Dunkle Nächte von Traumfaengero_- (Wenn das Schicksal zuschlägt...) ================================================================================ Kapitel 25: Der Schmerz einer Seele ----------------------------------- Kapitel 25 Der Schmerz einer Seele Müde lag er dort und starrte auf den kleinen Bildschirm. Jetzt war das Gespräch zu ende. Er würde keine Antwort mehr bekommen. Nachdenklich setzte er sich auf und sah sich in dem dunklen Zimmer um. Er war viel zu alt für so etwas, dachte er im nächsten Moment und leise stand er auf. Das Sofa war nach hinten geschoben worden, der Tisch an die Wand. Die beiden Mädchen schliefen noch fest, Mokuba lag auf dem Rücken und schnarchte leise. Sie hatten es sich hier gemütlich gemacht und Horrorfilme bis spät in die Nacht gesehen. Wie viel hatte er eigentlich geschlafen? Um 2 waren sie ins Bett und gegen 6 hatte ihn Seto geweckt. Jetzt war es 7 aber die drei würden sicher noch lange schlafen. Erschöpft entschied er sich für eine Dusche und schmunzelte, als er die Zettel im Flur fand. „Küche“ war mit einem Pfeil nach rechts und „Bad“ mit einem nach links ausgezeichnet. Das warme Wasser tat ihm gut und wieder schweiften seine Gedanken an die Nacht ab. Er hatte ihm gesagt, dass er ihn mochte. Warum kam ihm das wie ein Fehler vor? Wieso hatte er das Gefühl etwas falsch gemacht zu haben? Seufzend schüttelte er den Kopf und damit seine Gedanken davon. Nach dem Duschen holte er sich etwas zu essen aus der Küche, Margerite hatte natürlich schon alles vorbereitet und mit einem zusätzlichen Brötchen verzog er sich in das rotschwarze Zimmer, das ihm ein wenig wie seines erschien. Schon gestern hatte er von Mokuba Stifte und andere wichtige Utensilien bekommen und so legte er diese neben das Buch, das er gestern gekauft hatte. Er blickte auf den kleinen Vampir, der da mit großen roten Augen in seinem dunkelblauen Umhang stand und grinste. Ja, irgendwie mochte er den Mann mit den eisblauen Augen. Seto konnte nett sein, freundlich und dieses Lächeln… oh, wie er das liebte. Dieses scheue und zerbrechliche Lächeln… Hass fraß sich in seine Seele, auch wenn seine Träume sich beruhigten. Die Anwesenheit dieses fremden, quirligen Drachen hatte ihm Ruhe gegeben. Er hatte ihm die Angst vor dem Ende genommen, ihm klar gemacht, dass es nicht zu Ende sein würde. Verschwommene Bilder blieben das einzige, an das er sich noch unter der Dusche erinnern konnte. Sein Kopf schmerzte, sein Körper schrie, gierte nach etwas Essbarem, welches er so lange schon verwehrte. Die Kälte des Wassers beruhigte ihn heute nicht, sie machte es nur noch schlimmer. Sie ließ einen tauben Schmerz auf der hellen Haut entstehen und er spürte die unangenehme Kühle bis in die Knochen. Da war es wieder, dieses Lachen, dieses Grinsen und der Brünette hörte die Worte, die so unglaublich klangen. „Das ist ein Entschuldigungstörtchen!“ Was dachte er sich dabei? Wieder kamen ihm die Worte des letzten Abends in Erinnerung. Er mochte ihn also manchmal? Tat er das? Schweigend trank er seinen Kaffee, sein Blick war so kalt, dass er alles um sich herum hätte gefrieren lassen. Er bemerkte Viktorias schlechte Laune, doch seine war um eine deutliche Spur kälter. Der dumpfe Schmerz seines Kopfs dröhnte über das Pochen seines Herzens und dieser alten, immer schwelenden Wunde, die vor so vielen Jahren gerissen worden war. Die Taten seines Stiefvaters holten ihn wieder ein, sie waren wie eine niemals heilende Wunde, die tief in seiner Seele jedes Gefühl der Zuneigung und Freundlichkeit vergiftete. „Ich bleibe nicht mehr lange.“ Meinte er trocken und sie starrte ihn voller stummer Gier an. „Warum?“ Fragte sie kurz und ihre Blicke trafen sich. Sie beide waren unerschütterlich in ihrer Sturheit, keiner würde dem anderen nachgeben. Wie ein zäher Storm verging die Zeit, in der sich beide nur anstarrten, den anderen zu ergründen versuchten, um eine Schwäche zu finden. „Weil ich Morgen nach Dubai fliege.“ Sie alle wussten, dass er log. Noch immer starrte Viktoria ihn an und verzog den Mund. Ihre roten Haare rahmten ihr feingeschnittenes Gesicht sanft ein, doch ihr Ausdruck war noch immer hart und unnachgiebig. Sie schätzte ab, ob sie ihn zur Wahrheit zwingen konnte, doch heute war etwas an ihm, dass die junge Frau bisher nur einmal gesehen hatte. Da war eine Dunkelheit, die älter schien als die Zeit. Mit einer kräftigen Bewegung stellte Seto den Becher ab und erhob sich. Obwohl nun er den Blickkontakt gebrochen hatte, wirkte es in keiner Weise nach einer Aufgabe, eher nach einem neuen Angriff. Mit einem kalten Ausdruck in den Augen schob er den Stuhl an den Tisch, zog noch einmal kurz sein Handy aus der Hosentasche und warf einen Blick darauf. Nun schien er gehen zu wollen, schritt am Tisch vorbei und hielt noch einmal neben der rothaarigen Irin an. Nur für den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie an eine sanfte Handlung, einen Abschied, so blickte sie mit ihren tiefgrünen Augen zu ihm auf. Sie irrte sich! Mit einem festen, schnellen Griff packte er ihre Haare und zog sie kräftig zurück. „Wenn du noch einmal an mein Handy gehst, dann brenne ich dir mein Zeichen auf deine Schulter! Es hat dich bisher nicht interessiert, mit wem ich was tue, und das wird es auch in Zukunft nicht!“ Viktoria verbat sich jeden Schrei, auch wenn sie offensichtlich erschrocken war. Eine Grausamkeit lag in seinen blauen Augen, die sie nicht kannte. Er war angespannt, hielt sie weiterhin fest und hatte ihren Kopf so weit nach hinten gezogen, dass sie ihn ansehen musste. „Du sagst, dass du meine dunkle Seite liebst! Ich lasse zu, dass du dich an meinem Fleisch vergehst, aber wenn du diese Grenze überschreitest, wirst du zu dem, was dir am besten steht! Hure!“ Das letzte Wort verklang in dem gewaltigen Raum und schien doch ewig nachzuhallen. Viktoria kannte Seto wütend, sie kannte ihn hassend, sie kannte ihn betrunken und sie kannte ihn fern ab aller Sinne, aber das… sie starrte zur Tür, versuchte zu begreifen, was geschehen war. Dass in diesem Moment das Schicksal all den Schmerz der letzten Jahrhunderte, der letzten Jahrtausende vereinte und in diesen Augenblick zusammenpresste, konnte sie nicht ahnen. Patrick saß noch immer dort und starrte mit dem Becher Kaffee in der Hand auf die Tür. War das eben wirklich geschehen? Er wusste, dass Seto ein launenhafter, grausamer Mann sein konnte, aber meistens hatte das, was er tat, einen Sinn! Sein Blick wanderte langsam zu seiner Freundin, die noch immer ungläubig zur Tür starrte. „Du warst wirklich an seinem Handy?“ Fragte er entsetzt und wusste, dass niemand, wirklich niemand jemals an dieses Gerät gehen sollte, wenn er den nächsten Atemzug noch überleben wollte. Dieses Telephon war so etwas wie ein Heiligtum und sich daran zu vergreifen wurde wie ein direkter Angriff auf ihn selbst angesehen. „Ja…“ Antwortete sie leise und Patrick konnte hören, wie die Wut in der 23 Jährigen langsam zu kochen begann. Das konnte ja heiter werden. Er war wütend, sie war wütend, das bedeutete normalerweise absolut nichts Gutes. Die beiden waren wie Götter, wenn sie ihrer Wut freien Lauf ließen, litt die ganze Welt darunter! »Wann bist du denn hier? Gruß J« Mürrisch starrte er auf diese Nachricht und überlegte. Sollte er antworten? Ein ermüdetes Seufzen entkam seinen schmalen Lippen. Wie oft wollte sich der Brünette auf dieser Reise eigentlich noch fragen, ob er Joseph antwortete oder nicht? »Es wird noch dauern. Bin erst heute Abend da.« Seto ließ sein Handy sinken und starrte aus dem Fenster. Der Flieger war unterwegs, aber er hatte noch einige Stunden vor sich. Wenn er darüber nachdachte, dass die schnellste Verbindung mit einem Linienflugzeug 14 Stunden dauerte, liebte er seinen Privatjet. Er verkürzte diese Strecke doch um einige Stunden und er war deutlich bequemer. Er saß in einem der großen Sessel, hatte die Lehne zurückgestellt die Beine hochgelegt. Seto hatte sich etwas entspannt und gerade die Augen geschlossen, um noch ein wenig zu dösen, als das schwarze Telephon wieder vibrierte. Müde griff er danach und erst, als die schlanken Finger sich um das Gerät schlangen, öffnete er die blauen Augen. »Alles ok bei dir?« Und da war sie wieder, diese seltsame Sorge dieses seltsamen jungen Mannes. Es schien ihm beinahe so, als hätte der Blonde seine Erschöpfung durch die wenigen Worte erspürt. Dennoch antwortete er mit einer Gegenfrage, wollte wissen, was denn bitte hätte sein können. Joey schrieb nur zurück, dass er einfach so ein Gefühl hatte und ein kleines Geschenk auf ihn warten würde. Müde ließ er das Gerät auf die breite Armlehne fallen und schloss die eisblauen Augen erneut. Joseph war seltsam und vielleicht musste er akzeptieren, dass er diesen nicht verstehen konnte. Dennoch… irgendwie schien sich das gleiche Gefühl einzuschleichen, welches er heute Nacht in seinen Träumen bemerkt hatte. Es war dieses Gefühl, das all seine Sorgen lächerlich waren, dass er so viel übersah und in Wirklichkeit keine Grundlage für seine dunklen Gedanken bestand. Es erschien ihm beinahe so, als wäre er nicht mehr allein. Mit diesem Gedanken schlief er ein. In Domino hatten sich die vier den ganzen Tag amüsiert. Das Frühstück begann erst um 11 Uhr mit allem Drum und Dran und danach wurden einige neue Gesellschaftsspiele ausprobiert, die sie gestern noch auf dem Rückweg gekauft hatten. Noah gesellte sich zu ihnen und die Zeit verstrich wie im Flug. Das Mittagessen verschob sich auf 16 Uhr und danach entschied sich Aiko zu gehen. Es wäre vielleicht besser, wenn sie nicht hier wäre, wenn Seto wiederkäme. Joey brachte seine Schwester noch einmal nach Hause, packte ein paar wichtige Dinge zusammen und machte sich abends auf den Rückweg. Mokuba und er hatten sich dazu entschieden, dass es doch besser wäre, wenn er gleich hier übernachtete. So konnten Seto und er gemeinsam fahren und Joey nicht verschlafen. Die neuen Sachen waren schon allesamt gewaschen und gebügelt worden und zusammen mit dem kleinen Kaiba packte er seinen neuen Koffer. Langsam wurde auch er nervös, die Zeit mit den anderen hatte ihn abgelenkt, doch nun, wo alles vorbereitet war und nichts weiter zu tun, konnte er seine Gedanken nicht vom morgigen Tag lösen. Was würde Kaiba dazu sagen, wenn er heute Nacht hier blieb und wie wäre es morgen früh? Aufgeregt und doch auch müde saß er mit Mokuba und Noah im Wohnzimmer, er wusste nicht einmal welcher Film dort lief, aber das war auch egal. Seine Gedanken kreisten um die nächste Begegnung mit dem brünetten Firmenführer und er konnte die innerliche Anspannung nicht abstreifen. Mokuba war ebenfalls sehr aufgeregt, immerhin hatten sie gestern den nächsten Teil von „Die Tribute von Panem“ aufgenommen und Seto wollte ihn heute Abend ansehen. Zumindest hatte er gesagt, dass er es vielleicht machen wollte. Ein grausamer Gedanke blieb jedoch, ein Zweifel, der ihn nicht los ließ. Jedes Mal, wenn sein großer Bruder in Großbritannien war, kam er mit einer schrecklichen Laune zurück und er schien innerlich erfroren zu sein. Hoffentlich war es dieses Mal nicht so! Doch Mokuba sollte nicht Recht behalten. Es war kurz vor 22 Uhr, als der Brünette endlich Zuhause war und er schien wie immer von dieser enormen Kälte umgeben. Mokuba war aufgesprungen, als sein Bruder in der Tür stand und seine eisblauen Augen den 19 Jährigen Gast musterten. „Vielleicht sollte ich doch einen Hundekorp kaufen, so oft, wie du dich hier herumtreibst.“ Meinte Seto schlicht, dennoch herablassend und Mokuba blieb stehen. Er hatte auf ihn zugehen wollen, doch diese Stimme, diese Wortwahl, alles an seinem großen Bruder signalisierte ihm, das es wie bei jedem anderen Besuch in Großbritannien war. Eine unglaubliche Enttäuschung machte sich in ihm breit und er hörte die ruhigen Worte, die Joey von sich gab. „Kommt immer darauf an, wo du ihn hinstellst. Ich danke auf jeden Fall schon einmal dafür, dass du keinen Zwinger bauen lassen willst.“ Die innerliche Anspannung war noch immer da, doch heute blieb ein sturer Gedanke zurück, der ihm Ruhe schenkte. Er hatte diesem Mann gestanden, dass er ihn auf gewisse Weise mochte. Ganz gleich, wie Seto dieses Geständnis aufgefasst hatte, heute würde er sich nicht von dem Brünetten provozieren lassen. Es war gerade diese gelassene Art zu kontern, die Seto nicht von ihm gewohnt war und ihn leicht verwundert innehalten ließ. Auch Noah sah erstaunt zu dem Blonden und dann klangen die kühlen Worte Setos durch den Raum. „Im Verließ artigen Keller wäre noch ein Platz für dich frei. Das sollte auch nicht viel besser sein.“ Er schien sich gefasst zu haben, schien das Gespräch damit beenden zu wollen und der breite Rücken drehte sich den dreien schon zu. Doch heute war es der Blonde, der das Gespräch weiter führen wollte. Er ließ ihn nicht gehen, erhob sich im gleichen Augenblick, in dem sich Seto von ihnen abwandte. „Warte.“ Meinte er fordernd und schritt mit gleichmäßigen Bewegungen am Tisch vorbei durch den Raum. „Was willst du noch?“ Fragte der 22 Jährige mürrisch, blieb aber stehen, den Blick nur über die Schulter werfend. „Anscheinend war dein Flug anstrengender, als ich erwartet habe. Ich bin über deine Frage doch etwas verwundert.“ Begann nun Joey und war an der Tür zum Flur angekommen. Er lehnte sich locker in den Rahmen und verschränkte die Arme ebenso gelassen. Seine braunen Augen blicken in dieses unglaubliche Eis, unter dem es zu pulsieren schien. Was auch immer ihn bewegte, er verbannte es tief in seine Seele. Während Joey den Ausdruck in den feinen Gesichtszügen musterte, begriff er, dass der Brünette nicht zu wenig Gefühle besaß, sondern deutlich zu viele, um sie nun zu kontrollieren. Es brodelte unter der Oberfläche, pulsierte und allein die dicke Schichte aus emotionslosem Eis ließ ihn seine Fassung behalten. Es gab keine Antwort, Seto starrte ihn nur an, wartete. „Ich wollte nur wissen, wann wir morgen los fahren. Ich hatte nicht vor zu spät zu kommen, immerhin bin ich deswegen heute Nacht extra hier.“ Ihre Blicken schienen wie versteinert, als könnten sie sich nicht voneinander lösen und so verstrich die Zeit, die Worte waren lange verklungen. „Es sollte reichen, wenn du um 7 Uhr beim Frühstück bist. Hast du schon alles gepackt?“ Diese Worte klangen besonnener, nicht mehr ganz so streng, nicht so distanziert, wie das Eis in seinem Blick. Joey nickte und als er sich von der Wand löste, griff er nach Setos Schulter. „Ich wünsche dir noch eine gute Nacht. Bis Morgen!“ Seine Worte waren leise, die beiden im Raum hatten sie nicht hören können. Schnell lösten sich die Finger vom Stoff des schwarzen Pullovers, den der 22 Jährige trug. Auch diese Geste war von Joeys breitem Rücken verdeckt worden und dennoch spürte er die plötzliche Anspannung in seinem Gegenüber. „Morgen um 7 Uhr? Habe ich das richtig verstanden?“ Fragte Mokuba leise und Joeys setzte wieder sein breites Grinsen auf. „Ja, aber schon beim Frühstück. Dann muss ich wirklich um halb sieben aufstehen. Meine Güte, was für ein Luxus!“ Lachte er nun lauter, warf keinen Blick mehr zurück zu dem Mann, der nun schnell davon eilte, als ergriffe er die Flucht. Da war es wieder, dieses seltsame Verhalten dieses seltsamen jungen Mannes. Jetzt, da er es gehört hatte, da Joey es ihm direkt ins Gesicht gesagt hatte, klang es noch ernsthafter als vorher schon. Warum? Warum wünschte er ihm wirklich eine gute Nacht? Sollte er das ernst meinen, sollte er ihn wirklich ein wenig mögen? Doch seine Gedanken blieben stehen, als er oben an der Treppe einen weißen Zettel fand. „Wohnzimmer“, „Küche“, „Mokuba“, „Noha“ und „der Ort, an den du niemals gehen solltest“ stand dort und alles war mit Pfeilen versehen. Anscheinend war das eine Orientierungshilfe für den Köter. Na klasse, befanden sich noch mehr dieser Zettel in seinem Haus? Obwohl, wenn er dafür morgens nie wieder über einen verdreckten, verschlafenen Köter stolpern würde, war das vielleicht eine Investition, die er tätigen sollte. Kurz hielt er inne, was dachte er da? Der Kerl würde eh nicht mehr oft hier übernachten! „Ich wollte noch mal eben in die Küche. Schaut ihr ruhig weiter, ich mache mich gleich wahrscheinlich auf den Weg ins Bett.“ Natürlich machte Mokuba ein gespieltes Drama daraus und es dauerte, bis sie sich verabschiedet hatten. Kurz fragte er noch, ob sie die Schilder bis morgen hängen ließen und alle waren damit einverstanden. So würde Joey die Küche deutlich einfacher finden. Schnell machte er sich auf den Weg, immerhin hatte er ja noch etwas vor. Ob das eine gute Idee war? Er schloss die Wohnzimmertür und folgte den Schildern in entgegengesetzte Richtung bis hoch zur Treppe. Dort wandte er sich den Gästezimmern zu und fand schnell den rotschwarzen Raum, an dem nun der Zettel Joey hing. Dort angekommen setzte er sich an den Schreibtisch und zog einen Bogen gemusterten Papieres hervor. Ein kleines Paket lag dort und mit einem Blick zu diesem, griff Joey nach einem Stift. Ob das eine gute Idee war? Na ja, er würde es herausfinden! Das richtige Zimmer zu finden war nicht ganz leicht. Er wusste noch, dass es ein Stockwerk über seinem Bereich war und den richtigen Flur meinte er auch bald gefunden zu haben. Aber welches der Zimmer war es? Zum Glück schien Seto noch einmal mit jemandem zu telefonieren und seine wütende Stimme war gedämpft aus einem der Räume zu hören, als Joey sein Ohr daran legte. Vorsichtig stellte er alles neben der Tür ab und machte sich zügig auf den Weg zurück. Wenn der Kerl ihn hier erwischte, würde er ihn wahrscheinlich umbringen. Als er sich weit genug entfernt fühlte, als er sich in Sicherheit wägte, zog er das Telephon aus seiner Hosentasche. »Schau vor deine Zimmertür!« Schrieb er ihm und blickte noch eine Weile auf diese Nachricht. Als der Bildschirm dunkel wurde, steckte er das Gerät mit einem Seufzen wieder ein. Müde machte er sich auf den Weg zurück in sein Zimmer, unwissend, ob er morgen noch leben würde. Erschöpft legte er einfach auf. Warum musste er jetzt mit ihr streiten? Warum musste sie jetzt so wütend sein und ihm vorwerfen, dass er sie belogen hatte? Natürlich hatte er das! Aber warum ging sie ohne zu fragen an seine Sachen? Warum zählten jetzt all die Male nicht, in denen sie ihn belogen hatte? Ehrlichkeit war nie das, was diese Beziehung prägte. Wie oft hatte sie schon behauptet irgendwo zu sein und dann konnte er zwei Tage später lesen, dass sie mit dem Sohn eines reichen Schnösels irgendwo gevögelt hatte! Müde setzte er sich auf sein Bett und fragte sich, warum er eigentlich die automatische Suchfunktion eingerichtet hatte, die ihm immer die Artikel mit ihrem Namen suchte und anzeigte. War es Eifersucht? War es ein gewisses Gefühl des Besitzens, dass er sich dieses Martyrium immer wieder antat? Gut, er konnte ihr ja nichts vorwerfen, immerhin hatte er in den letzten Monaten wie viele Frauen beglückt und wie viele Männer dem Paradies näher gebracht? Er war ein wenig privater, was sein ausschweifendes Leben anging. Es musste ja nicht jeder wissen, mit wem er sich durch die Betten trieb. Beinahe hätte er es nicht gehört. Sein schwarzes Telephon vibrierte und da es auf der Decke lang, ging das Geräusch darin beinahe unter. Wenn SIE es war, würde er dieses Ding gegen die Wand werfen! Jetzt noch irgend so ein dummer Spruch und sie… Wheeler? Irritiert starrte er auf die Nachricht und vermutete, dass er auf dem Bett augenblicklich eingeschlafen sein musste. Innerlich angespannt, aufgewühlt und doch auch unendlich müde stand er auf. Seine Beine schienen schwer und jeder Schritt benötigte eine gewisse Konzentration. Ob der Kerl draußen stand? Nein, und im ersten Moment sah er niemanden, nichts, der Flur war leer. Er sah von einer Seite zur anderen, wieder zurück und wollte die Tür schon wieder schließen, als er etwas neben seiner Zimmertür an der Wand entdeckte. Langsam ließ er sich in die Hocke sinken, starrte auf den feingearbeiteten Becher, um den sich eine Schlange zog. Auf ihm war ein Deckel, der mit einer runden, mit sauberen Mustern verzierten Kugel bestückt war. Vorsichtig griff er nach dem Becher und spürte, dass er noch heißt war. Kaffee? War sein Gedanke und als er den Deckel etwas anhob, kam ihm der Duft von schwarzem Tee in die Nase. Ohne es verhindern zu können breitete sich ein Lächeln auf seinen Lippen aus. Unter dem Becher war noch ein Briefumschlag und darunter ein kleines, in braunes Papier eingeschlagenes Packet. Vorsichtig griff er nach allem und trug es konzentriert in sein Zimmer. Was hatte sich dieser Dummkopf nun wieder ausgedacht? Er stellte alles auf den kleinen Schreibtisch und schloss die Tür. Er saß dort, hielt den Becher in Händen und genoss das Kribbeln, welches sich mit der Wärme in ihm ausbreitete. Es begann in seinen Fingern, zog sich über seine Hände die Arme entlang und als er den ersten Schluck nahm, strömte diese Wärme mit der heißen Flüssigkeit seine Kehle herunter und erfüllte nun auch seinen Oberkörper, seinen Bauch und die Ruhe schien ebenso Einzug zu halten. Zum ersten Mal an diesem Tag schien die Anspannung von ihm zu weichen und er atmete leicht ein und aus. Als er die Augen wieder öffnete, sah er den kleinen Ring, der durch die Wärme und die leichte Feuchtigkeit auf dem Briefumschlag entstanden war. Von diesem seltsamen Gefühl der Ruhe getragen, stellte er den Becher ab, griff nach dem Umschlag und drehte ihn. Er war nicht zugeklebt, die Ecke war nur unter den Umschlag gesteckt worden. Dabei fiel sein Blick auf das Paket, von dem er den weißen Brief genommen hatte. Dort war nun in schwarzen, kritzligen Buchstaben zu lesen „die Überraschung“. Aus seinem Schmunzeln wurde ein leichtes, sehr leises Lachen. Dieser Dummkopf! Noch immer schmunzelnd zog er den gemusterten Bogen heraus und entfaltete ihn. Erstaunt starrte er auf den Text und überflog die ersten Zeilen ein weiteres Mal. Das war offensichtlich Wheelers grauenhafte Handschrift, obwohl er sich Mühe gegeben hatte. Ordentlich war etwas anderes. Der Text jedoch ließ ihn an seinem Verstand zweifeln. An den Weißen Drachen mit eiskaltem Blick! Da Eure schuppige Eisigkeit unter den Anstrengungen des heutigen Fluges ermatte zu sein scheint und des Weiteren deutlich verstimmt, bieten wir Euch in aller Demut diese Tribute als Opferung dar. Da es in der heutigen Zeit schwer ist an Diamanten, Gold und Geschmeide zu kommen, haben wir uns für einen traditionellen, sicher einige Jahrhunderte alten Becher entschieden! Zu achten ist hier auf die Kunstfertigkeit, mit der die Gravierungen per Hand eingearbeitet wurden! Der Tee, den wir Eurer unterkühlten Grausamkeit kredenzt haben stammt aus einem uralten Rezept, welches wir in den Tiefen einer verschütteten Burg fanden. Es soll damals ein Geschenk der Königin der Feen an einen der ältesten Drachen gewesen sein! Bis heute ist es kaum jemandem bekannt und Ihr seid der erste, der es seit Jahrtausenden verköstigen darf. Um Euren Glanz noch weiter zu huldigen, haben wir euch natürlich auch noch ein altes Schriftstück aus den Schatzkammern Eurer Feinde hinzugefügt und hoffen, dass dieses die majestätische Unausgeglichenheit Eurer schuppigen Frostigkeit zu dämpfen vermag. Mit untertänigsten Wünschen verbleibend Der rotäugige schwarze Drache Er konnte einfach nicht glauben, was er dort las und doch war sein Schmunzeln so breit, dass man es beinahe als Grinsen hätte bezeichnen können. Joey war so ein verdammt verrückter und durchgedrehter Dummkopf! Er nahm noch einen Schluck von dem langsam kühler werdenden Tee. Ja, es war offensichtlich nicht nur schwarzer Tee, eine feine Kräutermischung war diesem noch untergerührt. Er war köstlich, kräftig und in keiner Weise süß. Schade, dass es nur dieser eine Becher war, er hätte davon sicher noch mehr trinken können. Mit diesem seltsamen Lächeln legte er den Brief zur Seite und griff nach dem kleinen Päckchen. So klein war es gar nicht, fiel ihm nun auf und es war auch gar nicht so leicht. Und es war warm? Es war unten warm! Nun war er noch irritierter und schnell stellte er den Becher wieder auf den Schreibtisch, an dem er nun schon eine Weile saß. Was hatte sich dieser Verrückte nun noch ausgedacht? Vorsichtig löste er das Papier, nur um darunter noch einmal ein verpacktes Paket zu finden. Dieses schob er vorsichtig zur Seite, anscheinend war es ein Buch. Darunter kam eine schwarze Bentobox zum Vorschein. Das war nicht wirklich… nein, das hatte er nicht getan! Auf dieser war ein kleiner Zettel geklebt und Seto drehte die Box so, dass er ihn lesen konnte. „Das ist leider alles, was ich kochen kann“ Hatte er wirklich für ihn gekocht? Nein! Niemals! Das war… warum sollte er so etwas tun? Verwirrt öffnete er die kleine, schwarze Schachtel und sah auf einige warme Reisbällchen und gedämpftes Gemüse. Seto lehnte sich zurück und starrte auf das, was dort in der kleinen Schachtel lag. Nein, so etwas hatte bisher noch nie jemand für ihn gemacht. Was sollte er denn jetzt bitte machen? Verwirrung war alles, das er zwischen der Überforderung empfinden konnte. Eine neue Art der Anspannung ergriff ihn und mit einem kräftigen Ein- und Ausatmen versuchte er seine Gedanken zu ordnen. Er spürte dieses seltsame Gefühl in der Brust, wie ein warmer Druck, der ihn verwirrte, ihn aus dem Konzept brachte und sein Denken einfach anhielt. Es war das Knurren seines Magens, welches ihm die Entscheidung abnahm und so zog er die kleine Schale näher an sich heran. Dahinter kamen auch die zwei schwarzen Essstäbchen zum Vorschein. Verlegen griff er danach, er hatte mittlerweile all seinen Ärger über das, was den gesamten Tag geschehen war, vergessen, jetzt war nur der Hunger da, der in seinem Bauch brannte. Er konnte spüren, wie sich der Speichel in seinem Mund sammelte und er musste schlucken. Die kleinen Bällchen sahen so lecker aus und das Gemüse duftete sanft. Vorsichtig probierte er dieses zuerst. Es war gerade noch bissfest, hatte den vollen Geschmack und zerging doch auf gewisse Weise auf der Zunge. Anscheinend hatte der „Koch“ kaum Gewürze verwendet, ließ die einzelnen Sorten für sich selbst sprechen. Der Reis hingegen schmeckte seltsam, anders als er ihn kannte. Anscheinend war in diesen ein Gewürz gemischt worden, dass er nicht gleich einordnen konnte. Es war ungewöhnlich für Reis und er musste noch ein zweites der kleinen Bällchen essen, um daran Gefallen zu finden. Er wusste, dass er heute irgendwie gefrühstückt hatte, mehr oder weniger Zwangsweise, weil sein Körper nach dem Alkohol des letzten Abends danach verlangte. Den Flug hatte er über viel geschlafen und unter normalen Umständen wäre er heute Abend ohne etwas zu essen ins Bett gegangen. Als er alles geleert und er auch mit einer gewissen Trauer den letzten Schluck Tee heruntergeschluckt hatte, griff er zu dem letzten Paket, welches dort noch lag und öffnete das Papier vorsichtig. Er konnte sich ja schon denken, was darin war. Als er das bläuliche Kinderbuch in Händen hielt, stutzte er. Auf dem Cover lächelte ihn der kleine Vampir mit blauen Augen an. Verwundert holte er sein Handy heraus und öffnete das erste Bild, dass Joey ihm zugeschickt hatte. Warte, da war noch etwas anders! Seine eisblauen Augen wanderten zurück zu dem Buch und darüber prangte in weißen Buchstaben „Seto der kleine Vampir“! Er brauchte einen Moment, bis er das alles verstanden hatte und starrte auf den Buchdeckel. Beinahe andächtig legte er das Telephon zur Seite und zog das Buch näher heran. Er nahm es in beide Hände langsam schlug er den Einband auf. Neugierig wanderte sein Blick über die Musterungen, die Sterne, der ersten Seite. Es kam noch eine, auf der die kleine Figur mit blauen Augen zu erkennen war. Hier sah man deutlicher, dass der Name überklebt wurde. Danach kam das Inhaltsverzeichnis, welches von dem blonden Wahnsinnigen ebenso überarbeitet worden war. Überall stand feinsäuberlich Seto und nicht Ojin, wie der kleine Vampir eigentlich hieß. In dieser Nacht lehnte sich der brünette Firmenführer zurück, das Buch vorsichtig, beinahe andächtig auf seinem Schoß und bewunderte heimlich die schönen Seiten. Die Geschichten waren alle umgeschrieben worden, teilweise den Bildern angepasst, teilweise waren diese ebenso überarbeitet worden. Er las jede Zeile langsam, aufrichtig interessiert und sein Herz klopfte so schwer, dieser seltsame Druck war wieder da, wurde mächtiger und es war eine warme Freude, die sich in seiner Brust ausbreitete. Der kleine Vampir Seto begegnete dem weißen Drachen, dem Zauberer, nahm am Rat der Vampire Teil und wollte noch bis nach Sonnenaufgang wach bleiben. Dann kam das fünfte Kapitel und da stand es wieder. „Seto und ein Wheeler zum Nachtisch“! Der kleine Vampir wollte ganz alleine auf die Jagd gehen und traf plötzlich einen großen, struppig blonden Hund. Zuerst knurrte dieser den Kleinen an, der ihm eröffnete, dass er ihn aussaugen und fressen wollte. Wütend kam es zu einem Kampf, in dem sie beide feststellten, dass sie einander ebenbürtig waren. Der kleine Vampir war schneller und entkam den Bissen des Hundes, doch dem machten dafür die Angriffe des Blutsaugers nichts aus. Sie einigten sich auf ein Unentschieden und der Hund stellte sich als „Wheeler“ vor In Kapitel 6 saßen die beiden nebeneinander und der Magen des kleinen Vampirs knurrte so laut, dass der Hund Mitleid mit ihm hatte. Also suchten sie nach einer Möglichkeit, wie Seto satt werden konnte. Sie sahen bei den Tomaten nach, doch die schmeckten nicht. Sie probierten andere Gemüsesorten, Milch, Honig und Tee… nichts konnte seinen Hunger stillen. Dann kam der Hund auf eine Idee und führte ihn tief in den Wald. Dort stand eine Pflanze, die Drachenfrucht genannt wurde und ganz besondere, blutige Früchte trug. Endlich konnte der kleine Vampir sich sattessen und mit glänzenden, blauen Augen meinte er, dass „Wheeler“ nun sein Freund wäre! Mit einem sanften Ausdruck fuhren die eisblauen Augen über die schönen Bilder, die den wenigen Text untermalten, der eingeklebt war. Auf der letzten Seite saßen die beiden, der große Hund und der kleine Vampir, nebeneinander an einem See auf dem Steg und „Wheeler“ beobachtete hungrig den Fisch, der da aus dem Wasser sprang. Seto hingegen hatte seine Drachenfrucht in Händen und sein Mund war ganz rot verschmiert. Wie kam man nur auf so eine verrückte Idee? Vorsichtig schloss er das Buch, als wäre es ein besonderer Schatz. Keiner der beiden wusste, dass ein uralter Zorn erwachte. Sie taten alles, um das Eis zwischen ihnen zu brechen und die Distanz zu verkleinern. Doch das war nicht das, was das Schicksal für sie wollte. Das war nicht das, was jemand bestimmtes für sie wollte. Sie durften nicht glücklich werden. So herrlich gefror diese grausame Frau sein Herz und seine Seele und nun schaffte es dieser verrückte Mann wieder alles zu verändern! Dass ihr nächster Abend all die schönen Gefühle vernichten sollte, wussten sie nicht. Seto legte das Buch vorsichtig in eine Schublade seines Schreibtisches, den seltsamen Brief dazu und huschte nun müde in sein Bett. Er hatte sich dafür entschieden, dass er Joey dieses Mal nicht bestrafen würde. Er hatte sich so viel Mühe gegeben und dies wollte er dieses eine Mal, nur dieses eine Mal danken. Mit diesem Gedanken begann er zu träumen und blickte auf das Chaos. Mit einem Seufzen überlegte Seth, ob er den Kauf dieses Mal bereute. „Es… es tut mir wirklich leid. Es sollte eigentlich eine schöne Überraschung werden!“ Meinte der blonde junge Mann, der das Zeichen eines Sklaven trug. „Und was ist dann geschehen?“ Wollte Seth wissen und verschränkte genervt die Arme. Doch die Geschichte, die er nun zu hören bekam, und die Art, wie der junge Mann sie erzählte, ließen all seinen Ärger verrauchen. „Und so konnte ich Bakura gerade noch in die Flucht schlagen und eure Schriftrollen beschützen!“ Endete er nun mit diesem stolzen, glänzenden Blick in den braunen Augen und Seth musste lachen. „Dann werde ich heute gnädig sein und dich nur dazu verdonnern, dass du das alles hier wieder in Ordnung bringst!“ Meinte er mit einem Kopfschütteln und ließ den jungen Mann zurück. Ob er die 8 Goldstücke bereute? Oh ja, der Kerl hatte ihn jetzt schon deutlich mehr gekostet, aber er schaffte es immer wieder ihn zum Lachen zu bringen. Ehrlicherweise war er der einzige Mensch auf dieser Welt, der ihn je zum Lachen gebracht hatte. Hosted by Animexx e.V. 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