Liebe, Leid und Leben von theDraco (Mamorus Jugend) ================================================================================ Kapitel 5: ----------- "Wir könnten jetzt noch Fußball spielen gehen", meinte Motoki mit spitzbübischem Blick auf Mamoru, der die Teller abgewaschen hatte während sich Motoki faul auf das Bett in Mamorus Zimmer gelegt hatte. "Oder wir machen ne Radtour. Und gleich danach putzen wir den Rest vom Haus. Was sagst Du dazu?" Mamoru zog ihm das Kissen unter dem Kopf hervor und schleuderte es dem Blonden ins Gesicht. "Du hättest mir ruhig helfen können", sagte er und ließ sich erschöpft in seinen weichen Chefsessel fallen. Das Leder knirschte unter ihm. "Wozu?", fragte Motoki, "immerhin bist Du derjenige, der selbstständig sein will, oder etwa nicht?" "Und was war mit Deinem tollen Vorschlag mit der WG?", fragte Mamoru müde. "Arbeitsteilung", meinte Motoki wie aus der Pistole geschossen. "Du kannst mich mal", murmelte Mamoru und schloss die Augen. "Zur Putzfrau machen? Aber das bist Du doch schon", antwortete Motoki. "Nu hör schon auf, mir alle Wörter im Mund rum zu drehen." Mamoru war in diesem Punkt nicht mit Motoki auf einer Ebene. Und genau das störte ihn. Er wünschte sich oft, Motokis Schlagfertigkeit zu besitzen. Meist vertröstete er sich einfach mit dem Gedanken, es wohl eines Tages zu können. Eine ganze Weile lag tiefe Ruhe im Raum. Doch dann durchbrach Motoki die Stille: "Was willst Du eigentlich tun?" "Ich kann keine Gedanken lesen. Du wirst mir schon sagen müssen, wovon Du sprichst", sagte Mamoru, immer noch mit geschlossenen Augen. "Wegen Chikara", meinte Motoki in selbstverständlichem Ton. "Was soll ich da groß tun? Ich werd ihm natürlich in den Arsch kriechen und hoffen, dass er mich leben lässt. Is doch klar. Oder hast Du nen besseren Vorschlag?", antwortete Mamoru. "Wehr Dich", antwortete Motoki ganz sachlich und simpel. Mamoru nickte. "Klar doch. Ich sag Dir Bescheid, sobald ich aussehe wie eine Mischung aus Arnold Schwarzenegger und Jackie Chan." "Da hast Du aber ganz schön was zu tun. Jackie Chan hat nicht so viele Pickel. Mach mal was gegen Deine fiesen, kleinen Mitesser." Nun machte Mamoru zum ersten Mal seit langem die Augen wieder auf und sah Motoki böse an. "Der einzige fiese Mitesser hier bist Du! Und ich hab auch noch Deinen Teller abgewaschen!", giftete er. Es ist nicht schwer, zu erraten, was Motoki nun tat: er grinste wieder. "Dabei finde ich doch, dass Arbeit was Tolles ist! Ich könnte stundenlang dabei zusehen!", witzelte Motoki. "Aber jetzt mal ernsthaft: Willst Du Hikari oder willst Du sie nicht?" Natürlich wollte er. Mehr als alles. Mamorus größter Traum war es, Hikari in seinen Armen zu halten. In diesem Traum war er immerhin auch zwei Meter groß und hatte ein Gesicht wie der amerikanisch-griechische Schauspieler John Stamos. Allerdings zu der Zeit, als der noch seine langen Haare trug. Resigniert ließ Mamoru den Kopf hängen und seufzte. Er zuckte mit den Schultern. "Lieber verzichte ich auf sie als zu Mus gestampft zu werden. So viel bedeutet sie mir auch wieder nicht." "Ach, komm. Gib es doch endlich zu! Du erreichst gar nichts, wenn Du nicht zu Deinen Gefühlen stehst. Du musst Dir selbst gegenüber ehrlich sein! Ich weiß doch, dass Du seit Monaten in diese scharfe Braut verschossen bist." Mamoru sah seinen Freund ungläubig an. "Wo zum Henker hast Du diesen gequirlten Mist aufgeschnappt?" "Na wo wohl?", lachte Motoki, "das hab ich aus irgend ner Magical-Girl-Serie, die sich Schwesterherz regelmäßig reinzieht. Ich persönlich käme doch nie auf so'n Kram. Obwohl da natürlich ein gewisser wenn auch winziger Wahrheitsgehalt drin steckt. Ne halbherzige Liebe ist nicht, das kannst Du gleich vergessen. Wenn Du Dich schon um diese Frau kümmerst, dann auch richtig. Sonst brennt die Dir mit dem nächstbesten Waschlappen durch." "Bevor sie mir durchbrennt", überlegte Mamoru laut, "muss ich sie erst mal haben. Und davor muss ich schauen, dass Chikara mir nicht weiter auf die Pelle rückt. Was meinst Du, kaufen wir ihm ein One-Way-Ticket nach Alaska?" "Meinst Du, das ist weit genug weg?", spekulierte Motoki, "der schafft's doch glatt und schwimmt wieder zurück. Ich tendiere eher zur Antarktis." "Bitte, Reisende soll man nicht aufhalten. Ich wünsch Dir viel Spaß. Und nimm Chikara mit." "Sehr witzig", meinte Motoki. Er besah sich seinen Freund genauer. "Sag mal, Mamoru, ist diese Frisur eigentlich Absicht? Oder hast Du einfach seit... Monaten... nicht mehr in den Spiegel gesehen?" "Was meinst denn Du damit?", fragte Mamoru völlig unvorbereitet, "Die Frisur kennst Du doch schon lang." "Genau das ist es ja. Probier doch mal was Neues! Die langen Haare stehen Dir einfach nicht. Lass Dir doch ne Frisur schneiden, wie ich sie hab: kurz." Mamoru griff nach hinten, löste das Haarband aus seiner Frisur und betrachtete seine Mähne. "So lang sind die doch gar nicht", beschwerte er sich, "im Gegenteil. Ich will richtig lange Haare. Und eines Tages einen langen Bart. Wie die Typen von ZZ Top. Was hast Du dagegen? Nenn mir einen guten Grund, warum ich mich Dir angleichen sollte? Wenn wir im Partnerlook auftauchen, hält uns doch jeder für schwul." Motoki zuckte mit den Schultern. "Ist das nicht so schon der Fall?" Er erntete Mamorus erzürnten Blick. "Okay, Okay", winkte er ab, "war nur Spaß. Aber Du könntest es zumindest mal versuchen. Was spricht dagegen? Sieht bestimmt cool aus!" Er ging zu Mamoru, machte die Haare ganz straff hinten zusammen und stellte Mamoru vor seine Vitrine, in deren Glas sich das dunkle Spiegelbild der beiden abzeichnete. "Na ja", gab Motoki zu, "man sieht es nicht wirklich gut. Du brauchst einen richtigen Spiegel. Aber es könnte toll aussehen. Oder noch besser..." Er legte sich wieder auf das Bett, während Mamoru noch etwas vor dem improvisierten Spiegel stehen blieb. Motoki fuhr fort: "...stell Dir einfach vor, wie ich mit schwarzen Haaren aussehen würde." Mamoru hatte Schwierigkeiten mit der Vorstellung. Schon allein deshalb, weil Motoki grüne Augen hatte, Mamoru hingegen dunkelblaue. "Ich weiß nicht recht", gestand er. Er setzte sich wieder in seinen Sessel. Motoki fragte grinsend: "Wie siehst Du eigentlich im Smoking aus? Das würde mich mal interessieren!" "Du spinnst wohl", rief Mamoru aus, "ich? Mit Anzug und Krawatte? Nie im Leben! Sobald ich die Schule hinter mir hab, kauf ich mir Lederklamotten und ne Harley, und dann ziehe ich nach Amerika!" "Was mich auf eine neue interessante Frage bringt", meinte Motoki, "was willst Du später mal werden? Beruflich?" Mamoru zuckte mit den Schultern. "Weiß nicht. Vielleicht Detektiv? Ich bin ja so ein schlaues Kerlchen. Oder Sänger in einer Rockband. Oder ich werde Autohändler und verkaufe Ferraris. Keine Ahnung." "Kann ich mir gut vorstellen", sagte Motoki, "dann kommst Du heim und rufst: Schatz, ich hab Dir was mitgebracht! Und darauf sagt Hikari: Nicht noch ein Ferrari. Wir haben doch schon ein Dutzend!" "Blödsinn", antwortete Mamoru mit roten Wangen, "es steht doch noch gar nicht fest, ob das mit Hikari überhaupt was wird." "Wenn Du meinst", lenkte Motoki ein. Er griff unter die Bettdecke und zog ein Stofftier in Form eines silbergrauen Wolfes hervor. "Ach, das Ding hast Du auch noch? Was meinst Du wohl, was Hikari zu Deinem Stoffteddy sagen würde?" "Sie ist ein Wolf", zischte Mamoru mit roten Wangen, "und kein Teddy. Und ihr Name ist Ôkami-haha, das hab ich Dir schon oft genug gesagt." "Wie auch immer", bemerkte Motoki beiläufig, "Hikari wird schreiend davonlaufen, wenn sie das hier sieht. Oder Schlimmeres. Wieso spielst Du eigentlich immer noch damit?" "Tu ich gar nicht", antwortete Mamoru trotzig, "und jetzt lass sie in Ruhe." Genau das tat Motoki nicht. Er stellte Ôkami-haha vor sich auf das Bett, verneigte sich leicht und sagte dann: "Hallo, Hikari! Falls Du mich noch nicht bemerkt haben solltest: ich bin Mamoru. ...Wie? Du hast mich tatsächlich noch nicht bemerkt? ...ja, Du hast Recht! Ich bin ein Blödmann! Aber ich bin blöd vor Liebe zu Dir!" "Ach, lass doch endlich den Scheiß!", wurde er vom echten Mamoru unterbrochen. Doch daran störte er sich nicht und machte vergnügt weiter. Er bewegte Ôkami-hahas Kopf und sagte in verstellter, für ihn doch etwas zu hoch gewählter Stimme: "Ja, Du bist blöde! Aber ich liebe Dich dafür! Und ich liebe Deine Pickel!" Dann wieder in normaler Stimmlage: "Oh, vielen Dank! Ich liebe Dich auch, Hikari! Mehr als mein eigenes Leben!" Wieder in der hohen Stimme: "Küss mich!" Mit schmatzenden Lauten hob er den alten Wolf mit dem schon etwas zerfledderten Fell an die gespitzten Lippen. Im letzten Augenblick konnte Mamoru sein geliebtes Stofftier noch abfangen und aus Motokis Händen reißen. "Mann, Du bist so ein Psycho! Echt! Lass doch diese verdammte Scheiße!", schimpfte Mamoru und drückte den Wolf an seine Brust. Er streichelte ihr sanft über den Kopf während er sich wieder in seinen Sessel setzte. Ôkami-haha war ein Geschenk seiner Eltern gewesen. Genauer gesagt: Sie war das letzte, was er von ihnen bekommen hatte, bevor sie starben. Er hatte vielleicht seine Erinnerung an sie verloren. Aber zwei Dinge von ihnen besaß er noch, die ihm wichtiger waren als alles andere: sein Stoffwolf und den Ehering, den seine Mutter getragen hatte. Diesen Ring trug er immer an einer Halskette bei sich. Jedes mal brach ein neuer Streit vom Zaun, wenn er im Sportunterricht seinen Schmuck ablegen musste. Er wollte keine Sekunde von diesem wertvollen Erbstück getrennt sein, aber leider ging es nicht anders. Genauso verhielt es sich auch mit Ôkami-haha: Ohne sie an seiner Seite konnte er nachts nicht einschlafen. Er brauchte sie. Und den Ring. Motoki beobachtete seinen besten Freund, wie dieser schweigend und todunglücklich im Sessel saß und einen alten Stoffwolf kraulte. Und in ihm stieg das bittere Gefühl der Reue auf. "Mamoru?", fragte er nach einer Weile, als immer noch nichts geschehen war. "Mamoru? Komm schon, rede mit mir. Ich hab's nicht böse gemeint, ehrlich!" Keine Reaktion. "Mamoru, ich wollte Deine Gefühle nicht verletzen, wirklich!" Stille. "Es tut mir Leid. Ja, es tut mir wirklich Leid. ...Mamoru?", fragte er kleinlaut. "Ist schon Okay", flüsterte dieser endlich. "Lass es nur in Zukunft bleiben, in Ordnung? Ôkami-haha ist für mich einfach sehr, sehr wichtig. Verstehst Du?" Motoki nickte verständnisvoll. "Es hat eben jeder so seine eigene Macke, ich bin auch nicht perfekt", sagte der Blonde leise. Dann warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. "Es ist schon spät", erklärte er, "ich muss jetzt nach Hause. Wir sehen uns morgen, ja?" Mamoru nickte leicht. Dann war Motoki auch schon verschwunden. Nur eine Minute später klopfte es an seiner Tür. , dachte Mamoru schlecht gelaunt. Es klopfte erneut. "Mamoru?" Die Stimme seiner Tante drang dumpf durch das Holz der Tür. "Was ist denn?", knurrte er. Endlich betrat Kioku das Zimmer. "Was ist passiert, Kurzer? Hast Du Dich mit Motoki gestritten? Er ist so urplötzlich verschwunden!" "Es is spät, er muss heim", murmelte Mamoru. "Und dabei war es doch so ein schöner Abend", seufzte seine Tante und setzte sich auf Mamorus Bett. "Möchtest Du mit mir reden?" Mamoru schüttelte den Kopf. "Sicher?" Kopfnicken. "Wer ist Hikari?" Mamoru starrte sie böse an. "Du hast gelauscht", stellte er fest. "Gelauscht ist zuviel gesagt", druckste seine Tante herum, "sagen wir, dieses Haus besteht aus dünnen Wänden. Die Welt da draußen ist gemein, groß und gefährlich. Besonders dann, wenn man ein Geheimnis hütet. Also? Wer ist Hikari?" "Sie ist in meiner Klasse", antwortete Mamoru leise. Sein Groll gegen Kioku war schon wieder verflogen. Was blieb war ein Gefühl der Enttäuschung. Mamoru war von Motokis Verhalten niedergeschlagen. Und er wusste noch nicht mal genau zu sagen, warum. Seit Jahren schon war er an Motokis Späße gewöhnt. Auch an die Tatsache, dass er es des öfteren übertrieb. Aber heute... Mamoru war sehr empfindlich, was Kritik betraf. Weder mochte er es, wenn ständig an ihm genörgelt wurde, noch konnte er es leiden, wenn jemand respektlos mit seinem geliebten Wolf umging. Noch immer streichelte er über Ôkami-hahas Kopf. "Und Du liebst sie?", fragte Kioku, und ihre sonst so spitzbübische Art wich einem ehrlichen, warmen Lächeln. "Was interessiert Dich das?" Mamoru wollte es erbost fauchen, doch er brachte es nicht übers Herz, so mit seiner Tante zu reden, die er eigentlich doch so sehr liebte. Stattdessen klang es eher jämmerlich und gleichgültig. Kioku seufzte, doch das Lächeln wich nicht von ihren Lippen. "Komm her, mein Junge", bot sie an und klopfte neben sich auf die Bettdecke. Einen kurzen Moment zögerte er noch, dann stand er doch auf und setzte sich, immer noch Ôkami-haha in seinem Arm, neben seine Tante auf das Bett und ließ sich von ihr umarmen. "Was ist los mit mir?", fragte er seine Tante bedrückt. Er war völlig verwirrt. Er stand irgendwo zwischen tiefer Verzweiflung, Zorn und Trauer. Und er konnte sich nicht erklären, warum. Kioku fuhr ihm über den Rücken, während sie antwortete: "Das ist normal in Deinem Alter, Kurzer. Du bist jetzt irgendwas Undefinierbares zwischen einem Kind und einem jungen Mann. Dein Körper verändert sich, Du wirst erwachsener, und auch Dein Verstand entwickelt sich jetzt rasend schnell weiter. In dem ganzen Chaos ist es völlig normal, dass die Gefühle verrückt spielen. Und wenn dann noch die passenden ...oder eher: unpassenden... Hormone ins Spiel kommen, ist erst mal heilloses Durcheinander angesagt. Mach Dir nichts draus, mein Kleiner. Da mussten wir alle durch. Du tust mir so Leid." Ihre Worte hatten etwas stark Beruhigendes auf Mamoru. Dieser Trost gab ihm die Kraft zurück, seine Tante anzulächeln. "Geht doch", meinte sie zufrieden. Sie drückte Mamoru ein kleines Küsschen auf die Wange und stand auf. "Ich denke, ich lasse Dich nun lieber wieder allein. Wenn irgendwas ist, ich bin immer für Dich da, Okay?" "Okay", antwortete er. "Ach, da wäre noch eine Sache", meinte seine Tante, während das schelmische Grinsen wieder in ihr Gesicht trat. Mamoru ahnte das Schlimmste: "Nämlich?" "Du solltest wirklich etwas gegen Deine Pickel tun." Damit verließ sie das Zimmer und ließ einen völlig perplex dreinblickenden Mamoru zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)