Vierter Teil: Wir leben! von abgemeldet (Fortsetzung von "Dkmnudhdm", "GiKuS" und "DLdW") ================================================================================ Kapitel 19: Revanche 2 ---------------------- Das erhoffte Resultat blieb aus. Kaiba spürte die Schwäche und die Erschöpfung noch immer und marternd am eigenen Leib, als er nach geraumer Zeit in die Firma zurückkehrte und seine Etage betrat. Er atmete ein, spürte die bedrückende Atmosphäre stärker denn je. Und wohl umso bedrückender wäre das, was kommen sollte. Matt hielt er das Handy in der Hand, als er sich auf den Weg machte. Pikotto hatte angerufen, ihn darüber informiert, dass die gewagte Unterredung beendet war und dabei alles andere als optimistisch geklungen. Ja, es war nur eine Frage der Zeit, bis er doch leise Zweifel an ihm hegen würde. Die Last schien mit jedem seiner Schritte zu wachsen, die Anspannung und die Pflicht, sich zu sputen, um bei der Rettung seiner Firma den letzten und entscheidenden Schritt zu tun. Als Kaiba leise Geräusche vernahm, brach er das abwesende Sinnieren ab und blickte auf. Ein blasser und müder Pikotto kam ihm entgegen. Die Hände in den Hosentaschen, trottete er durch den Pausenraum und dann trafen die Beiden aufeinander. Das Wichtigste war bereits bei dem kurzen Telefonat herausgekommen, doch nun sah Pikotto noch immer aus, als wäre längst nicht alles gesagt. Kurz standen sie sich stumm gegenüber, bis Pikotto unter einem tiefen Atemzug die Schultern hob und wieder fallen ließ. „Utada steht kurz vor Ihrer Kündigung“, meinte er Kopfschüttelnd. „Wenn du etwas dagegen tun willst, dann tu es schnell.“ „Was ist mit Itama?“, erkundigte sich Kaiba müde, zog an Pikotto vorbei und kehrte zum Büro zurück, sich nebenbei aus dem Mantel befreiend. Der Stellvertreter folgte ihm seufzend. „Hat sich am meisten dagegen aufgelehnt.“ „Mm.“ Kaiba presste die Lippen zusammen, drückte träge die Klinke hinab und öffnete die Tür. „Und Soriama?“, fragte er nebenbei und Pikotto lehnte sich hinter ihm in den Türrahmen. „War stumm, wie ein Fisch.“ Die Augen des Älteren folgten Kaiba nachdenklich. „Du verdächtigst ihn, nicht wahr?“ „Mm?“ Kurz lugte Kaiba zu ihm, bevor er sich seinen Latte Macciato nahm und sich auf den Weg zum Schreibtisch machte. „Tja…“, er runzelte die Stirn, „… scheinbar nicht grundlos, wenn er dir auch aufgefallen ist.“ Ein leichtes Brennen erhob sich in Joeys Körper, als er zögerlich das Gesicht regte. Ein tiefer Atemzug brachte seinem Körper ein gewisses Bewusstsein zurück und stockend verzog er die Augenbrauen. >Ich lebe…<, erhob sich der müde Gedanke. >Ich lebe...!< Und unter einem leisen Husten öffnete er die Augen, spreizte die Finger und hob die Hände. Wie war er zusammengezuckt bei dem Schuss, der nicht auf die Decke, sondern auf ihn gerichtet worden war. Der Schock hatte ihn in die Knie gezwungen und glauben lassen, das Licht der Welt nicht wieder zu erblicken. Sein Kopf rumorte, als er stockend die Hände nach vorn zog und sich abstützte. Die Geräusche der Umwelt drangen wieder zu ihm. Das altbekannte Keuchen, das Entsetzen der Geiseln und das Wimmern einiger Frauen, die keinen geringeren Schreck davontrugen als Joey. Und ein Würgen… langsam hob Joey den Kopf, einige Strähnen seines Haares hafteten auf dem Schweiß seiner Stirn und vorerst noch verschwommen erblickte er den jüngsten der Geiselnehmer, der ihm dem Rücken gekehrt und sich übergeben hatte. Er blinzelte mehrmals, erkannte all die Männer, die vor ihm standen und den einen, der die Waffe noch immer erhoben hielt. Mit offenem Mund starrte er ihn an, wurde dann jedoch auf den alten Schmerz aufmerksam und lugte zögerlich zu seinem Arm. Der Stoff des Shirts war an seinem Oberarm von Blut durchtränkt… doch es war nur ein Streifschuss und er presste bei dem Anblick die Lippen aufeinander. Bis vor ihm schwere Schritte ertönten und er abermals aufblickte. Der Chef der Geiselnehmer war es, der auf ihn zutrat, und bei sich noch immer die Pistole, die entspannt in seiner Hand lag. Fahrig streifte Joeys Blick die Waffe, bevor er sich wieder auf das Gesicht des Mannes lenkte. Gnadenlos und kühl fixierte dieser den Blonden, der vor ihm kauerte… und vor dem er stehen blieb. Pikotto stieß ein langes, dumpfes Seufzen aus, rieb sich die Stirn und verschränkte die Arme vor dem Bauch. „Wie geht es jetzt weiter?“ „Erst einmal“, Kaiba bückte sich nach dem Computer; schaltete ihn ein, „setze ich mich mit meinem Assistenten in Verbindung. Es gibt einiges zu klären, womöglich erhalte ich sogar den Beweis, den ich benötige, um Bankroft dingfest zu machen.“ „Bankroft...?“ Erschüttert ließ Pikotto die Arme sinken. Starr waren seine Augen auf Kaiba gerichtet und nach einem kurzen Zögern warf er prüfende Blicke in beide Richtungen, trat in das Büro und schloss die Tür hinter sich. „Jason Bankroft?“, keuchte er ungläubig, doch Kaiba schüttelte den Kopf. „Charles.“ „Bitte?“ Pikotto ließ sich auf der Armlehne des Stuhles nieder. „Wer soll das sein…?“ „Der kleine Bruder, der sich bislang versteckt hielt und jetzt ins Rampenlicht tritt.“ Suchend sah sich Kaiba auf dem Schreibtisch um. „Ihn nicht zu kennen, muss dir nicht peinlich sein. Bis vor kurzem ging es mir nicht anders und gesehen habe ich ihn bis heute nicht.“ Joeys Unterkiefer erzitterte, als er von den Augen des Mannes zu der Pistole sah, sah, wie sie sich erhob, wie sich ihr Lauf zielstrebig auf seinen Kopf richtete. Der Blonde blinzelte gegen die Trockenheit der Augen an, seine Fingernägel schabten über den ebenen Boden, während sich ein dünner Blutfaden den Weg über seinen Arm suchte, eine kitzelnde Spur nach sich zog. >Okay…< Ein schwerer Druck breitete sich in Joeys Hals aus, als sich der Daumen des Mannes zum Hahn der Waffe hob. Das kalte Klicken, welches er schon so oft gehört hatte, erhob sich in der annähernden Stille der Halle. >I-ich glaube das nicht…!< Kalter Schweiß zog sich über Joeys Körper, der Jüngste der Geiselnehmer rieb sich hustend den Mund, taumelte ziellos zur Seite und stützte sich gegen eine der Säulen. Joeys Augen blieben starr auf den Lauf gerichtet. Ein eisiger Schauer der Angst durchflutete ihn, sein Körper war zu keiner Regung mehr imstande. >Schließ die Augen!<, schrie es in ihm. >So ist es sicher leichter!!< Pikotto wusste nicht mehr, was er sagen sollte. Reglos saß er dort und verfolgte fassungslos, wie sich Kaiba zu seinem PC wandte und zu tippen begann. Ein mehrfaches Blinzeln machte ein weiteres Mal darauf aufmerksam, wie übermüdet er war. Erschöpft weitete er auch die Augen, rieb sie sich und straffte unter einem tiefen Luftholen die Schultern. Pikotto fuhr sich stockend über das Haar. „Und… nun, ich verstehe diese ganze Sache noch immer nicht… aber du bist der Meinung, diese Sache schnell zu Ende bringen zu können?“ „Vielleicht noch heute“, erwiderte Kaiba angespannt und starrte auf den Monitor. „Aber dazu brauche ich jetzt unbedingt Zeit. Lass mir eine Stunde." Plötzlich hielt Kaiba inne. Seinem Gesicht entsprang ein Einfall und erwartungsvoll spähte er zu Pikotto. "Wäre es möglich, dass du dich um die Abteilungsleiter kümmerst? Jetzt, während ich zu tun habe? Ich denke, wir machen keinen Fehler, die Sache schnellstmöglich aufzuklären." "Jedenfalls würde es mich etwas beruhigen." Sofort willigte Pikotto ein und Kaiba schöpfte tiefen Atem. "Ich werde dafür Sorge tragen, dass Soriama von der Aufklärung nichts erfährt und die anderen sofort aufsuchen." "Danke." Kaibas Aufmerksamkeit gehörte längst wieder und allein dem Bildschirm, auf den er mit glasigen Augen starrte. Er wurde kurz gemustert. Eingehend, bevor sich Pikotto abwandte und zur Tür zurückkehrte. In langsamen Schritten, in denen er am Ziel innehielt. Die Tür auf der Klinke, wandte er sich zu Kaiba um. Ziellos richtete seine Hand die Krawatte und abermals musterte er seinen Chef. „Wie lange hast du nicht mehr geschlafen, beziehungsweise dich ausgeruht?“ Der Angesprochene blähte nur überfordert die Wangen auf, löste die Augen nicht vom Monitor. „Zwei Tage, drei… frag mich nicht. Ich werde das nachholen, sobald ich das hier erledigt habe.“ „Mm.“ Pikotto kannte ihn und die Ernsthaftigkeit der Situation gut genug, um zu begreifen, dass Debatten, die in diese Richtung schweiften, alles andere als brauchbar waren. „Wenn ich dir noch bei irgendetwas anderem eine Hilfe sein kann…“, hob er erneut an. „Dann sage ich Bescheid“, murmelte Kaiba starr in den Monitor vertieft und nebenbei nach dem Headset greifend. Langsam wandte sich Pikotto ab und verließ das Büro. Währenddessen streifte sich Kaiba schon das Headset über und wählte die Nummer. Wieder das Rufsignal und in ihm wuchs die Anspannung. Was konnte Alfons ihm liefern? Würde es wirklich genügen, um diese qualvollen Sorgen an diesem Tag aus der Welt zu räumen? Es widerte ihn an… Er konnte kaum noch aufrecht stehen, das klare Denken fiel ihm ebenso schwer. „Hoooowdy!“, erhob sich da das heitere Krächzen und Kaibas Miene zuckte unter der unangenehmen Lautstärke. „Hat sich der Meister erholt?“ „Sag mir lieber, was du hast“, murrte Kaiba. „Ein Telefonat“, lachte Alfons. „Soriama war fleißig. Und das vor circa zehn Minuten.“ Ein leichtes Zucken durchfuhr Kaiba bei diesen Worten. Seine Augen weiteten sich, die Zunge befeuchtete flink die Lippen und seine Finger trommelten einen unruhigen Takt auf der Fläche des Schreibtisches. „Schick mir die Datei! Sofort!“ „Is ja guut“, leierte Alfons und in er Leitung ertönte das altbekannte Klackern. >Bitte… bitte!< Kaiba schloß die Augen. >Bring es zu Ende! Gib mir irgendetwas, womit ich dich fertig machen kann!< „Abgeschickt!“ >Und angekommen…<, Kaibas Augen starrten auf die Nachricht, die auf seinem Monitor aufblinkte. „Gib kurz Ruhe“, brummte er Alfons zu, griff eilig nach den Lautsprechern des Computers und drehte diese etwas auf, bevor er sich an der Datei zu schaffen machte. „Okaaay, dann rauch ich noch einen.“ Kaiba antwortete nicht, reglos starrte er auf den Ladebalken und sein Herz begann zu rasen. Was war es für ein Telefonat? Seine Bewegungen verrieten ein knappes Zögern, als er die Datei öffnete, sich stockend zurücklehnte und sich das Headset vom Kopf zog. Da ertönte auch schon das aufgenommene Rufsignal und er hielt den Atem an. Joey wünschte sich, die Augen endlich von dem Lauf lösen und schließen zu können, doch sie blieben starr an ihm haften. Langsam bissen seine Zähne aufeinander, bissen immer fester, bis es schmerzte. Sein gesamter Leib bebte, das Zittern durchfuhr ein jedes seiner Glieder und dennoch fühlte er eine Lähmung, die sich nicht überwinden ließ. Eine Kälte, als benetze dünnes Eis seine Haut. >Jetzt hört es auf… hier ist der Punkt, an dem alles endet…< Das laute Husten des jungen Mannes riss Joey aus seiner Absenz und sofort schloss er verkrampft die Augen. Seine Miene zuckte, seine Ohren warteten auf das leise Klicken, was das Letzte sein würde, was er hörte. >Oh Gott… Seto!< Er ballte die Hände zu Fäusten. >Ich hab’s versucht… ich habe es echt versucht… < Angsterfüllt senkte er den Kopf. Ein helles Licht entflammte vor seinen Augen, schwächte jedoch flink ab und gab die Konturen eines Gesichtes preis, welches ihm nur zu bekannt war. Ein Bild, dass ihn frösteln sowie frieren ließ... das Symbol... ein driftiger Grund, am Leben zu bleiben. Kaiba… Und die Wut funkelte in seinen Augen. "Du überschätzt deine Fähigkeiten, Wheeler!“, vernahm er plötzlich seine Stimme. Schallend laut erhob sie sich im Kopf, wie ein Echo aus längst vergangener Zeit, das ihn in diesem fragwürdigen Moment erneut einholte. Wann war es gewesen? Weshalb drangen diese Worte gerade jetzt zurück in sein angsterstarrtes Bewußtsein?! „Überschreitest deine Grenzen, spielst dich auf und gibst an, obwohl du nichts hast, womit du angeben könntest! Du erkennst den Ernst des Lebens einfach nicht! Du bist ein Nichts, Wheeler! Du wandelst durch das Leben und bemitleidest dich selbst! Und du fragst, was ich an dir nicht leiden kann?! Da hast du deine verfluchte Antwort! Alles, Wheeler! Ich kann alles an dir nicht leiden!" Erschöpft schlangen sich die Arme des Blonden um den Bauch, während er an dem Fenster der Limousine lehnte. Ein kritischer Blick traf ihn. "Wenn du dein Mann sein willst, dann benimm dich gefälligst auch so!" Müde… wie er dort im Sessel hinter seinem Schreibtisch saß und ihn musterte. Es war an jenem, besonderen Tag, an welchem die ersten Hürden zwischen ihnen in sich zusammenbrachen. Kein besonders schlimmer Verlust. "Na, Joey ist nur dein Spitzname, oder? Hm? Ist nicht schwer zu erraten." Das Lächeln, als er schon die Hand an die Tür der Limousine legte, bereit, zu fahren. "Komm gut nach Hause, Joseph." Der erste Besuch… wie neu war es für Joey gewesen, wie ungewohnt. Und Kaiba musterte ihn nachdenklich, während er ihm schräg gegenüber auf dem weißen Sofa saß. "Du musst dich für einen bestimmten Weg entscheiden. Tu nur das, was du wirklich für wichtig hältst. Und wenn du dich entschieden hast, dann zieh es auch durch und gib nicht nach kurzer Zeit auf." Die blauen Augen, die selbstsicher an den Braunen hafteten, während die Hände flach auf den Kacheln der Kabine gebettet lagen. "Wie geht es jetzt weiter?" Zusammengesunken neben seinem Bett, an welches er nur zögernd getreten war. Und Joey, verletzt durch die Kugel und dennoch am Leben, der ihn erwartungsvoll anblickte. "Ich liebe dich nicht nur." Kaiba hob den Kopf, sah ihn an. "Du stellst eine der wichtigsten Personen in meinem Leben dar." Zuckend... ja, aufleuchtend, wie ein Schwarzweiß-Film mit so kurzen Szenen, dass man ihnen kaum folgen konnte. Rasend schnell. Wie sie an ihm vorbeizogen... ihn schwindeln ließen. Wie er von hinten an ihn herantrat… sanft mit dem Mund sein Ohr berührte, als sie sich in das Hotel zurückzogen. „Ich sagte dir nie, was du mir bedeutest, weil es sich mit Worten nur schwer ausdrücken lässt. Ich dachte stets, ich könnte alles, doch das bekomme ich nur schwer zu Stande. Du bist wortgewandter als ich, dir fällt es nicht schwer, deine Gefühle zum Ausdruck zu bringen, doch ich? Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas je einmal sagen würde. Ich bin der erfolgreichste und mächtigste Mann Dominos, habe Geld, Ansehen und Erfolg. Das ist es, um was mich viele beneiden. Ich bin dankbar für das, was man mir gegeben hat... doch ohne dich ist das alles nichts wert. Du symbolisierst die Dinge für mich, zu denen ich trotz alledem nie im Stande bin. Du tust, was ich mir nicht leisten kann, und doch gern tun würde. Du bist rebellisch. Das kann ich nicht. Du sagst was du denkst, bist zumeist nur am plappern und heiterst andere damit auf. Auch das kann ich nicht. Du bist umkompliziert. Wenn es eine Sache gibt, die dich stört, dann meckerst du so lange, bis es sich ergibt. Wenn du traurig bist, dann weinst du. Wenn du wütend bist, schreist du. Du erhellst mein Leben, du holst mich aus dem tristen Alltag und heiterst mich auf. Mein Gott, deswegen liebe ich dich so abgrundtief, Joseph! Durch dich habe ich erst angefangen, zu leben. Und ich hätte mir nie träumen lassen, einem Menschen einmal so wichtig zu sein.“ Dort kauerten sie... Dumpf war der Schmerz in seinem gesamten Körper, brennend die Kugel, in seinem Inneren, während sich der nächtliche, schwarze Himmel über ihm erstreckte. Eine seltsame Nacht, in der es ihm aus den sicheren Wänden seines Hauses gezogen hatte. Dorthin, an jenen Ort, mitten auf der Straße, auf der sein Leben schwankte. "Du wirst nicht sterben", erhob sich die zitternde Stimme Kaibas und beinahe spürte Joey die Wärme seiner Arme, die ihn bebend hielten. "Du darfst es nicht, verstehst du...?" Joeys Fingerkuppen schmerzten, als er abermals mit ihnen über den Boden schabte. Heiß haftete sein Haar auf seiner Stirn und eine heiße Nässe ließ seine Augen glühen. >Es tut mir so leid… Seto…< „Ja?“, meldete sich eine desinteressierte Stimme und Kaibas Hand hob sich stockend zum Kinn, während er dem Gespräch lauschte. „Ich bin es.“ Ein fahriges Keuchen rauschte in der Leitung „Soriama!“ Kaibas Hand klammerte sich in das Kinn, sein Leib bewegte sich ruckartig um ein Stück nach vorn. >Er ist es!!< „Ach?“ Ein genervtes Stöhnen. „Der ewig Heulende. Was haben Sie auf dem Herzen? Hoffentlich etwas Wichtiges.“ „Wichtig…?“ Die Stimme des Anderen zitterte. „Wichtig?? Meine verdammte Existenz! Ist die nicht wichtig?!“ „Mm…“, ein unbeteiligtes Murren brachte die Antwort, im Hintergrund waren die Geräusche anderer Menschen zu vernehmen. „Ich bin dabei, meinen verdammten Arbeitsplatz zu verlieren!“, krächzte Soriama aufgebracht. „Der Vize hat uns mit sonst etwas gedroht, wenn dieser Verlust nicht aufgeklärt wird! Ich glaube, Kaiba ist völlig ausgerastet! Wie ein Wolf, der Blut gewittert hat!“ „Bitte, bitte. Nicht solche Vergleiche.“ Der Andere seufzte. „Ich sitze hier gerade gemütlich und genieße das Wetter.“ „Wollen Sie mich verarschen?! Sie haben gesagt, die Sache wäre schnell geklärt und Kaiba völlig machtlos!! Sie reiten mich rein und ich will sofort die zweite Hälfte des versprochenen Betrages!!“ „Für ein Heilmittel gegen Ihre Alzheimer-Erkrankung? Ich sagte, den Rest kriegen Sie, wenn die Sache geregelt ist.“ „Und wann soll es soweit sein?!“, verlangte Soriama aufgebracht zu wissen. „Sie brauchen länger, als geplant! Sie haben die verdammten Unterlagen! Was wollen Sie noch?!“ „Es überrascht mich nicht, dass dieses Vorhaben Ihren beschränkten Abteilungsleiter-Horizont übersteigt.“ Der Gesprächpartner blieb völlig kühl; Kaiba lauschte konzentriert. „Es ist nicht von einem Tag zum Nächsten getan. Doch spätestens morgen dürften wir unser Ziel erreicht haben. Mein Partner versucht schon alles Mögliche, um mit seiner geringen Intelligenz den Rest zu meistern. Aber, nun ja… er ist dumm, wissen Sie? In einer solchen Situation recht hinderlich.“ „Dann sagen Sie Ihrem Bruder, dass er sich beeilen soll!!“ >Was?!< Kaiba fuhr in die Höhe. Mit starrem Blick sah er sich um. >Jason...?!< „Aber natürlich.“ Ein gelangweiltes Stöhnen, im Hintergrund lachten kleine Kinder. „Ah…“, und Stille. „Was ist?!“, Soriama hörte sich erschrocken an und Kaiba presste die Lippen aufeinander. Plötzlich erhob sich ein leises Lachen in der Leitung. „Ach ne“, kicherte der junge Mann und Soriamas schneller Atem rauschte. „Was glauben Sie, wen ich hier gerade erspäht habe? Ihren blutrünstigen Wolf.“ Kaiba öffnete den Mund, noch immer quiekten kleine Kinder im Hintergrund. „Kaiba?!“, stieß Soriama erschrocken aus. „Das ausgerastete und blutrünstige Kerlchen sitzt soeben in der Nähe und spielt mit einem kleinen Wanst.“ „Wa…?“ Zu mehr als einem heiseren Ächzen war Kaiba nicht imstande. „D-Das verstehe ich nicht!“, krächzte Soriama. „Der Vize meinte, er wäre bei einem Termin?!“ „Scheint wohl doch nicht so zu sein.“ Ein leises Murmeln. „Gott, ist das Balg hässlich. Ach, wissen Sie was?“ Die Stimme klarte auf. „Ich gehe mal rüber und sage ‚Hallo’ oder irgendetwas anderes Nettes.“ „Was?!“ Soriama traute seinen Ohren nicht. „Was haben Sie vor?!“ „Mich ergötzen“, antwortete der junge Mann. „Ach je, sieht Kaiba schrecklich aus. Richtig ausgemergelt. Ist das nicht wunderbar?“ „Sie…“ „Entschuldigen Sie mich.“ Somit wurde aufgelegt. Das leise Tuten schallte durch das Büro und verstummte nach wenigen Sekunden. Kreidebleich und reglos saß Kaiba in dem Stuhl, die Hand wahllos auf dem Tisch gebettet, die Augen geradeaus gerichtet und den Anschein erweckend, als wäre er völlig weggetreten. „Meister!“, grunzte Alfons da und die Stimme erreichte diesen nur leise durch das entfernte Mikrphon des Headsets. „Ist das gut? Ist Big Boss zufrieden?“ Ohne zu blinzeln starrte Kaiba auf den Monitor, lautlos bewegten sich seine Lippen und endlich regte sich auch seine Hand. Stockend schob sie sich zum Headset. „Ich melde mich“, nur ein leises Nuscheln und anschließend schaltete er es ab. „Okey dokey!“, vernahm er noch das geämpfte Kichern des Genies, bevor er den Hebel umstellte. Langsam begannen seine Finger auf den Tisch zu trommeln, ein kurzes Blinzeln gelang ihm. >Bankroft…<, ging es ihm durch den Kopf. >Der junge Mann, der mir so plötzlich Gesellschaft geleistet hat…< Er versuchte mit einem Schlucken gegen den Druck in seinem Hals anzukämpfen. >Er hat mit mir gespielt… und dabei hätte ich seine Stimme doch wieder erkennen müssen…< Ein leichtes Zucken in den Augenwinkeln brachte etwas Leben in sein Gesicht zurück. Die Lippen bewegten sich stumm, bevor sie sich aufeinander pressten. Das Trommeln der Finger verschnellerte sich, bis die Hand flach auf der glatten Fläche liegen blieb. >So etwas… macht man nicht mit mir…<, ungläubig schüttelte er den Kopf, seine Miene begann sich zu verziehen. >Was bilden die sich ein…? Wie können die es wagen?!< Mit einem wuterfüllten Aufschrei fuhr Kaiba in die Höhe und mit einer Kraft, die ihm nicht mehr zuzutrauen war, wischte er die unzähligen Zettel und Papiere von seinem Schreibtisch. Raschelnd landeten sie auf dem Boden, nachdem der Sessel krachend gegen den nicht weit entfernten Schrank gestoßen war. Kaibas Atem raste, als er vor dem Schreibtisch stand, fahrig zuckten seine Pupillen von einer Richtung in die Andere, die Hände ballten sich zu zitternden Fäusten und unter einem rasselnden Luftholen blähte er die Wangen auf. >Gut! Das reicht!!< Obwohl der Stuhl ihm nicht im Weg stand, trat er mit aller Kraft nach diesem, schleuderte den leeren Kaffee-Becher durch den Raum und steuerte in weiten, wutentbrannten Schritten auf die Tür zu. Ein ohrenbetäubendes Dröhnen erhob sich in der Bank, als der Sichtschutz vor der Tür mit einem Mal zur Seite gerissen und fortgeschleudert wurde. Als die Fenster unter schweren Wurfkörpern splitterten und das Glas zu Boden prasselte. Laut und gellend schrieen die Geiseln auf und Joey riss die Augen auf. Dichter, weißer Rauch erhob sich von granatenförmigen Objekten, die dumpf scheppernd über den steinernen Boden rollten und ein ersticktes Husten erhob sich um ihn herum. Von Entsetzen gepackt, krochen die Geiseln in sich zusammen und mit gelähmten Gliedern und geweiteten Augen blieb Joey hocken. Undeutlich erspähte er schwarz gekleidete Männer, die in großer Zahl durch den Rauch stürmten, wie schemenhafte Gebilde in seiner starren Existenz auftauchten... Joey zusammenzucken ließen. Die Augen allein auf diese Menschen gerichtet, driftete seine Umgebung völlig aus seiner Wahrnehmung. Stockend blickte er um sich, starrte auf die Rauchschwaden, die sich zischend im gesamten Raum verbreiteten. Es lag ihm fern, die Lage zu realisieren… Er hatte die Augen geschlossen gehalten. Während der letzten Momente und eine ungewisse Zeit lang. Dumpf erhoben sich die Laute der robusten Polizeistiefel. Überall um ihn herum, während die Geiseln in ersticktes Husten ausbrachen... jeglicher Überblick verloren ging und Joey inmitten des weißen Nichts kauern blieb. Die Tür schepperte, als Kaiba sie aufstieß und sich den Weg durch die leeren Schreibtische bahnte. Zum Fahrstuhl. Mit einem ruppigen Griff drehte er den oberen Knopf seines Hemdes aus dem Loch, schlug gegen den Schalter und ging keuchend im Kreis, während der Fahrstuhl zu ihm kam. Abertausende von Flüchen zogen ihm zornerfüllt durch den Kopf und sein Atem wollte sich nicht beruhigen. Als sich endlich die Türen öffneten, fuhr er sich ruppig durch das Haar, rammte die Hand gegen eine Taste und trat unter einem weiteren Aufschrei gegen die Wand der Kabine, als sich diese in Bewegung setzte. >Nicht mit mir!< Er rang nach Atem, keuchte und röchelte, rieb sich das Gesicht und stemmte kurz darauf beide Hände gegen die Wand >Nicht mit mir!!< Dann endlich hielt die Kabine im zehnten Stock und mit brennender Entschlossenheit in den Augen wandte sich Kaiba den Türen zu, die sich kurz darauf öffneten. Ein letztes, tiefes Luftholen, bevor er in den großen Raum hinausstürmte, in welchem sich die Mitarbeiter tummelten. Ohne auf jemanden zu achten, schritt er durch die Menge und die Mitarbeiter, die ihm nicht schnell genug auswichen, wurden zur Seite gestoßen. Eine gespenstische Atmosphäre brach in dem Raum aus, die Lautstärke sank abrupt und nach wenigen Augenblicken waren ausschließlich alle Augen auf den Chef gerichtet, der mit rasselndem Atem und vor Wut gerötetem Gesicht auf die hinteren Büros zusteuerte. Und schnell sah er die Tür des Abteilungsleiters, die sein Ziel darstellte. Ohne Umwege stampfte er auf diese zu, griff nach der Klinke und riss sie auf. Erschrocken zuckten die drei jungen Männer zusammen, die vor dem Tisch des Abteilungsleiters standen und Unterlagen überprüfen ließen. Sie fuhren zu Kaiba herum, starrten ihn verwirrt an. Nur ein rigoroses Nicken zur Tür und sofort nahmen die drei ihre Blätter und schoben sie sich an Kaiba vorbei, der neben der Tür stehen blieb und Soriama bislang noch keine Aufmerksamkeit schenkte. Dieser hielt noch immer einen Kuli in der Hand, saß hinter seinem Tisch und verfolgte mit geweiteten Augen, wie Kaiba hinter dem Letzten zur Tür trat, diese grob schloss. Und sein Gesicht verlor an Farbe, als Kaiba die Schallosien blickdicht machte. Mit trügerischer Ruhe drehte er an den Kurbeln, sah sich flüchtig um und steuerte auf den Schreibtisch des Mannes zu, als sie von der Außenwelt abgeschirmt waren. Joey bemerkte es kaum, wie der Rauch auch ihn einfing. Erst, als sich ein Brennen in seiner Lunge erhob und ihn zum Husten zwang, begann er sich wieder zu regen, hob die Hand zum Mund und rang nach Atem. Sein Hals schien sich zuzuschnüren und seine Augen brannten, als er sich nach vorn beugte. Überall waren diese Geräusche... seltsame Laute. Stimmen, die ächzten, schrieen... nach Hilfe riefen. Das alles vermischte sich zu einem einzigen Lärm, der unerträglich in seinen Ohren dröhnte. Kein Schuss... keine abgefeuerte Waffe und dennoch hoben sich die zitternden Hände zu Ohren, um diese zu verdecken. Klackend fiel der Kuli aus der schwitzenden Hand des Mannes, als Kaiba die Stühle packte, zur Seite stieß und die Hand auf den Tisch rammte. Stechend durchbohrten die blauen Augen des Chefs die des Abteilungsleiters und bevor dieser etwas sagen konnte, schnellte Kaibas Hand nach vorn und schlug sich in seinen Kragen. Soriama stieß einen entsetzten Schrei aus, als Kaiba ihn nach vorne zerrte, selbst mit dem Knie auf die Arbeitsfläche stieg und ihn vor sich auf den Schreibtisch riss. Die Stifthalter und Unterlagen gingen zu Boden und für wenige Momente beherrschte ein wildes Rumpeln und Scheppern den Raum. Ein erschrockenes Zucken lebte in Joey auf, als ihn eine Hand am Arm ergriff. Sein Hals ließ es nicht zu, dass er schrie und bevor er sich versah, spürte er einen eiligen Druck an seinem Leib, spürte einen weiteren, festen Griff an seinem Rücken und wurde auf die Beine gezerrt. Ein dumpfer Schmerz tobte in seinem Kopf, als er hustend und ächzend aus der Bank gezogen wurde. Er fühlte die Bewegungen des Mannes der ihn schleppte und erst das ganze Ausmaß seines Befindens, als sich die kalte Herbstluft um ihn schloss und er das Tageslicht erblickte. In den ersten Momenten blinzelte er unter der Helligkeit, versuchte die Hand zu heben, doch wurde abgesetzt, bevor er es schaffen konnte. Der Schweiß auf seinem Gesicht fühlte sich an wie Eis, als ein frischer Luftzug ihn erfasste, der Schmerz an seinem Arm lebte auf und kurz darauf fühlte er den Boden unter den Füßen. Er kam unsicher zum Stehen, strauchelte zur Seite und rang noch immer nach Luft. Seine Lunge erholte sich nur langsam von dem Gas, doch bevor er stürzen konnte, wurde er erneut gefasst. Diesmal weitaus vorsichtiger stützten ihn Hände und er registrierte kaum, was um ihn herum geschah, da saß er auch schon auf einer Trage und starrte um sich. Ein Arzt hastete durch sein verschwommenes Blickfeld, benommen blinzelte er, hob die Hand und rieb sich die Augen. Überall herrschte Bewegung… ein wahrer Tumult – überall. Verwirrt sah er sich um. Was war passiert…? Ächzend windete sich der Mann in der Lage und zuckte zusammen, als sein Kragen auch von der zweiten Hand heimgesucht wurde. Kaibas Zähne knirschten, als er sich über seinen Angestellten neigte. Diesen packte die Angst wie noch nie zuvor und röchelnd hob er die Hände vor das Gesicht. Mit schwerem Atem beugte sich Kaiba tiefer; sein Griff verfestigte sich so sehr, bis seine Hände zu schmerzen begannen. „Was… denkst… du… dir?!“, Kaibas Stimme erhob sich in einem blindwütigen Brüllen. „Was bildest du dir ein?!“ „I-ich…“ Soriama zitterte am gesamten Leib. „Oh, natürlich! Du trägst nicht die Schuld, nicht wahr?!“ Kaiba weitete die Augen, ein sarkastisches verächtliches Fauchen kam über seine Lippen. „Bankroft hat dich gezwungen!!“ „Herr K-Kaiba!“ Soriama rang nach Worten. Das laute Keuchen unterbrach ihn. „I-ich habe…“ Unter einem leisen Schrei zerrte Kaiba den Mann höher und stieß ihn abermals auf das Holz hinab. Ein Wimmern drang an seine Ohren. „Dachtest du wirklich, ihr könntet mich zum Narren halten?! Dass ich nichts bemerke??“ „N-nein…“ „Hör auf zu stottern!!“ Kaibas Herz raste. „Du hast Angst um deine verfluchte Existenz?? Angst, Bankroft könnte sie zerstören?!“ Und wieder beugte er sich tief zu ihm hinab, bis sein brennender Atem Soriamas Gesicht streifte. „Willst du herausfinden, ob ich es besser kann?? Willst du das??“ „Nein!!“ „Was willst du dann?!“, schrie Kaiba. „Geld?? Das Ende der Firma?? Meinen Ruin??“ Starr und kreidebleich presste sich Soriama auf den Schreibtisch hinab; Kaibas Hände drückten ihm allmählich die Luft ab. „K-Kaiba, ich… es…“ „Halt dein gottverdammtes Maul!!“, Kaiba verzog angewidert das Gesicht. „Was soll ich tun, um Bankroft’s Drohungen zu übertrumpfen?! Mich an deiner Familie vergreifen?? Deine Konten, dein Geld verschwinden lassen?? Deinen Besitz?? Oder vielleicht kriege ich es sogar hin, deine Staatsbürgerschaft aufzulösen!!“ Soriamas schrie entsetzt auf und Kaiba löste die zitternden Hände aus seinem Kragen, spreizte die Finger und packte ihn kurz darauf noch einmal. Und in einer fließenden Bewegung stieg er von dem Tisch, zerrte Soriama mit sich, zog ihn von der hohen Fläche und ließ los, bevor der Mann auf dem Boden aufschlug. Röchelnd räkelte er sich und ächzte laut auf, als Kaiba sich mit dem Knie auf seinen Rücken stemmte. „Ich könnte dich ausrotten, Soriama!“, zischte Kaiba nahe an seinem Ohr. „Dich und alles, was du hast!“ „Ich… tue alles…“, ertönte dann endlich das, was Kaiba hören wollte. „… ich …“ „Ich sage dir, was ich von dir will!“ Kaiba hob das Knie von seinem Rücken, schlug die Hand in sein Hemd und zerrte ihn hoch, bis er ihn rücklinks gegen den Schreibtisch stoßen konnte. Brennend taxierte er ihn und Soriama kroch in sich zusammen. „Eine Aussage! Deine Hilfe, um Bankroft dingfest zu machen!“ „Aber dann…“ „Was willst du?!“, brüllte Kaiba ihn an. „Ziehst du die Zerstörung der Existenz dem Knast vor?? Du musst es nur sagen!!“ „Nein!!“ Sofort riss Soriama die Arme vor das Gesicht. „Ich tue es!!“ „Wo sind die Unterlagen?!“, schrie Kaiba mit bebender Stimme weiter. „Wo?! Hat Bankroft sie alle?!“ Und ein hektisches Nicken brachte die Antwort. „Ja… ja! Ich… i-ich musste…“ „Ich zeige dir, was du musst!“ Kaiba kam auf die Beine, packte ihn sicherer und zerrte ihn hoch. „Hallo? Können Sie mich hören?“ Irritiert blinzelte Joey und starrte in das Gesicht eines Arztes, der ihn musterte. Er verzog die Miene, lehnte sich an dem Mann vorbei und spähte hinüber zum Eingang der Bank. Überall wimmelte es vor Polizisten, aufgebrachte Wortfetzen erfüllten die Luft und immer mehr Männer strömten in die Halle. Hustend und strauchelnd wurden Geiseln aus dem weißen Dunst geführt. Ärzte eilten ihnen entgegen, übernahmen die geschockten Menschen und führten sie zu einer Gruppe von Krankenwagen. Joey selbst lag auf einer Liege und wurde durch ein Schnippen wieder auf den Arzt aufmerksam gemacht. „Können Sie mir Ihren Namen sagen?“ Und schon wurde von einem Weiteren der Ärmel seines Hemdes höher gerafft. Etwas überfordert lugte Joey zu den flinken Händen. „W-was ist passiert…?“ Mühsam holte er tief Luft und wandte sich an den Mann, der ihn noch immer anstarrte. „Wieso wurde so spät gestürmt…?“ Seine Stimme war nicht mehr als ein heiseres Flüstern. „Was hat die Polizei die ganze Zeit gemacht…?“ „Wie bitte?“ Der Arzt verstand nicht so recht. „Ich meine…“, Joey schluckte schwer und rang mit einem Blinzeln um Fassung. Noch immer haftete dicker Schweiß auf seiner Stirn und seine Gedanken taten sich schwer daran, wieder zum Leben zu erwachen… hatten sie sich nicht mit dem Ende abgefunden und damit, nie wieder benötigt zu werden? Abrupt zuckte er zusammen, als der andere Arzt ein Tuch auf seine Wunde presste. „Nur ein Streifschuss.“ Perplex blinzelte Joey zu dem Tuch, starrte auf das Blut und bewegte stumm die Lippen. „Folgen Sie bitte mit den Augen meinem Finger.“ Und Joey starrte auf den Zeigefinger, der vor seinem Gesicht ausgestreckt wurde. „Ah…“, er runzelte die Stirn, begann sich unentschlossen und stockend zu regen. „Wurden alle Geiselnehmer gefasst?“, hauchte er und warf nervöse Blicke zu den Polizisten, die sich aufgebracht vor der Bank tummelten. Eine seltsame Bewegung, der Joey nichts entnehmen konnte. Es wirkte wie ein zielloses, aufgebrachtes Gewimmel. Joey leckte sich nervös die Lippen. "Wurden sie gefasst...?", hauchte er wieder, blickte zu dem Arzt und sah eine seltsame Kopfbewegung. Kurz schloss sich der Mann seiner vorherigen Beobachtung an und Joey schluckte schwer. Irgendetwas stimmte nicht... Und der Arzt schüttelte den Kopf. "Sie sollen wie vom Erdboden verschwunden sein." "Wa...", nur heiser erhob sich Joeys Stimme. Seine Augen machten ihn mit einem Brennen darauf aufmerksam, dass er das Blinzeln vergessen hatte und ein schmerzhafter, erschrockener Stich ließ ihn in die Höhe fahren. "Was?! Was hat das zu bed...", die Luft versagte ihm. Die gereizte Lunge war der Stimme nicht gewachsen und erstickt hustend sank er auf die Liege zurück, wurde sicher von den Händen des Arztes geführt. "Versuchen Sie, ruhig zu atmen. Sie haben Tränengas eingeatmet." Und wirklich... es brannte und es fiel Joey schwer, einen weiteren Blick zu jenem Eingang zu werfen. Jeden Schwarzgekleideten, der die Bank verließ, musterte er... jeden... und immer stellte er sich nur als Polizist heraus. Was war passiert...?! War war um ihn herum geschehen, während er die Augen geschlossen und sich von der Realität fernhielt?! Wie weit war er gedriftet, dass nichts zu ihm gedrungen war und wie schnell mussten die Geiselnehmer reagiert haben?! Es war ihnen gelungen...?! Verbittert bewegte er sich auf der Lage, rang nach Atem und schüttelte den Kopf. "Sie haben einen Tunnel benutzt!", brachte er angestrengt hervor, wollte aufstehen, doch der Arzt drückte ihn augenblicklich zurück. "Die Polizei muss diesen Tunnel...!" „Das einzige, was Sie jetzt müssen, ist mitkommen.“ „Ins Krankenhaus…?“ Ernüchtert starrte Joey den Arzt an. „Das geht nicht! Vielleicht kann ich helfen?!" "Die Polizei macht ihr Handwerk schon gut. Vertrauen Sie den Beamten. Sie werden die Bankräuber schon kriegen." "Aber...!", empört rang Joey nach Atem und der Arzt schloss sich ihm an, seufzte geduldug. „Herr...“ "Wheeler!" "Herr Wheeler." Der Mann bettete die Hände auf den Schultern des jungen Mannes, sah ihn eindringlich an. „Ich weiß, dass es sehr schlimm für Sie gewesen sein muss…“ „Ja, aber…“, verbittert lehnte sich Joey zur Seite, starrte abermals zur Polizei, „… die müssen etwas tun! Die können noch nicht weit sein! Ich muss mit einem Cheaf sprech…!“ „Herr Wheeler.“ Der Arzt neigte sich in sein Blickfeld. „Bitte beruhigen Sie sich.“ Sofort hob Joey an, etwas zu erwidern. Ein erbostes Zucken durchfuhr seine Miene und aufgebracht starrte er erneut an dem weißen Kittel vorbei. Die Geiseln, die Polizisten... auch die Scharen der Schaulustigen, die zurückgehalten wurden... Die Worte blieben in ihm stecken, schienen wie verankert in seinem Inneren, das nicht verstehen, nicht realisieren und akzeptieren wollte. Kein weiterer Fluch, keine weitere Bitte brachte er über die Lippen und während man beruhigend seine Schulter tätschelte, stieß er einen langen, zitternden Atemzug aus. Bebend versenkten sich seine Fingerkuppen in dem Polster der Liege und unter einem Zucken verengten sich seine Augen. Das war nicht das, worauf er hingearbeitet hatte... Resigniert und entrüstet blieb er dort sitzen. Diese Hitze… wenn Kaiba die Augen schloss, fühlte es sich an, als würden sie in Flammen stehen. Der Schweiß kühlte sein Gesicht, als ihn eine kalte Brise erfasste und auch der Mann, der neben ihm stand, zitterte. Mit starrem Blick wartete Soriama auf den Streifenwagen und Kaiba lugte nach kurzem angespanntem Sinnieren zu ihm. „Hören Sie“, raunte er ihm zu und an seinem Gesicht zerrte verbissene Ernsthaftigkeit. „Ja...“, flüsterte Soriama sofort heiser und starrte nur weiterhin auf den Boden. „Ich gestatte Ihnen, Ihre Strafe selbst zu mindern.“ „Wie bitte?“ Soriama schluckte trocken und Kaiba neigte sich zu ihm. „Sagen Sie aus, es mir freiwillig gemeldet zu haben.“ >Es missfällt mir, wie sonst nichts, doch ich kann mir keine Fragen erlauben, wie ich es sonst herausgefunden habe. Dass ich eine kriminelle Tat mit kriminellen Mitteln aufgeklärt habe…< „Eine Falschaussage…?“, Soriama presste die Lippen aufeinander und Kaiba verschränkte die Arme vor dem Bauch, während seine Augen den Streifenwagen erspähten, der auf den Parkplatz einbog. „Ich bin der Einzige, der diese dementieren könnte. Da ich aber der bin, der es vorgeschlagen hat, werde ich das kaum tun.“ Scharf verfolgte er die Bewegungen des Wagens. „Suchen Sie es sich aus.“ „W-wieso tun Sie das…?“ Kaibas Schultern hoben und senkten sich unter einem tiefen angestrengten Atemzug und flüchtig wandte er den Blick von dem Streifenwagen ab, um finster auf den Boden zu starren. „Ab jetzt stellen Sie keine Fragen mehr“, fauchte er und der Wagen hielt vor ihnen. Leise öffneten sich die Türen und Kaiba blickte, als sich zwei Beamte ins Freie schoben. Letztendlich nützte es alles nichts, Joey wurde in den Krankenwagen gezwungen und wie finster starrte er kurz darauf auf die Menschenmassen, durch die sich der Wagen kämpfte. Natürlich machte sein Arm auf sich aufmerksam… doch die Schmerzen waren nichts im Gegensatz zu der bodenlosen Enttäuschung, die ihn niederdrückte. All sein Planen, all sein Grübeln... Dieses Wagnis, seine Überwindung... Auf dem Weg zum Krankenhaus bewarf ihn der Arzt mit vielen Fragen, ebenso wurde sein Arm vollständig versorgt und erst nach einer ganzen Weile löste Joey die Augen von den Fenstern und starrte auf die Geräte des Wagens. Er antwortete knapp, je nach Behagen auch gar nicht und pochend rumorten diese Gedanken in seinem Kopf. Die vernichtende Vorstellung, dass Jason sein Ziel erreichte und er im Gegensatz überhaupt gar nichts. Vermutlich hatten seine Mühen letztendlich nichts gebracht, außer einem lächerlichen Zeitschinden, das auch nicht von Bedeutung sein konnte. Während man die unübersehbaren Schrammen in seinem Gesicht vorsichtig abtupfte, presste er die Lippen aufeinander, starrte zur Seite. >Sobald die Untersuchung vorbei ist, sobald die…<, lief in seinem Kopf eine Endlosschleife, während der Arzt seine Verletzungen kommentierte und man ihm nicht zuhörte. >Ich muss dringend zur Polizei.< Ein Tropfen auf den heißen Stein... dass er die Identität des Auftraggebers kannte. Bestimmt nur eine geringe Hilfe, der jede Festigkeit fehlte. „Herr Wheeler?“ Hinter Joey blieb der Arzt stehen. Nach unendlich erscheinenden Minuten saß der Blonde mit freiem Oberkörper auf der Liege eines Behandlungsraumes im Krankenhaus und der behandelnede Arzt starrte eine ganze Weile auf seinen Rücken, nachdenklich. „Ich sehe hier eine Narbe…“ „Ja.“ Joey senkte unter einem müden, resignierten Nicken den Kopf. „Dort hat mich einmal eine Kugel getroffen.“ Hinter ihm herrschte ein kurzes Schweigen, dann das Rascheln einer Verpackung. „Ah.“ Der Arzt räusperte sich und Joey verfolgte aus den Augenwinkeln, wie er eine kleine Spritze auspackte und in einem Schrank verschiedene Ampullen durchsuchte. „Ihre Rippen sind etwas geprellt, die Verletzungen im Gesicht werden schnell verheilen.“ Endlich hatte er scheinbar die Richtige gefunden. Er rückte an der Brille, las die Aufschrift und machte sich daran, die Spritze aufzuziehen. Joey unterdrückte ein Gähnen. „Ich verabreiche Ihnen noch ein Mittel, das Sie vor Infektionen schützt.“ Und somit trat er neben Joey und machte sich ans Werk. „Wenn es Ihnen angenehmer wäre, könnten wir Ihnen für Ihre Rippen noch einen Stützverband um…“ „Nein“, fiel Joey ihm sofort murrend ins Wort und lugte naserümpfend zu einer großen Uhr. „Brauche ich nicht.“ >Um 7!<, bemerkte er unwirsch. >Wie lange saß ich in der verfluchte Bank?!< Es folgte ein kleiner Stich und endlich war er fertig. „War’s das jetzt?“, erkundigte er sich sofort und ungeduldig und der Arzt brachte das erlösende Nicken zustande. „Ja, Sie können sich dann…“, und beide wandten die Gesichter zu einem dreckigen, zerrissenen und blutdurchtränkten Hemd, „… wieder anziehen.“ „Herr Kaiba?“ Kurz zuvor war Soriama von den Beamten in eines der Zimmer geführt worden. Und nun gedachte man endlich, sich an ihn zu wenden. Ein Polizist kam auf ihn zu und stemmte die Hände in die Hüften. Erschöpft lehnte Kaiba an einer Wand. „Wir haben Ihren Fall dem Chef-Inspektor gemeldet“, erklärte der Beamte und Kaiba nickte lahm. „Da es sich um kein geringes Verbrechen handelt, wird er sich persönlich damit befassen. Suchen Sie bitte den zweiten Stock auf und warten Sie vor Zimmer Nr. 17. Er wird Sie so schnell wie möglich aufrufen.“ Somit erwiderte er das Nicken und trat zur Seite. Und Kaiba löste sich von der Wand, zog an ihm vorbei und hob die Hand, um einen Blick auf die Armbanduhr zu werden. >Halb 8< Gähnend ließ er den Arm sinken. >Ich frage mich, wann dieser Tag enden wird. Die Unerträglichsten sind immer die Längsten.< Gemächlich griff Joey nach dem kleinen Becher, hob ihn aus dem Automaten und zum Mund. Der Kaffee war dringend nötig. Müde schloss er die Augen, wendete das heiße Getränk im Mund und fühlte anschließend, wie es seinen Körper erwärmte. Ein Gähnen unterdrückend, kratzte er sich am Kopf und wandte sich der Warteecke zu. Es war doch witzig, nicht wahr? Fast wurde ihm schlecht. Nun durfte er hier warten, bevor er melden konnte, was er zu melden hatte. Wen sollte es auch interessieren, was er wusste! Sich darauf verlassen, dass die Geiselnehmer gefasst wurden und ihn ans Messer lieferten, konnte er schlecht. Die Sache war schon übel genug und lieber gab er seine letzten Kräfte her, als sich mit diesen Tatsachen seine Ruhe zu suchen. Er trottete wenige Schritte, lehnte sich seitlich an die Wand und bewegte die Schultern. Allmählich bereute er, die Ärzte nicht um ein Schmerzmittel gebeten zu haben. Sein Arm pochte und der Verband war zu straff. Und dieses Shirt, welches ihm im Krankenhaus verpasst wurde, kratzte auch noch an den Nähten. Er holte tief Luft, stieß sie dumpf aus und schloss kurz die Augen. Was war er müde… >Was für ein Tag!< Diese Ironie ließ ihn flüchtig und schwach grinsen. Lieber hätte er seine Stunden im Lawell abgearbeitet und sich anschließend auf den gemütlichen Heimweg gemacht, um noch etwas für den morgigen Tag zu lernen. Wie herrlich, dass all dies nun ins Wasser gefallen war. Abermals stöhnend drehte er sich mit dem Rücken zur Wand, kreuzte die Beine und betastete den Verband. Kurz darauf fand auch sein Hinterkopf in der Wand eine Stütze und wieder schloss er die Augen. Wie gerne würde er jetzt im Bett liegen. Hier fühlte er sich nicht besonders wohl, jedenfalls würde er das Traumland weitaus bevorzugen. Zu gegebenen Zeiten konnte man die Realität nur verachten. Menschen, die verschreckten, die bedrohten und verletzten... und nun auf freiem Fuß. Irgendwo in Domino und weit entfernt von jeglicher Polizei. Es war zu gut geplant gewesen... einfach zu gut... und für Joey unerklärlich. Er versuchte sich diesem Unverständnis murrend zu entwinden. Bitter öffnete er die Augen und linste nach beiden Seiten. Wie viel hatten die Polizisten denn zu tun! Murrend hob er den Becher wieder zum Mund, hielt jedoch in etwaigen Bewegungen inne, als seine Augen etwas erhaschten. Zuerst nur flüchtig, dann drehte er das Gesicht und mit einem Mal verlor sich jede Wut aus seinen Zügen. >Was…?< Da war gerade jemand um die Ecke gekommen, den er eigentlich nicht erwartet hatte. Und er selbst wurde ebenso schnell bemerkt. Kaiba verlangsamte die müden Schritte. Irritiert ließ er auch das Handy sinken und hielt kurz inne. >Joseph…?< Dieser löste sich nun von der Wand, tat einen vorsichtigen, matten Schritt und sah Kaiba konfus näher kommen. Ausgiebig musterten sie einander und als Kaiba nicht mehr weit entfernt war, weiteten sich Joeys Augen aprubt. Fast entglitt der Becher seinen Händen. „Seto…“, hauchte er perplex und kam ihm um einen weiteren Schritt entgegen. „Wie siehst du denn aus?“ „Joseph?“ Kaiba schüttelte langsam und zerstreut den Kopf, als er vor ihm zum Stehen kam. Unschlüssig bewegte er die Lippen, hob flüchtig die Hand und verfiel letztendlich doch nur der ungläubigen Musterung des verschrammten, bleichen Gesichtes. Der glasigen Augen, die ihn verwirrt anstarrten. „Was ist dir zugestoßen…?“ Kaiba schluckte schwer, blinzelte sich von einem leichten Schwindel frei. „Und dir?“ Unentschlossen verfolgte Joey das Schwanken des Brünetten, hob die Hand. Doch schon stand Kaiba wieder sicher. „Seto, du siehst furchtbar aus.“ „Und du bist verletzt.“ Kaiba weitete die Augen, ließ den Blick überfordert schweifen und blähte die Wangen auf. Joey legte den Kopf schief. „Hast du wieder nicht geschlafen?“, erkundigte er sich gedämpft und müde. „Gott, wie lange nicht?“ „Das tut doch nichts zur Sache.“ Kaiba schien mit jedem Augenblick noch bleicher zu werden. Mit gesenkten Schultern und weichen Knien stand er vor dem Blonden und wusste nicht, was er denken sollte. „Ja, ich…“ Unwirsch gestikulierte er mit der Hand, „… es gab einige Probleme und…“ Seine Stimme versagte und erschöpft ließ er die Hand sinken, ebenso den Kopf, um ihn zermürbt zu schütteln. Joey presste die Lippen zusammen, neigte sich zu ihm, berührte zaghaft seinen Ärmel. Es war lange her, dass er Kaiba so gesehen hatte. Er blinzelte, senkte die Lider und starrte auf den eintönigen Boden. Einige Augenblicke verbrachten die Beiden umgeben von einem seltsamen, bedrückten Schweigen, bis sich Joeys Schultern unter einem tiefen Atemzug hoben und senkten. Ebenso richtete er sich auf und musterte den Brünetten betrübt. „Seto…“ Seine Augenbrauen verzogen sich flüchtig und trübe begegneten sich ihre Blicke. Ein mattes Lächeln zeichnete sich auf Joeys Lippen ab. Es wirkte traurig. „Ich bin froh, dass du da bist.“ Und er blinzelte, als Kaiba erschöpft einatmete. „Gott…“, seine Stimme war nur noch ein müdes Hauchen und mit einem matten Schritt hatte er Joey erreicht und schloss ihn in eine Umarmung. Auch der Blonde umschloss Kaibas Leib und presste sich an diesen. Den verletzten Arm mitsamt dem Kaffee streckte er etwas von sich, als er die Wärme des Anderen spürte, sie förmlich in sich aufnahm und die Augen schloss. Er fühlte, wie Kaiba mehrmals tief durchatmete, spürte, wie er mit letzter Kraft gehalten wurde und wie müde Finger ziellos über seinen Rücken glitten. Und als er dort stand, die Wange an Kaibas Schulter bettete und dessen Rücken streichelte, stieg der Wunsch nach Tränen in ihm höher. Um ein Haar stünde er nun nicht hier… beinahe hätten sie sich verloren und das für immer. Ein Tasten am schmalem Grad, ein Geschehnis, das nicht hätte sein dürfen. Und wie hätte er Kaiba verletzt… Stockend bekam seine Hand dessen Hemd zu fassen und schloss den Stoff in sich ein, als sie sich zu einer Faust ballte. Wärme… das Rauschen des Atems nahe an seinem Ohr. Das war Realität. Ja… es stimmte… er stand hier und war sich nicht sicher, diese Tatsache für sich angenommen zu haben. Ohne Worte… Es gab wohl auch positive Seiten an diesem Tag, an dem Ausgang des Banküberfalles. Bisher und in den letzten Minuten hatte Joey sie nur nicht gesehen... Als sich plötzlich eine Tür neben ihnen öffnete, lösten sie die Umarmung und erblickten einen älteren Mann, der nachdenklich auf einige Unterlagen starrte und kurz darauf zu ihnen „Der Fall Bankroft?“ „Ja.“ „Ich.“ Joey hob die Hand. Und gleichzeitig hielten sie inne und der Mann sah von einem zum anderen. „Alle beide?“, erkundigte er sich irritiert und sofort schüttelten beide den Kopf. „Nein.“ Skeptisch lugte Joey zu Kaiba und dieser registrierte diese Geste mit gereizter Verständnislosigkeit. „Joseph?“ Ächzend rieb er sich die Stirn. „Verzeihung, was zur Hölle geht hier vor sich!“ „Frage ich mich auch.“ Stirnrunzelnd wandte sich Joey an den Polizisten. „Ich bin wegen Bankroft hier… wegen Jason Bankroft.“ „Jason Bank…?“, Kaibas Miene zuckte vor Verwirrung und nach einem knappen Kopfschütteln fixierte er Joey bitter. „Was zur Hölle…“ „Wegen wem bist du da?“, fiel ihm der Blonde ebenso zermürbt ins Wort. „Charles Bankroft“, murrte Kaiba nur und augenblicklich hielt Joey in jeglichen Bewegungen inne. „Charlie…?“, flüsterte er konfus. „Wieso das?“ Inständig sah er Kaiba an. „Was soll Charlie denn getan…“ „Entschuldigen Sie.“ Ungeduldig lehnte sich der Cheaf in den Türrahmen, fuchtelte mit den Unterlagen. „Könnten Sie sich bitte entscheiden? Wenn Sie beiden wegen einem Bankroft hier sind, dann kommen Sie beide mit.“ Joey fiel es schwer, sich von Kaiba abzuwenden. „Okay…?“ Nur langsam wandte er sich ab, seufzend löste sich der Cheaf aus dem Türrahmen und endlich folgte man ihm in das Zimmer. Kaiba zögerte etwas länger. Er war mit den Nerven am Ende, als er sich das Gesicht rieb, leise stöhnte und Joey nachsah. Wieder begegneten sich ihre Blicke und Joeys Gesichtsfarbe war der seinen nun recht ähnlich. Mit trägen Bewegungen ließen sie sich auf den Stühlen nieder und der Cheaf sich ihnen gegenüber hinter dem Schreibtisch. Verspannt saß Joey kurz darauf auf dem Polster, seine Hände lagen unruhig auf den Armlehnen gebettet und oft lugte er abschätzend zu Kaiba, der mit finsterer Miene auf den Boden starrte. „Seto Kaiba“, murmelte er Cheaf währenddessen und machte sich Notizen. Kurz darauf wies er auf den Blonden. „Und Sie sind?“ „Joseph Wheeler“, antwortete dieser nach einem trockenen Schlucken und presste die Lippen aufeinander. „Und Sie wollen wen einer Straftat bezichtigen?“ „Jason Bankroft.“ Joeys Stimme versagte immer mehr. Annähernd war sie nur noch ein trockenes Flüstern. „Charles Bankroft“, lieferte Kaiba seine Antwort und abermals traf ihn der missmutige Blick von der Seite. Er atmete tief ein, als der Cheaf ihn noch immer erwartungsvoll ansah. „Es handelt sich um Anstiftung eines Zweitem zum Diebstahl interner Firmenunterlagen von größtem Wichtigkeitsgrad.“ Kaiba gestikulierte lahm mit der Hand. „Die er nun in seinem Besitz hat.“ Sprachlos öffnete Joey den Mund, ungläubig starrte er von Kaiba zu der Hand des Cheafs, die es notierte. Und sofort schüttelte er den Kopf. „Verzeihung?“ Unweigerlich richtete er sich auf. „Seto, bist du dir da ganz sicher? Charlie könnte keiner Fliege etwas zuleide tun. Er ist… einer der nettesten und liebsten Menschen, dem ich je begegnet bin.“ „Dann ist einer der liebsten und nettesten Menschen der Welt kurz davor gewesen, mich und meine Firma in den Ruin zu treiben“, erwiderte Kaiba und in seiner Stimme lag ein scharfer Unterton. Gereizt erwiderte er Joeys Blick. „Mir meine Ideen zu rauben, mich zu verhöhnen. Der nette liebe Mensch trat mir sogar gegenüber, um mir dreckig ins Gesicht zu lachen, weil ich seine Identität nicht kannte!“ Joey wollte sofort antworten. Seine Lippen bewegten sich unverzüglich, doch kein Ton kam über sie und nach einem verwirrten Blick in den Raum, schüttelte er nur noch den Kopf und warf sich gegen die Lehne des Stuhles. Er schwieg und Kaiba richtete sich an den Cheaf. „Herr Soriama war dafür zuständig, die Unterlagen zu entwenden und gab sie sofort an Bankroft weiter. Ich kenne dessen Pläne nicht, doch durch eine Außerplanmäßigkeit scheint Soriama kalte Füße bekommen zu haben, weshalb er sich an mich wandte, um das kleinere Übel zu wählen.“ Joey verzog kritisch das Gesicht und der Cheaf starrte Kaiba mit einem ähnlichen Anflug von Skepsis an. Schweigend durchmusterte Kaiba die grünen Augen des Mannes, trat dies mit ungebrochener Sicherheit und brachte den Cheaf bald dazu, sich auch das zu notieren. „Ganz kurz“, wurde dann Joey angesprochen. „Was legen Sie Herrn… Jason Bankroft zur Last?“ „Er ist der Auftraggeber der flüchtigen Bankräuber.“ Der was...? Eine flüchtige Überlastung ließ Kaibas Gesicht zucken und in diesem verwirrten Unwissen rieb er sich letzten Endes nur die glasigen Augen. „Haben Sie Beweise?“ „Nein.“ Müde richtete sich Joey auf. „Aber wenn die Polizei gute Arbeit leistet und die Bankräuber dingfest macht, werden sie es bei einem guten Verhör gestehen." Entschlossen nickte er in sich hinein und wieder erhob sich neben ihm ein trockenes Ächzen. Er achtete nicht darauf. "Der Jüngste von ihnen dürfte zum Beispiel am schnellsten zu einer Aussage bereit sein.“ „Wie kommen Sie darauf?“, erkundigte sich der Cheaf, während er schrieb. „Ich war eine der Geiseln…“ Stockend wandte Kaiba das Gesicht zu Joey und starrte ihn an. „… und konnte ihn in der Zeit, in der ich in der Bank festgehalten wurde, gut genug kennenlernen, um das zu wissen.“ „Du warst was…?“, vernahm Joey ein leises Zischen. Kaibas Atem fiel schwer und unter einem weiteren, tiefen Atemzug rutschte er tiefer in den Stuhl hinein. „Aber…“, Joey achtete nicht darauf. Unruhig rückte er sich im Stuhl zurecht. „Was die Sache mit Charlie angeht…“ „Joseph…!“, Kaiba biss die Zähne zusammen und der Blonde fuhr zu ihm herum. „Hast du Beweise?“ >Joseph! Ich fasse es nicht… hör auf!!< Ein Beben zog durch Kaibas Körper. Mit jeder Sekunde fiel es ihm schwerer, die Kontrolle nicht zu verlieren. „Das Geständnis Soriamas dürfte genügen“, brachte er letzten Endes mit verbitterter Stimme hervor. „Aber hat er Charlie je getroffen?“, fuhr Joey sofort entschlossen fort. „Vielleicht hat sich nur jemand als Charlie ausgegeben, um die eigene Identität zu wahren und den Verdacht auf ihn zu lenken?“ Griesgrämig faltete der Cheaf die Hände auf dem Tisch und sah von einem zum Anderen. „Joseph!“ Kaiba schickte diesem einen deutlichen Blick. „Es ist eine Tatsache!“ „Nein!“ Joeys Miene zuckte widerwillig und stöhnend wandte sich Kaiba wieder seinen Augen zu. „Kaiba, du hast Charlie nie getroffen! Du kennst ihn überhaupt nicht! Wenn du es tun würdest, dann würdest du nicht mit solchen Behauptungen ankommen!“ „Weißt du überhaupt, was du da redest?“ Dumpf ging Kaibas Hand auf die Stuhllehne nieder, umklammerte sie. „Du hast nichts von den Vorfällen der letzten Tage mitbekommen! Wenn du es getan hättest, dann würdest du nicht so einen…“, er biss die Zähne zusammen, „… Schwachsinn reden! Joseph, wirklich! Es ist Schwachsinn!“ „Du hast keine…“ „Joseph!“ Kaiba fuhr in die Höhe und die Miene des Blonden verfinsterte sich zusehends. „Hör auf.“ Er stieß mit dem Zeigefinger nach ihm. „Hör auf!!“ „Nein!“ Joey ließ sich nicht mehr von ihm einschüchtern. Versteift blieb er sitzen. „Ich wehre mich dagegen, weil es einfach nicht stimmen kann!“ „Hast du auch nur ein einziges Mal daran gedacht“, Kaibas weitete die Augen, „dass du nicht den wahren Bankroft kennen gelernt hast?“ „Wie ist das jetzt schon wieder gemeint!“, fauchte Joey und der Cheaf lehnte sich stöhnend zurück. „Warum sollte er sich verstellen! Und selbst wenn…“, er schnitt eine bittere Grimasse, „… so kann man nicht schauspielern! Charlie ist so umgänglich und einfach nur großartig!“ „Meine Herren…“, hob der Cheaf da an. „Das ist zwar sehr unterhaltsam aber…“ „Denk doch nur einmal nach!“ Beschwörend streckte Kaiba dem Blonden die Hände entgegen. „Charles, der Zweitgeborene Bankrofts und nie in dessen Lobreden erwähnt! Beinahe ist es schon so, als schäme sich Bankroft seiner Existenz und dabei ist er nicht mehr aufzuhalten, wenn er von seinem wohlgeratenen Jason schwärmt! Der Stolz eines Vaters, der nur einen der Söhne trifft! Meinst du wirklich, ein so vernachlässigter und hinabgestufter Junge ist nicht zu einer Tat fähig, um sich eine eigene Existenz aufzubauen?!“ „Er hatte immer eine Existenz!“ Allmählich widerte es Joey an, wie herabwürdigend Kaiba über den heiteren Jungen sprach. „Denn er hat Freunde, eine Beziehung und genug Selbstbewusstsein, um die Nichtbeachtung seines Vaters wegzustecken! Das meinte ich, du hast keine Ahnung! Charlie hat genug Stärke, um sein eigenes Leben zu führen! Er…“, Joey schnappte nach Luft, „… ich habe ihn auf dem Treffen kennen gelernt! Gott, er legte keinen Wert darauf, der teure Anzug stand ihm nicht! Er ist falsch in dieser Gesellschaft, wird ihr nie nachweinen und hat das Zeug, sich eine Neue zu suchen! Wozu braucht er irgendwelche Unterlagen?! Charlie ist ein Freigeist und nimmt sein Leben selbst in die Ha…!“ „Jetzt reicht es!“, meldete sich der Cheaf erneut zu Wort und endlich verstummte Joey. „Hören Sie.“ Der ältere Mann griff nach dem Kuli und betrachtete sich die Beiden mit sichtlicher Ungeduld. „Es ist mir gleichgültig, was Sie über die Verdächtigungen des Anderen denken und bestimmt habe ich Besseres zu tun, als mir das alles anzuhören!“ „Mm.“ Murrend ließ sich Joey im Stuhl tiefer rutschen und Kaiba wandte sich ab. „Ich habe das Gröbste zu Protokoll genommen.“ Der Cheaf senkte die Stimme und lugte zu den Unterlagen. „So, wie Sie aussehen, sind Sie hier und jetzt nicht zu einer genauen Aussage fähig, weshalb ich den festen Termin auf den morgigen Tag verlegen werde. Den genauen Zeitpunkt werde ich Ihnen telefonisch mitteilen." Kaiba nickte stumm und Joey lugte finster zu ihm. „Ich schlage vor, sie beide gehen erst einmal nach Hause und ruhen sich aus.“ Der Chef schloss die Mappe und erhob sich. „Sie sehen aus, als hätten Sie es nötig.“ Fröstelnd rieb sich Joey die nackten Arme, als sie bald darauf vor dem Präsidium standen. Es kam ihm vor, als hätten sie stundenlang in dem Haus gewartet und gesessen und nun wurde es schon dunkel und somit kühl. Der Blonde presste die Lippen aufeinander, zog die Nase hoch und lugte zu Kaiba, der das Handy sinken ließ, tief Luft holte und ziellos in die Ferne starrte. Er verstand überhaupt nichts mehr. Weder diese ganzen Gerüchte um zweifelhafte Schuldzuweisungen, noch den Menschen, der sich neuerdings so gerne mit ihnen befasste! Er starrte lange zu Kaiba, runzelte dann die Stirn und ließ sich langsam auf die wenigen Stufen sinken. Auf ihnen blieb er kauern, winkelte die Beine an und schlang die Arme um die Knie. Wenn er nicht so müde und erschöpft wäre, würde er sich Zeit nehmen, um diesen Tag mit allen Flüchen zu belegen, die ihm so in den Kopf kamen aber gerade war es ihm eher danach, den Mund zu halten und ebenso alle Gedanken in ihre Schranken zu weisen. Neben ihm nahm er Bewegungen wahr. Kaiba begann auf und ab zu trotten. Auch er hielt nun die Arme vor dem Bauch verschränkt, ging zwei Schritte nach links, zwei nach rechts und blieb stehen. Die gerufene Limousine wäre erst in zehn Minuten bei ihnen und Joey freute sich auf zehn Minuten voll erdrückendem Schweigen. Wunderbar… Er blähte die Wangen auf, kroch in sich zusammen und bettete das Kinn auf seinen Knien. So starrte er auf den gepflegten Platz und zählte die Papierkörbe. Da war einer… ja, der sah gar nicht so übel aus… Joey schloss die Augen. Genug von Papierkörben. In die gehörte der heutige Tag. Ein einziger, überflüssiger Reinfall! Er schien ihm wie eine Ewigkeit, bis sie endlich in dem warmen Wagen saßen, auf den weichen Polstern… und noch immer schweigsam. Während die Laternen an den Fenstern vorbei glitten, waren die Augen des Blonden starr auf den gepflegten Boden gerichtet. Reglos saß er in einem sicheren Abstand zu Kaiba, hielt die Hände auf dem Schoß ineinander gefaltet und bewegte sich nur, indem er seine Unterlippe mit den Zähnen bearbeitete. Sein Kopf war eigentlich zu keinen Grübeleien mehr zu gebrauchen. Geregeltes Sinnieren vermischte sich zu einem einzigen Sturm aus Schuldzuweisungen, Wut und Zweifeln. Er presste die Lippen aufeinander, bewegte die Schultern und rümpfte die Nase. Kaiba hatte den Ellbogen gegen das Fenster gestützt und das Kinn in die Handfläche. Seine Mimik wirkte ausdruckslos und erweckte den Anschein, als wären seine Gedanken längst schon nicht mehr im Hier und Jetzt. Er blinzelte selten, während seine Augen auf die dunklen Straßen gerichtet blieben und das Blau der Pupillen durch die Lichter der Laternen auffunkelte. Ein seltsamer Kontrast zu dem sterbensbleichen Gesicht, das von wirren, ungekämmten Haarsträhnen umspielt wurde. Die Limousine fuhr langsam und ruhig und nur das leise Rauschen der Räder erfüllte den Innenraum, hin und wieder auch ein tiefer Atemzug, den einer von ihnen ausstieß. Dann endlich rollte die Limousine durch das große Tür und erreichte das Kaiba-Anwesen. Der Kies knackte, als sie auf das Gebäude zusteuerte und Joey war der Erste, der zu einer Regung imstande war. Er hob die Hände, rieb sich das Gesicht und behielt die Augen für einen kurzen Moment geschlossen. Seine Schultern hoben und senkten sich unter einem stillen Keuchen und nach einem ebenso stillen Kopfschütteln drehte er sich leicht zur Seite, nahm Kaiba in Augenschein, der auch eine Statue hätte sein können. Er betrachtete ihn sich lange, blinzelte und runzelte die Stirn, als der Wagen zum Stehen kam. Langsam öffneten sich kurz darauf die Türen und träge schoben sich die beiden jungen Männer ins Freie. Während Kaiba gedankenlos an seinem Mantel rupfte und zur Eingangstür trottete, verabschiedete sich Joey von Jeffrey, so sehr es seine Kraft noch zuließ. „Mach’s gut, Jeff“, raunte er und hob die Hand. „Gute Nacht, Mr. Wheeler“, kam die freundliche Antwort und in dem Augenblick stemmte sich Kaiba schon gegen die Tür und schob diese auf. Sie blieb angelehnt, während der Erschöpfte in das Haus schlürfte. Joey folgte ihm und sah ihn bereits vor der Treppe, als er in das Foyer trat. Plump fiel die Hand des Brünetten auf das Geländer und es wirkte ganz so, als würde er sich nur noch nach seinem Bett sehnen. Zielstrebig machte er sich auf den Weg dorthin und fand kaum noch die Kraft, dem Hund auszuweichen, der stürmisch die Treppe hinuntergehetzt kam, seine Beine streifte und auf sein Herrchen zustürmte. „Kurai!“ Joeys Stimmung schien sich augenblicklich zu heben, als er auf seinen treuen Begleiter traf. Ungezügelt wurde er angesprungen, wild wedelte der Schwanz des Hundes und beinahe verlor auch der Blonde das Gleichgewicht, als er ihn kraulte. Der Arme hatte heute von völliger Vernachlässigung gekostet und es war dringend an der Zeit, dass etwas nachgeholt wurde. Nach wenigen Augenblicken beruhigte sich der Hund etwas und entschied sich lieber dafür, kreuz und quer durch das Foyer zu rennen und anschließend zielstrebig in der Küche zu verschwinden. Joey sah ihm nur kurz nach, bevor er sich zur Treppe wandte. „Seto?“ Mit gesenktem Kopf blieb dieser stehen und Joey trat von der Tür versuchte sich an einem weiteren Lächeln, das etwas misslang. Aus den Augenwinkeln lugte Kaiba zu ihm. „Hm?“ Joey ließ die Hände in den Hosentaschen verschwinden und rollte abermals mit den Schultern. So verspannt waren sie schon lange nicht mehr gewesen. „Wir sollten heute kein Wort mehr darüber sprechen“, meinte er nach scheinbar langen Überlegungen; Kaiba unterdrückte ein Gähnen. „Stattdessen sollten wir wenigstens noch etwas zu uns nehmen, also eine Kleinigkeit… essen.“ „Kein Hunger“, antwortete Kaiba nur und setzte sich wieder in Bewegung. Joey blieb stehen. „Seto.“ Er verzog die Brauen, als Kaiba sich über zwei Stufen quälte. „Komm, ich mache uns etwas. Du musst keinen Finger krumm machen.“ Ein leises Stöhnen von sich gebend, hielt Kaiba wieder inne und rieb sich den Nacken. Joey stemmte die Hände in die Hüften. „Ich bin selber hundemüde aber Kohldampf hab ich auch und du siehst nicht so aus, als hättest du in Ruhe essen können.“ Ja, da war vielleicht etwas dran… Seine großzügige Bestellung hatte er kaum angerührt und das Einzige, bei dem es nicht so gewesen war, hatte er hinuntergewürgt, um währenddessen noch sprechen und fluchen zu können. Er gähnte, hob kapitulierend die Hand und drehte sich um. „Möchtest du etwas Warmes?“, erkundigte sich Joey, nachdem er den Fressnapf großzügig gefüllt und sich der Hund sofort auf ihn gestürzt hatte. Kaiba betrat in diesem Augenblick die Küche und Joey sah sich sofort nach etwas Brauchbarem um. Mit schlürfenden Schritten trottete Kaiba zu dem Tisch. „Etwas Einfaches genügt“, murmelte er, als er sich auf einen Stuhl fallen ließ, die Ellbogen auf den Tisch stemmte und das Gesicht in die Hände stützte. Wirr fielen die Strähnen seines Haares über seine Finger und nebenbei ertönte leises Rascheln, als Joey im Kühlschrank wühlte. Phlegmatisch richteten sich die blauen Augen auf den Hund, der so leidenschaftlich fraß, dass der Napf bei jedem Bissen ein Stücken weiter rutschte. Es würde nicht lange dauern, da hätte er die Küche durchquert. „Ich mach einfach ein Sandwich“, nuschelte Joey unterdessen in die Suche vertieft und kämpfte sich durch Mokubas Süßigkeitsvorräte. Sicher waren die nötigen Zutaten noch irgendwo zu finden. Er zog die Nase hoch und tastete nach den Schubfächern. Währenddessen ließ sich Kaiba auf den Tisch sinken. Er vergrub das Gesicht zwischen den Armen und verblieb reglos, während Joey brummend nach einem Überblick suchte. Gott, wie lange hatte er nichts mehr gegessen. Sein Magen hatte bereits das Knurren aufgegeben und schon der Gedanke an so ein leckeres Sandwich ließ ihm den Zahn tropfen. >Wenn ich mich nicht beeile, dann muss ich sterben<, dachte er sich verzweifelt, während er die nötigen Zutaten neben sich auf eine Ablage warf. Das Hemd kratzte immer noch und er juckte sich an der Schulter, bevor er sich an den Verpackungen zu schaffen machte. Hinter ihm herrschte Ruhe und eine zeitlang ließ er sich nicht dadurch stören. Er rupfte alles auf, kramte währenddessen schon nach einem Messer und unterdrückte ein Gähnen nach dem anderen. „Seto“, murmelte er nach einer kurzen Zeit und betrachtete sich die Klinge eines Messers. Ja, die war gut. „Du isst keine Tomaten, oder?“ Er zog die Nase hoch und schnappte nach dem besagten Gemüse. Aber irgendwie fehlte ihm die Antwort, also drehte er sich um und starrte auf den jungen Mann, der dort ein Nickerchen machte. Ja, Kaiba saß einfach dort und schlief… Joey rümpfte die Nase. „Gut, dann eben Tomaten. Pech gehabt.“ Er schüttelte den Kopf und machte sich an ihr zu schaffen. Und die Umsetzung seines eigenen Vorschlages gelang ihm recht gut. Etwaige Vorwürfe und die Skepsis ließ er stecken, ja, verdrängte sie regelrecht aus seinem Kopf und grübelte stattdessen, um wie viele Stunden Schlaflosigkeit Kaiba diesmal seinen Rekord überboten hatte. Eine durchgearbeitete Nacht war keine Seltenheit. Auch, dass er am darauf folgenden keine Konzentrationsschwächen preisgab, war die Normalität. Doch nun… Der Blonde hielt in seinen Bewegungen inne und wieder driftete sein Blick zum Tisch. Wenn Kaiba so aussah und einschlief, sobald er irgendwo saß… nein, besser war es wohl, wenn er sich keine weiteren Gedanken machte. Also rümpfte er die Nase und beeilte sich. Das Essen musste Kaiba noch hinbekommen. Dann konnte er sich seinetwegen auf dem Boden oder unter dem Tisch, im Kühlschrank oder sonst wo zusammenrollen und dem Traumland einen Besuch abstatten. In der Zwischenzeit war der leere Fressnapf bereits blitzblank geleckt und mit sichtlicher Zufriedenheit begann sich Kurai zu putzen. Joey lugte flüchtig zu ihm, dann setzte er das Messer zum nächsten brutalen Schnitt gegen die Gurken an, da erhob sich jedoch die Melodie eines Handys und ließ ihn inne halten. Seines konnte es nicht sein und siehe da, als er sich umdrehte, begann sich Kaiba stöhnend zu regen. Ohne sich vom Tisch aufzurichten, tastete seine Hand die Hosentasche ab und zog das Handy hervor. Kurz darauf verschwand dieses zwischen dem wirren Haar und dem Arm und Kaiba schien wieder bequem zu liegen. „Jaa...?“, hörte Joey sein schläfriges Brummen und wandte sich wieder der Arbeit zu. Wieso ließ er das blöde Teil nicht stecken, wenn er sowieso so gut wie tot war! „Hier Fröschchen“, drang eine bekannte Stimme an Kaibas Ohr und dieser stieß mit größter Hingabe ein Stöhnen aus. Der hatte ihm gerade noch gefehlt. „Was willst du.“ „Es gibt hier sone Sache, die ich nicht so arg kapier“, fuhr Alfons fort und seine Stimme klang nach einer seltenen Nüchternheit, um nicht zu sagen, Ernsthaftigkeit. „Ich war noch an dem Handy von dem Typen dran und habe etwas in seinem Speicher gewühlt…“ „Mm.“ Kaiba behielt die Augen geschlossen, hörte kaum zu. Charlies Handy also. Ein leises Murren rauschte in der Leitung. „Sagt dir der Name Ace Wilson etwas?“ „Mm?“ Kaiba unterdrückte ein Gähnen. „Ace!“ Plötzlich hörte sich das Genie überaus zornig an. „Haste dir einen in die Birne gedröhnt? Ich sagte Ace Wilson! Du hast ihn beim Picknick getroffen, schon vergessen?“ „Gott…“, Kaiba verzog die Miene und begann sich aufzurappeln. Diese Lautstärke hielt er nicht mehr aus. „Nein… verdammt, fällt mir gerade nicht ein!“ „Mir leider schon. Inhaber des Namens is einer meiner besten Kumpel und so wie's ausguckt, führt er mit diesem Bankroft täglich Stundengespräche!“ „Was?“ Mürbe blinzelte sich Kaiba wach; neben ihm raschelten die Verpackungen. Kurai wälzte sich über den Boden und Joey schwieg und begann eine Gurke zu zerhacken. Er hörte Kaiba stöhnen. „Nein, warte… wenn das so ist, dann weiß dieser Typ vielleicht, wo sich Bankroft aufhält.“ Joeys Bewegungen verlangsamten sich. Er versuchte seine Ohren abzuschalten, presste das Messer in der Hand und rammte es erneut in die Gurke. „Mal nich so schnell, Meister.“ Beinahe unterbrach Alfons Kaiba. „Das Einzige, was mich gerade interessiert, is, ob mein Kumpel da in irgendwas drinsteckt, wenn du so heiß auf seinen Liebling warst.“ „Seinen was…?“ Kaiba rieb sich das Gesicht und in der Leitung ertönte das Rascheln einer Chipstüte. „Ich häng oft mit Ace ab und dabei is mir der kleine Charlie auch schon mal übern Bildschirm gehüpft. Is sein festes Täubchen, kannte bloß seinen Nachnamen nich. Eigentlich wusst ich gar nix… aber hätte ich gewusst, wen wir da ausspionie…“ „Warte, warte.“ Mit einem Mal schien Kaiba etwas wacher zu sein. Er schüttelte den Kopf, um auch die letzte Müdigkeit loszuwerden und rutschte vom Stuhl. „Das heißt, Bankroft ist der feste Freund von deinem Kumpel und…“ „Dem besten Kumpel“, brummte Alfons. „Ah… ja doch.“ Kaiba klammerte sich an die letzte Konzentration und begann durch die Küche zu spazieren. Verbissen konzentrierte sich Joey auf die Sandwichs. Mit wem sprach Kaiba da eigentlich! „Gib mir seine Nummer“, forderte dieser plötzlich und blieb stehen. „Ich muss mit ihm sprechen.“ Alfons brach in ein humorloses Gelächter aus. „Vergiss es, man! Bankroft auszuziehen is noch okay aber ich werd nich zulassen, dass Ace da mit reingeschmiert wird.“ „Ich habe die verdammten Listen und Telefonnummern auch!“, fauchte Kaiba, dem etwaige Geduld fehlte. „Die richtige Nummer zu finden, würde mich nicht viel viel Zeit kosten.“ Daraufhin herrschte in der Leitung eine kurze Stille. Alfons schwieg und Kaiba stützte sich auf den Tisch. Sein Körper gab nicht mehr viel her und es würde nicht lange dauern, da läge er unfreiwillig auf dem Boden. Angespannt lauschte er einem rauschenden Atemzug. Die neue Hoffnung, Charlie schnell dingfest zu machen, war in ihm entflammt und am liebsten würde er dieser Spur unverzüglich folgen! „Kaiba.“ Alfons Stimme ertönte gedrungen und äußerst drohend. „Entweder du schaffst’s so oder gar nich aber wenn du Ace beackerst, werd ich sauer!“ Kaiba biss die Zähne zusammen, wandte dem Tisch den Rücken zu und lehnte sich gegen ihn. Flüchtig drifteten seine Pupillen zu Joey, der sich unbeteiligt gab. „Erstma will ich jetzt wissen, was dieser Bankroft genau ausgefressn hat. Gesucht und geackert hab ich fleißig, weiß bloß nich wieso und wofür. Blöde Sache, also raus damit.“ „Gib mir die Nummer, ich gebe dir die Antwort“, erwiderte Kaiba ohne zu zögern. Schweigend wendete Joey das Messer in der Hand, besah sich die glatte Klinge und legte es kurz darauf bei Seite. Ein wirsches Murmeln drang aus Kaibas Richtung. Er fluchte über etwas oder über jemanden aber den genauen Wortlaut konnte der Blonde nicht verstehen. Also steckte er sich ein Stück Gurke in den Mund und Kaiba ließ unter einem Stöhnen das Handy sinken. Es schien nichts mehr zu funktionieren und Joey sah sein Werk als beendet an. Zufrieden betrachtete er sich die Sandwichs, rümpfte die Nase und wandte sich an Kaiba, der sich mit beiden Händen durch den Schopf fuhr und die Flüche still fortzusetzen schien. Joey hütete sich, nach dem Grund seiner Erbostheit zu suchen und legte den Kopf schief. „Fertig.“ „Mm?“ Kaiba ließ die Hände sinken, blickte ziellos um sich und wurde dann auf das Abendessen aufmerksam. „Ah ja.“ Er tat einen Schritt auf die Sandwichs zu, hielt dann jedoch inne und presste die Lippen aufeinander. So blieb er inmitten der Küche stehen und Joey schnappte sich bereits seinen Anteil, musterte Kaiba erwartungsvoll und ließ es sich schmecken. Der Brünette schloss flüchtig die Augen, hielt die Lippen streng versiegelt und blinzelte mehrmals, bevor er den Blonden direkt ansah. Dieser kaute bequem. „Joseph?“ „Mm.“ Der Angesprochene fischte nach einem Salatblatt und Kaiba schöpfte tiefen Atem, bevor er die Hände in die Hüften stemmte. Es schien ihm nicht leicht zu fallen, doch dann sprach er es einfach aus. „Hast du Wilsons Nummer noch?“ Joey hielt inne, starrte auf das Sandwich und begann kurz darauf wieder an dem Blatt zu rupfen. Seine Mimik gab keine Gedanken preis und so, wie er dort lehnte, wirkte er mehr als unbeteiligt. Er kreuzte die Beine, befreite kurz darauf das Blatt und ließ es im Mund verschwinden. Bequem kauend betrachtete er sich dann den zerzausten, blassen und müden Mann, der vor ihm stand. „Weißt du“, murmelte er nach kurzer Zeit und schluckte hinter. „Ich weiß etwas viel Besseres, als nächtlichen Telefonterror zu veranstal… oh.“ Da fiel ihm die Marinade auf, die an seinem Daumen klebte und prompt verschwand dieser im Mund. Kaiba starrte ihn an und als der Finger wieder sauber war, griff Joey nach hinten, holte das zweite Sandwich hervor und schlenderte mit diesem auf ihn zu. Irritiert sah Kaiba ihn näherkommen und verfolgte nahezu perplex, wie man ihm das Abendessen in die Hand drückte. „Wir halten an unserem tollen Plan fest und du isst das jetzt. Daraufhin stattest du dem Bett einen Besuch ab.“ Kaiba wollte ihn unterbrechen, doch Joey hielt ihn davon ab, indem er halsbrecherisch mit dem eigenen Sandwich fuchtelte. „Und morgen…“, raunte er, „… schaue ich, ob ich die Nummer finde. Und dafür besteht nicht viel Hoffnung, weil ich sie im Handy hatte und mir das in der Bank abhanden gekommen ist. Aber ich werde schauen“, sagte er noch einmal, bevor Kaiba etwas erwidern konnte. Dieser rümpfte die Nase, wirkte nicht sehr begeistert. Seine Augen schweiften unentschlossen zur Seite, blieben dann jedoch an den Braunen hängen, die sich bestimmt und fest auf ihn richteten. „Geh schlafen.“ „Könntest du nicht jetzt…“ „Geh schlafen!“, wiederholte Joey nachdrücklich. „Heute vollbringst du nichts mehr, außer umzufallen und von mir über den Boden zum Bett geschliffen zu werden.“ „Okay.“ Unter einem tiefen Stöhnen nickte Kaiba endlich; die Schwere der Augen ließ sich nicht verleugnen. „Gut?“, erkundigte sich Joey misstrauisch. „Gut.“ Kaiba saugte an den Zähnen, nickte erneut und hob das Sandwich. „Ähm…“ „Gern geschehen.“ Joey zwang sich zu einem knappen Lächeln. „Jetzt geh endlich.“ Gähnend wandte sich Kaiba ab, kratzte sich den Nacken und schlürfte aus der Küche. Das Lächeln des Blonden verlor unterdessen sofort an Stärke und bevor Kaiba verschwand, sah er ihm nachdenklich, annähernd skeptisch nach. Das Sandwich in seiner Hand schien er bereits vergessen zu haben und als auch die Schritte des Brünetten verstummt waren, nickte er in sich hinein. >Ace<, ging es ihm durch den Kopf. >Natürlich, das ist klug. Wenn ich von jemandem die Wahrheit über Charlie erfahren kann, dann von ihm.< Seine Schultern hoben und senkten sich unter einem tiefen Atemzug. >Auch wenn ich Setos Verdacht für den größten Schwachsinn des Universums halte, kann es nicht schaden, Ace zuerst aufzusuchen.< So zögerte er nicht lange, ließ sich jedoch Zeit, als er nach oben schlenderte. Kurai trottete neben ihm einher, als er das Foyer erreichte, in das Sandwich biss und einen knappen Blick auf eine Wanduhr warf. Gut, es dürfte noch nicht zu spät sein, um ein Telefonat zu führen. Er kaute angespannt und begann zu stopfen, als er die Treppe in Angriff nahm. Dabei fiel ihm auf, wie aufgeweckt der Hund war… zu aufgeweckt für diese Uhrzeit und trotzdem kein Mysterium. Sehr ausgelastet war er heute nicht. Er begann um ihn herum zuspringen und nach seiner Hose zu schnappen und er brummte. Was sein musste, musste leider sein. Gähnend erreichte er die erste Etage, verschluckte sich fast an einer Tomate und blieb stehen, als sich eine Tür des Flures öffnete. Die Badtüre, durch die ein ebenso gähnender Kaiba trat. Joey beobachtete ihn aufmerksam und war recht zufrieden, als er das Ziel des Brünetten erkannte. Ja, er steuerte auf das Schlafzimmer zu. Er kaute, rümpfte die Nase und ließ das Sandwich sinken. „Seto? Ich gehe noch mal mit Kurai in den Garten.“ Als Antwort musste ihm ein träges Handheben genügen und das tat es. Ohne länger zu warten, bog er in den anderen Gang und erreichte kurz darauf sein Zimmer. Dieses sah etwas verwüstet aus, war vermutlich Opfer eines beleidigten und gelangweilten Hundes geworden… aber bei aller nicht vorhandener Liebe für Ordnung… Joey hatte nicht vor, das zu beachten. Stattdessen schloss er die Tür hinter sich, ließ das Sandwich auf dem ersten Schrank liegen und trottete zu seinem Schreibtisch. Dieser schien vor dem Hund verschont geblieben zu sein und Joey wirkte äußerst zielstrebig, als er ein Schubfach öffnete und nach einem der Zettel griff. Dieser verschwand flink in seiner Hosentasche und kurz darauf wurde auch das Telefon geschnappt. Sicherheitshalber fand auch dieses einen Platz in der Hose und somit machte sich Joey auf den Weg nach draußen. Stets darauf achtend, dass ihm niemand begegnete, den er im Bett vermutete, öffnete er letztendlich die große Haustür, ließ Kurai nach draußen stürmen und folgte ihm. Wenn der Hund etwas getobt hatte, würde er ihn vielleicht sogar zum schlafen bringen, wobei er selbst nun eine gewisse Nervosität spürte. Gemächlich schlenderte er durch das Gras des riesigen Gartens, hielt sich dabei auf der anderen Seite des Hauses und konnte dadurch sicher sein, dass er nicht an Kaibas Schlafzimmer vorbeitrödelte. Während der Hund rannte, als wäre der Wahnsinn hinter ihm her, blieb Joey stehen, zückte Zettel wie Telefon und atmete tief durch. Dabei unterdrückte er jedes mögliche Zögern und gab die Nummer ein. Ace zu erreichen, was immer etwas schwer aber das Glück schien ihm hold zu sein. Als er das Telefon zum Ohr hob, ertönte da zumindest schon einmal das Freizeichen. Seine Zähne bekamen die Oberlippe zu fassen und er abwartend sah er sich um. Unterdessen wurde Kurai auf ein altes Spielzeug aufmerksam, das er eines Tages herumgeschleppt und vergessen haben musste. Sofort schnappte er danach und kehrte zu seinem Herrchen zurück. Dessen Zähne ließen sofort von der Lippe ab, als das Gespräch entgegengenommen wurde. „Ja?“, meldete sich die bekannte Stimme und erleichternd war es, dass sie nicht sehr verschlafen klang. „Ja… Ace? Hier ist Joey.“ „Joey?“ Darüber schien sich Ace ziemlich zu wundern. „Hi, was gibt’s? Wenn es um die Sache mit der Band geht, das muss noch etwas warten. Ich stehe derzeit etwas unter Str…“ „Nein, nein“, unterbrach Joey ihn sofort und wich Kurai aus, der ihn anspringen wollte und ihm das Spielzeug vor die Füße warf. Langsam bückte sich Joey danach. „Es geht um eine andere Sache.“ Er hob den zerkauten Ball auf. „Tut mir außerdem Leid, dass ich dich jetzt noch störe.“ „Ah, kein Problem.“ Allmählich wurde es wirklich gruselig. Als wäre das Glück am heutigen Tag nur zu spät gekommen und wollte nun alles nachholen. Ace schien gute Laune zu haben, nicht so wie bei dem letzten Telefonat. „Worum geht es denn?“ Flink warf Joey den Ball fort und brachte sich so erst einmal vor Kurai in Sicherheit, der natürlich sofort hinterher hetzte. Er musste sich konzentrieren… soweit es in seinem Zustand noch möglich war. Er stemmte eine Hand in die Hüfte. Wie sollte er nur anfangen…? „Habe ich dich bei etwas gestört?“, erkundigte er sich und hoffte auf eine Antwort, die ihm die offensichtliche Frage: „Ist Charlie bei dir?“, ersparte. „Nein, habe nur ein bisschen Fern geschaut.“ „Okay.“ Joey schürzte die Lippen. „Ich fasse mich trotzdem kurz. Hättest du in nächster Zeit mal eine freie Stelle im Terminplan übrig?“ Daraufhin biss er die Zähne zusammen und begann still zu beten. Wenn Kaiba ihm zuvorkam, und das würde er spätestens übermorgen tun, dann könnten weitere Probleme entstehen, die nun wirklich niemand brauchte. „Warum?“ „Ach.“ Sofort entspannte er sich und fuchtelte mit der Hand. „Ich müsste mal mit dir quatschen.“ „Mit mir?“ Ace hörte sich verwundert an und Joey konnte es ihm nicht verübeln. „Worüber? Über die Band?“ „Eigentlich nicht.“ Joey hatte keine Geduld mehr, das Thema vorsichtig zu umgehen. „Worüber dann? Verstehe ich nicht.“ Im Hintergrund zischte eine Flasche. „Was Ernstes?“ Wie dankte Joey es ihm… „Eigentlich schon.“ „Oh.“ Ace räusperte sich. „Ernst genug, dass es nicht über das Telefon geht?“ „Würde ich meinen.“ Joey nickte und beobachtete erleichtert, wie sich Kurai mit dem Ball doch lieber auf die Wiese warf, als ihn wieder damit zu beschmeißen. In der Leitung rauschte ein langer Atem. „Na ja… gut. Und wann?“ „So schnell wie möglich.“ „Ende der Woche?“ „Auf keinen Fall.“ Sofort schüttelte Joey den Kopf. „Geht es morgen?“ Wieder brach Stille in der Leitung aus und Joey bemerkte zu spät, wie sehr er sich hier verrannte. So etwas Offensichtliches aber auch. Dümmer hätte er es nicht anstellen können. Ace schwieg für geraume Zeit, schien ein paar Schlucke zu trinken. „Morgen?“, wiederholte er dann nachdenklich und in deutlich anderem Tonfall. Die Brisanz des Gespräches schien ihm nun bewusst zu sein. „Mm… weiß nicht.“ Ohne es wahrzunehmen, ballte Joey die freie Hand zur Faust und biss die Zähne zusammen. Ihm gefiel es auch nicht, ihn mit so einem Thema aufzusuchen, doch besser er, als Kaiba, der vermutlich nicht einmal auf Ace hören würde. „Okay… aber erst später.“ „Wann?“, erkundigte sich Joey sofort. „Am Abend gegen…“ Der Blonde lauschte, nickte und senkte den Blick. „Ja, in Ordnung… klar, das finde ich schon. Also soll ich zu dir… gut.“ Die Erleichterung stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Ich bin pünktlich und… danke, dass du dir Zeit nimmst.“ „Schon okay“, beschwichtigte Ace ihn, obwohl es sich nicht so anhörte, als wäre er sehr berauscht davon. „Man sieht sich.“ Nach einer kurzen Verabschiedung ließ Joey das Telefon sinken, stieß ein Keuchen aus und rieb sich die Stirn. Nun gut, bis hierher war alles gut gegangen… und wie es danach aussah, das würde er erst morgen sehen. Also sollte er sich die Sorgen und Gedanken bis dahin unbedingt vom Hals halten und… er gähnte so sehr, dass ihm beinahe der Unterkiefer abfiel… ins Bett musste er nun auch. Er nahm sich trotzdem noch ein paar Minuten für Kurai, bevor er mit diesem in das Haus zurückkehrte und sich auf direkten Weg in sein Zimmer machte. Unterdessen bearbeitete er die Anrufliste, ließ Beweise verschwinden und ließ sich durch nichts von seinem Ziel ablenken. Je eher er in sein Bett fiel und schlief, desto weniger konnte er seinen Kopf beanspruchen. ~*to be continued*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)