Das Kind der Prophezeihung von DhalaElenaAngel ================================================================================ Kapitel 1: Der Tempel --------------------- Alles MEINS!! *irre lach* GAnz allein Meins! Meine kranke Fantasie, meine Idee, meine Charas... *mein saaaaaatz* *grin* Sprich, nix geklaut... Das Kind der Prophezeiung "Setzt euch, Mädchen." Die alte Frau mit den grauen Haaren wies den jungen Novizinnen in den blütenweißen, reinen Gewändern, sich zu ihren Füßen niederzulassen. Noch immer ent-stellte nicht eine Falte das glatte, sanfte Gesicht und die Augen der Frau strahlten eine seltene, natürliche Weisheit aus. Ihr ruhiger Blick wandelte prüfend über die Mädchen, es waren im Moment nicht viele, gut, das waren es nie, doch das es nur so wenige waren, war sehr, sehr selten. Nur fünf. Und sie alle bargen etwas besonderes in sich. Da war Ceylestra. Sie war ein kleines, schlankes Mädchen mit pechschwarzen, langen Haaren, die ihr feingeschnittenes Ge-sicht umrahmten. Sie war sanft, widersprach nie. Sie konnte sich in ihr Gegenüber hineinver-setzen, ob es nun ein Tier oder ein Mensch war. Deshalb war sie hierher gekommen, gegen den Willen ihres Vaters, einem der unzähligen Kriegsherrn, der sie hatte verheiraten wollen, um seine Macht zu vergrößern. Eines Tages war sie einfach regungslos vor den Tor des Tem-pels gestanden. Sie würde einmal eine große Bedeutung für den Tempel bekommen und die Hilfesuchenden beraten können, wenn ihre langjährige Ausbildung abgeschlossen war. Sie war eine der Wenigen, die kaum die Macht aus der Quelle nutzte. Neben Ceylestra hatte Me'natas Platz genommen, eine hochgewachsene junge Frau, die schon den blauen Novizengürtel trug, der besagte, dass sie bald entgültig geweiht werden würde. Schon als kleines Kind hatte sie durch ihren selten starken Willen die Kraft gehabt, das Mus-ter der Quelle für sich zu nutzen. Deshalb war sie von ihren Eltern zur Ausbildung in den Tempel gebracht worden. Sie selbst hatte sich schließlich entschlossen, sich weihen zu lassen und hier zu bleiben, um in die innersten Geheimnisse eingeweiht zu werden, die ihr sonst im-mer verschlossen geblieben währen. Schon sehr früh hatte sie sich für den Weg der Druidin, der Naturmagierin entschieden und sich auf das Heilen spezialisiert. Und schon jetzt hatte die junge Frau einen Ruf, der ihr weit voraus eilte. Aus vielen Teilen des Landes kamen Men-schen, um sich von ihr behandeln zu lassen. Der entschlossene Zug um ihren Mund wurde von den kinnlangen, braunen Haaren noch betont. Neben Me'natas saß ihr stummer Schatten, Galiriel. Das Mädchen war furchtbar scheu und verlor kaum je ein Wort. Sie verbarg ihr Gesicht zwischen ihren lockigen, dunkelbraunen, schulterlangen Haaren mit den schwarzen Strähnen. Doch sie hatte eine besondere Gabe: ihre Stimme. Ihr Gesang war einzigartig, sie wurde zur Bardin der Natur ausgebildet. Und obwohl noch mehrere Jahre der Ausbildung vor der Siebzehnjährigen lagen, vermochte ihre Stimme jetzt schon Pflanzen wachsen zu lassen, weswegen sie auch so viel mit Me'natas zusammen war, denn die nutzte die Gabe ihrer Gefährtin, um mehr Heilkräuter ziehen zu können. Die Zwei arbeiteten schon jetzt in vollkommener Symbiose. Neben den Beiden saß Keilestra, ihre farblosen Haare fielen ihr den schlanken Rücken herab, ihr blauer Gürtel umschlang die schlanke Taille. Das weiße Gewand hob sich von ihrer dunk-len Haut ab. Weil sie nicht dem typischen Charakter ihres alten Volkes entsprach, war sie aus ihrem Stamm verbannt worden. An ihr konnte man am deutlichsten wahrnehmen, wie sehr sich die Welt zu verändern begann. Sie verfügte kaum noch über die Magie der Alten, oder die Magie des Ursprungs, wie sie auch genannt wurde. Doch zum Ausgleich dafür beherrschte ihr Geist die Quelle perfekt, was den Ma'gola, wie jedem Ursprungsvolk eigentlich, wegen der anderen Struktur des Hirns, unmöglich sein sollte. Ja, die Welt befand sich wieder im Wandel. Bald würde auch das dritte Zeitalter enden und das vierte beginnen, sehr bald sogar schon. Die Priesterin wandte sich der jüngsten Novizin zu, die gleichzeitig ihr Problemkind war. Ai-deera saß, wie immer, etwas abseits von den Anderen und nicht im Schneidersitz, sondern mit angezogenen Beinen, die von ihren schlanken Armen umschlungen wurden. Das grünlich schimmernde Stirnband, das sie, seit sie hier war, nie abgenommen hatte, hielt die frei fallen-den, silbernen Haare, die geheimnisvoll grünlich zu leuchten schienen, aus dem feinen, ver-schlossenen Gesicht. Ihre intensiv grünen Augen waren wach auf ihre Umgebung gerichtet, sie wartete ab, wie immer. Niemand wusste, wer sie war, scheinbar nicht einmal sie selbst. Sie war vor einem halben Jahr einfach hier aufgetaucht, eingehüllt in einen fadenscheinigen Man-tel, mitten im Winter. Die Hohepriesterin hatte das Mädchen aufgenommen, als sich heraus-stellte, dass sie ungewöhnliche Kräfte besaß. Sie war der erste Mensch, den sie je gesehen hatte, der die alte Magie beherrschte, etwas, das genauso unmöglich war, wie die Tatsache, dass ein Mädchen aus dem alten Volk Zugriff auf die Quelle hatte. Und trotz der alten Magie konnte Aideera auch aus der Quelle schöpfen. Etwas Besonderes umgab dieses Kind, das sich so schwer tat, mit Menschen Kontakt zu knüpfen. Nicht einer der vielen Priesterinnen hatte sie sich je anvertraut. Die Priesterin setzte sich auf dem in einen Steinblock gemeißelten Stuhl und legte ihre Hände in den Schoß: "Schön, dass ihr jetzt alle da seid. Es ist das letzte Mal, dass wir zu Fünft sein werden, denn zwei von euch erhalten morgen, beim Fest der Natur, ihre entgültige Weihe. Darum werde ich noch einmal die Geschichte der Schöpfung erzählen. Prägt euch jede Ein-zelheit ein, denn vielleicht seid ihr es, die sie nach mir an die jungen Novizinnen weitergeben werdet." Die alte Frau in der grünen, fließenden Robe mit dem erdfarbenen Gürtel holte ein-mal tief Luft, dann begann sie: "Vor langer, unendlich langer Zeit, als dieser Planet noch nichts anderes war, als einkahler Stein in dem Weiten des Sternenfelds, beschloss die damals noch sehr junge aber doch schon unglaublich weise Göttin Gaya'anda, die Stille der Him-mel zu beenden. Sie wählte den verloschenen Stern Hallas'tas aus, um ihr Vorhaben umzusetzen. Sie zog ihn näher an eine der vielen Sonnen, die im Sternenfeld ihre Bahnen ziehen und be-fahl der Kugel, sich um diesem glühenden Stern zu drehen und gleichzeitig um sich selbst- So entstanden der Tag, die Nacht und die Jahreszeiten. So war es des Tags, warm, wenn sich der Planet der Sonne zuwandte und nachts kühlte er wider ab. Nach-dem Gaya'anda das getan hatte, nahm sie einen Samen aus dem ewigen Garten der Götter und setzte ihn ein. Doch er wollte nicht gedeihen. Weinend beobachtete die junge Göttin, was da geschah, noch ohne zu verstehen. Ihre Tränen füllten die stei-nernen Löcher des Planeten, versickerte dort, wo es schon weich Erde gab. Ihre salzigen Tränen wurden zu Meeren und noch immer sah sie keine Lösung. Erst nach vier Wochen erhob sich Gaya'anda. Ihr war eine Idee gekommen. Sie bat den Gärtner der Götterwelt, ihr das Geheimnis der Pflanzen zu verraten, doch dieser wollte das nicht preisgeben. Gaya'anda bot ihm etwas zu trinken und er nahm es, ohne zu ahnen, dass darin der Saft der Wahrheit aufgelöst war. Sie fragte den Mann noch einmal und er antwortete ihr: "Wie soll eine Pflanze gedeihen, ohne das süße Wasser der Götter? Auch du brauchst etwas zu Trinken, um dei-nen Durst zu stillen." Das sah die junge Göttin ein, sie nahm einen Beutel von dem Wasser und kehrte zurück zu ihrer Welt. Noch immer füllten ih-re Tränen über die Hälfte des Planeten und es gefiel ihr, wie die Meere blau gen Himmel leuchteten. Sie grub, nahe bei der Stelle, an der der Same in der Erde schlummerte, ein weiteres Loch, in das sie das süße Wasser fließen ließ und benetzte die Erde um den Samen ein wenig. Danach wartete sie, Stunde um Stunde, Tag um Tag. Und denn, nach einem Monat, geschah das Wunder. Der Spross steckte sein Köpfchen aus dem Erdreich. In-nerhalb weniger Monate wurde aus dem zarten Spross schließlich ein großer und starker Baum, der die verschiedensten Früchte trug. Sie nahm die Früchte und steckte die Samen in ihnen erneut in die Erde. Doch sie kam kaum hinterher mit dem Gießen, da es so unendlich viele waren. Sie überlegte sehr lange, was sie tun konnte, bevor ihr die rettende Idee kam: sie nahm, wie immer einen Beutel süßes Wasser mit sich, doch sie füllte es nicht, wie sonst in den Teich, der immer so rasch austrocknete, son-dern ließ der Wasser in ein Stück Götterwolle tropfen. Die ließ sie zwischen der Sonne und dem Planeten im Himmel schwe-ben. Das Wasser, das in der Wärme verdunstete, wurde von der Wolle eingefangen, bis diese so schwer und nass war, dass sie zu tropfen begann. Es regnete zum ersten Mal und der Himmel selbst goss die neuen Samen. Diese gediehen durch den regelmä-ßigen Regen und Gaya'anda brauchte nie wieder das Wasser der anderen Götter zu stehlen, da es nun nicht mehr einfach ver-schwand, sondern immer wiederkehrte. Mit unendlichem Stolz beobachtete sie, wie innerhalb der nächsten zwei Jahre die vorher noch tote Kugel mit dem blauen Wasser zu leben begann. Doch nicht nur sie erfreute sich an dem kräftigen Grün, das nun überall spross. Ein anderer Gott hatte sie die ganze Zeit bei ihrem tun beobachtet, Kerandasoll, der Krieger der Zeit. Nun, wo der Steinbrocken nicht mehr grau, sondern grün und blau strahlte, stieg er zu Gaya'anda herab, er hatte ein klei-nes Geschenk dabei: einen großen Fisch, der jedoch Luft zum Atmen brauchte und seine Kinder labend gebar. Er war trutz der grauen Farbe wunderschön und intelligent. Sie nannte ihn Del-phin. Er wartete nun immer auf sie, wenn sie zu ihrem Planeten kam, meist zusammen mit Kerandasoll, der ihr noch einen ande-ren, weiblichen Delphin machte. Diesmal als Hochzeitsgabe, die sie nur zu gern annahm. Nach ihrer Heirat beschlossen sie, den Planeten mit noch mehr wesen zu füllen, doch sie sollten nicht alle gleich aussehen. Und so entstanden sie, die vielen bunten Fische, die Algen und Korallen, die Meerigel und Seepferdchen. Die Tränenmeere begannen zu leben. Doch das Land war bis auf seine Pflanzen, die Bäume, das alles bedeckende Gras und die herrlichen, bunten Blumen völlig leer. Das brachte Kerandasoll auf eine Idee: Er formte ein Wesen, das aus vier Beinen laufen konnte und sich von den Fischen im Wasser ernähren konnte, sowie von den Früchten der Bäume, er schuf einen Drachen. Dem folgte viele andere Wesen, die Ein-hörner, die Bären, die Schlangen, die Greife, die Adler, die Wölfe. Die Beiden schufen ein empfindliches Gleichgewicht. Je-des Tier konnte überleben, wenn es sich an die Regeln hielt. Der Planet erwachte zu Leben, an Land und im Wasser. Doch beiden fehlte etwas. Die Tier waren glücklich, doch sie teilten nicht die Interessen ihrer Schöpfer. Und so formten sie zwei Wesen, die ihnen ähnelten. Doch nach einer Weile be-schlossen sie, diese noch ein Wenig zu verändern. Sie gaben ihnen spitz zulaufende Ohren und eine sehr helle Haut, sowie die Macht, die Welt um sich herum, die Elemente Feuer, Wasser, Wind und Erde zu beeinflussen. Damit diese ihre Kräfte nicht missbrauchten, schenkten sie ihnen auch noch die Gabe, mit ih-rer Umwelt zu reden und diese vollkommen zu begreifen. So ent-stand die erste Elfenfamilie, die im völligen Einklang mit der Natur um ihn herum lebte." Die Priesterin machte eine Pause. Sie ließ ihren Blick über ihre Schützlinge gleiten, sie alle hingen an ihren Lippen, um sich jedes Wort einzuprägen, die denen die Weihe bevorstand, sprachen leise mit, die jüngeren, die noch etwas Zeit hatte, prägten sich die uralten Worte immer tiefer ein. Wieder war es nur Aideera, die aus den Rahmen fiel. Sie hatte sich die ganze Zeit nicht geregt, ihre langen, glänzenden Wimpern verbargen die Augen, ihr Kopf lag auf ihren Beinen. Hatte sie zugehört, oder war sie gar eingeschlafen? Vorsichtig griff die Prieste-rin in Gedanken nach der Quelle, zog einen dünnen Strang und tastete nach dem Mädchen, doch sie konnte es nicht erreichen. Woher wusste sie, wie man sich abschirmte? Seufzend lehnte sie sich zurück und fuhr geduldig fort: "Das Volk der Elfen, das sich nun langsam vermehrte und auf der Welt verteilte, lebte im absoluten Einklang mit der Natur. Nur eine Gruppe war nicht zufrieden, sie wollte der Umgebung etwas zurückgeben und mit diesem reinen Wunsch traten sie ei-nes Tages vor die Göttin und ihren Gemahl. Diese belächelte den Wunsch, doch sie beschloss, den Wesen diesen Gefallen zu erweisen. Sie ließ die, die zu ihr gekommen waren, auf die Größe eines Daumens schrumpfen und schenkte ihnen die besonde-re Gabe des Fliegens, indem sie ihnen die verschiedensten Flü-gel formte. Als sie ihr Werk vollendet hatte, sprach sie: "So sei es denn, ich gewähre euch euren reinen Wunsch. Von nun an seid ihr keine Elfen mehr, sondern Cale'crad, die Geister des Planeten. Ihr werdet von nun an über meine Schöpfung, meine Wesen und Pflanzen wachen, über den Wind und das Feuer." Nachdem weitere tausend Jahre vergangen waren, beschloss Ker-danasoll eine neue Rasse zu erschaffen, die auch das Meer und die süßen Gewässer bewohnen sollten. Sie sollten ein Geschenk sein, ein Geschenk an den Sohn, den Gaya'anda ihm geboren hat-te. Er schuf Wesen mit einer dicken Haut, die auch dort leben konnten, wo die Sonne nicht stark genug war, das Wasser zu wärmen, ohne zu frieren und verlieh ihnen die Fähigkeit unter Wasser zu atmen. Und da sie sich auch von Früchten und nicht nur von Fischen ernähren sollten, schuf er neue Pflanzen für sie, die auch am Meeresgrund gediehen. Er gab ihnen ein weite-res Geschenk: solange ihre Haut nicht austrocknete konnten diese Geschöpfe auch an Land gehen, um die Pracht der Pflanzen zu bewundern. Dieses neue Volk nannte er, zu Ehren seines Soh-nes Gercoras die Gerdaas. So verging wieder ein Jahrtausend, die Wesen waren friedlich und hilfsbereit. Auch Gaya'andas zweiter Sohn, Locis'on, war nun erwachsen. Doch im Gegensatz zu seinem Bruder tobten in ihm zwei Seelen. Auf der einen Seite war ein schutzsuchendes Kind, das sich nach Liebe sehnte, doch auf der anderen Seite wollte er zerstören, was andere geschafften hatten. Ohne es zu wollen, übertrug er bei einem Besuch bei den Elfen einen Teil seines Wesens auf sie. Die, die davon betroffen waren, began-nen sich zu verändern. Ihre Geister begehrten gegen die natür-liche Ordnung auf, sie töteten, obwohl sie keinen Hunger hat-ten, rissen Pflanzen auf und töteten die Cala'crad, die sie an ihrem Tun hindern wollten. Gaya'anda war so betrübt, dass sie wieder begann, zu weinen und eine Flut überschwemmte einen Teil des Planeten, die Welt riss durch den Druck des Wassers in zwei Hälften. Erst ihr jüngstes Kind, ihre Tochter Aileen, konnte die Tränen der Mutter trocknen. Sie trennte die Elfen mit den zerrissenen Seelen von den reinen, damit nicht noch mehr infiziert werden konnten und zeichnete die Betroffenen mit einer dunklen Haut und farblosen Haaren. Dann brachte das Mädchen ihnen bei, ihre Seelen im Zaum zu halten und somit ihre Zerstörungswut wenigs-tens etwas zu kontrollieren. Doch trotz alledem war es mit dem Jahrtausende alten Frieden vorbei. Denn die Ma'golas, wie Ai-leen die Geschöpfe ihres Bruders von nun an nannte, konnten keinen Frieden halten. Erst, als Licis'on eine der Göttinnen aus dem Göttergarten heiratete, fand er durch sie seinen Frieden, denn Gal'aan war genauso sanft und gut, wie seine Mutter. In ihr fand er, was er so lange vergeblich gesucht hatte: innere Ruhe und Sicher-heit. Als seine Frau ihm schließlich eine Tochter gebar, be-schloss er, ein neues Volk für sie zu schaffen, ein Volk dass das Mädchen verehren sollte, er formte die Menschen. Wegen der unsteten und zerrissenen Seele seines Sohnes jedoch erlaubte Kerandasoll nicht, dass diese Wesen die alte Magie in ihre Brust eingepflanzt bekamen. Denn er wusste, dass jemand mit zerrissener Seele unmöglich etwas ganzes schaffen konnte. Er sah voraus, dass, hätte er den kurzlebigen Wesen die Macht der alten Völker übertragen, sie die Welt zerstört hätten. Denn er hatte immer noch vor Augen, was mit seinen so friedli-chen Elfen geschehen war. Nein, noch mehr zerstörerische Wesen hätte der Planet nicht verkraftet. Fellinahy sah jedoch die Ungerechtigkeit, die so entstanden war und sprach, als sie größer war, mit ihrem Großvater. Zwar sah sie ein, dass man ihrem Wesen schlecht die Macht über die Elemente verleihen konnte, aber vielleicht doch eine andere ungefährlichere, die auch nicht jeder beherrschen konnte. Die Idee gefiel Kerandasoll und so halfen er und seine Frau ihrer Enkelin, eine Quelle zu schaffen, die sie in einen Tempel brachten. Menschen mit klarem Willen sollten ein Netz aus der Energie der Quelle weben können, um Dinge zu ändern. Doch ge-nau diese Macht, die die Götter den Menschen gegeben hatte, war es, die sie schließlich eitel machte und sie begannen, sich gegenseitig zu bekämpfen. Sie zogen alle Wesen mit in ih-rem Krieg ein, verschonten nichts und niemanden. Die reinen Elfen und die Cale'crad wandten sich, zusammen mit den Gerdaas, an die Götter, die über sie wachen sollten. Die-se, selbst zutiefst betrübt, über das, was da auf ihrem Plane-ten geschah, rieten den Wesen, ihre Kräfte zu vereinen. Das taten sie schließlich. Die Elfen, die Cale'crad und die Gerdaas entfesselten in einer Zeremonie zusammen die zerstöre-rischen Kräfte in ihnen. Viele starben an diesem Tag, doch der Krieg wurde beendet, das erste Zeitalter, in dem die Götter noch häufig unter den Wesen weilten, hatte sein blutiges Ende gefunden. Doch aus dem blut und den Trümmern erhob sich ein neues Zeit-alter. Es begann still und friedlich, da die Überlebenden nicht noch einmal so eine Schlacht riskieren wollte und der Planet erholte sich langsam von seinen Wunden, die Wesen kehr-ten wieder, zahlreicher noch, als im letzten Zeitalter. Ai-leen, der Liebling ihrer weisen und mächtigen Mutter heiratete schließlich Meren'tas, einen jungen Gott aus einer fernen Ko-lonie. Er war ungewöhnlich gebildet und brachte den verschie-denen Völkern die Schrift, die jedoch nicht benutzt werden durfte, um das heilige Wissen niederzuschreiben. Erst ihre ge-meinsame Tochter, Kareen, schuf nach langer Zeit, ein neues Volk. Schon als Kind hatte sie die geschmeidigen, geschickten, katzenhaften Raubtiere geliebt, nun gab sie einigen von ihnen einen freien Willen und den aufrechten Gang. Die Kavit'taas entstanden. Die Menschen waren von dieser neuen Schöpfung alles Andere, als begeistert und versuchten, sie auszurotten. Doch Kareen beschützte ihre Wesen, sehr zum Zorn der eigenwilligen Felli-nahy, der die neuen Wesen ein Dorn im Auge waren, so wie Ka-reen, denn sie dachte, dass ihre Großeltern das sanfte Mädchen mehr mochten, als sie selbst, nur weil sie mit einer uneinigen Seele geboren worden war, so wie vorher schon ihr Vater. So zettelte sie einen Krieg zwischen den Völkern an, wobei das Volk ihres Vaters, die Ma'golas sich auf ihre Seite schlugen. Daraufhin ergriffen die anderen Urvölker jedoch Partei für Ka-reen. Und wieder brach ein blutiger, erbarmungsloser Krieg aus. Erneut mussten die reinen Wesen ihre Kräfte einen, ein weiteres Zeitalter, das friedlich begonnen hatte, versank im Blut. Gaya'anda, entsetzt über das Verhalten ihrer Nachkommen, be-strafte Fellinahy, die schuld war, am Tod so vieler Wesen und an der neuen Katastrophe. Denn das viele vergossene Blut hatte andere Götter angezogen, die ihre wilden Kreaturen, böse Dra-chen und andere, frei ließen, um weiteres Chaos zu stiften. Die weise Göttin vereinte daraufhin ihre Kräfte mit denen ih-res Mannes und sie schufen eine sicher Dimension für ihren Planeten, durch den andere Götter nicht dringen konnten. Die Bannung der grausamen Wesen läutete das Ende des kurzen, dritten Zeitalters ein, es herrschte wieder ein brüchiger Friede. Doch alle Völker misstrauten einander inzwischen, sie achteten auf jedes ihrer Worte, immer darum bemüht, ja nichts falsches zu sagen. Die Naturvölker zogen sich immer weiter zu-rück, in die tiefsten Meere und die dunkelsten Wälder. Und Gaya'anda wusste, es würde erneut zu grausamen Kriegen kommen, so, wie ihr bewusst war, dass ihre Kraft kein zweites Mal rei-chen würde, um eine sichere Zone für den Planeten zu schaffen, so dass er wenigstens vor den anderen Göttern sicher war. Sie zerbrach sich sehr lange den Kopf, doch dann kam ihr eine Lö-sung. Sie war des Blutes müde geworden, daher stellte sie die Wesen vor eine Wahl, besser gesagt, nicht die, sondern das We-sen. Sie gab den Priesterinnen der Natur, die fast nur aus Menschen bestanden, eine Prophezeiung: Einst wird ein Kind geboren werden, das so nicht geboren werden dürfte, das Kind einer Priesterin der Natur und einem Elf aus den Tiefen der Wälder von Ailendras. Dieses Kind, ausgestattet mit der vergangenen Macht und der neuen Stärke wird einst über das Schicksal aller zu entscheiden haben. Es wird sich entscheiden müssen, denn dieses Kind wird es sein, das entweder das Licht oder die Dunkelheit in die Welt bringen wird. Und kein Sterbliches Wesen wird in der Lage sein, zu verhindern, dass dieses Kind lebt. Sie machte acht magische Gegenstände zu einem Teil dieser Pro-phezeiung: die drei Tränen der Eleya, den Stab des Caleron zu-sammen mit seinem verlorenen Teil, dem Amulett der Erinnerung, der Kette der Kontrolle, dem Reif der Winde und dem Schwert der Hoffnung. All diese Gegenstände musste dieses Kind zusam-mentragen, denn nur so konnte es seine Macht bis zu der Stufe steigern, die es brauchen würde. Viele Wesen waren hinter die-sen einmaligen Schätzen her, um ihre Macht zu vergrößern und sie sind es bis jetzt noch. Sie töteten jedes Mischkind, das die Geburt überlebte, um zu verhindern, dass dieses Kind kom-men und wohlmöglich ihre Macht brechen könnte. Um ihre Pläne nicht zu gefährden, fügte Gaya'anda der Prophezeiung einen weiteren Absatz hinzu: So willst du, der diese Dinge an sich bringt, die Macht. Doch nicht du kannst die Macht der Gegenstände vereinen. Nur ein Wesen wird es geben, das je dazu in der Lage sein wird. Es wird das prophezeite Kind sein. Und an diesem Kind ist es, die Entscheidung zu treffen, wem es dienen wird. Entscheidet es sich, dem Dunkel zu dienen, so werden die magischen Ge-genstände die Mauer, die die Dimensionen voneinander trennt, niederreißen und dem Herrn des Kindes wird ein Heer erstellt werden, das alles nieder-machen wird, das sich ihm in den Weg stellt. Entscheidet sich dieses Kind aber für die Seite des Lichts, so werden die Dimensionen sich für immer trennen. Doch egal, wie sich dieses Kind entscheidet, ist es körperlich nicht völlig unversehrt und frei von fließendem Blut, so wird es die Zeremonie nicht überleben. So machte sie den Wesen klar, dass ihre Geduld mit ihnen am Ende war. Sie stellte sie nur noch vor eine Wahl: entweder sie besserten sich, oder sie würde alles, was sie geschafften hat-te, rücksichtslos zerstören." Die alte Priesterin sah auf. Ihre Geschichte war beendet. Die älteren Novizinnen nickten leicht, die jüngeren schlossen ihre Augen, um zu verarbeiten, was sie gehört hatten. Nur Ai-deera sah sie an, unverwandt und fragend. "Ja, Aideera?" Das Mädchen legte ihren Kopf leicht schief: "Das prophezeite Kind bedeutet also wieder einmal Untergang, nicht wahr? Wann wird es soweit sein?" Die Priesterin schluckte. Sie hatte sich noch nie mit diesem Thema befasst, doch sie ahnte, wie nah die Katastrophe inzwischen stand. All die Dinge, die im Moment geschahen, die El-fen, Cale'crad und Ma'golas, die ihre Kräfte langsam verloren und nicht mehr in der Lage waren, sich fortzupflanzen, die vielen verunstalteten Kinder, die als Mischwesen das Licht der Welt erblickten, um sofort wieder zu sterben, deutete das nicht auf das nahende Ende hin? Doch sie wollte dem Kind keine Angst machen: "Das weiß nur die Göttin allein, Aideera. Vielleicht geschieht noch heute etwas, vielleicht erst in vielen tausend Jahren. Denn alle ver-suchen, die Geburt des Kindes zu verhindern, glaube mir." " Die Göttin sagte doch, dass es nicht verhindert werden kann." "Ja, aber rausgezögert." Die Priesterin beobachtete das Mädchen, das sich die Haare hinter die Schultern strich. In ihrem Kopf arbeitete es immer noch. Doch sie sagte nichts mehr, also er-hob die Alte sich: "Das war's dann für heute. Geht zu euren Lehrern." Vier der Mädchen erhoben sich, nur Aideera blieb sitzen. Sie hatte noch keine feste Lehrerin und keinen Weg. Denn weder das Heilen noch das Singen oder die Kunst der Hellseherei konnten sie lange genug fesseln, um es zu ihrer Lebensaufgabe zu machen. Was sie in ihrer freien Zeit machte, wusste niemand und sie sagte es nicht, sie schwieg konsequent. Da sie neu war und sich nur so schwer eingewöhnte, ließ man sie erst einmal in Ruhe. Die Priesterin hat-te sich jedoch vorgenommen, das Mädchen aufzutauen: "Kind, hilfst du mir?" Da erhob das Mädchen sich grazil. Sie wirkte fast wie eine Elfe, mit ihrer Größe von etwas über einem Meter siebzig und ihrem feinen Knochenbau. Ihre Haut war fast durchscheinend weiß und nahm kaum Farbe an, nicht einmal nach Stunden in der Sonne. Erneut strich sie ihre silbernen Haare zurück. Woher stammte diese Farbe bloß? Sie hatte in ihrem ganzen, nun schon dreihundertjährigen Leben noch nicht so eine Farbe bei einem Menschen gesehen! Und die Augen, so klar und tief und doch so undurchdringlich! Das Mädchen lief neben ihr her, wobei ihr Gehen eher einem Tanz glich, den sie zwar noch sehr eckig, aber unglaublich ästhe-tisch ausführte. Bei jeder ihrer Bewegungen klirrte die feine, silberfarbene Kette, an der klei-ne Edelsteine aneinander schlugen und den feinen Ton erzeugten, der das Mädchen seit ihrer Ankunft umgab. Eine ähnliche Kette meinte sie schon einmal gesehen zu haben, vor gar nicht so langer Zeit. Es gab wirklich seltsame Zufälle. Die Wege der Göttin waren verschlungen und nicht für den Verstand der Sterblichen zu begreifen. Die Priesterin hatte gelernt, zu ak-zeptieren, schon vor langer Zeit. "Was machen wir Was'ra'ta?" Die Priesterin deutete zu der efeuüberwucherten, alten Mauer: "Wir werden die Gräber der Priesterinnen vor uns pflegen. Sie haben es bitte nötig." Keine Regung kam von dem unge-wöhnlich fein geschnittenen Gesicht, das sie wie eine schützende Maske trug, um niemandem zu zeigen, was sie empfand, als sie das schmiedeeiserne Tor passierten. Ohne Aufforderung lief Aideera zu dem kleinen Brunnen und füllte die vier hölzernen Gießkannen mit Wasser, dann nahm sie zwei von ihnen auf und folgte der Alten. Ohne es sich anmerken zu lassen, lies Aideera ihren geschulten, scharfen Blick über das Feld der Endlichkeit gleiten. Sie hatte schon viel davon gehört, es jedoch noch nie gesehen. Es war von einer hohen, schützenden Mauer aus Kalksteinen umgeben, die das Feld vor den Blicken der fremden Pilgerer schützen sollte. Denn kein unwissendes Auge durfte die Gräber mit ih-ren Blicken schänden. Es wäre Frevel. Sie lief langsam die gepflegten Kieswege hinter der alten Priesterin her, deren Haare schon ergrauten, während sie aufmerksam die Grabinschrif-ten überflog. Hier lagen viele Frauen, deren Taten weithin bekannt und deren Fähigkeiten überall gelobt worden waren. Einige der Gräber gehörten sogar noch zum zweiten Zeitalter und immer noch strahlten die dazugehörigen Marmorsteine weiß, so, als ob das Wetter ihnen nichts anhaben konnte. Schließlich blieb die Priesterin stehen. Sie wartete, bis Aideera sie erreicht hatte und deutete ihr, das Wasser abzustellen. Dann kniete die Frau nieder und be-gann an dem Grab, vor dem sie stand, das Moos, das den prächtigen Blumen den Atem nah-men, auszureißen und aufzuschlichten. Das wurde später getrocknet und für medizinische Zwecke gebraucht, denn dieses Moos brachte das Blut tiefer Wunden zum Stillstand. Wortlos machte auch Aideera sich an diese Arbeit, während sie das Grab betrachtete. Nur sehr edle und seltene Blumen wuchsen darauf, der Stein war aufwendig gearbeitet. Sie betrachtete die feine Inschrift: Ihr Körper kehrt nun zurück zu ihrer Mutter Der sie über fünfhundert Jahre treu und unablässig diente Haleta Gadas, im Segen der Göttin Heilerin der höchsten Stufe und Trägerin des Geheimen Wissens Die Alte musste ihrem Blick gefolgt sein, denn sie sagte milde: "Das war bis vor drei Jahren die Hohepriesterin dieses Heiligtums. Sie war eine gute und umgängliche, wenn auch sehr strenge Frau, die von vielen gefürchtet wurde. Und doch kamen sie alle, um sich von ihr bera-ten zu lassen. Aber dann, vor ich weiß nicht genau, ich glaube vor etwa vierzehn Jahren be-gann sie sich zu ändern. Ihr Geist verdunkelte sich, sie kam lange vor ihrem Körper in eine andere Welt. Es muss für sie eine Erlösung gewesen sein, als sie starb, denn nur die Maschi-nen und die Magie in ihr hielten sie am Leben." Aideera deutete mit einem knappen nicken an, dass sie verstanden hatte, doch es interessierte sie nicht, wer die Frau gewesen war. Es war etwas anderes, tief in ihr, ein Abscheu gegen die Frau, die sie doch nie zuvor gesehen hatte! Der Name allein ließ sie Gift und Galle spucken. Doch warum? Warum konnte sie nicht sein, wie jeder andere auch? Einfach nur ein Mensch? Sie fuhr sich über das Stirnband, das sie seit ihrer Ankunft hier nicht mehr abgenommen hatte. Es schützte ihr Geheimnis - noch. Zum Glück war es noch eine sehr lange Zeit, die bis zu ihrer Weihe verstreichen musste. Sie verteilte etwas von dem Wasser über den durstigen Pflanzen und richtete ihre Augen in den strahlend blauen Himmel über sich. "Kind, kommst du?" Stumm griff Aideera wieder nach den Eimern und folgte der Priesterin. Sie arbeiteten sich schweigend durch zwölf weitere Gräber, bis hin zum Rande des Weges. Sie sah an sich herun-ter und stellte fest, dass ihr Gewand braun von Erde war. Sie klopfte das Gröbste heraus, wo-bei ihr Blick über den freien Platz glitt, Nanu, was....? "Was ist das da für ein Grab? Und warum ist es außerhalb der geweihten Erde?" Die Priesterin folgte ihrem Blick, dann winkte sie ihr, ihr zu folgen. Das Grab war nicht, wie die Anderen, mit Blumen geschmückt, nur ein dichter Grasteppich wuchs darauf Der Stein verschwand fast zwischen den Ranken des Efeus, der ihn wie eine Umarmung umfing. Ein seltsames Gefühl durchströmte Aideeras Körper. So etwas hatte sie noch nie empfunden! Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals, ihre Beine wollten sie auf einmal nicht mehr tragen, in ihrem Magen schien ein Stein zu liegen, der sie erbarmungslos auf die Knie drückte. Doch es war keine Magie, die sie dazu zwang, es war etwas in ihr, etwas, das mehr wusste, als sie selbst. Hastig fuhr sie mit ihrer Hand durch das Gras, damit die Frau nicht merkte, was mit ihr ge-schah. Sie trennte den Efeu sanft von dem Grabstein, auf dem nur wenige Worte standen: Möge die Göttin ihr verzeihen, denn das liegt nicht in unserer Hand auf das sie trotz ihrer Schuld Friede finde Das war es, nicht einmal ein Name stand da, so, als wolle man die Frau darunter ausradieren und sie vergessen machen. Grausam. Nur so konnte man das hier nennen. Die sanfte Stimme im Hintergrund erklärte es ihr. "Das ist eine sehr traurige Geschichte, doch wir haben Zeit, wir sind mit den Gräbern für heu-te fertig, ich werde sie dir erzählen. Hier liegt eine junge Priesterin, die zu der Zeit starb, als die Hohepriesterin begann, sich in ihrem Wahn zu verlieren. Das war eine seltsame Geschich-te. Sich kannte das Mädchen, ich habe sie ausgebildet, sie war noch so jung! Sie wurde schon als Vierjährige von ihren Eltern zu uns gebracht, aufgrund einer Weissagung an ihrer Wiege. Es wurde den Eltern gesagt, dass dieses Kind der Mutter gehöre. Sie trug ihr Zeichen. Wir nahmen sie auf, ohne weiter zu fragen. Ich habe viele Stunden mit ihr verbracht, sie war auf-geschlossen und wurde jeden Tag hübscher. Sie war die Erste und Einzige, die schon im zar-ten Alter von sechzehn Jahren die Entgültige Weihe erhielt und war der Liebling aller. Doch dann verschwand sie, spurlos! Niemand wusste, was mit ihr geschehen war, doch fünf Jahre später kam sie zurück - schwanger. Und uns Priesterinnen ist es nicht erlaubt, gegen dieses Gebot zu verstoßen. Wir sollen nur für die Göttin da sein. Kein Mann und kein Kind darf uns von diesen Pflichten ablenken. Sie hatte schon ihre Wehen, als sie eintraf. Ich habe sie auch nur kurz gesehen. Sie wurde auf die Krankenstation gebracht und von einem totgeborenen Kind entbunden. Eine meiner dama-ligen Schülerinnen, die nach dem Ereignis aus dem Tempel austrat, behauptete damals, in einer Vision gesehen zu haben, dass es das prophezeite Kind war, es hätte Elfenohren gehabt. Doch da es tot geboren worden war, war das natürlich dumm. Die Priesterin starb, als man ihr sagte, dass das Kind tot war, sie ertrug den Schmerz nicht mehr. Wir wissen nicht, was all die Jahre geschehen ist, ob sie freiwillig einem Mann folgte, oder er sie zwang. Aber da sie einmal hier diente, wollten wir sie auch hier begraben." Aideera stellte erstaunt fest, dass ihr Gesicht feucht war - sie weinte! Nicht eines der anderen Gräber hatte etwas in ihr erweckt, nur das hier und das der Hohepriesterin! Wo? Wo war der Zusammenhang? Warum reagierte sie nur so? All das verstand sie einfach nicht! "Komm jetzt, wir müssen uns beeilen, die Abendandacht beginnt gleich." Der sanfte, monotone Singsang des Chores flog stetig zur gläsernen Kuppel, die von den schneeweißen, mit Efeu umrankten Säulen gehalten wurde. Kerzen, echte, keine künstlichen, spendeten Licht und Wärme. Das Wachs tropfte wie die Kugeln des Zeitrads, langsam und unaufhaltsam die Halter herab, bis sie schließlich erstarrten zu abstrusen, seltsamen Gebilden. Die Statue der Göttin strahlte eine unendliche Ruhe aus und doch konnte Aideera sich, zum ersten Mal, seit sie hier war, nicht auf das Gebet konzentrieren. Zu sehr beschäftigte sie dieses abgeschiedene, namenlose Grab und die Geschichte der armen Priesterin, die so ungewöhn-lich jung hatte sterben müssen und, wenn man der Erklärung der alten Priesterin glauben konnte, wollen. War das die Strafe der Göttin für den Verrat der Frau gewesen? Nein sicher nicht. Es schien ihr eher wie eine Gnade, denn so hatte die Mutter dem Kind folgen können, ohne trauern zu müssen oder den Spott anderer zu ertragen, wegen der angeblichen Schande. Doch wie war es gewesen? Hatte die Priesterin sich dem Mann angeschlossen oder hatte er sie geraubt und ihr Gewalt angetan? Was spielte das inzwischen schon noch für eine Rolle? Die Frau war tot. Auf einmal veränderte sich vor ihren Augen die Statue. Die steinernen Haare wurden braun und lockig, die braunen Augen schienen sie direkt anzustrahlen. Das ganze Gesicht war mit einer unglaublichen Liebe angefüllt, die alles um sich herum erstrahlen ließ, weit heller, als die Kerzen dazu im Stande waren. Doch das Bild - es war falsch! Die Göttin war blond! Ihre Haare hingen gerade herab und sie hatte blaue Augen! Was sollte das? Aideera blinzelte, das Bild verschwand, wie es erschienen war, plötzlich und unerwartet. Sicher hatte sie sich das nur wieder eingebildet. Sie riss sich mühsam zusammen und versuchte, dem zu folgen, was die Hohepriesterin gerade sprach, doch sie bekam nichts mit. Hätte man sie an dem Tag aus-gefragt, sie wäre durchgefallen, so sehr beherrschte die unbekannte Tote in ihrem erbärmli-chen Grab ihre Gedanken. Nicht einmal ihren Namen wusste sie und sie ahnte, dass niemand ihn mehr nennen würde. Nie mehr. Auf einmal begriff sie auch ihre Gefühle an dem anderen Grabstein. Sicher war die es gewesen, die die arme Priesterin in das verlasse Eck hatte setzen lassen! Das war gewiss nicht im Sinne der Göttin gewesen! Oder? Nein, es hieß, die Göttin wäre gnädig, sie hätte verziehen. Im Gegensatz zu den verbohrten Menschen, die nicht über ihre eigene Nasenspitze hinaussehen konnten. Und sie fasste einen Beschluss: von diesem Tage an würde sie das Grab der Unbekannten Pflegen. Auch auf ihm sollten Blumen sprießen, dafür würde sie schon Sorge tragen! Doch das alles klärte immer noch nicht die Gefühle, die sie niedergedrückt hatten! Das war Trauer gewesen! Sie hatte geweint! Wusste ihr Körper etwa etwas, das sie nicht sah? Wieder einmal wünschte sie sich, zu verstehen, wer sie war und warum sie existierte. Würde sie je eine Antwort erhalten? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)