Warum? von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: Gegenwart -------------------- Mit spitzen Fingern tastete er über die verunstaltete Hälfte seines Gesichts, das sich in der glänzenden Metallfläche vor ihm spiegelte. Er wusste das die andere Mitglieder des Teams über ihn tuschelten, kannte die erschreckten, geschockten, neugierigen Blicke mit denen andere Menschen sein Gesicht streiften und ihm das Gefühl gaben, ein Monster, etwas unnatürliches zu sein. Die drei langen, weißen Narben, die sich von der Augenbraue bis zum Kinn zogen waren ständig gerötet und dort wo eigentlich ein Auge hätte sein sollen, war nur noch eine schwarze Höhle. Er mochte die Augenklappe nicht und das künstliche Auge, das er sich gebaut hatte war ihm ebenfalls zuwider. Wenn er jetzt schon künstliche Gerätschaften in seinem Körper hatte, wie lange dauerte es dann noch, bis er ebenfalls zu einem Cyborg werden würde? "Äh Doktor?" Eine Frauenstimme riss ihn zurück in die Gegenwart. "Ja?" Er drehte sich zu ihr um, strich sich die Haare aus dem Gesicht und sah sie fragend an. Ihr Blick striff erschrocken seine linke Gesichtshälfte, wie er mit grimmiger Befriedigung feststellte, bevor sie sich wieder fing und ihm eine Akte entgegen streckte. "Ich soll ihnen das geben - der Chef schickt mich." "Was will der Alte den jetzt schon wieder?", wollte er wissen, nahm die Akte entgegen, öffnete sie aber nicht. "Bitte was?", fragte die junge Frau verwirrt und er grinste leicht. "Ich möchte wissen, was der Chef von mir will." "Ach... ach so, nun, das weiß ich nicht. Er sagt es sei streng vertraulich, was in der Akte steht und nur sie sollen sie öffnen und lesen. Oh, und er erwartet sie in drei Stunden vor dem Labortrakt 6 c." "Richten sie ihm aus, das ich da sein werde...", murmelte er und drehte ihr dann, ohne auf ihre Antwort zu achten den Rücken zu und verließ den Raum. Seit dem 'Unfall' damals arbeitete er hier. Eigentlich hatte er mit Cyborgs nicht mehr zu tun haben wollen, aber was sollte er sonst machen? Offiziell war es ja ein Bombenattentat auf die führenden Köpfe in der Entwicklung von Kriegswerkzeugen... wer wollte schon zugeben, was wirklich passiert war? Das wäre viel zu gefährlich gewesen... würde zum Verlust von Arbeitsplätzen führen, zu Aufständen und das wollte doch keiner. Schließlich gab es ja nur einen Überlebenden und der gab sich mit einer hohen Abfindung und einem guten Posten zufrieden. Offiziell... aber keiner wusste, wie es wirklich in ihm aussah... keiner wusste, das er nachts schreiend aufwachte, weil sein Gesicht schmerzte, weil er den Cyborg vor sich sah, mit diesen großen, traurigen Augen und dass das 'Warum' immer noch in seinem Kopf widerhallte... Seine Schritte klangen dumpf, als er auf dem weißen Kunststoffboden, mit dem der ganze Gebäudekomplex ausgestattet war, in Richtung des Labortraktes ging. Er hatte keine Ahnung, was ihr erwartete, aber er konnte es sich ungefähr denken. Sicher war wieder irgendein Cyborg kaputt gegangen, das Rückenmark war nicht richtig mit dem Gehirn verbunden oder die Bewegungen ging nicht flüssig genug. Oder irgendeiner hatte einen eigenen Willen entwickelt. Es wäre nicht das erste Mal, das so etwas passierte, aber ein paar kleine Verdrahtungen lösten solche Probleme schneller als man dachte. Aus diesem Grund hatte er sich die Akte auch nicht angesehen. "Oh Doktor, da sind sie ja endlich, wir warten schon auf sie." Mit einem freundlichen Lächeln, das so echt war wie ein Kunstrasen begrüßte ihn sein Chef. "Entschuldigen sie meine Verspätung, ich hatte noch etwas zu erledigen.", antwortete er. Gleicher Lächeln, gleicher Tonfall... "Nun, dann wollen wir keine Zeit mehr verschwenden. Da sie die Akte ja gelesen haben, wissen sie ja um was es geht... ich will das sie diesen Fall mit größer Diskretion behandeln, Doktor." "Natürlich." Gott, das klang ja als ginge es um sein Leben. Nun vielleicht wohl eher um seine Position. Ein kleines Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Er konnte den Chef nicht leiden. Genauso wie er den Rest des Teams nicht leiden konnte. "Folgen sie mir Doktor." Die große Flügeltür öffnete sich und die beiden Männer traten ein. Steriles Weiß umgab sie, jemand reichte ihm einen weißen Kittel, in den er kommentarlos schlüpfte und seinem Chef dann weiter folgte. "Das hier ist sie." Eine weitere Tür öffnete sich und sie beide standen vor einem gläsernen Kokon, in dem ein Mädchen mit geschlossenen Augen stand, die Arme über der Brust verschränkt, tausende von Kabeln in dem künstlichen Körper und am Kopf. Er spürte, wie sein Blut zu rauschen begann und suchte nach Halt. Die Stimmen um ihn herum drangen nicht mehr zu ihm durch. Mit einem Mal stieß eines der Geräte einen markerschütternden Pfeifton aus, das Mädchen riss die Augen auf. Diese großen, traurigen Augen. Ihr Mund bewegte sich und obwohl kein Ton zu ihm gelangte wusste er, was sie sagte. 'Warum?' Sein Blick hing wie hypnotisiert an ihr, Schreie gellten um ihn herum auf, jemand drückte einen Knopf und sie schloss die Augen wieder, das Gerät verstummte. "Sehen sie jetzt Doktor? Doktor, ist ihnen nicht gut?" Sein Chef sah ihn mit echtem Besorgnis an. "Nein, nein, es geht schon...", murmelte er. "Ich bin mir sicher, das sie dieses Problem in den Griff bekommen. Delta 78 ist bei ihnen sicher in guten Händen..." Ende Gegenwart Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)