Dunkle Nächte von Traumfaengero_- (Wenn das Schicksal zuschlägt...) ================================================================================ Kapitel 13: Neustart? --------------------- Kapitel 13 Neustart? In dieser Nacht hatte der Brünette ein seltsames Gefühl. Er stand in der Tür seines Zimmers, blickte auf das fein säuberlich gemacht Bett. Alles war ordentlich aufgeräumt, er würde kein Staubkörnchen finden und sogar das leicht gefüllte Glas auf dem Nachttisch war entfernt, gesäubert und dann neben der Flasche auf einer Servierte umgekehrt aufgestellt worden. Es war nichts mehr hier, dass an den Tag zuvor erinnerte. Für einen Moment musste er sich sammeln, da war ja etwas, nein, das war schon der nächste Tag. Es war schon Montag… oder Dienstag, wenn es schon nach Mitternacht war. Das mit dem dressierten Hündchen war schon über einen Tag her. Mit einem Seufzen trat er ein, wendete sich dem Schreibtisch zu seiner rechten zu und stellte die Tasche auf den Stuhl davor. Er war wirklich müde und für einen Moment dachte er daran, noch einmal zu Mokuba zu gehen. Sie hatten sich in der Eingangshalle verabschiedet und nun stand er hier und wusste nicht so ganz, was er tun sollte. Es war schon sehr spät und die Müdigkeit schien bei diesem Gedanken wie ein bleierner Vorhang über ihn her zu fallen. Mit einer eleganten Bewegung streifte er den Mantel ab und warf ihn über die Lehne des Stuhles. Dann begann er sein Hemd aufzuknöpfen und ließ es von seinen Schultern gleiten. Er fühlte sich so unendlich müde, erschöpft, wann hatte er sich das letzte Mal so müde gefühlt? Als er den seidenen Stoff seines Pyjamas über die schlanken Schultern gleiten ließ, hatte er sich dazu entschlossen einfach schlafen zu gehen. Er wusste eh nicht, was er mit seinem Bruder besprechen wollte. Es war nur ein unbestimmtes Gefühl, welches ihn in seinem tiefsten inneren Heim suchte und keine weitere Begründung empfand. Während er die Vorhänge zu zog, hingen seine Gedanken an der Heimfahrt, bei der sich Mokuba so an ihn geschmiegt hatte. Es wirkte so schutzsuchend und auf gewisse Weise hilflos. Seit wann war sein 17 Jahre alter Bruder solchen Gefühlen unterworfen? Im Vergleich zu dem Geschrei, dass er in der Küche angestellt hatte, war es so… er fand keine passenden Worte dafür und schlug die Decke zurück. Verstand er seinen Bruder einfach nur nicht? Sollte er sich mehr mit ihm auseinander setzen? Nun, Mokuba war es doch, der ihn aus seinem Leben ausschloss und um jeden Preis ein Geheimnis aus seinen Aktivitäten machte. Langsam ließ er sich in das große Kissen zurück sinken. Bei einem Freund übernachten, wahr wahrscheinlich nur eine Ausrede für irgendetwas anderes oder eher ein Zeichen für eine Flucht aus diesem Haus? Mokuba schlief öfter auswärts als zuhause. Vielleicht wurde er auch einfach nur erwachsen. Mit seinem eigenen Verhalten in diesem Alter konnte er das ja immerhin nicht vergleichen, vielleicht war es also richtig, nein, normal, war der passende Ausdruck. Vielleicht war Mokubas Verhalten also normal, seine wechselartigen Aggressionen, seine schutzbedürftige Seite und seine Flucht aus dem Haus. Mit einem Seufzen drehte er sich um, zog die Decke bis zum Kinn heran und umgriff dass Kopfkissen. Er bekam so oder so keine Antwort auf seine Fragen. Was erwartete er schon? Dass der Kleine zu ihm kam und ihm all das erklärte? Wahrscheinlich verstand er es selbst nicht. Gab es jemanden, denn er da fragen konnte? Jemanden außer dem Straßenköter? Mit diesem Gedanken schlief er ein, fiel in einen traumlosen Schlaf, der ihn bis zum nächsten Morgen gefangen nehmen sollte. Der Straßenköter jedoch saß in seiner kleinen gemeinsamen Wohnung und starrte auf die Seiten, die sich seine Schwester eine nach der anderen durchlas. Er hielt noch immer den Atmen an und wartete auf eine Reaktion. Hatte er etwas übersehen? Er hatte nicht alles gelesen. Ihr Gesicht war angespannt und sie schien völlig konzentriert zu sein. Mühsam zwang sich der Blonde dazu wieder zu atmen und füllte seine schmerzenden Lungen mit der so ersehnten Luft. Sie saßen in dem nur 15 Quadratmeter großen Wohnzimmer, ein kleiner Tisch mit Heizdecke war der Mittelpunkt und vor ihm dampfte ein Becher heißer Tee. Wenn er so darüber nachdachte, würde ihre gesamte Wohnung wahrscheinlich in das Vorzimmer von Kaibas Büro passen. Doppelt. Sein Zimmer maß gerade einmal 10 Quadratmeter, seiner Schwester hatte er das größere Zimmer überlassen. Die kleine Küchenzeile war auf der Seite der Tür im Wohnzimmer eingebaut worden und ein kleines Bad, in dem gerade eine Dusche, ein Waschbecken und eine Toilette Platz hatten, ging vom Flur direkt hinter dem Eingang ab. Es war wirklich eine kleine Wohnung, aber für mehr reichte ihr Geld nicht. Es reite ihnen aus, auch wenn er sich allein schon für seine Schwester eine größere Wohnung wünschte. Er wusste, dass sie sich nach Möglichkeit immer mit ihren Freundinnen wo anders traf, nur sehr selten brachte sie diese mit hier her. Aber mehr als vier Personen bekam man auch kaum in dieser Wohnung unter. „Das ist wirklich der Vertrag?“ Fragte sie nun und blickte mit ihren braunen Augen zu ihm auf. Er nickte, schluckte bei ihrer schlichten Tonlage. Er wagte es nicht zu fragen. Doch Serenity begann nur zu kichern. Sie griff nach ihrem Becher und nahm einen Schluck des noch heißen Tees. „Er ist wirklich gut. Ich bin keine Expertin für so etwas, aber bisher konnte ich nichts finden, dass mir seltsam vor kam. Nun, bis auf die Bezahlung. Das ist wirklich, wirklich viel!“ Nun schien sich auch ihr Bruder wieder zu entspannen und nickte. „Oh ja, und er meinte wirklich noch, dass ich nach der geringsten Gehaltsklasse bezahlt werden. Wenn es nicht die Kaiba Corp. wäre, würde ich dir ja eine Ausbildung dort vorschlagen.“ Seine Schwester lachte leicht auf und schüttelte den Kopf. „Oh nein, niemals! Da muss schon einiges geschehen, damit ich jemals dort arbeite.“ Sie blieben nicht mehr lange auf. Serenity wärmte für ihren Bruder noch einmal das Abendessen auf, während er seine Sachen für den nächsten Tag packte und den Vertrag unterschrieb. Der Dienstag hatte schon begonnen, als sie sich verabschiedeten und jeder zu Bett ging. Dass eine böse Überraschung an diesem Tag auf sie warten würde, hätte keiner erwartet. Nach all dem Stress und den Katastrophen, sollte es doch endlich besser werden oder? Hätte er nach diesem grausamen Beginn nicht endlich ein wenig Glück und Ruhe verdient? War es nicht endlich an der Zeit, dass auch er, Joey Wheeler, sich ein wenig behaupten durfte? Der Wecker klingelte wie schon am Montag und nach einer kühlen Dusche und einem schwarzen Tee, begrüßte er auch seine Schwester, die im Gegensatz zu ihm wach und aufmerksam wirkte. Sie huschte ins Bad und während Joey ihr Frühstück vorbereitete, duschte sie sich. Trotz der Umstellung verstanden sie sich unglaublich gut. Normalerweise gehörte das Bad morgens eher ihr, Joey duschte abends nach der Arbeit. Doch um diese Uhrzeit brauchte er nicht nur eine Dusche zum Wach werden, er würde sich nicht die Blöße geben, dass Kaiba auch nur irgendetwas sagen konnte. „Oh, das sieht gut aus. Ich sehe, dass mein Unterricht sich gelohnt hat.“ Scherzte Serenity, als sie fertig angezogen mit dem Handtuch über dem Kopf ins Wohnzimmer kam. Der Tisch war schon gedeckt und er hatte ihr eine heiße Schokolade gemacht. Lächelnd gab sie ihm einen Kuss auf die Wange und setzte sich mit ihm an den Tisch. „Oh ja, nachdem du mir drei Wochenenden hinter einander gezeigt hast, was es zum Frühstück geben soll und wie man das perfekte Ei und gute Reisbällchen macht, denke ich, sollte ich das können.“ Sie grinste nur und griff nach dem Teller mit eben diesen kleinen, weißen Bällchen. Dieses Mal musste er vor ihr aus dem Haus gehen, sie blieb noch an der Tür stehen und gab ihm einen Abschiedskuss auf die Wange. Er zog sie dafür an sich und drückte sie einen Moment. „Ich will dich nie wieder verlieren!“ Flüsterte er ihr ins Ohr und sie schaute ihn dafür frech an. „Dann bist du mir also nicht mehr böse, wenn ich am Donnerstag mit Miko Ohrlöcher stechen gehe? Du unterschreibst mir also die Erlaubnis?“ Da hatte sie ihn kalt erwischt und das sah sie seinem Blick auch an. „Also, nun… wollen wir darüber lieber heute Abend sprechen?“ Doch ein Blick in ihre braunen Augen ließ ihn weiche Knie bekommen. Oh, er hatte sie nun schon ein ganzes Jahr vertröstet und er wusste, dass sie sich nichts sehnlicher wünschte. „Na gut, lass uns heute Abend darüber sprechen und… und bring diesen komischen Antrag mit.“ Das Strahlen in ihrem Gesicht hätte nicht geringer sein können. Freudig riss sie die Arme in die Höhe und sprang ihm fast um den Hals. „Oh, dass… dass war aber noch kein ok dazu…“ Versuchte er sich zu retten und wusste doch, dass er schon lange verloren hatte. Einige der Mädchen hatten schon seit ihrem 10 Lebensjahr Ohrlöcher und seine Schwester mit ihren 17 Jahren durfte immer noch keine haben. Wenn schon keine große Wohnung, dann wenigstens das oder? Er ging Gedankenverloren den Flur zum Treppenhaus hinüber und griff nach dem Geländer, als er eine Stufe nach der anderen nahm. Das Gebäude war nicht mehr das schönste. Zwar hatte der Besitzer vor 7 Jahren alles renovieren lassen, aber das Weiß der Wände war mittlerweile vergilbt und auch der Belag des Bodens leicht abgewetzt. Einen Fahrstuhl gab es in dem alten Haus nicht, alle Einkäufe mussten in den dritten Stock hinauf getragen werden. Über ihnen gab es noch ein Stockwerk und dann kam das Dach. Dafür wohnten sie nicht weit von der Schule seiner Schwester entfernt und nach einem Fußweg von 20 Minuten war er auch in dem kleinen Betrieb seines Meisters angekommen. Er hatte heute einen längeren Weg vor sich. In die Stadt brauchten er allein mit dem Bus 30 Minuten zu Fuß wollte er es gar nicht wissen. Fünf Minuten von seiner Haustür aus hinüber zur Haltestelle und nach Kleingeld kramen. Gestern Nacht war es wirklich schwierig, der Bus fuhr nur noch alle halbe Stunde bis Mitternacht und danach nur noch jede Stunde. Sie wohnten am Rand von Domino City, doch im Vergleich hätte es sie wirklich schlimmer treffen können. So zahlte er wie gestern den Preis für seine Fahrkarte und suchte sich einen möglichst leeren Platz zum Stehen. Der Bus war wohl jeden Morgen so voll wie gestern. In Gedanken griff er nach der Stange über seinem Kopf um sich festzuhalten, sein Blick fiel auf die aufgeschlagene Zeitung eines Mannes, der den Platz neben ihm zum Sitzen hatte. Dort prangte das Bild des Einganges der Kaiba Corporation, den er ab jetzt ja häufiger sehen würde. Doch der Mann, der dort abgebildet war, hatte blonde Haare. Nach und nach verarbeitete sein Gehirn die angegebenen Informationen. Das war er da! Das war er, Joey Wheeler, wie er gestern Nacht das Gebäude verlassen hatte! Aber, bei allen… bei allen verfluchten Göttern! ~Ein neuer Zeitvertreib oder ist es Wahnsinn?~ Prangte die Überschrift des Artikel auf der Titelseite. ~Erst platzt das Geschäft mit der „Union Bay“ und nun wird der „Straßenköter“ erster Sekretär?~ Folgte als Untertitel über dem Bild. ~Erst am Wochenende wurde bekannt, dass die Millionenschweren Verhandlungen zwischen der Kaiba Corporation und der Union Bay gescheitert sind. Gerüchten zufolge soll der Fehler bei Mr. Kaibas erstem Sekretär gelegen haben, der kurz darauf spurlos verschwunden ist. Bis jetzt gibt es keine gesicherten Informationen über den wahren Grund des Scheiterns. Als Nachfolger des untergetauchten Sekretärs wurde nun jedoch ein völlig unqualifizierter junger Mann gewählt. Joseph Wheeler, der als stetiger Begleiter von Yugi Moto, dem Sieger etlicher Duel Monsters Wettbewerbe, bekannt und von dem Firmenpräsidenten Seto Kaiba nur als Straßenköter bezeichnet wurde, scheint nun eine fragwürdige Karriere zu beginnen. Wie wir aus anonymer Quelle wissen, hat der 19 Jährige gestern seine Arbeit als erster Sekretäre begonnen und dabei gleich für mehr Chaos gesorgt, als sein Vorgänger. Alles zu seinen vorhandenen Qualifikationen, seinem bisherigen Verhältnis zu Seto Kaiba und den lächerlichen Fehltritten des ersten Tages lesen sie im Innenteil auf Seite 3.~ Sprachlos starrte er auf den Text der Zeitung und schluckte. Das… das hatte er da nicht gerade gelesen! „Verzeihung, ähm… brauchen sie die dritte Seite noch?“ Fragte er verlegen und der Mann blickte hinter seiner Zeitung auf. Es war ein älterer Mann, seine grauen Haare waren nach hinten gekämmt und lichteten sich schon so weit, dass die helle Haut des Kopfes darunter zum Vorschein kam. Die braunen Augen lagen hinter gewaltigen Brillengläsern und er trug einen schwarzen Anzug. Er wirkte irgendwie so typisch… Dann breitete sich ein Lächeln auf dem faltigen Gesicht aus und er nickte. „Nein, den Teil habe ich schon gelesen.“ Das Rascheln des Papieres erfüllte den ganzen Innenraum des Buses und ein paar blickten zu den beiden. Zum Glück schlug der Mann seine Zeitung so um, dass man das Titelbild nicht mehr erkennen konnte. Als er Joey die Zeitung reichte, deutete dieser eine Verbeugung an. Während des Fahrens war das nicht so einfach, doch es schien dem Fremden zu reichen. Nun, auch wenn es anders wäre, meistens sagten Japaner so etwas nicht. Sie behielten es für sich und lächelten immer freundlich. Mit einem inneren Kopfschütteln, konzertierte er sich wieder auf die Zeitung und las das, was dort auf der ganzen Seite stand. Es war wirklich alles zusammen getragen. Von seinen „Platzierungen“ in den Wettbewerben, über seinen schulischen Werdegang und die Dramatik seiner Familie. Zum Glück brühten sie nicht wieder die ganze Angelegenheit mit der Operation seiner Schwester und vor allem mit dem Tod ihrer Mutter auf. Es wurde zwar angesprochen und es gab auch ein Bild von seiner Schwester auf der Seite, aber den Teil hielten sie klein. Woher wussten diese Aasgeier nur davon? Was hatte er denn bitte verbrochen, dass sie ihn jetzt schon schlachten wollten? Dabei ließen sie kein gutes Haar an ihm, der bisherige Werdegang des jungen Mannes war nicht einmal annähernd ausreichend für sie und er konnte sich nur darüber freuen, dass sie nicht auch noch seine Zeugnisse heraus gekramt hatten. Das Bild war doch aber erst von gestern Abend, wie konnten sie in so kurzer Zeit so viel zusammen tragen? Mit einem Seufzen ließ er die Schultern hängen und faltete das Zeitungsblatt ordentlich. Er hätte es am liebsten zerrissen, aber das erschien ihm nicht richtig. Es war ja nicht sein eigenes. Als sein Blick auf den Platz des alten Mannes fiel und er ihm die Seite wieder geben wollte, war dieser schon verschwunden. Er musste ausgestiegen sein. Eine Station noch und dann hatte er noch 10 Minuten in der U-Bahn vor sich. Sollte er seine Schwester vorwarnen? Doch da summte sein Telefon schon. Es war ein einfaches, kleines Handy, dass noch ganz ohne Farbe und Touch aus kam. Eine Sms von seiner Schwester. Klasse, sie hatte anscheinend von einer Klassenkameradin erfahren, was in der Zeitung stand. Er solle sich auf eine böse Überraschung in der „daily Domino“ einstellen. Ja, die hatte er schon gesehen. #Danke, ist leider zu spät. J.# Schrieb er ihr zurück und seufzte erneut. Mit hängenden Schultern verließ er den Bus und wurde auch schon weiter geschoben. Wie eine große Masse drängten hier die Leute aus den Busen und hinüber zur Station. Es waren noch zwei andere angekommen, das Licht der Straßenlaternen erhellte den geordneten Trupp. Sie alle gingen in gleichem Rhythmus über den Gehweg hinüber zur Treppe, über der das große, blaue Schild hing, dass den Namen der unterirdischen Station verdeutlichte. Er hatte von Tea einmal gehört, dass es in anderen Ländern ganz anders war. Sie hatte ein, wie hieß das noch… Aupair Jahr gemacht und war so in Europa gewesen. In Frankreich und ein paar Wochen in Deutschland. Zwei Tage hatte sie auf der Rückreise in England, London verbracht. Dort drängelten sich alle durch die Gänge, es wurde geschubst und es herrschte ein unglaublicher Lärm. Es gab auch keine Begleitpersonal, dass vom außen für das Schließe der Türen zuständig war. Und die Züge und Buse kamen sehr oft zu spät. In Gedanken versunken war er in die U-Bahn gestiegen und hielt sich an einem der Schlaufen der oberen Stangen fest. Er achtete nicht auf die anderen Leute und hoffte, dass ihn niemand erkennen würde. Er versuchte jeder Zeitung aus dem Weg zu gehen und schob sich so schnell er konnte an der richtigen Haltestelle hinaus. Jetzt noch fünf Minuten zu Fuß und er war endlich angekommen. Was würde ihn bloß erwarten? Hatte Kaiba es schon gelesen und wenn ja, wie reagierte er darauf. Würde er das ganze gleich hier beenden? Wohl eher nicht, wahrscheinlich würde er eher der Presse sagen, dass es sich um eine Wette handelte und er darauf setzte, dass „sein Straßenköter“ alles vermasseln würde. Damit rutschte er auf der Grausamkeitsskala weiter nach oben und Joey blieb keine Wahl mehr. Wenn Kaiba das wirklich heraus posaunte und das passte zu ihm, würde er nicht früher aufgeben können. Dann wäre nicht nur sein Ruf vor Kaiba, sondern in der ganzen Stadt hinüber. Wieder summte sein Handy und nun war es eine Nachricht von Yugi. Der Kleine fragte nach, ob es ihm gut ging und ob das, was er in der Zeitung gelesen hatte wirklich stimmte. Mit einer kurzen Antwort verschob er das Gespräch auf später und da klingelte auch schon Tristan an. Nun leicht gereizt drückte er den Anruf weg und stellte sein Telefon aus. Er brauchte nicht noch mehr besorgte Freunde, die ihm erzählten, was er dummes getan hatte und dass er besser gleich wieder aufhören sollte. In seiner Wut musste er dennoch inne halten. Vor dem Haupteingang tummelte sich eine Handvoll Menschen, die verdächtig nach Journalisten aussahen. Die Kameras in ihren Händen sprachen auf jeden Fall dafür. Wie sollte er denn da bitte hinein kommen? Das war nun wirklich das letzte, was er gebrauchen konnte. Hatte dieser Laden einen Hintereingang? Oh, was hatten die Götter nur mit ihm, dass sie ihn immer und immer wieder leiden ließen? Wenn die jetzt ankamen und ihm Fragen stellten, ihn durchlöcherten… oh nein, das wollte er einfach nicht. Sein Morgen war so oder so schon versaut! Hilfesuchend blickte er sich um und dann entdeckte er sie. Eine große Gruppe Frauen hatte sich in einiger Entfernung gesammelt. Sie alle waren tief in ihre Gespräche verstrickt und gestikulierten, kicherten und wedelten mit irgendwelchem Kleinkram oder Zeitschriften herum. Als sie näher kamen, schlug Joey seinen Kragen hoch und mit wenigen Schritten tauchte er zwischen den Damen unter. Sie bemerkten ihn nicht einmal, drängten in geschlossener Form auf den Eingang des großen Gebäudes zu und dann war er drinnen. Vor den Fahrstühlen hatte er kaum eine Chance ihnen zu entkommen. Sie drängten ihn einfach mit hinein und drückten ihn zurück an die Wand. Es dauerte, denn kaum waren die ersten aus dem Stockwerk hinaus, fuhr der Fahrstuhl wieder hinunter und holte die nächste Traube ab. Doch aussteigen wollte Joey auch nicht. Wenn man vom Eingang her die Fahrstuhltüren sehen konnte, entdeckten sie ihn vielleicht doch noch. So kam er erst gegen kurz nach halb sieben oben im Büro an. Vorsichtig sah er sich um, doch niemand schien hier zu sein. Er schlich an den großen, leeren Schreibtischen der drei Sekretärinnen vorbei und stellte seine Tasche neben seinem Tisch ab. Mit einem erleichterten Seufzen drückte er den großen Schalter seines Computers und ging schon einmal hinüber in den „Aufentalsbereich“. Es war ein schön eingerichteter, lichter Raum, in dem einige Tische Bistro ähnlich aufgestellt waren und eine kleine Küchenzeile eingebaut wurde. Dort befand sich auch die Kaffeemaschine. Er machte sich lieber einen Tee und griff nach dem glänzenden Edelstahlkocher, um ihn mit Wasser zu füllen. Also, wie war das jetzt? Kaffee für Kaiba, Post holen, was gab es noch von gestern zu erledigen? Er öffnete die Schranktür über seinem Kopf und nahm einen dunkelblauen Becher heraus. Hier war alles mit dem Logo der Firma versehen, jeder Becher hatte die gleiche Farbe und das gleiche Zeichen. KC. Zumindest gab es kostenlos Tee und eine Mikrowelle und einen kleinen Herd hatten sie auch. Obwohl beides so wirkte, als wäre es noch nie benutzt worden. Erschrocken zuckte er zusammen, als sein Handy wieder klingelte und lautstark verkündete, dass er eine Sms erhalten hatte. Wer wollte ihn denn nun schon wieder nerven? Es war Mokuba, der ihn anscheinend kurz nach dem Aufstehen oder eher „Aus dem Bett fallen“ darüber informierte, dass er Sally noch immer nutzen konnte. Er hätte nun ein paar extra Sicherungen eingebaut und so konnte er sie noch weiterhin benutzen. Das war doch schon einmal eine gute Nachricht. Wenigstens eine gute heute. Mit seinem Tee ging er zurück zu seinem Schreibtisch, die Jacke hatte er an der Personal Garderobe zurück gelassen und dann leuchteten ihn auch schon wieder die schwarzen Knopfaugen des gelben Smileys an, der voller Freude wartete. „Guten Morgen, Joey!“ Flötete sie voller Zufriedenheit, als er das Headset aktivierte. „Guten Morgen Sally. Was sind denn die Aufgaben für heute Morgen?“ Es war schön und es machte ihm alles einfacher. Sie blätterte eine Seite auf, die die Liste mit den morgendlichen Aufgaben enthielt. „Dann hole ich mal die Post.“ Meinte er und stand auf. Die halbe Stunde war schnell vorbei, er hatte den Kaffee gerade noch rechtzeitig auf den Schreibtisch gestellt und sich wieder auf seinen Platz gesetzt, als sich der Fahrstuhl schon öffnete. Die kraftvollen, schnellen Schritte konnten nur einem Menschen gehören. „Guten Morgen Mr. Ka…“ Doch weiter kam er nicht. Joey hatte zu ihm aufgesehen und die blauen Augen funkelten ihn so totbringend an, dass es ihm die Sprache verschlug. Sein nächster Blick fiel auf die Zeitung, die der Brünette in der Hand hielt und um die sich seine Finger verkrampften. „Guten Morgen?“ Zischte der Brünette und mit einer Bewegung schlug er die zerknitterte Zeitung auf den Schreibtisch. Joey konnte gerade noch die Hände zurück ziehen, ein Blatt segelte von dem Wind getrieben von der Arbeitsplatte und hinunter zu den Füßen des neuen Sekretärs. Mit einem Schlucken wich er leicht auf seinem Stuhl zurück und starrte weiter in die kalten Augen seines Gegenübers. „Ja, ich weiß, du kriegst dein Maul wieder nicht auf, aber wenn schon du nicht, wird wenigstens deine Schwester die Zeitung gelesen haben, Wheeler! Ich weiß also, dass dir dieser Artikel bekannt ist!“ Seto Kaiba hätte es nicht treffender ausdrücken können. Serenity kaufte sich jeden Morgen auf dem Weg zur Schule eine Zeitung am Kiosk, an dem sie manchmal aushalf. So musste sie nur die Hälfte zahlen und sparte sich ein wenig Geld. Sie hatte ihn heute Morgen auch gleich angeschrieben, als sie den Artikel entdeckt hatte. „I…“ Doch weiter kam er nicht. „Halt einfach deine Klappe! Ich will gar nichts hören! Absolut nichts!“ Fuhr er den jungen Mann an und drehte sich schwungvoll zur großen Flügeltür um. Geräuschvoll fiel diese hinter ihm ins Schloss und Joey zuckte zusammen. Das konnte doch nicht wahr sein! Warum? Warum musste sich immer alles in eine wahre Katastrophe verwandeln? Noch immer leicht zitternd sank er in seinem Stuhl zusammen und sah zu Yuriko auf, die nun auch hier war. Sie sah ihn aus ihren alten mütterlichen Augen besorgt an. Der dampfende Kaffee in seinen Händen machte es einfacher. Er versuchte sich zu sammeln, sein Computer fuhr nebenher hoch und er schloss müde die Augen. Er hatte nicht mit der Meute Reporter gerechnet, zumindest nicht so früh. Nachdem er aber seine morgendliche Zeitung zur Hand nahm, war das Aufeinandertreffen mit dieser "Gruppe" unausweichlich. Natürlich, es war ja richtig, dass die Presse so reagierte. Der Daily Domino war nicht für eine sachliche und recherchierte Nachrichtenpresse bekannt. Er war hetzerisch und reißerisch. Wenn seine Journalisten ein Thema zwischen ihre Klauen bekamen, dann war jede Wahrheit „Schnee von gestern“. Er hatte eben keinen Kommentar abgegeben und war nur mit eisernem Blick durch die kleine Menge gewartet. Aber um seinen Ruf zu stählern, musste er noch eine Erklärung abgeben. Nicht sofort, sonst kämen sie noch auf die Idee, dass er sich bei ihnen rechtfertigen müsste. Das wäre bei weitem zu viel. Ihm war auch klar, dass Joey damit reichlich wenig zu tun hatte. Der Mann war vielleicht dumm, aber nicht bescheuert. Auch Joey musste klar sein, dass er als Firmenchef nur eine Möglichkeit hatte: Er würde Joey ans Messer liefern. Er würde von der Wette erzählen und bekannt geben, dass dieser Vertrag über drei Monate lief und er einen gewissen Kostenvoranschlag an verschmerzbaren Verunglimpfungen des Mannes für diese alles beendende, niederschmetternde Wette bereit gestellt hätte. Je höher die Verluste, desto deutlicher würde daran Joeys Versagen bemessen. Durch diesen Schachzug konnte der Blonde auch nicht wieder zurück, nicht einfach früher abbrechen, denn dann wäre er der Versager ganz Dominos, nein, zu dem Zeitpunkt würde die ganze Welt davon wissen. Es gab nur zwei Damen, die dafür verantwortlich waren. Mürrisch löste er eine Hand von dem Becher und schaute wieder auf. Sein Smartphone lag auf dem Schreibtisch und so griff er nach diesem. Er wählte eine Nummer aus dem Speicher, die nur als Ivanow eingegeben war. Die langen Wähltöne schienen in diesem Moment wie laute Glockenschläge in seinen Ohren widerzuhallen und als endlich das leise Klicken am anderen Ende der Leitung erklang, trat eine beruhigende Stille ein. „Kein Kommentar von deiner Seite aus?“ Meinte er, denn auf der anderen Seite war bisher kein Ton zu hören gewesen. „Du hast schon lange nicht mehr angerufen. Ich frage mich also, ob ich endlich mit einem Auftrag rechnen darf oder du nur so tun möchtest, als wärst du grausam und rücksichtslos?“ Fragte eine ruhige, tiefe Stimme, die einem Mann zu gehören schien. Sie war geprägt von einem heftigen, russischen Akzent. Ein tiefes Seufzen war von Seto zu hören und der Fremde meinte. „So schlimm ist es? Ich habe schon gelesen, dass dein Sekretär die Verhandlungen mit der Union Bay hat platzen lassen. Ich könnte ihn für dich finden. Ihm ein paar nette Betonschuhe verpassen und ihn wirklich untertauchen lassen.“ „Nein, schon gut. Ich halte wenig von solchen Dingen.“ Meinte Seto erstaunlich entspannt und ein Schmunzeln schien den anderen zu Bewegen. „Gut, wie ist es dann mit deinen beiden Sekretärinnen? Wenn du sie nicht töten willst, kann ich sie auch an ein russisches Bordel verkaufen.“ Zufrieden lächelte der Brünette und nahm einen Schluck Kaffee. „Ich bin ein großer Liebhaber des Wortes subtil, aber deine Vorschläge sind alles andere als das. Lass sie in Ruhe, ich kümmere mich selbst darum.“ Nun schien der andere leicht verstimmt und fragte. „Darf ich ihnen wenigstens etwas Angst einjagen?“ Doch wieder erhielt er eine Abfuhr. „Nun gut, wenn du heute so nett zu ihnen bist, beantworte mir wenigstens eine Frage: Warum rufst du an?“ Diese Worte schienen eine erneute Stille zu provozieren und plötzlich meinte Seto ruhig. „Ein Teil von mir möchte ja sagen. Ich bin wütend und will meine Rache, aber... nicht so. Wenn ich dir noch immer nein sagen kann, weiß ich, dass ich nicht wie mein Stiefvater bin.“ Gab er nun als Erklärung und der Russe musste lachen. „Dann warte ich also weiter, wann du das nächste Mal meine Dienste in Anspruch nehmen willst. Bitte zögere nie, diese Nummer anzurufen.“ Die Erheiterung klang offensichtlich in seiner Stimme. „Dann bis zum nächsten Mal.“ Meinte er und ein leises Klicken deutete an, dass sein Gegenüber das Gespräch beendet hatte. Schweigend legte er sein Telephon zur Seite und nahm einen weiteren Schluck Kaffee. Tala Ivanow, der Anführer der russichen Mafia. Ja, das war vielleicht etwas riskant mit jemandem wie ihm Kontakt zu haben, aber was machte das schon? Er war kein lieber Junge, er war kein sanftmütiger Chef, er war ein grausames Arschloch, aber wenigsten kein Mörder. Außerdem ließer sich allein der Privatsphäre wegen keinen Anruf zurückverfolgen, keine Nummer wurde gespeichert. Alle Protokolle waren so ausgelegt, dass er tun und lassen konnte, was er wollte, solange es über sein Telefon geschah. Einige Nummern waren nur mit einem Passwort zu öffnen und nur der Name war zu sehen. Nicht einmal der Besitz dieses Telefons brachte ihnen etwas, dafür hatte er gesorgt. Nun hieß es sich gemütlich zurück lehnen, den heißen Kaffee zu trinken und die nächste Grausamkeit Wheeler gegenüber zu planen. Immerhin musste er ja sein Statement der Presse gegenüber noch formulieren. Oh, wie gut dieser Kaffee schmeckte. Wenn er den Köter wieder los geworden war, musste Yuriko unbedingt weiter Kaffee kochen. Wie er gestern festgestellt hatte, konnte sie das genauso gut! Die Zeit verging und die Sekretärin hatte ihren neuen Freund wieder aufgebaut. Kaiba würde sicher wissen, wer für diesen Artikel zuständig war und sich wieder beruhigen. Er sollte lieber weiter arbeiten und sich nichts ablenken lassen, damit half er sich selbst am meisten. Die alte Sekretärin ging derweil hin und suchte die Arbeit der beiden anderen zusammen, sortierte sie und begann sie in ihre mit einzuarbeiten und vor allem abzuarbeiten. So viel war es erstaunlicherweise gar nicht. Wäre die Arbeit gerecht aufgeteilt worden, hätte sie jetzt deutlich mehr von den beiden eingesammelt. So hatten sie sich also durchgeschummelt und konnten immer Pausen ohne Ende machen. Um 8 Uhr hatte Kaiba ein Geschäftstreffen in den Räumen ein Stockwerk unter ihnen. Er hatte Joey nicht großartig beachtet, als er an diesem vorbei ging. Es war nur ein Verhandlungsgespräch über zwei Stunden, dass mit einer kleinen Verlängerung bis 10:35 Uhr ging. Nun war der Brünette wieder zurück und mit der gleichen Ignoranz schritt er an dem blonden, jungen Mann vorbei auf sein Büro zu. Er wollte sich einfach keine weiteren Gedanken über die seltsamen Reaktionen Wheelers machen, die ja schon gestern begonnen hatten. Obwohl… er hatte sich doch wirklich ganz gut benommen. Trotz der Anfuhr am Morgen kuschte er nicht wie ein kleiner geprügelter Hund, sondern konzentrierte sich auf seine Arbeit. Joey war mit Sicherheit unschuldig an der ganzen Situation, aber warum sollte er seine schlechte Laune nicht an ihm auslassen? Dafür war er ja schließlich da! Mit einem heimlichen Grinsen griff er nach der Tür und öffnete diese. Noch immer zufrieden mit sich und seiner für die Presse zurecht gelegten Erklärung durchschirtt er sein Zimmer und umrundete seinen Schreibtisch. Die kühlen, blauen Augen sahen auf das runde, weiße Etwas, das da auf der Arbeitsplatte stand. „Was bei allen verfluchten Göttern ist das?“ Entwich ihm und er griff dabei schon über den Tisch. Er drückte die Taste für den „Fernsprecher“, den er schon sehr lange nicht mehr genutzt hatte. „Wheeler, komm sofort hier rein!“ Fauchte der Firmenchef durch das kleine, elegante Gerät, das in moderner Variante seinen Schreibtisch zierte. Es war mit dem Telefon verbunden und bildete eine große, ebenmäßige Apparatur, die in glänzendem Schwarz fort ruhte. Es wirkte wie eine Verlängerung des Telefons, bei dem vier Knöpfe, vier Tasten die jeweiligen Schreibtische angab. Das er ja nicht sehen konnte, ob der Köter an seinem Platz saß, war es unsinnig diese Funktion zu nutzen. Doch das wütende Schreien und somit für alle Ohren zu verkündende Herzitieren des jungen Mannes, ließ wenigstens etwas von seinem plötzlich aufsteigenden Adrenalin verschwinden. Als sich die Tür öffnete, stand noch immer diese Mischung aus blanken Entsetzen und völliger Wut in seinen Augen. „Was ist DAS?“ Fragte er und deutete auf den runden, weißen Teller, auf dem zwei dunkle Borte lagen. Eine der Schwarzbrotscheiben war mit Hartkäse, einem Stück Tomate und einem Salatstreifen belegt. Die andere hatte seine Pfeffersalami als Grundlage und wurde mit einem Stück Gurke und dem Salatstreifen verziert. Der junge Mann vor ihm schien kurz zusammen zu zucken, als seine Stimme so laut durch den Raum hallte. Seto konnte deutlich sehen, wie sich der Mann langsam wieder aufrichtete, schluckte und kurz die weißen Ärmel seines Hemdes ein Stück zu den Handgelenken zog. „Ich…“ Begann er und musste noch einmal tief ein und aus atmen. „Du hast mir am Sonntag gesagt, dass du morgens nichts essen kannst. Jetzt ist es halb elf, das ist nicht mehr morgens und du brauchst außer Cognac und Kaffee etwas in deinen Magen!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)