Die Revolution von fany10 ================================================================================ Kapitel 24: Frivolitäten ------------------------ Meine lieben treuen Leser (man stelle sich einen sentimentalen Unterton vor)! Die Geschichte ist jetzt ihrem –trotz 6 seitiger Vorarbeit meinerseits mal wieder lang erwarteten- 24. Kapitel am Ende angekommen. Jetzt bin ich traurig. Aber ich bin auch glücklich, dass ihr, obwohl ich mir zwischen den Kapiteln so wahnsinnig viel Zeit gelassen habe, dabei geblieben seid. Ein fettes Danke dafür, eine saftige Umarmung und ein Küsschen links und rechts, wie es Valentin getan hätte, wenn er kein Vampir der distanzierten Art geworden wäre. Zum Kapitel selbst lässt sich vorausschicken, dass ich es möglicherweise hätte verschlüsseln können/sollen. Aber nachdem ein paar Stimmen nach dem Adult Chap. aus „Alles fließt“ angemerkt haben, der Teil, der ja ohne explizit beschriebene Sexszenen (ich nehme an, eine gewisse Wortwahl war gemeint) ausgekommen war, hätte ruhig unverschlüsselt bleiben können...hab ich es diesmal so gemacht. <- hab die Kontrolle über meinen eigenen Satz verloren. Dabei hätte ich es gern allein deshalb verschlüsselt um zu sehen, wer denn die Geschichte noch bis zum Ende verfolgte –denn viele von ihnen hätten mich ja um das Kapitel bitten müssen, muahahaha. Aber ich Faultier habe euch immer so lang auf die Folter gespannt, da kann ich mich auf diesem Weg doch entschuldigen, dacht ich mir und tat’s ;). Was ich eigentlich sagen wollte war: es ist nicht drastisch (dieses Wort wird euch heut noch öfter begegnen) genug, um es zu verschlüsseln. Und da es das letzte Kapitel ist, ist es, wie man sehen kann, auch entsprechend umfangreich geworden. Jetzt bleibt mir nicht viel anderes übrig, als mir und euch zu wünschen, dass es ein würdiges Ende geworden ist! Hab mich jedenfalls ordentlich bemüht...jetzt werde ich mal echt sentimental. ;_; Das schreit förmlich nach einem kurzen und schmerzlosen Adieu. Also vielen, vielen Dank an euch alle und ein kleines Lebewohl! Stefanie ************************************************** Sie kämpften. Ilias und Valentin kämpften gegeneinander, wie es Oktavian gewollt hatte. Und sie, Lilemour, war nicht fähig ihnen zu sagen, wie einwandfrei sie unbewusst Oktavians Willen erfüllten. Vielleicht wussten sie es auch und es war ihnen gleichgültig. Vielleicht würden sie sich einfach umbringen, weil jeder der Beiden der Meinung war, dem anderen überlegen zu sein. Oktavian hatte Lilli in den Stunden, die er nun in ihrem Körper weilte, nie etwas von ihm offenbart. Er hatte sie beeinflusst, durchschaut, verdrängt, er kannte sie, ihre momentanen Gefühle und Gedanken. Doch niemals war eine Empfindung von ihm selbst zu ihrem Bewusstsein durchgedrungen. Bis Lilli schließlich sicher gewesen war, dass er keine hatte. Ja, er tat nicht nur so als hätte er keine Gefühle, er hatte wirklich keine. Wie so oft hatte sich Lil da geirrt. Oktavian ließ sie erst einen Bluttropfen von einem der kämpfenden Vampire auf dem schneebedeckten Boden wahrnehmen. Es wurden jedoch immer mehr und immer größere. Da überrollte Lilli eine Woge tiefer Zufriedenheit, die geradewegs aus Oktavians Herzen gekommen sein musste, so rein war sie. Ein einziges Gefühl in all der Zeit. Sie hörte jeden Schlag, den einer der beiden dem anderen versetzte und jeden Angriff ins Leere. Sie waren so unglaublich schnell. „Ich werde das Mädchen töten, ob es dich juckt oder nicht“ ,schrie Valentin, „ich vernichte Oktavian mit ihr zusammen! Er ist schutzlos! Die Chance war nie besser und wird nie besser sein!“ Die Beherrschung, die all die Taten und Worte Valentins stets begleitet hatten, ließ nach. Je schwächer er wurde, desto menschlicher gebärdete sich sein Verhalten. Beinahe reichte er in seiner unsterblichen Stärke Ilias das Wasser. Aber nur beinahe, denn Valentins verhältnismäßige Jugend auf der Vampir-Jahres-Skala, machte ihn unerfahrener als seinen Gegner. „Das würde dir nichts nutzen“ ,antwortete Ilias. Er stieß sich von einem Stein ab und landete mehrere Meter entfernt von Valentin. „Du bist wohl noch nie in einem fremden Köper gewesen, wie? Ha, das hätte ich mir denken können. Lerne und lass dich aufklären, Grünschnabel. Noch ehe sie den letzten Atemzug machen würde, verließe Oktavian ihren Körper, um in seinen eigenen zurückzukehren. Sonst würde er mit ihr sterben. Ist der Wirt einst tot, ist es für einen wandernden Geist nicht mehr möglich ihn zu verlassen.“ Der blonde Vampir riss einen halben Baum aus und schleuderte ihn gegen Ilias. „Und wo ist sein Körper!? Weißt du das etwa auch, du verfluchter Oberlehrer?! Von dir brauche ich mich nicht aufklären lassen!“ „Nein, ich weiß es nicht. Andernfalls hätte ich ihn mit dem leblosen Leib seiner Katze her gebracht. In mundgerechten Einzelteilen versteht sich. Zudem bräuchte keiner einen Lehrer nötiger als du.“ Oktavian ließ Lilli auf ihre Hände schauen, die sich noch immer in das weiße Fell des Katzenkadavers verkrallt hatten. Er drückte ihn an sich. Nicht aus Liebe, wie Lilli vermutete, sondern weil er die Kälte nicht mehr ignorieren konnte, die in jeden einzelnen ihrer Muskeln gedrungen war. Möglicherweise schwebte sie sogar in Lebensgefahr. Tatsächlich schwebte sie in mehr als nur einer Lebensgefahr. Tatsächlich würde es fast an ein Wunder grenzen, würde sie überleben. Lilli spürte, wie bleierne Müdigkeit mehr und mehr Besitz von ihr ergriff. Oktavian störte es nicht. Sie könnte wetten, dass er sich gerade etwas dachte wie: ’Körper! Du hältst mir gefälligst noch ein paar Minütchen durch, und zwar bis sie alle tot sind. Dann darfst auch du zusammenfallen wie ein erschüttertes Haus aus Bierdeckeln.’ Aus eigener Initiative heraus, lachte Lilli leise vor sich hin. „Hört doch auf ihr totalen Deppen! Ihr habt euch ins falsche Ziel verrannt. So falsch.“ Sie ließ sich an einen der Steine sinken und stützte den Kopf in die Hände. Ihre Fingernägel hatten sich bläulich verfärbt. Obgleich Lilli nur geflüstert hatte, so war sie doch von jedem der Anwesenden gehört worden. Ilias warf einen kurzen Blick auf sie, bevor er wieder auf seinen Gegenüber zu ging. „Valentin. Du bist mächtiger geworden seit dem letzten Mal, als ich das Vergnügen hatte gegen dich zu kämpfen. Oder sollte ich sagen, die Pflicht?“ Aus einem nicht zu überwältigenden Gefühl der Dringlichkeit heraus, setzte Valentin wenige Schritte zurück. Der Schnee verriet mit keinem Knirschen, dass jemand ihn berührt hatte. Dennoch stand Ilias plötzlich dicht vor Valentin. Der Schwarzhaarige nahm die Hand des wie versteinert Wirkenden, öffnete seine Finger und legte den großen roten Ohrring hinein, den Valentin ihm als Pfand seiner Treue hatte überlassen müssen. Dann tätschelte er ihm die Wange. „Doch du bist noch weit davon entfernt mich zu besiegen.“ Mit einem Hieb in die Magengrube, von dem man nur ahnen konnte, dass er Beton durchschlagen hätte, brachte Ilias Valentin zu Fall. Als er aber hinzufügte: „mit deinen blonden, auf dem Boden aufgefächerten Löckchen, wirkst du wie eine Jungfrau in Nöten“ ,drehte Valentin ein wenig durch. Genug zumindest, um Ilias die Sache nicht einfacher zu machen. Ob Ilias ihm letztendlich nun überlegen war oder nicht, dieser Kampf, so schien es, würde nicht in der nächsten Zeit entschieden werden können. Auch Ilias war verwundet, der Schnee trug auch Spuren seines Blutes. Das alles wegen Oktavian. Lilli war verzweifelt. Die Zufriedenheit des weißhaarigen Vampirs wurde von einer Wand aus Hass um Lilemours Bewusstsein begrüßt. Als er nicht einmal den Anstand hatte selbst hierauf zu reagieren, stand ihr Entschluss fest. Wenn Oktavian ihren Körper nicht auf der Stelle verließ, dann würde sie den Verstand verlieren. Egal wie, es musste schnell gehen, wenn sie sich nicht selbst verlieren wollte. Schließlich war es viel schneller gegangen, als Lilli es sich vorgestellt hatte. Die Gegenwehr Oktavians schien zu einem Nichts zu verpuffen. Es war ihm nicht mehr möglich den Handlungen des Mädchen entgegenzusteuern. Bis zum Ende hatte sie nicht begriffen, dass sie ihn auf Grund seiner schwindenden Kraft besiegt hatte. Was sie tat, tat sie ohne nachzudenken. Denn wenn jemand nachdachte, dann pflegte er so etwas nicht zu machen. Dieser Mensch aber, kroch an den Rand des zugefrorenen Sees und darüber hinaus. Keiner der anderen Vampire bemerkte es, sie hatten die Arena auf die verästelten Baumkronen ausgeweitet und waren weder zu sehen, noch zu hören. Sie kroch einfach weiter, die noch dünne, knarrende Schicht auf dem Wasser hatte längst Risse bekommen. Oktavian bereitete sich darauf vor, den Körper zu verlassen. Viel länger hätte er sich ohnehin nicht in einer sterblichen Hülle aufhalten können. Diverse Schäden wären die Folge gewesen. Als das Knacken des nachgebenden Eises lauter wurde, spürte er, wie sich der Mensch seiner Tat bewusster wurde. Sie begann zu überlegen, zu zögern. Ihr Geist strebte gegen ihr Tun in Richtung des angeborenen Überlebenstriebs. Es war dazu allerdings ein wenig spät. Oktavian konnte nicht anders als den Gedanken aufzuschnappen, denn sie ihm praktisch um die Ohren schlug: Ich bin vielleicht eine Niete, eine Flasche, ein Schwächling und Weichei und möglicherweise alles zusammen, weil ja alles dasselbe ist...aber bitte, da hast du’s! Jetzt gehst du unter!“ Das Eis brach. Die ultimative Kälte lähmte all ihre, wie seine Sinne und sie sanken fast sofort gänzlich lautlos unter die Eisdecke. Oktavian hatte durch den unmittelbaren Kälteschock damit gerechnet, dass ihr Herz stehen blieb. Er schützte es darum so lange, bis er bereit war sie zu verlassen. Dennoch fühlten beide im Körper wohnenden Seelen, dass das Sterben begann. Das Mädchen schloss die Augen. Sie ließ sich in die Tiefe ziehen, weil es viel einfacher war sich treiben zu lassen, als einen von vornherein verlorenen Kampf zu bestreiten. Oktavians Innerstes fing an, sich aus seiner Ruhestätte zu arbeiten. Gerade in diesem Moment legten sich brennende Fesseln um seinen Geist. Er krümmte sich zusammen wie eine Spinne, die man mit dem Stock anstieß. Seine angespannten Sinne erfassten den Auslöser sogleich. Zum ersten Mal seit unzähligen Jahren empfand er wirkliches Erstaunen und Irritation. Eine zweite Wesenheit hatte sich trotz des zerfallenden Körpers Zutritt verschafft und hinderte Oktavian am Entkommen. Ilias hatte seine Hülle gerade erst verlassen, in ihm steckte noch die ganze, unbefleckte Kraft eines Vampirs. Er war Oktavian jetzt weit überlegen, trotzdem würde der endgültige Tod auch ihn erfassen wenn er blieb. War Ilias bereit dafür seine Existenz aufzugeben, nur um ihn, Oktavian, zu vernichten? Nein, das war er nich! Unsagbare Schmerzen breiteten sich im Geist des blinden Vampirs aus. Es schien ihm, als wolle Ilias sein Wesen zerquetschen. Er tat es langsam. Langsam, grausam und genüsslich. Oktavian brachte all seine verbliebene Energie auf um sich zu retten. Auf Dauer würde er Ilias niemals Stand halten können, doch die Zeit war auf Oktavians Seite. Die Herzschläge des Mädchens hallten immer unregelmäßiger und mit stets größer werdendem Abstand durch sie alle. Das Bewusstsein hatte sie verloren. Entweder Ilias musste sie alle töten, oder sie alle verschonen. Das hieß, Oktavian würde entkommen. Nun würde sich zeigen, wie wahr Ilias’ Liebe zu dem Menschen wirklich war und welches Ausmaß ein einziges Gefühl annehmen konnte. Ilias umfing das Herz des Mädchens mit der dreifachen Energie von der, die Oktavian noch geblieben war und bewahrte es so vor dem Aufgeben. Um sie herum wurde es dunkler und immer kälter. Kaum etwas war vom Leben Lilemours noch übrig geblieben. Fast hätten sie den Körper nicht mehr verlassen können. Aber nur fast. Mit einem Ruck durchfuhr Ilias Oktavians unvorbereiteten Geist und zerstörte, was er in diesen Sekundenbruchteilen zerstören konnte. Für einen kleinen Augenblick war sich Oktavian nicht einmal mehr sicher, ob er noch in der Lage war sich selbst zu steuern, ob er noch so weit Herr seiner Sinne war, um in die Freiheit zurück kehren zu können. Er sah nichts und er hörte auch nichts mehr. Trotz allem schaffte er es. Er war frei. Ilias hatte sich für das Mädchen entschieden. Doch bis zum Ende seiner Existenz, oder dem Ende der Welt, würde er nicht vergessen, wie Ilias ihn erniedrigt hatte. Oktavian entschwand Lillis Körper. Er hatte das erste und einzige Mal in seinem Leben von der Lächerlichkeit der Liebe profitiert. Valentin sah nur verschwommen. Er lag auf der Seite am Ufer des Sees. Sein Arm war ganz und gar taub. Neben ihm befand sich Ilias. Nein, es war nur der Körper von Ilias, völlig leblos. Valentin hätte heulen können, was der Volksmund Krokodilstränen nannte. Ein nicht unerheblicher Teil seines hilflosen Erzfeindes lag in greifbarer Nähe, aber Valentin war nicht fähig danach zu greifen. Er war mit ein paar Lianen gefesselt und durch seinen hohen Blutverlust aller Fähigkeiten beraubt worden. Egal wer ihn jetzt finden würde, wenn er wollte, würde er leichtes Spiel haben. Obgleich Valentin beinahe zu schwach war seine Augen offen zu halten, sah er sie aus dem Wasser kommen. Das Eis zerbarst, als der Körper des Mädchens von unten dagegen schlug. Dann tauchte sie auf, aber sie schnappte nicht nach Luft. Was natürlich daran liegen könnte, dass Ilias nicht unbedingt Luft benötigte, sich das Atmen wie die meisten anderen Vampire jedoch nie völlig hatte abgewöhnen können. Sie schwamm auf das nicht weit entfernte Ufer zu und watete schließlich aus dem Wasser. Ihre Lippen waren blau und sogar die helle Haut hatte eine leichenhaft ungesunde Farbe angenommen. Ihre Augen waren dunkel wie die Nacht. Im selben Augenblick, in dem sie begann in sich zusammenzusacken, regte sich Ilias’ Körper zu Valentins Seite. Noch ehe Lilli auf dem Boden aufschlug, fing der dunkelhaarige Vampir sie auf. Mit dem offensichtlich mehr als halbtoten Menschen in den Armen, hob er einen Stein auf. „Tut mir leid dich so ausgebeutet zu haben Valentin, aber ich benötigte dein Blut in diesem Moment dringender als du und nun ja, was soll ich sagen. Du warst das einzige Objekt in der Nähe, das in Frage kam.“ So sprach Ilias, worauf der Stein hart Valentins Schläfe traf und ihn in die Ohnmächtigkeit führte. Das Privatflugzeug Stawrogins hatte nicht mit Turbulenzen zu kämpfen gehabt und die Limousine Stawrogins nicht mit Stau. Ohne Behinderungen oder Zeitverzögerungen und mit allen erdenklichen Annehmlichkeiten, die man auf einer Reise nur haben konnte, waren sie schließlich in Messkirch angekommen. Emilie, Toni und Stawrogin saßen mit den verbliebenen Führern des Escapatischen Ordens, Trudlinde, Jean-Luc und Evgeni, um einen riesigen Tisch aus Ebenholz herum und tranken Tee. Das hieß, Emi und die anderen Menschen tranken Tee. Stawrogin verweigerte ihn vollkommen und Toni nuckelte lustlos daran herum, wie ein mit Milch schon abgefülltes Baby an der Mutterbrust. „So weit ist es nun also gekommen.“ Die alte Trudi seufzte tief, „verraten von den eigenen Ordensmitgliedern.“ „Isch wüsste es immer. Dieser Garreth war mir gleich nisch ge’euer! Weißt du nisch mehr was isch zu dir sagte, als er zu üns stieß?“ Jean-Luc fuchtelte vielsagend in der Luft herum, „Trüdi, sagte isch, der ist mir nischt ge’heuer, der Garreth. Aber Roberta, ach die gute Roberta ünd ihre wünderbaren Strickschals! Den blauen mit den Bären drauf hab isch immer noch.“ Traurig nahm er Trudis verschrumpelte Hand in seine verschrumpelte Hand und schüttelte den Kopf. „Welsch Tragödie!“ „Verraten sind auch wir.“ Wie immer wenn Stawrogin sprach, herrschte eine alles dominierende Stille im Raum. Emi ertappte sich immer wieder dabei, wie sie die Luft anhielt und den blonden Vampir anstarrte. Wenn sie ihm zu sehr an den Lippen hing, kniff Toni sie allerdings jedes Mal in den Oberschenkel. Begleitet von einem leicht beleidigten aber auf jeden fall anklagenden Blick. „Die Freiheit ist unser aller Begehr“ „fuhr Stawrogin fort. „vom Pakt erlöst...“ „Wer sagt, ihr wärt vom Pakt erlöst!“ Die zierliche Teetasse zerbarst fast in der Hand des ewig aufgebrachten Evgeni. „Der Orden existiert noch, die Vampire existieren noch und somit hat auch der Pakt zwischen diesen beiden Parteien keinen Verfallsstatus! Was soll das ganze Gerede?! Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendjemand zu mir gekommen wäre und in ganz offizieller Form bestimmt hätte: Evgeni, der Pakt ist Geschichte!“ „Evgeni, der Pakt ist Geschichte“ ,kamen ihm alle Anwesenden entgegen. Abgesehen von Stawrogin, der weitersprach, als hätte ihn nie jemand unterbrochen. “...sind wir nicht dazu bereit, uns neue Ketten anlegen zu lassen und sei es von einem von uns. Oktavian muss in seine Schranken gewiesen werden.“ „Ich bin voll deiner Meinung, Stawi!“ So hart wie sie in ihrem ansehnlichen Alter noch konnte, schlug Trudi mit der Faust auf den Tisch. „Oktavian stehen Vampire, sowie abtrünnige Ordensmitglieder zur Seite. Mit ihnen will er Vampire und Menschen unter seine Führung stellen. Aber nicht mit uns! Auch uns stehen Ordensmitglieder zur Seite und nun auch du, Stawi! Zusammen sind wir ihm ebenbürtig!“ „Du nennst ihn Stawi?“ Jean-Lucs misstrauischen Blick ignorierend, tätschelte Trudi Stawrogin die marmorne Hand. Im Griff einer für die anderen unsichtbaren Erinnerung, schlich sich ein breites Lächeln auf die Lippen der Alten. „Wie schön du doch bist, Stawi! Schöner noch als damals. Und ich bin so alt, so alt! Ach ja! Im Alter kommt die Weisheit, nicht wahr, Stawi und weise wie ich bin weiß ich, dass es für viele kein Segen ist wie du zu sein. Für mich zumindest, wäre es eine Strafe.“ Ihre Hand wanderte von der blassen, beblosen Hand des Vampirs zu der zitternden Jean-Lucs und umfasste sie fest. Jetzt war es an ihm, selig zu lächeln. Evgeni grunzte abwertend, brabbelte etwas von einer brünetten Schönheit, die sich mit ihm verabredet hätte und trank einen Schluck Tee. „Ist das romantisch, Emi? Ich find solche Szenen total toll! So wie Trudi und Jean-Luc sind wir auch mal wenn wir alt sind, nur ohne Falten und insgesamt viel schöner! Gib mir einen Kuss!“ Toni überraschte seine Freundin mit einem ordentlichen Schmatz. Er kuschelte sich an sie, bis er Stawrogins kalten Blick traf, der ihn augenblicklich wieder an seine gerade verloren gegangene Coolness erinnerte. Sich räuspernd schlug Antonio die Beine übereinander und legte lässig den Arm um Emi. „Dann ist es jetzt beschlossene Sache! Wir und die anderen.“ Emilie sah von einem Gesicht ins andere. Sie hätten unterschiedlicher nicht sein können. „Die Revolution der Vampire hat uns in eine neue Epoche überführt. Ob sie besser ist, das wird uns allein die Zeit zeigen.“ Trudi nickte zustimmend. „Die Zeit, so wird es sein. Ich befürchte, einige in diesem Raum werden die Entwicklung nicht lange genug überleben, um den Ausgang dieser Angelegenheit noch erfahren zu können. Aber so lang ich lebe, das schwöre ich, soll kein Mensch eines Vampirs Untertan sein.“ „Und kein Vampir der eines Menschen.“ Damit besiegelte Stawrogin die Zusammenarbeit zwischen ihnen zum Wohle eines höheren Zieles. Selbst Evgeni war eine gewisse Erleichterung anzusehen. Das laute in die Hände Klatschen Trudis, riss die anderen Menschen (und Toni, der sich immer so fühlte, wie sich Emi fühlte) aus ihrer Anspannung. „Und nun“ ,posaunte Trudi, „ehe wir alles Nähere debattieren, zur Feier des Tages, sing uns doch bitte ‚Que faro senza Euridice’ vor, ja Stawi?“ Das erste was Lilli sah, als sie die Augen öffnete, war ganz und gar undefinierbar. Wenn es auf dem Grund der russischen Seen Meerjungfrauen gab, dann hatte ihre in den Himmel emporsteigende Seele noch eine erblicken dürfen. „Ich habe Hunger“ ,patzte die Meerjungfrau. Sie hatte eine ziemlich tiefe Stimme. „Gib mir etwas zu trinken! Unser aller Blut ist ohnehin vermischt, da wäre es doch nur fair, wenn sich der Kreis wieder schließt.“ „Nein“ ,schnurrte es gegen Lilemours Nacken. „So etwas“ ,amüsierte sich Ilias, wobei sein Atem auf ihre Haut traf. „Eine Gänsehaut. Die erste Regung seit zwei Tagen.“ Lilli wusste nicht was sie sagen sollte. Sie versuchte sich angestrengt zu orientieren. Nachdem sie ausgiebig geblinzelt hatte, erkannte sie, dass sie in einem Bett lag. Es stand mit mehreren gepolsterten Korbmöbeln in einen Raum aus Holz. An den Wänden hingen Teppiche und große Bilder von Blumen. Ihr gegenüber prasselte ein Feuer in einem offenen Kamin, über dem sie ein ganzer Hirschschädel angrinste. Auch der Boden war mit dicken Teppichen und Fellen belegt. Auf einem lag die Meerjungfrau und sah sie forschend an. Sie trug einen großen roten Ohrring. „Valentin“ ,stellte Lilli mit einem Stimmchen fest, das man bestenfalls einer Maus zugeordnet hätte. Sie fuhr sich mit der Zunge über ihre Lippen. Sie waren warm, ebenso wie der Rest von ihr. Das merkte sie nun, da sie sich ihrer Glieder und anderen Körperteile erinnerte. Was jedoch noch viel einschlägiger war; im Geiste war sie allein. Ihr Bewusstsein konnte sich frei und ungehindert in ihr bewegen, wohin und wann es wollte. Sie vermochte es wieder mit den Augen zu sehen. Ihr Herz schlug höher, Oktavian war fort! Er war wirklich fort! „Na, na, wenn es einer verdient zuerst genannt zu werden, dann ist es dein wiederholter Lebensretter.“ Ilias legte einen Finger unter ihr Kinn und zwang Lilli damit, sich von der Seite auf den Rücken zu drehen. Ihre steifen Glieder ließen sich noch etwas schwerfällig bewegen, doch ansonsten schien ihr nichts zu fehlen. Sie sah in das schöne Gesicht des Vampirs, was ihren Herzschlag noch einmal erheblich beschleunigte. Wie hatte sie es sich gewünscht ihn wieder zu sehen! Ihn wirklich zu sehen und nur als sie selbst. „Du fühlst dich gut, nicht wahr.“ Wieder einmal war sich Ilias seiner Sache so sicher, dass er die Stimme nicht erst zu einer Frage anhob. Sie lauschte noch einmal in sich hinein und nickte dann. Was war passiert nachdem sie ins Wasser gegangen war? „Natürlich tust du das, wer fühlt sich schon schlecht in meiner Gegenwart“ ,fragte sich Ilias nicht ernsthaft. Vom Boden her ließ sich ein verächtliches „Tss“ vernehmen. Ilias vergrub sein Gesicht unaufgefordert unter Lillis Kinn und küsste sie dort. Dabei legte sich einer seiner Arme über ihre Brüste, damit seine Hand ihr auf der anderen Seite ein paar verirrte Haare hinter das Ohr streichen konnte. Aber Moment. Wenn Lilli noch ein zweites Mal in sich hineinlauschte, was sie in diesem Fall als höchste Notwendigkeit verstand, dann bemerkte sie etwas, das ihr bis jetzt entgangen war. Ihre Augen weiteten sich unwillkürlich. Valentin schien sich verpflichtet zu fühlen, etwas anzumerken. „Ich glaube, es dämmert ihr.“ Ilias schien sich verpflichtet zu fühlen, nichts Sinnvolles beizusteuern. „Ich weiß, ich fühle es an ihrem Herzen, ihrem Puls und höre es am Rauschen ihres Blutes.“ Lilli war vollkommen nackt. Wenn das mal kein Grund für ein ordentliches Rauschen des Blutes war! Einem Rauschen, wie man es in den Wäldern bei stürmischem Wind zu hören bekam. Der Umstand, dass auch Ilias der Freikörperkultur frönte, erhöhte das ganze auf einen schweren Sturm. Orkanwarnung war spätestens dann angesagt, als Lilli realisierte, wie nahe sie sich waren. Sie spürte seinen Vampirkörper an ihrer unmittelbaren Seite. „Geh sofort weg!“ Lilemour handelte aus purem Schreck und nicht zuletzt der Gewohnheit wegen. Sie stemmte ihre Hände gegen die Schultern von Ilias. „Was hast du getan?“ „Dich gerettet, wie ich bereits erwähnte.“ „Und was noch?“ „Nichts“ ,mischte sich Valentin in das Gespräch ein, „und das ist das, was einem Mann, ob tot oder nicht, mehr Kraft abverlangt als es gesund sein kann. Ich finde das dämlich, ich hätte dich gepackt. Aber du bedeutest mir ja auch nichts.“ Lilli blieb die Spucke weg. Immer wenn sie dachte, ein Vampir könne sie nicht mehr schocken, ob mit Worten oder Taten, wurde sie eines Besseren belehrt. „Verzeih ihm seine Ausdrucksweise. Er kann einfach nicht leugnen, dass er aus einer Bauernfamilie stammt.“ Noch ehe Valentin auf Ilias reagieren konnte, versuchte Lilli aus dem Bett zu steigen. „Ich muss aufs Klo“ ,stammelte sie, weil ihr kein anderer guter Grund einfiel, sich aus dieser Lage zu befreien. Den Egoismus beider anwesender Vampire imitierend, zog sie die Bettdecke mit sich. Splitterfasernackt ließ sie Ilias auf der Matratze zurück und schaffte es irgendwie, ihn mit keinem weiteren Blick zu streifen. Sie hatte Angst, ihn dann unverhohlen begaffen zu müssen als wäre er ein seltenes Tier. Diese Blöße würde sie sich keinesfalls geben. Es war schon schlimm genug, seine Blicke in ihrem Rücken zu spüren. „Ich wette“ ,hörte sie Valentin geifern, „er hat darauf gewartet, dass du ihm die Decke wegziehst. Musstest du ihm denn den Gefallen tun, wo du doch so gut wie ich weißt, wie gerne er angibt.“ „Oh“ ,entgegnete Ilias schnippisch, „du findest ich kann angeben?“ „Wo sind wir denn?“ ,wollte Lilli wissen. Weniger aus echter Neugier, als vielmehr um das morallose Thema schwer narzisstisch veranlagter Vampire zu wechseln. „Keine Ahnung“ ,verriet Valentin. Er tat nun, als wäre Ilias nicht hier. „Ich bin vor knapp zwei Tagen auch erst hier aufgewacht. Wahrscheinlich irgendeine Hütte, dessen Besitzer unten im Keller liegen. Oder besser, deren Leichen.“ „Das Jagdhaus hat keinen Keller und die Besitzer befinden sich im Ausland. Das Gebäude gehört Stawrogin und das Badezimmer ist rechts von dir um die Ecke.“ Ohne sich umzudrehen, folgte Lilli Ilias’ Instruktionen. Entgegen ihren Befürchtungen, fühlte sie sich weder kränklich, noch schwach. So, wie es nach einer Randbegegnung mit dem Tod zu erwarten gewesen wäre. Die hatte sie mit Sicherheit gehabt. Sie hatte sich und Oktavian ertränken wollen. Lilli konnte sich nicht vorstellen, wie Ilias sie gerettet haben sollte und doch hatte er es getan. Ilias war hier. Valentin hatte ihn nicht umgebracht und er Valentin nicht. Oktavian war fort. Sie brauchte Zeit, um das alles erfassen zu können. Gern hätte sie vor Freude geschrien, einen Breakedance veranstaltet, etwas Lautes, Verrücktes getan, um ihrer Erleichterung Luft zu machen. Momentan aber, fühlte sich Lilli wie in Trance. Das Glück war ihr näher als je zuvor, seit sie vom Orden als Bewacher eingesetzt worden war. Natürlich, es gab noch vieles was offen war. Was war mit dem Orden, dem Pakt, den anderen Vampiren? Ging es Emi und Toni gut? Was würden sie in Zukunft tun und wie würde Lilemours eigene Zukunft aussehen? Dies waren Fragen, die sie sich später zu stellen vornahm. Wie würde sie ihren Weg weitergehen können, wenn sie nicht die Zwischenerfolge zu schätzen wusste. Ihnen war sogar mehr als nur ein Zwischenerfolg gelungen. Erst langsam, das wusste Lilli, würde sie begreifen. Vielleicht morgen, vielleicht erst in einer Woche, aber vielleicht auch schon in wenigen Stunden. Die großräumige Dusche war topmodern. So topmodern, dass Lilemour zehn Minuten nach dem Duschhahn suchen musste. Es war ein Knopf. Einer von vielen auf einem eisernen Viereck, das in die Wand eingearbeitet war. Stawrogin war in der Tat ein Freund technologischen Luxus! Dankbar ließ Lilemour das lauwarme Wasser auf ihre Haut prasseln. Es tat unendlich gut, deutlich fühlbar entspannte sich Muskel für Muskel. Ein wenig Wehmut nur mischte sich in die Dankbarkeit, da sie das Gefühl hatte, Ilias’ Nähe mit abzuwaschen. Ganz zweifelsohne hatte er ihren unterkühlten Körper mit seinem in den Normalzustand von wenigstens 36 Grad zurückversetzt. Diese Gewissheit ließ Lilemour die Hitze in den Kopf steigen, auf wenigstens 37 Grad. Dass Valentin offenbar die ganzen beiden Tage dabei gewesen war und sich womöglich als Spanner betätigt hatte, das wiederum schmeckte ihr nicht sonderlich. Zwei Tage. Wieder rief sie sich ins Gedächtnis, dass sie nach zwei Tagen ohne Nahrung in die Dusche hätte kriechen müssen. Warum plagte sie weder Müdigkeit noch Schwäche? Prüfend dehnte und reckte Lilli ihre Muskeln, wippte hin und her, stemmte sich gegen die Duschwand. Auch dabei musste Ilias seine Finger im Spiel gehabt haben, sie konnte es sich nicht anders vorstellen. „Ich habe dich mit meinem Blut genährt.“ „Hey“ ,schallte es vom anderen Raum, „es war auch mein Blut. Du hast es mir kurz vorher schließlich abgezapft. Weißt du noch? Unser Rendevouz am See?“ Doch Lilli hörte gar nicht richtig was Valentin zur Sprache brachte. Genaugenommen hörte sie gar nichts mehr, sie fühlte nur noch. All ihre Sinne hatten sich mit einem Schlag auf die Arme Ilias’ fixiert, der sie von hinten um ihren Bauch geschlungen hatte. Er drückte Lilli an sich. Es war ihr unmöglich, sein Fleisch gewordenes Verlangen nicht zu spüren. Das Herz rutsche ihr in die betrüblicherweise nicht vorhandene Hose. „Ach, darum fühle ich mich wie der junge Morgen“ ,versuchte sie zu scherzen und hoffte, dass das Geräusch des unablässig auf sie treffenden Wasserstrahls, das leichte Beben in ihrer Stimme übertönen möge. Ilias befand es nicht als notwendig ihr zu antworten. Er küsste ihren Hals, hinauf zu den Kieferknochen und legte seine Wange an ihre. Strähnen seiner langen schwarzen Haare flossen über ihren Oberkörper. Durch ihre Nässe kam es Lilli vor, als wollten sie sich wie die Tentakeln eines Tintenfisches an ihrer Haut festsaugen. Genau dieser Aufgabe wandte sich auch der Mund des Vampirs zu. Lilemour verspürte den sachten Druck seiner Lippen auf ihrem Hals und den bisher kaum merklichen Sog. Seine Zähne hatte er nicht eingesetzt. Dennoch fühlte sie sich plötzlich doch so schwach auf den Beinen, wie sie sich ohne Ilias’ fragwürdige Aufpäppelung hätte fühlen müssen. Sie umfasste ihrerseits die Hände des Mannes, die sich zweifelsohne auf Erkundungstour der Tal – und Bergpfade ihres Körpers hatten aufmachen wollen. „Wo ist Oktavian?“ Etwas anderes war ihr auf die Schnelle nicht eingefallen, aber irgendetwas hatte ihr ja einfallen müssen. Lilli wollte nicht zugeben, wie heillos überfordert sie mit der Situation war. Sie wusste rein gar nicht was sie tun sollte. Dastehen wie ein Stock? Umhertorkeln wie eine Bauchtänzerin? Ohnmächtig werden? Ihr war nur klar, dass sie etwas anderes nicht zu Stande bringen würde, ohne es lächerlich wirken zu lassen und, dass sie Ilias auf keinen Fall würde abweisen können. Oder wollen. Mühevoll unterdrückte sie ihren hastiger werdenden Atem. Seine Hand konnte sie jedoch nicht aufhalten, die zielstrebig zu ihrem Schoß hinabglitt. „Hm, menschliche Erregung ist etwas Köstliches“ ,wisperte Ilias in ihr Ohr, „im Besonderen die Sexuelle.“ „Wo ist er denn nun abgeblieben, der Oktavian?“ ,quietschte Lilli fast. Die langen Finger des Vampirs hatten sie tatsächlich berührt. Aus einem Reflex heraus, kniff sie ihre Schenkel zusammen, bis es fast zu einer sportliche Anstrengung ausartete. Das hieß viel, war die sportliche Ausbildung doch ein bedeutender Teil der Gesamtleistung, die ein Ordensmitglied erbringen musste. Lilli wusste nicht wie ihr geschah. Ein heftiger Ruck war alles was sie mitbekam, ehe sie sich mit dem Rücken gegen die Duschwand gepresst wieder fand. Ihre Schenkel lagen um Ilias’ Hüften und sie sah in seine dunklen Augen, deren Wimpern von schimmernden Wassertropfen umrahmt waren. Er nahm eine ihrer Hände und küsste deren Handinnenfläche. Seine eigenen Hände schienen trotz ihrer Feingliedrigkeit beinahe doppelt so groß zu sein. „Oktavian? Wahrscheinlich ist er zurück in seinem Körper, wo auch immer das verkümmerte Ding sein mag“ ,musste er zugeben, was ihm nicht allzu schwer fiel. Unter seinen Liebkosungen, die sich nun auf Lillis ganzes Gesicht ausgeweitet hatten, ließ er beiläufig fallen: „allerdings weiß ich nicht, wie viel sein Leben ihm jetzt noch wert ist, nachdem ich seinen Gehörsinn vernichtet habe. Blind und nun auch taub zu sein, ist eine Einschränkung Oktavians, mit der ich mich zufrieden geben kann.“ „Taub, was ist das schon? Er kann uns noch erschnüffeln wenn er will, das sag ich dir! Ich hätte ihm endgültig den Garaus gemacht.“ Valentin stand von einer auf die andere Sekunde außerhalb der Duschkabine. Das hätte Lilli nicht halb so viel ausgemacht, wenn das Gebilde nicht aus Glas gewesen wäre. Augenblicklich versuchte sie sich aus Ilias’ Griff und dieser mehr als peinlichen Lage zu befreien, doch der hielt sie unerbittlich an Ort und Stelle fest. Zumindest besaß er den Anstand, Lilli mit einem seiner Arme von Valentins Blick abzuschirmen. Er fühlte sich von dessen Anwesenheit jedoch nicht dazu veranlasst, seine Küsse einzustellen. „Deshalb vergöttere ich wie jeder anständige Vampir Jungfrauen.“ Offensichtlich hatte Ilias das loswerden müssen und offensichtlich hatte Valentin etwas dazu zu sagen. „Warum? Weil ihr Blut angeblich heilende Kräfte haben soll? Alors, ich habe das auch ein paar Mal ausprobiert und bei Leibe nichts außergewöhnlich Heilendes erfahren.“ „Natürlich nicht.“ Ilias nahm Lillis vor allgemeinem Schock lahme Arme und legte sie um seinen Nacken. „Ich vergöttere sie, weil sie Teil meiner Lebens-, sowie Todesphilosophie sind, überall eine Art Vormachtstellung genießen zu können. Das heißt, in der Premiere eine Sonderloge zu besitzen. Du wirst mich nicht verstehen, Vampire aus der Bourgeoisie haben keinen Sinn für Geschmack. Sie nehmen sich was sie kriegen können.“ Lilli konnte fühlen, wie sich der geschmeidige Körper des Vampirs in ihren Armen anspannte. Zwar hörte er nicht auf damit, seine Hände aufreizend über ihre Hüften streifen zu lassen und doch war Lilli bewusst, dass er auf einen neuerlichen Angriff Valentins vorbereitet war. Das aber, hatte sich der gebürtige Franzose selbst ebenso ausrechnen können. Durch die nur wenig reflektierenden Scheiben konnte Lilli sehen, wie die Augen des Blonden erbost aufloderten. Nicht nur, dass er wiederholt von seinem Widersacher vernichtend geschlagen worden war, nun musste er sich auch noch dessen Beleidigungen anhören. „Es übersteigt meinen Verstand“ ,begann Valentin kühl, „warum du mich vor dem Ende meiner Existenz bewahrt hast, Ilias.“ „Mach dir darüber keine Gedanken“ ,antwortete der Angesprochene, „es gibt zu viel was deinen Verstand übersteigt. Möglicherweise habe ich es nur getan, um dich mit einem weiteren Rätsel zu quälen, mein vertrauter Feind. Und nun entschuldige meine allzu barsche Unhöflichkeit und scher dich davon.“ Ungewohnt frei von jedem Widerstand, verbeugte sich Valentin spöttisch vor dem anderen Vampir. „Ich wiederhole mich. Überlege dir gut wem du aus freien Stücken deine Liebe schenkst“ ,riet er Lilli dann. „Nicht dass es mich was anging, aber du bist ein wenig erträglicher als all die anderen Menschen. Wenn du bei ihm bleibst, so nehme ich an, werden wir nicht umhin kommen uns in der Zukunft wieder zu sehen.“ Valentin machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Badezimmer. Wahrscheinlich würde er sich auf Nahrungssuche begeben, wahrscheinlich in einem Bordell. „Auf Wiedersehen!“ , rief Lilli ihm nach, bei der Abschiede auf unbestimmte Zeit weit oben auf ihrer persönlichen Hass-Liste standen. Vorausgesetzt, es handelte sich bei den Fortgehenden nicht gerade um Oktavian oder Konsorten. Kaum konnte sie den kindlichen Drang unterdrücken, Valentin, der längst fort sein musste, zu winken. Da packte Ilias ihr Handgelenk und sah sie aufmerksam an. Aus dem Hahn tropfte nur noch wenig Wasser, Ilias hatte ihn abgeschalten. Lilli war sich nicht sicher, ob er etwas zu Valentins Kommentar sagen würde, ob er schweigen wollte, oder von einem gänzlich anderen Thema anfing. So nutzte Lil die seltsame Pause, die zwischen ihnen entstanden war, nahm all ihren Mut zusammen und umarmte Ilias. Seine Haut war glatt und fest, die Haare samten. Würde Ilias für eine Kosmetikfirma werben, sie würde binnen Wochen die besten Absätze machen. „Ich hab mir genau und gut überlegt, wem ich aus freien Stücken meine Liebe schenke“ ,nuschelte Lilli in die schwarzen Haare ihres Gegenüber. Sie konnte ihm nicht ins Gesicht sehen, nicht jetzt. „Auch wenn es völlig irrational ist und bestimmt bemitleidenswert, weil sich ja geradezu alle in dich verlieben und auch wenn du 1496 mit dem Papst eine Orgie gefeiert hast“ ,schloss sie. Langsam lockerte Ilias seinen Griff um sie, Lillis Füße konnten wieder selbst den Boden berühren. Es fiel ihr nicht ein ihm zu gestehen, dass sie das ziemlich schade fand, wo sie sich gerade an die Position gewöhnt hatte. „Geradezu alle verlieben sich in mich, das ist wohl wahr“ ,erzählte er in bekannter Bescheidenheit, „aber keinem war es gelungen, eine Erwiderung in mir hervorzurufen. Bis mir der Orden einen seiner ungeschicktesten Bewacher auf den Hals hetzte. Völlig irrational und bestimmt bemitleidenswert, aber unbedingt zu empfehlen.“ Lilli schaute ein paar durchsichtigen Tropfen nach, die ohne Hast am Oberarm des Vampirs herabrannen. Das Glück war ihr nicht näher als je zuvor, seit sie vom Orden als Bewacher eingesetzt worden war, es war ihr näher als je zuvor in ihrem ganzen Leben. „Ich nehme rundheraus an, du redest von der Orgie des Papst Alexander dem VI Borgia, den fünfzig Konkubinen und den Kastanien und, dass Valentin dir das berichtet hat“ ,fügte Ilias plötzlich in belustigtem Unterton an. Er wartete nicht bis Lilli nickte. „In der Tat war ich Zeitzeuge.“ Wieder rief er Gänsehaut bei ihr hervor, indem er begann, ihr unerwartet zärtlich über den nassen Rücken zu streicheln. „Ich saß neben dem einzigen Mädchen im ganzen Raum, dass ihre Unschuld noch nicht verloren hatte. Unglücklicherweise musste ich das junge Ding entgegen meiner Pläne dem Papst abtreten. Ich hatte keine besonders große Lust darauf, mich mit der Inquisition anzulegen. Ich musste mich also darauf beschränken, mir das unlautere Spektakel anzusehen. Um keinen Preis der Welt hätte ich die anderen geladenen Frauen angefasst, beschmutzt von der Gier hunderter Sterblicher.“ Er schob Lilli von sich, nur um sie vor sich her aus dem Bad heraus zu schubsen. Als sie jedoch nach einem Handtuch greifen wollte, unterband Ilias ihre Handlung bestimmt. So stolperte Lilli in den Hauptraum, immer auf der sinnlosen Suche nach etwas, hinter oder unter dem sie ihre Blöße verstecken konnte. Auch hier regierte die reine Macht der Gewohnheit. „Valentin hingegen, hatte sich als Kardinal verkleidet und eine Wette mit dem Sohn des Papstes abgeschlossen, wer an diesem Abend wohl die meisten Frauen besitzen könne. Ich erinnere mich nicht“ ,machte Ilias seinen Standpunkt klar, „aber es würde mich wundern, wenn Valentin sich einem Menschen gegenüber die Demütigung einer Niederlage gegeben hätte. Und nun sprich dich schon aus wenn es denn nicht anders geht, oder ich stopfe unser Nachtlager mit deinen Locken aus.“ Zuerst wunderte sich Lilli. Aussprechen, ja das hätte sie sich noch können, aber Locken hatte sie keine. Doch als vom Fenster her durch das Glas nur eine allzu bekannte Stimme erklang, überwand Lilli ihre Verwunderung und verbarg sich kurzerhand hinter einem der gigantischen Bettpfosten. „Weil ihr gerade dazu ansetzt“ ,kam es Valentin mit Schnee auf dem Kopf in den Sinn, „ist es nicht zu leugnen, dass das Mädchen überaus anziehend aussieht. Meinen vertrauten Feind würde ich um nichts in der Welt berühren und dennoch könnten wir unter Umständen auch zu dritt...“ Mehr hörte Lilli nicht mehr, denn Ilias schloss mit einer gelassenen Geste die vier Meter entfernten Fensterläden. „Bourgeoisie“ ,zischte er vor sich hin, „ekelhaft.“ Dann kam er auf Lilli zu, die diesen Augenblick ebenso gefürchtet, wie herbeigesehnt hatte. Ihr Herz klopfte wie wahnsinnig, sie hätte am Liebsten die Augen geschlossen und nur gewartet, auf was immer kommen mochte, doch dann hätte sie ihn nicht mehr ansehen können. Er war schön wie die Verführung selbst und...legte sich ins Bett, mit dem Rücken ihr zugewandt. Verdutzt schaute Lilemour vom züngelnden Feuer im Kamin auf Ilias und zurück. Aus Mangel an Ideen und einer Überdosis Hilflosigkeit, schlüpfte sie neben ihn unter die Decke und starrte auf seine noch immer feucht schimmernde Haut. An welcher Gemeinheit er wohl feilte? Denn etwas anderes als eine Gemeinheit spielte sich hier nicht ab. Eine ungeheure Spannung hatte sich in ihrem Innersten aufgebaut. Nicht zuletzt durch die Behandlung, die sie nur wenige Minuten zuvor durch Ilias erfahren hatte. Es verlangte sie jetzt wie nichts anderes, diese Spannung zu entladen. Wie, das war ihr ganz egal. Nur eins leuchtete ihr ein, so würde das nicht funktionieren. Sie wünschte sich, er würde ihre Qual beenden und das tun, was er ihr durch unzählige Worte und Gesten schon so oft versprochen hatte. Recht gründlich überlegt, war es geradezu seine Pflicht. Aber er tat gar nichts. Er tat auch nach fünf Minuten nichts, die Lilli wie wenigstens fünf Stunden vorkamen. Überall in ihrem Körper verspürte sie ein merkwürdiges Ziehen der Nerven, das immer schlimmer wurde, je länger sie tatenlos verharrte. Um das Gefühl auszubalancieren, bewegte sie ihre Beine, als wolle sie durch die Reibung Wärme erzeugen. Sie erreichte das Gegenteil ihrer Absichten. Was sie dann sagte, so war sich Lilli sicher, sprach keinesfalls ihr Verstand, höchstens vielleicht ihre verzweifelten Urtriebe. „Schläfst du jetzt mit mir?“ In diesem Augenblick wölbte sich ihr die Matratze an der Leistengegend entgegen. Gleich darauf an den Armen, den Beinen. Fast so, als liege Lilli schwerelos auf einem Topf voll blubberndem Wasser. Erschrocken setzte sie sich auf. Das nächste was sie wahrnahm, war ein Schauer von schwarzen Haaren, mit denen sie seitwärts vom Bett rollte und auf den Boden fiel. Wären die Teppiche nicht so weich gewesen, hätte ihr Steißbein ziemlich gelitten. Es war nur so, dass sie gar nicht auf einem Teppich aufgekommen war. Vielmehr saß sie rittlings auf Ilias, mit den Händen auf seiner Brust. Theoretisch brauchte er nicht zu atmen, Lilli hatte aber schon oft beobachtet, wie er es dennoch tat und nun hob und senkte sich sein Brustkorb schneller als gewöhnlich. „Habt ihr gelernt, dass es keine vampirischen Aktivitäten gibt, ohne den Wunsch des Opfers, vampirisiert zu werden?“ Er grinste, während er Lillis Hüften umfasste. „Aha“ ,war ihr hochwissenschaftlicher, ja nobelpreiswürdiger Kommentar. Der reichte Ilias aus, seinen Teil des unausgeglichenen Dialogs weiter auszuführen. „Obschon ich weiß wie sehr du dir wünscht von mir vampirisiert zu werden, hatte ich es mir in den Kopf gesetzt, dieses Geständnis aus deinem eigenen Mund hören zu wollen. Wieder einmal habe ich bekommen was ich wollte. Ich muss mich ungeachtet dessen dazu bekennen, dass ich wenige Momente später darauf verzichtet hätte, denn“ ,er drückte seine entsetzlich langen Fingernägel nachdrücklich in ihr Fleisch, „ich wünsche mir sehr, dich zu vampirisieren. Auf alle mir offen stehenden Varianten.“ Als wäre Lilli leicht wie eine Stoffpuppe, vertauschte Ilias ihrer beider Aufenthaltsorte und drehte sie mühelos auf den Rücken. Ihre Hautoberfläche war, so schien es Lilli, durch die immense Hitze im Inneren ihres Körpers, getrocknet. Dies bemerkte sie im betäubenden Einfluss ihrer Gefühlsregungen, an dem Punkt, an dem der Vampirleib ihren eigenen fast vollständig bedeckte. „Ich beschlafe dich. Jetzt“ ,kündigte Ilias an, was Lilemour unter seinem einnehmenden Kuss nur unbewusst mitbekam. So richtig und lieblich fühlten sich seine Lippen auf ihren an, so sanft und doch auf eine bestimmte Weise unbarmherzig besitzergreifend. Unerwartet traf sie darum der Schmerz, den Ilias verursachen sollte. Der Vampir hob ihre Hüften an und sank mit einer fließenden Bewegung in Lilli hinein. „Ich merke schon, du hast keinen Zauber der Hypnose über mich gelegt.“ Lilemour stöhnte auf und bäumte sich ihm entgegen. Halb vor Pein und halb vor Entzücken über den fundamentalen Ansatz, ihre Sehnsucht endlich zu stillen. „Ein hypnotisierter Mensch dient immer der Bedürfnisbefriedigung, niemals der wahren Satisfaktion. Es gibt wenig vergleichbar Triumphales, weder physisch, noch psychisch, als sich jemanden zu nehmen, der in vollem Bewusstsein seine Einwilligung gegeben hat“ ,behauptete Ilias. Anstatt den Weg weiterzubeschreiten, den sie eingegangen waren, zog sich Ilias damit gemächlich aus ihr zurück. Ihr Protest ging in einer neuen Empfindung unter, für die sich wiederum Ilias verantwortlich zeigte. Lilemour fühlte nur allzu deutlich, wie seine Zunge gegen und in ihren Ort der Vereinigung mit ihm stieß. Er nahm das Blut auf, welches als Konsequenz seiner Penetration entstanden war. Ilias’ Keuchen hörte sie kaum noch über ihr eigenes. Es verstärkte sich mit jeder gekonnten Berührung ihres Geliebten. Auch seine Hände waren nicht untätig geblieben, denn seine Finger verwöhnten ausgiebig die Innenseiten ihrer Schenkel und nahmen schließlich den Platz und die Aufgabe seiner Zunge ein. Begeistert nahm Lilli diesen Umstand auf, da er stets genau zu wissen schien, welche Stelle in jedem Moment am Empfindsamsten bei ihr war. Selbst das neuerliche Stechen, mit dem sich Ilias kurz darauf wieder mit ihr verband, hieß sie willkommen. Dieses mal nur, verweilte er. Durch den Schleier einer Lust, die Lilli in diesem Ausmaß restlos unbekannt war, sah sie in die so schwarzen Augen des Vampirs. Als er sich weiter zu ihr hinab beugte, erkannte sie ihr eigenes Gesicht in seinen weit geöffneten Pupillen. „Jetzt bin ich keine Jungfrau mehr“ ,erkannte Lilli scharf, „wo du die als anständiger Vampir doch so magst.“ Sie wollte noch anmerken, er solle sich doch bitte in Erinnerung rufen, dass er an dieser Diagnose nicht ganz unbeteiligt war, doch ihre Worte gingen im eigenen Aufseufzen unter. Ilias hatte begonnen sich zu bewegen, was ihren noch immer vorhandenen Schmerz mit etwas anderem vermischte. Etwas Neuem, Schönem, das ganz nah war, gleich um die Ecke sozusagen. „Wenn es einen Status gibt, der dem des Unberührten vorzuziehen ist, dann ist es der von mir berührte. Einzig und allein von mir.“ Womit Ilias recht klar gemacht hatte, dass es fern seiner Toleranz lag, Lilli jemals teilen zu müssen. Und so lange sie von ihm dasselbe verlangen konnte, war es ihr unmöglich, sich eine glänzendere Einigung vorzustellen. Ganz abgesehen davon war es ihr ebenfalls unmöglich, sich glänzendere Empfindungen vorzustellen. Ständig wiegten sie Lilli in der Erwartung, dass etwas ganz Drastisches passieren würde. Sie schloss die Augen, als Ilias seine anfängliche Sanftheit in eine deutlich grobere Behandlung umschwingen ließ. Zwischenzeitlich aber, konnte sich Lilli auch seinen heftigeren Bewegungen anpassen. Hätte er die nicht selbst eingeführt, so hätte sie ihn in der Tat darum gebeten. Die Sorgen um ihr Unwissen und die Befürchtung etwas Falsches zu tun, waren unbegründet gewesen. Lilli fand heraus, dass sich alles von ganz allein gab. Automatisch reagierte ihr grundehrlicher Körper auf den des Vampirs. Sie fügte sich seinen unausgesprochenen Anweisungen, die ihr das drastische Ereignis immer näher brachten. Dabei konnte sie sich nichts Drastischeres vorstellen, als das gegenwärtige Geschehen. Während Lilli zunächst versucht hatte, die Kundgebungen ihres äußersten Vergnügens durch eher urtümliche Laute zu unterdrücken, so fand sie sich dessen nun außer Stande. Auch Ilias ließ sie stimmlich wissen, wie hochzufrieden er mit der Sachlage zwischen ihnen war. Wenn er sie nicht küsste, saugte er an den Spitzen ihrer Brüste oder fuhr mit seinen Fingerkuppen von ihren Rippen zu ihrem sich ihm immer neu entgegenpressenden Becken. Schließlich war es nur eine weitere winzige Veränderung in der Art, wie sich ihre Körper trafen, die das Drastische der Angelegenheit voll zur Geltung brachte. Das Gefühl, die Welt bliebe für einen Moment stehen, verharmloste Lillis Drastik-Begriff nicht eben. Sie grub ihre Fingernägel in Ilias’ Rücken und warf ächzend den Kopf in den Nacken. Ilias spürte, wie sich Lillis Muskeln um ihn herum zusammenzogen, er wusste von der Ekstase ihres Höhepunktes. Vorbehaltlos ließ er sich davon mitreißen und hielt sich nicht länger zurück. Selbst vom begehrenswerten Rausch seiner Sinne betäubt, setzte er sich in übernatürlicher Geschwindigkeit auf, noch immer tief mit Lilli verbunden. Ilias hob das federleichte Mädchen um die Taille an, so dass ihr Oberkörper weit nach hinten lehnte. Er hörte ihr Herz flattern, sah ihren Körper beben, ihre süßen Lippen leicht geöffnet. Dann neigte er sich weit nach vorne, presste Lilli an sich und legte den Mund auf ihre pulsierende Halsschlagader. Seine Zunge stieß mehrmals an den vampirischen Hauptangriffspunkt, wenn man es denn so nennen wollte. Wie im Wahn umspülte ihn das Geräusch des pochendes Blutes, das ihn an Lillis noch unversehrter Haut saugen ließ. Trotz allem nahm er wahr, wie sich Lillis Hände in seinen Haaren verfingen und sie ihn so noch fester an ihren Hals drückte. Auch ohne die unmissverständliche Auforderung, hätte er getan, wozu ihn sein Naturell dringlichst trieb. Seine Zähne drangen endlich, wie vor viel zu vielen Tagen zuvor, mühelos durch die feine Haut Lilemours. Im Geiste längst vereint, fühlten sie atemlos die zweite innige Körperverbindung zwischen ihnen. Ilias trank aus der kleinen Wunde, nahm jedoch nicht so viel, als dass Lilli das Aufkommen von Schwäche verspürt hätte. Kaum hatte der Vampir die letzten Tropfen des roten Lebenssaftes in sich aufgesogen, zog er Lilli zu sich hoch. Mit den um seine Hüften gewundenen Beinen, schlang sie ihre Arme um seinen Hals und belud ihn mit ihrem ganzen Gewicht, wofür er keinerlei Kraftaufwand benötigte. Lilli schmiegte sich an Ilias und ließ die Nachbeben der sexuellen Wonnen ausgedehnt über sie beide hinwegfegen. „Siehst du nun ein, dass du dich mir viel früher hättest hingeben sollten.“ Leise säuselte Ilias’ Stimme an Lillis Ohr. Sie nickte verträumt, obwohl sie ihm eigentlich hätte klar machen sollten, wie wenig sie von überstützten Liebesaffären hielt. Vor allen Dingen mit Vampiren. Nein, überstürzt hatte sie wirklich nichts und das war gut so. Erst über die Zeit hatte sie lernen müssen, seine Denkstrukturen auszuloten und seine Absichten allerlei Dingen gegenüber zu verstehen. Seine Absichten ihr gegenüber waren wahrscheinlich mit Abstand die positivsten, die er je gehegt hatte. Ruchlos war er freilich nichtsdestotrotz. Unablässig strichen seine Hände über ihre Seiten, ihren Po, ihre Beine, bis sie plötzlich wieder neben ihm auf dem Bett lag. Sie brauchte immer ein wenig Zeit, um sich von seiner Schnelligkeit zu erholen. Kaum war das geschehen, kam Lilli sein Fortgehen wie ein betrauerbarer Verlust in ihrem Innern vor. „Lass uns diesen Akt noch einmal vollziehen. Jetzt.“ Ilias grinste sie unverschämt an, wobei er die Hände über den Kopf legte und sich wie eine Katze reckte. Wie er da so lag, hätte ihn Lilli furchtbar gern abgezeichnet. Leider konnte sie gar nicht zeichnen und er blieb auch nicht lange genug in dieser Position, als dass es einen Sinn gemacht hätte, zu Stift und Papier zu greifen. Ilias hatte bereits wieder ein Bein zischen ihre eigenen geschoben. Doch Lilli wandte sich von ihm ab. Der Schmerz war in ihren Schoß zurückgekehrt, dumpf und drückend. So wie es sich anfühlen musste, wenn man zwei Tage ohne Pause auf einem Pferd ohne Sattel geritten war. Ungeübt und im Sausewind. „Ich verstehe“ ,verstand Ilias, ganz ohne dass er es verstehen konnte. „Das Blut von Jungfrauen hat keine heilende Kraft, aber das Blut der Vampire“ ,legte er dar. „Oder zumindest etwas, das dem gleichkommt. Glaubst du, du wärest nach deinem erfrischenden Seebad sonst jemals wieder aufgetaut?“ Er bettete seinen Kopf auf ihre Brust, was seine Stimme in Lillis Ohren vibrieren ließ. „Ich bin, nur so ganz nebenbei, in der Lage dazu, dich mit meinem Blut für unbestimmte Zeit jung zu halten. Jung und am Leben. Dieser Gedanke scheint dir zuzusagen“ ,amüsierte er sich, weil Lillis Herz bei dieser Nachricht wieder schneller schlug. Weniger wegen der Vorstellung auf immer jung zu sein, oder gar unsterblich, sondern an Ilias’ Seite. „Mein Blut wird stärker werden, je länger ich existiere. Ich ziehe dich mit mir, in das umgekehrte Reich der Toten, ohne dass du sterben musst, Lilemour. Vielleicht...“ Lilli fuhr kurz zusammen, denn Ilias hatte leicht in ihre linke Brust, nahe des Herzens gebissen. „...Vielleicht mache ich dich eines Tages zum Vampir. Andererseits genieße ich deine weite Unterlegenheit. Was selbstverständlich nicht bedeutet, dass du jemals auch nur in die Nähe meiner Fähigkeiten kämst, Vampir hin oder her. Mal sehen wie mir der Sinn danach steht, dich doch noch irgendwann zu töten.“ Ilias lachte auf seine eigene durchtriebene Art und Weise auf Lillis entsetzen Gesichtsausdruck hin. „Wehe dir du fragst mich vorher nicht“ ,drohte Lilli mit erhobenem Finger, „oder ich...ich verweigere mich dir!“ Weil sie errötete, entschlüsselte der Vampir die Kernaussage der Botschaft und sagte: „das kannst du gar nicht, wenn du nicht gegen dich selbst arbeiten willst“ ,womit er sicherlich Recht hatte. „Ich werde dich also fragen, sollte es je dazu kommen“ ,gestand er ihr zu. „Ich will mich auch jetzt herablassen in Erfahrung zu bringen, ob du nicht Zeuge von etwas Erstaunlichem werden möchtest.“ Lilli war sich bei seinem Anblick hundertprozentig sicher, dass sie Zeuge von etwas Erstaunlichem werden wollte. Sie hatte aber nicht damit gerechnet, dass das Erstaunliche damit anfing, dass sich Ilias in zwei Finger biss. Dunkelrotes Blut rann seinen Mittel- und Zeigefinger hinab. Lilemour würde sich wirklich, wirklich an die nahezu unsichtbaren Bewegungen von Ilias gewöhnen müssen, wenn sie nicht jedes Mal aufs Neue blöd aus der Wäsche schauen wollte. Momentan schaute sie von oben auf die Bettdecke herab. Sie hatte sich auf allen Vieren wiedergefunden und nahm erst jetzt zur Kenntnis, dass sich Ilias hinter ihr befand. Er legte eine Hand um ihre Mitte und animierte sie dazu, die Beine weiter zu öffnen. Sie spürte seine samtweichen Küsse nun auch auf ihrem Rücken. Darum ließ sich schlecht sagen, wie lange sie in dieser Stellung würde bleiben können, ohne von einer neuen Welle der Erregung niedergedrückt zu werden. Das wurde vor allem fraglich, als Ilias’ blutgetränkte Finger in sie hineinglitten und sich so gar nicht untätig gebärdeten. Lilli biss sich auf die Lippen, denn Ilias sollte Recht behalten. Tatsächlich verflüchtigte sich der dortige Schmerz bald, bis sie nur noch das wahrnahm, was Ilias ihr im Augenblick schenkte. Sie betete, er möge noch immer den eben angekündigten Plan verfolgen, denn sie fürchtete, sonst einfach zu explodieren. Jedenfalls würde etwas Drastisches passieren. Lilli seufzte, wie sie beschämt merkte, erleichtert auf. Ilias hatte seine Finger mit etwas weniger Spitzem, dafür wesentlich Umfangreicherem ersetzt. Alle Fenster des Jagdhauses waren fest verschlossen, um jedes Eindringen von Tageslicht zu vermeiden. Noch waren es zwei Stunden bis Sonnenaufgang. Aber das wusste Lilli nicht. Es war auch einerlei. Wichtig war, dass das Feuer im Kamin prasselte und dass sie in den Armen des unmöglichsten Vampirs lag, unter dem die Menschheit je zu leiden gehabt hatte. Schläfrig drückte sie ihre Nase in seine warme Halsbeuge. Über die Nacht hatte sie doch mehr Blut einbüßen müssen, als es beim ersten Mal den Anschein gehabt hatte. Doch Ilias entschied, dass es für sie beide nicht sonderlich tragisch war, ein wenig vom Tag zu ruhen, wie es für einen Vampir erholsam war, aber nicht notwendig. Solange das Licht die Untoten nicht berührte, genossen sie auch Tags über in den Räumen volle Bewegungsfreiheit. Wenn sie es denn wünschten. „Wohin gehen wir, wenn die nächste Nacht hereinbricht“ ,wollte Lilli wissen. Sie spielte mit einer seiner langen Haarsträhnen. Ilias malte mit seinen Fingernägeln unsichtbare kryptische Zeichen auf ihren Bauch und gab nichts von sich. Bis auf: „ich würde dafür plädieren, ein wenig Urlaub zu machen. Eben hier. Mir gefällt die Einrichtung des Hauses, mir gefällt die Besetzung und Stawrogin wird mir das nicht übel nehmen. Wenn ich angestrengt darüber nachdenke, dann ist er mir sicher noch etwas schuldig. Irgendwas wird sich schon finden lassen.“ „Und dann?“ „Menschen planen zu viel“ mokierte sich Ilias scherzhaft, „lass es einfach auf dich zukommen.“ „Ich meine doch Oktavian.“ Lilli veränderte ihre Position, so dass sie Ilias in die Augen sehen konnte. „Wird er keine Vergeltung suchen?“ Ilias lächelte fies. „Oktavian sucht Vergeltung seit ich ihn kenne, er ist wenig mehr als ein rachsüchtiges Phantom. Gesetz dem Fall, er würde sich erholen, so soll er doch kommen, soll er doch jemanden schicken. Es würde nicht fruchten. An mir beißt er sich noch die schärfsten Zähne aus und er weiß es. Er tut besser daran uns in Frieden zu lassen.“ „Was ist denn eigentlich aus deiner Revolution geworden?“ „Die hab ich durchgebracht, würdest du nicht auch sagen?“ „Und d...“ „Die Revolution frisst immer ihre eigenen Kinder, hast du nie davon gehört?“ ,unterbrach Ilias sie. „Ehe das geschieht, steige ich aus. Ich habe was ich wollte. Was jetzt noch passiert ist mir egal, so lange es uns nicht persönlich betrifft, was es nicht tut. Wir sind frei. Ah, Stawrogin wird den Laden schon schmeißen, in ein, zwei Jahrhunderten wird ihm wahrscheinlich ohnehin die halbe Welt gehören.“ Ilias sah Lilli an, bis sie der absoluten Überzeugung war, dass es gar nichts anderes mehr geben könne als ihn. „Wir könnten in einigen Tagen nach Indien fahren“ ,fiel ihm ein. Seine Hand umfasste Lillis Hinterkopf, damit er sie zu sich hinunter ziehen konnte. Sacht küsste er sie auf den Mund, doch etwas daran schien ihn jedes Mal so zu entzücken, dass er binnen kürzester Zeit viel fordernder wurde. Lilli entdeckte, dass sie gar nicht genug davon haben konnte. „In China war ich die letzten sechzig Jahre auch nicht mehr.“ So bemerkte Ilias in einer Unterbrechung, die auf Grund Lilli’s vorübergehender Atemknappheit entstanden war. Jemand, der keine Luft brauchte, konnte das natürlich nicht nachempfinden. Ilias drehte sich und begrub Lilemour unter sich. „Wie wäre es mit Neuseeland? Andererseits wird mich Georg zu Hause sicherlich schmerzlich vermissen. Eins steht fest, wir fahren mit derjenigen Eisenbahnlinie, auf der man reichlich Fahrkarten entwerten lassen muss.“ „Glaubst du, wir sehen sie je wieder?“ Emilie stand am größten Fenster von Antonios Wohnung und sah nachdenklich hinaus. Ihr Freund war seit etwa zwei Stunden damit beschäftig, nach einem Rezept von Evgeni extra dünne Pfannkuchen zu kreieren. Das mit dem Hochwerfen, Wenden und wieder in die Pfanne segeln lassen, hatte er ebenso wenig drauf, wie das Pfannkuchen machen an sich. Mit einer Schürze, auf der Emi Sponge Bob entgegenlachte, kam Toni aus der Küche. Teig klebte ihm in den Haaren. Er schaffte es, ein betretenes Gesicht zu machen. „Ich weiß es nicht, Emi, meine Knutschkugel.“ Er grinste frech, aber die Blonde verzog nur säuerlich ihre Miene. „Ich meine es ernst.“ „Ich auch. Ich weiß es wirklich nicht.“ Und dieses Mal, das wusste Emi, meinte es Toni wirklich ernst. „Wenn es das Schicksal so will“ ,hängte er unnötig pathetisch an, „dann sitzen du, Lilemour, Ilias und ich einst einmal bei einer beschaulichen Runde Vampir ärgere dich nicht zusammen und erzählen uns Schwänke aus unseren toten und lebenden Leben.“ Gern würde sich Emilie diese Szene vorstellen. Besser noch, aber unmöglich, ohne Ilias, dem sie nun wirklich keine Sympathien entgegenbringen konnte. Bis auf die freilich, dass er mit ihrer besten Freundin rumhing. Sollte Emi Stawrogin Glauben schenken, so würde sie sich keine Sorgen machen müssen. Wortkarg wie immer hatte der Vampir sie auf ihre Frage hin wissen lassen, dass Lilemour bei Ilias ganz trefflich versorgt sei. Sie seufzte tief. „Meinst du, wir sollten Stawi einladen? N’ bisschen was von den Pfannkuchen wird er schon runterkriegen, ich mein, ich schaff’s ja auch.“ Toni kratzte sich nachdenklich am Kopf. Emi stützte die Hände in die Hüften. „Ich bin sicher, wir werden sie wieder sehen, jawohl!“ „Guck mal, ich hab noch viel Teig übrig, würd für einen mehr echt reichen.“ „Und dann werden wir ein riesiges Wiedersehensfest machen!“ „Ihh, ich glaub, ich hab zu viel Eier genommen. Was sagtest du noch? Zwanzig Eier! Oder warn es zwei?“ Emilie lachte. „Jedenfalls bin ich sicher, dass sie glücklich ist! Ich fühle es, so wahr ich die Nachteile von Vampiren kenne.“ Sie fischte die Teigreste aus Tonis Haaren, schmierte sie auf Sponge Bob und umarmte ihren verblüfften Freund stürmisch. „Aber auch die Vorteile.“ ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)