What if...? von BluejayPrime (Was wäre, wenn Vivi Corsa getroffen hätte, als die Rebellen Arbana angriffen?) ================================================================================ Kapitel 2: Zwei --------------- „Sie stirbt doch nicht, oder?“ Jemand griff nach ihrer Hand und drückte sie. „Das weiß ich nicht...“ Eine Tür wurde geschlossen. „Vivi!“ Jemand hauchte ihr behutsam einen Kuss auf die Wange. „Vivi, du darfst nicht sterben, hörst du? Du stirbst nicht, sonst hast du auch alles überlebt, dein Land braucht dich, dein Volk braucht dich... ich brauche dich! Ich brauch’ dich, bitte, Liebste, komm zurück...“ Vivi blinzelte und öffnete die Augen. Zuerst wollte sie sich aufrichten, doch als sie feststellte, dass sie vollkommen unbekleidet war, ließ sie es besser bleiben. „Corsa...?“, murmelte sie. Eines der Dienstmädchen spähte in den Raum. „Oh, Mylady sind wach!“ Rasch eilte die Kleine, die kaum elf Jahre zählen konnte, zu ihr herüber und reichte ihr ein neues, sauberes Kleid. „Bitte sehr, Mylady, kann ich sonst noch was für Euch tun?“ Langsam streifte Vivi sich das Kleid über und das Mädchen half ihr dabei. „Nein, schon gut... wo ist Corsa?“ „Der Rebellenanführer?“, murmelte das Mädchen, „Nun, nachdem er gesund geworden ist, hat Euer Vater ihn vorsichtshalber in Sicherheitsverwahrung genommen, also auf seinem Zimmer, denke ich, er darf’s ja nicht verlassen...“ Vivi lächelte. „Würdest du mich hinführen?“ „Ich dachte, du darfst dein Zimmer nicht verlassen.“ Corsa strahlte, entblößte dabei weiße Zähne und zog das Seil wieder ins Fenster. „Ich... wollte es ja auch nicht verlassen, nur...“ Er ließ das Seil fallen und umarmte sie. „Es geht dir besser?“ Sie lächelte. „Ich denke schon... weißt du, welcher Tag heute ist?“ Corsa überlegte kurz und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. „Ich weiß auch nicht genau, hab’ keinen Kalender hier drin, aber... ich glaube, heute ist der 22. Juni.“ Der 22. Juni! Vivi erschrak innerlich. Fast zwei Monate hatte sie im Koma gelegen? Offenbar hatte sie ihre Gedanken laut ausgesprochen, denn Corsa nickte leicht. „Ja... anfangs hat Kobra mir erlaubt, dich zu besuchen, aber als sich dein Zustand verbessert hat, musste ich hier bleiben, und auf Peruhs Mitteilungen warten.“ Er seufzte leise. „Eigentlich ist er dabei noch sehr fair zu mir, einer seiner Ratgeber hat vorgeschlagen, mich gleich ins Verlies zu stecken und mir den Prozess zu machen. Vermutlich droht mir das auch noch.“ „Wie geht es Peruh?“ „ Er macht sich Vorwürfe.“, antwortete Corsa, „Hat gesagt, sechzehn Jahre ist er an deiner Seite und im entscheidenden Moment versagt er.“ Sie lächelte leicht. „Versagt nicht, er hat mir schon so oft das Leben gerettet...“ Vivi fiel etwas ein. „Corsa.“, sagte sie leise, „Ich kann mich an vieles nicht erinnern, und ich weiß nicht, ob meine Erinnerungen Traum oder Realität sind, aber da ist eine Sache...“ Corsa zog die Unterlippe zwischen die Zähne und sah zur Seite. Sie legte ihm eine Hand an die Wange und drehte seinen Kopf wieder zu sich. „Corsa, als ich im Fieber lag, hatte ich einen Traum, einen sehr schönen Traum...“ Corsa murmelte etwas unverständliches. „Was?“ „Und wenn es kein Traum war?“, murmelte er kaum hörbar. Einem plötzlichen Impuls folgend beugte er sich vor und küsste sie auf den Mund. „Peruh!“ Vivi fiel ihm um den Hals. Peruh zögerte leicht, doch dann erwiderte er ihre Umarmung. „Eure Hoheit...“ Sie lächelte und ließ ihn los. Sofort ging Peruh vor ihr auf die Knie. „Ich bitte untertänigst um Vergebung...“ Sie seufzte und zog ihn hoch. „Peruh.“, sagte sie leise, „Du hast mir so oft das Leben gerettet, und du warst immer einer meiner treuesten Verbündeten. Es gibt nichts zu verzeihen.“ „Ich bin froh, dass du zurück bist, Vivi.“ Kobra lächelte. Vivi nickte leicht. „Ich auch, Vater...“ Sie drehte sich zu ihm um. „Du weißt, dass Corsa nur für sein Land gekämpft hat, nicht wahr?“ Kobra seufzte. „Ich weiß auch, dass er gegen gut fünfzig Gesetze verstoßen hat und sich unter anderem des Hochverrates schuldig gemacht hat.“ Vivi schlug eine Hand vor den Mund. Hochverrat wurde entweder sofort mit dem Tod oder zumindest doch mit lebenslanger Haft unter schlimmsten Bedingungen bestraft – was in etwa lebendigem Einmauern gleichkam. „Das kannst du nicht ernst meinen! Er war dir immer treu!“ „Er hat an die zwei Millionen Rebellen gegen mich aufgebracht, weil er mit den Lebensumständen unzufrieden war. An sich durchaus nachvollziehbar, aber trotzdem hat er versucht den König zu stürzen, und das ist Hochverrat.“ Vivi starrte ihren Vater an. „Ich bitte dich! Er hat dir nichts getan...“ „Er hat genug angestellt, um dreimal lebenslänglich zu bekommen. Genug davon, kommen wir zu etwas erfreulicherem. Du wirst bald heiraten.“ Vivi klappte der Mund auf. Ihr blieb aber auch nichts erspart... „Ich soll heiraten.“ Peruh hob die Augenbrauen. „Ja, Corsa.“ „Nicht Corsa. Irgendeinen Typen aus Rainbase, irgendeinen Lord, ein gewisser Shigeru…“ Jetzt klappte auch Peruh der Mund auf. „Shigeru von Rainbase?!“ Vivi sah zu ihm. „Ja... was ist denn?“ „Wollt Ihr mir etwa erzählen, Ihr wüsstet von nichts? Er ist der Ziehsohn von Sir Crocodile!“ Corsa stöhnte leise. Er spürte, wie Blut von seiner aufgeplatzten Unterlippe über sein Kinn lief und versuchte halbherzig, sich wieder aufzurichten. Sein Vorhaben wurde durch einen Tritt in seine verletzte Seite, der ihn wohl mindestens eine Rippe kostete, zunichte gemacht. „Hör mir gut zu, mein Kleiner, ich werde mich nicht wiederholen.“ Jemand packte ihn an der Kehle und hob ihn hoch. „Du wirst deine Finger von unserem Prinzesschen lassen, haben wir uns verstanden?“ Corsa zog es vor, darauf nicht zu antworten. Er war zu sehr mit den Schmerzen in seiner Seite und seinem Kopf beschäftigt. Er wurde unsanft fallen gelassen. Irgendwer von den Bastarden, der hinter ihm stand, drehte ihm die Arme so heftig auf den Rücken, dass es ihm beinahe die Gelenke zerfetzte, doch bevor er aufschreien konnte, wurde er von fachmännischer Hand geknebelt. „Vivi wird mich heiraten und damit sind wir zufrieden, und du wirst deine Drecksfinger von ihr lassen, denn sie gehört mir, und nur mir, hast du verstanden? Ein kleiner Verbrecher wie du hat ohnehin nichts bei ihr verloren, aber keine Sorge, ich werde alles dafür tun, dass sie keinerlei Gelegenheit mehr hat, mit dir rumzufummeln.“ König Kobra macht dich fertig, du arrogantes Stück Dreck., dachte er, König Kobra lässt dich an deinen wertlosen Eingeweiden vom höchsten Turm deines ach so tollen Schlosses hängen... „Und bevor du an irgendetwas in der Art denkst, Seine Majestät ist über alles genau im Bilde.“ Der Mann vor ihm strich ihm über die Wange. „Eigentlich schade, so ein hübsches Gesicht noch mehr zu verunstalten... los, erteilt ihm eine Lektion, Jungs.“ „DU WUSSTEST DAS?!“ Vivi scherte sich nicht darum, dass das halbe Schloss sie hören konnte, sie schrie ihren Vater weiter an. „Du wusstest, dass er der verdammte Stiefsohn von Crocodile ist, und trotzdem willst du, dass ich den Kerl heirate?!“ Kobra nickte leicht. „Der beste Beweis dafür, dass ich nicht nachtragend bin und dass ich wieder Frieden im Land will.“ „Wie kannst du sowas sagen! Ich werde diesen Kerl nicht heiraten, niemals, niemals, niemals!“ Eine harte Ohrfeige traf ihre Wange und ließ sie mit tränenden Augen rückwärts in Peruhs Arme taumeln. „Du wirst tun, was ich dir sage.“, knurrte Kobra, „Immerhin hängt es von mir ab, ob dein Rebellenfreund im Kerker krepiert oder weiterhin die Sonne Alabastas genießen kann.“ „Corsa, ich soll heiraten.“ „Ich weiß.“, sagte Corsa, ohne sich zu ihr umzudrehen. Das brauchte er auch nicht, sie konnte auch so sehen, dass sein Gesicht und seine Arme voller Schrammen und Blutergüsse waren. Die Narbe auf seinem Gesicht war stellenweise wieder aufgeplatzt, wie sie jetzt feststellte. Blutstropfen liefen über seine Wange und tropften auf sein Oberteil. „Wer war das, Corsa?“ „Dein Verlobter.“, sagte er, ohne den Blick vom Fenster zu nehmen. Vivi fasste den schwersten Entschluss ihres Lebens. Sie berührte Corsas Schulter, drehte ihn zu sich herum und küsste ihn, ohne sich von dem Blutgeschmack stören zu lassen. Immerhin war es Corsas Blut, und sie liebte ihn. „Wir gehen.“ „Peruh, bist du loyal zu mir oder loyal zu meinem Vater?“ Verdutzt sah Peruh sie an. „Loyal zu Euch, Mylady...?“ Vivi nickte leicht. „Dann pack deine Sachen. Ich denk’ nicht dran, den Mistkerl zu heiraten, der Corsa das angetan hat. Wir hauen ab, noch heute Nacht.“ Mitten in der Nacht wurde Kebi aus dem Schlaf geschreckt. Dementsprechend sah er aus, als er die Tür öffnete und draußen Corsa, Vivi und Peruh vorfand. „Welch Glanz in meiner Hütte...“ „Spar dir die Scherze, Kebi.“, sagte Corsa müde, „Hast du zufällig ein paar Betten übrig?“ „Was ist denn mit euch passiert?“, fragte Kebi, setzte sich neben Corsa und Vivi an das Feuer, das sie vor der Hütte entzündet hatten und drückte beiden einen Becher Wein in die Hand. Vivi hob die Augenbrauen. „Wein?“ „Kebi arbeitet in den Lagerhallen am Fluss, da kann man einiges abzweigen.“ Corsa lehnte sich an die Lehmwand der Hütte und schloss die Augen. „Ich soll heiraten.“, sagte Vivi, „Und der gnädige Herr ist extrem eifersüchtig, also hat er Corsa zusammenschlagen lassen. Ich habe es vorgezogen, diese Liason nicht einzugehen und bin stattdessen mit ihnen abgehauen.“ „Ah. Wie in alten Zeiten also.“ Kebi grinste. Corsa öffnete die Augen wieder. „Wir müssen sie irgendwo hinbringen, wo man sie nicht findet...“ Kebi nickte. „Wie wär’s mit Lancia?“ Corsa prustete in seinen Becher. „Lancia? Du spinnst wohl! Die werden sie umbringen!“ „Nicht, wenn du mitkommst – was du ohnehin zu tun beabsichtigst, denke ich – und auf sie aufpasst...“ „Was ist Lancia?“, fragte Vivi leise und sah auf den Sattel ihres Pferdes hinab. „Lancia ist eine Rebellenhochburg, weit oben im Gebirge.“, sagte Corsa, „Von da aus haben wir alles organisiert, und da leben viele Leute, die den König immer noch für den Verursacher von alldem halten. Wobei ich, wie ich zugeben muss, inzwischen diesem Gedanken wieder gar nicht so abgeneigt bin.“ Vivi wusste nichts darauf zu erwidern. Corsa seufzte, ließ ihre Zügel mit einer Hand los und umarmte sie. Sie kuschelte sich an ihn. „Geht’s dir besser?“ „Mir geht’s doch immer gut, wenn du bei mir bist.“, sagte er mit einem leichten Lächeln. Sie stupste ihm leicht mit dem Ellenbogen gegen die unverletzte Seite. „Du weißt genau, was ich meine.“ Er seufzte leise. „Ist schon gut, ja? Kratzt nur etwas an meinem Ego.“ „Das geht vorbei.“ Sie lächelte. „Mach dir keine Sorgen, die tun dir nichts.“, wechselte er abrupt das Thema, „Ich beschütz’ dich.“ Aus seinen Worten hörte sie auch ein bisschen Bedauern heraus, dass er sie vor der zweiten Kugel, die auf sie abgefeuert worden war, nicht hatte schützen können. Sie lächelte. „Natürlich.“ „Wir werden Lancia morgen erreichen, denke ich.“, sagte Corsa, hockte sich in den Sand und begann, mithilfe einiger Holzstückchen, die er in den Ruinen gefunden hatte, ein Feuer zu entzünden. Vivi nickte leicht und wickelte sich in ihren dünnen Umhang. Tagsüber mochte es glühend heiß sein, doch umso kälter wurde es nachts. Corsa setzte sich neben sie und legte seinen Umhang ebenfalls um sie beide. Peruh landete über ihnen auf dem Haus – es wurde zu dunkel zum Fliegen. „Wir haben Besuch.“, sagte er so leise, dass Vivi Mühe hatte, ihn zu verstehen. Corsa jedoch bedeckte sofort das Feuer mit Sand und zog sich mit Vivi in die sichere Deckung hinter den halb eingestürzten Mauern zurück. „Bleib hier.“, wisperte ihr Corsa ins Ohr, „Ich geh’ mich draußen umschauen...“ Er nahm sein Schwert und verschwand. Peruh ließ sich mit einem lautlosen Flügelschlag neben sie fallen. „Prinzessin...“, sagte er leise, „Ich muss mit Euch reden. Ich wollte das nicht machen, wenn Corsa dabei ist... Ihr wisst, dass Eure Mutter bei Eurer Geburt gestorben ist, nicht wahr?“ Vivi nickte leicht und drehte sich zu Peruh um. „Ich weiß, dass das nicht stimmt.“, sagte Peruh leise, „Natürlich könnt Ihr Euch nicht mehr daran erinnern, aber Ihr wart bereits zwei Monate alt, als sie starb. Und ich glaube nicht, dass das Spätfolgen oder so etwas ähnliches waren.“ „...Worauf willst du hinaus?“ In Vivi stieg ein Verdacht auf. „Wisst Ihr...“, sagte Peruh leise, „Die Heirat Eurer Eltern war eine arrangierte Heirat, und sie steckte in ebenso einer Situation wie Ihr jetzt. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass Eure Mutter bereits schwanger war, als sie Euren Vater heiratete. Auch nach der Hochzeit hatten wir – zwangsläufig – noch Kontakt zu einander, und sie berichtete mir, dass sie einiges über die Pläne Eures Vaters mit Alabasta herausgefunden hatte.“ Vivi öffnete den Mund, um eine Frage zu stellen, doch Peruh sprach weiter: „Tatsache ist, dass Euer Vater – oder, besser gesagt, König Kobra – tatsächlich mithilfe des Regenpulvers das Land ausgetrocknet hat – Ihr erinnert Euch doch an das Regenwunder von Arbana?“ Vivi schloss den Mund wieder und nickte leicht. „Natürlich hatte Eure Mutter damit zuviel herausgefunden, und als sie Kobra zur Rede stellen wollte, und drohte, es öffentlich zu machen, hatte sie kurze Zeit später einen tödlichen Unfall.“ Vivis Augen wurden groß. „Corsa...“ „Alles, was ich Euch hier erzähle, dürft Ihr Corsa auf keinen Fall mitteilen, denn der Frieden ist gerade eben erst mühsam wieder gekittet worden.“ Vivi nickte leicht. „Peruh, bist du mein Vater?“, fragte sie leise. Peruh antwortete nicht, doch die Antwort war in seinen Augen deutlich zu lesen. Corsa hob sein Schwert und ließ sich hinter einen Mauervorsprung sinken. Niemand war zu sehen, doch er spürte deutlich, dass sie nicht die einzigen hier waren. Er erhob sich, um einen Blick über die Mauer zu werfen, doch im selben Moment spürte er einen Pistolenlauf im Genick. „Keine Bewegung!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)