Anfang aller Feindschaft von Lizard (aus den Schatten der Vergangenheit) ================================================================================ Kapitel 13: Drachenkrallen -------------------------- Huh, jetzt wird es gruselig, denn Sesshomaru landet in den grausamen Krallen des Drachenlords Bundori... Dafür lösen sich vielleicht ein paar kleine Rätsel aus der Vergangenheit. Zumindest andeutungsweise... ;)) Das dreizehnte Kapitel (und die rabenschwarze Unglückszahl 13 passt perfekt dazu) folgt: Sesshomaru wurde von der Wolfsdämonin Fuyuko und dem Drachendämon Ryokossei in eine Falle gelockt und ist hilflos den Drachen ausgeliefert. Sesshomarus Freund Yoshio hat bei diesem Anschlag geholfen und seinen Freund damit mehr verletzt als der Dolch, den er dazu benutzt hat. Die Drachen haben ihr Ziel erreicht, das Unheil nimmt seinen Lauf... Enjoy reading! Yoshio zitterte. Völlig fassungslos starrte er vor sich zur Erde und zerkratzte sich geistesabwesend seine rechte Hand. Er spürte weder die blutenden Wunden, die er sich dabei selbst zufügte, noch die wärmenden Sonnenstrahlen, die das aufgehende Tagesgestirn über den Drachenfelsen warf. Das einzige, das er fühlte, war eine wallende Finsternis, die echoartig fragend und anklagend in ihm tobte. Vor Yoshios Füßen lag ein magischer Dolch, der aus seiner Hand gefallen war, und schimmerte in orangefarbenen Licht. Der orange Schimmer verstärkte sich im Schein der rotgolden aufgehenden Sonne und spiegelte sich in einer Blutlache, die langsam im Boden versickerte. Blut..., dachte Yoshio. Blut, das ich verschuldet habe. Blut, das aus einer Wunde geflossen ist, die ich zugefügt habe. Blut, das einem Freund gehört... Mit einem verzweifelten Schrei brach Yoshio in die Knie. Was habe ich getan, was habe ich getan... Immer wieder hallten diese Worte in ihm wieder. Was bei allen Göttern, Geistern und Dämonen, was bei allen Mächten dieser Erde, des Himmels und der Hölle, was habe ich getan? Plötzlich sah Yoshio das Bild seines Freundes vor sich: Sesshomaru, der beneidenswerte, strahlend schöne und starke Prinz. Der Unnahbare, der sich erhaben und stolz über alles stellte. Ein unerreichbarer, vollkommener, unverletzlich erscheinender und bewundernswerter Dämon, der niemals Schwäche zeigte. Schwäche war das, was Sesshomaru am meisten verabscheute... und das einzige, das er fürchtete... Wieder schrie Yoshio qualvoll auf. "WAS HABE ICH GETAN ?!" Er fand keine Antwort auf seine Frage. Für das, was er getan hatte, gab es keine. Ich habe ihn verraten, dachte Yoshio, er hat mir vertraut, er wollte mir helfen und ich habe ihn verraten. Er war mein einziger, wirklicher Freund, so wie ich der seine, er war bereit für mich in den Tod zu gehen, und als Dank habe ich sein Herz erdolcht. Alles, was die Drachen ihm noch antun werden, ist mein Werk. Sie werden ihn weiter quälen, seine Seele endgültig zerbrechen und ihn töten, aber ich habe ihm schon längst den Todesstoß versetzt. Das Blut meines Freundes klebt an meinen Händen! Stöhnend und schmerzlich schreiend warf sich Yoshio auf die Erde, seine seidenen Ärmel und weiten Beinkleider verschmierten und tränkten sich mit dem dort zerflossenen, halb getrockneten Blut. Was nur habe ich getan... Die Gedanken des schluchzenden Wolfshundedämonen flogen zurück in die Vergangenheit und rissen wirr Erinnerungsfetzen daraus hervor. Yoshio sah sich als kleines Kind, das verständnislos auf die Leichen seiner getöteten Eltern blickte. Er erinnerte sich an das gütig lächelnde Antlitz von Inu Taisho, als er den jungen Wolfshund nach langen Jahren der Einsamkeit und Verachtung bei sich aufnahm. Er hörte die vielen spöttelnden und bösen Stimmen, die ihn ein widerliches Mischblut nannten, dessen Mutter eine verhasste Feindin gewesen sein sollte. Unglücklich dachte er an seine Unbeholfenheit, seine Schwäche, sein ständiges Versagen, und er dachte an den Herrn des Westens, der ihm jeden Fehler verzieh und ihn immer wieder zu neuen Taten ermunterte. Inu Taisho war zu Yoshio sogar freundlicher gewesen als zu seinem eigenen, neugeborenen Sohn, den ihm später irgendjemand nach einer zerstörerischen Gewitternacht in sein Schloss brachte. Zu gut erinnerte sich Yoshio daran, wie schwer es dem Dämonenfürsten von Anfang an fiel seinen kleinen Sohn richtig anzusehen, wie sehr Sesshomarus Anblick ihm innerlich wehtat, ohne dass jemand den Grund dafür wusste. Schließlich sah Yoshio erneut Sesshomaru vor sich, zunächst als Kind, das Yoshio nervend nachlief, wohin er auch ging. Dann als Heranwachsender, der in seiner Freiheitsliebe gerne abhaute und oft tagelang irgendwo verschwunden war. Oft hatte Yoshio ihn auf seinen abenteuerlichen, meist verbotenen Ausflügen begleitet. Einmal waren sie sogar heimlich am Meer gewesen und hatten sich kindisch wie zwei kleine Lausbuben an einer malerischen Küste versteckt. Wie lange war das nun her, ein Jahrhundert vielleicht? Die Strafpredigt, die Inu Taisho den beiden Herumtreibern danach verpasst hatte, war eines Denkmals würdig gewesen. Ein Grund, weshalb Yoshio diesen Ausflug niemals vergessen hatte. Der andere Grund, warum diese, längst vergangenen Tage am Ozean erinnerungswürdig waren, war eine alberne, spaßige Wasserschlacht, die Yoshio sich mit Sesshomaru im Meereswasser geliefert hatte. Sesshomaru war damals überraschenderweise auf jeden kindischen Spaß, den Yoshio sich mit ihm erlaubt hatte, eingegangen und hatte in einem besonders glücklichem Moment sogar lauthals gelacht. Es war das erste und einzige Mal, dass Yoshio seinen Freund richtig lachen gehört hatte. Nichts und niemand zuvor, nur Yoshio ganz allein, hatte ihm solch einen offenen Ausdruck seiner Freude entlockt. Die versunkene Erinnerung an dieses einmalige, ehrliche Lachen Sesshomarus brach dem verzweifelten Wolfshundedämonen endgültig das Herz. "Warum nur habe ich das getan...", flüsterte er, "wie konnte ich mich nur so blenden lassen, von falschen Versprechungen, von meinem Neid, von meiner Angst... wäre ich Ryokossei doch nie begegnet. Würde dieser Drache doch nur für immer und ewig in höllischen Feuern brennen... und hätte ich doch nie erfahren, was meine Eltern..." "Yoshio!" Erschrocken sah der Wolfshundedämon auf. Vor ihm stand Ieyasu und betrachtete ihn entgeistert. Seine Blicke wanderten über Yoshios blutverschmierte Kleidung und Hände, sowie über den auf dem Boden liegenden Dolch und die daneben vertrocknende Blutlache. "Was ist geschehen? Wo ist Sesshomaru-sama?" Yoshio sprang blitzartig auf und wich vor dem Heiler zurück. Bebend blieb er einige Meter vor Ieyasu stehen und spannte seine Krallen. "Komm mir nicht zu nahe! Ich weiß, dass ich den Tod verdient habe", schrie er, "doch du wirst mich nicht töten. Keiner wird mich töten. Niemand wird mir etwas antun. Ihr werdet mich niemals finden. Niemals. Und Sesshomaru ist mir egal. Völlig egal, hörst du?! Ich hasse ihn, ich habe ihn immer gehasst! Soll Bundori ihn doch zu Tode foltern, es interessiert mich nicht. Und Inu Taisho interessiert mich auch nicht. Ich bin sowieso sein Feind. Ich bin der Feind aller Hunde und aller Wölfe!" "Yoshio..." Behutsam ging Ieyasu auf den wahnsinnig wirkenden Wolfshundedämonen zu und streckte besänftigend seine Hand nach ihm aus. "Fass mich nicht an! Siehst du das Blut? Fass mich nicht an, oder dein Blut wird ebenfalls an mir kleben!" "Was auch immer hier geschehen ist, Yoshio" sagte Ieyasu leise und vorsichtig, "ich weiß, es ist sicher nicht deine Schuld... bitte..." "Natürlich bin ich schuldig!", kreischte Yoshio, "Wir alle sind vom Bösen vergiftet! Wir sind Dämonen, wir sind Wesen Finsternis. WIR SIND DIE WERKZEUGE DER FINSTERNIS!" "Die Dunkelheit ist nicht böse, Yoshio. Böses geschieht gleichermaßen am helllichten Tag wie in der finsteren Nacht. Ohne die Dunkelheit könnten wir die Sterne nicht sehen und ohne das Licht nicht die Wahrheit. Es gibt kein absolutes Böse oder Gut, es gibt nur zwei Seiten einer grenzenlosen und umfassenden Macht, die alles vereint. Das Leben zwingt uns oft zu grausamen Entscheidungen, doch es schenkt uns auch die Freiheit selbst über uns zu bestimmen. Fehler können vielleicht nicht immer wiedergutgemacht werden, aber sie können vergeben und vergessen werden, und neue, gute Früchte bringen!" "Nein!" Wieder wich Yoshio vor Ieyasu, der nun nah bei ihm stand und ihn zart berühren wollte, zurück. Der Heiler wollte noch etwas sagen, doch Yoshios Gestalt verschwamm plötzlich wie das Spiegelbild in einem See, wenn Wellen darüber gleiten. Gleich darauf war er fort, als hätte es ihn nie gegeben. Verwundert sah Ieyasu sich um und versuchte irgendetwas zu spüren, aber da war nichts. Keine Energien, keine Düfte, keine Geräusche, keine Zeichen, nicht einmal ein magisches Licht, einfach nichts. Yoshio war völlig spurlos verschwunden. Woher hatte er diese Fähigkeit? Weder Wölfe noch Hunde konnten sich so einfach ohne spürbare Magie in Luft auflösen. Dies war eine besondere Kunst, die normalerweise nur spezielle Dämonen beherrschten. Ieyasu besaß ähnliche Fähigkeiten des Verschwindens, doch diese funktionierten bei ihm nur mit Anwendung seines magischen Stabes, und auch dann nicht derartig vollkommen und nur unter größter Kraftanstrengung. Es war eigentlich unmöglich, dass Yoshio so etwas mit seinem nur relativ schwachem Youki vollbringen konnte. Doch es machte keinen Sinn weiter darüber nachzudenken. Der unglückselige Wolfshundedämon war und blieb unauffindbar. Ieyasu konnte ihm nicht mehr helfen, er konnte nur hoffen, dass Yoshio von selbst wieder zu sich und zurück ins Licht finden würde. Doch vielleicht war es stattdessen noch nicht zu spät, jemand anderen zu retten. Nervös untersuchte Ieyasu den Ort unterhalb des Drachenfelsens. Er erkannte Kampfesspuren und entdeckte Sesshomarus zerbrochenes Schwert. Von der Blutlache aus, in der Yoshio bis zu Ieyasus Erscheinen gekniet hatte, führten vereinzelte, tropfenartige Blutspuren weg nach Osten. Nicht zu übersehen war eine gewaltige Schleifspur eines riesigen, langgezogenen, Körpers, die in eine labyrinthartige Schlucht hinabführte und darin verschwand. Ieyasu blieb am Rand der Schlucht stehen und sah hinab. Er brauchte nicht lange zu grübeln, um sich ausmalen zu können, was geschehen war. Sesshomaru hatte gegen einen Drachen gekämpft und war nun von diesem ins Drachenreich verschleppt worden. Dass Yoshio bei dieser ganzen Aktion irgendwie geholfen hatte, war sicherlich Teil eines grausamen Spiels gewesen, das der Drachenfürst Bundori und sein Bruder nun mit Inu Taisho spielten. "Diese verfluchten, missraten Kriechtierkreaturen", murmelte Ieyasu. Womit konnte der unversöhnliche Hass dieser beiden Drachen endlich befriedigt werden? Reichte ihnen ihre bereits vor langer Zeit ausgekostete Rache denn nicht aus? Wie konnte es überhaupt zwei solch scheußliche Vertreter ihrer Gattung geben? Es war nicht verwunderlich, dass alle vernünftigen Drachendämonen im Osten sich von ihren beiden schändlichen Fürsten fernhielten. Sich gegen sie auflehnen oder sie an irgendetwas hindern, würden sie allerdings auch nicht. Drachen waren eine uralte und sehr rätselhafte Rasse. Sie hatten zwar auch hierarchische Strukturen, kümmerten sich aber meist nicht sehr um andere. Sie lebten meist einzeln für sich, und mischten sich normalerweise in gar nichts ein. Außer man provozierte sie oder Sippenangehörige ausdrücklich, und dann unterschrieb man damit gewöhnlich sein Todesurteil. Unerlaubt ins Drachenreich zu spazieren, wäre eine gefährliche Provokation. Es wäre Wahnsinn, allein in die Schlucht hinab zu gehen und einen Rettungsversuch für Sesshomaru zu starten, das wusste Ieyasu nur zu gut. Abgesehen davon war Ieyasu ein Heiler, kein Kämpfer, und er kannte sich im Reich der Drachen nicht aus. Ihm blieb daher nichts anderes übrig als Inu Taisho Bericht zu erstatten und zu hoffen, dass sein Herr einen Weg finden würde seinen Sohn zu retten. Der Heiler umfasste seufzend seinen Stab und konzentrierte sich auf seine magischen Kräfte. Sich bis in die westlichen Berge zu teleportieren, würde seine Energien fast restlos erschöpfen. Doch es musste sein, weitere Zeit durfte Ieyasu nicht verlieren. Er wollte lieber nicht wissen, für welche weiteren Spiele das grausame Drachenbrüderpaar diese Zeit nutzen würde. * * * * * Ein drückendes, würgendes Gefühl und ein dumpf pochender Schmerz in seinem Rücken weckten Sesshomaru aus der bodenlosen Schwärze, die ihn bisher umfangen hatte. Sein Körper fühlte sich taub und hohl an. Seine Sinne waren verwirrt. Er konnte weder die um ihn schwebenden, schwefelartigen Gerüche noch irgendwelche Laute, die gedämpft an sein Ohr drangen, richtig zuordnen. Alles verwirbelte in einem unangenehmen Nebel. Sesshomaru schluckte schwerfällig, sein Mund war trocken und seine Zunge fühlte sich pelzig an. Mühsam öffnete er die Augen und hob träge seinen Kopf. Es dauerte eine Weile bis sein immer wieder verschwimmender Blick klar wurde und er endlich etwas sehen konnte. Erst langsam registrierte der Hundedämon, dass er aufrecht mit leicht erhobenen Armen gegen eine Felsenwand gepresst stand. Mehrere Meter rechts neben ihm befand sich ein bodenlos erscheinender Abgrund, eine tiefe Erdspalte, aus der leicht Dämpfe empor stiegen. Offenbar traten hier Gase aus dem Erdinnern an die Oberfläche hervor, daher kamen also die schwefelartigen Gerüche. Vor Sesshomaru breitete sich der steinige, nur sehr spärlich bewachsene Boden einer langgezogenen, verwinkelten Schlucht aus. Von den steil aufragenden Felswänden dieser Schlucht mussten wohl öfters Steinlawinen herabfallen, denn überall lag scharfkantiges Geröll herum. Der Hundedämon stöhnte leise, sein Kopf schwindelte und seine Arme schmerzten. Er wollte sich bewegen, bemerkte aber, dass er sich so gut wie gar nicht rühren konnte. Eiserne, leicht vibrierende Ketten fesselten ihn unlösbar an die steinige Wand hinter sich. "Gib es auf, du kannst diese versiegelten Fesseln nicht lösen. Nicht einmal in deiner wahren Gestalt und mit all deinen Kräften könntest du diese Ketten zerreißen." Erst jetzt fiel Sesshomaru auf, dass er nicht allein war. Etwa zwanzig Schritte vor ihm saß eine große, menschenähnliche Gestalt auf einem Stein und beobachtete ihn aus zwei verschiedenen Augenpaaren. Eines dieser Augenpaare mit senkrechten, schlangenartigen Pupillen war glühend rot, das zweite war kleiner und gehörte zu einer gesichtsartigen Maske, die der Unbekannte auf der Stirn trug. "Erfreulich, dass du wieder aufgewacht bist. Ich dachte schon, die lähmende Magie meines schönen Dolchs, den ich extra für deinen Freund gefertigt habe, wäre ein wenig zu stark gewesen. Es wäre sehr bedauerlich gewesen, wenn ich deinen Besuch nicht mehr hätte genießen können. Ich wollte dich schließlich schon immer mal als Gast in meinem Reich willkommen heißen." Endlich erkannte Sesshomaru, trotz seiner noch immer etwas verwirrten Sinne, wen er vor sich hatte. Vor weit mehr als einem Jahrhundert hatte er diesen Dämonen schon einmal gesehen, wenn auch in anderer, in wahrer Gestalt, und nur sehr kurz, doch er hatte diesen Geruch und diese Aura niemals vergessen. Angestrengt stemmte er sich gegen seine Ketten und versuchte sich loszureißen, doch die festen Fesseln, die seinen Körper banden, gaben nicht einen Zentimeter nach. "Oh, ich sehe, du erkennst mich", sagte die menschenartige Gestalt und stand von ihrem Sitzplatz auf, "die gute Nase und Erinnerung von euch Hunden erstaunt mich immer wieder. Dabei warst du damals, als wir uns das erste und einzige Mal gesehen haben, noch ein Kind. Es ist sehr lange her, als ich deinen Vater das letzte Mal besucht habe. Ich weiß noch, wie erfreut und erleichtert er damals über mein vorgetäuschtes Versöhnungs- und Friedensangebot war. Es hat mich sehr viel Mühen gekostet, bis ich ihn endlich wirklich überzeugt hatte, dass er mich nicht mehr als Feind ansah. Und er ist auch weiterhin immer vorsichtig und misstrauisch geblieben. Wirklich, dein Vater ist tatsächlich bewundernswert klug. Leider nicht klug genug. Er hat wohl meine Geduld unterschätzt. Dabei sollte er eigentlich wissen, dass es nichts geduldigeres als einen Drachen gibt. Wir können sehr, sehr lange warten, um unsere Pläne zu erfüllen." Sesshomaru fand keinen Grund auf diese Rede zu antworten und schwieg. "Du bist deinem Vater sehr ähnlich, nicht nur vom Aussehen her. Dieses Schweigen in gewissen Situationen und dieses nette Talent jegliches Gefühl zu verbergen, hast du bestimmt von ihm geerbt. Hmmm, ich frage mich, was du wohl noch für Eigenschaften mit deinem Vater gemeinsam hast. Mal sehen, von was du dich beeindrucken lässt." "Ihr beeindruckt mich überhaupt nicht, Lord Bundori, und Eure höhnischen Reden schon gar nicht. Ihr seid ein Nichts gegenüber meinem Vater." Sesshomarus Stimme klang nicht ganz so verächtlich wie er beabsichtigte, denn das Reden fiel ihm schwer. Der Drachendämon vor ihm lächelte leicht. "Hmmm, wirklich hübsch gesagt. Genau wie ich es von einem solch treuherzigen Hund erwartet habe. Gefällt mir. Gefällt mir sehr. Ich glaube, wir werden viel Freude miteinander haben und Inu Taisho, wenn er dich abholen kommt, noch viel mehr... Das heißt, sofern er dich überhaupt abholt... Vielleicht ist er ja ganz froh dich los zu sein, meinst du nicht auch?" Sesshomaru schwieg. "Ah, wie schön", sagte Bundori vergnügt, "da habe ich mir ja wirklich einen sehr treuen Hund eingefangen. Brav und geduldig hält er an seiner Verehrung und Liebe fest, bis zum bitteren Ende... Schade, dass dieser arme Hund niemals etwas von seiner Liebe zurückbekommen hat, was? Ich frage mich, ob der Hundefürst seinen kleinen Welpen nur ein einziges Mal wirklich gestreichelt und liebevoll umarmt hat?!" Weiterhin schwieg Sesshomaru. "Keine Antwort auf meine Frage? Nun, keine Antwort ist auch eine Antwort, nicht wahr? Würdest du eigentlich gern wissen, warum dein Vater dich trotz all deinem Betteln um Anerkennung nicht mag? Soll ich es dir verraten? Ich werde es dir sagen. Er kann dich einfach nicht leiden und wird dich auch niemals leiden. Denn du bist schuld daran, dass er etwas verlieren musste, das er über alles liebte. Er hasst dich für den Tod deiner Mutter." Immer noch verharrte Sesshomaru in seinem Schweigen. "Du glaubst mir nicht, nicht wahr? Dabei kenne ich deinen Vater schon so lange. Und ich kenne ihn sehr gut, viel besser als du ihn jemals kennen könntest. Ich kenne seine Schwächen, denn ich habe sie oft für meine Ziele ausgenutzt. Inu Taisho hat dir nie etwas aus seiner Vergangenheit erzählt, habe ich nicht recht? Hat er dir je erzählt, wer wirklich deine Mutter war? Nein, sicher nicht. Warum auch? Darüber gibt es nichts Schönes zu berichten. Deine Mutter war nur ein Werkzeug in meinen Händen, ein niederrangiges, elendes Dämonengeschöpf der untersten Stufe. Allein erschaffen für den Zweck deinen Vater zu vernichten und hervorragend an all seine Bedürfnisse angepasst. Dieses Werkzeug war sogar so perfekt, dass es deinen Vater vor lauter Liebe in den Wahnsinn trieb, er hätte alles für deine Mutter getan. Nur eine Fehlfunktion hatte dieses Werkzeug leider, es machte sich ein wenig selbstständig und erwiderte die Liebe deines Vaters. Dieser Fehlfunktion hast du dein Leben zu verdanken und aufgrund dieser Fehlfunktion musste deine Mutter sterben. Denn dafür, ein Kind zu gebären, war sie nicht geschaffen. Das war ihr verboten, das bedeutete ihren Tod." "Warum sollte ich nur einem dieser wirren Worte Glauben schenken", sagte Sesshomaru nun, "ihr Drachen seid Meister der Lügen und Intrigen." "Vielleicht sind wir das", meinte Bundori zufrieden darüber, seinem Gefangenen endlich eine Reaktion entlockt zu haben, "doch in jeder Lüge steckt auch ein Körnchen Wahrheit. Denk mal darüber nach. Vielleicht glaubst du meiner Geschichte ja eher, wenn ich dir erzähle, was ich sonst noch so über deinen Vater weiß. Er hat eine Schwäche für elende, niederrangige Geschöpfe, ist das nicht so? Beispielsweise mag er Menschen. Wer weiß, vielleicht verliebt er sich ja in so eine Kreatur?! Interesse hat er doch schon an so etwas gezeigt, oder? Oder hast du seine auffallend rührende Sorge um eine gewisse Menschenstadt in den westlichen Bergen etwa nicht bemerkt? Menschenliebe passt hervorragend zu Inu Taisho, denn er beschützt gern schwache, hilflose Wesen, die ihn stark und mächtig erscheinen lassen. Das ist übrigens der zweite Grund, weshalb er dich nicht leiden kann, denn du bist nicht schwach und hilflos. Im Gegenteil, du besitzt erstaunliche Kräfte und trägst fast nur das starke Blut deines Vaters in dir. Du könntest sogar stärker als er werden und ihn irgendwann besiegen. Sag mir, wie soll ein Vater einen Sohn lieben können, der irgendwann sein Untergang sein könnte? Sicherlich wäre ihm ein schwächerer Sohn viel lieber, ein Sohn mit schwachem Blut. Vielleicht sogar ein Sohn mit niederem Menschenblut..." "Eure Worte und Ausführungen interessieren mich nicht", zischte Sesshomaru, "wenn Ihr glaubt, mich damit verwirren oder verletzen zu können, irrt Ihr Euch. Es interessiert mich weder, wer meine Mutter war, noch, welche Vorlieben mein Vater hat. Gleichgültig, ob Eure Aussagen gelogen oder wahr sind. Ich hänge an niemanden und bin auch nicht von irgendwem abhängig." "Tatsächlich?" meinte Bundori: "Hmmm... interessant, dass du dich dann hier befindest... Wehrlos gekettet an eine Felsenwand. Völlig hilflos in meinen Händen. Und überlistet von einem wunderschönen Dolch, den dein angeblicher Freund, den du retten wolltest, dir in den Rücken gerammt hat. Sag mir, war es nur Abenteuerlust und Rachedurst an Fuyuko, die dich zum Drachenfelsen getrieben haben? Oder war es die Sehnsucht nach ein bisschen Vertrauen und Freundschaft? Und beantworte mir noch eine Frage: wie hat es sich dann angefühlt, diese brennende, verräterische Klinge, die deine Hoffnungen zerstach, zu spüren?" Sesshomaru verfiel wieder in Schweigen und blieb völlig ausdruckslos. "Wie ich sehe, hast du kein Interesse mehr daran, dich mit mir zu unterhalten. Nun, was soll's. Vielleicht kann dir ja tatsächlich alles gleichgültig sein. Du wirst eh nicht mehr lang genug überleben, um dir über den Wahrheitsgehalt meiner Aussagen Gedanken machen zu müssen. Und da es dir ja angeblich soviel Vergnügen macht allein und unabhängig zu sein, wirst du auch einsam und verlassen sterben." Bundori trat etwas zurück und schloss seine großen, roten Augen. Nur das auf seiner Stirn haftende, kleine Maskengesicht lachte und sah Sesshomaru weiterhin durchdringend an. Ein tiefrötlicher Schimmer umhüllte den Drachendämon und seine menschliche Gestalt begann zu verschwimmen. Sein Körper vergrößerte sich und zog sich in die Länge. Auch sein Kopf verformte sich und bildete ein großes Maul mit einem furcherregenden Gebiss. Das rötliche Licht um den Drachendämonen nahm in seiner Intensität zu und wurde schließlich so grell, dass Sesshomaru geblendet die Augen schließen musste. Als er sie wieder aufschlug, stand ihm ein lindwurmartiger, gewaltiger Drache in rotgoldglänzendem Schuppenkleid gegenüber, der fast die gesamte Breite der Schlucht ausfüllte. Er reckte den vorderen Teil seines Körpers mit zwei, im Verhältnis relativ kleinen, klauenbewehrten Händen in die Höhe und starrte mit glutroten Augen auf Sesshomaru herab. Der gefesselte Hundedämon sah unbeeindruckt zu dem in seine wahre Gestalt verwandelten Drachendämonen empor und blickte dabei auf Bundoris Stirn. Das dort sitzende, maskenartige und bösartig dreinschauende Gesicht, hatte sich durch die Verwandlung nicht verändert, nur etwas vergrößert. Mit diesem Gesicht begann Bundori nun wieder mit einer höhnischen Stimme an zu sprechen. "Du gehörst mir", sagte er befriedigt zu Sesshomaru, "dein Leben, dein Tod, deine Seele und all dein Leiden gehören mir. Und glaube mir, du wirst lange leiden... Glaub nicht, dass irgendwer dich retten will. Niemand hat Interesse an dir. Weder dein verräterischer Freund, noch irgendwelche Untergebenen, die sich alle vor dir fürchten und dich hassen. Am wenigsten dein dich ablehnender Vater... Du bist allein. Du gehörst allein mir..." Ein bronzenes, lautes Lachen folgte diesen Worten und dröhnte in Sesshomarus empfindlichen Ohren. Der Hundedämon zuckte leicht zusammen. Sein versteifter, verletzter Körper schmerzte. Am meisten schmerzte ihn die von Yoshio zugefügte und nur langsam heilende Wunde in seinem Rücken und fast noch mehr ein nicht körperlicher Stich in seinem Herzen. Chichi-ue..., dachte Sesshomaru und schloss die Augen. Doch er öffnete sie sofort wieder und blickte den hohnlachenden Drachendämonen kalt an. Er würde keine Schwäche zeigen, nein, niemals. Erneut lachte Bundori und sein Lachen hallte in einem verstärkten Echo von den Felswänden. "Du bist mutig, Hund. Sehr mutig und stark. Du bist bewundernswert und gleichzeitig so erbarmungswürdig in deinem einsamen Heldentum. Gefällt mir. Umso mehr Freude wird es mir bereiten deinen Körper und deine Seele zu brechen. Sei dir sicher, ich werde dich brechen. Niemand hat mir je widerstanden. Und der Tod wird lange warten, um dich endlich zu erlösen!" Sesshomaru schwieg. Die ihn haltenden, magisch glimmenden Ketten fesselten sich wie von Geisterhand noch stärker um seinen Leib und drückten ihn schmerzhaft fest gegen den kalten Fels. Bundori näherte sich mit glitzernden Blicken seinem Opfer und beugte seinen massigen Körper zu ihm herab. Bedächtig streckte er einen Arm aus, spreizte seine klauenartigen Finger und ließ langsam, fast zärtlich eine seiner Krallen über die Wange des Hundedämonen gleiten. Eine feine, schwach blutende Wunde bildete sich auf Sesshomarus Haut. Der Drachendämon zog seine Klaue wieder zurück und betrachtete sein Werk. Sesshomaru zeigte nicht die kleinste Regung, auch sein Blick blieb unbewegt und starr. Die kleine Verletzung auf seiner Wange hörte schnell wieder auf zu bluten und begann danach sich wieder zu schließen und zu heilen. "Sehr schön", bemerkte der Drache, "du besitzt perfekt funktionierende Selbstheilungskräfte... damit wird deine Qual schön lange dauern. Meine Gefangenen sind häufig zu schwach, um mir wirklich Vergnügen zu bereiten. Du dagegen wirst länger durchhalten als nur ein paar Stunden oder Tage." Erneut beugte sich Bundori zu Sesshomaru herab und lachte. Sein Lachen klang diesmal leise und gefährlich. Sanft hauchte er seinem Opfer ins Gesicht und die weißen Haare des reglosen Hundedämonen wehten leicht in diesem warmen, milden Luftzug. "Du wirst dir noch wünschen nie gelebt zu haben", flüsterte der Drachendämon in Sesshomarus Ohr. Soweit das dreizehnte Kapitel. Interessant, was der Drache da so alles aus der Vergangenheit erzählt hat, nicht wahr? Aber inwiefern er die Wahrheit eventuell verdreht hat... tja, das müsst ihr selbst rausfinden... Die Geschichte ist ja noch lange nicht zuende (so ein ewiglanger Roman, puh... *kicher*). Im nächsten Kapitel erfahrt ihr, was Inu Taisho derweil macht... er hat noch einige Überraschungen vor sich... Vater (und Herrscher) sein, ist eben schwer... dieses Mal müsst ihr euch aber wieder etwas gedulden, denn jetzt kommen meine ,Unzertrennlichen' (d.h. meine FF 1) erst mal wieder dran... Bleibt mir treu, das würde mich sehr freuen, ebenso wie ein paar Kommentare. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)