Nur ein Spiel von Faylen7 ================================================================================ Kapitel 41: Der Alptraum beginnt -------------------------------- Als der Tag in Schicksalshort erwachte, hing eine unerwartete, sonderbare Düsternis über den schattigen Landstrichen, sattgrünen Mischwäldern und den vielen Einfamilienhäusern der kleinen Stadt, ein leiser Vorbote eines dunklen Nebels schlich durch die Straßen, vermischte sich mit der zunehmenden, schwülen Hitze des Sommers… Da war eine kleine Ahnung mächtiger Wesen, das ein Zustand über die Welt kam, der das Gleichgewicht allen Seins bedrohen könnte. Eine kleine Ahnung, die auch Zelda, die junge Prinzessin in ihren verwirrenden Träumen spüren konnte… Sie zuckte ab und an, beschützt von den Armen ihres Heroen, der ebenfalls schlief… und seine Nase in ihr weiches Haar gedrückt hielt. Link und Zelda schliefen unruhig, als die Zeichen des Himmels von der Unverkennbarkeit, Grausamkeit einer brutalen Attacke des Bösen berichteten… Magische Zeichen, die einige wenige Wesen auf dem Planeten Erde deuten konnten… Ines Schattener saß mit einem Glas Whiskey in ihrer Küche, während sie einen Flachbildschirm mit trübsinnigen Blicken anstarrte. Natürlich war sie nicht außer Haus, natürlich hatte sie, was ihren Schützling Zelda anging und ihr Übernachten auswärts gelogen und gehofft, dass Links Nähe ihr helfen würde ihre Verzweiflung in den Griff zu kriegen… aber Impa war mittlerweile noch aus anderen Gründen beruhigt, dass Zelda bei ihrem Heroen war. Die einstige Shiekah war kein Freund davon ihren Kummer in Alkohol zu ertränken, aber gerade fühlte sie sich irgendwie… erschreckend machtlos. Nach der Versammlung mit den Weisen erschienen Ganondorfs Pläne kaum mehr aufzuhalten. Wenn es stimmte, und er durch die Welten segeln konnte, und an wichtigen Eckpfeilern der Geschichte Chaos säte, dann waren den einstigen Weisen die Hände noch mehr gebunden als ohnehin schon… Und eine weitere Schreckensnachricht erfüllte den wachen, starken Geist der stattlichen Frau. Sie verfolgte die Nachrichten, Berichte über eine Bandbreite unerwarteter Katastrophen in dieser Nacht, die signifikant die Handschrift des Bösen trugen. Am anderen Ende der Welt war ein wichtiger Gipfel von Staatsoberhäuptern vernichtend in die Luft geflogen… und alle Regenten tot. Es konnte kaum ein Zufall sein, dass jetzt, wo Ganondorfs Pläne reiften, ein solcher Gipfel fiel… Sich machtlos fühlend hockte Impa in ihrer Küche, aber beraumte eine weitere Versammlung der Weisen Hyrules ein… Im Haus der Braverys war die einstige Prinzessin die erste, die ihre Augen aufschlug. Sie hatte trotz der innigen Umarmungen ihres Helden nicht gut geschlafen… einige düstere Fetzen der nächtlichen Bilder drängten sich in ihren Geist und waren wohl der unausweichliche Grund, weshalb sie versuchte auf ihre Beine zu kommen… Nur… Nur hielt sie Link einfach fest… mit diesen starken Armen über ihrem Rücken an sich gepresst… so unglaublich fest und fürsorglich… Benommen wanderten Zeldas schläfrige Blicke in sein angespanntes Gesicht, wo wenige Kratzer als Zeichen des Kampfes von gestern geblieben waren. Sie beobachtete seine Anspannung und ahnte, dass auch er von den Illusionen ihres Schicksals heimgesucht wurde. Sie widerstand dem Wunsch mit ihren Händen über seine Wangen zu streicheln, widerstand dem Wunsch ihn in seinen düsteren Träumen Beistand zu leisten und richtete sich unbemerkt auf… Sie biss sich auf die Unterlippe, als sie sich endlich fing, realisierte, was diese Nacht geschehen war. Diese verbotene Nähe und die heimlichen Zugeständnisse, die sie ihm gemacht hatte. Jetzt, da sich die Prinzessin sortierte, jetzt, da ihr Pflichtgefühl und ihre alten Ängste sie mit verheerenden Alpträumen von einem erbarmungslosen Ende der Welt beluden, erinnerte sie sich daran, warum sie beide niemals ein Paar waren. Ein dummer Alptraum, von dem ein paar Fetzen und ein scheußliches Gefühl geblieben waren, erinnerte sie daran, wer sie war und daran, dass sie Link immer mit edlen Intentionen abgewiesen hatte… immer Herzschmerz erduldet hatte… Sie erinnerte sich an ihre scheußliche Pflicht als siebte Weise und Prinzessin des Schicksals… Mit ein paar Tränen der Vergangenheit tapste sie aus dem Raum, versuchte Bilder eines blutroten Himmels über Schicksalshort und Horden von Monstern, die es überrannten, in sich zu verschließen… Als Zelda frisch geduscht aus dem Badezimmer trat, fand sie Sara und Mike in der Küche den Tisch decken. Beide sahen sie mit lila Augenringeln so an, als wollten sie auf der Stelle im Stehen einschlafen, beide bewegten sich verlangsamt und marionettenhaft. „Guten Morgen, Prinzessin“, sprach Mike, etwas unbeholfen. Jetzt, da er sein Wissen nicht mehr geheim halten musste, war der Umgang mit ihm und den anderen etwas sonderbar. Auch Sara begrüßte Zelda und seufzte. „So gut ist der Morgen nur… leider nicht“, meinte Sara und konnte aus den saphirblauen Augen der brünetten Schönheit ein paar sichtbare Antworten lesen. „Du hattest auch keine guten Träume, was?“ Zelda nickte mit Zweifeln, einem verräterischen Zucken ihrer Augenlider. Verkrampft hockte sie sich auf die Eckbank. „Wir haben… keine Zeit mehr“, sprach Zelda trübsinnig, weil sie es ahnte, nein, vielmehr, weil sie wusste, dass Ganondorfs Schrecken über die Welt fiel. Sie wusste nicht wann, sie wusste nicht, was er plante, aber es war nur eine Frage der Zeit. Und trotz der Bemühungen der Weisen war es nicht abwendbar… das war es nie. Selbst in der Geschichte Hyrules. Wie oft hatte sich das Volk auf die Wiederkehr des Bösen vorbereitet, um letztlich doch nur machtlos zerschmettert zu werden? „Link schläft noch?“, murmelte Sara. Abermals nickte Zelda bloß, wollte nicht auf Saras Neugier reagieren. Natürlich hatte diese Verkupplerin vom Dienst gehofft, zwischen den beiden Auserwählten hätte sich diese Nacht etwas Romantisches entwickelt. Zelda fragte sich nur… warum war Sara so erpicht darauf? Was hatte sie davon? Ihren Bruder glücklich zu sehen? „Er braucht dringend Schlaf“, sprach Zelda kühler, einmal mehr versuchte sie die brutalen Bilder der Nacht in sich zu verschließen, als Sara ihr einen heißen Kaffee unter die Nase hielt. „Mike, lässt du uns kurz allein?“ Der Angesprochene verschwand ohne ein Wort, folgsam, beinahe brav wie ein Schoßhündchen. Trübsinnig schaute Sara ihrem Freund hinterher, ließ ein weiteres Geheimnis an die Oberfläche. „Du weißt… dass Mikes Seele auch aus Hyrule stammt?“, sprach Sara und seufzte. Der Morgen fühlte sich schwer und unberechenbar an, wie ein Geschwür für sie. Zelda nickte und stemmte ihren Kopf auf die Arme, sog den Geruch des Kaffees ein. „Ich traue mich nur nicht… es ihm zu erzählen“, murmelte Links kleine Schwester weiterhin und schlürfte ihren Kaffee. „genauso wenig traue ich mich ihm zu berichten, dass…“ Sie verzog ihr Gesicht und das erste Mal überhaupt sah Zelda die Ängste des jungen Mädchens aufflackern. Sara war immer so lebensfroh, so bemüht um Stabilität, ja, sie war so unglaublich gefestigt, geerdet und vermittelte auch anderen dieses Gefühl. Nur gerade in ihrer Müdigkeit, an diesem prophezeienden, verändernden Tag ließ Sara endlich ein paar Tränen ihrer eigenen Verzweiflung tropfen. „Damals sah ich das Ende Hyrules von Weitem… und es war schlimm genug. Ich habe Angst… es ein weiteres Mal zu erleben…“ Zelda legte ihr mitfühlend eine Hand auf die ihrige. „Noch wissen wir nicht, was geschieht, es ist noch nichts in Stein gemeißelt…“, sprach die vergessene Prinzessin, versuchte sich selbst etwas Glauben einzureden. „Wir müssen Vertrauen haben, meinst du?“, entgegnete Sara verwundert. „Das hat dir doch Link beigebracht“, setzte sie hinzu, lachte unter ihrer Verzweiflung. Auch Zelda rang sich zu einem Lächeln, das ihre Müdigkeit noch weiter zum Schmelzen brachte. „Hattest du… Visionen, Prinzessin, so wie damals?“ Die unerschrockene Neugier in Saras Gemüt verunsicherte die brünette Schönheit nun doch etwas. Sie wollte den Kopf schütteln, als sie ein weiteres Mal darüber nachdachte. Sie hatte in den letzten Wochen durchaus apokalyptische Träume durchgestanden, aber Visionen von dem Ende der Erde eigentlich nicht. Sie wusste nur nicht, ob es vielleicht daran lag, dass sie doch eigentlich nicht auf dieser Welt zuhause war und vielleicht daran lag, dass sie keine gewöhnliche Entwicklung erfahren hatte. „Nein… Visionen eher nicht, aber…“ Zelda biss lethargisch und verlangsamt von einer Toastbrotscheibe. „… es muss einen tieferen Grund geben, warum ich hier bin… Hyrule noch immer irgendwo da draußen ist… und auch Ganondorf hier ist. Warum sollte er diese Welt auch begehren? Hier gibt es kein Triforce. Ich habe mich schon die gesamte Zeit gefragt, warum er hier ist.“ Das raschelnde Geräusch von Zeldas angeknabberter Toastscheibe hörte sich für die schlaftrunkene Sara wie eine Dampfwalze an. „Ich habe eine… düstere Befürchtung“, setzte Zelda klarer hinzu und umarmte sich selbst. „Wie gesagt, ich hatte keine Visionen, aber ich hatte Träume von anderen Welten… immer sah ich Hyrule, immer sah ich Welten fern abseits, immer sah ich Helden, die kämpften, gewannen oder fielen… und dies brachte mich zu einer entsetzlichen Wahrheit.“ Ein aufrichtiger Blick voller Demut traf Saras graublaue Augen, suchte dort das alte Wissen einer weisen Gestalt. „Ganondorf will nicht die Erde… er will Hyrules Geschichte verändern.“ „Du glaubst, er beeinflusst den Weltenstrom? Das ist allerdings ein grusliger Gedanke…“, sprach Sara und rieb sich die Augen. „Er wird mit der Erde nicht zufrieden sein… das ist es, was mir meine Träume in den letzten Wochen berichtet haben. Es ist, als wächst das Böse in Hunderten Welten… verändert Welten… lässt sie bluten, untergehen, verblassen…“ Sara erschauderte nach außen wie auch Zelda innerlich zusammen zuckte. Es war eine Sache grausame Fügungen in sich zu tragen, aber diese auszusprechen eine völlig andere. „Und wenn wir den Gedanken fortsetzen, um Himmels Willen, Zelda…“ Sara riss die Augen auf, übermannt von einem euphorischen Gedanken und einer Hoffnung, die sie zu beflügeln schien. „Du denkst, Hyrules Verblassen hatte letztlich auch mit Ganondorf zu tun?“ Die Ruhe in Zeldas sanften Gesichtszügen erschreckte Sara… mehr noch: Zeldas ungebändigter Glaube ihre alte Heimat könnte auferstehen, sich erheben wie eine verlorene Zivilisation aus dem Nichts. Die Thronerbin der vergessenen Welt hatte niemals aufgegeben an die Wiedergeburt ihrer Welt zu glauben. Sie tat es mit all ihrer Würde, ihrer Kraft und ihrer Liebe für Hyrule… alles nur für Hyrule. Zelda war immer sehr reserviert und distanziert gewesen, auch Sara gegenüber, aber gerade jetzt schimmerte selbst für Links kleine Schwester ein Funke der Persönlichkeit der Schicksalsprinzessin durch ihre perfekten Gesichtszüge. Endlich konnte Sara einen Bruchteil dieses komplexen Wesens erkennen und es erstaunte sie. Wenn es etwas gab, was die Prinzessin für ihr vergessenes Reich tun konnte, dann würde sie es auch. Zeldas Opferbereitschaft, ihr haltloser Ehrgeiz an ihrem Ziel festzuhalten, diese Sturheit niemals aufzugeben… das war prägnant für sie und eine Eigenschaft, in die sich Link verliebt hatte… „Du denkst noch immer daran, dass du nach Hyrule zurückkehren wirst, nicht wahr?“ Zelda sendete der Jugendlichen einen eisernen Blick, eine Treue für ihre sterbende Welt ohne Zweifel. Natürlich dachte sie das, nein, natürlich wusste sie das. „Du beeindruckst mich immer wieder, Prinzessin“, und damit glitt ein erhellendes Lächeln über Saras müde Gesichtszüge. „Vielleicht kann auch ich daran glauben, dass es irgendwann ein neues Hyrule geben wird…“ Sie senkte den Blick beschämt. „Ich habe es viel zu lange nicht mehr getan.“ „Wir brauchen Hoffnung, Sara, mehr denn je, auch… ich muss das noch lernen“, sprach sie und trat gähnend an das Fenster. Sie hatte einmal mehr den Appetit verloren und sinnierte weiter. Die Worte der ambivalenten Göttin Dinafa hallten erneut in ihren Ohren wieder. ,Eine unglückliche Korrelation ist das… dieses Band einer Schutzgöttin verknüpft mit ihren Land.‘ Zelda musste herausfinden, ob sie Hyrule mit ihrer eigenen magischen Kraft auferstehen lassen konnte, koste es, was es wollte. Und vielleicht konnte sie mit dieser Tat sogar Ganondorfs Pläne, die sich auf die Erde bezogen, beeinflussen. „Impa hat eine erneute Versammlung einberufen… für heute Abend“, sagte Sara dann. „Weißt du bereits davon?“ Zelda schüttelte irritiert den Kopf. Impa hatte Zelda diesbezüglich völlig im Unklaren gelassen. Und das aus gutem Grund. Mit Zeldas aktueller seelischer Verfassung wäre es kaum sinnvoll gewesen sie in diesen geheimen Rat einzuweihen. „Heute Abend neunzehn Uhr in der Villa, Link soll auch mit anwesend sein“, meinte sie. Zelda fühlte sich zu müde um dieses Wissen in Frage zu stellen oder kritisch zu sein und nickte erneut, während sie die Welt außerhalb beobachtete. Ein plötzlicher, neuer Hunger nach den verblüffenden, wunderschönen Reizen der Erdenwelt kam über sie, als sie die Gänseblümchen auf der Wiese im Garten der Braverys im Wind tanzen sah. Oder als dass Gras, langstielig, sich dem Sonnenlicht entgegenreckte, auf der Suche nach Licht und Wärme… oder auch da, als zarte Jungvögel über das Gras hüpften, ausgelassen, lebensfroh, natürlich… Mit einem Schlag drang der heimliche Zauber dieser Erde in Zeldas trauriges Gemüt, erinnerte sie an frische Gerüche, an summende Weisen der Tiere, an süße Geschmäcker wie Honig über ihrer Zunge… alles in allem an einen Reichtum, für den es sich lohnte zu kämpfen. Zelda verließ die Unterredung mit der erschöpften Sara und stolperte hinaus in den Garten, als hätte sie vergessen das Farbenmeer der Welt zu erblicken, als hätte sie alles vergessen, was Leben ausmachte. Ihre himmelblauen Augen begegneten den Märchen am Himmel, die sich in Gestalt weißer Himmelsschwaden zeigten, dort hoch oben, wo Menschen sich das Paradies erträumten. Unbezahlbar in ihrem ewigen, wundervollen Rhythmus zogen die Wolken vorüber, ein irrsinniges Unterfangen, so unbedeutend und doch jetzt in diesen Sekunden eben vollkommen, rein und eben… unbezahlbar. Für Zelda waren gerade jetzt die Selbstverständlichkeiten, wie der Sonnenaufgang, das Wachsen der grünen Gräser, das Spielen der Tiere, der Atem des Lebens überhaupt nicht mehr selbstverständlich… Wie schön diese Welt doch war, so unglaublich wertvoll und beschützenswert. Gefangen in unsterblichen Momenten genoss die Prinzessin des Schicksals den Morgen, genoss die kleinen Dinge des Lebens und spürte die Veränderung des Weltenstroms mit dem heutigen Tage zunehmen… „Tuut! Tuut!“ Ein alter, quietschender Wecker dröhnte mit seinem ächzenden Geräusch an Links Ohren, der noch halb verschlafen die Augen öffnete. Er lag auf dem Bauch zwischen den weichen Kissen, fuhr mit seinen Händen suchend über das Schlafsofa… Wütend warf er ein Kissen gegen den Radiowecker, der vom Schrank fiel, aber sein nervtötendes Geräusch nicht unterließ. Link machte sich nicht die Mühe aufzustehen und warf noch etwas in Richtung des kläglichen Tones, nämlich den erstbesten Gegenstand, den er ergreifen konnte. Es handelte sich um ein dickes Buch, welches er, übrigens noch mit geschlossenen Augen, auf den Wecker schmetterte. Jetzt gab er kein Geräusch mehr von sich, lediglich ein kurzes Brummen, das erstarb. Zum Nachteil Links verschwand aber auch die Uhranzeige, was unweigerlich bedeuten musste, dass der Wecker endgültig seinen Geist aufgegeben haben musste… Er brummte, kuschelte sich in die samtigen Kissen, noch immer suchte er mit seinen Händen nach einer Erinnerung an letzte Nacht… forschte nach einer Wärme, die nicht ihm gehörte, forschte nach einem weiteren Wesen, nach lieblicher Haut, nach weichem Haar, aber er fand es nicht. Träge hoben sich seine Augenlider, nur um festzustellen, dass er auf dem Schlafsofa alleine war… Er blinzelte voller Irritation, versuchte sich zu sammeln und spürte heiße Sonnenstrahlen in sein Zimmer dringen. Hatte er sich nur eingebildet, dass Zelda in seinen Armen eingeschlafen war? War es nur eine seiner Phantasien, dass sie die ganze Nacht in ein und demselben Bett verbracht hatten? Er blinzelte ein weiteres Mal und entdeckte eine braune lange Haarsträhne direkt auf dem Kissen neben sich. Es war eine von Zeldas gefärbten langen Haarsträhnen… eine Strähne, die sie irgendwann in der Nacht verloren haben musste. Hier auf dem gemütlichen Sofa, wo sie beide innig aneinander gebunden eingeschlafen waren. Also doch keine Einbildung. Aber warum war sie ohne ihn zu wecken aufgestanden? Und wo war sie überhaupt? Sich streckend und laut gähnend stand der Held auf und fühlte sich wie gerädert. Aus irgendeinem Grund tat ihm alles weh und auch über ihm hing ein ungutes Gefühl in diesen neuen Tag zu starten. Etwas war anders gewesen, auch in seinen Träumen, in gewaltvollen Fetzen, die sich ihm in dieser Nacht aufgetan hatten. Erneut hatte er von jener Festung hoch über den Wolken geträumt, wo Babygeschrei herum dröhnte. Und drei Wesen sprachen Formeln in einer anderen Sprache vor sich hin, aber nicht nur das… Er hatte von einem blutroten Vollmond geträumt, ein purpurrot, dunkel und giftig, sodass er beinahe spüren konnte wie verdorben jenes blutrot die Welt erstrahlen ließ… Link seufzte, eine düstere Ahnung begleitete ihn. Es war soweit, dachte er. Etwas in ihm ließ ihn spüren, dass sich sein Schicksal näherte, dass er es erfüllen musste, so wie immer… Er stolperte aus dem Zimmer, der Trübsinn in seinem Gemüt ließ ihn sofort in Richtung Bad verschwinden, während aus der Küche die Stimmen seiner Freunde schallten. Er brauchte etwas Zeit für sich, musterte sich im Spiegel auf eine beinahe lethargische Art und Weise, versuchte den Mann darin zu erkennen, der der eine Held war, versuchte den legendären Mut zu erblicken, aber erkannte einmal mehr nur ein Kind der Zweifel. Er brauchte eine halbe Ewigkeit in dem Badezimmer, duschte sich gemächlich und genoss das warme Wasser über sein Haar rieseln, wollte es auskosten mit dem Gefühl dies vielleicht nicht mehr so lange spüren zu können und zog sich seine Lieblingsklamotten an. Ein waldgrünes, ärmelloses T-Shirt und eine dunkelbraune, kurze Hose. Dann trampelte er schlaftrunken in die Küche, wo Zelda, Sara und die anderen am Tisch saßen und Pfannkuchen aßen. Nachdenklich trat er an der Tür, beobachtete seine Freunde mit einem schweren, gespenstischen Gefühl, es könnte das letzte Mal sein. Seine kleine, gewitzte Schwester, die ihn immer an eine Koboldin erinnert hatte. Sein einstiger Feind Mike, der unter anderem Umständen vielleicht einer seiner besten Freunde geworden wäre. Seine wunderschöne Freundin Maron, die ihn so einigen Unsinn ausgeredet und verziehen hatte. Sein treuer Freund Rick, der so ein edles Gemüt hatte, so aufrichtig, dass er sicherlich der perfekte Märchenprinz für das Farmermädchen Maron war… und Zelda, seine Zelda… seine Seelenverwandte, sein Licht. Er realisierte gerade da, dass er alles besaß, was ein Mensch brauchte. Wenn diese Menschen auf der Welt waren, dann war das Leben doch eigentlich perfekt. Zelda war die erste, die ihn bemerkte. Ein zögerliches Lächeln bildete sich auf ihrer porzellanfarbenen Haut, wo ihre Wangen rötlich schimmerten. „Guten Morgen, Link“, meinte Zelda verlegen, vermied den durchdringenden Blick in seine Augen, leugnete ihre Sehnsucht einmal mehr. „Morgen“, erwiderte er und sah sie ziemlich lange an, so lange, bis sie wieder aufblickte. Sie schenkte ihm ein verlegenes Lächeln und trug zu seinem eigenen bei. Dann wuchs die Scham in ihrem Gesicht weiter, bis sie ihr Besteck zur Seite legte und die Hände verkrampfte. Er lächelte noch einmal, schüttelte dann den Kopf, spürend mit welcher großen Unsicherheit die letzte Nacht an seiner Prinzessin vorüber gezogen war. Sie hatte sich seine Nähe getraut, hatte ihren Wünschen nachgegeben, sich gegen ihre Ängste gestellt und schenkte dem Heroen damit eine ungemeine Zuversicht, was ihre gegenseitigen Gefühle betraf. Und natürlich fragte sich der Heroe heimlich, ob sich das von letzter Nacht irgendwann wiederholen und intensivieren würde… Auch die anderen sahen mit verschlafenen Blicken auf, lächelten verschmitzt und irgendwie… ja, Link spürte, dass die anderen nun doch etwas unbeholfen waren darin sich normal Zelda und ihm gegenüber zu verhalten. Jetzt, da die Wahrheit ausgesprochen war, fühlte sich der Umgang miteinander etwas tollpatschig an. „Hey, Waldmensch…“, begann Rick und bremste sich sofort wieder. Himmel, selbst dieser verständliche Kosename war nun etwas schräg. „Hey“, bestätigte der Heroe, lief zur Spüle und nahm sich ein Glas Leitungswasser. Er versuchte es schließlich mit einem Grinsen, aber es war in der Tat halbherzig. Seine schönen Gesichtszüge konnten vielleicht eine eiserne, unerschrockene Fassade aufbauen, aber Rick kannte ihn einfach zu gut und sah die Zweifel darin. Es war beinahe so, als wäre Link plötzlich ein halber Gott, jemand, den man bewundern musste, der über ihnen stand, der aber gleichzeitig nicht mehr dazugehörte. Eine erdrückende Stimmung schlich sich in das Haus der Braverys nun da die Wahrheit ausgesprochen war… „Wie hast du geschlafen?“, meinte Rick ferner und half mit einem besorgten Grinsen die seltsame Atmosphäre aufzulösen. Es war so unnötig und verdammt anstrengend darüber nachzudenken, dass Link der Held aus Hyrule war. „Nicht so… gut, wie ich gehofft hatte…“, sprach er ehrlich und belud Zelda mit einem trübsinnigen Ausdruck, der um seine Lippen spielte. Warum nur war sie ohne ihn zu wecken aufgestanden? Er hätte… ja, er hätte sie gebraucht, vor allem vorhin, als er sich von düsteren Alpträumen und der Last des Schicksals erdrückt fühlte. „Argh, blöde Frage von mir“, meinte Rick und deutete auf den freien Platz neben Zelda. Link trottete zu dem einzig freien Platz am Tisch, etwas schwankend, schwerfällig, aber ohne Laut. Eine unangenehme Pause entstand am Tisch, hörbar waren nur die vielsagenden Schmatzgeräusche der sechs Mäuler, die nach und nach einen Berg Pfannkuchen verschlangen, bis plötzlich Maron das Besteck beiseite legte. „Also, ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber…“ Alle sahen gespannt auf, lauschten mit Verwunderung. „… aber ich für meinen Teil finde es einfach großartig zu wissen, dass Link unser persönlicher Held aus Hyrule genau hier am Tisch sitzt.“ Maron lächelte wohltuend, fasste Link mit herzerwärmenden Lieblichkeit in ihren Blick. Unschuldig und doch beständig und sicher. „Für mich hat sich nichts verändert“, meinte sie weiterhin und lächelte auch Zelda entgegen. Sara lachte plötzlich. „Ehrlich mal, Leute, dass Link und Zelda beide etwas Besonderes sind, wissen wir doch schon lange, oder nicht?“ Sie stimmte mit ein, verscheuchte die Befangenheit von vorhin mit erheiternden Worten. „Auch für mich ist alles beim Alten.“ Link seufzte, einmal mehr kroch ein verwegenes Gefühl von Abschied und Melancholie über seine Gesichtszüge, aber auch Dankbarkeit, tiefe, unendliche tiefe Dankbarkeit. Wie nur hatte er so gute Menschen in seinem Leben verdient? „Gut, das wir das geklärt haben“, sagte Rick abschließend. „Hey, Zelda, reich‘ mir doch bitte mal den Obstsalat.“ Die Aussage des jungen Mannes ließ eine weitere, entscheidende Normalität in den Raum zurückkehren. Zelda verstand Ricks Absicht, schlaue, ja, beinahe weise Absicht, und reichte ihm die Schüssel mit den Früchten. „Aber eine Sache noch…“, sprach Link und konnte sich einen blödsinnigen Kommentar nicht verkneifen. „Wer immer auch den dämlichen Wecker gestellt hat, das war fies.“ Er lachte, während er sprach, wie immer sein Vorwurf auch klang, er meinte ihn nicht verärgert. Sara klopfte ihrem Bruder auf die Schultern. „Tja, wer zum Kuckuck wird das wohl gewesen sein?“ Sie grinste und verriet sich sofort. „Ja, aber wann hast du eigentlich… den Wecker… gestellt…“ Links noch vorhandene Fröhlichkeit versank rasch hinter einer auffälligen Schamesröte. Wann immer Sara den Wecker gestellt hatte, musste sie gesehen haben, dass er mit seiner Prinzessin gekuschelt hatte… nun ja, vielleicht war das Wort Kuscheln nicht der richtige Begriff dafür, wenn man haltsuchend aneinander klebte als gäbe es nichts anderes auf der Welt, das man festhalten wollte… Mehr noch… hatten alle bei Tisch ihn und seine Prinzessin etwa dabei erwischt? Links tiefblaue Augen wanderten in die Höhe, suchten seine Antworten an der mit Holz beschlagenen Küchendecke, bis er den Staub auf dem Lampenschirm beobachtete. Wieso sollte er diesen Zustand eigentlich so nennen? Es war ja nicht so, dass er und Zelda bei etwas erwischt worden wären wie zwei unartige Kinder. Seufzend suchte er erneut Nähe und Wärme in Zeldas glasigen, erschöpften Blick, aber einmal mehr wand sie sich ab… Link war sich nicht sicher, ob aus Verlegenheit oder ob nicht doch etwas anderes mit hineinspielte. War es der Wunsch nach Abstand? Er seufzte noch einmal mit vermehrter Irritation. Zelda aß zögerlich und langsam, eine Falte über ihrer Stirn verriet Nachdenklichkeit und Trägheit. Sie sah ohnehin so aus als fiel sie vor Erschöpfung beinahe vom Sessel, aber dass sie ihn nicht musterte beunruhigte ihn. Schämte sie sich wegen gestern Abend so sehr? Oder war dies ihr kläglicher Versuch einmal mehr den Wunsch nach seiner Nähe zu leugnen? „Zelda…“, sprach er, während die anderen bei Tisch ebenfalls in Gespräche vertieft waren. Sie blickte nur knapp auf. „Möchtest du… Schokoladensauce über deine Pfannkuchen?“ Oh verdammt, Link hatte seine Methoden. Wie nur konnte er so raffiniert in ihren Wunsch nach Melancholie eindringen und mit so viel Charme und Unschuld eine schlechte Laune zunichte machen? Die Prinzessin konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen, nickte scheu und blickte ihm mit Verwunderung in diese schönen Gesichtszüge. Sofort reichte er ihr die Sauce und brach mit einem weiteren Lächeln, tiefgehend, auf der Suche nach ihren Gefühlen, das Eis. „Wir müssen über nichts reden, was dir unangenehm ist, okay?“ „Das ist es nicht…“, sprach sie leise. Einmal mehr zitterte sie. „Was ist es dann…“, wollte er wissen, berührte ihre rechte Hand mit seiner linken. Sofort, beinahe panisch, zog sie ihre Hand weg, was sich für den jungen Heroen wie ein Tritt in seine Magengrube anfühlte. „Zelda?“ Er sprach ihren Namen lauter und mit noch mehr Verwirrung als während ihres Streits. Warum nur war sie jetzt so abweisend? Einmal mehr? Aber… kannte er dieses Verhalten denn nicht? Wusste er denn nicht, dass sie sich zu oft einfach nicht auf Bedürfnisse dieser Art einlassen konnte. Als Zelda sich schließlich erhob, ihm einen glasigen, hilflosen Blick zuwarf voller Sorge und Schmerz, verstand er durchaus das Problem… Er erhob sich ebenfalls, als seine Freunde sie beide verwundert musterten. Mit dem Wunsch nach etwas Zeit, trat die Prinzessin aus dem Raum, hinterließ Link in dem nur allzu bekannten Gefühl der Beklemmung. „Was ist denn los?“, meinte Maron. „Ich… bin nicht sicher…“, erwiderte Link und blickte seiner Prinzessin hinterher. Gerade da traf ihn die Gewissheit wie ein Schlag. Sie hatte es auch gespürt… Sie zog sich nicht zurück, weil sie ihn abweisen wollte, sie zog sich zurück aus Angst vor dem unausweichlichen Krieg, der bevorstand. Sie hatte das Ende der Erde gespürt, genauso wie er… „Aber ich vermute…“, versuchte er die anderen zu beruhigen. Einmal mehr setzte er ein halbherziges Grinsen auf. „Es war gestern einfach ein verdammt harter Tag für sie… und auch für mich.“ Sara hüpfte auf die Beine und schenkte ihrem Bruder sofort eine sanfte Umarmung. „Link, lass‘ ihr Zeit, du kennst sie ja…“, tröstete sie ihn. Sie ahnte, was das Problem war. „Und vielleicht brauchst auch du etwas Zeit für dich, hm?“ Er nickte lediglich und strich sich durch sein blondes, wildes Haar. „Mum und Dad kommen bald zurück, ich kann ihnen gerne sagen, dass du mal wieder unterwegs bist.“ Sara lachte und ihr Lachen schallte mit einer entwaffnenden Fröhlichkeit durch die Küche, verscheuchte die unangenehmen, bitteren Gefühle, die wallten wie Hefekuchen. „Ist es nicht so?“, sprach sie. „Möchtest du vielleicht so wie früher einfach ein bisschen durch die Wälder bummeln?“ Link dachte mehrmals über den Vorschlag nach, aber die Idee war wunderbar. Seine Gesichtszüge entspannten sich einmal mehr, wirkten frisch und frei. Sara kannte ihn einfach zu gut und wusste, was ihm gerade gut tun würde. Der Gedanke etwas Abstand in den Wäldern zu finden, dort in der Wildnis die Seele baumeln zu lassen, Tiere zu beobachten und sein Herz atmen zu spüren, fühlte sich ungemein richtig an. Außerdem konnte er ein wenig trainieren, Leon Johnsons Waffe austesten… Er grinste linktypisch, und es sagte Sara, dass sie auf der richtigen Spur war um ihm ein wenig Beistand zu schenken für das, was geschehen war und auch für das, was noch kam. Link verabschiedete sich von seinen Freunden und trat in zügigen Schritten hinauf in sein Zimmer, wo sich Zelda aufhielt. Sie umarmte sich selbst, während sie tatsächlich in Links Bett eingeschlafen war. Das goldene Sonnenlicht verlor sich in ihrem Haar, das durch das offene Fenster drang und ließ die brünetten Strähnen funkeln. Der leise Schimmer dieses Lichts ließ ihre transzendente Natur hervorleuchten… Sie lag wie Dornröschen auf dem Bett, wie eine Märchenfigur hüllte der Schlaf sie in einen fernen Zauber. „Zelda…“, murmelte Link hingebungsvoll, mehr noch als am Abend vorher. Sie hätte ihm doch sagen können, dass sie schlichtweg mit den Nerven runter war und dass sie Ruhe brauchte. Er lächelte ein wenig, berührte ihr seidenes Haar und versuchte einfach zu verstehen… Zu verstehen, was mit ihr los war, zu verstehen, warum sie oftmals so abweisend war. Er ließ sich kurz an der Bettkante nieder. „Du hast keine Ahnung… wie viel du mir bedeutest, meine Zelda… Ich brauche dich…“ Die Worte kamen mit mehr Aufregung und Zittern in seiner Stimme hervor als er wollte. Aber er hatte den Wunsch ihr dies mitzuteilen und vielleicht war ihr schlafender Zustand die beste Option Worte wie diese an sie zu richten, wo sie diese ansonsten kaum an sich heran lassen konnte. „Du wirst immer… meine Zelda sein“, sprach er, wiederholte Hylias Worte aus dem Götterreich, weil es das Wärmste, Tröstende und Glücklichste war, dass er in letzter Zeit gehört hatte. Aber Zelda reagierte nicht, sie war in der Tat so erschöpft, dass sie einfach in den Schlaf gefallen war. Link lächelte und berührte mit seinen Lippen ihre Stirn, küsste ihre sanfte Haut mit einem leichten Kribbeln, das sich seiner so vollkommen bemächtigte. Er wollte sich nur vergewissern, ob sie echt war… so wunderschön wie sie hier lag… und vielleicht war ein solcher unschuldiger Kuss das einzige, was sie einander in der Düsternis, die über die Welt fallen würde, geben konnten… Er küsste sie noch einmal, diesmal auf ihre zu ihm gewandte Wange und verließ schließlich das Haus, marschierte mit seinen Waffen zielstrebig in die sattgrünen Wälder und ließ sich von seiner Bestimmung leiten… Es war bereits Nachmittag, als Links Eltern zurückkehrten. Sie wirkten frisch und munter. Der Heroe allerdings war noch immer weg. Vermutlich lag er mit geschlossenen Augen friedvoll in den Wäldern, träumte in seinem klapprigen Baumhaus, und holte ein wenig Schlaf nach. Sara, Maron und Zelda hatten entschieden endlich das nachzuholen, was sie sich seit einer Weile vorgenommen hatten und bummelten vergnügt durch die Stadt, vorbei am Park, vorbei am Marktplatz, bis sie in Lydias riesigem Modegeschäft angekommen waren und sich alle möglichen Kleidungstücke betrachteten. Auch Zelda gegenüber hatten sich Sara und Maron nicht verändert. Ganz im Gegenteil. Obwohl sie wussten, dass sie eine Prinzessin vor sich hatten, legten sie ein derartig künstliches Verhalten, welches die Königstochter von damals nur zu gut kannte, nicht an den Tag. Niemand nannte sie mit einem Titel, um den sie nie gebeten hatte. Niemand zeigte ihr eine aufgezwungene Freundlichkeit und niemand ignorierte ihre wahren Bedürfnisse. „Weißt du Zelda? Ich muss dir etwas gestehen“, sagte Maron, während sie sich ein teures, schwarzglänzendes Abendkleid an ihren Körper hielt, welches sie sich sowieso nicht leisten konnte. Aber schauen kostete ja nichts… „Was ist es?“ „Wir Mädchen sind wohl alle ein wenig neidisch auf dich.“ Sie zwinkerte ihr zu. „Wieso?“ Dann hielt Maron Zelda das Kleid hin. „Zieh’ das Kleid an und ich verrate es dir.“ Zelda zuckte mit den Schultern und verschwand in der Umkleidekabine. Als sie heraustrat, elegant und vornehm wirkend, mit dem schwarzen, dünnen Tüllstoff um ihre Figur und ihren geflochtenen goldbraunen Haaren, sahen einige weitere Kunden sie verwundert an. Die einstige Prinzessin lächelte leicht und schaute dann schüchtern zu Boden. Sie war es zwar gewohnt im Mittelpunkt von Veranstaltungen zu stehen, war es gewohnt betrachtet zu werden, aber es auf dieser Welt, wo sie eine Unbekannte war, ebenfalls wahrzunehmen, fühlte sich fast ein wenig unvorteilhaft an. „Weißt du, was ich meine? Kein Wunder, dass Link sich so schnell in dich verliebt hat. Du hast eben Klasse.“ Zelda stand der Mund offen. Wie kam sie darauf, dass Link… Maron begann zu erklären, als sie Zeldas verdutzten Gesichtsausdruck deutete. „Seit der siebten Schulklasse habe ich mich für Link interessiert. Du kannst dir gar nicht vorstellen wie beliebt er war. Aber er hat mich, genauso wie alle anderen Mädchen, die etwas von ihm wollten, einfach abserviert. Link war nie unfreundlich, aber eben einfach nicht interessiert. Er hat nie jemanden vor den Kopf gestoßen, aber auch nie deutlich gemacht, weshalb er so ein Einzelgänger war. Jetzt aber weiß ich warum…“ Zelda biss sich auf die Lippe und blickte beinahe etwas böse funkelnd in Marons neugierige Augen. Maron und Sara grinsten wie zwei verrückte Gaukler auf dem belebten Marktplatz vor den Schlosstoren Hyrules, die von ihren Einrädern fielen und deren bunte Bälle auf ihren Köpfen landeten. Sie lachten angesichts der Hilflosigkeit in Zeldas Seelenspiegeln. „Jetzt sag‘ uns nicht, dass das für dich abwegig ist?“, murrte Sara und warf Zeldas eigenen verwirrten Blick zurück. „Der einzige Grund, warum Link sich nie auf eine Beziehung eingelassen hat, bist du, was sollte sonst die Erklärung sein?“ Sara klang nicht vorwurfsvoll, aber für die einstige Königstochter klang diese Aussage dennoch bitter. War sie auch noch daran Schuld, dass Link auf dieser Erdenwelt sein Glück nicht hatte finden wollen? Einmal mehr schien Zelda nur das zu hören, was sie hören wollte. „Ich meine“ und Saras versteckter Schelm ließ Zelda sich sammeln und von ihren Schuldgefühlen Abstand nehmen. „Wenn eine Prinzessin auf einen wartet, dann wartet man eben gerne auch einmal Jahrhunderte, was?“ Sara war unglaublich, jetzt spielte sie sogar noch auf die uralten Geschichten von Helden und Prinzessinnen in Hyrule an. An jene, die schon vor Jahrtausenden den Todbringer bekämpften. „Sara“, der plötzliche Ernst in Zeldas Stimme ließ die junge Schwester von Link beinahe zusammenzucken. „Es ist nicht so, wie du dir das vielleicht vorstellst oder erhofft. Link und ich waren beste Freunde in Hyrule… Die letzten Tage vor Hyrules Verblassen waren nicht so einfach, ja, wenn ich ehrlich bin, waren sie geprägt von Zweifeln, Kummer und unglaublich hart. Aber Link und ich… wir haben beide unseren Pfad zu gehen, sind gebunden an unser Schicksal. Das bedeutet auch sich gegenseitig zu schützen, selbst wenn es heißt dafür einen bitteren Preis zu zahlen. Es war nie Links und meines Schicksal ein Paar zu sein oder miteinander glücklich zu werden.“ Sara zwinkerte und es war vielleicht das erste Mal, dass sie sich mundtot fühlte. Wie nur konnte die vergessene Prinzessin so voller Bitterkeit und Zweifel sein? Sara realisierte… die mentale Krankheit der Schicksalsprinzessin war tatsächlich so beunruhigend wie Ines Schattener dies angedeutet hatte. „Das klingt hart…“, meinte Maron, selbst für die verdutzte Sara. Auch für Maron, die ihren Märchenprinzen gefunden hatte, erschuf die Bitterkeit in Zeldas Worten ein beklemmendes Gefühl unerfüllter Sehnsüchte. „Ich vermute… dass Link sich niemals auf eine Beziehung eingelassen hat, liegt eher daran, weil er spürt, dass seine Aufgabe der Kampf ist. Und ich weiß… dass er anderen den damit einhergehenden Kummer ersparen will. Keine Frau möchte an dem Totenbett des Mannes sitzen, der auf dem Schlachtfeld fällt…“, erklärte Zelda kühl, ballte die Fäuste und neigte ihr Gesicht seitwärts. Die einstige Hylianerin spürte an ihren eigenen Worten eine unergründliche Wahrheit… Link hatte dieses traurige Schicksal nicht irgendeiner Frau ersparen wollen, sondern ihr. „Tja, sieh‘ es wie du willst, Prinzessin“, sprach Sara, einmal mehr mit Schelm. Zeldas Worte waren trübsinnig genug, warum sollte sie auch auf diesen Unsinn einsteigen. „Ich habe jedenfalls ein Beweisfoto.“ Sie kicherte und lachte schließlich fast unkontrollierbar. ,Meine liebe Zelda‘, dachte Sara. ,Ihr beide, du und dein Heroe, seid vielleicht offiziell kein Paar, aber ihr habt so viele Momente, in denen ihr eure Gefühle auslebt. Es reicht ein Blick und ihr tauscht in diesem alle Zärtlichkeiten aus, die ihr braucht… wahrer und stärker kann Liebe nicht sein.‘ „Beweisfoto?“ „Das werde ich Link zu gegebener Zeit in die Hand drücken“, versprach Sara. Eine üble Ärgernis Sara gegenüber trat über Zeldas sanfte Gesichtszüge, mit jener Wut unter der Oberfläche wirkte sie beinahe angriffslustig. Sie schnaubte, unterließ aber weitere Kommentare zu dem Thema. Vielleicht war doch mehr Wahrheit in allem, was Sara sagte als Zelda zugeben wollte… Die Prinzessin warf einen Blick hinaus über riesige Glasfenster, schweifte mit sorgenvollen Blicken über die Dächer Schicksalshorts zu dem schattigen Bauwerk der Kirche und auch zu den angrenzenden Wäldern. Der Horizont wurde überflutet von kohlrabenschwarzen Wolken, dunstig, beinahe erinnernd. Zelda faltete die Hände für ein kleines Gebet, hylianische Worte entkamen ihren Lippen, so ungewollt, aber hoffnungsvoll. Sie betete für Hoffnung und mehr Zeit, betete, dass sich ihre leise Vorahnung über eine zunehmende Erfüllung alter Prophezeiungen nicht bewahrheitete. Sie lenkte sich ab und betrachtete sich weiterhin einige Kleidungsstücke, als in den kohlenschwarzen Wolken winzige Bruchstücke der Verderbnis splitterten, saugten und wühlten. Unscheinbar und abstrakt, gefräßig wie Tausende Heuschrecken spalteten sie die natürliche Ordnung, zerlegten Materie, unterwarfen Geist und Bewusstsein… Es war soweit. Unvorstellbar… mit aller Gewalt und todbringend… unwirklich… Eine apokalyptische Symphonie in einem Meer aus Leichen, Feuer und Eis werkelte in den kleinsten Atomen. Und wenn es kam, das eine Ende, gab es nur die eine Option… zu bezeugen im Angesicht des Untergangs, zu erstarren und sich unglaublich machtlos und unterwürfig zu fühlen. Zelda erinnerte ihre ersten Erlebnissen dort in den düsteren, prophezeienden Träumen, erinnerte alle Details jedes apokalyptischen Traumes. Und es war immer… immer zuverlässig. Entsetzlich zuverlässig. Wenn das Ende kam, dann prägnant, bestrafend und unaufhaltsam. Es war so hässlich, eine Gewalt aus schimmerndem, giftigem und fauligem Qualm und doch kristallin, unzerstörbar wie purpurrote Diamanten, die wie Regen über die Welt fielen. Der Geist der dunkelsten Apokalypse zerstückelte ihre Seele immer und immer wieder als hoffte er sie könnte einen dunklen Bann von Zerstören und Erschaffen beenden… Aber niemand konnte das. Wir alle gehen mit einem ersten Atemzug dieses Geschäft ein, ertragen unsere Prüfungen und Zwänge, dulden und erstarken, siegen und fallen… selbst die Mächtigen dieser Welt mussten in dem Rad des Schicksals ihre Machtlosigkeit anerkennen, anerkennen, dass sie in jedem Fall scheitern würden. Denn wenn sie kam, die Göttin der Apokalypse war weder Stellung, noch Intelligenz, Herkunft oder Glaube ein rettender Anker… Und sie würde fallen als dunkler Vorhang über das jetzige Sein in Gestalt des Bösen oder als unausweichliche Konsequenz… Es war soweit… Link lag währenddessen lässig, dösend in seinem Baumhaus, aber er fand nicht in den Schlaf, obwohl er sich nach etwas Erholung gesehnt hatte. Mit wachen Augen schaute er aus dem einzigen Fenster des hölzernen Hauses, lauschte den Klängen der Natur, feinem Zirpen in dieser wunderschönen Wildnis. Worüber er nachdachte, konnte er kaum definieren, was sich stumpfsinnig anhören mochte. Aber es war schlichtweg nicht fassbar für ihn, was sich gerade in seine Gedanken brannte. Jedes Mal, wenn er versuchte zu begreifen, was gerade in seiner Gedankenwelt passierte, wenn er versuchte Ordnung zu finden, sprudelten die wildesten Bilder in ihm wie eine Fontäne an die Oberfläche seines Bewusstseins. Bilder aus seinen bisherigen Kämpfen, Bilder von Zelda, die ihn innerlich so tief berührten und zermürbten und manchmal waren da Bilder, die er nicht zu ordnen konnte… Orte, die er in diesem Leben nicht besucht hatte… Wesen, die er in diesem Leben nicht angetroffen hatte. Wie kleine Explosionen in seinem Kopf donnerten Erlebnisse dieses und auch anderer Leben hernieder, prügelten ihn beinahe. Er schnaubte, streckte sich, sodass ein paar Gelenke knackten. Er hatte nur eine Idee, warum er sich gerade so durcheinander fühlte… Schon heute beim Aufwachen war diese Empfindung so unglaublich präsent. Es war die Wiederkehr seiner Bestimmung, das Unausweichliche, das bevorstand. Ja, er hatte versucht etwas Ruhe und Abstand hier im Wald zu finden, so wie früher, aber es erreichte ihn die Entspannung einfach nicht. Er spürte, dass seine Heldensinne auf Alarmbereitschaft gepolt waren, er spürte, dass Ganondorfs eiserner Vorhang sehr bald über die Welt fallen würde… und alles, was er tun konnte, war hier zu stehen und einfach nur zu ertragen? Einmal mehr fragte er sich, ob er nicht gerade jetzt in die Kirche spazieren sollte, ausgerüstet mit nichts als seinem Schwert und diesen Wahnsinn beenden sollte. Aber was hielt ihn davon ab? Seine eigenen Zweifel, dass er nicht würdig war? Noch nicht würdig war? Seine Familie und Freunde, die in heftige Trauer verfielen, sollte er den Kampf verlieren? Er sprang genervt vom Baumhaus, hetzte mit seiner Waffe über die Wiese und übte einige neue Schwerttechniken wie seine Wirbelklingentechnik, die er immer noch verfeinern wollte. Er trainierte wie in Trance, trainierte das Unverständnis und einen alten Zorn über seine Fehler aus sich heraus. Gerade da, als er zu einer weiteren Wirbelklinge ansetzte, hörte er hinter sich wieder ein Klatschen. Das begeisterte Zujubeln eines kleinen Kindes, das ihn schon einige Male besucht hatte. Umdrehen war nicht nötig, er wusste genau, wer hinter ihm stand. Es war das Mädchen mit den blauen Zöpfen im Haar, das ihn angewiesen und unterrichtet hatte. Und auch heute suchte sie seine Gesellschaft, dieses kleine, weise Geistwesen. Aber in ihren giftgrünen Augen lag die Bewunderung, die er erwartet hatte nicht. In ihren giftgrünen Augen lag eine ferne Traurigkeit, wie raschelnde grüne Blätter, die zu Boden fielen nur um zu vergehen. Link trat zu ihr hinüber und ließ sich auf seine Knie sinken. „Hallo, kleiner Schutzengel“, sprach er. Sie erwiderte einen Blick voller Demut, Traurigkeit, aber auch Dankbarkeit. „Du…“, Link wusste nicht genau, wie er beginnen sollte und atmete geräuschvoll aus. „Du weißt es ebenfalls, richtig?“ Er ließ seine angespannten Schultern sinken, als er die richtigen Worte in Gedanken suchte. Ahnte auch sie, dass die Apokalypse kam? Sie nickte bloß und schniefte ein wenig. „Jedes begabte Geschöpf spürt es… Die Welt befindet sich auf Messers Schneide.“ Ihre sonst so fröhliche, klare Kinderstimme rief in dem Heroen erneut einen unfassbaren, fast schon folternden Zweifel heraus, beschwor Trübsinn und Hilflosigkeit. Link erhob sich wieder und schnaubte voller Frustration. Stählern trat er mit seinem Schwert in der Hand auf der Lichtung, als der Wind sein Haar aufwirbelte. „Und ich stehe hier… weiß nicht, was ich tun kann, weiß nicht… wie ich es verhindern kann.“ Das kleine übernatürliche Wesen hüpfte näher, so wie ein Kind augenscheinlich. Sie umfasste Links rechte Hand und lächelte ihm mit Verständnis entgegen. „Du kannst es nicht aufhalten, nicht verhindern, keiner von euch… weil es Schicksal ist und schon lange in der Vorsehung abgespeichert. Die Welt muss ihr Grab finden, um gestärkt aufzuerstehen.“ Link schloss die Augen, löste seine Hand aus ihrer und rieb sich über seine gramerfüllten Gesichtszüge. Warum nur tat der Gedanke an seine eigene Machtlosigkeit so sehr weh? Es schmerzte zu wissen, dass er als Held nicht in der Lage war Ganondorfs Machtübernahme zu verhindern. „Und woher soll ich wissen, dass es genauso geschehen muss? Wie soll ich Vertrauen haben darin, dass ich noch nicht soweit bin? Wer sagt mir, dass ich nicht gerade jetzt, weil ich nicht handle, einfach nur ein dummer Versager bin?“ Links plötzliches Eingeständnis über seinen Kummer ließ das kleine Geistwesen sich nur noch beständiger fühlen. Sie war hier, ein übernatürliches Wesen, das ihm schon einmal seine Zweifel genommen hatte, nun würde sie es wieder tun. Sie trat vor ihn, tänzelnd, ihre goldenen Löckchen tanzten ebenfalls im Wind. „Aber deine Zeit wird kommen, Link, es wird, so wie immer Hoffnung geben… Setz‘ dich zu mir.“ Er seufzte und sie ließen sich gemeinsam auf das trockene grüne Gras sinken. „Du weißt, dass du Ganondorf nicht besiegen kannst?“ Er nickte schwermütig. Seine tiefblauen Augen schillerten mit diesem ehrbaren Schuldeingeständnis. „Nein, das kannst du in deiner jetzigen Form nicht…“, korrigierte sie. Sie lächelte dann mit hoher Erwartung und Link sah ein neues Gefühl in ihren grünen Kinderaugen. Zuversicht? War da etwas, worauf sie anspielen wollte? „Ich bin kein menschliches Wesen, Linky, natürlich habe ich andere Zugänge zu dem, was noch kommt als du…“ „Deshalb erzählst du mir das?“ Link grinste erhellt, seine markanten Gesichtszüge strahlten förmlich. „Zuversicht steht dir viel besser, mein Freund. Und ja, deshalb erzähle ich dir das. Ich ahne, dass deine Geschichte erst begonnen hat.“ Link stutzte, wischte sich einige Schweißtropfen von der Stirn und legte seinen schweren, müden Kopf auf die Arme. Das kleine Mädchen tätschelte ihm den blonden Schopf und spielte an dem unordentlich verbundenen Zopf. „Lass‘ mich das mal richten“, sagte sie, öffnete den Zopf und strich ihm die wilden Strähnen zurecht. Link fühlte sich etwas unwohl dabei, nun ja, es war vielleicht ein ungewohntes Bild. Ein kleines Mädchen band ihm die Haare… „Linky, erinnere dich, das Gute hat im Moment einige entscheidende Vorteile“, sprach sie weiterhin und band seine Haare sauber zusammen. In ihren giftgrünen Augen fand sich die Gewissheit, die Link gerade so sehr brauchte. War es, weil sie eine kindliche Gestalt besaß, dass sie dieses Vertrauen über den Sieg des Guten, tragen konnte? War da wirklich eine Reife in ihr, die Link immer hatte sehen wollen, wo sie doch gleichzeitig so verspielt wie eine Fee wirken konnte? Link schwieg und lauschte ihren Worten. „Ganondorf weiß nichts über Zeldas Existenz, noch immer glaubt er, sie sei verstorben. Dann haben wir einige großartige Persönlichkeiten mit exzellenten Fähigkeiten, die an dem Kampf teilhaben. Und dann haben wir dich, den einzig wahren Helden. Und was glaubst du, was Ganondorf von dir hält?“ Sie trat direkt vor ihn und stemmte ihre kleinen Kinderhände in die Hüften. Das ungewöhnliche Kleidchen, welches sie trug, wie ein Puppenkleid, verziert mit echten Blättern, flatterte im Wind. Link sah auf, ernst und erfüllt von seinen Zielen strahlte seine Seele nach außen. „Du bist ihm scheinbar völlig gleichgültig, was heißt, dass Ganondorf einmal mehr denselben Fehler macht wie immer. Er unterschätzt dich maßlos. Wenn Ganondorf fällt, dann verschuldet an seiner Ignoranz und seinem falschen Stolz.“ Link grinste halbherzig, als der Schatten der hohen Bäume über sein Gesicht fiel. Er sah etwas blass aus, noch immer hing der Schlafmangel über ihm. „Es ist dumm von mir, aber ich hätte es wohl lieber, dass Ganondorf mich als Gegner wahrnimmt…“ Link flüsterte beinahe, aber das Mädchen hatte es vernommen. Ihr fiel die Kinnlade herunter, als sie dies hörte und gab sich selbst eine Ohrfeige. Link riss die Augen auf und beobachtete dieses kindische Verhalten. Er blinzelte und schmunzelte, während sie etwas Unverständliches vor sich her grummelte. „Ich blöde Kuh, das war nicht hilfreich!“, schimpfte sie und brachte Link erst Recht zum Lachen. Irgendetwas an ihrem Verhalten ließ ihn sich plötzlich besser fühlen. Da war dieses kleine Mädchen mit blonden Zöpfen, dass sich wie eine Irre im Kreis drehte, mit einer entfachten und hysterischen Wut das Gras unter ihren nackten Füßen zertrampelte und sich aufführte wie ein kleiner Stier. „Wieso, ihr Götter, wieso ihr Götter, bei Titania, der Feenkönigin!“, fluchte sie. Dann fixierte sie mit ihren giftgrünen Augen den wiedergeborenen Helden und schenkte ihm ein vorwurfsvolles Glühen aus ihren Augen. Jetzt strahlten ihre Augen wie neonfarbene Glühwürmchen. „Wieso bist du nur so ein stolzer, fairer, gerechter, loyaler, liebenswerter und selbstloser Holzkopf!“, wetterte sie. Link brachte ein verwundertes „Äh“, aus seinem Mund, als sie einen Stock nahm und damit auf ihn losging. Sie konnte ihn mit ihren kleinen Füßchen niemals einholen, aber das Schauspiel belustigte ihn. Und es war dann, dass ihn sein heimlicher Schutzgeist tatsächlich aus der Patsche geholfen hatte. Wer immer sie auch war, und sie machte gerne ein Mysterium aus ihrer Person, so war sie in der Tat hilfreich. Etwas lästig, aber hilfreich… Als der Abend mit einer sonderbaren grauen Düsternis näher rückte, verließ Link die geheime Zuflucht, seine verlassene Lichtung und sein Baumhaus und hatte sich auch von der kleinen Dame verabschiedet, die sein Gemüt in einen tapferen Zustand gebracht hatte. Er fühlte sich bereit, bereit für das, was kam, wissend, wo seine Grenzen lagen und entschied sich den Wunsch nach einer Prüfung seiner selbst zunächst ruhen zu lassen. Lautlos trottete er über die vertrauten Trampelpfade der Wälder, erreichte den magischen Ort, wo er einst Zelda gefunden hatte und verabschiedete sich innerlich von der Schönheit jener Orte, spürend und wissend, dass die Zeit gekommen war. Er begann zu rennen mit dem Schwert in der Hand, genoss das Brodeln seiner Bestimmung, rannte, mit einem klappernden Bogen auf den Rücken gespannt. Er rannte mit dem goldenen Licht in seiner Hand vorwärts, zielstrebig, in seinem Schatten folgten legendäre Eigenschaften. Handlungsbereitschaft, Mut und Zuversicht… wie vergessene Ritter folgten sie ihm hinein in den Kampf… In der Geschichte der Menschheit wurden bereits Tausende Erzählungen geschrieben, die uns Menschen mit einer der größten Urängste konfrontierten, belehrten und uns die eigene Vergänglichkeit bewusst machten. Denn dies war wohl einer der erbarmungslosesten Gedanken eines gewöhnlichen Menschen… jener, dass das eigene Dasein in einem Wimpernschlag ausgelöscht werden könnte. Die Urangst vor der Sinnlosigkeit unseres Seins, die Urangst vor dem brutalsten und gewaltvollsten Untergang des Lebens. Sie verfolgte das Leben, als wäre sie in unseren Genen festgebrannt, als hätten wir die Welt bereits sterben sehen… Doch keine Vorstellung kam dem gleich, wie eine von Dämonen gezüchtete Apokalypse das Sonnenlicht gefrieren ließ, den Willen des Lebens brach, die Ordnung der physikalischen Gesetze vernichtete… Eine Finsternis wie der Fürst des Schreckens sie über die Welt bringen konnte, war nirgendwo geschrieben, war beinahe unmöglich überhaupt zu beschreiben. Wie das teuflischste Gewächs aus Hyrules Überlieferungen die Welt brach, war kaum in irgendeiner Weise bildhaft darzustellen… es war zu morbide, zu grausam und zu entseelt. Es war der Abgrund jedes Gedankens… Und doch hatte Hyrules Seele das Ende, erzeugt von Ganons Verderbnis, schon so oft ertragen, geblutet bis in den tiefsten Kern. Und er hatte es erzeugt wie einen Nachkommen, er, der erste und einzige Großmeister des Bösen wie er sich so selbst verherrlichend nannte. Sein Zorn, der in purpurroten Farben über die Welt knallte, war für ihn ein Meisterwerk teuflischer Künste… Dunkelrote Verderbnis soweit das Auge reichte. Ein Meer aus flüssigem Hass, galligem Schleim, der alles und jeden verzehrte… Es war nicht einfach nur dunkle Magie, es war eine verruchte Wissenschaft, ein Kunstwerk… und er hatte experimentiert. Er hatte in Welten fern abseits experimentiert. Zarnas Splitter, die überall auf der Welt verteilt waren, den Planeten wie ein Geschwür von innen vereiterten, waren ein überragendes Ergebnis zahlloser Versuche. Und er war beeindruckt mit welchem Glanzstück er es geschafft hatte seine dunklen Gelüste in Kristalle einzusperren. Angereichert mit Zarnas Essenz, die mit Zeldas Blut veredelt war, hatte er die entscheidende Verbindung erschaffen, den Wahnsinn genährt mit der Macht einer Gottheit, die er fangen und foltern konnte. Ganondorfs eigene zu Diensten geführte Schutzgöttin wurde von seinem Wahnsinn befallen, willenlos vermehrte sie seine Energie, zerfiel, verblasste… In der alten Kirche spielte einmal mehr die Orgel, und ihr Klang, reißend, schief, manipulierend war nur eine Begleitung für den Wahnsinn, der da kam, war doch nur ein leiser Rhythmus für den fauligen Schleim des Hasses, der sich durch die Splitter Zarnas in der Welt nährte. Es begann unsichtbar, ein heißer Dampf drang von dem verlassenen Gotteshaus in die Welt, bis eine purpurrote Substanz in Abflussrohre tropfte, stetig, lächerlich, aber zielstrebig… Die Brut des Bösen sammelte sich, befiel das Wasser, befiel die Luft, langsam, träge, aber stetig… Und zwischen dem Reigen der schiefen Orgel hörte man das irre Gelächter Ganondorfs, hörte seinen Triumph… denn sein Alptraum begann. Er hatte die Karten neu gemischt. Und er wartete, bis alle Figuren des Guten fielen… Es war soweit… Der Alptraum begann… Geräuschlos kroch die Verheerung über die Welt, befiel alle Elemente. Sie war so unglaublich real und doch unwirklich, während die Menschen überall in Schicksalshort ihren alltäglichen Geschäften nachgingen, Kinderlachen über den Park glitt und die Vögel zwitscherten. Niemand sah sie kommen, und doch gab es vereinzelte Menschen, beginnend in Schicksalshort, den Ort, wo das neue Schicksal für die Erde geschrieben wurde, welche dem finsteren Zauber verfielen. Vereinzelte Menschen beendeten ihre Tätigkeiten, blieben stehen und beobachteten in starrer Haltung den Horizont, und hier und da gab es Menschen, die die Straßen verließen, sich zurückzogen. Und nicht nur die Bevölkerung spürte den Umbruch… Ganons Hass befleckte vor allem auch das Tierreich. Und es begann schaurig, mit einer sich ausbreitenden Stille, die den Park, wo vorher noch Vögel zwitscherten, einnahm. Wie ein leises Giftgemisch legte sich die Verheerung missbrauchend über das Tierreich. Hier und da winselten Hunde, die vorher noch lebendig durch den Park hüpften. Hier und da hörte man Katzen jammern, kläglich und beängstigend. Und unter der Veränderung, die im Tierreich vorging, war noch etwas anderes, das auch Zelda, die mit leichten Kopfschmerzen in Lydias Modegeschäft stand, bemerkte. Ein leises Kratzen war überall hörbar wie unsichtbare Hunde der Hölle schufen sich Klauen aus einer anderen Zeit ihren Weg in diese Welt… Und plötzlich blieben auf den Straßen von Schicksalshort die Menschen stehen, atmeten mit einer namenlosen Angst immer wieder den dämonischen Hass Ganons in ihre Lungen… und nicht nur in Schicksalshort, auch in Nachbarstädten, Nachbarländern, auf der ganzen Welt. Stückchenweise wühlte Ganondorfs Verseuchung auf dem Planeten, kaum zu stoppen. Seine dunkle Seele entweihte heilige Orte auf diesem Planeten so wie das Gotteshaus, wo er noch immer seine dunkle Symphonie spielte. Gebetshäuser verschiedener menschlicher Religionen fielen unter seinem Hass… Paläste, Tempel, Regierungshäuser fielen unter seinem Hass. Die gesamte Welt… brannte in seinem Hass… Und wie lange schon hatte sich die Seele der Erde gegen seine Dunkelheit gewehrt… wie lange schon hatte Mutter Natur Zeichen gesendet mit grausamen Vulkanausbrüchen und Hitzewellen, Überflutungen und Tornados… die Welt hatte so verbittert gegen ihn gekämpft, wo die Menschen jener Erdendimension es nicht konnten. Zitternd, mit geweihten Augen, trat Zelda vor einem riesigen Glasfenster des Modegeschäfts und verlor sich mit all ihren Befürchtungen in der drohenden Undenkbarkeit eines so gespenstisch vertrauten Martyriums… es war zu spät, dachte sie, es war einmal mehr zu spät… In ihrer selbstverschuldeten Unfähigkeit und Hilflosigkeit hatte die Schicksalsprinzessin erneut die falschen Entscheidungen getroffen und einmal mehr fiel die Welt der Verheerung des Bösen zum Opfer. Zelda erkannte es in den winzigen Teilchen am Himmel, die wie Asche herabregneten. Wie damals, als Hyrule Regierungssitz fiel, genauso wie damals waren ihre Sinne so verwundet als sie die Veränderung von Materie und Geist bezeugte. Und es begann am weiten Horizont… Sie erinnerte sich… Damals in Hyrule, als sie wusste, dass Ganondorfs teuflischer Wahnsinn Blut, Feuer und Krieg über die Welt brachte, begann es zuerst am Himmel… Der himmelblaue Horizont war ein Spiegel in die Seele einer Welt. Wenn er blutete, dann war die Welt gefallen… und genau deshalb sah sie es… in winzigen Teilchen am Himmel, die sich einem grässlichen purpurrot nicht entziehen konnten. Genauso wie damals stand sie vor einem Fenster aus Glas, war zunächst noch verwundert, bis sich ihre überraschten Augen dem Entsetzen eines erdrückenden Alptraums hingeben mussten. Ganondorfs Alptraum, weil er es liebte die Welt zu quälen, weil er es als sein Recht ansah, eine Weltenordnung zu entzweien und weil er Genuss daran fand den Himmel, ein Zeichen des Guten und des Gerechten, mit dreckigen Farben zu entstellen. Funkelnde Tränen tropften über Zeldas Wangen, als der weite, so strahlende blaue Horizont sich stückchenweise verfärbte, so wie damals, so wie in jedem Krieg gegen den Fürsten des Schreckens. Sie spürte das alte Salz der Tränenflüssigkeit über ihre Lippen rieseln, ballte die Fäuste, sodass sich ihre Fingernägel in die Handinnenflächen gruben und starrte hinein in diesen Wahnsinn. Von hier aus konnte sie über Schicksalshort blicken, über die Wälder, wo Link in Sicherheit war und eben hinauf in die zunehmende Düsternis. Die Welt fiel… sie fiel in Ganondorfs Hände… Zeldas klarer Blick ging hinauf in den Horizont, purpurrote Flecken brannten sich hinein in das einst so strahlende Blau und das Gesicht der Welt wurde dunkel. Und als der Himmel in die Hände des Bösen fiel, erklangen überall auf dem Planeten klagende Gesänge, tosende Schreie von Mensch und Tier, die Natur entstellte sich immer weiter in der Apokalypse des Bösen… Aus der Ferne knallten Stürme über das Land, von weitem hörte man die Erde sich zerreißen mit gewaltigen Beben, von weitem rauschten Fluten… Innerhalb von Sekunden war die halbe Menschheit und die Hälfte des Tierreichs ausgelöscht… Und Zelda, umhüllt von der zunehmenden Düsternis, trat sie allein in dem Gebäude und sah das Ende der Welt… Gebete lagen über ihren blutroten Lippen, formten sich gewandt. Sie betete mit all ihrer Kraft, sendete ein Stoßgebet an die alten Mütter Hyrules für Hoffnung und Gnade. Sie betete, als Wesen aus Hyrules dunkelster Vorzeit sich Zugang verschafften und jene Dämonen hungrig über die Welt donnerten. Und während sie betete, war da das letzte, schwachgoldene Licht des Guten, das in ihrer Aura brannte. Sie war noch da und sie würde genauso wie Link hier sein um zu retten, zu beschützen. Hier im Alptraum des Bösen… Das Schicksal der Welt lag nun in den Händen der letzten Prinzessin Hyrules und des wiedergeborenen Helden… Die Schlacht um die Erde hatte begonnen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)