Was heißt Liebe? von abgemeldet
(Was heißt Liebe?)
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Kapitel 6: Wieder zurück, zurück an den Anfang
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"...wieder zurück, zurück an den Anfang"
An diesem morgen stand ich nicht auf, ich gaukelte meiner Tante vor, ich sei
krank und würde gegen Mittag zum Arzt gehen. Meine Tante lugte immer noch zum
Zimmer hinein. Von hier aus, konnte sie mich nur unter einem Berg von Klamotten
und meiner Bettdecke erkennen. Das blau geschlagene Auge würde ich nicht lange
verstecken können und ich wusste das sie früher oder später ankommen, und mir
alle möglichen Fragen stellen würde. Aber das war mir jetzt gleich. Nachdem
sie endlich unten in der Küche verschwunden war, setzte ich mich in meinem Bett
auf. Solche Fragen schossen mir
sekundenschnelle durch den Kopf. Ganz allmählich, bekam ich wieder einen klaren
Gedanken, und verdrängte diese Situation, in der mir Gewalt angetan wurde. Ich
verdrängte sie, so gut ich nur konnte, aber es gelang mir einfach nicht. Das
einzige was funktionierte war, das ich halbwegs, wenn auch etwas mürrisch,
meiner Tante hatte antworten können. Innerlich, verkroch sich die kleine
apathische Josy, in eine kleine winzige Ecke ihres Ichs.
Meine Armbanduhr zeigte acht Uhr an, Unterrichtsbeginn. Ich stand vor dem
Badezimmerspiegel, betrachtete mein blaues Auge, strich ein zwei Mal drüber,
wobei ein leichter Schmerz durch meine Haut zuckte. Heute war heute, und heute
war nicht gestern. Ich duschte den Albtraum von meinem Körper, zog dicke fette
Linien mit dem Kajaal-Stift an meinen Augen entlang, sodass sie wie Katzenaugen
wirkten. Heute wollte ich anders sein, heute wollte ich meinen Neuanfang, in die
Vergangenheit verbannen. Ich schminkte mich sonst nie sonderlich. Drei Sekunden
später hüpfte ich auf meinem linken Bein durch mein Zimmer, um mich in eine
schwarze Hotpants zu wurschteln, und anschließend in meine schwarze Baggy-Hose.
Die hatte ich ja schon ewig nicht mehr angezogen. Schwarz-weiß-geringelte
Strümpfe, schwarzes Top und "BH" und dazu ein paar Nietenarmbänder. Eine
ebenso farbige Netz-Stulpe und einen schwarzen Schlips. Ich kam fast also
komplett schwarz gekleidet heraus. Praktisch im kompletten Punk- Style, Goth
hätte auch zugetroffen. Ich weiß nicht warum ich das tat. Wollte ich mich
verkleiden um mich vor diesem Verbrecher verstecken zu können, oder schämte
ich mich vor mir selber. Ich war auch nicht im Stande, es meiner Tante oder
sonst irgendwem zu erzählen, was mit mir passiert war, noch nicht. Aber ich
schwor Rache!
"Josy, kommst du bitte runter? Dein Frühstück ist fertig. Ich muss doch noch
mal in die Stadt, das weißt du doch, oder willst du etwa einkaufen gehen?" Ein
Schritt nach dem anderen, kam ich die Stufen herunter. Gisele`s Mund stand weit,
weit offen. "Kind, Josephine, was ist mit dir? Warum...?", weiter kam sie
vorerst nicht. "Warum hast du dich so...ja schwarz angezogen?. Und...um Himmels
Willen, was ist mit deinem Auge passiert? Waren es deine Mitschüler, ein
Lehrer...verdammt noch mal, Josy, rede mit mir! Wer hat dir das angetan,
antworte!" Ich ließ mich derweil auf einen Holzstuhl in der Küche fallen, vor
mir auf dem Tisch stand eine große Schale mit Cornflakes und Kakao darin. Pure
Milch und Cornflakes konnte ich nicht leiden. Drei kleine bräunliche Spritzer
klebten auf der Tischplatte. Gisele stand fragend vor mir. Angst und Mitleid,
die Antwort auf tausend Fragen, standen ihr ins Gesicht geschrieben. Aber es gab
nichts, was ich ihr hätte erzählen wollen. Nicht jetzt. Sie tat mir so leid,
also musste ich ihr wenigstens eine Antwort geben, wenn auch eine falsche. Ich
blickte zu ihr auf und sagte, "Ich hab mich mit einem Mädchen aus meiner Schule
geprügelt. Ich hab sie aus Versehen angerempelt und dabei ist sie ausgerutscht
und hatt sich mit ihrer Cola bekleckert." Meine Tante stellte mir darauf Fragen
wie, Wie heißt dieses Mädchen? Und in welche Klasse geht sie? Aber ich sagte
ihr das ich weder ihren Namen kannte, noch ihre Klasse. Damit war das Thema für
Gisele, fürs erste gegessen. Ständig beäugte sie mich, wegen meinem seltsamen
neuen Auftreten. Es war mir gleich. Ich hatte mit meinem alten Leben nun
endgültig abgeschlossen. Ich wollte stark sein, ich wollte es allen zeigen.
Doch ich wusste nicht genau ob dies der richtige Weg war, aber ich fühlte mich
wohl in meiner jetzigen Haut, wohler als in meiner alten und auch stärker. Ich
löffelte ganz sachte mit kleinen Happen, meine aufgeweichten Flakes hinter und
bemerkte einen Schatten, der an der Haustür vorbeihuschte und von einem mir
bekannten Geräusch begleitet wurde. Etwas kleines helles kam durch den
Briefkastenschlitz geflogen. Ich sprang auf, und hob erstaunt meinen
Bibliotheksausweiß auf. Ich griff nach der Türklinke, riss die Tür auf und
schaute mich um. Mein Puls raste. Mein Puls raste. Ich spürte ihn gegen meine Schläfen
pochen. Noch einmal blickte ich mich um, nach rechts, nach links und nach vorn.
Mir genau gegenüber, unserem Haus gegenüber stand ein altes mehrstöckiges
Haus. Es war wunderschön, aber dem Zerfall sehr nahe. Zumindest schien es rein
äußerlich so. Und was ich dort entdeckte, war vielleicht die Antwort auf meine
Vorstellung, auf all meine Fragen. In dem Moment als ich vor der Tür stand,
verschwand der Schatten in hinter der Tür dieses alten Hauses, ich hatte es nur
erst nicht registriert. Wer will schon in einem so baufälligen Haus wohnen,
obwohl es echt schön aussah. Ich war mir sicher das die Person, die meinen
Ausweis gefunden oder genommen hatte, dort drinnen verschwunden sein musste.
"Josy, alles in Ordnung?" Ich sagte nichts, steckte mein Ausweis ein und schloss
die Tür. Nach einer halben Stunde fuhr Gisele mit ihrem schwarzen Van in die
Stadt. Ich war allein. Ich ging auf mein Zimmer rauf. Der Arzt konnte warten.
Ich war bereit, den Termin sausen zu lassen und meine Schule zu schwänzen. Bis
ich bereit war, mich allem zu stellen.
Gegen elf Uhr wachte ich auf, ich musste kurz nachdem ich nach oben abmarschiert
war, eingenickt sein. Mein Magen knurrte ein wenig. Zeit für Mittagessen. Aber
ich hatte keine Lust aufzustehen, deshalb rappelte ich mich auf und döste ein
wenig vor meinem Fenster. Das Haus da drüben, in dem der merkwürdige Schatten
verschwunden war, hatte eine große Veranda, weiße Säulen, die längst
vergilbt und grau geworden waren, hielten einige Etagen zusammen. Wie stark sie
sein mussten, sich mit aller Kraft dagegen zu stemmen. Grünliche Kacheln, die
auf dem riesigen Dach angebracht waren, teilweise zerstört, erinnert an Kupfer,
das längst oxidiert war. Die ebenso grüne Farbe an einigen Teilen der
Hauswände, blätterten hier und da, mehr oder weniger schon herunter.
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