Blind! von Shirokko (HP:DM) ================================================================================ Im Turm ------- Titel: Im Turm Autor: Shirokko Pairing: Harry Potter / Draco Malfoy Disclaimer: nicht meins, nur verwurstet, durch den Fleischwolf gedreht, zusammengemischt und neu verarbeitet. Alle Charas gehören J.K.Rowling, beschwert euch bei ihr, wenn ihr wen nicht mögt. ^^ ... ich verdiene damit also kein Geld, was wirklich schade ist! Kommentare: Diese Geschichte spielt nach dem vierten Band, die beiden zuletzt erschienenen, sowie der noch ausstehende Band werden nicht berücksichtigt. Ansonsten... Vergebt mir meine Schwafelei! Warnungen: Diese Geschichte enthält Shonen-Ai. Wem das nicht gefällt, der soll einfach umdrehen! Andererseits... Man soll immer offen sein für seine Umwelt und neue Dinge kennen lernen... Aber jetzt geht's los. Viel Spaß beim Lesen. Widmung: Für Viebie, meine kleine, süße, wenn auch verrückte Schwester! Kapitel 7: Im Turm Er hatte es sich vielleicht nicht anmerken lassen, aber Snapes Worte hatten ihn schwer enttäuscht. Wenn der Lehrer Recht hatte, dann gab es schlicht keine Heilung für ihn. Dumbledore, Mme Pomfrey, Dobby, Snape… Niemand konnte ihm helfen. Es gab keine Hoffnung. Er würde niemals wieder sehen können. Das war die schlichte Wahrheit. Gedankenverloren wanderte er durch die verlassenen Gänge der Kerkergewölbe, tastete sich mit den Händen vorwärts, wenn er an kritische Stellen wie Abzweigungen kam. Aber seinen Weg nahm er nicht wirklich wahr. Um ihn herum war die Stille vollkommen, nur seine eigenen Schritte und das Rascheln seines Umhangs, der hinter ihm über den Boden schleifte, verursachten einige Geräusche. Eigentlich hätte er längst zur großen Halle kommen müssen. Er war lange genug gelaufen. Just in diesem Moment prallte er gegen eine Wand, völlig unvorbereitet. Er hatte nicht aufgepasst, hatte sich zu sehr darauf konzentriert, wo er jetzt sein wollte, anstatt auf seinen Weg zu achten! Ärgerlich rieb er sich die schmerzende Nase, wandte sich nach rechts. Auch hier war eine Wand. Also machte er eine Kehrtwende und versuchte es auf der anderen Seite. Eine Wand. „Verdammt!“, fluchte er leise. War er doch tatsächlich in eine Sackgasse gelaufen. Welch Glück! Welch außergewöhnlicher Zufall! Davon gab es immerhin mehr als genug hier im Schloss! Seufzend ließ er sich gegen die Wand fallen, verursachte damit einen dumpfen Laut. Er hatte sich verlaufen. Einfach so. Nicht einmal dazu in der Lage, den richtigen Weg zu finden, war er noch. Er war ein Versager! Mutlos sank er in die Knie, rutschte an der Wand hinab, bis er auf dem steinernen Boden zum Sitzen kam. Es war kalt hier. Eiskalt. Und es zog wie Hechtsuppe. Blöder Wind! Er stutzte. Wie konnte das denn überhaupt sein? Damit es ziehen konnte, musste irgendwo ein offenes Fenster oder eine Tür sein. War hier vielleicht irgendwo ein Zimmer in diesem Gang, unter dessen Tür ein schmaler Spalt war, durch den die kalte Luft kam? Ermutigt rappelte er sich hoch und begann die Wand hinter sich abzutasten, schon nach vier Schritten berührten seine Finger raues Holz. Dann dauerte es nicht mehr lange, bis er den Türknauf fand, und fast schon erleichtert drehte er ihn, um zu öffnen. Zum Glück war nicht abgeschlossen, so dass er die Tür problemlos aufschieben konnte. Langsam trat er in den Raum. Willkommene Wärme empfing ihn, was wohl an dem geöffneten Fenster liegen musste; wahrscheinlich schien die Sonne herein. Er schloss die Tür wieder, um den Durchzug zu unterbinden. Und jetzt? Jetzt war er in einem Raum und trotzdem wusste er nicht, wie er zurückkam. Und es wusste auch sonst niemand, wo er sich befand, was bedeutete, dass man ihn wohl nicht auf die Schnelle finden würde, falls man ihn überhaupt suchen würde. Entmutigt lehnte er sich wieder gegen die Wand neben der Tür und ließ sich daran herabsinken, zog die Beine an den Körper und schlang die Arme um die Knie, dann lehnte er die Stirn dagegen. Jetzt konnte er hier warten, bis jemand kam und ihn fand, und es blieb ihm nur zu hoffen, dass es keine Slytherins waren, denn dann wäre er so gut wie verloren. Wahrscheinlich würden sie ihn hier einsperren und einen Anti-Aufspürzauber über ihn legen. Draco saß an einem Tisch in einem Raum, wo er alleine sein konnte. Er hatte es so satt, dass Crabbe und Goyle ihm immer im Nacken saßen, dass sie ihn immerzu mit ihrem Stumpfsinn folterten. Er wollte alleine sein, wie er es seit Schulbeginn nachmittags immer war, um ungestört seine Hausaufgaben zu machen. Und dann krachte es plötzlich an der Tür und störte seine Ruhe so abrupt, dass er wie elektrisiert aufsprang und mit pochendem Herzen nah draußen lauschte. Kam jemand? Er hatte diesen Raum doch gewählt, weil aufgrund des unattraktiven Äußeren niemand hierher kam. Also: Wer oder was war da draußen? Er hörte Schritte, leises Tapsen auf dem staubigen Boden. Es hörte sich unsicher an, aber vom Geräusch her durchaus menschlich. Für ein Tier war es zu schwerfällig. Hoffentlich kam dieser jemand hier nicht herein, sonst gab es sicherlich Ruf schädigende Vermutungen oder, in Filchs Fall, Strafarbeiten. Es wurde wieder still draußen und Draco wagte zu hoffen, dass der Unbekannte weg war, doch gerade als er sich beruhigt wieder hinsetzen wollte, setzte ein leises Kratzen an der Tür ein. Jemand ruckelte an dem metallenen Knauf. Er wappnete sich. Wenn ihn schon jemand hier erwischte, dann sollte er nicht denken, dass er wegen irgendwelcher Ängste oder so etwas albernem hier allein war. Das ganz sicher nicht! Dann öffnete sich die Tür und herein kam Harry. Draco fiel fast die Kinnlade runter. Das konnte doch nicht wahr sein. Wie kam der denn hier her? Weiter von seinem warmen, sicheren Gryffindor konnte er doch gar nicht mehr sein. Harry bemerkte ihn nicht, setzte sich einfach an die Wand und kauerte sich wie ein hilfloses Tier zusammen. Und er machte es Draco unmöglich, sich zu rühren. Er könnte einfach seine Sachen packen und gehen, er könnte hämische Bemerkungen machen, ihn auslachen oder demütigen, wie er es gewohnt war, wie es wohl jeder in diesem Moment von ihm erwarten würde, doch er konnte nicht. Er konnte sich nicht dazu überwinden. Harry sah so Mitleid erregend einsam aus, dass er einfach nichts weiter tun konnte, als dazustehen und ihn anzusehen. Wieso war der Schwarzhaarige alleine? Wo waren seine nervigen Freunde, die ihn sonst immer auf Schritt und Tritt begleiteten? Hatten sie ihn alleine gelassen? Hatten sie ihn im Stich gelassen? Er konnte sich denken, warum sie es tun könnten. Ihm wäre es wahrscheinlich zuviel Aufwand gewesen, sich immerzu um einen Behinderten zu kümmern. Aber das passte nicht zu ihnen. Das würden die nie tun. Man konnte den Gryffindors eine Menge nachsagen, aber treu waren sie immer, immer loyal gegenüber ihren Freunden. Echt ätzend. Aber warum war Harry dann hier? Hatte er sich verlaufen? Die Frage war nur, wie er in diesem Fall so tief in die Kerker vordringen konnte, ohne es zu bemerken. Oder war er am Ende freiwillig hier unten, um wie er alleine zu sein? Aber auch das konnte er sich nicht vorstellen. Er würde sich sicherlich nicht bewusst der Gefahr aussetzen, einer Gruppe Slytherins zu begegnen. Viel wahrscheinlicher war die Theorie des verlaufenen Blinden. Harry regte sich leicht, kauerte sich noch etwas enger zusammen. Er sah furchtbar traurig aus, wie er dasaß. Hilflos, einsam und hoffnungslos. Draco schüttelte wie betäubt den Kopf. Seit wann hatte er Mitleid mit seinem Erzrivalen? Seit wann kümmerte es ihn, was mit Potter war? Er machte sich nicht wirklich was vor in dieser Beziehung. Er wusste es. Begonnen hatte es im vierten Schuljahr während des Trimagischen Turniers. Am Anfang war er nur sauer gewesen, weil Harry teilnehmen durfte und dennoch konsequent bestritt, dass er den Zettel mit seinem Namen in den Feuerkelch geworfen hatte. Er hatte ihn runter gemacht, sich zusammen mit den anderen Schülern auf Diggorys Seite geschlagen, um Potter zu verunsichern, ihn seelisch zu brechen. Er hatte die „Potter stinkt!“-Buttons verteilt, doch hatte es nicht den Anschein gehabt, dass es diesen störte. Wenigstens hatte er sich nichts dergleichen anmerken lassen. Dann stand die erste Prüfung an und der Schwarzhaarige legte eine einmalige Kür auf dem Besen hin, während der er dem wütenden Ungarischen Hornschwanzweibchen, dem fürchterlichsten Drachen überhaupt, das Ei direkt unterm Hintern wegschnappte. Er selbst hätte sicherlich mehr Angst gehabt, hätte die Aufgabe nicht so souverän lösen können und war sogar froh, dass er nicht mit dabei gewesen war. Und irgendwo, tief in seinem Herzen, hatte er Harry Potter Respekt zollen müssen. Aus Trotz hatte er seine Bemühungen verstärkt, ihn fertig zu machen und ihm sein Selbstbewusstsein zu nehmen, hatte ihn gedemütigt wann immer er konnte. Er hatte sogar bei den Weasley-Zwillingen gewettet, dass er verlieren würde, etwas, was im Normalfall weit über seine Prinzipien hinausging. Auch bei der zweiten Aufgabe hatte Harry sich bewährt. Die Idee mit dem Dianthuskraut war wirklich genial gewesen, doch noch lange kein Grund, ihn auch dafür zu bewundern. Es war das Erste gewesen, woran er selbst gedacht hatte, als er von der Art der Aufgabe gehört hatte. Doch dass Potter seinen Sieg verschenkt hatte, um jemanden zu retten, für den er gar nicht verantwortlich war und den er noch dazu nicht einmal kannte, hatte den Respekt in Dracos Herzen ausgelöscht. Wie konnte man nur so blöd sein? Doch nachts hatte er geträumt. Vom Fliegen und Schwimmen. Und er hatte versagt. Er hatte sich plötzlich nicht mehr bewegen können, war panisch hin und her gezuckt. Dann war Potter gekommen und hatte ihn gerettet. Einfach so, ohne Vorbehalte. Und als er schließlich schweißgebadet erwacht war, hatte er sich gefragt, ob es wirklich jemanden gab, der ihm helfen würde, wenn er in Gefahr geriet. Und wenn, würde es dann Harry Potter sein? Ab diesem Zeitpunkt hatte er sich im Zweifel befunden. Er hatte weiterhin den bösen Erzfeind markiert, aber innerlich war er zerrissen gewesen. Warum waren sie Feinde? Weil er Slytherin war und Potter Gryffindor? Weil Potter Voldemort geschlagen hatte und er, Draco, eigentlich auf dessen Seite stand? Weil Potter nur Halbblut war? Das alles ergab keinen Sinn, denn egal welchen Grund er aufführte, immer war es sein Vater gewesen, der ihm gesagt hatte, dass Potter der Böse war und gehasst und ausgelöscht werden musste. Der Hass kam also gar nicht von ihm, sondern von seinem Vater. Und trotzdem war er Slytherin treu geblieben und hatte alles dafür getan, um Harrys Kampfkraft zu schwächen, damit er auch bei der letzten Aufgabe versagte. Dann war er während der dritten Aufgabe plötzlich wieder im Labyrinth aufgetaucht, den toten Cederic im Arm, Blut überströmt, weinend. Ein Häuflein Elend und musste sich noch am gleichen Tag von allen anhören, er sei Schuld am Tod des jungen Mannes. Draco wusste es besser. Von seinem Vater hatte er später die Umstände dafür erfahren. Voldemort hatte Diggory getötet, weil er ihn nicht brauchen konnte und hatte Potter dann dafür benutzt, um wieder aufzuerstehen. An sich ja nichts Schlimmes und im Sinne des Angeklagten doch wirklich verständlich --- Wer wollte schon gerne eine solche Schattenexistenz führen? --- doch anschließend hatte er mit ihm gekämpft und das auf äußerst feige Weise. Er hatte seine Todesser dazu benutzt, sein Opfer nicht entkommen zu lassen, und hatte ihn dann gequält, um sich an seinen Schmerzen zu erfreuen. Aus purem Sadismus. Das war ganz und gar nicht das, was Draco sich von ihm erhofft hatte. Er hatte ihn als Helden gesehen, der ihre Rasse von Unreinheiten und den Muggeln befreite, doch die Art war die falsche, das hatte er am Beispiel Harry Potter erkannt. Außerdem war Diggory ein reinblütiger Zauberer gewesen. Und im selben Zug hatte er begriffen, dass Voldemort eigentlich ein Niemand war. Er war genau das, was den zweiten Weltkrieg in Deutschland ausgelöst hatte: ein kapitalistischer Psychopath! Verachtungswert. Die Sommerferien waren schwer gewesen, da er sich vor seinem Vater nichts anmerken lassen durfte, aber jetzt… Er hasste Potter nicht mehr. Es war eher so, dass er gerne mal vernünftig mit ihm reden wollte, doch das konnte er vergessen. Harry hasste ihn wirklich, wie man an ihren letzten paar Begegnungen gesehen hatte, und er würde ihm wohl eher einen Fluch auf den Hals hetzen, als mit ihm zu reden. Wieder bewegte sich Harry leicht und ließ Dracos Geist aus seinen Gedanken aufsteigen. Schweigend betrachtete er ihn. Die schwarzen, seidig anmutenden Haare fielen leicht über den Stoff an seinem Arm, bewegten sich bei jedem Atemzug. Er wirkte leer und ausgebrannt, wie jemand, der sich verausgabt, am Ende gescheitert war und aufgegeben hatte. Draco hatte das Gefühl, er müsse ihn trösten, wollte ihn in die Armen nehmen und ihm sagen, dass alles gut war... Und bevor er sich versah, ging er auch schon auf ihn zu. Augenblicklich fuhr Harrys Kopf hoch, lauschte angespannt auf jedes kleinste Geräusch. „Ist da wer?“, fragte er in die Stille hinein. Der Blonde sog anerkennend die Luft ein. Gutes Gehör, gute Reaktionsgabe. Und was für ein Glück für ihn, dass er reagiert hatte. Er hätte sich lächerlich gemacht, hätte Harry ihn nicht zur Vernunft gebracht! Harry stand langsam und möglichst leise auf, lauschte weiterhin auf jedes Geräusch und zog den Zauberstab. Ganz egal wer oder was dort war, es war sicherlich nichts Gutes, sonst hätte es sich längst bemerkbar gemacht. „Wer ist da?“, forderte er harsch zu wissen. „Gib dich zu erkennen, sonst schicke ich dir einen Fluch auf den Hals, der dich hundertprozentig durch die Außenmauer schlagen lässt!“ Durch die Außenmauer? Harte Geschütze, aber Harry sah nicht so aus, als würde er spaßen und er traute es ihm auch durchaus zu. Ihm war es ernst damit und er würde wohl auch treffen, selbst wenn er noch so blind war. Er blickte schließlich schon direkt in seine Richtung. Andererseits blieb die Frage, ob er den Fluch nicht trotzdem loslassen würde, wenn er wusste, wen er da vor sich hatte. Draco seufzte und wollte gerade etwas sagen, als Harrys Augen sich auch schon erkennend weiteten, er sich umdrehte und durch die Tür verschwand. Ein Krachen verkündete, dass er nun wieder alleine war. Er blinzelte. Warum war Harry denn jetzt plötzlich weggelaufen? Hatte er etwa Angst bekommen und war geflohen? Na, das war es wohl nicht, denn in seinem Gesicht hatte er nichts dergleichen sehen können. Und dann begriff er plötzlich. Harry hatte ihn an dem Seufzer erkannt! Und jetzt rannte der blinde Kerl wie ein Idiot durch die Gänge, weil er mit ihm nichts zu tun haben wollte. Und das ohne zu wissen, wohin! Und es war nur seine Schuld, wenn er sich was tat! Der Blonde hasste sich schon für diesen Gedanken, bevor er ihn beendet hatte, aber es ließ ihm keine Ruhe. Er warf seinen Stolz über Bord und folgte seinem Lieblingsfeind, um ihn, wenn nötig vor größerem Schaden zu bewahren. Gerade trat er durch die Tür, als er ihn auch schon erblickte und das Unvermeidliche, was er befürchtet hatte, erkannte: Harry war im Begriff in vollem Lauf gegen eine Wand zu rennen! Er senkte die Lider, um es nicht mit ansehen zu müssen, doch Aufprall und Schmerzensschrei blieben aus. Verwirrt sah er wieder hoch. Von Harry keine Spur. Hatte er die Kurve etwa noch bekommen und war jetzt auf dem Quergang? Und gerade da kam das Geräusch des Aufpralls doch noch. Ein Poltern und ein schmerzvolles Stöhnen folgten, dann Stille. Und all diese Geräusche kamen direkt aus der Wand! Draco verlangsamte seinen Schritt etwas, blieb schließlich stehen. Rechts und links von ihm waren die Gänge leer und vor ihm die Wand mit Spinnenweben, Kerzenleuchtern und staubige Wandteppichen, wie sich das hier unten gehörte. Und irgendwo dahinter ein gedämpftes Fluchen. „Potter?“ Das Fluchen verklang und so streckte er die Hand aus, um die vermeintliche Wand zu berühren. Seine Finger, in Erwartung, auf was Festes zu stoßen, angespannt, glitten einfach durch die Ziegelmauer hindurch. Es war wie die Absperrung zum Bahnhof Gleis 9 ¾. Ohne noch lange zu überlegen durchschritt sie der Slytherin ganz. Harry saß auf dem Boden vor einer nahezu halsbrecherisch gewundenen Wendeltreppe und hielt sich das Schienbein. Er hatte die Augen fest geschlossen und duckte sich, als erwarte er jeden Moment einen Schlag ins Gesicht. „Na, bist du gefallen?“ An Harrys Reaktion konnte er dessen Unmut erkennen, auch wenn der Schwarzhaarige nicht antwortete: Er zog die Augenbrauen zusammen und blitzte in seine Richtung. „Wen willst du damit beeindrucken?“, fragte Draco halb lachend und ging zu ihm. Er bückte sich, packte ihn unter den Armen und hob ihn in die Senkrechte, stellte ihn auf die Beine. „Sollte ich das Ziel gewesen sein… Es wirkt nicht.“ Harry knurrte, aber unbeeindruckt wandte sich Draco um, nutzte endlich die Zeit, um sich umzusehen. Sie befanden sich in einem nahezu perfekt kreisrunden Raum, dessen Mitte diese seltsame Treppe bildete, die sich in endlose Dunkelheit zu schrauben schien. Die marmornen Wände schimmerten im Licht der schwebenden Kerzen matt, der Boden, das Geländer, die Treppe, alles war voll von Staub, gab dem Raum eine mystische, alte Atmosphäre von Düsternis und Einsamkeit. An der Wand, durch das flackernde Licht fast lebendig wirkend, war das Mosaik eines Löwen, um dessen Körper sich eine riesige, grüne Schlange wand. Sie schienen zu kämpfen. Hinter ihm ertönten plötzlich Schritte. Draco wirbelte herum und sah, wie Harry die Stufen der Treppe hinaufkletterte. Das konnte doch nicht wahr sein! Lief dieser sture Gryffindor einfach weiter! Wie typisch! Was, wenn da oben eine Falle auf ihn wartete? Harry konnte sich in seinem Zustand doch gar nicht davor schützen! „Hey, jetzt warte mal!“, rief er ihm hinterher. „Wo willst du denn hin?“ Es kam keine Antwort. „Weißt du denn überhaupt, wo die Treppe hinführt?“, fügte er noch an, bevor er Harry notgedrungen hinterherlief. Natürlich könnte es ihm egal sein, was mit ihm passierte, aber wie schon zuvor wollte er einfach nicht, dass er sich etwas tat. Es klang vielleicht albern, aber so war es nun mal. Und solange das niemand und vor allem Harry nicht wusste, war es so auch völlig okay. „Und? Wohin führt die Treppe nun?“, fragte er erneut, als Harry immer noch nicht antwortete. „Weg von dir!“, schnappte dieser genervt und stiefelte weiter. Treppensteigen wurde ab dem Moment einfach, wenn er sich einmal auf die Länge der Stufen eingestellt hatte. Dann brauchte er nicht einmal Geleit; das konnte er ganz allein! Nur den beabsichtigten Zweck erreichte er damit nicht. Er blieb ärgerlich stehen, drehte sich auf dem Absatz um, so dass sein Umhang sich aufbauschte und sich dann sachte wieder um seinen Köper schloss. „Was willst du, Malfoy?“, fauchte er. „Warum verfolgst du mich?“ Draco begann zu grinsen. Er hatte es trainiert seit er sieben Jahre alt war, dieses Grinsen immer aufzusetzen, wenn er es brauchte, selbst wenn ihm gar nicht danach war. „Ich will doch sehen, wie du in eventuelle Fallen trittst. Dann hab ich was zu lachen!“ Harry schnaubte abwertend, wandte sich um und stieg weiter hinauf, die versteckte Warnung unbeachtet lassend. Sie waren schon ziemlich hoch und noch immer war die Decke nicht zu sehen. Der Blonde war erleichtert, dass die Kerzen sie begleiteten; sie blieben immer auf gleicher Höhe mit ihnen. Wenn er sich vorstellte, dass er diese Treppe im Dunkeln hinauf müsste, drehte sich ihm der Magen um. Das wäre echt keine schöne Erfahrung. „Sag mal, siehst du das Ende?“ Die Stimme riss Draco aus seinen unheimlichen Vorstellungen. Er sah hinauf. Wie kam er darauf, dass er besser sah, als… Und dann sickerte es langsam in sein Bewusstsein und er begriff. Harry ging schon die ganze Zeit im Dunkeln ungewisse Wege. Seit Wochen! Wie hielt er das aus? War das vielleicht der Grund dafür, dass er vorhin so ausgebrannt gewirkt hatte? Jetzt war das jedenfalls wieder anders. Jetzt wirkte er so stark und unbezwingbar wie gewohnt. „Hallo? Malfoy? Bist du taub? Kannst du erkennen, wohin diese Treppe führt?“, wiederholte Harry seine Frage. Wieder klang er genervt. Draco schüttelte den Kopf. „Nein, da oben ist alles dunkel.“ „Dunkel?“ „Sag ich doch! Dunkel! Hier sind nur ein paar Kerzen, die die Stufen um uns herum beleuchten. Ansonsten…“ Er brach ab und zuckte zurück, als Harry mit wütendem Ausdruck in den Ärmel griff und seinen Zauberstab zog. Er war doch nicht etwa sauer, dass er das mit der Blindheit vergessen hatte? Doch Harry hielt den Zauberstab nur in die Höhe und rief: „Lumos!“ Ein bläuliches Licht brach aus dem Holz hervor und es erhellte die Dunkelheit über ihnen. Draco fragte sich, warum er nicht selbst darauf gekommen war. Es lag doch so nahe. Warum musste erst ein Blinder kommen, um ihm die Augen zu öffnen? „Siehst du jetzt mehr?“, kam die ungeduldige Frage und Draco richtete seinen Blick nach oben. Gut, jetzt war die undurchdringbare Finsternis ein wenig zurückgegangen, aber das brachte ihm nicht wirklich was. Er konnte trotzdem nichts erkennen. „Nein.“, sagte er und Harry seufzte. Er nahm den Zauberstab wieder runter und das Licht erlosch. „Verdammt! Wieso nimmt diese dämliche Treppe kein Ende? Das kann doch eigentlich nicht sein.“, fluchte der Schwarzhaarige leise und stieg weiter. „Wir klettern doch jetzt schon seit Stunden!“ Er übertrieb maßlos, aber Draco verkniff es sich, ihm zu widersprechen. Es war gerade mal eine halbe Stunde, aber das reichte auch. Er würde morgen gewiss Muskelkater haben. Wortlos folgte er Harry weiter. Ihm war heiß. Es war langweilig. Und Harrys Rücken war keineswegs eine Ablenkung. Würde er ihn von vorne sehen, wäre es etwas anderes, aber so… Er war so in seine murrenden Gedanken vertieft, dass er die Gefahr beinahe zu spät erkannte. Direkt vor Harrys Füßen endeten die Stufen in einem bodenlosen Loch. „Halt! Stehen bleiben!“, schrie er, während er gleichzeitig nach dem Umhang vor sich griff und Harry zurückriss, sodass der Schwarzhaarige stolperte und rückwärts taumelte. Ein erschrockener Schrei, dann Totenstille. Harry lag in Dracos Armen, starr vor Schreck und stumm vor Erstaunen. Draco seinerseits, nachdem er das Gleichgewicht wieder gefunden hatte, umklammerte den Bauch des anderen wie ein Ertrinkender, sein Gesicht in einer Mischung aus Stoff und Haar vergraben. Harry roch gut. Seine Haare dufteten leicht nach Orange und Frühling. Und er war ziemlich leicht, zerbrechlich, fast wie ein Mädchen. Das war ihm schon vorhin aufgefallen, doch erst jetzt verstand er den Grund. Durch den Umhang und das T-Shirt hindurch spürte er die Rippen überdeutlich. Harry war regelrecht mager. Und trotzdem genoss er den Moment. Ihm so nahe zu sein, hätte er sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt. Aber irgendwie war es schön. Es fühlte sich angenehm an, fast als wäre es Gewohnheit, richtig… Seine Umarmung wurde fester und just in diesem Augenblick begann Harry sich zu wehren. Er wand sich wie ein Aal und Draco ließ ihn widerwillig gehen. Erbost wirbelte er herum. „Was sollte das?“, zischte er wütend. Seine Augen waren nur noch Schlitze. Es war wirklich erstaunlich, wie ausdrucksstark seine Mimik noch immer war, obwohl die Augen kaum noch dabei halfen, die Eindrücke seines Gegenübers zu verstärken. Draco grinste überheblich wie immer und zuckte mit den Schultern. „Ich habe dich vor einem Sturz in den Tod bewahrt.“, erklärte er. „Übrigens: Wenn du noch eine Stufe hinaufsteigst, fällst du.“ „Und deshalb musst du mich umklammern, als würdest du…“ Er verstummte, brach ab und wandte sich ab. Das konnte er einfach nicht aussprechen, so absurd erschien es ihm. Das war einfach zu gruselig! Erneut zog er den Zauberstab und wieder ging Draco in Erwartung, einen Fluch abzubekommen, in Abwehrhaltung, doch Harry sorgte nur wieder für mehr Licht. „Was siehst du?“, fauchte der Junge und Draco musste unwillkürlich grinsen. Das eben hatte ihn wohl wirklich aus der Bahn geworfen. Er wandte seine Augen nach vorne. „Die Treppe ist nur unterbrochen.“, berichtete er. „Und, nein, wir kommen nicht rüber. Dazu ist es zu weit. Wir müssten fliegen!“ „Soll ich einen Besen rufen?“ Draco starrte ihn an. Natürlich, das lag nahe, und er wusste auch, dass Harry das konnte, er hatte es im letzten Jahr eindrucksvoll bewiesen. Doch ob es auch in geschlossenen Räumen und durch Wände hindurch funktionierte? Aber man konnte es ruhig probieren. Gerade wollte er etwas Entsprechendes antworten, da erklang glockenhelles Gelächter über ihnen. Draco wandte seinen Blick erneut hinauf in die von Harry erleuchtete Dunkelheit und erstarrte. Eine ganze Wolke von winzigen, geflügelten Wesen, in allen Regenbogenfarben schillernd wie Libellen, senkte sich auf sie herab. Und sie sahen aus wie… aber das konnte eigentlich gar nicht sein! Feen lebten doch normalerweise weit abseits von den Menschen! Sie standen doch genau deswegen auf der Liste der bedrohten Arten! Ein schriller Schrei lenkte seine Aufmerksamkeit abrupt auf Harry, der plötzlich um sich schlug und sich hektisch schüttelte. „Mach es weg! Nimm das da weg! Es ist kalt!“ Draco begann zu lachen. Eine der Feen stand auf seiner Schulter und knuddelte sein Ohr ab. Das war ja wirklich mal was Neues. Der große Harry Potter hatte Angst vor so kleinen Lebewesen wie den Feen. Wenn er das erzählte, wäre Harry der Looser der Schule! Doch so plötzlich, wie Harry zu schreien begonnen hatte, so plötzlich brach er auch wieder ab. Seine Augen schlossen sich, sein Kinn sank auf seine Brust, er wirkte vollkommen entspannt, als sei er von einem Moment auf den anderen im Stehen eingeschlafen. „Was bist du?“, fragte er leise und Draco glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. Führte sein Erzrivale jetzt schon Gespräche wie die Mädchen? Die redeten auch mit allem, was sich irgendwie oder auch nicht bewegte, solange es nur klein und süß genug war. Doch Harrys nächste Worte passten nicht so ganz in dieses Konzept. „Eine Fee? Das gibt’s ja nicht. Wohnt ihr hier?“ Wieso konnte Harry diese kleinen Viecher verstehen? Wieso redeten sie nur mit ihm? Und wieso verstand er nicht, was gesagt wurde? Das war doch nicht fair! „Und hast du auch einen Namen?“ Er erinnerte sich an das zweite Schuljahr, als sie herausgefunden hatte, dass er Parsel sprach. Harry war schon immer sprachbegabt gewesen. Vielleicht war ja die Feensprache mit Parsel zu vergleichen und Harry hatte auch dafür die Gabe. „Kikuileh?“, lachte der Schwarzhaarige plötzlich. „Das ist ja hübsch. Bedeutet der Name auch irgendwas?“ Draco musste zugeben, dass das Bild, das sich ihm da bot, einfach nur schön war. Harry stand da, inmitten der um ihn herumschwirrenden Feen, der flackernde Kerzenschein warf Lichtreflexe und Schatten auf seine Gestalt, ließ ihn unwirklich, fast durchsichtig erscheinen. Und er stand einfach nur da, diese eine Fee mit dem langen, silbernen Haar auf der erhobenen Hand haltend. Sein Lächeln brannte sich wie Feuer in Dracos Herz. „Lufttänzer, ja? Wie passend für eine Fee.“, sprach Harry wieder. Der Blonde wandte sich ab. Der Anblick machte ihn traurig, die Worte mutlos. Zu jedem war Harry Potter freundlich, selbst zu fremden Wesen, die er nicht kannte, nur zu ihm nicht. Dabei wünschte er sich genau das am allermeisten. Die Erkenntnis eben hatte ihn überrannt. „Ich werde gehen.“, erklärte er in wütendem Tonfall. Er konnte diese Situation einfach nicht länger ertragen. „Es ist längst Sperrzeit.“ „Sperrzeit? Du meinst, es ist Schlafenszeit.“ „Sag ich doch!“, murrte er. „Es ist nur so ein... seltsamer Begriff. Das klingt irgendwie nicht wirklich schön.“ Draco verdrehte die Augen und schlug sich mit der Hand vor die Stirn. „Das liegt daran, dass es nicht schön ist!“, knurrte er böse, bevor er begann, die Stufen hinab zu steigen. Von oben hörte er noch einmal Harrys Stimme. „Ich muss leider gehen. Aber wenn ihr es erlaubt, komme ich wieder.“ Das war ja so typisch. Die große, tränenreiche Abschiedszeremonie. Das hatte ihm gerade noch gefehlt! „Von mir aus. Wenn es sein muss, kommen wir halt beide wieder.“ Draco erstarrte, spürte Wärme in sich aufsteigen und wie ein Lächeln sich auf seine Lippen schlich. Das hätte er nicht erwartet, dass Harry ihn soweit akzeptieren würde, dass er freiwillig noch einmal mit ihm hierher kommen würde. Aber es gefiel ihm. Es bedeutete, dass er noch einen Nachmittag mit Harry verbringen konnte, falls dieser das Versprechen hielt. Und das tat er normalerweise immer. Dann war er plötzlich eingekreist. Feen über ihm, unter ihm, neben ihm, hinter und vor ihm, einfach überall! Und eine von ihnen kam frontal direkt auf ihn zu! Nur Millimeter vor seiner Nase hielt sie an, ihre Flügel bewegten sich in einer irren Geschwindigkeit und zauberten Blitze in die Luft um sie herum. Es war die, die auch schon mit Harry gesprochen hatte. Sie lachte ihm ins Gesicht und gab ihm dann unvermittelt einen Kuss auf die Nasenspitze. Ihre Hände und auch ihr Mund waren eiskalt. Dann erhob sich der ganze Feenschwarm in die Luft und verschwand lachend in der Finsternis, aus der sie vorher gekommen waren. Von hinten stieß Harry gegen ihn. „Kannst du nicht aufpassen, Potter?“, blaffte der Blonde. Was sollte er jetzt davon halten, dass er einen Kuss von einer Fee bekommen hatte? Was bedeutete das überhaupt? „Wartest du doch noch auf mich?“, überging Harry Dracos Beschuldigung. Dieser knurrte abermals. „Na klar.“, sagte er. „Ich hab ja sonst nichts zu tun!“ Harry lachte leise und Draco setzte seinen Weg fort. „Bild dir bloß nichts darauf ein!“, murrte er. Im Grunde fiel es ihm in diesem Moment richtig schwer, fies zu Harry zu sein. Seine Worte, dass sie gemeinsam wiederkommen würden, hatten ihn gefreut. „Ich weiß schon.“, erwiderte Harry milde. „Ich bin blind und du kannst es nicht verantworten, dass ich alleine durch Hogwarts streife, da du, sollte ich erwischt werden, ebenfalls Probleme bekommst, was du dir nicht antun willst, weshalb du lieber freiwillig etwas mehr Zeit mit mir verbringst, bevor du noch dazu gezwungen wirst, am Wochenende mit mir in einem Raum zu sitzen und Strafarbeiten zu verrichten.“ Selbstsicher nickte Draco. Eine bessere Ausrede hätte ihm nicht einfallen können. „Du hast es erfasst!“ Doch innerlich hasste er sich dafür. Er ließ ihn nicht allein, weil er nicht wollte, dass ihm etwas zustieß. Das war alles. Nur ließ sein Stolz nicht zu, dass er ihm das sagte. Der Abstieg dauerte nur noch halb so lange wie der Aufstieg und schon bald erreichten sie das Ende der Treppe. Der Slytherin hatte einen halben Drehwurm und musste sich erst wieder fangen, doch Harry schien das Gekreisel nicht zu stören. Zielsicher ging er auf das Mosaik mit Löwe und Schlange zu. „Was ist, Malfoy? Der Ausgang ist hier drüben!“ Es war wirklich erstaunlich. Hätte er nicht gewusst, dass sie durch das Bild gekommen waren, hätte er nach der ganzen Dreherei nicht mehr sagen können, in welche Richtung er gehen musste. Doch Harry ging ohne zu zögern darauf zu. Er trat zu dem Schwarzhaarigen, der stehen geblieben war, um auf ihn zu warten. „Wusstest du eigentlich, dass wir uns in einem Geheimgang befinden und du vor einer massiven Wand stehst?“, fragte er wie beiläufig, hielt absichtlich alle Emotionen aus seiner Stimme fern. Harry kratzte sich am Ohr. „Ich hab’s geahnt.“, antwortete er verlegen. „Du warst so aufgeregt.“ Aufgeregt? Er war aufgeregt? Wieso wusste er davon nichts? Andererseits, jetzt, wo er das sagte, hatte er schon das Gefühl, dass es stimmte. „Nicht schlecht.“, erkannte er diese Leistung an. „Mich durchschauen nicht viele Leute.“ Harry grinste und trat dann durch die Wand. Sie schien für einen Augenblick einfach flüssig zu werden, bis er hindurch war, bevor sie ihre ursprüngliche Form wieder annahm. Draco folgte. Und traf auf einen sich hilflos nach allen Richtungen wendenden Harry Potter, der erst einen Schritt nach links, dann einen nach rechts machte, und schließlich wieder stehen blieb. Offensichtlich hatte er sich wirklich verlaufen und wusste nicht mehr, welchen Weg er nehmen musste. Bemitleidenswert. Vielleicht sollte er ihm helfen… Gerade da straffte Harry die Schultern und drehte sich zu ihm herum. Sein Ausdruck war ernst und eindeutig missbilligend. „Es fällt mir zwar nicht leicht, das zu tun, aber bevor ich hier übernachten muss… Malfoy, würdest du mir bitte den Weg in die Große Halle beschreiben?“ Draco glaubte, seinen Ohren nicht trauen zu dürfen. Hatte Harry das gerade wirklich gesagt? Hatte er ihn wirklich um Hilfe gebeten? Hatte er sich nicht verhört? Das war doch… Harrys Haltung entspannte sich wieder, er zuckte mit den Schultern und wandte sich nach links. „Dann eben nicht.“, murmelte er. „Bis…“ „Serpensortia!“, rief Draco und Harry wirbelte herum, den Zauberstab schon erhoben, bereit zu kämpfen. Welch wundervolle Reaktion. Jeder Auror wäre neidisch darauf, doch der Blonde winkte ab. „Beruhige dich mal… Du kannst doch mit dem Vieh sprechen.“, erklärte er seinen Zauber, beleidigt, dass Harry wirklich so schlecht von ihm dachte. „Also kannst du ihr sagen, wo du hin willst, und sie bringt dich.“ Sprachlos starrte der Schwarzhaarige in seine Richtung, ließ die Hand mit dem Zauberstab sinken, so dass Draco lächeln musste. Er hatte ihn überrascht. „Du kannst sie mit Vastari verschwinden lassen, wenn du zu Hause bist.“ Immer noch war Harry sprachlos, doch Draco konnte seine Blöße nicht noch vergrößern, indem er diesen Moment unnötig in die Länge zog. Er ging um Harry herum in den Gang, der zu dem Zimmer führte, wo er vorher gearbeitet hatte. Seine Schulsachen waren noch dort. „Tschüss.“ Und schon ging er in die Schatten des Ganges davon. Der Abschiedsgruß weckte schließlich auch den Jungen, der lebt, aus seiner Starre. „Danke, Malfoy!“, rief er ihm hinterher. Draco rollte mit den Augen. „Du weißt hoffentlich, dass niemand hiervon erfahren wird, sonst hast du ein gewaltiges Problem!“, gab er kalt zurück. Harry nickte. „Schon klar.“, lachte er, dann beugte er sich zu der Schlange hinunter, sprach in jener seltsamen Sprache zu ihr, woraufhin sie sich in Bewegung setzte und er ihr folgte. Schweigend beobachtete Draco, wie sie im rechten Gang verschwanden, und plötzlich stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Er hatte tatsächlich den ganzen Nachmittag mit Harry Potter verbracht, ohne dass sie sich gegenseitig an die Kehle gegangen waren. Das konnte er doch durchaus als ersten Erfolg verbuchen! Jetzt nur noch… Unbeschadet erreichte Harry den Durchgang, öffnete mit dem Passwort das Portraitloch, und trat ein, nachdem er die Schlange mit einem Wink seines Zauberstabs hatte verschwinden lassen. Er war entspannt und irgendwie war ihm leicht ums Herz, doch die ihn empfangende Stimmung war bedrückend. „Wieso kommt er denn nicht?“ Das war eindeutig Hermione, die das sagte. Und sie klang fast verzweifelt. „Es ist schon nach Mitternacht!“ „Vielleicht wurde er bei Snape aufgehalten…“ Und das war Rons Stimme. Irrte er sich oder kam sie von derselben Stelle wie vorher Hermiones? „Das glaubst du doch selbst nicht!“ Er irrte sich nicht. Entweder saßen sie ungewöhnlich dicht beieinander oder, was er eher vermutete, Ron hatte Hermione auf dem Schoß. Wie süß! Langsam ging er auf sie zu, vorsichtig, um nicht mit irgendeinem im Weg stehenden Sessel zu kollidieren. „Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass ihm etwas passiert ist, Mione. Das hätten wir längst erfahren!“ Ron strich ihr durch die braunen, lockigen Haare. „Mach dich nicht verrückt. Harry weiß schon, was er tut.“ „Er schadet Gryffindor, wenn sie ihn um diese Zeit draußen erwischen.“, entgegnete sie leise. Man konnte hören, dass sie es nur noch halb ernst meinte. „Sollen wir ihn suchen gehen?“, wollte Ron wissen. Sie lächelte. „Wenn sie uns erwischen, machte es das nicht besser, Ron. Zumal wir Vertrauensschüler sind.“ „Wir können den Tarnumhang und die Karte des Rumtreibers nehmen. Harry hat es erlaubt.“ Der Schwarzhaarige grinste. Das stimmte. Das war wirklich ein guter Einfall von dem Rotschopf. Zum Glück war ihm das nicht früher eingefallen, sonst hätte er ihn womöglich mit Malfoy zusammen gesehen und das wäre sicherlich nicht ohne Komplikationen vonstatten gegangen. Hermione schien die Idee auch gut zu finden. „Vielleicht sollten wir ihn wirklich suchen gehen.“, stimmte sie zu. „Er müsste schließlich längst zurück sein!“ Rascheln ertönte, als sie aufstand und Ron anschließend in die Höhe zog. Sie kamen jetzt direkt auf ihn zu. Warum sahen sie ihn denn nicht? Waren sie etwa auch blind geworden? Oder… Er hob den Zauberstab erneut, den er immer noch nicht wieder weggesteckt hatte, als sie gerade an ihm vorbei gingen. „Retro Origo!“, murmelte er und spürte, wie der Zauber von ihm abfiel. Sein ganzer Körper kribbelte wie verrückt. Dieser Malfoy! Wann hatte er..? „Harry?“ Hermiones Stimme war voller Erstaunen, doch ihre Verblüffung über sein plötzliches Erscheinen hielt sich nicht lange und sie schüttelte sie schnell wieder ab. Sie rannte die paar Schritte zu ihm zurück, fiel ihm um den Hals und drückte ihn ganz fest an sich. „Wo warst du denn die ganze Zeit nur? Wir haben uns Sorgen gemacht! Weißt du eigentlich wie spät es ist?“ Harry grinste, als er die Umarmung erwiderte. „Sperrzeit.“ „Wo hast du denn das Wort her. Klingt ja doof.“, murrte Ron, doch auch er begann zu grinsen, als er ihm auf die Schulter klopfte. „Wir wollten dich gerade suchen gehen! Wo warst du?“ „Ich habe mich wohl verlaufen!“, gab Harry errötend zu. Hermione ließ ihn los und wandte sich Ron zu. „Siehst du, wir hätten ihn doch bei Snape abholen sollen! Er kommt halt nicht alleine zurecht in diesem vermaledeiten Schloss!“ „Nana.“, beruhigte sie Harry, indem er ihr eine Hand auf den Arm legte. „Ich bin doch wieder da. Und ich hab es ganz alleine geschafft.“ Stimmte nicht ganz, aber na ja. „Harry, du bist mehr als drei Stunden zu spät!“, ereiferte sie sich. „Aber trotzdem hab ich es geschafft. Ich habe den Weg hierher gefunden“ ‚Und ich hatte nur ganz wenig Hilfe.’, fügte er in Gedanken noch hinzu, aber davon mussten die beiden nichts wissen. „Ich brauche nur noch ein bisschen Übung.“ Hermione seufzte. Die beiden Jungen wussten, dass sie noch nicht zufrieden und schon gar nicht einverstanden war, doch sie hielt sich zurück und lächelte. „Vielleicht sollten wir dann schlafen gehen. Wir können morgen immer noch darüber sprechen, wie du es geschafft hast und was du bei Snape wolltest.“ Es interessierte sie wirklich brennend und am liebsten würde sie ihn gleich ins Kreuzverhör nehmen, aber Harry sah müde aus. Und sie war es auch. Und am nächsten Tag hatten sie Unterricht! Ron nickte. „Gute Idee. Ich bin fertig!“ Und auch Harry schloss sich seinen Freunden an. Eine Mütze voll Schlaf war jetzt genau das Richtige. Sie wünschten einander eine gute Nacht und dann zog sich Hermione zurück, während Ron Harry in ihr Zimmer führte. Die anderen schliefen schon. Schnell machten sie sich bettfertig und legten sich hin. „Nacht, Ron!“ Harry zog die Vorhänge zu und schloss die Augen, doch der Schlaf kam nicht. Seine Gedanken waren viel zu aufgewühlt. Ob Malfoy jetzt schon schlief? Er hatte sich heute völlige anders verhalten als noch am gestrigen Tage. Er war fast freundlich gewesen, nicht so eklig wie sonst. Warum? Was hatte sich geändert? Lag es daran, dass Malfoy dachte, er müsse ihm wegen der Blindheit helfen? Aber dieses Gefühl hatte er irgendwie nicht. Eher… Die Erinnerung an die Umarmung flutete durch seine Gedanken. Malfoy hatte ihn gehalten wie etwas Zerbrechliches, hatte ihn nicht nur gerettet, sondern auch vor dem Sturz bewahrt, etwas was er früher nie getan hätte. Er war richtig zärtlich gewesen. Oder bildete er sich das nur ein? Hermiones Umarmung vorhin war rein freundschaftlicher Natur gewesen und vollkommen anders als Malfoys. Was war nur mit dem blonden Slytherin los? Warum war er so anders als sonst? Und mit diesen und ähnlich weltbewegenden Fragen schlief er schließlich doch ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)