Anfang aller Feindschaft von Lizard (aus den Schatten der Vergangenheit) ================================================================================ Kapitel 22: Wiedergeburt ------------------------ Schon wieder habe ich euch lange warten lassen... sorry, sorry, doch es geht leider einfach nicht schneller. Dafür komme ich jetzt auch gleich zur Sache d.h. zu Kapitel 22: Nachdem Inu Taisho den Drachen Bundori besiegt und seinen Sohn von den Toten zurückgeholt hat, muss er sich nun gegen neue Gefahren rüsten. Denn nicht nur bei Izayoi und den Menschen braut sich neues Unheil zusammen... Enjoy reading! Heftige Frühlingsstürme suchten den Osten Japans heim. Taifunartige Winde brausten mit kräftigen Regengüssen über die Meeresküsten, zerstörten Fischerdörfer und peitschten das Meer auf. Viele der dort lebenden Menschen waren ins Landesinnere geflohen und hatten ihre ganze Habe den Launen der unbeherrschbaren Natur ausgeliefert. Die, die nicht fliehen konnten oder wollten, hatten Zuflucht in Tempeln, in Schreinen oder an den heimischen Altären gesucht und beteten verzweifelt um ihr Leben. Die Menschen hatten Angst. Stürme waren schließlich nicht das erste Naturphänomen, das ihre Existenz bedrohte. Voller Furcht erinnerten sich die Menschen wieder an den Tag vor mehr als einer Woche, als eine gewaltige, unbegreifliche Macht einen Teil der Küste gesprengt und dem Meer einen neuen Weg geebnet hatte. Daraufhin waren riesige, tiefgelegene Gebiete des Landes für immer von einem Tsunami verschlungen worden. Wer wusste schon, was nun geschehen würde. Nur eine einsame Gestalt, die entlang eines Strandes auf ein halb zertrümmertes, verlassenes Dorf zu wanderte, ließ sich offensichtlich weder von Sturmwind noch von sintflutartigem Regen beeindrucken. Es war ein hochgewachsener Mann, der eine harte, schwarzglänzende Rüstung aus Leder trug. Ein unerfahrener Beobachter hätte sein Alter vielleicht auf dreißig Jahre eingeschätzt, wäre mit dieser Einschätzung allerdings völlig falsch gelegen. Denn so menschenähnlich der Unbekannte auch aussah, er gehörte einer Rasse an, die schon Jahrtausende länger auf der Erde existierte als die Menschen. Seine Augen leuchteten unheilvoll rot in der Düsternis der stürmischen Regenfälle, sein mittellanges, zu einem Zopf gebundenes Haar flatterte wild im Wind und erinnerte an blaugrau glänzenden Meeresschaum. Er hinkte leicht und presste seine Arme fest gegen seine rechte Seite, die verletzt zu sein schien. Dennoch wirkte sein Gang äußerst geschmeidig, federnd und schnell. Flott erreichte und durchquerte er das verlassene Menschendorf, betrachte abfällig die vom Sturm zerfetzten Hütten und Boote und schlug dann einen schmalen, versteckten Pfad hinter dem Dorf ein, der eine schwindelerregend hohe Felsenküste hinaufführte. Der Pfad endete im Nichts, direkt vor einer glatten, hochaufragenden Felswand. Doch als der Unbekannte sich der Wand näherte, begann diese zu schimmern, wurde durchsichtig und gab den Weg frei in eine höhlenartige, etwa vier Meter hohe, rundliche Steinhalle, die tief in den Küstenfelsen hinein geschlagen worden war. Überall am Boden dieser Halle lagen vereinzelte, meist schon verfallene und verstaubte Skelette unterschiedlicher Herkunft herum. In der Mitte brannte ein kleines Feuer, eine schmächtige, gebückte und grauhaarige Frau hockte davor und stocherte in der Glut. Neben sich hatte die Frau eine Matte, Holz und einige Krüge ausgebreitet, dazwischen lagen verschiedene Kräuter und andere seltsame Kleinigkeiten. In einem hölzernen Käfig gackerten zwei verschreckte Hühner. Als der geheime, magische Zugang zu ihrer steinernen Halle sich öffnete, blickte die alte Frau am Feuer auf. Ihre Augen schimmerten weißlich im Feuerschein, sie war blind. „Ryokossei-sama...“, sprach sie den eintretenden Mann demütig an, ihre Stimme klang rau und krächzend, ihre Worte waren ziemlich undeutlich. Beim genaueren Hinsehen konnte man erkennen, dass ihr mehrere Zähne und ein Stück ihrer Zunge fehlte. Der Angesprochene stieß die Frau grob beiseite, so dass sie beinahe ins Feuer gefallen wäre, und streckte sich neben ihr auf der Matte am Boden aus. „Kümmere dich um meine Wunde“, befahl er barsch, „sie ist wieder aufgebrochen! Und gib dir Mühe, ich warne dich! Wenn du dieses Mal keine bessere Heilung zustande bringst, wirst du es bereuen.“ „Ich habe Euch doch gesagt, dass ihr Euch nicht so viel bewegen dürft...“ Mit einem heftigen Schlag, der krallenartige Striemen im Gesicht der Frau hinterließ, unterbrach der Drachendämon den zaghaften Einwand. „Schweig, nichtsnutzige Sklavin. Tu deine Pflicht und wage es ja nicht mich zu belehren! Oder ich reiße dir deine Zunge komplett heraus!“ Leise wimmernd richtete die Geschlagene sich wieder auf und kniete sich neben ihren Herrn. Vorsichtig nahm sie ihm die harte Lederrüstung ab, entkleidete seinen Oberkörper und entfernte einen festen, blutverkrusteten Verband. Eine grässliche, tiefgehende Fleischwunde an Ryokosseis rechter Seite, ausgehend von seiner Schulter bis in seinen Bauch, wurde nun ersichtlich. Behutsam tastete die blinde Frau untersuchend die eiternden Wundränder ab und griff dann nach einem kleinen, kupfernen Kessel mit dampfenden Kräuterwasser, der am Rande der Feuerstelle stand. Ryokossei biss fest die Zähne zusammen, als die versklavte Heilerin seine Verletzung zu reinigen begann und der heiße Kräutersud sein Fleisch berührte. Ansonsten ließ er sich jedoch nichts von seinen Schmerzen anmerken. Wachsam beobachtete er die alte Dienerin bei ihrem Tun und betrachtete dabei genüsslich ihre Hände, die nur noch wenige Finger aufwiesen. Diese Verstümmelungen waren Spuren vergangener Bestrafungen, mit denen Bundori sich jeden seiner Untertanen äußerst erfolgreich gehorsam gemacht hatte. Auch diese niederrangige Dämonensklavin wird meinen Bruder niemals vergessen, dachte Ryokossei mit grimmiger Befriedigung. Bundori ist gefallen, sein Geist zersplittert und für immer im Nichts verstreut, aber er wird unvergessen bleiben, jedes einzelne seiner Opfer wird sich ewig an ihn erinnern. Und ich werde ihm ein weiteres, unsterbliches Denkmal setzen. Ich werde sein Werk fortführen und unserem Clan die Stellung zurückgeben, die er einst inne hatte und die er verdient. Irgendwann werde ich das ganze Land, vielleicht sogar die ganze Welt beherrschen und nach meinem Willen formen. Doch zuallererst musste endlich dieser verdammte Köter verschwinden. Erbittert ballte Ryokossei seine Fäuste. Sogar am Rande der Verzweiflung, in tiefstem Schmerz und im Angesicht größter Gefahr war der Herrscher des Westens nicht zu bezwingen gewesen. Doch immerhin waren nicht alle Bemühungen umsonst gewesen. Ryokossei lächelte boshaft. Inu Taisho besaß keine Zukunft mehr, seine Hoffnung, seinen letzten Erben hatte er verloren, seine Verbündeten waren geschwächt und auf dem Festland entwickelte sich eine interessante, neue Bedrohung. Bald würde der Hundeherr sich neuen Herausforderungen stellen müssen. Alles, was Ryokossei jetzt noch brauchte, um Vergeltung zu üben und seine Ziele zu erreichen, war ein wenig Geduld, ein bisschen Vorsicht und weiteres Wissen... Der Drachendämon unterbrach seine Überlegungen und hob seinen Kopf, als ein weiteres dämonisches Wesen in die versteckte, hallenartige Höhle kam, eher flatterte. Dieses Wesen war kaum größer als Ryokosseis Faust. Es sah aus wie eine pummelige Raupe mit Glubschaugen und Fledermausflügeln oder wie die Witzfigur eines kindlichen Minidrachens. Ryokossei verzog leicht angewidert die Mundwinkel. Irgendwann würde er das Drachengeschlecht von derartigen Missgeburten, welche die Natur bedauerlicherweise manchmal hervorbrachte, säubern. Doch noch konnte er den kleinen Wurm gut gebrauchen, seine Harmlosigkeit und seine kindische Kuscheltiererscheinung machten das niedliche Kerlchen zum perfekten Spion. Und mit der Auswahl seiner Spione hatte Ryokossei schon immer viel Geschick bewiesen. Der winzige Drache flog zögernd zu Ryokossei, blieb vor ihm in der Luft hängen und deutete eine schüchterne Verbeugung an. „Na, endlich!", knurrte Ryokossei: „Wo hast du solange gesteckt? Ich warte schon seit über zwei Tagen auf dich!“ „Ähm... ich... Entschuldigung“, stammelte der babyartige Drache verängstigt, „ich bin vom Sturm abgetrieben worden... und...“ „Erspar mir deine Ausflüchte, komm zur Sache. Hast du herausgefunden, wohin der Hund nach dem Kampf gegen meinen Bruder verschwunden ist, was er vorher getan hat und was er jetzt macht?“ „Äh, ähm...“, stotterte der kleine Drache weiterhin furchtsam, „ich weiß nichts Genaues. Es war sehr gefährlich sich in der Nähe von Inu Taishos Schloss aufzuhalten, alle da waren sehr misstrauisch, weil angeblich etwas gestohlen wurde. Aber ich habe herausgefunden, dass der Hundefürst in den Norden gegangen ist, wo er ein altes Heiligtum der Hunde suchen wollte. Wo er vorher war, weiß keiner. Ein freundlicher, geschwätziger Berggeist hat mir allerdings berichtet, dass er Inu Taisho, bevor der Hundefürst für einige Tage spurlos verschwand, im Land des Feuers gesehen hat.“ Ryokossei horchte auf. „Inu Taisho war im Land des Feuers? Na, so was, das ist ja interessant... was wollte er denn da? Und was war das, das aus Inu Taishos Schloss gestohlen wurde? Und was soll das für Heiligtum der Hunde sein, nach dem Inu Taisho nun sucht?“ „Das... das weiß ich doch nicht.“ „Dann finde es gefälligst heraus“, gab Ryokossei verärgert zurück. Er packte den winzigen, vor ihm fliegenden Wurm und presste ihn fest in seiner krallenbewehrten Hand zusammen. Der kleine Drache schrie auf. „Ich muss mehr wissen, ich muss alles über Inu Taisho wissen... Komm mir ja nicht wieder unverrichteter Dinge zurück“, fügte Ryokossei drohend hinzu und schleuderte das kindliche Wesen aus der Höhle hinaus in den Sturmregen. Die alte Heilerin, die gerade Ryokosseis Wunde mit Kräutersalben bestrich und dann neu verband, lächelte unauffällig. Sie hatte zwar ihr Augenlicht verloren, war aber dennoch nicht blind. Die endlosen Jahre in Gefangenschaft der Drachen und im Dienst ihrer beiden grausamen Herren hatten sie genug gelehrt, um Ryokosseis Verhalten und seine Stimmungen richtig deuten zu können. Der unerwartete Tod seines Bruders musste ihn schwer getroffen und sehr verunsichert haben. Fast hätte auch Ryokossei die Schlacht gegen den Westen nicht überlebt, auch er war nicht unverwundbar, nicht unbesiegbar. Diese Tatsache spendete der geschundenen Seele der Sklavin ein wenig Trost und erweckte ihren lange vergrabenen, lange hoffnungslosen Traum von Freiheit. * * * * * Dunkelheit, Leere, ein bodenloser Abgrund... Immer wieder stürzte er darin hinab. Er spürte bittere Kälte, die ihn umfing, fühlte zerrende, eiserne Ketten, die ihn umschlangen und zu erwürgen drohten, und hörte ein klägliches Winseln. Sein eigenes, verzweifeltes Flehen, das er nicht unterdrücken konnte, als er sich unter seinen Qualen wand. So sehr er sich auch zu wehren versuchte, es gab kein Entkommen. Unaufhaltsam riss es ihn in die finstere Tiefe, hinab in beißende, schwarze Flammen aus Eis. Nirgendwo fand er einen Halt und grauenvolle Schmerzen waren seine einzige Begleitung. Gefesselt und gemartert fiel er in die einsame, eisige und endlose Schwärze hinab, bis er es nicht mehr ertrug. Bis er vor seinen beängstigenden Schwächen kapitulierte und damit auch das letzte, das er noch besaß, dahingab: seinen Stolz, seine Würde, die sich in einem lauten, gepeinigten Schrei verloren... „Ihr müsst aufhören, Ieyasu-sama, er erträgt es nicht mehr!“ „Nein, noch nicht! Lass ihn ja nicht los, es ist gleich geschafft, halt ihn ruhig!“ Ieyasus Stimme war heiser vor Anstrengung, sein Gesicht war gerötet und schweißüberströmt. Er kniete mit geschlossenen Augen am Boden eines schlichten Zimmers und beugte sich in tranceartiger Stellung über eine Bettstatt. Seine Hände leuchteten in einem gleißenden, hellweißen Licht. Bedächtig strich der Heiler damit über die rechte Brusthälfte und Schulter sowie über den rechten Arm des vor ihm ausgestreckten Körpers, den Ieyasus Schüler krampfhaft festhielt. Die schlanken Finger des Heilers tauchten tief in Blut und Fleisch. Das flammende Licht, das seinen Händen entströmte, vernichtete faulende Geschwüre und abgestorbene Zellen, es verbrannte zerrissene, entzündete Sehnen, Nerven und Fasern und verschmolz zertrümmerte Knochen und Knorpel. Es war ein verzehrendes Feuer, das Krankes zerstörte und dadurch der Heilung den Weg ebnete für langsam nachwachsendes, gesundes, sich neubildendes Gewebe. Das gleißende Licht strahlte stärker, erhellte kurz den gesamten Raum und verlosch dann plötzlich. „So... zumindest das hätten wir nun auch...“ Erleichtert aufseufzend öffnete Ieyasu die Augen und setzte sich auf. Danach wusch er sich seine blutverschmierten Hände in einer neben ihm abgestellten Wasserschale, wischte sich den Schweiß von der Stirn und wandte sich an seinen Schüler: „Du bist sehr blass... Ist alles in Ordnung?“ Der junge Hundedämon nickte zaghaft. „Mir geht es gut, sensei, ich bin nur etwas müde. Und manchmal habe ich von all dem einfach genug.“ Mühsam stand Ieyasu auf und legte seinem Lehrling verständnisvoll eine Hand auf die Schulter. „Unsere Arbeit ist oft mit viel Leid verbunden, es ist nicht immer ein Segen, ein Heiler zu sein. Verbinde Sesshomaru-samas Seite und schiene seinen gerichteten Arm. Dann ruh dich aus, morgen machen wir weiter.“ „Ja, sensei.“ Erneut nickte der junge Hundedämon und griff nach bereitgelegten, kräuterduftenden Bandagen. Ieyasu stand eine Weile schweigend hinter seinem Schüler und sah ihm bei der Arbeit zu. Jeder Handgriff des Lehrlings war geübt, sicher und sehr sanft. Sesshomaru war ohne Bewusstsein und reagierte nicht auf die Berührungen, er hatte nun auch jede reflexbedingte Gegenwehr aufgegeben, lag jetzt völlig ruhig und atmete flach. Seit seiner wundersamen Wiederbelebung vor über einer Woche war der Fürstensohn in einem komaähnlichen Zustand gefangen. Ein Schlaf voller Albträume, dachte Ieyasu unglücklich. Der Heiler musste nur in Sesshomarus Gesicht blicken, um die Qual zu sehen, die er mit all seinen heiltätigen Behandlungen verursachte. Gegen die unvermeidbaren, ständigen Schmerzen wirkte kein Betäubungsmittel und Sesshomaru konnte ihnen nicht einmal in seiner tiefen Bewusstlosigkeit entfliehen. Schuldbewusst sah Ieyasu auf seine Hände. Diese Hände sollten nicht wehtun, nicht verletzen. Doch sie taten es. Die Kräfte, die Ieyasu bei Sesshomaru zur Heilung anwenden musste, waren sehr ähnlich denen, die der Drachendämon Bundori genutzt hatte, um zu foltern. Manchmal gab es keine klare Grenze zwischen Heil und Leid. Nein, es war wirklich nicht immer ein Segen, ein Heiler zu sein... Ieyasu wandte sich ab, öffnete eine der Schiebetüren von Sesshomarus Gemach und trat hinaus auf die anschließende Balkonterrasse. Von Osten her zog Regen heran, eine dunkle Wolkenwand verhüllte den Himmel, es war stürmisch. In Gedanken versunken verfolgte Ieyasu den Zug der Wolken und schüttelte dann verwundert den Kopf. Eine der Wolken benahm sich äußerst seltsam, sie wurde nicht vom Wind vorwärts getrieben, sie flog gegen den Wind! Ungläubig sah Ieyasu noch einmal genauer hin und dieses Mal erkannte er auch, dass es sich bei der Wolke um einen Schwarm vieler kleiner, fliegender Wesen handelte. Kleine Vögel vielleicht oder auch Schmetterlinge. Aber Tiere wichen normalerweise einer schlechten Witterung instinktiv aus und dieser Schwarm schien sich auch nicht verflogen zu haben. Im Gegenteil, er schien die dunklen Wolken als Deckung auszunutzen und flog planmäßig über das Land, fast so als wolle er es unauffällig auskundschaften... Ein heller, erschrockener Aufschrei lenkte Ieyasu ab. Er sah zurück ins Zimmer und eilte dann bestürzt zu seinem Lehrling. Dieser lag schmerzgekrümmt auf der Seite am Boden und presste wimmernd seine Arme gegen seine Brust. „Um Himmels willen, was ist denn passiert?“ Hastig kniete sich Ieyasu neben den jungen, stöhnenden Hundedämonen und drehte ihn behutsam zu sich herum. „Du meine Güte...“ Die Hände und Unterarme des Schülers waren völlig verätzt. Ein giftiger, grünfarbener Schimmer fraß sich durch seine Haut. Ieyasu sah zu Sesshomaru und zuckte dann verstehend zusammen. Schleunigst packte er seinen verletzten Lehrling, zerrte ihn vom Boden neben der Bettstatt des Dämonenprinzen weg und stieß ihn ungestüm beiseite. „Schnell, verschwinde!“ „Aber, Ieyasu-sama...“ „Mach, dass du hier rauskommst!“ Der junge Hundedämon kam stolpernd auf die Beine und befolgte den Befehl seines Lehrmeisters. Rasch flüchtete er aus dem Zimmer. Ieyasu wartete bis sein Schüler in Sicherheit war und kniete sich dann sehr langsam neben Sesshomarus Liegestelle nieder. Mit äußerster Vorsicht und geflüsterten, beruhigenden Worten streckte er besänftigend eine Hand aus. Ein drohendes Knurren antwortete ihm. Der gefährlich lauernde Blick eines tiefrot glühenden Augenpaars verfolgte argwöhnisch jede seiner Bewegungen. Es war der erwachte, dämonische Blick von Sesshomaru und es war der Blick eines Raubtiers. * * * * * „Verdammt noch mal, was hast du da nur gemacht?! Was hast du dir dabei gedacht? Bist du wahnsinnig geworden? Wie konntest du nur? Habe ich dich nicht immer gewarnt, du sollst vorsichtig sein? O nein, o nein, o nein... wie konntest du nur... das darf doch nicht wahr sein...“ Laut vor sich hin klagend und jammernd hockte ein alter Dämon auf steinigem Boden. Seine menschenähnliche Gestalt wirkte sehr zerbrechlich, sein Kopf war größtenteils schon kahl, der Rest seines grauen Haars war zu einem kurzen Zopf zusammengebunden. Er trug ein grünschwarz gestreiftes Gewand, das seine besten Tage auch schon hinter sich hatte und bestenfalls noch als Sackleinen durchgehen konnte. Im Großen und Ganzen machte er einen recht schäbigen Eindruck, genau wie seine in einem Vulkan gelegene Behausung, die wie ein riesiges Fischskelett aussah. Doch seine Erscheinung und seine Umgebung schienen den alten Dämon nicht zu interessieren, seine ganze Aufmerksamkeit war auf ein Metallstück gerichtet, das völlig verbogen vor ihm lag. „Uah, du hast mein kostbares Werk vernichtet, meinen Stolz, mein Prachtstück... Du absoluter Trottel, du unfähiger Blödian!“ Die übergroßen Augen des Alten verschwammen in Tränen. Dann verwandelte sich sein weinerlicher Gesichtsausdruck von einem Moment auf den anderen in überschäumenden Zorn. Mit unerwarteter Gewandtheit sprang er blitzartig auf und ergriff einen langstieligen Hammer. „Na warte, ich prügle deine Tollpatschigkeit aus dir heraus. Ich benutze deinen Schädel als Übungsstück und hämmere dir die Kunst des Schmiedens an deinen eigenen Knochen ein! Bleib hier, du Taugenichts!“ Erstaunlich agil rannte der greisenhafte Dämon nun hinter einem anderen, viel jüngeren und flink flüchtenden Dämonen her. Der alte Dämon machte einen großen Sprung, holte mit seinem Hammer aus und lachte triumphierend. Da er allerdings nicht besonders darauf achtete, wohin er sprang, prallte er plötzlich mit dem Gesicht frontal gegen eine harte Rüstung, purzelte zu Boden und blieb besinnungslos wie ein Käfer auf dem Rücken liegen. Ein leises Seufzen war zu hören. „Ich glaube, deine Vermutung war richtig, Myoga, Totosai hat sich überhaupt nicht verändert.“ Der alte Dämon am Boden regte sich wieder und richtete sich halb auf. Er kratzte sich den Kopf, begutachtete, gegen was er geprallt war, und sprang dann blitzartig ganz auf. „Oha, oller Köter... öh, ich meine, Oyakata-sama! Nett, dass Ihr mal vorbei schaut. Lange nicht gesehen, was?“ Ein kleiner, ängstlich schwitzender Floh sprang auf die Schulter des Greis. „Hör auf damit, Totosai“, zischte er, „der Herr hat keine gute Laune.“ „Ah, sieh an, Myoga“, sagte der alte Dämon namens Totosai und grinste breit, „dich habe ich ja auch schon ewig nicht mehr gesehen. In welchen Mäuselöchern hast du dich die ganze Zeit verkrochen?“ „Äh, wer seid denn Ihr?“, mischte sich nun noch jemand ins Geschehen ein, es war der jugendliche Dämon, der vor Totosai geflüchtet war. Seine Gestalt wirkte mehr tierisch als menschlich und er hatte einen buschigen Schwanz. Er war ein Fuchsdämon. Totosai gab ihm eine Ohrfeige. „Dämlicher Bengel! Du bist ja noch unfähiger als ich dachte, wenn du nicht einmal den weißen Hund kennst!“ Der Fuchsdämon rieb sich die Wange und machte große Augen. Neugierig musterte er den weißhaarigen Dämonen vor sich. „Ihr seid Inu Taisho? Irgendwie habe ich mir den aber ganz anders vorgestellt, ich dachte immer, das ist ein Riesenhund.“ „Tut mir leid, wenn mein Aussehen dich enttäuscht“, gab Inu Taisho amüsiert lächelnd zur Antwort, er nahm dem jugendlichen Fuchsdämon die vorlauten Worte augenscheinlich nicht übel. „Dem Geruch nach müsstest du Zuisou sein, richtig? Dein Vater ist ein sehr guter Krieger, ich war froh, ihn bei der letzten Schlacht an meiner Seite zu haben.“ „Pah“, grummelte Zuisou, „ein sturer Bock ist der, nichts weiter. Er sieht einfach nicht ein, was für ein absonderlicher Fuchs er ist, und er hat sich nie damit abgefunden, dass ich nicht wie er ein Kämpfer werden will. Ich möchte eine Familie gründen und einfach nur in Freude und Frieden leben. Doch statt mir endlich seinen Segen zum Heiraten zu geben und mich mit dem Kriegshandwerk in Ruhe zu lassen, schickt mich mein Vater nun in die Lehre zu diesem alten Zausel. Auf diese Weise glaubt er wohl, mich zumindest für das Schwerterschmieden begeistern zu können! Und dann sagt er noch, er will nur das Beste für mich. Pah, was für ein Idiotenvater!“ Inu Taisho lächelte wieder, auch wenn seine Augen nun traurig wirkten. „Leider macht auch ein Vater Fehler, vor allem dann, wenn er das Beste will... Wenn du möchtest, spreche ich mit deinem Vater, bevor er vielleicht irgendwann einen unverzeihlichen Fehler begeht, den er ewig bereuen wird.“ Der Fuchsdämon starrte den Fürsten überrascht und perplex an. „Was führt Euch zu mir, Oyakata-sama?“, durchbrach Totosai das nachfolgende, betretende Schweigen. Inu Taisho wandte sich ihm zu. „Ich möchte auf dein altes Versprechen zurückkommen und mir ein Schwert von dir schmieden lassen.“ Totosai blinzelte kurz überrascht. „Tatsächlich? Ein Schwert? Was für ein Schwert?“ „Ein Schwert, das es mit Sou’unga aufnehmen kann. Doch eine Waffe anderer Art, ein Schwert mit der Macht des Lebens, ein schützendes Schwert.“ „Ein Schwert, das es mit Sou’unga aufnehmen kann, sagt Ihr?“, Nachdenklich wackelte Totosai mit seinem Kopf und tippte mehrfach mit seinem Zeigefinger gegen seine Stirn. „Da bestellt Ihr ein Ding der Unmöglichkeit. Für so ein mächtiges Schwert bräuchte ich außergewöhnliches Ausgangsmaterial. Ich wüsste aber nicht, was dafür in Frage käme. So was kann ich nicht schmieden.“ „Auch damit nicht?“, fragte Inu Taisho und stellte einen länglichen Kasten aus Holz und Elfenbein vor Totosai am Boden ab. Dieser beäugte das Kästchen misstrauisch. „Los doch“, ermunterte ihn Myoga aufgeregt, „öffne es!“ Totosai bückte sich und klappte den Kastendeckel auf. Dann schnappte er nach Luft und plumpste voller Erstaunen auf sein Hinterteil. „Das gebrochene Schwert“, japste er atemlos, „wie kommt Ihr da ran? Wie konntet Ihr das Siegel des Todes brechen? Und was soll ich nun damit? Soll ich das Ding wieder richten? Das würde ich ja gern, aber das geht nicht.“ „Was ist das für ein Ding?“, fragte Zuisou neugierig und blickte nun ebenfalls in den Kasten. Er sah darin ein in schwarze Seide eingeschlagenes, in zwei Stücke zerbrochenes Kataana. Die Klinge schimmerte perlmuttfarben wie ein Opal. Der Fuchsdämon hatte selten eine so fremdartige und schöne Waffe gesehen. „Das gebrochene Schwert“, erklärte Myoga belehrend, „ist der Legende nach eine Waffe, die erschaffen wurde, als die Macht des Lichts gegen die Macht der Dunkelheit kämpfte. Das Schwert wurde dabei von beiderlei Kraft erfüllt, doch es konnte diese beiden, widerstreitenden Mächte aus Schöpfung und Zerstörung nicht ertragen und zerbrach dadurch in zwei Hälften. Da erkannten die kämpfenden Mächte, dass sie einander nicht besiegen konnten, dass sie zwei gleichstarke Teile einer Einheit waren, und versöhnten sich. Das gebrochene Schwert wurde, um die schöpferischen und zerstörerischen Mächte darin vor Missbrauch zu schützen, tödlich versiegelt und in die Obhut eines Dämonen gegeben.“ „In die Obhut eines Hundedämonen“, ergänzte Inu Taisho und fügte mit einem Lächeln hinzu: „seit Jahrtausenden wurde das gebrochene Schwert von uns Hunden beschützt. Im Bewachen sind wir eben unschlagbar, es ist unsere Natur und unsere größte Stärke. Hunde sind die besten Beschützer der Welt.“ Der Hundedämon wandte sich wieder an Totosai. „Ich weiß, das gebrochene Schwert erscheint nutzlos, denn es stimmt, man kann es nicht wieder richten. Die beiden Bruchstücke lassen sich nicht wieder aneinander fügen, sie stoßen sich gegenseitig ab. Doch es gibt eine andere Möglichkeit die Mächte im gebrochenen Schwert zu nutzen...“ Inu Taisho griff unter seinen Brustpanzer und holte etwas darunter hervor. „Dies ist mein Fangzahn. Der Zahn trägt einen Teil meiner Macht, den mächtigsten Teil aller Stärken, die ein Hundedämon dir geben kann: die Macht des Schützens. Nimm ihn, Totosai, und schmiede zwei Schwerter daraus. Diese beiden Schwerter kannst du dann jeweils mit den beiden Bruchstücken des gebrochenen Schwertes verschmelzen.“ Die riesigen, kugelrunden Augen des Dämonenschmieds leuchteten freudig auf. Ohne lange zu zögern schnappte er sich den Zahn, den Inu Taisho ihm hinhielt, und packte das gebrochene Schwert. Verzückt betrachtete er die magischen Stücke in seinen Händen. „Wunderbare Idee, erstklassiges Material“, lobte er und schnalzte mit der Zunge, „das wird mein Meisterwerk, äh, meine Meisterwerke, ich werde...“ „Wie lange brauchst du?“, unterbrach ihn Inu Taisho. „Sechs Tage, drei für jedes Schwert.“ „Gut“, erwiderte der Hundedämon, „Myoga, wir gehen!“ Totosai achtete nicht mehr auf den Dämonenfürsten, er hüpfte begeistert in seine seltsame Behausung und dort drinnen von einer Ecke zur anderen, um verschiedene Werkzeuge zu durchwühlen. Schließlich fand er eine Säge und begann damit Inu Taishos Fangzahn fein säuberlich der Länge nach zu halbieren. Zuisou sah seinem Lehrmeister etwas zweifelnd bei der Arbeit zu. „Soll ich Euch irgendwie helfen?“ Eine Zange flog dem Fuchsdämonen entgegen und verfehlte knapp seine Stirn. „Ich lass mir meine Meisterwerke doch nicht von einem unnützen Fuchs versauen. Raus hier und lass mich in Ruhe arbeiten!“ Geschickt wich Zuisou einem weiteren fliegenden Werkzeug aus, verließ grinsend Totosais Werkstatt und seinen Vulkankrater und suchte nach Inu Taisho. Doch der Hundedämon war verschwunden. Schade, dachte Zuisou. Er hätte gern mehr mit dem Dämonenfürsten gesprochen. Der Herrscher des Westens schien so ganz anders zu sein als gedacht. So nett. Und er hatte helfen wollen, weil Zuisou Ärger mit seinem Vater hatte. ...Wenn du möchtest, spreche ich mit deinem Vater, bevor er vielleicht irgendwann einen unverzeihlichen Fehler begeht, den er ewig bereuen wird... Der Fuchsdämon erinnerte sich, wie traurig Inu Taisho ausgesehen hatte, als er das gesagt hatte. Diese Trauer war sehr verständlich, Zuisou hatte davon gehört, dass der Herrscher des Westens seinen Sohn verloren hatte. Scheinbar trauerte Inu Taisho in diesem Zusammenhang auch über einen begangenen Fehler, den er nun nicht wiedergutmachen konnte. Was für ein Fehler mochte das wohl sein? Irgendwie tat Zuisou das alles sehr leid, er wollte den freundlichen Hundefürsten trösten, ihm eine Freude machen. Er überlegte eine Weile und dachte dabei an die Schwerter, die Totosai zu schmieden begonnen hatte. Das brachte ihn auf eine Idee. Aufgeregt und voller Vorfreude rannte der Fuchsdämon von den Vulkanbergen hinab und schlug einen Weg in Richtung eines weit abgelegenen, urwüchsigen Waldes ein. Vielleicht war Zuisou kein mutiger Kämpfer und wohl auch kein begabter Schmied, aber er hatte andere Talente und es gab ein Handwerk, das ihm großen Spaß machte. Er konnte sehr gut schnitzen. Die beiden Schwerter für Inu Taisho würden die besten Scheiden bekommen, die in ganz Japan zu finden waren! Soweit das zweiundzwanzigste Kapitel. Tja, Izayoi kam nicht vor, auch von den Wölfen war schon länger nichts mehr zu hören und Yoshio scheint komplett verschwunden zu sein... Doch noch mehr konnte ich nun wirklich nicht in dieses Kapitel packen, es ist eh schon lang genug geworden... Ihr müsst euch also leider wieder gedulden, dann werden auch Izayoi und die Wölfe wieder auftauchen (nur Yoshio bleibt noch länger verschwunden.^^). Gefiel euch Zuisou? Wenn ja, dann schaut doch mal bei Hrafna in ihrer Fanfic „Soul Agony“ vorbei (sehr lesenswert!). Dort kommt der Fuchsdämon nämlich ursprünglich her, ich habe mir diese Figur mit Hrafnas Erlaubnis von dort ausgeborgt. Allerdings ist Zuisou bei mir natürlich schon um einiges älter als in Hrafnas Geschichte, die viel, viel früher spielt. Ich hoffe, ihr wart mit Kapi 22 und mir zufrieden, natürlich dürft ihr auch gerne Kritik äußern. Ich freue mich über jeden helfenden Kommentar! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)