Diagnose: Schreibblockade von Geminy-van-Blubel (Dreimonatige Challenge) ================================================================================ Kapitel 35: 3.2.2024: Laurin ---------------------------- „Na schön, es klingelt sowieso in einer Minute. Eure Hausaufgaben habt ihr, also Schluss für heute und habt ein schönes Wochenende!“, legte die Lehrerin die Kreide neben die Tafel und schaute den Kindern kurz dabei zu, wie sie freudig in die Pause stürmten. Es war wieder einmal eine bunte Deutschstunde gewesen, die ihren Abschluss mit einer kurzen Eintragung ins Klassenbuch fand. „Ach, Laurin!“, fiel es ihr wieder ein, als der schüchterne Junge aus der letzten Reihe langsam an ihr vorbei ging. Sie merkte gar nicht, wie er innerlich zusammenzuckte und die Augen verdrehte. Zwar trieb ihn nichts an, auf den Pausenhof hinunter zu gehen, aber auf ein Gespräch mit ihr hatte er auch wenig Lust. Gerade mit ihr… „Ja, Frau Müller?“, blieb er trotzdem brav stehen und wartete der Dinge, die da kommen sollten. Konnte sie die Situation überhaupt noch schlimmer machen? „Hast du deine Eltern mal gefragt, wie sie auf deinen Namen gekommen sind?“, lächelte sie ihn an und stand mit ihrer Fröhlichkeit im gänzlichen Kontrast zu seiner versteinerten Miene. Er schüttelte den Kopf, als wolle er damit auch einen Ballast von sich abschütteln. „Solltest du unbedingt noch machen! Ich find das spannend!“, verstärkte sie ihren Ausspruch mit einem Nicken und ließ Laurin endlich aus dem Klassenraum, als ihr sein unruhiges Scharren mit dem Fuß auffiel. „Na los, spiel schön mit den anderen. Bis Montag!“, wünschte sie und war mit den Gedanken längst bei der nächsten Klasse, als Laurin eilig das Zimmer verließ. Sie bemerkte gar nicht, wie aufgewühlt der Junge war und erst recht nicht den Spießrutenlauf, den er jetzt antreten musste. „Na, Zwergenkönig?“, hallte es ihm schon in der Eingangshalle entgegen und wurde von einem „Dornröschen!“ untermauert, als er hinaus auf den Schulhof trat. Sein Butterbrot fest an sich gedrückt, bahnte er sich den Weg durch die lästernde und lachende Meute, um hinter einer Gruppe Zehntklässler Schutz zu suchen. „Hey, bist du gemeint?“, wandte sich eine der Älteren an ihn und zeigte hinüber zu den lachenden Siebtklässlern. Laurin starrte sie kurz an und rannte dann vom Schulhof runter, ungeachtet der Rufe anderer Schüler, dass man das nicht dürfe. In der Nähe gab es einen kleinen verlassenen Garten, umringt von einer Hecke, die nur an einer Stelle genug Platz bot, um geschützt vor den Dornen durch sie hindurch zu schlüpfen. Zumindest als schlanker Junge, der Laurin glücklicherweise war. Hier konnte er wenigstens ein bisschen Ruhe finden, ehe er sich wieder dem Gespött aussetzen musste. Er ging hinüber zu einer verwitterten Bank, die unter anderer Statur vermutlich längst zusammengebrochen wäre. Mit einem leisen Seufzen ließ er sich auf ihr nieder und packte sein Pausenbrot aus. Aber Hunger hatte er keinen. Er ließ die Schultern sinken und legte das Brot beiseite. Alles nur wegen Frau Müller!, dachte er und trat ein Steinchen mit dem Fuß weg. In der letzten Deutschstunde hatte sie plötzlich eine südtiroler Sage hervorgekramt, in der es um einen Zwergenkönig und seinen Rosengarten ging. Der Zwergenkönig hatte eine Königstochter dorthin entführt und im Kampf mit den Verfolgern trotz Zaubertricks verloren. Darum verwünschte er den Rosengarten, weil er ihn nicht beschützt hatte und seitdem sieht man den Garten nur noch während des Alpenglühens. Eigentlich eine nette Geschichte... Laurin griff sein Brot und warf die Krumen einer Maus hin, die aus dem hohen Gras auf ihn zugelaufen kam. „Na? Bist du heute auch wieder hier?“, fragte er und schaute ihr dabei zu, wie sie aß. Wenigstens einer von beiden hatte Hunger. „Ist es immer noch so schlimm?“, meinte sie plötzlich und er nickte. Inzwischen schrak er nicht mehr vor ihr zurück. „Vorhin hat Frau Müller schon wieder angefangen… Sie wollte wissen, ob ich meine Eltern mal gefragt hab, warum sie mich so genannt haben.“ Er schüttelte den Kopf und legte die Stirn in Falten. Ein kurzes „Was für ein lustiger Zufall, dass du genau wie der König heißt und doch auch so gern Blumen magst!“ war ausreichend gewesen, um den zurückhaltenden Jungen zur Zielscheibe der ganzen Klasse zu machen. Ein bisschen ironisch fand er es schon, dass er sich seitdem fast jede Pause in einem Garten versteckte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)