richtete er seinen Blick nach oben und staunte nicht schlecht angesichts eines verwunschenen Ortes, den noch keine Menschenseele gesehen hatte. Er fragte sich, ob er träumte, als die Markierung endete und er sich an einer Klippe wiederfand, die steil in eine unendlich scheinende Tiefe mündete. Vorsichtig blickte der werdende Heroe in die Tiefe, sah Sterne im Abgrund funkeln als vergangene Lichter einer anderen Zeit. Über jenem Abgrund verliefen robuste Steinbrücken, die zu drei Inseln führten. Drei Inseln, die auf felsigem, grauen Untergrund in den Lüften zu schweben schienen. Über Klein-Links blondem Kopf ergoss sich ein Meer aus weißen, gelben und roten Farben, als mischte ein Gott spielerisch einen Himmel zusammen. Und jene lichten Farben bewegten sich und ab und an tropfte die Farbe wie Regen nieder in den Sternenabgrund. Einige kleine Tropfen gelber Farbe trafen auch Klein-Links Haupt und benetzten die wiesengrüne Mütze. ,Wo bin ich hier?‘, fragte er sich, wissend, es ergab keinen Sinn die Rätsel der Welten alle zu kennen und auch dieses würde ihm vielleicht niemand erklären. Mit seinen scharfen, himmelblauen Augen musterte er die drei Inseln und versuchte über die Entfernung Gebäude oder Besonderheiten auszumachen. Eine jener Inseln, so sah er aus der Ferne, war eher klein und leer. Auf den anderen beiden waren Vegetation vielleicht auch Dörfer und Lebewesen zu finden. Sich Mut machend trat er vorwärts, betrat die Steinbrücke und versuchte nicht in den Abgrund zu schauen, um sich vor Übelkeit zu bewahren. Er hatte zwar keine Höhenangst, aber es fühlte sich nicht gut an, in diese Tiefe zu blicken… Und während er zielstrebig vorwärts trat, sich wünschend, er hätte die oftmals quengelnde, zickige Navi endlich wiedergefunden, bemerkte er nicht den leisen Schatten, der sich genauso wie er selbst bewegte. Er spürte nicht das heimtückische und gefährliche Wesen, das ihm folgte… Außerhalb des Glaspalasts, im sanften Reigen der großschirmenden Blätter, umgeben von fröhlichen Lichtspielen, hockte die erste Prinzessin der Hylianer auf einem abgewetzten Steinpodest. Sie kniete nieder, legte ihre Hände in eine alte Gebetshaltung und ließ sich auf die schwere Leere in ihrer Seele ein. Sie meditierte, versuchte ihr Bewusstsein auszuschalten und stattdessen altes Wissen heraufzuheben. Ihre Atmung ging tief. Ihre Augen waren fest verschlossen. Und ihre Seele ging gerade auf Wanderschaft, als sie eine kühle, schmale Hand auf ihrer Schulter spürte. Erschrocken wirbelte die Adlige umher, krallte sich ihr Langschwert und stieß dieses geschwind und ohne Nachzudenken nach hinten. Ein erschrockener, heller Schrei ging umher und ließ die Vögel aus den Baumkronen kreischend davon stürzen. Und als Zeruda sah, wer da hinter ihr stand und was sie gerade getan hatte, ließ sie überrascht ihr Schwert fallen. Und mit dem Schwert fielen graue Locken zu Boden, die sie im Eifer des Gefechts unabsichtlich abgetrennt hatte. Vor ihr stand ein Wesen, dem die Prinzessin schon einmal begegnet war. Es war eines jener Wunderwerke, über das viele Geschichten existierten. Zeruda war damals noch ein Kind, als die Schlacht der Engel stattfand und sie war der einzigen Überlebenden bereits schon einmal begegnet. „Niléz?“, sprach die Prinzessin erstaunt und blickte in ein Paar mysteriöse Augen einer gealterten Frau. Eine graue Robe bedeckte ihre Gestalt und die Kapuze war zurückgeschlagen. Man konnte an dem Erscheinungsbild jener Dame nicht erkennen, dass sie nicht menschlich war. Ihre Flügel waren verborgen. Und sie wirkte menschlich mit dem stillen, geruhsamen Lächeln in ihrem faltenreichen Gesicht. Menschlich und schön… „Hallo Prinzessin“, sagte die Frau leise und lächelte. Sie besaß eine warme, ruhige Stimme, als rief ein Kind in friedvollen, goldenen Wäldern nach Spielgefährten. „Was führt Euch hierher?“, fragte Zeruda erstaunt. Ja, sie wusste, was mit dieser Frau geschehen war. Sie wusste, dass sie die einzige Verbliebene eines alten magischen Volkes war und sie hatte vielleicht noch mehr gelitten als Zeruda nach dem Verlust von Rinku und ihrem Baby… Aber sie konnte sich keinen Reim darauf machen, was Niléz hier wollte. War sie nicht vor Jahren schon zu den Göttinnen in das Himmelshaus geführt worden? „Ist der junge Weltenwanderer nicht bei Euch?“ Sie wirkte sehr wissbegierig. Zeruda war jener alten Dame nicht feindlich gesonnen, dennoch wunderte sie, dass sich jener Engel Gedanken um einen Heroen Hyrules zu machen schien. „Ich frage mich, woher Ihr wisst, dass er sich in dieser Welt aufhält, was Ihr mit Eurer Anwesenheit bezweckt und überhaupt wundert mich, dass Ihr ihn scheinbar kennt.“ Doch die reife Frau lächelte nur wieder, schien sich durch Zerudas Zweifel nicht beirren zu lassen. „Ich traf ihn einige Male und wollte mich bei ihm bedanken.“ „Bedanken, wofür?“ Selbst Zeruda, die eine Seelenleserin war, wusste nicht, worum es hier ging. Sie konnte Niléz‘ Erscheinen hier nicht einordnen und nicht ahnen, was das Götterkind mit den Engeln zu schaffen hatte. Sie konnte vielleicht hinter die Fassade von Hylianern schauen, aber nicht hinter die eines Engels. „Nun…“, sprach der Engel vorsichtig. „Er tat etwas in meiner dunkelsten Stunde… und leistete mir Gesellschaft im Haus der Götter. Er war jemand, der Herzen zum Lächeln bringen konnte und der nicht wusste, wie menschlich diese Eigenschaft war.“ „Und warum wollt Ihr euch gerade jetzt bei ihm bedanken?“ „Es ist mir endlich gestattet zu gehen… und das habe ich jenem Heroen, obwohl er nur ein Kind ist, zu verdanken.“ Der weibliche Engel blickte mit geschlossenen Augen zu Boden. ,Sie war edel‘, dachte Zeruda, und schien im Umgang mit anderen Geschöpfen sehr behutsam geworden zu sein. Und trotz der grauen, gelockten Haare und ihrer Falten war da Frische und ein Teil Jugendlichkeit, die den Engeln eigen war. „Ihr wollt gehen?“, murmelte Zeruda. „Ihr meint, ins Haus der Götter?“, fragte die Prinzessin verblüfft. „Nein, ich verbrachte bereits Ewigkeiten im Haus über den Wolken“, erklärte der Engel und zeigte keine weitere Regung. Sie wirkte unglaublich diszipliniert, zuckte nicht mit ihren grauen Wimpern, verzog ihr faltenreiches Gesicht nicht weiter und bewegte sich nicht, als wäre sie erstarrt. ,Sie schien nicht einmal zu atmen‘, dachte Zeruda. Schon damals, als sie ein Kind war, und jener Frau begegnet war, erstaunte die Hylianerin angesichts der Anmut und Magie, die jenes Wesen ausstrahlte. Und manchmal wirkten diese Geschöpfe so beherrscht, als wäre da eine grausame Leere und Kälte in deren Herzen… „Bitte grüßt den Weltenwanderer von mir“, sprach Niléz leise. „Ich danke ihm für die vielen Gespräche in den Gärten des Lebens. Und ich kann mich nicht persönlich verabschieden.“ Zeruda wollte nicken, entschied sich aber dann dagegen. Sie verschränkte ihre Arme abtuend. Vielleicht war es keine große Sache, dem Götterjungen dies zu sagen, vielleicht war es gut, wenn sie sich nicht einmischte, aber auf der anderen Seite wollte Zeruda den Burschen vor jeglichen schlechten Gefühlen bewahren. Und Abschiedsschmerz gehörte zu diesen Dingen, die die Prinzessin der Hylianer Klein-Link mittlerweile ersparen wollte. Sie wollte ihn beschützen, selbst vor solchen unangenehmen Gefühlen. Vielleicht freute er sich, dass Niléz sich bedanken wollte, aber es würde ihn auch traurig machen, dass sie in die Schatten ging. „Das kann ich Euch nicht versprechen…“, erwiderte die Adlige. „Das muss mir dann reichen“, sagte das heilige Wesen. „Lebt wohl, Zeruda…“ Der Engel lächelte noch einmal und erst dann kamen ihre weißen, kräftigen Flügel zum Vorschein. Mit einem Schlag ihrer Flügel, sodass weiße, lange Federn zu Boden fielen, stieß sie sich ab und verschwand im weiten Horizont. Prinzessin Zeruda blickte Niléz mit einem unguten Gefühl hinterher, bis sie nur noch ein kleiner Punkt am Himmel war. Für das Götterkind, so entschied sie, während eine Träne über ihre Wange tropfte, würde es Abschiedsschmerz nicht geben. Für den Jungen, den sie beschützen wollte, würde es Leid nicht geben. Dafür würde sie ab heute sorgen… Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte Klein-Link die erste schwebende Insel in der weiten Sternenlandschaft. Auf scheinbar fruchtbarer, weicher Erde, war hier ein gigantisches Labyrinth aus festem, glattem Stein errichtet worden, vielleicht Granit oder sogar Marmor. Herzförmiger Efeu und Blumen mit violetten, dunklen Blütenblättern wuchsen hier und schmückten teilweise jene hohen, glatten Gesteinswände, die der Junge nicht mit Darüberklettern überwinden konnte. Dort waren mehrere Eingänge zu dem Labyrinth und wenige Meter vorher die Aufmerksamkeit einfangend war eine Steintafel, die an Seilen angebunden in der Luft schwebte. Verwundert richtete der Junge seine spitze Nase in den Horizont, aber er konnte nicht sehen, wo diese Seile festgemacht wurden. Er setzte gerade einen Fuß auf erdigen Grund, als die Steinbrücke, die er soeben überquert hatte, krachend und tosend in sich zusammenfiel. Erschrocken wirbelte er herum und sah einige zerstörte Steinquader in dem Sternenabgrund verschwinden. ,Beim heiligen Deku‘, dachte er. ,Da fiel sein einziger Weg zurück in sich zusammen.‘ Er räusperte sich und schüttelte entnervt seinen jungen Schädel, sodass seine grüne Mütze baumelte. Bemüht Ruhe zu bewahren blickte sich der junge Kämpfer um, betrachtete sich das steinerne Labyrinth mit Entschlossenheit in seinen himmelblauen Augen. Er trat vorsichtig weiter, achtete auf jedes noch so kleine Geräusch aus der Ferne und versuchte mutig zu bleiben. Erst jetzt fielen ihm die vielen uralten, hylianischen Zeichen auf, die in das gräulich schimmernde Gestein der hohen, glatten Wände eingefasst waren. Und auch auf jener Steintafel vor seiner spitzen Nase konnte er hylianische Schriftzeichen ausmachen. Er tapste näher und las die wenigen Zeilen mit Bedacht. Er grinste und dachte daran, dass ihm die Göttinnen glücklicherweise ein sehr umfangreiches Wissen über alte Sprachen und Schriften mitgegeben hatten. Vielleicht war er deshalb in den bisherigen Welten so unauffällig geblieben. „Drei Prüfungen sollen den Pfad erheben. Ein Kampf für Kraft. Ein Abgrund für Mut. Ein Rätsel für Weisheit.“ Klein-Links las die Worte laut vor und war fasziniert. Wenn er es schaffte eine solche Prüfung zu meistern, war sein zukünftiger Vater sicherlich stolz auf ihn. Er musste sich jetzt beweisen, dass er das Potential zu diesen Taten hatte. ,Okay‘, dachte er. ,Dies waren seine drei Prüfungen. Und erst, wenn er diese gemeistert hatte, würde sich ihm der Pfad ins Reich der Unsterblichen öffnen. Und erst dann würde er Navi finden. Er musste sich mittlerweile sogar eingestehen, dass er die zickige, furchtbare Fee vermisste… „Dann mal los!“, rief er, um sich anzuspornen. Seine Stiefel bewegten sich langsam vorwärts, bis ihn das Labyrinth verschluckte… Es war unglaublich dunkel inmitten des Irrgartens. Nur ein Schimmer des gemalten Horizonts stach durch die Finsternis und ab und an tropfte die Farbe des Himmels auf Klein-Links blonden Schopf. Glücklicherweise reichte das Licht der Farben um zumindest seine direkte Umgebung ein wenig zu erhellen. Ab und an trat er durch tiefe Pfützen aus dreckigem Wasser, ab und an war der Weg von dicken, knorrigen Wurzelwerk überlagert und bisher war in diesem Labyrinth alles ruhig. Er fragte sich, welcher der drei Herausforderungen ihn in diesem Irrgarten erwarten würden. Ob dies alles glimpflich für ihn ablaufen würde? Ob er überhaupt in der Lage war einen weiteren Kampf zu überstehen? Er seufzte. Es brachte ja nichts sich darüber noch den Kopf zu zerbrechen. Irgendwie würde er es hier schon heraus schaffen. Zumindest hoffte er das… Er lief weiter vorwärts. Vereinzelte, schwache Nebelschwaden schlängelten sich wie Schlangen durch das Labyrinth und erfassten ihn tückisch, wurden noch im selben Augenblick von ihm weggeschlagen. Wie wild geworden wehrte er sich gegen die lebendig wirkenden Nebelmassen und hetzte weiter. Seine Hände ruhten fest auf dem Griff seines Schwertes. Und als die Stille von weitentfernen hallenden und kreischenden Tönen durchstoßen wurde, kam eine weitere kraftfordernde Nervosität über ihn. Was war, wenn er sich in diesem Irrgarten verlaufen würde? Es gab hier einige Abbiegungen und sicherlich einige Sackgassen. Vielleicht war es sinnvoll irgendwo eine Markierung zu machen. Gesagt getan. Und der Junge schleifte sein Schwert auf eine raffinierte Weise hinter sich her, sodass die Schwertspitze eine feine Linie im erdigen Grund hinterließ. Hoffend, dass er sich mit dieser Markierung orientieren konnte, trat er weiter. Nach wenigen Minuten erreichte er einen etwas größeren Raum auf seinem Weg und zugleich eine Sackgasse. Er blickte sich aufmerksam um, aber konnte neben ein paar violetten Blümchen und wenigen Wasserpfützen nichts entdecken, was ihm weiterhelfen würde. Er schaute hinauf in das buntgemischte Farbenmeer und sah lediglich ein Seil weit oben hängen, das er aber nicht so einfach erreichen würde. Kapitulierend trat er wieder zurück in die Richtung, aus der er gekommen war. Erneut an der erklärenden Steintafel und am Beginn des Labyrinths angekommen, versuchte Klein-Link den nächsten von insgesamt fünf Eingängen. Er rannte schon beinah, fühlte sich unruhig und spürte mittlerweile eine Schweißperle nach der anderen an seiner Stirn hinab wandern. Aus irgendeinem Grund machte ihn dieser Ort ungeheuer nervös. Auch bei diesem Pfad erreichte der Junge eine Sackgasse. Am Ende des Weges war in das feste, glatte Gestein ein Gittertor aus glänzenden Eisenstäben eingefasst. Undgeduldig rüttelte der Bengel an dem Tor, versuchte es mit allen Mitteln zu öffnen, sah aber sehr schnell ein, dass er dafür einen Schlüssel benötigen würde. Er gab auf und wischte sich mit der Linken über seine schwitzende Stirn und grinste sarkastisch. Hatte er wirklich geglaubt, er würde hier einfach durch spazieren und sofort eine Lösung finden? Genervt trat er mit dem rechten Fuß gegen die Wand, atmete tief durch und lief auch diesen Weg zurück zu der wartenden Steintafel… Er versuchte den dritten Eingang, hetzte einen bogenförmigen Pfad entlang, übersah die vielen Erdhaufen auf dem Weg und achtete nicht auf eine raffinierte Markierung im Gestein. Zu seiner Enttäuschung endete der Weg bei einem weiteren Ausgang an der Steintafel. ,Na toll‘, dachte er frustriert. Jetzt hatte sich auch der vierte Eingang damit erledigt. Etwas ratlos trat er noch einmal an die hängende Steintafel und versuchte zwischen den Zeilen zu lesen. Aber er fand einfach keinen Hinweis. Er schüttelte seinen Schädel, fühlte sich irgendwie unfähig und versuchte sein Glück mit dem fünften und letzten Eingang in das Labyrinth. Mutig, aber ratlos bewegten sich seine dünnen Beinchen durch Matsch und Pfützen, bis er auch hier einen größeren Raum, eingefasst zwischen den Mauern vorfand. Ebenfalls war hier eine Sackgasse, aber in der Mitte des Raumes, auf einer sonderbaren, blütenförmigen Statue ruhte ein Spiel, das er bereits einmal gesehen hatte. Neugierig tapste er näher und begutachtete das Spiel der sieben Weisen; und auf dem Spielbrett waren bereits einige Weisen komplettiert. Und noch etwas zog seine Aufmerksamkeit in jenem Raum auf sich. Rechts von ihm war ein Hebel an der Wand angebracht. In Vorfreude, ob das des Rätsels Lösung war, versuchte er den ziemlich großen, metallenen Hebel nach unten zu drücken, musste sein gesamtes Gewicht darauf stemmen, dass es funktionierte und siehe da. Er hörte ein kleines Poltern aus der Ferne, was ihm Hoffnung gab, dass sich in dem Irrgarten etwas verändert hatte. Etwas lachend trat er zurück und nahm erneut nicht wahr, dass ihm jemand folgte. Seine himmelblauen Augen stachen durch die Finsternis, als er hinter sich einen kurzen Luftzug spürte. Und plötzlich legten sich einige schmale, lange Finger auf seine rechte Schulter. Mit einem gellenden Schrei wirbelte der Junge herum und führte seine scharfe Waffe horizontal mit sich. Die Gestalt hinter ihm fing das Schwert jedoch mit Leichtigkeit ab und riss die schwere Waffe mit einer flinken Bewegung aus seiner Hand. „Nana, wer wird denn gleich so aggressiv werden, obwohl ich aggressive Wesen mag“, kicherte ein Mädchen, das er seiner Meinung nach noch nie gesehen hatte. Klein-Link stürzte vor Schreck auf seinen Hosenboden und fragte sich, wie dieses Mädel hierher kam. ,Sie wirkte wie ein Clown oder ein Gespenst‘, dachte er. Sie trug ein paar spitze bunte Schuhe, eine schlabbrige, dreiviertel lange grüne Hose und eine purpurrote tunikaähnliche Gewandung. Eine schwere blaue, aber wie Metall schillernde Weste bedeckte ihren dürren Oberkörper zusätzlich. Aber das, was den Jungen am meisten verblüffte, waren diese eigenwilligen schwarzen Haare mit roten, blauen und grünen Strähnen. Er gaffte das Geschöpft an, als käme jenes aus dem heiligen Reich. „Du darfst aufhören mich zu betrachten. Ich weiß ohnehin, dass ich hübsch bin“, lachte sie bissig und reichte dem Jungen eine ihrer schmalen, eisigen Hände. Er ließ sich aufhelfen, fühlte sich aber in der Gegenwart von dieser starken, geschickten Dame nicht gerade wohl. Es gefiel ihm nicht, dass ein Mädchen, auch wenn sie vielleicht zwei, drei Jahre mehr auf dem Buckel hatte, so stark war. Als er mit ihr auf selber Höhe stand, betrachtete er ihr käseweißes Gesicht. Es schien, als hatte sie in ihrem Leben die Sonne noch nie gesehen. Pechschwarze, lodernde Augen strahlten aus ihrem Gesicht hervor, hauchten ein finsteres Leben in jenes kreidebleiche Gesicht. Klein-Link kam nicht einmal dazu, seine Stimme zu erheben, dass das Mädchen wieder den Ton ergriff. „Du fragst dich sicherlich, was ich hier mache, was?“ Sie zischte, und hatte eine sehr unangenehme, schiefe Stimme. Er nickte. Er war in diesem vergessenen Reich der Unsterblichen schon einem komischen Mann begegnet, sodass ihn das Erscheinen dieser ulkigen Dame auch nicht mehr sonderlich beeindrucken konnte. „Nun, weil du so süß bist…“, lachte sie, worauf der Junge schamrot anlief. „… dachte ich mir, ich schau‘ einmal vorbei und verhindere, dass du in dein Verderben rennst.“ Er kratzte sich am Kopf und grinste dümmlich: „Ähm, das ist wirklich nett.“ Er wusste nicht so recht, wie er mit Schmeicheleien umgehen sollte. Bisher hatte noch kein Mädchen so etwas zu ihm gesagt. Klar, er hatte bereits Liebesbriefe bekommen, aber es war etwas anderes, wenn ihm ein weibliches Wesen das unter die Nase rieb. Das Misstrauen ihr gegenüber war scheinbar gar nicht erst aufgekommen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie irgendetwas Hinterhältiges im Sinn hatte. Warum sonst sollte sie ihm helfen? „Ich bin immer nett, aber nur zu denen, die ich interessant finde“, erklärte sie. Und naiv wie Klein-Link noch war, konnte er sich daraus keinen Reim machen, sondern freute sich noch darüber Gesellschaft zu haben. „Kann ich dann mein Schwert wieder haben?“, meinte er vorsichtig und grinste etwas unbeholfen. Das Mädchen lächelte schief, schaute abwechselnd von dem Schwert zu Klein-Links erwartenden himmelblauen Augen, aber reichte ihm die Waffe ohne Murren. Zufrieden steckte er Harkenias Klinge in die Schwertscheide zurück. Sie winkte ihm zu, was so viel hieß, wie, dass er ihr folgen sollte. Und Klein-Link marschierte erheitert hinter dem merkwürdigen Wesen hinterher. Er steckte seine Hände hinter den Kopf, fühlte sich seit langem wieder entspannter und beobachtete die Dame amüsiert. Sie sah wirklich interessant aus mit den schulterlangen, wilden Haaren und diesem bunten Outfit. Er trat neben sie und musterte sie intensiver. „Sagst du mir, wie du heißt?“ „Nöööö“, sprach sie langgezogen und kichernd. „Und warum nicht?“, wollte er wissen und strahlte sie mit seinen unschuldigen, himmelblauen Augen an. „Weil ich dir gegenüber geheimnisvoll bleiben will.“ Sie feixte und zog ihre bleichen, weißen Lippen fast abartig und unmenschlich in die Länge. „Äh… wie… wie…“ Er kratzte sich am Kopf und suchte nach dem richtigen Wort. Sie kicherte wieder. „Du gefällst mir mit deiner Verlegenheit, mein Göttlicher.“ Sie zwinkerte ihm zu, was ihn nur noch nervöser machte. Angestachelt durch ihre verführerische und distanzüberschreitende Persönlichkeit marschierte der Junge vorwärts, überholte sie und hoffte, sie würde ihn nicht noch verlegener machen. Jetzt verstand er seinen Vater endlich, der bei solchen Kommentaren auch gerne die Flucht ergriff. Er trampelte weiter, bis die Dame mit einem beherzten Sprung, den man ihrer mageren Gestalt nicht zutraute, über seinem Kopf darüber hüpfte. Sie breitete ihre Arme vor ihm aus und hinderte ihn an seinem Weg. „Was ist?“ „Nicht so schnell, mein Hübscher. Du willst doch nicht von der Falle zerhackt werden. Das wäre wirklich schade um dich.“ „Falle?“, platzte es erstaunt aus ihm heraus. „Dadurch, dass du diesen Hebel betätigt hast, öffnet sich vielleicht ein Pfad nach draußen, aber damit aktivierst du auch ein paar üble Mechanismen.“ Noch ungläubig schaute er von ihrem spitzen Ohren nach vorne, konnte an dem Weg aber keine Veränderung und auch sonst keine Gefahr feststellen. „Pass‘ auf, ich beweise es dir.“ Sie tapste fröhlich und hüpfend weiter, als mit einem schneidenden, berstenden Geräusch in etwa zehn Sensen aus den Wänden geschossen kamen. Sie hüpfte kichernd zwischen den scharfen Klingen durch, bis sie eine der Sensen mit ihrer bloßen Hand aufhielt. Klein-Link sah drein, als würde er explodieren und wusste nicht, ob er sich bei dem Mädchen bedanken oder auf der Stelle in Ohnmacht fallen sollte. Seine Kinderbeine zitterten bei dem Gedanken, dass er sich beinah umgebracht hätte. „Du musst noch einiges lernen. Vor allem aber deine Umgebung zu beobachten und merkwürdige Dinge ins Auge zu fassen und auf deinen sechsten Sinn zu hören. Du hast diesen, aber bisher ignorierst du das. Dabei würde dich das wesentlich attraktiver machen, wenn du einmal in dich hinein hören würdest. Aber…“ Sie grinste wieder und kicherte ihm entgegen. Ihr Lächeln war unglaublich einprägend. „… deswegen mag ich dich trotzdem.“ Sie tänzelte näher, packte ihn an seiner rechten Hand und zog den verdatterten Jungen hinter sich her. Als das seltsame Mädchen und ihr wehrloses Anhängsel Klein-Link einmal mehr den Anfang des Irrgartens erreicht hatten, hüpfte sie vergnügt bis hinauf auf die Mauer, nahm Platz und ließ ihre Beine baumeln. „Den Rest schaffst du alleine, mein Süßer. Du musst dich nur in den verschiedenen Räumen noch besser umschauen. Ich gebe dir den Tipp Erdhaufen und Pfützen zu mustern. Und denk‘ daran, dass du durch betätigte Hebel auch Fallen auslöst.“ „Danke, das war echt hilfreich.“ „Keine Ursache. Du wirst später noch merken, wie hilfreich ich sein kann“, lachte sie. „Das heißt, wir sehen uns wieder?“, meinte Klein-Link grinsend. „Das hängt davon ab, ob du artig bist, mein Göttlicher.“ Auch diese Aussage überforderte den Jungen. Er zwinkerte und war etwas durcheinander. „Hey, weißt du vielleicht, wo Navi ist? Sie ist meine Begleiterin und wurde in dieses Reich verschleppt. Sie hat blondes, langes Haar und giftgrüne Augen.“ Daraufhin verengte die Angesprochene ihre Augen schlitzartig. „Wie wichtig ist sie dir?“ „Nun ja, sie ist meine Freundin und Begleitung.“ „Und das heißt?“ „Natürlich ist sie mir wichtig.“ „Du wirst sie schon wieder finden“, entgegnete das Mädchen und grinste schelmisch, fast so, als verheimlichte sie etwas. Sie warf ihm noch einen Kussmund zu und verschwand in einem Reigen bunter Splitter. ,Das war ja Mal ein interessanter Charakter‘, dachte der Junge. Vielleicht würde seine Mission noch viel spannender werden als er dachte… Er versuchte es noch einmal mit dem ersten Eingang, sah die Markierung, die er auf dem Boden hinterlassen hatte und fand in der etwas größeren Sackgasse tatsächlich eine Veränderung vor. Das Seil, welches so weit oben baumelte, hatte sich ein paar Zentimeter nach unten bewegt, aber ergreifen konnte er es immer noch nicht. ,Auch gut‘, dachte er und trat aus Versehen in eine dreckige Wasserpfütze, die teilweise von den orangenen Farben des bunten Himmels durchtränkt war. Was hatte das Mädchen gesagt? Er sollte sich Pfützen genauer anschauen? Also kniete er nieder und überwand den Ekel in diese sich gallig anfühlende Substanz hinein zufassen. Es stank widerwärtig, aber er wollte ein Held werden, nicht? Und Helden mussten sich gelegentlich die Hände schmutzig machen. Er tastete sich vorwärts, war etwas geschockt, wie tief jene Pfütze war, aber konnte nichts entdecken. Er versuchte es bei der nächsten Pfütze… und tatsächlich konnte er in der dritten Pfütze ein kleines, kupferfarbenes Schlüsselchen hervorbringen. Er freute sich und verstaute jenen in seiner Gürteltasche. Er trat mit wachsameren Augen zu der Sackgasse, wo ein verschlossenes Tor ihn am Vorankommen hinderte, steckte den Schlüssel mit freudiger Erwartung ins das vorgesehene Loch und grinste, als sich das Tor öffnen ließ. Dahinter war ein Raum mit einem weiteren Hebel. Diesen betätigte der junge Heroe und marschierte vorbereitet weiter. Auch diesmal kamen scharfe, schmale Sensen aus den Wänden, aber Klein-Link blieb ruhig, wartete, bis sich jene nicht mehr bewegten und hechtete weiter. Er wollte überprüfen, ob in irgendeinem Zugang noch andere Hebel verborgen waren. Und so schritt er mutig von dannen, spürte nicht, dass er noch immer von einem leisen Schatten beobachtet wurde… Er betätigte auch in dem bogenförmigen Gang weitere Schalter, die unter verschiedenen Erdhaufen verborgen waren, bis er keinen Hebel mehr finden konnte. Aus seinen Augenwinkeln sah er an den Wänden eine merkwürdige Malerei, die aussah wie ein Spielbrett… Er schlug sich auf die Stirn angesichts seiner Dämlichkeit und prägte sich die Anordnung darauf ein. Aufgeregt lief er zurück in jenen Raum, wo das einzelne Seil von der Decke hing. Aber noch immer war es viel zu weit oben, als dass er es erreichen konnte. Blieb nur noch das Rätsel um das Spiel der sieben Weisen… Er rannte mit inzwischen knurrenden Magen zu dem Bereich mit dem Spiel, ordnete die Figuren darauf so an, wie es auf der Malerei aufgezeigt war und einmal mehr polterte es in dem Labyrinth. Überprüfend folgte der blonde Schwertträger seinem Weg und grinste, als er endlich das Seil ergreifen konnte. Er zog daran und stellte fest, dass es durchaus stabil war. Unter Leibeskräften zog er sich an dem Seil nach oben. Schweißperlen tanzten über seiner Stirn und seine Arme schmerzten übel. ,Himmel‘, murrte er in Gedanken. ,Warum hatten die Göttinnen ihn auf sowas nie vorbereitet?‘ Es schlitzte in seinen Armen, als er versuchte höher zu klettern und kam sich erbärmlich vor bei dem Gedanken, dass er ein Held werden wollte und er nicht einmal die Kraft hatte sich an diesem Seil hinaufzuziehen. Sein Körper fühlte sich an wie ein mit Kohlen gefüllter Sack, als er in schwindelerregender Höhe hing. Piepsend blickte er sich um und sah von hier oben das andere Ende der Insel in greifbarer Nähe. Und dort, nicht weit weg, war eine Brücke, die ihn über den Abgrund tragen könnte. Er grinste unter fiesen Schmerzen in seinen Kinderhänden und versuchte sich zu schwingen. Er hatte das Gefühl, es dauerte ewig, ehe er sich mit dem Seil einigermaßen dorthin geschwungen hatte, wo er seinen weiteren Weg vermutete. Und dann ließ er einfach los, purzelte mit einem quietschenden Schrei auf weichen Erdboden und saß erschöpft und zugleich erleichtert einfach da, bis er anfing zu lachen. Er hielt sich seine teilweise aufgeriebenen Hände an den Wanst und lachte befreiend. Er kramte in seiner Gürteltasche nach etwas Essbarem, was die gute Köchin Iryna ihm mitgegeben hatte. Er fand ein in große grünlichschillernde Blätter eingewickeltes Stück Brot mit Wurst und Käse und nahm einige Bissen. Und irgendwo in den altväterischen, göttlichen Gefilden, im Meer der endlosen Schatten, orientierungslos und ohne Zugriff auf ihren Verstand, irrte ein blondes, verdrecktes Mädchen umher. Sie setzte einen Fuß vor den anderen auf einer alten, mausgrauen Steinstraße, blickte über pastellfarbene Wiesen ins Weite. Sie konnte verschwommen das vergessene Götterreich vor sich sehen. Alte, goldene Städte, heilige Hallen und regenbogenfarbene Wälder, wo die erstaunlichsten Geschöpfe hausten. Und doch zersprengte es die geistigen Funktionen, die Menschen so selbstverständlich nutzten. Sie sah die zauberische Welt vor ihren brennenden Füßen und hielt es dennoch nicht aus ihre tränenden Augen offen zu halten, es war wie als wollte es jemand verbieten oder als besaß sie nicht die Fähigkeiten die Götterwelt länger zu erblicken. Je mehr sie sehen wollte, umso mehr fröstelte es sie, umso mehr drangen fremde Stimmen in ihren Kopf und erdrückten sie mit kreischenden, stöhnenden und flüsternden Lauten. Sie wusste nicht, seit wann sie hier umherirrte, sie wusste nicht mehr, wer sie hierher gebracht hatte und sie wusste nicht einmal mehr, wer sie war. Bettelnd, man möge sie in Ruhe lassen, schlenderte sie vorwärts auf wackligem Untergrund, der sie zu verschlingen suchte. Sie schlug ihre Hände an die spitzen Elfenohren und bat die Stimmen inständig zu gehen. Sie wollte schreien, als sie realisierte, dass sie nicht einmal mehr ihre Stimme erheben konnte. Als sie ihre giftgrünen Augen ein weiteres Mal öffnete, sah sie Schatten springen und langbeinige, verkrüppelte Gestalten tanzten vor ihren Sinnen umher. Sie sank nieder, spürte, wie der Steinboden unter ihren Kinderbeinen nachgab und knallte wie ein vollgefüllter Sack zu Boden. Ihre grünschillernden Augen jedoch blieben geöffnet. Und wenn ein Beobachter genau hinblickte, konnte jener die verkrüppelten Schatten direkt in ihren Augen tanzen sehen. Sie spürte noch, dass sich jemand ihr annäherte, bis sie ihre Augen schloss. Sie hörte weiterhin Stimmen flüstern, wusste nicht, ob jene Laute nur in ihrem Kopf vorherrschten oder real waren. „Ich kann sie nicht bewahren, Itrey… Ihre Existenz schwindet“, murmelte eine helle Stimme, die sie durch die grausamen Nebel und Flüche auf ihrer Wahrnehmung nicht zuordnen konnte. „Dinafa bestraft alle, die in das heilige Götterreich eindringen. Und Dinafas Bestrafung hat niemals Güte vorgesehen.“ „Versuch‘ es zumindest. Hilf‘ ihr, dass ich sie zu dem Hort der Prüfungen bringen kann. Ohne unser Einschreiten wird sie nicht überleben“, entgegnete eine männliche Stimme, beherrscht und strotzend vor Mut war diese Stimme ihr vertraut. „Ich bitte dich!“, setzte er fordernd hinzu. Und es war dann, dass eine warme, unglaublich sanfte Hand sich auf ihre Stirn legte. Es fühlte sich angenehm an, als wurde sie eingehüllt in weiche, wärmende Blütenblätter und mit der Güte, die ihr zuteilwurde, verebbten die bösen Geister in ihrem Kopf und die bedrohlichen Stimmen verschwanden. „Du weißt, was die Folge ist, dass sie mit ihrem geliehenen Körper in unser Reich eingedrungen ist, nicht wahr?“, murmelte die weibliche Stimme und schien sich leise von dem Ort zu entfernen. „Ich weiß…“, meinte er widerwillig. „Dinafas Bestrafung erfährt jeder, der nicht göttlich ist, aber einen Fuß auf geweihten Boden setzt…“ „Versuche ihr zu sagen, was sie erwartet und was ihr Schicksal sein soll…“, flüsterte die reine, helle Stimme. Navi versuchte zu lauschen und das Gesagte irgendwie zu verstehen, aber ihre Erschöpfung war zu kraftraubend. Sie spürte noch zwei starke Arme, die sie mit Leichtigkeit in die Höhe zogen und hinfort trugen. Sie hörte das Metall an einer Rüstung klappern, war dabei ohnmächtig zu werden, als sie jedoch etwas grob geschüttelt wurde. Sie blinzelte, atmete schwer und sah dann eine grausame Gottheit vor sich, von der sie verruchte und bestialische Geschichten gehört hatte. Ein ausdrucksloses, käseweißes Gesicht mit Augen leer und voller Nebel blickte sie herausfordernd an. Silberne Haarsträhnen hingen in jenem Gesicht, vor dem sich jeder kluge Kopf fürchten würde. Und eine helle Klinge schillerte mit einem gleißenden Licht auf seinem gepanzerten Rücken. „Ihr seid…“, murmelte sie schwach. „… der Gott, grimmig und gnadenlos, herrscht über Kriegerseelen, die gefallen sind und verflucht wurden.“ Mit ihren müden, grünen Augen tauchte sie ein in die Nebel seiner unmenschlichen Seelenspiegel. Sie wich zurück, spürte den Druck erneut, der sich in ihrem Kopf vorarbeitete. „Was ist passiert?“, murmelte sie unsicher und blickte sich verwirrt um. Über sich konnte sie einen blutenden Himmel entdecken und hier, wo sie sich zusammen mit diesem muskelbepackten Mann befand, waren nichts als verdreckte Gassen, eingefallene Steinhäuser und eine grausame Kälte und Leere. Kahle Bäume. Verdorrte Sträucher… „Wo bin ich hier?“, sprach sie, versuchte aufzustehen, aber ihre zitternden Knie wollten nicht mitspielen. „Du wurdest in das Götterreich gebracht“, entgegnete der Mann mitleidlos. „Nur können es sterbliche Wesen hier nicht aushalten. Für alles, das blutet und sterblich ist, sehen Götter Bestrafungen vor, wenn sie sich in diese Gefilde wagen. Es ist dir nicht gestattet hier zu sein. Das, was du hier erfährst, ist der Wahnsinn tausender Nächte. Sterbliche Körper werden gepeinigt und bestraft durch Halluzinationen und Gespenster…“ Navi blinzelte, richtete sich auf und trat hinaus aus dem leeren Gebäude, in das sie dieser muskelbepackte Mann gebracht hatte. Sie erinnerte sich langsam. Sie war inmitten der Feenstadt Märchenquell aufgewacht und hatte eine lange Diskussion mit der Königin Titania gehabt. Aber jedes Argument, das sie darlegte, wurde überhört, bis, dass die Feen einen alten Zauber aussprachen, gegen den sie sich mit ihrem sterblichen Körper nicht wehren konnte und man sie in diese Gefilde transportierte. Sie war im Reich der Götter gelandet und sie hatte einiges Wissen über diesen Ort am Rande des Seins. „Und wie ist dein Name?“, fragte sie entschlossen, obgleich sie ganz genau wusste, wen sie hier vor sich hatte. „Mein Name ist zumeist Itrey Defice… und ich kann nicht mehr für dich tun, als dich hierher zu bringen, wo der junge Held der Welten in wenigen Minuten erscheinen wird“, meinte er trocken. „Was geschieht mit mir… Du hast von einer Bestrafung gesprochen“, entgegnete sie. „Keiner wird dich hier herausholen außer dem Weltenwanderer, aber auch wenn er glaubt, er kann dich retten, so kann er es nicht.“ Erneut sprach der Unsterbliche in Rätseln. „Was soll das heißen?“ Und weil der Mann seufzte und seine weißen Augen schloss, wurde Navi noch stutziger als vorher. Verzweifelt trat sie vor ihn und spürte, dass etwas nicht stimmte. „Klein-Link ist ein dummes, ignorantes Wesen, so wie es viele Menschen sind. Er wird einen bitteren Preis für seinen lächerlichen Wunsch nach Menschlichkeit bezahlen. Und er wird für seine Naivität bestraft werden.“ „Rede nicht um den heißen Brei!“, zankte Navi und spürte einmal mehr, als sie sich aufregte, wie die Stimmen in ihrem Kopf zunahmen. „Ich will wissen, was mit mir passiert! Ich weiß deinen wahren Namen und ich habe dich vorhin belauscht. Du und deine Göttin sagtet, meine Existenz schwindet und ihr könnt mich nicht bewahren. Nun sag‘ mir, wovor! Ich sehe zwar aus wie ein kleines Kind, aber ich war eine erwachsene, wissende Fee!“ Sie brach in ihren Worten ab, rang quälerisch nach Luft und sackte mit zitternden Knien zu Boden. Je mehr sie versuchte sich zu behaupten und stand zuhalten vor dem Wahnsinn in diesem alten Reich, umso eher krochen die Schatten zurück in ihren Kopf. Ohne einen Hauch Empathie kniete der verdrießliche Gott nieder und flüsterte mit seiner tiefen, aussaugenden Stimme nah an ihr rechtes Ohr. „Wenn ich dir die grausamsten Worte deine Lebens mitteile, wird es dich noch einmal niederreißen so wie vorher auch… Kannst du das aushalten, sterbliches Wesen?“ Mit zuckenden Augenlidern sah Navi auf und schenkte dem Unsterblichen einen Blick der Verachtung. „Du kennst nichts als die Liebe zu deinem Schwert und grausame Schlachtfelder… Dich anzusehen ist Grausamkeit genug…“, sprach sie. „Dann hast du gewählt…“, erwiderte er kalt und emotionslos wie vorher auch. Und er ließ sie spüren und erfahren, was ihr Eintreten in das alte Reich verursacht hatte. Er nahm seine doppelte, weiße Klinge fest in die Hände, stach das verfluchte Schwert atemlos in den leblosen Boden und der Stahl an der Spitze des Schwertes zersprang. In einem Bruchteil von Sekunden tanzten in den Lüften die wenigen Splitter des Schwertes, legten sich auf Navis kindliche Stirn, verschmolzen mit ihr, und sie schrie wie am Spieß. Und als die wenigen, glitzernden Splitter ihren sterblichen Körper wieder verließen, richtete sie sich tonlos und marionettenhaft auf. Mitleidlos sprach Itrey Defice noch einmal zu ihr, verwendete Worte für das, was Navi bereits in ihren Gedanken gesehen hatte. „Über deine Bestrafung wurde entschieden. Du wirst altern in Gestalt eines Kindes. Du wirst dich entscheiden und gehen, leiden und verstehen. Und über deine Seele soll neu entschieden werden. Hier und woanders. Nichts kann dich heilen. Der Wille eines Gottes ist nicht veränderbar.“ Und als der Kriegergott endlich schwieg, sammelten sich in den giftgrünen Augen von Navi Tränen… Nach der kleinen Verschnaufpause lief Klein-Link zügig über die Steinbrücke und erreichte die nächste Insel. Da er die Prüfung für Weisheit einigermaßen überstanden hatte, folgte die Prüfung für Mut. Und das man Mut haben musste für jenen Ort vor seiner Nase, war unbezweifelbar. Vor ihm befand sich ein herber Abgrund. Einige hängende, teilweise gespannte Seile, sich bewegende Plattformen und schmale Pfade ohne Geländer befanden sich über dem Sternenabgrund und führten zu einer weiteren Steinbrücke. Klein-Link schwang sich todesmutig über den Abgrund, torkelte über schmale Pfade, hüpfte mit Leibeskräften über die Plattformen und war am Ende so erledigt, dass er sich fragte, wie er sich überhaupt hier durchgekämpft hatte. Erschöpft saß er da, blickte ungläubig zurück und fühlte sich kläglich. Wie er jemals so naiv gewesen sein konnte, sich ein Abenteuer zu wünschen! Um diese Prüfungen und die Zweifel hatte er nicht gebeten… erst jetzt konnte er verstehen, wie schwer es für Link gewesen sein musste, ganz Hyrule zu retten… Der junge Weltenwanderer überquerte eine weitere Steinbrücke und erblickte von weitem eine Ruinenlandschaft auf der letzten der drei Inseln. Er lief zügig, bis er das Gefühl hatte verfolgt zu werden. Hastig wand er sich um seine eigene Achse, zog sein Kurzschwert, aber konnte hinter sich niemanden entdecken. Unsicher sah er in den gemalten Horizont und beobachtete die Farbtropfen, die in den Sternenabgrund rieselten. Und er blickte über den Abgrund, sah Lichter alter Zeiten dort unten funkeln und fragte sich, ob die bunten Regentropfen jemals wieder Erdboden berühren würden. Er kannte viele Geschichten vom Haus der Götter, er hatte viele Stunden damit verbracht unter Nayrus Anweisung Bücher zu lesen und Sprachen zu lernen. Aber er hatte eigentlich noch nie von diesem Ort gehört. Andererseits, so dachte er melancholisch, würde er, obwohl er dazu geboren wurde, viele Welten zu sehen, niemals alle Geheimnisse und Rätsel zu Gesicht bekommen. ,Es war schade‘, dachte er. Er war der Held der Welten, so nannten sie ihn inzwischen, aber er hatte kein Fernweh, er hatte einfach nur Heimweh… Als er den ersten Schritt auf festen Grund setzte, verschwand diesmal die Brücke hinter ihm nicht. Etwas verwundert trat er weiter und versuchte sich zu orientieren. Es war ein unheimlicher Ort. Ein Platz, vergessen, tot und gespenstisch. Hier waren mehrere Steinhäuser mit eingeschlagenen Fensterscheiben und fehlenden Dächern. Graue Gesteinsblöcke einer einstigen Stadtmauer ließen den Jungen zögern. Ihm lief eine Gänsehaut den Rücken hinunter, als der Wind an jenem Ort kreischend umher donnerte, als sang er ein verruchtes Trauerlied. Er ließ alte Planen zu seinem Reigen schwingen und pfiff immer erbarmungsloser umher. Klein-Link trat vorsichtig weiter, bemüht auf jedes noch so kleine Geräusch zu achten. Er überblickte seine Umgebung, ließ seine himmelblauen, leuchtenden Augen umher schwenken, sah einen Brunnen, wenige Stände eines einstigen Marktes, als etwas Kleines, fast Unauffälliges hastig aus einer Seitengasse hervor trat und wieder verschwand. Aus seinen Augenwinkeln hatte er ein kindsgroßes Wesen erblickt, auch wenn er so schnell nicht sehen konnte, wer es war. Er fackelte nicht lange, hoffte, dass es seine Feenbegleiterin war und rannte vorwärts. Er bog zuversichtlich in die Seitengasse ein, konnte aber außer ein paar Kisten und Fässern und Scherben auf dem Boden nichts Verdächtiges ausmachen. „Ist da jemand?“, fragte er in die Stille der Ruinenstadt und wusste nicht, was es war, aber er hatte das Gefühl, hier etwas finden zu müssen. „Hallo?“, rief er lauter. Plötzlich kamen ein paar Ratten aus einer Kiste gesprungen und rannten quiekend in seine Richtung. Klein-Link kreischte und sackte kurz auf seine Knie. ,Zum Glück nur ein paar Ratten‘, dachte er. Genervt richtete er sich wieder auf und lief weiter, er blickte hinter die Kisten und Fächer, aber hier war niemand. „Navi? Bist du hier?“, rief er nun noch lauter. Er hörte ein leises Quengeln, versuchte genau hinzuhören und folgte jenem weinerlichen Gehabe. Zaghaft tapste der junge Heroe in ein zerstörtes Gebäude und sah jemanden in einer Ecke sitzen. Es war zu dunkel, als dass er erkennen konnte, wer dort hockte. Aber das traurige Wimmern erkannte er. Er kannte diese manchmal nervige Stimme. Auf Klein-Links Gesichtszügen bildete sich ein erfreutes Lächeln, weil er die Stimme sofort seinem Besitzer zuordnete. Aber wieso war sie hier bei seiner dritten Prüfung? Sollte Navi nicht bei den Göttern in ihrem vergessenen Reich sein? „Navi!“, rief er heiter gestimmt und rannte dann ohne Nachzudenken zu ihr hinüber. Tatsächlich hockte dort in den Schatten, allein gelassen und kränkelnd ein kleines Mädchen, das ihr Zeitgefühl völlig verloren hatte. Sie war verdreckt, orientierungslos und musste halb wahnsinnig geworden sein in der Einsamkeit und Stille. Klein-Link wusste nicht, wie lange sie schon hier herumirrte und er wollte sich nicht vorstellen, wie sie sich fühlte. Er kniete nieder, hatte unheimlich Mitleid mit ihr. Ihre blonden Haare waren zerzaust und die blauen Schleifen darin verschwunden. An ihrer Pluderhose liefen Maschen ab und ihre Weste war gerissen. Sie hatte ihre Arme schützend um ihren Kopf gelegt und wimmerte. Es schien beinahe so, als hätte sie in diesem Reich etwas erfahren, was ihr das Herz gebrochen hatte. Klein-Link fühlte sich überfordert und versuchte sie irgendwie aus ihrem lethargischen Zustand zu reißen: „Navi? Ich bin es, Klein-Link. Ich bin gekommen um dich abzuholen.“ Aber sie reagierte nicht. Sie tat so, als wäre er überhaupt nicht anwesend. Er legte eine Hand auf ihre rechte Schulter, als sie panisch um sich schlug und den Jungen ihre blanke Faust ins Gesicht rammte. Klein-Link entließ einen wütenden Brüller und hielt sich seine Nase. Verdammt, hatte die einen Schlag drauf, dachte er. Zum Glück blutete seine Nase nicht. „Navi! Du dumme Nuss“, schimpfte er, hüpfte auf die Beine und packte sie energisch an ihrem rechten Handgelenk. „Ich bin nur wegen dir hierhergekommen, also mach‘ jetzt nicht so einen Aufstand.“ Sie sagte nichts, aber wehrte sich auch nicht. Wimmernd ließ sie sich von Klein-Link hinterher zerren. „Wir müssen hier weg, ich kann es nicht leiden, wenn du dich so anstellst“, giftete er und packte sie umso fester am Handgelenk. Er war kaum zehn Meter gelaufen, als die einstige Fee aufgrund ihrer zitternden Knie zusammenbrach. „Das darf doch langsam nicht mehr wahr sein!“, schimpfte Klein-Link. Da machte er sich die Mühe sie aus diesem Reich der Unsterblichen herauszuholen, und sie benahm sich, als hätte sie ihren Verstand verloren. Ihm platzte der Kragen, als sie weiterhin winselte und sich nicht aufhelfen ließ. Er zerrte an ihren Armen, aber sie kreischte bloß, sodass er Angst bekam irgendwelche unheimlichen Kreaturen könnten durch ihre flehenden Rufe aus ihrem Versteck herausgelockt werden. „Navi!“, fauchte er, packte sie an ihren Oberarmen und blickte sie befehlend an. „Schau‘ mich an! Ich bin es, erkennst du mich nicht?“ Ihre Augen waren rot vor lauter Tränen und verquollen. Sie blinzelte. Aber der verwunderte Ausdruck in ihrem Gesicht sagte ihm, dass sie ihn einfach nicht verstand. „Erinnere dich. Wir sind zusammen auf einer Mission um die Erde zu retten. Erinnere dich an Link, den Helden der Zeit.“ Und erst dann war da ein kleines Funkeln in ihren giftgrünen Augen erkennbar. „Du weißt, wer Link ist, oder?“, fragte Klein-Link und hoffte, er könnte sie so aus ihrem Schockzustand lösen. Und endlich kam da eine einigermaßen vernünftige Reaktion von ihr. Sie nickte stumm. „Gut, dann werden wir jetzt hier verschwinden.“ Nach weiterem Hin und Her schaffte er es die einstige Fee Huckepack zu nehmen, auch wenn sie verdammt schwer war… aber so verhielten sich Helden nun mal, oder nicht? Schwerfällig setzte der Junge einen Fuß vor den andern, und hörte Navi leise wimmern. Sie murmelte unverständliche Dinge vor sich hin, bis er ihr Winseln verstehen konnte. Sie redete von Link, dem Helden der Zeit… „Wo ist er nur… Wo ist Linky…“, weinte sie und murmelte ununterbrochen seinen Namen. „Ich vermisse ihn so sehr…“ Klein- Link blieb stehen und stutzte. Es war eines der ersten Male, das Navi über seinen Vater reden wollte. „Weißt du… dass es wunderschön war mit ihm diese vielen Abenteuer zu erleben…“, schluchzte sie, halb wahnsinnig, halb depressiv. Aber es wirkte so, als löste sich die alte Fee allmählich aus ihrem Schockzustand… „Ich will ihn so gerne noch einmal sehen und ihm alles sagen…“ Und mit allem, dachte der Junge, wollte sie ihn wohl in erster Linie sagen, wie viel er ihr bedeutete. Das Götterkind hatte es schon manchmal gedacht. Navi und ihre schnulzigen Liebesromane im Haus der Götter. Dann ihr komisches Verhalten gelegentlich. Scheinbar liebte sie Link wirklich aufrichtig. Nur war sie damit sehr unglücklich, weil jener Heroe nichts von ihren Gefühlen erwidern konnte. „Du wirst ihn wiedersehen und ihm sagen können, das du ihn vermisst, garantiert“, meinte der Junge aufmunternd. „Du liebst den Helden der Zeit wirklich, oder…“ „Ja…“, sprach Navi mit ihrer piepsigen Kinderstimme und krallte sich noch fester in das Rückgrat des Jungen. „Bist du nicht wütend, weil er Zelda so innig liebt“, sprach er wissbegierig. Sie seufzte unter ihren Tränen. „Ich war es am Anfang… aber ich bin glücklich für ihn, weil er die Liebe gefunden hat, die er immer wollte. Weil Zelda ihn glücklich machen kann, bin ich es auch…“ Klein-Link lächelte. ,Das war unglaublich reif und edel von der einstigen Fee.‘ Bei all den Dingen, die er mittlerweile über menschliche Kommunikation und Gefühle wusste, ahnte er, dass es sehr weise und aufrichtig sein musste, über den eigenen Schatten zu springen und sich für den, den man liebt, aber mit dem man nicht gemeinsam durchs Leben gehen kann, noch zu freuen… „Mann, Navi“, meinte er dann grinsend und versuchte sie ein wenig aufzuheitern. „Du bist echt schwer… und fett.“ Sie verzog ihr Kindergesicht und wurde knallrot im Gesicht. „Ich geb‘ dir gleich, schwer und fett. Weißt du, was du bist?“ Sie war unheimlich erbost wegen seiner Bemerkung. „Nein, was bin ich?“ Er lugte zurück über seine Schulter und lachte. „Du bist verdreckt und stinkst wie Schimmelkäse…“, maulte sie. Verärgert ließ er sie los und tatsächlich stand sie halbwegs auf ihren zitternden Beinen. Er rechtfertigte sich, fühlte sich unglaublich wütend, weil sie seine Eitelkeit in Frage stellte: „Das kommt nur von dem Labyrinth“, erklärte er. „Jaja“, kicherte sie und wedelte mit den Händen. Wütend starrte er sie an und verschränkte die Arme. „Das ist das letzte Mal, dass ich deinen Hintern rette, du billige Pute“, knurrte der Junge. Aber sie lachte wieder. „Es ist schon gut. Du hast mich aus meinem Schock herausgebracht, danke.“ ,Sie hatte sich gefälligst bei ihm zu entschuldigen‘, dachte er grantig. Einen blöden Dank konnte sie sich sonst wohin schieben. Er legte sehr viel Wert auf Körperpflege und ließ sich nichts anderes unterstellen. Genervt ballte er seine Fäuste. „Jetzt verrate mir aber mal, wie du es geschafft hast, mich hier zu finden?“, meinte die einstige Fee und kratzte sich verwundert an ihrem Kinn. „Da war so ein verkalkter, muskulöser Kämpfer mit einer merkwürdigen doppelten Klinge“, begann der Junge zu erläutern. „Er hat mich hierher geführt, nachdem mir eine weitere Zelda das Portal geöffnet hat. Aber das erkläre ich dir alles später…“ Als er von Itrey Defice zu reden begann, wurde Navi schlichtweg käseweiß im Gesicht. Sie stutzte und wand ihm den Rücken zu. Etwas ratlos, was Navis merkwürdige Reaktion bedeuten mochte, murmelte Klein-Link unsicher: „Ist das irgendwie ein Problem?“ Er kratzte sich verblüfft an seiner verdreckten Stirn und rückte seine grüne Mütze zurecht. „Nein“, erwiderte sie flach. „Warum bist du dann so komisch?“ „Ich bin nicht komisch, das bildest du dir nur ein“, giftete sie und drehte sich zu ihm. Er konnte sehen, dass ihre Augen gläsern waren, aber einfach nicht verstehen, was los war. Er zwinkerte. „Sicher, dass alles in Ordnung ist?“ Sie wedelte abtuend mit ihren Händen. „Hör‘ auf so blöd daher zu reden, bring‘ uns lieber hier heraus.“ Er nickte misstrauisch. „Bist du auch dem unsterblichen Kämpfer begegnet?“ „Ja…“, murmelte sie und es wirkte fast so, als würde sie es bedauern. „Er ist irgendwie unsympathisch und so menschlich wie ein Mythenstein“, maulte der Junge und gähnte. „Hast du den Unsterblichen nicht erkannt?“, fragte Navi trübsinnig. Denn sie hatte einen Verdacht über die wahre Natur jenes Unsterblichen. Jener verdrießliche Kerl hatte sie an diesen Ort gebracht, nachdem sie sich ohnehin hier verlaufen hatte und beinahe wahnsinnig geworden wäre. Und er hatte ihr etwas mitgeteilt, was sie dem Götterkind nicht sagen wollte… „Nein, sollte ich den Typen etwa kennen?“ „Wie hat er sich bei dir vorgestellt?“ „Eigentlich fast gar nicht, lediglich als Itrey Defice“, meinte Klein-Link widerwillig. Es nervte ihn, dass Navi ihm Gegenfragen stellte. Navi jedoch grinste makaber. War dem Götterkind nicht aufgefallen, dass der Name etwas schräg klang? Kaufte Klein-Link dem Kerl dies wirklich ab? Sie lachte albern. Nun ja, dieses Geheimnis sollte der Junge aber alleine herausfinden. „Beim Triforce, ich hab‘ Hunger…“, maulte sie schließlich und versuchte das Thema zu wechseln. „Ich auch…“ „Dann sollten wir allmählich hier verschwinden.“ Doch in dem Augenblick konnte Navi hinter dem jungen Weltenwanderer etwas Verdächtiges erkennen. Es war ihr vertraut, dieser Schatten hatte sie verfolgt und sie hatte diese Energie bereits einmal auf ihrer Reise mit dem Helden der Zeit spüren können. In einem unbedachten, trügerischen Augenblick, noch ehe Navi ihren Gedanken zu Ende spinnen konnte, türmte sich hinter dem werdenden Helden eine schattenhafte Masse auf. Jemand leistete ihnen eine verräterische und grausame Gesellschaft. Jemand war seit Anbeginn seines Eintritts in das Götterreich dicht auf ihren Fersen. Und er war niemandes Freund und niemandes Herr. Er wählte immer nur seinen eigenen Weg, wählte das Gute, wann es ihm beliebte und das Böse, wann er sich schelmisch an jenem ergötzen konnte. Navi stieß einen gellenden Schrei aus und grabschte den Heroen gewaltsam am linken Arm, der ohnehin schmerzte. Mit einem heftigen Ruck drückte sie den Jungen zur Seite. Überfordert sah der Weltenwanderer um sich, blickte von Navis schockiertem Gesicht zu einer Gestalt, die sich sicherlich nicht mit ihnen beiden anfreunden wollte. Vor ihnen grinste gehässig und sehr siegessicher ein närrischer, grausamer Junge. Pechschwarze Haarsträhnen bedeckten rubinrote Augen, die einen vergangenen Zauber in ein porzellanweißes Gesicht brachten. Eine schmutzige Tunika bedeckte die Gestalt, die genauso groß wie Klein-Link war. Überhaupt besaß er dieselben Proportionen, dieselbe Figur. Er grinste unmenschlich, zerrte seine Mundecken weit in die Breite und stützte sich auf das dunkle Schwert, das er bei sich trug. Er verdrehte halb seinen Nacken, sodass es knackte und winkte dem Jungen auffordernd zu. „Klein-Link! Lauf weg!“, kreischte Navi und versuchte selbst ihre Beine unter die Arme zu nehmen. Aber der Junge reagierte nicht auf sie. Er erhob sich todesmutig und zog sein Schwert. „Bist du noch zu retten, Klein-Link! Du schaffst das nicht! Das ist Schattenlink!“ „Wenn ich jetzt weglaufe, bin ich nicht mehr wert als ein Feigling. Wenn ich wirklich der Sohn von Link und Zelda bin, dann muss ich das auch beweisen. Sie würden sich für mich schämen, wenn ich nicht in der Lage wäre meinen eigenen Schatten zu besiegen!“ Navi glotzte verdattert drein, und kaute an den Fingernägeln ihrer rechten Hand. Seinen Dickschädel hatte er wohl von seinen Eltern. Und wenn sich Link oder Zelda etwas in den Kopf gesetzt hatten, dann würden sie beide nicht eher Ruhe geben, als diese Sache erledigt war. Navi sah sehr schnell ein, dass es nichts brachte mit Klein-Link zu diskutieren. Und es brachte nichts ihn von seinem Vorhaben abzubringen. „Außerdem schätze ich, dass wir nicht eher gehen können ehe ich ihn besiegt habe…“, sprach der Junge gefasst. Er erinnerte sich an seine drei Prüfungen und eine stand immerhin noch aus. Navi tapste unsicher und etwas zittrig zurück, wusste sie doch, dass sie in ihrem schwerfälligen Kinderkörper keine Chance gegen ein Schattenwesen hatte. „Da magst du recht haben…“, murmelte sie und sackte vor Angst zusammen. Furchtsam hockte sie auf der Straße und beobachtete den Kampf wachsam. „Ich hab‘ vor einer Zeit bereits viel gefährlichere und dümmere Dinge getan“, schmunzelte Klein-Link und erinnerte sich schwach an die Mission seiner Eltern. Den Aufenthalt in Ganondorfs Kerker hatte er auch überstanden. Dann würde er den Kampf gegen Schattenlink jawohl ebenfalls meistern können. Er versuchte etwas zu grinsen und blickte dann kurz zu der Brücke, welche ihren Fluchtweg darstellte. Tatsächlich war diese durch eine energetische Barriere versperrt. Der werdende Heroe atmete tief durch, besann sich auf seine Ziele, die er für Hyrule besaß. Er wollte um jeden Preis sein Recht einfordern, ebenfalls geachtet zu werden. Er wollte seinen zukünftigen Eltern beistehen und irgendwann einen tieferen Sinn für sein Dasein finden. Und er wollte kämpfen, mit allem, was er hatte. Das Schattenwesen schien sich zu freuen. Er winkte Klein-Link noch einmal zu, herausfordernd und verächtlich. Er leckte sich mit einer schneeweißen Zunge über seine blassen Lippen, warf die Hülle seines Schwertes zur Seite und ließ die scharfe, schwere Klinge klirrend niedersinken. „Bist du wirklich Narr genug gegen mich anzutreten“, lachte er in einer unmenschlich tiefen Stimme. „Ich bin dein Schatten, ich weiß, dass du noch keinen wirklichen Schwertkampf gemeistert hast.“ „Na und?“, rief der Weltenwanderer. Vielleicht war dies richtig, aber er hatte mit seinem Vater, und auch mit Rinku trainiert. „Das ist schon einfältig. Denkst du wahrlich, du kannst mit einem Schwert umgehen, nur weil dein Vater gerne damit herumspielt?“ Erbost hielt Klein-Link die Waffe von sich gestreckt und tapste langsam näher, zielsicher und bewusst. „Was soll das nun wieder sein? Ein läppischer Versuch so etwas wie Beinarbeit vorzuführen. Du bist nicht nur schwach, sondern auch tollpatschig.“ Der Schatten lachte wahnsinnig auf und schien sich zu amüsieren. „Damit beleidigst du deinen Vater!“ Klein-Link knurrte wie ein Hund auf diese Bemerkung, ließ sich provozieren und rannte angestachelt näher, führte das Schwert mit sich, aber er war nicht schnell genug. Mit einer flinken Bewegung huschte der Schatten zur Seite und das Schwert des werdenden Heroen knallte wuchtig auf den Erdboden. Erschrocken blickte der Junge um sich, versuchte seinen Gegner weiterhin im Auge zu halten und rückte in Angriffshaltung. Der Schatten hob sein Schwert an, grinste tückisch und leckte über den dunklen Stahl. Er summte eine wahnsinnige Melodie, eine Palette an Tönen, die keinerlei Sinn ergab und tänzelte näher. Verspielt führte er die Waffe mit sich und griff Klein-Link endlich an. Der Schatten biss sich auf die Lippe, bis schwarzes Blut tropfte, und stieß mit einer heftigen Sprungattacke auf den ungeübten Jungen nieder. Aus Reflex hielt Klein-Link seine Waffe horizontal in die Höhe. Und auf seinen gesunden, weißen Stahl donnerte die gewaltige Kraft des dunklen Schwertes. Der Stahl in seinen Händen vibrierte. Es schmerzte elend. Er versuchte seine Konzentration zu halten, nicht nachzugeben und spürte, wie ihn seine Kräfte mehr und mehr geraubt wurden. Sein Schwert rieb mitleidlos an jenem des Schattens. Es knirschte in den Händen und brannte. Der Junge hätte niemals geahnt, dass zwei Schwerter, die um den Sieg rangen, die mit gewaltigen Kräften aneinander stießen, so mitreißend und so unglaublich kraftraubend sein konnten. Mit einem verzweifelten Schrei riss er seine Waffe herum, begrub die dunkle Klinge unter sich und grinste seinem Gegner überlegen in die teuflischen blutroten Augen. „Was sagst du jetzt, blöder Schatten!“, giftete er. Doch der Schatten grinste ebenfalls, hob lediglich sein Knie und verpasste dem siegessicheren Blondschopf einen gemeinen Tritt in seine empfindliche Magengegend. Klein-Link wusste nicht, ob sein schmerzverzerrtes Stöhnen oder der entgeisterte Schrei von Navi schlimmer in seinen Ohren hallte. Benommen sackte er zu Boden, wich gerade noch einem weiteren Hieb aus und rollte sich nach hinten. Navi schrie ein weiteres Mal und schaute dann ängstlich weg. „Du bist unfähig und täppisch“, schnalzte die Geburt aus den Schatten und kicherte. „Wenn das dein Vater herausfindet, wird er sich fragen, ob du wirklich sein Kind bist.“ „Du elender…!“, murrte der Junge und griff seinen Widersacher ein weiteres Mal an, vollführte einige heftige, aber unüberlegte Schläge mit dem Schwert und ließ sich auf ein gefährliches Spiel ein. Der Schatten blockte überlegen, grinste selbstsicher und führte sein dunkles Schwert mit einer schnellen und gezielten Attacke gegen den Heroen und traf ihn quer über der Brust und an seiner linken Wange. Klein-Link brüllte aus Leibeskräften, torkelte benommen zurück und hielt sich seine blutende Brust. Der dunkle Stahl des Schwertes hatte sogar an einigen Ecken das rostfarbene Kettenhemd angerissen. Die Wunde war nicht tief, aber brannte wie Feuer. Auch Navi schrie gequält auf. Sie kaute an ihren Fingernägeln und rief zu ihrem Schützling hinüber: „Lass dich nicht provozieren, bitte Klein-Link, versuch‘ seine Worte zu überhören!“ „Misch‘ dich verdammt nochmal nicht ein, du einstige Glühbirne!“, brüllte der Angesprochene mit seiner hohen Kinderstimme. Sie erhob sich, schüttelte ihren Kopf, sodass ihre blonden Zöpfe pendelten. „Klein-Link, ich mische mich nicht ein. Ich will dir nur helfen“, rief sie entrüstet und konnte nicht glauben, was für ein Sturkopf Klein-Link doch war. „Wenn du mir helfen willst, dann sag‘ mir, wie es sein kann, dass mein eigener Schatten stärker ist als ich?“ „Es liegt an deiner Unsicherheit und Angst. Der Schatten nutzt deine Schwächen zu seinem Vorteil. Versuche standhaft zu bleiben, konzentriere dich.“ „Das ist leichter gesagt als getan, blöde Schnepfe!“, brummte der Junge und hielt weiterhin seine rechte Hand über die leicht verletzte Brust. Navi schluckte bloß, war gekränkt durch seine Worte, und starrte hilflos zu dem Monster, das sich an Klein-Links Zweifeln ergötzte. Einmal mehr kicherte Schattenlink und seine rubinroten Augen funkelten bedrohlich. Er ließ sein Schwert raffiniert und demonstrativ durch die Lüfte wandern, beleidigte seinen Kontrahenten mit einer Technik, von der Klein-Link nicht wusste, dass er sie beherrschte. Und es erzürnte ihn. Es demütigte ihn maßlos zu sehen, wie sein eigener Schatten mehr Macht und Talent im Schwertkampf besaß als er selbst. „Das kann doch langsam nicht mehr wahr sein!“, brüllte er und ließ sich immer weiter provozieren. Fuchsteufelswild stapfte der Junge mit seinen blutbeschmierten Händen näher und griff seinen Schatten ein weiteres Mal an. Die Klingen verhedderten sich, vibrierten, knallten mit klirrendem Gesang aneinander. Und diesmal gab Klein-Link nicht nach. Mit neu entfachtem Ehrgeiz konzentrierte er sich, ließ sich nicht täuschen und versuchte die Angriffe zu blocken oder ihnen auszuweichen. Und einmal mehr rieben die Waffen aneinander, rangen um den Sieg und um die Freiheit. Und gerade, als der grünbemützte Junge spürte, dass ihn seine Kräfte mehr und mehr verließen, war da ein neues, eigentümliches Gefühl, dass sich in seinen Gliedern ausbreitete. Für einen kurzen Moment hatte er das Gefühl ein Stromstoß durchfuhr seinen Körper, eine erschreckende Berührung, als spielte ein weiteres Wesen mit ihm. Noch ein Stromschlag… und noch einer… Und für einen kurzen Augenblick, nicht lang genug, dass es Navi oder Schattenlink bemerken konnten, leuchteten seine himmelblauen Augen in einem Feuer, das nicht typisch für Klein-Link war, aber typisch für einen anderen Helden. Etwas benommen torkelte der Junge zurück, griff sich mit der rechten Hand an seine Stirn und starrte entsetzt zu Navi und dann verzweifelt in den Himmel. Und es war dann, dass der Held, als er realisierte und erschauderte, in einer mutigen und reifen Weise das Schwert schwang. Das Schwert blitzte auf, als hätte Klein-Link sein Leben lang nichts anderes getan. Und als der Schatten nachgab, sein Kontrahent einem Triumph näher kam, zogen sich die blassen Lippen des Schattens tückisch in die Breite. Er schnippte mit den Fingern seiner freien Hand und verschmolz in Sekundenbruchteilen mit dem festen, felsigen Grund. Ungläubig starrte das Götterkind zu dem Fleck, an welchen Schattenlink verschwunden war und fixierte schließlich Navi, die geschockter aussah als er selbst. „Wo ist er hin?“, rief sie, hüpfte auf ihre schlaksigen Beine und blickte nervös um sich. „Woher soll ich das wissen, du hirnlose, ehemalige Fee“, fuhr Klein-Link seine Begleiterin an und schüttelte sofort wieder schuldbewusst seinen Schädel. Gerade da schien der Junge zur Besinnung zu kommen, presste seine freie Hand auf die Stirn und kam sich vor, als hätte etwas anderes in ihm die Kontrolle übernommen. „Sorry“, murmelte er. Navi seufzte bloß. Der Junge konnte unheimlich gemein werden, wenn er wollte. Etwas gekränkt blickte sie zu der energetischen Barriere, die sie beide an dem Weg hindern würde. Schattenlink musste hier noch irgendwo sein, sonst würde sich die Barriere auflösen. „Ich kann verstehen, dass du gereizt bist, aber das bringt dich nicht weiter. Versuche dich von deinen Emotionen nicht so stark leiten zu lassen. Das wird dir mehr schaden als nützen.“ Der Junge atmete tief durch, räusperte sich und biss sich auf die Lippe. Selbst Navis besserwisserische Kommentare waren ihm im Augenblick zu viel und ließen sein Blut wallen. Sie hatte leicht reden! Sie saß bloß daneben und schwang großartige Reden. „Kannst du den Dämon hier irgendwo spüren?“, murmelte die einstige Fee hoffend und blickte sorgenvoll in Klein-Links himmelblaue Augen. Er schüttelte banal seinen Kopf, erinnerte sich aber an die Worte des eigentümlichen Mädchens von vorhin. Sie hatte ihm auf eine sehr direkte Weise klar gemacht, dass er die Sinne dazu hatte, aber scheinbar ignorierte. Er wusste einfach nicht, wie das funktionieren und wie er einen geheimen Spürsinn überhaupt aktivieren sollte. Ja, er hatte mit dem vermeintlichen Harkenia trainiert und auch seine Sinne geschult, aber er steckte schlichtweg noch in den Anfängen fest. Es war nicht so einfach sich auf seine Intuition zu verlassen. „Klein-Link! Konzentriere dich, du müsstest den Schatten eigentlich wahrnehmen können. Das beherrschen alle Helden!“, rief Navi und schaute kummervoll zu den verlassenen Gebäuden. „Ja, toll… Wirklich toll, wenn das alle können, ich kann es aber nicht! Hör‘ auf mit deinen neunmalklugen Kommentaren, du dicke, eingebildete Kuh“, murrte der Junge und hatte das Gefühl immer mehr die Schnauze voll zu haben. Er war nun mal nicht der Held der Zeit oder ein anderer auserwählter, starker Mann. Er war ein Kind! Und schließlich ein Kind, das nicht wusste, wie man wirklich lebte, wie man sich tatsächlich verhalten sollte. „Aber auch du bist ein Held Hyrules…“, sprach Navi dann leiser. Es schien, als glaubte sie nicht einmal ihren eigenen Worten. Und Klein-Link spürte das und fühlte sich noch entmutigter als vorher. Er winkte ab und wollte diese nervtötende Unterhaltung beenden. „Ich werde mich bei den Häusern und Gassen umsehen…“, murmelte er und hastete vorwärts. Mitfühlend blickte die einstige Fee ihrem Schützling hinterher und sie lächelte gezwungen. ,Auch der Held der Zeit hatte Zweifel‘, dachte sie. Jeder Held hatte diese. Es war nur natürlich und richtig. Erst an seinen Zweifeln würde Klein-Link reifen. Ja, er war seinem Vater ähnlicher als er dachte, bis auf diese entsetzlichen Gemeinheiten. Und Navi erinnerte sich. Es gab den einen oder anderen Moment damals, als sie mit Link unterwegs war und seine Zweifel spürte. Aber er hatte diese alle bekämpft. Wenn das Götterkind reifen konnte, dann nur indem es Zweifel besiegte. Und er würde erst fallen müssen, ehe er seine wahre Stärke fand… Und versteckt auf einem der zerrütteten Häuser saß ein bunt gekleidetes Mädchen, sah dem Schauspiel neugierig zu, pendelte mit den Beinen und kicherte. ,Das hat ja für den Anfang ganz gut funktioniert‘, dachte sie spielerisch und schnipste mit den Fingern, bis sie sich teleportierte. Navi wartete einige Minuten, kaute auf ihrer Lippe vor Nervosität, lief hin und her und fragte sich, ob es richtig war, den Jungen alleine loszuschicken. Sie entschied sich gerade ihm hinterher zu gehen, als der grünbemützte Blondschopf ratlos um eine Häuserecke schlich und mit seinen Schultern zuckte. „Ich bin mehrmals die Straßen abgelaufen, aber ich konnte den Schatten nirgends finden.“ „Meinst du, er hat aufgegeben?“, äußerte sich Navi verdutzt. „Das kann ich mir ehrlich gesagt, nicht vorstellen. Das war die bescheuertste Frage, die du mir jemals gestellt hast“, antwortete Klein-Link verdrießlich und ließ sich erschöpft niedersinken. Er hatte genug von dieser Mission, fühlte sich müde und seine Wunden brannten etwas. Und ihn beunruhigte das Gefühl von vorhin. Er hatte für einige Sekundenbruchteile das Gefühl gehabt, er wäre eingeschlafen, fast so, als hätte sich sein Bewusstsein abgeschaltet. Er hatte sich teilweise wie zu dem Zeitpunkt in Hyrulia gefühlt, als er aus unerklärlichen Gründen verblasst war, nichts mehr spüren konnte und auch andere ihn vielleicht nicht mehr sehen konnten. Er trank einen Schluck Wasser und reichte seiner Begleiterin die Flasche. Doch Navi kam nicht dazu sich einen Schluck zu gönnen. In einem unbedachten, kurzen Augenblick türmte sich Klein-Links Schatten erneut vor ihnen auf, ließ seine schwere Stahlklinge augenblicklich niederkrachen, sodass der Boden bebte. Navi wurde durch die Wucht der magischen Attacke zurückgeschleudert und lag benommen wenige Meter weiter. Klein-Link hatte sich im letzten Augenblick zurückgerollt, fixierte kurz das blonde, bewusstlose Mädchen hinter ihm und sogleich seinen Widersacher. „Du bist ein feiger, lächerlicher Schatten! Kehre zurück, wo du hingehörst, und zwar zu meinen Füßen!“, brüllte der Junge, zog erneut seine Waffe und blickte hinter den Schatten. Die steile Felsenklippe war nicht weit entfernt. Und als er einschätzte, wie nah das Ufer nur noch war, hatte er eine eigenwillige, aber wohl wirkungsvolle Idee. Diesmal war es das Götterkind, das breit grinste und er war es auch, der den Schatten nicht den ersten Schritt überlassen würde. Es war Zeit die Wirbelattacke, die Rinku ihm beigebracht hatte, auszutesten… Er verwickelte den Finsteren ein weiteres Mal in ein gefährliches Klingenspiel, nahm in Kauf erwischt zu werden, spürte, wie die Klinge an seiner Schulter entlang schnitt. Der Junge schrie markerschütternd auf, aber versuchte durchzuhalten, immer weiter zu kämpfen, für die Ideale und die Ehre, die er sich erarbeiten wollte. Für das Recht, ein Held zu sein… Die Waffen prallten entsetzlich aneinander, rieben, zerstörten und forderten Tribut. Mit einer flinken Bewegung rollte sich der Schatten zur Seite, türmte sich mit giftigem Gelächter hinter dem Jungen auf, bereit zuzustoßen. Klein-Link reagierte geistesgegenwärtig, drehte sich geschwind um seine Achse, blockte geradeso. Und es war dann, dass der Schatten ein weiteres Mal bestialisch kicherte, einen Dolch in seiner rechten Hand manifestierte und mit jener den Kampf besiegeln wollte. Kreischend umfasste Klein-Link die Waffe mit seiner rechten Hand, spürte, wie sich der Dolch in seine Haut grub, Adern und Sehnen durchtrennte und auf Knochen stieß. Der Junge schrie so laut, dass auch Navi davon aufgeschreckt wurde. „Verdammter Schatten!“, brüllte der Weltenwanderer schmerzverzerrt, drückte gegen Schattenlinks Zugriff, und stieß mit einem energischen Kampfschrei das Schwert aus des Dämons Händen. Den Ausdruck in den teuflischen, rubinroten Augen des Dämons würde der Junge niemals mehr vergessen. Er hatte noch nie eine Kreatur entsetzt und ängstlich drein schauen sehen. Aber Klein-Link wusste, dass er es jetzt beenden musste, dass er schnell reagieren musste. Er rollte sich dann ebenfalls zur Seite, hüpfte hinter dem Dämon auf die Beine und vollführte endlich die eine Attacke, die er sich während des gesamten Kampfes aufgespart hatte. Mit einer kleinen, aber wirkungsvollen Wirbelattacke stieß er seinen Kontrahenten vorwärts, verletzte ihn bitter und ein feiner, silberner Schweif, nicht mehr als ein erster Versuch Magie einzusetzen, entschwand der teuren Waffe und versetzte den finalen Schlag. Mit einem tiefen Gebrüll fiel der lichtscheue Gegner in sich zusammen und stürzte über die Klippe… Ungläubig starrte Klein-Link in den unendlich scheinenden Sternenabgrund und sah die Überreste des Schattens in der Dunkelheit versinken. Erst als er von Schattenlink nichts mehr sehen konnte, atmete er tief ein und sank auf seine Knie. Er atmete so hastig, als hätte er für viele Minuten die Luft angehalten und spürte erst jetzt, wie sehr ihn diese Reise mitgenommen hatte. Sein Körper zitterte, als wäre er an einem Stromkabel angeschlossen. Und ihm wurde kalt und übel… Plötzlich spürte er eine warme Hand auf seiner Schulter. Es war Navi, die sich von dem Angriff erholt hatte. „Das war gut… du hast tatsächlich Heldenblut in dir“, sprach Navi bewundernd. „Aber du siehst übel aus“, setzte sie hinzu. Er verdrehte die Augäpfel. ,Das musste sie ihm nicht noch sagen, das wusste er auch so. Wirklich eine tolle Hilfe war diese einstige Glühbirne…‘ Sie half ihm auf die Beine, auch wenn er weiterhin torkelte. Er seufzte, wollte nur noch in ein Bett oder zurück in die Gärten des Lebens im Hause der Götter. Er hatte mehr als einmal in jenen goldenen, magischen Gärten verschlafen… Gerade da löste sich die energetische Barriere vor der Brücke und machte den Weg passierbar. Erleichtert blickten die beiden zu ihrem Rückweg. „Gut, dann mal raus hier…“, murmelte Klein-Link und ließ sich von Navi stützen. Schwerfällig tapsten die beiden vorwärts, als sich die dichten Nebelschwaden, die einen großen Teil des heiligen, alten Reiches verhüllten, endlich zurückzogen. Landschaften mit gigantischen Bergen zeigten sich, an denen gefährliche Wasserfälle hinab rauschten. Riesige Städte aus Gold. Drachen und große Vögel, auf denen Götter ritten. Navi und Klein-Link erblickten das alte Reich von weitem, und dennoch reichte ein Blick so entzückt und fasziniert zu sein, sich zu wünschen, nur ein einziges Mal- und wenn es das Leben kostete- jene göttlichen Gefilde zu erblicken… „Das ist wunderschön…“, murmelte die Fee, beobachtete einen goldenen Morgen, der über das Götterreich mit seinen hohen Festungen, riesigen Brücken und sauberen Städten fiel. „Ja, das ist es…“, flüsterte Klein-Link, hatte für einen Augenblick seine Erschöpfung völlig vergessen. „Du wirst eines Tages noch einmal dorthin reisen“, meinte die Fee ruhiger. Ein trauriger Unterton ließ den Jungen sich wundern. Er musterte seine Begleiterin nachdenklich. „Itrey Defice, der Unsterbliche, der uns beide hier besucht hat, sagte mir dies. Er kann Menschen wie dich oder mich scheinbar nicht leiden, aber er meinte, er würde dich unterstützen“, sagte sie trübsinnig und wand dem Jungen den Rücken zu. „Er ist also einer von den Guten, richtig…“, seufzte der Bursche. Er schloss kurz die Augen und versuchte Navis plötzliche Melancholie zu ignorieren. Er hatte genug von negativen, traurigen Gefühlen, und wollte im Augenblick einfach nicht wissen, was in ihrem Kopf vor sich ging. Außerdem war sein Körper fix und fertig… „Ja, er brachte mich aus der Stadt heraus, und er half mir vor dem Wahnsinn. Das, was man in diesem Reich fühlen und erkennen kann, ist nicht für sterbliche Köpfe gemacht. Wenn man nicht geschützt ist, zerreißt es sterbliche Gedanken und Emotionen und es verändert sterbliche Körper…“ Sie stutzte plötzlich, schien bemüht sich zusammenzureißen und redete abtuend weiter. „Du bist göttlicher als du vermutest, Klein-Link, sonst könntest du es hier nicht aushalten. Du wärst wahnsinnig geworden und dein Körper hätte sich verändert…“ Er nickte, war zwar verwundert über diese Neuigkeiten, aber er konnte Navi einfach nicht mehr zuhören und nicht verstehen, worauf sie hinauswollte. Sein Körper hatte sie nicht verändert und ihrer doch auch nicht. Was also diskutierten sie hier noch? Er wollte nur in ein Bett. Genervt und deutlich erschöpft stapfte der Junge vorwärts, spürte seine Knie zittern und seine Wunden brennen. Navi blickte ihm sorgenvoll hinterher. Er verstand ihren Wink nicht, wie sollte er auch... Zielstrebig marschierten die beiden Kinder weiter über die Brücke, bis sich vor ihnen eine vertraute, gleißend weiß schillernde Pforte mit dem Wappen der Königsfamilie auftat, die sie zurück in den Glaspalast bringen würde. Sie zögerten nicht, ließen mit dieser Welt ein weiteres Abenteuer hinter sich. Wenige Minuten später traten Navi und Klein-Link durch die Heilige Pforte am Glaspalast und waren überglücklich die Sonne wieder zu sehen. Zeruda hatte noch immer gebetet, reagierte dennoch sofort mit einem zögerlichen Lächeln, als sie den jungen Weltenwanderer entdeckte. Sie hastete näher, kniete nieder, tupfte besorgt über Klein-Links zerrissene Tunika und begutachtete die Wunde auf seiner Brust. Sofort umwickelte sie die rechte, verletzte Hand des Jungen mit einem Leinentuch. Erst dann begrüßte sie Navi standesgemäß und reichte ihr die Hand. Der Fee entging nicht, wie mütterlich sich die Hylianerin dem Götterkind gegenüber verhielt. „Ihr seid also Zeruda, eine erste Prinzessin Zelda“, entgegnete Navi verwundert und war etwas neidisch, dass auch diese Zelda wunderschön war. „Zumindest in dieser Zeitlinie… Hyrules Geschichte ist noch wesentlich verworrener als es Euch bekannt ist, Fee Navi. Aber Erklärungen schieben wir vorerst auf. Lasst uns zurück in die Nordstadt reiten.“ Sie musterte sie mit einem intensiven und zugleich mitleidigen Ausdruck in ihrem makellosen Gesicht. Zögerlich strich sie über Navis Stirn. Sie streichelte ihre Haut, als wollte sie sie segnen. Als Zeruda ihre Augen schloss und sich abwendete, hatte Navi ihre Reaktion verstanden. Zeruda hatte sie schon lange durchschaut und etwas gesehen, dass Klein-Link nicht sehen konnte… Und es war dann, dass Klein-Link, glücklich Navi aus dem Reich der Götter gerettet zu haben, aber unheimlich verausgabt auf seinem Pferd angelehnt an seine Feenbegleiterin, in einen erholsamen Schlaf fiel… Kapitel 149: Ein vergessenes Schicksal... Teil 7 ------------------------------------------------ Soooo, ein unglaublich heftiges Danke an alle Leute, die NeS jemals gelesen haben... aber jetzt ist es endlich an der Zeit, dass die Story erst einmal auf Eis gelegt wird. Dieses Kapitel ist vorerst das letzte von Klein-Links Mission und dann... soll diese Fanfic endlich komplett überarbeitet werden. Jap, die Story verdient es, dass schlechte Dialoge, sowie unlogische Ereignisse bearbeitet werden, was ich hiermit tue. Ich freue mich euch als Leser Schritt für Schritt neue, verbesserte Kapitel zu präsentieren und hoffe, ihr findet Gefallen daran. Klein-Links Mission wird außerdem in diese riesige Fanfic besser eingebracht werden, was ich unglaublich fantastisch finde. Also, bitte bleibt dran und freut euch mit mir darüber, dass NeS reifen wird und endlich das bekommt, was es verdient! lg Line _____________________________________________ Ein vergessenes Schicksal… Teil 7 Kurz vor einem glühend roten Sonnenuntergang, der den Horizont blutig malte, wurde die Rückkehr Zerudas im Königsschloss erfreut begrüßt. Sie zeigte sich nicht in ihrer Kämpfermaskerade, sondern ritt in ihrer meerblauen Robe mit hohem Stehkragen über den Marktplatz. Die Hylianer, die heiter gestimmt und völlig zufrieden ihren täglichen Aufgaben nachgingen, sahen auf und lächelten als die zukünftige, erste Königin entlang ritt. Sie liebten ihre Regentin für alles, was sie an Hoffnung und Opfer in diese Welt gesteckt hatte. Und jeder wusste, was Zeruda auf sich genommen hatte. Auch Navi, die mit einem schlafenden Götterkind hinter der stolzen Adligen anschloss, wusste dies. Sie kannte Geschichten über Zeruda, auch wenn sie vorher nicht wusste, wie viel sie und Rinku mit dem Heldenpaar zu tun hatten, das sie kannte. Und sie beneidete Zeruda beinah höllisch… weil sie geachtet wurde, weil sie gesehen und verstanden wurde. Und weil es diese wunderbaren, friedvollen Hylianer gab, die immer zu ihr aufsehen würden. Seufzend ritt Navi hinter der Prinzessin her, fühlte sich etwas verloren und leer, wusste sie doch, dass etwas bevorstand, dem sie sich stellen musste. Im Innenhof des Schlosses angekommen, traf die einstige Fee den scheinbaren Bruder Zerudas. Harkenia, der I, der sofort niederkniete und ihr eine Hand reichte. Sie konnte eine Form von Wärme in seinen Augen erkennen, ein angenehmes Licht, das aus den dunkelblauen Seelenspiegeln hervortrat. Und dieses Licht war das einzige, was ihr half sich etwas wohler und besser zu fühlen. „Ihr seid das Mädchen, für das Klein-Link den Ausflug in das vergessene Reich unternommen hat. Ihr müsst sehr wichtig für ihn sein“, sprach er. „Mein Name ist Harkenia, zumindest für alle, die das Geheimnis nicht kennen“, setzte er im Flüsterton hinzu. „Ihr wisst Bescheid?“ Navi nickte nur, wurde bereits vorher von Zeruda über alles Wichtige informiert, wand sich ab und blickte erneut zum bewusstlosen Götterkind. Mittlerweile hatte Zeruda ihn auf ihre Arme genommen und trug ihn ohne ein weiteres Wort in das Schlossgebäude. „Ihr müsst müde und hungrig sein nach der langen Reise und Fragen haben“, meinte der verborgene Rinku. Navi schüttelte den Kopf. „Hungrig und müde, ja, aber Fragen habe ich wenige. Ich weiß, was in dieser Zeit geschehen ist und was geschehen wird, da ich im Haus der Götter und dessen riesiger Bibliothek viele Geschichten lesen konnte. Und ich weiß auch, welcher Krieg der letzte war bisher.“ Sie sprach ihre Worte klar und beherrscht, bemühte sich, die Verzweiflung, die sie im vergessenen Reich erfahren hatte, nicht zu zeigen. „Dann wisst Ihr ebenso um die Schlacht der Engel vor zwanzig Jahren?“ Navi nickte. „Das ist äußerst aufschlussreich“, erwiderte er neugierig. „Folgt mir bitte.“ Navi trottete daraufhin nachdenklich hinter dem Monarchen her und ließ sich ihr Zimmer zeigen. Es war ein ruhiges Zimmer im Ostflügel, nicht weit entfernt von der Kammer des Weltenwanderers, was Navi beruhigte. Sie spürte, dass sie die Nähe des Jungen suchte, vielleicht weil er sie trotzallem an den Helden der Zeit erinnerte. Und weil jener der einzige war, von dem sie sich Beistand erhoffte. Es gab einige Dinge zu besprechen, vor allem aber das, was Navi bisher verschwieg… Sie konnte in Ruhe eine wärmende Mahlzeit zu sich nehmen, schaute nach Klein-Link, der noch immer schlief und vermied den Kontakt zu Zeruda oder Rinku. Sie wollte lediglich mit Klein-Link über ihre Bestrafung im Götterreich reden und mit niemandem sonst. Und es war dann, dass eine kühle, strenge Nacht über Hyrule hereinbrach. Als die Sterne am Himmelszelt leuchteten, schlief die einstige Fee sehr unruhig. Das Kinderbett in ihrer kleinen Kammer war bequem und sie hatte es gut hier. Es lag nicht an der neuen Umgebung oder an irgendeiner Ungewissheit, dass ihr der Schlaf zur Qual wurde. Es lag eher daran, dass sie in ihren Träumen immer wieder Itrey Defice sehen konnte, jenen unsterblichen Kämpfer, der sie nicht nur vor dem Wahnsinn gerettet, aber ihr auch etwas Trauriges mitgeteilt hatte. Im Reich der Götter herrschten andere Gesetze, teilweise sehr teuflische und grausame Schicksale. Und es gab bestimmte Hürden und Schutzmechanismen, ehe man diesen Ort überhaupt betreten konnte. Und es gab Flüche, die kein Gott brechen konnte. Als Itrey das einstige Feenmädchen fand, hatten sich die Flüche des unsterblichen Reiches ihrer schon lange bemächtigt. Und er hatte ihr konfrontierend mitgeteilt, dass es Folgen haben würde, wenn ein sterbliches Wesen überhaupt nur einen Fuß auf den geweihten Boden setzt. Und es war wesentlich mehr als der Wahnsinn, der Navi befallen hatte. Sie hatte versucht es Klein-Link irgendwie zu sagen, sie wollte ihm mitteilen, dass in jenem Reich sterbliche Körper nichts zu suchen hatten. Aber nachdem er sich so erschöpft fühlte, wollte sie ihn damit einfach nicht belasten… Und in ihren Träumen flüsterte der Gott, der sein Schwert mehr liebte als alles andere auf der Welt, immer wieder erinnernd. ,Bedenke, wo du hier bist. Es ist nicht nur der Wahnsinn, der hier für Sterbliche regiert. Es gibt Tausende Verwünschungen und eine trifft immer…‘ Gerade als Itreys tiefe, ausdruckslose Stimme ein weiteres Mal in ihren Träumen niederdonnerte wie sein Schwert, erwachte das Mädchen gequält. Tränen flossen über ihre Wangen und sie schluchzte. Wie sollte sie auch nicht? Die meisten Hylianer in diesem Schloss dachten, es wäre alles in Ordnung, aber gar nichts war okay. Keiner wusste, was wirklich im Götterreich geschehen war. Klein- Link dachte, er hätte sie gerettet und könnte auf ewig so weiter mit ihr durch die Welten reisen, aber Navi wusste es besser. Der Ausflug in das Götterreich hatte schreckliche Konsequenzen, nicht zwangsläufig für Klein-Link, aber für sie und ihren geliehenen Körper… Sie erhob sich schluchzend, zündete eine Kerze an und trat mit dieser zu einem runden Kosmetikspiegel, der auf einem hübschen Sekretär stand. Sie konnte das runde Kindergesicht darin erblicken, ihre Sommersprossen und die giftgrünen Augen. Nur war dort in dem hellblonden Haar eine Strähne, die sie sofort abschnitt. Eine Strähne, die eine schreckliche Verdammung verriet. Denn sie war dunkelgrau… Wie ein Gespenst huschte die vergessene Fee durch die nebligen, verlassenen Schlossgänge in einer Welt, die ihr nichts sagen konnte, umgeben von Geschöpfen, mit denen sie nicht reden konnte. Sie tapste vorwärts, verfolgt von eigenen Dämonen, von denen sie dachte, sie müsste sich ihnen niemals stellen. Sie lief weg vor der Vergangenheit, den Problemen ihrer geliehenen Existenz und wünschte sich, sie könnte vieles in ihrem Leben rückgängig machen. Entscheidungen treffen, die sie viel zu lange aufgeschoben hatte. Entscheidungen treffen um neu zu beginnen. Vielleicht war es das, was sie an Zeruda oder auch Prinzessin Zelda so sehr beneidete. Sie traf ihre Entscheidungen, koste es, was es wolle. Diesen Mut wollte sie nur einmal finden. Sicherlich hatte sie oft genug Mut bewiesen, aber Entscheidungen zu treffen, schob sie immer auf. Nicht, dass sie sich fürchtete, aber sie hatte doch immer Zeit gehabt für ihre Ziele. Sie hatte Hunderte von Jahren Zeit gehabt für das, was sie entscheiden musste. Wie sollte sie auch mit diesem Wissen und mit einer halben Ewigkeit Lebenszeit den Antrieb und die Motivation finden in der Erfüllung ihres Lebenssinns weiterzukommen? Für Menschen war dies so selbstverständlich… aber kein Mensch konnte sich vorstellen, wie man mit dem Wissen unsterblich zu sein durch das Leben ging. Man hatte Zeit, wozu also Entscheidungen heute lieber als morgen treffen? Navi lächelte halbherzig durch die Dunkelheit. Nur ein kleiner Schein ihrer Kerze, getragen in alten Kinderhänden flackerte und beleuchtete ihr bekümmertes Gesicht. Sie fühlte sich als Feigling, wie damals, als sie dem Helden der Zeit nicht helfen konnte. Ein Feigling, dass sie sich nicht traute Klein-Link die Wahrheit zu erzählen. Sie schluchzte und rannte schließlich, rannte hinauf auf die Turmspitze, um endlich zu atmen, den Wind zu spüren, und vielleicht einen Bruchteil alter Magie, in der sich Feen kleideten, wahrzunehmen. Sie sehnte sich danach sie selbst zu sein, in dem Körper zu sein, der ihr gehörte, in dem Zuhause zu sein, das sie liebte… Die Flamme der Kerze flackerte wilder, auch, weil sich das Mädchen der Turmspitze näherte. Ein beißender Wind pfiff hier oben, welcher den Kinderkörper Navis erzittern ließ. Sie schützte die kleine Flamme mit ihren Händen und trat sachte an den Abgrund. Ihre grünschillernden Augen verloren sich in der weiten, nächtlichen Märchenlandschaft Hyrules. Sie erinnerte sich an die alte Welt, erinnerte sich an das Abenteuer mit dem Helden der Zeit, erinnerte sein Mut erfülltes Lächeln und seine Worte, die ihr gesamtes Weltbild verändert hatten. Und sie erinnerte auch den Tag, als sie ihn verlassen musste. In der grauen, leeren Zitadelle der Zeit stand einst der Jüngling mit dem Herzen eines Mannes vor ihr. Er hatte Blut und Tränen vergossen, hatte Freunde verloren und Verletzungen ausgehalten. Aber sein Siegeszug war vorüber. Er hatte Ganondorf besiegt und der Pfad zwischen den Zeiten hatte sich geschlossen. Sie erinnerte sich, dass sie ihm dort Lebewohl sagte und ihm etwas mit auf seinen Weg gegeben hatte. Das war das letzte Mal, dass sie Link in Hyrule gesehen hatte, denn der Wächter das Waldes schickte sie heim. Erst, als Hyrule verblasste, und sie sich gegen eine Wiedergeburt entschied, konnte sie ihren Freund und ihr Vorbild wiedersehen. Sie wünschte sich nur, dass sie ihn unter anderen Umständen als auf der Erde wieder getroffen hätte. Und nun… würde sie sich vielleicht nicht einmal mehr von ihm verabschieden können… Sie hatte niemals nur einen Gedanken an ihr Ableben oder an den Tod verschwendet. Wozu auch? Warum sollte ein unsterbliches Wesen sich Gedanken um den Tod machen? Und nun war sie mit etwas konfrontiert, dass ebenso aussichtslos wie auch zermürbend war. Sie wurde bestraft, dafür, dass sie einen Fuß auf geweihten Boden gesetzt hatte. Bestraft, weil sie mit einem geliehenen Körper umher wandelte. Bestraft, weil es ein Gott so wollte. Sie konnte es selbst noch nicht glauben oder verstehen. Sie konnte es nicht fühlen. Alles, was sie wahrgenommen hatte, war eine dunkelgraue Strähne. Und alles, was sie hatte, waren die Worte dieses Kriegergottes, der ihr verständlich machen wollte, dass sie durch Götterhand bestraft wurde und dass ihre Existenz sehr bald enden würde. Aber warum? Was war so verwerflich daran in dieses alte Heilige Reich einzutreten? Und was war so verwerflich daran, dass sie lieber dieses Leben als ein Erdenbürgerdasein führte! Sie verkrampfte sich. Sie wollte am liebsten schreien, sich das Unverständnis über ihre Situation aus dem Leib brüllen. Aber sie schwieg. Bemüht einen klaren Gedanken zu fassen, sich bewusst zu werden, was sie jetzt tun musste, trampelte sie zu einem rostigen Eisengeländer und stützte sich dagegen. Wie sollte sie nur glauben, was Itrey Defice zu ihr sagte. Wie sollte sie nur verstehen, dass sie in den nächsten Wochen altern und sterben würde? Das konnte doch nicht sein! Das ergab überhaupt keinen Sinn! Es musste einen Weg daraus geben, irgendeine Möglichkeit geheilt zu werden! Verzweifelt trat sie gegen die Eisenstäbe, trat so heftig dagegen, bis ihre Füße schmerzten. Lethargisch ließ sie sich auf die Knie sinken und lehnte sich an die Eisenstäbe. Und es war endlich, dass das einstige Feenmädchen weinte. Erst jetzt schien sie zu begreifen, wie dunkel ihre Zukunft aussah. Wie nur sollte sie in nächster Zeit verfahren? Sollte sie es Klein-Link wirklich sagen? Und wie würde er reagieren? Konnte er es überhaupt verstehen? Gerade da strahlte von weither ein blendend helles, aber angenehmes Leuchten, das den finsteren Nachthimmel in warme rosarote Farben tauchte. Ein leises Klingeln wie das Geläut der kleinsten und hellsten Glocken eines Festtages drang an Navis spitze Elfenohren, bis das Geräusch so nah war, das sie aufsah. Erschrocken starrte sie in feuerrote Augen, die sie schuldbewusst musterten. Vor ihr, vielleicht teleportiert oder durch zarte Feenflügel getragen, stand keine geringere als die stolze Feenkönigin mit dem rosafarbenen Haar. Sie zeigte sich überraschend in Menschengestalt. „Titania?“, murmelte Navi verwundert, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und blickte im nächsten Augenblick vorwurfsvoll und enttäuscht drein. Ihre giftgrünen Augen loderten in einer Wut, welche man der einstigen Fee nicht zutraute. „Du wagst es, mir unter die Augen zu treten? Weißt du, was du mir angetan hast!“, zürnte Navi und stapfte wutgeladen in Richtung der machtvollen Unsterblichen. Sie brüllte: „Du hast mich in das alte Reich geschickt ohne auch nur meine Argumente zu beachten, ohne mit der Wimper zu zucken und ohne einen reuevollen Gedanken. Du hast mein jetziges Leben ruiniert!“ Mitleidig blickte das magische Geschöpft nieder und sank auf die Beine. Ihre feuerroten Augen glühten voller Schuldbewusstsein. Aufgeregt trat Navi näher, hob ihre Hände und wollte die Fee für ihr unbedachtes Handeln mit Fäusten schelten. „Wegen dir werde ich grausam altern! Ich wurde verdammt!“, kreischte Navi, wollte die Feenmonarchin ihre Fäuste spüren lassen, aber ihre dicklichen Kinderhände sanken zurück. Schluchzend zog das blonde Mädchen die Nase hoch, drehte sich um ihre eigene Achse und ließ den Kopf hängen. „Was willst du hier, Titania? Dein Gewissen erleichtern? Mich um Verzeihung bitten?“, sprach Navi beherrschter, aber trübsinnig. Ihre Kinderstimme schallte dumpf über die Türme des Schlosses. „Nein…“, entkam den silbergemalten Lippen der Regentin. „Ich wollte es dir nur erklären…“ „Und was, wenn ich deine Erklärungen nicht hören will?“, sprach Navi gefasst und kühl. „Du glaubst, jedwede Erklärung aus deinem unsterblichen Mund könnte irgendetwas ändern?“ Einmal mehr blickte das blonde Feenmädchen in die mitleidigen Augen Titanias. „Nein, ich erwarte keine Vergebung… ich habe durch mein naives Handeln ein kostbares Leben zerstört…“, hauchte sie. „Aber ich tat es nicht ohne Grund. Navi, bitte höre mich an.“ „Was soll mir das bringen?“, raunte sie. „So hör‘ mir doch zu, ich habe wichtige Dinge zu sagen…“ Aber Navi unterbrach sie scharf: „Aber ich will nichts hören! Und ich will kein Wort hören einer Königin, die mich so enttäuscht hat. Du bist jung und naiv in deinem Handeln. Ein Kind, noch mehr als ich es in den letzten Wochen war.“ Und es war dann, dass von Titanias feuerroten Augen zwei Tränen tropften. Sie bereute ihr einfältiges Handeln zutiefst, aber sie hatte einen Grund. Es war nicht nur Navis Aura, welche sie dazu bewogen hatte, sie in das alte Reich zu schicken. Nein, es gab noch mehr Hintergründe, die sie weder Rinku noch Klein-Link erzählt hatte. „Jemand sagte mir, ich sollte dich dorthin bringen…“, sprach sie leise. „Ich tat es nicht nur, weil ich deine Aura so wahrnahm wie eine derer, die im alten Reich leben. Jemand sagte mir, du hättest dich in diese Welt verirrt. Es tut mir leid. Ich bereue mein Handeln zutiefst. Aber ich wollte dich wissen lassen, dass…“ Dann unterbrach Navi die Regentin verwundert. Es dauerte einige Sekunden ehe sie den Sinn jener Worte verstand. „Wie meinst du deine Worte?“ Das blonde Mädchen schaute skeptisch in Titanias blutrote Augen. „Wie ich sie sagte“, erklärte sie. „Das Feenreich wurde besucht von einer Gestalt, ganz in schwarzen, seidenen Gewändern. Wir kannten jenen Eindringling nicht und doch konnten wir sie nicht angreifen oder dazu bewegen das Feendorf wieder zu verlassen. Sie sagte, sie käme zum Schutz der legendären Helden in das Dorf und gab mir zu verstehen, dass ein blondes Mädchen bei uns erscheinen werde. Sie sagte, wir müssten jenes zurück in das Reich der Götter schicken. Es war eine machtvolle, weibliche Person, die wir nicht anzweifelten…“ Navi wich mehr und mehr die Farbe aus dem Gesicht. Nicht nur, dass sie ohnehin völlig überfordert war. Sie konnte nicht glauben, was die Feenkönigin hier darlegte. War das nur ein Versuch den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen? „Das kann ich nicht glauben!“, kreischte Navi. „Du versuchst dich nur zu rechtfertigen.“ „Wozu sollte ich das tun?“, pfefferte die Feenkönigin zurück. „Ich habe Verpflichtung gegenüber meinem Volk, auch gegenüber dir, wo du in unser Reich hineingeboren werden wirst. Niemals wollte ich jemandem schaden und ich stehe hier vor dir, als menschengroßes Wesen, um die Schuld auszutragen, die ich verursachte. Denn ich bin schuld an deinem Unheil…“ Navi seufzte und zog ihre Nase nach oben. „Und du vermutest, dass eine weitere Gestalt die Fäden lenkt?“, murmelte sie zitternd. „Ja, eine machtvolle Gestalt, vermutlich aus dieser Zeit, jemand, der den Helden der Welten und dich manipulieren will.“ Irritiert wich Navi einige Zentimeter zurück. „Du meinst doch nicht…“ Die Fee nickte gefühllos. „Es gibt jemanden in dieser Zeit, der machtvoller ist als andere Wesen. Nur sie käme in Frage. Kein anderes Wesen ist so bewandert in Magie und in der Vorsehung.“ „Du vermutest, dass Prinzessin Zeruda dahinter steckt?“ Abermals nickte die Fee aber mit einem Hauch Zweifel. „Das kann nicht sein“, entgegnete Navi scharf. Ihr fielen auf die Worte beinahe die Sommersprossen von der Haut. „Warum sollte Zeruda mir das antun?“ „Ich kenne darauf keine Antwort… es ist lediglich ein Verdacht und eine Erklärung für mein Handeln. So war ich hier stehe, ich lüge nicht und ich will nichts rechtfertigen. Ich ersinne nur deine Vergebung.“ Navi nickte, blickte zum Steinboden, sodass man ihr Gesicht nicht erblicken konnte. „Ich kann das nicht glauben, auch wenn ich spüre, dass du nicht lügst. Es muss ein anderes Wesen dahinter stecken. Zeruda ist die Vorfahrin Zeldas, die ich sehr wertschätze.“ „Was du mit jenem Wissen anfängst, kannst nur du entscheiden, ich wollte dich zumindest informieren.“ „Titania… Sag‘ mir, weißt du, was die Flüche im Heiligen Götterreich verursachen?“ Und da ballte Navi ihre Fäuste. „Habe ich noch eine Chance? Gibt es Hoffnung?“ Daraufhin trat die Regentin näher, legte ihre Hände auf die kindlichen Schultern und küsste Navis Stirn. „Es gibt da einen Spruch, der für alle Wesen gilt. Hoffnung stirbt zuletzt… so sagen die Sterblichen immer.“ Mit Tränen in den Augen, aber gewillt der Monarchin Glauben zu schenken, sah Navi auf. Das Leben in ihren giftgrünen Augen loderte und es würde sich nicht ohne Kampf löschen lassen. ,Hoffnung gab es immer und es gibt sie noch‘, summte es in ihren Gedanken. Als die Feenkönigin sich in ein kindsgroßes Wesen verwandelte und hinfort flog, ballte das blonde Mädchen noch einmal die Fäuste. Sie sah hinauf ans tiefblaue Firmament, wo vergessene Sterne silbern funkelten. Ihre Tränen verblassten langsam. Schweißgebadet schreckte der kindliche Weltenreisende aus einem langen, tiefen Schlaf. Eingehüllt in dicke mit Kräutern und Iod durchtränkte Verbände ruhte er zwischen kühlen Laken und begann sich heftig zu bewegen. Er war verunsichert, wusste im ersten Augenblick nicht, wo er war und ruderte wie wild geworden mit seinen Armen. Er rief ein altes Wort für Mutter, welches im hylianischen Sprachgebrauch schon lange nicht mehr verwendet wurde. Und erst, als er das Wort dreimal gesagt hatte und niemand ihm antwortete, blinzelte er und kniff die Augen gleich wieder zusammen, da ihm Schweiß hinein ließ. Er richtete sich benommen auf und erkannte verblichen ein kleines Gästegemach vor sich, das ihm sehr vertraut erschien. Er fluchte und presste seine rosa Lippen fest aufeinander, da seine Wunden heftig brannten und versuchte noch einmal zu blinzeln. Als seine Umgebung klarer wurde, kam sein Gedächtnis wieder. Er erinnerte sich an die Ereignisse der letzten Stunden, an den Kampf gegen Schattenlink und vor allem daran, wo er sich hier befand. Er war im Königsschloss in Zerudas und Rinkus Zeit. In der Nordstadt eines alten, vergessenen Reiches. Er war hier sicher… Es war soweit alles in Ordnung. Er hatte Navi befreit und in dieser Mission die beiden bedeutsamsten Seelen Hyrules bereits gefunden… Er seufzte, quälte sich mit dem Gedanken an die lange Mission, die er noch meistern musste und beobachtete warme, karminrote Strahlen einer untergehenden Sonne, die in das Gemach drangen. Das Licht tanzte in feinen Staubkörnern und ließ seine Umgebung magisch und beruhigend auf ihn wirken. Er wollte sich noch einmal aufrichten, unterließ den Versuch jedoch sogleich mit einem ungewollten Stöhnen. Die Verbände auf seinen Wunden kratzten, rieben hässlich und unangenehm. Vor allem die Wunde an der rechten Hand pochte und glühte. Er kniff ein Auge zusammen und fragte sich, wie ein Mensch solche Wunden überhaupt aushalten konnte. Die Verletzung in Ganondorfs Kerker, als Zeldas sich die Pfeilverletzung holte, war damals nicht so anstrengend und folternd gewesen. Er grinste verzweifelt und spürte etwas Nasses über seine Wangen tropfen. ,Klar‘, dachte er gequält. Damals war er noch nicht reif und menschlich genug, jene Schmerzen zu spüren. Und jetzt, wo ihm Menschlichkeit eingehaucht wurde, hielt er diese kaum aus. ,Wie erbärmlich‘, schimpfte er in Gedanken. Er, als teilweise göttliches Wesen, das fühlen wollte, war einfach nur erbärmlich… Gähnend blickte er zu den komischen Punkten an seinem linken, braungebrannten Arm, auf welche ihn der unheimliche Muskelprotz bei den unendlichen Nebeln im Götterreich aufmerksam gemacht hatte. Sie verschwanden allmählich, verblassten teilweise. Er fragte sich bloß, woher diese Flecke rührten… Gerade da trat Navi durch die Tür und schloss jene vorsichtig. Sie hatte ihre gelockten Haare offen, die bis zu der Hüfte fielen, was ihn verwunderte. Sie hatte ihre strohblonden Haare noch nie offen getragen. Und saubere, hofgemäße Kleidung bedeckte ihre dickliche Gestalt. Eine dunkelgrüne Tunika mit großen, blauen Knöpfen bedeckte ihren Oberkörper und sie trug eine neue, helle Pluderhose. Als sie sah, dass Klein-Link wach war, lächelte sie so breit, beinah unecht, dass sich die Sommersprossen in ihrem Gesicht verschoben. „Hey, du hast über einen Tag lang geschlafen, wie fühlst du dich?“ Sie trat zu ihm hinüber und setzte sich an die Bettkante. Sie hatte vieles zu berichten, aber sie ahnte auch, dass sie im Augenblick noch nicht bereit war, dem Götterkind von Titanias Verdacht und ihrer Bestrafung zu erzählen. „Menschlich fühle ich mich“, murmelte er. „Und grässlich…“, setzte er hinzu, bereute das Sprechen aber sofort. Sein Hals war so trocken, dass er dachte, er musste geölt werden. „Zeruda hat mich über alles aufgeklärt, während du geschlafen hast. Also über alles, was diese Zeit und Rinku betrifft. Die Prinzessin versucht gerade ihre Antworten zu finden und hat sich auf den Weg in den Tempel der Zeit gemacht.“ „Den Tempel der Zeit?“ Klein-Link grinste ein wenig. „Jap, genau. Sie war es auch, die sich um deine Wunden gekümmert hat. Sie hat dich nicht eher aus den Augen gelassen, ehe sie wusste, dass die Wunden sich schließen und es dir besser geht.“ Der Junge grinste schief. ,Wie absurd, dass er nichts davon merkte, dass es ihm besser ging.‘ „Zeruda hat außerdem deine Tunika genäht“, meinte Navi und deutete zu dem Sessel im Raum, über welchem Klein-Links Kleidung hing. „Du bist das Kind, das sie nie hatte. Ich schätze, sie würde alles für dich tun…“ Ein Argument mehr, was dafür sprach, dass Zeruda Navi und Klein-Link niemals verraten würde. Navi konnte einfach nicht glauben, dass Zeruda ihren Tod in Kauf nahm. Der Junge zwinkerte auf Zerudas scheinbare Fürsorge. So hatte er die Prinzessin der Hylianer in dieser Dimension nun wahrlich nicht eingeschätzt. Auf ihn wirkte sie eher wie eine unnahbare, frostige Hylianerin, die mit ihrem Kontrollwahn schlichtweg zu weit ging. Die Frau war eisiger als ein Steinklotz… „Ich finde, Zeruda benimmt sich manchmal wie eine Frostbeule…“, sagte der Junge und ließ sich zurück in die weichen, nach Blüten duftenden Kissen zurücksinken. „Und das sagst ausgerechnet du“, belehrte ihn Navi. Ihre giftgrünen Augen schillerten enttäuscht. „Du bist oftmals auch nicht gerade ein Sympathieträger.“ Angestachelt durch jene Worte schenkte der werdende Heroe seiner Freundin einen vorwurfsvollen Blick. „Was soll das denn heißen?“ „Du benimmst dich auch gelegentlich sehr rücksichtslos.“ Er blickte ihr in das runde Kindergesicht, als bestünde es aus Warzen. „Erinnere dich, du hast mich im Götterreich ziemlich unfair zusammengestaucht. Ich habe dich noch nie so wütend erlebt…“ Sie wartete auf eine Antwort, die er ihr nicht gab. Schweigend blickte er in die andere Richtung. „Und oftmals bist du so vorausschauend, vernünftig und besorgt. Manchmal aber benimmst du dich kindisch und fies. Weißt du, ich habe gelegentlich das Gefühl, obwohl ich dich schon seit Monaten kenne, dass ich dich überhaupt nicht einschätzen kann. Es ist wie, als wärst du an manchen Tagen ein völlig anderes Wesen.“ Geschockt betrachtete er sich Navis todernstes Gesicht. Und er schaute sich ihre Miene immer genauer an, so als nahm er ihre Worte nicht für voll. War er tatsächlich zu weit gegangen? „Ja, schau‘ ruhig entgeistert. Du hast mich im Götterreich sehr beleidigt mit deinen Worten.“ Er zwinkerte, wurde rot im Gesicht, als schämte er sich und scheute sich Navi weiterhin anzublicken. „Kannst du mir erklären, was da mit dir los war?“ Er schüttelte bloß seinen Kopf. „Es ist manchmal wie, als hättest du keine klare Linie, keine Stabilität und Struktur, als hättest du…“ „… keine Persönlichkeit…“, beendete er für sie und spürte den bitteren Nachgeschmack seiner eigenen Worte. Vielleicht war es das, was ihn seit dem Erwachen seines Bewusstseins quälte. Er war ein Experiment von Göttinnen, das sie scheinbar nicht einmal korrekt beendet hatten. Er wusste manchmal nicht, wie er sich verhalten sollte, wer er war… und sich von den richtigen Gefühlen leiten zu lassen, das was für andere Wesen so selbstverständlich war, fiel ihm ungeheuer schwer. Bemüht ihm etwas Beistand zu schenken und Mitgefühl zu vermitteln legte Navi ihre klobige rechte Kinderhand auf seine ihr zugewandte Wange. ,Seine Haut war ungewöhnlich kühl und rau‘, dachte sie. „Vielleicht musst du dich selbst erst finden… vielleicht ist genau das deine Aufgabe für die vielen Dimensionen.“ Sie versuchte ihm Mut zu machen, das durchschaute er spielend. Und trotzdem half es ihm im Augenblick nicht. „Du hast keine andere Wahl als weiterzumachen.“ Er nickte unbeteiligt, als wollte er ihre Worte nicht hören. Sie seufzte und versuchte ihren zweiten Anlauf. „Danke, dass du nach mir gesucht hast… du hättest mich dort auch zurücklassen können…“, sprach sie dann und verkrampfte ihre Hände dabei. Sie suchte nach einem Anfang für Worte, die sie nicht leichtfertig über ihre Lippen bringen konnte. Sie schloss ihre giftgrünen Augen, überlegte verbissen, wie sie es ihm sagen sollte, aber sie konnte einfach nicht. Der Junge grinste missmutig, lachte gekünstelt und unterbrach sie: „Manchmal bist du, Nervensäge, an einem solchen Ort auch besser aufgehoben.“ Sie verzog ihr Gesicht und schaute zänkisch drein wie ein wütender Gorone. „Aber…“, meinte er dann und lächelte. „… ich bin froh, dass ich dich retten konnte.“ Navi lächelte. Sie lächelte wie immer, aber mit Tränen in den Augen. Ja, für diesen Moment, wenn auch nur hier an diesem sicheren Ort, für schwindende Augenblicke in diesem Zeitalter, hatte er sie gerettet. Und auf eine andere, völlig neue Weise, hatte er sie gerettet… Denn es war das erste Mal, dass Navi in den Gesichtszügen des Jungen ihren Helden der Zeit entdecken konnte. Und sie sah wesentlich mehr. Mittlerweile war ihr Klein-Link sehr ans Herz gewachsen, auch wenn er von seiner Struktur her, von seiner Stabilität und dem ganzen Repertoire an Charakterzügen unvollständig und verunsichernd wirkte. Sie konnte nichts mehr für Link tun, denn er hatte seinen Weg gefunden. Aber sie würde sich, wenn der richtige Zeitpunkt da war, bei dem Götterkind revanchieren, und ihn darin unterstützen seinen Weg zu finden. In dieser schicksalhaften Minute betraten Zeruda in ihrer Kämpfermaskerade und ihr vermeintlicher Bruder den stillen, verlassenen Tempel der Zeit. In jener Welt war das Gotteshaus halb zerstört und ragte wie ein großer Schandfleck aus der einstigen blühenden Hauptstadt Hyrules heraus. Der Ort war leer und tot. Nicht einmal Gras wuchs hier mehr. Und kein Wurm kroch im Boden, der von Dämonen- und Hylianerblut gespeist war. Ein Teil des Deckengewölbes des Tempels fehlte. Stützende Säulen waren niedergerissen und überall lagen Unrat und Holzsplitter. Das von den Weisen neu geschmiedete Masterschwert war verschollen seit der großen Schlacht. Und ohne die Heilige Waffe im Podest schien die Zitadelle grau und unbedeutend… „Und Ihr seid Euch sicher, dass Ihr hier Eure Antwort finden könnt? Ausgerechnet hier, wo jegliches Leben entschwunden ist?“, murmelte Rinku und blickte sich mit den Augen seines geliehenen Körpers um. Seine hylianische Rüstung klapperte, als er über Geröll und Schutt trat. „Die magischen Ströme Hyrules vereinigen sich noch immer an diesem Platz, selbst bei all den geschundenen Seelen und dem Blut im Erdboden. Der Tempel der Zeit wird eines Tages neu errichtet werden, genau hier, kein anderer Ort kann das Masterschwert hüten…“, erwiderte Zeruda melancholisch. Sie hüpfte über verkohlte Bankreihen und ließ ihre Fingerspitzen am Altar über altes, heiliges Gestein wandern. In einer großen steinernen Schale hatte sich glitzerndes Wasser gesammelt. Und auch darüber ließ die Adlige ihre Fingerspitzen spazieren. Es war reines Wasser, das durch die Magie der verzauberten Ströme Hyrules angereichert wurde. „Warum habt Ihr mich begleitet?“, fragte sie dann. Er legte eine Hand auf sein Herz, blickte unsicher zu seinen nussbraunen Stiefeln. Als ob Zeruda nicht wusste, warum er ihr nahe sein wollte. Selbst wenn er sie nicht lieben durfte, er brauchte sie, er wollte einfach nur bei ihr sein. Er trat näher, sehnte sich so sehr danach, sie zu berühren, sie zu umarmen, sogar danach sie zu küssen. Er seufzte angesichts des verbotenen Gedankens und wand sich um seine eigene Achse. „Niemand warnte Euch vor dem Schmerz…“, sprach Zeruda dann und sah hinauf zu silbrigen Lichtstrahlen, die sich kaum trauten an diesem zerstörten Ort zu leuchten. „Und niemand sagte, dass jener so schwer zu ertragen ist…“, erwiderte er. Ja, er hatte Tage, an denen er die Verbote am liebsten hinwerfen und Zeruda nur noch einmal küssen wollte. Nur ein letzter Kuss, erfüllt mit den Gefühlen, die seit so vielen Ewigkeiten bestanden. „Wenn ich Euch schon nicht lieben darf, dann möchte ich zumindest Eure Gesellschaft“, sprach er aufrichtig. „Bitte teilt mir mit, falls Euch dies zu viel wird…“ Mit gläsernen Augen wand sich die stolze Hylianerin zu ihm und konnte für einen nichtigen Augenblick statt ihres Bruders das gesamte Erscheinungsbild ihres Heroen vor sich sehen. Sie erinnerte seine athletische Gestalt, erinnerte sein hellbraunes Haar und konnte für einen sterbenden Moment seinen Geruch wahrnehmen. Und es tat weh… furchtbar weh… Sie schloss ihre dunkelblauen Augen, sträubte sich gegen den aufkommenden Gedanken zu ihm hinüber zu hasten, ihn zu umarmen und vielleicht etwas von dem Mann zu spüren, den sie einst liebte. Für einen Moment sehnte sie sich nach der Zeit, die einst war, nach den Momenten, die sie genoss, nach den Tagen, als sie ihren Lebenssinn fand. Damals… Und in dem Augenblick, wo Zerudas Seele im Einklang war mit ihren Gefühlen wie ein Instrument, das perfekt gestimmt wurde, und eine kristallene Träne aus ihrem Auge tropfte, war es, das ein unschuldiger, winziger Tropfen das Rad des Schicksals in Gang brachte. Denn die winzige Träne lief sachte hinab über die dunklen Wimpern, folgte unsichtbaren Pfaden auf Zerudas blütenweicher Wange und sammelte sich mit einem klirrenden Geräusch in der Steinschale, wo sich magische Ströme vereinten. Die Prinzessin wollte sich gerade abwenden, als sie zusehen konnte, wie das reine, funkelnde Wasser erstarrte, sich in pastellfarbenes Kristallgestein verwandelte und pulsierte. „Rinku, schaut zu mir!“, rief sie erschrocken und zugleich verwundert. Magische Strömungen flossen hier zusammen und eine alte Macht hatte auf Zerudas Bitte reagiert. Es war richtig. Ihre Intuition ausgerechnet hier Antworten zu finden, hatte nicht gelogen. Verblüfft beobachteten die beiden Hylianer die erstarrte, magische Substanz und sahen Bruchstücke künftiger und bedeutender Ereignisse, die sich wie bunte Splitter durch den Kristall bewegten. Fasziniert sahen beide zu, waren sich noch nicht bewusst, welche Herzlosigkeit an die Bilder geknüpft war… Auf dem Kristall erschienen Helden in grünen Gewändern, Dämonen und Orte, die irgendwann von einem Gott erschaffen und gegründet wurden. Sie sahen Welten weit entfernt von diesem alten Land, konnten Wesen sehen, die in anderen Welten lebten und ihren Aufgaben nachgingen. Und dann, auffällig und heftiger pulsierend, sahen sie den Helden, der aus dem Götterkind hervorgehen würde. Er war eine Spur älter und reifer als jetzt, schüttelte die Hand von Zeruda und ihrem Bruder und auch jene Rinkus, der sich ebenfalls in dieser Szene aufhielt. Und unbeteiligt, fast kühl und unberührt, befand sich hinter ihm ein Mädchen mit dunklem Haar, die dem Geschehen zusah. Sie hatte eine schöne Gestalt, strahlte Magie aus. Und die Szenen verebbten, bildeten sich neu, bis sich das Mädchen zusammen mit Zeruda im Tempel der Zeit manifestierte. Sie beteten, nutzten beide ihre Mächte und hauchten Leben in eine mumifizierte, grausige Gestalt, die auf einer runden Steinplatte mit heiligen Symbolen ruhte. Weitere Bilder zeigten sich. Eine Fee mit zwei blonden Zöpfen, deren Körper alterte. Geschehnisse, die Klein-Link nicht akzeptieren konnte, die ihn veränderten. Und sie zeigten Charakterzüge und Grausamkeiten, die der Junge an sich noch nicht entdeckt hatte und welche er lieber verbergen sollte… Als die Bilder endeten, hatte die Prinzessin der Hylianer ihre Antwort gefunden. Nachdenklich musterte sie die zerstörte Zitadelle der Zeit und staunte. Es würde jemanden geben, der ihr seine Macht zur Verfügung stellte um Rinku wieder zu beleben. Ein junges Mädchen, das nur der Held der Welten finden konnte. Rinku würde zurückkehren. Eine leise Freude manifestierte sich in der Kälte, die sie in den letzten Wochen eingenommen hatte. Und ein leichtes Lächeln glitt auf ihr Gesicht. Aber sie blieb realistisch. Sie wusste, dass mit dem Wiedererwecken Rinkus Veränderungen in Hyrule einziehen würden. Sie wusste um den grausamen Handel mit den Göttern und sie wusste, sie durfte mit Rinku nicht zusammen sein… Aber sie konnte hoffen und kämpfen, so wie vorher auch. Eine weitere Idee manifestierte sich zunehmend in ihren Gedanken. Sie hatte grausame Bilder eines Jungen gesehen, der vom rechten Weg abkam, der litt und weinte. Dieses Schicksal würde sie ihm ersparen. Sie fand ihre neue Aufgabe, und sie würde alles für dieses neue Ziel tun. „Ihr hattet Recht, Prinzessin…“, riss Rinku sie aus ihren Gedanken und lächelte ebenfalls. „Eure Vorahnung hat sich einmal mehr als richtig erwiesen. Ich danke Euch dafür. Denn nun weiß ich, auf welchem Wege ich zurückkehren kann. Habt Dank, Zeruda…“ Sie nickte und reichte ihm ihre Hand. „Ich möchte ebenfalls Eure Nähe, auch mit den Einschränkungen…“ Sie sah erhaben in seine Augen und sah ein rufendes Licht darin. Ein Leuchten aus der wahren Seele, die in jenem Körper schlummerte. Er kniete nieder, und wartete stumm, bis sie ihm ihre Hand reichte, die er liebevoll küsste. „Das bedeutet, wir schaffen das…“ „Ja, wir werden unsere Aufgaben erfüllen und vielleicht auch einen neuen Sinn finden…“ Hand in Hand traten sie hinaus aus dem heiligsten Ort, zu dem ihre Seelen immer wieder finden würden. Mit neuen Zielen ritten sie zurück zur Nordstadt… Am nächsten Morgen hastete Navi, nachdem sie Klein-Link besucht hatte, der noch immer schlief, mit Zweifeln hinab in den Speisesaal. Sie freute sich auf ein reichliches Frühstück um sich abzulenken und war einfach nur erleichtert hier zu sein und zu wissen, dass es Klein-Link gut ging. Als sie dem Speisesaal näher kam, hörte sie aber zwei Leute darin heftig diskutieren. Es waren Rinku und Zeruda, die scheinbar neue Pläne hatten. „Klein-Link ist nicht beständig… wie ein flackerndes Feuer, das der Wind in verschiedene Richtungen neigt… Es wird jemanden geben, mit dem er zu seinem wahren Ich finden kann… aber das ist nicht Navi, sie muss sich entscheiden und gehen…“, sagte Zeruda kühl. Sie schien nicht mit der Wimper zu zucken, als sie dies sagte. Navi konnte kaum glauben, was sie da hörte. Sollte sich der leise Verdacht Titanias tatsächlich bestätigen? Wollte Zeruda Navis Tod? „Das ist richtig. Ich stimme Euch vollkommen zu, aber wir müssen den Jungen darauf vorbereiten, dass seine Freundin nicht bei ihm bleiben kann. Navi wird sehr bald und sehr schnell altern, da sie das alte Reich betreten hat. Und eine göttliche Bestrafung kann von niemandem abgewendet werden. Selbst, wenn sie beide Hoffnung haben, es wird keine Heilung für sie geben…“, entgegnete der Heroe sachlich. Auch er zeigte sich unberührt. Warum auch, sie wussten nichts über Navi. Sie war nur eine Randerscheinung für sie beide. Alles, was für diese beiden Seelen zählte, war das Götterkind. Es änderte nichts, dass die Auserwählten über Navis Schicksal Bescheid wussten. Sie war immer nur eine kleine, oftmals verspottete Fee gewesen und das Muster ihrer Existenz hatte sich mit diesem Leben wiederholt. Sie war nebensächlich und unbedeutend, damals wie auch heute… „Aber es wird Klein-Link nur unnötig belasten, wenn wir ihm das jetzt schon mitteilen. Unsere Aufgabe ist es ihn zu schützen, auch vor Verlusten und Leid“, argumentierte Zeruda sachlich. „Und wie wollt Ihr dies bewerkstelligen? Wie wollt Ihr dafür sorgen, dass der Junge keinen Harm erfährt? Ihr könnt nicht immer zur Stelle sein. Er muss lernen zu ertragen und dazu gehört auch Verluste zu akzeptieren und zu begreifen, dass der Tod zum Leben dazugehört. Ihr könnt ihn nicht ewig beschützen, Zeruda!“ Rinku wurde immer lauter und erhob sich. „Aber ich muss! Ich kann ihm nicht noch mehr scheußliche Prophezeiungen machen“, meinte sie streng. „Ihr müsst? Für wen müsst Ihr dies in die Wege leiten?“ „Wie meint Ihr?“ „Nun tut nicht überrascht. Ich kenne Euer Herz und ich weiß, was darin vor sich geht. Ihr wollt Klein-Link beschützen, weil er das Kind ist, das Ihr nie hattet.“ Nicht nur die Prinzessin schaute auf diese Worte verstört auf. Auch Navi außerhalb überraschte es, dass dies Rinku so deutlich sagte. Zeruda schenkte ihrem scheinbaren Bruder einen messerscharfen Blick, den er bei ihr noch nie gesehen hatte. Aber sie ließ den Zorn über seine Worte nicht an die Oberfläche. Sie schluckte, erhob sich und trat aus seiner Reichweite. „Ihr seid grausam“, sprach sie beherrscht. „Entschuldigt“, murmelte er, trat zu ihr hinüber und legte seine Hände auf ihre Schultern. Als sie sich umdrehte, umfasste er ihre Handgelenke. „Zeruda, Entschuldigt… er ist auch das Kind, das ich niemals hatte.“ Er umarmte sie innig. „Ich hoffe genauso sehr wie Ihr, dass Klein-Link auf dem rechten Weg bleiben wird und die Hürden meistert, die vor ihm liegen. Aber ich kann nicht zulassen, dass er blindlings in sein Verderben läuft.“ „Ich auch nicht“, flüsterte sie an seine Schulter. „Ich liebe dieses Kind, seit ich es das erste Mal in den Träumen sah…“ „Ich auch. Er ist ein sehr talentierter Junge.“ „Dann sollten wir uns einig werden…“, entgegnete sie und wich aus der Umarmung. „Was bei Eurer Sturheit nicht möglich ist…“, schmunzelte er. „Und bei Eurem Dickkopf ebenso wenig“, entgegnete sie grinsend. Es war das erste Mal, dass Zeruda wieder grinsen konnte. „Es tut gut Euch so erheitert zu sehen… Bitte lächelt…“, sprach er leise und legte beide Hände auf ihre zartrosa Wangen. „Wir haben genug gelitten.“ Sie nickte schwach und lächelte mit einer stillen Hoffnung, auf das andere Welten neue Schicksale für ihre beiden Seelen preisgaben. Er lehnte seine Stirn gegen ihre und ließ seine dunkelblauen Seelenspiegel durch den Raum und letztlich auch zu der leicht geöffneten Tür wandern. Er stutzte und sah ein blondes Mädchen mit giftgrünen Augen an der Tür lauschen. Mitleidig blickte Rinku ihr entgegen, zählte sehr schnell eins und eins zusammen und sah letztlich die wenigen Tränen, die sie sich aus dem Gesicht wischte. Hatte Navi alles mit angehört? Und auch gelauscht, als sie beide darüber diskutierten, wie unwahrscheinlich es war den schnellen Alterungsprozess von Navis Körper zu beeinflussen? Er deutete Zeruda an, dass etwas nicht stimmte und trat dann eifrig in Navis Richtung. Panisch wich die Beobachtete von der Tür weg und hastete eine alte, steinerne Wendeltreppe hinab. Sie konnte Rinkus Schritte hören und hoffte bloß, er würde sie in Ruhe lassen. Sie wollte nicht, dass irgendjemand aus dieser Welt Anteil an ihrem Schicksal nahm. Hatten Rinku und Zeruda nicht klar dargelegt wie wenig sie sich für das Schicksal und den Fluch einer alten, vergessenen Fee interessierten? „Navi, wartet!“, rief Rinku hinter ihr, aber sie blieb nicht stehen. Sie hatte in ihrer jahrhundertelangen Existenz nicht gerade viel Wert auf die Anwesenheit von Hylianern gelegt. Erst als sie mit dem Helden der Zeit auf Reisen ging, lernte sie den Wert von Hylianern zu schätzen. Es war nicht, dass sie sich überlegen fühlte als damaliges unsterbliches Wesen, aber Hylianer langweilten sie zumeist. Und es war einfacher für sie mit der Existenz, die sie nun besaß, andere auf Abstand zu halten. Als sie einsah, dass es nichts brachte vor Rinku davon zu laufen, weil er sie ohnehin einholen würde, blieb sie schlichtweg stehen und sah aus einem winzigen Fenster im Turm hinaus auf die Steppe. Die Wolken am Himmel tupften dunkle Schatten über die blühenden, weiten Wiesen. Und es war, dass die einstige Fee sich das erste Mal fragte, wie lange sie mit diesen Kinderaugen die Welt da draußen noch sehen würde. Sie wusste, dass sie bestraft wurde und dass es Verwünschungen in Hyrule gab, vor denen niemand bewahrt werden konnte. Und sie wusste, dass sie nicht mehr sehr viel Zeit hatte. Aber sie hatte ihr Schicksal noch nicht akzeptiert und schließlich immer noch Hoffnung. Es war der Held der Zeit, der ihr einst sagte, dass die Hoffnung zuletzt stirbt. Es war der einzige Anker, den sie nun noch hatte… „Navi?“ Rinku riss sie aus ihren Gedanken und trat vor sie. Er ging in die Hocke um sie zu mustern. „Ihr habt alles mit angehört, nicht wahr?“ Navi nickte fahl und blickte trübsinnig nach draußen. Aber Tränen hatte sie keine mehr. Sie war niemals eine Heulsuse gewesen. Tränen hatte sie niemals zugelassen und wofür auch. Sie hatte niemals Tränen gebraucht, zumindest nicht als kleine Fee. „Versteht dies bitte nicht falsch… Zeruda und ich, wir haben beide Mitgefühl… aber für uns…“ „Für Euch beide zählt nur das Götterkind und die Wiedererweckung Eures Körpers“, sprach sie leise und schloss dabei ihre giftgrünen Augen. Erstaunt wich der scheinbare Monarch zurück und zwinkerte. Dass die einstige Fee so ernüchtert klang, erschreckte ihn etwas. „Das bedeutet, Ihr wisst, was Euer Ausflug in das alte Reich verursacht hat?“, sprach Rinku leise. Navi nickte und beobachtete weiterhin die Wolken. „Als ich dort umherirrte, traf ich einen der Göttlichen. Er brachte mich an einen Ort, an dem ich von Klein-Link gefunden werden konnte und klärte mich auf über die Umstände an jenem Platz. Ich weiß, dass ich schneller als gewöhnlich altern werde. Aber ich fühle im Moment keinen Zorn gegenüber denjenigen, die mich dort hinbrachten.“ Rinku kannte das Wesen nicht, dass er vor sich hatte, dennoch war er gerade unheimlich beeindruckt von ihrer Güte und Gunst zu vergeben. „Mit denen, die euch dorthin brachten, meint Ihr Titania, die Feenkönigin?“ Navi seufzte und winkte ab, kannte sie doch inzwischen noch mehr Hintergründe. „Sie ist eine gute Herrscherin, ich kenne Geschichten über sie und ich hege keinen Groll mehr gegen sie…“ Navi ballte ihre Fäuste. „Ich stecke ohnehin in einem geliehenen Körper, ich habe immer gespürt, dass ich mich irgendwann entscheiden muss. Für oder gegen Hyrule… nur ist es nicht mehr Hyrule, was mir wichtig ist. Ich habe eher das Gefühl, dass ich mich für etwas anderes entscheiden muss.“ „Es tut mir leid, dass Euch dies passiert ist“, murmelte Rinku und nahm auf einer Steinstufe Platz. „Und es tut mir leid, dass Zeruda und ich nichts tun konnten um Euer Schicksal zu beeinflussen… wir waren beide so fixiert auf das Götterkind, das wir seinen wichtigsten Freund vergaßen…“ „Ich mache auch Euch keinen Vorwurf…“, murmelte die Fee und nahm ebenfalls Platz. Sie legte ihren Kopf auf die Arme. Nein, sie machte niemandem einen Vorwurf, auch wenn sie es gerne täte. Hatte sie sich nicht für diese Existenz und auch für die Reise mit Klein-Link entschieden? Sie wusste, dass es kindisch war jemanden für ihr Schicksal zu verteufeln. Es änderte nichts… Wenn sie auf jemanden wütend sein sollte, dann nur auf sich selbst. „Da steckt ein starkes, altes Wesen in Eurer Brust, viel zu weise für dieses Kinderantlitz“, sagte Rinku. Navi lächelte traurig. „Es ist verrückt, dass ich mich in diesem Körper viel zu oft wie ein Kind verhalten habe…“ „Ihr habt Euch wie ein Kind verhalten wegen dem Weltenwanderer, nicht wahr?“ Sie grinste, aber schluchzte sogleich wieder. „Ja, vielleicht. Aber ich habe es schlichtweg genossen, auch wenn es dumm war. Es war wunderbar noch einmal Kind zu sein…“ Rinku stutzte. „Das würde ich auch gerne… noch einmal Kind sein.“ Auch er sah hinaus aus dem kleinen Turmfenster und blickte über Hyrules Wiesen und Felder. „Ich würde Euch gerne Hoffnung machen, dass es eine Heilung gibt, aber Ihr würdet mich durchschauen.“ Navi lächelte schwermütig. „Ja, das würde ich. Ihr seid dem Helden der Zeit ähnlicher als die bisherigen Helden, die ich kennenlernte…“ „Ist das gut für mich, dass Ihr dies sagt?“ „Ich schätze schon… vielleicht ist der Held der Zeit einer derjenigen, die am meisten Oper bringen mussten. Er war mein Weggefährte und Freund.“ „Ein guter Mann, vermute ich…“, murmelte Rinku. „Er war der Beste, und ich habe ihn immer bewundert. Für die Entscheidungen, die er treffen musste. Für die Opfer, die er bringen musste und das, was er erlitten und ausgehalten hat. Ich bewundere ihn zutiefst. Ich habe gelernt ihn zu lieben auf den Reisen, die wir durch Hyrule machten. Und ich entdeckte wie wichtig Hyrule im gesamten Weltengeschehen sein würde. Ich lernte mit der Liebe zu Link auch die Liebe zu der Welt um mich herum, zu den Pflanzen, die ich als junge Fee ignorierte, die Zuneigung zu dem magischen Treiben der Welt um mich herum und ich lernte viele andere Wesen zu schätzen, weil er meine Augen öffnete. Und ich wollte etwas Besonderes tun, selbst als kleine, unwichtige Fee. Ich wollte etwas für Hyrule tun, genauso wie Link oder Prinzessin Zelda… aber wer sieht schon eine unbedeutende, kleine Fee? Wer glaubt, dass ich jemals in der Lage wäre, etwas Großartiges zu leisten?“ Navi hielt inne und bremste sich zwingend. Hatte sie sich nicht vorgenommen vor Rinku standzuhalten. Sie wollte nicht, dass er ihre Traurigkeit spürte und sich noch schlechter fühlte als ohnehin. Er hatte genug Opfer gebracht und sollte sich nicht schämen müssen für ein Schicksal, das er nicht beeinflussen konnte. Kurz haderte Navi damit ihm von Titanias Verdacht gegen Zeruda zu erzählen, aber der Gedanke verflog. Sie konnte Rinku nicht damit belasten, wo er Zeruda wie nichts anderes in der Welt liebte und achtete. „Du kannst etwas Bedeutendes tun… irgendwann… Wenn ich der Held der Zeit wäre, ich wäre sehr stolz darauf gewesen, dich an meiner Seite gehabt zu haben… einen treuen Freund… und eine großartige Stütze.“ Mit einem geruhsamen Lächeln blickte Navi in die dunkelblauen Seelenspiegel des Mannes und war entzückt, dass sie jemand für das wertschätzte, was sie getan hatte. „Danke…“, sprach sie zitternd. „Und Navi, du bist nicht unbedeutend, erst durch dich wird das Götterkind der Held, der er sein muss um sein Schicksal zu erfüllen…“, setzte Rinku hinzu. „Es ist deine Entscheidung, wie und wann du es ihm sagst…“ Die einstige Fee nickte beschwörend. „Danke für deine tröstenden Worte, Rinku. Ich habe noch Hoffnung… auch wenn ich weiß, dass ein göttlicher Wille nicht veränderbar ist und ich altern werde, ein anderer Link, der Held des Windes, sagte, er hätte mich in einer anderen Welt gesehen. Vielleicht geschieht noch etwas, das ich bisher nicht erahnen kann…“ Sie konnte nicht viel für Link leisten, vielleicht… aber jetzt, wo sie allmählich spürte, dass ihr Leben nicht so weiter gehen konnte, würde sie etwas für Links Sohn leisten. Ja, das würde sie. Es dauerte einige Tage, bis sich das Götterkind erholte. Aber Zerudas Heilkräfte halfen ihm sehr schnell soweit zu gesunden, dass er sich zusammen mit Navi in die nächste Welt begeben konnte. Bestückt mit Proviant und bereit für die nächste Mission befanden sich die beiden Weltenreisenden auf den weiten Wiesen Hyrules, wo man die stolzen Todesberge erblicken konnte. Es war Zeit Lebewohl zu sagen und die Mission fortzusetzen. Zeruda und Rinku hielten sich an den Händen und verabschiedeten die beiden herzlich. „Es wird Welten geben, die nicht so einfach zu durchqueren sind wie diese. Welten, die du wie Puzzleteile zusammenbauen wirst…“, sprach Zeruda erklärend. Aus der großen Satteltasche ihres Pferdes nahm sie dreizehn Stäbe, umwickelte diese mit einem dunklen Tuch und sagte: „Dreizehn Stäbe für eine Welt, die in Trümmern liegt. Finde die Puzzleteile, die jene zerrissene Welt zusammenfügen können.“ Verdutzt nahm der Junge die magischen Holzstäbe, mit denen Zeruda den Meteorit aufgehalten hatte, an sich. „Du wirst eine Zelda finden, die in der Lage ist, die Teile der gespaltenen Welt zusammenzufügen. Zweifle nicht, das, was ich dir mit auf den Weg geben kann, wird sich eines Tages von selbst erklären. Noch kannst du es nicht verstehen, aber der Tag wird kommen.“ Zeruda lächelte und sah mit diesem angenehmen Lächeln in Rinkus erwartende Augen. Es war das erste Mal für Klein-Link, dass sie menschlich und warm wirkte. Aber keiner bemerkte das Misstrauen in Navis giftgrünen Seelenspiegeln. „Auch unsere Welt erwartet ein weiterer Krieg… doch bis dahin kehre hierher zurück mit einer neuen Aufgabe… Bring‘ uns die Zelda, die ihre Macht nicht kennt… Erst dann werden wir wissen, wie wir meinen Körper wiederherstellen können, sodass ich an dem Rat der Helden teilnehmen kann…“, meinte Rinku, kniete nieder und packte den Jungen fest an seinen Schultern. „Unabhängig von dem, was noch kommen mag und was du noch zu ertragen hast, bleib‘ deinem Herzen treu. Versprich‘ mir das“, sagte Rinku fest und deutete mit dem Zeigefinger auf die linke Brusthälfte des Jungen. Klein-Link nickte, auch wenn er noch nicht verstehen konnte, wie wichtig Rinkus Worte für seinen weiteren Weg sein würden. „Navi“, sprach Rinku aufrichtig und beinah zärtlich. „Bleib‘ auch du deinem Herzen treu. Du bist bedeutender als du vermutest. Leb‘ wohl…“ Er reichte ihr beide Hände und nickte. Die einstige Fee lächelte mit Tränen in den Augen. Aber auch diesmal schöpfte Klein-Link keinen Verdacht. Er konnte das Elend und die verankerte Traurigkeit in ihren giftgrünen Augen nicht deuten. Er nahm sie nur an der Hand, verabschiedete sich von Zeruda und Rinku mit einem ansehnlichen Grinsen und ließ die Macht des alten Medaillons einmal mehr frei. Seine Stimme flüsterte ein: ,Bis bald‘ als er mit seiner Begleiterin jenes Zeitalter verließ… Kapitel 150: Ausblick --------------------- Hallo an alle, die noch immer, nach so vielen Jahren, diese Fanfic lesen. Allmählich ist es wohl frustrierend, wie sich die Story in die Länge zieht, ich hoffe, ich kann sie allmählich beenden und möchte zumindest einen kleinen Ausblick auf kommende Kapitel geben. Danke. Ausblick... Damals, vor vielen Jahrhunderten, funkelte das Herz des einen Helden im Licht der einst jungen Sonne. Seine Heimat war Lanayru, dort, wo ein weites, türkisblaues Meer an den Ufern des Landes Hylia rauschte. Sehr oft saß er an seinem Ufer, ließ seine mutigen, veilchenblauen Augen sich in der Ferne verlieren, genoss mit jeder Zelle seines starken Körpers die Welt. Er war so anmutig, dass es der jungen Göttin einen Stich versetzte, den sie als Zeichen sah. Als ein machtvolles Signal, dass seine Seele erhoben werden sollte in den Sphären, dass seine Seele ein besonderes Schicksal haben sollte. Unsterblich sollte er sein. Sein Name und seine Ideale… der Mut in seinen schönen Heldenaugen, wo sich das weite, manchmal sanfte und manchmal stürmische Meer spiegelte. Einst begegnete sie ihm dort, veränderte ihre Gestalt zu seinen und auch zu ihren eigenen Gunsten. Und sie mischte sich sehr oft unter ihr Volk, vollbrachte Wunder, die ihr oftmals nicht gestattet waren. Denn von der göttlichen Hierarchie, an die sie gebunden war, stand sie unter ihren Müttern, den Schöpfern der Welt. Und an jenem Tag, wo sie ihn ein weiteres Mal traf, so entschied sie, gab sie sich als eine alte Schamanin aus, als eine Angehörige des einen Volkes, das in den Himmel stieg. Als Hylianerin… Mit einem Stab aus weißem Holz humpelte sie am märchenhaften Strand entlang, spürte die Wärme der glühenden Abendsonne auf dem alten Körper, in den sie geschlüpft war. Ein silbergraues Gewand bedeckte sie, schlängelte sich hinab bis zu ihren schweren Füße, ein langer Rock und eine Tunika mit aufwendigem Muster umschmeichelte ihren mitgenommenen Körper, und schwarze Bänder waren in ihre grauen Haare eingewebt. Ihre Augen waren azurblau, so wie ihre natürliche Farbe, die sie kaum beeinflussen wollte. Blaue Augen waren häufig im Volk der Hylianer und vielleicht ein Zeichen der Treue und Gemeinschaft. Sie war dem jungen Heroen schon einige Male begegnet und so manches Mal hatte sie ihn getestet. Ein Test, der geschehen musste für das, was auf das Land Hylia wartete. Ohne ihn, so wusste sie, würde das kostbare Land der Göttinnen keine Chance haben auf die Ewigkeit… Und so war die junge Göttin Zeuge seiner Geburt, wo er kämpfte im Körper einer toten Frau. Sie war Zeuge in seinem ersten Kampf als Kind, wo er eine Angehörige eines zu der Zeit verfeindeten Volkes verteidigte und schwer verwundet wurde. Und sie war Zeuge für die Zukunft, wissend, er würde noch sehr viele Hürden bewältigen müssen, auch die Schmach ertragen müssen, wenn sich das eigene Volk gegen ihn stellte. Er war ein junger Mann, als sie ihn dieses Mal aufsuchte mit ihrer selbsterschaffenen Maskerade. Er war kampfbereit, saß dort am Ufer auf einem grauen Felsen, der leicht schimmerte in den Regenbogenfarben der Götter. Mit Hingabe ruhten seine Augen konzentriert auf einem Stück Holz, das er zu etwas Besonderem verarbeiten würde. Ein dunkelbraunes Holz, das in singenden Feenwäldern wuchs, war sein Werkstoff für eine Waffe, die sich der Windmagie bedienen würde. Ein stolzer Bogen entstand aus dem geschmeidigen Holz, versah er mit Schriftzeichen, die für Mut standen. Leidenschaftlich werkte er an seinem Bogen, ging darin auf und verwendete die Energie seines Herzens dafür etwas Edles zu erschaffen. Mit einem Räuspern näherte sie sich dem jungen Mann mit dem wilden, blonden Haar und der einfachen Soldatenrüstung, die in diesem Zeitalter geschmiedet wurde. Stattlich sah er aus in der grünen Tunika, den Schulterplatten aus gelbem Stahl und den neuen Stiefeln, die er sich aus seinem Lohn als einfacher Soldat zusammengespart hatte. Und ein auffallendes Detail, eine Kette mit einem glänzenden Kristall, der in den Regenbogenfarben schillerte, hing um seinen Hals. Verwundert drehte er seinen Kopf zu ihr, traf leicht zweifelnd ihre leuchtend blauen Augen und wendete sich mit einem unverschämten Grinsen ab. „Wollt Ihr das Meer sehen, alte Lady?“, fragte er amüsiert. „Solange ich es noch kann, gewiss“, entgegnete sie mit einer heiseren Stimme und ließ ihre durchdringenden Augen fordernd auf dem Bogen ruhen. Sachte humpelte sie näher, stützte sich auf ihren weißen Stab und bewunderte seine Arbeit. Aber zur Vollendung des Bogens fehlte ihm noch die Sehne. „Würdet Ihr, wenn Ihr so alt wäret wie ich, nicht auch das Meer sehen wollen? Denn da ist der leise Gedanke, es könnte ein letztes Mal sein.“ „Ich werde gewiss nicht so alt wie Ihr“, entgegnete er mürrisch und ließ sie auf eine Weise erstaunen, die ihr die menschlichen Worte vergessen ließen. „Wie kommt Ihr darauf, Sohn der Hylia?“ Darauf blitzten seine Augen mit einer schweren und doch berechnenden Gewissheit auf, blickten in das leuchtende Blau ihrer Augen, sodass sie wegsehen musste. „Es ist nur ein Gedanke“, erwiderte er tonlos, aber erneut erschuf sich ein aussagekräftiges Grinsen um seine Mundwinkel. Er wusste mehr als manch andere Seelen auf der Welt. Er spürte in sich hinein und spürte mehr als manch anderer Hylianer das Ende. „Ein mörderischer und trauriger Gedanke…“, erwiderte sie, trat mit ihren nackten Füßen, denn sie trug keine Stiefel, über den Sand, genoss es für einige Augenblicke einen Funken Sterblichkeit wahrzunehmen, zu fühlen, zu leben. Sie tapste näher an die sanften Wellen, die das Meer näher trug, spürte ihre Füße vom salzigen Nass umschmeicheln und fragte sich, wie es wohl war als reine Sterbliche das Wasser auf ihrer Haut zu spüren… „So mancher Gedanke ist wahrer und aufrichtiger als das, was Herrschende und Götter im Land der Hylia berichten.“ Seine Stimme schwang mit dem Wellengang, prickelnd war sie, seine ritterliche Stimme. Warnend drehte sie ihre gebrechliche Gestalt in seine Richtung und beobachtete die Melancholie in seinen klaren Augen. Er sah aus, als stemmte er die Welt auf seinen Schultern und würde diese Last doch niemals abwerfen wollen. „Ihr habt ein törichtes Bild der Götter, Sohn der Hylia…“, bemerkte sie spitz, worauf er kurz auflachte. Er hatte ein tiefgehendes Lachen, angenehm und mitreißend. „Mit Verlaub, Götter entscheiden wohl kaum über meine Absichten und Götter können dieses Land nicht retten.“ Und obwohl sie menschliche Gefühle der Sterblichen kaum wahrnehmen konnte, dafür war sie nicht geschaffen worden, dafür war sie eine Göttin, bewirkte dieser Satz etwas in ihrem Inneren, das sie vorher nicht empfunden hatte. Ein leiser Hauch von Schuld und Abwehr… War vielleicht sie die Törichte, ihn zu beobachten, ihn auszuspionieren, ihn zu benutzen? „Glaubt Ihr denn, dass unser Land gerettet werden muss?“, sprach sie schwach, war überaus neugierig, was seine Seele zu dieser Frage preisgeben würde. „Immer…“, sprach er durchdringend. „Ein Land wie dieses, was so reich ist an wundervollen Schätzen und reich ist an erstaunlichen Völkern wird immer in Gefahr sein.“ „Bei den Göttern, das ist ein grausamer Gedanke mit so wenig Vertrauen in die höheren Wesen“, meinte sie vorwurfsvoll. Und es war dann, dass er erbost auf seine Beine hüpfte, mit donnernden Schritten vor ihrem Antlitz zum Stehen kam und innerlich zu kochen schien. „Was wollt Ihr eigentlich, altes Mütterchen? Redet, als seid Ihr kein Teil dieses Zeitalters! Redet von Vertrauen in die Götter, wo Ihr noch nie an vorderster Front standet und das unheilschwangere Leid mit Euren unschuldigen Augen womöglich nicht einmal in Euren Träumen gesehen habt. Warum sollten Hylianer noch Vertrauen in die Götter haben, wo sie zulassen, dass Hunderte gute Herzen von Dämonen aufgespießt werden!“ Seine Worte sollten sie kalt lassen, sollten sich wie ein nutzloser Schatten anfühlen, den sie als Gottheit wegsperren konnte. Aber sie taten es nicht. Seine Worte ernüchterten, brandmarkten und ließen eine Göttin Mitleid spüren. Ihre azurblauen Augen funkelten, bis sie in seine blickte. Erst jetzt konnte sie erkennen, dass da mehr war als bloß Mut. Da war Mitgefühl für alle Geschöpfe dieser Welt und eine Wärme, die sie beneidete. Als er den Blick in ihren Augen sah, drehte er sich um seine Achse und beschäftigte sich erneut mit seinem Bogen. „Was müsste geschehen, dass Ihr an die Schutzgöttin Hylia glaubt?“, sprach sie mühevoll, hatte den Eindruck diese menschliche Fassade begann sie einzusperren. „Ganz ehrlich?“, lachte er. „Ich finde es amüsant, dass ich mit einer alten Frau über meinen Glauben rede.“ „Bitte beantwortet meine Frage.“ „Gut, ich habe eine Antwort“, und er grinste unverschämt. „Sie sollte nackt in meinem Bette liegen.“ Daraufhin brummte die alte Frau und verzog ihr Gesicht. Sie stützte sich auf ihren weißen Stab und knirschte mit den alten, schwarzen Zähnen. Er erkannte ihren Zorn, und verstand auch, dass sie diesen Scherz nicht als einen Scherz wahrgenommen hatte. Er blickte sie entschuldigend an, lächelte dann und schloss die Augen. „Die wahre Antwort ist einfach. Die Göttin Hylia sollte ihrem Volk beweisen, dass sie Anteil nimmt an dem, was in dieser Welt geschehen könnte, an dem Leid der Menschen, an den Sehnsüchten der Hylianer. Sie sollte zeigen, wofür sie steht, mutig sein, so wie die Kinder dieser Welt.“ Erschüttert sah sie zu Boden, konnte mit dieser Aufforderung nichts anfangen. Ihre Mütter waren nicht gewillt sich in den Lebenslauf der Schöpfung einzumischen. Sie hatten dafür das wertvolle Artefakt des Triforce hinterlassen. Damit Sterbliche ihre Sehnsüchte erfüllen konnten. Damit sie Schlachten gewinnen konnten und eine Hoffnung besaßen. Es war ihr nicht gestattet sich in einen möglichen Krieg einzumischen, würde sie es tun, müsste sie dies bitter bezahlen. „Wie ist Euer Name, Sohn der Hylia?“ „Link, ich heiße Link, einen besseren Namen könnte ich mir nicht vorstellen.“ „Das wiederrum kann ich mir vorstellen“, erwiderte sie und spürte die Hülle, in der sie steckte, das erste Mal lächeln. „Sagt mir… der Bogen, den Ihr schnitzt, ist er für den Kampf?“ Er nickte beflissen, blickte hinaus über das weite Meer, wo der Sonnenuntergang goldene Farben hervorbrachte. „Ich schnitze ihn mit meinen menschlichen Händen, damit ich diese Welt verteidigen kann.“ „Und wovor wollt Ihr sie verteidigen?“ „Vor dem, was bevorsteht…“, murmelte er, ballte kurz die Fäuste, als schien er Angst zu haben vor seinem eigenen Wissen. „Ich kann es spüren. Die Hylianer wiegen sich in falscher Sicherheit, glauben, die Menschen, die von Dämonen getötet wurden, wären eine Ausnahme gewesen, aber ich weiß es besser. Ich kann die Bestien hören, wie sie in der Ferne an ihren Ketten reißen, Pläne schmieden…“ „Das sind schwere Anschuldigungen an das Volk der Hylia“, sprach sie leise. „Sie sind alle blind. Und ich werde das laut aussprechen, selbst wenn man mich wegen Verrat einsperren wird!“ Da war diese Energie hinter seinen Worten, die sie vor einigen Jahren zu ihm geführt hatte. „Ihr würdet Euch gegen die Herrscher der Welt, und auch gegen die Götter auflehnen, Euch erheben wie ein Narr für Eure Ziele?“ „Ja, weil mein Ziel das einzig richtige ist.“ In seinen veilchenblauen Augen standen weder Zweifel noch Furcht. „Euer Ziel ist das Chaos, unberechenbarer Widerstand und dummes Aufbegehren gegen die Mächtigen …“, sprach sie laut, wissend, sie musste ihn testen. „Dann begehre ich auf! Ich könnte es nicht erdulden zusehen zu müssen.“ Er drehte sich in Richtung des Meeres, strotzte nur so vor seiner Seelenenergie und in seiner Aura konnte sie das Feuer wahrnehmen, mit dem er kämpfen konnte. Sein Licht war hellleuchtend, leicht grün und golden schimmernd. „Ich werde den Krieg gewinnen, der über die Welt zieht… Weil ich Hylia liebe… mit jeder Faser meines Herzens… Ich werde jeden Kampf gewinnen für dieses Land.“ Edel, seinen sehnsüchtigen Blick in die Ferne gerichtet, stand er dort wie ein Gott. Mächtig. Jedem Krieger der Welt ebenbürtig und vielleicht überlegen mit dem tosendem Mut und dem Glauben an das Gute in seinem Herzen. „Wenn dies so ist, dann möchte ich Euch etwas schenken…“ Sie hatte erwartet, dass er ihr diese Dinge sagte, sie hatte es vorhergesehen wie zu anderen Zeitpunkten auch. „Eine alte Dame macht mir Geschenke? Lieber nicht…“, lachte er und hob skeptisch eine Augenbraue. „Es soll Euer Schaden nicht sein“, sprach sie fest. „Da bin ich mir nicht so sicher“, murmelte er, aber grinste. Mit ein wenig Arglist schaute er einmal mehr in ihre azurblauen Augen, tauchte in ihre Seelenspiegel ein, als wusste er mehr als er preisgab. Vielleicht ahnte er sogar, wer sie war. Sie fühlte eine Art Unbehagen in jener Hülle, als er sie intensiv musterte und ließ ihren Blick zu Boden schweifen. „Euch fehlt eine Sehne… für Euren Bogen“, entgegnete sie schwach. „Ich übe mich in Magie und habe etwas für Euch.“ Sie kramte in ihrer Gürteltasche, die aus Stoff gefertigt an ihrem Gürtel hing. Zum Vorschein kam ein langes, goldenes Haar, dick und fest. „Das ist das Haar der einen Göttin, unzerstörbar, straff und doch geschmeidig. Magie steckt in den Fasern, eine bessere Sehne werdet Ihr nicht finden.“ Der Heroe zwinkerte, blickte von ihren Augen fragend zu dem langen Haar. „Ausgerechnet ich, wo ich die Göttin kaum leiden kann, soll eines ihrer Haare im Kampf benutzen? Ihr wollt mich veralbern.“ Er verschränkte trotzig die Arme. „Nein, gewiss nicht. Denn ihr liebt das Land der Hylia aufrichtig… das ist der Göttin genug und in gewisser Weise zeigt ihr damit Euren Glauben. Außerdem… Ihr tragt bereits ein Geschenk der Göttin ohne es zu wissen.“ Sie blickte zu dem feinen Kristall, der schimmerte wie eine Hand voll Regenbogen, den er um seinen Hals gebunden hatte. „Wie meint Ihr?“ „Der Kristall, den ihr tragt, diesen opalartigen Edelstein um Euren Hals… er wurde erschaffen von der einen Göttin, die Ihr beschuldigt.“ Irritiert fasste er mit der linken Hand an seine Kette, spielte mit dem Kristall und erhob ihn gegen das Sonnenlicht. „Es ist mir gleich, ob er von der Göttin gemacht wurde, es war ein Geschenk.“ Etwas trübsinnig schaute er einmal mehr hinaus auf das Meer und ließ den Kristall aus seiner Hand sinken. Gelassen pendelte die Kette um seinen Hals. „Genauso wie das Haar nun ein Geschenk sein soll, nicht wahr?“, meinte sie gewieft. Es war nicht von Wert, ob er sie nun doch durchschaute, vielleicht hatte er es ohnehin bereits getan. Sie drückte ihm die Sehne in die Hände. Er lächelte verschmitzt. „Das war ein seltsames Gespräch, altes Mütterchen.“ Ja, es war seltsam, dass er sich von einer alten Dame so hatte herausfordern lassen. Aber ein Teil in ihm ahnte, dass es notwendig war. „Ich danke…“ „Es war ein gutes Gespräch, auch ich habe zu danken“, erwiderte sie und stolperte mit ihrem weißen Stab weiter des Weges. Sie ließ ihn zurück, ließ ihn in seinem Schicksal zurück. Und während sie weiter tapste, spürte sie eine grausame Menschlichkeit in sich brodeln. Seine Worte über die Göttin bewirkten etwas, dass sich anfühlte wie ein Gift in ihrer Göttlichkeit. Und vielleicht war an jenem Tag eine erste Fügung geschehen, die auch Götter veränderte und die von jenen Mächtigen Mut erforderte… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)