Abraxas von CriD (Die Sehnsucht in mir) ================================================================================ Kapitel 35: Ahnung ------------------ Ahnung Der Morgen des dritten Tages, seit die Beiden von Velcon auf den Weg geschickt wurden waren, zeigte sich trüb und neblig. Ein feiner Sprühregen ging vom Himmel hernieder und hatte ihre Kleidung schon wieder fast komplett durchdrungen. Dazu fegte ihnen ein eisiger Wind heulend um die Ohren. Yuuryon hatte die Arme um Abraxas geschlungen und schmiegte sich so dicht an ihn, wie es der Vampir gerade noch erlaubte. Trotzdem änderte es nichts daran, dass der junge Mann schon seit geraumer Zeit konstant zitterte. Abraxas trieb sein Pferd zur Eile an. Denn selbst der Vampir begann langsam zu frieren. Und wenn sogar er nicht mehr gegen die Kälte immun war, konnte es Yuuryon auf keinen Fall sein. Allzu schnell kamen sie aber trotzdem nicht voran, denn das Tier machte nur zaghafte, vorsichtige Schritte um nicht auf dem glitschigen Untergrund auszurutschen. Der Boden war aufgeweicht und matschig, so dass das schöne schwarze Fell, dreckig und klumpig an den Beinen herabhing. Abgeerntete Felder säumten links und rechts den Weg, auf welchem Abraxas entlang ritt, aber nirgendwo war auch nur ein Mensch zu sehen. Nur weit entfernt, konnte Abraxas eine Ansammlung von Seelen wahrnehmen. Worauf hatte er sich da nur eingelassen? Aber jetzt war es zu spät noch etwas daran zu ändern. Er konnte nur noch voranschreiten, immer weiter geradeaus, immerfort. Obwohl es ein Risiko in sich barg, gab Abraxas seinem Pferd die Sporen und ließ den Schwarzen nach vorne preschen. Dorthin, wo er die Lebenden gespürt hatte. Für eine Stadt, oder wenigstens ein Dorf waren es zu wenige, aber für einen kleinen Bauernhof konnte die Anzahl der Seelen durchaus genügen. Was es auch war, es versprach in jedem Fall gute Aussichten auf eine Möglichkeit sich vor dem Regen zu schützen. Beschlagene Pferdehufe donnerten über den morastigen Untergrund, Schlamm spritze nach oben und machte den Ritt zu einem waghalsigen, mörderischen Experiment. Aber dem Vampir war es egal. Ein seltsames Gefühl hatte von seinem Innersten Besitz ergriffen. Aus irgendeinem Grund konnte er es kaum erwarten, die kleine Seelenansammlung zu erreichen. Jede Minute, nein gar jede Sekunde, die er noch länger unnütz verstreichen ließ, erschien ihm sinnlos und verkehrt. Entsetzt krallte sich Yuuryon fester an Abraxas um nicht im rasenden Galopp vom Rücken des Pferdes geworfen zu werden. Er verstand nicht warum es der Vampir auf einmal so eilig hatte. Wie auch, wenn es Abraxas selbst nicht verstehen konnte. Eine innere Unruhe hatte ihn ergriffen, die es ihm nicht erlaubte inne zu halten. Kain interessierte es nicht, was Abraxas tat. Sowieso war er seit dem Vorfall mit Velcon sehr schweigsam geworden. Aber wenn Abraxas meinte, dass er so hetzten musste, bitteschön. An und für sich konnte es der Vampir ja nur beglückwünschen, wenn sich Abraxas außer Gefecht setzte, dann konnte Kain tun was er wollte. Und auf seiner Liste zu erledigender Tätigkeit stand der Tempelbesuch erst weit unten, ganz weit unten. Und mit jedem Schritt den die fliegenden Pferdebeine sie weiter vorantrugen, wurde Abraxas Erregung immer größer, während sich in Kain zunehmend ein ungutes Gefühl zu materialisieren begann. Und nicht nur in Kain. Auch Yuuryon kauerte sich immer mehr hinter Abraxas zusammen, machte sich kleiner und kleiner. In der Magengegend spürte er ein ungutes Ziehen, das langsam empor kroch und von seinem ganzen Körper Besitz ergreifen wollte. Nein, wo sie auch hin ritten, sie waren definitiv auf dem falschen Weg. Sie sollten nicht weiter gehen. Aber es war bereits zu spät. Vor ihnen lag eine kleine Anhöhe, die den Blick auf das dahinter Liegende versperrte, aber Abraxas trieb den Rappen unerbittlich nach oben. Das Pferde wieherte protestierend, setzte seinen Weg aber gehorsam fort. Auf dem Gipfel der Anhöhe brach der Weg plötzlich steil nach unten ab, so dass Abraxas sein Pferd scharf wenden musste, um nicht abzustürzen. Kleine Steinchen lösten sich aus der Wand und purzelten hinab in die Tiefe. Von unten her, wehte ein eisiger Luftzug, der kleine Schutzteilchen in die Höhe wirbelte und wieder zurück, hoch und runter, hin und her. Im taumelnden Spiel, losgelöst, traumhaft, schön und gefährlich. Fast gewaltsam musste sich Abraxas von dem Anblick losreißen und lenkte seinen Blick weiter nach vorne über die Ebene. Ihm stockte der Atem. Der Abgrund war vielleicht zehn Meter breit, zu weit um zu springen. Aber nicht weit von ihnen entfernt, führt eine schmale Brücke über den finsteren Schlund, aber das eigentlich erstaunliche, war das was sich dahinter auf der mit den Feldern überdeckten Ebene darbot. Hinter der Brücke schlängelte sich ein schmaler Weg entlang, der auf ein riesig schwarzes Monument zusteuerte. "Was ist das?",keuchte Yuuryon atemlos und versuchte vergeblich den Blick von den spitzen in einander verwobenen Zinnen, den vielen Türmchen und abertausend Verzierungen abzuwenden. Abraxas erging es ähnlich. "Das... wird der Tempel sein",meinte er fassungslos. "DAS?" Ja, so unglaublich es auch erschien. Das musste er sein. Schwarze Türme reckten sich der Sonne entgegen, auf deren Dächern Raben und andere schwarze Vögel sassen und sie misstrauisch beäugten. Ein riesiges Tor wurde links und rechts von schwarzen Marmorsäulen, die einen gewaltigen Bogen trugen, welcher mit den verschiedensten okkulten Zeichen versehen war. Nicht eines von diesen war Abraxas bekannt. Um die Zinnen herum schien die Luft dunkler und dichter zu sein. Ab und zu zuckten kleine blaue Blitze. Abraxas jagte ein kalter Schauder über den Rücken. "Das soll ein Tempel sein?",fragte Yuuryon zweifelnd. So etwas hatte er noch nicht gesehen. Abraxas nickte wenig überzeugt. "Ja, für irgendeinen verfluchten Dämonenfürsten, denke ich. Baphomet vielleicht, oder jemand anders." Yuuryon bemühte sich um ein krampfhaftes Lächeln, aber nicht ein mal das wolle ihm gelingen. Sein Innerstes fühlte sich wie ein einziger erstarrter Eisklumpen an, in dessen Mittelpunkt sich aber immer noch giftige Schlangen siedend heiß hin und her bewegten. Das war nicht mehr nur ein ungutes Gefühl, eine unbedeutende Ahnung. Es war Gewissheit, dass... "Abraxas! Wir sollten dort nicht reingehen. Wirklich nicht. Ich hab ein ganz schlechtes Gefühl!" Der Vampir stockte. Yuuryon hatte genau das wiederholt, was ihm Kain gerade mitgeteilt hatte. Aber absprechen konnten sie sich ja kaum. Skeptisch drehte er sich im Sattel halb zu Yuuryon herum und unterzog ihn einer langen, gründlichen Musterung. Aber es fanden sich nicht ein Mal Anzeichen eines Scherzes im Gesicht des Flussmenschen. Er meinte es bitter ernst. "Yuuryon", sprach Abraxas beschwörend seinen vollen Namen aus. "Das ist nur ein unheimlich aussehendes Gebäude. Du verlangst doch nicht allen Ernstes von mir, dass wir JETZT umkehren?" Der Dieb senkten betreten die Augen. Dabei fiel sein Blick auf den gähnenden, schwarzen Abgrund, an dem sie noch immer standen und der ihn veranlasste den Kopf schleunigst wieder zu heben. "Doch, Abraxas! Wahrscheinlich glaubst du mir nicht, aber wir Flussmenschen haben von Natur aus die Gabe die Schwingungen, dessen, was erst noch geschehen wird, aufzufangen und zu deuten." "Häh?" Yuuryon verdrehte genervt die Augen. "Mann, ich kann in die Zukunft sehen!" "Stimmt, dass glaube ich dir nicht ." Yuuryon traute seinen Ohren nicht, hörte er da etwa Spott? Dabei meinte er das doch vollkommen ernst. Abraxas glitt vom Pferd hinab, ergriff die Zügel und strich dem Schwarzen sanft über die Stirn. "Wenn du das wirklich könntest, hättest du doch niemals mein Pferd gestohlen. Oder willst du etwa sagen, du bist freiwillig bei mir?",fragte er siegessicher lächelnd. Yuuryon zuckte getroffen zusammen. Sein Blick schweifte unsicher zum Tempel hin - nein, er irrte sich nicht. Ruhig stieg er vom Rücken des Rappen, bereute es aber sofort, da er nun zu Abraxas aufsehen musste. Schon wollte sich Abraxas zum Gehen wenden, als Yuuryon nach seinem Mantel griff und ihm zaghaft festhielt. Irritiert blieb der Vampir stehen. Zwar hätte es ihm keinerlei Mühe bereitet, sich loszumachen, aber wenn Yuuryon sogar schon so weit ging, ihn zu berühren meinte er es am Ende doch ernst. "Und?",fragte er höhnisch. "Was erzählt dir deine Zukunft?" Yuuryon schluckte. "Das weiß ich leider nicht." Erbost fuhr Abraxas herum, ergriff Yuuryon am Kragen, wollte schon zum Schlag ausholen, zögerte aber im letzen Moment als er in Yuuryons Augen sah. Zwar zitterten sie leicht aus Furcht vor Abraxas, waren ansonsten aber vollkommen ernst. Sowieso deutete Yuuryons ganze Körperhaltung nicht mal Ansatzweise auf einen Scherz hin. Seine Arme hingen schlaff an der Seite, aber der Kopf war trotzig erhoben und starrte Abraxas provozierend an. "Du hast Recht",sagte er widerwillig "Ich kann es eigentlich nicht. Meine Fähigkeiten sind fast gar nicht ausgeprägt. Ich kann dir nicht - wie manche unter uns - erzählen, wie dein Leben verlaufen wird, was du alles erlebst, welchen Gefahren du trotzen musst und wann du letztendlich stirbst. Ich kann nicht mal vorhersagen wie das Wetter morgen sein wird. Ich verließ mein Volk, als sich herausstellte, dass ich die Gabe wohl niemals erlangen würde und ich die Schande nicht mehr ertragen konnte. Vor ein paar Jahren starb mein Vater - ich hatte nicht mal ein ungutes Gefühl, aber jetzt..." Yuuryon schüttelte entgeistert den Kopf, machte sich los und lief ein paar Schritte am Abgrund entlang, blieb stehen und drehte sich wieder zu Abraxas. Hinter ihm lag gähnend der schwarze Abgrund, welcher der hellen Gestalt einen geisterhaften, durchscheinenden Eindruck verlieh. "Wenn wir diesen Tempel betreten, wird es nicht mehr aufzuhalten sein",stellte Yuuryon nachdenklich fest. "Was?" Aber der Flussmensch antwortete nicht. Er wusste es nicht. Aber etwas würde geschehen und es würde ihnen nicht gefallen. Hilflos hob er die Schultern und richtete einen flehenden, letzten Blick an Abraxas. Aber schon bevor er die Bitte aussprach, wusste er bereits, dass es vergebens war. "Bitte, lass uns umkehren." Tatsächlich zögerte der Vampir. Ihm schien es als hätte er diese oder eine ähnliche Situation bereits erlebt und deswegen wusste er nun auch, wie es weiter ging. "Nein.",war die Antwort. Die selbe Antwort, die sich bereits einmal als Fehler entpuppt hatte. "Wegen einem dummen Gefühl kehre ich nicht um. Es ist nur ein Gebäude und schließlich wollen wir nicht lange dort bleiben!" Entschlossen griff Abraxas nach den Zügeln des Rappen und schritt an Yuuryon vorbei, auf die Brücke zu. Innerlich machte er sich schon auf eine weitere Diskussion mit dem Flussmenschen gefasst, aber diese blieb aus. Ohne ein weiteres Wort des Widerspruches, folgte Yuuryon dem Vampir. Zwar mit hängenden Schultern doch hatte sich in ein Gesicht ein Ausdruck geschlichen, der nur zu leicht zu einem 'Ich habe dich doch gewarnt'-Ausdruck werden konnte. Aber noch war es nicht so weit. Kain wagte es ebenfalls nicht zu widersprechen. Er spürte die Entschlossenheit Abraxas, wie eine erdrückende Decke über ihm, die ihm die Luft zum Atmen raubte und das Licht gänzlich außen ließ. Und doch - Yuuryon hatte recht und Abraxas sollte es wissen. Gerade er. Schon einmal wurde eine Ahnung als bloßes Hirngespinst abgetan. Damals war ein Mensch gestorben. Derjenigen, der für diesen Wahnwitz hier doch erst verantwortlich war. Schon erstaunlich, wie viel Macht die Toten doch noch besassen. Viel mehr als im Leben zuvor. Es dauerte nicht mehr lange bis die Beiden, den Tempel erreichten. Nun standen sie direkt im Schatten der wuchtigen Säulen und wurden neugierig von einigen Raben beäugt. Der Rappe schnaubte unruhig, so dass sich Abraxas genötigt sah das Pferd an einer der Säulen festzubinden, anstatt es wie sonst einfach laufen zu lassen. "Siehst du? Sogar das Tier spürt es!",bemerkte Yuuryon triumphierend. "Ich will keine Widerworte mehr hören!" Ohne auf den Flussmenschen weiter einzugehen, marschierte Abraxas zielsicher zwischen den Säulen entlang auf das gewaltige Tor zu. Die großen Schwingtüren waren verschlossen. Als Abraxas aber zaghaft dagegen drückte, schwangen sie fast wie von selbst auf und gaben den Blick auf das Innere des Tempels frei. Von außen hatte das Gebäude riesig gewirkt, aber jetzt hier in den ewig hohen Hallen, erschlug einen die Monstrosität des Tempels nahezu. Säulen aus schwarzen Marmor zogen sich in die Höhe und stützten mit ihren verworrenen Geflecht der oberen Ausläufe, die gewaltige Kuppel. Von der Kuppel herab hingen riesige, schwarze Kronleuchter, die tausende Kerzen beherbergten. Überhaupt war die ganze Halle mit schwarzen Kerzen ausgefüllt. Abertausende warfen ihr flackerndes Licht gegen die unheimlich spiegelnden Mauerwände und zogen die Schatten der Säulen ins Unermesslich. Mit dem Öffnen der Flügeltür, war ein eiskalter Luftzug mit in den Tempel hinein gekommen, der nun heulend unter der Decke entlang wirbelte, die Kerzen höher flammen ließ und an den schwarzen Vorhängen zog, welche die wenigen Fenster verdeckten. Schaudernd setzte Abraxas einen Fuß nach vorne und registrierte wie sich Yuuryon näher an ihn heran stahl. Hinter ihnen schlug knallend das Tor. Yuuryon schrie entsetzt auf. Fast zeitgleich spürte Abraxas die Aura einer fremden Person. Suchend schweifte sein Blick über die lange Halle und gewahrte dabei, dass der Saal bis auf die Kerzen und den gewaltigen Altar, der sich ganz am Ende erhob vollkommen leer war. Keine Bänke. Keine Heiligenbilder, kein Schriften oder ein Platz wo die Gläubigen milde Gaben spenden konnten. Aber welche Gläubigen denn? Nur vor dem einschüchternden Altar konnte er eine gebückte Gestalt erkennen, die sie im emsigen Gebet versunken nicht zu bemerken schien. Abraxas sah nur ihren Rücken. Trotzdem konnte er anhand ihrer schmalen, zarten Figur erkennen, dass es sich wohl um eine zierliche Frau handeln musste. Zögernd nickte er Yuuryon zu, ihm zu folgen und lief gefasst auf die Frau zu. Als er nurmehr einen Schritt von ihr entfernt war, bemerkte sie ihn endlich und wirbelte erschrocken herum, bekreuzigte sich - was in dieser Umgebung erschreckend unpassend erschien - und verneigte sich endlich vor Abraxas. "Seid gegrüßt Fremde. Ich heiße euch willkommen im Tempel von Nosch. Unser Priester ist zur Zeit leider auf Reisen, deswegen kann nur ich euch meine bescheidenen Fähigkeiten als Tempelnovize darbieten." Nosch? Kurz flackerte etwas hinter Abraxas Stirn, aber der Gedanke war so schnell verschwunden, wie er gekommen war. Neugierig musterte er das junge Mädchen, welches unbeholfen versuchte ihre Tempeltracht, die aus einer langen, schlicht dunkelbraunen Robe und einer unkleidsamen weißen Schärpe, welche etwas zu eng um die zierliche Taille geschlungen war, und kratzenden Armstulpen bestand, zu glätten, musste den hoffnungslosen Versuch aber bald aufgeben. Durch das lange Knien, welches sicher des Öfteren ausgeführt wurde, hatten sich tiefe Falten in den groben Stoff gegraben, die sich so einfach nicht wieder entfernen lassen würden. Das Mädchen war noch sehr jung. Vielleicht an die fünfzehn Winter, musste es bereits erlebt haben, aber mehr dann auch nicht. Die junge Tempeldienerin befand sich genau auf der Schwelle vom Kind zur Frau, zeichneten sich doch bereits sanfte Hügel und diverse Rundungen an den richtigen Stellen unter ihren unvorteilhaften Kleidung ab. Jetzt aber in dem Moment, da die großen braunen Augen nicht recht wussten, wohin sie sehen sollten und sie unsicher mit ihrer schwarzen Lockenpracht herumspielte, da erinnerte sie vielmehr an ein zu groß geratenes Kind. Irgendetwas in Abraxas bäumte sich auf und war vollkommen gefangen vom bezaubernden Anblick der jungen Schönheit, so dass es ihm nicht vergönnt war seinen Blick abzuwenden und er einfach immer weiter in ihr liebliches Gesicht schauen musste. Bevor das Schweigen aber wirklich unangenehm werden konnte, räusperte sich Yuuryon und nickte zum Altar hinauf. Der Zauber verflog und schon verstand Abraxas nicht mehr, was ihn eben noch so an dem Mädchen fasziniert hatte, war sie jetzt doch wieder nichts weiter als ein junges - zu junges Mädchen. Beherrscht wand er endlich seinen Blick ab und widmete sich dem, was Yuuryon entdeckt hatte. Das Mädchen atmete erleichtert aus. Ein riesiger Stein fiel ihr vom Herzen, als der geheimnisvolle Fremde endlich von ihr abließ. Neugierig und ein wenig schockiert zugleich, dass er sie nicht weiter beachtete beobachtete sie ihn verstohlen von der Seite. Markante Gesichtszüge und ein ernster aber sinnlicher Gesichtsausdruck und - blaue Haare? Welcher Mensch hatte den blaue Haare? Aber Mensch? War er denn? Der andere war auf alle Fälle nicht menschlicher Natur. Der mit den türkisschimmernden Haaren, die ganz von alleine zum Himmel hinauf standen und den merkwürdigen Streifen im Gesicht. Abraxas beachtete sie nicht weiter. Seine Aufmerksamkeit hatte sich vollkommen auf den Altar konzentriert oder besser gesagt auf das, was er sich in seinem Mittelpunkt befand. Der Altar war schwarz, wie alles andere hier im Saal, aber die darauf abgebildeten religiösen Szenen zeigten sich von filigranen Gold- und Silberlinien durchdrungen, die alle ihren Mittelpunkt in einem blutig rot funkelndem Edelstein fanden. Der Blutkristall... Draußen auf der Ebene, nahe am Abgrund stand hochaufgerichtet eine schwarze Gestalt, die Augen geschlossen, die Hände im stummen Gebet ineinander geschlagen. Immer wieder heulte der Wind auf, warf sich tobend gegen die schlanke Figur, bauschte ihren Mantel in die Höhe und ließ die weißen Haare, geisterhaft flattern. "Berühre ihn!",flüsterte sie leise. Immer wieder beschwörend, flehend. Tief versunken in das, was sich vor ihrem geistigen Auge abspielte, bemerkte sie nicht die zweite Person, die sie aufmerksam beobachtete. Etwas abseits auf einer Erhebung sass, die Beine überschlagen und die Hände nach hinten abgestützt, eine schimmernde Frauengestalt. Silber glänzende Haare, die das Sonnenlicht brachen und ein ewiges Licht, das sie von innen heraus strahlen lies. Mit ihren heiligen weißen Flügeln erschien sie wie das personifizierte Gegenstück zu der dunklen Gestalt dort unten nahe am Klippenrand. Ihr Oberkörper war leicht vornüber gebeugt, das schöne Gesicht ernst erstarrt. Ein Ausdruck höchster Konzentration hatte sich in die sonst so fröhlich blau-blitzenden Augen geschlichen. Aber die schwarze Gestalt bemerkte sie nicht. "Berühre ihn!",wisperte sie leise. "Dann bin ich frei." Wie in Trance hob Abraxas den Arm und wollte nach dem Stein greifen. "Hey! Das darfst du nicht!",rief das Mädchen empört und lief auf ihn zu. Abraxas streckte sich noch etwas höher. Yuuryons Magen krampfte sich zusammen. DAS war es! "A..." Zu spät. Seine Finger berührten den Stein nur sacht - für einen kurzen Moment durchflutete ihn heilige Wärme - so vertraut - Dann riss es ihn auseinander. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)