Zum Inhalt der Seite

Dunkle Nächte

Wenn das Schicksal zuschlägt...
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ein hinterhältiges Angebot

Kapitel 5

Ein hinterhältiges Angebot
 

Sekundenlang herrschte Stille, während sich zwei Blicke trafen. Herzschlag um Herzschlag verstrich, ohne dass sich einer von ihnen rührte. Es war ein stummer Dialog über diesen intimen Augenblick. Ein stetiges Hin und Her der unausgesprochenen Fragen, der Verständnislosigkeit und der Sorge.

Noah verstand nicht, was sich da vor seinen Augen abspielte. Ungläubig huschte sein Blick von einem zum anderen. Er erkannte deutlich das Entsetzen, welches Joeys Gesicht zeichnete, aber genauso auch die Scham, die Mokubas Wangen tief rot gefärbt hatte. Doch was ging zwischen den beiden vor? „Ich störe ja nur ungern euer „wortreiches Gespräch“, aber was bitte hast DU hier zu suchen, Wheeler?“ Aus seiner Verwunderung wurde Ärger, der nun in Noahs dunkelblauen Augen funkelte. Er hatte sich gänzlich von Mokuba gelöst und stand leicht breitbeinig mit verschränkten Armen im Flur. Er konnte es nicht leiden, wenn er gestört wurde, egal bei was.
 

Nur sehr langsam ließ Joey seinen Blick zu dem aufgebrachten, jungen Mann wandern, der seinen aufsteigenden Ärger hinter einer harten Fassade versteckte. Es schien, als ob er sich jede Bewegung einzeln überlegen würde. Die honigbraunen Augen blickten ernst und sicher zu dem Grünhaarigen hinüber, obwohl das Entsetzen immer noch nicht ganz von ihm gewichen war.

Das war kein typisches Verhalten für diesen Straßenköter. Verwundert und innerlich auch ein wenig verunsichert wartete Noah auf die nächste Reaktion. Er zeigte nur die kalte Verstimmung, die sich nach dem ersten Aufbegehren in ruhigere, fokussierter Bahnen lenkte. Er hatte von Joey erwartet, dass dieser ausgerastet oder verlegen geworden wäre, selbst dass er einfach davonlief, lag als verständliche Reaktion nahe, aber sicher nicht das hier. Er wirkte zwar geschockt und verlegen, aber in seinem Blick lag eine unbeugsame Stärke. Es schien die Situation viel tiefer zu begreifen, als Noah von ihm erwartet hätte. Ruhig und bewusst schien der junge Mann seine nächsten Schritte zu setzen, damit er nicht kopflos handelte. War der Köter doch schon so ‚erwachsen’ geworden?
 

Stumm schloss Joey seine Augen und senkte kurz den Kopf, bevor er Noah direkt in die Augen blickte. „Ich suche die Küche! Aber wenn du so fragst: Was veranstaltest du hier?“ Warum musste er eigentlich immer von einer Schwierigkeit in die nächste schlittern? Er konnte deutlich spüren, wie verärgert Noah war, der ihn um ein gutes Stück überragte. Bisher hatte er nicht sehr viel Kontakt zu dem grünhaarigen jungen Programmierer gehabt, so konnte er dessen Reaktion nicht einschätzen. Seine eigene Brust schmerzte und auf einen weiteren Kampf, eine Prügellei konnte er es definitiv nicht ankommen lassen. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass er selbst unglaublich wütend wurde. „Das würde mich nämlich interessieren!“ Seine Worte waren nur noch ein Zischen, welches eine ungewohnte Schärfe inne hatte. Er war sauer auf den jungen Mann, der anscheinend jede Grenze überschritt. Am liebsten hätte er ihm eine gescheuert.

Noah strich sich eine Strähne seines grünen Haares aus dem Gesicht und erwiderte den ernsten Blick. „Warum sollte ich dir das sagen?“ Ein leicht überhebliches Lächeln zog sich über seine Lippen. Er achtete nicht mehr auf Mokuba, der nun zitternd an der Wand lehnte. Der Schwarzhaarige hatte die Arme wieder herunter genommen, das Hemd so gut es ging um sich gezogen. Noahs Selbstsicherheit war nur teilweise echt, denn Joeys Reaktion hatte ihn mehr getroffen, als er sich selbst eingestehen wollte.
 

Jetzt reichte es dem Blonden. Wie konnte man nur so eingebildet sein. „Du bist immer noch sein großer Bruder, Kröte!“ Mit wenigen schnellen Schritten überbrückte er den letzten Abstand zu dem Gleichaltrigen und griff nach seinem Hemd, die Schmerzen in seiner Brust ignorierend. „Hast du dir darüber mal Gedanken gemacht?“ Nur noch schwer konnte sich Joey beherrschen und er spürte deutlich, wie seine Hände zitterten. „Selbst wenn du nur sein Stiefbruder bist, trägst du eine gewisse Verantwortung ihm gegenüber! Wenn du dich auch nur noch einmal an ihm vergreifst, ich schwöre dir, ich weiß nicht, was ich mit dir machen werde!“ In seiner tiefen Stimme war die aufgebrachte Wut deutlich zu hören. Es bedurfte nicht mehr sehr viel und jede Beherrschung ginge verloren.

Zornesröte hatte sich auf Joeys Wangen geschlichen und mit der linken Hand hielt er das Revers des Grünhaarigen fest gepackt. Ohne es zu bemerken, hob er die Rechte und schlug zu. „Was bildest du dir nur ein!“ Der 19-Jährige zitterte am ganzen Leib vor Wut. Das Dröhnen in seinem Kopf machte es schwer, noch irgendeine Art der Beherrschung aufrecht zu erhalten. Er konnte das Kribbeln in seinen Fäusten spüren. Er wusste selbst nicht, was ihn noch zurück hielt, denn es fiel ihm kein plausibler Grund ein. Dafür verdrängte langsam das in seinen Adern angestaute Adrenalin den Schmerzen und ließ ihn nicht bis in den Verstand vordringen. Auch die Taubheit seines rechten Armes war jetzt nicht spürbar. „Wage es noch einmal, du dreckige kleine Kröte und ich zerquetsche dich, wie Kaiba es hätte längst tun sollen!“
 

Das hatte er nicht erwartet, nein, das ganz sicher nicht. Er war fassungslos, jede Farbe war aus seinem Gesicht gewichen und im ersten Moment wusste er nicht, was er tun oder sagen sollte. Sicher war seine Wange nun scharlachrot und würde es auch eine Weile bleiben. Er spürte den Schmerz nicht so, wie er ihn damals wahr genommen hätte. Die Erinnerungen waren noch immer vorhanden, doch in diesem Moment gab es etwas anderes, dass ihn stärker beschäftigte. Joey hatte da ein Thema angeschnitten, das ihm sehr wichtig war. Seine grünen Augen huschten zu Mokuba und er schluckte. Noch immer stand Joey dicht vor ihm, blanker Zorn spiegelte sich in seinen Augen. „Er vertraut dir, er braucht dich, also hör mit diesem verfluchten Scheiß auf!“ Zischte der Blonde leise und ein Knurren entkam ihm dabei.

Noah versuchte noch immer zu verstehen, was hier genau geschah. Aber eines begriff er deutlich. Noch immer lag sein Blick auf Mokuba, der zitternd an der Wand lehnte, das weiße Hemd fest um sich zog und den Kopf tief gesenkt. Offensichtlich war er zu weit gegangen und hatte es nicht mitbekommen. Nun gut, jetzt konnte er nichts weiter tun, als so glamourös wie möglich die Flucht zu ergreifen. Mit einem wütenden Joey wollte er sich nicht anlegen.

„Verschwinde endlich!“ Mit einer kräftigen Bewegung stieß er den 22-Jährigen von sich weg und wand sich Mokuba zu. Er spürte noch immer diesen unbändigen Zorn in sich, aber seine Sorge um den Kleineren war einfach zu groß, um sich noch länger mit Noah zu beschäftigen. Er beobachtete wie dieser mit einem unzufriedenen Knurren zurückwich und sich schließlich umdrehte. Er schlug noch im Vorbeirauschen die Tür neben sich zu und verschwand irgendwo in den Fluren der Villa.
 

„Ist ja gut! Es ist vorbei!“ Langsam ging der Blonde in die Knie und zog Mokuba an sich, der nun am Fuße der Wand saß. Er konnte deutlich fühlen, wie der schlanke Körper bebte. Plötzlich ließ sich der Schwarzhaarige in Joeys Arme sinken und vergrub sein Gesicht in dessen Pullover. Erst jetzt wurde das klägliche Schluchzen unregelmäßiger und Mokuba ließ endlich allen Tränen freien Lauf.

Während er den Jüngeren schützend an sich drückte, kreisten seine Gedanken um diese Situation. Was bei allen verfluchten Flüchen dieser Welt war geschehen, dass Noah so einen Scheiß abzog? War so etwas etwa auch heute Früh geschehen? Hatte Mokuba deswegen so ausgesehen? Wenn das öfter geschah, warum unternahm Kaiba nichts dagegen? Das alles waren Fragen, auf die er keine Antwort finden würde und wahrscheinlich würde sie ihm auch keiner beantworten, wenn er danach fragte.
 

Die Zeit verstrich unbemerkt, wie ein zähflüssiger Strom, der nur von seiner eigenen Trunkenheit angetrieben wurde. Mokuba brauchte lange, um sich zu beruhigen. Noch immer zitterte er leicht, doch sein Schluchzen war verstummt. Dafür spürte Joey die kleine Rache seines Körpers für die saftige Ohrfeige. Sein rechter Arm fühlte sich schwer an und sein Brustkorb schmerzte. Das Adrenalin war offenbar abgebaut worden.

„Joey?“ Fragend hob Mokuba den Kopf und schaute auf. Er wusste, dass seine Hände immer noch zitterten und seine Augen mussten mittlerweile rot unterlaufen sein. „Warum hast du das gesagt?“ Ein fast schon flehender Ausdruck lag in seinem Blick, als er mit flüsternden Worten seine Frage stellte. Ein sanftes Lächeln legte sich auf Joeys Lippen und Erleichterung breitete sich in ihm aus. Zumindest hatte sich der Kleine etwas beruhigt, damit hatte er schon eine Menge erreicht. „Weil jeder große Bruder von dem Tage an, an dem sein Geschwisterkind zur Welt kommt, eine Verantwortung trägt. Ob es ihm passt oder nicht, so ist es nun mal.“ Vorsichtig strich er Mokuba einige Strähnen aus dem Gesicht. „Auch wenn man nicht Blutsverwandt ist.“

Der Schwarzhaarige schluckte und nickte dann. Unsicher senkte er seinen Blick und starrte auf seine Hände, deren Finger sich tief im roten Pullover vergraben hatten. Er war wirklich erbärmlich. Jetzt saß er hier mitten auf dem Boden und heulte sich die Augen aus. Fast erdrückt von diesem Gedanken schluckte er schwer. „I… ich meinte eigentlich…“ Schnell wischte er sich die wiederkehrenden Tränen aus den Augenwinkeln und setzte neu an. „Ich meinte eigentlich, warum du zu Noah gesagt hast, dass du die Küche suchst.“ Erstaunt blickte er auf, als er Joey lachen hörte. „Weißt du, ich hab eben Hunger.“
 

Durch das breite, verschmitzte Grinsen des blonden jungen Mannes musste Mokuba einfach zögerlich lächeln. Joey würde eben immer Joey bleiben. „Ich kann dir ja die Küche zeigen.“ Schlug er ein wenig bedenklich vor, da er nicht wusste, ob Seto noch immer dort war.

„Also, wenn du meinen Vorschlag hören willst, solltest du dir erst einmal etwas anderes anziehen.“ Immer noch freundlich lächelnd knöpfte er die obersten Knöpfte des weißen Hemdes zu und legte den Kopf wie ein kleines Kind leicht schief. „Aber sonst ist das eine wirklich gute Idee.“

Mokuba spürte, wie er wieder rot anlief und beschämt zu Boden blickte. Er nuschelte ein ziemlich unverständliches ‚Ja, du hast Recht.‘ und versuchte etwas umständlich aufzustehen. Doch Joey war schon schneller und grinste breit, als er ihm die Hand reichte. Er ahnte, wie sich der Kleinere jetzt fühlen musste. Gleichzeitig bemerkte er auch, dass sein Zorn völlig verschwunden war. Nicht aber die Schmerzen, die seinen Körper traktierten.

Seufzend ergab sich der Schwarzhaarige in sein Schicksal und ließ sich hoch ziehen. „Komm mit, dann kann ich dir auch endlich meinen neuen Schreibtisch zeigen. Aber ich warne dich, in meinem Zimmer sieht es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen!“ Wirklich lachen konnte er noch nicht, aber zumindest war er nicht mehr so schrecklich durcheinander. Er bereute es nicht, das der Blondschopf gerade in diesem Augenblick um die Ecke gestolpert war.

„Ich sag dazu nur eins: Wenn Serenity bei uns nicht ständig aufräumen würde, sähe es auch schlimm aus. Du kannst mich also nicht sonderlich schocken.“ Kommentierte der Blonde und versuchte jede Regung aus seinem Gesicht zu verbannen, die seine Qual verriet. Offenbar war die angebrochene Rippe der Meinung, dass Mokuba zu schwer war, um ihn mal eben so auf die Beine zu ziehen. Dieser grinste nur wissend, bei den beschwichtigenden Worten. „Wenn du meinst.“ Er kannte Serenitys Ordnungssinn nur zu gut und er wusste auch, was für ein Chaos er in seinem Zimmer veranstaltet hatte. Innerlich wettete er mit sich selbst, dass der Blonde mehr als nur überrascht sein würde.
 

Sein breites Grinsen verlor er den ganzen Weg bis hin zu seinem Zimmer nicht und als er die Tür öffnete und eintrat, warf er einen Blick über die Schulter. Er wollte Joeys Reaktion auf keinen Fall verpassen, denn er kannte auch noch ziemlich gut das Durcheinander, das bei Joey sonst immer geherrscht hatte. Ein Chaos, das es mit diesem hier nicht einmal ansatzhalber aufnehmen konnte.

Seine dunkelblauen Augen folgten jeder Bewegung des Blonden und ließen ihn keinen Herzschlag unbeobachtet. Dieser trat vorsichtig ein, er hatte zwar keine Ahnung, was ihn erwarten würde, aber er kannte den kleinen, schwarzhaarigen Wirbelsturm. Sein Blick fiel als erstes auf das große Bett, welches hinten in der Ecke des riesigen Zimmers stand. Das Kopfkissen war zu Boden geworfen worden und die dazugehörige Decke lag zusammen geknautscht am Bettende, die unzählige T-Shirts und Jeanshosen lagen zerstreut über- und untereinander auf der Matratze. Bücher und Hefte säumten den Boden davor und gingen nahtlos über in Zettel und Stifte, die anscheinend einfach fallen gelassen worden waren. Genauso wie der Schreibtisch mit Blöcken und verschieden farbigen Heftern belagert war, tummelten sich überall im Zimmer Videokassetten und CDs, wie auch DVDs, Bluerays, Kopfhörer und Kabel auf dem Teppich und den Möbeln.

Der Computer war in seine Einzelteile zerlegt worden, ohne jedoch seine Funktion aufgegeben zu haben. Fest- und Grafikplatten, Laufwerke und Speicher waren verkabelt worden und breiteten sich zwischen dem in drei Teile gelegten Drucker, den vier Lautsprechern und dem offenen Scanner auf dem Schreibtisch und dem Fußboden aus.

Selbst der Drehstuhl war mit Kisten vollgestellt, in denen Schraubenzieher, Drähte, Magneten, winzige Schrauben und noch einiges anderes lagerte. Der Monitor war unter den Tisch gewandert und befand sich in der reizenden Gesellschaft eines Hamsterkäfigs.
 

Joey schluckte, als er das ganze Ausmaß dieses Chaos erkannte. „Da… da… dass ist nicht dein Ernst?“ Sein völlig entgeisterter Blick wanderte zu Mokuba und er bekam nicht einmal mit, dass ihm der Unterkiefer herunter klappte. „Oder?“ Das belustigte Lachen des Schwarzhaarigen bekam er schon gar nicht mehr wirklich mit.

Da seine Wangen immer noch von einem kräftigen Rot waren, fiel seine Verlegenheit nicht mehr auf. „Na ja, weißt du, ich bin in letzter Zeit eigentlich nur zum Schlafen hier.“ Er warf einen Blick hinter sich. „Also, wenn ich hier schlafe.“ Joey nickte nur verdattert. „Eigentlich will Seto nicht, dass ich mein Zimmer so zurücklasse, aber um ehrlich zu sein, mache ich es auch absichtlich.“ Während er sprach bahnte er sich einen Weg zu seinem Schreibtisch und schob den Stuhl ein Stück zur Seite. Danach ließ er sich auf den Boden sinken und zog den Käfig hervor.

„Weißt du, ich hab hier ein paar Sachen, die so ziemlich niemanden was angehen. Seto ganz besonders nicht! Tja, und bei dieser Unordnung findet hier sowieso keines etwas.“ Er hatte die kleine Tür geöffnet und vorsichtig hinein gegriffen. Nun holte er ein kleines cremefarbenes Fellknäuel heraus und schob den Käfig wieder zurück. „Mal sehen, vielleicht räume ich heute Nachmittag Mal ein Bisschen auf. Hier schau mal, Takato hätte sie fast vom Dach unserer Schule geschmissen.“ Mokuba grinste breit, als er Joey den noch etwas schlaftrunkenen Hamster zeigte. „Sie ist wohl unserer Chemielehrerin abgehauen.“ Er machte eine Pause und sein Blick wurde traurig, als er meinte. „Sie wollte die Kleine an ihre Katzen verfüttern.“ Langsam erwachte das Fellknäuel zum Leben und fing an auf Mokubas Hand zu schnüffeln. „Ich habe ihr den Namen Lalapee gegeben. Du kennst doch auch diese schrecklich langweilige Geschichte von der Prinzessin Lalapee, die erst dreimal von ihrem Prinzen gerettet werden musste, um ihn dann endlich zu heiraten.“

Joey nickte. Er schaute sich noch einmal kurz um, bevor er vorsichtig zu Mokuba kam. Irgendwie fand wirklich jeder Schüler diese Geschichte schrecklich, dabei gehörte sie doch mit zu den ältesten Sagen Japans – und auch zu den unbekanntesten –, doch anscheinend musste es jede Klasse lesen. „Ach, und du bist nun ihr Asami!“ Er konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen und handelte sich auch gleich einen leichten Stoß des Jüngeren ein. „Ist ja gut, aber sag mal, was hast du mit deinem Computer gemacht? Ich meine, die Sage um den zerteilten Helden habe ich noch nicht gehört.“

Verwundert schaute Mokuba zu seinem Freund auf, bis er endlich verstand, was dieser meinte. Lachend musste er mit ansehen, wie Lalapee von seiner Hand kletterte und über den Boden davon huschte. „Nein, ich wollte nur etwas ausprobieren und musste dafür den Computer umbauen. Tja, und weil ich ständig andere Platten und Laufwerke brauche, habe ich ihn dann so gelassen.“
 

Wieder nickte Joey und schaute der Hamsterdame hinterher, die sich ihren Weg bis hin zu dem Schrank neben dem Bett suchte und darin verschwand. „Ach, also ich will mit dem Ärmsten nicht tauschen.“ Joey blickte auf die Kabel hinunter und setzte einen mitleidserregenden Blick auf. „Wenn du dich je zerstückelt fühlst, sag mir Bescheid, ich kenne einen guten Psychiater dafür.“ Mit einem breiten Grinsen schielte er zu Mokuba.

Dieser lachte nur und stand auf, um auf die andere Seite des Zimmers zu „gehen“. Der Gang des jungen Mannes hatte etwas schrecklich Selbstsicheres, als lebte er schon viel zu lange in diesem Chaos. „Sollte er es mir je sagen, ich werd dich anrufen, Jo-chan.“ Er öffnete die große Tür des buchefarbenen Schrankes und ging in die Hocke.

Erst jetzt fiel Joey auf, dass alle Möbel aus diesem hellen Holz waren und die Decke und die Wände weiß mit dunkel- und hellblauen Bordüren gestrichen waren. Auch der Fußboden war mit einem Teppich mit einem hellen Blauton ausgelegt. Zwei große Fenster lagen auf der entgegengesetzten Seite der Tür, wie von dieser ausgehend sich zur Linken noch eine weitere Tür befand.
 

Joey lehnte sich vorsichtig an den großen Schreibtisch und beobachtete Mokuba dabei, wie er aus den Tiefen des Schrankes einen kleinen Leinenbeutel herauskramte und eine Handvoll Körner zum Vorschein brachte. Lalapee hüpfte begierig um ihn herum und krabbelte schließlich wieder auf seinen Schoß. Mit Freude machte sie sich über diese Mahlzeit her. „Sag mal, Moki, weiß Kaiba eigentlich von ihr?“ Er deutete mit einer Kopfbewegung auf den kleinen Hamster. Der Schwarzhaarige schwieg erst eine Weile, bevor er zu einer Antwort ansetzte. „Du bist der Erste. Auch Noah hat keine Ahnung, dass ich sie hier habe.“
 

Die beiden alberten noch eine Weile gemeinsam herum, bis Joey den Kleineren endlich dazu brachte sich umzuziehen. Nach schier endlosen 10 Minuten und einer schrecklichen Hamsterjagd für den Blonden, betrat Mokuba wieder sein Zimmer. Nun trug er eine einfache schwarze Jeans und einen weiten hellblauen leicht lilafarbenen Pullover. Dieser hatte eine große Bauchtasche, auf der das Emblem eines Käselieferanten abgedruckt war.

Neugierig musterte Joey seinen kleinen Freund während er vorsichtig den Hamster mit beiden Händen fest hielt. „Ich wusste nicht, dass du Käse so gern hast.“ Doch noch bevor er weiter sprechen konnte, durchbrach das Knurren seines Magens die Stille und ein rötlicher Schimmer huschte auf die Wangen des Blonden, der verlegen lächelte.

„Jepp, Käse mag ich, aber vielleicht sollten wir wirklich etwas essen. Na komm!“ Er war während seiner Worte auf Joey zugegangen und hielt ihm nun eine Hand entgegen, um ihm aufzuhelfen. Danken nahm dieser das Angebot an, wobei die kleine Hamsterdame wieder entwischte. Fluchend schaute der Blonde dem Fellbüschel hinterher, das unter dem Bett verschwand.
 

„Na komm, Lalapee, für dich gibt es gestimmt auch noch etwas.“ Mit einem vielsagenden Lächeln führte Mokuba seinen Freund aus dem Zimmer und stand abwartend an der noch offenen Tür, bis plötzlich der cremefarbene Hamster heraushuschte. Ungläubig starrte Joey zu seinen Füßen, um die Lalapee herum wuselte. Noch im Gehen hob der Schwarzhaarige das Fellknäuel auf und stopfte es in seine Bauchtasche. „Ich weiß nicht warum, aber da fühlt sie sich am Wohlsten.“

Auf dem Weg zur Küche lachten und quatschten die beiden über so viele Nichtigkeiten, das keiner zum Schluss noch alle nennen konnte. Joey beobachtete Mokubas gute Laune mit Freuden, denn auch er war ein großer Bruder und ob er nun wollte oder nicht, er fühlte sich verantwortlich für den Kleinen, der schon lange nicht mehr so klein war. Doch auch seine eigenen, körperlichen Probleme waren geringer geworden. Sein Arm fühlte sich nicht mehr so taub an und auch seine Brust schien entspannter. Das Atmen fiel ihm deutlich leichter, nur das sein Magen unerträglich leer war.
 

Als Mokuba die Tür zur Küche aufstieß verbarg er geschickt die Sorge davor, dass sein Bruder noch immer dort war. Allerdings halfen ihm weder Gebete, noch Bitten diesem Problem aus dem Weg zu gehen. Unsicher fiel sein Blick auf den Brünetten, der stumm am Tisch saß, den linken Ellbogen auf die Platte gestellt, seinen Kopf in die Handfläche gestützt und mit der anderen Hand in seinem Kaffe rührend. Mit leicht abwesendem Blick starrte er auf den Bildschirm seines Laptops und schien über irgendetwas nachzudenken. So sehr, dass er die beiden nicht bemerkte, als sie eintraten.

Joey beobachtete eine Weile den Brünette, wie dieser so dort saß, bevor er sich räusperte. „Du? In einer Küche, Kaiba? Wer hat dich dazu gezwungen?“ Dabei legte sich ein breites Grinsen auf seine Lippen.
 

Erschrocken war der junge Mann in sich zusammengefahren und schaute überrascht auf. Doch er interessierte sich nicht sonderlich für den Blonden, sein Augenmerk lag eher auf seinem Bruder. Er musterte diesen eindringlich, nur um sich dann doch wieder seinem Laptop zuzuwenden. Mokuba schluckte, er hasste es, wenn sein großer Bruder ihn so wortlos abschob. Dieser Blick, in dem alles zu lesen stand und der doch nichts aussagte.

Joey hatte nicht damit gerechnet, dass er kein Contra auf seine Sticheleien bekam. So kannte er die Familie Kaiba gar nicht. Hier schien etwas geschehen zu sein, dass viel tiefer ging, als irgendeiner vermuten mochte. Aber so leicht wollte er seine Rache nicht aufgeben. Immerhin musste er sich noch wegen der Aktion mit der Kette rächen. So ging er ungerührt an Mokuba vorbei und schlenderte am Tisch entlang auf die Arbeitsfläche daneben zu. Dort standen die Kaffeemaschine und einige Becher. Er griff nach einem schlichten Becher und stellte ihn unter die Maschine. Schnell hatte er alles ausgewählt und sorgte gleich noch für die richtige Mischung von Zucker und Milch. Dabei ließ er den Brünetten keinen Augenblick aus den Augen und bemerkte, dass dieser das Gleiche tat.
 

Langsam drehte sich Joey um und lehnte sich rücklings gegen die Arbeitsplatte. Sein Blick ruhte auf Seto, der nun versuchte ihn zu ignorieren. Ein schelmisches Lächeln lag auf seinen Lippen, während er den nun gefüllten Becher zum Trinken ansetzte. Mokuba wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. Auf dem Tisch standen noch drei weitere Teller, der Reis duftete und all die anderen warmen Speisen für ein ordentliches japanisches Frühstück waren fertig. Die Köchin selbst hatte den Rückzug angetreten. So setzte er sich zur linken Tischseite seines Bruder, gegenüber der Kaffeemaschine und starrte verlegen auf die Tischkannte. Unsicher griff er nach einer Kanne, die vor ihm stand und schenkte sich etwas Kakao ein. Immer wieder schaute er zu Joey und Seto auf, nur um dann seinen Blick erneut zu senken.

Doch dem Blonden war sein Grinsen nicht vergangen. Plötzlich stieß er sich von seinem Halt ab und schritt auf den Tisch zu. Er stellte den eigenen Becher neben einen der freien Teller, zwischen Mokuba und Seto ab und machte sich auf den Weg hinüber zu Kaiba. Er sagte kein Wort als er sich neben ihn stellte und sich mit der linken Hand auf dem Tisch abstützte. Dabei schaute er auf den Monitor des Laptops und las, worüber sich der große Kaiba so den Kopf zerbrach.

Augenblicklich hörte dieser auf in seinem Kaffeebecher herumzurühren. Allerdings wollte auch er sich in diesem stillen Duell nicht einfach geschlagen geben und versuchte weiterhin seine Ignoranz aufrecht zu erhalten.
 

Verwundert schaute Mokuba zu den beiden hinüber, die sich so wortlos bekriegten. Was hatte das denn nun zu bedeuten? Normalerweise zofften sich die beiden immer so laut, dass man es noch im Umkreis von drei Kilometern hören konnte. Na gut, dass war vielleicht etwas übertrieben, aber nur ein Bisschen.

Joey war überrascht, als er den Teil des Textes las, der noch auf dem Bildschirm zu sehen war. Es war nur noch der letzte Abschnitt, doch es ging eindeutig um ägyptische Gottheiten. Er vertiefte sich immer mehr in das Dokument und bemerkte nicht einmal, wie die tief blauen Augen des Brünetten ihn bei jeder Bewegung argwöhnisch beobachteten.

Erst bei seinem Räuspern erschrak der Blonde und drehte ruckartig den Kopf in dessen Richtung. Ihre Blicke trafen sich und die unangenehme Stille schien noch von einer unerklärlichen Kälte verstärkt zu werden. Langsam breitete sich wieder ein Grinsen auf Joeys Lippen aus und er legte einen leicht höhnischen Ton in seine Worte. „Seit wann bist du denn gottesfürchtig geworden? Und dann auch noch Ägyptische?“ Sein Grinsen wurde immer breiter und in seinen braunen Augen blitzte eine gewisse Belustigung auf.
 

Seto ließ seinen linken Arm sinken und schloss den Laptop. „Ach, ich hätte nicht gedacht, dass du mit deinem Erbsenhirn das Wort Gott überhaupt Ansatzhalber verstehen kannst. Weiß du denn wenigstens, wie man das Wort schreibt?“ Nun war es an der Reihe des Brünetten höhnisch zu lächeln. Er ließ den Kaffeelöffel los und zog seinen Becher zu sich heran, ohne jedoch seinen Blick abzuwenden.

Aber Joey verging sein Grinsen nicht und mit der Rechten hielt er den Becher fest, nach dem Seto gegriffen hatte. „G-O-T-T! Du sollest aber darauf achten, dass Gott großgeschrieben wird. Dieses Wort gehört eindeutig in die Gruppe der Nomen. Du Subjekt!“ Er zog den Becher ganz aus Kaibas Griff und richtete sich wieder auf. Seinen hatte er auf den Tisch gestellt und nun schaute er sich die schwarze, schwappende Flüssigkeit an. „Ohne Zucker, ohne Milch, schwarz wie deine Seele, nicht wahr?“ Der Blonde schaute wieder auf und bemerkte zufrieden, wie das höhnische Lächeln gefroren war.
 

Setos Augen verengten sich leicht wütend bei dieser Bemerkung. Wie konnte dieser Köter es eigentlich wagen ihm SEINEN KAFFEE wegzunehmen? Das grenzte ja schon an Hochverrat!

Mokuba spürte, wie er ganz langsam angefangen hatte zu zittern. Die zwei konnten einem richtig Angst einjagen, selbst Joey, was er überraschender Weise nicht erwartet hätte. Seine dunkelblauen Augen huschten immer wieder von einem zum anderen und still fragte er sich, ob es nun gut oder schlecht sei, dass ihn die beiden ignorierten.

„Och, kein böses Contra? Keine gemeine Beleidigung oder irgendein fieses Argument, dass mich in meine Schranken weisen soll? Du enttäuscht mich, Kaiba!“ Joey schwenkte den Becher etwas in seiner Hand, bevor er ihn ansetzte und einen großen Schluck daraus nahm. Danach setzte er ihn wieder genau dort ab, wo er ihn eben aus der Hand des anderen genommen hatte.
 

In seinem Kopf drehte sich alles. Hunderte Beleidigungen, zig Bosheiten und diverse Gemeinheiten, aber keine von ihnen wollte über seine Lippen. So blickte er nur weiterhin stumm den Blonden an. Er hätte nie gedacht, dass dieser ihm so gut Parole bieten konnte. Anscheinend war der Köter wirklich erwachsen geworden. Doch ganz langsam nahm in ihm eine Idee Gestalt an, die in seiner Bosheit kaum noch zu übertreffen war.

Jetzt taute auch sein Lächeln wieder auf und bestimmt erhob er sich von seinem Stuhl, wobei er ihn etwas zurück schob. „So, du denkst also, du könntest dich mir in den Weg stellen, ja? Warum tust du es dann nicht ganz offiziell?“ Er verschränkte die Arme vor seiner Brust und blickte herablassend auf den Kleineren herunter.
 

Etwas verwirrt schaute Joey auf und versuchte seine Sicherheit nicht zu verlieren. „Ach, und wie soll ich das machen? Ich meine, ich kann ja schlecht einfach raus gehen und in die Welt schreien: Ich, Joey Wheeler, stelle mich offiziell Seto Kaiba in den Weg. Du musst zugeben, das wäre ein wenig bekloppt.“ Er bemerkte den musternden Blick des Brünetten nicht, mit dem dieser ihn betrachtete.

„Ja, das wäre sogar für dich zu bekloppt, obwohl ich mir das gut vorstellen könnte. Nein, eigentlich meinte ich damit,“ er machte eine Pause und schenkte seinem Gegenüber ein ganz besonders fieses Lächeln, „dass du offiziell mein privater Sekretär wirst.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Yui_du_Ma
2021-11-20T15:52:33+00:00 20.11.2021 16:52
Die Story wird langsam interessant, auch wenn man sich manchmal fragt, warum und weshalb...
Vielleicht werden die Fragen, die einen durchs lesen kommen in der Story gelöst.
Mal sehen wie sich das alles noch weiter entwickelt.
Was Seto so im Kopf rum geht? Was bitte ist mit Noah los? Was passiert bitte mit Moki und warum hat er sich so sehr verändert?
Bin gespannt, ...
Antwort von:  Traumfaengero_-
21.11.2021 00:43
Ok, ich bin noch jung gewesen, als sich einiges ergab und manches kam spontan dazu. Ich bin mir nicht sicher, ob sich alles klären wird. Sollten Fragen offen bleiben, stell sie ruhig. :)

Nun, auf der einen Seite ist Mokuba in dieser pubertären Phase, in der irgendwie alles komisch und anders ist und auf der anderen Seite sucht er sich ein Stück selbst.
Noah... ja, das... Er war irgendwie nicht geplant.
Von:  Fox7Chan
2021-05-06T14:40:58+00:00 06.05.2021 16:40
Wie kann es eigentlich sein, dass unter diesem Kapitel noch kein Kommentar geschrieben wurde?
Ok ich muss zugeben, würdest du die Fanfiction jetzt nicht weiter schreiben, hätte ich bestimmt auch keinen hinterlassen...
Nun aber zur Story!
Wirklich sehr spannend und mir gefällt, wie langsam die Spannung aufgebaut wird und man sich so viele Fragen stellen kann. Dein Ich von 2006 (glaub ich... oder 2009?) hat da gute Arbeit geleitet. Da ist es kein Wunder, dass du bei einer so vielschichtigen Storyline etwas die Motivation verloren hast.
Was ich damit sagen will. Die Story gefällt mir bis jetzt und dieser wunderbare letzte Teil, in der sich Seto und Joey mit provokativen Handlungen und Worten jeweils versucht haben zu überbieten, hat mir super gefallen.

Bitte bleib an der Story dran.

LG
Fox7Chan
Antwort von:  Traumfaengero_-
06.05.2021 16:56
Das ist eine sehr gute Frage. :) Ich würde sagen, dass es jetzt ja eines gibt! Herzlichen Dank für dein tolles Lob!

Ah, es war wirklich von mein Ich von 2006 mit einer kleinen Verbesserung von 2021. Das meiste bleibt, ich versuche alle Rechtschreibfehler zu finden und an Stellen, an denen es so inhaltlich oder stilistisch schrecklich geworden ist, ein wenig zu korrigieren. Ich weiß also noch nicht, was dich im nächsten Kapitel erwartet. ;)

Oh, die beiden werden sich noch oft an die Grenzen ihres Möglichen treiben. Freu dich darauf, dass du noch sehr lustige, sehr traurige und sehr unerwartete Situationen zwischen den beiden erleben wirst.

Liebe Grüße
Traumfänger


Zurück