366 Tage - 366 Geschichten von Gedankenchaotin (366 Tage Challenge 2024) ================================================================================ Kapitel 63: 03.03.2024 - Zug / Bahn ----------------------------------- “Der Halt Berlin Hauptbahnhof entfällt heute, bitte weichen Sie auf den Ostbahnhof oder auf Berlin - Spandau aus.” Die Stimme des Zugbegleiters hallte durch den gesamten Zug und das kollektive Stöhnen, dass von den Sitzen zu hören war, brachte Marie direkt zum Schmunzeln. Sie musste eh zum Ostbahnhof, aber die Mehrheit in ihrem Abteil schien an der Haltestelle aussteigen zu müssen, die heute entfiel. “In der App stand nichts davon, hätte ich das vorher gewusst, hätte ich mir gleich eine Alternative gesucht”, brummte es in der Sitzgruppe schräg neben ihr und als Marie in die Richtung blickte, runzelte sich ihre Stirn. “Raphael?” Überrascht beugte sie sich etwas weiter nach vorne und musterte den jungen Mann etwas. Schräg neben ihr saß tatsächlich ihr alter Klassenkamerad und früherer Schwarm Raphael Brettschneider. Sie hatte gar nicht großartig darauf geachtet, wer an den letzten Bahnhöfen in den Zug gestiegen war und war deshalb jetzt sichtlich überrascht, ausgerechnet Raphael zu erblicken. Als der junge Mann seinen Blick hob und Marie ansah, legte sich seine Stirn in Falten. “Kennen wir uns?” “Marie Mützner, Abschlussklasse 2021”, erwiderte sie und schmunzelte leicht, als sie sehen konnte, wie es hinter der Stirn ihres Gegenübers regelrecht arbeitete. “Marie? Das ist ja eine Überraschung. Was machst du hier?”, hörte sie kurz darauf seine Stimme, nachdem es ihm endlich einfallen war, wer unmittelbar neben ihm saß. “Ich bin auf den Weg in den Osten Berlins. Ich habe meine Eltern in Hannover besucht”, entgegnete sie und lächelte sachte. Sie zögerte kurz, bevor sie auf den freien Platz neben sich deutete. “Magst du dich setzen? Dann muss ich nicht so schreien und die anderen Fahrgäste mit unterhalten", grinste sie, woraufhin sich Raphael automatisch erhob. Er huschte mit seinen wenigen Habseligkeiten zu ihr herüber und nahm direkt neben ihr Platz. Seine direkte Nähe brachte Maries Herz direkt wieder aus dem Takt und den Duft, den sie von Raphael aus ausmachen konnte, hatte sie schon damals abgöttisch geliebt. “Ich nehme an, du wolltest am Berliner Hauptbahnhof wieder aussteigen?”, griff sie das Gespräch wieder auf und der Schwarzhaarige stöhnte sofort leise auf. “Ja, ich habe einen Termin in der Nähe des Bahnhofs. Dort soll ein neues Hotel eröffnet werden und ich will dort die letzten architektonischen Kleinigkeiten besprechen. Das der Zug dort jetzt nicht hält und ich in Spandau oder gar am Ostbahnhof aussteigen muss, bringt meinen ganzen Zeitplan durcheinander”, erwiderte er und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Diese Geste ließ Marie kurz schlucken und sie hatte Mühe, nicht noch das Sabbern anzufangen. “Von Spandau zum Hauptbahnhof sind es nur ein paar Stationen. Du könntest dort aussteigen und mit dem Regionalzug zum Hauptbahnhof fahren. Oder du fährst vom Ostbahnhof zum Hauptbahnhof zurück”, erklärte sie ihm, woraufhin Raphael sein Handy aus der Tasche zog, um herauszufinden, was besser für ihn wäre. Eine der Stationen lag vor dem Hauptbahnhof, die andere dahinter und er hatte keine Ahnung, was genau er überhaupt wählen sollte. Fragend sah er Marie wieder von der Seite aus an. “Welche Alternative würdest du wählen?”, wollte er wissen, woraufhin die junge Frau lächelte. Sie zögerte kurz, bevor sie wieder das Wort ergriff und Raphael vorschlug, zwar zuerst die nächste Haltestelle Spandau zu benutzen, aber nach seinem Termin zum Ostbahnhof zu fahren. “Wenn du noch Zeit und Lust hast, lade ich dich auf einen Kaffee ein und wir können uns darüber unterhalten, was sich in den letzten Jahren nach unten Abschlüssen ereignet hat”, schlug sie ihm vor und über Raphaels Gesicht glitt ein Anflug von Überraschung. Marie kam es wie eine halbe Ewigkeit vor, bis der Schwarzhaarige endlich nickte. “Gerne.” “Super, dann .. gebe ich dir meine Handynummer und du schreibst mir einfach, wann du mit deinem Termin fertig bist, damit ich dich vom Bahnhof abholen kann”, erwiderte sie und speicherte anschließend ihre Telefonnummer in seinem Handy, nachdem er es ihr entgegen gehalten hatte. Kaum, dass sie es ihm wieder zurückgegeben hatte, erklang die blecherne Stimme, dass Spandau der nächste Halt sein würde. Raphael erhob sich wieder und schlüpfte in seine Jacke, bevor er auf Marie herab blickte. “Dann bis später, Marie. Ich freu mich”, sprach er sie an und verschwand anschließend in Richtung Tür. “Bis später”, murmelte Marie hingegen und hatte Mühe, ihren Herzschlag unter Kontrolle zu bringen. Sie konnte nicht fassen, dass sie nach all den Jahren endlich eine Verabredung mit Raphael haben würde. So war die Bahn mit ihren Fahrplanänderungen wenigstens einmal zu etwas gut gewesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)