Long, long ago... von SoraNoRyu (YamiXYugi) ================================================================================ Release ------- ~~~**~~~**~~~**~~~**~~~**~~~**~~~**~~~**~~~**~~~**~~~**~~~~ Long long ago 4 - Release Wie oft sich Yugi jeden Tag mit mir beschäftigte konnte ich nicht genau sagen. Es war unterschiedlich, mal puzzelte er länger, an manchen Tagen gar nicht. Manchmal nutzte er mich als eine Art Ablenkung, um nicht mehr an seine Zahlreichen Verletzungen denken zu müssen. Manchmal puzzelte er tagelang nicht, weil er zu beschäftigt war, und einmal blieb er eine ganze Woche lang weg. Am vorherigen Tag hatte er von so etwas wie einem "Schullandheim" erzählt, und dass er furchtbare Angst hatte, dorthin zu gehen. Er sagte auch, er hätte mich gerne mitgenommen, doch würde mich ihm vermutlich jemand stehlen. So verbrachte ich die ganze Zeit einsam in seinem Zimmer. Nun, eigentlich konnte man von einem Gegenstand nicht behaupten, er sei einsam, zumal es eine Menge toter Gegenstände in Yugis Zimmer gab. Allein die Menge an verschiedenen Kuscheltieren war beträchtlich. Man konnte auch nicht behaupten, diese Gegenstände seien Seelenlos. Jeder Gegenstand, eigentlich alles, besitzt eine Seele. Doch konnte ich mich nie mit diesen Seelen in Verbindung setzen. Jede Seele ist anders, und es gibt verschiedene Arten von Seelen. Die meisten Seelen, die in Gegenständen leben, sind sehr einfach geschaffen. Sie bestehen aus einem einfachen Geflecht an Energie, welche durch den Gegenstand strömt. Man kann die Gleichmäßige Bewegung spüren, doch diese Art Seele hat kein Eigenleben. Eine Andere Art Seele kann sich daraus entwickeln, wenn ein Gegenstand sehr geliebt wird. In diesem Falle überträgt sich ein Teil der Seele eines Lebewesens auf die des Gegenstandes, und haucht dieser damit ein wenig Leben ein. Man spürt die Energie in einem anderen, ungleichmäßigeren Rhythmus fließen. Wenn ich mich auf Yugis Kuscheltiere konzentriere, kann so etwas wie leise Stimmen hören, die miteinander tuscheln und über etwas kichern. Ich habe versucht, mich mit ihnen zu verständigen, doch es ist mir noch nicht einmal gelungen, ihre Sprache zu verstehen. Die dritte Art Seele ist die, die in Menschen und Tieren lebt. Ich kann ihren Rhythmus verstehen, ebenso ihre Sprache. Mit Tieren hatte ich leider kaum Kontakt, und Menschen nehmen die Sprache der Seelen nicht wahr, da sie über eine verbale Sprache verfügen. So blieb mir nichts weiter übrig, als auf Yugi zu warten. Und jetzt, da ich wusste, wie es sich anfühlt, nicht mehr allein zu sein, vermisse ich ihn. Ich war im Grunde bereits seit fast drei Jahrtausenden einsam, doch bisher war es mir nie wirklich bewusst. Wenn man ein ganzes Leben lang in tiefer, eintöniger Dunkelheit verbringt nimmt man es mit einer gewissen Gleichgültigkeit hin, denn man kennt es nicht anders. Sobald man jedoch einen kleinen Lichtschein entdeckt, kann man diesen nicht mehr ignorieren, bis man irgendwann beginnt, sich darauf zuzubewegen. Und wenn man erst einmal damit anfängt, kann man auch nicht mehr damit aufhören, man will dem Licht immer näher kommen, es erreichen. Was einstmals als der einzig präsente Zustand galt, stellt sich nun als nur eine Möglichkeit heraus, neben der noch eine andere existiert, von der man bisher noch nichts wusste. Als Yugi zurückkam, wäre ich am liebsten aufgesprungen und ihm um den Hals gefallen, doch natürlich bewegte sich mein "Körper" keinen Millimeter. Yugi sah einfach grauenhaft aus... Seine Augen waren verquollen und gerötet, eines davon halb geschlossen und übel blau und violett verfärbt. Sein ganzes Gesicht war nass, die salzigen Tränen rannen über zahlreiche Kratzer und Verletzungen. Seine Haare waren zerzaust und seine Kleidung zerrissen. Er schmiss sich unter lautem schluchzen auf sein Bett und blieb dort weinend liegen, bis sein Großvater mit einer Tasse Kakao hochkam und ihn tröstete. Wie gerne hätte ich in der Zeit, in der Yugi alleine auf dem Bett lag, die Möglichkeit gehabt, ihn zu trösten. Nie zuvor hatte ich mir so sehr gewünscht, neben ihm auf dem Bett sitzen und ihm über den Rücken streicheln zu können. Ihn in den Arm zu nehmen und tröstend auf ihn einzureden. Bei ihm sein zu dürfen, ihm Mut zuzusprechen. Und sei es nur für diese Nacht. Als Yugi sich wieder einigermaßen beruhigt hatte setzte er sich an seinen Schreibtisch und nahm meine Truhe in die Hand. Sein Großvater hatte ihm geraten, sich ein wenig abzulenken, und genau das tat er auch. Ich versuchte mir einzureden, dass ich somit doch etwas für ihn tun konnte, aber viel war es nicht. Yugi nahm einige der Puzzelteile heraus, und ich konnte die weiche Haut seine Hände deutlich spüren, ebenso deren Zittern. Ein paar salzige tropfen landeten auf dem Gold, liefen darüber um schließlich weiter herunter auf den Schreibtisch zu perlen. Es tat weh, ihn so zu sehen... Und noch mehr tat es weh, dass ich ihm nicht helfen konnte. Nachdem Yugi eine Weile schweigend gearbeitet hatte, begann er zu erzählen. Dass die Lehrer nicht eingesehen hatten, warum er nicht hatte mitkommen wollen. Dass die anderen Schülen ihn die ganze Woche lang drangsaliert und geschlagen hatten. Dass sie seine Kleidung zerrissen und ihn bedroht hatten. Dass sie ihn bei allen Ausflügen vom Weg und in den Dreck geworfen hatten. Dass sie ihn bei den Lehrern schlechtgemacht hatten. Dass er jede Nacht kaum schlaf gefunden hatte. Dass er sich manchmal panisch im Bad eingesperrt hatte, um ihnen zu entgehen. Und dass sie ihn bei der Rückfahrt beinahe vergessen hätten. Und ich konnte nichts weiter tun als ihm zuzuhören. Ich weiß, es ist gut, sich aussprechen zu können, doch ich hätte ihn gerne irgendwie wissen lassen, dass ich ihm zuhöre. Er kam gut voran, das puzzeln schien ihm an diesem Tag um einiges leichter von der Hand zu gehen, es war mir schon öfter aufgefallen, dass er schneller vorankam, je mehr ich mir wünschte, mich bemerkbar machen zu können. Es stellte sich heraus, dass dieser Schullandheimaufenthalt eine Art Abschlussfahrt gewesen war, denn in den nachfolgenden Ferien, wie Yugi es nannte, musste er sehr viel lernen, um sich auf irgendwelche Prüfungen vorzubereiten. Wenn er nicht gerade lernte, kam ein Mädchen vorbei. Sie war offensichtlich eine gute Freundin von ihm, ihr Name war Anzu. Ich merkte schnell, dass Yugi sie nicht nur mochte, sondern etwas in sie verliebt war. Ich wusste nicht wieso, aber diese Tatsache machte mich rasend. Ich wusste es war Unsinn, und das ist es noch immer. Ich war nur ein körperloser Geist, und sie ein Mensch. Außerdem war und ist sie durchaus hübsch. Vielleicht war gerade dass der Grund, weshalb ein Teil von mir sie nicht leiden konnte, während der andere genau wusste, dass es unfair ihr gegenüber war. Außerdem war sie wohl die Einzige, außer Yugis Großvater, von der er ausschließlich gutes berichtete. Als die Ferien zu Ende waren, schien es weiterzugehen wie bisher. Yugi ging zwar, soweit ich das mitbekommen hatte, auf eine andere Schule, aber seine Mitschüler machten sich noch immer über in lustig. Nachdem er ein paar Wochen dort war, nahm er mich sogar einmal dorthin mit. Vom Inneren seines Rucksacks aus konnte ich das Geschehen kaum verfolgen, denn der Stoff versperrte mir die Sicht, wie es die Truhe seltsamerweise nie getan hatte. Doch hören konnte ich alles. Der "Unterricht" verlief eher Ereignislos und langweilig, es war also genau das, was ich in meinem bisherigen Dasein gewohnt war. Irgend ein Mensch der seinen Monolog hielt, und niemand, der ihm zuhörte. Das ging in etwa ein paar Stunden, dann hörte ich eine Glocke und mehrere Leute, die Pause riefen. Die meisten Schüler strömten aus dem Raum, aber Yugi blieb sitzen, obwohl ihn jemand noch aufforderte mit "Basketball" zu spielen. Ich wusste nicht was das war, auch wenn allein das Wort "spielen" ein gewisses Interesse in mir weckte. Yugi jedoch lehnte ab und blieb alleine im Klassenraum zurück. Als er sich sicher war, dass niemand mehr da war, holte er mich aus dem Rucksack und ich bekam ein klares Bild von meiner Umgebung. Ich bemerkte auch zwei größere Jungen, die sich ihm unbemerkt näherten, doch ich konnte Yugi nicht warnen. Einer von ihnen, den ich später als Honda kennen sollte, schnappte Yugi die Truhe aus der Hand und riss mich damit in die Höhe. Er spottete darüber, das Yugi Selbstgespräche führte, und hielt mich weiter hoch, damit dieser mich nicht erreichen konnte. Als der Kleine anfing, an ihm Hochzuspringen, warf er mich einfach und gegen jeden Protest seinem Freund zu, den er Jonouchi nannte. Es war mehr als unangenehm, so durch die Luft geworfen zu werden. Meine Einzelteile flogen wirr durcheinander, und das Bild meiner Umgebung, das sonst aus dem "Blickfeld" der Teile zu einem Ganzen verschmolz, löste sich in mehrere kleine Bilder, die durcheinanderwirbelten wie in einem Kaleidoskop. Jonouchi warf mich einfach weiter auf und ab, was auch nicht sehr angenehm war, und beleidigte Yugi einfach weiter. Er ging sogar so weit, die Truhe zu öffnen, und unbemerkt das Kernteil herauszunehmen. Ich hätte gute Lust gehabt, ihm die Meinung zu sagen, als er das Teil in seine Tasche steckte. Auch das war nicht wirklich nach meinem Geschmack, denn nun lag ein hundertstel meines Geistes zwischen Kaugummipapier in einer Tasche, während der Rest wieder durch die Luft flog. Diesmal jedoch wurde der Wurf abgefangen. Als mein Blickfeld wieder ordentlich wurde, erkannte ich Anzu, die die beiden Jungen gerade ordentlich zurecht wies. Erneut wurde mir klar, dass es keinen Grund gab, sie zu hassen. Schließlich war Anzu wirklich ein nettes Mädchen. Und sie hatte mich gerettet. Anzu stellte mich zurück auf Yugis Tisch und und leistete ihm dann etwas Gesellschaft. Sie redete mit ihm, woraufhin sich Yugis Laune wieder deutlich hob. Auch das war eine der Eigenschaften Yugis, die ich bewunderte. Es gab nicht viele Menschen, deren Gemüt so schnell umschlug, und ich liebte es, wenn Yugi so sehr aufblühte. In der Tat schien es Anzu geschafft zu haben, dass er wieder richtig fröhlich war. Und ich erwischte mich bei dem Wunsch, Yugi würde für mich so freundlich lächeln... Währenddessen liefen die beiden Jungen fluchend und schimpfend durch die Gänge. Jonouchis Tasche schien aus weniger dickem Stoff zu sein, denn ich konnte durch ihn hindurchsehen. Während die beiden sich noch über Anzu aufregten, liefen sie prompt in jemanden hinein, der noch mal gut und gerne zwei Köpfe größer war als sie. Dieser riesige Kerl schien es auf Streit anzulegen, jedenfalls wirkte er ziemlich unangenehm. Jonouchi währe wohl kopflos auf ihn losgegangen, doch Honda hielt ihn zurück. Offensichtlich kannte er den Koloss, und er fürchtete ihn. Dieser jedoch zog einfach wieder ab, auch wenn mir etwas sagte, dass das nur die übliche Ruhe vor dem Sturm war. Als die Luft wieder rein war, holte mich Jonouchi aus der Tasche, um seinen Triumph auszuspielen. Er warf mich einfach aus dem Fenster, offenbar erfreut darüber, Yugi doch noch fertig machen zu können, und lachte hämisch. Ein Teil meines Geistes schaffte es jedoch noch, eine Botschaft an sein Unterbewusstsein zu schicken. "Du machst einen Fehler, Jonouchi. Bist du sicher, dass das der richtige Weg ist?" Während ein Teil von mir sich gerade mit der Aussicht anfreundete, für ungewisse Zeit das Innere der Swimmingpools zu betrachten, bekamen die anderen neunundneunzig mit, dass auch Yugi dem Typen aus dem Flur begegnete. Uchio, wie Honda ihn genannt hatte. Er behauptete zwar, Yugi helfen zu wollen, doch ich traute ihm nicht. Dieser Kerl hatte eine unangenehme Ausstrahlung, die mich zusammenfahren ließ, und auch Yugi schien seine Anwesenheit unangenehm. An diesem Abend kam Yugi kaum voran mit der Arbeit, und schlief wie so oft auf seinem Schreibtisch ein. Entsprechend müde war er wohl auch am nächsten Tag in der Schule, doch diesmal hatte er mich nicht mehr mitgenommen. So wartete ich einerseits auf seine Rückkehr und andererseits auf jemanden, der mich aus dem Wasser holte. Zuerst einmal tat sich lange Zeit gar nichts, bis sich plötzlich die Wasseroberfläche des Pools bewegte. Jonouchi kam auf mich zugeschwommen. Er sah reichlich lädiert aus, als hätte ihn jemand zusammengeschlagen, aber er tauchte mich nach ein paar Fehlversuchen hoch und trug mich durch die Straßen. Ich kannte den genauen Weg nicht, aber ich hatte eine ungefähre Ahnung, wo er hinwollte. Währenddessen erzählte Yugi dem Rest von mir, dass Uchio ihn erpresste. Er hatte Jonouchi und Honda verprügelt, und erwartete dafür 200.000 Yen Bezahlung. Als Yugi ihm widersprochen hatte, dass er das nicht wollte, hatte er ihn auch verprügelt, und er drohte mit einem Messer, falls dieser nicht zahlen würde. Yugi war völlig aufgelöst, fühlte sich wohl auch schuldig für das was geschehen war. Ich konnte förmlich spüren, wie verzweifelt er war und was für eine Angst er hatte, Uchio am Tag darauf erneut zu begegnen. Trotz seiner Verzweiflung, oder gerade deswegen, kam Yugi gut voran. Ich feuerte ihn unbewusst an, wollte Uchio bestrafen für das, was er Yugi antat und ihn spüren lassen, was es hieß, sich mit mir anzulegen. Niemand sollte meinen Yugi ungestraft verletzen dürfen, nie wieder! Während Yugi weiter mit mir beschäftigt war, brachte Jonouchi das fehlende Teil zu dessen Großvater. Auch er erzählte von dem, was passiert ist, und die Wut in mir kochte noch weiter hoch. Yugi hatte das Puzzle inzwischen weitestgehend vervollständigt. Als er merkte, dass ein Teil ihm fehlte, sichte er panisch sein gesamtes Zimmer ab, bevor er traurig aufgab. Ich konnte die Verzweiflung in ihm spüren, ich wusste, dass es ihn nicht gerade aufbaute, dass das Puzzle, an dem er acht lange Jahre gearbeitet hatte, nicht vollendet werden konnte... Umso mehr spornte ich den alten Mann an, der mich gerade die Treppe hoch trug, er möge sich doch endlich etwas beeilen. Und selbst, als er das Zimmer bereits erreicht hatte, machte er es noch unnötig spannend. Gut, zumindest das musste ich ihm lassen, denn Yugi freute sich daraufhin wirklich, das Teil wiederzuhaben. Es machte mich irgendwie glücklich, dass Yugi sich so sehr freute mich zu sehen, auch wenn der Rational denkende Teil meines Geistes darauf beharrte, dass es ihm im Grunde nicht um mich persönlich ging. Ich konnte Yugis Herzschlag förmlich hören, als er das letzte Teil in das Puzzle einsetzte. Ich war ebenso aufgeregt wie er, denn aus irgendeinem Grund wussten wir beide, dass das, was nun kommen würde, alles ändern sollte. Kaum dass das Teil sich in die Pyramide einfügte, wurde ich von einem plötzlichen Energiestoß erfasst und aus dem Puzzle gerissen. Für einen Moment verlor ich das Bewusstsein, doch als ich die Augen aufschlug merkte ich, das sich etwas geändert hatte. ~~~**~~~**~~~**~~~**~~~**~~~**~~~**~~~**~~~**~~~**~~~**~~~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)