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Nur ein Spiel

von

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Bruchstücke der Verderbnis

Und so flog in Irland die Zeit dahin, ließ dem vom Schicksal erwählten Helden der Erde eine Verschnaufpause nach dem erbarmungslosen Drachenangriff und ließ seine Verletzungen heilen. Seine Wunden waren kaum mehr sichtbar, selbst in seinem sonnengebräunten Gesicht schienen die Blessuren abzuklingen.

Gut gelaunt tapste er über eine der riesigen, saftig grünen Wiesen mit Koppel hier in dem Ferienort von Leon Johnson, verscheuchte ein leises Gefühl von Heimweh und versuchte die Sehnsucht nach seiner Familie, seinen Freunden und nach Zelda wegzuschieben. Er hatte noch eine volle Woche, hier in dieser blattgrünen Idylle, hoffte, es würde zu keinen seltsamen Vorfällen mehr kommen und hoffte, er könne für sich noch einige Fragen klären. Er trug ein paar Reiterstiefel, hatte Lederhandschuhe über die Hände gezogen und ein Helm bedeckte seinen Kopf. Schon zu Beginn seiner Reise hatte er sich vorgenommen hier in Irland reiten zu gehen, vielleicht sogar am Strand entlang zu schweben und etwas die Seele baumeln zu lassen. Bereits hier konnte er das pulsierende Rauschen des Meeres hören und das Salz in der Luft schmecken. Im Anmeldungsbüro hatte er von Sian alles ausgeliehen bekommen, was er für einen Ausritt brauchte, und lief mit bester Laune in Richtung Stall, um sich die Pferde anzusehen. Das sanfte Wiehern der edlen Tiere klang in seinen Ohren nach, erinnerte ihn an etwas, das er nur bruchstückhaft wahrnehmen konnte. Für einen winzigen Augenblick sah er sich in grünschimmernder Rüstung im Sattel eines muskulösen Pferdes über strahlend leuchtende Hänge reiten, sah sich als einen Krieger, der nach Freiheit strebte. Er versuchte das Bild festzuhalten, wurde aber dann jäh aus seinen Gedanken gerissen, als er in den Stall trat, wo sich eine Reitlehrerin mit Kindern versammelt hatte.

Gekleidet in schwarzem Leder und dunklen Reiterstiefeln musste der junge Held zweimal hinsehen, bis er erkannte, dass er diese junge Dame bereits einmal gesehen hatte. Es war jene Person, die in Leon Johnsons Büro die Anmeldungen übernommen hatte. Erst jetzt fiel Link auf, dass sie kaum viel älter als er selbst sein konnte.

Sie winkte ihm zu, ließ ein verspieltes Lächeln aus ihrem runden Gesicht leuchten. „Ich hoffe, dass du mich nicht verfolgst“, lachte sie und trat zu ihm hinüber. Ihre pechschwarzen Augen funkelten mit einem verbotenen Ehrgeiz, einer Begierde, die den jungen Heroen erneut irritierte. Sie nahm ihren Reiterhelm vom Kopf und ihre buntgefärbten Locken fielen verspielt hinab. „Und“, sprach sie. „Hattest du einen schönen Aufenthalt in der Jugendherberge?“

„Ja, mein Aufenthalt war bisher sehr schön“, erwiderte er und blickte an der jungen Dame vorbei. Link wollte nicht unhöflich sein, aber er hegte keinerlei Interesse daran sich mit ihr zu unterhalten.

„Mmh“, entgegnete sie und ließ ihre langen, dünnen Finger durch einige rotgefärbte Strähnen ihres Haares gleiten. Sie lachte und auch ihr Blick heftete sich an einen leeren Punkt im Raum. „Ich bin nicht so langweilig, wie du vielleicht glaubst“, setzte sie hinzu und grinste auf eine freundliche, zugleich aber schräge Weise. Sie ließ sich durch Links Desinteresse überhaupt nicht beeindrucken.

Entschuldigend wedelte Link mit den Händen und lächelte schief. „Sorry, ich wollte nicht rabiat erscheinen.“

„Aber ich mag Leute, die rabiat sind“, schmunzelte sie. Link jedoch wusste nicht, ob sie dies als Scherz oder tatsächlich ernst meinte. Sie steckte die Hände hinter den Kopf und lachte gehässig. „Du magst vielleicht nur ein Jugendlicher sein, der in Leon Johnsons Jugendherberge gelandet ist, aber etwas an dir ist irgendwie interessant.“ Sie machte deutlich, dass Verlegenheit und Scham für sie Fremdwörter waren.

Sie trat näher zu ihm heran, so nah, dass Link es als unangenehm empfand in ihre pechschwarzen Augen zu blicken. „Du hast eine ausgesprochen alte Seele in dir“, meinte sie und lächelte erneut eindringlich.

Etwas nervös wand sich Link um seine Achse und tat so, als würde er sich für eines der Pferde interessieren. Jedoch empfand er ein nahezu unheimliches Zittern in sich, eine Unruhe, die jene junge Dame ausgelöst hatte. War es für Menschen in seinem Umkreis so einfach in seine Seele zu blicken?
 

Gerade da erschien Sian auf seine gelassene Art in den Stallungen, hatte seine Hände lässig in die Hosentasche seiner dunkelgrauen Jeans gesteckt. Grinsend trat Sian in seine Richtung und auch er hatte sich für einen Ausritt bereit gemacht.

„Sag’ mal, kannst du dich teleportieren? Oder wie machst du das“, meinte Link verwundert, denn vor wenigen Minuten war Sian doch noch im Anmeldungsbüro und regelte irgendeinen Papierkram.

„Tja, das wird wohl ewig mein Geheimnis bleiben.“ Er grinste obenauf, steckte die blonden Strähnen zur Seite, die normalerweise in seine wie Rubine schillernden Seelenspiegel fielen, und Link wusste, der Irländer würde ihm diesen Trick gewiss nicht mitteilen.

Leicht eingeschnappt, da sie nicht beachtet wurde, und mit einem lauten Murren trat die unverfrorene Reitlehrerin zurück in den Kreis ihrer Schulkinder und warf Sian Johnson einen hässlichen Blick zu.

„Na hoppla…“, meinte Link und rieb sich das Kinn.

Sian schüttelte überlegen seinen Kopf. „Sie hat doch nicht etwas versucht dich mit ihren esoterischen Spielchen einzulullen?“ Sian schien auch bereits unangenehme Erfahrungen mit jener Dame gemacht zu haben.

Nickend bestätigte Link Sians Verdacht. „Wer ist sie?“

„Vor einigen Wochen hat sie meinen Vater zwecks eines Jobs angehimmelt, seitdem arbeitet sie als Reitlehrerin, Haushälterin und im Anmeldungsbüro. Sie macht keinen schlechten Job, aber sie hat so ihre eigene seltsame, fast schon schräge Weise, die nicht jeder ertragen kann“, schloss Sian ab.

Noch einmal warf Link einen Blick zu der seltsamen jungen Dame, sah ihre stechenden schwarzen Augen funkeln und für einen kurzen Augenblick, kaum an der Grenze zur Realität, spürte der junge Held das Bild von vorhin, als er in stattlicher smaragdgrüner Rüstung über eine legendäre Steppe galoppierte, erneut in sich…
 

Sian wies ihn an ihm zu folgen, und trottete zufrieden durch die Stallungen. Er zeigte dem Heroen schließlich der Reihe nach die Pferde, als auch die Reitlehrerin mit den Schulkindern den Ort verließ.

„Und die gehören wirklich alle deinem Vater“, meinte der Held begeistert, beobachtete Pferde aller möglichen Rassen, blickte von Edelbluthaflingern, Arabern, zu Ponys und einigen ihm unbekannten Warmblütern. Edel waren sie allesamt, wunderschöne Reitpferde, und unglaublich wertvoll.

„Ganz genau, die gehören alle den Johnsons. Wir sind ziemlich wohlhabend, auch wenn das Schloss nicht danach aussieht und irgendwie heruntergekommen wirkt“, bemerkte Sian.

„Ist ja klasse. Kann ich mir irgendein Pferd aussuchen?“, freute sich Link.

„Sicherlich. Bin schon gespannt, welches du auswählst.“

Link schaute durch die Reihen mit den schönen, prächtigen Pferden, entdeckte eine starke hellbraune Stute, eine Edelbluthaflingerdame, die ihn mit großen dunklen Augen wundersam anstrahlte. Sie wieherte aufgeregt, zeigte sich von ihrer besten Seite und trabte gemächlich in der Stallung umher. Im Sonnenlicht, das flackernd in das Gemäuer fiel, glänzte ihr gebürstetes Fell wie goldbraune Seide. Ja, Link erinnerte sich. Dieses Pferd hatte ihn an einem der ersten Tage regelrecht abgeschleckt. Schmunzelnd trat er näher, legte beide Hände auf den schlanken, muskulösen Hals der starken, edlen Stute und spürte ein sonderbares Wohlgefallen.

Sian huschte ein ausgemachtes Grinsen über das Milchreisbübchengesicht: „Ich wusste, dass du unsere edelste der Stuten mögen würdest. Dreimal darfst du raten, wie sie heißt!“

„Keine Ahnung, woher soll’ ich das denn…“ Doch da arbeitete Verwunderung in seinem Gesicht. „Du meinst doch nicht etwa…“

„Oh doch.“ Und Sian begann zu lachen. „Wir nannten sie Epona. Und sie ähnelt dem Pferd, dass du in Hyrule dein Eigen nennen durftest.“

„Ich bin eben nicht schlecht, was? Und das, obwohl ich keinerlei Erinnerungen habe.“ Der Heroe nahm die ganze Aktion gelassen hin, lächelte Mut erfüllt. Inzwischen konnte ihn wirklich nichts mehr überraschen, oder die Laune verderben. Er schloss schmunzelnd die Augen, klopfte dem schönen Reittier noch einmal auf den Hals und fragte mit einem Blick nach Zustimmung, die er sofort in Gestalt eines freudigen Wieherns erhielt. Mit einem Ruck schwang er sich in den Sattel, umfasste die Zügel, trabte aus der Stallung hinaus und blickte über die weitreichenden, blühenden Hügel Irlands. Er hob den linken Arm in die Höhe, fühlte sich frei und ausgelassen. Auch Sian schwang sich in den Sattel eines schwarzen Hengstes und folgte dem Heroen. „Auf geht’s“, rief Link ins Tal, begann mit sanften Bewegungen das Pferd zu lenken, spürte die Kraft und Lebendigkeit der Stute, das gemächliche Holpern, das sich alsbald in einen stürmischen Trab wandelte. Und es war wie, als folgten Sian und Link ihrem Schicksal, als folgten sie wie einst in Hyrule einem vorbestimmten Weg in die Freiheit…
 

Einige Minuten später waren Link und Sian auf den weiten saftiggrünen Wiesen Irlands. Ein herrliches Gefühl durchströmte den jungen Kämpfer, der es genoss einfach nur die Seele baumeln und sich durch die Weiten des Landes tragen zu lassen. Ein bekanntes, angenehmes Gefühl packte den diesmal mit Helm bekleideten Burschen einschneidend, überwältigte ihn mit der Lust nach noch mehr Abenteuern, dem Drang nach atemraubender, gefährlicher Freiheit…

Die beiden Jugendlichen lieferten sich alsbald ein Match und stürmten mit ihren Pferden in Richtung Strand, stürmten in Richtung der kraftvollen, rauschenden Wellen, erlebten Freiheit als ein bekanntes Gefühl. Erfrischt durch die salzige Kühle des Windes, der von dem weiten Ozean gespeist wurde, stiegen die Auserwählten von ihren Pferden und trotteten am weißen Strand entlang. Rauschend, beinah wehrlos verschlingend riss das dunkle Meer Sand, kleines Getier und Muscheln mit sich und forderte zurück, was es aus den Tiefen der Welt hervorgebracht hatte.

„Sian, hast du eigentlich wegen Kevins Ausraster von vor wenigen Tagen irgendwas herausbekommen?“, sprach Link, sammelte wenige glitzernde Steine aus dem Sand und warf jene einzeln zurück ins Meer. Er dachte an den sympathischen Irländer Kevin McMayor und seinen bedauernswerten Zustand, dachte an die merkwürdige Wunde, die womöglich etwas mit seinem sonderbaren, herzlosen Verhalten zu tun hatte. Wie nur konnte es sein, dass er den wichtigsten Menschen seines Lebens, sprich Anja NiceInn, so abwertend behandelte? War dies alles nur wegen der dreieckigen Wunde im Nacken? Oder war Kevin schon immer ein brutaler Sonderling gewesen?

„Ja, ich habe durchaus eine Antwort darauf… nur, wird dir die Antwort nicht gerade gefallen…“, entgegnete er.

Erstaunt sah Link auf und warf dem Irländer zögerliche Blicke zu. „Was hast du herausgefunden?“, sprach er leise und schwenkte seine tiefblauen Augen in Richtung des Horizonts, wo das Meer den Himmel berührte.

„Ich konnte mit meinem Vater darüber diskutieren, er hat sich sehr besorgt gezeigt und etwas nachgeforscht.“

„Dein Vater hat aber auch auf alles eine Antwort, wie?“, sprach Link amüsiert.

„Nun, das kannst du so oder so sehen“, entgegnete Sian geheimnisvoll. „Aber es ist, wie wir vermutet haben. Kevins eigenartiges Verhalten hat tatsächlich etwas mit der Wunde zu tun.“

Link seufzte und stieß einen größeren Stein mit seinen Turnschuhen weg. Er wusste nicht, ob ihn die Information freuen oder entmutigen sollte. Kopfschüttelnd tapste er näher an die sachten Wellen des Meeres, die siegend an den Strand strömten. Er kniete nieder und schöpfte mit seiner linken Hand ein wenig salziges, kühles Wasser, spürte eine alte Energie in dem gleichmäßigen Wellengang, eine Kraft, die ihn tief berührte. Und mit einem Ruck gab er einem inneren Bedürfnis nach, ließ sich brummend in den kühlen, weichen Sand fallen und atmete genießend durch. „Es ist einfach nur… verrückt… so unglaublich verrückt.“ Er sah dem gleitenden Vorüberziehen der märchenhaften Wolken zu, erinnerte sich an einen Tag vor vielen Monaten, bevor sein Abenteuer begann, wo er sich über so viele Dinge in seinem Leben beklagt hatte. Und nun erschien ihm dies alles wie ein lächerlicher, kindischer Traum. Es gab so viel mehr… hier in dieser Welt… und irgendwo weit dort oben, versteckt am Horizont, lauerten wundervolle Geheimnisse, die es zu entdecken galt. Wenn er von Anfang an völlig darauf vertraut hätte, so hätte er sich manch depressiven Gedanken erspart…

„Vor einigen Wochen“, begann er leise und steckte die Arme hinter den Kopf, „lebte ich noch in meiner kleinen Scheinwelt, wünschte mir ein Abenteuer… mein ganzes Leben ist mir tierisch auf den Wecker gegangen.“ Er erklärte seinen Standpunkt mit einer Güte und Milde in der Stimme, die Sian erneut über das Herz in Links Brust nachgrübeln ließ. Er besaß ein großes Herz… aber es war auch sehr verzweigt.

„Ich habe über stupide Dinge nachgedacht, angefangen mich selbst zu hassen. Ich war echt verzweifelt…“ Er schloss die Augen lethargisch. „Und dann… mit einem Schlag, noch ehe ich es realisieren konnte… wie ein riesiger Knall änderte sich alles… Ich habe mich jetzt irgendwie mit meinem Schicksal abgefunden und ich klage auch nicht mehr darüber. Vielleicht habe ich endlich verstanden, dass ich das bin, was ich immer sein wollte.“ Er endete seine Worte mit einem seufzenden Lacher. „Das braucht echt Zeit um es zu kapieren… Ich bin Hyrules Held. Und ich habe heldenhafte Pflichten.“ Eine kurze Pause entstand und jene gab Sian das Gefühl, etwas zu Links Worten sagen zu müssen, eine Bestätigung, eine Hoffnung vielleicht…

„Es wäre wohl verwunderlich, wenn dieses Wissen keine Zweifel mit sich bringen würde, Link. Sicherlich ist es schwer, zu verstehen, wer du bist. Aber du bist ja nicht der einzige, dem es so geht und nicht der einzige, der Pflichten bezüglich der Rettung Unschuldiger hat.“

„Ich weiß… und ich muss sagen zum Glück bin ich nicht alleine mit allem…“

Sian ließ sich ebenso in den Sand sinken, setzte sich in seinen geliebten Schneidersitz und holte zwei Rüben aus seinem Rucksack. „Hier, gib’ Epona eine davon.“

„Thanks.“ Link erhob sich mit einer Federleichtigkeit, tätschelte den Hals der goldbraunen Stute und lächelte. Er lächelte so charmant, dass selbst der sonst so kühle Sian sich verlegen fühlte und wegblickte. Auch Epona schien mit ihrer riesigen Schnauze zu lächeln, verschlang die Rübe mit einem Zug und schien zufrieden.
 

„Da wir gerade von heldenhaften Pflichten reden, dann möchte ich herausfinden, was mit Kevin los ist. Konntest du eine Antwort finden?“ Erneut ließ sich der junge Held in den Sand sinken und genoss die kühle Brise des Meeres. „Ich meine, was ist mit dieser seltsamen Wunde an seinem Nacken?“

„Es geht genauer gesagt nicht nur um diese seltsame Wunde, sondern um etwas, was in ihr verborgen ist“, erwiderte Sian.

Link runzelte die Stirn. „Wie darf ich das nun schon wieder deuten?“

Sian seufzte: „Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Erinnerst du dich an das falsche Abbild von Zelda?“

Vor Schreck richtete Link sich wieder auf. Er wurde ein wenig blass im Gesicht, als die Erinnerungen an jene düstere Nacht ihn wiedereinholten, als eine Kriegerin namens Zarna sich Zutritt zu Ines Schatteners Haus verschafft hatte und als seine Prinzessin an der Schwelle des Todes war. „Woher weißt du denn davon, Sian?“

„Mein Vater-“ Link unterbrach ihn mit Bestürzung in seinen Gesichtszügen: „- Moment mal, ich verstehe das nicht… dein Vater weiß auch davon, Sian?“ Der Irländer nickte, ein Hauch Aufrichtigkeit lag auf seinen Gesichtszügen. „Ja, mein Vater weiß einiges, aber nicht alles… und auch ich habe einige dieser Ereignisse in meinen Träumen gesehen.“

„Ich verstehe…“, ließ Link schwermütig über seine Lippen gleiten. Ein leises Schamgefühl huschte in sein Gemüt angesichts des Gedankens, wie er damals gehandelt hatte. Er wusste, dass es richtig war, sich für Zelda einzusetzen, aber sich beinahe zu opfern zeugte weder von Ehre noch von Mut… Es war feige.

„Nur wissen mein Vater und ich mehr über das, was du nicht erlebt hast“, erklärte Sian. „Wir wissen, was mit Ganondorfs Kriegerin Zarna geschehen ist, als du sie schwer verwundest hast.“

Link schloss die tiefblauen Augen nachdenklich und versuchte die unangenehmen Gefühle wegzuschieben. „Was genau ist passiert?“, sprach er leise.

Sian erhob sich mit seiner perfektscheinenden Gelassenheit, streifte sich die Turnschuhe von den Füßen und trat barfuß durch den weichen Sand, ließ das kühle salzige Meerwasser seine Füße benetzen. „Als du damals Zarna schwer verwundet hattest, konntest du sie nicht ganz töten… Zeldas Leben hing am seidenen Faden, du musstest die Kriegerin ziehen lassen.“

Link nickte. Ein weiterer Schwall der Erinnerungen zog an ihm vorüber. Die grausame, von Mordlust erfüllte Nacht, in der der Himmel weinte. Die explodierenden, belastenden Gefühle der Rettung und Vernichtung. Und die Schuld des unsichtbaren Blutes an seinen kampfgezeichneten Händen…

„Sie verschwand zurück zu ihrem Meister, zurück zu ihrem peinigenden Untergang, zurück zu dem Monster, das sie ins Leben gerufen hatte“, erzählte Sian. „Er erschuf sie nach Zeldas Abbild, mit einer dämonischen Besessenheit, mit dem Bedürfnis Zeldas Platz durch seine Kriegerin zu ersetzen. Er erschuf sie aus Ton und doch nahm Zarna einige von Zeldas Eigenheiten an, ihr Temperament und ihren Widerwillen… Zarna gehorchte ihm nicht.“

„Ganondorf hat demnach einige Kreaturen des Bösen gezüchtet, korrekt?“, warf der Heroe ein, beobachtete den leichtfüßigen Sian durch Meerschaum, matschigen Sand und kühles Wasser schlendern. Mehr und mehr setzten sich für den Helden der Erde die Puzzlesteine zusammen. Er erinnerte sich an den seltsamen Priester namens Drokon, der auf dem Friedhof Kreaturen des Bösen aus Ton erschaffen wollte, aber welche wieder in sich zerfielen. Ganondorf musste eine Möglichkeit gefunden haben diesen Tongestalten Leben einzuhauchen. „Gibt es noch mehr von diesen Tongeschöpfen?“

„Darüber weiß ich nichts… möglicherweise hat das Böse diesen Plan fallen lassen, als klar wurde, dass die Tonkreaturen nicht Folge leisten“, entgegnete Sian. „Es war unter Umständen sehr hilfreich, dass Zarna sich ihrem Meister widersetzte…“

„Ja, womöglich…“, seufzte Link leise.

„Du bist mit deinen Gedanken bei Zelda, hm…“, murmelte der Irländer.

Der Heroe konnte es nicht abstreiten, aber er wollte seinem neuen Kumpel nicht die Möglichkeit geben ihn damit aufzuziehen. Er schwieg.

„Glücklicherweise wusste Zarna nicht, dass du Zelda zu dem Zeitpunkt wiederbeleben konntest und sie konnte Ganondorf darüber keinen Bericht erstatten. Er ahnt bis heute nicht, dass deine Prinzessin lebt.“

Erneut benetzten keine Worte Links Lippen. Er schwieg bewusst, wissend, er wollte über die Möglichkeit, dass Zelda in jener Nacht ihr Leben hätte lassen müssen, kaum nachdenken. Er war dankbar, dass sein heimlicher Schutzengel in Gestalt des Mädchens mit den giftgrünen Augen ihn gewarnt hatte, war dankbar, dass er Zelda retten konnte. Wenn sie in jener Nacht ihr Leben ausgehaucht hätte, wenn sie in seinen Armen gestorben wäre, er hätte etwas getan, was weder ihm noch dieser Welt genutzt hätte. Er hätte aufgegeben… Link biss sich auf die Lippen, erschrak an seinen eigenen grausamen Gedanken. Ja, er hätte aufgegeben. Das war die Wahrheit über seine Motivation, seinen Willen. Denn das einzige, wozu er noch in der Lage gewesen wäre, wenn er seine Seelenverwandte verloren hätte, wäre mörderische, abscheuliche Rache. Wenn Zelda etwas zugestoßen wäre, dann hätte der einstige Held Hyrules an sich selbst versagt…

Sian bemerkte den zerstreuten Schimmer auf Links Gesicht, der ein unglaubliches, verständnisvolles Funkeln in den tiefblauen Augen hatte. Der Rotäugige wollte gerade etwas sagen, ihn ausfragen, woran er dachte, als Link aber äußerte: „Zarna hat Ganondorf zwar keinen Bericht erstatten können, aber Zeldas Geist hat er dennoch versucht einzusperren.“ Link seufzte ein weiteres Mal, heftete die Augen an den weiten, glitzernden Horizont, an die vielen Farbbänder des Himmels und den Reichtum dieser Welt. Es war eines der ersten Male, das Link den einstigen Shiekah überrascht dreinschauen sah.

„Wie meinst du das?“, sprach er.

„Es war ein erschreckender Vorfall vor einigen Wochen. Irgendwie hat Ganondorf Zelda in ein sonderbares Gefängnis eingesperrt. Ich weiß auch nicht genau, wie das passiert ist.“ Mehr wollte der junge Held dazu nicht äußern.

„Ich verstehe… ich sollte meinen Vater dazu befragen“, setzte er hinzu.

„Sian, lass‘ gut sein. Ich konnte den Vorfall klären!“ Link sprach seine Worte bestimmend: „Ich möchte nicht alles wieder aufrollen… ich hoffe, die Sache mit dem Seelenfänger ist erledigt.“ Seine Worte aber entsprachen nicht der vollen Wahrheit. Es war nicht nur die Hoffnung, dass Ganondorf nicht noch einmal ein derartiges Attentat plante, Link wollte sich schlichtweg nicht an diesen Alptraum erinnern. Manchmal, so erschien es ihm, erstarkte etwas in seinem Inneren, etwas Unkontrollierbares, Tapferes und gleichzeitig Grausames an Gedanken, die sich durch Ereignisse wie jene speisten. In letzter Zeit, und besonders dann, wenn Zelda in Gefahr schwebte, hatte er das Gefühl zum Alptraum seiner Selbst zu werden…

Um sich selbst zu beruhigen, suchte der junge Held einmal mehr die Nähe zu dem schönen Reittier Epona, klopfte ihr sanft auf den muskulösen Hals, lehnte den Kopf an ihre Seite und spürte die sonderbare Ruhe des Tieres auf sich übergehen. Seine bedrohlichen Gedanken schmolzen Stück für Stück dahin. „Sag‘ mir, Sian, was hat Kevins Wunde mit Zarna zu tun… Warum holst du soweit aus?“

Sian seufzte und blickte in Richtung glutroter Abendsonne. „Zarna kehrte zu ihrem Herrn zurück, aber er war alles andere als gnädig mit ihr… Ganondorf hat Zarna jedoch nicht einfach nur getötet. Sie war eine Kreatur erschaffen aus Ton, zerfressen von niederen Bedürfnissen wie Hass, Neid und Missgunst, ein fluchbeladenes Material, bestialisch und grausam, sie zu töten hätte dem Fürst des Schreckens kaum Genugtuung gebracht. In allem, was er tut, steckt der Wahnsinn noch mehr Unheil zu sehen.“

Entsetzt lauschte Link den Worten des vergessenen Shiekahkriegers, lauschte und spürte mehr und mehr Handlungsbedürfnis.

„Er zerschmetterte ihren Körper in Tausende Splitter, zerstückelte den Wahnsinn von Zarnas Existenz… und ließ jene Splitter die Welt erobern. Diese Ableger des Bösen stecken nun in unzähligen Menschen auf der Welt, verursachen dunkle Gelüste, verwandeln Menschen in Monster und reichern die Welt mit schwarzer Energie an. Wenn ich richtig liege, ist die hässliche, dreieckige Wunde am Nacken von Kevin ein Überbleibsel dieses Fluchs.“

Link sprang voller Tatendrang direkt vor Sians Füße. „Worauf warten wir dann noch? Wir müssen diesen Splitter aus Kevins Körper holen.“

Überrascht über Links Bereitschaft zu helfen, stand Sian auf und sie kletterten auf ihre Pferde. In höchster Eile ritten sie gemeinsam in die nächstgelegene Ortschaft.
 

Nachdem Sian und Link ihre Pferde zurück in die Stallungen gebracht hatten, erreichten sie zu Fuß die Ortschaft nahe des Johnson-Anwesens, als sich bereits Dunkelheit über Irland legte. Nebel zog auf leisen Pfoten durch die grauen Straßen. Dichte weiße Schleier, wie der dunstige Rauch auf einem erbarmungslosen Schlachtfeld, schlängelten sich über das Kopfsteinpflaster und abgenutzte Teerstraßen. Es war außergewöhnlich still, hier, wo die Sonne den Horizont verließ und das Nachtgewand die Welt schlafen legte, zu still, obwohl es noch nicht allzu spät war. Keine jungen Leute befanden sich auf den kleinen Straßen, wo selbst Pubs und Cocktailbars bereits geschlossen waren.

„Sian“, meinte Link, während sie beide durch die mittelalterlichen, engen Gassen der Kleinstadt schlenderten, „wenn du viele Dinge weißt, wenn du von vielen Ereignissen in letzter Zeit geträumt hast, dann kannst du mir vielleicht helfen noch eine Frage für mich zu klären.“ Nachdenklich blickte der Held zu seinen Füßen.

„Worum geht’s?“, meinte Sian bestimmend und orientierte sich. Gleich um der nächsten Häuserecke lag das Gasthaus von Anja NiceInn.

„Ich wurde vor über einem halben Jahr verwundet, verwundet in einer Situation, die mir auch heute noch unerklärlich erscheint. Ich spielte das Spiel `The Legend of Zelda‘, als mich eine unbekannte Kraft überfiel… es war als träumte ich“, erklärte Link und griff sich an seinen Bauch, wo er die Narben des damaligen Vorfalls trug. „Weißt du etwas darüber?“

Sian kratzte sich an seinem unbehaarten Kinn. Seine rubinroten Augen schillerten gefährlich durch die anbrechende Nacht. „Mmh… neben der Tatsache, dass du nicht mehr spielen solltest, stelle ich mir in diesem Zusammenhang nur eine Frage.“

Irritiert blieb Link stehen. Ja, er hatte zwar seine komplette Sammlung an Zeldaspielen mit dabei, aber nicht einen Gedanken daran verschwendet zu spielen. Und er hatte eigentlich keine Gegenfrage erhofft, sondern darauf vertraut, dass Sian auch zu diesem Thema eine Antwort haben könnte.

„Ist es nicht beinahe Schicksal, dass die Wiedergeburt eines Helden sich genau in jenes Spiel verliebt, das seine eigene Geschichte verkörpert, selbst wenn er sich nicht erinnern kann.“

Link grinste und in seinen Gesichtszügen stand schelmischer Stolz. „Womöglich, worauf willst du hinaus?“

„Vielleicht weiß das Böse um diesen Zusammenhang… Es könnte sein, dass nur Menschen, die einen Bezug zu jenen fantastischen Geschichten finden, die das Bedürfnis nach einem Abenteuer wie jenes in sich spüren, die Fantasygeschichten mögen, das Vergnügen suchen solche Spiele zu spielen. Und anhand dieser Wünsche könnten, erschaffen aus einfachen Gedanken, reale Ereignisse gebildet werden, reale Feinde. Dämonen aus Erinnerungen…“

„Mit anderen Worten: Du glaubst meine Erinnerungen werden lebendig?“ Link schüttelte mit dem Kopf. „Das ist unglaublich… Wie kann so etwas funktionieren“, murmelte er.

„Darauf habe ich keine Antwort… ich könnte mir vorstellen, dass das Spiel wie eine Pforte arbeitet und jemand diese Tür nutzt um dich zu erreichen oder es ist ein Fluch, der Seelen aus Hyrule trifft.“ Sian klopfte Link auf die Schulter. „Du darfst nicht vergessen, dass die Geschöpfe, die in Hyrule lebten ein völlig anderes Verständnis von Magie, Seele, Göttern und der Welt um sich herum besaßen als du es auf dieser Welt kennengelernt hast. Das Leben in Hyrule war ein völlig anderes, der Zugang der Lebewesen zur Magie, zu dem Erkennen und Spüren von Energie war ein anderes… Alles, was du hier auf der Erde für selbstverständlich hältst, würde in Hyrule belächelt oder mit Irritation betrachtet werden.“

„Und alles, was in Hyrule selbstverständlich war, kann ich heute nicht verstehen…“, beendete Link für den Irländer. Erneut rüttelten Sians Worte an seinem gesamten Weltbild. Magie existierte, selbst auf der Erde und das Böse wusste dies. Ganondorf war ihm meilenweit voraus mit dem, dass er die Magie um sich herum wahrnehmen konnte, mit dem, dass er und seine Lakaien Energien manipulieren konnten…

Link atmete die kühle Abendluft tief ein, richtete sein Haupt in Richtung des weißlich glühenden Mondes. „Ich kann verstehen, warum Ganondorf mich finden will, warum er selbst vor den niedersten Grausamkeiten nicht zurückschreckt, aber ich habe nie verstanden, warum er an Zelda so viel Interesse hegt. Warum will er sie lebend? Ich dachte immer, er wollte sie…“ Link brachte seinen Satz mit dem Gedanken daran Zelda könnte verletzt werden kaum zu Ende.

„Wenn du denkst, dass Ganondorf an Zeldas Tod interessiert wäre, dann irrst du dich. Mein Vater meinte, er bräuchte sie lebend. Wieso das so ist, weiß ich nicht. Möglicherweise-“

„Was soll das heißen, er braucht sie lebend?“, unterbrach Link den rotäugigen Burschen.

Sian schmunzelte, hörte er einen Unterton in Links verräterischen Worten, die seine Vermutungen über dessen Motive bestätigten. „Ganondorf hegte immer Interesse, nein, eine nahezu wahnsinnige Besessenheit, was die Prinzessin des Schicksals anging… Ich schätze, dass nicht nur der Wunsch nach Zeldas magischer Begabung dahinter steckt.“

Link bekam immer größere Augen. „Wahnsinnige Besessenheit?“

„Ja, das trifft es wohl am besten… selbst Dämonen wie er es sind, unterliegen einer Schönheit wie Zelda eine ist.“

„Er will sie doch nicht ehelichen, oder so!“, platzte es zügellos aus dem Mund des liebestollen Heroen. „Nie und nimmer werde ich das zulassen!“ Unbewusst ballte der heroische Bursche die Hände zu Fäusten und knirschte mit den Zähnen.

Sian lachte gehässig. Es war das erste Mal, dass Link seinen neuen Kumpel so laut und durchdringend lachen hörte. „Link, jetzt flippe mal nicht aus“, meinte der vergessene Shiekah. „Ich glaube nicht, dass das der Grund ist. Du bist ja verflucht eifersüchtig, was?“

Links Kopf glühte in roten Farben, die Bücher hätten voll schreiben können. Gott sei Dank war es Nacht. „Sorry“, sagte er leise und trat voran. Er steckte die Hände hinter den Kopf und atmete die frische Abendluft tief ein. Der Gedanke, Ganondorf würde ein buhlerisches Interesse an Zelda hegen, fühlte sich unheimlich bitter für Link an. Ob selbst in Hyrule noch mehr passiert war, wovon er nichts wissen konnte? Was war geschehen in der alternativen Zeit, als der Fürst des Schreckens Zelda gefangen hielt?
 

Wenig später erreichten Sian und Link den Gasthof NiceInn, und klopften sogleich an der Eingangstür. Die Rollläden waren hinab geschoben, nicht ein Licht leuchtete innen. Erneut klopften die beiden, aber vergeblich, niemand öffnete die Tür.

„Ob es so eine gute Idee ist Anja NiceInn zu belästigen?“, murmelte Link in die Stille der Nacht. Gleichzeitig hielt er den Gedanken nicht aus die Angelegenheit mit Kevin ruhen zu lassen.

„Es kann schon sein, dass sie nicht gestört werden will, falls sie überhaupt im Gasthof ist.“

„Verdammt, irgendetwas müssen wir doch tun können“, meinte Link und blickte sich um. Sein rechtschaffener Blick wanderte von den dicht aneinander gedrängten, oftmals schiefen Häuschen die Straße hinab. In der Stille des Abends wirkte es beinahe so, als kam die einzige Lebendigkeit dieses Ortes von den Häusergruppen, die winzige Kopfsteinpflasterstraßen umschlossen. „Da fällt mir ein, Anja meinte neulich, sie würde bei ihrer Schwester sein. Wohnt diese nicht irgendwo hier?“, meinte Link.

„Ja, das ist eine gute Idee“, entgegnete Sian und schnippte mit den Fingern. „Soweit ich weiß, wohnt Susan NiceInn gleich da vorne.“

Auch dort klingelten die beiden Jugendlichen einige Male, sahen sich ratlos an, bis schließlich die Tür geöffnet wurde und statt eines erwarteten fremden Gesichts verunsicherte hellblaue Augen von innen hinausblickten. Es war Anja NiceInn, die hübsche, freundliche Gastgeberin des nahegelegenen Pubs, die sich jedoch sehr zögerlich verhielt.

„Hallo. Was kann ich für euch beide tun“, fragte sie leise und blickte verstört zu Boden. Sie traute sich nicht einmal über die Türschwelle.

„Die Frage ist eigentlich, was wir für dich tun können, Anja“, sagte Link und versuchte Hoffnung zu machen, die Dame aufzuheitern. Es musste noch mehr vorgefallen sein, was weder Sian noch der Held der Erde ahnten.

„Ich… ich weiß nicht, wovon ihr beide redet. Bitte geht zurück zu der Jugendherberge, und passt auf euch auf.“ Ein wenig stockend kamen leise Worte über ihre Lippen. Link fasste sich ein Herz und drückte die Tür ein wenig auf und erst da erkannte er, in welch miserablem Zustand Anja NiceInn war. Sie war nicht nur gebrochen durch die Abweisung ihres Liebsten, sie war nicht nur traurig. Sie trug einen hässlichen Bluterguss an ihrer rechten Augenpartie, versuchte diesen mit Makeup zu kaschieren.

„Anja…“ Links Anteilnahme, ein milder Klang des Mitgefühls in seiner angenehmen Stimme, bewegte tief. „War das Kevin?“

Sie nickte und schluchzte. „Wenn ihr ihn sucht… ich habe ihn seit einigen Tagen nicht mehr gesehen. Ich frage mich nur, was in ihn gefahren ist, er war sonst immer ein so… liebevoller Mensch. Ich weiß einfach nicht, was das zu bedeuten hat.“ Tränen funkelten in ihren Augen, Tränen, die fortwährende Vergebung und Liebe versprachen.

Daraufhin betonte Sian entschlossen: „Hör zu, Anja, Link und ich können etwas tun, etwas um Kevin McMayor zu helfen. Es ist schwierig zu verstehen, es ist auch nicht so, dass wir das, was er getan hat, schön reden könnten. Aber er ist in etwas hineingeraten, etwas, das ihn völlig in seinem Seelengleichgewicht entstellt hat. Wir werden ihn da rausholen, wenn du uns einen Tipp geben kannst, wo er sein könnte.“

„Ich weiß es nicht“, schniefte sie unter Tränen und schien das eben Gesagte nicht wirklich aufzunehmen. „Ich habe einfach keine Ahnung.“

„Denk‘ nach, Anja! Gibt es einen Ort, an dem er sich öfters aufhält“, meinte Link verbissen.

„Nein… das heißt, probiert es doch mal in den Wäldern in der Nähe. Er hat in den letzten Tagen davon geredet… seitdem er so seltsam ist.“ Sie drehte sich um und schluchzte leise. „Ich… mehr weiß ich nicht…“

„Anja. Wir schaffen das, okay“, sagte Link und wollte sie ermutigen. „Kevin ist schneller wieder bei dir, als du es für möglich hältst, und ich meine den alten Kevin!“

„Den alten Kevin…“, hauchte sie trübsinnig über ihre Lippen. Aber ein Funke Hoffnung hatte sich den Weg gebahnt, ein Funke Hoffnung aus Links Worten.

„Ja, ich meine den Kevin, der er wirklich ist.“

Anja nickte zögerlich.

„Link hat Recht. Überlass’ uns die Sache einfach“, stimmte Sian zu.

„Ich kann zwar nicht verstehen, was geschehen ist und was ihr im Begriff seid zu tun, aber ich habe das Gefühl, es fügt sich schon irgendwie…“ Sie wischte sich die restlichen Tränen aus den Augen und schlug die Hände aneinander.

„Wir kriegen das hin“, meinte Link und legte der hübschen Dame eine Hand auf die Schulter. „Ich verspreche es dir. Wir bringen Kevin zurück aus diesem Alptraum.“

„Danke.“ Sie versuchte es mit einem Lächeln und seufzte. „Wenn ihr in die Wälder gehen solltet, seid bitte vorsichtig.“ Link und Sian grinsten, traten geschwind und entschlossen die Straße hinab, winkten Anja noch einmal zu und machten sich bereit für einen Streifzug in schattigen Wald mit verschlungenen Pfaden und labyrinthisch anmutenden Gewächsen aus Holz. Auf in den tiefen Wald, dem ältesten Ort auf der Welt und vielleicht auch dem gefährlichsten…
 

Im versenkenden Feuerlicht, ein letztes Glimmen, das die dichten Wälder nahe Leon Johnsons Jugendherberge durchdrang, traten Sian und Link mit entschlossenen Schritten vorwärts. Rauchiger Dampf wanderte über den erwärmten Teerstraßen in die Höhe, kündigte die Ankunft geisterhafter Gestalten an, die flüchtig und beweglich wie durchschimmernde bleierne Tücher, sich bis an den Rand des Unterholzes wagten. Nebulöse Dunkelheit zimmerte eine tempelartige Erscheinung mit verschlingenden, abgenutzten Trampelpfaden in die rufenden Wälder, wo Wolfsgeheul in der Ferne wie eine Warnung neugierige Wanderer aufschreckte. Als betraten Sian und Link eine Pforte in eine andere, verzweigte Realität wurden sie von dem Zusammenspiel riesiger Laubgeschöpfe verschluckt, bis nur noch ihre beiden funkelnden Taschenlampen von ihrer Anwesenheit zeugten. In der nebligen Finsternis, unterwandert von fremden Begierden, trat Link als erster vorwärts, kämpfte sich durch feuchte, näher kriechende Nebelschleier und lauschte den Geräuschen der tiefsten Finsternis, hier an einem Ort, der Rätsel und gruslige Kreaturen versprach. Entschlossen trat er vorwärts, störte sich nicht an dem Raschelgeräuschen seiner Turnschuhe, aber bemühte sich keinen unnötigen Krach zu verursachen. Um sich abzulenken, sich von bahnender Angst nicht beeinflussen zu lassen, erklang seine tiefe Stimme besonnen, und doch ruhig: „Ist es für dich okay, wenn wir uns leise unterhalten?“

„Es soll unser Schaden nicht sein“, sprach Sian verhalten. „Kreaturen des Bösen, sollten sie hier hausen, bemerken das Gute nicht nur an etwaigen Geräuschen, es reicht schon unser Geruch und sie finden uns.“

Der Mützenträger suchte in der Schwärze der Nacht nach seinem Freund und war verwundert darüber in welch irritierender und nahezu unheimlicher Weise dessen rubinrote Augen durch die Finsternis stachen… beinahe gefährlich wie ein Raubtier. „Nur gut, dass mich vieles nicht mehr erschrecken kann…“, nörgelte Link. Sian hätte beinahe angefangen zu lachen, bremste sich jedoch und suchte mit seinen nachtbegabten Augen nach Hinweisen für das Ziel, das sie beide hierher geführt hatte.

„Es gibt da etwas, das mich seit einiger Zeit interessiert, Sian“, begann Link, lauschte in die Finsternis und strich einige Zweige mit seinen Händen zur Seite.

„Noch mehr Fragen, was?“, meinte Sian erheitert. „Link, mir ist bewusst, wie sehr dir die ungeklärten Dinge deiner Vergangenheit auf der Seele lasten, aber hab‘ noch ein wenig Geduld, es wird sich bald alles fügen. Zelda wird dir alles über Hyrule erzählen.“

„Das ist es eigentlich nicht“, entgegnete der Heroe, beobachtete selbst während des Gesprächs sehr genau die düstere Umgebung. „Es geht nicht um die Vergangenheit an sich, es geht auch nicht um die Prinzessin. Es ist wohl ein Anliegen, auf das Zelda keine Antwort geben kann.“

„Was genau?“

Link stoppte seinen zügigen Schritt, lauschte dem Zirpen von Grillen und dem vibrierenden Summen verschiedener Insekten. „Wenn es also Hyrule wirklich gab, es ein Land war, eine Welt wie viele andere, was ist aus dem Triforce geworden?“

„Mmh… Das wird wohl ewig ein Rätsel bleiben.“ Sian machte den Eindruck kaum darüber reden zu wollen. Je mehr er erzählte, umso mehr Geheimnisse blieben zurück. Da wurzelte etwas Unerbittliches, nahezu Verbotenes in seinen Gedanken, das er lieber unter Verschluss hielt. Ja, auch der Sohn von Leon Johnson hatte trotz seiner Reife einen blinden Fleck. „Die Macht des Triforce sollte niemals wieder entschlüsselt werden.“ Seine Stimme war rau, unterlegt mit Anspannung. „Es reicht schon, dass einige Wesen dieser Welt sich an eine göttliche Macht erinnern und schon die Erinnerung erschafft ihrer eigenen Dämonen. Das Triforce sollte dort bleiben, wo es ist, unsichtbar, nicht zugänglich.“

Link schluckte angesichts des ernstes Tonfalls seines neuen Bekannten. Ein Sturm tobte in dem mysteriösen Sian, der wusste, wie erbarmungslos eine gigantische Macht wie das Triforce Welten entstellen konnte.

„Man erzählte sich in Hyrule, die auserwählten Träger machtvoller Eigenschaften würden auf ewig verdammt sein wie ein Magnet für das goldene Dreieck zu wirken.“ Erneut stachen Sians scharlachrote Augen auf der Suche nach Antworten durch die sich an Dunkelheit nährende Nacht. „Und es ist eine Frage, aber mit Bedacht und Vorsicht sollte jene gestellt werden… eine Frage nach dem, was du spürst, dann in erschreckenden, gefahrvollen Momenten.“ Sian rückte näher an Links Gesicht, als suchte er etwas Verbotenes in seinen kampflüsternen Blicken. „Beobachte dich, Held, dann, wenn du kämpfst, nimm‘ wahr, was zu dir gehört und was nicht, beobachte, ob eine alte Macht in deinen Venen brüllt.“

„Wie meinst du das?“ Link versuchte Sian in der zunehmenden Finsternis zu mustern, die Gefahr in seinen Worten zu verstehen und die leise Besorgnis, wie gefährlich für Links Seelenheil der Gebrauch einer Macht wie das Triforce war. Sian schwieg, aber Link forderte ihn heraus. „Du machst dir Sorgen, dass ich… dass ich kämpfe ohne nachzudenken und dass, wenn sich die Gelegenheit ergäbe, das Triforce zu nutzen, ich dies tun würde, richtig?“ Benommen lehnte sich Link gegen den wuchtigen Stamm eines Baumes.

„Das nicht, ich will dich aber warnen, dass es sein könnte, dass das Triforce, und es ist niemandes Feind und niemandes Freund, einen Einfluss auf dich ausüben könnte, wenn es denn noch irgendwo lauert.“

„Ich verstehe…“, murmelte Link trübsinnig. Vielleicht war in all den Ereignissen in letzter Zeit noch mehr der Wurm drin als er dachte. „Eigentlich ist da tatsächlich etwas. Manchmal…“ Er stoppte seine Worte und machte deutlich nicht darüber reden zu können. In Wahrheit fürchtete er sich beinahe vor seinen Gedanken. Wenn er wirklich ehrlich zu sich selbst war, dann wusste er, dass seine Begabungen im Kampf nicht nur aus seinem Wunsch zu kämpfen resultierten. Da herrschte mehr in dem einst so träumerischen Oberstufenschüler Link als er wahrhaben wollte. Ja, gelegentlich fühlte er eine eigenartige Kraft in sich, die er nicht zuordnen konnte, die ihn erfüllte und bedrängte, eine Energie besonders in seiner linken Hand, wie vor einigen Tagen, als dieser Wolf in Kevins Wagen wie eine Bombe zerplatzte. Hyrule brachte nicht nur Hoffnung auf Neubeginn mit sich, so verstand Link, in Hyrule warteten grausame Fügungen, Märchen mit düsterem Ausgang und manipulative Mächte…
 

Sian zügelte seine Schritte und hielt Link an der Schulter zurück. Gerade da raschelte es verräterisch im Unterholz, ein schaurig schöner Laut beflügelte die Finsternis, verlieh ihr Ohren und zeugte von Kreaturen, die mit scharfen Sinnen das Einmischen der beiden heroischen Menschen beobachteten. Der Wind raschelte weiter, ein verräterischer Wind sauste durch undurchdringliches Blätterdach.

„Wir kommen unserem Bestimmungsort näher…“, flüsterte der tizianblonde Irländer. Er drängte Link weiter vorwärts, spürte die Gefahr zunehmen wie ein die Kehle zuschnürendes Gift. In einem Moment der Stille wirbelte Sian um seine Achse, hörte sein Herz tosend pulsieren und fühlte sich überschüttet von fremdem Wahrnehmungen. Überall in diesem Wald hockte unvermeidliche Finsternis, lockte mit Stimmen, und ließ Zweige und Äste sich in überwältigende Fangarme verwandeln. Sians Sinne arbeiteten vermessen, und sie erkannten die Grenze zwischen dieser Welt und dem Reich hinter den Schatten sich verflüchtigen. Der silberne Faden, der Realität und eine gespenstische, kosmische Welt voneinander trennte, wurde hier in der Stunde der Geister, verschwindend dünn…
 

Im nächsten Augenblick zerriss Wolfsgeheul aus weiter Ferne die verräterische Ruhe in den Wäldern. Dämonische Besessenheit knatterte durch das Unterholz, kündigte auf vielen rupfenden Krallen die Ankunft von einem Rudel Wölfe an. „Beeilen wir uns, dass wir Kevin finden und dann schnell weg von hier“, sprach Link, spürte deutlich, dass die näher rückenden, wilden Tiere keine harmlosen waren. Sian nickte und lief vorneweg. Durch raschelnde Sträucher, über weiche Moose und süßlich duftenden Waldboden rannten sie, suchten nach Hinweisen um Kevin zu finden.

„Wenn wir nur mehr als diesen lächerlichen Anhaltspunkt hätten“, murmelte Link.

„Zeit zum Jammern hast du später noch, Held“, lachte Sian und stoppte plötzlich sein Schritttempo. Ruckartig duckte er sich und packte Link energisch an seinem rechten Arm. Beobachtend hockten die beiden im Unterholz der gefahrträchtigen Wälder, erkannten nicht weit von ihnen entfernt sich bewegende Lichter, Lichter, die aus Feuer geboren waren, die geschickt angeordnet waren um eine kleine Lichtung zu erhellen. Dutzende Laternen hingen in den Kronen von Laubbäumen, knackten leise in Begleitung des Rauschens des Windes. Link nickte seinem Begleiter entgegen, zog seinen Dolch und schlich wie ein Schatten näher zu dem verräterischen Funkeln in der Ferne.

In Reichweite des Lichtes kletterte der Heroe geschickt, gefolgt von Sian, auf einen der Bäume und versuchte eine gute Sicht zu erhaschen. Zuerst konnte Link in der Düsternis und dem wenigen Licht der Fackeln nicht viel erkennen, spähte die Szenerie aus, achtete auf jede kleine Bewegung im dichten, unruhigen Laub. Link hatte kaum mehr gehofft, den von einem manipulierenden Grauen befallenen Kevin McMayor zu finden, als er in dem schattigen, gefahrvollen Wald besagten Burschen umgeben von den seltsamen Laternen erblicken konnte. Link deutete mit einem Zeigefinger in die Richtung, wo er Kevin zusammengehockt vor einer der Laternen hocken sah. Wie ein verängstigtes Kind wippte er hin und her, redete wirres Zeug und vermischte die verschiedenen Sprachen, die er während seines Lebens gelernt hatte. Und auch, wenn sich Sian und Link mehrere Meter entfernt befanden, so konnten sie erkennen, in welch miserablem Zustand er war. Er musste seit Tagen nichts gegessen haben, wirkte deutlich abgemagert. Sein schulterlanges, dunkles Haar fiel fettig nieder und manche Stellen auf seiner Kopfhaut waren kahl. Seine Kleidung war übersät mit Dreck, Blut und war zerrissen. Kevin hatte mit einer dämonischen Besessenheit bereits die Grenze zu der Mutation in eine Alptraumkreatur überschritten, denn selbst von Weitem war in seinen Augen das Glühen bestialischer Triebe zu erkennen. Ein Glühen des Bösen herrschte in seinen einst so freundlichen Seelenspiegeln…

„So, gefunden haben wir ihn und was jetzt?“, murmelte Link. Die Sache gestaltete sich schwieriger als er anfangs geglaubt hatte. Kevin McMayor war dabei seinen letzten Rest Menschlichkeit auszuhauchen, so wie es das irische Mädchen Molly getan hatte. Der Held spannte beide Hände zu Fäusten, rief die belastenden Bilder von Mollys Tod erneut in seinen Geist und betete darum diesmal einen Beitrag zur Rettung eines Menschen leisten zu können.

„Wir müssen uns gut überlegen einzuschreiten. Wenn wir voreilig handeln sollten und Kevin flieht, haben wir die einzige Chance auf Rettung seiner Seele verspielt. Denn noch einmal wird das Schicksal uns nicht gnädig sein ihn aufzuspüren“, flüsterte Sian träge. Seine hypnotisierende Stimme summte andächtig und beruhigend durch die Nacht.

„Sian“, sprach Link bestimmend. „Das mag durchaus sein, wenn wir jedoch ewig darauf warten einen Angriff zu starten, verschwindet Kevin völlig. Wir haben nicht viel Zeit.“ Mit Verwunderung begegneten die scharlachroten Augen des Irländers den tiefblauen Links. „Ich schätze, wir sollten wohl auf die Intuition eines Heroen vertrauen“, flüsterte Sian und begann vorsichtig von dem großen Ast zu klettern, während der junge Held in sich hinein grinste. Auch er sprang von seinem Versteck in den Bäumen und schlich im Schutze der Dunkelheit weiter in Kevins Richtung.

Doch da begann der vom Fluch des Bösen heimgesuchte Bürgermeistersohn in einer äußerst kläglichen, fast verzweifelten Stimme zu singen, sang von der Grausamkeit, die eine Welt entstellen konnte, sang die Symphonie des uralten Bösen genauso wie Links gute Freundin Maron vor einigen Wochen, als auch sie von einem kalten Schatten besetzt war.

„Das Böse kommt und geht… bis kein Wind mehr weht…

Das Böse verschlingt die Welt… bis keine Hoffnung mehr zählt…

Das Böse ist nah… Das Böse ist da…

Es wird euch alle verschlingen… es wird euch nicht gelingen…

Das Böse vernichtet das Leben… es wird keine Menschen mehr geben…“
 

Mit noch mehr Enthusiasmus und fordernden Schritten trat der junge Held vorwärts. Selbst, wenn dies eine Falle sein sollte, und Sian mochte womöglich Recht damit haben Vorsicht walten zu lassen, er konnte den erbärmlichen Zustand von Kevin McMayor nicht aushalten. Nicht dieser hilfsbereite junge Mann, der ihm in der Nacht des Wolfsangriffs geholfen hatte. Dieses teuflische Spiel von Ganondorf musste enden und Link entschied sich sogleich damit zu beginnen! Er hastete näher, erreichte die feuererleuchtete Lichtung und trat selbstbewusst vor den Bürgermeistersohn, der wie erstarrt in einer Embryonalhaltung am moosigen Boden hockte.

„Kevin!“, sprach Link deutlich und kniete ebenfalls nieder. „Komm zu dir, Kevin“, setzte der grünbemützte Kämpfer hinzu und hoffte auf eine Reaktion des Irländers, die sich in Form eines beginnenden Wimmerns zeigte. Kevin McMayor zitterte, wiederholte seinen klagenden Gesang und reagierte gleichzeitig teilnahmslos auf Links Anwesenheit. Schräg blickte der mitgenommene junge Mann an ihm vorbei, fixierte mit blutunterlaufenen, violett glühenden Augen einen Punkt im Unterholz, sah Gestalten einer anderen Dimension sich nähern, hörte sie kratzen und rufen, konnte ihren fauligen, schwefligen Gestank riechen… Kevin war dabei hinüber zugleiten in die Welt des Bösen, war dabei seine Menschlichkeit auszuhauchen. Weitere undeutliche Worte erklangen von seinen blutleeren Lippen, er würgte mit verwaschenen Lauten einer Erdensprache seine letzte Herzenswärme heraus…

Erneut sprach Link den Irländer bestimmend an, begann ihn schließlich zu rütteln und hoffte auf ein vernunftgesteuertes Signal aus Kevins Kopf. Aber als der McMayor endlich einen Blick erwiderte, spürte Link, dass er ihn nicht auf diese Weise erreichen konnte. Da lag ein Wahnwitz in seinem Blick, einschüchternd und überheblich, glimmend wie ein schwarzer Stern funkelte der Hochmut des Bösen in seinen Augen. „Kevin ist nicht mehr da, kleine Made…“, zischte die nur mehr leblose Hülle des Bürgermeistersohns, stieß Link weg und erhob sich marionettenhaft.

Und in dem Augenblick, als Link am Boden hockte und seine Hände krampfend in die Erde grub, diese verdammte Stimme von vorigen Situationen wiedererkannte, spürte er in der Kürze eines Augenblicks, beinahe aufflackernd und leise, einen ziependen Schmerz auf dem linken Handrücken. Ein Schmerz, der sich durchaus verstärkte, der lähmen wollte, der erinnern wollte… Er zuckte geschockt zurück und umgriff mit seiner anderen Hand die schmerzende Linke. Keuchend lehnte sich der junge Held gegen einen Baum, während der vom Bösen besessene Kevin McMayor in seine Richtung trat, tapsig und schlürfend bewegte er sich, wahnhafte Zuckungen seiner Glieder begleiteten ein eigenwilliges Schrittmuster.

„Glaubst du, dass du sie alle retten kannst…“, kreischte er, seine Stimme vibrierte auf unnatürliche Weise, zornig und bettelnd. „Wir sind überall auf der Welt, entstehen in einem Wimpernschlag, entstehen aus verbranntem Fleisch und können mehr sein als unser Fürst von uns verlangt. Hunderte Kreaturen des Bösen lauern bereits im Untergrund, weil das Gute nicht handelt, weil ihr-“, und er deutete mit seinem Zeigefinger in Links Richtung, „-weil ihr nicht kämpft und euch lieber mit dürftigen Fragen und Zweifeln auseinandersetzt. Es ist zu spät, wir sind in dieser Welt, wir sind hier!“ Seine Stimme schwoll an, wurde lauter und lauter, sodass ängstliche, kleine Tiere raschelnd aus den Wäldern flohen.

Link schwitzte angesichts des Schmerzes, der wie Säure unter seiner Haut brannte. Etwas atmete dort, beginnend in der Hand, nahm ihm die Luft und bemächtigte sich seiner Sinne immer stärker. Mit jedem teuflischen Wort, das über Kevins Lippen glitt, mit jedem Ruf, den er als Sklave des Bösen ausstieß, erwachte etwas in Link, das Kontrolle forderte. Der innere Antreiber überwältigte ihn mit weiteren brennenden Schmerzen und einer begleitenden Stärke, die aus dem unangenehmen Gefühl resultierte. Es war als kämpfte jemand in ihm, der sich im Schmerz badete und mit jedem weiteren Schmerzschrei lebendig wurde. ,Koste von Schmerz und Wahrheit‘, summte es in seinen Gedanken, verwirrend und doch auf eine erschreckende Weise tröstlich. ,Ich bin noch immer hier…‘

Der junge Held sah Kevin näher treten, seine Gesichtszüge formten sich zu einem schmierigen Grinsen und er ließ hetzende Worte über seine Lippen rollen, dröhnte mit einer barbarisch anmutenden Stimme durch die Nacht und dennoch… konnte Link seinen Klang nicht mehr vernehmen, seine Augen brannten, sodass er diese zukniff. Er war völlig eingenommen von seinem erinnernden Schmerz…
 

Irgendwo in den Wäldern, die in den zukünftigen Nächten, zu einem Hort des Bösen werden würden, trat Link einem einst guten Mann gegenüber, sah ihn sich verwandeln in eine der gezüchteten Kreaturen seines Erzfeindes. Und doch fühlte er sich wie gelähmt, stürzte auf seine Knie und nahm nicht wahr, wie sich in der rechten Hand seines vertrauten Kontrahenten durch dunkle Energie eine gezackte Klinge erschuf und jene Klinge wie bleiernes Wasser das Feuer der Laternen reflektierte.

„Wusstest du, Held“, zischte Kevin und spuckte violetten Schleim aus seinem Mund. „… warum der Fürst des Bösen sich ausgerechnet diese Welt aussuchte für seinen Regententhron, für seinen Palast über das Schicksal?“ Link wich einige Zentimeter zurück, als Kevin die Klinge spielen ließ und jene an den Hals des Recken setzte. Der Heroe schluckte vor Aufregung und hatte mehr denn je das Gefühl, der Schmerz in seiner Hand würde ihn vollkommen auffressen, ihn zerstören…

„Ihm gefiel die Einfältigkeit der vielen Staatssysteme und der vorgegaukelte Schein einer gerechten Welt. Ihm gefiel das menschliche Denken, das sich streckt von einem prekären Idealismus bis hin zu verräterischer Ignoranz und belangloser Hybris. Er ergötzte sich an der Leere der Magie… und der Ahnungslosigkeit moderner Zeiten. Er lachte und er wird lachen am Grab dieser Welt… einer Welt, wo wahre Helden fehlen…“ Und beinahe genüsslich ließ er die gezackte Waffe an Links sonnengebräunter Haut entlang wandern. „Und du bist der letzte Held, der fällt…“

Und als er bereit war die Klinge in den Hals das vergessenen Helden zu rammen, verfinsterte sich hinter Kevin die Szenerie und Sian erhob sich dort wie ein legendärer Schatten. „Schluss mit diesem Stuss“, sprach er finster und zog dem Besessenen mit dem Knauf seines Kunai einen so harten Schlag über, dass dieser ohne weiteres Zucken in sich zusammenfiel.

„Leichtsinnig wie immer“, sagte Sian kopfschüttelnd und reichte dem erleichterten Link die Hand. Schuldbewusst ließ sich der Heroe aufhelfen, spürte ein unangenehmes Schamgefühl in sich bei der soeben geschehenen Demonstration seiner eigenen Schwäche. Link hauchte ein dumpfes ,Sorry‘ über seine Lippen, während er wacklig auf seinen Beinen stand. Er fühlte sich innerlich noch immer angespannt, auch wenn der Schmerz auf seiner Hand allmählich abklang. Die warnende Stimme, die sich in dem einstigen Hylianer erhob, schwieg erneut.

Sian beäugte den jungen Heroen aufmerksam: „Ich schätze, was du vorhin gemeint hast, ist genau dieses Gefühl, dem du gerade unterlegen warst?“

Link nickte trübsinnig und atmete tief durch. Er konnte es kaum abstreiten, und erst recht nicht vor Sian.

„Deshalb deine vielen Fragen und Zweifel, die durchaus berechtigt sind.“

Link stimmte zu, kniete zu dem bewusstlosen Kevin nieder, überprüfte seinen Puls, der kräftig und normal schlug. Auch Sian ließ sich zu Boden sinken, musterte den jungen Heroen bis dieser seinen Blick erwiderte. „Link, ich kann mir durchaus vorstellen, wie schwierig all die ungeklärten Geschehnisse für dich sein mögen“, sprach der kampferfahrene Sian Johnson. „Aber ich kann dir zumindest meine Sicht der Dinge schildern.“

„Und was genau ist deine Sicht?“ Gemeinsam drehten die beiden den ohnmächtigen und abgemagerten Kevin McMayor auf den Bauch, sodass sie einen Blick auf seinen Nacken werfen konnten.

„Nun, ich würde vermuten, alles, was du spürst, hat unweigerlich etwas mit dem Bösen zu tun, Link. Möglicherweise spürst du dessen Anwesenheit mit Schmerzen gerade dort, wo einst das Triforce in deinem Körper ruhte, weil hier tatsächlich ein Zusammenhang besteht. Vielleicht lässt sich schlussfolgern, dass das Triforce irgendwie einen Einfluss hat, in dieser Welt, in dieser Zeit, auf dich.“

Link zwinkerte. „Ich bin mir nicht so sicher, was ich davon halten kann, solltest du Recht behalten.“ Die Vorstellung, er könnte tatsächlich auf eine legendäre Macht wie das Triforcefragment des Mutes zugreifen, sich entwickeln an einer uralten Macht, überforderte die Seele des grünen Base-Cape-Trägers. Wie es wohl sein mochte von einer solchen heiligen Kraft durchflutet zu werden?

„Auch wenn das nicht alle Fragen klärt“, bemerkte Sian und holte Link zurück auf den Boden der Tatsachen.

„Bei weitem nicht“, sagte der Held. „Wenn ich nur eine Idee hätte, wie ich diese vielen Fragen ansatzweise für mich lösen könnte.“

„Mmh“, und Sian grinste verschlagen. „Eigentlich hätte ich sogar eine Idee, aber diese ist nichts für schlichte Gemüter.“ Und schließlich stellte sich ein außerordentliches Feixen in den Gesichtszügen des Johnson-Sohnes ein.

„Sian“, sprach Link warnend. „Du hast keine absurden Ideen, oder?“

„Mmh, ich finde, wir sollten dich unter Drogen setzen“, meinte er trocken und meinte seine Worte genauso wie er sie gesagt hatte.

„Du veralberst mich“, schlussfolgerte der grünbemützte Kämpfer und lächelte schief.

„Nein, keineswegs. Du weißt schon, dass sich dein Bewusstsein damit erweitern könnte.“

„Moment, du meinst das wirklich ernst?“ Links anfängliche Unsicherheit wandelte sich in Hilflosigkeit.

Verwundert hob Sian eine Augenbraue und starrte so lange in Links tiefblaue Augen, bis jener von der Ernstlichkeit in Sians Vorhaben überzeugt war. Link lachte peinlich berührt auf und zwinkerte. „Im Ernst jetzt?“

Aber Sian grinste nur schelmisch und unterließ es darauf zu antworten. „Komm‘, schauen wir uns seine Wunde genauer an“, sagte der Irländer. „Es wird Zeit, dass wir diese Angelegenheit in Ordnung bringen.“
 

Einige Zeit später lag Kevin mit dem Gesicht auf dem Boden direkt am Lagerfeuer. Link und Sian sahen sich seine dreieckige, schwarze Wunde auf dem Nacken ganz genau an, untersuchten den ockerfarbenen Splitter mit Engelsgeduld und entdeckten im rosafarbenen Fleisch von Kevins Nacken winzige violett schillernde Fäden, die sich vom Splitter aus in die tieferliegenden Gefäße bohrten. Kleine Verästelungen wuchsen aus dem Splitter als wäre er eine Pflanze, beeinflussten jede Zelle im Organismus von Kevin. Nicht auszudenken war, wie der teuflische Prozess jenes Keimes einen menschlichen Körper mittels dieser schwarzen Magie in eine Alptraumkreatur verwandeln konnte. Und Kevin McMayor war nur ein einzelnes Opfer. Wie sollte es dem Guten gelingen diese Splitter aus den Körpern unzähliger Erdenbewohner zu reißen?

„Das sieht einfach nur teuflisch aus…“, flüsterte Link fasziniert und fragte sich heimlich, wie ein solches präzises Werk erschaffen werden konnte. Welche Grausamkeit musste jemand im Herzen tragen, der diese psychopathischen Dinge entwickelte?

Sian fackelte nicht lange, nahm eines seiner scharfen Kampfmesser zur Hand und löste mit der Spitze der Klinge die feinen, dunklen Fäden von dem reinen Fleisch des Bürgermeistersohnes. Es floss jede Menge Blut und ein säureartiges Zischen entkam dem manipulierenden Splitter. Ein furchtbarer Gestank machte sich breit. Und auch wenn Sian bemüht war eine präzise Arbeit zu leisten, so fragte sich Link, ob dieser Vorgang in Ordnung war.

„Sag’ mal, du weißt, was du tust? Das sieht jedenfalls sehr kompliziert aus“, sagte Link und hielt sich die Nase zu.

„Ja, keine Sorge, ich besuche derzeit eine medizinische Fakultät.“ Gespannt und doch angeekelt sah der Held weiterhin zu, und fragte sich, wie viele Talente Sian noch zu verzeichnen hatte. Seine Persönlichkeit war so umfangreich und vielschichtig, dass Link den Eindruck hatte nicht mithalten zu können.
 

Im düsteren Schein silbernen Nebels, der die rauschenden Wälder ummantelte, setzten Link und Sian ihre Rettungsmission fort. Und während Sian seine Arbeit leistete, den bösartigen Splitter aus Kevins Wunde holte, hielt sich der grünbemützte Recke bewaffnet mit einem Dolch kampfbereit. Untermauert von dem gefahrvollen Glühen der nächtlichen Nebelschwaden konnte er sie kratzen hören, die Dämonen, die dann, wenn das Licht fehlte, ihre langen Zungen benutzten und ihre Reißzähne mit dickem Blut bemalten. Draußen in der Ferne lauerten die nackthäutigen Bestien, scharten mit ihren Krallen Verwestes aus dem weichen Waldboden. Link tiefblaue Augen blitzten wie blanker Stahl durch die Düsternis und er spürte die Wesen der Finsternis sich formieren. „Wir sollten uns beeilen.“ Seine tiefe Stimme schallte als Warnung durch die dichten Laubwälder.

„Ich hab‘ es gleich“, sprach Sian mit Engelsgeduld und entfernte just in dem Augenblick den Splitter aus erdigem Ton. Blutbefleckt ruhte das Teufelsinstrument in Sians Handinnenfläche, erzeugte Gefühle der Bedrängnis und glomm in violettem, düsteren Schein, schickte Hunderte kleine Blitze wie Nadelstiche in einen Radius von einem Meter. „Unvorstellbar wie diese Ingenieurskunst in dem Körper eines Menschen wüten kann. Die gigantische, dämonische Energie, die in diesem Splitter haust, übertrifft meine schlimmsten Befürchtungen.“ Sorgsam verstaute Sian den Splitter in einem Röhrchen aus funkelndem Glas.

„Willst du dieses widerwärtige Teufelsinstrument nicht zerstören?“, entgegnete Link verwundert und betrachtete sich Ekelgefühle verspürend den vibrierenden Splitter in dem Röhrchen.

Sian erhob sich und verstaute das gefahrvolle Objekt in seiner Gürteltasche. „Zunächst war dies mein Vorhaben, ja“, erklärte er. „Aber ich schätze, ich sollte es untersuchen um nähere Informationen über Ganondorfs Magie zu gewinnen.“

Der Held nickte, hielt den Einfall des klugen Burschen ihm gegenüber für brillant. „Dabei wollte ich mir gerade ausmalen, wie es sein würde dieses Miststück zu zertreten“, lachte Link, hielt sich jedoch weiterhin kampfbereit.

„Du kannst früher oder später noch genug böse Kreaturen erledigen“, meinte Sian mit einem Wink und grinste. „Jetzt wird es aber Zeit, dass wir hier verschwinden.“ Und es war dann, dass die beiden auserwählten Helden dieser Stunde den gefahrträchtigen Wald mit einem gereinigten Kevin McMayor auf den Schultern verließen.
 

Mit entschlossenen Blicken traten Sian und Link im anbrechenden Tageslicht in die kleine gemütliche Ortschaft nahe Leon Johnsons Schloss ein. Und für einen umfassenden Augenblick, als der feurige Schein der aufgehenden Morgensonne beschützend über die beiden Retter fiel, pochte die Hoffnung persönlich in der Wahrnehmung von leidenschaftlichen guten Absichten. Vereinzelte Menschen blickten verwundert aus den wenigen Häusergruppen, ließen die Blicke auf die beiden Jugendlichen schweifen, die sich mit festen Schritten vorwärts bewegten. Und gerade als sich die Sonne bekennend am Horizont, berührt von grasigen Hügeln erhob, öffnete auch Anja NiceInn das Fenster im ersten Stock des kleinen, schmalen Hauses ihrer Schwester. Die Rollläden klapperten lärmend, verrieten ihre Nervosität und die schlaflose Nacht, die sie hatte. Ihre freundlichen, warmen Augen trafen jene des einen Helden, der Kevin auf seinem Rücken trug. Link lächelte, war berührt von dem Versprechen, das er halten konnte.

Und als Anja NiceInn die Erscheinung der beiden Retter nicht mehr nur für eine Halluzination oder einen Wunschtraum halten konnte, liefen Tränen über ihre Wangen. Sie schluchzte und war in Windeseile von dem Fenster verschwunden, nur um noch beinahe im selben Augenblick die Haustür energisch aufzureißen. Sie legte ihre Hände an die Lippen, strahlte Link und Sian entgegen, aber verharrte in ihrer Haltung.

Gerade da quälte sich Kevin McMayor aus seiner Bewusstlosigkeit, stöhnte und zitterte, bis er seine blutunterlaufenen dunkelgrauen Augen öffnete. Er zappelte so lange bis Link ihn zu Boden sinken ließ. Orientierungslos hockte der Bürgermeistersohn auf der Straße, wimmerte und warf schließlich den Kopf in den Nacken. Er richtete den Blick auf die aufgehende Morgensonne, die glasig in seinen Augen schimmerte. Aber kein Sonnenaufgang hatte ihn je so tief erfüllt wie dieser, kein Sonnenaufgang hatte ihm je brennende Tränen wie dieser in die Augen getrieben. Er richtete sich auf, ein zitternder Ausdruck der Menschlichkeit auf seinen Gesichtszügen. Und da verstanden Sian und Link, dass die Seele in Kevins Körper, zwar geschwächt und missbraucht von fremden Zwängen des Bösen, sich heilte. Der abgemagerte, erschöpfte Irländer legte dankend eine Hand auf Links Schulter. Aber er wusste nicht, was er sagen konnte, selbst das Danke, das tief in seiner Brust steckte, erreichte seine Lippen nicht. Zu schwer war die Bürde des Schmerzes, den er verursacht hatte. Kevin ließ den Kopf hängen, schluchzte und rieb sich mit beiden Händen das Gesicht. Und noch immer schwiegen Sian und Link, konnten beide kaum in Worte fassen, was gesagt werden musste.

„Ich kann mich an fast alles erinnern…“, murmelte Kevin und brach damit das Schweigen. „Es war wie, als war ich gefangen in einem Teil meines Körpers…“ Angewidert blickte er auf seine verdreckten Hände und suchte nach Antworten in den tiefblauen Augen des Heroen. „Was hab‘ ich nur getan?“, winselte er.

Link seufzte. „Du weißt, dass du nicht du selbst warst.“

Der Irländer nickte gequält. Er war so schwach, dass es ihm schwerfiel sich auf den Beinen zu halten. Sein Blick glitt in Richtung Anja NiceInn, die zögerlich vor der Haustür wartete. „Dennoch… schäme ich mich für alles, was ich tat. Wie soll ich ihr jetzt noch unter die Augen treten“, meinte Kevin und musterte seine Verlobte auf eine unsichere, zurückhaltende Weise.

Links Lippen verließen aufmunternde Worte. „Nun geh’ schon zu ihr. Sie wartet auf dich.“

„Link hat Recht. Sie wird dir vergeben, Kevin“, meinte Sian und lächelte aufheiternd.

Und es war dann, dass Anja zögerlich in seine Richtung tapste, ihrem Verlobten aber kaum mit Blicken begegnen konnte. „Kevin“, sagte sie leise, sichtlich bemüht ihre Tränen zu unterdrücken. Link gab ihm einen Schups, sodass er in ihre Richtung stolperte. Gebrandmarkt stand er vor ihr und getraute sich nicht irgendetwas zu sagen. Er begegnete ihrem Blick, hob eine Hand, vor der Anja NiceInn zunächst zurückzuckte, aber schließlich ließ sie es zu berührt zu werden. Ohne Worte streichelte der Bürgermeistersohn die zarte Haut an ihrem rechten Auge, wo sich ein hässlicher Bluterguss zeigte. Aber noch immer konnte Kevin ihr nicht in die Augen sehen. Er fühlte sich mies, schämte sich für sein Auftreten, sein abscheuliches Verhalten, obwohl er keine Schuld an den Erlebnissen des letzten Tages trug. „Anja, ich…“, hauchte er über die Lippen.

Sie wischte sich ihre Tränen aus den Augen und umarmte ihn dann, zunächst vorsichtig, dann bestimmend. „Weißt du, als erstes nimmst du ein Bad, ziehst dir frische Klamotten an und isst etwas.“

„Ja… das mache ich…“, entgegnete er. Mit einem letzten Blick zu den beiden Helden der Stunde verschwanden sie Hand in Hand in dem Gebäude.

Die jugendlichen Retter schmunzelten leicht, besonders Link. „Ach, das ist ja so schön. Endlich hat sie ihn wieder.“ Und einmal mehr wusste Link, warum er die Aufgaben und Pflichten des legendären Helden annehmen wollte: Weil es ein Glücksgefühl war, ein tiefes, nicht zu verleugnendes Glücksgefühl, erfahrbar und doch märchenhaft, anderen Freude zu bringen. Und weil unter der schweren Verantwortung jeder Heldenpflicht auch so etwas wie Liebe wartete.

Sian klopfte Link daraufhin mehrfach auf die Schulter und lachte durchdringend. Das bewegende Lachen des Johnsons machte jenen menschlicher als er oftmals wirkte. „Es wird Zeit, dass du nach Hause kommst, Link“, sprach er.

„Was soll das denn jetzt?“, beschwerte sich der Held und verschränkte die Arme.

„Ach, der Held hat mich schon verstanden.“ Sian grinste und lachte erneut herzlich.

Erst dann verstand Link die Andeutung, und seine Wangenbäckchen schienen sich leicht rosa zu färben…



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2008-01-08T17:05:20+00:00 08.01.2008 18:05
also i-wie find ich Sians Vater seltsam..., wenn ichs nich besser wüsste(<~???weis ich das???) dann würd ich sagen das der einer der Weisen is...


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