Nur ein Spiel von Faylen7 ================================================================================ Kapitel 45: Unbeugsame Hoffnung ------------------------------- Einzelne Regentropfen fielen vom rauchig flammendroten Himmel, als irgendwo in der Nähe von Schicksalshort ein Wagen über aufgerissene Teerstraßen schlich, sich mit verdunkelten Scheinwerfern vorwärts wagte. Zwei Personen saßen in dem Wagen, trauernd über den erbarmungswürdigen Zustand der Welt, einer bedrohlichen Leere des Planeten, der noch vor wenigen Stunden Hunderte Völker und Länder, Tausende Tierarten und Pflanzen hütete. Mit Erschöpfung und Tränen hatten sie sich von Irland bis in einen anderen Teil der Welt gekämpft, ihre Ängste ein Spiegel des glühenden, gefallenen Himmels. Leon Johnson steuerte das Fahrzeug durch sanften, mitleidigen Regen, tief berührt und verzweifelt… auch in ihm krochen Schuldgefühle wie gefräßige Parasiten. Wäre er als oberster Staatsführer in Hyrule in der Lage gewesen Ganondorf Einhalt zu gebieten, hätte er Zeldas Prophezeiungen von Anfang an in Pläne das alte Königreich betreffend eingearbeitet, so wäre diese Erdenwelt niemals das Schlachtfeld des Fürsten der Finsternis geworden. Seine Augenlider zuckten, während sein Kiefer sich in imaginären Wunschvorstellungen anspannte… Sian kannte die feinen Bewegungen in seinem hoheitlichen Gesicht, den alten Gram, der sich aus Leons Gesichtszügen bis hinter die Schädeldecke flüchten konnte. Es waren diese Schuldgefühle, die nicht nur aus dem Versagen der Weltenrettung gespeist waren… Sian sah es in der väterlichen Zuneigung, in einem vergessenen Glanz der Liebe, die nicht ihm galt, wohl aber einem anderen Seelenzauber. Es war keine Eifersucht, die den jungen, begabten Irländer beschäftigte oder Neid. Es war eher Neugier… und Besorgnis um seinen Vater. Aufmerksam studierte Sian eine Karte der Welt, zufrieden den Zielpunkt Schicksalshort trotz aller Widrigkeiten auf ihrem Weg über das Meer und eine ewigscheinende Strecke durch ländliche Gegenden in greifbarer Nähe zu wissen. Kaum mehr eine Stunde trennte sie von dem Ort, der in die Schlacht um die Erde als Refugium der Legenden eingehen sollte. Das Zentrum der Streiter des Guten. „Das Schicksal meint es gut mit uns…“, murmelte Leon, eher widerwillig. Es schien aufgesetzt, so als wollte er unbedingt mit seinem Sohn in ein Gespräch kommen… gerade jetzt offen über all das reden, was sie seit Jahren nicht getan hatten. „Wir kommen unserem Zielpunkt immer näher.“ „Ich weiß nicht, ob ich noch an das Schicksal glauben möchte…“, erwiderte Sian, zwang sich mit einem Schließen seiner Augenlider aber zum Innehalten. Auch er, wo er die Apokalypse über die Welt donnern gefühlt hatte, schon vor Wochen, hielt den dunklen Vorhang der Welt kaum aus. Es kochte in seinen Zellen, dem scharfen Spürsinn, den Sian über sich und die Welt außerhalb seines Seins geschult hatte. Es kochte in übernatürlichem Feuer, übelriechender purpurroten Suppe, die kleinsten Bausteine das Seins kochten… „Entschuldige, Vater“, sprach er dann, sein gereizter Tonfall rollte in ihn zurück. „Sian… ich weiß, ich habe dir in den letzten Wochen nicht gerade einen Grund gegeben an so etwas wie Schicksal zu glauben… Blind vor Wut und Schuld habe ich den einzig notwendigen Weg in alle Winde geschlagen…“ Nein, es war sogar weitaus mehr. Leon hatte ihm schlichtweg keinen Grund mehr gegeben an seinen eigenen Vater zu glauben. Und das seit Monaten. Es gab Tage, da verfluchte der sonst so kühle, vernunftbegabte und starke Sian seinen Vater innerlich, bestrafte ihn mit einem kindischen Ignorieren, das er kaum kontrollieren konnte. „Der einzig richtige Weg wäre gewesen Zelda hier in Schicksalshort zu besuchen, sie zu unterstützten und nicht zusätzlich Impa zu befehlen sie in Unkenntnis über deine Existenz zu lassen. Unser Scheitern ist ein Scheitern an ihr… vor allem an ihr.“ Sians Anklage kam harsch und vernichtend, Sian schonte seinen Vater nicht, das hatte er niemals getan. Eine Erschütterung in der von Reue beladenen Seele jenes gescheiterten Königs endete in einem Knacken seiner ungenutzten Fäuste. Das war alles, wie immer… es war seine Reaktion auf den Schmerz, den Sian herausgefordert hatte. Der begabte Jugendliche warf einen Blick auf die Rückbank, wo in einer Reisetasche die vervielfältigten Splitter Hylias ruhten, leise vor sich hin vibrierten, ja leise summten. „Diese heilenden Splitter sind unsere einzige Chance auf etwas Licht für das Sterben allen Lebens auf dem gesamten Planeten… und die Einzige, die bewerkstelligen kann, dass jene Kristalle uns helfen, ist Zelda“, sprach Sian, so, als wüsste sein Vater es nicht, so, als hatte sein Vater vergessen, welche Rolle der Prinzessin des Schicksals im Kampf gegen das Böse seit Äonen zugedacht war. Es war albern, dieses sich selbst erklärende Wissen zu verbalisieren, fast schon töricht. Und vielleicht war es nicht der richtige Zeitpunkt diesen Konflikt zur Sprache zu bringen, aber wann, wenn nicht jetzt? Die Zeit lief ihnen davon… Irgendwann tickte hier auf dem Planeten gar keine Zeit mehr… Das plötzliche, ruckartige Steckenbleiben des Wagens verbündete sich mit einem unzufriedenen Seufzen aus Leons Kehle. Ein rauer Ton, nicht nur gespeist von dem leeren Tank, der ein schnelles Vorankommen von beiden unmöglich machte, sondern auch daher rührend, weil er auf Sians Anklage nur einen kindlichen Trotz, ein törichtes Unvermögen mit ihm zu reden, spürte… Es war blanker Unsinn, eigentlich. Er lebte über fünfzig Jahre schon auf dieser Erdenwelt und fühlte sich wie ein Kind, das vor der Konfrontation mit der eigenen Tochter davonlief. Und obwohl Leon in vielen Belangen mit sehr viel Lebenserfahrung und Wissen brillieren konnte, so vermochte er es, was die Beziehung zu seiner Tochter anging, nicht. Womöglich, weil ein alter, unnötiger Konflikt zwischen ihnen schon seit Hyrules Verblassen bestand… und weil er sich niemals von ihr verabschieden konnte. Damals… „Bei Hylia, Vater“, murrte Sian, der ebenfalls einer sich gut anfühlenden Wut den Vorzug vor seiner sonst so kühlen, beherrschten Natur gab. „Du musst diesen Streit mit Zelda endlich klären.“ Aber eigentlich wollte er wohl sagen: ,Du musste diesen Streit auch mit mir klären…‘ Sian fühlte sich Zelda zu nah als sich aus diesem chaotischen Unsinn herauszunehmen. Und erneut gab Leon seinem eigenen Unvermögen und seiner Besorgnis einen knackenden Unterton mit den Gelenken in seinen Fäusten. Dann zupfte er sich am Bart und auch diese Reaktion kannte Sian zu gut. Es war der analytische Blick, der sich mit seiner Gestik verbündete, immer dann, wenn Leon all seine Optionen abrief um eine Entscheidung zu fällen, immer eine, die ihm nicht gefiel. Er hatte sich dieses auffällige Schauspiel seiner Physis unbewusst angeeignet, damals schon… „Sian, ich wollte Zelda nicht noch einmal in eine Rolle hineinpressen, in welcher sie ihr ganzes Glück hätte opfern müssen. Und ich habe oft genug zu viel Druck auf sie ausgeübt diesbezüglich…“, erklärte er dann, versuchte den Motor noch einmal zu starten, nur um sich zu überzeugen, dass es wahrhaft am leeren Tank lag. Bis er sich knarrend zurücklehnte. Und auch diese Reaktion kannte Sian nur zu gut, Leon gab immer wieder auf seine eigenen Ängste zu ergründen. Den Konflikt mit Zelda näher zu beleuchten. Und Sians Reaktion darauf war ebenfalls dieselbe. Er spürte einen unnachgiebigen, fehlleitenden Trotz in sich, sein eigenes Unvermögen sich in Geduld zu üben. Auch wenn die Wiedergeburt von Shiek diesen starken, kühlen Kopf bewahren konnte, so besaß er dennoch seine eigene unvernünftige Schattenseite einer maßlosen Ungeduld. „Weil Zelda nicht dem Bild einer perfekten Prinzessin entsprach und nicht entspricht…“, murmelte Sian nachdenklich. Aber war das allein schon ausreichend für ein solches Konfliktpotential, das Leon Johnson annahm seine Tochter wollte nicht mit ihm reden? „Ja, womöglich war es das…“ Und ob es das war, dachte Leon in stillen Gedanken. Sicherlich hatte er sich alles Glück der Welt für seine Tochter gewünscht, seiner kleinen Zelda, die ihm immer wieder einen Spiegel seiner eigenen Fehler vorgehalten hatte. Dennoch… er hatte niemals eine Wahl gehabt sie an dem strengen, sittsamen Hofe, unter den Augen des Hochadels von Hyrule, sie selbst sein lassen zu können. Schon sehr früh eskalierte Zeldas ungebändigte Natur, ihr Sturkopf, ihr Freigeist, ihr Wildfang, mit den Gesetzen bei Hofe, mit der restriktiven, unbeweglichen Struktur, der viel zu halsstarrigen Oberflächlichkeit. Sie war niemals glücklich in ihrem eigenen Heim gewesen und er wusste dies. Nur deshalb hatte er die Besuche eines gewissen naiven, aber auch freiheitsliebenden Waisenjungen aus den Wäldern gestattet. „Aber wir alle müssen Opfer bringen… das ist unabdingbar. Wir tragen eine weltenverbindende, heilige Pflicht. Irgendwann müssen wir alle nach vorne schauen und alte Verletzungen hinter uns lassen. Ich kann nicht nachvollziehen, dass Zelda dies nicht gelingt.“ Sians starke, ehrgeizige Persönlichkeit kam mit dem kühlen, kompromisslosen Ton in seiner Stimme zum Vorschein. „Ihre mentale Krankheit… ein Fluch womöglich“, seufzte Leon, verriet in einem Blick aus seinen himmelblauen Augen einen weichen Gedanken an seine eigene Mitschuld und Rolle in diesen Ereignissen. „Zelda war so stark in dem Schlund des Zeitkriegs, sie war ein führendes Licht, strahlend, stolz… Sie hat nicht gezögert zu kämpfen, ihre gesamte Kraft in die Rettung des Reiches zu legen… und nun…“ Leon stolperte fast über einen langen Atemzug aus seiner kratzigen, belegten Kehle um seine Anspannung abzuschütteln. Eine hässliche, gemeine Spannung, die an seinem Brustkorb anschwoll und leise stichelte. Dieser verdammte, alte Schmerz unerledigter Aufgaben biss sich in seinem Herzmuskel fest und machte ihn mürbe. Und trotzdem ignorierte Leon diese Wunde tagtäglich. Eine Wunde, die sich aus so vielen Aspekten speiste. Aus seiner Bewunderung für die Stärke seiner Tochter, die er ihr gegenüber niemals verbalisiert hatte. Aus seiner Entschuldigung für das väterliche Versagen, die niemals über seine ernsten Lippen gelangt war. Aus all den Dingen, die er ihr sagen wollte und es niemals hatte und selbst in dieser Welt einfach nicht konnte. Es gab so vieles, was er bereute, so vieles… Genau diese scheußliche Wunde brannte und ätzte. Denn manchmal war eben doch der Schmerz alter Wunden so groß, dass jene sich selbst im Vorbeistreichen von Jahrhunderten nicht schließen konnten. Und ebenfalls bei Zelda hatte sich diese Wunde infiziert und ihr eine Festigkeit, Kraft und Stabilität geraubt, die sie während des Zeitkriegs noch besaß. „Ich hoffe, dass ihre mentale Krankheit gelindert werden kann.“ Ein weiteres Mal sprach die Besorgnis tiefgehend aus Sian und das, obwohl er Zelda in seiner Existenz niemals begegnet war. „Womöglich kannst du ihr helfen mit der Klärung eures Konflikts.“ „Wenn sie überhaupt mit mir reden möchte.“ Sian verdrehte die Augen, diese Worte so pathetisch und so bemitleidend. Wen wollte dieser gebrochene Mann mit seinen fadenscheinigen Ausreden irritieren, Sian oder sich selbst? Plötzlich fuhr jemand an ihnen vorbei. Eine Person in einem blauen Regenmantel auf einem Fahrrad. Schnaubend strampelte die Gestalt über die feuchtnasse Straße. Irgendwie unbeeindruckt von dem eiskalten Regen und dem mit Monstern überfluteten Zustand der Erde. Zügig hetzte sie durch matschige Pfützen, bewegte ihr Rad aber galant und sicher. Leon Johnson sah bestürzt hinaus und wunderte sich, dass es allen Anschein nach noch Menschen in dieser Stadt gab. Menschen, die sich gegen Ganons Zorn beladenen Fluch wehrten. Kämpfer, die ihren Willen aus einer schier überwältigenden Kraft guter Absichten schöpften. Verdutzt kurbelte auch Sian die Glasscheibe herunter und sprach fest und mitfühlend zugleich durch den silbergrauen Regen: „Brauchen Sie eine Mitfahrgelegenheit?“ Zuerst stoppte die Gestalt nicht wirklich, verlangsamte jedoch das Fahrrad und warf einen neugierigen Blick zurück zu dem Fahrzeug. Sie hatte wenige Bewegungen aus dem Wagen vernommen, aber wollte sich aus Angst vor einem Angriff nicht davon überzeugen lassen, ob ein Mensch in dem Wagen hockte. Sie hatte ein wichtiges Ziel, von welchem sie sich nicht abbringen lassen konnte. Dafür war ihr eigenes Überleben zu bedeutsam und notwendig. In dem Augenblick stieg Sian in absoluter Präzision und Schnelligkeit aus dem Wagen, hetzte durch den Regen zu der Gestalt hinüber und erforschte mit seinen rubinroten, scharfen Augen die Situation. Er erforschte eine erwachsene Dame, die Ganons Verseuchung überstanden hatte, besah sich stechende, entschlossene Augen unter dem vom Regen triefenden Mantel hervorleuchten. Der Regen befeuchtete ein weißes, fahles Gesicht mit Erschöpfung und verlieh ihr dennoch die fluide Kraft eines uralten Wesens. In dem Augenblick erkannte sie beide Gestalten, spürte einen trägen Druck über sich hereinbrechen. Der Regen hatte sie wach gehalten, ihr Trost gespendet für den gefahrvollen Weg durch die Stadt, aber er hatte sie auch blind gemacht für andere Seelen. Augenblicklich ließ sie das Fahrrad fallen und hetzte erleichtert zu Leon Johnson in das trockene Auto. Sian reagierte wie immer beherrscht und diszipliniert, die Reaktion jener jungen Frau nicht in Frage stellend. Während Sian ein Gefäß mit Benzin aus dem Kofferraum nahm und den Tank befüllte, brach Leon der jungen Dame gegenüber das Schweigen. Denn er erkannte sie, eine junge Studentin, die lange Zeit unter Ines Schattener gelernt hatte. Natürlich kannte er sie, nicht nur in diesem Leben. „Es erfüllt mein Herz mit Freude Euch am Leben zu wissen, Rutara“, sprach er leise. Sie bedankte sich mit einer sonderbaren Ruhe und Gefasstheit in knappen Worten. „Das beruht auch auf Gegenseitigkeit, mein Herr“, murmelte sie und überprüfte mit gezielten Blicken aus ihren wachen Augen die Situation. „Aber es überrascht mich, Euch hier in Schicksalshort anzutreffen…“ Sie lächelte, denn die Anwesenheit und Unversehrtheit von Leon und Sian ließ ihre Hoffnung strahlen. „Es war ein weiter, gefahrvoller Weg, den wir gemeistert haben.“ Leons Stimme schwoll in seiner Kehle an um so etwas wie Hoffnung zu betonen, und sein eigenes Gewissen mit Plänen und Handlungen zu beruhigen. „Denn wir besitzen etwas, das uns einen Vorteil in dem Kampf gegen Ganon verschaffen kann.“ Leon warf einen Blick zu der Reisetasche, die in der Dunkelheit flimmerte, als erzeugten die Kristalle Hylias Portale in andere Welten. Rutara grinste plötzlich und fing an zu lachen, womöglich um ihre eigene Verzweiflung zu kaschieren. „Da kommt Ihr ein wenig zu spät. Die Prinzessin hat bereits einen Plan zur Rettung der Erde, und ich weiß nicht, ob euch dieser gefallen wird.“ Leon und auch der wiedergeborene Shiek, der sich ins Fahrzeug begab, vernahmen die Worte mit stiller Verwunderung. Zelda hatte trotz ihres Zustandes einen Plan erschaffen? Und es ließ sich Leon innerlich noch scheußlicher fühlen. Kannte er seine eigene Tochter denn wirklich so wenig? Hatte er jegliches Vertrauen in sie verloren? Noch immer tat sie ihre Pflicht, noch immer kämpfte sie erbarmungslos für das Leben, selbst für eine Welt, in der sie nicht geboren wurde. Es beeindruckte Leon und erschütterte ihn zugleich. „Unser Bestimmungsort ist jedenfalls das Haus von Ines. Ist dies auch dein Ziel?“, fragte der ältere Irländer an Rutara gerichtet. „Allerdings“, sprach sie kühl, aber lächelte. Und als sie den von unbekannten Wesen erdachten Plan zur Rettung erläuterte, Sian und Leon in Erstaunen versetzte, führte der Weg jene vergessenen Krieger über das Stadtzentrum in Richtung der Wohnbausiedlungen, immer weiter in der glühenden Finsternis, immer näher an die nächste Schlacht in dem Krieg um die Erde… Als sich der Regen mildtätig über die gefallene Welt ergoss, mit säuerlichen Tropfen versuchte das Unheil der Welt wegzuwaschen, hockte Link auf dem Boden, hatte sich mit dem Rücken an das verbeulte Fahrzeug gelehnt und verweilte mit leerem, stoischem Blick auf Ricks leblosem Körper. Maron saß noch immer neben ihrem Liebsten, erzählte ihm Geschichten über das Leben, das sie einst ihr eigen nannten, Geschichten der endlosen Zuneigung und der gemeinsamen Erlebnisse, wo jene Liebe sich festigte… Dem Heroen brannte das Herz Maron weinend neben Ricks totem Körper zu erleben, ihren Schmerz zu spüren, sich nutzlos zu fühlen… Es war nicht nur der Hass auf Ganon, der in seinem Herzen wühlte und es heftig gegen den Brustkorb hämmern ließ. Es war die tiefste Trauer, die Link jemals gespürt hatte… Ein Gefühl, als ertrank er an jedem gewöhnlichen Atemzug, weil Rick es nicht mehr konnte. Ein Gefühl, als verließ ihn jedes menschliche Gefühl und hinterließ eine pechschwarze Suppe aus Zorn und Unverständnis. Aus Wut und Trauer… Inzwischen war er vom Regen durchgeweicht, hob sein Gesicht den fallenden Tropfen entgegen, betete das salzige Nass löschte den Kummer, betete, der Regen wusch sein Herz frei. Mit seinem Blick in den blutenden Horizont gerichtet, erinnerte ihn der rotgefärbte Regen an flüssiges Metall… Es brannte in seinen tiefblauen Augen, sodass er blinzeln musste und jene schloss. Dann riss er sich sein grünes Basecape herunter. Diese alberne Kopfbedeckung, die er seit Jahren trug. Wie lächerlich es doch war, dachte er. Er hatte kaum realisiert wie unbewusst er sich mit der Spielfigur Link identifiziert hatte… in all der Zeit war es für ihn so notwendig gewesen eine grüne Kopfbedeckung zu tragen… Denkwürdig lag das Stück Stoff in seinen Händen. Er drehte es hin und her und betrachtete es sich von jeder Seite. Verfiel mehr und mehr seinen Erinnerungen… Bilder aus dem Nebel, untrüglich, echt und doch kaum zu erfassen. Wer war er, dass er eine grüne Kopfbedeckung brauchte? Unsinnige Gedanken strömten auf ihn ein, während Maron im Hintergrund einen Gesang leidvoller Abschiedsworte durch den Regen anstimmte. Wer war er, dass er glaubte, er könne als der Held Hyrules erwachen und diesen Krieg entscheiden mit nichts als einem Schwert in der linken Hand? Plötzlich schallte eine Stimme durch die kühle, vom Regen umschlungene Luft. Eine vertraute, prägnante Stimme, tief, ruhevoll, lichtend… Zunächst fiel es dem Helden schwer sich auf jene Stimme zu konzentrieren, es fiel ihm schwer sie für echt zu halten, wo er sich doch wünschte, dass alles um ihn herum, die weinende Maron, der leblose Körper Ricks, und die Verwüstung der Welt, nicht echt waren. Link löste erst seinen Blick aus einer erdrückenden Trance, als er ein paar Füße in abgewetzten Lederschuhen vor sich sah. Erschrocken und doch mit verlangsamten Reflexen hüpfte der Heroe auf seine Beine, betrachtete sich den Schulpsychologen Richard Raunhold, der ihn mit einem verständnisvollen, mitfühlenden Blick zu durchschauen versuchte. Und er durchschaute Link sofort… Verstört, die Nässe seiner Kleidung spürend, sah Link drein, richtete seine tiefblauen, schönen Augen zu Boden. Kein Wort gelangte über seine vom kühlen Regen benetzten Lippen, keines, das Sinn machte und keines, das nur irgendwie erklären könnte, was hier geschehen war. Er spürte nur die große rechte Hand von Raunhold auf seiner Schulter, der versuchte seinen Zustand mit seinem analytischen Instinkt zu durchstreifen. Er überprüfte Link auf Verletzungen, körperlicher und seelischer Art, bis er den Jugendlichen beherzt auf den Beifahrersitz des Wagens schob. Link rieb sich die Augen gegen die aufkommende Erschöpfung, dem Gefühl als hauste ein Wurm in seinem Kopf und entriss ihm die Konzentration… Er rieb sich die Augen erneut, beobachtete wie Richard Raunhold auch Maron in das Fahrzeug packte. Schluchzend hockte sie auf der Rückbank, verbarg ihren Kopf in den Armen. Link spürte den aufkommenden Wunsch sie zu trösten, mit ihr zu reden, und doch sperrte sich sein Kiefer gegen unsinnige Worte aus seinem Mund. Was sollte er noch sagen, was in diesem Moment des Verlusts Sinn ergab? Rick war ihm geraubt worden… Sein bester Freund würde niemals wieder mit seinen rehbraunen Augen die Welt erblicken und lachen können… Verstört wanderte Links Fokus in die vom rötlich schillernden Regen beherrschte Nacht, beobachtete wie Richard Raunhold den toten Körper seines Freundes in den Kofferraum packte. Einfach in den Kofferraum packte, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Entsetzt lauschte Link dem Geräusch eines knackenden Körpers, lauschte dem Knallen, als die Kofferraumklappe zufiel. Und mit jenem Geräusch löste sich eine weitere Anspannung in dem Heroen und er begann zu schluchzen. Es schien ihm, als musste Ricks Körper erst bewegt werden, auf diese unnötige, makabre Weise, dass ein weiteres Gefühl von Trauer auf ihn niederbrach. Link sank in den Sitz zurück, spürte sich nur als klein und fehlbar, schloss die Augen, wo Tränen seine Wimpern verklebten. „Sie kommen. Ich werde fahren!“, war Raunholds erster Satz, als er endlich außer Puste in das Auto sprang und Link ein weiteres Mal prüfte. „Ich werde zu Impas Villa fahren…“, sprach er, und auch er wollte unnötige Worte des Mitleids vermeiden. Link nickte, das war, was er ausdrücken konnte. Alles andere, Erklärungen, Ausreden, Beschwichtigungen steckten in seiner Kehle wie Schrauben und kratzten an seinem Selbstwert. „Ines hat mir den gesamten Plan telepathisch mitgeteilt. Und auch Rutara ist unterwegs zur Villa“, sprach Raunhold besonnen. Seine Bemühung Stabilität zu verbreiten war für Link so spürbar, aber es half ihm nicht. Ricks letzte Worte verfolgten ihn, sein letzter Blick hatte sich in Links Seele eingebrannt. Er kniff ein weiteres Mal die Augen zusammen, lauschte weiteren ablenkenden Worten von Richard, bis er jene ignorierte und stattdessen trübsinnig die Welt außerhalb beobachtete… Die Welt, die keine mehr war… Es war fünf Stunden her, seit der Heroe seine Mission startete, als das Auto, von den Händen Richards gesteuert, in die düstere Einfahrt von Impas Villa einfuhr. Maron war auf der Rückbank mit siegender Erschöpfung in den Schlaf gesunken, ließ sich von wenigen Worten Raunholds kaum wecken. Ihre Seele wählte eine stumme, bilderleere Ohnmacht, versuchte das Entsetzen und die Trauer aufzuschieben. Dennoch murmelte sie, als der Psychologe sie aus dem Fahrzeug führte. „Jemand muss Rick begraben… Wir können ihn doch nicht im Wagen lassen… Rick hat… Rick…“ Sie murmelte den Namen ihres Freundes auch dann noch als Raunhold sie auf die Arme nahm mit dem Ziel sie ins Haus zu bringen. Mit Tränen in den Augen fiel Maron einmal mehr in einen tiefen Schlaf. Impa empfing Raunhold und Maron an der Eingangstür, nickte ihm und auch Link mit besorgtem Blick entgegen. Sie beobachtete Link, der vor dem Kofferraum stand, mit leerem Blick und einer spürbar vibrierenden Anspannung. Seine gebeugte, niedergeschlagene Haltung erinnerte sie an die alte Zeit, an Momente der Verzweiflung… bis zu dem Punkt, als sich Link kaum mehr rührte. Wie festgemauert, schweigsam, verschmolz er mit der düsteren Umgebung. Impa wollte etwas sagen, stattdessen schüttelte sie den Kopf und lief zu ihm hinüber. Ohne zu erfragen, was geschehen war, aber mit einer düsteren Ahnung, schob sie ihn vorwärts, lauschte einem mürrischen, weichen Laut von seinen Lippen und spürte leichte Gegenwehr. Er vermied Impas Blick und trat still vorwärts. Als Link mit Impa zurück in die Schutzräume gelangte, empfing Zelda ihn an der Eingangspforte. In der gläsernen Optik seiner tiefblauen Seelenspiegel starrte ihr im Vorübergehen ein sich mauernder Schmerz entgegen, der so anders war als alles, was sie jemals in Links Blicken gelesen hatte. Eine weiche Oberfläche, haltlos wie schwache blaue Wellen, schmelzendes Eis. Link war mit seiner Seele in tiefsten Emotionen abgetaucht, unfähig auf Zeldas mitfühlende Gesten zu reagieren, unfähig ihren besorgten blick zu treffen. Schweigsam, die Hand, die sie ihm reichte ignorierend, verschwand Link in einem Nebenzimmer. Noch nie hatte er so abweisend, so in sich selbst gefangen, reagiert. Und es erschreckte neben Zelda auch Sara. Die beiden Mädchen warfen sich schockierte Blicke zu, bis Raunhold, welcher Maron in Dar Gordons Obhut gab, die Lage erklärte. Sara sank weinend am Tisch nieder. Mit einer Hand auf ihrem Herz folgte Zelda ihrem Heroen. „Ich werde nach Link sehen…“, sagte sie leise, auch wenn sie nicht wusste, wie sie ihm jetzt helfen konnte und ob sie mit ihrer Unfähigkeit auf seine Bedürfnisse zu reagieren überhaupt dazu in der Lage war. Aber es kam auf einen Versuch an. Einen Versuch, den sie daraus speiste einmal mehr gegen ihre Ängste anzugehen. Sie verschränkte ihre Arme mit einem Seufzen und vermied den Blick in Impas zufrieden funkelnde Augen. Zelda fühlte ihre Sturheit anwachsen in dem Wunsch zu ignorieren, was in Impas wissendem Kopf vor sich ging. Sie ignorierte es, dennoch flossen Impas schelmische Gedanken zu ihr hinüber. Schelmische, aber mütterliche Gedanken mit der Hoffnung, dass die vergessene Prinzessin ihre Mauern fallen ließ für den Trost ihres Seelenverwandten. Zelda schüttelte ihren hübschen Kopf ungeduldig und verließ den Raum zügigen Schrittes. Impas Einmischen half ihr nicht gerade dabei Nähe zuzulassen… Zelda klopfte zögerlich an die Tür in das Nebenzimmer, ein schwerer Atemzug wurzelte in ihren Lungen, alte Verletzungen erinnernd. Ein paar Stiche seelischer Wunden verfolgten sie in dem Wunsch ihrem Helden Trost und Ermutigung zu spenden. Leise fragte sie: „Darf ich reinkommen?“ Eine Tür ihrer Bedürfnisse, ihrer Sehnsüchte, die sie so oft grob verschlossen hielt. Es kam keine Antwort, nur der Flügelschlag einer Erinnerung an Abweisung. Ein Hauch Vergangenheit, grausam und verwüstend. Mit einem befehlenden Herzschlag öffnete sie die Tür, beladen von einem Vorhang der Finsternis fiel es ihren Augen schwer sich an jene zu gewöhnen. Link hatte das Licht hier in dem stillen Kämmerchen vermieden, vielleicht weil er das Licht in sich gerade nicht spüren wollte. Zelda wartete einige Sekunden, die vor Nervosität schwelten, tickten mit einem bitteren nervösen Beigeschmack. Sie atmete ihre Nervosität heraus, so wie damals mit dem Versuch Verluste und Schmerz auszuhalten… So wie damals und doch ganz anders… Sie spürte ihren Heroen in dem Raum, wo ein metallisches Klappern der Heizungsrohre trügerisch in die Ferne drang. Und dann, als sie die Tür hinter sich schloss, ihre saphirblauen Augen lernten die Umgebung zu sortieren, dann sah sie ihn. Das Licht der Erde, den einzig wahren Helden, beladen mit dem größten Kummer, den sein liebevolles Herz kaum fassen konnte. Er lehnte mit seinem Rücken an der wärmenden Heizung, durcheinander, durchnässt, von Schmerz durchzogen, und doch so… tapfer. Da waren keine Worte von Wut, Unverständnis oder Hass über seine spröden Lippen gelangt, keine vernichtende Anklagen oder Urteile. Einmal mehr entsetzte es Zelda und erfüllte sie mit der wildesten Ehrfurcht, wie standhaft Link das alles ertrug. Und doch… Und doch spürte sie, dass sie ihm einen Dienst erfüllen musste, etwas schenken wollte, das nicht so wertlos erschien wie die Aufopferungen von damals… Damals… erneut dieses betrügende, hässliche Wort Hunderter geöffneter Wunden… Aber sie wusste, sie würde ihn trösten und den edlen Mut in ihm anfachen, so wie es sein sollte, so wie auch er ihre Qualitäten als Prinzessin des Schicksals gestärkt hatte, immer und immer wieder… aufopferungsvoll, bedeutsam. Ein weiterer, tiefer Atemzug entglitt ihr widerwillig, als sie ihn beobachtete, seine Knie angewinkelt, den Kopf darauf liegend, als würde er schlafen… Feine Tropfen des säuerlichen Regens perlten sich an seinem dunkelblonden Haar, fielen nieder über seine käseweißen Wangen, über seine stillen Lippen… „Wünschst du, dass ich gehe“, sagte sie einfühlsam. Wieder sprach sie gegen eine Mauer. „Ich möchte, dass du weißt, dass ich für dich da bin…“, murmelte sie, und verkrampfte sich daran. Ihre Worte waren voller Unsicherheit, unecht… und Link spürte dies. Denn erneut rang er sich zu keiner Antwort. Schlief Link etwa? Zelda führte ihre Hände aneinander, in Gedanken bittend und betend, wollte sie doch bei ihm sein, ihm alles schenken, was er an Wärme und Mitgefühl brauchte, nun da Ganon ihm noch ein weiteres Stückchen seiner Welt gestohlen hatte. In einem Wechselbad der Gefühle war sie dabei sich abzuwenden, ein unerwünschter Fetzen der alten Welt hüllte ihre Bedürfnisse in die altbekannten Ängste vor Abweisung und erinnerte sie an die knallharten Verbote. Niemals hätte sie ihren Heroen in der alten Welt trösten dürfen. Niemals hätte sie irgendetwas für den Helden der Zeit empfinden dürfen… Sie schluchzte ungewollt, eine Träne der Zuneigung vergoss sich unauffällig an ihrer Wimper, als Link sich erhob, träge, zitternd, so unheimlich entkräftet. Ohne ein Wort stolperte er in ihre Richtung, zog sie an sich als wäre sie sein rettendes Ufer. Sie erwiderte die Umarmung vorsichtig und fühlte Links stumme Tränen an ihrem Hals, als er sein Kinn auf ihre nackte Schulter legte. Schweigsam… Und doch erzählte diese Berührung ihrer bloßen Haut absolut alles. Seine Zerrissenheit. Ein Schmerz, der aus seiner zitternden Haut heraussickerte. Zeldas Hände wanderten und streichelten über seinen Rücken… seine eiskalte Haut war unter dem nassen Stoff so intensiv fühlbar. Alles an ihm war durchgeweicht und sie fühlte deutlich, dass er sich mit dem Zittern und der unangenehmen, schweren Nässe bestrafen wollte. Ein kränkelndes Vibrieren seines Körpers, das wie ein Schmerzimpuls in ihren eigenen Körper glitt. Ihre rechte Hand wanderte zu seinem Haaransatz, auch sein Haar war klatschnass. Er sagte kein Wort. Er brachte keines hervor… Zelda unterbrach die Umarmung und führte ihn zu dem abgenutzten Schlafsofa, wo vor wenigen Stunden der kleine Junge Hoffnung und Licht in ihren Alptraum gebracht hatte… hier, wo Licht in Form eines Planes geboren wurde… hier… in diesem stillen Kämmerchen intimer Gesten. Und in der durchfluteten Dunkelheit des Raumes erahnte und spürte Zelda lediglich, dass sich Link auf das Sofa sinken ließ… So still und gebrandmarkt… voller Leid, dass jenes in ihrem Herzen schlitzte. So gewaltvoll schlitzte, dass es Narben hinterließ. Sie trat vor ihn, ihre Händen fanden sich zögerlich auf seinen Schultern, diesen jungen Schultern, die so viel stemmten. Sie versuchte ihn durch die Dunkelheit zu erreichen, in seine Seele zu sehen, in sein Herz… ihr eigenes aufgewühltes, nervöses Herz mit mahnenden Gedanken daran, was sie hier tat, zu beschwichtigen, die alten Verbote aufzulösen… Sie war in diesen stillen Momenten nicht mehr die Prinzessin von Hyrule, noch war sie die Erbin Hylias. Alles, was sie sein wollte war Zelda… einfach Zelda, Links Traum, Links stille Zuflucht. Denn es war nicht nötig, dass er etwas sagte. Sein Schweigen sagte ihr mehr, als Worte es hätten tun können und sie wusste, er brauchte sie jetzt mehr als jemals zuvor. Zelda stützte sich nach vorne, ließ sich ebenfalls auf das Sofa sinken, sodass sie ihm so nah war, wie zuvor und griff mühsam von ihrer Position aus an den Schalter der Heizung. Sie drehte den Schalter auf die höchste Stufe, hörte das Wasser in der Heizung plätschern, der einzige Laut in dem Zimmer. Dann lehnte sie sich wieder zurück, nicht sicher, ob sie etwas sagen sollte… Ob Worte in diesem demütigen Moment überhaupt eine Berechtigung besaßen? Ob irgendein so klangvolles, vielleicht sogar sinnvolles Wort den Schmerz erreichen konnte, der in Link steckte? Und ob irgendeines jener Worte ihn nur ansatzweise davon befreien konnte… Es war so grausam und unfair… nicht nur das Schicksal, das wie ein richtender Hammer auf ihn niederdonnerte. Es war die Last, diese schwere, kaum zu ertragene Schuld. Diese war unfair… und doch Links Pflicht. Er trug sie alle mit erhobenem Haupt, die Schuld und Grausamkeit, alle Bürden. Eine Träne tropfte von ihrer Wange mit dem tiefen Wunsch ihm seine zu nehmen, als sie ihm das nasse Base Cape vom Kopf zog. Ohne Gegenwehr… Link ließ es einfach geschehen, ließ seine Prinzessin vollkommen die Kontrolle übernehmen. Versunken in seiner Trauer entwichen jegliche Gedanken an die Weltenrettung, selbst seine Gefühle für Zelda ins Nichts. Das Leid über den Verlust Ricks betäubte ihn, betäubte sein Herz. Zelda erhob sich, lief in kurzen, langsamen Schritten in die andere Ecke des Zimmers, wo die dicke Decke lag, in der sie beide vor wenigen Stunden geschlafen hatten. Sie nahm die Decke, berührte diesen kratzigen, verwundbaren Stoff und trat vor ihren Heroen, suchte in der drückenden, stillen Dunkelheit sein Gesicht… dieses schöne, von Gram erfüllte Gesicht, wo sie den schattenhaften Hauch eines sonderbaren, kaum definierbaren Blickes aus dem reinen Tiefblau in ihre Gedankenwelt dringen sah. Dieser Blick. Unwirklich… und nicht von dieser Welt. Voller tapferer Melancholie, voller leerer Erwartung, voller siegender Trauer… Ihre Hände wanderten zu seinem grünen, feuchten T-Shirt, das sie ihm mit einem Ruck einfach über den Kopf streifte. Er reagierte nicht… kein Gefühl… starr und eingemauert… Mit leichtem Zittern ihrer Hände führte sie die Decke um seinen nackten Oberkörper, ihre Hände berührten die straffe, nasse Haut seines Nackens. Sie fürchtete sich beinahe vor der nächsten Empfindung, vor einer Reaktion ihres Heroen, die jedoch ausblieb… und sie fürchtete sich vor sich selbst. Vor ihrer Unfähigkeit ihm die Kraft und Zuneigung zu schenken, die er so dringend brauchte. Sie fürchtete ihn und die Brücke, die er zu ihrem Seelenleben schlug. Denn manchmal brachen so unheimlich klare Bilder über das tiefe Band zwischen ihnen an die Oberfläche ihrer Welt. Bilder aus anderen Leben, die sie entsetzten. Intime Gesten, die sie kaum zulassen wollte. Vielleicht spürte er ihren Wunsch ihn zu trösten sogar, spürte die anwachsende Beklemmung, aber besaß nicht die Kraft diese aufzulösen oder den Moment des Trostes nur irgendwie mit Worten zu zerstören… Welche Worte auch machten jetzt noch Sinn? Vorsichtig fanden sich seine rauen, nassen Hände auf ihren zarten Unterarmen, genau dort, wo jene seine Schultern berührten… er rang mit sich, dem Wunsch sich in hoffnungsvoller Zärtlichkeit zu verlieren, rang damit Zelda an sich zu drücken und sein Leid anzuklagen. Er brauchte ihre Wärme so sehr… so sehr um die Kälte zu vergessen, die sich in seine Seele fraß… mit jedem Schlag seines vernichtenden Schwertes und mit jedem Menschen, ermordet von seinen Heldenhänden… Dann endlich drang aus Zeldas Mund ein Schluchzer leidvoller Besorgnis und tiefem Mitgefühls und einmal mehr überlagerte der Wunsch ihrem Heroen Beistand zu leisten die alten Verbote einer Fluch beladenen Vergangenheit. Mit einer zärtlichen Bewegung, streichelnd, behutsam, legte sie ihre Arme um seinen halb durchgefrorenen Körper, erschrak daran, aber lehnte ihre Stirn gegen seine, die ganze Zeit seine tiefblauen Augen suchend, den Mut darin erforschend, wissend, dass sie ihm nur durch ihre Anwesenheit wirklich helfen konnte. In dem Moment zitterte auch sie ein wenig, überrascht von Links nasser Haut und erschrocken von der Kälte, die in ihm steckte. Link war so durchgefroren wie noch nie in seinem Leben. Sie berührten sich in unschuldiger Nähe, glichen die Schläge ihrer Herzen in einem heilsamen Rhythmus an, spürten sich in tröstender Intimität… Sie fanden einander, einer das Puzzleteile, das den anderen vervollständigte. Sie berührten einander in der Vertrautheit auf ewig verbundener, liebender Seelen. Dennoch war das, was hier geschah, entbehrt jeglicher Romantik. Sie streichelten einander in wonnevoller Wärme, trösteten einander in einem verschwiegenen Zauber, den nur verwandte Seelen befähigen konnten… und doch lediglich ein Dienst von Wärme und Trost an dem anderen. Kein Dienst romantischer Liebe. Ja, Link brauchte Wärme und Vertrauen, brauchte Kraft und Verständnis und jene kostbaren Dinge erwartete er zu jenem Zeitpunkt von niemandem anderen als seiner Zelda… Nach einer Weile drückte Zelda ihn auf die Couch, umarmte ihn fortwährend, innig und erfüllt von Licht und Wärme, die sie teilte… Sie spürte, wie sie selbst ihre eigene Energie aufbrach, und ein Teil davon durch seine nasskalte Haut sickerte. Wärme und Licht nährten einander in irrsinnig vermischten Gefühlen, aufrichtig, gedankenlos. Sie fuhr liebevoll über sein Gesicht mit ihren sanften, zierlichen Fingerspitzen, erforschte dieses wunderschöne, männliche Gesicht, den Helden, der sich darin versteckte… Sie spielte mit den dunkelblonden Strähnen, die über seine Stirn fielen, versuchte einmal mehr alles an ihm für sich zu manifestieren, es in ihr Gedächtnis zu brennen… Denn sie fürchtete nichts mehr als ihn zu vergessen, ihn in dem Verblassen stranden zu sehen, zu erfahren wie seine Seele verging. Niemand wusste es… aber sein Gesicht war ihr Strohhalm für sie gewesen als Geist in einer totgeglaubten hylianischen Welt noch immer Zelda zu sein. Wegen Link hatte sie nicht vergessen, wer sie war. Alles. Ihr Dasein. Ihre Aufgabe… Alles das war doch nur wegen Link noch da. Link war das einzige, das sie vor ihrem eigenen Verblassen gerettet hatte… Zögerlich krabbelte sie zu ihm unter die Decke, kuschelte sich an ihn und streichelte erneut über sein Gesicht, vergaß die Angst vor Intimität mit der gewählten, starken Wonne, die über sie glitt wie ein Schwall zärtlicher Gefühle. Bei ihm zu sein, ihn zu spüren in jenen wenngleich auch traurigen Momenten Menschseins war das Schönste, was Zelda in ihrer glücklosen Existenz erfahren hatte. Einfach nur bei ihrem Helden sein, nichts denken, vergessen, was bisher war und nur seine Anwesenheit fühlen und ihn trösten, erschien ihr das größte Glücksgefühl, nach das ein Mensch wie sie in einem Leben streben konnte. Nie hatte sie diesen Zauber von Menschlichkeit erfahren und niemals würde sie diesen mehr vergessen… Sie umarmte ihn noch ein wenig fester, inniger, drückte seinen Kopf an ihren Hals. Sie erwartete nichts von ihm, und er erwartete nicht mehr von ihr, als nur eine Schulter, an der er ohne Worte sein Leid anklagen konnte… und das konnte er, das durfte er… Sie versuchte in der Dunkelheit zu erkennen, ob Link in den Schlaf sinken würde, lauschte seinem ruhigen Atmen und der Stärke, die einmal mehr in ihm zu atmen begann… Auch jetzt in diesen schweren Momenten der Trauer kämpfte der einstige Held der Zeit im Inneren gegen die Ketten von Schuld und Hass. Seine mentalen Fähigkeiten stärkten sich. Er drückte seine Prinzessin fester an sich, dankbar und genießend, und zuckte kurz mit seinen hellbraunen Augenbrauen. Zelda zögerte, aber küsste ihn endlich hingebungsvoll auf seine Stirn, genoss das Gefühl ihrer Lippen auf seiner Haut. Und obwohl eine reine, edle Unschuld dieses Beschenken von Berührungen in endlicher Nähe beherrschte, so bebte Zeldas Herz in glühender Hoffnung und Liebe… Sie wünschte sich ihm dies schenken zu können, in dem Zauber schweigsamer Lippen, wünschte sich ihm das stumme Herz zu schenken, das sich so sehr nach seiner Nähe, seiner Stimme, seinen Berührungen sehnte… wünschte sich… ihr Herz für sein Lächeln zu opfern. Vielleicht war das ihr tiefster Wunsch. Einmal in ihrer Existenz ihrem Heroen, ihrem Link, ein Opfer der Liebe zu bringen. Denn es war ihre Reise, verbunden durch Opfer und Liebe. Ihr Weg zu dem eigenen Herzen… Ein Weg aus ihrem Fluch… Nachdem die tapferen Krieger sich ein weiteres Mal über ungeklärte Fragen und Zweifel bezüglich dem schier unmöglichen Plan verständigt hatten, saßen sie trübsinnig am Tisch im Besprechungsraum. Sie aßen Suppe, hielten einander mit Blicken verschränkt, so als müssten auch sie dieses Treffen in ihre Gedächtnisse einbrennen, so, als wäre es vielleicht das letzte Mal. Und sie ahnten es… es war nur eine Frage der Zeit bis Ganons Monsterhorden die Villa überrannten. Und Ricks Tod hing über ihren Köpfen als Zeugnis eines weiteren Realisierens wie fatal und grausam die Lage war, wie grausam Ganons Krieg… Die Weisen ertrugen auch damals schon ihre Verluste, aber Ricks Tod tat wirklich weh… Denn alle Anwesenden hatten ihn gekannt und sie wussten um seine Verbindung zu Link. Ob es nur Zufall war, dass Link ausgerechnet den Tod seines besten Freundes erdulden musste? Zufall, dass ausgerechnet Link ihn mit einem gezielten Stoß seines Dolches stoppen musste? Mit Tränen in ihren Augen beendete Sara die Mahlzeit und stützte den Kopf auf die Arme. Sie konnte kaum ertragen, dass Rick, ihr Cousin, diese Welt verlassen hatte. Sie wollte es nicht akzeptieren und sorgte sich um ihren Bruder. Wie nur sollte Link den Verlust von Rick verkraften, jetzt, wo alles von ihm gefordert wurde, jetzt, wo der Sieg des Guten von seiner Stärke abhing? Plötzlich klopfte ihr Dar Gordon auf die linke Schulter als einen verhaltenen Versuch der Jugendlichen Beistand zu schenken. „Link wird sich ganz schnell von seinem Schock erholen, zweifle nicht an ihm“, sprach er aufmunternd. Für einen Augenblick dachte sie wahrlich, sie hätte eine pelzüberzogene Hand aus Stein auf ihrer Schulter wahrgenommen. Sie nickte, aber das war es vielleicht nicht allein. „Es ist nur… ausgerechnet Rick, ich verstehe das einfach nicht…“, schluchzte sie. „Rick war sein bester Freund. Wie verkraftet man so etwas?“ „Gar nicht…“, murmelte Raunhold. „Es wird leichter, aber der Schmerz bleibt… zumal Link ihn aufhalten musste.“ „Meine Güte, Richard, hast du einen Trauerredner verschluckt?“, wetterte Impa, „Wir reden hier von Link. Wenn jemand die Kraft findet das zu bewältigen dann er.“ Sie erhob sich, stemmte die Hände in die Hüften und verdeutlichte mit sturem Blick ein unduldsames Vertrauen in Links Fähigkeiten. „Es hilft ihm nicht, wenn einer von euch an ihm zweifelt.“ „Ich würde niemals den Helden der Legende anzweifeln, Impa“, murmelte Richard, seine buschigen, weißen Augenbrauen zuckten in seinem lebenserfahrenen und doch mit Altersflecken übersehenem Gesicht. „Aber Ricks Verlust wiegt schwer, sehr schwer… und noch ist unsicher, ob auch Rutara zu uns findet. Und natürlich hat der Plan diverse Schwachstellen, allein schon, dass ich mir nicht vorstellen kann in dieser Welt eine Seele finden zu können, die Zeldas Platz als siebte Weise einnehmen soll. Es ist alles so ungewiss, es tut mir leid, falls meine eigenen Zweifel zu einem Streit diesbezüglich beitragen.“ Ines Schattener seufzte. So war es definitiv nicht gemeint… Aber noch ehe sie antworten konnte, polterte es irgendwo von den oberen Stockwerken herrührend. Panische und doch entschlossene Blicke glitten umher mit der wagen Befürchtung die Monster des Schreckensfürsten hatten sie bereits in dieser Zuflucht gerochen. Erneut ein Lärmen, eine leichte Erschütterung, als einer von Impas Schutzzaubern zertrampelt wurde. Keiner der Anwesenden benutzte die Stimme, als Impa bereits in ihrer kriegerischen Entschlossenheit in Richtung Ausgang trat. „Ich werde nachsehen“, sprach sie mitleidlos und kühl. Mit einem Klappern ihrer Klingen verschwand sie in den Schatten, gefolgt von Naranda, die mit einer gebogenen Klinge in Kampfhaltung aus dem Raum stürmte. Beide Kriegerinnen waren geübt daran die Dunkelheit mit ihren Sinnen zu durchleuchten, selbst kleinste verdächtige Spuren bösartiger Geschöpfe mit scharfen Augen, empfindlicher Nase und feinstem Gehör auszumachen. Sie erforschten das Erdgeschoss, schlichen ohne den geringsten Laut voran, erkundeten das im unteren Bereich gelegene Wohnzimmer, sicherten die Empfangshalle. Impa überprüfte den Innenraum auf Fußspuren, während Naranda die Schutzzauber neu justierte. Tatsächlich war einer der Zauber ausgelöst worden, was sich in einem durchdringenden Vibrieren geäußert hatte. Impa und Naranda verständigten sich wortlos mit Fingersignalen… Beide Kriegerinnen spürten die Präsenz von jemandem, nicht sicher, ob es mehrere Wesen waren, die sich unbefugt Zutritt verschafft hatten. Ein Knarren ging durch die gespenstische Stille, hier wo nur ein flimmernder, rötlicher Schein in Begleitung kranker Blitze durch die riesigen Fenster der Villa drang und die Gegenstände dunkelrot bemalte. Ein weiteres Knarren, hastig, verräterisch. Aufmerksam und kampfbereit schlichen Impa und Naboru in Erinnerung an ihre gefährlichen Techniken einer Gerudokriegerin und einer Shiekahmeisterin durch die Finsternis, entdeckten die geöffnete Tür zum Arbeitszimmer, lauschten minimalen Geräuschen. Eine gefährliche Präsenz verbarg sich ebenfalls geschickt in den Schatten, jemand, der kampferprobt und gnadenlos war, ein Wesen alten Kriegertums… Und als Impa sich aus den Schatten flüchtete, ihre eigene Erscheinung für ein Gefecht preisgab, stürzte sich besagtes Wesen zielsicher, einen geschickten Kampfstil darstellend, auf sie. Überrascht wich sie zurück, erstaunt über die jugendliche Frische eines vertrauten Angriffs und entzückt von einem paar wacher rubinroter Augen, die ihr einen Spiegel vorhielten. Wer immer sie auch angegriffen hatte, verfügte über dieselbe Technik wie Impa selbst. Sie rief in die Dunkelheit, ihrer Ahnung kaum trauen könnend: „Wer bist du? Gib dich zu erkennen!“ Die Dolche ihres Gegenüber sanken schließlich nieder und eine weitere Gestalt, die sich aus der Dunkelheit erhob, ließ das weiße Licht einer Taschenlampe den Raum fluten. Ein junger Bursche mit einem vertrauten Gesicht stand vor ihr, Sian Johnson, der begabte Sohn einer großartigen Persönlichkeit. „Hallo, Impa“, sprach eine Stimme, die ein Echo der verblassenden Vergangenheit in den finsteren Raum warf, prägnant und befehlsgewaltig wie ein Donnerschlag… aber jetzt gerade mild und voller Sorgen. „Ihr? Leon Johnson? Seid Ihr es wirklich?“ Sowohl Impa, als auch Naranda ließen die Waffen sinken. „Wie ist das nur möglich?“ Das Erscheinungsbild des gramerfüllten Herrschers eines verblassten Königreichs belehrte über einen Strapazen reichen Weg von Irland hier an den Ort des Geschehens. Wie unsauber geschlichtete Wolle hing sein graues Haar über den verkrampften Schultern. Ein paar Kratzer und Risse in seinem royalblauen Hemd zeichneten die Spuren von Kämpfen in sein Erscheinungsbild. Und noch etwas erschreckte Impa… Leons gebrochener Blick, ein tiefsitzender Schmerz in seinen saphirblauen Augen loderte gefährlich und erinnerte sie an Versagen, Scheitern und Selbstzweifel. Leon Johnson begrüßte seine einstige Vertraute endlich mit einer freundschaftlichen Umarmung, zurückhaltend und höflich, und doch gestenreich. Wie gut es tat die alten Bande unter dem blutroten Vorhang von Ganons Verseuchung neu zu knüpfen. Wie gut es tat Impa und Naboru wohl auf zusehen. Auch Rutara gab sich endlich zu erkennen, erhob sich aus einem Versteck hinter dem Schreibtisch, durchnässt und erschöpft. Aber ihre schönen Augen strahlten in ihrem edlen Gesicht voller Tatendrang und Energie. Auch in ihr floss die Erinnerung an ihre alte Persönlichkeit mit verstärkter Gewalt, es schien beinahe, als wollte ihr früheres Ich sich durch ihr menschliches Erscheinungsbild wühlen. „Ich bin so froh, euch alle am Leben zu wissen.“ Sie warf sich ihrer Freundin Naranda um den Hals und hauchte alte Gebetsworte der Zoras über ihre Lippen. „Impa, sag‘ mir“, unterbrach Leon die Begrüßung der anderen. „Sind Zelda und Link in Sicherheit?“ Hoffend führte er die Hände aneinander. „Sie warten in den Kellerräumen…“ Sie wendete den Blick ab. „Hylia sei Dank.“ Ein leichter Hoffnungsschimmer ließ seine Gesichtszüge straffer und jünger erscheinen. „Freut Euch nicht zu früh, sie sind beide in keiner sonderlich guten Verfassung…“, entgegnete sie seufzend. „… vor allem Link hat mit einem herben Verlust zu kämpfen.“ Mit mulmigen Unbehagen nickte Leon Johnson. „Ich möchte euch nicht daran hindern menschliche Bedürfnisse nach Sicherheit in wohligen Umarmungen zu finden, aber ich spüre die Dämonen in unserem nahen Umfeld. Sie riechen uns“, sprach Sian forsch und mit deutlicher Strenge. „Dagegen kommen auch die Schutzzauber nicht an.“ Impa nickte bestätigend. „Wir müssen sofort in die Kellerräume“, ordnete sie an, so wie damals, als das Schloss Hyrules überrannt wurde. So wie damals übernahm sie die Führung, traf die klügsten, mutigsten Entscheidungen. Leon und die anderen folgten ihr still, mit dem Gedanken, dass auch Impa für all ihre Opfer in der schweren Zeit, für alles, was sie geleistet hatte, niemals die Belohnung und Ehrerbietung erhalten hatte, die ihr doch zustand. Und auch jetzt schmälerte ihr Erscheinungsbild einer reifen, durchsetzungsfähigen und weitsichtigen Anführerin das Bild eines alten, gebrochenen Königs von Hyrule… und Impa war sich dessen bewusst, sie wusste aber auch, obwohl es ihr nicht zustand, dass sie ihre Rolle als Anführerin einnehmen musste. Im beschützenden Schlupfwinkel, tief verborgen unter Ines‘ Villa begrüßten sich die wenigen Überlebenden mit gestärkter Hoffnung, umarmten einander und lächelten sich mit spürbarer Erleichterung entgegen. Sich hier am Abgrund der Welt zu begegnen, sich wiederzufinden nun zum zweiten Mal in dem apokalyptischen Wahnsinn des Bösen, weckte etwas in den doch so trübsinnigen Gemütern, weckte eine Unbeugsamkeit ihrer alten Seelen, einen längst vergessenen Zauber, eine Macht der Überlebenden. Wie auch sollte man den Zustand beschreiben, der sich in die eigene Lebensessenz fraß, wenn man den Wahnsinn überstand? Wie sollte man einer Seele erklären wie man die Welt sah, wenn sich das Ende der Welt vor den eigenen Augen immer wieder auftat, immer wieder, unaufhörlich, nicht enden wollend, so furchtbar unbeugsam, dass jene Sturheit, diese trotzige Fähigkeit nicht aufzugeben alles im eigenen Dasein bestimmte. Es war eine bestialische Fähigkeit, im Sturm des Weltuntergangs zu überleben, niemals zu zerbrechen, an keiner Prüfung zu scheitern. Und diese kleine Gruppe von Menschen fand sich in dieser Gleichheit wieder, in dieser unbeugsamen Zusammengehörigkeit. Ein weiteres Mal beratschlagten sie als die letzte Bastion des Guten, überdachten den von Zelda übermittelten Plan bei einem warmen Tee. Samtig stiegen kleinste, dampfende Wölkchen von den vielen Tassen, tröstend saßen die einstigen sechs Weisen sowie Sian und Leon Johnson am Tisch. Und sehr schnell erkannte Leon eine neue Aufgabe, die nur ihm zugedacht sein sollte. Er würde an Zeldas Stelle die Funktion des siebten Weisen einnehmen, denn ihre Führung in Hyrule war für Link unabdingbar. Und noch etwas trat über Leon Gesichtszüge im Angesicht des Weltenendes. Er war beruhigt zu wissen, dass seine Tochter mit dem Helden der Legende in Hyrule sein würde, falls ihnen allen auf der Erde etwas zustoßen sollte. Sicherlich würde Sian für den Schutz der Weisen sorgen und er wusste, dass sein Sohn diese Aufgabe bestens erfüllen würde. Dennoch… wenn alle Stricke reißen würden, so hatte er zumindest darin Vertrauen, dass Link seine Zelda beschützte… Gerade als eine betretene Stille durch den Raum ging, die Anwesenden erschöpft und mit Schatten der Müdigkeit in ihren Gesichtszügen, war Link aus seinem Schlummer erwacht, geplagt von der Trauer, die wie eine Lawine auf ihn herabstürzte. Seine Gesichtszüge waren weich und doch angespannt, seine tiefblauen Augen eine trübsinnige Fläche wankendem Unverständnisses. Und doch war sein Heldenstolz kaum gebrochen, ein Funken sturer Härte entzündete sich in seiner Haltung, seinen gemächlichen, sicheren Schritten durch den Raum. Sein Blick erreichte Sian und Leon, einmal mehr mit Tapferkeit erfüllt, ungebrochen, so wahrhaft standhaft, dass es die Anwesenden innerlich zittern ließ. Aber Sara wusste es besser, natürlich plagten ihn Zweifel, natürlich würde Link stark sein und die Bürden tragen, die Rolle einnehmen, die von ihm erwartet wurde… aber irgendwo dort in seinem jugendlichen Herzen spannten sich Vorwürfe und Schuldgefühle und tobten in einem inneren Kampf. Link begrüßte Leon und Sian freundschaftlich und ungemein dankbar. Es war so merkwürdig, dass selbst Leon den heroischen Burschen in eine beinahe väterliche Umarmung zog, etwas, das Link nicht erwartet hätte. Aber der einstige König Hyrules freute sich aus tiefster Seele den jungen Helden am Leben zu wissen. Und Sian… ja, er ließ ein wenig seine kühle Maskerade fallen und lächelte seinem Freund entgegen. Etwas verlegen, sich fragend, wie es sein konnte von dem König Hyrules umarmt zu werden, kratzte sich Link an seinem Hinterkopf und murmelte: „Zelda ist eingeschlafen. Aber wenn du sie unbedingt sehen möchtest, Leon, kannst du sie doch aufwecken.“ „Lass mal gut sein, ich sehe sie ja früh genug“, der einstige Herrscher versuchte es mit Höflichkeit und Geduld, sein Vorteil die einstudierten, engstirnigen Umgangsformen von Damals, die es geboten immer auf Etikette und Haltung zu achten. Er würde Zelda gerade jetzt nicht drängen mit ihm zu sprechen, wo Jahrhunderte zwischen ihnen standen. Link nickte, genoss einen tiefen Atemzug, eine fühlbare Erleichterung hier zu stehen, alle Weisen und sogar die beiden Irländer anwesend zu erleben und sammelte sich, versuchte Abstand von den schmerzhaften Erlebnissen zu finden. „Wo ist Maron?“, sprach er leise und spürte sofort Saras warme Hände auf seinen angespannten Schultern. „Brüderchen…“, murmelte sie und schenkte ihm einen Blick der Zuversicht. Ihre graublauen Augen leuchteten, vielleicht weil ihre einstige Persönlichkeit als Weise der Wälder durchschillerte, und weil sie eines in den legendären Kämpfen Hyrules gelernt hatte, nämlich, dass das Schicksal selbst in den düstersten Stunden formbar war. Dass Schicksal doch auch nur ein großes Wort war… „Maron schläft nebenan… Darunia hat ihr ein Schlafmittel gegeben.“ Link seufzte und seine schönen Seelenspiegel füllten sich mit Besorgnis. Wie nur sollte Maron den Verlust ihres Liebsten jemals akzeptieren? „Sie schafft das, Link, denn noch ist ungewiss wohin uns die nächsten Wege überhaupt führen. Wenn es Hoffnung gibt, dann vielleicht auch unerwartete…“ Sara wollte keine Floskeln oder belanglose Vorhersagen über ihre menschlichen Lippen bringen und doch fühlte sich jedes Wort aus ihrem Mund an wie ein Sack voller Steine. Unnötig und erdrückend. Und auch Links Lippen formten unsinnige Worte, die er lieber nicht aussprach. Sara bemerkte seinen Wunsch nach Erklärung für alles, das Unverständnis, das seine Schultern anspannen ließ. Augenblicklich verstärkte sie den Griff auf seinen Schultern, kniff ihn beinahe, nur um zu spüren wie gewaltvoll die Trauer an ihm nagte. „Hey, Brüderchen…“, murmelte sie ein weiteres Mal, leiser, aber fest. „Hey“, meinte Link nachdenklich und kniff seine Augen zusammen. Er hörte aus Saras Stimme die Absicht ihn bezüglich der Trauer um Rick anzusprechen. „Link?“ „Was ist, Sara?“ „Also, jetzt hör mir mal zu.“ Er blickte sie an, nicht sicher, was er jetzt von ihr hören würde. „Du bist ein Waschlappen, wenn du hier verzweifelst“, sagte sie, äußerst energisch und ignorierte die Verwirrung in Links Seelenspiegeln, dem sanften, tiefen Blau, das sich vor ihrem Blick zurückzog. „Willst du dir das von dem Bösen gefallen lassen? Genau das will er doch, genau das will Ganondorf! Er will, dass du in der Ecke sitzt und vor dich hinbrütest. Willst du ihm diesen Gefallen tun?“ Link schüttelte den Kopf und schloss die Augen. „Du weißt doch wer du bist und zum Teufel mit der Verantwortung auf deinen Schultern. Reiß’ dich zusammen und stell’ dich dem Bösen, wie du es bis jetzt immer getan hast. Wo ist der Mut und die Zuversicht meines Bruders geblieben?“ Link blickte sie an und lächelte das erste Mal, seit dem Vorfall, zwar nur ein wenig, aber immerhin. Er nickte, bis seine kleine Schwester ebenfalls lächelte und hüpfte auf die Beine. „Danke, Sara. Du brauchst mir nicht den Kopf waschen… Ricks Tod ändert nichts an meinem Ziel.“ Sie blickte erstaunt drein und zuckte beschämt mit ihren Augenbrauen. „Heißt das… meine Standpauke war umsonst?“ „Nun ja, nicht umsonst“, sprach er und versuchte es mit einem halbherzigen Grinsen. „Aber ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen.“ Dann lachte er ein wenig. „Aber dennoch liebevoll, danke, Schwesterchen.“ „Und nun müssen wir unsere restlichen Vorbereitungen treffen. Wirst du kämpfen?“ „Hast du daran gezweifelt? Jep, das werde ich!“ Zum Henker mit Ganon. Er würde für all’ seine Verbrechen bezahlen. Er würde leiden für seine abscheulichen, niederträchtigen Machenschaften und für die Dinge, die er dieser Welt angetan hatte. Ganon würde für Rick bitter zahlen. „Link“, murmelte Zelda, noch im Halbschlaf. Ein neuer Alptraum streckte erbarmungslos finstere Klauen nach ihr aus und hängte sich über ihre Willenskraft. Nur mit Mühe, gegen ein inneres, lähmendes Gefühl ankämpfend, setzte sie sich aufrecht und blinzelte schließlich durch die Dunkelheit. „Link“, ein erstickter Laut in der Düsternis. Sie krümmte sich gegen die Müdigkeit, konnte ihren Traum von der Realität noch nicht völlig trennen. Sie hatte einmal mehr von Links Niederlage geträumt und geriet ein wenig in Panik, da er nicht hier war. Nicht hier… wo sie ihn doch vor wenigen Minuten getröstet hatte. Sie erhob sich wimmernd und betätigte den Lichtschalter. Geblendet von dem künstlichen Schein half ihr das Licht dennoch endlich in der Wirklichkeit anzukommen, sich zu sortieren. Erst dann stellte sie fest, dass sich Links grünes T-Shirt und sein Basecape nicht mehr im Raum befanden. Er hatte sich nur aus diesem Raum zurückgezogen… Sie nahm einen Atemzug um sich innerlich noch weiter zu sortieren und lief schnellen Schrittes aus dem Raum, hörte vertraute und fremde Stimmen, die eifrig diskutierten. Auch Links Stimme erkannte sie mit tiefgehender Beruhigung. Der Klang seiner Stimme war sicher und fest, so wie immer. Ob er sich von der Trauer um Rick ein wenig distanzieren konnte? Mit zerzaustem Haar stolperte die einstige Prinzessin durch die Tür zu dem großen Aufenthaltsraum. Als der Heroe in ihre Richtung blickte, tat dies auch der Rest der Gesellschaft und innerhalb von Sekundenbruchteilen schwieg jeder Anwesende. Zeldas himmelblaue Augen wanderten träge und mit kaum kaschierbarem Schock zu dem Erscheinungsbild Leon Johnsons, betrachteten unablässig seine von Selbstzweifeln zermürbte Gestalt. Seine Schultern hingen schlaff herab, das schwache Schimmern in seinen Augen zeugte von einem selbst zugefügten Kraftverlust, einem Schwinden von Lebensgeist und Substanz. Sie war nicht geschockt, weil er kränklich und erschöpft aussah, wohl aber, weil er hier stand, einfach so und sie auf eine liebevolle Weise, aber durchaus mit reuebeladenen Augen musterte. Und sie konnte es nicht glauben. Er war tatsächlich hier, war am Leben… Wie oft hatte sie ihn in den Träumen gesehen! Das ernste, vertraute Gesicht und das einst so gepflegte graugesträhnte Haar… Der einst so würdevolle, starke Anblick eines Regenten. Standhaft, trotzend. Und manchmal, da hatte sie ihn in seinen jüngeren Jahren erlebt, als einen Krieger, der gewandt mit dem Schwert seine Schlachten schlug, ein Krieger, der von Verbündeten als auch von Feinden wertgeschätzt wurde… Und oftmals erlebte sie ihn dann als den Vater, der er hätte sein müssen. Ihre Träume schufen Erinnerungen, die doch keine waren. Erinnerung an einen Vater, der ihr zuhörte, wenn sie mit Sorgen zu ihm kam. Erinnerungen an einen Vater, der aller strengen Adelsregeln zum Trotz ihre widerspenstige Natur akzeptierte. Erinnerung an einen Vater, der sie in Zeiten des Leids umarmte… Hilflos schwenkten Zeldas mit Müdigkeit umwitterte Augen zu Link, wollte nur sichergehen, dass er hier war, wach und so tapfer wie eh und je… und ohne es zu wollen, schickte sie ihm einen hilflosen Blick mit dem Wunsch nach Schutz. Sogleich biss sich Zelda auf ihre Unterlippe, ärgerte sich über ihren kindischen Versuch vor der Konfrontation mit Leon Johnson wegzulaufen. Verwundert bemerkte Zelda auch den wiedergeborenen Shiek, aber war zu gefangen in einer Unsicherheit, die wie ein richtendes Schwert über ihr hing, sodass sie sich kaum zusätzlich mit dem Spiegel ihrer Selbst auseinandersetzen konnte. „Ich würde gerne unter vier Augen mit dir reden, ist das in Ordnung?“, sprach der wiedergeborene Herrscher Hyrules mit dieser vertrauten, leicht rauchigen Stimme und tapste in gemächlichen, wenngleich schweren Schritten in Richtung seiner Tochter. Ein weiteres Mal begegneten Zeldas Augen den tiefblauen ihres Heroen, weil sie spürte, dass ihr gerade der Boden unter den Füßen entglitt. Gefürchtet hatte sie sich vor der Auseinandersetzung mit ihrem Vater. Gescheut hatte sie ihn… Weil sie nicht wusste, was sie ihm sagen sollte und weil sie nicht wusste, ob er ihr für die vielen Male, da sie sich respektlos ihm gegenüber verhalten hatte, vergeben würde. Aber Link nickte nur, als würde er Leons Wunsch unterstützen. Er nickte hoffnungsvoll… Zelda hob den Blick, schlug die Augenlider mehrmals nieder und versuchte standhaft, würdevoll und sicher zu wirken, Eigenschaften ihres alten Lebens zu ersinnen, vielleicht weil sie sich für ihr Selbstmitleid und alle beschämenden Worte Impa und auch Link gegenüber kaum rechtfertigen konnte. Mit kühlem Blick und geballten Fäusten wartete sie auf ihren Vater, der ihr in das stille Kämmerchen folgte, wo sie und ihr Heroe Nähe und Berührungen ausgetauscht hatten. Es war gut so, redete sie sich ein. Es war gut mit ihrem Vater zu sprechen, genau hier in diesem wundersamen Raum, wo sie sich lebendig und nützlich für Link gefühlt hatte, wo sie sich selbst seit langer Zeit wieder gespürt hatte. Leon Johnson folgte ihr und schloss die Tür langsam, sodass nicht einmal das Klacken des Schlosses hörbar war. Aber er wahrte Abstand, ließ ihr die Zeit, die sie brauchte. Und Zelda hatte Zeit für die Heilung ihrer Wunden einmal mehr bitter nötig. Unsicher ließ sie sich auf das Schlafsofa sinken, griff mit ihren Händen in die Polsterung und suchte eine Möglichkeit ungute Gefühle mit einem Blick durch den Raum zu betäuben. Beide wussten nicht, wo sie beginnen sollten die Vergangenheit aufzuarbeiten, beide ließen die Minuten zerrinnen mit einer wundersamen Form von Höflichkeit und Respekt, einer beinahe strengen Disziplin jegliche Druckausübung zu umgehen. „Zelda…“, sprach ihr Vater schließlich, mit mehr Verwirrung und Sehnsucht, als ihm bewusst war. „Wenn es… dein Wunsch ist, dann werden wir nicht reden. Wenn es aber… auch für dich entscheidend ist, sinnvoll ist, dann bin ich bereit dafür.“ Sie nickte, traf seinen Blick schweigend, denn eigentlich wusste sie nicht einmal, wozu und warum sie zustimmte. Sie wusste nicht einmal, was sie wollte… „Aber… es erfüllt mein altes Herz mit Freude… dich zu sehen“, sprach er dann, rücksichtsvoll und unglaublich sanftmütig. Er widersprach in seinen Handlungen und Reaktionen gerade allem, was er damals an starrer Haltung ihr gegenüber ausgedrückt hatte. Die Zeit auf der Erde hatte ihn massiv verändert, sein Mitgefühl geschärft, seine Gefühle intensiviert. Aber es musste ihm auch das Herz gebrochen haben… Zelda nahm einen tiefen Atemzug, quälte sich die richtigen Worte zu finden für die Luft, die ihre Lunge anschwellen ließ. Seine liebevollen Worte hallten in ihren Gedanken nach, raubten ihr jegliches bittere Gefühl und drückte ihr Wasser in die Augen. „Ich bin… so froh, dass es Link gelang dich zu finden…“ Ein weiteres Mal nahm Leons väterliche Liebe Zelda die Fassung, nicht einmal in ihren Träumen hatte sie so intensive väterliche Zuneigung gespürt. Eine Träne rannte über ihre rechte, rosa Wange, endete in einem erstickten Schluchzen, das Leon kaum vernehmen konnte. „Zelda… ich habe dich so sehr vermisst…“ Seine Stimme war so weich, so unfassbar samtig wie eine kuschlige Decke, wie ein milder Sommerregen. Wann nur hatte er gelernt so zu reden? „Meine Kleine…“, murmelte er dann. Meine Kleine… Dieser Kosename und der liebevolle Klang dahinter brannte sich der vergessenen Prinzessin ins Herz und drückte weitere kleine Sturzbäche ihre Wangen hinab. Bei Hylia, sie weinte schon wieder. Was war sie nur für ein elender Jammerlappen geworden? Meine Kleine… Ja, klein fühlte sie sich gerade ohnehin. Und kindlich. Und durchlässig. Es gab eine Zeit, da war sie seine ,Kleine‘, lange bevor die Königin Hyrules ihr Lebenslicht verlor. Ja, da war sie ein Kind im Schutze ihres Vaters, klein, aber hoffnungsvoll, leuchtend und zuversichtlich. Sie presste ihre Hände auf die Lippen. Oh, verflucht, das war wirklich gemein, dachte sie. Und es war nicht fair, dass er auf diesen Kosenamen zurückgriff. Ein Gefühl brach in ihrem Herzen an die Oberfläche, von welchem sie dachte, es nie wieder spüren zu können. „Ich weiß, wir müssen die Vergangenheit ruhen lassen, ich weiß, wir haben keine Zeit um die alte Zeit zu trauern, deshalb… deshalb wollte ich dir nur sagen…“ Aber dann endlich traf Zeldas Blick den seinen, traf diese so ähnliche himmelblaue Farbe mit voller Wucht und Leon verlor seine Worte. Er hatte sich so oft ausgemalt, was er seiner Tochter sagen würde, welche Worte er finden wollte um sie um Verzeihung zu bitten für all die Fehler aus einer nebulösen und knallharten Vergangenheit und nun waren die Worte vor ihm davongeflogen wie unruhige Vögelchen. Aber Leon ließ seine Chance nicht davonfliegen. Obwohl Zelda ihm keinerlei Erlaubnis gab, weder mit Worten noch mit Blicken, zögerte er nicht den Abstand zu ihr zu schließen, hockte sich ebenfalls auf das Schlafsofa und nahm das bildhübsche Gesicht seiner Tochter in beide faltige Hände. „Meine Kleine, ich hatte ganz vergessen, wie wunderschön du doch warst… meine Tochter…“ Er weinte, während Zelda ihn ungläubig musterte. Noch nie, nicht einmal nach dem Tod ihrer Mutter hatte Zelda ihren Vater weinen sehen. Hier auf dieser Erdenwelt gestattete er sich endlich menschliche Gefühle zu zeigen, gestattete es sich schwach zu sein. Und ein neues Gefühl brach an die Oberfläche der kleinen intimen Welt in Zeldas Innerem. Sie hatte ihren Vater vermisst, selbstverständlich hatte sie das. Und vielleicht half dieses Gefühl endlich die eigene Stimme zu erheben. „Auch ich… bin froh, dass du da bist…“, bemühte sie sich, formte diese Worte mit aller Stärke, die sie gerade aufbringen konnte. Auch sie war daran interessiert die alten Verletzungen in der Beziehung zu ihrem Vater hinter sich zu lassen. Sie brauchten beide einen Neuanfang, das wusste Zelda, nur wusste sie nicht, ob sie sich wirklich darauf einlassen konnte. „Es tut gut… deine Stimme zu hören“, murmelte er und schluckte. Er musterte sie nun noch eindringlicher in einer neuen Form von Nervosität. Und dann endlich suchte er die Umarmung seiner Tochter, spürte ihre Zurückhaltung, aber auch den Mut zur Annäherung. „Zelda, es tut mir alles so leid… es tut mir einfach… so sehr leid…“ Er musste es nicht aussprechen, denn sie las in seinen Gedanken, was er meinte. Es tat ihm leid, dass er in all den Jahren das Wort seiner Tochter niemals geachtet hatte… dass er sich scheute eine engere Beziehung zu ihr aufzubauen. Und es tat ihm leid, dass auch dann als Hyrule vor dem Verblassen stand, dieser Fluch, den keiner der Weisen bisher verstehen oder klären konnte, er nicht in der Lage war die Einsichten und Prophezeiungen seiner Tochter ernst zu nehmen. Und eine weitere Sache tat ihm leid… dass Zelda niemals die Liebe wählen durfte, die sie für ihr Seelenheil gebraucht hätte. „Mir auch…“, murmelte Zelda zögerlich, „… auch mir tut es furchtbar leid…“ Sie schluchzte schließlich und versuchte die Umarmung ihres Vaters zu genießen. Denn es blieb ihnen nichts anderes als Vergebung zu finden. Jetzt, wo die Welt endete, war Vergebung der einzige Luxus… Währenddessen saßen Sian und Link gemeinsam im Aufenthaltsraum, während alle anderen mit Vorbereitungen für die Umsetzung des Plans beschäftigt waren. Die Retter der Erde konnten es sich nicht mehr leisten wertvolle Zeit zu verlieren, konnten es kaum ertragen still zu sitzen. Allen Weisen brannte ein ungewöhnlicher Ehrgeiz in den Fingern sich auf die nächsten Ereignisse vorzubereiten. Sie mussten Ruhe und Besinnung in ihren Meditationen finden um über ihr magisches Potential zu verfügen, so, dass sie eine Pforte in die verblasste Welt öffnen konnten… und natürlich um dieses alte, heilige Land auch so lange am Leben zu halten, dass es Link und Zelda möglich war die Weisenelixiere zu finden. Der einstige Held der Zeit genoss eine warme Milch gemeinsam mit dem wiedergeborenen Shiek. Eine ungewöhnliche Situation, zu vertraut, als in der Gegenwart Bewandtnis zu finden. Aber es tat dem Heroen gut, hier mit einem wertvollen Freund zu sitzen, der seine Ideale ebenfalls verkörperte und der ihm zuhörte. Denn Link hatte an Sian eine unangenehme Bitte zu stellen, eher eine belastende Bitte vielleicht… „Sian, ich weiß nicht, ob ich dich darum bitten kann…“, begann Link leise und trank die warme Milch mit einem Zug leer, wischte sich mit seiner linken Hand über die Lippen und seufzte. Er verschränkte die Arme, blickte in die Mitte des runden Beratungstischs und schickte seine Gedanken dorthin um sie sich im visuellen Charakter zu betrachten. Er hatte beim Aufwachen vorhin schon den Wunsch gehabt Rick in der Erde wissen zu wollen, nicht wie ein zu entsorgendes Stück Fleisch, das abfällig im Kofferraum lag… Er wünschte sich ihm zumindest ein würdevolles Grab zu bereiten… und noch etwas von dem Schmerz zu verarbeiten, der in ihm steckte. Und Link… er würde nicht vor dieser Konfrontation weglaufen, dafür war zu viel Ehrgefühl und Mut in ihm. „Es ist dein Freund, um den es geht… die Trauer, die du so tapfer angenommen hast…“, sprach der Rotäugige, eindringlich in Links Gedanken auf Wanderschaft gehend. Wie verdammt gut der einstige Shiek das konnte. Er war ein so cleverer Beobachter der Microausdrücke, dass es Link eine Gänsehaut bescherte. Und ein Seelenleser, ein in Magie begabter, war er obendrein. Was Sian wohl alles über die Menschen in seiner Umgebung wusste. Hinzu kam, dass er auch noch hoch anständig war um es nicht auszuplaudern… „Würdest du mich begleiten?“, sprach Link und erhob sich. Ein Schatten aus Trübsinn schlich in seine Gesichtszüge, schob seine dunkelblonden Augenbrauen hinab und zeichnete kleine Falten um seine wachen Augen. Sian schenkte ihm ein sanftes Lächeln, eines, das ihn an eine versteckte Zelda in seinen jugendlichen Zügen erinnerte. Es irritierte ihn, dass ihm erst jetzt die ungeheure Ähnlichkeit zu seiner Prinzessin auffiel. Sian war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten, aber durchaus versehen mit männlicher Wirkung… Die Luft tief aus seinen Lungen pustend trat Link aus dem Schutzbunker in Begleitung seines Kameraden Sian, verdrängte ein unangenehmes Gefühl von Scham und Schuld über seinem Nacken angesichts des Gedankens Ricks toten Körper zu erblicken… Die Erde hinter Impas Villa war überraschend weich und roch noch nach vertrauter Natur, nach Pilzen und Nährstoffen trotz des Keimes von Ganon, der überall die Luft infizierte. Sian und Link hoben schweigend das Grab für Rick aus, äußerst schweigsam, aber je tiefer das Loch wurde, umso erdrückender war dieser ganze Vorgang für den jungen Heroen. Es brauchte Zeit um den Verlust von Rick überhaupt zu realisieren, aber gerade in dem Moment trug die Situation ein Grab auszuheben zu mehr und mehr Schmerz in seinem Herzen bei. Er stoppte die Schaufel, rieb sich über die Stirn und schwenkte mit unsicheren Blicken zu dem Kofferraum. Wie viel Verlust und Schrecken würde er wohl aushalten, fragte er sich in der Kürze eines Augenblicks, bis es ihm den Verstand raubte und seine Seele zerschmetterte? Wie viel konnte er überhaupt aushalten? Allein schon die Apokalypse mit seinen Augen zu erleben war zermürbend genug und doch brach es ihn nicht. Vielleicht das erste Mal glaubte Link tatsächlich, dass er der eine Heroe war, dessen Stärke ausreichte diese Schicksalsschläge zu stemmen… und doch tat es verdammt weh. Sie betteten Rick in das Grab, ließen ihn hinab zu seiner letzten Ruhestätte, sein Körper gezeichnet von der purpurroten Energie Ganons… blass und doch ein rötlicher Schimmer auf der eiskalten, erstarrten Haut. Link verabschiedete sich ein letztes Mal, gab dem besten Freund, den er hatte, einen Kuss auf die Stirn, der Zeit gedenkend, die sie miteinander teilten. Eine weitere Träne tropfte über seine rechte Wange, als sie begannen den edelmütigen Burschen der Mutter Erde zurückzugeben. Link versprach ihm ein besseres Grab, an einem anderen Ort, versprach ihm Worte des Gedenkens und des Abschieds sowie Gebete, dann, wenn die Welt von Ganondorfs Schergen befreit wäre. Aber vorerst war dies Ricks Ruhestätte. Als sie die Erde über den Körper schichteten, fiel eine weitere Last von Links angespannten Schultern wie ein harter Klumpen Unrat… Sian klopfte ihm auf die Schulter und machte ihm deutlich, dass er nach dem Kampf noch Zeit hatte zu trauern, jetzt aber war der Plan zur Rettung der Erde an erster Stelle. Weitere Worte des Abschieds streichelten Links Lippen, bis er mit Sian zurück in die Villa trat. Zelda und Leon Johnson saßen gemeinsam am Tisch und tauschten sich über die vor ihnen liegende Mission aus. Die Prinzessin schenkte ihrem Heroen einen besorgten Blick, gerade als er mit Sian zurück in den Aufenthaltsraum trat. Beide jungen Burschen waren mit Matsch beschmiert und sahen müde aus. Aber die Erleichterung in Links Blick lenkte Zeldas Aufmerksamkeit sofort durch seine Seelenspiegel hindurch zu dem verwundeten Punkt, den sie mit ihren Blicken beinahe berühren konnte. Es ging ihm besser, wesentlich besser. Nicht nur oberflächlich und weil er sich bemühte stark zu sein. Er tat, was er immer getan hatte. Tapfer die Hürden annehmen, verarbeiten und zurückschlagen… Sian und Link nahmen ebenfalls Platz am Tisch und endlich war auch Zeit für Zelda ihr Alter Ego zu durchleuchten, den wiedergeborenen Shiek kennenzulernen. Ehe sie es realisierte, starrte sie mit Neugier und Verwunderung in sein hübsches, weiches Gesicht und tauchte ein in diese geheimnisvollen, rubinroten Augen. Das erste, was Zelda spüren konnte, war eine unglaubliche Energie und Präsenz, eine starke Natur, die ihre Neidgefühle reflektierten. Sian war ein perfektes Exemplar eines ausbalancierten, gereiften Wesens, der geborene Stratege und Anführer, gerissen und ausgestattet mit überlegenen, fast schon gefährlichem Mix an Fähigkeiten. Es entsetzte Zelda dieses Selbstvertrauen und diese Kraft. Sian war genau das, woran sie gescheitert war. Er hatte seine Ziele stur verfolgt und sich entwickelt. Er war der bessere Teil von ihr. Er erwiderte ihren Blick mit leichter Skepsis, aber sie konnte kein verachtendes Gefühl gegenüber sich entdecken. Da glitzerte sogar Besorgnis und Bewunderung in seinem Blick, sodass sie es knistern hören konnte. War dies ihre Einbildung? Warum sollte Sian sich Sorgen um eine gescheiterte Prinzessin machen, die sich mit dunklen Gedanken quälte. „Als Link mir von dir erzählte…“, begann Zelda zögerlich. „konnte ich mir nicht vorstellen dir zu begegnen…“ Sian erwiderte ihren vertrauenssuchenden Blick. Einige Momente später standen sich die beiden gegenüber und sahen sich schweigend an. Auf den ersten Blick könnte man sie für Zwillinge halten. Dieselbe Größe. Dieselben edlen Gesichtszüge. Die gleiche schlanke Gestalt. „Wie ist das nur möglich? Du bist eigentlich ich“, sprach Zelda verblüfft. Sian blinzelte, zeigte einen Hauch Überraschung in einem amüsierten Grinsen. Er verbarg etwas dahinter, hinter diesem unschuldigen Lächeln, aber Zelda konnte kaum erahnen, was es war. „Ja, eigentlich sind wir uns sehr ähnlich“, bemerkte er fündig, und es wirkte, als fand er tatsächlich etwas in Zeldas Seelenspiegeln. „Und daher verfüge ich über das Wissen, welches du dir in Hyrule erarbeitet hast, kenne spezielle Einsichten und Geschicke…“, erklärte er, etwas umständlich. Es war so deutlich, dass er sich mit dem, was er tatsächlich wusste zurückhielt. Denn er spürte alle Empfindungen der vergessenen Prinzessin in einer symbiotischen Verbindung, sah alle ihre Träume… und all ihre Tränen. „Es ist unter Umständen äußerst verrückt und herausgelöst aus jeder Neutralität“, sprach er. Zelda legte ihre Hände aneinander und versuchte diese helle und doch männliche Stimme in ihren Gedanken festzuhalten. Er sprach etwas holprig und ein wenig von dem verwirrenden Unsinn, den sie aus ihrer Zeit als Shiek erinnerte, gelangte an die Oberfläche ihrer Gedanken. Sian redete genauso melancholisch und herausragend wie Shiek es tat. „Und ein wenig beschämend…“, Zelda rang sich zu einem gewöhnlichen Wort, aber schenkte ihrem Alter Ego ein zaghaftes Lächeln. Natürlich war es verrückt und absurd und beschämend. Hatte Zelda ihre Persönlichkeit als Shiek so von sich abgespalten, dass tatsächlich ein lebendiges Wesen daraus entstanden war, eine Seele, ein Geschöpf mit eigenem Bewusstsein? Und Zeldas Schlussfolgerungen zwangen sie immer weiter auf ein unbekanntes, wenig erklärbares Gebiet. War es denn möglich, dass Sian nur deshalb existierte, da Zelda auf eine unmögliche, gottspielende Weise ein Leben erschaffen hatte? Und wenn ja, mit welcher Macht? Sian zwinkerte verräterisch, als wüsste er ganz genau, was die brünette Schönheit über seine Existenz erdachte. Und er schien keinesfalls verärgert. Konnte sich jemand, der so beherrscht war wie er überhaupt in Ärgernissen verlieren? „Zelda“, sprach er dann vertrauenerweckend und so, als kannten sie einander seit ihrer beiden ersten Atemzüge. „Meine einzige momentane Hoffnung strickt sich in einem vielleicht einfältigen Wagnis. Ich möchte verstehen lernen, ob ich deinen Respekt und deine Achtung finde.“ Nein, Sian hatte nicht nur ihren Respekt und ihre Achtung. Seine Worte hinterließen die ohnehin erschöpfte Prinzessin für stockende Augenblicke sprachlos. Sie nahm seine Hände in die ihren, kühle Hände trafen auf kühle Hände. Zarte Haut auf zarte Haut. „Sian, du hast mehr als das… Du warst einst ein Teil von mir. Du hast mein bedingungsloses Vertrauen…“ Sie scheute das Wort ein wenig, aber wenn sie nicht einmal einem Teil von sich vertrauen konnte, wem sonst? Allerdings… Sie heftete ihre himmelblauen Augen auf Link, der sich leise mit Leon verständigte. Vielleicht belog sie sich auch hier wieder nur selbst. Sie hatte wohl längst vergessen wie es war sich selbst zu vertrauen. „Es ist wie… als hätte ich einen Bruder“, murmelte die einstige Adlige dann verlegen. Sian lächelte charmant, so unglaublich aufrichtig. Seine edlen, zarten Gesichtszüge, das Fehlen von Unreinheiten oder Makeln ließ das Lächeln nur noch strahlender erscheinen. „Ich würde meinen, das ist ein interessanter Vergleich.“ Er reichte ihr die Hand um diese Übereinkunft zu besiegeln. „Es ist schön dich kennen zu lernen, Zelda…“ „Ganz meinerseits…“, sprach sie, eine neue Sicherheit festigte ihre entschlossenen Gedanken. „Und ich bin über die Maßen dankbar, dass du den Weg zu uns gefunden hast. Deine Fähigkeiten werden uns Schutz für die Weisen garantieren.“ Sie spürte seinen Händedruck, die unendlich großherzige Geste von Mitgefühl und Handlungsbereitschaft dahinter. Sian nickte, kaum überrascht, dass sie dies ansprach. Seit Ruto ihn und seinen Vater in den Plan eingeweiht hatte, versuchte er seine eigene Rolle darin zu finden. Zu kämpfen und für Sicherheit zu sorgen galt als hohes Ziel, dem er sehr gerne nachging. „Wirst du uns helfen den Plan gegen Ganondorf umzusetzen?“ Zelda lächelte eindringlicher, eigentlich musste sie diese Frage kaum stellen. Eine kleine Verschlagenheit bildete sich in seinen rubinroten Seelenspiegeln, er wusste etwas, sein geheimnisvolles Grinsen verriet eine Hoffnung, die sie alle bisher noch nicht erkannt hatten. Der einstige Shiekah bückte sich und holte eine Tasche hervor und platzierte sie mit einem Funkeln in seinen Seelenspiegeln auf der Mitte des Tischs. „Es ist Zeit, dass sich alle hier einfinden. Es ist soweit“, sprach Sian einmal mehr geheimnisumwittert, aber so sicher, dass es Zelda eine Gänsehaut über den Nacken schickte. Er hatte eine Überraschung, das erkannte sie nun, einen weiteren Meilenstein in dem Kampf gegen Ganondorf. Und als sich allmählich alle Weisen an dieser Tafel der Krieger versammelten, spürte die einstige Prinzessin ein loderndes Gefühl in sich, die Erinnerung an Uraltes, Transzendentes, Heiliges… Sie alle waren auf dem richtigen Weg. Diese wundervollen Krieger und Helden, sie alle würden für das einzige einstehen, das in dieser gefallenen Welt noch Sinn ergab. Für das Leben… Zelda fühlte sich überwältigt von einem kochenden Gefühl, das sie sich zunächst nicht erklären konnte. Ein Gefühl, als überschwemmte eine gewaltige, beständige und reine Urkraft jede ihrer Zellen, ließ diese vibrieren in euphorischen Schwingungen. Sie stemmte sich mit einer Hand am Tisch ab und zuckte mit Entsetzen zurück. Da floss eine Energie, ausgehend von Sians Tasche, die sich ihrer so sehr bemächtigte, dass sie fürchtete ihr Bewusstsein zu verlieren. Ein Schlag, pochend, deutlich und mitleidlos floss wie eisige Magie in sie hinein, sodass sie schwankte. Link packte sie plötzlich an ihren Oberarmen, so energisch mit einem besorgten Signal aus seinen wunderschönen blauen Augen, dass auch sein tiefer Blick sie schwindelig werden ließ. „Sian, was ist in dieser Tasche?“, sprach Zelda leise und stockend, umwebt von dem durchaus angenehmen Gefühl von Links rauen Händen, die ihre nackten Schultern festhielten. Und ohne weitere Worte öffnete der Angesprochene das Behältnis und preis gaben sich über zweihundert schimmernde Splitter. Sie glommen wie Opale, in wunderschönen Regenbogenfarben, glitzerten und pulsierten. Leon ergriff das Wort: „Das ist unser Schatz, unsere Hoffnung… ermöglicht von dem Helden der Legende können wir ein kleines Wunder am Ende der Gezeiten geschehen lassen.“ Er musste nicht erklären, woher diese Splitter stammten. Die Geschichte dahinter kannten sie nun alle. „Du hast es tatsächlich geschafft?“, jubelte Link. „Sian, du hast die Splitter Hylias vervielfältigt.“ Er freute sich, dass sein Aufenthalt in dem Götterreich nun doch eine viel sinnvollere Bedeutung eingenommen hatte. „Wir haben so viele produziert wie es uns in der kurzen Zeit möglich war… jetzt müssen wir herausfinden, was die Prinzessin des Schicksals bereit ist damit zu tun.“ Neugierig beugte sich das brünette Mädchen über den Tisch, entzückt, hin und her gerissen, berührte Zelda einen der gereinigten Kristalle. Für mehrere Sekunden weiteten sich ihre Pupillen und ihr Gesicht wandelte sich in starre, konzentrierte Anspannung. „Es ist seltsam… aber ich weiß, was ich zu tun habe.“ Sie lachte ein wenig hysterisch, wirkte plötzlich überdreht und energiegeladen. „Begleitet mich auf das Dach!“ Zelda strahlte so untypisch, dachte Link. Für einen Sekundenbruchteil hatte er das Gefühl als brach ein goldener Schein durch die Poren ihrer samtigen Haut… Sie krallte sich die Tasche und tapste mit federnden Schritten in Richtung Ausgang. Sie erwartete keine Widerworte. „Jetzt kommt endlich!“ Ein übernatürlicher Eifer war in ihr erwacht, der Link erstaunte. Das war eine Seite von ihr, die er noch nie erlebt hatte. So viel Tatendrang. War das ihr wirkliches Gesicht? War das die tatsächliche Erbin Hylias? Verschwunden war ihre Bitterkeit und diese immer wiederkehrende, frostige Verzweiflung. Irritiert folgten die Weisen, ihr Vater, Sian und Link ihrer einstigen Thronerbin, symbolisch und loyal. Die vielen Füßen bewegten sich tapfer und standhaft vorwärts als folgten sie ihrer Regentin in die Schlacht. Und sie alle würden es tun, bereit zu kämpfen, demütig und stolz auf das Schicksal, das sie sich teilten. Mit entschlossenem Blick, ihr Haupt erhoben und so eng verbunden mit ihrer heiligen Natur führte Zelda ihre Krieger vorwärts, dicht gefolgt von ihrem Heroen, der seine linke Hand fest um ihre rechte schloss. Schweigsam und muterfüllt schenkte er seiner Prinzessin den ehrvollen Blick, den sie über Leben hinaus erinnerte. Selbst wenn Jahrhunderte zwischen ihnen lagen, selbst wenn Welten zwischen ihnen lagen. So, wie sie mit ihren Seelenspiegeln kommunizieren konnten, brauchte es weder Worte noch Magie… Sie würden für einander einstehen, egal, ob bedroht von Kriegen in der Zeit, in den Schatten, in den Wolken, auf dem Meer oder in den Träumen… Sie alle hatten auf diesen Tag gewartet, auf die Prüfung, auf den Hass eines uralten Bösen, welches sich immer wieder manifestierte. Sie konnte nicht entkommen, aber sie konnten standhalten, verbunden, ehrfürchtig und gut… Sie kletterten von einem Balkon im obersten Geschoss eine kleine Leiter hinauf auf das Dach, auf eine kleine Ebene nahe eines Schornsteins, seufzten in der Bedrohlichkeit, die der Horizont ihnen entgegenwarf. Ein Spektakel galliger, blutiger Farben stocherte wie Eitergeschwüre in den vorüberziehenden Wolken am Horizont. Ein scharfer, beißender Wind brüllte ihnen entgegen, als wollte er sie zum Aufgeben zwingen, wollte sie ermahnen wie aussichtslos dieser Kampf war. Aber Zelda spürte diese Aussichtslosigkeit im Augenblick nicht, verbunden mit den heiligsten Gesetzen einer uralten Welt atmete und pulsierten ihr Fleisch, ihr Wille und ihre Emotionen in einem Glanz der Furchtlosigkeit, Klugheit und Stärke. Und es war dann, symbolisch, überwältigt von einem Gefühl tosender Ehrfurcht knieten ihre Kämpfer nieder, stärkten ihren Rücken, trotzten mit sturen Blicken in Richtung des verseuchten Firmaments. Und irgendwo manifestierten sie sich, Ganons glühende Augen, auskundschaftend und die Weisen in ihren verbundenen Herzen beobachtend, wartend auf die Gelegenheit das letzte Gute des Planeten zu brechen. Zelda erkannte sie hoch oben, die infernalische Gewalt und Brutalität Ganons, seine teuflischen Augen, die sich durch den verseuchten Horizont schälten. Aber sie würde sich niemals brechen lassen, nicht im Zeitkrieg, nicht in einem anderen Dasein und nicht hier in dieser Erdendimension. Ihr sturer Blick galt dem Meer aus Tobsucht und schleimiger, stinkender Rache hoch oben und sie wendete den Blick nicht ab… auch dann nicht, als sie die Tasche mit den von Hylia gereinigten Splittern zu ihren Füßen sinken ließ, selbst dann nicht, als sie die Tasche öffnete und die vielen Kristalle begannen zu summen. Und niemand begann zu sprechen, als die Kristalle sangen. Die Kämpfer spürten etwas Reines und Gewaltiges allesamt mit kribbelnder Erwartung und Erstaunen, sie spürten die Macht des Guten und einen Umbruch in der Luft, dem Gestein… in allen Elementen um sich herum. Und als sie erwählte Prinzessin ihre Arme in die Höhe streckte, hielten ihre Gefolgsleute den Atem an, konnten Zeldas Magie knistern und leben hören. Zeldas Magie pulsierte, eine leuchtende, heilige Magie, die nicht dem Triforce und vielleicht nicht einmal dem Göttlichen entsprang. Es war Zeldas Gabe, es war Zeldas Herz, das war es immer… Unter dem Vorhang des Bösen war die Pracht der Welt erloschen, aber hier, reinigend und erhellend, wie flüssiges Perlmutt stießen zweihundert kleine Speere in Richtung Himmel. Als eine Explosion aus silbernen Tropfen donnerten die Splitter Hylias dahin, brachen durch das Netz aus Blut und Schleim, reinigten, heilten. Dann endlich, als Zelda ihre Arme wieder fallen ließ und hoffnungsvolle Tränen ihre Wangen benetzten, brach etwas Licht durch den blutdurchtränkten, glühenden Horizont, gab das Gesicht des ewiglich blauen Himmel preis. Wie weiße Perlen in einem Meer aus angenehm blau und verwundbar rot… Als Zeichen des Guten schuf sich das Licht einen gnadenlosen Weg durch den finsteren Vorhang. Ein Feldzug gegen die Finsternis war gewonnen. Denn die Sonnenstrahlen, die den Planeten erreichten, konnten das Leben anfeuern, dienten dem Leben und würden das Licht der Erde erhalten. Das Gute kämpfte gegen das Böse wie seit alter Zeit. Rein und bezaubernd. Und doch stark und unbezwingbar. Unbeugsam. Legendär. Genau das war sie... und würde sie immer sein. Die Legende von Zelda. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)