Magenta I von Maginisha (Willkommen in der World of Warcraft) ================================================================================ Kapitel 10: Verflucht --------------------- „Ich kann immer noch nicht glauben, dass alles, was er vom Bürgermeister gefordert hat, diese mickrigen, kleinen Pflanze war.“ Schakal zog sich seine Kapuze tiefer über die Ohren, denn es hatte zu regnen begonnen. „Du vergessen?“, antwortete Abumoaham fröhlich und schwenkte den Beutel mit der kleinen, weißen Blume durch die Luft. „Tilloaträne sein, warum wir gekommen nach Duskwood.“ „Eigentlich hätten wir überhaupt nichts verdient.“, schimpfte Risingsun und legte die Stirn in strenge Falten. „Schließlich waren wir es…“ Also eigentlich warst du es, dachte Magenta, die die ständigen Moralpredigten gründlich satt hatte. Wir wissen jetzt inzwischen alle, dass wir für den Mist verantwortlich waren. Aber wenn ich es noch einmal höre, fang ich an zu schreien. Ärgerlich beschleunigte die junge Hexenmeisterin ihre Schritte. All das wäre nicht passiert, wenn Abumoaham nicht diese kleinen, praktischen Runenplättchen ausgegangen wären, mit denen er ihnen ein Portal in das heimelige Wärme versprechende Stormwind hätte öffnen können. Das einzig Gute, dass Magenta an ihrer momentanen Situation finden konnte, war, dass sie Duskwood den Rücken gekehrt hatten. Statt von Spinnen umwobene Büsche und von Untoten und andere widerwärtigen Kreaturen bevölkerte Wälder um sich zu haben, blickte sie jetzt rechts und links des Weges auf braunroten Sandstein, der sich zwar ob des Regens in eine Schlammlandschaft verwandelte, ansonsten aber etwas freundlicher wirkte. Dieser Landstrich im Norden von Duskwood war das Redrigde-Gebirge, in dem sich Emanuelle laut eigener Auskunft wie in ihrer Westentasche auskannte. Sie war es auch, die vorgeschlagen hatte, die Nacht im Gasthaus von Lakeshire zu verbringen, einem kleinen, verschlafenen Ort der, wie der Name versprach, an einem großen See lag. Die Gastwirtin, eine kräftige, blonde Frau, klatschte eilfertig in die Hände, als die Abenteurer eintraten. „Wental!“, rief sie einem Mann hinter dem Tresen zu. „Bring Bier und Wein für unsere Gäste. Und sag dem Koch, er soll den Kessel noch einmal anheizen. Darcy! Teller und Brot!“ Eine junge Kellnerin kam herbei und brachte das Gewünschte. Dabei sang sie die ganze Zeit vor sich hin und trug ein derart strahlendes Lächeln auf den Lippen, dass Magenta sich ernsthaft fragte, was für Zutaten sie einem hier wohl ins Essen mischten um eine solche Wirkung zu erzielen. Kaum hatten sie sich jedoch an einen der Tische gesetzt, fuhr Risingsun plötzlich mit einem spitzen Schrei wieder hoch. „NEHMT DAS DING WEG!“, kreischte sie und wies mit ausgestrecktem Finger auf eine kleine, graugetigerte Katze, die der Wirtin um die Beine strich. „Was ist denn mit Narnie?“, fragte die Wirtin erstaunt und nahm ihr Haustier auf den Arm. „Sicherlich, sie fängt nicht besonders viele Mäuse, aber das würde ich bei unserer Küche auch nicht tun. Unser Redrigde-Gulasch ist über die Grenzen hinweg berühmt.“ „Das stimmt.“, bemerkte Emmanuelle mit verzücktem Gesicht. „Ich kann zwar nicht kochen, aber ich würde mir nie eine Portion entgehen lassen.“ „Seht mal.“, sagte Bladewarrior. „Rising wird ganz rot im Gesicht. Was sie wohl hat?“ Anstelle einer Antwort taumelte die Paladina ein paar Schritte quer durch den Raum und stürzte dann hustend und röchelnd nach draußen. Alarmiert eilten die anderen ihr nach. Abumoaham konnte Risingsun gerade noch auffangen, bevor sie halb bewusstlos im Uferschlamm des Sees zusammenbrach. So schnell er konnte, holte er ein Fläschchen aus seinem Rucksack hervor und flößte es der jungen Frau ein, deren Gesichtsfarbe sich inzwischen in leichtes Violett gewandelt hatte. Bange Augeblicke lang geschah gar nichts, dann begann sie wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft zu schnappen. Gierig sogen ihre Lungen die nasskalte Nachtluft ein, während sich ein erleichtertes Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete. „Ihr habt mir das Leben gerettet.“, hauchte sie Abumoaham zu und feine, silberne Tränen begannen sich in ihren Augenwinkeln zu bilden. „Das ist nichts Besonderes, das macht er öfter.“, warf Magenta ein, aber niemand beachtete sie. „Ein Hoch auf unseren Meister-Alchimisten.“, jubelte Emmanuelle und warf überschwänglich die Arme in die Luft. „Hurra!“ „Das müssen wir feiern!“, rief auch Bladewarrior. „Genau. Am besten mit einer Menge Bier. Da drinnen.“, brummte Schakal und wollte schon wieder zurück ins Gasthaus gehen. „In dieses verseuchte Ding setzte ich nicht einen Fuß mehr.“, beschwerte sich Risingsun und machte dabei allerdings keinerlei Anstalten, sich aus Abumoahams Armen zu erheben. „Dort drin ist alles voller KATZENHAARE!“ „Was soll daran so schlimm sein?“, meckerte Magenta, der das Regenwasser bereits in kleinen Bächen den Rücken hinter zu laufen begann. „Ich bin allergisch gegen diese kleinen, stinkenden Flohfänger.“, entgegnete Risingsun entrüstet. „Willst du etwa meine Gesundheit aufs Spiel setzten, nur damit du es warm und trocken hast?“ Magenta war ernsthaft in Versuchung, auf diese Frage zu antworten. Doch dann stöhnte sie nur leise und ging ihr Gepäck holen. Mit einer gemütlichen Nacht in einem warmen, trockenen Bett würde es jetzt wohl nichts werden. Ebenso wenig wie mit einem Abendbrot und der Klärung der Frage, warum die Kellnerin so gute Laune hatte. Doch während Magenta wütend einen Ersatzumhang aus ihrer Tasche zu zerren versuchte, trat eben diese Kellnerin auf sie zu. Darcy spielte nervös mit ihrer Schürze und schlug die Augen nieder, als Magenta sie bemerkte. „Ihr reist schon wieder ab?“, fragte sie schüchtern „Nicht freiwillig.“, murmelte Magenta grimmig. „Warum?“ „Ich habe mich gefragt…also würdest Ihr vielleicht…also…“, stotterte die Kellnerin und wurde fast ebenso rot wie Risingsun vor ein paar Minuten. Ich werde es bereuen, dachte Magenta noch, bevor sie sagte: „Kann ich Euch irgendwie helfen?“ Darcy begann zu strahlen. „Nun ja, wisst ihr, ich habe heute ein Mittagessen für die Wache Parker zubereitet, aber er ist gerade auf Patrouille unterwegs. Wisst ihr, er ist groß und stark - so wie Euer Begleiter - und noch dazu ein Wache von Stormwind und ich bin doch nur eine einfache Dorfbewohnerin, also hab ich mir gedacht…“ „Ich könnte ihm das Essen ja vorbeibringen.“, beendete Magenta ihren Satz. Sie hatte ja gewusst, dass sie die Frage bereuen würde. „Würdet Ihr das für mich tun?“, fragte die junge Kellnerin mit leuchtenden Augen. „Ihr seid so viel mutiger als ich!“ „Jaja.“, murmelte Magenta verlegen. „Stellt den Topf da hin, ich nehm ihn nachher mit.“ Darcy quietschte noch einmal einen Dank, stellte gehorsam einen kleinen Blechtopf auf den Tisch neben Magentas Gepäck und hüpfte dann in Richtung der Küche davon. „Ich denke, du machst keine Botengänge.“, meldete sich eine verstimmte Kreatur, die sich in der letzten Zeit sehr vernachlässigt vorkam. „Woher der Sinneswandel?“ Magenta musterte Pizkol, der es sich vor dem Kaminfeuer gemütlich gemacht hatte. „Naja, soll ich vielleicht ´Nein` sagen?“ „Das wäre angebracht.“, stimmte er zu. „Immerhin bist du eine Hexenmeisterin. So etwas ist unter deiner Würde.“ „Ja aber…“, begann Magenta. “Was?“, fauchte der Wichtel. „Sie war ja so nett?“ Er sprach das Wort aus, als wäre es etwas Unanständiges. Magenta rang nach Worten, fand jedoch keine. Vor ihrem geistigen Auge erschien mit einem Mal ein Bild, wie sie mit einer weißen Schürze am Herd einer kleinen, behaglich eingerichteten Küche stand. Die Tür ging auf und Bladewarrior betrat heldenhaft das Haus. Er ließ einen Haufen blutige Ogerköpfe auf den Boden fallen, sah unverschämt gut aus und rief: Bin da, wer noch? Magenta warf augenblicklich Geschirrtuch und Kochlöffel von sich, schwebte durch den Raum und warf sich dem Hünen an die breite Brust. Eng umschlungen versanken die beiden in einem langen… Energisch schüttelte Magenta den Kopf. Niemals! Pizkol hatte Recht. Sie war eine Hexenmeisterin, sie brauchte solchen Unsinn nicht. Ärgerlich über sich und die alberne Kellnerin stopfte sie ihr restliches Habe in ihren Rucksack und stürmte aus der Gaststube. Auf dem Tisch ließ sie einen kleinen Blechtopf zurück. Als die Tür hinter ihr zuschlug, trat eine gedrungene Gestalt aus den Schatten neben dem Kamin. Sie lüftete den Deckel des Topfes und ein köstlicher Geruch begann sich im Raum auszubreiten. Schakal schnupperte andächtig. „Da ist eindeutig Spinnenfleisch drin.“, murmelte der Zwerg. „Nur das andere ist schwer zu identifizieren. Ich muss mir dringend mal das Rezept besorgen.“ Damit schloss er den Deckel wieder und verstaute den Topf in seinem Gepäck, bevor er den anderen in die regnerische Nacht folgte. „Es ist wirklich zu schade.“, zwitscherte Emmanuelle, von der Magenta aufgrund des immer heftiger werdenden Regens nunmehr einen Schatten vor sich erkennen konnte. „Ich hätte euch zu gerne einmal die Burg Steinwacht gezeigt. Die Aussicht von den Zinnen der obersten Türme ist wirklich malerisch. Man kann das ganze Tal überblicken.“ „Ich gehört, dort Orks.“, warf Abumoaham ein, während Magenta eigentlich nur feststellen konnte, dass es im Moment nichts gab, was sie weniger interessierte, als die Aussicht von irgendeinem dämlichen Schloss. „Jaah schon.“, gab Emmanuelle zu. „Aber es ist ein Kopfgeld auf ihren Anführer Gath'llzogg ausgesetzt. Das hätte man ja eventuell noch einstreichen können, falls man ihm zufällig begegnet wäre.“ „Zufällig!“, schnaubte Magenta und war sich nicht sicher, ob sie darüber noch lachen konnte oder nicht. Immerhin hätte sie inzwischen in ihren Schuhen ein öffentliches Schwimmbad errichten können und auch der Rest von ihr war nicht trockener als ein frisch gefangener Matschflossenschnapper. „Seht mal, dort kommt jemand.“, sagte Risingsun und deutete auf eine Gestalt, die sich ihnen näherte. Als ihre Umrisse deutlicher wurden, erkannte man eine der Wachen im Wappen von Stormwind. „Halt, wer da?“, rief der Mann und zückte sein Schwert. Die Situation roch nach Ärger. „Lasst mich das regeln.“, sagte Schakal und winkte den anderen weiter zu gehen. Zögernd kamen sie seiner Aufforderung nach. „Das war bestimmt Parker.“, flüsterte Magenta Pizkol zu. „Ich frage mich, was Schakal von ihm will.“ „Das kann dir egal sein.“, tadelte der Wichtel streng. „Also wir müssen wirklich einmal an dieser krankhaften Neugier arbeiten.“ „Ich bin nicht neugierig.“, murmelte Magenta beleidigt. „Ich will nur alles wissen.“ Kurze Zeit später tauchte Schakal wie aus dem Boden gewachsen wieder hinter ihnen auf. Seine Finger glitten über den Geldbeutel an seinem Gürtel und ein Lächeln zog sein bärtiges Gesicht in die Breite. „So, alles geklärt.“, verkündete er fröhlich. „Was hast du gemacht?“, fragte Magenta sofort und handelte sich damit einen strafenden Blick von Pizkol ein, den sie sorglos ignorierte. „Ich habe dem guten Mann ein Angebot gemacht, das er nicht ausschlagen konnte.“, erklärte Schakal mit zufriedenem Gesichtsausdruck. „Manche Dinge lassen sich so viel schneller regeln.“ „Du hast ihn bestochen?“, entrüstete sich Risingsun. „Aber warum? Wir sind harmlose Wanderer auf dem Weg nach Stormwind.“ „Harmlos, eh?“, machte Schakal. „Sicherlich, eine voll bewaffnete Truppe, die mitten in der Nacht im strömenden Regen durch die Gegend schleicht. Glaub mir Schätzchen, in diesen Zeiten kannst du schon für weniger ins Kittchen wandern. Ich habe die Klärung dieser Angelegenheit lediglich etwas beschleunigt.“ „Und womit?“, fragte Risingsun argwöhnisch. „Eine Wache sollte sich nicht durch Gold und Tand von ihren Aufgaben abbringen lassen.“ „Das nicht, aber vielleicht durch eine Portion Redridge-Gulasch zu einem sagenhaft günstigen Preis.“, grinste Schakal. „Und sogar noch warm.“ Risingsun warf Magenta einen schrägen Blick zu. „Naja, vielleicht ist es ganz gut, dass du das mit der Wache geregelt hast. Womöglich wären wir wegen Verbrüderung mit Dämonen noch des Hochverrates angeklagt worden.“ Das eine oder andere angedeutete Nickten und zustimmende Murmeln antwortete der Paladina, die dies mit einem triumphierenden Blick zur Kenntnis nahm. Ohne Magenta noch weiter zu beachten, stolzierte die blonde Frau an ihr vorbei. Magenta schwante zwar, woher Schakal das Abendbrot hatte, sie sagte aber nichts. Innerlich ärgerte sie sich jedoch, dass sie nicht diejenige gewesen war, die die Wache auf ihre Seite gezogen hatte. Immerhin hatte sie das Gulasch von Darcy bekommen. Aber ich wollte es ja nicht haben, dachte sie finster. Und jetzt bin ich quasi auch noch Schuld, dass wir hier draußen herum irren, obwohl ja die Frau Paladin es war, die sich mit der Wahl ihrer Unterkunft so angestellt hat. Irgendwas läuft hier ganz gewaltig falsch. Es blieb ihr jedoch nicht viel mehr übrig, als ihren Groll hinunter zu schlucken und tapfer hinter den anderen her durch den Schlamm zu waten. Erst weit nach Mitternacht tauchte am Rande des Weges ein Licht auf. Hoffnungsvoll folgten die Wanderer ihm und nahmen mit Erstaunen wahr, dass es sich beim Näherkommen immer weiter in die Höhe schraubte. Schließlich standen sie vor einem großen, steinernen Turm, an dessen oberen Ende sich einige hell erleuchtete Fenster befanden. Kurzentschlossen klopften sie an das aus schweren Eichenbohlen gefertigten Tor am Fuß des Turmes und ein finster drein blickender Gnom öffnete ihnen. „Was wollt ihr hier?“, blaffte er sie an. „Die Studien in diesem Turm dürfen nicht gestört werden.“ „Wir suchen eine Unterkunft für die Nacht.“, erklärte Risingsun freundlich. „Wie nehmen niemanden auf.“, erwiderte der Gnom und wollte die Tür schon wieder schließen, als eine Stimme von drinnen erklang. „Haben wir Gäste?“ Der Gnom rollte mit den Augen. „Ja, Mylady. Ein Haufen völlig durchnässter Wanderer, die eine Unterkunft für die Nacht suchen.“ „Und warum lässt du sie dann nicht herein?“, wollte die Stimme weiter wissen. „Aber ich kann doch nicht jedem dahergelaufenen…“, begehrte der Gnom auf, dann jedoch nickte er ergeben seufzend und öffnete die Tür weit genug, dass sie eintreten konnten. Die Besitzerin der Stimme stellte sich als freundliche Magierin namens Kitta Firewind heraus, die sie einlud, die Nacht im Turm von Azora zu verbringen. „Das Einzige, was Ihr mir versprechen müsst, ist, dass Ihr leise seid.“, sagte sie ernst. „ Und das Ihr nichts anfasst.“ Mit unschuldigem Grinsen zog Schakal seine Hand wieder von einer großen Kristallkugel zurück, die auf einem Tisch stand und von magisch leuchtenden Wolken erfüllt war. Vage meinte Magenta das Bild eines weiteren Turms darin aufblitzen zu sehen, bevor Kitta Firewind sich zwischen sie und den Kugel trat. „Wir arbeiten hier an der Entwicklung neuer Defensivzauber für die Verteidigung Stormwinds.“, erklärte sie weiter, als wäre nichts gewesen. „Besondere Fortschritte machen wir gerade auf dem Gebiet der Truppenstärkung. Ihr glaubt ja nicht, wie viel besser die Soldaten kämpfen, wenn man ihnen mit ein bisschen magischer Hilfe auf die Sprünge hilft.“ „Wie funktioniert das?“, wollte Bladewarrior interessiert wissen. „Nun.“, sagte die Magierin lachend. „Nehmen wir zum Beispiel einmal diese Keule, die ihr mit euch tragt. Ich könnte sie so verzaubern dass ihr Euch, wenn ihr sie tragt, stärker fühlt. Oder auch intelligenter.“ „Bloß nicht.“, entfuhr es Magenta, die sich noch sehr gut an das letzte Mal erinnert, als irgendjemand Dinge an dem Krieger ausprobiert hatte, die intelligenter machten. „Das klingt alles sehr interessant. Meint Ihr, Ihr könntet mir beibringen, wie das funktioniert?“ Entgeistert blickten alle Bladewarrior an. „Wieso willst du lernen, wie man Dinge verzaubert.“, fragte Emmanuelle vorsichtig. „Also sei mir nicht böse, aber…“ „Wieso nicht?“, antwortete der Krieger. „Immerhin kann man damit besser kämpfen.“ „Ja aber Verzauberer.“, versuchte Emmanuelle zu erklären. „Also das ist etwas, das viel Feingefühl erfordert und vor allem aber teure Reagenzien.“ „Achso.“, sagte Bladewarrior enttäuscht. „Dann ist das wohl doch nicht der richtige Beruf für mich. Reagenzien kann ich mir nicht leisten.“ „Hat hier jemand meinen Namen gerufen. Reagenzien sind mein Spezialgebiet.“ Eine junge (blonde, wie Magenta feststellen musste und sofort beschloss, sie nicht leiden zu können) Frau trat zu ihnen. Sie stand an einem niedrigen Tisch, auf dem vielerlei Dinge ausgebreitet waren, die Magenta noch nie gesehen hatte. Goldenes Pulver, gravierte Kerzen, merkwürdig aussehende Steine und fremdartig duftende Kräuter bildeten ein wohl geordnetes Sammelsurium, das dazu einlud nach Herzenslust darin herumzuwühlen. Einen der Gegenstände erkannte die junge Hexenmeisterin allerdings sofort. „Wieviel kosten die?“, fragte sie die Frau und deutete auf eine Schale mit runenverzierten Plättchen. „Die Runen der Portale?“, antwortete die Frau. „18 Silber das Stück.“ „WIEVIEL?“ In Gedanken ging Magenta ihre Barschaft durch und sah ihren schnellen Weg nach Stormwind in dem gleichen Loch verschwinden, in dem sich ihre Reichtümer zu verstecken schienen. Auf jeden Fall befand sich entschieden zu viel Luft in ihrem Geldbeutel, als dass sie sich das hätte leisten können. Andererseits verspürte sie nicht die geringste Lust, den Rest der Nacht in diesem spartanisch eingerichteten Turm zu verbringen, in dem Dutzende von Gnomen durcheinander wuselten und in dem es an jeder Ecke knallte und zischte und nach den eigenwilligsten Chemikalien roch. „Ich nehmen zwanzig Stück.“, unterbrach Abumoaham Magentas Überlegungen. Ohne mit der Wimper zu zucken legte er den entsprechenden Betrag auf den Tisch und erhielt dafür eine sauber gefaltete Tüte voller Möglichkeiten nach hause zu kommen. „Danke.“, murmelte Magenta verlegen. „Ich hätte sonst aber auch…“ „Keine Angst, ich genug Gold.“, lächelte Abumoaham und zwinkerte ihr zu. Dann wandte er sich an Kitta Firewind. „Wir dankbar für Gastfreundschaft, aber ich besser bringen uns nach Stormwind. Ihr dann arbeiten besser und wir schlafen besser.“ Die Magierin nickte verständnisvoll. „Ich wünsche Euch eine gute Reise.“, sagte sie. „Und falls Ihr, junger Krieger, doch noch den Wunsch verspüren solltet, euch in der hohen Kunst der Verzauberei ausbilden zu lassen, so wendet Euch in Stormwind an Lucan Cordell. Er oder einer seiner Angestellten werden euch sicher weiter helfen können.“ „Danke.“, erwiderte Bladewarrior, offensichtlich immer noch hin und her gerissen zwischen den fantastischen Möglichkeiten, die ihm ein neuer Beruf eröffnet hätte, und den Kosten, die es dafür auf sich zu nehmen galt. Magenta hingegen interessierte sich viel mehr für das, was Abumoaham vor ihnen auf den Boden schrieb. Nur wenige Minuten später befanden sie sich wieder sicher in der Hauptstadt der östlichen Königreiche, in der es zu Magentas großer Erleichterung nicht regnete. Da keiner der Helden noch reges Interesse an einer Weiterverfolgung irgendwelcher Gespräche hegte, verabschiedeten sie sich voneinander mit der Verabredung, sich am nächsten Morgen wieder zu treffen und dann zu beratschlagen, wohin ihre Reise als nächstes gehen sollte. So lag Magenta kurz darauf wieder einmal in einem der Gästezimmer des geschlachteten Lamms und wartete darauf, dass sie einschlief. Doch trotz ihrer Erschöpfung und der hinter ihr liegenden Ereignisse war sie hellwach und an Schlaf nicht zu denken. Sie probierte gerade die achtunddreißigste Schlafpostion aus, bis schließlich eine meckernde Stimme aus einer Zimmerecke verkündete: „Meinetwegen müssten wir ja nicht hier sein, aber wenn du das Zimmer schon bezahlt hast, solltest du es besser nutzen, als dich sinnlos von einer Seite zur anderen zu wälzen.“ „Ich kann nicht schlafen.“, maulte Magenta. „Was du nicht sagst.“, höhnte Pizkol sarkastisch. „Stell dir nur vor, das ist mir aufgefallen.“ „Aber warum nicht?“, fragt Magenta in die Dunkelheit hinein. „Bin ich verdammter Psychiater?“, fauchte Pizkol. „Vielleicht weil dich irgendwas nicht zur Ruhe kommen lässt.“ „Risingsun.“, antwortete Magenta wie aus der Pistole geschossen. „Jetzt raubt mir das Weib schon den Schlaf, wenn sie nicht hammerschwingend hinter mir her läuft.“, beschwerte sich Pizkol. „Sie ist schrecklich.“ „Ach…“ „Sie behandelt alle Leute, als wäre sie etwas Besseres, sie ist gemein zu Bladewarrior und sie macht Abumoaham schöne Augen.“, zählte Magenta auf. „Und außerdem ist sie blond.“ „Und das ist ein Verbrechen?“, frotzelte Pizkol. „Nein.“, schimpfte Magenta und kam jetzt erst richtig in Fahrt. „Aber…ich meine…jeder tut so, als wäre sie total unschuldig, während ich…“ „Du bist eifersüchtig.“, diagnostizierte der Wichtel nüchtern. „Ja…NEIN. Bin ich gar nicht.“ Magenta sank in ihre Kissen zurück. „Es war nur alles viel einfacher, bevor sie da war.“ „Warum gehst du dann nicht einfach?“, warf Pizkol ein. Ein langes Schweigen antwortete ihm. „Wäre das nicht wie aufgeben?“, fragte Magenta nach einer Weile. Pizkol schüttelte entschieden den Kopf. „Wenn du mich fragst, kann man gar nicht genug Abstand zwischen sich und diese moralisierende Hammermörderin bringen.“ Ein noch längeres Schweigen betrat den Raum. Es hielt an, bis jemand energisch die Bettdecke zurückwarf, in seine Robe schlüpfte, seine Habseligkeiten zusammensuchte und abreisefertig auf die Tür zustrebte. Magenta überlegte kurz, dann wandte sie sich von der Tür ab und dem Fenster zu. Sicherlich hätte sie dem halbseidenen Wirt sein Schweigen abkaufen können, doch sie hatte so ein Gefühl, dass sie ihr Geld in nächster Zeit dringender brauchen würde. So ließ sie sich an dem Rosenstock vor ihre Fenster herabgleiten, fluchte dabei wie ein Brauereikutscher, weil sie sich zahllose Dornen in die Finger rammte, und lief schließlich auf leisen Sohlen durch die Nacht in Richtung des Greifenhorstes. Sie hatte keine Ahnung, ob das eine gute Idee war, aber sie verbot sich selber darüber nachzudenken. Zu ihrer Erleichterung waren die Greifen auch in der Lage, im Dunklen ihren Weg zu finden, so dass sie nur eine geringe Zulage für eine Nachtbeleuchtung des Flugtieres zahlen musste um sicher an ihr Ziel zu kommen. Schnell versanken die Lichter Stormwinds unter ihr in der Finsternis und verschwanden schließlich vollständig, während die Uhr des fernen Kirchturms dreimal schlug. So ging Magenta ohne sich zu verabschieden und ohne noch einmal zurückzublicken. Als am nächsten Morgen die Sonne höher zu steigen begann, wunderte sich niemand darüber, dass Magenta nicht zum Frühstück erschien. Eine der Anwesenden genossen sogar die Ruhe und die Tatsache, dass sie nicht mit einem schwefelstinkenden Dämon zusammen am Tisch sitzen mussten, der so gar nicht zu ihren hehren Prinzipien passte. Als die Sonne sich jedoch so langsam ihrem Höchststand näherte, platzte Risingsun schließlich der Kragen. „Ich geh sie jetzt holen.“, fauchte sie, schulterte ihren Kriegshammer und stampfte wütend durch die Eingangstür des Geschlachteten Lamms, vor dem die Helden schon seit einer geraumen Zeit warteten. „Vielleicht sollte ich sie begleiten.“, bot Bladewarrior hilfreich an. „Kommt nicht in Frage.“, wetterte Emmanuelle. „Im Schlafzimmer einer jungen Dame hast du so gar nichts zu suchen. Außerdem hast du schon genug Unfug für heute morgen angerichtet.“ Bladewarrior hatte sich nämlich an diesem schönen Tag trotz seiner Bedenken zum Laden Lucan Cordell. begeben. Dort hatte er mit Freuden festgestellt, dass er zwar nicht VERzauberer werden konnte, weil dies weit über seinen finanziellen Mitteln lag, er hatte jedoch die Fähigkeit erlernt, Dinge zu ENTzaubern. Sein erster entzauberter Gegenstand war dummerweise Emmanuelles neu erfundene Unsichtbarkeitsbrille gewesen, deren Zerstörung in einem kärglichen Haufen magischen Staubes und einer am Boden zerstörten Gnomin geendet hatte. „Das krieg ich doch nie wieder so hin!“, hatte sie geheult und dann einen so gewaltigen Schluckauf bekommen, dass sie im Sekundenabstand in die Höhe gehüpft war, bis Abumoaham ihr endlich ein Gegenmittel verabreicht hatte. Um Bladewarrior einigermaßen ruhig zu stellen und somit wenigstens zukünftige Verluste in Grenzen halten zu können, hatte Emmanuelle ihm schließlich in einem Laden ein Buch gekauft, das der Krieger sofort mit Feuereifer zu lesen begann. Bei der Geschwindigkeit, mit der sein Finger die Zeilen entlang fuhr und seine Lippen lautmalerisch das Gelesene begleiteten, war anzunehmen, dass ihn das eine Weile beschäftigen würde. Ein spitzer Schrei durchschnitt die Luft und es war unverkennbar, dass es sich dabei (wieder einmal) um Risingsuns durchdringendes Organ handelte. Umgehend stürmten die anderen Mitglieder der Gruppe die Treppe hinauf und fanden eine kreidebleiche Paladina vor Magentas Zimmertür. „D-da!“, schluchzte sie völlig aufgelöst. In Erwartung eine zerfetzten Leiche und eines blutverschmierten Bettes öffnete Abumoaham sehr, sehr vorsichtig die Tür einen Spalt breit. Er fand jedoch weder das Eine, noch das Andere vor, so dass er es schließlich wagte, die Tür vollständig zu öffnen und auch den anderen einen Blick auf die Szene innerhalb des Gästezimmers zu bieten. Dort lag friedlich zusammen gerollt und schnurrend… „Ein Monster!“, zischte Risingsun und musterte die kleine, schwarze Katze voller Abscheu. Diese starrte ungeniert aus grünen Augen zurück, gähnte zierlich und ließ den Kopf dann wieder auf Magentas Kopfkissen sinken. „Das sein eigenartig.“, murmelte Abumoaham. Er ging zu der Katze und betrachtete sie genauer. Daraufhin erhob sich das Tier, streckte sich genüsslich und sah den Magier erwartungsvoll an. „Mau.“, machte sie und stupste seine ausgestreckte Hand mit der Nase an, als könne sie sie dadurch dazu bewegen, ihr einen Leckerbissen zu reichen. „Wie kommt die Katze hierher?“, wollte Emmanuelle wissen. „Und vor allem: Wo ist Magenta?“ „Wie die schon guckt, dieses hinterhältige Vieh.“, rief Risingsun von der Ecke des Zimmers her, die am weitesten vom Bett entfernt war. „Eine echte Hexenkatze.“ „Du meinst, die Katze ist eine Hexe?“, wunderte sich Bladewarrior, der für einen kurzen Moment die Nase aus dem Buch gehoben hatte. Dann dachte er einen Augenblick lang nach. Dann noch einen. Dann weiteten sich seine Augen vor Überraschung. „Diese Katze ist Magenta?“, rief er und erntete dafür einen Nicht-schon-wieder-Blick von Risingsun. „Wie kommst du denn jetzt da drauf?“, meinte Emmanuelle und besah sich das Tier, das angefangen hatte sich hinter den Ohren zu putzen genauer. „Wie soll denn Magenta auf einmal eine Katze sein.“ „Ein Fluch.“, flüsterte Bladewarrior, der inzwischen sehr von seiner Theorie überzeugt schien. „In dem Buch hier werden die Prinzessinnen auch immer in irgendwas verwandelt, bis ein strahlender Held auf einem weißen Pferd kommt und sie rettet.“ „So ein Blödsinn.“, fuhr Emmanuelle ihn an. „Also wenn das Magenta ist, fress ich Besen. Mit Hexe obendrauf.“ „Vielleicht er Recht.“, überlegte Abumoaham. „Ich probieren aus.“ Er stellte sich mit gewichtiger Mine vor die Katze und sprach einen Zauber über sie. Lichtfunken begannen um die Katze herum zu tanzen, was diese damit quittierte, dass sie versuchte, diese mit den Vordertatzen zu fangen. Ansonsten blieb sie, wie sie war. „Das nicht funktionieren.“, stellte Abumoaham. „Vielleicht meine Fähigkeit nicht ausreichend. Wir mitnehmen Katze erst einmal.“ „WAS?“ Risingsun war kreidebleich geworden. „Ihr wollt diese haarende Scheußlichkeit MITNEHMEN?“ Abumoaham zuckte unschuldig die Schultern. „Was wenn doch ist Magenta?“ Die Paladina stöhnte. „Das glaube ich jetzt ja alles nicht.“ Doch es half kein Murren und kein Flehen, der Rest der Truppe hatte beschlossen die Katze mitzunehmen und daran war nichts zu rütteln. Zu Risingsun Glück wollten sie jedoch mit ihr vorerst nur in den Keller des Geschlachteten Lamms, wo Abumoahams Auftraggeber schon auf sie wartete. Zardeth von der Schwarzen Klaue nahm mit einer abschätzigen Geste die Kräuter entgegen, die Abumoaham ihm besorgt hatte. „Ich habe schon frischere davon gesehen. Besonders dieses Exemplar der Tilloaträne hättet Ihr sorgfältiger aufbewahren sollen. Aber lassen wir das. Sie werden ausreichen um meinen Zwecken zu dienen.“ Er fing an, das Feuer unter einem kleinen Tischkessel zu schüren. Der darin enthaltene graugrüne Sud wallte auf und begann Blasen zu werfen. Zardeth zerteilte eilig die Tilloatränemit einem silbernen Messer und raspelte einige Späne der Bisamwurzel ab. Abwechselnd rechts und links herum rührend fügte er die neuen Zutaten hinzu. Nebel begann aus dem Gebräu aufzusteigen und als er sich verzog, hatte dieses eine an köstliches Schwarzbier erinnernde Farbe erhalten. Zufrieden füllte er etwas davon in einen Krug und stellte diese zum Abkühlen auf den Tisch. Risingsun hatte derweil die Katze völlig vergessen und betrachtet jeden Winkel des unterirdischen Kellers mit wachsendem Unmut. „Ihr seid ein Hexenmeister.“, stellte sie schließlich fest. „Wie scharfsinnig Eure Begleiterin doch ist.“, sagte Zardeth zu Abumoaham, der ihm die ganze Zeit interessiert beim Zufügen der zerkleinerten Zutaten zugesehen hatte. „Wie ungewöhnlich für eine ihres Schlages.“ Risingsun sah Zardeth aus zu Schlitzen verengten Augen an. „Glaubt ja nicht, dass ich Euch nicht durchschaut habe. Ich kenne die Gerüchte, die über Euch im Umlauf sind. Es heißt, Ihr würdet diversen Mitgliedern des Hofstaates nach dem Leben trachten. Der dunkelhaarige Mann richtete sich zu seiner vollen Größe auf. „Ihr solltet nicht alles glauben, was die Waschweiber am Fluss so weiterplappern. Im Gegenteil könnten meine Beziehungen zum Hof nicht besser sein. Wenn Ihr wollt, könnte ich Euch ja dieses noble Bräu zu meinem ganz persönlichen Freund Lord Wischock bringen lassen. Vielleicht wird ihn dieser Krug Schwarzklauenbier endlich davon überzeugen, von dem unseligen Unterfangen abzulassen, unsere kleine Taverne schließen zu wollen. Immerhin ist er ein ausschweifender Kenner eines guten Tropfens, wie man an seinen nie gezahlten Rechnungen auf unserer Anschreibliste sehen kann.“ „Wir gerne bringen Euer Geschenk zum Hof des Königs.“, versicherte Abumoaham. „Ich schon immer wollte sehen Schloss. Aber vorher ich noch haben Frage.“ „Sprecht!“, forderte Zardeth ihn auf. „Ihr sehen diese Katze? Wir Vermutung sie verwunschene junge Hexe.“ „Nicht alle von uns.“, warf Risingsun beleidigt ein. Zardeth musterte die kleine Katze, die Abumoaham ihm reichte, von allen Seiten. Dann setzte er sie auf den Tisch, zupfte ein paar Haare ihres schwarzen Fells heraus (was die Katze mit einem Fauchen beantwortete) und warf diese in Feuer. Der Geruch nach verbranntem Katzenhaar füllte den Keller und vermengte sich mit dem Geruch nach Schwefel und Dämon. „Nun.“, eröffnete Zardeth schließlich nach einigem Grübeln. „Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, dass es sich bei dieser Katze tatsächlich um einen verwunschenen Menschen handeln könnte. Wie man diesen Fluch allerdings wieder lösen kann, dazu kann ich Euch keine Auskünfte geben.“ „Es ist also tatsächlich ein Fluch?“, fragte Risingsun nach. „Fein, dafür seid ihr Hexenmeister doch zuständig. Lassen wir Katzen-Magenta also bei ihrem Lehrer und gehen. Mir juckt schon wieder die Nase.“ Zardeth hob abwehrend die Hände. „Oh nein, Ihr müsst die Katz schon mitnehmen. Meister Gakin ist für längere Zeit auf einer Reise. Bis er zurückkommt, könnte es für eine Rückverwandlung schon zu spät sein.“ „Dann wir mitnehmen Magenta.“, bestimmte Abumoaham. „Ich Idee, wie entfluchen armes Mädchen.“ Sie dankten Zardeth noch einmal und verließen den Keller eilig mit dem Ziel, das königliche Schloss zu besuchen. Als sie die schummrigen Katakomben verlassen hatten, öffnete sich eine gut versteckte Tür in einer der rußigen Steinwände und Gakin Dunkelbinder trat ein. „Was wollten diese Unwürdigen hier?“, fragte er griesgrämig. „Ich habe dir schon tausendmal gesagt, du sollst nicht immer Außenstehende in unsere Angelegenheiten mit hineinziehen. Eines Tages wirst du die Quittung dafür erhalten.“ Zardeth von der Schwarzen Klaue grinste breit. „Aber es macht doch solchen Spaß mit ihnen zu spielen.“ - Das Schloss Stormwinds war nicht weiter schwierig zu finden. Sie folgten einfach dem Lauf der Kanäle, bis sie schließlich vor dem breiten Toren der steinernen Burg standen, die den Herrscher der östlichen Königreiche beheimatete. Unzählige Wachen, alle in schimmernde Rüstungen und Wappenröcke mit dem goldenen Löwen auf blauen Grund gekleidet, patrouillierten in den Gängen und am Ende des zentralen Ganges konnte man die Schlange von Bitstellern sehen, die sich alle eine Audienz beim König beziehungsweise dessen Ratgebern erhofften. Bevor sie jedoch weiter in Richtung des Audienzsaales vordringen konnten, vertrat ihnen eine der Wachen den Weg. „Passierschein?“, schnauzte der Mann und wies, als alle Anwesenden die Köpfe schüttelten, mit dem Arm nach rechts. „Dort. Anstellen. Zack-zack!“ Eingeschüchtert folgte die Truppe der Aufforderung und fand sich inmitten eines heillosen Durcheinanders wieder. Die kleine Halle war voll gestopft mit allen möglichen Antragstellern, von denen offensichtlich jeder der Meinung war, sein Gesuch sei das allerwichtigste. „Ich muss den König sprechen.“, rief ein junger Geck mit einer Feder am Hut aus. „Ich bringe Nachrichten von seinem vermissten Vater.“ „Ich auch!“, antwortete ein grimmiger Zwerg mit einer schartigen Axt. „Nein ich!“, rief eine Dame in einer illustren Robe und einen juwelenbesetzten Stab. „Ach Nonsens.“, brüllte ein Paladin in goldener Rüstung dazwischen. „Ich muss den König vor einem Verrat warnen…“ „Ich auch!“ „Und ich erst!“ „Wo muss ich die Tiara von Perenolde abgeben?“ „Was kann ich mit einem Bibliotheksschein machen? „Hat wer Bruder Paxton gesehen?“ „Heiße Würstchen! Kalte Getränke!“ Emmanuelle hielt sich die Ohren zu. „Wie sollen wir in diesem Durcheinander Lord Wischock finden. Ich kann überhaupt nichts sehen.“ „Ich auch nicht.“, brummte Schakal. „Aber so ein richtig schönes Gedränge hat auch seine guten Seiten.“ Interessiert betrachtete er den Inhalt eines Geldbeutels, dessen Haltestrick von einem scharfen Dolch sauber durchtrennt worden war. „Vielleicht wir fragen diesen Mann.“, sagte Abumoaham und deutete auf einen korpulenten Mann mit Halbglatze und einem geröteten Gesicht, der an einem kleinen Tisch saß und eilig Dinge in ein dickes, mit blauem Samt eingeschlagenes Buch schrieb. „Entschuldigt die Störung.“, flötete Risingsun und schob sich in das Blickfeld des Mannes. „Wir suchen Lord Wischock.“ „Was wollt ihr von ihm?“, brummte der Mann unfreundlich. „Wir bringen Geschenk von gutem Freund.“, erklärte Abumoaham und hielt Zardeths Krug in die Höhe. Sofort wandelte sich der Gesichtsausdruck seines Gegenübers. „Nun wenn das so ist.“, lachte der Mann und strich sich über den Leib. „Ihr habt ihn gefunden. Was bringt Ihr mir da? Ich könnte schwören, dass das nach einem ganz vorzüglich erfrischendem Getränk duftet.“ „Schwarzklauenbier.“, sagte Abumoaham, doch Lord Wischock hatte ihm den Krug schon aus der Hand gerissen. Mit gierigen Schlucken ließ er fast den gesamten Inhalt des Gefäßes verschwinden, bevor er es absetzte und sich mit dem Handrücken über den Mund wischte. „Aah, das tat gut.“, verkündete er und rülpste. „Ich muss sagen, dieses Schwarzklauenbier haut ganz schön rein. Von wem, sagtet Ihr noch, kam dieses Gebräu.“ „Sein Name ist Zardeth.“, piepste Emmanuelle, die es inzwischen geschafft hatte, sich durch die Menge zu kämpfen. „Zardeth von der Schwarzen Klaue.“ Lord Wischock überlegte angestrengt. „Ich glaube, ich habe diesen Namen schon einmal gehört.“ Mit fahrigen Fingern tastete er nach einem Taschentuch und tupfte sich die Schweißtropfen von der kahlen Stirn. „Wenn es nur nicht so heiß wäre hier drinnen.“, stöhnte er. „Mir wird schon ganz schwindelig, ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Vielleicht sollte ich noch etwas von dem…“ Im nächsten Moment war der dicke Lord von seinem Stuhl gerutscht und rührte sich nicht mehr. „Lord Wischock?“, fragte Risingsun argwöhnisch. „Ist alles in Ordnung mit Euch?“ „Also wenn ich du wäre, würde ich nicht darauf hoffen, dass du von dem noch mal eine Antwort bekommst.“, murmelte Schakal. „Und wenn wir schlau sind, machen wir uns aus dem Staub, bevor noch jemand anders auf diese Tatsache aufmerksam wird.“ „Aber…“, versuchte die Paladina noch zu protestieren, doch Abumoaham hatte sie bereits am Arm gepackt und durch die Menge in Richtung Ausgang geschoben. Gerade so schnell, dass es nicht verdächtig wirkte, durchquerten die Abenteurer den Gang, der sie wieder zum Schlosstor brachte. Als sie es passierten, wurden hinter ihnen aufgeregte Rufe laut. Jemand brüllte nach einem Arzt und Menschen begannen aus der Halle der Bitsteller hervorzuquellen, als hätte jemand darinnen eine sehr große Portion Zwiebelsuppe zum Mittagessen gehabt. Schnell bog die Truppe um eine Ecke und aus dem Sichtfeld der Wachen. „Das war knapp.“, seufzte Emmanuelle und ließ sich Minuten später erschöpft auf den Rand eines Brunnens sinken. „Dieses ganze Gerenne ist nichts für jemanden von meiner Statur. Ich sollte mir einmal etwas einfallen lassen…“ „Wir müssen zurück.“, unterbrach Risingsun sie. „Was?“ Schakal starrte die Paladina an, als habe sie behauptet, die Beraterin des Königs sei in Wahrheit ein schwarzer Drache. „Ich sagte, wir müssen zurück.“, wiederholte Risingsun. „Wir müssen doch dafür sorgen, dass dieser Zardeth seine gerechte Strafe erhält. Immerhin hat er Lord Wischock vergiftet.“ „Also wenn man es genau nimmt, haben wir ihn vergiftet.“, warf Emmanuelle ein. „Zumindest wird es so aussehen und ich fürchte, wir werden Schwierigkeiten haben, etwas anders zu beweisen.“ „Das…ich…also…“, begann Risingsun und ließ dann resigniert den Kopf hängen. „Dämonen, Halsabschneider und Meuchelmörder. Mein Vater würde sich im Grabe umdrehen, wenn er das erfahren würde. Wo er doch immer für die gute Sache eingestanden hat, bis die Untoten ihn und seine Männer überrannten.“ Abumoaham tätschelte der jungen Frau den Arm. „Das sehr traurig, aber wir besser weiter gehen. Ich ungutes Gefühl zu bleiben in Stadt nach dieser Sache.“ „Recht hat er.“, pflichtete Schakal ihm bei. „Und wo soll die Reise hingehen, Meister?“ „Nun.“, überlegte Abumoaham. „Wir immer noch haben verfluchte Katze Magenta. Ich vorschlagen, wir suchen jemand, der ändert das.“ „Und wo finden wir so jemanden?“, fragte Bladewarrior mit dem Finger mitten auf einer Buchseite. „Müssen wir dafür eine weite, gefährliche Reise anstellen, uns durch Sümpfe und Bergwelten kämpfen und einen eisigen Gipfel erklimmen, auf dessen Spitze sich dann ein einsamer Turm befindet, in dem ein alter, weiser Magier den rettenden Zauberspruch beherrscht?“ Schakal warf ihm einen schrägen Blick zu. „Junge, setz die Märchenbücher ab. Die sind nicht gut für dich und für meine Nerven.“ Abumoaham lachte leise in sich hinein. „Nein, wir nicht müssen in Berge, wir reisen ans Meer.“ „Ans Meer?“, jubelte Emmanuelle. „Ich wollte schon lange mal meinen Unterwasseratemhelm ausprobieren.“ „Und wohin genau.“, fragte Schakal nach, dem anzusehen war, dass ihn eine Reise in die Nähe einer so großen Wasseransammlung nicht unbedingt fröhlich stimmte. „In meine Heimat.“, erklärte Abumoaham würdig. „Nach Stranglethorn.“ Während sich also die Gefährten aufmachten, um „Magenta“ von einem Fluch zu befreien, fluchte die echte Magenta lauthals vor sich hin. „Nun mach schon, du blödes Vieh, flieg weiter!“ Der Greif, auf dem sie bereits feuerspeiende Berge, düstere Wälder und die Eislandschaft Khaz Modans überquert hatte, bäumte sich auf. Er schlug mit den Flügeln und kreischte, als würde ihm jedes seiner Schwanzhaar einzeln ausgezogen. Dabei drehte er unablässig Kreise, als wisse er mit einem Mal nicht mehr, wo vorne und hinten sei. Schließlich sah Magenta es ein und ließ das Tier landen. „Was ist denn bloß los mit dir?“, schimpfte sie dem Greifen direkt in das raubvogelartige Gesicht. „Vielleicht hättest du die Nutzungsbedingungen genauer lesen sollen.“, warf Pizkol ein. „Die WAS?“ Der Wichtel setzte ein wichtigtuerisches Gesicht auf. „Ein Greif kann dich immer nur an einen Ort bringen, an dem du schon einmal warst. Das hat dir der Greifenmeister doch erklärt. Hat irgendwas mit Navigation zu tun.“ „Aha.“, machte Magenta und hatte nicht ein Wort verstanden, obwohl sie das Gefühl hatte, dass sie das tatsächlich hätte wissen müssen. Pizkol stöhnte. „Du erkennst das hier doch wieder oder nicht?“ Magenta sah sich unsicher um. Sie waren am Rande des Sumpflandes gelandet. Um sie herum quakten Frösche, summten Insekten und schnappten Krokilisken nach unvorsichtigen Wanderern. Es roch nach Morast, Schlamm und abgestandenem Wasser. Vage überzeugt nickte die junge Hexenmeisterin. „Schön.“, sagte Pizkol. „Das hier ist nämlich der Punkt, an dem wir unsinnigerweise letztes Mal mit den anderen nach Stormwind zurückgekehrt sind. Also müssen wir uns jetzt nur noch nach Menethil durchschlagen, nach Kalimdor übersetzen, Takar finden und schon haben wir eine nette, charmante, neue Begleiterin.“ „Klingt logisch.“, murmelte Magenta, nicht viel überzeugter als sie von den Erklärungen des Wichtels zum seltsamen Verhalten ihres Greifs war. Unentschlossen betrachtete sie das Flugtier. „Was machen wir mit ihm?“ „Keine Ahnung.“, rief Pizkol über die Schulter zurück, während er bereits über die ersten Wassergräben sprang. „Scheuch ihn weg, der findet den Weg schon nach hause.“ „Du hast ihn gehört.“, seufzte Magenta. „Na los, flieg heim.“ Der Greif klapperte zustimmend mit dem Schnabel, spreizte die gewaltigen Flügel und erhob sich mit einem Satz in die Luft. Er kreiste noch einmal über der Hexenmeisterin, ließ einen letzten, kehligen Schrei hören und schraubte sich dann in die Luft, bis er nur noch ein kleiner Punkt am mittäglichen Himmel war. Dann setzte sich Magenta in Bewegung und folgte ihrem Dämon. Etwa drei Stunden später saß die junge Hexenmeisterin erschöpft im Straßengraben und fächelte sich mit einem großen Blatt Luft zu. Ihre Kleidung klebte an ihrem Körper, aus dessen Poren der Schweiß gleich in ganzen Sturzbächen austrat. Die allgegenwärtigen Insekten hatten offensichtlich beschlossen, Magenta bei lebendigem Leibe zu verspeisen, und die restlichen Sumpfbewohner schienen dieser Möglichkeit ebenfalls nicht abgeneigt zu sein. Zumindest hatte das Rudel zweibeiniger Echsen, über das Magenta gestolpert war, als sie sich ein wenig von dem notdürftig befestigten Weg entfernt hatte, sich ihren Vorgänger ziemlich gut schmecken lassen. „Ich mag nicht mehr.“, maulte Magenta. „Gibt es denn keinen einfacheren Weg hier durch?“ „Bedaure, Mylady, aber Schusters Rappen sind leider das einzige Verkehrsmittel, dass Demon Inc. im Moment für sie im Angebot hat.“, witzelte Pizkol, der durch seine Flammenkorona geschützt warm und trocken saß. „Also los, keine Müdigkeit vorschützen.“ Magenta stöhnte, erhob sich aber gehorsam. Als sie jedoch ein Geräusch hörte, blieb sie lauschend stehen. Das war eindeutig: „Ein Fuhrwerk! Vielleicht nimmt uns der Fahrer mit.“ „Ja sicher.“, antwortete Pizkol und rollte mit den Augen. „Und vielleicht bin ich auch Hohepriesterin im Tempel des Mondes. Du vergisst, dass du einen Dämon dabei hast.“ „Nett, dass du mich daran erinnert.“, grinste Magenta und murmelte die Entlassungsformel. Das war nicht witzig, hörte sie daraufhin eine beleidigte Stimme in ihrem Kopf. Psst, dachte sie zurück und setzte ihre beste Imitation eines Strahlendes-Risingsun-Lächelns auf. Als der schäbige Karren neben ihr hielt, schob der Kutscher seinen Schlapphut in den Nacken, kratzte sich an der Nase und fragte besorgt: „Hast du Zahnschmerzen, Mädchen.“ „Äh, was?“, stotterte Magenta. „Nein, nein, ich suche nur eine Mitfahrgelegenheit.“ „Scheint mein Glücktag zu sein.“, grinste der Fahrer. „Na los, setzt dich hinten dazu.“ „Danke.“, sagte Magenta artig. Noch während sie um den Wagen herum ging, überlegte sie, was diese merkwürdige Antwort wohl zu bedeuten hatte. Als sie jedoch vor der Ladefläche stand, blieb sie wie vom Donner gerührt stehen. Dort auf der Ladefläche saß, blond und liebreizend und absolut fehl am Platz… „Hi, mein Name ist Demuny“, lächelte die junge, blonde Frau, die auf den ersten Blick fast so ausgesehen hatte wie Risingsun. Auf den zweiten zwar auch noch, aber da hatte sie ja schließlich ihren Namen schon genannt. Innerlich verwünschte Magenta ihr schlechtes Personengedächtnis. „Komm rauf, ich mach dir Platz.“, rief Demuny munter und rutschte einen Haufen beiseite, der verdächtig nach gehäuteten Krokilisken aussah. Er roch nach toten Tieren und Morast. Wortlos kletterte Magenta auf die Ladefläche. Sie behielt ihre Tasche fest umschlungen und starrte auf den Weg, der sich hinter dem Wagen wieder zu bewegen begann. Alles an ihr drückte aus, dass sie keinerlei Unterhaltung wünscht. Dummerweise schien Demuny gegen solche Warnungen völlig immun zu sein. „Und einmal, im Waisenhaus, da haben wir uns…“, plapperte sie gerade munter vor sich hin, als Magenta schließlich der Kragen platzte. „Kannst du nicht einmal die Klappe halten?“, fauchte sie. Der Schweiß brannte in ihren Augen und ihre Ohren summten von dem ständigen Redefluss, der auf sie eingeflutet war. Demuny klappte gehorsam den Mund zu und musterte Magenta kritisch. „Du siehst gar nicht gut aus.“, diagnostizierte sie. „Ach wirklich?“, knurrte Magenta. „Das wusste ich ja noch gar nicht. Aber herzlichen Dank dass du…“ „Ist dir heiß?“, unterbrache Demuny sie und legte ihr gleichzeitig die Hand auf die Stirn. „Ja natürlich ist mir…HEY, was soll denn das?“ Die junge, blonde Frau hatte sich Magenta Arm geschnappt und hielt ihn mit konzentrierter Miene fest. Dann drehte sie ihren Kopf in die Sonne und zog ihren Augenlieder auseinander, so dass Magenta von dem hellen Licht die Tränen in die Augen schossen. Doch bevor sie ihren Protest darüber laut werden lassen konnte, hatte sie einen kleinen Ast im Mund, mit dem Demuny ihre Zunge herunterdrückte. „Sag mal ´Aah`“, forderte sie Magenta auf. „´ag ´al, hacht ´u ´ie ´ich ´eh ´a´e?“, röchelte Magenta, doch Demuny hielt sie mit eiserner Hand fest. „Wusste ich es doch.“, strahlte sie, während sie Magentas Interieur betrachtete. „Du hast Sumpffieber.“ „´as?“, machte Magenta und spuckte Reste des Astest aus, den die andere ihr endlich aus dem Mund nahm. „Woher willst du das denn wissen?“ Demuny sah sie tadelnd an. „Na ich hab dir doch erzählt, dass ich gerade eine Ausbildung zu Krankenschwester mache. Und ich bin auf dem Weg zu Doktor Gustaf Van Howzen auf der Insel Theramore stationiert ist. Er ist der beste Traumachirurg von ganz Azeroth und hat mich als Auszubildende aufgenommen. Ist das nicht wahnsinnig aufregend?“ „Ja, sehr aufregend.“, antwortete Magenta schwach. Es war erstaunlich, wie viel schlechter es einem doch ging, wenn einem ein Arzt erstmal bestätigt hatte, dass man krank war. „Aber genug von mir, du musst dich unbedingt ausruhen.“, erklärte die Ärztin-in-Ausbildung fachmännisch. „Ich werde dich von diesem Fieber befreien und wenn es das Letzte ist, was ich tue.“ „Solange es das Letzte ist, was du mir erzählst, reicht das schon.“, murmelte Magenta, bevor sie mit dem Kopf auf einem Haufen Krokiliskenhäute einfach einschlief. „Zwei Tage“, raunzte Easygoing. „Zwei Tage sind wir nun schon mit diesem verfluchten Schiff unterwegs.“ „Es sind anderthalb.“, verbesserte ihn Ceredrian. „Und du solltest froh sein, dass dieses Schiff noch magisch angetrieben wird. Ansonsten wären wir wahrscheinlich Wochen zwischen den Kontinenten unterwegs.“ „Außerdem hat der Kapitän gesagt, wir kämen spätestens morgen früh in Menethil an.“, warf Abbefaria ein. „Das sind doch nur noch ein paar Stunden.“ „Jaja.“, machte Easygoing und fuhr damit fort, wie ein eingesperrtes Tier an der Reling entlang zu laufen. „Ich bin ja schon still.“ „Würde mich wundern.“, stichelte Ceredrian und duckte sich geschickt unter einem Tampen weg, den sein Cousin daraufhin nach ihm warf. Es war unübersehbar, dass diese Reise ihre Spuren an ihnen hinterlassen hatte. Hier auf See dehnten sich die Minuten zu Stunden, in denen die Augen den Horizont vergeblich nach einem Punkt zum festhalten absuchten, während die Gischt vom Bug des Schiffs empor spritzte und alles mit einem feinen Salzfilm überzog. Unter den knarrenden Bohlen befanden sich nichts außer endlosen Meilen aus Wasser, die einen schwindeln ließen, wenn man versuchte, sie sich vorzustellen. Verloren wie eine Nussschale auf einem Teich wirkte das Boot; allerdings wie eine Nussschale mit einem Ziel, dem sie sich unaufhaltsam entgegenpflügte. Versonnen starrte Abbefaria in die dunklen, wässrigen Tiefen. „Na, was Interessantes gefunden?“, fragte Ceredrian und lehnte sich neben ihn gegen das hölzerne Geländer. „Wasser.“, brummte Abbefaria. „Jede Menge davon.“ Eine Weile schwiegen sie beiden, dann hielt es Ceredrian offensichtlich nicht mehr aus. „Komm, wir gehen unter Deck. Ich habe da eine merkwürdige Entdeckung gemacht.“ Zögernd folgte Abbefaria seinem Freund. Sie stiegen die breite Treppe zu den unteren Kajüten hinunter und schlichen zwischen Kisten und Fässern hindurch, die mit den unterschiedlichsten Handelsgütern gefüllt den größten Teil des Schimpfrumpfes füllten. „Dort.“, wisperte Ceredrian und deutete auf eine kleine Tür. „Ich bin mir sicher, dass dort drinnen jemand ist, der sich während der gesamten Reise noch nicht an Deck gewagt hat.“ „Ja und?“, fragte Abbefaria. „Was geht uns das an?“ Ceredrian verdrehte die leuchtenden Augen. „Findest du das nicht verdächtig?“ Abbefaria schüttelte verneinend den Kopf. „Vielleicht mag derjenige einfach kein Wasser.“ „Dann überlegen wir mal, welche Spezies uns einfällt, die kein Wasser mag.“ Abbefaria überlegte angestrengt. „Katzen?“, sagte er schließlich zweifelnd. Ceredrian machte ein missbilligendes Gesicht. „Nein, ich spreche natürlich von Zwergen.“ „Ja und selbst wenn.“, antwortete Abbefaria leise. „Ich meine, mal angenommen, dort drinnen sitzt ein Zwerg. Ich verstehe nicht, warum das so wichtig sein soll.“ „Na wir könnten versuchen, ihn auf unsere Seite zu ziehen.“, begeisterte sich Ceredrian. „Immerhin wollen wir in die Hauptstadt der Zwerge reisen, um dort eines ihrer Artefakte zu stehlen.“ „Das sie gar nicht besitzen dürften, weil es eigentlich uns gehört.“, grollte Abbefaria. „Willst du wirklich mit einem Zwerg um Schätze streiten?“, zitierte Ceredrian eines der bekanntesten Sprichwörter von Azeroth, mit dem man einabsolut sinnloses Unterfangen betitelte. „Also, was sagst du?“ „Dass das das sinnlose Gewäsch eines Weibes ist.“, verkündete eine Stimme aus dem Dunkel und Easygoings Umrisse begannen sich aus den Schatten abzuheben. „Was treibt ihr zwei hier unten?“ „Wir beschatten einen Zwerg.“, gab Ceredrian beleidigt zur Auskunft. “Einen vermutlichen Zwerg.“, ergänzte Abbefaria. „Die Tür ist nämlich zu und wir wissen nicht, was dahinter ist.“ „Oder wer.“, fiel Ceredrian wieder ein. „Aufhören!“, zischte Easygoing gereizt. „Ihr macht mich ganz wahnsinnig. Wenn ihr wissen wollte, was hinter dieser Tür ist, dann gibt es eine einfach Möglichkeit, das herauszufinden: Ihr öffnet sie einfach.“ Der große Druide trat zu der Tür und drückte die Klinke herunter. Ohne Widerstand ließ sich die Tür nach innen öffnen. Easygoing warf seinen beiden Freunden einen triumphierenden Blick zu, bückte sich unter dem Türsturz hindurch und betrat die kleine, unbeleuchtete Kajüte. Sekunden später war ein ohrenbetäubendes Geheul zu hören. Entsetzt starrten die beiden Nachtelfen sich an, dann stürzten sie beide gleichzeitig durch die verhängnisvolle Tür. „Halt! Noch einen Schritt näher und ich mache Euch einen Kopf kürzer.“, warnte sie eine schneidende Stimme. Es erklang ein Rascheln, dann wurde ein Streichholz angerissen. Eine Lampe flammte auf und beleuchtete eine höchst eigenwillige Szene. Auf den hölzernen Dielen saß Easygoing, auf dessen Kopf sich eine riesige Beule zu bilden begann. Von ihm stammte somit der Schrei, den Abbefaria und Ceredrian gehört hatten. Und über ihm schwenkte eine fuchsteufelswütende Zwergin etwas, dass verdächtig nach einem Nachttopf aussah. Ihre Nachthaube war auf den schwarzen Haaren verrutscht und ihre Augen schienen Blitze zu verschießen. „Elfen.“, spuckte sie verächtlich aus. „War ja klar, dass ihr liederlichen Gesellen die Privatsphäre einer Dame nicht zu schätzen wisst.“ „Dame?“, lachte Easygoing höhnisch auf. „Ich glaube nicht…“ „Lortyana Kieselbruch.“, unterbrach ihn die Zwergin scharf. „Meine Familie geht direkt auf das Geschlecht derer von Mamorstein zurück. Seit je her oberste Mitglieder der Verbindung der königlichen Steinmetze, direkt unterstellt dem Königshof von Magni Bronzebeard. Möge sein Bart lang und sein Arm niemals schwach werden. Lang lebe der König!“ Ausnahmsweise schien es selbst dem sonst so redegewandten Ceredrian die Sprache verschlagen zu haben. Dann jedoch setzte er ein strahlendes Elfenlächeln auf und verbeugte sich vor der Zwergin im Nachthemd. „Es ist uns eine Ehre, eure Bekanntschaft zu machen.“, sagte er schmeichelnd. „Ich hoffe doch, unser Auftreten hat Euch nicht zu sehr erschreckt. Wobei sich bei einer Dame Eurer Schönheit doch sicherlich jeder Mann wünschen würde, dass ihr ihn des Nachts erhörtet.“ „Ich bin Priesterin.“, kam die frostige Antwort. „Oh…äh…nun ja ein solch zartes Wesen wie Ihr…“ „Wollt Ihr mich beleidigen? Ich kämpfe immer an vorderster Front.“ „Was Euch aber nicht daran hindert, Euch unter Deck zu verkriechen.“, warf Easygoing böse ein und rieb sich den schmerzenden Schädel. „Ich gebe zu, das mag ein wenig absonderlich wirken.“, gab die Zwergin spitz zurück. „Aber wenn man bedenkt, wie viele Unglücke es auf See gibt. Grad vor einigen Tagen machte wieder die Nachricht von einem Schiff die Runde, das vor der Küste von Westfall untergegangen ist und drei tapfere Zwerge mit in den Tod gerissen hat. Meint Ihr vielleicht, ich bin lebensmüde. Es trennt zwar nur eine dünne Linie den Toren vom Helden, aber ich habe nicht vor, sie zu überschreiten. Wenn Ihr jetzt mein Schlafgemach verlassen würdet.“ „Sicherlich.“, antwortete Ceredrian. „Aber eine Frage noch: Wisst ihr, woher das Schiff kam, das dort gestrandet ist?“ „Gesunken, nicht gestrandet.“, schnaubte die Zwergin. „Und ja, es kam aus Kalimdor. Ich weiß wirklich nicht, was so viele meines Volkes an diesem unzivilisierten Land finden. Man könnte glauben, es gäbe dort Schätze in Hülle und Fülle. HA!“ Ceredrian verbeugte sich noch einmal vor Lortyana „Vielen Dank für Eure Hilfe, werte Dame.“ „Wenn Ihr nicht gleich draußen seid, lasse ich Euch vom Kapitän über Bord werfen!“, schimpfte die Zwergin und schwenkte ihren Nachtopf so drohend, dass die drei Nachtelfen es vorzogen, sich so schnell es ging, wieder an Deck zu begeben. Dort saßen sie sie nun und beratschlagten, was als Nächstes zu tun sei. „Euch ist hoffentlich klar, was das heißen könnte.“, flüsterte Ceredrian und sah sich vorsichtig nach der Wache um, die wieder einmal eine ihrer Runden auf dem Schiff drehte. „Das könnte bedeuten, dass der Anhänger des Seelöwen nie in Ironforge angekommen ist.“ „Es könnte.“, brummte Easygoing. „Es könnte aber auch sein, dass einfach irgendein Boot dort untergegangen ist.“ “Das glaube ich nicht.“, warf Abbefaria ein. „Du hast doch gehört, dass das Schiff aus Kalimdor kam. Wenn jedoch eines der großen Handelsschiffe untergegangen wäre, hätten wir in Auberdine davon gehört. Jemand muss also mit einem kleineren Schiff und mit nur wenig Besatzung gereist sein. Vielleicht weil er es sehr eilig hatten.“ „Genau.“, führte Ceredrian den Gedanken weiter. „Und dass vielleicht deswegen, weil er die gestohlenen Sachen so schnell wie möglich außer Landes schaffen wollte. Und das wiederum heißt…“ „Dass sich unsere Anhänger jetzt irgendwo vor der Küste von Westfall befinden könnte.“, beendete Easygoing seinen Satz. „Aber wie wahrscheinlich ist das schon?“ „Ich würde vorschlagen, wir sehen erst einmal nach.“, erläuterte Ceredrian seinen Plan. „Und wenn wir ihn dort tatsächlich nicht finden, können wir immer noch in Ironforge danach suchen. Falls er aber nicht in Ironforge ist und wir Zeit damit vergeuden, ihn zu suchen, könnten wir zu spät bei dem gesunkenen Wrack ankommen.“ Easygoing ließ sich diesen Gedanken durch den Kopf gehen und nickte schließlich. „Also schön, ihr könntet Recht haben. Ist mir sowieso lieber, wenn wir unter freiem Himmel nach dem Ding suchen können“ „Dann heißt unser neues Ziel nun also Westfall.“, sagte Abbefaria und blickte in Richtung des Horizonts. Dort konnte man in den ersten, rötlichen Strahlen der aufgehenden Sonne eine dunkle Linie erkennen. Eine Linie, die sehr bald zu den Umrissen der Hafenstadt Menethil erwachsen sollte; einer Stadt voller Leben und Trubel und so völlig unelfisch, wie sie nur sein konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)