366 Tage - 366 Geschichten von Gedankenchaotin (366 Tage Challenge 2024) ================================================================================ Kapitel 9: 09.01.2024 - Bergung ------------------------------- Schrill hallte die Sirene durch die ganze Stadt und die Feuerwehrstation. Joaquin und seine Kollegen Mario und Felipe sprangen sofort auf, um zu ihren Fahrzeugen zu gelangen. “Wohnhausbrand in der Granson Street. Hausnummer 56 steht in Flammen und es werden alle Einsatzkräfte benötigt”, rief ihr Chief Hugo ihnen zu, woraufhin Joaquin direkt ins Straucheln geriet. “Was hast du gesagt?”, wollte er wissen und ein Ausdruck von Panik huschte über sein Gesicht. “Wohnhausbrand in der Granson Street, Hausnummer 56 steht in Flammen”, wiederholte Hugo und erstarrte im selben Augenblick ebenso. Die Hausnummern gehörte zu Joaquins Wohnungskomplex und er lebte dort mit seiner Frau und dem fünf Wochen alten Sohn. “Ich muss sofort dorthin", rief er aus und stürmte zu seinem eigenen Wagen. Er achtete gar nicht mehr auf seine Kollegen, sondern wollte so schnell wie möglich nach Hause. Er schlüpfte direkt ins Fahrzeug und brauchte doch ein paar Versuche, um den Schlüssel ins Zündschloss zu bekommen. Seine Hände zitterten, sein Puls raste und seine Gedanken fuhren regelrecht Achterbahn. “Joaquin.” Als er die Stimme des Chiefs unmittelbar neben sich hörte, wandte er seinen Blick in dessen Richtung. “Du solltest in deinem Zustand kein Auto fahren”, schob Hugo hinterher und streckte die Hand nach dem Autoschlüssel aus. “Ich muss aber nach Hause, Hugo. Je mehr Zeit vergeht, umso wahnsinniger werde ich!”, erwiderte Joaquin und bekam gar nicht mit, dass seine Kollegen die Feuerwache längst verlassen hatten. “Dann lass mich fahren, aber du wirst dieses Gelände nicht eigenständig verlassen”, forderte Hugo ihn auf, woraufhin Joaquin kurz zögerte, aber anschließend doch umständlich auf die Beifahrerseite rückte. Die Autofahrt kam Joaquin wie eine Ewigkeit vor und er malte sich die schlimmsten Dinge aus. Was, wenn schon längst alles zu spät war? Oder wenn er Katrina und seinen geliebten Sohn nie wiedersehen würde? “Egal, was uns dort gleich erwartet, Joaquin. Die Bergung der Verletzten steht an erster Stelle, egal um wen es sich dabei handelt”, sprach Hugo den Dunkelhaarigen an, kurz bevor er das Auto an einer Stelle parkte, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Knapp nickte Joaquin und stürzte aus dem Auto. Das Haus, in dem er lebte, stand lichterloh in Flammen und er konnte sehen, dass seine Kollegen und auch die Leute einer anderen Feuerwache bereits mit der Löschung beschäftigt waren. Seine Sicherungen schalteten sich komplett aus und er stürmte regelrecht auf das Haus zu. Er vergaß sämtliche Sicherheitsvorkehrungen und alles, was Hugo ihm noch vor wenigen Sekunden gesagt hatte. Er musste ins Haus, er musste wissen, was mit Katrina und Miguel war. Kurz bevor er die Haustür erreichte und bereits die Wärme spürte, die vom Gebäude ausging, wurde er abrupt zurückgerissen. “Überlass die Bergung den anderen, du bist nicht zurechnungsfähig”, hörte er Hugos Stimme in seinem Ohr, während er seine Arme um Joaquins Oberkörper schlang. “Lass mich los! Ich muss zu Katrina und dem Kleinen”, brüllte er und versuchte, sich von ihm loszureißen. Minutenlang. Er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, so fest war es in ihm verankert, jetzt ist in dieses Gebäude zu müssen. “Was ist denn hier los?” Als er die Stimme der Frau hinter sich hörte, um die sich gerade alles drehte, drehte er den Kopf ruckartig in die Richtung. “Katrina”, stieß er erleichtert aus und als Hugo ihn endlich losließ, geriet er kurz ins Straucheln. Vor ihm stand seine Frau, den gemeinsamen Sohn auf dem Arm und er konnte sehen, dass sich ihre Augen vor Schreck geweitet hatten, als ihr Blick in Richtung Haus huschte. Erst, nachdem Joaquin sich wieder etwas gefangen hatte, trat er auf seine Frau zu und schloss sie in ihre Arme. Erleichterung durchflutete ihn und er drückte seiner Frau einen Kuss auf die Haare. “Es ist alles okay, Quino. Ich war nicht im Haus, hörst du? Es geht uns gut und für alles andere finden wir auch eine Lösung”, flüsterte Katrina ihm leise ins Ohr, als ihr bewusst wurde, welche Ängste ihr Mann durchgestanden haben musste. “Es geht uns gut”, flüsterte sie erneut, woraufhin Joaquin diesmal nur nickte und seine Frau ansonsten schweigend festhielt. Das war alles, was er hören musste und dass ihn gleichzeitig beruhigte: Er musste seine Familie nicht aus seinem eigenen Haus bergen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)