Liebe, Leid und Leben von theDraco (Mamorus Jugend) ================================================================================ Kapitel 3: ----------- "Ach, hier bist Du! Ich hab Dich schon überall gesucht!", meinte Motoki, als er angestapft kam. Mamoru machte sich nicht mal die Mühe, ihn anzusehen. Er blickte gedankenverloren den Schnee an, der stetig vom Himmel fiel. Sein Körper zitterte jämmerlich, doch er gab sich Mühe, es zu ignorieren. Motoki störte es wenig, keine Antwort zu bekommen, dazu kannte er Mamoru schon zu lange. Mit einem leichten Schulterzucken ließ er sich neben Mamoru auf der Bank nieder, platzierte sein Lunchpaket auf seinem Schoß und begann, es auszupacken. Noch immer reagierte Mamoru nicht. Nicht mal, als Motoki mit seiner Hand vor Mamorus Gesicht rumfuchtelte. Ein weiteres Schulterzucken später biss er herzhaft in sein Reisbällchen hinein. Dann wurde die Stille von einem lauten Knurren durchbrochen. "Mensch, Mamo! Dasch klingt ja, alsch hättescht Du einen Schäbeltschantiger verschluckt", nuschelte Motoki mit vollen Backen. "Vergiss es", brummelte Mamoru. Motoki reichte ihm eines seiner Reisbällchen hin und lächelte verständnisvoll. "Ich sagte: Vergiss es! Ich will ni..." Ein weiteres lautes Knurren. Kurzes Zögern. Dann packte Mamoru doch zu und ließ es sich schmecken. Motoki saß daneben und sah vergnügt zu. Sosehr er Mamoru auch manchmal mit seinem Sarkasmus auf die Nerven ging, die beiden waren und blieben immer die besten Freunde. Motoki schien immer genau zu wissen, was mit Mamoru los war. Und umgekehrt. "Was tust Du eigentlich hier draußen?", fragte Motoki nach einer Weile des Schweigens. "Wusstest Du das nicht? Ich bin ein verzauberter Wetterfrosch. Immer, wenn es schneit, zieht es mich nach draußen. Und dann warte ich auf meine Schneeprinzessin, die mich küsst und in einen mächtigen Hexer verwandelt. Oder was dachtest Du?", meinte Mamoru sarkastisch. "Ach, und ich hab Dich immer für Schneewittchen gehalten", lachte Motoki. "Schnee... -wittchen? Schnee? Du verstehst?" Eins zu null für den Blonden. "Und jetzt mal raus mit der Sprache: was tust Du hier? Ich weiß doch genau, dass Du die Kälte mehr als alles hasst", sagte Motoki daraufhin ernst. Als Mamoru keine Antwort gab, knuffte ihn Motoki in die Seite und fragte: "Suchst Du etwa nach Hikari?" "Bitte?", fuhr ihn Mamoru an, "bist Du geisteskrank? Ich hab nicht das geringste Interesse daran, mich noch mal mit Chikara anzulegen. Der wischt den Boden mit mir auf!" Motoki sah an seinem besten Freund herunter. "Stimmt. Deine Muskeln sind mehr als dürftig. Tu was dagegen!" Er wollte den Schwarzhaarigen nur aufziehen. Motoki wusste genau, dass Mamoru schon seit langem im Karate war, und dass er, Motoki, haushoch unterlegen war. Ihm war aber außerdem bekannt, dass Chikara regelmäßig im Fitnessstudio war und sogar gleich mehrere Kampfsportarten beherrschte. Dagegen war Mamoru nur ein armes Waisenkind. ...Ok, das war er sowieso. "Lieber keine Muskeln als eine so hässliche Fresse wie Deine", funkelte Mamoru seinen Freund an. Eins zu eins Gleichstand. "Lieber eine hässliche Fresse, als das Pech, Chikara zum Feind zu haben", antwortete Motoki. Zwei zu eins. "Ich hasse Dich, Furuhata", brummelte Mamoru. Darauf hielt Motoki ihm ein weiteres Reisbällchen unter die Nase. "Da! Trostpreis." Wiederwillig nahm Mamoru das Geschenk entgegen und biss hinein. "Beeil Dich", meinte Motoki mit einem Blick auf seine Armbanduhr, "wir müssen gleich wieder rein. Was haben wir eigentlich als nächstes?" Mamoru verdrehte wieder die Augen, als er antwortete: "Musik." Er hasste dieses Fach über alle Maßen. Er war ein "musikalischer Analphabet", wie er sich selbst gerne bezeichnete. Er hatte es irgendwie geschafft, sich erfolgreich jedwedem musikalischen Lernstoff zu entziehen. Nicht mal die Noten konnte er lesen, und das war schon Stoff der Grundschule gewesen. Musik war pures Auswendiglernen - Mamoru sah darin weder eine Logik, noch die Möglichkeit zur eigenen Kreativität. Er konnte zwar richtig gut singen, aber das hatte dummerweise nichts mit Beethoven zu tun. "Sei wacker, mein getreuer Kampfgefährte", lachte Motoki, "selbst so unmusikalische Nachttöpfe wie Du können sich dem grausamen Schicksal nicht entziehen." Mit ganzer Kraft schlug Herr Arashi, der Musiklehrer, auf den Deckel seines Klaviers. Eigentlich wollte er auf diese Art und Weise für Ruhe sorgen, aber das störte so ziemlich gar keinen. Erst, als seine imposante Bassstimme den Raum erfüllte, die da brüllte: "HE! Leute! Es reicht, nu kommen Sie endlich zur Ruhe!", breitete sich ein Schweigen über die Schüler. "Na, das wurde aber auch Zeit, wurde es das. So, willkommen zu meinem Unterricht. Mit stolz geschwelgter Brust darf ich ankündigen, dass Suiren Chishiki sich freiwillig gemeldet hat, uns heute ein Referat über Beethoven zu halten. Chishiki? Darf ich bitten?" Suiren, die Klassenbeste, suchte in Windeseile ihre Utensilien zusammen, während sich Herr Arashi gemütlich auf den Weg in den hinteren Teil des Raumes machte, um sich dort an einem freien Tisch niederzulassen und seine Notizblätter auszubreiten. Selbstverständlich wählte er den einen bewussten Tisch hinter dem von Mamoru und Motoki. Diese Handlung hatte einen präservativen Hintergrund; war doch längst bekannt, dass die beiden des Öfteren nur Blödsinn im Schädel hatten. So konnte Herr Arashi sie besser im Auge behalten, was den beiden pubertierenden Jugendlichen selbstredend so gar nicht behagte. Suiren war inzwischen bereit. Sie hatte ein doch relativ dickes Päckchen von Karteikarten in der Hand, von dem sie im Zweifelsfalle Daten und Fakten ablesen konnte. Was sie natürlich, wie schon so oft, kaum nötig hatte. Unter Zuhilfenahme von Folien und dem Projektor hielt sie ihren Vortrag über Beethoven, seine Biographie und seine bedeutendsten Werke. Obwohl Suiren berühmt war für ihre übersichtlichen und ausführlichen Handouts, forderte Herr Arashi dennoch eigenständiges Mitschreiben wichtiger Information. Zur Übung, wie er es begründete. So erfuhren die Schüler, dass Beethoven mit vollem Namen "Ludwig van Beethoven" hieß, am 17.12.1770 in einer deutschen Stadt namens "Bonn" getauft wurde, und am 26.3.1827 im österreichischen "Wien" starb. Er war kurzzeitig Mozarts Schüler, bildete sich aber später auch bei Haydn, Schenk und anderen Komponisten weiter, um dann 1795 in Wien mit eigenen Werken aufzutreten. Sein Gehörleiden setzte 1795 ein und 1818 war er völlig taub. Von diesen Fakten abgesehen notierte man sich noch dies und das, dazu noch die Namen einiger seiner berühmtesten Werke, und nach ungefähr einer Viertelstunde wurde Suirens Vortrag mit Beifall quittiert. Mit einem Seufzer sammelte Herr Arashi seine Notizen zusammen, ging wieder nach vorne zu seinem geliebten Klavier, dass er gerne zum Pult umfunktionierte, als sich Shôgai meldete. "Ja, Yorokobi? Ist das ne Frage zum Referat?", fragte Herr Arashi. "Nein, eigentlich nicht", meinte Shôgai Yorokobi leicht verlegen, "darf ich mal für kleine Musiker?" "Ja, verpissen Sie sich", entgegnete Herr Arashi. Mit breitem Grinsen auf den Lippen und von lautem Gelächter begleitet trabte Shôgai davon. Daraufhin meldete sich Odayaka Suimin, der Klassenclown, zu Wort: "Herr Arashi?" "Sagen Sie jetzt bitte nicht, Sie wollen das selbe fragen", brummte der Musiklehrer. "Nein", wiedersprach Odayaka, "nicht das selbe. Sondern das gleiche." Der beliebte Runninggag von Odayaka. Um das selbe sagen zu können, müsste er schon Shôgai persönlich sein. Er konnte höchstens das gleiche sagen, also den gleichen Wortlaut verwenden. Die meisten Menschen störten sich nicht an diesem Unterschied und nutzten diese beiden Worte als Synonyme für einander. Und genau diese schlechte Angewohnheit bot den perfekten Angriffspunkt für Odayaka. Augenrollend machte Herr Arashi eine Handbewegung zur Tür hin und entließ den Komiker damit. Als nächstes gaben die Schüler ein Feedback für Suirens Vortrag, während ihr Handout ausgeteilt wurde. Wie man es schon von ihr gewohnt war, gab es nur sehr wenige Punkte am Referat zu bemängeln, der größte Teil des Feedbacks bestand aus positiver Kritik. "Man kann sich das gar nicht vorstellen", meinte Herr Arashi gerade, "dass er tatsächlich in der Lage war, Lieder zu schreiben ohne dabei etwas zu hören! Beethoven war Jahre lang, gar Jahrzehnte lang gehörlos. Er hatte die phänomenale Fähigkeit, sich die Lieder vorzustellen, deren Noten er aufschrieb. Und das hat dann sogar richtig gut geklungen. Ich hab passend dazu etwas vorbereitet." Während er zur HiFi-Anlage ging, um seine Hörspielkassette einzulegen, kamen gerade Shôgai und Odayaka vom Klo zurück und setzten sich rasch auf ihre Plätze. Anfängliche technische Schwierigkeiten zögerten das Musikvergnügen leicht heraus, was die Klasse dazu nötigte, in Gespräche und Gemurmel zu verfallen. Was sich auch dann nicht legte, als endlich Beethovens ach so wundervolle Musik aus den Boxen der Anlage tönte. Herr Arashi bemühte sich vergebens um Ruhe. Als es ihm dann doch zu bunt wurde, brüllte er laut in die Klasse: "Mann! Immer redet einer während meinem Vorspiel! Ich kann das nicht leiden, ich steh auf Vorspiele!" Nach kurzem Gelächter beruhigte sich die versammelte Mannschaft schnell wieder. Musik erklang, eine sanfte Atmosphäre entstand, und gelangweilt gähnte Mamoru, als er Odayaka und Shôgai beim Kartenspielen zuschaute. Shôgai schien zu gewinnen. Mamoru kannte das Spiel nicht, aber es sah hoch kompliziert aus. Das Musikstück dauerte nur wenige Minuten an, wurde dann allmählich von Herrn Arashi leiser gedreht und dann endgültig aus gemacht. "Was treiben Sie beide eigentlich da?", fragte er Shôgai und Odayaka. "Kartenspielen. Sieht man doch", war Odayakas Antwort. "Und wie kommen Sie dazu, das in meinem Unterricht zu tun? Noch dazu in meinem persönlichen Lieblingsvorspiel???", bohrte der Lehrer weiter. "Na ja", erklärte Shôgai geduldig, während er auf die HiFi-Anlage wies, "das da ist doch immerhin eine Hörspielkassette. Also eine Kassette, bei der man gleichzeitig hören und spielen kann." "Wissen Sie was?", meinte Herr Arashi in drohendem Unterton, "machen Sie so weiter, und Sie dürfen schauen, ob die Tür von außen auch weiß ist!" Von Neuem brach allgemeine Heiterkeit aus. Herr Arashi wartete mehr oder weniger geduldig einige Augenblicke ab, damit wieder Ruhe einkehren konnte. "Also", so fuhr er endlich mit dem Unterrichtsstoff fort, "man merkt klar und deutlich, dass Beethoven schlicht und ergreifend ein atemberaubendes Genie war. Es ist mehr als nur unglaublich, wie Beethoven taub komponierte..." "...und Sie ohne jegliches Wissen Musik unterrichten...", wurde er von Motoki unterbrochen. "Na, wundertoll", seufzte Herr Arashi, "noch so'n Komiker." Mit einem Schulterzucken ließ er es aber dabei beruhen. In seinen knapp 25 Jahren Dienstzeit als Lehrer war er schon so einiges gewohnt. "Jedenfalls", so nahm Herr Arashi die Thematik von vorhin wieder auf, "ist Beethovens Musik nicht nur für die wunderbare Vielfältigkeit bekannt, berühmt und begehrt, sondern auch das harmonische Zusammenspiel der Instrumente passte haargenau zusammen. Ist einer von Ihnen besonders musikalisch veranlagt? Chiba?" "Hä? Was?", fragte Mamoru, aus seinen schönen Tagträumen hochgeschreckt. "Was spielen Sie?", fragte Herr Arashi. Darauf Mamorus Antwort: "Fußball!" Hosted by Animexx e.V. 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