Weinende Seele von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 30: Blut ---------------- Blut Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch und dem Wissen das richtige zu tun, steuerte der Shogun zielstrebig auf Laures Gemach zu. Sein Herz schlug unkontrolliert. Was würde Laures wohl als Preis für seinen Aufenthalt hier erwarten? Er schüttelte seinen Schopf. Gleich was, alles war es Wert in Kauf zu nehmen, solange er nur Tetei zurückgewinnen konnte. Aber dafür brauchte er Zeit. Zeit und die Gnade Laures. Doch was wenn er sich auf den Handel erst gar nicht einlassen wollte? Zum Teufel mit ihm! Er wird sich darauf einlassen. Ihn, Zadei flehend vor sich zu sehen, sollte doch Bezahlung genug sein. Abgesehen davon würde ihn keine existierende Macht davon abhalten können, hier zu bleiben. Er war bereits eingetreten als ihm klar wurde, dass er immer noch kein Konzept bereit hatte. Verdammt, er hätte gut daran getan sein hitziges Gemüt erst zu beruhigen, als wieder unkontrolliert von einem Fettnäpfchen ins andere zu treten. Jetzt war es zu spät für Taktik. Laures Präsenz hüllte ihn bereits ein. Was solls, Charakter bleibt eben Charakter. Gelassenheit und kühle Berechnung lagen ihm nun mal nicht. Dafür hatte er andere Stärken. Eine davon war Ehrgeiz, genau jene Eigenschaft die ihm jetzt helfen wird, sein Gesicht trotzt bröckelnden Stolzes zu wahren. Entschlossen schob er die seidigen Vorhänge zur Seite, verlieh der Silhouette vor ihm Gestalt. Diese war offensichtlich in ein höchst interessantes Buch vertieft und hielt es nicht für nötig, dem Eindringling Beachtung zuzumessen. Zadei spürte bereits wie sein Blut wieder zu brodeln anfing. Er hielt nichts von übertriebener Höflichkeit, aber das hier war einfach nur unverschämt. Auch ihm gebührte ein gewisser Anspruch an Respekt. Oder war es genau das, was Laures ihm klar machen wollte? Dass er die Schwelle in die Dienerschaft bereits überquert hatte. Völlig unmöglich. Laures mag durch und durch ein Stratege sein aber ein Hellseher war er nun auch wieder nicht. Zornig stapfte Zadei zu dem Tisch, neben dem Sessel in dem Laures sich niedergelassen hatte. Immer noch ignorierte dieser den Shogun. Na, warte Laures. Auch du bist nicht die Selbstbeherrschung in Person. Er griff nach der Karaffe und schenkte sich einen vollen Becher Wein ein, nahm eine handvoll Trauben und fegte den Rest mit einer raschen Bewegung zu Boden. Lässig setzte er sich neben Laures auf den Tisch und lies die Füße in der Luft baumeln. Er nahm einen kräftigen Schluck des schweren Weines und sah amüsiert zu wie sich einzelne rote Tropfen auf den weißen Seiten verteilten. Verärgert schlug der Fürst das Buch zu. "Dein Benehmen war wahrlich noch nie das Vorzeigbarste." "Tatsächlich? Da wo ich herkomme war es zumindest Brauch, seinen Gast zu begrüßen." Kalte Augen blickten dem Shogun entgegen. "Einem Gast ja, nicht einem unerwünschten Besucher. Dein Kommen ist mir im Augenblick weniger Wert, als der meines niedrigsten Sklaven. Womit wir wohl beim Thema wären." Irritiert starrte Zadei seinen Gegenüber an. Wohl doch ein Hellseher. Laures blieb Zadeis Gesichtsausdruck nicht verborgen. "Glaubst du allen ernstes, dass du dich einen ganzen Tag in meinem Palast aufhalten kannst, ohne dass ich es merke? Abgesehen davon, war es nur eine Frage der Zeit, bis du hier auftauchst." "Pha, mal wieder alles nach Plan gelaufen was?" Majestätisch richtete sich der Fürst auf. Zadei knirschte unwillkürlich mit den Zähnen. Wie er sein wichtiges Gehabe doch hasste. "Ich erwarte morgen hohen Besuch. Ein kleine Showeinlage zum Ende hin könnte sich positiv auf meine Ziele auswirken." "Was willst du mir damit sagen? Ist das ein Angebot für meinen Aufenthalt hier? Und welche Bedeutung darf ich dem netten Wort Showeinlage hinzufügen? Ich könnte Wetten du hast eine Menge appetitlichere Jungfrauen, die das erledigen können." "Sicher, allerdings bevorzugt mein Gast Kämpfe und nicht etwaige tanzende Mädchen." Das schallende Lachen Zadeis erfüllte den Raum kurzzeitig. Immer noch grinsend sprang er auf und antwortete mit belustigter Stimme "Wenns weiter nichts ist. Du hast es mir wirklich verdammt einfach gemacht. Ich war auf Knien Rumrutschen und höfliches Bitten eingestellt und jetzt bietest du mir von dir aus einen Handel an, der ja wohl ein Klacks für mich ist. Kämpfen liegt mir im Blut Laures, es entspricht meinem Naturell. Ich frag mich ernsthaft ob du dir das auch wirklich überlegt hast. Was du mir anbietest ist ein Freischein, direkt zu Tetei. Und ich hielt dich bis vor wenigen Minuten doch ernsthaft für einen großen Strategen." "Spotte nur Zadei. Du solltest wissen, dass ich nichts ohne Hintergedanken tue. Geh in die Küche und frage nach Isare, sie wird dir ein Zimmer für die Nacht zuweisen." Immer noch amüsiert verließ Zadei das Gemach. Das war doch nun wirklich lachhaft. Keine Anstrengung, keine Demütigung, ja nicht einmal jämmerliche Sklavenarbeit. Besser hätte es nicht laufen können. Er wird seinen Gegner morgen zu Staub zermalmen und auch jeden weiteren den ihm Laures auftischen wird. Das Abendessen war reichlich und schmackhaft. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, dann hätte man eine Henkersmahlzeit hinein interpretieren können. Schwer lies er sich auf das Bett fallen. Wer sein Gegner morgen wohl sein würde? Er wollte gerade die Augen schließen als es sachte an der Tür klopfte. Es war Isare. Hastig sammelte sie die Überreste des abendlichen Mahls ein. Sie schien sich sichtlich unwohl in der Nähe des Dämons zu fühlen. Dennoch zeigten ihre Handlungen keinerlei Furcht. Als sie sich zum Gehen wand packte Zadei sie an ihrem Handgelenk. "Du hast Angst. Wenn ich sie auch nicht sehen kann, so kann ich sie riechen." "Fürst Laures meinte, dass ihr es nicht wagen würdet Hand an mich zu legen." "Hm, weil du sein Eigentum bist?" "Nein, weil ihr einen Fehler nicht zweimal begehen werdet. Ich weiß nicht, was er damit meinte." Zadei wusste es umso besser. Mit einem kurzen Nicken ließ er ab. "Sag, weißt du etwas von dem Besuch morgen?" "Nein, ich bin ausschließlich in der Küche zuständig. Aber es soll um wichtige Verträge gehen." "Und von den Kämpfen danach?" "Tut mir leid, ich weiß nur, dass ihr einer der Krieger sein werdet." "Verstehe. Lass mir noch was von dem Fleisch da, vielleicht esse ich es später noch." Die Dienerin tat wie ihr geheißen und verließ erleichtert den Raum. Ihr Fürst hatte recht behalten. Sowohl mit seiner Einschätzung über Zadeis Verhalten als auch über die Leichtigkeit ihm reichlich Wein einflößen zu können. Den Rest der Karaffe schüttete sie in der Küche im Abfluss fort. Nicht, dass noch jemand auf den Gedanken kam, davon zu trinken. Als er am Morgen die Augen aufschlug, fühlte er sich als ob er tagelang nicht geschlafen hätte. Sein Kopf brummte und rebellierte gegen jede schnelle Bewegung. Was für ein Gesöff nennst du seit neustem Wein, Laures? Kaum aufgestanden tanzten kleine Sternchen vor seinen Augen auf und ab. Kann ja wohl nicht wahr sein. Er hatte nie einen Kater. Er wusste stets wann er ein Glas besser stehen lassen sollte. Langsam um nicht abermals einen schmerzenden Druck in seinem Kopf zu erzeugen, zog er sich an. Sein Körper kam ihm seltsam schwach vor. Irgendetwas stimmte nicht. Oder hatte die Wirkung seiner heilenden Beeren, etwa schon so schnell nachgelassen? Besser er nahm noch ein paar davon. Er konnte sich jetzt keine Schwäche leisten. Als der süße Saft der Kraft spendenden Früchte seiner Kehle hinunter rann, fühlte er sich sichtlich besser. Dennoch, ihr Geschmack war irgendwie falsch. Was zum Teufel hatte er da gestern Abend nur getrunken, dass sogar seine Geschmacksnerven jetzt noch nachhaltig beeinträchtigt waren? Er hatte keine Zeit mehr darüber nachzudenken. Die Tür wurde mit einem Ruck aufgerissen und ein Soldat bat ihm zu folgen. Auf den Weg zu der Arena musste Zadei auf dem Vorhof zweimal nach oben starren. Die Sonne stand bereits hoch am Firmament. Hatte er etwa solange geschlafen? In einer Nische entdeckte er die Diener von gestern. Sie schien damit beschäftigt zu sein, ein Tablett nochmals ordentlich zu überprüfen, bevor sie es durch die große Tür am Ende der Nische bugsierte. Was für ein Buffet auf nur einem einzelnen Tablett. Henkersmahlzeit. Zadei schluckte. Unsinn. Er sollte seine Gedanken besser auf den davor stehenden Kampf konzentrieren, als nach Erklärungen für seinen Brummschädel zu suchen. Wenn Laures ihn töten lassen wollte, dann bestimmt nicht auf so eine hinterhältige Art und Weise, wie vergiften. *Ich tue nichts ohne Hintergedanken* Jetzt reichte es. Natürlich hatte Laures seine Ziele, aber doch nicht etwaige, die gerade in seinem Hirn auf und ab spukten. Die Sonne verschwand und machte einer marmornen Decke platz. Eine steinerne Treppe führte nach unten in ein dunkles Gewölbe. Sie näherten sich einem Gittertor. Fahles Licht fiel durch sie in den dunklen Keller. Draußen herrschte Stille. Kein Gegröle, keine erhitzten Schlachtrufe. Also wirklich nur eine private Veranstaltung. Konnte ihm auch egal sein. Der Soldat wies ihm an, beim dritten Gongschlag in die Manage zu gehen. Also ohne Waffe, daran lag der Haken. Egal, er würde alles in den Boden rammen, was sich ihm nun gegenüberstellen wird. Er blickte durch die Eisenstäbe in die Sonne und wischte mit der Hand ein paar Schweißtropfen von der Stirn. Seltsam so warm war es heute doch gar nicht. Ein lauter Donner ließ ihn zusammenzucken. Aha, es ging also los. Ruckartig wurden das Gitter nach oben gezogen. Der zweite Tonschlag. Konzentriert atmete er noch einmal ein und aus. War sein Atem etwa unregelmäßig? Keine Zeit das festzustellen. Der dritte Gong bahnte sich einen Weg in sein Gehör. Er vernahm das Knirschen des Sandes unter seinen Füßen. Er blickte links nach oben auf den Balkon. Unverkennbar warf ihm Laures ein Lächeln zu, welches alles andere als freundlich war. Die Person daneben kannte er nicht, aber sie sah einflussreich aus. Allein das völlig übertriebene Gewand zeugte von großem Reichtum. Für einen kurzen Moment erhaschte er weiße Flügel, die augenblicklich im Schatten verschwanden. Tetei. Also war er auch hier. Mit lautem Getöse wurde das Gitter auf der anderen Seite der Manege hochgezogen. Gleich würde er seinem Gegner gegenüber stehen. Ein unangenehmes quietschen ließ ihn nach oben schauen. Ein Netz wurde von der einen Seite der Arena zur anderen gespannt. Welche Funktion hatte das nun? Plötzilch bohret sich ein stechender Schmerz in seinen rechten Oberschenkel. Verdammt, er hatte sich ablenken lassen. Mit leicht verzerrtem Gesicht blickte er zu der schmerzenden Stelle. Eine weiße Feder lachte ihm hämisch entgegen. Was zur Hölle sollte das? Spielte ihm sein Verstand nun auch schon einen Streich. Ehe er sich versah näherte sich unaufhaltsam ein großer Schatten von oben. Reflexartig sprang er zur Seite, gerade weit genug um nicht von dem Schwert getroffen zu werden, welches sein Angreifer zielstrebig führte. Ungläubig blickte er zu seinem Gegner. Eine schlanke Gestalt mit hellen langen Haaren und weißen Flügeln, blickte ihm entschlossen entgegen. Ungestüme blaue Augen bohrten sich in die seine. Deshalb also das Netz. Wild ging die Engelsgestalt auf ihn los, schlug unnachgibig mit dem Schwert nach ihm. Sie war schnell. Verdammt schnell. Und sie wusste zu treffen. Eine hübsche Wunde klaffte bereits an seinem linken Unterarm, eine weitere zog sich über seine Brust. Die restlichen kleinen Kratzer und Blessuren ignorierte er. Der Kampf dauerte noch nicht lange, dennoch war er bereits jetzt außer Atem. Seine Gegenschläge waren schwach, ungenau. Seine Ausweichmanöver schützten nur vor dem Nötigsten. Wieso kamen ihm seine Glieder nur so unglaublich unkontrolliert vor? Er musste sich konzentrieren. Sein nächste Schlag saß. Endlich. Der Geflügelte flog ein gutes Stück zurück. Benommen richtet er sich sein Gegner wieder auf. Also, ging doch. Er hatte ihm ein schönes Veilchen verpasst und eine blutende Nase dazu. Ein unbehagliches Gefühl hielt ihn jedoch davon ab, gleich nachzusetzen. Was wenn Tetei immer noch da oben stand? Vielleicht kannte er diesen Dämon. Und selbst wenn nicht, so machte es ihm mit Sicherheit keine Freude, dabei zu sehen zu müssen, wie ein Wesen seiner Art leiden musste. Zwei feurig stechende Wunden in seiner rechten Brust brachten seine Gedanken zu dem Geschehen zurück. Was war nur los mit ihm? Hatte er tatsächlich seinen Feind aus den Augen gelassen, während er über eventuelle Möglichkeiten sinnierte? Zischend schwang die scharfe Klinge über seinen Kopf. Ein gezielter Treffer in die Magengegend, welcher seinen Widersacher ein paar Meter weiter zu Boden beförderte, verschaffte ihm Zeit, die lästigen Federn aus seiner Brust zu ziehen. Wieso brannte dieses Gift in seinem Bein immer noch so sehr? Er hätte es doch längst neutralisieren müssen. Und seine Wunden? Wieso schlossen sie sich nicht endlich, wie sonst üblich? Selbst die kleinen scharfen Kratzer auf seiner Haut, waren deutlich zu spüren. So zimperlich war er doch sonst nicht. Er musste den Kampf beenden, so schnell wie möglich, bevor ihm einen kleine Nachlässigkeit tatsächlich noch den Kopf kosten könnte. Rasch jagte er über den Sand, zu der liegenden Gestalt. Sein rechtes Bein behinderte ihn jedoch. Es war beinahe taub. Ungeschickt viel er zu Boden. Schwer keuchend stützte er sich mit beiden Armen auf. Sein linker Unterarm blutet immer noch stark. Fasziniert folgte sein Blick der roten Flüssigkeit die in den Sand sickerte. Er verlor viel zu viel davon. Mühsam richtet sich auf. Gerade rechtzeitig um den Angriff des geflügelten Dämons abzuwehren. Scharf sog er dabei die Luft ein. Seine ganze Lunge brannte. Sein Herz schlug unregelmäßig gegen die stechende Brust. Gierig nach Atem ringend wich er dem nächsten Schlag aus. Hastig packte seine Rechte das Handgelenk des Angreifers und drückten es so fest zusammen, dass dieser das Schwert mit einem Aufschrei zu Boden fallen lies. Er hatte also noch Kraft, aber welche Anstrengung verlangte seine Aktion ihm gerade ab? Ein heftiger Tritt gegen die Brust unterbrach seinen Gedankengang und lies ihn schwerfällig zurück fallen. Hätte er noch Kraft dazu gehabt, dann hätte er wohl aufgeschrien. Ein weitere Tritt folgte, diesmal in die Rippen. Er rollte sich zur Seite, doch der Dämon mit den blauen Augen war schneller. Sein Kiefer machte Bekanntschaft mit dessen Stiefel. Gellender Schmerz breitete sich in seinem Gesicht aus. Das war doch alles nicht Real. Ein Schlag in den Nacken bewies ihm das Gegenteil. Blut raste in seinen Schädel. Er glaubte er würde jeden Moment zerspringen. Verschwommen starrte er auf den Boden. Zitternd gaben seine Arme nach und ließen ihn in den Sand fallen. Dunkle Schwingen bildeten sich auf dem hellen Sand ab. Verschwammen wieder, bevor es Schwarz vor seinen Augen wurde. Doch da war noch etwas. Ein Schwert, welches sich sirrend seinen Ohren näherte. Jetzt. Ruckartig drehte er sich um, stoß mit aller Kraft die seine Beine noch aufbringen konnten, in den Unterleib seines Schlächters und rammte ihn zu Boden. Mit einem grellen Schrei warf er sich blind auf die Engelsgestalt, rang kurzzeitig mit ihr bis er etwas weiches zu fassen bekam. Schreiend zerrte er an den weichen Daunen, bis ein andere Schmerzenslaut den seinigen übertönte. Ein Lächeln zeichneten sich nun auf seinen Lippen ab. Ja, er hatte seinen Gegner dort wo er ihn haben wollte. Mit einem letzten kräftigen Ruck riß er an dem Flügel. Warme Tropfen benetzten sein Gesicht. Schwer stieß er Atem aus seiner Lunge, nur um ihn unter beißenden Schmerz wieder einzusaugen. Geschafft. Erschöpft viel sein Körper neben dem besiegtem Gegner zu Boden. Er starrte in die Schwarze Sonne über ihm. Schmeckte Blut, welches sich einen Weg in seine Mundhöhle bahnte. Ihm war übel. Fürchterlich elend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)