Das Kind der Prophezeihung von DhalaElenaAngel ================================================================================ Kapitel 4: ...etnführt...gerettet? ---------------------------------- Mit einem Stoß Holz auf den Armen trat Aideera zwischen den Büschen hervor. Am Himmel ging gerade die Sonne unter. Sie tauchte das helle Blau in ein strahlendes Rot, rot, wie Blut. Wieder keimten die Bilder in Aideera auf, sie konnte nichts dagegen unternehmen, sie kamen, ohne Vorwarnung, ohne Grund. Sie setzte sich hin, wo sie gerade war und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen. Doch sie wagte es nicht, ihre Augen zu schließen. Langsam konnte sie schon gar nicht mehr sagen, wie lange sie nicht mehr geschlafen hatte, sie spürte ihre Müdigkeit nur noch, wenn sie die Anderen beim Schlafen beobachtete. Doch wie lange würde ihr Körper das noch mitmachen? Wie lange konnte sie in ihren Zustand ihre und die Tarnung der Anderen aufrecht erhalten? Denn keine von ihnen durfte eine Spur im Quellnetz hinterlassen, solange sie sich nicht sicher sein konnte, wer weswegen von den schwarzen Reitern gejagt wurde. Sie war so müde! "Aideera, geht es Euch nicht gut?" Erschrocken fuhr Aideera herum. Sie hatte niemanden kommen gehört! War sie nun schon so zerschlagen, dass ihre Sinne nachzulassen begannen? Zum Glück war es nur Caerdas, der hinter ihr aufgetaucht war und sich nun neben ihr niederließ. "Doch, mir geht es hervorragend, ich bin nur müde, das ist alles." Der Elf musterte die junge Frau mit besorgtem Blick. Ihm fiel schon seit einer Weile auf, dass sie immer blasser und unkonzentrierter wurde. Zuerst waren es nur Kleinigkeiten gewesen, sie hatte ihr Pferd schlecht gesattelt, oder ständig etwas fallen gelassen. Doch inzwischen wirkte es, als könne sie kaum noch aufrecht stehen, auch wenn sie es vor den Anderen sehr gut zu verbergen wusste. Seinen Augen war allerdings nur sehr selten etwas so wesentliches entgangen. "Wirklich, mir geht es gut," versuchte Aideera ihre Aussage zu bekräftigen, als sie den zweifelnden Blick ihres Begleiters bemerkte. Erst sah es so aus, als wolle er etwas sagen, doch dann schwieg er, nickte nur knapp und packte den Holzstapel zu Aideeras Füßen. Sie lächelte dankbar und blieb, an den Stamm des einzelnen Baumes gelehnt, einfach noch ein wenig sitzen. Sie beobachtete die Anderen etwas weiter unten im Lager. Desideria spielte mit ihrem Wolf, Galiriel war am kochen, während sie gleichzeitig mit dem jungen Elf flirtete und Caerdas war inzwischen wieder beim Aufbau der beiden Zelte. Nanu? Aideera konzentrierte sich auf einen langsam aber stetig größer werdenden Punkt am Horizont, der beharrlich näher zu kommen schien. Ein Wanderer, ein Reisender? Oder gar die Vorhut ihrer Verfolger?! Doch Aideera war viel zu müde, um ein wirkungsvolles Netz zu weben und den Fremden zu erkennen, oder war dieser sogar weiblich? Ein Instinkt warnte sie. Hastig rannte sie zum Lager zurück: "Wir müssen vom Weg weg!" Caerdas sah sie ruhig an: "Aber warum denn?" Aideera schluckte. Sie musste irgendetwas glaubwürdiges erfinden und das schleunigst! "Wir, wir werden verfolgt! Von jemandem, der uns nicht gehen lassen wollte! Ich habe ihn gesehen, vom Hügel aus!" Mit einer Handbewegung befahl Caerdas seinem Schüler, nachzusehen. Grummelnd und einen bösen Blick auf Aideera werfend, erklomm Caer'dan den winzigen Berg. "Ja, da kommt was.", war sein einziger Kommentar. "Nun, dann werden wir ihnen eine Lektion erteilen." "Nein!", das Wort war ihr entschlüpft, bevor sie es verhindern konnte: "Nein, das ist keine gute Idee. Bitte, lasst uns doch einfach etwas abseits des Weges das Lager aufschlagen. Bitte." Ohne Verständnis sah Caerdas sie an, doch dann lächelte er: "Also gut, wenn es euch lieber ist, werden wir einfach etwas abseits des Weges schlafen. Vielleicht erzählt ihr uns ja dann irgendwann einmal, warum." Dankbar nickte Aideera, während sie half, die Sachen weiter weg zu bringen. Entsetzt wich Kellahan zurück. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Was war hier nur geschehen? Egal, was es gewesen war, es konnte nur ein Monster gewesen sein! Wer sonst wäre zu so einer Tat in der Lage? Langsam streifte er sich seine Kapuze vom Kopf, seine Augen waren immer noch auf den völlig zerstörten Komplex gerichtet. Der heiligen Statue fehlten Arm, Bein und Augen, die zahlreichen, kunstvollen Säulen waren zusammengebrochen, das Dach lag in allen Einzelteilen auf dem wuchernden Gras. Und nicht eine einzige Priesterin war weit und breit zu sehen! Doch ein unerträglicher Gestank lag über der geisterhaften Szene. "Ein Fremder, ein Elf aus dem Stamm der Meere! Was führt Euch hierher, zum Ort des Grauens?" Erschrocken Fuhr Kellahan herum, seinen Dolch vor sich gestreckt. Doch es war nur eine alte Frau, die auf einem der Trümmer saß. Ihre Augen waren vom Weinen verquollen und rot, ihr Gesicht geschwollen. Erleichtert ließ er seinen Dolch zurückgleiten: "Was ist hier geschehen?" Die Frau zuckte die Schultern. Da erst merkte er, dass sie etwas in ihren Armen wiegte und alles zog sich ihm zusammen, als er es erkannte: ein toter Mensch, das Gesicht war kaum noch zu erkennen und nur die langen, feinen Haare ließen ihn erahnen, dass es einmal eine Frau gewesen war, ein Mädchen der Größe nach. Er kniete sich zu der Alten, der Gestank der Leiche bohrte sich unbarmherzig in seine feine Nase. Er wiederholte seine Frag: "Was ist hier geschehen, bei allen Göttern, alte Frau!" Die Frau sah ihn an: "Seid nicht so laut, Ihr weckt das Kind. Sie ist doch erst elf, sie muss schlafen." "Oh nein, nicht auch noch das," murmelte Kellahan. Die Alte war dem Wahnsinn verfallen. Was sollte er tun? Er musste herausbekommen, was geschehen war, doch von der da würde er sicher nichts erfahren. Also lief er weiter, direkt ins Zentrum des ihn umgebenen Chaos, wo der Gestank immer schlimmer wurde. Nun konnte er auch deutlich einige weitere Tote im Gras sehen. Ihre Körper waren schon teilweise verfallen, kein Wunder, wo sie unter freiem Himmel lagen. Und diese Fliegen, sie waren überall, in dichten Schwärmen. Für sie musste das hier ein unglaubliches Paradies sein. "Wer? Wer ist zu so was in der Lage?", keuchte er, als er sah, dass sie nicht einmal vor dem Friedhof Halt gemacht hatten. Die gesamte schützende Mauer war bis auf die Grundmauern eingerissen und die gesamte Erde umgegraben worden. Mit einem Blick auf das Wohngebäude entschloss er sich, zuerst die Stätte der ewigen Ruhe zu untersuchen. Kellahan verstand nicht, warum ihm die zertrümmerten Grabsteine und die entweihte Erde weit mehr zusetzte, als der Geruch verwesender Leichen es zu tun vermochte. Doch genauso war es. Dieser Ort, gedacht, als Fleck des Friedens, war teilweise weit schlimmer zugerichtet, als der Tempel. Särge waren aus der Erde gezogen und zertrümmert worden, fast so, als habe man etwas gesucht! Schlagartig überlief Kellahan ein eisiger Schauer! Etwas gesucht! Natürlich! Warum war ihm das nicht gleich aufgefallen? All diese Zerstörung, in ihr lag eine ihm bekannte Systematik! Doch woher kannte er sie? Etwas, weit hinten in seinem Hirn schrie die Antwort, doch er war nicht in der Lage, zu verstehen. Sein Blick irrte über den ihm so unerträglichen Anblick. Nanu? Was war denn das? Da, an der hinteren Wand, da war ja noch ein Grab! Und der Stein stand zu seinem Erstaunen noch! Hastig lief er dorthin, wie zu einem Rettungsanker. Möge die Göttin ihr verzeihen, denn das liegt nicht in unserer Hand auf das sie trotz ihrer Schuld Friede finde Aha. Eine Geweihte, eine Priesterin, die gegen die Gesetze des Tempels verstoßen hatte. Man hatte sie in die hinterste Ecke verbannt, wie einen ungehorsamen Hund. Scheinbar hatte sich die Welt des Tempels sehr verändert. Er erinnerte sich noch an die Erzählungen Ger'derests darüber, wie es in den vorigen Zeitaltern gewesen war. Er kniete nieder und strich über die aufgewühlte Erde. Es war nicht halb so mitgenommen, wie die Anderen. Der Sarg war zu seinem Erstaunen nicht freigelegt, nur an der Oberfläche war die Erde etwas aufgewühlt. Er hob eine vertrocknete Blume auf, sie war rot, eine einfache Waldblume, nicht das, was normalerweise auf die Gräber von Priesterinnen gesetzt wurde. Er wusste nicht warum, doch er legte die Blume vorsichtig in sein Tuch und steckte es anschließend in die Tasche, die um seine Schulter hing. Danach erhob er sich und lief zurück zu dem Gebäude. Wieder nahm der Gestank zu und die verfallenden Toten häuften sich. Warum hatte sich niemand um sie gekümmert? Er trat mit mulmigem Gefühl auf das Haus der Novizinnen zu. Was "Sie" etwa auch darunter? War alles umsonst gewesen und das Ganze würde noch mal von vorn beginnen? Er betrat die Unterkunft. "Das gibt's doch nicht," murmelte er vor sich hin. Hier war jede einzelne Leiche abgedeckt, vor den Blicken Neugieriger geschützt. Also war außer der Verrückten doch noch Jemand da gewesen! Doch wer? Eine Überlebende? Jemand aus den umliegenden Dörfern? Er nahm sich zusammen und klappte jedes einzelne Laken zurück. Doch nicht unter einem verbarg sich die, nach der er suchte. Zwar war er im ersten Moment erleichtert, doch dann wurde ihm klar, dass sie schon zur Priesterin geweiht gewesen sein könnte und ihre Leiche woanders sein könnte. Dann würde er hier recht vergeblich suchen, das war klar. Unwillig legte er schließlich seinen Weg fort, in den Speisesaal. Stühle und Tische lagen wüst durcheinander, eine Leiche war mit Pfeilen an einen Tisch genagelt worden. Er riss einen der gefiederten Todesboten heraus und untersuchte ihn. Er war völlig gewöhnlich - bis auf zwei diagonal zum Schaft verlaufende, mit grüner Farbe unterlegte Rillen. Nun wich auch noch der klägliche Rest der Farbe aus Kellahans Gesicht. Ger'derestes hatte also recht behalten. Ge'eres hatte es herausgefunden. Doch er strebte nach Macht! Er hätte sie nie töten lassen! Und er kannte Sabre gut genug, um zu wissen, dass sie nie gegen einen seiner Befehle handeln würde! Das konnte nur bedeuten, dass das Mädchen noch am Leben war! Und zu allem Übel auch noch in Ge'eres Gewalt! Kellahan ließ dem Pfeil zu Boden gleiten und zog eine kristallene Kugel aus der versteckten Tasche in seinem Umhang. Mit einer Hand fuhr er darüber, bis sie geheimnisvoll zu leuchten begann. "Kellahan?" Kellahan nickte und blickte in das Bild des alterslosen Mannes in der Kugel: "Eye." "Du siehst nicht sonderlich erfreut aus. Darf ich davon ausgehen, dass etwas nicht ganz nach deinen Vorstellungen gelaufen ist?" "Schlimmer." Ger'derestes Gesicht verzog sich leicht: "Nun sag schon." "Sabre. Sie war hier, im Tempel. Ich möchte es nicht erklären, ich werde die Kugel hoch schweben lassen, damit Ihr sehen könnt, was hier stattgefunden hat." Mit einer kurzen Bewegung ließ er die Kugel schweben, dann holte er sie zurück. "Nun?" Das Gesicht des Mannes in der Kugel war bleich: "Ge'eres hat sie?" "Ich weiß es nicht. Ich habe gerade erst diese Verwüstung entdeckt!" "Dann geh und finde es heraus!" Kellahan nickte und deutete eine Verbeugung an: "Wie Ihr wünscht." "Aideera! Das Meer! Schau mal, da ist das Meer! Kuck, die Wellen!" Desideria rannte an der kleinen Bucht entlang. Ceardas lächelte: "Ja, das Meer. Es ist nicht mehr weit bis zum Hafen, morgen werden wir ihn erreicht haben." Doch dann schweifte sein Blick wieder zu Aideera. Sie rang sich nur mühsam ein Lächeln ab, war aber schneeweiß. Er hatte sie eine ganze Weile beobachtet, sie schlief nachts kaum und wenn doch einmal, dann weinte sie fast ununterbrochen. Manchmal schrie sie sogar. Er war sich inzwischen sicher, dass die Mädchen etwas verschwiegen. Je länger sie unterwegs waren, je mehr zweifelte er an, ob sie tatsächlich Geschwister waren. Gut, bei Galiriel und Desideria war das an sich kaum relewandt, sie waren sich sogar in gewisser Weise ähnlich. Ihre Haut war in der Sonne rasch gebräunt, nur der Unterschied zwischen ihren Haaren, die eine braunhaarig, die andere blond. Aber Aideera unterschied sich stark von ihnen. Ihre Haut war hell, fast weiß und ihre Augen leuchtend grün. Dazu war sie etwas größer, als Galiriel und ungewöhnlich schmal gebaut. Doch das, was ihn wirklich stutzig machte, waren ihre ungewöhnlich gut geprägten Sinne. Sie waren teilweise sogar weit besser, als die Caer'dans: Sie hatte ausgeprägtere Sinne, als ein Elf! Und sie war ein Mensch! Dazu kam auch noch das komische Band um die Stirn, das sie immer trug und die Tatsache, dass sie ihre Haare verbarg. Warum? Doch selbst das war noch nicht alles! Nein, dazu kam noch ihr Drang, sich zu verstecken! Er war davon überzeugt, dass diese drei Mädchen mit Sicherheit nicht nur von Erbschleichern gejagt wurden! Da steckte weit mehr dahinter! "Caerdas, sagt, was habt Ihr? Ihr wirkt besorgt." Er wandte sich zu der Sprecherin um. Es war Galiriel, die sich auf ihren Stab stützte, der ein genaues Abbild des Stabes Caleron war. Doch sie schien das nicht mal zu wissen. "Ich bin nicht besorgt. Nicht mehr. Morgen sind wir auf einem Schiff nach Mittelland. Dann solltet ihr in Sicherheit sein." Galiriel nickte, wobei ihr Blick immer wieder zu Caer'dan abschweifte. Caerdas grinste: "Und sich wette, mein Schüler wird Euch noch eine ganze Weile begleiten." "Caerdas, erwartet Ihr jemanden?" Caerdas fuhr zusammen: "Bitte?" "Da hinten kommen Reiter, mindestens hundert." Caerdas sah zu Aideera, die schlagartig steif geworden war. Sie klammerte sich an die Frucht, die sie hielt. Sie merkte nicht einmal, wie die Hülse platzte und der gelbe, klebrige Saft ihr über die Handschuhe lief, die sie immer trug. Er nickte Caer'dan zu. Das Gefühl, sich mit den Mädchen eine Menge Ärger aufgehalst zu haben, nahm stark zu. "Ich erwarte niemanden. Wen denn auch?" "Was sollen wir machen?" "Ich werde mit diesen Leuten reden. So kann das nicht weitergehen. Ich lasse mich doch nicht von einer Horde verrückt gewordener Menschen jagen!" "Nein!" Caerdas sah sich um. Es überraschte ihn nicht wirklich, wie Aideera reagiert hatte, doch er war weit über die fünfhundert hinaus und damit aus dem Alter, in dem er bereit gewesen war, sich etwas von einem der kurzlebigen Geschöpfe sagen zu lassen. "Doch. Mein Entschluss ist gefasst. Ich renne nicht mehr weg, Kind. Ich werde mit diesen Menschen reden, schlicht und einfach. Danach sehen wir weiter. Caer'dan wird die Kleine nehmen und sie ein Stück abseits verstecken. Nicht, dass das nötig wäre, aber ich will auch kein unnötiges Risiko eingehen. Na los!" Stumm und aufgebracht stellte Aideera sich neben den Elf, der seinen Bogen locker in der rechten Hand hielt. Sie selbst hatte keine Waffe, sie konnte ja doch nicht damit umgehen. Sie wusste, sie hatten keine Chance zu gewinnen, denn sie hatte die Auren längst erkannt, vor allem die der Katze. Sie verstärkte ihr Netz, mehr konnte sie nicht tun, im Moment. Sie konnte nur warten und sehen, wie die Reiter immer näher kamen. Am liebsten wäre sie einfach weggerannt. Sie wandte sich um, sah, dass Galiriel mit Desideria auf einem Baum saß, unter dem Caer'dan locker lehnte, wie sein Lehrmeister den Bogen in der Hand. Sie schloss ihre Augen und griff auf die Kraft aus der Quelle zurück. Sie begann, ein Tarnnetz um die Zwei zu weben. Niemand sollte sie entdecken! Denn seit ihrem Aufbruch war ihr immer mehr klar geworden, dass sollte diese Kavit'taas eine von ihnen suchen, sie nur hinter ihr selbst her sein konnte. Doch wie hatten sie es herausgefunden? Sie hatte doch alles so sorgsam verborgen! Niemand hätte es bemerken dürfen! Und dann waren sie da, die Reiter. Sie bremsten ihre Pferde ein Stück von Caerdas entfernt, stiegen ab und kamen auf sie zu, angeführt von der Katze und einem einarmigen Krieger. Sie blickte ihr direkt ins Gesicht, erst danach wandte sie sich an Caerdas: "Ich grüße Euch, Elf." "Was wollt Ihr von uns?", fragte der, ohne auf den Gruß einzugehen. Die Söldnerin aus dem Stamm der Kavit'taas zuckte die Schultern: "Ihr seid unfreundlich und dabei dachte ich immer, dass die Naturvölker besonders nett wären. Aber wenn Ihr mich schon so fragt - Ihr habt da etwas aus meinem Besitz." "Ach? Ich wüsste nicht, woher. Oder auch nur was." Die weiße Katze zuckte verächtlich mit den Achseln: "Da sieht man es schon! Und dabei werden die alten Stämme immer über alle Maßen gelobt! Der alte Elf merkt nicht mal, was er da hat! Hast du so etwas schon mal gehört?" Die offensichtliche Anführerin wandte sich zu dem Mann neben sich. Der grinste nur, während sie sich wieder Caerdas zuwandte: "Ich will die Priesterin." Nun verzog Caerdas wirklich die Stirn. Es brauchte viel, bevor er eine Emotion zeigte, doch nun war er wirklich erstaunt: "Bitte?" "Oh, womit habe ich das nur verdient? Der ist ja so dumm wie Bohnenstroh!" Aideera war innerlich zusammengezuckt. Die weiße Katze war also da, um sie zu holen! Sie wob das Netz um Desideria und Galiriel noch ein wenig fester, während ihre Hand sich um das Messer schloss, das sie immer noch in ihrer Tasche verbarg. Sie würde sich wehren! Mit allem, was sie hatte, und wenn es noch so wenig war! "Wovon redet Ihr, Söldnerin? Ich sehe hier keine Priesterin und ich bezweifle, dass ich nach dem Massaker so schnell wieder eine sehen werde." "Oh, es ist also schon durchgesickert. Schreckliche Sache, nicht wahr?" Caerdas setzte wieder seine kalte Maske auf: "Schlechte Nachrichten verbreiten sich in Allgemeinen sehr schnell." "Nun, dann gebt mir, was ich haben will und ich werde einfach weiterziehen. Ohne Euch zu töten." Da lachte Caerdas so kalt auf, dass Aideera das Blut in den Adern gefror: "Mich töten. Eine amüsante Vorstellung. Diese Worte habe ich schon häufig gehört." Seine Augen funkelten nun gefährlich, die Hand umschloss den geschmeidigen Bogen nun fest, während die andere unauffällig nach den ersten Pfeilen griff. Aideera sah genau, wie auch die Katze nach ihrem Schwert griff: "Gib sie einfach raus!" In dem Moment zischte der erste Pfeil an Aideeras Wange vorbei. Caer'dan hielt seinen Bogen fest, der nächste Pfeil lag bereits auf der Sehne: "Verschwindet! Der Nächste trifft." "Oh, das Blatt hat sich gewendet." In dem Moment prasselte ein wahrer Regen von Pfeilen auf die Drei nieder. Automatisch errichtete Aideera um sich herum einen Schild, an dem die eisernen Spitzen wirkungslos abprallten. "Das. Das ist sie. Sie will ich lebend. Was ihr mit dem Rest macht, ist eure Sache." Und auf einmal tobte um Aideera herum eine Schlacht. Säulen von Wasser schossen aus heiterem Himmel aus dem Boden, überall leuchteten Schilde auf, Schwerter glänzten. "Worum geht es hier?", fragte auf einmal Caerdas neben Aideera. "Da steckt doch mehr dahinter, als irgendeine Erbschaft! Und was soll das Gefasel von wegen Priesterin?!" Sabre wehrte geschickte den Stoß vom Bogen des Elfs mit ihrem Rapier ab und lachte: "Erbschaft? Was hat sie Euch denn aufgebunden? Ihr habt wirklich keine Ahnung!" Sie griff nach Aideera. Augenblicklich überkam sie ein kaum zu ertragender Schmerz, als die weiß behaarte Hand sich durch ihren Schild bohrte, erbarmungslos. Es war, als ob Jemand in ihren Brustkorb griff und ihr so das Herz zu zerquetschen drohte. Sie sackte in sich zusammen, ohne zu merken, wie die Krallen das Tuch und das Stirnband durchschnitten. Das Letzte, was sie sah, bevor sie das Bewusstsein verlor, war eine Wolke aus ihren silbergrünen Haaren. Caerdas war geschockt, als er sah, wie Aideera lautlos in sich zusammenbrach. Doch nicht das war es, was ihn schockte, es war das, was unter dem Tuch zum Vorschein kam, das sie immer getragen hatte: silberne Haare, die auf eine nicht erklärliche Weise grünlich schimmerten - und kleine, spitz zulaufende Ohren! "Was geht hier vor?!" Er versuchte, Aideera zu helfen, doch er musste seine eigene Haut schützen. Er konnte nur mit zusehen, wie die weiße Söldnerin das seltsame Mädchen über ihre Schulter warf, sich ungehindert auf eines der Pferde schwang und einfach wegritt. In dem Moment sah er die Klinge eines Schwertes direkt auf sich zurasen. Er wusste, er hatte keine Chance mehr und Elementarkräfte einzusetzen nicht mehr die Zeit. "Verdammt, ich bin zu spät!" Völlig perplex starrte Caerdas auf den blauhaarigen Elf, dessen Schwert soeben seine Hinrichtung verhindert hatte. "Kellahan! Was machst du denn hier?" "Später! Erst müssen wir das kleine Problem hier loswerden, nicht wahr?" "Nein! Nicht! Kein....kein Blut.....", schweißgebadet erwachte Aideera und richtete sich auf. Noch immer spürte sie ein unangenehmes Ziehen in ihrem Brustkorb. Sie hob ihre Hand vor ihre Augen, spreizte die Finger und drehte sie vor ihren Augen. Ihre Nägel schimmerten im Licht des schmalen Strahls, der durch die geschlossenen Vorhänge fiel. Sie sah sich, völlig orientierungslos um. Wo, bei Gaya'anda und Lois'an war sie gelandet? Das Letzte, an das sie sich noch dunkel erinnern konnte, war, wie die widerwärtige Katze in ihr Schutzschild eingedrungen war. Sie begann, ihre Umgebung genauer zu betrachten. Sie lag in einem breiten, weichen Bett, zugedeckt mit einem leichten, bestickten Laken und weder gefesselt noch geknebelt oder Ähnliches. Sie schlug das Laken zurück und schwang ihre Beine aus dem Bett, trat zu den Vorhängen und riss sie schwungvoll auf. Das Licht der Sonne überschwemmte dem Raum, in dem sie sich befand. Er wurde, wie sie es bereits vermutet hatte, von den riesigen Bett, in dem sie aufgewacht war, beherrscht. Es war hoch, hell und angenehm eingerichtet. Einige Schränke säumten die getäfelte Wand, in der einen Ecke stand ein Schreibtisch mit einem Stuhl und dicke, weiche Teppiche waren auf dem Boden ausgelegt. Aideera strich sich durch die Haare. Moment mal - ihr Tuch - es war weg! Und mit ihm - ihr Stirnband! Entsetzt strich sie ich über die spitzen Ohren., strich sich über ihr Kleid. Ihr Kleid! Sie hatte nicht mal ihr Kleid an! Sie trug ein langes, weißes Hemd! Was ging hier vor sich? Sie versuchte, das Fenster, vor dem sie stand, zu öffnen, doch es war mit einem Zauber versiegelt. Sie lief zur Tür, doch auch die war nicht aufzubekommen. Als sie versuchte, auf die Quelle zurückzugreifen, traf sie fast der Schlag. "Miss, bitte tun Sie das nicht." Wie von Furien verfolgt fuhr Aideera herum. Vor ihr stand eine Frau, der Aura nach eindeutig ein einfacher Mensch, mit einem Tablett in den Händen. "Wo bin ich hier? Was geht hier vor und wo ist mein Kleid?" Die Frau stellte vorsichtig ihr Tablett ab und wandte sich um: "Ihr braucht keine Angst zu haben, hier seid Ihr in Sicherheit. Ihr seid in Ge'eres An Oserrestes Schloss. Er ließ Euch hierher bringen, er wartet schon sein Leben lang auf Euch. Und was Euer Kleid anging - es war dreckig und kaputt. Ich habe mir erlaubt, es zu beseitigen. Hier in den Schränken hängt genug angemessene Kleidung für Euch. Gleich nach dem Essen werde ich Euch beim Ankleiden behilflich sein. Los doch, setzt Euch, Ihr müsst doch hungrig sein, wo Ihr vier Tage durchgeschlafen habt." Immer noch völlig verwirrt ließ sie sich auf den Stuhl bei dem Schreibtisch drücken und sich das Tablett vor das Gesicht stellen. Tatsächlich, kaum, dass ihr der Geruch der Brühe ihr in die Nase stieg, meldete sich ihr Magen. Sie griff nach dem silbernen Löffel. Egal, was hier vor sich ging, ihren Tod schien - im Moment noch niemand zu wollen. Also begann sie hungrig zu essen. "Ich will es jetzt wissen!" Mit ungeahnter Wut schüttelte Caerdas Galiriel durch, während Desideria nur noch tonlos vor sich hinweinte. "Halt! Das reicht! Caerdas! Ich werde es Euch erklären!" Da ließ der Elf von seinem Opfer ab und wandte sich zu seinem ehemaligen Meisterschüler um: "So?" Der Blauhaarige und ließ sich mit aschfahlem Gesicht auf dem Boden nieder: "Ich bin zu spät gekommen!" "Nicht, dass ich dich erwartet hätte," meinte Caerdas nur. "Ich rede nicht von dem Scharmützel eben! Ich rede vom zerstörten Tempel." "Was....?" "Vor nicht ganz zwanzig Jahren kam in diesem Tempel ein Kind zur Welt, das angeblich tot geboren worden ist. Das Kind einer Priesterin," Kellahan atmete tief durch: " Gal'aads Kind. Und es war nicht halb so tot, wie die Hohepriesterin behauptet hat." "Gal'aads Kind?" Caerdas Stimme war nun völlig tonlos, während sein Gegenüber wortlos nickte. "Gal'aads Kind. Doch sie selbst starb, als man ihr sagte, es wäre tot. Danach führte mich ihre Spur in ein Waisenhaus in der Nähe der Küste und nein, ich weiß nicht, wie sie dahin gekommen ist. Dort tischte man mir wieder mal die Sache mit dem Tod auf und so stand ich, nicht zum ersten Mal, vor dem Nichts." "Warum?" Kellahan wandte sich um. Galiriel versteckte ihr Gesicht in ihren Händen: "Warum hat sie uns nie etwas gesagt? Was hat sie denn geglaubt? Dass wir sie nicht mehr mögen würden, nur wegen spitzer Ohren?" Der Wasserelf schüttelte den Kopf: "Ich dachte, Ihr seid Priesterin! Ihr müsstet doch am besten wissen, was sie fürchtete!" "Was?" "Sie ist ein lebender Mischling! Ihr Vater ist ein Elf aus den Wäldern Ailendras und ihre Mutter Priesterin der Natur! Und sie dürfte es gar nicht geben!" Nun verstand Galiriel: "Das Kind der Prophezeiung," flüsterte sie tonlos. "Und Ihr seid ihr Vater?" Sie blickte den alten Elf mit großen Augen an. Der verbarg seine Augen. Caerdas sah sie wieder vor sich. Die langen, gelockten, braunen Haare, die sie am liebsten offen getragen hatte, die rehbraunen, sanften Augen, die manchmal golden zu funkeln schienen, ihr leicht geschwungener Mund, auf dem immer ein Lächeln gelegen hatte. Der Tempel war geschmückt mit zahllosen Blumengirlanden, Blütenblätter bedeckten den marmornen Boden vor der Statue der Göttin. Caerdas sah sich suchend um. Nicht der Gottesdienst war es gewesen, der ihn hierher geführt hatte, sondern etwas völlig Anderes. Doch er konnte sie nicht finden, die, die im letzten Jahr geweiht worden war. Und bald würde es dunkel werden. Betrübt lief er zurück zur Pforte. "Halt! Ihr da, Elf!" Beim Klang der melodischen, hohen Stimme wandte Caerdas sich um - ihm wären fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Da rannte der Grund für sein Kommen. Lange, lockig braune Haare flatterten im Laufwind, das grüne Gewand umgab ihre grazile Figur, wie eine Wolke. Er wartete, gefangen, in ihrem Anblick. "Das da habt Ihr vergessen," keuchte sie außer Atem und hielt ihm etwas hin, eine feingliedrige Kette aus Bernstein. Er hatte sie im letzten Jahr auf ihrem Platz liegen lassen - absichtlich, verstand sich. Er schloss ihre Finger wieder darum. "Die war für Euch gedacht, für Euch ganz allein. Weder für den Tempel, noch für die Göttin." Das Mädchen wurde feuerrot, was ihren Charme nur noch verstärkte: "ich bin Priesterin, ich darf so was doch gar nicht haben!" Caerdas lächelte schmerzhaft. Er wusste, sei war unerreichbar für ihn, sie war unantastbar. Und doch war sie die einzige Frau, die er je begehrt hatte. Und dabei war sie ein Mensch! Er sah in ihre großen, braunen Augen: "Wie ist Euer Name?" "Gal'aad Da Ferganteren." "Mein Name ist Caerdas Ban Rastarey, ich bin Elf aus dem Stamm der Waldläufer aus den Wäldern Ailendras im Mittelland." "Dann liegt ein weiter Weg hinter Euch." "Und ein genauso weiter vor mir," lächelte Caerdas nur müde. Warum war er gekommen? Um sich noch mehr zu quälen? Um wieder zu sehen, was er nie besitzen durfte? "Dieser Tempel hat einen Schlafsaal für Pilgerer. Vielleicht wollt Ihr die Nacht hier verbringen?" Caerdas hätte nur zu gern ja gesagt, doch stattdessen antwortete er: "Ich bin Waldelf, ich fühle mich in der Natur am wohlsten." Erstaunt bemerkte er die Enttäuschung in dem feinen Gesicht und das verräterische Zucken um den Mundwinkel der Priesterin. Sie... sie fühlte genauso, wie er selbst! Ohne zu wissen, was er da tat, oder worauf er sich einließ, packte er ihre Hände: "Begleite mich! Weg von diesem Ort, der mich verdammt, ohne das, was ich am meisten liebe, zu leben! Begleite mich!" Gal'aad entzog ihm ihre Hände nicht, sie sah ihn nur überrascht an. Doch dann überzog ein Lächeln ihr Gesicht, das auch die scheinbar immer traurigen Augen erreichte sie sah sich um: "Wohin?" Caerdas zog sie an sich: "Weit weg, in meine Heimat Ailendras Wälder sind weit und voller Leben. Sie werden uns eine Heimat schenken, von der Andere nicht mal zu träumen wagen." Caerdas sah zu Kellahan auf: "Aideera." "Ja. Sie ist Eure Tochter. Das zumindest bis eben noch lebende Ergebnis Eurer Liebe zu Gal'aad." Galiriel atmete heftig ein, als sie das hörte. Ihre Freundin war ein Mischling, der die Geburt und offensichtlich noch so einiges mehr überlebt hatte. Ihre Freundin war das Kind der Prophezeiung, an dem der Fortbestand des gesamten Planeten hing! Und das Grab der namenlosen Priesterin, Galiriel hätte es schwören können, war das Grab ihrer Mutter, die sie nie kennenlernen durfte. Caerdas sah auf: "Ich hole sie da raus!" Kellahan nickte: "Das hatte ich selbst vor." "Morgen brechen wir auf." Mit einem seltsamen Gefühl im Bauch betrachtete Aideera sich im Spiegelbild. Das rosèfarbene Kleid aus Seide umspielte ihren Körper, dunklere bis zu weinrote Stoffstücke mittendrin vermittelten den Eindruck, dass sie selbst eine Blume war. Das dunkelrote Kropfband war mit einer blumenförmigen Brosche verschlossen, deren Steine meisterhaft geschliffen worden waren. Alles passte perfekt, wie ihr auf den Leib geschneidert. Noch nie hatte Aideera etwas derartig kostbares besessen! Das Kleid allein war mehr wert, als alles das sie je gehabt hatte! Doch wer gab sich diese Mühe mit ihr - und vor allem: wozu? Was wollte er damit bezwecken? Warum hatte man sie entführt? Zu welchem Zweck? Niemand gab einfach so etwas her, ohne eine Gegenleistung zu erwarten! Das hatte sie in all den Jahren gelernt. Da hörte sie das leise Klopfen. Sie wandte sich um: "Ja?" Die Frau, die ihr auch schon beim Ankleiden geholfen hatte, lächelte: "Mein Herr ist nun bereit, Euch zu empfangen. Folgt mir bitte." Aideera wusste nicht, was sie erwartete. Wer war der seltsame Fremde, der sie hatte entführen und hierher bringen lassen? Was erwartete er von ihr, dieser rätselhafte Fürst, dessen Name ihr ein Schaudern über die Haut jagte? Sie ging nur sehr zögerlich hinter der Frau her, zum ersten Mal aus dem Zimmer heraus, in dem sie nun mehrere Tage verbracht hatte. Der Flur war mit edlen Teppichböden belegt, die Decken mit Stuckarbeiten verziert. An den Wänden hingen kostbar wirkende Gemälde, alles erstrahlte hier in seiner ganz eigenen Pracht. Caerdas zügelte seinen Hengst und fuhr fort, das Schloss vor ihm zu beobachten. Für die Augen eines Unwissenden war es mit Sicherheit nicht sichtbar, doch den seinen zeigte sich so einiges. Er warf einen raschen Seitenblick auf Kellahan, der sich in seinem Sattel vorgebeugt hatte. Der junge Mann hatte bereits mit kundigem Blick begonnen, die Mauern nach einer Schwäche zu untersuchen. "Nun?" "Nichts zu sehen, nicht der kleinste Kratzer oder Riss in der Wand, aber ein Grundriss auf einem Pentagramm, da, seht Ihr, die Steine. Dazu bilden die Immergrün - Bäume heilige Runen - was wohl bedeuten dürfte, dass man im Innern überhaupt keine Magie anwenden kann, weder unsre noch die neue. Na ja, es hat den Vorteil, dass er es auch nicht kann. Aber mit Verlaub gesagt: Der Weg da rein wird sich als nicht halb so schwer erweisen, wie der Weg da raus. Wir sind nur zu Zweit. Zwar seid Ihr ein Meisterschütze und hervorragender Schwertkämpfer, aber ich gehe davon aus, dass er vorgesorgt haben wird." Anerkennend nickte Caerdas. Schon immer hatte sein Schüler die Gabe besessen, seine Lage ruhig einschätzen zu können. Und doch galten seine Gedanken etwas ganz Anderem: Dieser kleine, arrogante Irre, der von seinen fanatischen Anhängern schon mit Fürst der Dunkelheit angesprochen wurde, hatte es gewagt, sich an seiner Tochter zu vergreifen, der Tochter, von der er selbst erst seit so kurzer Zeit wusste! Gal'aads und sein Kind, dessen Anwesenheit er all die Jahre wohl gespürt haben musste. Er erinnerte sich wieder an ihr erstes Treffen. Ja, er musste es doch zumindest schon geahnt Haben1 Warum sonst hätte er die ersten Schritte unternommen, um sich mit einem - vermeintlichen - Menschen anzufreunden. "Caerdas! Caerdas, wir haben jetzt keine Zeit zum Nachdenken! Wir müssen handeln. Ich spüre, dass da etwas im Gange ist, das wir aufhalten sollten!" "Sicher. Also, wie sieht der Plan aus? Haben wir einen?" Da musste auch Kellahan passen: "Ich war nur einmal in diesem Gebäude und wenn sich etwas eingeprägt hat, denn die perfekte Abriegelung. Das Reinkommen ist da noch unser geringstes Problem. Wir nehmen den Hintereingang, den für die paar Dienstboten. Ihr gebt sicher einen guten Holzfäller ab. Aber da werden wir kaum wieder rauskommen. Dazu wissen wir nicht, wo die Prophezeite sich ...." "Aideera! Ihr Name ist Aideera!" Kellahan beschloss, nicht gerade jetzt einen Streit vom Zaun zu brechen: "Wo Aideera sich aufhält. Aber noch nicht mal das ist unser Problem, denn sie lässt sich finden. Wie gesagt - was mich so stört, ist die Sache mit dem Rauskommen." "Das werden wir dann schon sehen." "Bitte??" Kellahans Stimme überschlug sie fast vor Überraschung. Was war da gerade über Caerdas Lippen gekommen? Und das, obwohl doch gerade er immer auf perfekte Planung bestanden hatte? "Du hast mich schon verstanden. Hier, zwischen den Bäumen werden wir die Pferde zurücklassen." Ratlos mit den Schultern zuckend lief Kellahan voraus, zu einer kleinen unbewachten Pforte. Aideera fror. Das ehemals so prächtige Kleid hing nur noch in Fetzen von ihrem Körper herab. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal etwas zu Essen bekommen hatte. Dazu kam auch noch der bestialische Gestank, der hier Unten herrschte. Es roch wie damals, im Tempel, nach Tod, Blut und Verwesung. Selbst wenn sie, auf der durchlöcherten Decke, einmal einschlief, fuhr sie sofort wieder auf, denn nun träumte sie wieder von ihnen, den toten Novizinnen, den geschundenen Körpern, die sie vorwurfsvoll zu mustern schienen, weil sie selbst noch am Leben war. Nun, lange würde das sicher nicht mehr der Fall sein. Doch sie wusste, sie hätte keine andere Entscheidung fällen können. Sie lehnte sich an die feuchte Mauer und starrte zu dem winzigen Lichtpunkt auf, der durch einen kaum sichtbaren Spalt zu leuchten schien. Er war es, der ihr Trost spendete. Sie sehnte sich so sehr nach Bäumen! Dem Wispern, wenn der Wind durch die Kronen blies, dem Gesang der Vögel, dem Gefühl der Sonne direkt auf ihrem Gesicht. Doch das war unmöglich. Ihre Kräfte waren hier drinnen aus einem ihr unerklärlichen Grund völlig wirkungslos. Sie musste fast lachen, wenn sie daran dachte, dass sie noch bis vor Kurzem in einem palastgleichen Raum gelebt hatte, bereit, Ge'eres zu folgen. Er war so nett und liebenswürdig erschienen, schien genau gewusst zu haben, wie sie sich fühlte. Doch dann hatte sie sie gesehen! Sie, deren Name sie nun kannte! Nein, sie konnte nicht bei Jemandem leben, in dessen Diensten diese Frau, diese Kavit'taas stand! Sie hatte alle getötet! All die wehrlosen, überraschten Priesterinnen, die jungen Novizinnen! Und das in Ge'eres Auftrag! Nein, für so Jemanden konnte sie nicht arbeiten, bestärkte sie sich selbst in ihrem Entschluss. Sabre hatte alles niederbemacht, das den Fehler begangen hatte, zu atmen! Sie hatte für sich die richtige Entscheidung getroffen. Dieser Mann konnte noch so nett tun, er war es nicht, das hatte sie inzwischen erkannt. Er wollte nur eins: Das Kind der Prophezeiung unter seiner Kontrolle. Und sie war die Einzige, auf die die Beschreibung der alten Legende zu passen schien. Doch sie würde nicht helfen, Menschen zu versklaven, oder irgendeine Armee zu rufen! Mit Sicherheit nicht! Plötzlich erstarrte Aideera. Dumpfe Schritte kamen immer näher. Schuhe mit Eisenbeschlägen, wenn sie sich nicht irrte! Und immer wieder schlug etwas Ähnliches, wie ein Stab auf dem Boden auf. Ein Speer? Es musste wohl so sein. Aideera versuchte, sich klein zu machen. Die Spuren von Sabres letztem Besuch waren nämlich noch nicht einmal annähernd verheilt. Die Spur ihrer Krallen zog sich noch immer über ihren gesamten Rücken, doch sie spürte den Schmerz nicht einmal mehr. Er würde ihr wahrscheinlich nur noch auffallen, wenn er auf einmal aufhören würde. Hatte er sich entzündet? Sie versuchte nicht daran zu denken. Sie hatte schon ganz andere Dinge überlebt. Sie fuhr sich über die Narbe, die sich quer über ihren Bauch zog. Als das winzige Fenster in der schweren Eisentür geöffnet wurde, zuckte Aideera erschrocken zusammen. Doch nichts geschah, kein Gesicht erschien da, nur ein kleines Tablett. Aideera stand auf und nahm es in Empfang. Schon Mittag? Sie hatte jegliches Zeitgefühl hier unten verloren. Warum gab man ihr überhaupt noch zu Essen und ließ sie nicht einfach sterben, wo sie sich doch als nutzlos erwiesen hatte? Sie setzte sich wieder an ihren Platz. Eine steinharte Brotrinde und ein seltsam riechendes Glas Wasser. Vielleicht aus einem Sumpf. Doch was spielte das schon für eine Rolle? Sie verspürte auf einmal wieder diesen unerträglichen Durst und so kippte sie einfach alles in sich hinein. Ein Fehler, wie sie nur Sekunden später feststellen musste. Denn auf einmal wurde ihr Körper von Krämpfen geschüttelt. Es tat so weh! Was war in dem fauligen Wasser gewesen? Gift? Wollte man sich ihrer jetzt entgültig entledigen? Sie krümmte sich zusammen und sackte auf die Decke. Sie wusste nicht, wie lange sie mit diesen unerträglichen Krämpfen kämpfen musste, bevor eine gnädige Dunkelheit sie sanft einhüllte... "Hier!", Kellahan winkte Caerdas zu sich. "Hier drin ist der einzige Gefangene des Schlosses!" Caerdas zog ein Metallstück aus seinem Umhang und begann, sich am Schloss zu schaffen zu machen. Ein ungutes Gefühl hatte schon vor einer Weile von ihm Besitz ergriffen. Er hatte es eilig! Doch es schien ewig zu dauern, bis er es endlich geschafft hatte, das Schloss zu öffnen. Hastig trat er ein. Hier war dieser grauenvolle Geruch, der alles einhüllte, am stärksten. Erkonnte sich nicht erinnern, dass je etwas so gestunken hatte. Er brauchte eine ganze Weile, bis er etwas erkennen konnte. "Oh ihr Götter!," flüsterte er entsetzt und rannte auf das zusammengekauerte Bündel zu, das regungslos an der Wand lehnte, die Beine eng an den Körper gepresst. Er berührte die von einem Schweißfilm überzogene, kalkweiße Haut. Sie glühte. Er hob den Kopf. Ein seltsamer Geruch nach Wald entströmte ihr. "Es war Gift," murmelte Kellahan leise, mit einem hölzernen Becher in der Hand, den er Caerdas unter die Nase hielt. "Und zwar so ziemlich das Einzige, das immer, bei Allem tödlich endet und wogegen es absolut kein Mittel gibt." "Aber noch lebt sie," knurrte Caerdas: "Sie kämpft! Und sie wird es schaffen! Wir bringen sie hier raus!" "Das hat überhaupt keinen Sinn mehr! Sie wird es nicht schaffen!" Doch Caerdas hielt das regungslose Mädchen schon auf seinen Armen: "Das werden wir noch feststellen! Komm!" Im fahlen Licht des Ganges konnte Kallahan auch noch die schwärenden Wunden auf Aideeras Rücken erkennen. Er gab ihr keinen halben Tag mehr. Das Gift hatte seine Arbeit schon fast beendet. Doch er sah auch, dass Caerdas lieber sterben würde, als das Mädchen hier zurückzulassen. "Ge'eres!" "Was?", donnerte er Sabre missgelaunt entgegen. "Wir haben Eindringlinge und einer davon ist ein alter Bekannter! Kellahan! Sie haben das Mädchen!" "Wie bitte? Es lebt noch?" Da zuckte Sabre die Schultern: "Nicht wirklich." "Dann lasst sie entkommen. Sollen die doch die Leiche beseitigen. Aber verstärk in Zukunft die Wachen. Auch am Kücheneingang." Sabre sah überrascht auf, nickte aber dann: "Wie Ihr wünscht." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)