Schattenspinner von Tamy-kitsune (Im Spinnennetz düsterer Magie) ================================================================================ Kapitel 6: Schattenfresser -------------------------- Nicht einmal mehr die Blätter boten Schutz vor dem gleichmäßig hinunter prasselnden Regen, so daß kein Schattentänzer, der nicht unbedingt mußte, den Schutz seines Nestes oder seiner Höhle verließ. Die wenige, die unter den Bäumen umher eilten zogen die Kapuzen tiefer in die Gesichter oder nahmen es gelassen hin, von Kopf bis Fuß durchnäßt zu werden. So auch der Elf, der nun am Fuße eines der hohen Wohnbäume stehen blieb, ehe er mit dem Aufstieg begann. Sein dunkles Haar klebte in Strähnen an den Wangen fest und hob damit die dunklen, tiefen Narben noch deutlicher hervor, die ihn an den Gesichtsrändern zeichneten. Schattenspinner streifte jedoch den nassen Kittel und die Hose ab, bevor er in sein Nest klet-terte und legte die Sachen nahe des Eingangs ab. Feuchtigkeit tropfte aus seinen Haaren über den ebenfalls von Narben gezeichneten Körper und bildeten kleine Rinnsale, die die Decke auf dem Boden netzten. Die Feuchtigkeit in seinem Gesicht bestand jedoch nicht nur aus Regen. Tränen der Erschöp-fung schimmerten in Schattenspinners Augen, als er sich auf sein Lager fallen ließ und die warme Decke über sich zog als suche er dort verzweifelt Schutz. Der Elf zitterte am ganzen Leib, und das nicht nur durch die klamme Kälte. Auch die Narben an den Wangen schmerzten heftig aufgrund der Anspannung, die ihn von den Fuß, bis zu den Haarspitzen erfüllte. Es war zu viel auf einmal geschehen, mit dem er nicht fertig wurde. Da war das Gespräch mit Loyahm, das seine letzten Zweifel beseitigt und doch wieder viele neuen Fragen aufgeworfen hatte: Er war einmal Sturmtänzer gewesen, der Gefährte von Frühlicht, ja ... aber welche Umstände hatten zu ihren Tod geführt. Trug er durch seine Un-vernunft die Schuld daran? Was hatte er damals getan, das zu der Katastrophe geführt hatte? Er wimmerte leise, als das Brennen der Wangen in seinen Kopf überwechselte. Dieses Ge-heimnis lag unter dem Schmerz verborgen. Genauso wie seine Erinnerungen. Dessen war er sich ebenfalls sicher. Eine Weile blieb er still liegen, dann öffnete er noch einmal die Augen und blickte auf die getrockneten Purpurwindröschen, die noch immer ihren frischen Duft und das Versprechen von Sommer verbreiteten. Rosenlieb gehörte zu den wenigen, die zu ihm standen, weil sie ihn nicht verurteilen wollte und konnte. Die wenigen anderen, die inzwischen erfahren hatte, wer er einst gewesen war, wagten nicht, sich ihm zu nähern, sei es nun aus Vorsicht, oder weil sie zu sehr mit ihren ei-genen Problemen beschäftigt waren, und für die jüngeren Elfen, die erst nach seinem Ver-schwinden geboren worden waren blieb er einfach der Fremde, der nach langer Zeit heimge-kehrte Schattentänzer. Nur manchmal hatte er das Gefühl, daß ihn eine Elfe, Sirkayla Eisherz, genauer beobachtete, aber bisher hatte sie ihn noch nicht angesprochen, so als warte sie auf eine günstigere Gele-genheit. Wenn er nicht darüber nachdenken wollte, floh er in die Arbeit, denn gerade jetzt im Spätherbst waren viele Nahrungsvorräte für den nahenden Winter haltbar zu machen und in sichere Verstecke zu bringen. Er preßte die Hände an die Wangen, als sich ihm die schmerzhaften Gedanken wieder auf-drängten. Warum nur kam alles so schnell ans Licht der Sonne? Schlag auf Schlag wie ein Unwetter nach dem anderen? Der dunkelhaarige Elf schloß wieder die Augen und versuchte, sich durch langsameres Atmen zu beruhigen. Von unten her vernahm er das glockenhelle Lachen seiner Enkeltochter Son-nenlanze. Schattenspinner seufzte als ihn ein anderer Schmerz rührte. Elea! Noch immer nicht hatte er sich an die Elfe heran getraut, die seine Tochter war, und mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen schien. er hatte Angst vor dem, was sie ihm sagen würde, wenn er ihr gegenüber trat und sich zu erkennen gab, denn ihre erste Begegnung in dem Ver-steck in der kleinen Höhle unter den Steinen war bereits bezeichnend gewesen. Aber was würde sein, wenn er es nicht tat? Sie würde über kurz oder lang ohnehin von anderen erfah-ren, wer er wirklich war - und spätestens dann mußte er sich seiner Tochter, das Wesen, das ihm am nächsten stand, stellen. Schattenspinner preßte die Hände vor das Gesicht, als sein Herz wieder heftiger zu pochen begann. Er war so verwirrt, so durcheinander, daß er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Wirre Bilder huschten durch seinen Kopf: Szenen von dem was einst gewesen war, was niemals eintreten würde, und was die Zukunft als möglichen Weg für ihn bereithalten mochte. Wünsche, Hoffnungen und Ängste ließen ihn innerlich aufschreien und in einen bunten Wir-bel der Farben treiben, ohne daß er sich dagegen wehren konnte, denn sein Impuls, der Qual zu entgehen war stärker. Dann plötzlich wurde es dunkel und still um ihn. Dayin fühlte sich geborgen und beschützt wie im Schoß seiner Mutter und ließ sich immer tiefer fallen. Er wollte nur noch ruhen, vergessen, schlafen, denn es tat so gut, bar jeder Sor-ge zu sein. Sollte das wirklich alles sein? Dann sah er in der Ferne ein Licht und erinnerte sich an die Erzählungen, die er auf seinen Wanderungen gehört hatte, daß jeder reinblütige Elf am Ende in den Palast zurück kehren würde, die Heimstatt der Hohen. Sicher war er das Licht, das ihn leitete. So bewegte sich Dayin langsam darauf zu, trieb mit einem unsichtbaren dunklen Strom, der ihn sanft umspülte und streichelte. Aus dem Licht schälte sich nun ein heller Schemen, die Gestalt einer Elfe, die ihre Hand nach ihm ausstreckte. Nicht viel mehr als ihre Umrisse waren zu erkennen, und wie ein Schleier umwehte spinnwebfeines Haar ihr Gesicht. ** Komm mein Geliebter!** raunte sie mit süßer, verlockender Stimme. ** Ich war so lange einsam ohne dich. Aber nun bist du zurück und bereit, für immer bei mir zu bleiben, denn du hast keine andere Wahl. Was getrennt war wird nun vereint, was gespalten ist geheilt. Wir sind wieder eins!** Dayins Herz pochte schneller, aber nicht vor Angst, sondern tiefempfundener Freude, denn keine andere, als der zweite Teil seiner Seele konnte ihn so erwarten! Auch wenn sie sich so sehr verändert hatte. Aber er kannte diese Gestalt, dieses zarte, zerbrechliche Wesen, das nicht weniger als die Seele einer vertrauten Gefährtin war. Er streckte die Hand aus und blickte zu der gesichtlosen Gestalt auf, die ihn nun um einen Kopf überragte. Lichtschleier umflossen sie wie ein glitzerndes Gewand. Sie war so wunder-schön und ihre Helle vertrieb alle dunklen Schatten aus seinem Geist. Das konnte nur Frühlicht sein, stellte er benommen fest, auch wenn in einem Winkel seines Geistes Zweifel flüsterten. Sie war doch eine Wolfsreiter, warum aber glich sie dann so sehr einer Hohen? Selbst wenn sie von ihrem sterblichen Blut befreit war, so ... doch das offene, liebreizende Lächeln bekehrte ihn eines anderen und er reckte sich ihr entgegen. Doch kurz bevor sich ihre Finger berührten, erklang eine andere, energische Stimme tief in seinem Geist. ** Nein, Dayin, mein Herz, meine Seele! Ich bin nicht gestorben, damit du ihr nun doch verfällst, mein Geliebter, um den Preis für etwas zu bezahlen, was du ihr gar nicht schul-det. Traue ihr nicht! Und folge ihr keinen Schritt! Ich bin hier, mein Geliebter, in deiner Seele, deinem Herzen und nicht vor dir!** Dayin hielt inne, als er seinen Irrtum endlich erkannte, und, sah was nicht stimmte. Er spürte die vertraute Nähe der geliebten Seele, so daß er ihrer Bitte rasch gehorchte und vor der Er-scheinung zurückwich. Nun betrachtete er die Gestalt vor sich mit klarem Blick. Nicht länger blickte sie ihn aus Frühlichts Augen an und mit dem Lächeln seiner Gefährtin. Diese Züge waren, härteren ge-wichen, wie in Stein gemeißelten mit kalten kristallenen Augen und einem schmalen verkniffe-nen Mund. Gier verzerrte das Gesicht zu einer gräßlichen Maske, wie sie manche der Men-schenstämme schufen und dann Dämonen nannten, und die Finger waren nichts weiter als dürre Klauen. Seine Augen weiteten sich, als er seine Hand nicht zurückziehen konnte, doch er atmete er-leichtert auf, als er plötzlich die starke, vertraute Seele seiner Gefährtin um sich herum spür-te. Blasse aber kraftvolle Finger umschlossen sein Handgelenk und zogen es zurück, ehe er die Berührung der Elfe vor ihm vollenden konnte. ** So einfach entkommst du mir nicht! Du bist schon einmal davon gelaufen, ein zweites Mal lasse ich das nicht mehr zu! Denn schließlich habe ich etwas, was dich an mich bin-det! Davor konnte sie dich nicht schützen!** Die Erscheinung lachte. Ein wütendes Heulen, wie das eines heftigen Sturmes erklang, als erste Blitze Dayin entgegen zuckten. Der Zorn der Erscheinung entlud sich in tödlich wirken-den Funken und bedrohlichem Zischen. Dayin wich immer weiter zurück, denn auch wenn er nicht wußte, warum, so ahnte er doch, daß diese Lichtgestalt sein endgültiger Tod sein konnte, wenn er sich nicht in Acht nahm. Kraft gab ihm nun die geisterhafte Erscheinung an seiner Seite - Frühlicht, die ihn immer wieder mit Blicken und ihrer Berührung antrieb ** Lauf, mein Geliebter. Lauf und flieh vor ihr, so wie do es schon einmal getan hast! ** "Als ich ihn mehrere Tage nicht gesehen habe, was bei diesem Wetter nur zu verständlich ist, mußte ich nach ihm sehen, und dann habe ich ihn so gefunden!" sagte Rosenlieb besorgt, während sich Lahria Silbermond die Heilerin über Schattenspinner beugte und vorsichtig die Decke aus der Umklammerung seiner Finger löste, ehe sie diese zurückschob. Die Haut des dunkelhaarigen Elfen war trocken und heiß wie über dem Feuer getrocknetes Leder und die Lippen in dem eingefallenen Gesicht gesprungen und blutig. Daß noch Leben in ihm steckte stellte sie an den zuckenden Augenlidern und den sich immer wieder verkrampfenden Händen fest. Schattenspinner war in einem schweren Fiebertraum gefangen. "Kümmere dich bitte schon einmal um eine kräftige Brühe, während ich das Fieber senken und ihm etwas Kraft zurückgeben werde. Vermutlich ist er durch den naßkalten Regen krank geworden." Die Heilerin ging an ihr Werk, während Rosenlieb verschwand, doch als die Gerberin wie-derkehrte, sah sie noch immer nicht beruhigter aus, selbst in ihrer Trance nicht. Immer wieder strichen ihre Finger über die Stirn und die Wangen des Elfen und verharrte, als kämpfe sie mit seinem Willen, der sich gegen die Heilung sperrte. Dayin wimmerte leise und öffnete für ei-nen Augenblick die Augen, aber er schien keine der beiden Elfen wahrzunehmen. Die Heilerin gab schließlich auf und schüttelte den Kopf, betrachtete schweigend den noch immer fiebernden Elfen. "Loyahm muß davon erfahren." sagte sie schließlich. "Was ist denn nicht in Ordnung?" fragte die Färberin. Die Heilerin wandte sich Rosenlieb zu. Ihr Gesicht war blaß und ernst. "Ich habe sein Fieber zwar senken können, so daß sein Körper überleben wird, wenn wir uns um ihn kümmern und ihn versorgen, aber ich weiß nicht nicht, ob sein Geist dazu bereit ist zurückzukehren." Sie blickte verwirrt drein holte tief Luft. "Bei den Hohen. Er ist kaum wiederzuerkennen, auch wenn ich in einem Teil seines Geistes, sein vertrautes Wesen spüre. Es ist so schwach, so schrecklich schwach, als sei es von etwas oder jemandem ausgelöscht worden." Die Heilerin strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Dayin war oft bei mir, weil er in seinem Übermut nicht darauf achtete, daß manchmal ein Busch oder ein Stein im Weg war. Doch ich mochte ihn wegen seiner Lebensfreude." Dann wurde sie schlagartig ernst. "Wir haben ihn für tot gehalten, damals als er in das Un-wetter hinaus lief und kurz darauf Frühlicht starb, aber jetzt habe ich eine Ahnung, wie und warum er überlebt haben könnte." "Wie meinst du das?" fragte Rosenlieb angespannt und sah Lahria verwirrt an. "Was ist nun mit ihm?" "Später Elijah, später!" Dayin rannte, so wie es ihm Frühlicht geraten hatte. So wie damals, als er in das aufziehende Unwetter gelaufen war. Und nun, in dem wenigen Licht, daß die dicken, graugelben Wolken gerade einmal durchließen, kämpfte er sich wieder durch das Dickicht, kletterte über Baum-stämme oder kroch unter einer Dornenhecke durch, angetrieben von seiner Furcht, dem We-sen wieder in die Hände zu fallen. Er achtete nicht darauf, daß er sich immer mehr dem Waldrand, und damit dem Gebiet der Fünffinger näherte. Da - zwischen den Bäumen blitzten schon die Wasser des Flusses auf, und sein stetes Rauschen drang an sein Ohr. Doch diesmal fürchtete Dayin die Menschen nicht. Er floh vor einem viel mächtigeren, schrecklicheren Feind. Plötzlich blieb der Elf wie angewurzelt stehen und ballte die Fäuste. Ich bin im Kreis gelaufen, stellte er entsetzt fest. Im Kreis? Nein, das bin ich nicht. Vor ihm erhob sich ein grauer Felsen, so hoch und breit wie zwei Fünffinger. Er war in der Mitte gespalten, und aus dieser Vertiefung erhob sich ein alter, knorriger Baum mit Rinde, die ihn an verwesendes Aas erinnerte. Jemand, der genauer hinsah, und die Phantasie besaß, konnte sich darin die Gestalt eines Elfen vorstellen, der seine Hände zum Himmel reckte, den Kopf zu den Sternen erhoben und das Gesicht in einem Schrei verzerrt. Dayin kannte diesen Ort nur zu genau. Nun erinnerte er sich wieder, wo es fast zu spät war. Als übermütiger Welpe war er damals einer Gruppe von ebenso leichtsinnigen wie neugieri-gen Fünffingern gefolgt und - als sie ihn bemerkt hatten, an diesen Ort geflohen. Schon da-mals war er ihm seltsam vorgekommen, und er hatte sich vom Felsen her beobachtet gefühlt, aber erst sehr später war er auf das Geheimnis gestoßen.. Vor Dayins Augen wurde der Baum lebendig und nahm die Gestalt eines leichengrauen Ho-hen an, der seinen ledrigen Mund zu einem Lächeln verzerrte und sich ihm zuwandte. Die Augen glühten in einem schlierigen Grün, als er seine Hände hob und ihm entwas entgegen hielt. In seinen Klauenfingern zappelte ein vielfarbener Schmetterling. Dayins Herz schlug bis zum Hals, als er erkannte, was die Erscheinung da in ihren Händen hielt. ** Ich habe dich gefangen, und du wirst mir nicht entkommen. An diesen Ort kann dir niemand mehr folgen! ** sagte das Wesen triumphierend. ** Du gehörst jetzt mir. Für alle Ewigkeit! Und wenn nicht in Fleisch und Blut, dann eben so!** Der Elf legte seine Hände an die Schläfen und wimmerte leise, als seine Beine schwer wie Blei wurden, und er hilflos mitansehen mußte, wie die Erscheinung die Hände zum Mund hob und den Schmetterling verschlang - der nicht mehr und nicht minder ein Teil seiner Seele war - der verlorene Laut seines wahren Namens... Nun gehörte er für immer ihr. "Es ist so, als sei sein Geist völlig verschwunden. Schattenspinner - Dayin - atmet noch, aber ich weiß nicht für wie lange noch." Die Heilerin sah fragend zu Loyahm Goldfederfell hoch, der sich über den inzwischen reglosen Elfen beugte und seine Hände über dessen verzerrte Gesichtzüge gleiten ließ, die sich nach und nach entspannten. "Webzeug! Schnell!" befahl er dann, und einer der Bewahrer, der selten von seiner Seite wich, tat seine Arbeit, während der Hohe nachdenklich einen Schritt zurücktrat und dann den Kopf schüttelte. Er beobachtete, wie die glitzernde Substanz den reglosen Elfen einhüllte und damit vor den Unbilden der Zeit schützte. Der Erstgeborene wirkte bleich, während für einen Augenblick Zorn und Unverständnis in seinen Augen aufblitzte. "Frühlicht und Sturmtänzer haben etwas vor uns verborgen. Aber wieso und warum?" murmelte er dann leise. "Das kann uns wohl nur einer beantworten!" erwiderte die Heilerin leise. "Der einzige von ihnen, der noch lebt ... jedoch wie lange?" Sie umarmte Rosenlieb, der für einen Moment Tränen in den Augen standen, die sie dann unwillig aus den Augen wischte. "Ich bin sicher, daß er wieder leben wird. Ganz sicher!" sagte sie dann entschlossen und blickte auf den Kokon. Wir sehen einfach immer wieder nach. Vielleicht ficht er auch nur irgendwo einen Kampf gegen das aus, was seine Vergan-genheit gefangen hält!" Sie ahnte nicht, wie recht, sie damit haben sollte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)