Zweiter Teil: Gift in Körper und Seele von abgemeldet (Fortsetzung von "Du kennst mich nicht und doch hasst du mich") ================================================================================ Zurück in’s Leben ----------------- Süß war sein Schlaf in dieser Nacht. Süß und unbekümmert. Er hatte keine Träume, wälzte sich genüsslich im Bett und wurde von niemandem gestört. Wie hatte er sich in der letzten Zeit nur danach gesehnt? Er schlief ein, sobald er sich langgelegt hatte und schlief großzügig in den nächsten Tag hinein. Es war wohl später Mittag, als er langsam erwachte. Als er sich langsam räkelte und noch etwas döste, erinnerte er sich mit größter Zufriedenheit an den letzten Tag zurück. >Hirayama, Gischou, Internet, Schrotflinte<, ging es ihm immerzu durch den Kopf. Und da grinste er, rollte sich zur Seite und krallte sich in das Kissen, woraufhin er genügsam brummte. Die Sonne schien wieder. Sie schien nur für ihn und dunkle Wolken waren nicht in Sicht. Wieder begann er sich langsam zu bewegen, streckte die Beine durch und brummte erneut. Als er jedoch eine Bewegung vor dem Bett wahrnahm, hielt er in der Bewegung inne und öffnete schläfrig die Augen. Das Erste was er erblickte, war ein kräftiges Lila... große Augen. Nicht, dass Yugi sehr erschreckend aussah, doch diesen Anblick hatte er nicht erwartet und nun erschrak er doch. Mit einem leisen Aufschrei fuhr er in die Höhe, kämpfte hektisch die Decke zur Seite und presste sich beide Hände auf den Bauch. Vor ihm standen Yugi, Tea, Tristan und Bakura. Einen jeden von ihnen bedachte er mit einem erschrockenen Blick, sein Herz raste wild in seiner Brust… Schreck lass nach. Yugi hatte sich nach vorn und zu ihm gebeugt, um ihn ordentlich anzustarren. Nun richtete er sich wieder auf, legte den Kopf schief und führte die besorgte Beobachtung fort. Tea hatte die Hände vor der Hüfte gefaltet und starrte ihn mit einer Miene an, die Joey von ihr nicht gewohnt war. In ihren Augen glänzte ein leiser Vorwurf und doch war es mehr die Besorgnis, die ihm auffiel. Und Bakura wirkte, als hätte man ihn soeben gewaltsam von den Hausaufgaben und den Lehrbüchern weggezerrt. Wie eh und je schien er zu meinen, ein Unbeteiligter zu sein. Doch Tristan... der machte keinen guten Eindruck. Um ehrlich zu sein, sah er aus, als wäre die Wut in ihm fast am überkochen. Und bevor Joey durchatmen konnte, sprang er vor und packte ihn grob am Kragen. "Du verdammter... oh, du verdammter Mistkerl!", schrie er wutentbrannt und Joey fühlte sich etwas überrumpelt, war sprachlos und ließ ihn schreien. Er starrte ihn erschocken an, spürte, wie sich die Fäuste in seinem Hemd verkrampften. "Hast du sie noch alle?! Wie kannst du fast zwei Wochen nicht in die Schule kommen, ohne uns zu sagen, warum?" "Ich..." Joey öffnete den Mund, schloss ihn jedoch wieder und wandte den Blick ab. Ach herrje, wie berechtigt sich Tristan mit diesem Vorwurf an ihn wandte. Er war sich der Schuld bewusst, fand jedoch nicht die rechten Worte, um es auszudrücken. Außerdem schrie Tristan sofort weiter. "Wir haben uns vor Sorge den Kopf zerbrochen!" Er warf den anderen einen knappen Schulterblick zu. "Ist es nicht so?!" Yugi nickte mit zögerlicher Zustimmung. In seinen Augen war jedoch mehr Besorgnis, als Zorn zu lesen, ganz anders bei Tea. Ihr Gesicht verfinsterte sich und ihr Nicken wirkte entschlossen. "Tristan hat Recht, Joey! Und es ist nicht das erste Mal!" "Was?" Bakura wurde erst jetzt auf das Geschehen aufmerksam. Doch da wandte sich Tristan schon wieder an Joey. Und dieser wusste nun überhaupt nicht mehr, was er denken, geschweige denn sagen sollte. Diese Probleme schienen ihn sehr gern zu haben. Sie klebten lästig an seinem Bein und wollten ihn einfach nicht loslassen. Auf ein soeben gelöstes Problem, folgte sogleich ein Neues, das unbedingt bereinigt werden musste. "Und heute Morgen erkunden wir uns im Sekretariat und finden zufällig heraus, dass du im Krankenhaus liegst!" Endlich wurde Tristan leiser, lockerte den Griff und ließ den Kopf sinken. "Weißt du, Joey? Es ist unerhört!" Auch Tea trat nun näher und Yugi nickte wieder beipflichtend. "Du kannst uns doch nicht so im Unwissen lassen." "Wir sind doch Freunde!", ächzte Yugi. "Okay." Joey grinste nervös und hob beschwichtigend die Hände. "Aber lasst mich doch erst einmal erklären, ja?" "Da muss es aber einen guten Grund geben." Endlich ließ Tristan ihn los und trat zurück. "Du Idiot!" Als Joey dann endlich nicht mehr massakriert und bedroht wurde, richtete sich er zögerlich auf, kämpfte den Rest der Decke bei Seite und schob sich zur Bettkante, von der er dann die Beine baumeln ließ. Fragende Blicke trafen ihn von allen Seiten und er erwiderte sie nachdenklich. Warum sollte er jetzt nicht sagen, was geschehen war? Was stand ihm noch im Weg? Genau. Nichts. Er setzte an, um zustimmend zu nicken. Dann hielt er jedoch inne, hob die Augenbrauen und streckte sich empor, so als wäre ihm etwas Wichtiges eingefallen. "Hat der Arzt etwas gesagt?!" "Was?" Tristan zog eine Grimasse. "Welcher Arzt denn? Lenk nicht ab, raus mit der Sprache! Wir wollen endlich hören, was..." Er brach verwundert ab, als Joey plötzlich vom Bett rutschte und in Socken an ihnen vorbeihastete. Verdattert starrten sie ihm nach, doch er fuchtelte kurz mit der Hand, als er an der Tür stand. "Bin in fünf Minuten wieder da!", rief er nur, bevor er draußen im Flur verschwand und sie weiterhin der Ungewissheit überließ. Kurz schwiegen sie, dann stöhnte Tristan erschöpft und rieb sich die Stirn. "Der Junge macht mich fertig!" Ungeduldig eilte Joey durch die Gänge, wich den Patienten aus und hielt nach einem gewissen Arzt Ausschau. Er musste wissen, wie es Kaiba ging! Er muss es wissen und es war ihm wichtiger, als die Anderen aufzuklären. Für Kaiba hatte er am gestrigen Tag sein Leben riskiert! Nun wollte er nur zu Recht wissen, ob es etwas gebracht hatte. "Dr. Johnson?" Hastig riss er die Tür seines Büros auf und lehnte sich in den Raum. "Doktor?" Da er ihn dort nicht fand, machte er sich wieder auf die Suche. Und nach wenigen Minuten fand er ihn, wie er mit einigen Kollegen in einem der Gänge stand und auf die fachmännische Art und Weise mit ihnen diskutierte. Von weitem sah es zumindest nicht so aus, als würde er unter großen Sorgen leiden. "Doktor!" Sofort eilte Joey näher. Die Ärzte wurden auf ihn aufmerksam, verstummten und drehten sich zu ihm um. Und sobald Johnson ihn erkannte, erhellte sich seine Miene und er trat durch seine Kollegen auf ihn zu, begrüßend die Arme und die Mappe hebend. "Joey!", rief er zurück. "Da bist du ja endlich. Ich dachte, du wachst gar nicht mehr auf." "Ich bin wach! Ich bin wach!", antwortete Joey hastig. "Was ist? Wirkt es? Geht es Kaiba besser? Sagen Sie doch etwas!" "Ist das der Held, von dem Sie uns erzählt haben?" Ein junger Arzt leistete ihnen Gesellschaft und betrachtete sich den blonden jungen Mann musternd. "Mein Gott, meinen Respekt hast du." "Danke", erwiderte Joey schnell, ohne den Blick von Dr. Johnson zu wenden. "Und?" "Freundschaft kann so einiges bewirken, hm?", seufzte eine Ärztin schwelgend und kuschelte mit ihren Unterlagen. "Höh?" Irritiert nickte Joey ihr zu, dann trat er an den Doktor heran und fletschte die Zähne. "Wenn Sie mir nicht sofort sagen, wie es ihm geht, dann können Sie aber etwas er..." "Jetzt bleib mal ganz ruhig." Johnson lachte leise, legte die Hand auf seine Schulter und führte ihn weg von den quasselnden Ärzten, wofür er ihm sehr dankbar war. "Hast du gut geschlafen?" "Ja." Joey seufzte zufrieden. "Hab nur Hunger. Also? Was ist?" "Nun." Der Arzt klopfte seine Schulter und umfasste die Mappe mit beiden Händen. "Das Gegengift zeigte keine sofortige Wirkung. Es wird langsam vonstatten gehen, er wird sich nur langsam erholen. Doch er wird sich erholen und das ist die Hauptsache." "Und hat er noch Schmerzen?" Während Joey neben ihm einherging, linste er zu ihm. "Er war bei Bewusstsein, als wir es ihm injizierten. Und es ging ihm nicht gut. Doch nur wenige Minuten, knapp eine viertel Stunde später, fiel er in einen tiefen Schlaf. Also lautet die Antwort wohl ‚nein’. Wenn er wieder aufwacht, und das wird er wohl in den nächsten Tagen, dürfte er keine Schmerzen mehr haben. Nur die Schwäche wird ihn noch quälen." "Und wird er bleibende Schäden davontragen?", erkundigte sich Joey weiter. "Ich meine, das Gift schien eine starke Wirkung gehabt und großen Schaden angerichtet zu haben." "Körperlich wird er wieder ganz der Alte sein." Daraufhin zögerte der Arzt mit den nächsten Worten und Joey befiel die Angst. "Wird er psychische Probleme haben?", ächzte er erschrocken und der Arzt räusperte sich. "Es lässt sich nicht verleugnen, dass das Gift letzten Endes mehr seine Psyche als seinen Körper angegriffen hat." "Was…?" Wie vom Blitz gerührt, blieb Joey stehen. "Aber er hat doch vor Schmerzen geschrieen?" "Ja, aber er erkannte nicht einmal mehr seinen eigenen Bruder." Auch der Arzt hielt inne und drehte sich zu ihm um. "Und dieser hat mir erzählt, dass er ihn sehr lieb hat. Diese brüderliche Liebe ist, wie ich deutlich bemerkt habe, beiderseitig. Es fehlte ihm an jeglicher Konzentration, er konnte nicht die simpelsten Zusammenhänge fassen, deutlich sprechen oder sinnvolle Sätze bilden. Er ist grundlos wütend geworden und war kurz davor, einen der Ärzte anzugreifen. Er war unberechenbar." "Oh... mein Gott." Joey seufzte und ging weiter. "Und sagen Sie mir jetzt, ob er sich auch psychisch erholen wird? Es ist unglaublich wichtig für mich, wissen Sie?" "Das verstehe ich." Johnson schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. "Ich bin mir jedoch sicher, dass sich auch dieses Problem beheben wird. Es wird nur länger dauern. Die schlimmsten Dinge werden sich schnell bessern, ich befürchte aber, dass er länger unter einer leichten Verwirrung, Orientierungslosigkeit und Konzentrationsstörung leiden wird. Nichts übermäßig Schlimmes und es wird nur den Menschen auffallen, die oft mit ihm zusammen sind. Ich würde ihm dringend raten, sobald er aus dem Krankenhaus entlassen wird, einen Psychologen aufzusuchen, oder sogar schon eher. Das wäre noch besser. Näheres muss dann dieser Psychologe feststellen. Ich bin nur Arzt, beschäftige mich lediglich mit körperlichen Krankheiten. Worauf ich jedoch nicht verzichten kann, ist, ihn ungefähr ein fünf Monate von jeglicher Arbeit zu befreien." "Das ist verdammt schwerwiegend." Joey starrte trübe auf den Boden. "Er liebt seine Arbeit und den Stress, kann ohne sie nicht leben." Johnson zuckte mit den Schultern. "Wenn ihm sein psychischer Zustand wichtig ist, dann sollte er sich an das Arbeitsverbot halten." "Sie kennen Kaiba nicht." Dann blieben Sie vor der Tür stehen und wechselten flüchtige Blicke. "Ich bin...", Joey wandte den Blick ab, "… Ihnen wirklich sehr dankbar, dass Sie sich so gut um ihn gekümmert haben. Sie haben Ihr Bestes getan und die Sorgen mit uns geteilt." Dr. Johnson winkte sofort ab und klopfte ihm wieder auf die Schulter. "Doch du warst es, der sein Leben gerettet hat. All die Mühen hätten ohne deinen Einsatz nichts gebracht." "Aber Sie haben einen Teil zu diesem Glück beigetragen! Und Sie haben sich bereits um ihn gesorgt, als ich mich noch durch einen Streit von ihm ferngehalten habe!", warf Joey sofort ein und Johnson lächelte auf eine unbekümmerte Art und Weise, wie man sie lange nicht mehr von ihm gewohnt war. "Jetzt geh zu ihm", sagte er sanft und öffnete die Tür. "Und wenn er aufwacht, dann schaffe diesen Streit aus der Welt, damit sich euer Verhältnis bessert. Er wird dich in der nächsten Zeit sehr brauchen." "Oh... nein." Joey weitete die Augen und schüttelte den Kopf. "Dieser Streit war nur ein dummes Missverständnis! Der ist schon längst wieder vergessen!" "Dann ist ja gut." Das Lächeln des Arztes vertiefte sich, dann schickte er ihn mit einem knappen Nicken hinein. Und das ließ sich Joey nicht zweimal sagen. Sofort erwiderte er das Nicken und trat ein. Während sich die Tür leise hinter ihm schloss, blieb er erst einmal stehen, verschränkte unter einem genießerischen Seufzen die Arme vor dem Bauch und beobachtete Kaiba aus der Ferne. Er schlief tief und fest, so, wie es Dr. Johnson gesagt hatte. Er lag auch nicht verkrampft im Bett, nein, er lag gemütlich auf der Seite, hatte das Gesicht zu ihm gewandt, es jedoch mit der Hand verdeckt, die direkt davor auf dem Kissen gebettet lag. Ein sanftes Lächeln zeichnete sich auf Joeys Lippen ab, als er diesen Anblick genoss, das Bein betrachtete, das vom Oberschenkel an, aus der Decke hervorlugte und entspannt ausgestreckt war. Kaiba trug ein neues, schneeweißes Hemd, es war sauber zugeknöpft, verursachte nicht mehr diese wilde und beängstigenden Anschauung. Joey blinzelte, atmete tief durch und trat in langsamen Schritten näher. Direkt vor ihm blieb er stehen. Er blickte hinunter zu ihm, besah sich das Gesicht, von dem er nun mehr bewundern konnte. Noch immer war dieses leichenblass und glänzte vor Schweiß, noch immer hafteten die nassen braunen Strähnen auf seiner Stirn, doch seine Augen... nun waren sie ruhig und entkrampft geschlossen. Hinzukommend herrschte nicht mehr dieser undefinierbare Kabelsalat auf der Matratze. Nur noch die Nadel in seiner Hand, wenige Verbindungen der Saugnäpfe, die unter der Decke verschwanden. Außerdem noch ein kleines Schläuchlein, das quer über seine Wangen führte und als Sauerstoffspender durch seine Nase von Nutzen war. Stockend ließ sich Joey auf die Knie sinken, legte die Hand zaghaft um seinen Unterarm und zog ihn vorsichtig hinab, fort von dem Gesicht, denn er wollte es sehen. Er legte die Hand auf der Matratze ab, verschränkte die Arme vor ihr und kauerte sich so hin. Kaibas raue Lippen waren einen Spalt weit geöffnet, Joey konnte die weißen Zähne sehen. Gebannt ließ er den Blick über die bleiche Haut schweifen und nach kurzer Zeit hob er die Hand, berührte zaghaft seine linke Augenbraue und folgte ihrer schmalen Form mit der Fingerkuppe. Er spürte die Hitze, die von dem noch immer fiebernden Körper ausging, spürte die Nässe des Schweißes. Er hielt die Augen so lange offen, wie er konnte, wollte so selten wie möglich blinzeln, um sich an diesem Anblick fortwährend zu erfreuen. In diesen Sekunden dachte er nicht an die schrecklichen Dinge, die er hinter sich hatte. Er erinnerte sich nicht an die Entführung, die Duke und er erlebt hatten, die Todesangst, der er oft ausgesetzt gewesen war und nicht an die Strapazen, die er auf sich genommen hatte. Das Einzige, das ihm durch den Kopf schoss, war: >Er wird leben, es wird ihm besser gehen. Wir werden wieder zusammen sein und all die Probleme gemeinsam aus der Welt räumen. Ich habe ihn wieder...< Und als er weitere Minuten in dieser Haltung verbrachte, sich das schöne Gesicht betrachtete und nachgrübelte, da kamen ihm die Tränen. Sie kamen, ohne dass er es bemerkte, sammelten sich in seinen Augen und rannen über seine Wangen. Und da begann er sich wieder zu bewegen, hob die Hand und fuhr sich langsam über das Gesicht. Es war wohl die Erleichterung, die er jetzt spürte, das Glück, das er wieder genießen konnte. Das Glück, Kaiba nicht verloren zu haben. Nun, da Kaiba ruhig vor ihm lag und das Wissen bestand, dass er wieder gesund und ganz der Alte werden würde. Nun, da die Mutlosigkeit mit einem Mal verschwunden war, keine Sorgen mehr existierten... Joey konnte sich nicht mehr halten. Er blieb hocken, bettete die Faust an den Lippen und wandte den Blick ab, um aus dem Fenster zu schauen. Nun wirkte der Himmel wieder blau und heiter, nicht düster und grau, so, wie er ihm in letzter Zeit erschienen war. Die Sonne strahlte... nichts besaß mehr die Fähigkeit, seine Laune zu trüben. Er war in diesen Minuten wohl der glücklichste Mensch Dominos und trotzdem weinte er, ließ das Gesicht bald auf die Matratze sinken und ergab sich den überwältigenden Gefühlen. Und genauso hätte es aussehen können, wäre er ohne das Gegengift zurückgekehrt. Was war das nur für eine grausame Vorstellung! Er würde hier sitzen, weinen und auf das Ende warten, das unweigerlich bevorstand. Joey ging nicht diese Variante seines Hiersitzens durch, dachte nicht an furchtbare Dinge und klammerte sich bald um Kaibas Arm. ~Was kann uns passieren, wenn wir weder Tod noch Hölle fürchten? Was für eine Gefahr kann Verrat für uns darstellen, wenn wir ihn aufrichtig und gemeinsam bekämpfen? Kann die Unsicherheit nach uns greifen, wenn wir stets die Gegenwart des anderen spüren? Können Sorgen uns zermürben, wenn wir den positiven Prinzipien des Lebens entgegenblicken können? Wie könnten wir folgenreiche Fehler begehen, wenn der eine dem anderen ein Lehrer ist? Hat die Angst Macht über uns? Was ist schon der Tod, wenn wir gemeinsam sterben? Das Leben erstrahlt in seiner vollen Pracht, wenn wir es gemeinsam genießen. Wer will uns trennen? Wer könnte diese unbegreifliche Unwissenheit besitzen? Wenn es der Tod nicht ist, der diese Macht besitzt, was ist es dann? Vor was müssen wir uns fürchten? Wenn es der Tod nicht ist... was ist es dann?~ Die Dinge waren nicht so einfach, wie sie schienen, dessen war sich Joey nun noch stärker bewusst. Er fürchtete den Tod. Nicht den Eigenen, nein, den, dem Kaiba beinahe unterlegen wäre. Verrat...? Man sollte ihn gemeinsam bekämpfen. Genau das hatte Kaiba nicht gewollt und jetzt hätte es schnell zu einem Drama kommen können. Die Unsicherheit... Nein, Joey spürte keine Unsicherheit. Nicht, wenn Kaiba bei ihm war. Doch ging es Kaiba ebenso, wenn er seine Anwesenheit spürte? Fühlte er sich sicher? Immer hatte Joey ihn als seinen Helden angesehen, hatte bei ihm Schutz gefunden und keine Angst gehabt. War er für Kaiba auch ein Beschützer? Immerhin war er ein Jahr jünger, kleiner und etwas schmächtiger. Sicher konnte er Anderen, Älteren, Größeren nicht das Gefühl von Sicherheit vermitteln. Doch was spürte Kaiba sonst im Bezug auf ihn? Es gab viele Fragen, die er an ihn stellen wollte. Aber jetzt blickte er den positiven Seiten des Lebens entgegen und ließ sich von keinen Sorgen mehr zermürben. Langsam und zögernd richtete er sich auf und wieder fiel sein Blick auf das bleiche Gesicht. Wer von ihnen war der Lehrer, wer der Schüler? Ergänzten sie sich? Woraus bestand ihre Beziehung eigentlich? Was hielt sie zusammen? Was war für diese übermächtige Liebe verantwortlich, die Joey für ihn empfand? Nachdenklich blinzelte er, ließ den Blick sinken und starrte auf seine Hände. Er wollte nicht fort von ihm, wollte hier sitzen bleiben und nachdenken. Und trotzdem gab es Dinge, die wichtiger waren. Seine Freunde, die immer zu ihm gehalten hatten, machten sich Sorgen um ihn und warteten in diesen Minuten auf eine Antwort, eine Erklärung. Und er musste sie ihnen liefern. Wenige Sekunden verblieb er noch in dieser Haltung, dann seufzte er leise, stand auf und beugte sich zu ihm hinab. Er schloss die Augen, schob mit der Nasenspitze einige Strähnen von der Stirn und platzierte einen zärtlichen Kuss auf ihr. Er tat es langsam und behutsam und als er sich aufrichtete, lächelte er wieder, obwohl in seinen Augen immer noch die Tränen glänzten. "Komm nur schnell wieder zu dir", flüsterte er beinahe lautlos und hob unbewusst die Hand, um Kaibas Gesicht erneut zu berühren. In der Bewegung hielt er jedoch inne. Er würde nicht mehr von ihm loskommen, wenn er jetzt keinen strikten Schlussstrich zog. Bald würde er wieder kommen und dann könnte ihn niemand mehr stören. Er ballte die Hand zu einer Faust, zog sie zurück und ließ sie entspannt sinken. Anschließend wandte er sich ab und kehrte, ohne sich auch nur einmal umzublicken, zu der Tür zurück. Als er in den Gang hinaustrat, ließ er eine Hand in die Hosentasche rutschen, ließ den Kopf sinken und zog sich mit der Anderen den Zopfgummi aus dem Haar. Nachher musste er den Arzt unbedingt fragen, ob er hier irgendwo duschen könnte. Er fühlte sich unwohl in seinem Körper, selbst seine Haare klebten vom getrockneten Schweiß. Und etwas essen musste er auch. Ja, nachher, nun durfte er seine Freunde nicht länger warten lassen. Jetzt durfte er die ganze Geschichte schon zum dritten Mal erzählen. Für ihn war es nichts Besonderes, doch Yugi und Co würden ihren Ohren keinen Glauben schenken, das konnte er sich bildhaft vorstellen. Wie ihre Münder aufklappten, ihre Augen sich weiteten und ihre Gesichter an Farbe verloren. Den Haargummi band er sich um das Handgelenk, dann ließ er auch die zweite Hand in die Hosentasche rutschen und machte sich auf den Weg zu seinen Freunden. Als er den Raum betrat, hatten es sich diese bereits gemütlich gemacht. Tea und Yugi hockten auf dem Bett, Tristan saß auf einem Stuhl und Bakura stand am Fenster und blickte hinaus. "Dreiundzwanzig Minuten und... zehn Sekunden", stellte Tristan murrend fest, als er einen Blick auf seine Uhr warf. "Jetzt reicht's aber!" Joey hob beschwichtigend die Hände, grinste kurz und schlenderte auf die Stühle zu. Einen von ihnen griff er an der Lehne, schwenkte ihn zu sich herum und ließ sich auf ihm nieder. Seine Freunde schwiegen nun und sahen ihn erwartungsvoll an. Joey jedoch, wollte Hektik vermeiden. Also lehnte er sich erst einmal zurück, streckte die Beine von sich und verschränkte die Arme auf dem Bauch. Und dann begann er zu erzählen. Er begann jedoch mit einer winzigen Unwahrheit, setzte ihnen wieder die Geschichte mit dem belanglosen Streit vor, durch den Kaiba und er erst einmal getrennte Wege gegangen waren. Da kam wieder Katagori vor, und der Unfall. Er redete und erklärte, berichtete von all dem, was er erlebt hatte. Er erwähnte das Gift, Katagori, Hirayama, Alfons - das bekiffte Genie, die Entführung, den riesigen Hünen, der ihnen während der Gefangenschaft Gesellschaft geleistet hatte, die Flucht und die Angst. Er teilte ihnen einfach alles mit und seine Freunde hatten die Antworten, bevor sie Fragen stellen mussten. Bald wussten sie, weshalb Joey die vielen Schrammen zierten, warum er so zerzaust aussah und etwas erschöpft war, warum er gelitten hatte und nicht in die Schule gekommen war. Joey gähnte, gestikulierte mit den Händen, rutschte auf dem Stuhl hin und her, richtete sich auf, lehnte sich wieder zurück und blickte musternd in die Runde. Yugi, Tea und Tristan standen wirklich die Münder offen, sie wurden von der Geschichte mitgerissen und entwickelten schnell ein großes Verständnis und Mitgefühl. Sie konnten Joey keinen Vorwurf mehr machen und wurden von Sorgen befallen, Sorgen um Joey, Sorgen um Kaiba. Auch Bakura lauschte aufmerksam und setzte sich sogar irgendwann neben Tristan. Er schien all das sehr spannend zu finden und lauschte der Geschichte mit großem Interesse. Und worauf Joey sehr oft zu sprechen kam, war Duke. Er sagte, dass Duke viel getan und mit ihm durchgestanden, mit ihm gelitten hätte und stets da gewesen war, weshalb sie sich jedoch auf keinen Fall Vorwürfe machen sollten, nichts getan zu haben. Er versuchte sie zu beruhigen, denn er bemerkte schnell, dass diese Selbstvorwürfe kamen, obgleich er von ihnen abriet. Sie hätten nichts von alledem gewusst und er hatte keine Zeit gehabt, um sie zu informieren. Die letzten Tage waren sehr stressig gewesen... Er sprach, bis sein Mund trocken und rau war und sein Hals kratzte. Das geschah erst nach einer ganzen Weile. Nach einer knappen Stunde hatte er seine Freunde umfassend und detailgerecht in das Geschehen eingeweiht und diese reagierten genauso, wie er es sich vorgestellt hatte. "Und jetzt sitzen wir hier", sprach er die abschließenden Worte, nickte erschöpft und ließ sich wieder gegen die Lehne fallen, um die Arme ordentlich baumeln zu lassen. Vier Blicke waren erschrocken auf ihn gerichtet und es trat eine lange Stille ein. Natürlich mussten die Zuhörer das Gesagte erst einmal verarbeiten. Und das fiel bei der Art der Geschichte nicht allzu leicht. Joey war nun erleichtert, dass es nun wirklich niemanden mehr gab, dem er die ganze Geschichte noch einmal erzählen musste, denn Kaiba würde er sicher nicht die Ohren voll heulen, dass Duke und er entführt worden waren und so viel hatten durchstehen müssen. Eine lange Zeit sagte niemand etwas und Tea war es, die zuerst zur Sprache zurückfand. Sie ließ die Hand sinken, die sie sich beinahe während der gesamten Geschichte erschüttert auf die Brust gedrückt hatte, schüttelte langsam den Kopf und schickte Joey einen mitfühlenden Blick. "Mein Gott", seufzte sie anteilnehmend. "Und es geht Kaiba jetzt wirklich besser?" Also erzählte Joey noch, was Dr. Johnson gesagt hatte und nun wirkten die Mienen der Zuhörer sogar bedrückt. "Wenn wir irgendetwas für Kaiba tun können, dann musst du es nur sagen." Yugi brachte sein Mitempfinden deutlich zum Ausdruck und auch an seinem Gesicht konnte man deutlich erkennen, dass all das ihn sehr berührt hatte. "Wir tun, was wir können, damit er sich erholt und sich besser fühlt. Herrje, was musste er nur alles durchstehen." "Auch Joey musste viel durchstehen", warf Tristan ein. "Sein Leben war noch öfter in Gefahr. Die Beiden haben eine harte Zeit hinter sich." "Kaiba hat sie sogar noch vor sich", seufzte Tea. "Wir haben sie beide vor uns", murmelte Joey. >Denn ich möchte noch etwas loswerden<, dachte er sich nebenbei. Tristan, Tea und Yugi redeten noch etwas und dann richteten sie ihr Augenmerk auf Bakura, der nur geschwiegen hatte. "Was sagst du dazu?" Tristan stieß ihn an und der junge Mann blickte auf. Seine Miene wirkte ernst, als sich seine Augen direkt auf Joey richteten. Dieser erschrak innerlich, befürchtete, er könnte ihm die Beichte abnehmen. Glücklicherweise tat er es jedoch nicht. Nein, er sagte etwas anderes. Nachdem er die Anderen etwas hatte warten lassen, räusperte er sich leise und ergriff das Wort. "Seit du Kaiba näher gekommen bist", sagte er und sie lauschten ihm aufmerksam, "lagst du öfter im Krankenhaus, warst öfter von Sorgen geplagt als je zuvor und hast dich in Gefahr gebracht. Er zieht dich in Dinge hinein, denen du nicht gewachsen bist, die nicht deine Probleme sein würden, würdest du ihn nicht kennen. Du und Duke wurden entführt, weil du etwas mit ihm zu tun hast. Und Duke ist ja wohl mehr als unbeteiligt. Er hätte sich so einiges ersparen können, Verletzungen wie auch Ängste. Ihr Beide wurdet gefangen gehalten, gejagt und beinahe erschossen." Bakuras Augen wirkten kühl, ungewohnt, wie noch nie zuvor. Beinahe machte er Joey schon Angst und auch die Worte, die er sprach, klangen doch etwas gefühllos. "Dann wurde er in deinem Beisein vergiftet. Und er wusste von Katagori, dessen bin ich mir sicher. Deshalb jagte er dich davon, ist es nicht so?" Verwundert und zugleich irritiert richteten sich drei Blicke auf Joey und dieser erwiderte sie ebenso verunsichert. Woher besaß Bakura nur die Fähigkeit, solche Schlüsse zu ziehen? Zuerst hatte er die Sache zwischen ihm und Kaiba aufgedeckt und nun so etwas! Bevor er sich jedoch verteidigen, oder irgendetwas sagen konnte, fuhr Bakura fort, schnitt wieder bedacht das letztere Thema an. "Und du hast nach dem Gegengift gesucht und wärst dabei fast ums Leben gekommen. Es ist Tatsache, Joey. Kaiba bringt dich in Gefahr und du musst wissen, ob es dir das wirklich wert ist. Es ist kein Spaß, den du erlebt hast. Und es sind keine Erfahrungen, die ein siebzehnjähriger Schüler machen sollte. Kaiba ist ein Geschäftsmann, seine Liga ist es vielleicht mehr, als deine. Er wird mit diesen Dingen fertig, hat die Mittel und den nötigen Einfluss, den Bekanntheitsgrad. Er kann Vorbereitungen treffen und mit diesen Dingen besser umgehen. Aber du? Du hattest und hast mit skrupellosen Menschen zu tun und wenn du nicht aufpasst, wirst du durch Kaiba weitere Probleme bekommen." Joey starrte ihn nachdenklich, beinahe schon etwas verbissen an, doch Bakura hob die Hände. "Haltet mich nicht für gefühllos", stellte er klar. "Es ist schlimm was passiert ist und du hast mein Mitgefühl. Duke hat es auch... genau wie Kaiba. Aber du musst den Tatsachen ins Gesicht sehen und nachdenken, bevor du dich entscheidest. Ist dir Kaiba wichtig genug, dass du für ihn dein Leben riskieren würdest?" "Joey...?" Tea richtete sich stockend auf. Auch Yugi und Tristan schienen noch überhaupt nicht an diese Gefahr gedacht, die Geschichte nur oberflächlich verfolgt zu haben. Nun starrten sie Joey erwartungsvoll an und dieser starrte auf den Boden, man konnte ein sehr langsames Nicken erkennen. "Du bist nicht der Erste, der so etwas zu mir sagt, Bakura." Joey brach das Nicken ab und begann an seiner Hose zu zupfen. "Ich habe es schon oft gehört und mir blieb genügend Zeit, um darüber nachzudenken. Und ja. So lange ich nur bei Kaiba bleiben könnte, würde ich jede Gefahr auf mich nehmen und alles für ihn tun." Doch somit war noch nicht alles gesagt und Joey zögerte kurz, bevor er fortfuhr. Und Bakura machte den Eindruck, seine nächsten Worte zu kennen und nun waren es mehr die drei Anderen, die es kaum wagten, zu atmen. Wieder brach Schweigen über sie herein und es war Joeys Aufgabe, es zu brechen. Er war nervös, als er es etwas vor sich her schob und dann einen selbststrengen Schlussstrich zog. Er wiederholte das Nicken entschlossener, richtete sich auf und besah sich seine Freunde ernst. Bakura hatte ihn indirekt dazu gezwungen, hatte vermutlich geahnt, dass er es so wie so vorgehabt hatte und ihm nun geholfen, sich zu überwinden. "Es gibt noch eine andere Sache, von der ihr nichts wisst." Joey zwang sich, die Blickkontakte aufrecht zu halten. Er ließ sich die Nervosität nicht ansehen, doch die Schläge seines Herzens begannen sich zu verschnellern. Er würde es mit nur wenigen Worten sagen, ohne lange drum herum zu reden. Er hatte es schon lange vorgehabt und nun war der günstige Zeitpunkt gekommen. Also holte er tief Luft und sagte den alles entscheidenden Satz. "Zwischen Kaiba und mir ist mehr, als Freundschaft." Schweigen... Nervös sah er Tea, dann Tristan und Yugi an. Und da ihre Blicke so nichtssagend auf ihn wirkten, ließ er den Kopf sinken, schnitt eine Grimasse und rieb sich den Nacken. Jetzt saß er hier auf dem Präsentierteller, musste sich anstarren lassen und warten, bis irgendjemand irgendetwas sagte. Wie sollte er seine Nervosität denn jetzt noch verbergen? Wieder begann er auf dem Stuhl hin und her zu rutschen, und als die Stille weitere Momente anhielt, richtete er sich schwungvoll auf. "Was ist denn los?", ächzte er gepeinigt. "Sagt doch etwas!" Yugi schien diese Sache nicht ganz zu kapieren und Tristan hatte nur die Augenbrauen gehoben. Tea legte nun den Kopf schief, eine gewisse Beklemmung befiel ihr Gesicht. "Na ja… eigentlich haben wir uns das schon seit einer Weile gedacht", gab sie dann plötzlich zu. "Eigentlich waren uns sogar sicher... also", sie zuckte mit den Schultern, „… eine richtige Neuigkeit ist das nicht.“ "Wie bitte…?" Automatisch wandte sich Joey an Bakura, doch dieser schüttelte hastig den Kopf. Er hatte nichts verraten. "Es ist so." Tristan wackelte mit dem Kopf und Joey ließ von Bakura ab. "Als du ihn zum Picknick mitgebracht hast, da haben wir uns doch wirklich sehr gewundert. Dann seine Art, wie er sich dir gegenüber verhielt. Na ja, Kaiba machte sein Handwerk gut. Natürlich, etwas anderes kann man von ihm nicht erwarten." Ein breites Grinsen zog an seinen Lippen. "Du bist derjenige, der euch verraten hat." "Wa...?" Joey lehnte sich aus dem Stuhl. "Warum habt ihr mir nicht eher gesagt, dass ihr Bescheid wisst?!" "Na ja..." Daraufhin wusste Tristan nichts zu antworten. Also ließ er die Hand sinken und warf Tea einen flüchtigen Blick zu. Dieser fiel jedoch etwas ein. "Erstens: Es ist doch nichts Weltbewegendes und zweitens: Wir haben dich in der letzten Zeit ja gar nicht gesehen." Nichts Weltbewegendes? Joey brummte und wieder traf sein Blick auf Bakura. "Hat Bakura wirklich nicht geschnattert?" "Höh, warum?" Tristan, Tea und Yugi lugten zu dem jungen Mann, der sich allmählich angegriffen fühlte und dementsprechend aussah. "Wusste Bakura etwa noch eher Bescheid, als wir?" "Er hat es gleich bemerkt." Schwungvoll stand Joey auf, verschränkte die Arme vor dem Bauch und blickte erneut ernst in die Runde. "Ich habe mir Sorgen gemacht, dass ihr irgendwie sauer werdet... oder so. Aber jetzt bin ich erleichtert. Man, und wie!" Er zog eine Grimasse und stöhnte. "Und was sagt ihr jetzt dazu? Findet ihr das in Ordnung? Wird sich in der Zukunft irgendetwas zwischen uns ändern?" "Was redest du denn da für einen Blödsinn?" Tea wunderte sich. "Na ja... ich meine, normal ist das nicht." "Was ist an dir schon normal!" Tristan kam angesprungen und nahm ihn kameradschaftlich in den Schwitzkasten. "Egal, was du für einen Blödsinn machst! Wir bleiben Freunde!" "Blödsinn…?" Joey versuchte verzweifelt, sich zu wehren. "Was soll denn das heißen!" War das die Beichte gewesen, vor der er sich so gefürchtet hatte? Spannend und dramatisch, nicht wahr? Nicht, dass Joey nicht erleichtert darüber war, wie seine Freunde auf diese "Neuigkeit" reagierten, doch er hatte das Gefühl, dass sie es nicht so recht ernst nahmen. Nachdem er sich aus der wilden Umarmung gelöst hatte, versicherten ihm Tea und Tristan noch öfter, dass alles in Ordnung wäre. Yugi jedoch, sagte nichts, schien diese ganze Sache nicht so recht zu verstehen. Vielleicht dachte er ja auch anders über diese Sache und wollte es nur nicht sagen? Joey hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Nach fast einer weiteren Stunde, verabschiedeten sie sich dann voneinander. Tristan sagte, dass er froh über die Besserung Kaibas Gesundheitszustandes war, Tea wünschte diesem gute Genesung, Yugi schenkte ihm ein Lächeln, das verriet, dass doch alles in Ordnung war und Bakura nickte ihm nur wortlos zu. Dann gingen sie wieder und Joey machte sich guter Dinge auf den Weg in die Kantine, um sich den ersten seiner sehnlichsten Wünsche zu erfüllen. Noch immer war er verblüfft über das Wissen seiner Freunde. Er spielte zwar kurz mit der Befürchtung, dass sie ihm etwas vorgemacht hatten aber diesen Gedanken wurde er schnell los, als er sich all das leckere Essen betrachtete. Nun machte er sich über fast nichts mehr Sorgen, konnte sich um Kaiba kümmern und erwartete bald eine Auszeichnung von Dr. Johnson, die da hieß: "Neuer Rekord: Du bist der Mensch, der sich am längsten freiwillig in einem Krankenhaus aufgehalten hat". Ja, er hatte sich hier richtig einquartiert und das machte ihm wirklich nicht viel aus. Denn in Zimmer 110, da lag der wichtige Grund seines Aufenthaltes. Duke war nach Hause gegangen, um sich auszuruhen. Doch Joey rechnete damit, dass er irgendwann noch einmal vorbeikam, um sich nach Kaiba zu erkunden. Auch Mokuba und Pikotto, die Johnson sofort informiert hatte, würden bald hier sein. Und bis dahin wollte sich Joey das erste Mal seit langem, etwas um sich kümmern. Er aß eine Kleinigkeit und fühlte sich danach sofort besser. Und nachdem sein Magen keinen Grund mehr zum meckern hatte, machte er sich auf die Suche nach Dr. Johnson. Und ja, natürlich konnte er hier duschen. Und was sollte da jetzt noch schief gehen? Was konnte seine Laune jetzt noch trüben? Er klaute sich ein Handtuch, warf es sich über die Schulter und stieg in die zweite Etage, in der es einen Duschraum gab, den er benutzen durfte. Und während er sich dann gemütlich auf die Fließen setzte und das warme Wasser auf sich prasseln ließ, grübelte er schon, was Kaiba sagen würde, wenn er aufwachte. Die erste Variante lautete: er würde um sich tasten und nach einem schwarzen Kaffee fragen. Und die Zweite? Er würde über das unbequeme Bett meckern und unzufrieden sein. Zuzutrauen wäre es ihm. Sein Erwachen gestaltete sich letzten Endes so, dass sie sich eine lange Zeit wortlos anstarrten. Joey wusste nicht, was er sagen sollte und Kaiba war wahrscheinlich noch nicht im Stande zu sprechen. Bevor er aufgewacht war, waren noch Pikotto und Mokuba zu Besuch gewesen, freudestrahlend und Joey lobend. Alles in einem vermittelten sie ihm ein Gefühl der Sorglosigkeit und der völligen Ruhe. Sie waren lange bei Kaiba gewesen und Mokuba wollte ihn überhaupt nicht mehr loslassen. Nach knapp einer Stunde gingen sie wieder und Joey saß allein mit einem Buch neben dem Bett und las. Und nachdem Kaiba wieder zu sich gekommen war, hatte er sofort Duke angerufen und beinahe eine halbe Stunde mit ihm gesprochen. Es war die wortwörtliche Erlösung, die er genoss. Ein unbeschreibliches Gefühl der Sicherheit und des Wohlbehagens. Eine Woche war nun vergangen, seit Kaiba die Augen geöffnet und begonnen hatte, das Leben zu genießen, das ihm erneut geschenkt worden war. "Weißt du, was ich mich schon lange frage?" Konzentriert starrte Joey auf die Olive, die er auf eine Gabel gespickt hatte und nun direkt vor das Gesicht hielt. "Ne", erwiderte sein Vater beschäftigt. Beide saßen gemütlich in der Küche und Joey ergriff endlich das Wort, nachdem er die Olive eine ganze Weile angestarrt hatte. Er runzelte die Stirn, rutschte auf dem Stuhl vor und zurück und besah sie sich noch genauer. "Warum sind Oliven rund? Warum sind sie nicht... quadratisch oder... rechteckig?" Herr Wheeler hielt inne, ließ die Gabel sinken und sah seinen Sohn besorgt an. "Hast du nichts anderes, über das du dir den Kopf zerbrechen kannst?" "Nein!" Joey lachte heiter, ließ die Olive im Mund verschwinden und sprang auf. "Da gibt es nichts mehr! Ist das schlimm? Hey, was magst du lieber! Ne trübe Tasse oder... mich!" Er fuhr sich durch den blonden Schopf und wandte sich mit einem Schwung ab. "Ich hau dann ab, okay?" "Ja." Sein Vater schmunzelte und winkte ihn nach draußen. In der letzten Zeit war sein Sohn so glücklich, wie selten zuvor. Er gönnte es ihm von ganzem Herzen. "Und zieh dir etwas Warmes an!", rief er ihm noch nach, als sein Sohn im Flur verschwand. "Ich werde bald achtzehn!", kam sofort die Antwort. "Verdammt noch mal!" Oh ja, der Sommer war fort und allmählich wurde es draußen etwas unangenehmer. Die Sonne schien keine Lust mehr zu haben, den gesamten Tag am Himmel zu stehen und ließ infolgedessen gern Herr Regen und Frau Kälte den Vortritt. Wenn es nach Joey ging, könnte sogar ein Tornado durch Domino fegen. Seit knapp sieben Tagen war Kaiba wieder wach und auf dem stetigen Weg der Besserung. Er war bei Bewusstsein, jedoch noch längst nicht so weit, die gesamte Wahrheit zu hören und sie zu verstehen. Joey hatte ihn noch nicht auf den Streit angesprochen, nicht auf das Gift oder den Rest der vielen Abenteuer, die er mit Duke erlebt hatte. Nein, mit diesen Anliegen würde er sich erst an ihn wenden, wenn er wieder Herr seiner vollständigen Sinne war. Zurzeit konnte sich Joey nur um ihn kümmern, für ihn da sein. Seit er nicht mehr im Krankenhaus übernachtete, freute er sich jedes Mal darauf, es wieder zu sehen, von Erinnerungen beflügelt zu werden, so schlecht sie auch waren. Gemächlich stieg er die Treppen hinauf und grüßte manche Ärzte, die er während seines Aufenthaltes kennengelernt hatte. Johnson traf er nicht, doch er hatte auch keine Lust, nach ihm zu suchen. Als er das kleine Türschildchen bereits näher kommen sah, schlüpfte er aus dem warmen Pullover und fuhr sich kurz durch den Schopf. Dann griff er nach der Klinke, drückte sie hinab und trat ein. "Hallo", grinste er gutgelaunt und winkte. "Wie geht's?" Kaiba saß aufrecht im Bett, lehnte sich gegen das Kissen und hielt eine Flasche Wasser zwischen den Händen. Von denen standen noch drei weitere auf dem Nachttisch. Und das musste auch so sein, denn er musste unbedingt viel trinken... und am besten konnte Wasser den Körper durchspülen. Er sah etwas ausmergelt und müde aus, war jedoch die Kabel los und ebenso einen Teil dieser krankhaften Blässe. Nun ließ er die Flasche langsam auf seinen Schoß sinken und drehte mit düstrer Miene und aufgeblähten Wangen das Gesicht zu ihm. Joey wartete auf keine Antwort, begann sich an dieses merkwürdige Benehmen zu gewöhnen. Also schickte er Kaiba einen aufheiternden Blick, warf den Pullover auf das Nebenbett und trat schlendernd näher. Kaibas Blick folgte ihm. Dann schluckte er hinter, verzog mürrisch das Gesicht und neigte sich etwas zur Seite, um nach dem Deckel zu tasten. In der Zwischenzeit blieb Joey neben ihm stehen und verfolgte das anstrengende Vorhaben. Während Kaiba den Arm ausstreckte, warf er ihm wieder einen grimmigen Seitenblick zu. Dann erwischte er den Deckel, schraubte ihn träge auf die Flasche und drückte diese prompt Joey in die Hände. "Weg damit!", fauchte er und fuchtelte mit der Hand, um auch auf die anderen Flaschen aufmerksam zu machen. "Alles weg!" "O-okay...?" Joey schnappte nach den grausamen Flaschen und stellte sie neben das Bett, damit Kaiba ihren Anblick nicht mehr ertragen musste. Zurzeit war dieser wirklich etwas schwierig und schlecht zu verstehen. Seine Stimmung war wie so oft auch, düster und schwankte nur selten. Nachdem Joey den Befehl ausgeführt hatte, ließ er sich auf dem Stuhl nieder und beobachtete Kaiba, wie er sich abwesend an der Hand kratzte, sich räusperte und anschließend mit beiden Händen durch sein Haar fuhr. Wenn sich ihre Blicke trafen, entdeckte Joey stets eine leichte Verwirrung in seinen Augen, und dann stellte er sich die Frage, ob Kaiba eigentlich wirklich wahrnahm, dass er hier war. Bei ihm, um sich um ihn zu sorgen. Dr. Johnson hatte ihn gewarnt und Joey geglaubt, dass es schlimmer wäre. Und doch litt er nun etwas darunter und sehnte sich die Zeiten immer sehnlicher herbei, in denen Kaiba endlich wieder der Alte war. Er wollte wieder richtig mit ihm sprechen, wollte, dass Kaiba ihn verstand und ihm seine Gefühle mitteilte. Und das war zurzeit überhaupt nicht der Fall. Dieses Erlebnis hatte er wirklich nicht gebraucht. Doch es war passiert und er konnte glücklich sein, dass Kaiba lebte. Aber meckern... das konnte er so gut, wie zuvor. "Ich ertrage das nicht mehr!" Wieder würdigte Kaiba ihm eines kurzen Blickes und ließ den Kopf auf das Kissen fallen. "Seit knapp einem Monat liege ich hier und darf nicht einmal aufstehen! Gebt mir meinen Laptop, gebt mir Akten! Gebt mir irgendetwas, mit wem ich mich beschäftigen kann!" "Wenn du dich gut erholst, wirst du in knapp einer Woche entlassen", versuchte Joey ihn aufzuheitern. Doch dieser gute Wille brachte nur weiteren Zorn. Das geschah den Beiden in der letzten Zeit öfter. "Und dann wird ein ganzer Monat daraus!" Kaiba biss die Zähne zusammen und während er leise zu fluchen begann, seufzte Joey leise und rückte mit dem Stuhl weiter vorn, bis er direkt neben Kaiba saß. Dieser achtete nicht auf ihn und starrte an die Decke, als wäre alles ihre Schuld. Joey betrachtete sich seine Augen genau und dann nahm er sich vor, einen kleinen Versuch zu starten. Kaiba war ihm gegenüber die ganze Zeit schroff und unaufmerksam. Nun wollte Joey wissen, wie er reagierte, wenn er etwas tat, das er gern hatte, das sie oft getan hatten. "Ich sterbe, wenn ich weitere Tage reglos hier liegen muss!" Kaiba schnitt eine Grimasse und schloss die Augen. "Ich sterbe wirklich! Wo zur Hölle ist Pikotto! Ich brauche meinen Laptop! Und wo ist Mokuba! Wehe, wenn sich mit der Schule nichts geändert hat!" Er machte eine kurze Pause, achtete nicht auf Joey und starrte wieder an die Decke. "Mit Pikotto werde ich ein ernstes Wort reden müssen! Er hat mich behandelt... als... ach, was weiß ich..." Plötzlich verstummte er, sagte kein einziges Wort mehr und ließ langsam den Blick sinken. Joey hatte sich zögerlich nach vorn gebeugt und nach seiner Hand gegriffen. Nun hielt er sie mit den Eigenen umschlossen und betrachtete sie sich verträumt. Seit Kaiba aufgewacht war, hatte er so etwas noch nicht getan. Doch er hielt es nicht länger aus, ohne Kaiba zu berühren, sei es auch nur die Hand. Eine leichte Irritiertheit schlich sich in Kaibas Miene ein, als er von seiner Hand zu Joey sah. Dieser erwiderte seinen Blick nicht, starrte nur auf die Hand und begann nach wenigen Sekunden mit ihr zu spielen. Er spreizte seine Finger und zupfte zärtlich an dem kleinen Pflaster auf seiner Handoberfläche. Nun spürte er eine leichte Bewegung aber es war nur ein unauffälliges Zucken und dann verblieb die Hand wieder ruhig. Was fühlte Kaiba in diesem Moment? Er grübelte lange, hielt die Hand lange fest und erhoffte sich, wenige Worte von ihm zu hören. Doch Kaiba schwieg und so war er dazu gezwungen, diese Aufgabe zu übernehmen. Er umschloss die Hand wieder fester, atmete tief durch und blickte auf. Er sah direkt in Kaibas stahlblaue Augen und es gelang ihm ein flüchtiges Lächeln, welches der Andere nicht erwiderte. "Hey." Joey legte den Kopf schief, bemerkte nicht, wie seine Miene wieder eine traurige Nachdenklichkeit annahm. "Was ist mit dir los? Haben sich die Querelen zwischen uns nicht erledigt?" Keine Regung war in Kaibas Gesicht zu erkennen. Er lag einfach dort und starrte ihn an. Und diese Tatsache machte ihn zugegeben nervös. Wenn er mit ihm schon nicht ordentliche Gespräche führen konnte, dann wollte er ihm zumindest seine eigenen Gefühle mitteilen und sich wenigstens eine winzige Reaktion erhoffen. Er fand glücklicherweise wieder zu dem Lächeln zurück und begann einfach zu sprechen. "Kannst du den Sonnenuntergang von hier aus sehen?", fragte er leise und drehte sich kurz zu dem Fenster um, Kaiba reagierte nicht. "Weißt du es noch? Wie wir auf der Sonnenterrasse deines Hauses gesessen und ihn uns angeschaut haben? Du...", er schmunzelte bei dieser Erinnerung, "… du hast alles verflucht, weil er zu kurz angehalten hat, warst mal wieder richtig unzufrieden." Wieder sah er ihn an, wieder rührte sich Kaiba nicht. "Weißt du noch, als ich das erste Mal bei dir zu Hause war? Bikky und Mokuba hatten sich als Bären verkleidet und Bikky ist gegen die Tür gerannt." Wieder musste er grinsen. "Und dann... oh ja, dann hast du mir etwas auf der E-Gitarre vorgespielt. Das war wirklich toll! Du hast gesagt, dass..." "Was hat das damit zu tun! Ich bleibe dabei, trinke keinen einzigen Schluck mehr!", fuhr Kaiba ihn plötzlich an. "Ich kann dieses scheußliche Wasser nicht mehr sehen! Gebt mir Kaffee oder Wein... aber kein gottverdammtes Wasser!" Joey stöhnte erschöpft und ließ den Kopf hängen. Er sank auf Kaibas Arm und blieb dort liegen. Er hätte wissen müssen, dass diese Taktik nicht funktionierte. Zeit. Kaiba brauchte noch etwas Zeit. Aber wie viel Zeit könnte er ihm geben? Sieben Tage ein und dasselbe. Wie lange hielt er das noch aus? Von einer Sekunde auf die andere, begann Kaiba wieder wirres Zeug zu reden. Er existierte nicht mehr und Kaiba ließ seiner Wut freien Lauf. Und das wollte sich Joey nicht antun, sonst wurde er noch depressiv. Nach wenigen Sekunden, als sich Kaibas Hand zu regen begann und versuchte, sich zu befreien, richtete er sich wieder auf und ließ sie endlich los, damit Kaiba sie zugleich zu einer Faust ballen konnte. Und während er dann weiterfluchte, schüttelte Joey in einer leisen Verzweiflung den Kopf und machte sich in langsamen Schritten auf den Weg zur Tür. Kaiba achtete nicht einmal auf ihn, als er ging! Seit einer Woche war er nun wach und sein Zustand hatte sich so gut wie nicht gebessert, außer, dass sich die Verwirrung und die Orientierungslosigkeit etwas zurückgezogen hatten. Als Joey nach der Klinke griff, versuchte er es sich nicht vorzustellen, wie es wäre, auf Kaiba aufpassen zu müssen, wenn er wieder zu Hause war. Er betete zu allen Göttern, dass er bis dahin wieder vollständig bei Sinnen war. Sobald er draußen im Flur stand und die Tür geschlossen hatte, wühlte er nach dem Handy und rief Duke an. Er hatte sich schon genug Sorgen wegen dem Gift gemacht und sein Leben aufs Spiel gesetzt, um Kaibas Leben zu retten! Er hatte verdammt viel für ihn getan und von Kaiba kam kein einziges Wort des Dankes! Joey versuchte es zu verstehen, wusste genau, dass Kaiba nichts dafür konnte und trotzdem schmerzte es ihm sehr, so behandelt zu werden. Während er wartete und lauschte, begann er etwas spazieren zu gehen und sich das Gesicht zu reiben. "Ja, ich bin es, Joey", meldet er sich dann zermürbt. "Duke... kannst du bitte ins Krankenhaus kommen? Ich werde mit Kaiba nicht fertig." ~*to be continued*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)