In die Arme des Bösen von FlameHashira (Wichtelgeschichte für Sturmdrache) ================================================================================ Kapitel 5: Chapter Five ----------------------- Er wachte in seinem Futon auf. Sein Katana lag fein säuberlich neben ihm, so wie er es stets bei sich liegen hatte, um nicht komplett wehrlos zu sein. Kyojuro hatte die Decke über seinem Körper liegen und es gab absolut keine Anzeichen für Akazas Besuch. Kyojuro zischte etwas vor sich hin. Er könnte es wieder als Traum verdammen, aber nein ... das war es nicht gewesen.   „Aniue?“   Die Schiebetür zum Rest des Hauses öffnete sich genauso leise, wie Senjuro ihn ansprach, offenbar um sicherzugehen, dass er ihn nicht aufwecken würde, sollte er noch nicht wach sein. Natürlich begann Kyojuro sofort zu lächeln, so sanft und echt wie es ihm möglich war.   „Guten Morgen, Senjuro“, begrüßte er seinen kleinen Bruder, während er sich aufsetzte.   Sein Blick fiel auf den Gehstock, der ebenfalls an seiner Seite lag. Perfekt dazu, aufzustehen und ihn direkt zu ergreifen. Als hätte er ihn selbst genau dort hingestellt. Ob Akaza ihn die Nächte zuvor beobachtet hatte? Für Kyojuro war es durchaus normal, die Türen zum Garten hinaus auch mal offenstehen zu lassen, er machte sich darüber nie Sorgen – das sollte er sich wohl nun machen.   „Ich habe das Frühstück vorbereitet, wenn du etwas essen magst.“   „Ja, sehr gerne. Ich werde nur vorher kurz ins Badezimmer gehen.“   Senjuro nickte ihm sofort lächelnd zu, ehe er die Tür wieder zuschob. Kyojuro blieb noch einen Moment sitzen, bevor er sich mit der Hilfe seines Gehstocks auf die Beine brachte. Er richtete sich auf und betrachtete sein Zimmer erneut. Es schien nichts zu fehlen oder sich verändert zu haben. Die Kerze brannte nicht mehr und er schätzte, dass dies Akaza gewesen war. Sein Briefpapier lag immer noch offen und er spürte eine innere Wut in sich, bei dem Gedanken daran, dass Akaza die Briefe einfach gelesen haben könnte.   Er schüttelte diesen Gedanken und damit verbundene Wut ab, bevor er sich hineinsteigern könnte. Also suchte er das Badezimmer auf, welches mit seinem Zimmer verbunden war und begann sich etwas frisch zu machen und seine Blase zu leeren. Bislang sah sich Senjuro seine verbliebenen Wunden stets an und verband sie dann genauso, wie er es von Shinobu gezeigt bekommen hatte. Vermutlich müssten sie das nicht täglich machen, aber Kyojuro würde Senjuro niemals etwas verbieten können, wenn er ihn so besorgt ansah. Nachdem was vergangene Nacht passiert war ... Er öffnete die Verbände an seinem Oberkörper langsam, sobald er seinen Yukata geöffnet hatte. Die Lagen verschwanden, umso mehr er den Verband abrollte. Es gab keine blutigen Spuren, aber auch keine anderen Flüssigkeiten, die hier und da aufgrund der Wundheilung zu sehen waren – oder der Salben und dergleichen, die er aufgetragen bekam. Als die letzte Schicht nun weg war, ließ sie einen freien Blick zu. Vernarbtes Gewebe, welches immer noch einem Wunder gleichkam. Doch es war anders. Nicht auf eine normale Weise anders. Es wirkte fast so, als wäre die Naht verschwunden, die sein Überleben mehr oder weniger gesichert hatte. Zaghaft fuhr er mit den Fingerspitzen die Stelle nach, an welcher zuvor eine Naht zu spüren gewesen war. Es wäre so oder so an der Zeit gewesen, sie zu ziehen, aber Shinobu war besorgt gewesen. Als er im Schmetterlingsanwesen gelebt hatte, hatte diese Wunde noch ganz anders ausgesehen. Jetzt wirkte sie wirklich verheilt. Natürlich blieb es vernarbt, aber wenn er sie jetzt so sah ...   Er brauchte keine Angst mehr davor zu haben, dass diese Wunde aufging.   Dennoch blieb ein schlechtes Gefühl zurück. Es war unmenschlich, dass sie so schnell verheilt war, was bedeutete, dass es einfach nur aufgrund dessen war, was Akaza getan hatte. Ob er das bei Shinobu ansprechen sollte? Bei Senjuro? Bei irgendjemanden überhaupt?   Kyojuro trat näher an den Spiegel und hob die Augenklappe an, die vor allem dazu da war, es vor Licht zu schützen, sowie Verschmutzungen. Er fuhr auch hier mit den Fingern über die Verletzung. Es mochte schneller oder besser heilen, aber es verheilte nicht komplett. Sein Auge war verloren und er würde es nicht wieder nutzen können. Nun, Gyomei kämpfte blind; da würde er es jawohl schaffen, auf ein Auge zu verzichten. Ob durch die Heilung seiner größten Verletzung auch die große Erschöpfung von allem zurückgehen würde?   Er schob die Augenklappe zurück, bevor er den Mund öffnete und versuchte zu erkennen, ob seine Zähne vielleicht schärfer geworden war. Ob es irgendein Anzeichen dafür gab, dass er dämonischer Natur sein könnte. Doch es schien nichts zu geben. Alles an ihm war so normal wie zuvor – abgesehen von seinen geheilten Wunden. Es gab also keinen Grund zur Sorge. Das war zumindest seine derzeitige Hoffnung. Also schloss er seinen Yukata wieder, ließ den Verband links liegen und machte sich auf den Weg dazu, das Badezimmer zu verlassen, um jetzt endlich zu Senjuro aufschließen zu können, welcher am gedeckten Tisch auf ihn zu warten schien.   Mittlerweile fragte er nicht einmal nach ihrem Vater, er wusste die Antwort vorher schon. Natürlich war er weiterhin einer Unterhaltung bisher aus dem Weg gegangen, dabei war er wirklich niemand, der so etwas langfristig machte – normalerweise war er jemand, der gerne sofort solche Sachen klärte. Er suchte das Gespräch, selbst wenn es mit seinem Vater eher selten ein Gespräch wurde. Dennoch war er bemüht darum, sich um solche Dinge zu kümmern. Immerhin wurde aus Ignoranz nichts besser.   Das hatte er nun auch spüren dürfen, wegen der Angelegenheit mit Akaza. „Lass uns heute einen Spaziergang machen, Senjuro“, meinte er nun stattdessen zu seinem Bruder.   „Oh ... gerne, aber ... schaffst du das denn schon, Aniue?“   „Es muss ja kein außerordentlich langer oder anstrengender Spaziergang sein. Dann sollte ich das wirklich hinbekommen.“   Vielleicht auch besser, als Senjuro gerade dachte. Immerhin hatte Kyojuro seine verheilten Wunden gesehen, welche der größte Grund dafür gewesen war, so erschöpft zu werden. Vielleicht könnte er auch heute endlich wieder richtig trainieren. Er sollte es unbedingt ausprobieren, damit er beim nächsten Mal diesen verdammten Kopf von den Schultern des Dämons schlagen könnte!   „Dann lass uns direkt nach dem Frühstück aufbrechen!“, antwortete Senjuro lächelnd.   Er konnte wirklich froh darüber sein, seinen kleinen Bruder zu haben. Auch wenn dieser genauso wenig über das Bescheid wusste, was gerade bei ihm so abging, so war er wie ein Hoffnungsschimmer, von ruhiger Fröhlichkeit. Hinzukommend riss er ihm aus allerlei Gedankengängen heraus, was gerade mehr als wichtig für ihn zu sein schien.   Vorerst jedoch genoss er das ausgiebige Frühstück und lächelte befreit, als er sogar gekochte Süßkartoffel-Stückchen sah. Seitdem er Zuhause war, gab es eigentlich zu jeder Mahlzeit Süßkartoffeln in verschiedenen Variationen. Seitdem Mitsuri ihnen diese mal mitgebracht hatte, war Kyojuro begeistert davon und Senjuro schien dies als Grund zu nutzen, ihm jederzeit etwas damit zu kochen. Sicherlich gehörte dies auch zum Verwöhnprogramm, welches ihm zuteilwurde, damit er schneller heilte. Dadurch würde er sich keinesfalls schneller erholen, aber es war definitiv etwas Positives, was Kyojuro auch sicherlich mit mehr Optimismus erfüllte.   Das Essen fiel ihm wesentlich einfacher jetzt, er konnte wieder fast so schnell essen wie vor seiner Mission und dem damit verbundenen Kampf gegen Akaza. Er bremste sich nur deshalb aus, weil Senjuro immer wieder etwas besorgt dreinschaute. Ob er auch besorgt wäre zu sehen, dass Kyojuro's Wunden verheilt waren oder würde die Freude darüber überwiegen? Vielleicht sollte er es etwas hinausziehen.   Nach dem Frühstück wechselte Kyojuro die Kleidung, auch wenn er Yukata liebte, sei es zum Schlafen oder einfach daheim zu entspannen, so vermisste er eindeutig seine Hosen – am liebsten würde er die Uniform tragen. Stattdessen suchte er sich aus seinem Schrank lockere Hakama-Hosen aus, sowie ein passendes Oberteil, um beides anzuziehen. Damit fühlte er sich für die Außenwelt draußen eindeutig gewappnet. Sein Blick klebte länger als gewollt an seinem Katana. Dann griff er jedoch danach und nahm es mit – immerhin sollte man stets für alles gewappnet sein, auch am helllichten Tag. Als er aus seinem Zimmer herauskam, war Senjuro bereits bereit, er trug ein Körbchen bei sich, vielleicht damit sie unterwegs pausieren konnten.   Kyojuro hatte das Gefühl, er bräuchte seinen Gehstock nicht mehr, aber er behielt ihn dennoch bei sich. Vielleicht auch deshalb, weil es ihm selbst ein gewisses Gefühl der Sicherheit versprach. „Ich habe Sachen zum Picknicken eingepackt, falls wir eine hübsche Stelle finden!“, erklärte Senjuro seinen Korb auch direkt lächelnd, während er bereits vorausging.   Kyojuro folgte ihm, bereits wesentlich stabiler als jemals zuvor, wodurch er auch schon besser mithalten konnte, was das normale Tempo anging. Das fühlte sich ... wirklich sehr gut an!   „Lass uns in die nahen Wälder gehen. Vielleicht finden wir die Lichtung wieder, wo wir früher oft waren“, meinte er schließlich lächelnd.   „Oh ja! Ich weiß genau, wie wir dorthin kommen, Aniue. Ich gehe immer noch oft dorthin. Die Blumenwiesen sind dort so schön und manchmal kann ich sogar Pilze in der Nähe sammeln. Aber ich hoffe, der Weg wird nicht zu weit für dich sein.“   „Ich fühle mich heute schon sehr gut“, erwiderte Kyojuro schnell. „Mach dir also keine zu großen Sorgen. Ich will es einfach genießen, mal wieder herauszukommen.“   Es half ihm außerdem auch sicherlich dabei, vor allem mit seinem fehlenden Auge zurechtzukommen. Er kam mittlerweile schon gut zurecht, auch nur mit der halben Sicht, die er früher gewohnt war. Im Kampf würde das wohl dennoch nochmal anders sein – deshalb wollte er unbedingt wieder trainieren. Immerhin könnte er dann auch mit anderen wieder trainieren, um sich zu verbessern. So etwas sollte er nicht zu leicht auf die Schulter nehmen.   Gemeinsam verließen sie recht schnell das umliegende Dorf, um die Wälder zu erreichen. Für manche Personen konnte dieser Bereich wohl furchterregend wirken, doch gerade bei Tag war es vielmehr wie ein wirklich entspannter Ort. Die Sonne schien durch die Baumwipfel hindurch und es roch nach Blumen und frischen Wind.   Es war perfekt!   „Ich glaube ... dass es Vater ein wenig besser geht“, fing Senjuro plötzlich an, eindeutig vorsichtig und zaghaft. Kyojuro konnte förmlich spüren, wie er ihm die Chance gab, dieses Thema zu beenden, bevor es angefangen hatte – er sagte nichts. „Er- er scheint weniger zu trinken. Und als du im Schmetterlingsanwesen lagst ... ich meine, er kam nie mit, aber ... er hat mich immer gefragt, wie dein Zustand ist.“   Kyojuro vertraute Senjuro, auch wenn er genauso glaubte, dass sein Bruder verschwieg, dass sein Vater sicherlich auch viel geflucht hatte – vor allem über ihn. Immerhin kannte er fast in- und auswendig, was für Vorwürfe er immerzu bekam. Wichtig als dieses Wissen war jedoch, dass es einen Teil in ihrem Vater gab, der sich scheinbar immer noch Sorgen um ihn machte.   „Er ist unser Vater, Senjuro“, meinte er daher lächelnd. „Vielleicht kann er es nicht so zeigen, wie andere es tun, aber ich glaube fest daran, dass er uns sehr liebt und uns nichts Schlechtes wünscht.“   „Ja, natürlich ...“, sein kleiner Bruder seufzte leise. „Aber ... warum kann er es nicht zeigen? Vor allem, nachdem was passiert ist ...“   Kyojuro wünschte, dass Senjuro sich an die Zeit erinnern könnte, als ihr Vater noch genau das getan hatte. „Vielleicht wird er das ja bald wieder“, ermunterte er seinen Bruder. „Du sagtest, dass er schon weniger trinkt? Ich denke, das ist ein guter erster Schritt. Da es mir jetzt auch etwas besser geht, werde ich das Gespräch zu ihm suchen“   Kyojuro ignorierte die Skepsis, die er tief in sich drinnen deutlich fühlen konnte. Es war sicherlich normal, so zu empfinden. Immerhin erlag ihr Vater nicht erst seit einigen Wochen seiner Sucht, es war schon etwas, dass sehr lange zurücklag und bisher nie besser geworden war. Da war es wohl normal, dass man nicht gleich mit voller Zuversicht in etwas hinein starten wollte – was vielleicht gar nicht anfangen würde. Doch zumindest hatte er das Gefühl, Senjuro fühlte sich nun besser, leichter – zuversichtlicher. Kyojuro hoffte also, dass er diese Zuversicht seines kleinen Bruders nicht ruinieren müsste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)