Die Weiße Schlange von MorgainePendragon ================================================================================ Kapitel 21: Eifersucht ---------------------- Als sie die Treppe zum oberen Stockwerk hinaufging wurden ihre Schritte auf dem Weg zur Tür des Krankenzimmers immer langsamer. Sie fühlte ihr Herz jagen. Sie freute sich natürlich ihn zu sehen - vielleicht war er auch das erste Mal bei Bewusstsein wenn sie ihn besuchte (und etwas in ihr sagte ihr, dass das der Fall sein würde). Aber sie war auch... verwirrt. Sie fühlte immer noch unterschwellig eine absurde Eifersucht auf Kanoe und das, was sie mit Takeo gehabt hatte. Dann war da noch immer ein wenig Furcht vor dem Attentäter, der nach wie vor in dem jungen Samurai schlummern mochte und nur darauf wartete erneut zuzuschlagen. Wer würde dort drinnen auf sie warten? Takeo oder der grausame Hitokiri? Und dann noch diese schreckliche Sorge um ihn und seinen Gesundheitszustand. Der Arzt hatte nur gesagt, dass er vor allem Ruhe brauchte, dann würde er wieder gesund werden, wenn er auch niemals mehr in den Kampf ziehen durfte damit das auch so blieb. Aber Madoka war skeptisch. Dieses Mal war er noch sehr viel schlimmer verletzt gewesen als das letzte Mal. Er hatte so entsetzlich viel Blut verloren... All diese Gedanken flogen ihr durch den Kopf, als sie die Hand nach der Tür ausstreckte und diese nach kurzem Anklopfen zögernd aufschob. Ihr Blick fiel auf Takeo, der aufrecht auf dem Rand seines Futons saß und ihr ruhig entgegen sah. Und in diesem Moment waren sämtliche Gedanken wie fortgewischt und ließen nur noch Platz für ein einziges, überwältigendes und reines Gefühl: Liebe. Sie blieb wie angewurzelt in der Tür stehen und starrte ihn an, sah in diese wunderschönen, großen, dunkelblauen Augen und verstand einfach nicht, wie jemals so viel Hass und Zorn in ihnen gewesen sein konnte. Sie blinzelte nicht einmal. Sie starrte ihn an und ihre Finger krampften sich so fest um den Holzrahmen der Tür, dass die Knöchel weiß hervortraten. Takeo saß nur da und erwiderte ihren Blick ruhig. Sein Oberkörper war nackt und der große Verband um seinen Torso war zu sehen. Sie gewahrte am Rande (und mit einem gehörigen Maß an Erleichterung), dass kaum noch Blut hindurchsickerte. Mit einem seltsamen Kribbeln deutlich unterhalb des Bauchnabels reagierte ihr Körper auf die Tatsache, dass er vollkommen nackt sein musste. Ein Stück der Decke verbarg zwar die entscheidenden Körperteile, aber man konnte doch sehen, dass er nichts weiter trug. Wahrscheinlich hatte er beim Geräusch der Tür nur schnell nach der Decke gegriffen und sich notdürftig bedeckt. Sie war wieder einmal rot wie ein Hydrant - das konnte sie deutlich an der Hitze in ihren Wangen spüren. Am liebsten hätte sie sich ins nächstbeste Mauseloch verkrümelt. Schnell wollte sie wieder hinaustreten und die Tür mit einer gemurmelten Entschuldigung hinter sich zuziehen, als sie seine Stimme vernahm. Überhaupt das erste Mal, seit sie sich in Aurinias Höhle verabschiedet hatten, sprach er sie an. "Bleib! Bitte, Madoka..." Die junge Frau, die sich schon umgewandt hatte, fühlte eine Ader an ihrer Schläfe im Takt ihres raschen Herzschlages pochen. Ganz langsam drehte sie sich wieder herum und betrat nach kurzem Zögern den Raum ganz, zog die Tür hinter sich zu. Allerdings blieb sie auch genau dort stehen: An der Tür. Und sie machte auch keine Anstalten sich noch einmal zu rühren. Sie blickte überall hin, nur nicht zum Bett. Schweigen. Es gibt alle nur möglichen Arten von Schweigen und Stille. Die Stille vor dem Sturm, das Schweigen der Entrüstung oder auch die Ruhe der vollkommenen Zufriedenheit. Und dann gab es da noch das ängstliche Schweigen, bei dem zwei Menschen auf die Reaktion des jeweils anderen warten und sich nicht trauen den ersten Schritt zu wagen. Und genau diese Art von Stille herrschte nun zwischen der jungen Frau und dem Samurai. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte Madoka, wie das durch die Lamellen der Markise vor dem Fenster hereinströmende Licht der Sonne sein langes, rotes Haar, das sich wie ein Wasserfall über seine breiten, schmalen Schultern ergoss, stellenweise wie glühende Lava zum Leuchten brachte. Tausende und Abertausende von feinen Staubkörnchen tanzten in den Lichtstrahlen und Madoka bemühte sich, ruhiger zu atmen. Er sah wunderschön aus wie er da saß und sie anschaute. 'Oh, mein Gott. Ich kann ihn nicht einmal richtig ansehen! Was ist nur los mit mir!', dachte sie. "Madoka...",sagte er so leise, dass sie es kaum hören, eher erahnen konnte. "Sag, fürchtest du mich?" Sie zuckte zusammen, wie unter einem Hieb. "Sag bitte die Wahrheit." Endlich, endlich sah sie ihn an - teilweise entrüstet, dass er so etwas überhaupt von ihr dachte, zum Teil aber auch schuldbewusst, dass er etwas angesprochen hatte, was tief in ihrem Inneren auch tatsächlich existierte. Er hatte den Kopf gesenkt. "Nein!" Sie keuchte beinahe, so sehr wollte sie dieses eine Wort hervorstoßen. "Niemals! Ich fürchte nicht dich, Takeo. Ich fürchte nur..." " ...den Attentäter. Ja, ich verstehe." Auch er sah nun mit traurigem Blick auf - und es zerriss ihr fast das Herz ihn so leiden zu sehen. "Aber beide, der Samurai und der Hitokiri, sind untrennbar miteinander verbunden, Madoka. Er wird immer ein Teil von mir sein. Auch wenn er offen niemals mehr zu Tage treten sollte: ER verkörpert die dunkle Seite meiner Seele. Ich kann nicht vor mir selbst fliehen. Ich habe gelernt, dass ich meine Vergangenheit akzeptieren muss..." "Takeo... ich..." "Ich frage dich noch einmal: Fürchtest du mich, Madoka?" Sie zitterte, aber jetzt wich sie seinem Blick nicht mehr aus. "Nein. Und das weißt du." Die Trauer in seinem Blick wich einer noch größeren Qual - und einer derart tiefen Zuneigung, dass ihr beinahe schwindelte. War ihr eigener Blick in diesem Moment von der gleichen Art? "Ja. Ich weiß es.", sagte er schlicht. "Du wolltest mich sogar aufhalten. Du hattest keine Angst. Und ich habe dich verletzt..." Seine Stimme versagte. In Madoka zerbrach etwas. Sie stürzte vor und ihm zu Füßen, nahm sein Gesicht in beide Hände und versuchte nicht loszuheulen. "Takeo! Hör auf! Hör auf solch einen Unsinn zu reden! Ja, du hast mich niedergeschlagen, aber das warst nicht DU! Nicht der Mann, den ich..." Er zog sie an sich und küsste sie. Fort waren die Bedenken, die er gehabt hatte. Egal war die Tatsache, dass sie nicht aus dieser Zeit stammte, dass er sie womöglich bald nie mehr wiedersah. Der Attentäter in ihm war vollkommen verstummt in dem Moment wo sich ihre Lippen trafen - das allein und ein plötzlich brennend heißes Verlangen, diese Frau zu lieben, ließen sämtliche Ängste und Bedenken endgültig von ihm abfallen. Madoka wurde sofort weich und gab sich dem verlangenden Kuss hin. Sie hatte keine Angst mehr. Der Attentäter war nicht hier. Kanoe war unwichtig. Ihre Heimkehr? In diesem Moment irreal und sehr weit entfernt. Sie spürte mit stetig schneller werdendem Pulsschlag, wie seine Lippen ihre auseinander zwangen und seine Zunge heiß, feucht und süß ihren Mund zu erforschen begann. Sein Atem war warm und beschleunigte sich mit jedem Schlag ihres eigenen Herzens. Sie seufzte und neigte ihren Kopf leicht zur Seite, um ihn tiefer aufnehmen zu können, jeden seiner heißen Atemzüge auf ihren Wangen zu spüren und ihre eigene Zunge mit der seinen spielen zu lassen. Das Kribbeln in ihrem Unterleib wurde zu einem brennend heißen Verlangen. Er umarmte sie fest und warm. Ihre Finger vergruben sich in seinem Haar. Die Welt um sie herum verschwamm, wurde unwirklich. Alles was zählte war seine Haut auf ihrer, waren seine Lippen auf ihren und seine Arme um ihrem Leib. Sie spürte ihre Angst vollkommen verschwinden und bemerkte mit gelinder Verwunderung, dass heiße Trännen ihre Wangen benetzten... Sie schmiegte sich noch fester in seine Umarmung. Und aus jenem einen, langen und tiefen Kuss wurden viele, und noch mehr, immer mehr. Er flüsterte etwas an ihrem Mund, was sie nicht verstand, und das sofort vom nächsten Kuss verschlungen wurde. Es war auch nicht wichtig. Sie hörte, was er sagte. Sie hörte es tief in sich in ihrem Herzen. Und in diesem einen endlosen Moment war sie glücklich. Dann wurde jäh die Tür aufgeschoben und Kanoe - natürlich - betrat den Raum. "Takeo-kun? Die ersten Männer sind soeben aus Osaka..." Sie brach mitten im Satz ab und erstarrte. Madoka und Takeo fuhren wie gestochen auseinander. Madoka landete unsanft auf ihrem Hinterteil. Erschrocken blickten sie zur Tür. Kanoe war wie vom Donner gerührt stehen geblieben. Blitze schossen aus ihren nun beinahe nachtschwarz schimmernden Augen. Einen Augenblick lang rang sie sichtlich nach Worten. Dann stürmte sie in den Raum hinein und zog Madoka grob auf die Füße. "Raus! Du verlässt augenblicklich mein Haus!" Sie war so aufgeregt, das noch durch die dicke Schicht von Schminke die roten Flecken in ihrem Gesicht sichtbar wurden. Takeos Hand schoss vor und schloss sich wie ein Schraubstock um das Handgelenk der Kurtisane. Er war aufgesprungen, das Gesicht schmerzverzerrt, nichtsdestotrotz aber sehr wütend - und sehr nackt... Madoka schaute ein wenig einfältig der Decke hinterher, die an seinen langen Beinen herab und zu Boden rutschte. Alle drei sahen nun etwas betreten drein. Takeo blickte errötend an sich hinunter und bückte sich dann hastig nach der Decke, woraufhin er einen Schmerzenslaut nicht mehr ganz unterdrücken konnte. Madoka beachtete das in ihre Wangen schießende Blut und ihre Scham gar nicht, bückte sich und hob die Decke für ihn auf. Verlegen nahm er sie entgegen. Kanoe japste nach Luft. Mit einem Mal sah sie nur noch aus wie eine aufgeblasene, aufgetakelte und übergrell geschminkte Hure, nicht mehr wie die Luxus-Kurtisane des "Aka-Chochin". "Das reicht! Ich KANN nicht mehr mit so einer Person unter einem Dach leben! Verlasse auf der Stelle mein Anwesen!" Die Sache mit der Decke schien sie taktvoll zu übergehen und dort anzusetzen, wo sie aufgehört hatte. Takeo fand langsam zu seiner vorherigen Wut und Entrüstung zurück. "Kanoe! Du hast nicht das Recht dazu sie so zu behandeln! Dieses Haus hat noch nie jemandem die Tür verboten!" "Es sei denn, es handelt sich um Frauen! Du weißt, dass es eine absolute Ausnahme war, dass sie...", sie zeigte mit einem spitzen Finger auf Madoka, "...überhaupt hier bleiben konnte - und das, wo sie nicht einmal eine Kurtisane ist! So etwas ist nicht üblich! Und meine Geduld ist nun auch erschöpft!" Kanoe steigerte sich regelrecht in ihren Zorn hinein. Takeo schien das auch so zu sehen, denn er verlegte sich auf einen ruhigen, beinahe gleichgültig klingenden Tonfall. "Oh. Du bist eifersüchtig." Kanoe kochte vor Wut. "ICH? Ich habe es nicht NÖTIG auf IRGENDJEMANDEN eifersüchtig zu sein! Ich habe ALLES was ich will! Ich bin beliebt und gefragt, ich habe genügend Geld für meinen Lebensabend. Wieso sollte ich eifersüchtig sein? Noch dazu auf jemanden wie DICH! Erbärmlich." "Nein.", sagte Madoka nun leise. "DU bist erbärmlich. Du bist eifersüchtig. Auf Takeo, auf mich und auf das, was wir miteinander teilen: Etwas, das du niemals kennengelernt hast. Und jetzt missgönnst du es uns." Kanoe schäumte. "Was mischst du billiges Flittchen dich hier überhaupt noch ein?" Beinahe hätte Madoka gelacht. "Sie bleibt.", beendete Takeo die Diskussion auf seine Weise. "Und ich dulde KEINE weiteren Einwände!" Er wurde lauter als er merkte, dass Kanoe etwas sagen wollte. Etwas versöhnlicher fuhr er dann fort: "Wir werden nicht mehr lange deine Gäste sein. Die ersten Krieger sind eingetroffen, nicht wahr? Es wird nicht mehr lange dauern, bis auch der Rest in der Stadt ankommt. Und dann wirst du uns nicht mehr wiedersehen müssen." Kanoe verlegte sich nun auf einen mitleidigeren Ton. "Ich... kann das nicht glauben. Takeo! Sie ist so... so... gewöhnlich!" "Kanoe...", er seufzte. "Vielleicht tut das jetzt weh, aber es ist die Wahrheit und dürfte auch nicht neu für dich sein: Du bist nun einmal eine Kurtisane. Als ich damals, blutjung wie ich war, das erste Mal mit Shigeru hier war, hast du mich verführt. Du bist sehr professionell, das warst du schon zu jener Zeit. Und ich war ein Jungspund, der noch nie zuvor einen nackten Frauenkörper gesehen hatte. Du hattest leichtes Spiel mit mir. Ich kann und will mich nicht herausreden, aber ich bin nun einmal ein Mann und du wirktest äußerst anziehend auf mich. Aber, glaube mir, ich habe dich niemals geliebt. Du bist eine gute Freundin, die ich auch nicht missen möchte, aber ich habe dich nie..." "NEIN!", schrie Kanoe und Tränen rannen über ihr Gesicht, ließen Spuren auf ihren weiß geschminkten Wangen zurück. "Nein, sag es nicht. Bitte..." Und wie sie da nun so stand und die Verzweiflung und wahren Beweggründe ihrer hilflosen Wut zu Tage traten, eine gebrochene Frau, ein einsamer, wunderschöner Schwan, der seine Verzweiflung hinter einer schillernden Fassade zu verbergen gelernt hatte, da war Madoka plötzlich nicht mehr zornig auf sie. Sie konnte es gar nicht mehr sein. Kanoe war eine Frau, die verzweifelt Liebe suchte wo es keine Liebe gab, sondern nur Geld und Körper, die man hiervon für ein kurzes Vergnügen kaufen konnte. Vielleicht hatte sie in Takeo gehofft das zu finden, was Madoka nun für ihn empfand. Vielleicht hatte sie geglaubt, er würde ihre Gefühle erwidern. Jetzt war ihr diese Hoffnung genommen worden und sie schlug blind um sich, weil ihr weh getan worden war. Madoka hatte beinahe Mitleid mit Kanoe. Takeo schwieg. Traurig sah er die Kurtisane an. "Es tut mir sehr Leid.", sagte er dann leise. "Aber, Kanoe, wenn du selbst sagst, dass du bereits jetzt genug für einen erträglichen Lebensabend gespart hast, warum hörst du dann nicht auf? Lass dich nicht weiter wie Ware behandeln. Geh hinaus, genieße das Leben und versuche zu vergessen. Vielleicht findest du dann, was du suchst. Ich kann dir nicht geben nach was du dich sehnst." Kanoe, inzwischen wie ein Häuflein Elend am Boden kauernd, sah mit tränenüberströmtem Gesicht auf. "Lasst mich in Frieden!", stieß sie hervor. "Lasst mich doch alle in Ruhe! Geht! Und ich will niemanden von eurer Bande je noch einmal wiedersehen, verstanden?" Ihre Worte waren von derselben Art, wie die, die sie zuvor im Zorn gesprochen hatte - allerdings fehlte ihnen nun die nötige Schärfe und Lautstärke, war ihrer Stimme doch ein beständiges Zittern anzuhören. Madoka sah noch einmal traurig auf sie hinunter, dann wandte sie sich zur Tür. Takeo schlang sich die Decke wie einen Umhang um den Leib und trat hinter ihr aus dem Zimmer. Beide sagten kein Wort. Erst als sie die Treppe zum Erdgeschoss erreichten blieb Madoka stehen und wandte sich erneut an Takeo. "Warte, Takeo. Du... hast nicht vor nur Pläne zu schmieden, nicht wahr? Du willst selbst kämpfen..." Die Frage klang vorsichtig, beinahe ängstlich - nein, falsch, sie klang so, als wenn sie genau wusste was sie für eine Antwort erhalten würde. Takeo drehte sich zu ihr herum. Er seufzte leise. "Madoka..." "Verdammt, du hast gehört was der Arzt gesagt hat! Du könntest sterben, Takeo!" Hilflose Wut stand ihr ins Gesicht geschrieben. "Bitte, lass es sein! Lass die anderen kämpfen..." " ...und ich soll tatenlos zusehen?" Takeo wurde nicht lauter, aber in seiner Stimme lag plötzlich eine Entschlossenheit, die Madoka davon überzeugte, dass sie reden konnte wie ein Buch - er würde doch nicht auf sie oder den Arzt hören. Wie sie bereits geargwöhnt hatte: Der Schwertkampf war sein Leben. Ihm dies zu nehmen bedeutete, ihn seiner Lebensgrundlage zu berauben. Und seine nächsten Worte bestätigten diesen Gedanken noch. "Ich kann und werde nicht einfach daneben stehen wenn es zum Kampf kommt! Lieber sterbe ich, als dass ich zulasse, dass meinen Freunden etwas passiert. Ich KANN helfen, Madoka! Auch du kannst mich nicht aufhalten. Es tut mir Leid." Madoka verspürte einen tiefen Stich in ihrer Brust. "Takeo... Ich will dich nicht verlieren.", sagte sie leise. Seine Hand fuhr hinauf zu der Kette um seinen Hals, seine Finger liebkosten den kleinen Schlangen-Anhänger. Er antwortete nicht - aber sein Blick sagte mehr als tausend Worte. Vielleicht hatte er sich ja vorgenommen, ihr niemals seine Liebe zu gestehen. Aber er konnte seine Gefühle, das, was ihn ausmachte und vollkommen ausfüllte, nicht einfach verleugnen. All seine Vorsätze... dahin. Er konnte nicht mehr. Und sollte ihnen nur eine kurze Zeit gemeinsam vergönnt sein, er liebte Madoka dennoch.Unvermittelt beugte er sich vor und hauchte einen zarten Kuss auf ihre geöffneten Lippen. "Du hast mir wieder einen Sinn zu leben gegeben. Dafür werde ich dir ewig dankbar sein. Und ich verspreche dir, dass ich gut auf dieses Leben aufpassen werde. Ich lasse dich nicht im Stich." Seine Berührung und die geflüsterten Worte ließen Madoka einen angenehmen Schauer den Rücken hinabrieseln, verjagten jedoch nicht ihre anhaltenden Bedenken. Sie hatte Angst um ihn - daran würde sich wohl nie etwas ändern. Aber sie sah ein, dass sie ihn nicht zurückhalten konnte, was ihr unheimlich schwer fiel zu akzeptieren. Takeo sah nun abermals etwas beschämt an sich hinunter. "Ich... werde kurz zur Wäschekammer gehen und mir Sachen zum Anziehen heraussuchen. Sag unten bitte Bescheid, dass ich gleich da bin." Sie lächelte leicht und seufzte, versuchte die nachhaltigen und unguten Gefühle in sich zu verdrängen. "Wegen mir musst du dir keine Umstände machen.", sagte sie freundlich. Er lachte kurz - und ein wenig gequält. "Ich denke, es ist besser, wenn ich etwas anderes als diese Decke am Leib habe, während wir über Schlachtpläne und Kämpfe reden..." Er strich noch einmal über ihre Wange, wie er es in Aurinias Höhle getan hatte, dann verschwand er in der Wäschekammer gleich neben der Treppe. ~~~oOo~~~ Madoka war so glücklich wie nie zuvor in ihrem Leben. Sie hatte sie gefunden: Jene Liebe, von der die Dichter sprachen, von der unzählige Lieder handelten und die in Hunderten von Spielfilmen so gern als etwas Selbstverständliches dargestellt wurde. Sie wurde geliebt wie sie war! Das war wohl die Tatsache, die sie am Meisten erstaunte. Und Takeo... Gott, wie sie ihn liebte! Dann, während sie die Treppe hinabstieg, fiel ihr jedoch wieder ein, wo sie war, wie sie hierher gekommen war. Ihre Freunde und Familie in ihrer Zeit kamen ihr in den Sinn. Sie machten sich sicher schon Sorgen um sie. Und Schuldbewusstsein wallte in ihr auf. Soeben hatte sie noch mit dem Gedanken gespielt, nun für immer bei Takeo zu bleiben - sie hatte vergessen, verdrängt, dass sie zurück musste. Zurück WOLLTE... Ja, sie hatte noch immer Heimweh. Sie vermisste noch immer ihre Familie, die Menschen, die ihr in ihrer Zeit alles bedeuteten. Doch, wenn das überhaupt möglich war, so war ihr Zwiespalt, ihre Verwirrung, nun noch größer als je zuvor. Sie wollte ihr altes Leben wieder haben. Aber sie wollte auch bei Takeo bleiben. Wen liebte sie mehr? Ihre Familie oder Takeo? Was hatte Aurinia ihr einmal gesagt? Sie würde den Weg nach Hause nur schwer wiederfinden können, wenn sie nicht von ganzem Herzen zurück in ihre Welt wollte? Nun, dann würde sie lange suchen müssen. Denn ein beträchtlicher Teil von ihr wollte NICHT mehr zurück - das erschreckte sie. War sie bereit Takeo zuliebe auf alles zu verzichten? Auf ihr Zuhause? Auf ihr Studium? Auf die Menschen, die auf sie warteten und die sich um sie sorgten? Auf den Luxus, den ihre Welt ihr bot? Und wenn es auch nur fließendes Wasser oder Strom war? Und woran zum Teufel DACHTE sie hier überhaupt? War es nicht ein wenig ÜBERvoreilig zu denken, dass Takeo sie überhaupt bei sich haben wollte? Dass er es akzeptieren würde, wenn sie blieb? Sie hatte davon gehört, dass sich zwei Menschen stark zueinander hingezogen fühlen konnten, wenn sie gemeinsam viel erlebt (oder durchlebt?) hatten, ungleich stärker, als wenn man sich auf "herkömmliche" Weise kennenlernte wie zum Beispiel bei Verabredungen, dass jedoch in dieser Art entstandene Beziehungen niemals von Dauer waren. War es das? Waren ihre heftigen Gefühle nur darauf zurückzuführen, dass sie gemeinsam einiges erlebt hatten? Dass er ihr und sie ihm das Leben gerettet hatte? Dass sie ihn bewunderte? Sie musste sich eingestehen, dass all diese Dinge eine wichtige Rolle dabei spielten. Aber da war noch mehr. Noch viel mehr. Sie verspürte ihm gegenüber eine derartig tiefe Verbunden- und Vertrautheit, wie sie sie noch nie zuvor einem anderen Menschen gegenüber empfunden hatte. Sie wusste, dass sie sich ihm bedingungslos anvertrauen konnte. Sie seufzte erneut. Es war so schwer eine Entscheidung zu treffen! Sollte sie hier bleiben? Sollte sie gehen? Nun ja, vor allem sollte sie zunächst zusehen, heil aus dieser unsäglichen Geschichte herauszukommen - dann konnte sie sich immer noch Gedanken um ihre Zukunft machen. Und plötzlich wurde ihr etwas klar. Sie hatte genau diesen Gedanken schon öfter verfolgt und sich dann gesagt, dass sie die Entscheidung später treffen konnte. Sie schob es eindeutig vor sich her. Und das machte es nur schlimmer. Yasha kam ihr auf der Treppe entgegengepoltert. Er riss sie aus ihren Gedanken: "Ich wollte mal nachsehen wo ihr bleibt. Shido-san hat eine Versammlung einberufen." Der Halbdämon war stehengeblieben und schien nur schwer den Impuls unterdrücken zu können, sich die Hände zu reiben. "Denen treten wir in den Hintern! Wir werden einen Schlachtplan entwerfen." Madoka, unvermittelt aus ihren Grübeleien gerissen, blinzelte ihn nur verständnislos an. Dann, plötzlich, wurde Yashas Blick forschend und er trat demonstrativ schnüffelnd ganz nah an sie heran. Madoka wurde verlegen und versuchte sich auf der Treppe an ihm vorbeizuquetschen, doch er hielt sie am Arm zurück. "Hmmm... Du riechst... nach IHM...", sagte er dann, während er unablässig weiterschnüffelte. Er hob den Kopf, sodass sein Gesicht nun ganz nah vor ihrem war. Feixend sah er ihr in die Augen. "Ach, DESHALB hat das so lange gedauert..." Madoka zog es vor, ihn zur Seite zu drängen und an ihm vorbei die Treppe hinunter in die Diele zu laufen. Sie sah nicht zurück, aber sie konnte das breite Grinsen des Halbdämons beinahe SEHEN, das er ihr hinterherschickte. Dann hörte sie, wie er ihr nachsetzte. "Warte doch, Madoka-chan! Jetzt erzähl doch mal genau... Was hat der Idiot denn mit dir gemacht? Och los, komm schon! Ich werd auch bestimmt nicht wieder böse..." Madoka beschleunigte ihre Schritte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)