Feuerdämon von Purple_Moon (Was wurde eigentlich aus dem Stier?) ================================================================================ Kapitel 1: Taur --------------- *** Feuerdämon - geschrieben von Purple_Moon mit Unterstützung von Furu. Ich weiß schon gar nicht mehr, wer die ursprüngliche Grundidee hatte. Kann auch sein, dass unsere verwirrten Geister gleichzeitig darauf gekommen sind... Wir haben festgestellt, dass wir beide *Das letzte Einhorn* lieben. Dann bemerkten wir, dass es dazu leider kaum Fanfictions gibt. Ha! Eine Marktlücke! Aber wir mögen Shounen-Ai, also was tun? Lest selbst, was unsere kranken Hirne ausgetüftelt haben. Diese Story soll Shounen-Ai enthalten. Mir ist klar, dass der Zeichenstil von "Das Letzte Einhorn" nicht gerade dazu passt, weil die meisten Leute doch ziemlich große Nasen haben und so... Stellt euch die Mitwirkenden doch einfach im Stil von z.B. Weiß Kreuz vor. Furu meint, dann würde Lír aussehen wie Schuldig, nur blond. Ich weiß ja nicht... sie ist halt ein Fan von Schuldig. Für diese Geschichte habe ich extra noch mal das Buch gelesen, nach dem der Film entstand. Mehrere Dinge aus dem Buch, die im Film keine Erwähnung fanden, werden hier berücksichtigt. Beispiele: -Der rote Stier ist blind, kann aber trotzdem Einhörner aufspüren. Er ist älter als das Einhorn. -Es gibt ein Dorf in der Nähe von Haggards Schloss, Hagsgate. Hagsgate war verflucht, mit Haggard unterzugehen, aber bis dahin Wohlstand zu haben. Einer der ihren sollte das Verderben über sie bringen, deshalb entschieden die Bewohner, keine Kinder mehr zu bekommen. Das schien 50 Jahre lang zu klappen. Aber Lír (21) stammt von dort... -Haggards vier Männer in Waffen, die man im Film nie zu Gesicht bekommt, tauchen im Buch tatsächlich auf. Sie sind alt, werden aber auf wundersame Weise verjüngt, als die Einhörner befreit werden, und schwören ihrem neuen König, Lír, die Treue. -Lír hat gelobt, erst ein Schloss für sich zu bauen, wenn Hagsgate wieder aufgebaut ist. Es wurde nämlich von den Einhörnern niedergetrampelt, aber die Leute haben sie für Meeresschaum gehalten. Genug gelabert. Ich hoffe, es gefällt euch. *** Kapitel 1: Taur Zwei Menschen standen am Strand und sahen zu, wie die Flut hereinkam, ein Mann und eine Frau. Sie trug Gewänder in Brauntönen, er eine blaue Robe und einen spitzen Hut. "Warum wolltest du wieder herkommen?" fragte die Frau. "Ich habe mich die letzten Monate gefragt, was aus dem Stier geworden ist. Ob er wohl noch im Meer ist? Und wenn nicht, terrorisiert er gerade wieder ein Land?" "Schmendrick, du machst dir zu viele Sorgen. Wenn es so wäre, hätten wir davon gehört. Darüber haben wir doch schon so oft diskutiert. Der Stier sah aus, als würde er brennen... vielleicht ist seine Flamme erloschen und er ist jetzt ein ganz normales Rindvieh... vielleicht sogar ein ganz normales Steak..." Er musste lachen. "Molly... so einfach kann es doch nicht sein." "Wieso nicht? Komm, gehen wir, hier gibt es nichts." Er wandte sich um, und gemeinsam gingen sie zu den Pferden. "Du hast Recht. Trotzdem... ich habe das Gefühl, dass wir ihm noch einmal begegnen werden." Molly schwieg. Schmendrick war nicht mehr nur ein trotteliger Möchtegern-Zauberer, und wenn er so ein Gefühl hatte, musste man das ernst nehmen. Sie ritten eine Weile in raschem Tempo, um den Ort schnell hinter sich zu lassen. Das Land wirkte längst nicht mehr so öde wie noch vor einem halben Jahr, sondern blühte und grünte, aber sie sahen hier keine Einhörner. Die hielten sich im Moment noch fern von hier. Vielleicht, wenn in Haggarts - jetzt Lírs - Reich irgendwann wieder ein grüner Wald gewachsen war... Schmendrick und Molly sahen auf ihren Reisen manchmal eines oder mehrere. Sie zeigten sich ihnen, wie zum Dank. Zwar waren damals alle scheinbar gleichgültig an ihnen vorbei gerannt, aber sie wussten schon, wem sie ihre Rettung zu verdanken hatten. Nur "ihr" Einhorn hatten sie nicht mehr wieder gesehen. Aber wenn selbst der Rote Stier es nie gefunden hatte, wie sollte das dann einem Zauberer und einer Räuberbraut gelingen? *** Lír ging hinter der Theke in Deckung. Neben ihm hockte der Wirt, während im Schankraum das Chaos tobte. "Wollt Ihr Eurem Freund nicht helfen?" erkundigte sich der Gasthausbesitzer mit stoischer Gelassenheit. Schlägereien waren bei ihm an der Tagesordnung. Lír schüttelte den Kopf. "Ich wäre ihm nur im Weg." "Ich dachte, er ist blind!" gab der Wirt nun doch zu bedenken. Lír nickte. "Ja, aber er sieht auf seine Weise. Mit all seinen anderen Sinnen und einem Gespür, das kein Sehender je hatte." Eine Weile danach hörte der Lärm auf und wich einer Geräuschkulisse aus Stöhnen und Röcheln. Lír und der Wirt trauten sich aus ihrem Versteck. Der Prinz griff lässig nach einem Becher und füllte ihn aus einer Weinkanne, die wie durch ein Wunder heil geblieben war. Der einzige Mann, der sich noch auf den Beinen halten konnte, gesellte sich zu ihm, bediente sich aber aus dem Wasserkrug, den seine tastende Hand fand, während Lír ihm einen Becher reichte. Er hatte schulterlanges, dunkelrotes Haar, das nun ein bisschen zerzaust aussah, und die Reste seines Hemdes bedeckten kräftige, gebräunte Schultern. Seine Augen waren fast schwarz und gaben dem rustikalen, auf seine Art hübschen Gesicht eine bedrohliche Note, wenn er wütend war. Im Moment entspannten sich seine Gesichtszüge, nachdem er sich ausgetobt hatte. "Taur, das ist jetzt schon die vierte Kneipe in drei Tagen, in der du eine Schlägerei angefangen hast. Kannst du dir das nicht mal abgewöhnen?" beschwerte Lír sich. Taur schnaubte verächtlich. "Diese Menschen haben angefangen." "Ja, ja, wie immer. Dein Temperament ist zu hitzig, würde ich sagen." Lír fragte sich wieder einmal, warum er sich mit dem Kerl abgab. Er war schon so oft wild entschlossen gewesen, ihn einfach sich selbst zu überlassen, aber das konnte er der Welt nicht antun. Und es widersprach seiner Moral als Held. Das war wohl sein Schicksal als Erbe König Haggarts. Oder er hatte einfach nur eine Schwäche für Fabelwesen in Menschengestalt. Der Gedanke weckte schmerzliche Erinnerungen in ihm, wie es eigentlich schon allein Taurs Gesellschaft tat. Aber wenn er ihn allein ließ, wer konnte schon sagen, was dann aus ihm wurde - ein blinder Mann, der sich in der Welt nicht wirklich zurechtfand, aber kämpfen konnte, wurde leicht von Räuberbanden angeworben und dann vielleicht von irgendeinem Helden getötet. Lír fragte sich, warum ihn das interessierte, aber er konnte es nicht ändern. "Ich habe Hunger," verkündete Taur, in Richtung des Wirts gewandt. "Bringt ihm eine große Portion Haferbrei," schlug Lír vor. "Oder Salat." Der Wirt runzelte zweifelnd die Stirn. "Wir haben auch Lammbraten... Aber gut, ich sage meiner Frau, dass Ihr Haferbrei wollt." "Für mich das Lamm," ergänzte Lír. Taur trank noch mehr Wasser. Eines der Schankmädchen kam aus einem Versteck und füllte seine Karaffe nach. "Starker Mann, willst du nicht einen leckeren Braten essen? Ich hab die Soße selbst abgeschmeckt..." "Mein Freund ist Vegetarier," bemerkte Lír. Das Mädchen wandte sich ihm zu. "Wirklich? Das kann ich gar nicht glauben, bei den Muskeln..." Sie hängte sich an Taurs Arm, gerade als der Wirt das Essen brachte. "Äh, ich will essen, kannst du mich bitte loslassen?" grummelte ihr Angebeteter. Sie verzog das Gesicht, als ihre Annäherungsversuche derart zunichte gemacht wurden. Beleidigt räumte sie das Feld. Lír grinste. Taur wusste vermutlich gar nicht, was sie von ihm wollte. Sie aßen eine Weile, während hinter ihnen vereinzelt Männer zu sich kamen und eilig die Kneipe verließen. "Du solltest wirklich ein bisschen Fleisch essen, das ist gut für deine Muskeln und wir müssten nicht immer so viel Zeit mit Beeren suchen verbringen, wenn man viel schneller ein Kaninchen fangen kann," schlug der Prinz vor. "Wenn ich so menschlich werde, dass ich Fleisch esse, kann kein Zauberer auf der Welt mich zurückverwandeln," meinte Taur. Lír hob eine Augenbraue. Man mochte seinen Begleiter für einen Schläger ohne Grips halten, aber er war keineswegs dumm. "Wir werden Schmendrik schon finden. Aber möchtest du denn zurückverwandelt werden? Was willst du dann machen? Mein Vater ist tot..." "Aber Ihr nicht, König Lír." "Du sollst mich nicht so nennen. " "Ihr seid nach Haggarts Tod der rechtmäßige König. Jemand muss über das Reich herrschen. Wenn Ihr es nicht tut, wird sich jemand anders zum Herrscher aufschwingen, und wer kann wissen, ob er ein guter König sein wird?" "Nun, mein Vater war auch nicht gerade ein Musterherrscher, die Leute haben ihn gehasst. Aber warum interessiert dich das auf einmal? Du hast ihm doch treu gedient..." Taur rührte nachdenklich in seiner Breischüssel. "Vielleicht habt Ihr Recht. Ich mache mir schon zu viele Gedanken, als dass ich je wieder werden könnte, was ich war. Außerdem... vielleicht bin ich der Letzte meiner Art." "Vielleicht hat ein Einhorn die anderen in einen Wald getrieben." "Das ist nicht witzig, Hoheit." "Lír. Nenn mich Lír. Wir sind nicht in meinem Reich." Taur grummelte irgendetwas. "Wieso hängen eigentlich in jeder Kneipe die Frauen an mir? Einmal wollte eine mich mit in ihr Zimmer nehmen - oder mit in meins kommen." "Was erwartest du? Du bist ein gut aussehender, starker Mann. Was macht deiner Meinung nach ein Mann mit einer Frau in einem Zimmer?" "Oh." Taur aß den letzten Löffel seines Haferbreis und rief nach mehr. Lír zählte ihr Geld. Sie hatten noch genug, um das Zimmer für diese Nacht zu bezahlen, und sie mussten vorher noch ein neues Hemd für den streitlustigeren von ihnen kaufen. Taur verbrauchte Hemden wie andere Leute Brennholz. Es wurde Zeit, dass sie mal wieder eine bezahlte Beschäftigung fanden, eine Stadt von einer Räuberbande befreien oder so. Lír tötete nicht mehr jeden Drachen, seit Taur ihm gezeigt hatte, dass man mit denen reden konnte, wie mit einem Einhorn... Am folgenden Morgen nach einem Besuch beim Schneider waren die beiden Männer wieder unterwegs. Taur tat sich immer noch schwer mit dem Reiten auf einem Pferd, aber er sah ein, dass es schneller ging als zu laufen. Lír hatte ihn geduldig gelehrt, mit einem Pferd umzugehen. Überhaupt hatte er alles, was er wusste, von ihm gelernt. Beispielsweise das Führen eines Schwertes - dafür begeisterte er sich und hatte auch Talent. Und noch eine andere nützliche Fähigkeit, wie sich an diesem Tag mal wieder zeigen sollte. Sie ritten durch einen dichten Wald, vor dem die Dorfbewohner sie gewarnt hatten, aber das hatte den Helden und seinen Begleiter noch nie aufgehalten. Es hieß, dass es hier Räuber gab und manchmal auch spukte. "Wir werden verfolgt," meinet Taur ruhig. "Ich kann ihre Pferde riechen und die Hufschläge hören. Etwa acht Männer." Er lächelte in freudiger Erwartung eines kleinen Handgemenges. Lír seufzte. Sein "Schützling" strotzte vor Kraft und musste sich häufig austoben - hoffentlich ging das nicht ewig so weiter. Gewalt war schließlich keine Lösung. Auf einer Lichtung schlossen die Räuber zu ihnen auf und umzingelten sie. "Haltet eure Pferde an, Fremde! Wenn ihr absteigt und all eure Wertgegenstände zurücklasst, wird euch nichts geschehen!" "Und wenn nicht?" Taur zog sein Schwert, das er wie gewöhnlich am Sattelknauf befestigt hatte, und stieg ab. "Wer ist euer Anführer?" Die Bande lachte grölend. "Hey, der Junge will es auf die harte Tour!" Einer der Banditen trieb sein Pferd vor die anderen. Der Hengst tänzelte nervös. "Man nennt mich Bruno, der Bär. Dies ist meine gefürchtete Bande. Ergebt euch, damit wir euch nicht verletzen müssen, Fremde." "Ich heiße Taur," sagte der Dunkelhaarige, die blinden Augen auf die Quelle der Stimme gerichtet. "Und dies ist König Lír." "Woah, ein König!" freute sich einer von Brunos Leuten. "Vielleicht gibt's für den Lösegeld!" Taur grinste. "Versucht es doch! Mein König, überlasst diese Bande mir! Sie erscheinen nicht allzu gefährlich." "Nicht gefährlich?" empörte sich der kräftigste von Brunos Männern. Taur hielt seine Klinge vor sich. Auf einmal flog sein Haar nach oben, obwohl kein Lüftchen wehte. Es wurde zu rotem Feuer, und dann hüllten die Flammen auch das Schwert ein; die Augen des Mannes glühten dämonisch. "Grundgütiger! Flieht, Männer, sonst holt uns der Teufel!" schrie Bruno, und zu Taurs Enttäuschung machte die Räuberbande, dass sie auf ihren scheuenden Pferden wegkam. "Banditen sind auch nicht mehr das, was sie mal waren," amüsierte Lír sich. Sein Kumpel stieß wütend das Schwert in den Boden, wobei sein Feuer erlosch. "Verdammt! Erst versetzen sie mich in Kampfstimmung, dann lassen sie mich hier stehen!" "Du hast ihnen zuviel Angst eingejagt," lachte Lír. Taur seufzte. "Ich habe keine ernstzunehmenden Gegner, das ist öde. Wann treffen wir den Magier? Ich will wieder sein, was ich war." "Und was soll dann aus dir werden?" Lirs Stimme klang ehrlich besorgt. "Wo willst du denn hingehen? Du bist in dieser Gestalt besser aufgehoben, würde ich sagen. Ist das denn so schlimm?" Er hatte seine Geliebte verloren, nun wollte er den Freund nicht auf die gleiche Art verlieren. Ja, der ungestüme junge Mann war ihm ein Freund geworden. Warum er so an Taur hing, konnte er nicht sagen. Vielleicht, weil er sonst niemanden hatte. Oder war es nur Beschützerinstinkt gegenüber einem Blinden? Gegen Mittag fing sich Lír einen Hasen, den Taur nicht essen wollte. Er suchte indessen im Wald nach Beeren, Kräutern und Wurzeln. Es war nicht ganz einfach für ihn, aber so war er immerhin beschäftigt. Er erkannte Pflanzen am Geschmack und durch Berührung, konnte die meisten sogar am Geruch unterscheiden. Sie hatten auch noch Brot und Käse. Im Winter, wenn es keine Beeren mehr gab, würden sie irgendwo bleiben müssen, falls Taur sich nicht doch noch dazu durchringen konnte, Fleisch zu sich zu nehmen. Der muskulöse Mann war weit in den Wald vorgedrungen und hatte seinen Begleiter hinter sich gelassen, als er von weiter weg Stimmen und die Geräusche von Pferden hörte. Zwei Reiter mit Hunden im Schlepptau ritten durch den Wald, offenbar Jäger. Taur verbarg sich hinter einem mächtigen Baum, indem er sich von den Geräuschen abwandte. Einer der Hunde bemerkte ihn, schnüffelte vorsichtig an ihm und entschied dann, ihn zu ignorieren. "Es scheint in letzter Zeit wieder Einhörner zu geben, gerade als ich dachte, sie wären alle fort... man könnte meinen, das Einhorn in jenem Wald hätte meine Worte gehört und etwas unternommen," sagte der ältere Mann mit dem schwarzen Bart. Bei ihm war ein junger Rothaariger. Er lachte belustigt. "Du glaubst wirklich daran, was? Ich habe jedenfalls noch nie eines gesehen." Der andere ließ sein Pferd sehr langsam gehen und sah sich um. "Oh, du solltest den Geschichten der umherziehenden Barden und Landstreicher lauschen, oder den Gerüchten, die sich die Kaufleute erzählen. Demnach soll es wieder Einhörner geben, seit König Haggard in den Trümmern seiner Burg begraben wurde. Offenbar hatte er etwas mit dem Verschwinden dieser Wesen zu tun. Sein legendärer Roter Stier ist seither unauffindbar, sein Sohn soll auf der Suche nach jemandem herumziehen." "Der Rote Stier? Ich dachte, der wäre nur ein Märchen." "Es gibt anscheinend nur einen seiner Art. Niemand weiß, woher er kam, wie er geboren wurde. Vielleicht war er nur ein Geist oder eine Legende. Gestaltgewordenes Feuer, oder eine Manifestation böser Magie..." "Hey, da vorne ist ein Hirsch! Also hier gibt es jedenfalls keine Einhörner, die das Wild verschwinden lassen!" rief der Jüngere begeistert. Der Schwarzhaarige seufzte nachsichtig. "Du hast Recht. Lass uns jagen, dazu sind wir ja hier." Er sah sich um, konnte jedoch nichts entdecken. Der Reiter wandte sich nach vorn und folgte seinem Gefährten, ohne noch etwas zu dem Thema Fabelwesen zu sagen. Taur trat auf den Weg und wandte sich in die Richtung, in die die Jäger verschwunden waren. "Es gibt keinen anderen Roten Stier? Ich bin der einzige, der existiert?" Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und versuchte, diese Information zu verdauen. "Was wissen die Menschen schon. Nur, weil sie noch nie einen Roten Stier gesehen haben, heißt das doch nicht, dass es keine gibt." Doch er stand eine Weile unschlüssig herum, während er über das Gehörte nachdachte. "Taur?" Lír war schon auf der Suche nach ihm. "Ja, ich bin hier." Er nahm sich vor, nicht mehr solchen Blödsinn zu denken. "Mein König... Glaubt Ihr, dass es noch mehr von meiner Art gibt?" fragte er trotzdem. "Nicht dass ich wüsste," gab Lír zu. "Ich kann mich auch nicht erinnern, wo du herkommst. Seit ich mich erinnern kann, hast du in dieser Höhle unter dem Schloss gelebt und meinem Vater gedient." "Ich erinnere mich..." murmelte Taur. "Haggard hat mir Unterschlupf unter seinem Schloss gewährt und immer von den Einhörnern gesprochen... und dieser Zauberer, Mabruck, der war auch immer dabei..." Der Rothaarige griff sich an den Kopf. "Ich weiß nicht mehr... er hat ständig vor sich hin gemurmelt, und Haggard... der war ganz begeistert von der Aussicht, die Einhörner zu besitzen..." "Mach dir keinen Kopf," winkte Lír ab. "Denk lieber darüber nach, was du in Zukunft sein willst. Kommst du?" Taur nickte. Er war inzwischen auch nicht mehr sicher, was er wollte. Tatsache war, dass ein Roter Stier nicht viele Zukunftsaussichten hatte. Aber wenigstens interessierte es ihn, warum er jetzt diese Gestalt hatte. Vielleicht konnte Schmendrick ihm das sagen. Sie kehrten zu ihrem Lager zurück, wo bereits der Hase über dem Feuer briet. Offenbar hatte Lír die beiden Jäger eingeladen, denn sie saßen in der Nähe und häuteten gerade ihr Reh. Taur sah sie nicht, spürte jedoch ihre Gegenwart auf seine eigene Art, und er konnte sie riechen und natürlich hören. Er roch auch das Blut des toten Tieres, deshalb entfernte er sich, um sich das zu ersparen. Statt dessen ging er zu den Pferden. Die Gäste hatten edle Rösser, und er tat so, als würde er sich dafür interessieren. Die vier Jagdhunde behelligten ihn nicht, doch er fühlte ihre neugierigen Blicke auf sich. "Ja, es gibt wieder Einhörner," sagte Lír gerade. Offenbar hatten sie das alte Thema wieder aufgegriffen. "Ich kenne Leute, die gesehen haben, wie sie aus dem Meer kamen, in dem sie gefangen waren." Er meinte damit nicht sich, denn tot zwischen galoppierenden Einhörnern zu liegen konnte man nicht als sehen bezeichnen. Er hatte es nicht gesehen. "Ich meine den Zauberer Schmendrick und seine Gefährtin Molly Grue. Habt Ihr von ihnen gehört?" "In der Tat," antwortete der ältere Jäger. "Man hört oft von einem Zauberer, einem Gaukler, der zusammen mit einer Frau durch die Dörfer reist, ein oder zwei Tage bleibt und die Unterkunft und das Essen mit seinen Unterhaltungstricks bezahlt. Jemand wie er lockt Leute an, und nicht selten treffen sie sich anschließend in der Kneipe, was dem Wirt dann immer sehr gefällt." "Gauklertricks? Schmendrick sollte mehr können," wunderte Lír sich. "Aber erzählt mir doch bitte von dem Einhornwald, den Ihr erwähntet. Vor über einem Jahr, sagt Ihr?" Taur seufzte. Der König war ganz aufgeregt, kein Wunder. Wenn diese Menschen vor einem Jahr in einem Wald gewesen waren, in dem ein Einhorn lebte, konnte es nur *das* Einhorn gewesen sein. Die anderen waren zu diesem Zeitpunkt noch gefangen gewesen. Wenn Lír es jetzt suchen wollte, konnte er Schmendrick erstmal abhaken. Naja, ganz schlecht war die Idee vielleicht auch nicht, überlegte Taur. In letzter Zeit hatte er sich hin und wieder dabei erwischt, dass er sich wünschte, seinen Begleiter sehen zu können, dabei machte es sonst keinen Unterschied für ihn, ob er jemanden sah oder nur wahrnahm, wie er es gewohnt war. Und das, nachdem es ihm jahrelang komplett egal gewesen war, was er tat, sein einziger Lebensinhalt das Fangen der Einhörner... Diese Tiere konnten Tote erwecken, wofür Taur im Nachhinein dankbar war. Dann musste es ein leichtes für sie sein, Blinde zu heilen. Allerdings machte er sich da keine Illusionen. Vermutlich würde jedes Einhorn auf der Welt ihn erkennen und einen weiten Bogen um ihn machen. Lír entging nicht, wie still Taur in Gegenwart der beiden Jäger war. Er war immer etwas zurückhaltend, wenn jemand dabei war, mit dem er sich nicht gerade prügelte, aber das war anders. Der König vermutete, dass er das Gesprächsthema nicht mochte. Und er musste zugeben, dass er ihn verstehen konnte, schließlich hatten sie ursprünglich das Ziel gehabt, Schmendrick zu finden. Das Einhorn lief ihm gewiss nicht weg, sie konnten zuerst nach dem Magier suchen. Andererseits sehnte Lír sich danach, sie wieder zu sehen, und sei es nur, um ihr lebewohl zu sagen. Und vielleicht kam Taur in der Zwischenzeit zu einem Entschluss. Er schlug sich gut als Mensch, warum das ändern? Aber Lír war König und musste deshalb seine persönlichen Bedürfnisse zurückstellen. Es war wirklich kein leichter Job. Die beiden Jäger blieben noch eine Weile. Es war schön, sich mit ihnen zu unterhalten, Lír erfuhr allerhand Neues, was sie von anderen Reisenden gehört hatten. Ein wenig hatte er ein schlechtes Gewissen, weil Taur sich nicht an dem Gespräch beteiligte und sich von den Fremden fernhielt. Insofern war es ihm dann auch ganz recht, als die beiden sich verabschiedeten. Er hatte ihnen seinen richtigen Namen gesagt und auch, wen er suchte und wo er hingehen wollte. Vielleicht half es ja und Schmendrick hörte irgendwie davon. Jedenfalls hatte Lír eine Entscheidung getroffen. "Taur, wir werden wie geplant nach Schmendrick suchen und dann weitersehen," teilte er seinem Begleiter mit. Dieser war inzwischen wieder ans Feuer gekommen und wandte sein Gesicht überrascht in seine Richtung. "Wirklich? Das freut mich, Eure Hoheit." "Aber ich möchte auch ein Einhorn finden - irgendeins - damit es deine Augen erleuchtet." "Was? Wieso das?" Taur war maßlos erstaunt, aber zugleich aufgeregt bei dem Gedanken, den König sehen zu können. "Ich möchte dir so viel zeigen," sinnierte Lír. "Menschen suchen ständig einen Sinn im Leben. Sie können sich nicht damit zufrieden geben, zum Beispiel Einhörner zu bewachen und sonst nichts zu tun. Ich möchte dir all das zeigen, was diese Welt zu bieten hat. Du siehst sie auf deine Weise, aber ich möchte sie dich auch auf meine Weise sehen lassen." Er fuhr sich etwas verlegen mit der Hand durchs Haar. "Oje, was rede ich da... Für solches Zeug hast du sicher nichts übrig..." "Ich... ich denke, ich möchte auch sehen können," entgegnete Taur. Lír hob eine Augenbraue. "Tatsächlich? Ich war nicht sicher, ob du Wert darauf legst." "Früher nicht. Aber vielleicht ist es eine menschliche Eigenschaft... Verdammt, ich werde wirklich schon menschlicher, als gut für mich ist." "Jedenfalls kannst du schon gut fluchen." Lír setzte sich neben ihn und legte kumpelhaft einen Arm um den größeren Mann. "Lass uns bis zum Abend noch ein Stück reiten. Weiter östlich soll ein kleines, gastfreundliches Dorf sein. Tu mir einen Gefallen und schlag dich nicht wieder." Taur nickte. "Ich versuch's." "Und nenn mich nicht Hoheit." "Äh... Lír." "Gut." Die beiden Männer löschten ihr Feuer und ritten gemütlich weiter. Sie konnten das Dorf bequem vor der Dunkelheit erreichen. Sicher würden sie jemanden finden, der sie in der Nacht aufnahm, denn ihr Geld reichte sonst nicht mehr weit. Vielleicht konnte ihnen sogar jemand Informationen zu Schmendrick und Molly geben. Lír freute sich schon auf ein Wiedersehen mit ihnen. Er hätte es begrüßt, wenn die beiden in seinen Diensten verblieben wären. Aber man konnte nicht alles haben, und er war mit Taurs Gesellschaft im Moment ganz zufrieden. Der kräftige Mann war sehr intelligent. Dem Roten Stier hätte er das gar nicht zugetraut. Alle, einschließlich Lír selbst, hatten ihn immer nur für ein hirnloses Monster gehalten. So konnte man sich irren. Natürlich war Taur weit davon entfernt, die natürliche Grazie eines Einhorns zu besitzen, aber er bewegte sich trotzdem mit einer Wendigkeit und einer gewissen Eleganz, vor der man sich lieber in Acht nehmen sollte - zumindest, wenn man sich auf der falschen Seite seiner Faust befand. Aber am interessantesten war die Tatsache, dass dieses Fabelwesen in seiner Menschengestalt keineswegs all seine Kräfte eingebüßt hatte. Lady Amalthea hatte ihre Gabe zu heilen mit ihrem Horn verloren. (Lír verbannte ihr Bild aus seinem Kopf, es machte ihn nur traurig.) Taur dagegen hatte diese seltsamen, feurigen Kräfte, die sich in der Gestalt des Roten Stiers in seiner Farbe und in Form der Flammen auf seinem Rücken manifestiert hatten. Er hatte sie gut unter Kontrolle, obwohl er ansonsten eher reizbar war und leicht ausrastete. Das Phänomen war unerklärlich, aber gelegentlich recht nützlich. Sie konnten das Dorf schon von weitem sehen, als Taur plötzlich sein Pferd zügelte. Verwundert ritt Lír zu ihm zurück. "Was ist denn los?" "Einhorn," murmelte Taur und deutete auf einen kleinen Buchenhain in ihrer Nähe. Er hatte die Augen in Konzentration halb geschlossen. "Und Blut..." Lír kam sich vor wie mit kaltem Wasser übergossen. "Ist das Einhorn verletzt?" Er wartete nicht auf die Antwort, sondern trieb seinen Braunen an. Taurs Pferd lief von selbst hinter ihm her. In den Bäumen sangen seltsamerweise keine Vögel, und auch sonst war kein Laut zu hören, gerade so, als trauerte der Ort... Der König stieg vom Pferd und suchte zu Fuß weiter. Taur war so plötzlich neben ihm, dass man es kaum für möglich hielt, dass er blind war. Aber sein Instinkt war untrüglich, wenn es um Einhörner ging, auch wenn Haggards Befehl keine Gültigkeit mehr hatte. Schließlich blieb er zwischen den Bäumen stehen. Als Lír neben ihn trat, konnte er erst nur etwas Weißes ausmachen. Dann erkannte er das Tier. Es versuchte, auf die Beine zu kommen, aufgescheucht von den beiden Menschen. "Ich sollte mich lieber zurückziehen," meinte Taur. "Ich kann nicht garantieren, was sonst passiert." Lír nickte, ehe ihm wieder einfiel, dass sein Begleiter es nicht sah, und fügte ein "Ja" hinzu. Er näherte sich langsam dem Einhorn. Es war männlich, erkennbar an dem Kinnbärtchen. Etwas hatte das Tier verletzt, es blutete aus der linken Schulter. Das Blut lief an seinem Vorderbein herunter, und es hielt sich nur mit Mühe aufrecht. Trotzdem senkte es drohend sein Horn, als Lír sich näherte. "Ho, Junge, ruhig," sagte der König leise. "Ich will dir helfen. Hab keine Angst. Komm." Er setzte sich in ein paar Schritten Entfernung ins Gras, wie es immer die Jungfrauen taten, wenn sie ein Einhorn anlocken wollten. Fraglich, ob das funktionierte... aber eine bessere Idee hatte er nicht. Er sang leise vor sich hin, ein langsames Lied, von dem er nicht wusste, woher er es hatte. Vielleicht von irgendeinem Barden. "Du bist der Sohn des verfluchten Königs," stellte das Einhorn sachlich fest, während es sich zögernd näherte. Es hatte eine Stimme wie ein jugendlicher Mann. Lír war überrascht, dass es zu ihm sprach. "Ich bin jetzt der König," erwiderte er. "Ich teile die Gier meines Vaters nicht. Lass mich nach deiner Wunde sehen. Danach kannst du gehen, wohin du willst." "Ich werde nirgends mehr hingehen," prophezeite das Einhorn. "Lass mich einfach in Frieden sterben." Es klang nicht verbittert, denn Einhörner empfinden nicht genauso wie Menschen. "Was hat dich verletzt, dass du bereits mit dem Leben abgeschlossen hast?" erkundigte Lír sich. "Ich ging zu einem jungen Mädchen, das am Wegesrand sang, gerade so wie du jetzt," erklärte das Tier. "Sie erschrak und schrie. Sie konnte mich nicht sehen und hielt mich für ein wildes Pferd. Ein Mann kam und schlug mit seinem Schwert nach mir. Ich war unvorbereitet und zu schockiert. Die Menschen haben sich verändert in den letzten Jahrzehnten, in denen wir nicht in der Welt waren..." "Mit Schwertwunden kenne ich mich aus," versicherte Lír. "Ich habe in den letzten Monaten zahlreiche Kämpfe gegen die gefährlichsten Krieger bestritten. Hier, leg dich hin. Ich werde mich darum kümmern." Er stand auf und wandte sich um. Taur stand weiter weg bei den Pferden. "Taur, bring mir bitte das kleine braune Etui aus der linken Satteltasche." Der Angesprochene tastete sich an Lírs Pferd entlang und fand, was gemeint war - auch wenn er nicht wusste, ob das Ding braun war. "Ich sollte lieber nicht zu Euch kommen," zweifelte er. "Ich würde ihn verjagen." "Ich brauche das Nähzeug, um die Wunde zu versorgen," beharrte Lír. "Du kannst mir dabei helfen." Er drehte sich wieder zu dem Einhorn um. "Taur wird dir nichts tun. Hab keine Angst." Das Einhorn stieß einen hohen Laut aus, der entfernt an ein Wiehern erinnerte. "Wovor sollte ich mich fürchten? Ich bin doch schon des Todes. Selbst wenn du mich tötest, ist mir geholfen. Denn wenn ich hier bleibe, in diesem Zustand..." Es unterbrach sich, denn Taur war bis auf wenige Schritte herangekommen. Mit bebenden Nüstern starrte es ihn an. "Ich kenne dich! Aber ich muss mich irren..." "Du hast mich fünfzig Jahre lang gekannt, nehme ich an," entgegnete der Mann. Die Augen des Einhorns weiteten sich erstaunt. Sie waren nicht blau, stellte Lír fest, sondern lila. "Was redest du da? In den letzten fünfzig Jahren - waren es fünfzig? - da war ich ein Gefangener, und ich habe gewiss keinen von deiner Art getroffen!" "Von meiner Art?" Taur war verwirrt. Offenbar erkannte das Einhorn in ihm nicht den Roten Stier, der es ins Meer gejagt hatte. Aber was dann? "Was bin ich deiner Meinung nach?" fragte er gespannt. "Wenn du es weißt, sag es mir!" "Spotte nicht über mich!" rief das Einhorn. Es taumelte und stürzte beinahe, doch Lír wagte sich den letzten Schritt vor und stützte es. Das Tier war zu schwach, um ihn abzuwehren. "Feuerdämon!" verkündete es. "Er, der die Wälder zu Asche verwandelt!" *** Fortsetzung folgt. Falls Interesse daran besteht... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)