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Nur ein Spiel

von

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Geschichten von Unheil und Verdammnis

Kevin McMayors verbeulter, gelber PKW fuhr knarrend auf den Hof der Jugendherberge ein, hinterließ ein ächzendes Gekreische wie das eines verendenden Tieres. Der dunkelhaarige Fahrer drehte die Scheinwerfer ab, und gerade in dem Moment schien der Motor vollends den Geist aufzugeben. Es ratterte im Motorraum, bis auch das letzte Geräusch des teilweise zerstörten Wagens erstarb.

Link und sein neuer Bekannter stiegen langsam aus der Fahrgelegenheit, wirkten beide ungläubig die Situation überstanden zu haben, lächelten einander verschmitzt entgegen. Gerade da versetzte die blutende Wunde dem jungen Heroen einen weiteren Stich und er stützte sich zähneknirschend kurz an die Wagentür. „Das wird wohl heute nichts mehr mit der Heimfahrt, was“, seufzte der gewandte Kämpfer schmerzverzerrt und versuchte an der aufheiternden Bemerkung ein wenig zu grinsen. „Ich denke, du könntest in dem Bungalow übernachten, wenn du mit einer Couch zufrieden bist.“

„Was anderes wird mir wohl nicht übrig bleiben, jede noch so unbequeme Couch ist besser als im Magen eines Wolfes zu landen“, murrte der Irländer belustigt und seufzte. Er verzog das Gesicht mit dem Gedanken an seine Finanzen. Und ein kaputter Wagen würde sein Konto verhungern lassen. „Ich kann immer noch nicht glauben, was passiert ist. Kneif‘ mich mal…“

„Das ist wohl nicht nötig…“, brummte Link zähneknirschend. Was war er auch so unkonzentriert und ließ sich von einem bescheuerten Wolf beißen. Er hatte bereits schlimmere Monster besiegt. Skelettritter, die dreimal so gefährlich waren, hatte er ausgelöscht und dann versagte er bei einem Wolf?

„Und es macht dir und deinen Mitbewohnern nichts aus, dass ich mich im Bungalow breit mache?“

Link schüttelte den Kopf und grinste: „Das wird schon passen. Willst du lieber von dämonischen Wölfen zerfleischt werden?“ Erst nach dem Satz bremste sich der junge Heroe und ahnte, er hätte das Wort ,dämonisch‘ lieber nicht sagen sollen.

Nervös zuckte der Irländer mit verschiedenen Gesichtsmuskeln, wirkte neben sich und murmelte: „Aber immerhin haben wir den Alptraum nun hinter uns. Wir sind in Sicherheit, nicht?“ Link nickte stumm, aber seine Mimik verriet, was er wirklich dachte. Und auch Kevin McMayor verstand. Die Menschen wogen sich viel zu oft in einer falschen Sicherheit, die all das versprach, was wir doch nicht behüten, aber gerne für ewig annehmen wollten. Menschen hofften auf Sicherheit in Gestalt ihrer Helden. Eine Sicherheit, die für keine Welt galt…

Der Heroe klopfte dem Irländer auf die Schulter. „Kevin“, nuschelte er unter dem hässlichen Brennen der Wunde. „Ich muss mich bei dir bedanken. Wäre ich zu Fuß gegangen, hätte ich wohl Probleme gekriegt.“

„Ja, es ist gefährlich geworden in unserer Gegend…“, sprach er mit Angst in seiner Stimme. „Aber das, was wir erlebt haben. Das kann doch nicht… ich meine, das waren gewöhnliche Wölfe, anders kann das nicht sein!“ Kevin behaarte so sehr auf seinem Glauben an eine gerechte, geordnete Welt, in der diese Dinge nicht geschehen konnten. Es gab mächtige Männer und Frauen in jedem Zeitalter, die sich um solche Grausamkeiten kümmerten. Es gab Gesetze und Ordnung. Wie konnte es sein, dass so etwas nicht unterbunden wurde? Dass keiner davon berichtete und das keiner etwas dagegen unternahm?

„Ich werde das meinem Vater, dem Bürgermeister, rückmelden, da muss etwas passieren. Diese Wölfe müssen gejagt werden. Und damit muss das erledigt werden.“

Link nickte zweifelnd. Wie wollten Menschen dämonische Wölfe jagen und vernichten? Dennoch konnte er gut verstehen, dass Kevin verleugnete, was er gesehen hatte. Er verleugnete die Wahrheit aus Angst…

Mit einem leichten Jammern, verursacht durch die Schmerzen und einem sehnsüchtigen Gedanken daran, wie schön es wäre nach dieser Horrorgeschichte bei Zelda zu sein, marschierte der Heroe zu dem einzigen der vielen Bungalows, wo noch Licht brannte. Er hielt kurz inne, überlegte, wie er die nervenden Fragen des sehr wissbegierigen Pat van der Hohen umgehen konnte und öffnete dann die himmelblaugemalte Tür ohne entsprechende Lösung. Es brachte ja nichts irgendwelche Ausreden erfinden zu wollen. Es brachte nichts Energie für dumme Lügen zu verschwenden. Und Patrick würde ohnehin herausfinden, was passiert war, würde vielleicht auch sehr bald erkennen, dass Link nicht nur durch einen zufälligen Umstand wie der Held Hyrules aussah und Tapferkeit mit seinem Namen ausstrahlte…

Bemüht leise zu sein traten die beiden jungen Kerle in den Flur und schlossen sachte die Eingangstür. Gerade da trat Patrick van der Hohen neugierig um die Ecke, schaltete das Licht im Flur ein und verlor jede Farbe im Gesicht, als er den jungen Helden mit der blutenden Wunde entdeckte. Er zwinkerte und sagte zunächst kein Wort. Auch Tommy bemerkte das Licht im Flur und steckte seinen Kopf zur Hälfte aus der Schlafzimmertür. Er sah verschlafen aus und murmelte etwas vor sich hin, bis auch ihm der Schrecken im Gesicht stand. Nervös zog er die Tür zu sich heran und versteckte sich im Schlafzimmer.

„Scheiße, Link, was hast du denn angestellt?“, fragte Pat, dem es die Sprache verschlagen hatte. „Deine Schulter sieht aus, als hätte dich etwas zerfleischen wollen!“

„Das trifft es eigentlich recht gut“, sprach Link ohne es zu wollen, aber grinste. „Lass‘ erst einmal gut sein, Pat“, setzte er hinzu, versuchte eine fröhliche Miene aufzusetzen und tapste in die warme Stube, wo ihm der Duft nach Chips und fettiger Hähnchenbrust entgegenschlug.

In einem Schrank hatte er letztens Verbandszeug entdeckt. Sofort fand er die hilfreichen Verbände, das Jodmittel, sowie einige große Pflaster, und verschwand ohne weitere Erklärungen damit im Badezimmer.
 

Nachdem Link sich die nur mehr leicht blutende Schulter verbunden hatte, hastete er schleunigst in das leere Schlafzimmer. Trolli, Pat und Kevin unterhielten sich aufgeregt in der Stube, als Link sein Handy aus der Tasche kramte. Er hatte es eigentlich nur für den Notfall mitgenommen, wollte nicht zu viel telefonieren oder angerufen werden. Aber jetzt nach diesem brutalen Angriff dämonischer Wölfe hatte er den sehnlichsten Wunsch bei Ines Schattener anzurufen und sich zu erkundigen, ob in Schicksalshort und vor allem mit seiner Prinzessin alles in Ordnung war. Er ließ sich mit schmerzender Schulter auf sein Bett sinken, seufzte und atmete tief durch. Schuldgefühle brodelten in ihm bei dem Gedanken, dass er, wo er doch die Verantwortung hatte zu kämpfen und Zelda zu beschützen, nach Irland gereist war. Hätte er nicht lieber zuhause bleiben sollen? War es feige und naiv von ihm zu denken, dass in den drei Wochen, die er hier verbringen wollte, nichts Schlimmes in seiner Heimat geschehen würde?

Der junge Heroe fuhr sich durch das wilde, blonde Haar, rieb sich den Nacken um die Anspannung von dem letzten Kampf abzuschütteln und tippte schließlich die Nummer von Ines ins Handy. Es tutete mehrfach, so lange, dass Link nervös wurde und ein ungutes Gefühl hatte bei dem Gedanken, dass keiner hörte. Aber schließlich klackte es im Handy und die vertraute, beherrschte Stimme der Direktorin schallte durch die Leitung. „Ja, hallo, hier bei Schatteners.“

Mit einem leichten Lächeln sank der Heroe tiefer in die Matratze des Bettes. „Ines, ich bin es, Link“, sprach er, als er realisierte, wie spät es mittlerweile war und wie spät es in Schicksalshort war und das sein Anruf um diese Uhrzeit sehr merkwürdig erscheinen musste. „Sorry, dass ich dich geweckt habe“, setzte er rasch hinzu.

„Ah, Link“, sprach Impa leicht müde. „Was gibt es zu so später Stunde?“ Die Direktorin klang zufrieden und allein dies ließ den jungen Helden sich beruhigen. Sie würde niemals so ruhig klingen, wenn es Zelda nicht gut ginge.

„Äh, folgendes…“, murmelte er und hörte seine eigene Unsicherheit in der Stimme. Erst jetzt realisierte er, wie irritierend es sein musste, dass er so spät anrief. „… ich wollte fragen, ob bei euch alles in Ordnung ist. Ist Zelda okay?“

Er hörte Impas dreistes Lachen am anderen Ende. „Bei den Göttern, Link, und dafür rufst du mitten in der Nacht an? Da hättest du tagsüber ruhig auch dran denken können.“ Obwohl es unhöflich war, dass er sich so spät meldete, klang Impa amüsiert. „Ja, es passt bei uns alles soweit.“

„Es gab keine Angriffe?“

„Nein, zum Glück nicht.“

„Gott sei Dank…“, sprach Link erleichtert und lehnte sich weiter zurück. Irgendwie fiel ihm erst jetzt ein Stein vom Herzen.

„Ich schätze, du fragst nicht ohne Grund“, meinte sie sachlich, aber besorgt. „Bist du etwa in Irland angegriffen worden?“

Dass Impa dies sofort erkannte, überraschte ihn weniger. Sie war immer schon sehr scharfsinnig gewesen. Dennoch schwieg er zunächst.

„Jedenfalls ist Zelda in Sicherheit, du musst dir keine Sorgen machen. Dar, ich und die anderen vermuten, dass der Dämon in der Kirche gerade mit irgendwelchen Plänen beschäftigt ist. Vielleicht verhält er sich deshalb so still zurzeit, das kann ein gutes, vielleicht aber auch ein schlechtes Zeichen sein. Dennoch… es wäre mir lieber, wenn du nicht zu lange in Irland bleibst. Dar, Naranda, ich und die anderen treffen uns mittlerweile sehr oft mit dem Ziel uns einen Plan zu überlegen und Vorkehrungen gegen den Mistkerl in der Kirche zu treffen, auch da hätte ich dich gerne dabei.“

Link war überrascht, dass Impa dies ansprach und dass sie so bemüht war ihn in die Angelegenheiten einzubeziehen. „Ich… ja, ich werde bald wieder zuhause sein. Impa… und sag‘ Zelda nichts von dem Angriff…“ Er machte eine kurze Pause und überlegte, ob sie Zelda ans Telefon holen sollte. „… wie geht es ihr…“ Er ahnte, dass sein plötzlicher Abschied seine Prinzessin mitgenommen hatte und er ahnte, dass sie sich nach wie vor bloß in ihrem Zimmer aufhielt.

„Link…“, meinte die Direktorin, nun weitaus besorgter. Ihre kühle Stimme wurde anteilnehmend. „Wenn ich ehrlich bin, nicht so gut. Aber das weißt du ohnehin…“

„Ja…“, murmelte er trübsinnig.

„Sie hat die letzten Tage sehr viel geweint… viel zu viel, wenn du mich fragst, hauptsächlich wegen der Vergangenheit. Ich mache mir Sorgen, dass sie aus diesem Loch nicht herauskommt.“

Für einen Augenblick ließ Link das Handy sinken, blinzelte und sein ansehnliches Gesicht wurde gramerfüllt. „Ich hätte zuhause bleiben sollen…“, flüsterte Link und spürte neben einem unangenehmen Beißen in seiner Kehle Schuldgefühle hochkochen. Warum konnte Zelda nicht mit ihm über das reden, was nicht stimmte? Warum musste sie dauernd alles mit sich selbst ausmachen? Und würde sie sich ihm überhaupt öffnen können, selbst wenn er jetzt in Schicksalshort wäre? Er kannte die Vergangenheit nicht, er kannte nichts von Zeldas Sehnsüchten und ihren damaligen Vorlieben… eigentlich, so begriff er, war er ziemlich ahnungslos…

„Nun ja, ein Fehler war es nicht, dass du gegangen bist. Vielleicht gibt es in Irland jemanden, den du treffen musst.“

„Ja, vielleicht…“ Er wollte auf Impas Andeutungen kaum mehr eingehen, wunderte sich auch kaum über ihre Aussage. Alles, was er sich gerade wünschte, war Zelda lächeln zu sehen.

„Wenn du Zelda sprechen möchtest, muss ich sie wecken, obwohl ich froh bin, dass sie endlich einmal tief schläft. Dar hat ihr heute Abend etwas zum Schlafen verordnet, sie war etwas durcheinander und hat davon geredet von dämonischen Wölfen angegriffen zu werden, die ihre Schulter zerfetzen…“

„Von Wölfen?“ Links Stimme bekam Risse vor Erstaunen. Das konnte kein Zufall sein. Er war von Wölfen angegriffen worden, hatte eine Verletzung an der Schulter und Zelda träumte davon?

„Ja, danach war sie ziemlich neben sich gestanden, weshalb ich Dar angerufen habe. Also, soll ich sie wecken?“

Link schüttelte den Kopf und sprach ein leises: „Nein, es ist okay jetzt. Lass‘ sie schlafen, ich kann mich wann anders melden.“

„Gut, dann noch eine angenehme Nacht, Link.“

„Ja, gute Nacht… Danke, Impa“, sprach er und legte auf.

Mit einem Seufzen, verschuldet dem Brennen der Wunde und einer starken Sorge um seine Seelenverwandte, stützte Link den Kopf in die Hände. Hätte er vor seiner Abreise noch mehr nachbohren sollen, wie es ihr ging? Er wusste nicht, dass sie sich wegen Hyrule und all den Dingen, die er nicht wusste, noch immer so sehr quälte… Was war damals nur passiert, sprach er in Gedanken zu sich. Genervt schlug er sich gegen die Stirn. Konnte er sich nicht einfach, genauso wie Impa, an sein früheres Leben erinnern? Das würde die Sache nicht so kompliziert machen…

Er wusste mit Sicherheit, dass er der Held Hyrules war, aber welcher dieser Helden? War er die Wiedergeburt des Helden der Zeit? War der Held immer der gleiche? Und in welcher Zeit mochte er gelebt haben? Weitere Fragen wanderten durch seinen Kopf auf der Suche nach einer Antwort, die ihm doch nur Zelda geben konnte. Er fragte sich, ob er damals als Ritter am Hofe bei ihr tätig war, was die Menschen wohl von ihm gehalten hatten und welche anderen Freunde er einst hatte. Seine Gedanken wanderten weiter bis hin zu der Frage, ob er ein Heim und Familie gehabt hatte. Rotwerdend dachte er daran, dass er ja vielleicht sogar verheiratet gewesen war. Oder war er vielleicht nicht Zeldas Held?

Er schlug sich noch einmal gegen die Stirn, tadelte sich und untersagte sich noch mehr blödsinnige Dinge zu denken und hüpfte schließlich auf seine Beine. Es war doch alles nicht wichtig, solange er sich charakterlich nicht verändert hatte und das so nahm er an, war sicherlich der Fall…
 

Leicht murrend tapste Link zurück in den Flur, warf einen Blick in die Wohnstube, wo die drei Kerle saßen, sich bereits angefreundet hatten und in dem Augenblick schwiegen, als der Held sie anblickte. Die Stille in dem Raum schien die Übermacht gewonnen zu haben, verursachte ein beklemmendes Gefühl, entzündete Feuer des Verrats.

Link hatte, so gut es ging ein frisches T-Shirt angezogen, eine Schmerztablette eingeworfen und hoffte, das Mittel half ihm die schmerzende Wunde zu ignorieren. Sein zerfetztes grünes T-Shirt konnte er gleich in die Mülltonne werfen, so wie er das nach dem Kampf mit den Skelettrittern in den Wäldern Schicksalshorts gemacht hatte. Er fragte sich nur, wie er seiner Mutter Meira Bravery erklären sollte, dass er das nächste T-Shirt ruiniert hatte. ,Naja‘, dachte er albern, ,Ich habe ja noch mehr grüne T-Shirts.‘

Und obwohl Patrick versuchte mit ihm ins Gespräch zu kommen, wendete sich Link ab, hatte dafür gerade keinen Nerv. Er überhörte Patricks Fragen, und trat hinaus, genoss die frische Abendluft und ließ seinen Blick über die weiten Wiesen der grünen Insel schweifen, warf das grüne T-Shirt in die Tonne und blieb in der angenehmen Stille der Nacht stehen. Sinnierend schloss er die Augen, ein Gefühl weitreichender Warnung tobte in seinem Herzen, ließ ihn begreifen, mit welcher Verantwortung er in diese Welt geboren wurde. Ein milder Wind wirbelte das blonde Haar auf, das unbefangen in seine tiefblauen Augen fiel. Sterne funkelten am wolkenlosen Himmel, besänftigten die Welt und auch sein Herz.

Er hatte kaum Lust sich in den Bungalow zu begeben, neugierige Fragen von Pat, Trolli oder auch dem Irländer Kevin zu beantworten. Er wollte gerade einfach nur nach Hause oder wie vor einigen Wochen sich faul in den Wald legen, bei Sonnenschein dort verschlafen, so unbedeutend sein wie vorher und sich nicht in dieses Abenteuer begeben. Er war garantiert kein Feigling, er war auch niemand, der sich umdrehte und vor Herausforderungen weglief, er war nicht dumm oder ignorant, aber er sehnte sich nach Ruhe. War er nicht gerade deswegen nach Irland gereist? Um Ruhe zu finden, sich selbst zu finden, Antworten zu finden… Und die einzige Antwort auf die vielen Fragen in seinem Kopf, war der Kampf…

Er strich sich über die schmerzende Schulter und wendete sich in Richtung Eingangstür. Melancholisch blickte er ins Leere, bis die Tür von seinem neuen Bekannten Patrick geöffnet wurde. „Hey, Lust auf ein Guinness? Ich schätze, das könntest du gerade vertragen…“, murmelte Pat und musterte den jungen Heroen aufmunternd.

„Ja, scheint so“, erwiderte der Heroe und schloss grinsend die Augen. Das Angebot nach der Höllenfahrt war verlockend. „Kevin hat dir schon alles berichtet, was?“

Pat schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich, er meinte bloß, ihr wärt angegriffen worden, und er würde gerne im Bungalow übernachten wollen, korrekt?“

Link nickte und blickte hinüber zu dem verbeulten Wagen. Auch Patrick musterte das Auto und schien erst dann zu begreifen, was dieser Angriff angerichtet hatte. „Verdammt, ist das Kevins Auto?“ Ungläubig hastete er näher, betrachtete sich das Auto von jeder Seite und schluckte beim Anblick von langen Kratzern im Lack, die von gefährlichen Klauen stammen mussten. „Äh… das ist ja schräg. Das sollen bloß ein paar wilde Tiere gewesen sein?“

„Wilde Tiere? Ist das, was Kevin gemeint hat?“

„Ja, er sagte, es wären wilde Tiere gewesen, die euch angegriffen hätten, aber so wie das Auto aussieht…“

„Willst du das denn wirklich wissen, Patrick?“, unterbrach Link den Jugendlichen tonlos, lehnte sich gegen die Hausmauer und verschränkte die Arme. Es gefiel dem Heroen nicht, dass unwissende Menschen, die vielleicht nichts mit der Legende um Hyrule zu tun hatten, in diese Geschehnisse hineingezogen wurden. Patrick durfte nicht herausfinden, dass Link mehr war als ein gewöhnlicher Jugendlicher. Er sollte nicht erbarmungslos in die Geschehnisse hineingezerrt werden. Andererseits… war Link denn derjenige, der das zu entscheiden hatte?

Pat sah argwöhnisch drein, strich sich über sein kurzes Haar und trat direkt vor den Helden. „Ich will wirklich keinen Blödsinn reden oder mich einmischen, aber vielleicht solltet ihr das der Polizei melden.“

„Wozu?“, sprach Link gereizt. „Damit sich noch mehr Leute einmischen?“ Sein Tonfall war harsch und mürrisch, vielleicht auch wegen seiner Schulterverletzung, die an seinen Nerven zerrte. „Sorry“, nuschelte er hinterher. „Aber so einfach ist das nicht“, entgegnete er, seine tiefblauen Augen nur ein Spiegel von noch mehr Unverständnis.

„Naja“, meinte Pat nervös, blickte um sich und sah weit am Horizont ein einzelnes Auto über die weiten Wiesen fahren. „Ich… hab‘ auch nicht gemeint, dass es so ist, ich dachte nur…“ Dann brach er ab, bemerkte den giftigen Blick von Link und schwieg. „Am besten wir gehen erst mal ins Haus… Du brauchst tatsächlich ein Guinness zum Runterkommen, denke ich.“ Patrick versuchte es mit einem gutmütigen Versuch Links miese Laune zum Schmelzen zu bringen und hatte tatsächlich Glück. Der Held seufzte, aber folgte seinem neuen Bekannten ins Wohnzimmer.
 

Link machte es sich auf dem Sessel bequem, fläzte sich in die Sitzgelegenheit hinein und schlürfte das Bier, das Patrick ihm in die Hand gedrückt hatte, hinunter. Er war kein Freund von Alkohol oder Drogen, aber gerade in dem Augenblick erfüllte das Suchtmittel seinen Zweck. Einmal mehr starrte er ins Leere, aber da war keine Lethargie oder Gleichgültigkeit in seinem Blick. Wut vermischte sich mit Zweifeln in der dunkelblauen Farbe seiner Seelenspiegel.

„Also Leute, danke dafür, dass ich hier übernachten kann“, meinte Kevin, brach die Stille und blickte in den Fernseher, der nebenbei lief. „Ich sag‘ dem Vermieter Leon Johnson morgen Bescheid.“

„Es wird schon in Ordnung gehen“, murmelte Patrick. „Es ist ja eine Notsituation… so spät kommt man ja nicht mehr in die Stadt.“

„Nun, ich hätte meine Kumpels anrufen können“, entgegnete der Irländer und strich sich nervös einige dunkle Strähnen aus dem Gesicht. „Aber ehrlich gesagt möchte ich keinem zumuten nachts auf dieser teuflischen Straße entlang zu fahren.“ Er lachte unsicher auf, wurde dann fahl im Gesicht und seine Stimme erstarb nach einem weiteren piepsigen Lacher.

„Moment… hast du nicht gemeint, es wären bloß wilde Tiere gewesen, die euch angegriffen haben? Und dann redest du von einer teuflischen Straße?“, unterbrach Pat van der Hohen, der ebenfalls ein Bier schlürfte.

„Naja…“, entgegnete der dunkelhaarige Irländer verhalten und ließ sich weiter in seinem Sessel hinein sinken.

Link beobachtete den jungen Autofahrer, der sie beide aus der Verfolgungsjagd gerettet hatte und spürte deutlich, dass jener kaum über den Angriff sprechen konnte. Zusammengesunken saß der junge McMayor dort in dem halb zerfransten Sessel, starrte ins Nirgendwo und sah sein sicheres Weltbild zerbröckeln…

„Es war kein harmloser Angriff…“, meinte Link, schloss die Augen und erhob sich. Mitgenommen und zugleich traurig tapste er zu dem Fenster. Er hatte sich so sehr gewünscht abseits von Schicksalshort seine Gedanken sortieren zu können, er selbst zu sein, sich vorbereiten zu können, hatte geglaubt in einer anderen Welt über alles nachdenken zu können, seine Bestimmung zu verstehen. Doch einmal mehr waren da Irrtum und Grausamkeit in einem teuflischen Spiel um Macht und Kontrolle. Das Schicksal hatte ihn vollkommen in der Hand, zerquetschte ihn wie eine Fliege…

Patrick seufzte und strich sich über seinen Dreitagebart, bewegte sich aufgeregt auf dem Sofa hin und her. „Ich dachte mir, dass es kein einfacher Angriff gewesen sein kann… so wie Kevins gelber Wagen aussieht. Wenn das nur Tiere waren, dann müssen das ja Monster gewesen sein“, sprach er nervös. Er ahnte ja nicht, wie Recht er mit seiner Aussage hatte. „Mach‘ es nicht so spannend, Link.“

Schwankend schaute der junge Held aus dem Fenster und beobachtete die alte Burg auf dem verlassenen, grünen Hügel. Der milde Schein des Mondes verzauberte das alte Bauwerk und ließ es wie ein Mädchenschloss aus einer vergessenen Zeit wirken. Auf eine vertraute Weise stimulierte jener Zauber aus einer anderen Welt sein Herz, beruhigte und flößte ihm ein wenig Mut und Selbstbewusstsein ein.

„Es waren auch keine harmlosen Tiere…“, meinte Link. Er kniff seine Augen zusammen und versuchte das Geschehene herunterzuspielen. „Es waren Wölfe…“ Er bemühte sich ein wenig zu grinsen, das Szenario auf der abgelegenen Talstraße zu vergessen. „Aber es ist ja nichts weiter passiert“, endete er.

„Nichts weiter passiert?“, stammelte Kevin und erhob sich ebenfalls. Er zitterte, war käseweiß im Gesicht und konnte kaum glauben, was Link über seine Lippen gleiten ließ. Er fixierte ihn mit seinen dunkelbraunen Augen. „Das kannst du nicht ernst meinen!“

Link schnaubte und schaute betreten zu seinen Turnschuhen. Und wie ernst er das meinte! Er konnte jawohl kaum klarstellen, dass er der wiedergeborene Held Hyrules war und dass die Wölfe auf der Straße vielleicht nur wegen ihm den Angriff starteten.

Kevins Stimme überschlug sich vor Angst und Erstaunen. „Link, es mag’ sein, dass du mit solchen Viechern Erfahrung hast. Es mag sein, dass du mit diesem Abschaum klar kommst, aber mein Wagen wurde buchstäblich auseinander gelegt. Und wenn du dieses Biest auf der Rückbank nicht auf diese selbstlose Weise kalt gemacht hättest, wir…“

Link trat zu Kevin hinüber und klopfte ihm zögerlich auf die Schulter. „Beruhige dich, Kevin. Es bringt uns nichts panisch zu werden. Die Attacke ist vorbei und zumindest eines dieser Biester ist Geschichte.“

„Bei den Kobolden von Kerry, wie kannst du nur so ruhig bleiben?“, entgegnete der Irländer mit Bewunderung. „Das waren keine gewöhnlichen Wölfe! Das waren dämonische, muskelbepackte Bestien!“ Kevin war den Tränen nahe, fühlte Übelkeit in seinem Magen schlitzen. Und obwohl er ein eher resistenter Mensch war, bereits einige Verluste in seinem Leben bewältigen musste und auch nicht immer ein leichtes Leben gehabt hatte, waren ihm die Situation und ihre Unkontrollierbarkeit zu viel. Kevin mochte ein geregeltes Leben, suchte nach Ordnung in seinem Alltag und war nicht bereit seine heile Welt für den Glauben an Dämonen aufzugeben.

„Diese Wölfe… sie sahen mutiert aus, nackthäutig, hatten Klauen, die eine Giraffe auseinandersäbeln könnten und ihre Augen haben geglüht… gefunkelt… wie als kämen sie aus der Hölle! Und du redest davon, dass ich ruhig bleiben soll!“

Kevin und Tommy hörten die gesamte Zeit mit offenen Mündern zu, fühlten sich veralbert und gleichzeitig bedroht. Sie konnten kaum glauben, wovon Link und Kevin sprachen.

„Und du stellst dich hierher, redest davon, dass wir dieses Szenario vergessen sollen, tötest diese Ungeheuer als würdest du dein Leben lang nichts anderes tun! Beim lieben Gott im Himmel, wie schaffst du das nur!“ Schnaubend ließ sich Kevin wieder in den Sessel sinken, vergrub das Gesicht in den Händen und wimmerte.

Link ballte die Hände zu Fäusten und verstand erneut das Ausmaß seiner Bestimmung. Es gab sicherlich Tausende von mutigen Seelen auf diesem Planeten. Menschen, die in der Lage waren zu kämpfen. Menschen, die in der Lage waren an etwas Gutes zu glauben und dafür einzustehen. Aber von diesen vielen mutigen Seelen gab es vielleicht nur eine Hand voll, die stark genug waren an einer solchen Aufgabe zu bestehen. „Glaubst du, mir macht das Spaß? Denkst du, ich hab‘ mir das ausgesucht?“

Der Irländer schüttelte den Kopf. „Sorry… ich bin nur so durcheinander…“ Link nickte schwach, ließ sich ebenfalls wieder in einen Sessel sinken, sodass er knarrte und ließ das kühle Guinness erneut seine Kehle befeuchten.

„Leute… ich kapier‘ das alles nicht“, sprach Tommy, schaute betreten von einem zum anderen. Er zwinkerte mehrfach, zitterte noch mehr als Kevin, obwohl er an dem Angriff nicht beteiligt war.

Auch Patrick war durcheinander, hob seine Hände. „Jetzt nochmal von vorn… Ihr wurdet angegriffen… von Wölfen und Link hat…“ Patricks neugierige Augen wanderten zu Link, der mit ernster Miene im Sessel hing. „Link, du hast schon öfter wilde Tiere getötet… oder… Monster? Du hast das schon öfter gemacht?“ Der junge Heroe seufzte, fuhr sich durch das blonde, wilde Haar und ahnte, dass er kaum verhindern konnte sein Geheimnis preiszugeben. Und dämonische Wölfe, die durch das Land streiften auf der Jagd nach mutigem Fleisch, waren vielleicht noch die harmloseste Geschichte. Was sollte der Held tun, wenn plötzlich ein Skelettritter im Bungalow stand? Der Gedanke war gruslig und dumm zugleich für ihn. Aber was sollte er Patrick, Tommy und Kevin dann sagen? Dass sie sich den Skelettritter nur eingebildet hatten? Dass er kein Held war, obwohl er ein Schwert mit sich herumschleppte, das er in einer solchen Situation benutzen musste?

Link schlug sich gegen die Stirn und dann mit der Faust auf die Tischplatte. Er entließ einen rauen Schrei, und wusste, er konnte diese Menschen, die mit ihm zusammen waren, kaum vor weiteren Angriffen bewahren, es sei denn, er klärte sie darüber auf, was auf der Welt los war. Niemand war sicher… Das Weltengesetz änderte sich…

„Verdammt, was soll‘ ich denn dazu sagen, Pat? Ja, ich habe einen Wolf erledigt. Ja, ich habe sowas schon öfter gemacht! Bist du nun zufrieden?“

Beschämt sah der blonde, lange Bursche zu Boden, konnte dem Helden kaum in die tiefblauen Augen sehen, und genauso wie Kevin wurde ihm die Aufregung zu viel. „Ich verstehe immer noch nicht, was passiert ist… wie das passieren konnte. Ich glaub‘, ich kann nicht schlafen diese Nacht mit dieser Ungewissheit. Ich will mich nicht einmischen oder sensationsgeil wirken, aber ich habe einfach nicht verstanden, was passiert ist…“, murmelte Patrick durcheinander und erhielt Zustimmung auch von Tommy.

„Mir wäre es auch lieber, ihr würdet uns erklären, was genau geschehen ist…“, sprach er lispelnd.

Link war im Begriff mit dem Kopf zu schüttelnd, als Kevin dem Ganzen zustimmte. Der junge Held verdrehte die Augäpfel.

„Was bringt es sowas zu verschweigen, dann sind wir alle wenigstens vorgewarnt“, argumentierte der Irländer, der Links Reaktion bemerkt hatte. „Stell‘ dir vor, Tommy und Patrick laufen abends auf dieser Straße lang und wissen nicht, was dort vor sich geht. Besser sie sind vorbereitet!“

Link seufzte und widmete sich wieder dem Guinness und knabberte Chips, während Kevin die Geschichte ausführlich erzählte. „Wir befanden uns also auf dem Weg zur Jugendherberge, als wir stehen geblieben sind, da ich Link etwas erzählen wollte. Ich weiß schon gar nicht mehr, worum es ging…“ Kevin wartete auf eine Reaktion von Link, die jedoch ausblieb. In seine Gedanken versunken starrte der Held ins Nirgendwo und aß die Chips mit einer Trägheit, die man ihm kaum zutraute.

„Auf jeden Fall standen wir auf der engen, unbeleuchteten Straße inmitten der Landschaft. Rechts des Weges lag ein kleines Waldstück… eigentlich ein ruhiger Ort. Von weitem konnte man die Lichter von Leon Johnsons Schloss sehen…“

„Was ist dann passiert?“, sprach Patrick aufgeregt. Er klebte förmlich an Kevins Lippen.

„Nach einigen Minuten bemerkte ich das erste Mal, dass etwas nicht passte. Link verhielt sich aufgeregt, deutete an, wir sollten unbedingt weiterfahren. Und es war dann, dass ich verstand, warum er so besorgt war.“ Erneut hoffte der Irländer auf Bestätigung seiner Worte durch den Jugendlichen, der beinahe unbeteiligt in dem einen zerfransten Sessel saß.

„Und ihr könnt euch nicht vorstellen, was dann passiert ist… mitten im Nirgendwo hockten wir in dem Auto und dann sprang einfach der Motor nicht an.“

„Argh… das ist übel“, murmelte Patrick.

„Und dann habe ich… ich verstand einfach nicht, was los war. Es ging alles so schnell. Link wies mich an, den Motor unbedingt zum Laufen zu bringen. Ich dachte zuerst, er würde völlig überreagieren, aber dann sah ich den Grund warum.“

„Was hast du gesehen“, piepste Trolli, kaute an seinen Fingernägeln und blickte ängstlich um sich.

„… die Wölfe…“, entgegnete Kevin und schluckte den angesammelten Speichel in seinem Mund mehrmals hinunter. „Riesig waren sie… Höllenkreaturen und doppelt so schnell wie gewöhnliche Tiere.“ Der dunkelhaarige Bürgermeistersohn verzog das Gesicht, rieb sich die Schläfen. „Der Wagen sprang nicht an und die Bestien umzingelten uns. Sie rissen am Metall des Autos, knallten gegen die Scheiben… als hätten sie es auf uns abgesehen“, winselte er. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich das überlebt habe…“

„Wie ging es weiter?“, sprach Patrick geduldig, schielte zu Link, der dreinsah, als war er am Ende.

„Ich versuchte weiterhin den Motor in Schwung zu bringen, bis Link mir dann einen Dolch in die Hand drückte… Beim lieben Gott im Himmel, ich war so froh, dass Link dabei war.“

„Moment mal…“, sagte Patrick entgeistert. Entgeistert hüpfte er von dem Sofa und trat vor den jungen Helden. „Sag’ bloß, du schleppst Waffen mit dir rum?“ Aber der angesprochene Jugendliche antwortete nicht und schloss lethargisch die Augen.

„Im letzten Augenblick gelang es mir den Motor zu starten, aber eine Bestie hatte sich bereits in die hintere Scheibe meines Wagens gebohrt. Ohne zu überlegen ist Link nach hinten geklettert, hat es in Kauf genommen erwischt zu werden, aber hat bis zum Ende auf das Vieh eingestochen bis es wie eine Bombe in die Luft geflogen ist…“ Kevin trat schwankend auf seine Beine und legte dem trübsinnigen Helden freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. „Danke noch mal, aber wärst du nicht nach hinten geklettert und hättest du diese Waffen nicht dabei gehabt, wir wären im Magen dieser Kreatur gelandet.“

Link nickte stumm, war dem Reden müde geworden und verstand einmal mehr, wie töricht es war überhaupt hier in Irland zu hocken, wo er doch die Wurzel dieser grauenhaften Ereignisse vernichten musste. Der Dämon in der Kirche Schicksalshorts wartete nur auf ihn…

,Ich bin so ein Dummkopf‘, sagte er in Gedanken zu sich. ,Hatte ich wirklich geglaubt, diese Dämonen wären nur in Schicksalshort. Ich und meine Naivität!‘ Diese Dämonen waren bereits auf der ganzen Welt und breiteten sich aus wie eine Seuche. Etwas Großes war im Gange, etwas, das die Welt verändern würde und Helden herausforderte. Alle Menschen, so wie sie waren, alle guten Wesen dieses Planeten waren in Gefahr. Frustriert schlug der heroische Blondschopf mit der Faust auf den Tisch, sodass dieser wackelte und die Gläser darauf klirrten.

Pat sah erschrocken auf und wich zurück, als Link auf seine Beine hüpfte. Mit geballten Fäusten stand er im Raum, ließ eine gefährliche Aura durch den Raum dringen und ein messerscharfer Blick verriet seine Absichten. Seine Körperhaltung war kampfbereit, erfüllt von Zorn und dem Wille zu töten. Er trat mit schweren Schritten in Richtung Tür, versprühte unsichtbare Wogen Kälte. „Ich werde diese Wölfe jagen und aufschlitzen, einem nach dem anderen!“, zischte er.

„Äh… wie jetzt?“, brachte Patrick über seine Lippen. Fassungslos lauschten die jungen Burschen Links Worten.

„Diese Bestien haben lange genug existiert!“, donnerte seine kraftvolle Stimme durch den Raum.

„Aber…“, sprach Kevin vorsichtig.

„Ich werde nicht einfach hier herumsitzen und diese Monster Menschen zerfleischen lassen. Ich bring‘ sie um! Alle zusammen!“ Die Gewalt seiner Worte ließ die anderen kaum an Links Vorhaben zweifeln.

„Link, bist du lebensmüde… du kannst nicht einfach dort raus spazieren und Wölfe jagen“, meinte Pat und breitete aufgeregt seine Arme auseinander.

„Was weißt du schon?“, murrte er. „Du warst nicht dabei! Du hast diese Bestien nicht erlebt. Jemand muss diese Monster aufhalten.“ Der Heroe machte sich kampfbereit, fühlte seine Muskeln vibrieren. Die Unterhaltung hatte einen widerspenstigen Nerv in seinem Inneren getroffen.

„Und warum musst du derjenige sein, der kämpft?“, sprach der jugendliche Zeldafan. „Du solltest die Polizei benachrichtigen. Die sind viel besser ausgerüstet für sowas!“

Darauf begann Link zu grinsen, verschränkte die Arme und lachte amüsiert. „Die Polizei?“ Zweifelnd schauten sich Tommy, Kevin und Patrick in die Augen, mussten das Gefühl haben, Link hatte den Verstand verloren.

„Als ob nur irgendein Polizist ausgebildet genug ist Dämonen fertig zu machen! Solche Kreaturen tötet man nicht mit modernen Schusswaffen!“ Link trat energisch und laut stapfend vorwärts, bis er vor seinem neuen Bekannten Patrick stand, der die Wohnzimmertür blockierte. „Link, ich meine es ernst. Du bringst dich um, wenn du jetzt dort raus gehst. Sei‘ nicht lebensmüde!“

„Ich kann auf mich aufpassen“, entgegnete er kühl. „Und zwar hiermit!“ Er zog den Dolch, den er an seiner linken Wade versteckte.

„Das bezweifle ich gerade… du führst dich auf wie ein übermütiger Dummkopf.“

„Dann bin ich eben übermütig und dumm. Wer soll es sonst machen?“, sprach er raunend.

„Dann muss halt eine Spezialeinheit das übernehmen, wir sollten bei einem zuständigen Amt anrufen“, argumentierte Patrick, aber fühlte sich hilflos angesichts der plötzlichen Sturheit, die Link überfallen hatte.

„Lass‘ mich vorbei, Pat“, meinte er streng.

Aber der angesprochene Jugendliche rührte sich keinen Zentimeter, stand vor Link wie angewurzelt. Ganz zaghaft schüttelte er den Kopf.

„Herrgott, Link, jetzt komm‘ wieder runter!“, brüllte Kevin und trat neben Patrick. „Denk‘ doch an deine Zelda!“

Und als der Name der Prinzessin des Schicksals erklang, löste sich der junge Heroe aus dem plötzlichen Wahn, der ihn befallen hatte. Er malte sich Bilder von seiner Seelenverwandten in die Gedanken, erinnerte ihre sanfte Natur und das geheimnisvolle Licht in ihren saphirblauen Augen, malte sich Bilder seiner Prinzessin in sein Herz…

Starr stand der junge Heroe dort, ließ den Dolch fallen und rieb sich mit der linken Hand seine Stirn. Seine neuen Freunde ignorierend sackte er in sich zusammen, stemmte sich gegen die Wand und fragte sich, ob er mittlerweile süchtig war nach Herausforderungen und nach dem Kampf. Er war sich sicher, dass er ohne den Gedanken an Zelda wie ein Irrer in die Nacht gestürmt wäre und diese Wölfe abgeschlachtet hätte. Er hätte genauso naiv und übermütig gehandelt wie damals als er nach dem Streit mit seiner Prinzessin auf den Friedhof marschiert war um Drokon herauszufordern. Die Erinnerung an Zelda dämpfte jegliche Wut und auch die Kampfeslust in seinem Inneren, so machtvoll, so sehnsuchtsvoll…

„Wie jetzt… deine Zelda?“, murmelte Patrick und musterte Link und den Irländer mit Wahnwitz in den grünen Augen. „Ich meine, wie kommst du auf diesen Namen?“

Kevin zwinkerte verwundert. „Ich weiß nur, dass Link an sie gedacht hat, als wir mit den Wölfen konfrontiert waren, dort in diesem Alptraum…“

Patrick schnaubte. „Das ist ja wohl nicht dein Ernst, Link!“ Der Zeldafan holte tief Luft und sprach belehrend. „Da steht ihr da draußen in dieser Finsternis, werdet von – so wie ihr es formuliert- Höllenkreaturen angegriffen und in dieser schlimmen Stunde hast du nichts Besseres zu tun als an das Zeldaspiel zu denken?“ Als Link nicht darauf antwortete, setzte der grünäugige Jugendliche hinzu: „Ihr wart in Lebensgefahr, und da denkst du an Zelda? Bist du eigentlich noch bei Trost?“

Beschämt ließ sich der junge Heroe erneut in den Sessel sinken, knallte den Dolch auf den Boden und vergrub das Gesicht in den Händen. Er seufzte, fragte sich, was er in diesem Irrsinn überhaupt noch sagen sollte. Er wollte sich nicht rechtfertigen, wofür auch? Aber je mehr er preisgab, je mehr Link sich natürlich verhielt, umso misstrauischer wurde dies in den Augen der anderen. Seine tiefblauen Augen schillerten voller Wärme und Güte.

„Zelda ist ein Mensch und keine Spielfigur…“, murmelte er leise. „Natürlich denke ich an sie… aber nicht, weil es um irgendein bescheuertes Spiel geht. Sie ist lebendig, ein wunderbarer Mensch, so sanft und… wunderschön… Sie ist das Beste, was…“ Er brach ab, als er spürte, dass sich diese Worte falsch anhörten. Mit Verlegenheit auf den Lippen seufzte er. Da waren Lügen in seinem Herzen. Hässliche Lügengebilde, die sich nährten von seiner Ungewissheit, sich nährten von allem, was er sich verbot zu fühlen.

,Ist es das wert? Glaubst du, bereit zu sein für die Wahrheit? Das Ich in dir, welches deine jetzige Hoffnung speist, hat dich schon zu lange belogen’, flüsterte es in seinem Kopf. Worte geformt von dem alten, unvergänglichen Sein in sich. ,Dein Lug und Trug ist jämmerlich.’

Versunken in seinen Gedanken lauschte Link der starken und doch düsteren Stimme, die da in seinem Herzen wütete. Er wusste, jene Worte waren ihm nicht fremd. Er wusste, dies waren keine Paranoia und auch kein Versuch vor diesen Herausforderungen wegzulaufen. Diese Worte, gesprochen von einer machtvollen Persönlichkeit, wollten ihn warnen vor allem in Bezug auf seine eigenen Gefühle…

„Sorry, Link…“, sprach Patrick betreten, riss den jungen Heroen aus seinen Gedanken, und kam sich dumm vor bei dem Gedanken, dass er einen Menschen, der den Namen Zelda trug, nicht als gewöhnlichen Menschen ansehen konnte. Er war derjenige, der nur noch an ,The Legend of Zelda‘ denken konnte, nicht Link. „Ich wusste nicht, dass du jemanden kennst, der so heißt…“

Der heimliche Heroe nickte, fühlte sich getrieben von der Ungewissheit und den Rätseln, die er nicht lösen konnte.

In dem Moment schien Trolli halb zu hyperventilieren, suchte aufgeregt nach seinem Asthmaspray und schien die Nerven zu verlieren. „Gott, euch zuzuhören macht mich nervös“, murmelte er. „Entschuldigt bitte“, sprach er durcheinander und verschwand aufgeregt im Bad.

„Tommy ist nicht der einzige, der durch den Wind ist… mir zittern die ganze Zeit die Beine“, gab Patrick zu und atmete ebenfalls tief durch. „Ich hab‘ noch nie sowas erlebt“, gestand er. „Mein Leben ist eigentlich völlig langweilig, besteht aus meinem PC, Partys am Wochenende und Fußball, und meinen Büchern, wenn ich Zeit finde, aber das… vielleicht ist das zu hoch für uns alle.“

„Vielleicht ist es nicht unsere Aufgabe, aber wollen wir das, was geschehen ist, einfach ignorieren?“, entgegnete Kevin. „Mir ist so etwas auch noch nie passiert, aber seit einiger Zeit scheinen seltsame Vorfälle in Irland zu geschehen. Es gab Häufungen von Vermisstenmeldungen und merkwürdige Überfälle… aber bisher hab‘ ich nicht gedacht, dass dahinter vielleicht Monster stecken könnten.“

„Was ich nicht kapiere, ist… warum bringt niemand so etwas auf den Nachrichten? Warum tut niemand etwas dagegen?“, meinte Patrick entrüstet.

„Weil es vielleicht bisher nur unwichtige Leute bemerkt haben“, sagte Kevin.

„Aber das ergibt keinen Sinn!“, murmelte Patrick.

„Doch… es ergibt eigentlich sehr viel Sinn“, sprach Link, schloss seine Augen mit einer weitreichenden Melancholie. Er spürte den Umbruch auf der Welt, die Gefahr, die er in den vielen Leben, die er ertrug, bekämpfen musste. Er hatte es immer gespürt… Dann, wenn die Welt am Abgrund stand, wurden Helden geboren…

„Die Ursache, warum keiner hinsehen kann, liegt nur darin, dass wir Menschen manche Dinge einfach nicht sehen wollen. Wer will schon an Märchen glauben, die plötzlich wahr werden und uns spüren lassen wie unkontrollierbar die Welt ist? Und wer will an Ungetüme glauben, die stärker sind als der am besten ausgerüstete Soldat?“ Er vergrub das Gesicht erneut in beiden Händen, seufzte und ließ das Elend in ihm in seine Stimme fließen. „Das ist wie, als würde man die gesamte Welt in Frage stellen, unseren Glauben, und alles, was wir über uns wissen. Es würde heißen, dass das Leben einen vollkommen neuen Sinn erfährt. So viele Dinge müssten sich ändern. Menschen müssten kämpfen, Menschen würden sterben und fallen in erbarmungslosen Schlachten. Und wir Menschen sind einfach nicht für Veränderungen dieser Art bereit“, sprach er trübsinnig, sodass alle Anwesende überfordert zu Boden blickten.

„Du glaubst… es wird nicht bei ein paar Wölfen bleiben…“, zitterte Patrick, brachte die Worte kaum über seine schmalen, rosa Lippen. Links Blick streifte seinen, sendete ihm Mitgefühl und eine Hoffnung, dass er sich irrte. „Beim lieben Gott im Himmel… das kann doch nicht Realität sein.“

„Leute, jetzt beruhigt euch… wir wurden von ein paar Wölfen angegriffen, wissen nicht genau, was da dahinter steckt“, unterbrach Kevin. „Meint ihr nicht, wir steigern uns da in etwas hinein? Es wird nicht gleich die Welt untergehen, nur wegen ein paar Wölfen!“

„Ja, vielleicht…“, meinte Patrick erleichtert, dass Kevin es aussprach, und beobachtete Links Verhalten. Der ansehnliche Basecapeträger schien dem Argument von Kevin kaum Beachtung zu schenken. „Und wisst ihr was… ehe wir uns hier noch mehr unsinnige Gedanken machen, sollten wir schlafen gehen“, gähnte Patrick. „Morgen sieht die Welt sicherlich ganz anders aus. Es ist spät, viel passiert und wir brauchen Ruhe, oder“, sprach er und gähnte ein weiteres Mal.

„Stimmt. Am besten wir vergessen den heutigen Tag wieder“, murmelte Kevin und ließ sich auf die halb zerflederte Couch sinken. Er nahm sich die Decke, die auf einem kleinen Hocker lag und schüttelte sie aus. „Danke nochmal, dass ich hier übernachten kann.“

„Kein Thema“, meinte Pat, warf noch einen Blick zu Link, der im Sessel saß wie ein Häufchen Elend, aber wollte sich zu seinem Verhalten keine weiteren Gedanken machen. „Gute Nacht“, murmelte er, wartete noch auf eine Reaktion von Link, die jedoch ausblieb und verschwand aus der Stube, um sich schlafen zu legen.
 

Doch als Patrick van der Hohen mit einem nachdenklichen Seufzen in das hellerleuchtete Schlafzimmer eintrat, war Tommy nicht in seinem Bett aufzufinden. Aus irgendwelchen Gründen werkte der kleine Oberstufenschüler hastig in Links Sachen herum, schnüffelte Fächer und auch die große Reisetasche durch. Er bemerkte seinen Mitbewohner nicht, ließ sich in seinem Tun kaum unterbrechen.

„Ja, hallo! Was schnüffelst du denn einfach in fremden Sachen herum?“, kreischte Patrick. Seine helle Stimme überschlug sich vor Ärger.

Tommy ignorierte den blonden, langen Kerl und nahm mit einem kleinen Auflachen aus seiner Kehle ein langes, scharfes Schwert aus dem Schrank und schien verwirrt und zugleich äußerst froh deswegen zu sein.

„Ich wusste es“, stotterte der auffällig ängstliche Gymnasiast, der von Patrick seit dem ersten Tag an sehr misstrauisch behandelt wurde.

Patrick hastete näher und starrte genauso gebannt wie Tommy auf die glänzende, blankpolierte, saubere Klinge. Es war ein scharfes Schwert, und hatte Kratzer im Stahl, beinahe so, als wäre es erst vor kurzem benutzt worden.

„Ich hab‘ es gewusst“, sagte Tommy und zuckte mit seinen Augen, während Patrick fassungslos die scharfe Klinge betrachtete.

„Heilige Scheiße, was schleppt Link denn so eine Waffe mit sich herum?“ Gaffend nahm der blonde Patrick dem Kleineren die Waffe ab und musterte sie.

„Mir ist am ersten Tag schon aufgefallen, dass er sich komisch verhält und da wollte ich bloß wissen, was er so verheimlicht“, meinte Tommy. Schulterzuckend platzierte Patrick die Waffe wieder an der Stelle, wo der andere Jugendliche sie entwendet hatte. „Das gibt dir noch lange nicht das Recht in Links Sachen herumzukramen. Was wolltest du wirklich hier?“

„Das habe ich schon gesagt“, maulte Tommy und tapste in seinem ekelhaft gelben Schlafanzug zu seinem zerwühlten Bett. „Du solltest mir danken“, setzte er hinzu. „Nun weißt du endlich, mit wem wir hier ein Zimmer teilen. Einem Verrückten, der denkt, dass er ein Schwert mit sich herumtragen muss, bloß weil sein Name Link lautet.“ Pat schwieg dazu und fühlte das Misstrauen wachsen, jedoch richtete sich jenes weniger gegen den Helden…
 

Nachdenklich hockte Link im Schneidersitz in dem Sessel, hatte sein Kinn an einer Hand abgestützt und fühlte sich irgendwie verloren. Kevin McMayor hatte noch einmal seine Verlobte Anja angerufen, sich ins Bad begeben und kam seufzend in den Aufenthaltsraum zurück. Er hatte Augenringel in seinem leicht kantigen Gesicht und auch sonst hatte der Wolfsangriff herbe Spuren in seinem Gesicht hinterlassen. Der Irländer sah müde aus und erledigt…

„Willst du nicht auch endlich schlafen gehen, Link?“, sprach er und streckte sich. „Ich will dich nicht verscheuchen, aber du siehst echt fertig aus.“

Der Heroe grinste ironisch. „Eigentlich bräuchte ich Schlaf, ja…“, murmelte er schwach. „Aber ich werde kaum einschlafen können.“ Es war nicht der Angriff, der ihm Sorgen bereitete, sondern die Stimme in seinem Kopf, die warnend flüsterte. Jene Stimme, die er im Traum vor wenigen Tagen gehört hatte, dann als er allein stand inmitten des Nebels und ihn Dutzende Biester mit Schwertern umzingelten. Es erschien ihm beinahe so, als konnte er den Kampf gegen das Böse nicht alleine gewinnen…

„Das kann ich dir nicht verübeln… ich bezweifle auch, dass ich gut schlafen kann“, meinte Kevin und pflanzte sich gemütlich auf die Couch. „Du, sag’ mal, Link…“, redete er unter Gähnen und deckte sich zu.

„Ja, was ist?“

„Als du vorhin sagtest, du hast so was schon öfter gemacht… Wie darf ich das verstehen?“ Er öffnete kurz seine Augen, blickte Link abschätzend entgegen und setzte hinzu. „Ich meine, du musst mir das nicht erklären, aber ich bin doch etwas irritiert deswegen…“

Link atmete tief durch, schlürfte ein weiteres Bier seine Kehle hinab und fragte sich, warum er auf einmal Alkohol trank. Vielleicht war es um den ganzen Alptraum zu vergessen. Vielleicht war es aber auch um sich durch derartige Fragen nicht nervös zu fühlen.

„In unserer Stadt gab es in den letzten Wochen auch solche Vorgänge“, sprach er, sein Blick verharrend am Fenster, wo man auch die Lichter in Leon Johnson Schloss ausgehen sah. „Ich wurde von derartigen Kreaturen krankenhausreif geprügelt und seitdem bin ich wachsam.“

Kevin starrte an die Decke, wo eine Spinne entlang kroch. „Meiner Stadt ist es nicht sehr viel anders ergangen… Es gab schlimme Vorfälle in der Nachbarschaft.“ Er drehte sich in Links Richtung, schloss die Augen und spürte eine angenehme Müdigkeit über sich hereinbrechen. „Jetzt weiß ich auch wieder, worüber wir auf der Horrorstraße geredet haben. Es ging um die Sache mit Molly…“

Link rieb sich die Schläfen und knabberte einmal mehr von den Chips. „Ja, richtig. Du hattest gemeint, dieses junge Mädchen wurde vermisst, aber ist scheinbar weggelaufen.“

„Willst du jetzt noch weitere Horrorgeschichten erfahren?“, murmelte Kevin und grinste das erste Mal seit dem Vorfall.

„Ich kann noch etwas mehr vertragen“, sprach Link sarkastisch. Er ahnte, dass er in den nächsten Monaten noch mehr Tests bestehen müsste, die das Schicksal oder ein mehr oder weniger grausamer Gott an ihn richtete. Und er ahnte, dass er weit mehr verlieren könnte, als er dachte.

„Du bist echt irre“, lachte Kevin, worauf auch Link grinste. Nur gut, dass er solche Aussagen als Kompliment auffasste.

„Wie auch immer“, murmelte der Heroe. „Was genau ist so außergewöhnlich an dem Verschwinden eines kleinen Kindes? Das passiert immer wieder auf der Welt, weil es irgendein Schwein gibt, das kleine Kinder entführt…“

„Außergewöhnlich an dem Fall war eher, dass Molly eines Tages einfach vor der Haustür stand, mit einem Blut beschmiertem Kleid, völlig fröhlich, aber ohne Verletzung und hat sich zunächst total normal verhalten wie vorher auch“, sprach Kevin.

Links Augen verrieten Ungläubigkeit, und er musterte Kevin eindringlich. „Aber ist sowas nicht ein Fall für einen Seelenklempner?“, meinte er sachlich. „Es soll ja beinah normal sein, dass Kinder solche Traumageschichten in ihrer Phantasie verarbeiten. Für uns Außenstehende wirkt das schräg, aber wer weiß schon, wie es in der Seele von diesem Kind ausgesehen hat. Ich verstehe aber immer noch nicht, warum das so ungewöhnlich gewesen sein soll.“

„Das war ja noch nicht alles. Die Eltern waren fassungslos, konnten ihr Glück kaum fassen, hatten sie schließlich ihr Kind wieder.“

„Das wäre ich wohl auch in so einer Situation, ich verstehe immer noch nicht, was du so komisch findest, Kevin.“

„Lass‘ mich ausreden“, sprach er und starrte grübelnd an die Zimmerdecke. „Auch in der Zeit danach schien alles in Ordnung zu sein. Es fing mit Kleinigkeiten an, die kaum jemand bemerkte. Molly wurde manchmal aggressiv und panisch, sie begann mehr zu streiten als früher. Je mehr Zeit verging, umso skurriler wurde es. Sie begann in einer anderen Sprache zu sprechen, wurde gefährlich und schlug um sich. Sie tötete ihren drei Jahre älteren Bruder mit einem Messer, während er schlief, und mischte Gift in das Essen ihrer Eltern. Die ganze Familie kam um und Molly, die ein einfaches Kind gewesen war, verschwand wieder. Seit drei Monaten erzählt man sich in meinem Dorf diese Geschichte und manche wollen Molly in der Nacht durch die Straßen tanzen haben sehen, lachend und blutbeschmiert.“ Je länger er sprach, umso zittriger wurde seine Stimme und umso deutlicher der irische Akzent, den er sich angeeignet hatte.

„Krass…“, seufzte Link. „Das ist dann tatsächlich sehr merkwürdig“, stimmte er zu und fragte sich, ob dieses Ereignis tatsächlich etwas mit dem Unhold zu tun hatte, der in seiner Heimatstadt wartete. Vielleicht hatte Mollys Wandel in ein psychopathisches Wesen nichts mit Link und Zelda zu tun?

„Ich finde, solche Ereignisse müssen erzählt werden, sei also vorsichtig, wenn du einem Kind helfen willst, welches so aussehen könnte wie Molly, rote, gelockte Haare und grüne Augen hat, es könnte gefährlich sein, ihr zu nahe zu kommen.“

Link erhob sich, bewegte seine leicht steife Schulter, die erneut elend schmerzte. Er knirschte mit den Zähnen und streckte sich. „Aber woran liegt das? Ein einfaches Kind wird nicht mir nichts dir nichts zu einem herzlosen Monster. Da muss etwas passiert sein. Und außerdem, wie hat es ein so kleines Kind geschafft, irgendwo im Nirgendwo zu überleben?“

„Nun, das weiß niemand. Und es wird sogar noch furchteinflößender“, sprach der MyMayorsohn und schloss wieder die Augen.

„Lass’ mich raten. Es sind noch mehr Leute verschwunden.“

Kevin nickte bloß, gähnte und hoffte, er bekam diese Nacht keine Alpträume.

Mit neuer Unruhe in seinem Herzen trat Link von einer Zimmerecke in die nächste, versuchte das alles in seinen Kopf zu kriegen, versuchte zu begreifen, was er mit diesen Horrorerzählungen anfangen sollte. Ob es wirklich Vorsehung war, dass er ausgerechnet jetzt, wo solche Gruselgeschichten erzählt wurden, nach Irland kam? Und was war mit den anderen Dingen, die scheinbar unbeachtet in der Welt geschahen? Was war mit den Naturkatastrophen, die sich häuften? Was war mit den Unglücken, die in größerer Anzahl stattfanden? Sollte er wirklich noch an Zufall glauben?

„Auf der ganzen Welt geschehen merkwürdige Dinge…“, hauchte er betrübt. „Es sind nicht nur solche merkwürdigen Umstände. Es sind auch die Katastrophen, die sich häufen.“

„Du glaubst nicht, dass der Tag des Jüngsten Gerichts bevorsteht, oder?“

Schulterzuckend entgegnete er. „Ich hab‘ nur das Gefühl, dass irgendetwas im Gange ist. Vielleicht war es ein Fehler hierher zu kommen. Eigentlich sollte ich…“ Link brach ab. Seine Gedanken wanderten unwillkürlich nach Schicksalshort, zu seiner Familie, seinen Freunden und zu Zelda. Seine tiefblauen Augen ließen nur einen Funken der Zuneigung zu, die er für seine Seelenverwandte empfand und doch war jener schon genug.

„Du denkst wohl an sie…“

„Was?“

„Nun tu’ doch nicht so. Zelda, dein Licht, wovon du gesprochen hast, ist nicht eine Freundin, oder? Sie ist deine Freundin. Etwa nicht?“

Link wurde nervös und ein verräterisches, schamhaftes Rot pflanzte sich in seinem ansehnlichen Heldengesicht fort. Von der Nasenpartie zu den Wangenknochen veränderte sich seine käsige Farbe und schließlich rahmte die tückische Verlegenheitsfarbe ihn ganz ein.

„War ja bloß eine Frage“, schmunzelte Kevin. „Deine Freundin?“, wiederholte er und legte die Arme hinter den Kopf.

„Nein, ist sie nicht.“

„Aber du wünschst dir, dass es so wäre, was?“, grinste der zugewanderte Irländer.

Gereizt und mit großen Augen drehte sich Link zu seinem neuen Bekannten, versuchte etwas Sinnvolles zu sagen, aber er brabbelte nur irgendeinen Blödsinn und ließ sich quietschend in den Sessel zurückfallen. Beim heiligen Deku, warum nur brachte ihn eine solche Frage so dermaßen aus der Fassung, dass er nicht einmal mehr klar denken konnte? Er sehnte sich gerade jetzt nach einer Riesenportion kaltem Eis, in welchem er sein knallrotes Gesicht verstecken könnte. Eis in jeder Sorte, aber vor allem Nuss. Eine seiner Vorlieben, die er noch nie hinterfragt hatte. Auch ein Überbleibsel von seinem früheren Leben, denn im Kokiriwald gab es häufiger Nüsse, Beeren und jegliche andere Früchte des Waldes als andere hylianische Gerichte.

„Aber sie bedeutet dir viel?“, meinte Kevin beschwichtigend. „Das sieht man dir an der Nasenspitze an.“

„Ja, das streite ich nicht ab.“ Link war überrascht, dass es so offensichtlich war, wenn er an sie dachte, obwohl Kevin ihn nur kurz kannte und Zelda noch nie gesehen hatte.

„Was immer auf der Welt vor sich gehen mag, was könnten wir schon daran ändern? Und vor allem, was sollten wir zum jetzigen Zeitpunkt tun können…“, sprach der Irländer und zog sich die Decke halb über seinen Kopf. „Ich denke, es bringt nichts uns die Köpfe zu zerbrechen. Ich würde dann gerne die Augen zu machen…“

Link nickte. „Ja, du hast Recht. Bis morgen früh…“ Leise schloss der blonde Heroe die Tür ins Wohnzimmer und war auf dem Weg ins Schlafzimmer, als er es sich anders überlegte. Er konnte nach diesem Angriff und den seltsamen Geschichten, die Kevin erzählt hatte, einfach kein Auge zu machen. Er brauchte Ablenkung, und vielleicht ein paar Erklärungen.
 

Da die Nacht eine angenehme, erfrischende Kühle mit sich gebracht hatte, zog er sich eine dunkle Lederjacke über, und trat bewaffnet mit seinen Dolchen hinaus in die Dunkelheit. Er verschloss die Haustür des Bungalows und warf einen Blick auf seine Armbanduhr, es war kurz nach Mitternacht. In den wenigen Häusern hier in der Anlage waren die Lichter aus, selbst die Straßenlampen leuchteten nicht mehr. Kurz überlegte Link sich dennoch in Richtung der wenig befahrenen Straße zu begeben, die Monsterwölfe herauszufordern, ignorierte die Schuldgefühle in diesem Zusammenhang jedoch und verdrängte den Gedanken. Dann kam ihm die Idee vielleicht bei Sian Johnson zu klingeln und den geheimnisvollen Kerl auszufragen, ob dieser Antworten für ihn hatte. Aber es brannte in dem heruntergekommenen Schloss kein Licht mehr. Und auch diesen Gedanken vergaß er so schnell er aufgekommen war wieder. Nur… irgendetwas musste er tun. Er konnte mit dieser Ungeduld in seinem Herzen, den Gewissensbissen und seinem Verantwortungsgefühl kaum schlafen gehen. Er musste jetzt etwas tun, sonst würde er halb wahnsinnig werden…

Er entschied an dem pechschwarzen See entlang zu trotten, atmete die erfrischende Nachtluft tief in seine Lungen und bewegte sich gelassen über den kleinen Trampelpfad, der sich in die Felder gebrannt hatte. Nach wenigen Minuten begann der vergessene Heroe zu rennen, powerte den angestaunten Frust heraus, bis er nahe eines kleinen Waldabschnitts stehen blieb, sich auf seine Knie stemmte und nach Atem rang. Seine tiefblauen Augen blitzten unter dem blonden Haar hervor, das in der Dämmerung wie ein dunkler Vorhang über sein Gesicht fiel. Wut brannte in seinen Augen und eine Verzweiflung, die er nicht unterdrücken wollte. Er war der verdammte Held aus einer anderen Welt! Er sollte zu mehr in der Lage sein als einfach bloß ein Schwert zu schwingen mit einer selbsterfundenen Technik, die er sich innerhalb von wenigen Wochen angeeignet hatte! Er konnte ja nicht einmal verhindern, dass unschuldige Menschen in grausame Kämpfe gezerrt worden! Wozu war er überhaupt gut?

Er durchwühlte sein Haar, und ließ seinen angestauten Frust mit einem Schrei aus seinem Körper, bis er sein Haupt in Richtung des Mondes richtete. Wie um alles in der Welt sollte er nur verstehen können, warum er auf dieser Welt lebte und warum er eine Vergangenheit hatte, die ein beinahe witziges Vermächtnis als Konsolenspiel in dieser Welt hatte?

Er seufzte, fühlte sich seit langer Zeit überfordert und den Tränen nahe und wünschte sich bloß, dass dies alles vorbei war. Die Kämpfe. Dieses grausame Schicksal und die vielen Rätsel…
 

Der grünbemützte Jugendliche schlug sich gegen die Stirn und entschied sich in aller Ruhe zurück zum Camp zu begeben. Was hatte er von seinen verdammten Grübeleien, letztlich konnte nur Zelda ihm von der Vergangenheit berichten. Und nur sie konnte ihm begreiflich machen, was in den nächsten Wochen geschehen musste. Murrend tapste er vorwärts, schlug größere Steine mit seinen Turnschuhen beiseite, bis er im glühenden Schein, den der Mond niederwarf etwas am Waldrand ausmachen konnte. Alarmiert blieb er stehen, duckte sich und ließ seine tiefblauen Augen in Richtung des Waldes wandern, wo er ein unterdrücktes Geräusch vernehmen konnte. Es klapperte, wie als schlug man Holz gegen Holz. Es raschelte und mit dem Rascheln erklang zaghaft eine leise Kinderstimme. Es war ein Gesang, piepsig und kaum verständlich. Es klang, als sang jemand in einer vergessenen Sprache, ein leiser Gesang, der Gefahr verriet.

Vorsorglich zog Link das Kampfmesser, das er an seiner rechten Wade versteckte, bis er im Halbschatten eine kleine Gestalt am Waldrand erblicken konnte. Es musste ein kleines Kind sein, vielleicht ein Mädchen, denn soweit sein Auge reichte, konnte er schulterlanges Haar entdecken. Und es wirkte, als tanzte das Kind unter dem hellen Gesang, den es verbreitete. Link unterdrückte seine Atmung, nicht sicher, ob er sofort angreifen sollte. Welches normale Kind spielte mitten in der Nacht am Waldrand? Es konnte nicht anders sein, als dass es sich hier um das irische Mädchen Molly handelte, die einige Menschen getötet hatte.

Link bewegte sich unauffällig näher, sein zum Töten bereites Kampfmesser blitzte. Und es war dann, dass jene kleine Gestalt vor ihm den Gesang unterband, stehen blieb und in seine Richtung deutete. Der Held war nur wenige Meter entfernt, als das vermeintliche Mädchen mit beiden Armen Andeutungen machte näher zu treten. Sie winkte ihm zu.

Irritiert stoppte Link seinen geplanten Angriff, zwinkerte und sah das tanzende Kind in Richtung der Wälder huschen. „Warte!“, rief Link, gab sich preis, wissend, sie hatte ihn ohnehin bereits bemerkt. Aber sie rannte davon, rannte hinein in die Wälder, fliehend oder ihn herausfordernd. Er wischte sich über die Stirn, und seine Mundwinkel zogen sich nach oben. Was hatte er noch zu verlieren? Wenn er dieser Aufforderung nicht folgte, würde er es ohnehin bereuen. Er würde bereuen seiner Neugierde nicht nachgegeben zu haben. Und ohne einen Gedanken an die mögliche Gefahr war auch der heldenhafte Jugendliche im pechschwarzen Dickicht des Waldes verschwunden…
 

Verräterische Geräusche drangen an Links Ohren, verursacht durch seine Turnschuhe, die auf knirschende Zweige traten. Wölfe, die von weitem heulten und die Stille, die sich unter diese mischte, fühlte sich herausfordernd für den einsamen Streiter an. Zielsicher, das Mädchen zu finden, trat Link vorwärts, orientierte sich an den Bäumen und einem milden Schein, den er zunächst als Licht des Mondes interpretierte. Mehrere Minuten schlich der junge Heroe vorwärts, versuchte sich den Weg einzuprägen und erreichte in der Finsternis einen Trampelpfad. Gemächlich folgte er seinem Weg, war wachsam und bereit für jede Gefahr, die das Dickicht bereit hielt. Sein Weg führte ihn in das Herz des Waldes, bis er die Gefahr völlig ignorierte. Da war Verzauberung in der Dunkelheit, Geheimnisse, die nicht jeder Mensch bereit war zu ergründen und dort war irgendwo eine Antwort. Er erreichte eine kleine Brücke, bewachsen mit Moos und Efeu, trat vorsichtig über das Gestein der Überführung und hörte einen kleinen Bach plätschern. Seine Hände streichelten an Moos und Gestein entlang, berührten Baumrinden, bis er das Gefühl hatte, er konnte hier in der Finsternis alles sehen, was er sehen musste. Mit einer leichten Gänsehaut tastete er sich vorwärts, genoss die Ruhe, die nicht einmal mehr ein Wolfsgeheul an jenen Ort dringen ließ. Und dann am Ende des Weges, noch immer verborgen im Halbschatten, trat erneut eine kleine Gestalt, summte und schien ihm erneut zuzuwinken. Sie kicherte, worauf er stehen blieb, sich fragte, was er hier überhaupt tat und realisierte, dass er sich vielleicht sogar verlaufen hatte. Eine leichte Panik schoss ihm zu Kopf, ließ ihn wahrnehmen und stachelte die Kämpfernatur in seiner Seele an.

„Du wolltest, dass ich dir folge, nicht wahr? Du hast mich hierher geführt!“, rief Link in die Düsternis, aber auch diesmal erfolgte keine Antwort. Er hastete vorwärts, trat durch kniehohes Gras zu dem Ende des Weges, dort, wo das Kind noch gerade eben gestanden hatte, aber sie war nicht zu erreichen. Sie spielte Katz und Maus mit ihm, vielleicht um ihn tatsächlich herauszufordern.

Link lehnte sich mit dem Rücken an einen Laubbaum, hielt seine Sinne bereit für einen möglichen Angriff, aber kein Angriff kam. Es blieb ruhig in den Wäldern, verträumt und märchenhaft, bis er einmal mehr einen reinen, faszinierenden Gesang vernehmen konnte. Er fühlte sich wie damals, als er Zelda in den Wäldern gefunden hatte, und auch das Gefühl mit einer Gefahr konfrontiert zu werden, verschwand. War es vielleicht gar nicht Molly, die hier auf ihn lauerte?

Er orientierte sich weiter, blickte mit seinen scharfen Augen, die sich der Dunkelheit anpassten umher und sah von weitem kleine Lichter funkeln, die ihn beinahe magisch anzogen. Zögerlich verstaute er den Dolch wieder unter seinem Hosenbein, wusste, er würde ihn nicht mehr benötigen, denn die Lichter, die in der Ferne funkelten, erweckten Wärme, Sanftmut und Freude. Mit einem leichten Lächeln trat er weiter, wühlte sich durch Sträucher und an Hecken vorbei und erreichte eine Quelle, die in den seltensten Träumen Platz fand. Es war ein Ort der Magie, ein Ort, wo gelebte Schicksale ihre Vollkommenheit fanden und wo Wesen tanzten, die sich im Glück badeten.

Wie hypnotisiert schlich der einsame Wanderer durch die finstere Nacht, strich einige Sträucher beiseite, und als er seine Augen schloss um sie wieder zu öffnen, konnte er kaum glauben, kaum fassen, was er sah. Er fühlte sich wie in einem angenehmen Traum, in einer Zuflucht und vielleicht das erste Mal wirklich Zuhause…

Vor ihm lag ein kleiner See, ein Teich, der doch wie ein großes Auffangbecken kristallklares Wasser sammelte, und am Rande dieses großen Beckens, waren drei Statuen mit menschlicher Gestalt angebracht, die mit liebevollen Händen gemeißelt worden waren. Von Händen, die mit einer faszinierenden Kunst Abbilder von Feen und Engeln geschaffen hatten. Und aus den Händen jener lebensgroßen Statuen plätscherte das Wasser.

Aber was seine Augen so verwunderte, was er mit seinen Blicken kaum einfangen konnte, waren Lichtkugeln, die wie Glühwürmer leuchteten. Mit geschmeidigen Bewegungen tanzten Wesen voller Magie und Heiligkeit auf der Wasseroberfläche, zischten leise und lebten für den Augenblick einer unsterblichen Geschichte.

Link sackte auf die Knie vor Verzauberung, führte beide Hände an seine Lippen und war berauscht, war umschmeichelt von einer alten Wahrheit, jener, dass es ausreichte an Wunder zu glauben, dass es sich lohnte den Funken eines ruhenden Wissens, das in jeder Seele schlummerte, am Leben zu halten. Denn dort, wo seine tiefblauen Augen begannen zu verstehen und begannen zu glauben, wandelten Geschöpfe der Windmagie in den Lüften. Feen tanzten hier, erfüllten den Ort mit Lebendigkeit, spielten mit den Zweigen und Ästen, brachten das kristallene Wasser zum Funkeln.

Link wollte etwas sagen, er wollte sein Erstaunen ausdrücken und doch traute er sich nicht seine Stimme zu erheben, hier wo Feen summten, wo die Welt noch rein und wunderschön war, hier, wo ein Geheimnis war, das beschützt werden sollte. Mit der Stimme der Hoffnung in seinem Herzen ließ er sich einnehmen von dem alten Reigen, einer Symphonie von Tausend Wünschen. Die Feen tanzten gemeinsam. Feen in Kleidern aus geflochtenen Gräsern, Gewändern aus gewebtem Blut und Umhängen aus Silberstaub. Einige saßen kichernd auf den Statuen aus glattem Gestein. Einige sprangen wie Grashüpfer über die funkelnde Wasseroberfläche… aber ganz gleich, was sie auch taten, ihnen allen gemein war eine überschäumende, fühlbare Herzlichkeit und Lebensfreude…

Als er seine Hand ausstreckte nach jener alten Wärme, nach diesem Gefühl Teil von etwas Großartigem zu sein, kicherten die Feen erneut, lächelten ihm zu und verpufften schließlich klirrend, als war ihre Aufgabe erfüllt. Der Ort wurde leer und ruhig, die Wälder schwiegen; und das Märchen aus einer anderen Welt war nun nicht mehr als eine Erinnerung in der Seele eines Kämpfers ohnegleichen.

Ungläubig hockte der junge Heroe auf der Wiese vor jener Quelle, wo nun keine Lichter mehr funkelten. Aber die Magie war nicht verloren, sie war nicht vergessen. Sie war wunderschön und erhaben über alle, die Wunder verleugneten. Link hatte Tränen in den Augen, weil er mit der Begegnung von etwas so Sanften und Reinen einen großen Teil seines Mutes zurückgewinnen konnte. Er war verzaubert…

Er erhob sich lächelnd, blickte noch einmal in die Dunkelheit, als er am anderen Ufer des kleinen Teiches einmal mehr ein junges Mädchen erblickten konnte. Aber nun konnte er sie deutlich erkennen, konnte spüren, dass sie keinesfalls das irische Kind Molly war, das auf grausame Weise die eigene Familie getötet hatte. Sie war vertraut, leicht dicklich, aber ein süßes Mädchen mit blonden Zöpfen und Augen, die wie giftige Smaragde durch die Nacht stachen.

„Du hast mich hierher geführt… du bist…“, murmelte Link und trat so schnell er konnte durch die eher flache Wasserstelle in ihre Richtung. Seine Hose war bis zu den Knien durchgeweicht, als er sie erreichte und das Kind nun keinesfalls mehr weglief. Erwartend funkelte sie ihn an.

„Du bist das Mädchen, das mich besucht hat…“, sprach er und nahm gerade jetzt, da der Zauber endete, auch wieder seine schmerzende Schulter wahr. „Warum hast du mich hierher geführt?“

Er konnte im Licht des Mondes das hinterhältige Grinsen in ihrem von Sommersprossen übersäten Gesicht erkennen und daraus sprach Verzückung und Genugtuung. „Natürlich war ich das. Ohne mich hättest du diesen Ort kaum gefunden.“ Sie kicherte genauso einprägend und herzlich wie die Feen. „Und es hatte einen Grund… nämlich den, deine Augen wieder für das zu öffnen, woran die glauben musst.“

„Ich verstehe nicht…“, entgegnete er und atmete tief durch.

„Komm‘ mit mir und ich erkläre es dir.“ Sie reichte ihm eine kindliche Hand, die er ohne zu zögern annahm. Er wusste, er konnte ihr vertrauen, hatte sie ihm schon so oft bewiesen, dass sie auf seiner Seite stand. Er lauschte ihrer Kinderstimme und ließ sich durch die Wälder zurück zu dem Camp führen. Galant folgte sie einem selbsterdachten Pfad, als schwebte sie durch die sternenklare Nacht.

Sie lachte. „Du dachtest wahrlich, du müsstest mich mit deinem tollen Dolch angreifen, was?“

„Es war etwas unglücklich mich in der Nacht aufzusuchen, wenn man bedenkt, dass in dieser Gegend ein psychopatisches Kind herum läuft“, erklärte er und ließ sich von der Kleinen Lady weiter führen. „Wie kommt es, dass du nun in Irland bist? Überhaupt… ich verstehe bis jetzt nicht, warum du mir hilfst, wer du bist und was dein Ziel ist…“ Link zwang sie beide zum Stehen, ahnend, sie würde dieser Frage ausweichen.

„Das sind ein paar Fragen zu viel für den Anfang, Linky“, lachte sie. „Ich würde sagen, wir fangen mit ein paar kleinen Fischen an. Wir werden uns noch öfter begegnen und dann wird das alles klarer für dich werden.“

„Das klingt spannend“, entgegnete er und verdrehte die Augen. „Wie wäre es, dass du mir endlich sagst, wie du heißt?“

„Das sagte ich bereits“, sprach sie und zerrte den erwachsenen Mann weiter des Weges. Es sah irritierend aus, dass sich ein Jugendlicher wie Link von einem vielleicht sechs Jahre alten Kind durch den Wald zerren ließ…

„Du hast gesagt, du hättest keinen Namen in dieser Welt. Bedeutet das, du hast einen Namen aus einer anderen Welt?“

„So in etwa, ja“, maulte sie. „Echt mal, du bist wirklich ein hartnäckiger Brocken und mit nichts zufrieden zu stellen. Kannst du nicht einfach mal froh sein, dass ich dir geholfen habe?“

„Ähm…“ Er kratzte sich im Gesicht.

„Und etwas Dankbarkeit zeigen dafür, dass ich dir gezeigt habe, dass Feen sehr wohl noch existieren?“ Sie hielt ihm einen kleinen Zeigefinger in Richtung Nase.

„Nun…“

„Du hättest nämlich bald deinen Glauben an das Gute hinterfragt, wenn das mit deinen Grübeleien so weiter gegangen wäre.“

Sprachlos trottete Link erneut auf der Stelle und senkte den Blick zu Boden. Wo sie Recht hatte, hatte sie Recht… Er war in den letzten Tagen unheimlich durcheinander gewesen, und hatte erst jetzt das Ausmaß von Zeldas Erscheinen verstanden. Sein ganzes Weltbild hatte sich verändert.

„Du hast die Geschichten von Unheil und Verdammnis erlebt… Ich weiß, dass es schwer für dich ist zu begreifen, was auf der Erde geschieht. Und ich weiß, was du wissen willst, Linky. Du fragst dich, ob dein Gespür, dass auf dieser Welt etwas Katastrophales geschieht, richtig ist…“

„Und ist es das?“

Sie konnte seine tiefblauen Augen leuchten sehen, in einem starken Glanz seines stählernen Willens. Vielleicht hätte er seinen Glauben nicht verloren, aber sie war sich sicher, dass ihm die Feenbegegnung gut getan hatte. „Es tut mir leid, aber ja… die Wölfe waren nur ein Witz im Gegensatz zu dem, was noch kommen wird…“

Link seufzte und ihre Worte schienen ihm bitter aufzustoßen. „Wie schlimm wird es werden?“, murmelte er.

„Das weiß ich nicht, Linky, ich kenne die Zukunft nicht, ich kenne bloß die Vergangenheit.“

„Du hast etwas mit Hyrule zu tun, nicht wahr?“

Sie kicherte, tanzte um ihn herum und stupste ihn vorwärts. „Natürlich habe ich etwas mit Hyrule zu tun, alle, die dir begegnen, haben etwas mit Hyrule zu tun, nur manche von diesen Leuten hast du vielleicht nicht einmal in deinem früheren Leben kennengelernt.“

Daraufhin drehte er sich um seine Achse, kniete nieder und packte das Mädchen schroff an den Schultern. „Wenn du die Vergangenheit kennst, kannst du mir dann erzählen, wann ich in Hyrule gelebt habe? Wer war ich und welcher Held!“ Da war so viel Aufrichtigkeit in seinen Augen, dass jene durch die Nacht zu schimmern schien.

„Linky…“, murmelte sie anteilnehmend. „Bei Titania, der Feenkönigin, ich wünschte, ich wüsste das.“ Sie legte ihm beide Kinderhände auf die Wangen. „Ich weiß nicht, in welcher Zeit und Welt deine letzte Reinkarnation geschah, aber seh‘ es doch einmal so… es spielt keine Rolle, wer du früher warst. Wir sollen reifen, uns entwickeln in den verschiedenen Leben, deshalb kann nur das Leben, was du gerade führst Früchte tragen. Es macht nichts, wer du früher warst. Wichtig ist, wer du jetzt bist.“

Er lächelte, so viel konnte sie in der Düsternis erkennen. „Das ist einfach stark, weißt du. Ich unterhalte mich mit einem kleinen Mädchen, das erwachsener ist als so manche alten Herrschaften auf dieser Welt.“ Er machte eine kleine Pause und setzte hinzu. „Du bist eigentlich gar kein Kind, habe ich Recht?“

Sie kicherte erneut und zog ihn weiter des Weges. „Die Antwort überlass‘ ich dir.“

Er entgegnete nichts und ließ sich weiter des Weges führen. Nach wenigen Minuten ließen die beiden Wanderer die Wälder hinter sich und vielleicht war jene versteckte Metapher ein Bild für ganz lang vergessene Geschehnisse. Nachdenklich ließ Link seine tiefblauen Augen über die weiten Ebenen des unberührten Landes schwenken, wie als entdeckte er die Welt neu.

„Weißt du, Linky, ich kannte einst einen Jungen, der die Welt veränderte…“ Sie riss sich von seiner Hand los und tänzelte über das Gestein, ließ in ihrem Wandeln Lebenslust erkennen. „Es war in einer anderen Welt, wo das Böse die Welt verseuchte mit dunklen Energien, die niedere Geschöpfe erschufen und auch gute Wesen befielen. Es war eine grausame Zeit, aber dieser Junge hat sich niemals brechen lassen, niemals aufgegeben. Und auch du solltest dir deinen Willen bewahren. Füttere ihn, deinen Willen!“ Sie grinste deutlich und ihr Lächeln war entzückend, hier wo das Licht des Mondes hell glühte.

„Aber hatte denn dieser Junge, von dem du sprichst, niemals Momente, wo ihm danach war alles hinter sich zu lassen und aufzugeben?“

„Natürlich hatte er diese… jeder hat diese… und es wäre nicht richtig, wenn er diese nicht hätte. Zweifel gehören zu einem großen Schicksal dazu.“

„Auch du hast Zweifel, obwohl du wirkst wie ein Kind, das einen wohltuenden Sinn im Weltengeschehen finden konnte?“

Sie stoppte ihren Tanz und kam vor Links Antlitz zum Stehen. Ihre grünen Augen schimmerten im Licht des hellen Mondscheins. „Wer wären wir ohne Zweifel, ich habe Zweifel gehabt, Schuldgefühle ausgestanden wegen damals… und manche Schuldgefühle kochen noch immer hoch. Weißt du, ich habe meinen besten Freund einfach so verlassen, nachdem er die Hölle durchgemacht hatte. Alles nur, weil höhere Instanzen es so wollten. Ich hätte mich wehren sollen, so wie auch andere sich aufgelehnt haben gegen die Ungerechtigkeit.“

„Aber du hilfst mir… Ist das nicht Zeichen genug, dass du dich nicht allem beugst, was andere Instanzen fordern? Du hast mir geholfen, Zelda zu retten… nicht nur einmal.“ Link erinnerte sich mit einem drückenden Gefühl auf der Brust an den Seelenfänger oder auch an die Nacht, wo Zelda von einem falschen Abbild bedroht wurde. Zu jenem Zeitpunkt war es dieses Mädchen, das ihm aufgetragen hatte nach der Prinzessin zu schauen. „Warum hast du mir geholfen sie zu retten?“

„Weil ich weiß, dass du nicht ohne sie leben kannst“, lachte sie. „Und sie nicht ohne dich. Wie ich bereits sagte, ihr beide seid Seelenverwandte seit Tausenden von Jahren, und ich bewundere dies. Wer möchte nicht eine Seelenverwandtschaft haben, die Ketten der Zeit sprengt, die sich anfühlt wie eine Heimat, beständiger und großartiger als alles andere auf der Welt?“

„Das ist unglaublich schön… ich meine, so wie du das formuliert hast“, murmelte er und schloss lächelnd die Augen. Und es war noch weitaus mehr, was das Mädchen mit ihren Worten verbildlichte. Seit Zelda in seinem Leben war, fühlte er sich endlich vollwertig…

„Ich bin eben gut mit Worten“, neckte sie.

„Nicht nur das, was?“, lachte Link. „Du weißt unglaublich viel, oder? Du hast mir zum Beispiel geholfen meine Schwertechnik zu finden.“

„Das ist das mindeste, was ich tun kann. Und ich konnte dir zeigen, dass es auf dieser Welt neben den grauenvollen Dingen auch Schönheiten gibt, an die Menschen glauben müssen. Der Glaube erhebt Feen aus der Phantasie, sie können leben, genauso wie die Hoffnung an das Gute…“

Der Heroe nickte, hatte verstanden, was das Mädchen mit den wissenden grünen, Augen ihm auf den Weg mitgeben wollte. Er hatte verstanden, was er tun musste. „Danke, dass ich sowas wie einen Schutzengel habe…“

„Jetzt werd‘ nicht sentimental“, sprach sie und ihre Augen schienen leicht zu schimmern. Sie hatte Tränen in den Augen, vielleicht weil Link ihr wichtiger war als sie zugeben wollte.

Er kniete nieder und hatte beinah den Wunsch das Kind zu umarmen. Aus irgendeinem Grund spürte er gerade jetzt eine tiefe Verbundenheit dem Mädchen gegenüber, die er nicht erklären konnte. Da war eine innige Freundschaft, eine Zuneigung, die resultierte aus Vertrauen, das blindlings bis in den Tod führen konnte. Aber diese Zuneigung war anders als Zelda gegenüber. „Danke trotzdem…“, sprach Link und lächelte.

„Kein Thema“, entgegnete sie. „Ich muss dann weiter, Linky.“

„Mehr Antworten erhalte ich jetzt noch nicht, huch?“

„Nein, vorerst reicht es.“ Sie hielt ihm ihre Kinderhände hin, die er kurz drückte, bis sie einige Schritte nach hinten trat. Und es waren Sekundenbruchteile später, dass sie umgeben von silbernen Splittern umrahmt wurde. „Bis demnächst, mein Freund“, flüsterte sie und die silbernen Splitter tanzten in den Lüften, bis sie sich mit dem gleißenden Licht des Mondes vermischten…
 

Mit einem leichten Grinsen erreichte Link das Camp, steuerte den Bungalow an, in dem er seine Ferien verbrachte. Er führte gerade seinen Schlüssel in das Schloss der himmelblau gemalten Tür, als ihn jemand mit einer kühlen Hand auf die Schulter tippte. In Sekundenschnelle wirbelte der Heroe herum, drückte eine fremde Gestalt drohend an die Haustür, sodass es herb polterte, und setzte jener Person flink und galant ein Kampfmesser an die Kehle. Die fremde Person war nicht in der Lage so schnell zu reagieren, starrte den jungen Helden dann mit einem unterdrückten Schrei in einem langen Mädchengesicht in die Augen. Sie begann zu wimmern, zitterte unter Links Zugriff, bis er sich die Person betrachtete und ahnte, dass es sich hier keinesfalls um einen Feind handelte. Es war eine außergewöhnlich große Dame, beinahe dürr, mit kurzem, blondem Haarschnitt. Sie musterte Link mit Entsetzen in ihren geweiteten, grauen Augen, bis sie anfing zu winseln. Dann endlich brach ein lautes Mädchengeschrei die nächtliche Stille. Und innerhalb von Sekundenbruchteilen ging in dem Bungalow die Deckenbeleuchtung an.

„Bitte… bitte…“, wimmerte sie. „Lass‘ mich los… bitte…“ Augenblicklich trat Link einen Schritt zurück und ließ den Dolch in seiner Hand sinken. Auch er war nun entsetzt, realisierte, dass er mit den Ereignissen in der letzten Zeit oft überreagierte. Er musste nicht alle in seinem Umfeld für Feinde halten… Und dieses Mädchen wirkte alles andere als gefährlich, sprach sogar seine Sprache. Aber was wollte sie?

„Was bist du für ein verrückter Kerl, mich gleich anzugreifen!“, sprach sie ängstlich und wich noch einen Schritt zurück.

„Was schleichst du dich auch an mich heran!“, rechtfertigte sich Link.

In dem Moment platzte ein genervter Patrick van der Hohen in Schlafanzughose aus dem Bungalow, rieb sich den Schlafsand aus den Augen und begaffte die Dame als käme sie vom Mars. Er sah geknickt und unheimlich enttäuscht drein. „Das darf jawohl nicht wahr sein…“, seufzte er.

„Hallo Patrick“, murmelte die fremde Dame benommen und blickte noch einmal ängstlich in Links erschöpftes Gesicht.

Patrick jedoch bekam sein Mundwerk schon gar nicht mehr zu, trat neben Link und starrte das Mädchen an, das in etwa in Link und Patricks Alter hatte. „Patrizia, was willst du denn hier?“, fauchte er. „Mach’ dich vom Acker, ich brauche keine Stalkerin in dieser Bude.“

Sofort war Link klar, was vor sich ging. Er hob seine Augenbrauen und seine leichten Skrupel, dass er sie angegriffen hatte, verschwanden. Dieses ausgefuchste Mädchen war die Stalkerin, von der Pat gesprochen hatte und sie hatte es doch tatsächlich geschafft, das Camp ausfindig zu machen und den heißblütigen Zeldafan, der eigentlich auf der Flucht vor ihr war, einen Besuch abzustatten.

„Ich wollte bloß Hallo sagen, Patrick-Schatz“, sprach sie.

„Und das um diese Uhrzeit?“, sprach jener entrüstet. „Merkst du eigentlich, dass das Psychoterror ist, was du hier treibst? Du reist mir hinterher, spionierst mich aus!“

Sie hob einen Zeigefinger und unterbrach ihn. „Stopp! Ich habe einen Onkel hier in der Nähe und zwei Cousinen, die mich freundlicherweise eingeladen haben. Es ist schlichtweg nur Zufall, dass das Camp von Leon Johnson in der Nachbarschaft liegt!“ Sie schien sich mit aller Mühe zu verteidigen.

„Das erklärt noch lange nicht, wie du auf die Idee kommst nach Mitternacht hier herum zu schleichen!“

„Ich bin vor einer Stunde erst angekommen, ich habe die Spätfähre genommen!“

„Gott, du bist echt nicht verlegen dir Ausreden auszudenken!“ Der van der Hohen blickte hilflos wirkend in Links Richtung. „Das ist die Stalkerin von der ich dir erzählt habe…“, sprach er an den Helden gerichtet. „Hab‘ ich nicht gesagt, dass sie total irre im Kopf ist!“ Neben dem rasenden Ärger war aber auch Traurigkeit in Patricks Gesichtszügen abzulesen.

„Ich bin keine Stalkerin, Patrick! Bitte, ich konnte das alles nicht so stehen lassen… Ich musste dir hinterher reisen, bitte rede mit mir…“, sprach sie bittend.

„Schön, ich überleg‘ es mir, aber gewiss nicht um diese Uhrzeit! Verschwinde… es ist spät“, maulte er. Der Zeldafan schien sehr verletzt worden zu sein, wenn er ihr nicht einmal eine Chance geben wollte. Fluchend und grummelnd ging er zurück ins Haus und schlug die Tür hinter sich zu.
 

Patrizia zog die Nase nach oben und brachte ein weiteres Winseln über ihre Lippen. Sie schluchzte leise, sah Link desinteressiert in seine tiefblauen Augen und trat in schnellen Schritten in Richtung der wenigen Häusergruppen, die nahe des Camps standen. ,Da musste einiges schief gelaufen sein‘, dachte der junge Heroe. Auch er hatte Freunde, vor allem aus seiner Zeit im Kinderheim, von denen er nichts mehr gehört hatte, aber bisher hatte er sich mit seinen Freunden immer aussprechen können, bis auf die schwierige Auseinandersetzung mit Zelda, die er lange Zeit nicht lösen konnte. Und nur deshalb, weil sie es nicht zuließ. Ob es bei seinem neuen Freund Patrick van der Hohen ähnlich war? Vielleicht musste er es zulassen mit seiner angeblichen Stalkerin zu reden? Link hatte beinahe das Gefühl, dass diese Patrizia unter der zerbrochenen Freundschaft litt… und sie litt bitterlich…
 

Als der einstige Held den anstrengenden Tag endlich ausklingen ließ, er sich selbst ins Schlafzimmer begab und in diesem Tommy weinerlich schnarchen hörte, sah er Pat van der Hohen hellwach auf seinem Bett sitzen. Und vielleicht sah der junge Held nach dem Gespräch mit seinem kleinen Schutzengel die Menschen um sich herum mit ganz anderen Augen. Patrick hockte auf seinem Bett in einer traurigen Haltung, schien so deprimiert und geknickt, ein Bekenntnis über Gefühle, das Link jenem neunmalklugen Zeldafan nicht zugetraut hatte. War es das, was das Mädchen bei den Feen ihm verdeutlichen wollte? Dass auch Zweifel ihre Berechtigung hatten und Gefühle des Verrats und der Trauer durchaus sinnvoll waren und ihn weiterbringen konnten?

„Hey, Link“, murmelte Patrick in der Dunkelheit des Zimmers. „Wurdest du schon einmal von jemandem enttäuscht, den du wie nichts anderes in der Welt gebraucht hast?“

Link begab sich seufzend zu seinem Bett und ließ sich hundemüde in die frischen, weichen Laken sinken. Pats Frage stimmte ihn nachdenklich. „Ja, sicherlich“, meinte er.

„Und konntest du diesem Menschen verzeihen?“

Er kuschelte sich unter die Zudecke, genoss es endlich träge und entspannt zu werden nach dem Kampf und der Begegnung mit den Feen Irlands. „In meinem Fall… war es schlichtweg notwendig, dass ich ihr verziehen habe. Ich hab‘ nie darüber nachgedacht, es nicht zu tun… und wenn ich so darüber nachdenke, hätte ich es nicht ertragen sie zu verurteilen oder wegen einem dummen Streit nicht mehr zu sehen…“, murmelte er. Er hätte es niemals übers Herz gebracht mit seiner Prinzessin zu brechen, obwohl sie jede Menge Fehler gemacht hatte.

„Ich bin echt baff, wie du das für dich entschieden hast“, flüsterte Patrick. „Hast du ihr denn nach dieser Verletzung überhaupt noch vertrauen können? Vielleicht kommt es auch auf die Art des Streits an.“

„Ja, vielleicht…“, hauchte der Held über seine Lippen, „Und ich vertraue ihr nach wie vor…“

„Sie ist aber nicht deine große Liebe, oder?“, murmelte Patrick erheitert.

„Nein, sie ist wohl sowas wie meine beste Freundin, schätze ich.“ Und das würde auch so bleiben, setzte er in Gedanken hinzu.

„Gott, ich wünschte, ich könnte Patrizia für den Mist verzeihen, den sie verbockt hat…“, flüsterte er und klopfte sein Kissen zu recht.

„Da ist einiges schief gelaufen… schätze ich.“

„Nicht von meiner Seite, Patrizia hat einige üble Dinge angestellt… Mir war sie immer wichtig, seit Kindheitstragen… Sie stammte aus der Nachbarschaft und war immer meine beste Freundin, bis sich alles verändert hat…“

„Was hat sie angestellt?“

„Naja… Sie hat sich ausprobieren müssen, sich neue Freunde gesucht, bis ich nebensächlich wurde… Es ging soweit, dass sie mich gegen andere von meinen Freunden ausgespielt hat. Ich weiß bis jetzt nicht, warum das alles sein musste. Sie hat es nie erklärt, hat absurde Versuche unternommen unsere Freundschaft zu retten, bis sie mir hinterher spioniert hat. Das ganze gipfelte darin, dass sie sich in mein Zimmer geschlichen hat, meine Schränke durchwühlte, meiner Familie Lügen aufgetischt hat…“

„Das ist echt daneben…“, entschied Link und gähnte.

„Vielleicht habe auch ich in mancher Hinsicht Mist gebaut“, murmelte der Zeldafan. „Ich war wohl oft etwas… eifersüchtig.“ Betreten zog er sich sein Kissen vor das Gesicht.

„Daher weht der Wind, was? Du warst verliebt in sie?“

„Gott, es war… argh, ich weiß es nicht.“

Eine Pause entstand, in der Link, während er langsam in den Schlaf driftete, begann darüber nachzudenken, was wohl wäre, sollte sich Zelda plötzlich in jemanden verlieben. Der Gedanke fühlte sich irgendwie grässlich und furchtbar an. Allein die Vorstellung, dass da jemand war, der das Bett mit seiner Prinzessin teilen würde, ließ ein neues Gefühl in ihm hochkochen. Ein fremdes, eigenartiges Gefühl, bitter und betäubend.

Wenn es so käme, dann musste er sich heraushalten, das war klar für ihn. Aber aus irgendeinem Grund wollte er sich das nicht vorstellen. Zelda durfte sich nicht verlieben! Es gab niemandem, dem sie so vertrauen konnte wie ihm! Murrend öffnete der junge Heroe seine Augen wieder und schüttelte den Kopf. „Wie auch immer“, flüsterte er. „Du solltest ein Gespräch mit ihr zulassen, egal, was dann dabei herauskommt.“

„Ja, da hast du vermutlich Recht…“, entgegnete der Zeldafan. „Beim lieben Gott im Himmel, ich denke, es ist endlich Zeit einzuschlafen. Was für ein aufregender Tag.“

Auch Link ließ dann endlich die Augen zufallen, murmelte ein verschlucktes ,Gute Nacht‘ über seine Lippen und schlief mit einer letzten Hoffnung ein. ,Vielleicht träume ich ja heute von Zelda‘, hoffte er im Halbschlaf, lächelte und driftete in seine eigene Märchenwelt, einen Ort, den nur er erschaffen hatte und wo alles das, was in der Realität wartete, nicht hinfand…



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2008-01-07T17:42:54+00:00 07.01.2008 18:42
geil einfach geil, die Stelle mit dem Hylianischem Blut, ich hab richtig mitgezittert (<~vorrausgesetzt Link hat gezittert XDDD)*zitter*XDDDDD


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